Primärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung bei einer Vergabe öffentlicher Aufträge: Der oberhalb der Schwellenwerte bestehende vergaberechtliche Primärrechtsschutz des nichtberücksichtigten Bieters nach Zuschlagserteilung [1 ed.] 9783428524839, 9783428124831

Mit der Erteilung des Zuschlags für einen öffentlichen Auftrag endet der vergaberechtliche Primärrechtsschutz des nichtb

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Primärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung bei einer Vergabe öffentlicher Aufträge: Der oberhalb der Schwellenwerte bestehende vergaberechtliche Primärrechtsschutz des nichtberücksichtigten Bieters nach Zuschlagserteilung [1 ed.]
 9783428524839, 9783428124831

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Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Band 178

Primärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung bei einer Vergabe öffentlicher Aufträge Der oberhalb der Schwellenwerte bestehende vergaberechtliche Primärrechtsschutz des nichtberücksichtigten Bieters nach Zuschlagserteilung

Von

Tobias Schneider

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

TOBIAS SCHNEIDER

Primärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung bei einer Vergabe öffentlicher Aufträge

Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft Herausgegeben im Auftrag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster durch die Professoren Dr. Heinrich Dörner Dr. Dirk Ehlers Dr. Ursula Nelles

Band 178

Primärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung bei einer Vergabe öffentlicher Aufträge Der oberhalb der Schwellenwerte bestehende vergaberechtliche Primärrechtsschutz des nichtberücksichtigten Bieters nach Zuschlagserteilung

Von

Tobias Schneider

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D6 Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5383 ISBN 978-3-428-12483-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist im Wintersemester 2006 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster als Dissertation angenommen worden. Sie befasst sich mit dem vergaberechtlichen Primärrechtsschutz oberhalb der Schwellenwerte, der durch seine Beschränkung auf das Stadium vor Zuschlagserteilung geprägt ist. Ausgangspunkt ist die Erarbeitung verfassungs- und europarechtlicher Vorgaben für einen Primärrechtsschutz. Daran wird das Vergaberecht gemessen. Es werden die Lücken des Vergabeprimärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung aufgezeigt und daraus Schlüsse für die Frage der Verfassungsmäßigkeit jener Rechtsschutzbeschränkung gezogen. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Dirk Ehlers, der das Promotionsvorhaben in vielfältiger und stets äußerst wohlwollender Weise gefördert und unterstützt hat. Herrn Professor Dr. Hans D. Jarass danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Dank gebührt auch Frau Professorin Dr. Ursula Nelles und den Herren Professoren Dres. Dirk Ehlers und Heinrich Dörner für die Aufnahme dieser Arbeit in die von ihnen betreute Reihe „Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft“. Herzlich danken möchte ich zudem dem Freundeskreis Rechtswissenschaft für die Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses. Schließlich sei allen gedankt, die in verschiedener Weise zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Besonders erwähnt sei mein Vater, Herr Justizrat Dr. Rolf Schneider, der mein Interesse für das Vergaberecht geweckt und mich in jeglicher Hinsicht unterstützt hat. Düsseldorf, im März 2007

Tobias Schneider

Inhaltsverzeichnis Einleitung

27

A. Begriff und wirtschaftliche Bedeutung des Vergaberechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

B. Entwicklung des Vergaberechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

C. Anlass der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

Kapitel 1 Primärrechtsschutz im deutschen Recht

32

A. Definition des Primärrechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Existenz und Effizienz von Primärrechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

I. Grundgesetzliche Justizgewährleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

II. Die Rechtsweg- und Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . .

35

1. Das Fehlen ausdrücklicher und konkludenter Primärrechtsschutzvorgaben . . .

36

a) Die systematische Stellung des Art. 19 Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

b) Grundsatz des repressiven Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

2. Herleitung einer Primärrechtsschutzgarantie aus der Garantie subjektiven Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

a) Garantie eines subjektiven Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

b) Vorgaben durch das subjektive Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

aa) Die Existenz subjektiver Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

bb) Die Entwicklung des subjektiven aus dem objektiven Recht . . . . . . . . .

41

cc) Inhalt des subjektiven (staatverpflichtenden) Rechts . . . . . . . . . . . . . . . .

43

10

Inhaltsverzeichnis (1) Herleitung einer allgemeinen Integritätspflicht und eines korrelierenden Integritätsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

(2) Inhalt des Integritätswiederherstellungsanspruchs: Bestand und / oder Wert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

3. Garantie eines vorrangigen, weil effektiveren Primärrechtsschutzes . . . . . . . . .

46

a) Inhalt der Effektivitätsgarantie: Vorrang des Primärrechtsschutzes . . . . . . .

47

b) Ausnahmen von dem Vorrang der Pflicht zur Wahrung der bestandsmäßigen Integrität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

aa) Unbeachtlichkeit tatsächlich ineffektiver Ausgestaltung des Primärrechtsschutzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

bb) Entgegenstehendes Interesse des Betroffenen unbeachtlich . . . . . . . . . .

49

cc) Ausgestaltungsvorbehalt und Eingriffsrechtfertigung: Das Gebot ausgewogenen Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

III. Exkurs: Vorgaben aus dem Justizgewährleistungsanspruch gem. Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

1. Herleitung des allgemeinen Justizgewährleistungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . .

53

2. Unterschiede zwischen der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG und dem allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

a) Zurückbleiben in subjektiv-rechtlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

b) Zurückbleiben in objektiv-rechtlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

C. Europarechtliche Vorgaben für die Existenz von Primärrechtsschutz . . . . . . . . . . .

59

I. EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

II. Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

1. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben hinsichtlich der Gewähr effektiven Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

a) Effektiver Rechtsschutz als Allgemeiner Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

b) Die mitgliedstaatliche Verpflichtung zur effektiven Durchführung von Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62

2. Vorrangiger Primärrechtsschutz als gemeinschaftsrechtlicher effektiver Rechtsschutz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

Inhaltsverzeichnis

11

Kapitel 2 Geltung der Primärrechtsschutzvorgaben im Vergaberecht

66

A. Grundlagen des Vergaberechts und des Vergaberechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

I. Inhalt vergaberechtlichen Primär- und Sekundärrechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

II. Die Bedeutung vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67

III. Entwicklung des vergaberechtlichen Rechtsschutzes, insbesondere des Primärrechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

1. Ausgangspunkt: Die Ambivalenz des Vergaberechts als Schutz der Bieter und der öffentlichen Haushalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

2. Die europäische Entwicklung zum (effektiven) Vergaberechtsschutz . . . . . . . . .

71

3. Die nationale Entwicklung aufgrund europäischer Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . .

73

B. Geltung der verfassungsrechtlichen (Primär-)Rechtsschutzvorgaben im Vergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

I. Schutzbereich des Art. 19 Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

1. Die öffentliche Gewalt im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

a) Die Grundrechtsbindung der vollziehenden Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

aa) Die Grundrechtsbindung der privatrechtlich handelnden Verwaltung

78

(1) Überblick über den Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

(2) Gründe für die Grundrechtsbindung privatrechtlich handelnder Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

(a) Ablehnung des aktivistischen Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

(b) Ablehnung des funktionalen Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

(c) Zustimmung zum institutionellen Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

bb) Die Grundrechtsbindung privatrechtlich organisierter Verwaltung . . .

86

(1) Überblick über den Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

(2) Kriterien für die Grundrechtsbindung privatrechtlich organisierter Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

(a) Die öffentlich-rechtliche Organisationsform als hinreichendes, nicht aber notwendiges Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

(b) Ablehnung der Rechtsträgerschaft als Kriterium . . . . . . . . . . . .

89

(c) Ablehnung des funktionalen Kriteriums der öffentlichen Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

(d) Das organisatorische Kriterium der Beherrschung . . . . . . . . . .

92

cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96

12

Inhaltsverzeichnis b) Die Grundrechtsbindung des öffentlichen Auftraggebers . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

aa) Die klassischen Auftraggeber: Gebietskörperschaften . . . . . . . . . . . . . . .

98

bb) Mittelbare Staatsverwaltung und öffentlich-rechtliche Organisationsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

cc) Privatrechtsförmige Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

dd) Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 ee) Natürliche Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 ff) Baukonzessionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2. Der Bieter als Träger des Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . 103 3. Die subjektiven (staatverpflichtenden) Rechte im Vergaberecht . . . . . . . . . . . . . . 104 II. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 C. Geltung der europarechtlichen (Primär-)Rechtsschutzvorgaben im Vergaberecht

106

Kapitel 3 Grundlagen des vergaberechtlichen Rechtsschutzsystems

108

A. Das materielle Anspruchssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 I. Der Anspruch aus § 97 Abs. 7 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 II. Inhalt des Anspruchs aus § 97 Abs. 7 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 1. Begrenzung auf bieterschützende Vergabevorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Anspruch auf formell und materiell fehlerfreie Vergabeentscheidung . . . . . . . . 111 a) Die Verletzung materiell-rechtlicher Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Die Verletzung formell-rechtlicher Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 3. Der Zuschlagserteilungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Die Vertragsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Die Reduktion der Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 aa) Die Reduktion der Vertragspartnerwahlfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 bb) Die Reduktion der Vertragsabschlussfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 (1) Rechtsdogmatische Herleitung des Zuschlagserteilungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (2) Die entgegenstehende Vertragsabschlussfreiheit des Auftraggebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

Inhaltsverzeichnis

13

B. Das prozessuale Durchsetzungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 I. Einführung in den Vergabe(primär)rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Das Verfahren vor der Vergabekammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. Das Verfahren vor dem Oberlandesgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 II. Der vorbeugende Charakter des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes . . . . . . 124 III. Die Überprüfbarkeit der Vergabeentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Kapitel 4 Die Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung

129

A. Die Zuschlagserteilung und ihre Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 I. Zivilrechtlicher Vertragsschluss durch den Zuschlag als Annahmeerklärung . . . . 130 1. Die zivilrechtliche Einordnung der Auftragsvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2. Die zivilrechtliche Funktion der Zuschlagserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 II. Die Folgen der Qualifizierung als zivilrechtlicher Vertrag für die (Nicht-)Aufhebbarkeit der Zuschlagserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 1. Die grundsätzliche Nichtaufhebbarkeit zivilrechtlicher Verträge . . . . . . . . . . . . . 133 2. Die Auswirkungen dieser Grundsätze auf die (Nicht-)Aufhebbarkeit des Zuschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 3. Die Voraussetzung der Wirksamkeit von Vertrag und Zuschlag . . . . . . . . . . . . . . 136 a) Unwirksamkeit aufgrund eines Verstoßes gegen bieterschützende Vergabevorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 aa) Unwirksamkeit gem. § 134 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (1) Aberkennung der Verbotsgesetzeigenschaft aus formellen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (2) Aberkennung der Verbotsgesetzeigenschaft aus materiellen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (3) Ausnahmsweise Anerkennung der Verbotsgesetzeigenschaft . . . . 139 (a) Das Zuschlagsverbot des § 115 Abs. 1 GWB . . . . . . . . . . . . . . . 140 (b) Die Zuschlagsverbote gem. § 118 Abs. 1 und 3 GWB . . . . . . 142 (c) Das Zuschlagsverbot gem. § 13 VgV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 bb) Unwirksamkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

14

Inhaltsverzeichnis b) Unwirksamkeit aufgrund eines Verstoßes gegen nicht-bieterschützende Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 c) Unwirksamkeit aufgrund eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht . . . . 147 d) Zwischenergebnis: Die regelmäßige Wirksamkeit von Vertrag und Zuschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 III. Die Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 1. Der Begriff der Erledigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 2. Die Erledigung des Vergabeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3. Die Erledigung des Nachprüfungsverfahrens bzw. des Nachprüfungsbegehrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 a) Sinnlosigkeit des Nachprüfungsverfahrens nach Zuschlagserteilung . . . . . . 150 b) Keine Auswirkungen auf die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB . . 153 4. Die Erledigung des Bieteranspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

B. Die Vereinbarkeit der Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung mit den verfassungs- und europarechtlichen Primärrechtsschutzvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 I. Die scheinbare Lösung des Problems: Die Vorabinformationspflicht . . . . . . . . . . . . 155 II. Die Vereinbarkeit der Erledigungswirkung mit den verfassungsrechtlichen Primärrechtsschutzvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 1. Anwendbarkeit des Rechtsschutzmaßstabs des Art. 19 Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . 157 a) Die Vorwirkung des Art. 19 Abs. 4 GG auf den behördlichen Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 b) Keine rechtspräklusive Wirkung der Zuschlagserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2. Die Erledigungswirkung als Beschränkung der Rechtsschutzgarantie . . . . . . . . 160 3. Die Rechtfertigungsfähigkeit der Erledigungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 a) Die Verfassungspositionen in der vergaberechtlichen Konkurrenzsituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 aa) Die Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 bb) Der pacta-sunt-servanda-Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 cc) Die Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 dd) Die Funktionsfähigkeit der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 b) Effektiver Primärrechtsschutz vor Zuschlagserteilung als Voraussetzung für die Rechtfertigung der Erledigungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 aa) Funktionsfähigkeit der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

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bb) Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 cc) Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 III. Die Vereinbarkeit der Erledigungswirkung mit den europarechtlichen Primärrechtsschutzvorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 1. Die Vereinbarkeit der einstufigen Vergabe mit der RMRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 2. Die Vereinbarkeit der Erledigungswirkung mit der RMRL bei effektivem Vergabeprimärrechtsschutz vor Zuschlagserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Kapitel 5 Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

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A. Die Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 I. Formelle Wirksamkeit des § 13 VgV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Die Kongruenz von § 13 VgV mit § 97 Abs. 6 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 a) Formelle Bedenken: Begriffliche und inhaltliche Inkongruenz der Nichtigkeitsfolge mit § 97 Abs. 6 GWB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 aa) Die Kongruenz von § 13 S. 1 – 5 VgV mit § 97 Abs. 6 GWB . . . . . . . . 177 bb) Der systematische Zweckzusammenhang zwischen § 13 S. 1 – 5 mit S. 6 VgV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 cc) Die Nichtigkeit als kartellvergaberechtliche und nicht zivilrechtliche Frage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 b) Materielle Bedenken: Kongruenz von § 13 VgV mit den kartellvergaberechtlichen Grundsätzen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 aa) Kein Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtaufhebbarkeit . . . . . . . . . . 181 bb) Kein Verstoß gegen den Unerheblichkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (1) Systematische Begründung: § 13 S. 6 VgV als begründende Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (2) Rationale Begründung: § 13 S. 6 VgV als rechtfertigende Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 2. Vereinbarkeit von § 13 S. 6 VgV mit Art. 20 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 3. Vereinbarkeit von § 13 S. 6 VgV mit der Rechtsmittelrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . 188 II. Der Anwendungsbereich der Vorabinformation gem. § 13 VgV . . . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Adressaten der Vorabinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 a) Die zu Informierenden und Informierten des offenen Vergabeverfahrens . 190

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Inhaltsverzeichnis b) Die zu Informierenden und Informierten des nichtoffenen Vergabeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 c) Die zu Informierenden und Informierten des Verhandlungsverfahrens . . . . 191 d) Zwischenergebnis und Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Die Rechtsschutzfrist des § 13 S. 2 – 4 VgV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 a) Fristbeginn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 b) Fristumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 aa) Die Kürze der Frist mit Blick auf das Erreichen des Zuschlagsverbots des § 115 Abs. 1 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 bb) Weitere faktische Fristverkürzungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 c) Zwischenergebnis und Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 3. Inhalt und Umfang der Vorabinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 a) Relevanz von Inhalt und Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 aa) Die Festlegung des Streitgegenstands im Nachprüfungsantrag . . . . . . . 201 bb) Die Zulässigkeit und Begründetheit i. S. d. § 110 Abs. 2 GWB . . . . . . 203 cc) Das Kostenrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 b) Der erforderliche Inhalt und Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 c) Die Rechtsfolge einer unzureichenden Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 aa) Allgemeine Ablehnung der Nichtigkeitsfolge des § 13 S. 6 VgV . . . . 206 bb) Keine „Rechtfertigung“ durch separate Nachprüfbarkeit der Vorabinformation i.R.d. § 107 ff. GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 cc) Keine „Rechtfertigung“ durch die Überprüfung der Vorabinformation i.R.d. Nachprüfung der Zuschlagserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 d) Zwischenergebnis und Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 III. Die de-facto-Vergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 1. Wirksamkeit von de-facto-Vergaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 a) Keine Nichtigkeit gem. § 13 S. 6 VgV analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 b) Keine Nichtigkeit gem. § 134 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 aa) Kein Verbotsgesetzcharakter der §§ 97 Abs. 1 i.V.m. 101 Abs. 1 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 bb) Kein Verstoß gegen das Verbot von Umgehungsgeschäften . . . . . . . . . . 216 cc) Kein regelmäßiger Verstoß gegen das Verbotsgesetz aus Art. 88 Abs. 3 S. 3 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

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c) Keine Nichtigkeit gem. § 138 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 d) Keine Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht . . . . . . . . . . 219 2. Effektiver Primärrechtsschutz gegen de-facto-Vergaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 a) Die Zulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 b) Keine Vorabinformationspflicht i.R.d. de-facto-Vergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 aa) Keine unmittelbare Anwendbarkeit des § 13 VgV auf de-facto-Vergaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 (1) Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (2) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 (3) Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 (4) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 (5) Richtlinienkonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 bb) Partielle analoge Anwendung des § 13 VgV auf de-facto-Vergaben . . 232 (1) Partielle Analogiefähigkeit von § 13 VgV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (2) Planwidrige Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 (a) Abstellen auf den Verordnungsgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 (b) Abstellen auf den parlamentarischen Ermächtigungs- und Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (3) Unvergleichbarkeit der Sachverhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 (a) Die subjektive „Vorwerfbarkeit“ gegenüber dem Auftraggeber und die Zielrichtung der Informationspflicht . . . . . . . . . 238 (b) Die „Bösgläubigkeit“ des erfolgreichen Bieters . . . . . . . . . . . . . 240 (c) Die Rechtsunsicherheit aufgrund der Nichtigkeitsfolge . . . . . 241 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 cc) Zwischenergebnis und Lösungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 (1) Die Relevanz der Rechtsschutzlücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 (2) Lösungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 B. Das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer gem. §§ 102 ff. GWB . . . . 249 I. Das erstinstanzliche Zuschlagsverbot des § 115 Abs. 1 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 1. Die Voraussetzungen der zulässigen und zustellungsfähigen Antragstellung nach § 115 Abs. 1 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 a) Die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 b) Die Zustellungsfähigkeit des Nachprüfungsantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

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Inhaltsverzeichnis 2. Die Voraussetzung der Zustellung des Nachprüfungsantrags gem. § 110 Abs. 2 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 a) Rechtsschutz gegen die ablehnende Zustellungsentscheidung vor Ablauf der Zuschlagsverbotsfrist des § 13 VgV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 b) Rechtsschutz gegen die ablehnende Zustellungsentscheidung nach Ablauf der Zuschlagsverbotsfrist des § 13 VgV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 c) Zwischenergebnis und Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 3. Das Zuschlagsverbot nach bieterfreundlicher Vergabekammerentscheidung . 257 II. Eilverfahren auf Gestattung der Zuschlagserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 1. Die zulässige Antragstellung gem. § 115 Abs. 2 S. 2 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 a) Die Zweiwochenfrist des § 115 Abs. 2 S. 1 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 b) Das Anwaltserfordernis gem. § 117 Abs. 3 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 2. Der eingeschränkte Prüfungskatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 a) Die alleinige Grundlage der Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 b) Die (behauptete) Vorbestimmtheit der Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . 265 3. Die Endgültigkeit der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 4. Zwischenergebnis und Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270

C. Gerichtlicher Rechtsschutz vor dem OLG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 I. Das „zweitinstanzliche Zuschlagsverbot“ des § 118 Abs. 1 S. 1 u. 2 GWB . . . . . . 272 1. Die Tatbestandswirkung des vergaberechtlichen Suspensiveffekts . . . . . . . . . . . 272 2. Die Voraussetzungen des Eintritts des Suspensiveffekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 a) Das Antragserfordernis bei ablehnenden Vergabekammerentscheidungen

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b) Die Inkenntnissetzung des Auftraggebers gem. § 117 Abs. 4 GWB . . . . . . . 276 c) Die offensichtliche Zulässigkeit der Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 d) Die „Untätigkeitsbeschwerde“ gem. § 116 Abs. 2 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 aa) Die Problematik der „Untätigkeitsbeschwerde“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 bb) Die Wirkung der Wiedereinsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 cc) Zwischenergebnis und Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 (1) Die Erweiterung der Rückwirkung auf das Zuschlagsverbot . . . . . 284 (2) Die Sicherstellung einer ausreichenden Information des Antragstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 (3) Die Modifizierung der Fiktionswirkung des § 116 Abs. 2 GWB . 285

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II. Die Verlängerung des Zuschlagsverbots gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB . . . . . . . . . . 286 1. Die Notwendigkeit der Verlängerung des Zuschlagsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 2. Die effektive Ausgestaltung des Verlängerungsrechtsschutzes gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 a) Die zweiwöchige Entscheidungsfrist gem. § 118 Abs. 1 S. 2 u. 3 GWB . . 288 b) Der eingeschränkte Prüfungskatalog des § 118 Abs. 2 GWB . . . . . . . . . . . . . 291 c) Die Endgültigkeit der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 III. Das Eilverfahren auf Gestattung der Zuschlagserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 1. Der eingeschränkte Prüfungskatalog gem. § 121 Abs. 1 S. 1 u. 2 GWB . . . . . . 297 2. Die Endgültigkeit der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 3. Zwischenentscheidung und Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Kapitel 6 Ausnahmen von der Erledigungswirkung

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A. Vergabeprimärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . 305 I. Bisherige Ablehnung eines Vergabeprimärrechtsschutzes nach Zuschlagserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 II. Primärrechtsschutz in anderen Verteilungssituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 1. Die Entwicklung im Beamtenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 2. Die Entwicklung hinsichtlich der Einstellung in den öffentlichen Dienst . . . . . 308 3. Die Entwicklung hinsichtlich der Vergabe von Marktständen . . . . . . . . . . . . . . . . 309 4. Der Stand des Primärrechtsschutzes in anderen Bereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 III. Europarechtliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 1. Die Stadt-Halle-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 2. Die Entscheidungen „Koppensteiner“ und „Santex“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 a) Effektivität auch im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 b) Keine Auswirkung auf die Erledigungswirkung von Zuschlag und Vertrag 312

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Inhaltsverzeichnis 3. Die Entscheidungen „Bockhorn / Braunschweig“, „Müllentsorgungsdienste“

313

a) Differenzierung zwischen Vertragsverletzung und Verletzungsfolgen . . . . . 314 b) Die Folgen der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 IV. Begründung einer Aufhebbarkeit von Zuschlag und Vertrag de lege lata . . . . . . . . 317 1. Trennung von Zuschlag und Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 a) Die öffentlich-rechtliche Einordnung der Auftragsvergabe . . . . . . . . . . . . . . . 319 b) Die Anwendung der Zweistufentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 c) Exkurs: Die Qualifizierung des Vergabevertrags als öffentlich-rechtlicher Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 2. Aufhebbarkeit von Zuschlag und Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 a) Primärrechtsschutzgewährleistung nach Zuschlagserteilung . . . . . . . . . . . . . . 324 aa) Anspruch auf Verpflichtung zur Inanspruchnahme eines Vertragsauflösungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 (1) Kein Ausschluss des materiell-rechtlichen Anspruchs durch die Zuschlagserteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 (2) Verfassungsrechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 bb) Geltendmachung des Anspruchs im Nachprüfungsverfahren . . . . . . . . 327 b) Begründung vertraglicher Auflösungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 aa) Vereinbarungsunabhängige Vertragsauflösungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . 329 (1) § 8 VOB / B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 (2) Kündigung aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 (3) Wegfall der Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 (4) Andere Vertragsauflösungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 bb) Vereinbarungsabhängige Vertragsauflösungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 B. Vergabeprimärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung de lege ferenda . . . . . . . . . . . 331

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363

Abkürzungsverzeichnis a.A.

andere(r) Ansicht

abl.

ablehnend

ABl.

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft

Abs.

Absatz

AcP

Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift)

a.F.

alte Fassung

AG

Aktiengesellschaft / Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift)

AktG

Aktiengesetz

Anm.

Anmerkung

AöR

Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift)

Art.

Artikel

Aufl.

Auflage

Az.

Aktenzeichen

BAG

Bundesarbeitsgericht

BAGE

Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts

BauR

Baurecht (Zeitschrift)

BayObLG

Bayerisches Oberstes Landesgericht

BayVBl

Bayerische Verwaltungsblätter

BB

Betriebs-Berater (Zeitschrift)

BBG

Bundesbeamtengesetz

Bd.

Band

Begr.

Begründung

Beschl.

Beschluss

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BHO

Bundeshaushaltsordnung

BKartA

Bundeskartellamt

BKR

Baukoordinierungsrichtlinie

BRD

Bundesrepublik Deutschland

BR-Drucks.

Bundesratsdrucksache

22

Abkürzungsverzeichnis

BT-Drucks.

Bundestagsdrucksache

BVerfG

Bundesverfassungsgerichts

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE

Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

BWVBl

Baden-Württembergische Verwaltungsblätter (Zeitschrift)

bzgl.

bezüglich

bzw.

beziehungsweise

c.i.c.

culpa in contrahendo

dass.

dasselbe

DB

Der Betrieb (Zeitschrift)

ders.

derselbe

Der Staat

Der Staat (Zeitschrift)

d. h.

das heißt

dies.

Dieselbe; dieselben

DJT

Deutscher Juristentag

DLR

Dienstleistungsrichtlinie

DÖD

Der Öffentliche Dienst (Zeitschrift)

DÖV

Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift)

DV

Die Verwaltung (Zeitschrift)

DVBl

Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift)

ebd.

ebenda

EG

Europäische Gemeinschaften

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EGV

Vertrag über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft

Einl.

Einleitung

EMRK

Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten

EU

Europäische Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof

EuGRZ

Europäische Grundrechte-Zeitschrift

EuR

Europarecht (Zeitschrift)

EuZW

Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

EWS

Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift)

f., ff.

folgende, fortfolgende

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

Fn.

Fußnote

FS

Festschrift

Abkürzungsverzeichnis GA

Generalanwalt

GATT

General Agreement on Tariffs and Trade

GemHVO

Gemeindehaushaltsverordnung

GewArch

Gewerbearchiv

GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

ggf.

gegebenenfalls

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

GO

Geschäftsordnung

GO NW

Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen

GS

Gedächtnisschrift

GVG

Gerichtsverfassungsgesetz

23

GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

HGrG

Haushaltsgrundsätzegesetz

h. M.

herrschende Meinung

hrsg.

herausgegeben

Hrsg.

Herausgeber

HStR

Handbuch des Staatsrechts, hrsg. von Josef Isensee und Paul Kirchhof, siehe Literaturverzeichnis

i.E.

im Ergebnis

insbes.

insbesondere

i.R. (d. / v.)

im Rahmen (der, des / von)

i.S. (d. / v.)

im Sinne (der, des / von)

i.V.m.

in Verbindung mit

JA

Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift)

Jura

Juristische Ausbildung (Zeitschrift)

JuS

Juristische Schulung (Zeitschrift)

JZ

Juristenzeitung (Zeitschrift)

Kap.

Kapitel

KG

Kammergericht

KOM

Dokument der Europäischen Kommission

krit.

kritisch

LG

Landgericht

LHO

Landeshaushaltsordnung

lit.

litera (Buchstabe)

Lit.

Literatur

LKR

Lieferkoordinierungsrichtlinie

LKV

Landes- und Kommunalverwaltung (Zeitschrift)

LS

Leitsatz

24

Abkürzungsverzeichnis

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

NJW-RR

NJW-Rechtsprechungs-Report-Zivilrecht (Zeitschrift)

Nr.

Nummer

NuR

Natur und Recht (Zeitschrift)

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NVwZ-RR

NVwZ-Rechtsprechungs-Report-Verwaltungsrecht

NW

Nordrhein-Westfalen

NWVBl

Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (Zeitschrift)

NZA

Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht

NZBau

Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht

NZS

Neue Zeitschrift für Sozialrecht

OLG

Oberlandesgericht

OVG

Oberverwaltungsgericht

Rdn.

Randnummer

Ref-E

Referentenentwurf

Reg-E

Regierungsentwurf

RIW

Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift)

Rs.

Rechtssache

Rspr.

Rechtsprechung

S.

Seite

SKR

Sektorenkoordinierungsrichtlinie

Slg.

Sammlung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs

sog.

so genannt

str.

strittig

st. Rspr.

ständige Rechtsprechung

u.

und

u. a.

und andere

umstr.

umstritten

Unterabs.

Unterabsatz

u.U.

unter Umständen

UWG

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

v.a.

vor allem

VergabeR

Vergaberecht (Zeitschrift)

VersR

Versicherungsrecht (Zeitschrift)

VerwArch

Verwaltungsarchiv (Zeitschrift)

VG

Verwaltungsgericht

Abkürzungsverzeichnis VGH

Verwaltungsgerichtshof

VgK

Vergabekammer

vgl.

vergleiche

VgRÄG

Vergaberechtsänderungsgesetz

VgV

Vergabeverordnung

VO

Verordnung

VOB

Verdingungsordnung für Bauleistungen

VOB / A

Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil A

VOB / B

Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil B

VOF

Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen

VOL

Verdingungsordnung für Leistungen

VOL / A

Verdingungsordnung für Leistungen Teil A

Vorb.

Vorbemerkung

VÜA

Vergabeüberwachungsausschuss

VVDStRL

Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

VwGO

Verwaltungsgerichtsordnung

VwKostG

Verwaltungskostengesetz

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz

VwZG

Verwaltungszustellungsgesetz

WiVerw

Wirtschaft und Verwaltung (Zeitschrift)

WRP

Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift)

WTO

World Trade Organisation

WUR

Wirtschaft und Recht (Zeitschrift)

25

WuW

Wirtschaft und Wettbewerb

WuW / E

WuW Entscheidungssammlung zum Kartellrecht

z. B.

zum Beispiel

ZBR

Zeitschrift für Beamtenrecht

ZfBR

Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht; ab 2002: Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht

ZG

Zeitschrift für Gesetzgebung

ZGR

Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

ZHR

Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis

ZPO

Zivilprozessordnung

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

z. T.

zum Teil

ZTR

Zeitschrift für Transportrecht

zust.

Zustimmend

26

Abkürzungsverzeichnis

ZVG

Zwangsversteigerungsgesetz

ZVgR

Zeitschrift für Vergaberecht

ZZP

Zeitschrift für Zivilprozess

Einleitung A. Begriff und wirtschaftliche Bedeutung des Vergaberechts Der Staat – im Sinne von öffentlicher Verwaltung, öffentlichen und halb-staatlichen Unternehmen – benötigt zur Aufrechterhaltung seiner Funktionsfähigkeit sowie zur Erfüllung seiner Aufgaben neben der Arbeitskraft seines Personals eine Vielzahl von Sach- und Dienstleistungen. Er muss durch den Bau von Straßen oder Krankenhäusern eine funktionierende Infrastruktur schaffen, Rüstungsgüter einkaufen, Gebäude bewirtschaften oder Gutachten anfertigen lassen. Diese Waren-, Bau- und Dienstleistungen kann der Staat nur teilweise selbst herstellen und lediglich im Ausnahmefall zwangsweise in Anspruch nehmen. In der Regel beschafft er sie sich durch „öffentlichen Auftrag“ auf dem freien Markt gegen Entgelt. Anders als der Private ist der öffentliche Auftraggeber jedoch dabei an bestimmte Vorschriften gebunden, die in ihrer Gesamtheit das Vergaberecht darstellen1. Der Grund für diese Reglementierung des Vergabewesens liegt in der Gefahr einer unökonomischen Einkaufspolitik der öffentlichen Hand. Bei privatautonomer Vergabe würden öffentliche Aufträge häufig nicht an den günstigsten Anbieter vergeben – sei es aus regional- oder sozialpolitischen Erwägungen, sei es aus Vetternwirtschaft oder sei es, weil dem Amtswalter, der mit Staatsgeldern und nicht mit eigenen umgeht, ein Anreiz zur ökonomischen Verwendung fehlt. Haushaltswirtschaftliche Konsequenz wäre die Belastung der öffentlichen Finanzen durch Erbringung einer höheren Gegenleistung als marktmäßig erforderlich, wettbewerbliche Konsequenz die individuelle Benachteiligung des günstigsten Anbieters, die sich auf Dauer durch eine Fehlallokation von Produktionsmitteln auch gesamtwirtschaftlich nachteilig auswirkt. Dass diese Gefahren durch Reglementierung des Vergabewesens zumindest beschränkt werden müssen, wird spätestens dann deutlich, wenn man sich das wirtschaftliche Gewicht der Auftragsvergabe vergegenwärtigt: in Deutschland erfolgen jährlich Beschaffungsmaßnahmen im Wert von ca. 250 Mrd. A (ca. 13% des BIP), im Bereich des EU-Binnenmarktes im Wert von 1,4 Billionen A (ca. 16% des BIP der EU)2. Auch wenn in den meisten europäischen Staaten die Tendenz erkennbar ist, die jeweilige Staatsquote zu verringern, Vgl. BVerfG, NZBau 2006, S. 791. Diese Zahlen hat der Beratende Ausschuss für das Öffentliche Auftragswesen der EUKommission ermittelt (Dokument CC / 2002 / 22). Vgl. auch den damaligen EU-Binnenmarkts-Kommissar Frits Bolkestein im Wirtschaftsteil der FAZ vom 28. Juni 2003. 1 2

28

Einleitung

dürfte die wirtschaftliche Bedeutung der öffentlichen Auftragsvergabe auch in Zukunft nicht zurückgehen. Dafür spricht vor allem, dass sich der Staat angesichts immer knapper werdender öffentlicher Mittel zunehmend gezwungen sehen wird, öffentliche Aufgaben durch Vergabe von Aufträgen an Private zu erfüllen.

B. Entwicklung des Vergaberechts Ursprünglich diente das Vergaberecht ausschließlich dem fiskalischen Gesamtziel des wirtschaftlichen Einkaufs, also dem haushaltswirtschaftlichen Anliegen. Im Haushaltsrecht normiert, verpflichtete es die öffentlichen Auftraggeber materiell auf die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit – und ausschließlich zu diesem Zweck zur Einhaltung eines formalisierten Verfahrens. Individuelle einklagbare Rechtsansprüche der Bieter sollten nicht entstehen, da man befürchtete, effektiver Rechtsschutz ziehe das Verfahren in die Länge und gefährde so den öffentlichen Versorgungsauftrag. Erst unter Einfluss des Europa- und Völkerrechts fand neben der haushaltswirtschaftlichen Zielsetzung der Aspekt des Wettbewerbsschutzes Eingang in das deutsche Vergaberecht. So hat die EG seit 1971 eine Reihe von Richtlinien für das Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge erlassen, um die herkömmlich von protektionistischer Abschottung geprägten nationalen Beschaffungsmärkte zu öffnen und einen europäischen, diskriminierungsfreien Binnenmarkt zu schaffen. Nach ersten halbherzigen Umsetzungsversuchen wurde schließlich in Deutschland auf politischen und wirtschaftlichen Druck hin das Vergaberecht zum 01. 01. 1999 ins GWB eingegliedert und hat eine wettbewerbliche Ausrichtung erfahren. Neben materiellen Regelungen (z. B. dem Grundsatz der Gleichbehandlung gem. § 97 Abs. 2 GWB oder dem Zuschlagskriterium des wirtschaftlichsten Angebots gem. § 97 Abs. 5 GWB) und verfahrensrechtlichen Bestimmungen (z. B. der Konkretisierung des Wettbewerbs- und Transparenzprinzips in § 97 Abs. 1 GWB) wurden in § 97 Abs. 7 GWB den Unternehmen erstmals subjektive Rechte eingeräumt und ein Rechtsschutzsystem zur Gewährung von primärem und sekundärem Rechtsschutz geschaffen.

C. Anlass der Untersuchung Infolge dieser Neuregelungen entwickelte sich das öffentliche Auftragswesen von einer bislang weitgehend politischen zu einer juristischen Materie. Dadurch – sowie durch spektakuläre Vergaben in den Bereichen „Beraterverträge“, „Toll Collect“ oder „Virtueller Arbeitsmarkt“ – ist das „Vergaberecht“ aus seinem seit Jahrzehnten währenden Schattendasein herausgetreten und hat eine „boomende Entwicklung“3 genommen. Dieser Wandel schlägt sich in der Befassung von

C. Anlass der Untersuchung

29

Gerichten und Vergabekammern mit Fragen des (Primär-)Rechtsschutzes im Vergabeverfahren, in der steigenden Zahl von sich auf das Vergaberecht spezialisierenden Rechtsanwälten, in der Erscheinung von vergaberechtlichen Fachzeitschriften 4 sowie in aufkommenden rechtswissenschaftlichen Diskussionen nieder5. Gleichzeitig hat sich zwar die Vergabedisziplin „seit der Vergaberechtsreform im Jahre 1999 in Deutschland signifikant erhöht, dennoch verwenden noch immer viele öffentliche Auftraggeber bei der Planung von Auftragsvergaben mehr Energie darauf, Wege aus dem Anwendungsbereich des EU-Vergaberechts zu suchen, als Vergabeverfahren sorgfältig vorzubereiten und durchzuführen“6. Derartige Versuche gelingen nicht selten. Denn die „spezielle Ausgestaltung des Rechtsschutzes im Vergaberechtsänderungsgesetzes erfolgte zum Teil unzureichend und führte seit seinem Inkrafttreten zu vielen offenen Fragen. Nur ein geringer Teil davon wurde bislang von höchstrichterlicher Rechtsprechung geklärt, ein erheblicher Teil ist jedoch bis heute insbesondere in der Literatur noch heftigst umstritten“7. Ausnehmende Bedeutung sowie besonderes Interesse kommt in diesem Zusammenhang der Frage des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes zu8. Denn zum einen ist das Institut des Primärrechtsschutzes an sich in den letzten Jahren wieder vermehrt Gegenstand juristischer Diskussion gewesen9. Zum anderen liegt dem Vergaberecht die – anderen wirtschaftsverwaltungsrechtlichen Verteilungssituationen entsprechende – Konzeption zugrunde, dass mit der einmal erteilten Auftragsvergabe an ein Unternehmen der Primärrechtsschutz der Konkurrenten ausgeschlossen ist (vgl. § 114 Abs. 2 S. 1 GWB). Im Wirtschaftsverwaltungsrecht haben nun eine Reihe von Entscheidungen des BVerwG und des BVerfG zum Ausbau des Konkurrenzschutzes durch Primärrechtsschutz geführt10, indem die Primärrechtsschutzausschlussfunktion der Verteilungsentscheidung in Frage gestellt wird. Diese wirtschaftsverwaltungsrechtliche Entwicklung könnte wegen der konzeptionellen Vergleichbarkeit der Rechtsgebiete auch das Vergaberecht beeinflussen. Neben seiner wirtschaftlichen Brisanz stellt daher das öffentliche Beschaffungswesen – insbesondere die Frage vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes – „ein zugleich aktuelles und rechtlich schwieriges Thema dar“11. Ziekow, NVwZ 2005, S. 263, 264. Z. B.: NZBau; Vergaberecht; ZfBR; ZVgR; Informationsdienst „Vergabe News“. 5 Vgl. nur die Bibliographien zum Vergaberecht von Opitz in NZBau 2001, S. 250 ff.; NZBau 2002, S. 319 ff. und NZBau 2004, S. 198 ff. 6 Heuvels, NZBau 2005, S. 32, 34. 7 Lück, Vorläufiger Rechtsschutz und Vergaberecht, S. V f. 8 Vgl. zu der Frage des Primärrechtsschutzes unterhalb der Schwellenwerte BVerfG, NZBau 2006, S. 791 ff. 9 Vgl. nur die Veröffentlichung der Staatsrechtslehrervereinigung, VVDStRL 61 (2001). 10 Vgl. eingehend Kap. 6 sowie Burgi, NZS 2005, S. 169, 172 f. mit zahlreichen Nachweisen. 11 Lück, Vorläufiger Rechtsschutz und Vergaberecht, S. V. Ähnlich OLG Düsseldorf, NZBau 2006, S. 740 („unübersichtliche und schwierige Rechtsmaterie“). 3 4

30

Einleitung

D. Gang der Untersuchung Das erste Kapitel widmet sich dem Primärrechtsschutz an sich. Notwendig erscheint eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit Inhalt und Bedeutung des Primärrechtsschutzes, seinen europa- und verfassungsrechtlichen Vorgaben und seiner Abgrenzung zum Sekundärrechtsschutz. In Frage steht vor allem der so genannte „Vorrang des Primärrechtsschutzes“. Als verfassungsrechtlicher Drehund Angelpunkt des Primärrechtsschutzes wird sich Art. 19 Abs. 4 GG herauskristallisieren, der aber nur Rechtsschutz gegenüber Verletzungen durch die öffentliche Gewalt garantiert. Weil das Vergaberecht sowohl die öffentliche Gewalt als auch Private verpflichtet, ist daher ebenfalls der Frage nachzugehen, ob Primärrechtsschutz auch zwischen Privaten gewährt werden muss. Die Ergebnisse dieser allgemeinen Erörterungen werden im Folgenden auf das Vergaberecht übertragen. Dafür wird das Vergaberecht und seine Entwicklung im zweiten Kapitel zunächst vorgestellt. Dem schließt sich die Untersuchung an, ob und inwieweit Art. 19 Abs. 4 GG im Vergaberecht Anwendung findet, insbesondere – die öffentlichen Auftraggeber i. S. d. Vergaberechts als öffentliche Gewalt (i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG) zu qualifizieren sind, – die vergaberechtlichen „Bieter“ Träger des Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 GG sein können und – diesen subjektive vergaberechtliche Rechte zustehen.

Abschließend wird die Geltung der europarechtlichen Primärrechtsschutzvorgaben im Vergaberecht herausgestellt. Nachdem die Vorgaben einer verfassungs- und europarechtlichen Primärrechtsschutzgarantie herausgearbeitet worden sind und deren Anwendbarkeit im Vergaberecht feststeht, wird im dritten Kapitel zunächst eine Einführung in das vergaberechtliche Rechtsschutzsystem gewährt, bevor dieses an jenen Vorgaben gemessen wird. Hierfür wird sowohl das materielle Anspruchssystem mit seinem Hauptanspruch aus § 97 Abs. 7 GWB als auch das prozessuale Durchsetzungssystem vorgestellt, das sich insbesondere durch seinen vorbeugenden Charakter auszeichnet. Das vierte Kapitel konzentriert sich sodann auf die Darstellung der bereits erwähnten Primärrechtsschutzausschlusswirkung der Zuschlagserteilung (als Verteilungsentscheidung) unter Berücksichtigung der verfassungs- und europarechtlichen Primärrechtsschutzgarantien. In einem ersten Schritt wird dafür die dogmatische Struktur der Zuschlagserteilung untersucht, anhand derer wiederum die Ausschlusswirkung der Zuschlagserteilung erklärt werden kann. In einem zweiten Schritt wird der Frage nachgegangen, ob und unter welchen Voraussetzungen dieser Primärrechtsschutzausschluss mit den verfassungs- und europarechtlichen Primärrechtsschutzgarantien in Einklang steht.

D. Gang der Untersuchung

31

In jedem Fall wird ein verfassungs- und europarechtskonformer Ausschluss des Primärrechtsschutzes nach Zuschlagserteilung die Gewähr effektiven Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung voraussetzen. Folgerichtig beinhaltet das fünfte Kapitel die Untersuchung, ob vergaberechtlicher Primärrechtsschutz vor Zuschlagserteilung wirksam erlangt werden kann. Im Rahmen der Analyse des Vergaberechtsschutzsystems auf mögliche Rechtsschutzlücken hin, die sich am Ablauf eines Rechtsschutzverfahrens orientiert (Vorabinformation – Verfahren vor der Vergabekammer – Verfahren vor dem Beschwerdegericht), werden Vorschläge zur Effektuierung des Rechtsschutzes und zur Schließung eventueller Lücken unterbreitet. Im sechsten Kapitel wird schließlich nach Lösungen gesucht, wie de lege lata und de lege ferenda die Primärrechtsschutzausschlusswirkung der Zuschlagserteilung verhindert werden kann. Hierfür bietet sich insbesondere ein Blick auf die wirtschaftsverwaltungsrechtliche Entwicklung in anderen Verteilungssituationen sowie die jüngste Rechtsprechung des EuGH an.

Kapitel 1

Primärrechtsschutz im deutschen Recht Jeder Rechtsschutzproblematik, und somit auch derjenigen des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes nach Zuschlagserteilung, liegen die Fragen der notwendigen Existenz von Rechtsschutz und der notwendigen Ausgestaltung und Effizienz von Rechtsschutz zugrunde. Bevor der Sprung ins kalte Wasser des spezialgesetzlichen Vergaberechts gewagt wird, sollen daher allgemeine Grundsätze und Vorgaben für die Existenz und Effizienz von – insbesondere primärem – Rechtsschutz erörtert werden. Da insoweit die Bindung des Gesetzgebers in Frage steht, ist sofort die Höhe des Verfassungsrechts [B.] und des Europarechts [C.] erreicht. Einer Untersuchung dieser Rechtsgebiete auf Primärrechtsschutzvorgaben geht allerdings sinnvollerweise die Klärung des Begriffs „Primärrechtsschutz“ voraus [A.].

A. Definition des Primärrechtsschutzes Eine Definition von „Primärrechtsschutz“ ist unerlässlich angesichts der Bedeutungsvielfalt1, die diesem Begriff beigemessen wird, sowie der Begriffsvielfalt2, die hinsichtlich des hier als Primärrechtsschutz verstandenen Rechtsschutzproblems herrscht. Unzweifelhaft ist der Primärrechtsschutz ein Unterfall des Rechtsschutzes. Dieser – selbst „kein eindeutiger Begriff“ 3 – wird typischerweise anhand dreier Kriterien in concreto näher bestimmt: 1 Teilweise wird Primärrechtsschutz nur als Unterlassungsanspruch angesehen (so Höfling, VVDStRL 61 (2001), S. 260, 269 ff., der infolgedessen zwischen Primär-, Sekundär- und Tertiäransprüchen differenziert), teilweise als Unterlassungs- und Rechtsaktbeseitigungsanspruch (so Erbguth, VVDStRL 61 (2001), S. 221, 222 ff.). Einer a.A. zufolge soll sogar der Folgenbeseitigungsanspruch darunter fallen (so Schmitt, DVBl. 1978, S. 373, 374 (v.a. Fn. 8). Meyer hingegen lehnt in VVDStRL 61 (2001), S. 445 diese Terminologie gänzlich mit der Begründung ab, „primär“ und „sekundär“ suggeriere die Vorstellung, es handele sich um ungefähr dasselbe. 2 Schmitt, DVBl. 1978, S. 973 bezeichnet den Primärrechtsschutz als unmittelbaren Rechtsschutz. Meyer, VVDStRL 61 (2001), S. 445 lehnt die Terminologie gänzlich ab (und schlägt als Bezeichnung für den Sekundärrechtsschutz „Kompensationsrecht“ oder „Haftungsrecht“ vor). 3 Tonne, Effektiver Rechtsschutz, S. 30.

A. Definition des Primärrechtsschutzes

33

– des Rechtsschutzgegenstands (was soll geschützt werden?)4, – der Rechtsschutzwirkung (wann soll Rechtsschutz eintreten?)5 – und des Rechtsschutzziels.

Als Rechtsschutzziele kommen zum einen die tatsächliche „Beseitigung“ eines Eingriffs – sei es a priori durch vorbeugende Verhinderung einer Verletzung, sei es a posteriori durch nachträgliche Beseitigung der Verletzung und ihrer Folgen – und zum anderen die wertmäßige Beseitigung in Betracht. Demgemäß lassen sich die unterschiedlichen Rechtsschutzziele in die Unterlassung und die Restitution als tatsächliche Wiederherstellung sowie die Kompensation als wertmäßige Wiederherstellung unterteilen. Primärrechtsschutz wird vorliegend verstanden als Umschreibung der auf die tatsächliche Beseitigung abzielenden Rechtsschutzziele. Demnach zielt Primärrechtsschutz auf die Abwehr und die Unterlassung einer drohenden bzw. die tatsächliche Beseitigung einer bereits erfolgten Rechts(gut)verletzung ab6 und ist damit abzugrenzen vom Sekundärrechtsschutz, der finanziellen Ausgleich für die erlittene Rechts(gut)verletzung gewährt7. Mithin verfolgt der Primärrechtsschutz grundsätzlich die Wahrung bzw. Wiederherstellung des status quo ante8, während der Sekundärrechtsschutz dem Bürger zur Regulierung staatlichen Unrechts durch Ersatz des dadurch entstandenen Vermögensschadens dient. Primärrechtsschutz ist damit eingriffshindernd bzw. -bereinigend, Sekundärrechtsschutz eingriffs(folgen)kompensierend9. In Betracht kommen das objektive und das subjektive Recht. Vgl. Kap. 1 B. II. 2. b). In Betracht kommt präventiver und repressiver Rechtsschutz. Vgl. Kap. 1 B. II. 1. b). 6 Darunter fällt auch der Folgenbeseitigungsanspruch, der, indem er zwar nicht die Kassation des hoheitlichen Akts, wohl aber die seiner Folgen herbeiführt, auf die Wiederherstellung des rechtmäßigen status quo ante gerichtet ist. A.A. Detterbeck / Windthorst / Sproll, Staatshaftungsrecht, § 17 Rdn. 36 und § 18 Rdn. 8; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 333. 7 Axer, DVBl. 2001, S. 1322; Schmidt-Aßmann in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, Einl. Rdn. 231; Schoch, DV 34 (2001), S. 261 f.; Tonne, Effektiver Rechtsschutz, S. 33. 8 Unklar ist, ob die Wiederherstellung des status quo ante durch Beseitigung der verbliebenen Folgen (so BVerwGE 69, S. 366, 371) oder ob die Wiederherstellung rechtlicher Integrität in Natur Ziel dieses Anspruchs ist (so Schoch, VerwArch 79 (1988), S. 1, 44 ff.). Höfling, VVDStRL 61 (2001), S. 260, 269 ff., anerkennt für den Fall, dass die Wiederherstellung des status quo ante durch sog. negatorische Beseitigung ausgeschlossen, aber die Herstellung eines gleichartigen Zustands durch sog. restitutorische Beseitigung möglich ist, einen eigenen Anspruch, der zwischen Primär- und Sekundärrechtsschutz steht. Dem ist insoweit zuzustimmen, als dieser restitutorische Beseitigungsanspruch ein Zwitter ist. Einerseits ist die Herstellung eines „nur“ gleichartigen Zustands lediglich Kompensation. Andererseits wird ein rechtmäßiger Zustand „wiederhergestellt“ und damit keine Rechtswidrigkeit „kompensiert“. Aus diesem Grund dürfte der restitutorische Beseitigungsanspruch dem Primärrechtsschutz zuzurechnen sein. 9 Erbguth, VVDStRL 61 (2001), S. 221, 230; ähnlich Ibler, Rechtsschutz, S. 98 f.; Tonne, Effektiver Rechtsschutz, S. 33. 4 5

34

Kap. 1: Primärrechtsschutz im deutschen Recht

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Existenz und Effizienz von Primärrechtsschutz Der erfolgten Klärung der Begrifflichkeit „Primärrechtsschutz“ schließt sich die Frage an nach seiner von Verfassungs wegen erforderlichen Existenz und Effizienz im deutschen Recht. Lange Zeit wurde diesem eine eindeutige Präferenz des Sekundärrechtsschutzes unterstellt: „Da man gegen den Staat selbst nichts ausrichtet und der Fiskus nicht mehr tun kann als zahlen, so läuft alle Garantie der bürgerlichen Freiheit im Polizeistaat auf den Satz hinaus: dulde und liquidiere“10. Diese pragmatische Auffassung hat das deutsche Recht bis weit in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hinein bestimmt11. Sie steht indes im Widerspruch zu dem rechtstheoretischen Ansatz, nach dem „das Ideal der Rechtsordnung . . . ihre völlige Einhaltung“ ist12. Denn die Einhaltung der Rechtsordnung wird am wirksamsten durch die vorbeugende Verhinderung eines drohenden Eingriffs in ebendiese gewährt – und nicht durch finanzielle Kompensation unter Beibehaltung des an sich rechtswidrigen Zustands. Dieser Konflikt, der um die Frage des Verhältnisses beider Rechtsschutzziele zueinander kreist, ist bis heute ungelöst13. Das ist auch darauf zurückzuführen, dass sich das Grundgesetz nicht gezielt zum Thema „Rechtsschutz“ äußert. Die ausdrückliche Garantie eines bestehenden bzw. zu schaffenden Rechtsschutzsystems, geschweige denn die einer bestimmten Rechtsschutzzielsetzung, kann dem Grundgesetz nicht entnommen werden14. Zu suchen ist daher nach konkludenten und impliziten Rechtsschutzvorgaben. Solche sind insbesondere in den grundgesetzlichen Justizgewährleistungen [I.], der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG [II.] und dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG [III.] zu finden.

I. Grundgesetzliche Justizgewährleistungen Die „Rechtsprechung“ bzw. die „rechtsprechende Gewalt“ werden im Grundgesetz als Aufgabe, Funktionssäule und Organisationsfrage des Staates angesprochen (Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 2 GG), die durch Gerichte bzw. die Gerichtsbarkeit ausgeübt werden (Art. 92 Hs. 2, 95 und 96 GG) und den Richtern anvertraut sind (Art. 92 Hs. 1, 101 Abs. 1 S. 2 GG15). Außerdem werden die richterliche RechtsMayer, Verwaltungsrecht I, S. 53 Fn. 27. Schwennicke, Einleitung des ALR, S. 321; ähnlich Böhmer, NJW 1988, S. 2561, 2562. 12 Kloepfer, JZ 1979, S. 209, 210. 13 Als Indiz dafür sei nur die eingehende Beschäftigung der Staatsrechtslehrervereinigung im Jahre 2001 mit dieser Problematik genannt, vgl. VVDStRL 61 (2001). 14 Vgl. Schmidt-Jortzig, NJW 1994, S. 2569 f. 10 11

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben

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stellung und gerichtliche Verfahren erwähnt (Art. 97 f., 74 Nr. 1 GG) sowie bestimmte Grundrechte vor Gericht garantiert (Art. 103 GG). Diese grundgesetzliche Garantie einer rechtsprechenden Gewalt impliziert die Vorstellung eines bestehenden Rechtsschutzsystems16. Inhaltliche Vorgaben für dieses System und insbesondere seine Zielrichtung sind jenen Normen indes nicht zu entnehmen17.

II. Die Rechtsweg- und Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG Derartige Vorgaben ergeben sich jedoch aus Art. 19 Abs. 4 GG, der ein Grundpfeiler des grundgesetzlichen Rechtsstaatsprinzips ist18. Dieses ist zwar im Grundgesetz nicht ausdrücklich genannt19, folgt aber „aus einer Gesamtschau der Bestimmungen des Art. 20 III GG über die Bindung der Einzelgewalten und der Art. 1 III, 19 IV, 28 I 1 GG sowie aus der Gesamtkonzeption des Grundgesetzes“20. Es stellt klar, dass das Staatswesen durch das Recht überhaupt erst konstituiert und die Stellung des einzelnen zum Staat nach der Entscheidung des konkreten Rechts gestaltet wird21. Nur mittels des konkreten Rechts vermag der Staat sein Gewaltmonopol zu legitimieren, die Funktionsfähigkeit des Staats zu gewährleisten und ein geordnetes Zusammenleben der Bürger im Staat zu ermöglichen. Um diese Aufgabe erfüllen zu können – und damit zur Realisierung seines Geltungsanspruchs – muss das Recht jedoch wirksam in der sozialen Wirklichkeit umgesetzt werden (können). Dafür bedarf es eines Rechtsschutzsystems22. Dieses 15 Nach Papier in: HStR VI, § 153 Rdn. 2 m. w. N. enthält Art. 101 Abs. 2 S. 1 GG keine allgemeine Justizgarantie, sondern nur die Garantie einer gesetzlichen Zuständigkeitsordnung im Bereich der Rechtsprechung. 16 Vgl. BVerfG, NJW 2003, S. 1924, 1926; Stelkens in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 1 Rdn. 11. 17 Degenhart in: Sachs, GG, Art. 101 Rdn. 2; Papier in: HStR VI, § 153 Rdn. 3; SchmidtJortzig, NJW 1994, S. 2569 f. Insgesamt zum Rechtsprechungsabschnitt des GG und seinem Verhältnis zu Art. 19 Abs. 4 GG vgl. Harries-Lehmann, Rechtsweggarantie, S. 130 ff. 18 Vgl. nur BVerfG, NJW 2003, S. 1924 m. w. N.; Herzog in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20, VII Rdn. 40; Schmidt-Aßmann in: HStR II, § 24 Rdn. 71 ff.; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 IV Rdn. 35 ff. Deshalb wird Art. 19 Abs. 4 GG auch als „Grundsatznorm für die gesamte Rechtsordnung“ (BVerfGE 58, S. 1, 40 im Anschluss an v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 19 Anm. II 3 c (S. 542)), als das „formelle Hauptgrundrecht des Grundgesetztes“ (Klein, VVDStRL 8 (1950), S. 67, 88), als „königlicher Artikel“ (Jellinek, VVDStRL 8 (1950), S. 3) oder sogar als die „Krönung des Rechtsstaats“ (Ebers in: FS Laforet, S. 269, 271) bezeichnet. Zur Frage der „Apriorität“ der allgemeinen Rechtsschutzgarantie vgl. Schmidt-Jortzig, NJW 1994, S. 2569, 2571; Seith, Wie kommt der Urheber zu seinem Recht, S. 71 Fn. 296. In jüngster Zeit wird Art. 19 Abs. 4 GG hingegen kritischer betrachtet, vgl. dazu Harries-Lehmann, Rechtsweggarantie, S. 50 ff. m. w. N. 19 Lediglich Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG spricht vom „Rechtsstaat“. 20 BVerfGE 2, S. 380, 403. 21 Lorenz, Rechtsschutz, S. 5 f.

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Kap. 1: Primärrechtsschutz im deutschen Recht

Erfordernis eines Rechtsschutzsystems greift das „formelle Hauptgrundrecht“ des Art. 19 Abs. 4 GG auf23. „Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen“. Die Vorgabe einer Rechtswegeröffnung ist indes nur sinnvoll, wenn auf dem Rechtsweg Rechtsschutz erlangt werden kann24. Daher ist Art. 19 Abs. 4 GG als ausdrückliche Rechtswegund als konkludente rechtsstaatliche Rechtsschutzgarantie zu verstehen25. Dieser Rechtsschutzgarantie entspricht aufgrund des leistungsrechtlich ausgeprägten Rechtscharakters26 des Art. 19 Abs. 4 GG ein Rechtsschutzauftrag, deren primärer Adressat der Gesetzgeber ist27. Art. 19 Abs. 4 GG ist daher verletzt, wenn die geschuldete Leistung in Form des Rechtsschutzes nicht erbracht wird28.

1. Das Fehlen ausdrücklicher und konkludenter Primärrechtsschutzvorgaben Wie dieser geschuldete Rechtsschutz ausgestaltet und insbesondere ob er auf die Gewähr von Primärrechtsschutz ausgerichtet sein muss, bestimmt die offene Verfassungsnorm des Art. 19 Abs. 4 GG allerdings nicht ausdrücklich29. Daher werden entsprechende Vorgaben durch eine systematische [a)] und grammatikalische [b)] Auslegung zu ermitteln versucht.

Lorenz, Rechtsschutz, S. 12; ähnlich Klein, NJW 1989, S. 1633, 1637. Die Grundrechtsqualität des Art. 19 Abs. 4 GG wird allgemein anerkannt, vgl. nur Harries-Lehmann, Rechtsweggarantie, S. 52 m. w. N. Wenngleich auch das Rechtsstaatsprinzip an sich Rechtsschutzgarantien enthält [vgl. Kap. 1 B. III.], gilt Art. 19 Abs. 4 GG als deren spezielle Konkretisierung, vgl. nur Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 IV Rdn. 36. 24 A.A. Bettermann, AöR 96 (1971), S. 528, 543, der den Rechtsschutzanspruch des Art. 19 Abs. 4 GG als reinen Justizgewährleistungsanspruch begreift. 25 Vgl. Bettermann in: Bettermann / Nipperdey / Scheuner, Die Grundrechte III / 2, S. 783 f.; Krebs in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 19 Rdn. 62; Ramsauer in: AK-GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 75. 26 BVerfGE 101, S. 106, 123; Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 370; Jarass in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 19 Rdn. 32; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 IV Rdn. 84. 27 Lorenz, Jura 1983, S. 393, 397; Ramsauer in: AK-GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 34 f. Auch Exekutive (z. B. durch Vernachlässigung gerichtsschutzsichernder Pflichten im Verwaltungsverfahren) und Judikative (z. B. durch fehlerhafte Gesetzesauslegung) können das Recht aus Art. 19 Abs. 4 GG verletzen. 28 Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 IV Rdn.84; vgl. auch Krebs in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 19 Rdn. 49. 29 Krüger / Sachs in: Sachs, GG, Art. 19 Rdn. 135. Z. T. wird daher die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG auf das Minimalrechtsschutzziel des bloßen Feststellungsurteils reduziert, vgl. hierzu Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 280. 22 23

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben

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a) Die systematische Stellung des Art. 19 Abs. 4 GG Diesbezüglich wird oftmals auf die abgesetzte Position verwiesen, die dem Art. 19 Abs. 4 GG gegenüber Art. 14 Abs. 3, Art. 34 und Art. 84 Abs. 4, 96, 114 GG zukommt. Sie zeige, dass das von Art. 19 Abs. 4 GG garantierte Rechtsschutzund Sanktionensystem außerhalb straf-, disziplinar- oder aufsichtsrechtlichen Folgen rechtswidrigen Staatshandelns, aber auch außerhalb des entschädigungsrechtlichen Systemteils liege30. Dies spreche dafür, dass die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG keinen Sekundärrechtsschutz garantieren solle. Im Umkehrschluss müsse sie zwingend auf Primärrechtsschutz als das andere der beiden möglichen Rechtsschutzziele gerichtet sein. Diese Auffassung verkennt jedoch den Ausnahmecharakter des Art. 14 Abs. 3 GG als Sondervorschrift für Enteignungen31. Die Entschädigung wird i.R.d. Art. 14 GG in erster Linie nicht als Rechtsschutzziel, sondern als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für ein Enteignungsgesetz festgelegt. Daher ist der systematischen Stellung des Art. 19 Abs. 4 GG kein dahingehender Schluss zu entnehmen, dass entschädigender Sekundärrechtsschutz nicht von Art. 19 Abs. 4 GG erfasst sei32. Dies gilt ebenfalls für den Verweis auf die systematische Nähe zu Art. 20 Abs. 3 GG, mithilfe dessen eine Verengung des Art. 19 Abs. 4 GG auf eine Primärrechtsschutzgarantie zu begründen versucht wird. Art. 20 Abs. 3 GG normiert zwar eine Gesetzesbindung aller öffentlichen Gewalt. Als „lex imperfecta“ hält er aber für den Fall des Zuwiderhandelns keine Sanktionen bereit und ist insofern für die Ermittlung des verfassungsrechtlichen Rechtsschutzziels nicht unmittelbar weiterführend33. b) Grundsatz des repressiven Rechtsschutzes Ebenso wenig überzeugt indes die Auslegung von Art. 19 Abs. 4 GG als bloße Sekundärrechtsschutzgarantie. Dafür wird auf den Wortlaut der Norm verwiesen, die darauf abstellt, ob „jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird“, und nicht etwa darauf, ob jemand verletzt zu werden droht. Ausdrücklich garantiert Art. 19 Abs. 4 GG somit nur repressiven Rechtsschutz ab Eintritt bzw. Beginn einer Verletzung34, also Restitution (Primärrechtsschutz) und Kompensation (Sekundärrechtsschutz). 30 Bonk in: Sachs, GG, Art. 34 Rdn. 4; Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 366, 450 f.; Ramsauer in: AK-GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 76; Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 283. 31 Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 16, 234. 32 Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 234. I.E. ebenso Axer, DVBl. 2001, S. 1322, 1328; Höfling, VVDStRL 61 (2001), S. 260, 267 f. 33 Bettermann, DÖV 1955, S. 528, 531; ähnlich Schoch, VerwArch 79 (1988), S. 1, 33 f. m. w. N. A.A. Morlok, DV 25 (1992), S. 371, 376. Zu Art. 20 Abs. 3 GG vgl. Kap. 1 B. III.

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Kap. 1: Primärrechtsschutz im deutschen Recht

Im Umkehrschluss zu folgern, dass präventiver Primärrechtsschutz in Gestalt eines Unterlassungsanspruchs nicht von der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG erfasst sei, liefe jedoch auf den gänzlichen Ausschluss von Primärrechtsschutz im Fall irreversibler, also nichtrestitutionsfähiger Rechtsverletzungen hinaus. Aus diesem Grund war und ist die rechtsschutzmäßige Erfassung der Nach-35 und Vorwirkungen36 verletzender Akte immer wieder Gegenstand der Diskussion. Entgegen einer früheren Tendenz, die (Grund-)Rechtsgefährdung mit dem (Grund-)Rechtseingriff gleichzusetzen, überwiegen heute zwar die zurückhaltenden Stimmen37. Denn mit der Gewähr präventiven Rechtsschutzes greift die Rechtsprechung in die Zuständigkeiten von Legislative und Exekutive ein und verletzt insoweit das Gewaltenteilungsprinzip. Eine Gefährdung soll jedoch ausreichen, wenn subjektive Rechte bereits gegen Gefährdungen geschützt sind38, was vor allem bei nichtrestitutionsfähigen subjektiven Rechten anzunehmen ist39. Denn während bei reversiblen Verletzungen die Wiederherstellung des status quo ante möglich ist und es daher an einem den Eingriff in den Gewaltenteilungsgrundsatz legitimierenden Rechtsschutzbedürfnis des Betroffenen fehlt40, ist dieses bei irreversiblen Rechtsverletzungen gegeben.

2. Herleitung einer Primärrechtsschutzgarantie aus der Garantie subjektiven Rechtsschutzes Da Art. 19 Abs. 4 GG mithin keine Vorgaben für die Ausgestaltung des Rechtsschutzsystems enthält, verbleibt als Quelle möglicher Primärrechtsschutzvorgaben [b)] allein der Rechtsschutzgegenstand als Bezugspunkt der Garantie des Art. 19 Abs. 4 GG, also das zu schützende Recht selbst [a)].

34 Vgl. hierzu Lorenz, Rechtsschutz, S. 136 f.; Papier in: HStR VI, § 153 Rdn. 20; Ramsauer in: AK-GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 96. 35 Schmidt-Aßmann in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, Einl. Rdn. 23. 36 BVerfGE 49, S. 89, 141 f.; E 51, S. 324, 346 f.; E 53, S. 30, 58; E 66, S. 39, 58. Zur Garantie auch präventiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 GG vgl. Lorenz, Rechtsschutz, S. 138 ff. 37 Bethge, VVDStRL 57 (1998), S. 7, 43; Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 418. 38 BVerfGE 49, S. 89, 141 f.; E 51, S. 324, 346 f.; Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 154; Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 164; SchulzeFielitz in: Dreier, GG, Art. 19 IV Rdn. 74. 39 Bethge, VVDStRL 57 (1998), S. 7, 43. 40 Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 164.

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben

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a) Garantie eines subjektiven Rechtsschutzes „Recht muss doch Recht bleiben“41. Diese Idee von der „Unverbrüchlichkeit des Rechts“ ist Ausdruck seines normativen Geltungsanspruchs42. Mithin folgt allein aus der Existenz von Recht das Postulat seiner Sicherstellung. Insoweit ist im deutschen Recht weitgehend anerkannt, dass die Einhaltung des Rechts nicht durch eine Kontrolle objektiv rechtmäßigen Verwaltungshandelns, sondern durch Rechtsschutz für subjektive Rechte der Rechtsgenossen gewährt werden soll43. Mit anderen Worten liegt dem deutschen Recht der – sogleich näher auszuführende44 – Gedanke zugrunde, dass Rechtsschutz grundsätzlich subjektiviert ist, d. h. im Fall der Verletzung subjektiver Rechte und auf subjektive Veranlassung hin erfolgen soll. Art. 19 Abs. 4 GG wird daher als Verfassungsentscheidung für ein subjektives Rechtsschutzmodell45 interpretiert46. Dies folgt zwar „unwiderlegbar“47 weder aus dem offenen Wortlaut48, noch aus der Entstehungsgeschichte des Art. 19 Abs. 4 GG49. Doch weist die systematische Stellung des Art. 19 Abs. 4 GG, der im Gegensatz zu seiner Vorgängernorm des Art. 107 WRV nicht im Abschnitt für „Rechtspflege“, sondern innerhalb des Abschnitts über die Grundrechte steht und deshalb überwiegend als formelles Hauptgrundrecht anerkannt wird50, auf einen Individualrechtsschutz hin. Denn der Grundrechtsteil des Grundgesetzes ist geprägt vom Gedanken der Freiheit der Einzelpersönlichkeit, Psalm 94, 15. Morlok, DV 25 (1992), S. 371, 376. 43 Menger in: Bettermann / Nipperdey / Scheuner, Die Grundrechte III / 2, S. 716, 728. Im Gegensatz zum deutschen Rechtsschutzsystem ist das europäische auf objektiven Rechtsschutz ausgerichtet (vgl. dazu v. Danwitz, Verwaltungsrechtliches System, S. 230 ff.) Gleiches gilt für die Rechtsschutzmodelle vieler anderer europäischer Staaten (vgl. dazu Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 109). 44 Vgl. v.a. Kap. 1 B. II. 2. b). 45 Dies wird im Folgenden näher erläutert. 46 Dörr, Rechtsschutzauftrag, S. 15; Krebs in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 19 Rdn. 58; Schenke in: BK-GG, Art. 19 IV Rdn. 25; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 IV Rdn. 8 f., 60 ff. Einschränkend Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 347, wonach Art. 19 Abs. 4 GG zwar Individualrechtsschutz garantiert, den unmittelbaren Einsatz der Gerichte für eine allein objektive Rechtskontrolle aber nicht ausschließt; ähnlich Ramsauer in: AK-GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 32. 47 So aber Ibler, Rechtsschutz, S. 167 f.; Lorenz, Rechtsschutz, S. 130 f. 48 BVerfG, NJW 2003, S. 1924, 1925; Bauer, Gerichtsschutz, S. 18. Der Wortlaut des Art. 19 Abs. 4 GG hat zudem deshalb als Argument an Schlagkraft verloren, weil er an anderer Stelle nachweislich falsch ist. Denn er eröffnet den Rechtsweg nur für tatsächlich erfolgte Rechtsverletzungen, obwohl das tatsächliche Erfolgtsein gerade im Rechtsweg überprüft werden soll, dieser also schon für behauptete möglicherweise erfolgte Rechtsverletzungen offen stehen muss. 49 BVerfG, NJW 2003, S. 1924, 1925; Bauer, Gerichtsschutz, S. 18; Klein, VVDStRL 8 (1950), S. 67, 78; Voßkuhle, NJW 2003, S. 2193, 2196. 50 Vgl. Kap. 1 B. II. 41 42

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Kap. 1: Primärrechtsschutz im deutschen Recht

deren Ausübung und Schutz auch von der selbstverantwortlichen Entscheidung des Einzelnen abhängen muss. Einer solchen Konzeption kann eine objektive Rechtskontrolle, in der das subjektive Recht des Einzelnen nur mitverantwortet wird, nicht gerecht werden51. Gestützt wird diese These auch durch die teleologische Berücksichtigung des rechtsstaatlichen Hintergrunds des Art. 19 Abs. 4 GG52. Das Grundgesetz, in dessen materiellem Gehalt sich das Rechtsstaatsprinzip widerspiegelt, konkretisiert ein Menschenbild, das die Individualität eines jeden anerkennt und fördert. Dem entspricht die Entscheidung für ein subjektives Rechtsschutzsystem, in dem der Einzelne selbständig Rechtsschutz beantragen und damit den Schutz seiner subjektiven Rechte sicherstellen kann. Objektiver Rechtsschutz steht mit dieser grundgesetzlichen Konzeption nicht in Einklang, da er den Schutz individueller Interessen nicht erzielen will, sondern allenfalls als unbeabsichtigte Nebenfolge erreicht. Aus diesen Gründen ist Art. 19 Abs. 4 GG als Systementscheidung für den Individualrechtsschutz anzuerkennen. b) Vorgaben durch das subjektive Recht Rechtsschutzgegenstand, welcher der Rechtsschutzgarantie erst einen fassbaren Inhalt verleiht und als Quelle möglicher Primärrechtschutzvorgaben verbleibt, ist damit das subjektive Recht53. Zu untersuchen ist damit, welches Rechtsschutzziel in der individuellen Rechtsstellung angelegt ist, die der Gesetzgeber mit deren materiell-rechtlicher Ausgestaltung anerkennt54. Weiterführend in dieser Frage ist die Erläuterung der Struktur des subjektiven Rechts an sich.

51 Krebs in: FS Menger, S. 191, 197. Objektiver Rechtsschutz und subjektiver Rechtsschutz bezeichnen unterschiedliche rechtliche Kontrollmöglichkeiten des Staatshandelns. Insbesondere basieren beide Rechtsschutzsysteme auf unterschiedlichen Zielvorstellungen. Objektiver Rechtsschutz ist allein auf den Schutz der Rechtsordnung und nicht – jedenfalls primär – auf den Schutz privater Interessen gerichtet. Typischerweise, wenngleich nicht notwendig, wird er nur von Amts wegen durch die Rechtsprechung sichergestellt. Dagegen ist die Bewahrung der Rechtsordnung beim subjektiven Rechtsschutz „lediglich eine – erwünschte – Nebenfolge“ (so Menger, DÖV 1955, S. 587, 591). Vorrangiges Schutzziel ist vielmehr das subjektive Recht und damit ein subjektives Interesse. 52 Bauer, Gerichtsschutz S. 25; i. E. auch Dörr, Rechtsschutzauftrag, S. 15. 53 Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 368; Ramsauer in: AKGG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 33, 37. 54 Mit anderen Worten kommt es für die Frage, ob und inwieweit das subjektive Recht Primärrechtsschutz erfordert, nicht darauf an, wie dieses durch den Gesetzgeber ausgestaltet worden ist, insbesondere ob er Unterlassungsansprüche oder nur Schadensersatzansprüche im Fall erfolgter Verletzungen vorsieht, sondern welche Vorgaben aus dem subjektiven Recht selbst resultieren.

B. Verfassungsrechtliche Vorgaben

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aa) Die Existenz subjektiver Rechte Die – verfassungsrechtlich gebotene55 – Existenz von subjektiven Rechten ist mittlerweile allgemein anerkannt56. Ohne eigene Rechtsstellung wäre der Einzelne angesichts des Gewaltmonopols des Staates, des Selbsthilfeverbots und der allgemeinen Friedenspflicht zum bloßen Objekt staatlichen Handelns degradiert, das sein Verhalten inhaltlich nicht selbst bestimmen kann57. Eine derartige Degradierung des Individuums stünde in Widerspruch zu der in Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Menschenwürde. Deshalb müssen dem Bürger innerhalb der objektiven Rechtsordnung auch eigene Rechte bzw. Rechtsstellungen eingeräumt werden, bezüglich derer er nicht von der Rechtstreue eines Staatsorgans abhängt und auf deren Grundlage er zur eigenverantwortlichen Lebensgestaltung instand gesetzt ist58. bb) Die Entwicklung des subjektiven aus dem objektiven Recht Allerdings sind Inhalt und Leistungsfähigkeit des subjektiven Rechts immer noch umstritten59, so dass das subjektive Recht weiterhin als ein eher „dogmatisches Dilemma“, denn ein fest umrissenes Rechtsinstitut bezeichnet werden muss60. Hinweise auf den Inhalt des subjektiven Rechts können jedoch seiner dogmatischen Grundlage entnommen werden. Während anfänglich das subjektive Recht als Ausfluss der natürlichen Handlungsfreiheit angesehen wurde61, wird es heute anerkanntermaßen nach Maßgabe der objektiven Rechtsordnung bestimmt62. Wenn 55 Art. 19 Abs. 4 GG vermittelt zwar keinen Anspruch auf die Schaffung „eigener Rechte“, setzt die Existenz solcher aber voraus. 56 Vgl. nur die grundlegende Entscheidung des BVerwGE 1, S. 159 ff. („Leitidee“ des Grundgesetzes). Zur Entwicklung des subjektiven Rechts i.R.d. der Subjektivierung des Rechts vgl. Huber, Konkurrenzschutz, S. 100 f.; Scherzberg in: Erichsen / Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 11 Rdn. 1 ff., ders., DVBl. 1988, S. 129. 57 Vgl. BVerfGE 54, S. 277, 292; E 81, S. 347, 356; Lorenz, Rechtsschutz, S. 12; Papier in: HStR VI § 153 Rdn. 1 und § 154 Rdn. 12; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 IV Rdn. 35; Schwachheim in: Umbach / Clemens, GG, Art. 19 IV Rdn. 146. Ausführlich Merten, Rechtsstaat, S. 41 ff.; Isensee in: FS Eichenberger, S. 23 ff. 58 Vgl. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 8 Rdn. 4. 59 Heinz in: Heckmann / Messerschmidt, Gegenwartsfragen, S. 182; eingehend Huber, Konkurrenzschutz, S. 101 ff. 60 Krebs in: FS Menger, S. 191, 200. Deshalb ist verschiedentlich vorgeschlagen worden, den Begriff des subjektiven Rechts zu verabschieden (Scheuner, VVDStRL 11 (1954), S. 63 f.) und an seiner Stelle die Grundrechte treten zu lassen (Zuleeg, DVBl. 1976, S. 514 ff.) oder aber mit Hilfe der Lehre von den Rechtsverhältnissen eine größere Klarheit und Stringenz in die Diskussion zu bringen (Achterberg, Rechtstheorie 9 (1978), S. 385; ders., Allg. Verwaltungsrecht, § 20 S. 367 ff.; ders., Rechtsverhältnisordnung; Bauer, DVBl. 1986, S. 208, 217; Henke, DÖV 1980, S. 621, 623). 61 Vgl. dazu Scherzberg, DVBl. 1988, S. 129, 130.

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Kap. 1: Primärrechtsschutz im deutschen Recht

aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt, dass das Staatswesen durch das Recht erst konstituiert wird, muss in gleicher Weise auch die Stellung des Einzelnen zum Staat nach der Entscheidung dieses Rechts gestaltet werden63. Grundlage subjektiver Rechte kann daher nur das objektive Recht sein. Jedem objektiven Rechtssatz liegt die konstitutive verbindliche Geltungsanordnung zugrunde, die sich in der Anordnung widerspiegelt, dass bei Vorliegen eines Tatbestands unmittelbar eine bestimmte Rechtsfolge und mittelbar eine bestimmte Realfolge eintreten soll64. Wesentliches Charakteristikum dieser Geltungsanordnung ist ihre verhaltenssteuernde Wirkung in Gestalt einer Beachtenspflicht des Normunterworfenen. Soll diese Beachtenspflicht – zumindest auch – einem individuellen Interesse dienen, wird aus dem objektiven Recht die Gewähr auch eines subjektiven Rechts gefolgert65. Voraussetzung und Charakteristikum eines subjektiven Rechts ist damit die Befugnis an den dem objektiven Recht entspringenden Verhaltensgeboten. Soweit man die Rechtsordnung als Mittel zur Bewältigung von Interessengegensätzen ansieht, begründet das subjektive Recht durch seine Befugnis an objektiven Verhaltensgeboten gleichsam eine Berechtigung an objektiver Verhaltenslenkung66. Maßgeblich für die Berechtigung an objektiver Verhaltenslenkung ist damit das subjektive Recht begründende subjektive Interesse. Da ein „Recht“ im Ergebnis ein Interesse ist, dem der Schutz des Rechtes zuteil wird67, ist ein subjektives Recht nichts anderes als ein individuelles, rechtlich geschütztes Interesse. Durch die Einräumung dieser Rechtsmacht wird die Wahrnehmung des Interesses dann zu einem dem Rechtssubjekt durch die Rechtsordnung gewährten „Handeln-Dürfen“, zu einem „rechtlichen Können“ und damit zum subjektiven Recht68. „Rechtsschutz ist nicht sein Inhalt, sondern das rechtstechnische Mittel zu seiner Durchsetzung“69. Die Anerkennung und der Schutz dieser Rechtsmacht sind das formale, das damit verfolgte Ziel der Förderung eines individuellen Interesses das materiale Element eines subjektiven Rechts. Recht und Anspruch sind nach diesem Ansatz identisch70. Zusammenfassend besteht das subjektive Recht demnach in der Befug62 Vgl. nur Larenz, Methodenlehre, S. 250 ff.; Nawiasky, Rechtslehre, S. 152 ff.; Scherzberg in: Erichsen / Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 111 Rdn. 1 ff. Die Notwendigkeit eines normativen Ansatzes heben hervor Erichsen in: Erichsen / Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl., § 11 Rdn. 35 ff.; Schwerdtfeger, NVwZ, 1982, S. 5, 6. 63 Lorenz, Rechtsschutz, S. 5 f. 64 Larenz, Methodenlehre, S. 253 ff.; Lorenz, Rechtsschutz, S. 134; Scherzberg, DVBl. 1988, S. 129, 130. 65 Bauer in: Heckmann / Messerschmidt, Gegenwartsfragen, S. 113. 66 Scherzberg, DVBl. 1988, S. 129, 130. 67 Huber, Konkurrenzschutz, S. 103 f. 68 Krebs, Jura 1988, S. 617, 624; Scherzberg, DVBl. 1988, S. 129, 132. 69 Scherzberg, DVBl. 1988, S. 129, 132. 70 Vgl. auch Kap. 2 B. I. 3. A.A. Rupp, Grundfragen, S. 171; ders., DVBl. 1982, S. 144, 147, der das subjektive Recht auf eine auf die Erfüllung gesetzlicher Pflichten gerichtete

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nis, das durch die Rechtsordnung gewährte und geschützte Individualinteresse in Anspruch und wahrzunehmen und von anderen diesbezüglich die Einhaltung der Rechtsordnung verlangen zu können71. cc) Inhalt des subjektiven (staatverpflichtenden) Rechts Der Inhalt des subjektiven Rechts hängt folglich von den dem Schutz des jeweiligen Individualinteresses dienenden objektiven Verhaltensgeboten ab, welche durch die Beachtenspflicht auf der einen Seite gleichsam die Reichweite und Durchsetzungsfähigkeit des Individualinteresses auf der anderen Seite festlegen. Für die Ermittlung von Vorgaben für die inhaltliche Ausgestaltung subjektiven Rechtsschutzes bedarf es daher der Untersuchung dieser Verhaltensgebote nach einer allen innewohnenden Grundstruktur. Allerdings garantiert Art. 19 Abs. 4 GG Rechtsschutz nur gegenüber Verletzungen durch die öffentliche Gewalt und stellt damit nur auf so genannte subjektive staatverpflichtende Rechte ab72. Folglich ist das subjektive staatverpflichtende Recht, aus der Sicht des Bürgers und bei Zugrundlegung der obigen Beschreibung des subjektiven Rechts, zu definieren als die dem einzelnen kraft objektiven Rechts verliehene Rechtsmacht73, mithilfe der Rechtsordnung vom Staat zur Verfolgung eigener Interessen ein bestimmtes Verhalten verlangen zu können74. Subjektive staatverpflichtende Rechte können auch im Privatrecht verankert sein75. Denn auch der privatrechtlich handelnde Staat kann „öffentliche Gewalt“ ausüben76. Entscheidend für das Bestehen eines subjektiven staatsverpflichtenden Rechtsmacht begrenzt. Es soll sich demnach erst als Reaktion auf eine staatliche Pflichtverletzung ergeben (dies kritisiert Lorenz, Rechtsschutz, S. 53 f. und 275 f.). Indes anerkennt Rupp auch das oben genannte rechtliche Können und Dürfen als so genannten „status“ und stellt im Hinblick auf die Verletzung „in eigenen Rechten“ i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG auf ebendiesen status ab. Es handelt sich daher für die hier maßgebliche Frage des Inhalts der „subjektiven“ Rechte i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG lediglich um einen terminologischen Unterschied. 71 Ähnlich Herdegen in: Heckmann / Messerschmidt, Gegenwartsfragen, S. 161 f.; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 IV Rdn. 61. 72 Dass Art. 19 Abs. 4 GG nur gegen Verletzungen durch die öffentliche Gewalt Rechtsschutz garantiert und daher notwendigerweise nur auf solche subjektiven Rechte abstellt, die zumindest auch die öffentliche Gewalt verpflichten, ist allgemein anerkannt (restriktiver Pestalozza, NVwZ 1999, S. 140, 143, der nur die Grundrechte als von Art. 19 Abs. 4 GG geschützt ansieht). 73 Kritisch zur „Rechtsmacht“ Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 43 Rdn. 41a. 74 Bachof, VVDStRL 12 (1954), S. 36, 72 ff.; Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, S. 9 ff., 21, 223 ff.; Erichsen in: Erichsen / Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl., § 11 Rdn. 30 mit Verweis auf Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 41 ff.; Scherzberg in: Erichsen / Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 11 Rdn. 3 ff. 75 Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 134. 76 Vgl. eingehend Kap. 2 B. I. 1.

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Rechts ist mithin die entsprechende objektiv-rechtliche Norm, die Schutzpflichten des Hoheitsträgers und diesen korrespondierende Ansprüche des Einzelnen vermittelt77. Aus diesem Grund ist die geforderte Untersuchung auf diejenigen objektiven Verhaltensgebote zu begrenzen, die sich an den Staat richten. (1) Herleitung einer allgemeinen Integritätspflicht und eines korrelierenden Integritätsanspruchs Nach der dem deutschen Rechtsstaat zugrunde liegenden Vorstellung über die Verteilung von Staatsmacht und individueller Freiheit („rechtsstaatliches Verteilungsprinzip“78) ist die Freiheit und damit die Wahrnehmbarkeit subjektiver Interessen ursprünglich. Sie ist also vom Staat nicht erst gewährt, sondern wird nur gewährleistet. Daher darf sie nicht entzogen und nur insoweit eingeschränkt werden, als der objektiv höhere Wert der Interessenverfolgung anderer Menschen einschließlich der Allgemeinheit die Zurückdrängung der Verfolgung geringwertiger eigener Interessen erfordert79. Die objektiven Verhaltensgebote, zu deren Inanspruchnahme die subjektiven Rechte berechtigen, sind folglich nur die rechtliche Bestätigung vorrechtlicher Fähigkeiten80, indem sie regelmäßig darauf ausgerichtet sind, Störungen dieser Freiheit auszuschließen. Ihr Ziel ist mithin die Sicherung der Integrität des so genannten negativen Status. Dieser ist abstrakt als Gesamtheit der Freiheiten eines Individuums im Verhältnis zum Staat zu verstehen, der zu seiner Sicherung mit den subjektiven Rechten auf Inanspruchnahme jener objektiven Verhaltensgebote bewehrt ist. Die meisten subjektiven (staatverpflichtenden) Rechte basieren daher als so genannte „negative Freiheitsrechte“, „Störungsbeseitigungsrechte“ oder „Abwehrrechte“ auf dem negativen Status als „identischem Rechtsgrund“81. Ausgangspunkt und zugleich primäre Rechtsfolge des Abwehrrechts bestehen in dem an die Staatsgewalt gerichteten versubjektivierten, objektiv-rechtlichen Verbot, sich jedes Eingriffs in den status negativus zu enthalten, der den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht standhält. Geschützt ist somit die Freiheit von Fremdbestimmung, mithin die Nichtstörung in „seinen Rechten“, die typischerweise durch Unterlassung einer Störung bewirkt wird. Den objektiven Verhaltensgeboten, an denen der Einzelne durch subjektive Rechte berechtigt ist, liegt demnach 77 Dörr, Rechtsschutzauftrag, S. 15 f.; Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 385; Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 134. 78 Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 43 Rdn. 1. 79 Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 43 Rdn. 1; ähnlich Schmidt-Aßmann, DVBl. 1989, S. 533, 539. 80 Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, S. 145 ff.; Stern in: HStR V, § 108 Rdn. 3 ff.; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 43 Rdn. 2. 81 Möstl, Grundrechtsbindung, S. 39 f.; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 43 Rdn. 2; ähnlich Isensee, HStR V, § 111 Rdn. 21. A.A. Rupp, Grundfragen, S. 171. Zur These von der sog. Rechtsgrundidentität vgl. Höfling, VVDStRL 61 (2001), S. 261, 268 f. m. w. N.

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eine allgemeine Integritätserhaltungspflicht zugrunde, die sich in erster Linie als Unterlassungspflicht darstellt82. Ist bereits ein Eingriff erfolgt, so besteht diese ursprüngliche Eingriffsunterlassungspflicht in einer Eingriffs(folgen)beseitigungspflicht zur Wiederherstellung der Integrität des status negativus fort. Denn die Beseitigungspflicht ist letztlich nichts anderes als eine umgewandelte, der geschehenen Rechtsverletzung angepasste Unterlassungspflicht. Mithin erstreben die Abwehrrechte als Inanspruchnahmeberechtigungen dieser objektiven Pflichten die Aufrechterhaltung des status negativus und verlangen im Falle seiner Verletzung zumindest die Wiederherstellung der Integrität desselben. (2) Inhalt des Integritätswiederherstellungsanspruchs: Bestand und / oder Wert? Unklar ist allerdings, wie die Wiederherstellung der Integrität des status negativus erfolgen soll. Da negatorische Abwehrrechte unmittelbar darauf abzielen, jedem positiven rechtsverletzenden Handeln ein „definitives verfassungsmäßiges Gegenteil“ entgegenzusetzen, jenes aber vorderhand eine Bestandsverletzung des status negativus bewirkt, müsste als actus contrarius die Bestandswiederherstellung im Vordergrund stehen. Allerdings umfasst der status negativus als (grund)rechtlicher Berechtigungskomplex ein ganzes „Bündel von (grund)rechtlichen Positionen“, zu denen auch die wertmäßige Integrität, also eine Wertgarantie, gehört. Mit einer Bestandsverletzung geht daher grundsätzlich eine Wertverletzung einher. Sind damit auch Kompensationsansprüche Ausfluss des subjektiven Rechts, so dass durch Gewährung von Sekundärrechtsschutz der status negativus wiederhergestellt und dem Betroffenen zu „seinem Recht“ im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG verholfen wird83? Fest steht, dass sowohl restitutiver Primärrechtsschutz als auch kompensatorischer Sekundärrechtsschutz der Wiederherstellung der Integrität des status negativus dienen. Insoweit sind ihre Funktionen identisch. Deshalb umfassen die objektiven Verhaltensgebote und die daran berechtigenden subjektiven Rechte ebenfalls den Schutz der wertmäßigen Integrität des status negativus. Keinesfalls darf indes die beschriebene Rechtsgrundidentität und (teilweise) Funktionsparallelität von Primär- und Sekundärrechtsschutz zu dem Trugschluss verleiten, aus diesen Gründen das Verhältnis der beiden Rechtsschutzziele als „von gleichrangiger Komplementarität“ gekennzeichnet anzusehen84. Wenn auch der Wertintegritätsschutz ein objektives Verhaltensgebot ist, an dem sich subjektive Abwehrrechte orientieren, so darf nicht übersehen werden, dass der Wertschutz nur ein Teilaspekt des subjek82 Lorenz, Rechtsschutz, S. 275 f. Es handelt sich bei dieser Integritätspflicht nicht um eine sog. grundrechtliche Schutzpflicht. Diese ist eine positive Verpflichtung zum Schutz der grundrechtlichen Freiheit, jene eine negative Verpflichtung, Eingriffe zu unterlassen bzw. wieder zu beseitigen. 83 Dies ablehnend Lorenz, Rechtsschutz, S. 276 f. 84 Höfling, VVDStRL 61 (2001), S. 260, 278.

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tiven Rechts ist. Denn wenn auch die Bestandsverletzung eine Wertverletzung impliziert, so wird durch Wertersatz keinesfalls der Bestand wiederhergestellt. Damit zielt sekundärer Rechtsschutz zwar, ebenso wie der Primärrechtsschutz, auf die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands ab – und stellt nicht, wie der BGH meint, ein „obskures Sonderopfer“85 dar. Allerdings bewirkt Sekundärrechtsschutz ausdrücklich nur eine teilweise Beseitigung, indem er lediglich die wertmäßige Integrität als „Minus“ wiederherstellt. dd) Zwischenergebnis Mithin ist der Schutz subjektiver Rechte sowohl durch Primär- als auch durch Sekundärrechtsschutz möglich, jedoch ist jener der umfassendere und deshalb der grundsätzlich „bessere“86. Eine Konkretisierung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG auf eine Primärrechtsschutzgarantie setzt damit voraus, dass jene nicht nur irgendeinen, sondern den „besseren“ Rechtsschutz garantiert.

3. Garantie eines vorrangigen, weil effektiveren Primärrechtsschutzes Die Garantie eines optimalen („besten“) Rechtsschutzes ist nach allgemeiner Ansicht Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu entnehmen, wohl aber die eines effektiven Rechtsschutzes87. Teilweise wird diese Garantie unmittelbar in den subjektiven (Grund-)Rechten verankert gesehen88. Denn die – dargelegte – Verzahnung von Art. 19 Abs. 4 GG mit den jeweiligen betroffenen subjektiven (Grund-)Rechten führe zu einem arbeitsteiligen Verhältnis dergestalt, dass Art. 19 Abs. 4 GG bloß die Rechtswegeröffnung, dem (grund-)rechtsunmittelbaren Schutz hingegen die wirksame Gestaltung des gerichtlichen Verfahrens zuzufallen hätte. Zwar ist die effektive Durchsetzbarkeit der von den materiellen subjektiven (Grund-)Rechten geschützten Interessen integraler Bestandteil dieser Rechte selbst. Die effektive gerichtliche Durchsetzbarkeit wird jedoch speziell – jedenfalls für Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt – durch Art. 19 Abs. 4 GG 85 Vgl. BGHZ 90, S. 17, 29 ff.; Z 91, S. 20, 27 f. Begriff von Höfling, VVDStRL 61 (2001), S. 260, 274. 86 I.E. auch Dreier, JA 1987, S. 415, 417; Weckerle, Vorbeugender Rechtsschutz, S. 41. Axer, DVBl. 2001, S. 1322 leitet dies bereits aus der Terminologie „Primär-“ und „Sekundär-“ Rechtsschutz ab. 87 BVerfGE 35, S. 263, 274; E 40, S. 272, 274 f.; E 49, S. 329, 341; E 54, S. 39, 41; E 65, S. 1, 70; E 81, S. 123, 129; E 84, S. 34, 49; E 84, S. 59, 77; E 103, S. 142, 156. Vgl. dazu Dörr, Rechtsschutzauftrag, S. 20; Lorenz, Rechtsschutz, S. 130, 150; ders., Jura 1983, S. 393, 397; ders., AöR 105 (1980), S. 623 ff. Kritisch zum effektiven – verstanden als lückenlosen – Rechtschutz Vehse, DÖV 1975, S. 754, 755. 88 BVerfGE 24, S. 367, 401; E 49, S. 220, 225; Schachtschneider, VVDStRL 61 (2001), S. 437, 439 f.; in diese Richtung auch Lorenz, AöR 105 (1980), S. 623 ff.

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garantiert. Durch diese „hinter die Klammer gezogene“89 Spezialregelung wird verhindert, dass der allgemeine gerichtliche Rechtsschutz sich in einem aktionsrechtlichem Rechtsschutz- und Verfahrensgeflecht auflöst, dessen Folge eine Zersplitterung des gerichtlichen Verfahrensrechts und eine Erosion der dogmatischen Grundlagen gerichtlichen Rechtsschutzes wäre90. Deshalb ist die Annahme der – vorrangigen – Gewährleistung der Ausgestaltung des Rechtsschutzsystems durch subjektive (Grund-)Rechte ebenso abzulehnen wie diejenige eines modifizierten Ergänzungsverhältnisses beider Ausgestaltungsgarantien91. Vielmehr ist Art. 19 Abs. 4 GG gegenüber der Rechtsschutzkomponente der materiellen Grundrechte als lex specialis und als dogmatische Grundlage der Garantie effektiven Rechtsschutzes anzusehen92.

a) Inhalt der Effektivitätsgarantie: Vorrang des Primärrechtsschutzes Folgt damit aus Art. 19 Abs. 4 GG die Garantie effektiven Rechtsschutzes und ist der Primärrechtsschutz im Vergleich zum Sekundärrechtsschutz als der bessere und effektivere, weil umfassendere Rechtsschutz anzuerkennen, so wird deutlich, dass die Effektivitätsgarantie keineswegs eine gehaltlose „Leerformel“93, sondern ein Kriterium zur Rechtsschutzzielbestimmung ist94. Im Dienst der Normverwirklichung ist sie auf die wirksame Durchsetzung des betroffenen subjektiven Rechts in der sozialen Wirklichkeit gerichtet und fordert deshalb grundsätzlich die Eröffnung von Primärrechtsschutz95, also der rechtlichen und tatsächlichen Überprüfung einer staatlichen Maßnahme mit dem Ziel ihrer Aufhebung und der Beseitigung der durch sie bewirkten Rechtsverletzung bzw. ihrer Unterlassung im Fall 89 Krebs in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 19 Rdn. 48; Ramsauer in: AK-GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 37. 90 Papier in: HStR VI, § 154 Rdn. 15; Ramsauer in: AK-GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 37; Schmidt-Aßmann in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, Einl. Rdn. 54. 91 So Wilfinger, Gebot effektiven Rechtsschutzes, S. 87 ff., 103 ff., 108 ff. 92 Harries-Lehmann, Rechtsweggarantie, S. 254 f. m. w. N.; Ramsauer in: AK-GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 95; Schmidt-Aßmann in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, Einl. Rdn. 153. 93 So aber Lorenz, Jura 1983, S. 393; ders., AöR 105 (1980), S. 623, 636; ähnlich Arndt, Praktikabilität und Effizienz, S. 102 ff., 137 ff., 146 („pseudonormative Leerformel“); Haag, Effektiver Rechtsschutz, S. 60 („griffige attraktive Worthülse“); Voßkuhle, Rechtsschutz, S. 139 („Relationsbegriff“). 94 Einen materiellen Gehalt der Effektivitätsgarantie erkennt auch Lorenz, Rechtsschutz, S. 16 ff.; ders., AöR 105 (1980), S. 623, 638 f. 95 Dörr, Rechtsschutzauftrag, S. 20; Lorenz, Rechtsschutz, S. 130; Ramsauer in: AK-GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 95 („Effektiver Rechtsschutz ist Primärrechtsschutz“); ähnlich Schenke in: BK-GG, Art. 19 IV Rdn. 387 ff. I.E. auch Wilke, NZBau 2005, S. 326, 327. Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 211, 244 f. leitet den Vorrang aus der in den Grundrechten verankerten Verpflichtung des Staates her, die rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen für eine effektive Ausübung grundrechtlicher Freiheit herzustellen.

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der Gefährdung nicht restitutionsfähiger Rechte96. Ein reiner Sekundärrechtsschutz, der den einzelnen statt auf Bestandsschutz auf Schadensausgleich in Geld verweist, wird den verfassungsrechtlichen Anforderungen regelmäßig nicht gerecht97. Nur – aber auch immer – dann, wenn der Primärrechtsschutz versagt, gebietet die Rechtsschutzgarantie, dass ein wirksamer Sekundärrechtsschutz des Staatshandelns eingreifen muss98. b) Ausnahmen von dem Vorrang der Pflicht zur Wahrung der bestandsmäßigen Integrität Der Garantie eines vorrangigen Primärrechtsschutzes entspricht ein dahingehender Rechtsschutzauftrag an den Gesetzgeber. In der Praxis hingegen gilt Primärrechtsschutz nicht immer als das vorzugswürdigere Rechtsschutzziel. Sei es, dass Sekundärrechtsschutz verfahrensrechtlich bzw. tatsächlich einfacher zu erlangen [aa)] oder für den Betroffenen die finanzielle Kompensation schlicht attraktiver ist [bb)], sei es, dass die Rückgängigmachung des verletzenden Aktes die Rechte Dritter oder andere Verfassungsgüter beeinträchtigt [cc)]: es stellt sich die Frage, ob das Rechtsschutzsystem derart ausgestaltet werden muss, dass zwingend vorrangig Primärrechtsschutz geltend zu machen ist, dieser mithin als Recht und Pflicht zu verstehen ist, oder ob der Betroffene die freie oder bedingte Wahl zwischen beiden Rechtsschutzzielen hat. aa) Unbeachtlichkeit tatsächlich ineffektiver Ausgestaltung des Primärrechtsschutzverfahrens In der Literatur ist diesbezüglich erwogen worden, den im Grundsatz anerkannten Vorrang des Primärrechtsschutzes in concreto von einer tatsächlich effektiven Ausgestaltung des Rechtsschutzverfahrens abhängig zu machen99. Weise dieses erhebliche Lücken auf, entfiele die eingriffsbereinigende, den Vorrang begründende 96 So auch BVerfGE 24, S. 33, 49; E 25, S. 352, 365; Burgi, JZ 2001, S. 930, 931; Dörr, DÖV 2001, S. 1014, 1020; Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 450; Lorenz in: FS Menger, S. 143, 152, 155; Schoch, DV 34 (2001), S. 261, 262; SchmidtAßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 28. 97 Vgl. allgemein BVerfG, NJW 1990, S. 501 f.; BVerwG, DVBl. 2004, S. 317, 318; Ramsauer in: AK-GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 95. Für das Vergaberecht: OVG Koblenz, VergabeR 2005, S. 478, 479; Dörr DÖV 2001, 1014, 1020; Dreher, NZBau 2002, S. 419, 426. Für das Beamtenrecht: BVerwG, ZBR 2004, S. 101, 102; Wernsmann, DVBl. 2005, S. 276, 283; für das Arbeitsrecht: Lansnicker / Schwirtzek, NJW 2003, S. 2481, 2485. 98 Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 234; Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 283; Schoch, DV 34 (2001), S. 261, 275. Zum Ganzen Dörr, Rechtsschutzauftrag, S. 23. 99 Erbguth in: VVDStRL 61 (2001), S. 221 ff., der i.E. jedoch mit der hier vertretenen Auffassung übereinstimmt.

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Kraft des Primärrechtsschutzes. Indes verkennt diese Auffassung die Unterscheidung zwischen Rechtsschutzziel und Rechtsschutzverfahren. Das Rechtsschutzziel „Primärrechtsschutz“ bleibt unabhängig von der verfahrensmäßigen Ausgestaltung, also der konkreten Erreichbarkeit, das effektivere. Aus diesem Grund kann ein lückenhaftes Primärrechtsschutzverfahren nicht den Vorrang des Primärrechtsschutzes beseitigen; vielmehr zwingt der Vorrang des Primärrechtsschutzes zu einer lückenlosen Verfahrensgestaltung100. Die obige Ansicht verwechselt daher Ursache und Wirkung. bb) Entgegenstehendes Interesse des Betroffenen unbeachtlich Zweifelhafter erscheint ein zwingender Vorrang des Primärrechtsschutzes in Fällen, in denen der Betroffene kompensatorischen Sekundärrechtsschutz präferiert. So ist denkbar, dass ein zu Unrecht übergangener Bieter in einem Vergabeverfahren statt Erhalt eines mit den typischen Unternehmerrisiken behafteten Auftrags den Ersatz des positiven Interesses vorzieht, das unter Umständen sogar den entgangenen Gewinn umfasst101. Aus Sinn und Zweck des subjektiven Rechtsschutzes, zuvörderst dem Schutz des Individualinteresses und nicht dem des Allgemeininteresses am Erhalt der Rechtsordnung zu dienen, wird daher ein Wahlrecht zwischen Primär- und Sekundärrechtsschutz hergeleitet und ein allgemeiner Primärrechtsschutzzwang abgelehnt. Berücksichtigt man ferner die grundsätzliche Kompensationsfähigkeit aller Rechte und Rechtsgüter in einer funktionierenden Geldwirtschaft und schließt daraus, der Geschädigte werde den Geldersatz i.d.R. vorziehen102, würde der verfassungsrechtlich hergeleitete Vorrang des Primärrechtsschutzes realiter in sein Gegenteil verkehrt. Die Ableitung einer reinen Sekundärrechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG genügte dann den tatsächlichen Interessen. Bedenken weckt indes bereits die These der Kompensationsfähigkeit aller Rechte und Rechtsgüter und der daraus folgenden regelmäßigen Präferenz des Sekundärrechtsschutzes. Bezogen auf öffentliche Aufträge sind die Deckung laufender Kosten, zum Beispiel ohnehin zu entlohnender Angestellter, sowie die mit dem Erhalt eines Auftrags erlangte Reputation und Werbewirkungen Vorteile, die nur mittels Primärrechtsschutzes erlangt werden, so dass der Sekundärrechtsschutz zumindest nicht stets oder in der Regel der attraktivere sein wird. Doch selbst wenn der Bürger im Einzelfall Sekundärrechtsschutz präferiert, ist er zur vorrangigen Geltendmachung von Primärrechtsschutz verpflichtet. Denn Rechtsschutz dient als Grundpfeiler des Rechtsstaats nicht nur der Wahrung der subjektiven Rechte der Bürger, sondern auch der objektiven Rechtsordnung103, wie die enge Verknüpfung 100 101 102

Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV, Rdn. 194 ff. Vgl. dazu Kap. 2 A. II. So Rüfner in: Erichsen / Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, 12. Aufl., § 49 Rdn. 29.

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von subjektivem Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) und Gesetzesbindung der öffentlichen Gewalt (Art. 20 Abs. 3 GG)104 sowie die Herleitung des subjektiven Rechts aus dem objektiven105 und die Begründung der Rechtsbestandsintegrationspflicht106 zeigen. Zwar lassen sich unmittelbar aus Art. 20 Abs. 3 GG, der den Staat – und gerade nicht den Bürger – zum gesetzmäßigen Handeln verpflichtet, ebenso wenig Pflichten des Bürgers herleiten wie aus den subjektiven Abwehrrechten. Die Verneinung unmittelbarer Bürgerpflichten darf jedoch nicht den Blick auf die jedem Bürger obliegende Verantwortung gegenüber dem Staat versperren107. Wenn der Rechtsstaat zugunsten eines Individualrechtsschutzes auf eine bürgerunabhängige objektive Rechtskontrolle verzichtet und deshalb nur durch ein – auf Primärrechtsschutz gerichtetes – Tätigwerden des Bürgers eine Kontrolle des Staats und die Durchsetzung seiner Gesetzesbindung ermöglicht, begründet die staatsbürgerliche Verantwortung eine Anfechtungslast und Pflicht zur vorrangigen Inanspruchnahme von Primärrechtsschutz. Diese Verantwortung wird einfachgesetzlich in § 839 Abs. 3 BGB zum Ausdruck gebracht, der insofern als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens zu verstehen ist. Die Präferenz von Sekundärrechtsschutz durch den Betroffenen steht daher nicht dem Auftrag aus Art. 19 Abs. 4 GG zur Schaffung eines Systems vorrangigen Primärrechtsschutzes – und dessen Inanspruchnahme – entgegen. cc) Ausgestaltungsvorbehalt und Eingriffsrechtfertigung: Das Gebot ausgewogenen Rechtsschutzes Ausnahmen vom Vorrang des Primärrechtsschutzes werden indes bei kollidierenden Rechten Dritter108 und sonstigen Verfassungsgütern grundsätzlich anerkannt. Zwar enthält Art. 19 Abs. 4 GG keinen Gesetzesvorbehalt109. Dessen bedarf es aber auch nicht, weil die Rechtsschutzgarantie in erster Linie nicht als Abwehrgrundrecht, sondern als Leistungsgrundrecht normiert ist, das den Staat zur 103 Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 345; Ramsauer in: AK-GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 31; Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 9. 104 Vgl. Kap. 1 B. II. 105 Vgl. Kap. 1 B. II. 2. b) bb). 106 Vgl. Kap. 1 B. II. 2. b) cc) (2). 107 Böhmer, NJW 1988, S. 2561, 2564; Engelhardt, VersR 1989, S. 1221 f.; Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 345; 371, 483 ff. 108 Diese Erkenntnis spielt v.a. in mehrpoligen Verhältnissen eine Rolle, wie sie in weiten Teilen des Umweltrechts, des Baurechts, aber auch im Vergabe-, Medien- und Beamtenrecht vorkommen: Drittschutz als Nachbar- und Konkurrentenschutz. 109 Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 141; Ramsauer in: AK-GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 77; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 IV Rdn. 140. A.A. Maurer in: FS BVerfG II, S. 467, 489; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rdn. 1007, die die Art. 19 Abs. 4 GG immanente Notwendigkeit zur Ausgestaltung als Gesetzesvorbehalt ansehen.

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Gewährleistung eines effektiven (Primär-)Rechtsschutzes verpflichtet und das aufgrund der Normgeprägtheit seines Schutzbereichs Anwendung erst nach Maßgabe gesetzlicher Ausgestaltung findet110. Da eine Ausgestaltung aber stets auch Grenzen ziehen muss, untersteht die Rechtsschutzgarantie einem Ausgestaltungsvorbehalt111 und unterliegt insoweit als Grundrecht immanenten Schranken112. Und ob man nun in jeder Ausgestaltung einen zu rechtfertigenden Eingriff in den bestmöglich zu gewährenden Rechtsschutz sieht113, jeden Eingriff als rechtfertigungsbedürftige Ausgestaltung beurteilt oder aber zwischen der Ausgestaltung als rechtsstaatlich gebotene Beschränkung des Rechtsschutzes und dem Eingriff als anderweitige Beschränkung unterscheidet114: Einigkeit besteht dahingehend, dass Beschränkungen der (Primär-)Rechtsschutzgarantie außerhalb ihres verfassungsänderungsfesten Kernbereichs – bei Übertragung der allgemeinen Grundsätze für vorbehaltlos garantierte Freiheitsrechte – im Fall kollidierender Grundrechte Dritter oder anderer Verfassungsrechtsgüter gerechtfertigt sein können115. Die im Einzelfall gebotene Effektivität des Rechtsschutzes ist daher stets das Ergebnis einer Abwägung, in der sowohl Art. 19 Abs. 4 GG als auch Grundrechte Dritter und andere Verfassungsgüter nach den Regeln praktischer Konkordanz insgesamt zur Wirksamkeit gelangen116. Rechtsschutzbeschränkungen sind daher unter Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zulässig, obwohl dieser auf Freiheitseingriffe, nicht aber auf normative Ausgestaltung zugeschnitten ist117. 110 BVerfG, NJW 2003, S. 1924, 1926; dass., NJW 1995, S. 3173 f.; dass., NJW 1993, S. 1635; Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 368; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 IV Rdn. 42 und 105; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rdn. 1007. 111 Jarass in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 19 Rdn. 51; Ramsauer in: AK-GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 77; Schenke in: BK-GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 99; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 IV Rdn. 79 ff. 112 Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 313, 324; Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 372 f. A.A. Maurer, FS BVerfG II, S. 467, 489 f.; i.E. ebenso Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rdn. 1025. 113 Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 309, einschränkend Rdn. 108, wo er zwischen gestaltenden und sonstigen Eingriffen unterscheidet und Rdn. 319, wo er Ausgestaltung und Eingriff mangels Unterscheidbarkeit den gleichen Rechtfertigungsvoraussetzungen unterwirft. 114 Maurer, FS BVerfG II, S. 467, 489 f.; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rdn. 1023 ff., die wegen der Normgeprägtheit des Art. 19 Abs. 4 GG die Qualifizierung der Ausgestaltung als Eingriff ablehnen. Erst eine unangemessene Ausgestaltung sei ein Eingriff, der i.d.R. nicht gerechtfertigt sei. 115 BVerfGE 101, S. 106, 124; BVerfG, NZBau 2006, S. 791, 794; Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 141, 313 ff.; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 IV Rdn. 140. 116 Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 4. Inwiefern der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hierbei eine Rolle spielt, ist strittig, vgl. Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 IV Rdn. 140 f. 117 BVerfGE 101, S. 106, 124 f. unter Hinweis auf E 60, S. 253, 268 f.; E 88, S. 118, 123 ff.; Dörr, Rechtsschutzauftrag, S. 25; Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 325; Voßkuhle, NJW 2003, S. 2193, 2197. Ähnlich Krüger / Sachs in: Sachs, GG, Art. 19 Rdn. 153; Maurer, FS BVerfG II, S. 467, 490; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 IV Rdn. 140, die

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Kap. 1: Primärrechtsschutz im deutschen Recht

Unter Berücksichtigung seiner immanenten Schranken darf Art. 19 Abs. 4 GG deshalb nicht als „schlichtes Rechtsmaximierungsgebot“ missverstanden werden118, sondern verpflichtet vielmehr – insbesondere in mehrpoligen Verhältnissen, wie sie im Öffentlichen Auftragswesen vorherrschen – zu einem ausgewogenen Rechtsschutz119. Auch ein ausgewogener Rechtsschutz muss allerdings die Kassation verletzender Maßnahmen grundsätzlich ermöglichen und darf vor allem nicht generell auf Sekundärrechtsschutz begrenzt sein120. Mithin ist der Gesetzgeber die Regelung mehrpoliger Verhältnisse betreffend nicht nur in der Lage, sondern sogar aufgefordert, Inhalt und Grenzen subjektiver (staatverpflichtender) Rechte unter Berücksichtigung der Rechtspositionen der anderen Beteiligten eindeutig festzulegen, um im Falle eines Rechtsstreits der rechtsschutzgewährenden Stelle die Gewährleistung eines ausgewogenen Rechtsschutzes zu ermöglichen. Denn die Rechtschutzgewährung ist heute zu einem knappen Gut geworden, dessen gerechte Verteilung Aufgabe der einfachen Gesetzgebung sein muss. 4. Zwischenergebnis Die aus Art. 19 Abs. 4 GG folgende Rechtsschutzgarantie und der dementsprechende Rechtsschutzauftrag an den Gesetzgeber zielen mithin auf ein System vorrangigen Primärrechtsschutzes ab121. Ausnahmen vom Recht auf und der Pflicht zum vorrangigen Primärrechtsschutz sind nur in den engen Grenzen des gesetzgeberischen Ausgestaltungsspielraums nach Abwägung mit anderen Verfassungsgütern und Rechtspositionen Dritter gerechtfertigt. Allerdings gewährt Art. 19 Abs. 4 GG seinem Wortlaut nach den Rechtsweg und -schutz nur bei Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt und ist mithin nur eine partielle Primärrechtsschutzgarantie122. Das (Kartell-)Vergaberecht ist jedoch ein „Mixtum“ zwischen verfassungsunmittelbare Einschränkungen der Rechtsschutzgarantie jedoch nur im Ausnahmefall für praktisch vorstellbar halten. 118 Papier in: HStR VI § 154 Rdn. 7 f.; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 IV Rdn. 81. So aber Jakobs, Staatshaftungsrecht, Rdn. 14. 119 Dörr, Rechtsschutzauftrag, S. 21; Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 377; Ramsauer in: AK-GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 77; Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 4. 120 Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 314; ähnlich Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 469. 121 Dem widerspricht es im Übrigen nicht, dass nach h. M. (vgl. nur BVerfGE 51, S. 176, 185; E 61, S. 82, 110; E 83, S. 182, 194 f.; Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 119 m. w. N.; a.A. Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 140; Lorenz, Rechtsschutz, S. 56 f.) Art. 19 Abs. 4 GG kein Verrechtlichungsgebot entnommen wird. Denn die Primärrechtsschutzproblematik ist keine Frage der Ausgestaltung, sondern der Durchsetzung subjektiver Rechte und damit ein Art. 19 Abs. 4 GG unterfallendes Rechtsschutzproblem; so ausdrücklich Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 281 m. w. N.; a.A. wohl Seith, Wie kommt der Urheber zu seinem Recht, S. 75 f.

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öffentlichem und privatem Recht und verpflichtet als öffentliche Auftraggeber i. S. d. § 98 GWB Personen sowohl des öffentlichen als auch des privaten Rechts, die – soviel sei vorweggenommen – nicht alle unter den Begriff der öffentlichen Gewalt i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG fallen123. Aus diesem Grund ist zu untersuchen, ob eine – über Art. 19 Abs. 4 GG hinausgehende – allgemeine Primärrechtsschutzgarantie gegen sämtliche (auch nicht-staatliche) Verletzungen in eigenen Rechten dem Grundgesetz zu entnehmen ist.

III. Exkurs: Vorgaben aus dem Justizgewährleistungsanspruch gem. Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG Dass eine allgemeine verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie besteht, wird nicht bezweifelt. Unklar ist jedoch ihre dogmatische Herleitung [1.] sowie ihr Gewährleistungsgehalt [2.].

1. Herleitung des allgemeinen Justizgewährleistungsanspruchs Art. 19 Abs. 4 GG hat die (Primär-)Rechtsschutzgarantie sektoral präzisiert und grundrechtlich fundiert, keinesfalls aber – im Sinne eines Umkehrschlusses124 – eine Herausnahme von Streitigkeiten zwischen Privaten aus der allgemeinen verfassungsrechtlichen Rechts- und Gerichtsschutzgarantie bewirkt125. Vielmehr enthält nach allgemeiner Auffassung für die übrigen Rechtsgebiete, namentlich für die bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten, das allgemeine Rechtsstaatsprinzip126 eine Gewährleistung staatlichen Rechtschutzes127. Dieses ist zwar als solches nicht im Grundgesetz normiert, sondern aus Einzelvorschriften entwickelt worden. Es ist indes als Grundsatz- und Systementscheidung des Grundgesetzes anzuerkennen und kann zur Auslegung offener Verfassungsfragen herangezogen werden128. 122 Dörr, DÖV 2001, S. 1014; Jarass in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 19 Rdn. 35; Papier in: HStR VI § 154 Rdn. 22; Schmidt-Jortzig, NJW 1994, S. 2569. 123 Vgl. Kap. 2 B. I. 1. b). 124 So aber Lerche, ZZP 78 (1965), S. 1, 8. 125 Papier in: HStR VI, § 153 Rdn. 6. 126 Zu anderen Herleitungsansätzen für den allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch vgl. Schilcken, Gerichtsverfassungsrecht, Rdn. 87. 127 BVerfGE 88, S. 118, 123 ff.; E 85, S. 337, 345; E 84, S. 366, 369 f.; E 74, S. 228, 234; E 54, S. 277. 291; Dütz, Gerichtsschutz, S. 95 ff.; Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 352; Krebs in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 19 Rdn. 50; Papier in: HStR VI, § 153 Rdn. 1 u. 5; Ramsauer, AK-GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 19; Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 16; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 IV Rdn. 37. Wohl nur irrig anders BVerfG, NJW 1995, S. 1416 f. 128 Kritisch Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 89 ff., 109 f.; Merten, Rechtsstaat, S. 12 ff.

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Kap. 1: Primärrechtsschutz im deutschen Recht

Jedenfalls dort, wo es nicht um Einzelfragen, sondern um das Allgemeine und Systematische geht, kommt dem Rechtsstaatsprinzip normative Bedeutung zu129. Freilich rechtfertigt der normative Rang des Rechtsstaatsprinzips noch nicht den Schluss auf eine allgemeine Rechtsschutzgarantie. Vielmehr wird das Rechtsstaatsprinzip als lex imperfecta angesehen, dass lediglich – für die öffentliche Gewalt in Art. 20 Abs. 3 GG sogar ausdrücklich – die Bindung aller an Recht und Gesetz festlegt, nicht aber Sanktionen und Rechtsschutzmöglichkeiten im Falle des Zuwiderhandelns bestimmt130. Wenn aber die Freiheit als oberstes Schutzgut der Rechtsordnung anerkannt wird, darf sich der Schutz derselben nicht auf das Freisein von staatlichen Eingriffen beschränken, sondern muss auch Gefährdungen durch nicht-staatliche Mächte umfassen131. Gerade wenn der Rechtsstaat auf der einen Seite das Gewaltmonopol des Staates, das prinzipielle Selbsthilfeverbot des Bürgers und seine prinzipielle Friedenspflicht fordert, muss er auf der anderen Seite durch ein objektives Rechtsschutzgebot die Freiheit des Bürgers sicherstellen. Deshalb ist aus „dem Rechtstaatsprinzip des Grundgesetzes ( . . . ) auch für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten im materiellen Sinne die Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes abzuleiten“ 132. Allerdings ist damit lediglich eine objektive Justizgewährleistungspflicht, nicht aber ein subjektiver Justizgewährleistungsanspruch begründet. Teilweise wird ein solcher unmittelbar aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet 133. Dies unterläuft indes die Unterscheidung von objektivem und subjektivem Recht. Zudem ist das Rechtsstaatsprinzip eine bloße Staatszielbestimmung, die im Gegensatz zu den Abwehrrechten keine unmittelbar gerichtlich verfolgbaren subjektiv-rechtlichen Ansprüche bewirken kann134. Die bloße rechtsstaatliche Justizgewährungspflicht besitzt daher keine unmittelbar-eigenständige Grundrechtsqualität135. Andere sehen die Grundlage des Justizgewährleistungsanspruchs daher im Rechtsstaatsprinzip i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG136. Eine derartige „GrundrechtsamalSchmidt-Jortzig, NJW 1994, S. 2569, 2570. Vgl. Bettermann, DÖV 1955, S. 528, 531; Schoch, VerwArch 79 (1988), S. 1, 33 f. m. w. N. 131 Möstl, Grundrechtsbindung, S. 40. 132 BVerfGE 54, S. 277, 291. 133 So Ramsauer in: AK-GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 30; ähnlich Knoche / Biesack, NJW 2003, S. 476, 478; Schmidt-Aßmann in: HStR I, § 24 Rdn. 71. 134 Dreier, Jura 1994, S. 505, 508 m.w.N in Fn. 48. Vgl. auch Bethge, Der Staat 24 (1985), S. 351, 377; Kutscha, ZRP 1993, S. 339, 341. 135 Scholz in: GS Grabitz, S. 725, 729; Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 16. Folgerichtig führt sie auch nicht zur Aktivlegitimation im Verfassungsbeschwerdeverfahren. 136 BVerfG, NZBau 2006, S. 791, 793; Maurer in: FS BVerfG II, S. 467, 492; Seith, Wie kommt der Urheber zu seinem Recht, S. 78 Fn. 327; Stürner, Aufklärungspflicht, S. 39 Fn. 46. Vgl. auch Krings, Grundrechtliche Schutzansprüche, S. 238; Papier in: HStR VI, § 153 Rdn. 24; Robbers, Sicherheit als Menschenrecht, S. 193 ff. 129 130

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gamierung“ objektiver Grundrechtsgewährleistungen ist allerdings nicht unumstritten137. Zudem ist problematisch, dass Art. 2 Abs. 1 GG primär als Abwehrrecht konzipiert ist, während ein Justizgewährleistungsanspruch leistungs- oder mitwirkungsrechtlichen Charakter hat138. Dieses Problem könnte nur durch einen Rückgriff auf die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten gelöst werden, obgleich deren Anwendbarkeit i.R.d. Art. 2 Abs. 1 GG ebenfalls nicht unumstritten ist139. 2. Unterschiede zwischen der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG und dem allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch Selbst wenn der Justizgewährleistungsanspruch insoweit anzuerkennen sein sollte, ist die Frage nach dessen inhaltlicher Übereinstimmung mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG damit noch nicht beantwortet140. Nach der herrschenden Auffassung verpflichtet der allgemeine Justizgewährleistungsanspruch ebenso wie Art. 19 Abs. 4 GG den Staat, für die Durchsetzung subjektiver Rechte des Privatrechts einen effektiven Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen141. Er sei damit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG inhaltlich zumindest ähnlich und ebenbürtig142. Der Anwendungsbereich solle der einzige Unterschied sein143. Demnach bestünde auch im Privatrecht ein Anspruch auf Schaffung eines vorrangig auf Primärrechtsschutz ausgerichteten Rechtsschutzsystems. Wie die nachfolgende Untersuchung dieser bislang kaum erörterten Problematik144 zeigt, ist jedoch jene These von der inhaltlichen Parallelität des allgemeinen Justizgewährleistungsanspruchs und der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG abzulehVgl. Dreier in: Dreier, GG, Art. 2 I Rdn. 42; Kahl, Schutzergänzungsfunktion, S. 2 ff. Kritisch daher Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 355; Scholz in: GS Grabitz, S. 725, 729. 139 Kritisch Scherzberg, DVBl. 1989, S. 1128, 1129 f. 140 Vgl. zum Inhalt des Justizgewährleistungsanspruchs Sobota, Rechtsstaat, S. 188 ff. 141 St. Rspr. des BVerfG (vgl. die Nachweise in Fn. 127 sowie zuletzt BVerfG, NJW 2005, S. 739 und NJW 2003, S. 2227); Boesen, Vergaberecht, Einl. Rdn. 102; Reidt, BauR 2000, S. 22, 25; Schmidt-Jortzig, NJW 1994, S. 2569, 2572 f. 142 Boesen, Vergaberecht, Einl. Rdn. 102; Papier in: HStR VI, § 154 Rdn. 12; Sachs in: Sachs, GG, Art. 20 Rdn. 158 ff.; Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 18; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 IV Rdn. 37; Voßkuhle, NJW 2003, S. 2193, 2196. Weitergehend BVerfG, NJW 2003, S. 1924, 1925; Haag, Effektiver Rechtsschutz, S. 22 f.; Maurer in: FS BVerfG II, S. 467, 493 (keine inhaltlichen Unterschiede). Ebenso Wilfinger, Gebot effektiven Rechtsschutzes, S. 20 f., 89, 91 f., allerdings auf S. 21 wohl ein Zurückbleiben in subjektiv-rechtlicher Hinsicht anerkennend. 143 BVerfG, NJW 2003, S. 1924, 1925. A.A. insoweit Papier in: HStR VI, § 154 Rdn. 12 und Ramsauer in: AK-GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 28, wonach auch der Justizgewährungsanspruch Rechtsschutz gegen die öffentliche Gewalt garantiert, aber hinter Art. 19 Abs. 4 GG zurücktritt; vgl. dazu Spiecker gen. Döhmann, NVwZ 2003, S. 1464. 144 Harries-Lehmann, Rechtsweggarantie, S. 96 („erheblicher Klärungsbedarf“). 137 138

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Kap. 1: Primärrechtsschutz im deutschen Recht

nen und stattdessen ein Zurückbleiben – sowohl in subjektiv-rechtlicher [a)] als auch in objektiv-rechtlicher Hinsicht [b)] – des allgemeinen Justizgewährleistungsanspruchs hinter der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG zu konstatieren145. a) Zurückbleiben in subjektiv-rechtlicher Hinsicht Da der allgemeine Justizgewährleistungsanspruch aus einer Verbindung des Rechtsstaatsprinzips mit dem Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG hergeleitet wird, kann er nur in dem Umfang geltend gemacht werden, in dem Art. 2 Abs. 1 GG auch Grundlage verfassungsunmittelbarer Ansprüche auf staatliches Handeln sein kann. Dies ist jedoch nur nach Maßgabe der sich aus dem objektiv-rechtlichen Gehalt des Grundrechts ergebenden Schutzpflichten der Fall146. Die Pflicht zum Schutz gegenüber Verletzungen durch Private muss aber ebenfalls deren Privatautonomie beachten. Sie kann nur auf Gewähr eines Mindestmaßes an Freiheit gegenüber Dritten gerichtet sein147. Deshalb unterliegt der Justizgewährleistungsanspruch ebenso wie die grundrechtlichen Schutzpflichten dem so genannten Untermaßverbot148. Als Korrelat zum Übermaßverbot markiert dieses die Grenze eines staatlichen Gestaltungsspielraums, ab wann „zu viel“ staatliches Handeln unverhältnismäßig ist, und jenes die Grenze, ab wann „zu wenig“ staatliches Handeln unverhältnismäßig ist149. Das Untermaßverbot markiert damit die Untergrenze des 145 Schon die Terminologie „Justizgewährleistungsanspruch“ spricht gegen eine inhaltliche Parallelität mit dem „Primärrechtsschutzanspruch“. So ist der Justizgewährungsanspruch in der ZPO ein Anspruch des Bürgers gegen den Staat, dass Gerichte in seiner Sache tätig werden (vgl. Schumann in: Stein / Jonas, ZPO, Einl. Rdn. 204). Er ist damit ein formales Recht, das auf judizielles Handeln an sich gerichtet ist. Damit steht der Justizgewährungsanspruch im Gegensatz zum zivilprozeßrechtlichen Rechtsschutzanspruch, der nicht auf das „ob“, sondern (auch) auf das „wie“ der Justiztätigkeit abzielt (vgl. Brehm in: Stein / Jonas, ZPO, Einl. Rdn. 239; Stürner, Aufklärungspflicht, S. 31). 146 Huber in: v. Mangold / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 366. A.A. BVerfG, NZBau 2006, 791, 793 f. Zur Notwendigkeit des Rückgriffs auf die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten vgl. Kap. 1 B. III. 1. 147 Canaris, AcP 184 (1984), S. 201, 228; Isensee in: HStR V, § 111 Rdn. 90, 165; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 53. In der Tendenz auch Classen, AöR 122 (1997), S. 65, 98 ff.; Hoffmann-Riem in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 261, 313 f.; Klein, DVBl. 1994, S. 489, 494. 148 Für die Einschlägigkeit des Untermaßverbots i.R.d. Schutzpflichten Cremer, Freiheitsgrundrechte, S. 311 ff.; Hoffmann-Riem, DVBl. 1994, S. 1381, 1384 f.; Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 133 f.; Krings, Grundrechtliche Schutzansprüche, S. 262; Möstl, DÖV 1998, S. 1029, 1038; Scherzberg, Eingriffsintensität, S. 208 f.; Starck, Verfassungsauslegung, S. 80. Die Wortschöpfung stammt von Canaris, AcP 184 (1984), S 201, 228. Ablehnend zum Untermaßverbot Bumke, Grundrechtsvorbehalt, S. 78; Dietlein, ZG 1995, S. 131, 139 ff.; Hain, DVBl. 1993, S. 982 ff. 149 Krings, Grundrechtliche Schutzansprüche, S. 300; a.A. sind Erichsen, Jura 1997, S. 85, 88; Starck, Verfassungsauslegung, S. 83; Unruh, Dogmatik, S. 87, die eine grundsätzliche Kongruenz von Übermaß- und Untermaßverbot annehmen.

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staatlichen Gestaltungsspielraums bei der Erfüllung von Schutzpflichten150, ohne diesen Spielraum jedoch zu negieren151. Durch die Einführung dieses Prinzips in die Schutzpflichtenjudikatur des BVerfG152 hat der Zweite Senat diese im Kontext der Einhaltung der Schutzpflichten auf die Anwendung und Überwachung des Untermaßverbots begrenzt153 und klargestellt, dass sich das Maß des Schutzes nicht gleichsam von selbst aus der Betrachtung der abwehrrechtlichen und rechtsstaatlichen Grenzen des staatlichen Handelns ergibt154. Dadurch wird ein Zurückbleiben des allgemeinen Justizgewährleistungsanspruchs gegenüber Art. 19 Abs. 4 GG in subjektiv-rechtlicher Hinsicht offensichtlich155: Art. 19 Abs. 4 GG garantiert – unter Berücksichtigung kollidierender Grundrechte Dritter und anderer Verfassungsgüter – möglichst wirksamen Rechtsschutz („soviel Rechtsschutz wie möglich“)156. Der allgemeine Justizgewährleistungsanspruch hingegen garantiert157 – in subjektiv-rechtlicher Hinsicht – lediglich die Untergrenze effektiven Rechtsschutzes („so wenig Rechtsschutz wie möglich“, bzw. „nur soviel Rechtsschutz, wie unbedingt erforderlich)158, ohne dass allerdings die Unterschiede zwischen angemessenem und ausreichendem Schutz geklärt wären159 und vorliegend geklärt werden sollen. b) Zurückbleiben in objektiv-rechtlicher Hinsicht Daneben ist auch in objektiv-rechtlicher Hinsicht ein Zurückbleiben des allgemeinen Justizgewährleistungsanspruchs hinter Art. 19 Abs. 4 GG erkennbar160, 150 Dreier in: Dreier, GG, Vorb. Rdn. 103; Krings, Grundrechtliche Schutzansprüche, S. 297; Wollenteit / Wenzel, NuR 1997, S. 60, 63. 151 Canaris, JuS 1989, S. 161, 163; Krings, Grundrechtliche Schutzansprüche, S. 297. Zum Gestaltungsspielraum vgl. auch Möstl, Grundrechtsbindung, S. 53; Papier in: HStR VI, § 153 Rdn. 21; und § 154 Rdn. 12 f. 152 BVerfGE 88, S. 203, 254. 153 Krings, Grundrechtliche Schutzansprüche, S. 297; Ruffert, Vorrang, S. 235. 154 Krings, Grundrechtliche Schutzansprüche, S. 261. 155 Ähnlich Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 355. Sympathie für ein Zurückbleiben in subjektiv-rechtlicher Hinsicht auch bei Seith, Wie kommt der Urheber zu seinem Recht, S. 72. 156 Vgl. Kap. 1 B. II. 3. sowie Ramsauer in: AK-GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 30. 157 Selbstverständlich ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei, die Effektivität des Rechtsschutzes über diese Garantie hinaus zu verbessern, vgl. Pache / Knauff, BayVBl 2004, S. 385, 388. 158 BVerfGE 77, S. 170, 215 (Die staatlichen Maßnahmen dürfen nicht „gänzlich ungeeignet oder völlig ungeeignet sein, das Schutzziel zu erreichen“); Canaris, JuS 1989, S. 161, 163; ders., AcP 184 (1984), S. 201, 228; Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 355; Isensee in: HStR V, § 111 Rdn. 165; Krings, Grundrechtliche Schutzansprüche, S. 300; Pache / Knauff, BayVBl 2004, S. 385, 388; Scherzberg, Eingriffsintensität, S. 208 f. 159 Vgl. Denninger in: FS Mahrenholz, S. 561, 567 f.; Dietlein, ZG 1995, S. 131, 136 f.

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Kap. 1: Primärrechtsschutz im deutschen Recht

jedenfalls wenn man Art. 19 Abs. 4 GG als Anspruch auf Rechtsschutz gegenüber Verletzungen durch die öffentliche Gewalt und den allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch als Anspruch auf Rechtsschutz gegenüber Verletzungen durch Private begreift161. Der wesentliche Inhalt der Garantie vorrangigen Primärrechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG ließ sich erst aus der Untersuchung der subjektiven staatverpflichtenden Rechte als „Schutzgegenstand“ ermitteln. Aus diesen resultiert ein Integritätsanspruch des Rechteinhabers, der unter Berücksichtigung des sog. (öffentlich-rechtlichen) Prinzips der Rechtmäßigkeitsrestitution in erster Linie auf Primärrechtsschutz gerichtet ist162. Subjektive staatverpflichtende Rechte basieren in der Regel auf (objektivem) öffentlichem Recht163. Der Ausgleich staatlicher und individueller Interessen erfolgt hierbei prinzipiell in den Vorgaben des öffentlichen Rechts selbst. Dieses trifft seine Geltungsanordnung vorrangig durch umfangreiche, im Gesetzmäßigkeitsprinzip zusammengefasste, staatsgerichtete Verhaltensvorgaben. Es gewährt deshalb nicht in erster Linie Raum zu autonomer Konfliktlösung innerhalb individueller Rechts- und Pflichtenbeziehungen, sondern enthält hinsichtlich der ihm unterliegenden Sachverhalte generell-abstrakte normative Interessenbewertungen und objektivrechtliche Verpflichtungen zu deren Vollzug im Einzelfall. Das (öffentlich-rechtliche) subjektive staatverpflichtende Recht dient folglich nicht der gegenseitigen Verhaltenssteuerung der Beteiligten, sondern primär der Wahrung der generell-abstrakten Kriterien der Konfliktlösung und damit der Durchsetzung der Norm164. Diese Grundsätze gelten ebenso für diejenigen subjektiven staatverpflichtenden Rechte, die ausnahmsweise im Privatrecht verankert sind. Zwar dient das Privatrecht an sich, wie sogleich erörtert werden wird, primär dem autonomen Interessenausgleich. Die dort vorgegebenen Konfliktlösungen sind also prinzipiell keine zwingenden wie diejenigen des öffentlichen Rechts, sondern können einzelfallabhängig gestaltet werden. Doch verpflichten die subjektiven staatverpflichtenden Rechte im Privatrecht den Staat als Anspruchsgegner. Dieser ist wiederum durch Art. 20 Abs. 3 GG zur Rechtmäßigkeitsrestitution und damit letztlich zur Durchsetzung der Norm angehalten. Folglich zielen sämtliche subjektiven staatverpflichtenden Rechte auf Rechtmäßigkeitsrestitution und verlangen aus diesem Grund vorrangigen Primärrechtsschutz. Das Privatrecht hingegen dient der Ordnung privater Interessenkonflikte. Grundlage sind zwei- oder mehrseitige Rechtsbeziehungen, deren Strukturmerkmal die Privatautonomie ist. Das subjektive Privatrecht ist damit das zentrale Instrument Herzog in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20, VII Rdn. 11. Vgl. Ramsauer in: AK-GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 29; Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 17 f.; Voßkuhle, NJW 2003, S. 2193, 2196. 162 Vgl. Kap. 1 B. II. 2. b) cc) und 3. b) bb). 163 Krebs in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 59; Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 134; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 IV Rdn. 61. 164 Scherzberg, DVBl. 1988, S. 129, 132. 160 161

C. Europarechtliche Vorgaben

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einer Ordnung, in der sich die objektive Steuerungsfunktion des Rechts typischerweise innerhalb autonom gestalteter, individueller Rechtsverhältnisse verwirklicht. Es ist das Mittel zu autonomer und gegenseitiger Verhaltenssteuerung der Rechtssubjekte. Ziel des Schutzes subjektiver privater Rechte ist daher primär nicht die Durchsetzung der Norm – also die Wiederherstellung der Rechtmäßigkeit als versubjektiviertes öffentliches Interesse165 –, sondern die Durchsetzung rechtmäßiger, autonomer Individualinteressen. Diese können durchaus von der Durchsetzung der Norm abweichen und insbesondere auf Sekundär- statt Primärrechtsschutz abzielen166. Damit ist durch den Justizgewährleistungsanspruch jedenfalls kein vorrangiger Primärrechtsschutz abgesichert.

3. Zwischenergebnis Mit Blick auf das subjektiv-rechtliche und objektiv-rechtliche Zurückbleiben167 des allgemeinen Justizgewährleistungsanspruchs hinter der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG normiert jener keine zwingende Garantie vorrangigen Primärrechtsschutzes.

C. Europarechtliche Vorgaben für die Existenz von Primärrechtsschutz Neben den genannten verfassungsrechtlichen (Primär-)Rechtsschutzvorgaben hat der deutsche Gesetzgeber die europarechtlichen Rechtsschutzgarantien zu berücksichtigen, deren praktische Bedeutung indes wegen der in ihrer umfassenden Anlage europaweit singulären Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG lange Zeit unterschätzt wurde. Als Grundlage europarechtlicher Rechtsschutzvorgaben kommen die EMRK [I.] sowie das Gemeinschaftsrecht [II.] in Betracht.

I. EMRK Die EMRK ist der erste völkerrechtliche Vertrag, der einen Katalog von Menschenrechten auf internationaler Ebene unter Bereitstellung eines Kontrollmechanismus zur Durchsetzung der dort normierten Verpflichtungen verbindlich festVgl. Kap. 1 B. II. 2. b) und 3. b) bb). Vgl. Kap. 1 B. II. 3. b) bb) und Kap. 2 A. II. 167 Dies anerkennen auch Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 355; Seith, Wie kommt der Urheber zu seinem Recht, S. 72 („zumindest objektiv-rechtlich“); in der Tendenz auch Harries-Lehmann, Rechtsweggarantie, S. 63; Höfling, NJW 2005, S. 2341, 2344. 165 166

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Kap. 1: Primärrechtsschutz im deutschen Recht

setzt(e)168. Über die Gewährleistungen des allgemeinen Völkerrechts hinaus enthält sie in Art. 6169 eine Garantie, die ungeachtet des missverständlichen Wortlauts170 nicht nur im Zivil- und Strafrecht sondern auch in weiten Bereichen des Verwaltungsrechts Rechtsschutz verbürgt171. Damit fixiert Art. 6 EMRK ein europäisches rechtsstaatliches Verfassungsprinzip für die Gestaltung nationaler Rechtsschutzsysteme172, das in Deutschland, obwohl der EMRK über die Transformation gem. Art. 59 Abs. 2 GG – zumindest formell – nur der Rang einer einfachen Bundesgesetzes zukommt173 und ihre Verletzung mit einer Verfassungsbeschwerde zum BVerfG nicht gerügt werden kann174, dennoch als Auslegungshilfe für grundgesetzliche Rechtsschutzgarantien herangezogen wird175. Indes belässt Art. 6 Abs. 1 EMRK den gebundenen Staaten einen großen Gestaltungsspielraum176, so dass dieser Rechtsschutzgarantie bereits durch Gewähr eines Mindestmaßes an faktischer Effizienz ausreichend Rechnung getragen wird177. Effektiver Rechtsschutz i. S. d. Art. 6 Abs. 1 GG kann daher – gegebenenfalls – auch durch sekundären Rechtsschutz gewährt werden178, wenngleich das Verlangen einer Entschädigung – anders als im EG-Recht179 – kein selbständiger Rechtsbehelf 168 Vgl. zur Geschichte und zur Wirkung der EMRK auf das nationale Recht der BRD Harries-Lehmann, Rechtsweggarantie, S. 151 ff. m. w. N. 169 Art. 13 EMRK setzt die Verletzung eines Rechts der EMRK voraus und bleibt deshalb hier unberücksichtigt. 170 Der Wortlaut beschränkt diese Rechtsschutzgarantie auf zivilrechtliche Streitigkeiten und strafrechtliche Anklagen. Im „Fall König“ (EGMR, NJW 1979, S. 477 ff.) hat der EGMR die Gewährleistung des Art. 6 Abs. 1 EMRK allerdings auf bestimmte öffentlichrechtliche Ansprüche erweitert. 171 Vgl. die in Fn. 170 genannte Entscheidung des EGMR sowie Harries-Lehmann, Rechtsweggarantie, S. 173 ff. m. w. N.; Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 535. A.A. Papier in: HStR VI, § 153 Rdn. 10; Schorn, Konvention, S. 184. Einen Überblick zur Problematik, wann einem Anspruch ein zivilrechtlicher Charakter i. S. d. Art. 6 Abs. 1 EMRK beizumessen ist, bietet Ehlers, Europäisierung, S. 89 ff. 172 Streinz, VVDStRL 61 (2001), S. 300, 306 f. A.A. Papier in: HStR VI, § 153 Rdn. 10. 173 St. Rspr. seit BVerfGE 19, S. 342, 347; Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 538; Streinz, VVDStRL 61 (2001), S. 300, 315. 174 St. Rspr. seit BVerfGE 10, S. 271, 274; Streinz, VVDStRL 61 (2001), S. 300, 315. 175 BVerfGE 74, S. 358, 370; Dörr in: Sodan / Ziekow, VwGO, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz Rdn. 571; Streinz, VVDStRL 61 (2001), S. 300, 315. Vgl. zu den Auswirkungen des Beschleunigungsgebots aus Art. 6 Abs. 1 EMRK auf die deutsche Gesetzespraxis EGMR, NJW 2001, S. 211, 212; Wilfinger, Gebot effektiven Rechtsschutzes, S. 150 ff.; Ziekow, DÖV 1998, S. 941, 944 f. 176 Frowein in: Frowein / Peukert, EMRK, Vorb. Art. 8 – 11, Rdn. 14; Schwarze, NVwZ 2000, S. 241, 244; Streinz, VVDStRL 61 (2001), S. 300, 306 f.; Tonne, Effektiver Rechtsschutz, S. 165. 177 Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 IV Rdn. 15; Streinz, VVDStRL 61 (2001), S. 300, 311. Vgl. auch Grabenwarter in: Ehlers, Europäische Grundrechte, § 6 Rdn. 33 ff. A.A. Schumann in: Stein / Jonas, ZPO, Einl. Rdn. 206. 178 Grabenwarter, Verfahrensgarantien, S. 394 ff.; Streinz, VVDStRL 61 (2001), S. 300, 311.

C. Europarechtliche Vorgaben

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ist, der zur Schließung von Lücken im System des primären Rechtsschutzes dienen soll, sondern eine unselbständige Nebenentscheidung180.

II. Gemeinschaftsrecht Im Vordergrund europarechtlicher Rechtsschutzvorgaben für das nationale Recht steht daher das Gemeinschaftsrecht181. Trotz der Unvollständigkeiten des europarechtlichen Individualrechtschutzes hat der EuGH eine europäische Garantie effektiven Rechtsschutzes als allgemeinen Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts entwickelt [1.]182, indem er sich einerseits am Vorbild der EMRK orientierte [a)], andererseits an der mitgliedstaatlichen Verpflichtung zur effektiven Durchsetzung von Gemeinschaftsrecht (Art. 10 EG) ansetzte [b)]183. Unklar ist allerdings – mit Blick auf den hier maßgeblichen Primärrechtsschutz – der konkrete Garantiegehalt [2.]. 1. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben hinsichtlich der Gewähr effektiven Rechtsschutzes a) Effektiver Rechtsschutz als Allgemeiner Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts Zum einen hat der EuGH die gemeinschaftsrechtliche Regelungslücke hinsichtlich des Rechtsschutzes vor nationalen Gerichten in Wahrnehmung seines vertraglichen Mandats zur „Wahrung des Rechts“ (Art. 220 EGV) durch die Festlegung der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes als allgemeinen Rechtsgrundsatz184 Vgl. Art. 235 i.V.m. Art. 288 Abs. 2 EGV. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 535; Streinz, VVDStRL 61 (2001), S. 300, 313. 181 A.A. Harries-Lehmann, Rechtsweggarantie, S. 241 ff., der nicht dem Gemeinschaftsrecht, sondern der EMRK die entscheidende Bedeutung für den nationalen Rechtsschutz zuspricht. 182 So EuGH, Slg. 1986, S. 1651, 1682 Rdn. 18; Slg. 1987, S. 4097, 4117 Rdn. 14; Slg. 1988, S. 3249, 3267 Rdn. 12; Slg. 1992 I, S. 3003, 3029 Rdn. 15; Slg. 1998 II, S. 1875, 1901 Rdn. 60; Brenner, DV 31 (1998), S. 1, 8 f.; Burgi, DVBl. 1995, S. 772, 779; Dörr, Rechtsschutzauftrag, S. 41 ff.; Gundel in: Ehlers, Europäische Grundrechte, § 18 Rdn. 1, 42 ff.; Hirsch, VBlBW 2000, S. 71, 72; Huber, BayVBl 2001, S. 577, 578; Tonne, Effektiver Rechtsschutz, S. 200 ff. 183 Die Herleitung aus der EMRK und aus Art. 10 EG zu einem einheitlichen Individualrechtsschutzprinzip verbindend Kadelbach, Allg. Verwaltungsrecht, S. 125 f.; Röben, Einwirkung, S. 381 ff. Eine getrennte Herleitung betonen hingegen Dörr, Rechtsschutzauftrag, S. 41 ff.; Wiehe, Rechtsschutz, S. 36 ff. 184 Allgemeine Rechtsgrundsätze sind ungeschriebene Normen des primären Gemeinschaftsrechts, die der EuGH anhand der Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten und unter Berücksichtigung der von diesen abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträgen entwickelt, 179 180

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Kap. 1: Primärrechtsschutz im deutschen Recht

und Grundrecht des Gemeinschaftsrechts nach Maßgabe der Art. 6 und 13 EMRK geschlossen185. Seine ursprünglich auf die Gemeinschaften und deren Organe beschränkte Bindungswirkung wurde auf diejenigen Organe der Mitgliedstaaten, die Gemeinschaftsrecht vollziehen und durchführen186, sowie auf die Mitgliedstaaten, soweit ein nationaler Rechtsakt in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt187, ausgedehnt. Damit hat jedermann, der durch eine mitgliedstaatliche Maßnahme zur Ausführung von Gemeinschaftsrecht belastet wird, kraft Gemeinschaftsrechts einen Anspruch188 auf effektiven Rechtsschutz, den die Mitgliedstaaten durch ein entsprechendes Rechtsschutzsystem erfüllen müssen. Dementsprechend obliegt es den Mitgliedstaaten, „eine effektive richterliche Kontrolle der Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts und des innerstaatlichen Rechts sicherzustellen, das der Verwirklichung der in der Richtlinie vorgesehenen Rechten dient“189. Dieses Recht ist jetzt in der Grundrechte-Charta der EU vom 7. 12. 2000190 kodifiziert, die als Teil II der – möglichen? – zukünftigen Europäischen Verfassung in Art. 47 Abs. 1 ein Recht gewährleistet, „bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen“ und in Abs. 2 ein Recht darauf normiert, dass die Sache „vor einem unabhängigen, unparteilichen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird“191. b) Die mitgliedstaatliche Verpflichtung zur effektiven Durchführung von Gemeinschaftsrecht Zum anderen leitet der EuGH eine – rein – objektiv-rechtliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Gewähr eines effektiven Rechtsschutzes vor nationalen Geum Regelungs- und Gewährleistungslücken im geschriebenen Gemeinschaftsrecht zu schließen. Vgl. dazu Dörr, Rechtsschutzauftrag, S. 41 f. 185 Die leitenden Grundsätze der EMRK sind gem. der Gemeinsamen Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 07. 04. 1977 auch i. R. d. Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen; vgl. EuGH Slg. 1986, S. 1663, 1682 Rdn. 18; Allkemper, Rechtsschutz, S. 42; v. Danwitz, NJW 1993, S. 1108, 1114. 186 St. Rspr. seit EuGH, Slg. 1980, S. 1979, 1997 Rdn. 21. Zum Ganzen Cirkel, Gemeinschaftsgrundrechte, S. 49 ff.; Ruffert, EuGRZ 1995, S. 518, 520 ff. 187 Vgl. EuGH, Slg. 1991 I, S. 2925, 2964 Rdn. 42; Slg. 1991 I, S. 4685, 4741 Rdn. 30; Slg. 1997 I, S. 2629, 2645 Rdn. 15; Slg. 1997 I, S. 7493, 7510 Rdn. 13. Übernommen von BVerfGE 104, S. 214, 219. 188 Der einzelne kann sich in nationalen Gerichtsverfahren auf Gemeinschaftsgrundrechte in Form allgemeiner Rechtsgrundsätze berufen, um mitgliedstaatliche Rechtsakte zur Ausführung von Gemeinschaftsrecht anzugreifen, vgl. Dörr, Rechtsschutzauftrag, S. 43 f. 189 EuGH, Slg. 1986, S. 1651, 1682 Rdn. 19. Da das deutsche Vergaberecht hauptsächlich auf umgesetzten Richtlinien beruht, greift das europäische Effektivitätsgebot. 190 ABl. 2000, Nr. C 364, S. 1. 191 Eser in: Meyer, Charta, Art. 47 Rdn. 10 ff., 25 ff.; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 IV Rdn. 30.

C. Europarechtliche Vorgaben

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richten aus der aus Art. 10 EGV entwickelten mitgliedstaatlichen Verpflichtung zur effektiven Durchführung von Gemeinschaftsrecht ab192, soweit dieses schützenswerte Individualrechte verleiht193. Insofern impliziert die vollständige Umsetzung der europäischen Richtlinien die Eröffnung des innerstaatlichen Rechtswegs und die Gewähr effektiven Rechtsschutzes194.

2. Vorrangiger Primärrechtsschutz als gemeinschaftsrechtlicher effektiver Rechtsschutz? Auswirkungen zeigt diese gemeinschaftsrechtliche Rechtsschutzvorgabe für das nationale Rechtsschutzsystem trotz des Prinzips der begrenzten Ermächtigung, wonach die EU keine Verbandskompetenz hat, die Ausgestaltung des Rechtsschutzsystems in den Mitgliedstaaten zu regeln195, in zweifacher Hinsicht196: Zum einen wird der EU die Entwicklung von verbindlichen Grundsätzen zugestanden, die den effektiven und einheitlichen Vollzug des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedsstaaten nach deren Recht sicherstellen sollen197. Zum anderen erfolgt durch die stetige Erweiterung der EU-Kompetenzen eine Europäisierung des materiellen Rechts, dessen Gewährleistungen entsprechenden Rechtsschutz im nationalen Recht erfordern198. Unklar ist jedoch der exakte Inhalt der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsschutzvorgabe. Es stellt sich daher vorliegend die Frage, ob (auch) im Gemeinschaftsrecht, das ebenfalls Primär-199 und Sekundärrechtsschutz200 kennt, effektiver Rechtsschutz vorrangigen Primärrechtsschutz meint201. 192 EuGH, Slg. 1986, S. 1651, 1682 Rdn. 17; vgl. Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 184; Gundel in: Ehlers, Europäische Grundrechte, § 19 Rdn. 42 ff.; Kahl in: Callies / Ruffert, EUV / EGV, Art. 10 EGV Rdn. 24 ff., 43 ff. 193 Dörr, Rechtsschutzauftrag, S. 48. 194 EuGH, Slg. 1995 I, S. 2303, 2317 Rdn. 18 f.; Slg. 2002 I, S. 4147, 4172 Rdn. 18; Dörr, Rechtsschutzauftrag, S. 49; Schwarze, NVwZ 2000, S. 241, 246. 195 Huber, BayVBl 2001, S. 577, 578; Schwarze, NVwZ 2000, S. 241, 244. Deshalb wird auch vom „Grundsatz der institutionellen und Verfahrensautonomie“ gesprochen, vgl. Kenntner, VBlBW 2000, S. 297, 302. 196 Im Urteil Süderdithmarschen hat der EuGH (Slg. 1991 I, S. 415, 541 ff. Rdn. 18 ff.) den nationalen Rechtsschutz in das gemeinschaftsrechtliche Rechtsschutzsystem einbezogen. Die Kohärenz des Rechtsschutzsystems verlange, dass die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben auch im nationalen Recht gelten, soweit gegen Gemeinschaftsrecht oder zum Schutze gemeinschaftsrechtlich verbürgter Rechte Rechtsschutz geltend gemacht wird. Es kann daher allenfalls von einer begrenzten Verwaltungsautonomie gesprochen werden. Vgl. dazu Iglesias, EuGRZ 1997, S. 290 ff.; Kadelbach, Allg. Verwaltungsrecht, S. 115 ff.; Streinz, VVDStRL 61 (2001), S. 300, 318 f. 197 Vgl. EuGH, Slg. 1991 I, S. 5357, 5407 ff. Rdn. 10 ff. 198 Streinz, VVDStRL 61 (2001), S. 300, 321. 199 Z. B. die Nichtigkeitsklage gem. Art. 120 Abs. 3 EGV und die Untätigkeitsklage gem. Art. 232 Abs. 3 EGV. 200 Z. B. die Schadensersatzklage gem. Art. 288 Abs. 2 i.V.m. Art. 235 EGV.

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Kap. 1: Primärrechtsschutz im deutschen Recht

Ähnlich dem deutschen Effektivitätsgebot dient auch das gemeinschaftsrechtliche in einer Art Doppelfunktion dem Individualrechtsschutz und der Einhaltung des Rechts202. Der strukturell bedingten Vollzugsschwäche des Gemeinschaftsrechts soll durch Instrumentalisierung des Bürgers als „Hilfspolizisten“ 203 entgegengewirkt werden204. Soweit diese beiden Funktionen, Individualrechtsschutz und Rechtmäßigkeitsrestitution, sich im Einzelfall widersprechen, muss der effektive Rechtsschutz als ausgewogener einen Ausgleich suchen205, wobei die Besonderheiten des Gemeinschaftsrechts und die der unterschiedlichen Rechtsschutzsysteme der Mitgliedstaaten berücksichtigt werden. Offensichtlich wird diese Ausgleichsproblematik bei der Frage des Rechtsschutzes gegen den Vollzug von Gemeinschaftsrecht. Während das deutsche Recht diesbezüglich die Gewährleistung von Primärrechtsschutz, also Vollzugsaussetzung, fordert, anerkennen die übrigen Mitgliedstaaten grundsätzlich206 die Gewährung von Sekundärrechtsschutz als funktionales Äquivalent für die Vollzugsaussetzung207. Primärrechtsschutz ist danach nicht lückenlos zu gewährleisten, sondern kann zugunsten einer sofortigen Vollziehung durch Sekundärrechtsschutz ersetzt werden. Dieses Verständnis fügt sich nahtlos in die Struktur des Gemeinschaftsrechts ein, das sich durch seine dynamisch-teleologische Ausrichtung primär als Bewirkungsrecht materiell-rechtlicher Vorgaben und erst sekundär als Individualschutzrecht darstellt208. Denn durch die Gewährung von Sekundärrechtsschutz als funktionales Äquivalent für die Vollzugsaussetzung ist die Bewirkung der materiellrechtlichen Vorgaben sichergestellt und die mögliche Fehlentscheidung dem Sekundärrechtsschutz überlassen. Dieser Exkurs auf die Vollzugsaussetzungsproblematik soll zwar nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch im Gemeinschaftsrecht ein grundsätzlicher Vorrang des Primärrechtsschutzes gilt209, vor allem weil dieser die EffiOssenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 564 ff.; Streinz, VVDStRL 61 (2001), S. 300, 332. Streinz, VVDStRL 61 (2001), S. 300, 340 ff.; vgl. auch Masing, Mobilisierung des Bürgers, S. 19 ff. 203 v. Danwitz, VerwArch 84 (1993), S. 73, 87 mit Verweis auf Stockburger, WUR 1991, S. 315, 317 ff. Ähnlich v. Danwitz, DÖV 1996, S. 481, 484 („procureur du droit“) mit Verweis auf Chapus, Droit administratif général, Tome I, 8 Aufl., Rdn. 859, 2; Schwarze in: Schwarze / Schmidt-Aßmann, Gerichtliche Kontrolle, S. 203, 209 („Wächter über die Einhaltung der Gemeinschaftsverträge“). 204 Pühs, Vollzug von Gemeinschaftsrecht, S. 371 ff., insbes. S. 404 ff. 205 Vgl. Streinz, VVDStRL 61 (2001), S. 300, 342; Tonne, Effektiver Rechtsschutz, S. 297 f. 206 Lediglich im Detail gibt es Unterschiede bzgl. der Anerkennung dieses funktionalen Äquivalents, vgl. dazu Lehr, Einstweiliger Rechtsschutz und EU, S. 511 f. 207 Lehr, Einstweiliger Rechtsschutz und EU, S. 511 f.; Streinz, VVDStRL 61 (2001), S. 300, 347. 208 Vgl. Lehr, Einstweiliger Rechtsschutz und EU, S. 511 f.; Schmidt-Aßmann, DVBl. 1993, S. 924, 931, der allerdings keinen Vorrang der Bewirkungsfunktion konstatiert. 209 EuGH, EuZW 1999, S. 759, 761 Rdn. 33; Ehlers, JZ 1996, S. 776, 780 ff.; Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 185; Gilsdorf / Oliver in: von der Groeben / Thiesing / Ehlermann, EU / EG, Art. 215 Rdn. 57; Seltenreich, Die Francovich-Rechtsprechung des EuGH, S. 120 ff. 201 202

C. Europarechtliche Vorgaben

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zienz des (Gemeinschafts-)Rechts fördert, indem der Verstoß gleichsam an der Quelle beseitigt wird210. Dieser Vorrang muss allerdings nicht derart lückenlos wie im deutschen Recht gewährleistet werden und ist – aufgrund der Schwerpunktverschiebung des Schutzinteresses vom Individualrechtsschutz auf das Gemeinschaftsinteresse211 – leichter einschränkbar bzw. ausgestaltbar212. Demzufolge wird gemeinschaftsrechtlich der Sekundärrechtsschutz als selbständige Rechtsschutzmöglichkeit mit eigener Funktion angesehen213, der nicht subsidiär ist214, sondern der Defizite des Primärrechtsschutzes ausgleichen soll215. Mithin umfasst die gemeinschaftsrechtliche Garantie effektiven Rechtsschutz die Gewährleistung vorrangigen Primärrechtsschutzes, der allerdings im Vergleich zum deutschen Recht weniger umfassend ausgestaltet und leichter eingeschränkt werden kann. Da die nationale Rechtsschutzgarantie keinen dem Gemeinschaftsrecht widersprechenden Inhalt hat und somit keine Normenkollision besteht, die den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts auslösen könnte, kommen die deutsche und die gemeinschaftsrechtliche 216 Rechtsschutzgarantie nebeneinander zur Anwendung217.

m. w. N. in Fn. 364 f.; Streinz, VVDStRL 61 (2001), S. 300, 351. A.A. Zenner, Haftung der EG-Mitgliedstaaten, S. 146 ff., 150 sowie bzgl. der Umsetzung von Richtlinien Scherzberg, Jura 1993, S. 225, 230. 210 Jarass, NJW 1994, S. 881, 886; Seltenreich, Die Francovich-Rechtsprechung des EuGH, S. 120 ff., 198 f. m. w. N.; Streinz, VVDStRL 61 (2001), S. 300, 351 f. Daher stellt sich die Frage, ob die Inanspruchnahme von Primärrechtsschutz gemeinschaftsrechtlich nicht nur verlangt werden darf, sondern sogar verlangt werden muss, vgl. Hidien, Gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung, S. 59 f. 211 Brenner, LKV 2002, S. 304, 308 spricht im Hinblick auf die Interessenabwägung beim vorläufigen Rechtsschutz sogar von einer „Umkehr der Wertung der VwGO“. 212 Auch Dörr, Rechtsschutzauftrag, S. 55 ff. und Schwarze, NVwZ 2000, S 241, 249 f. (andererseits aber S. 252: „Entsprechung“) sehen noch materielle Unterschiede zwischen Art. 19 Abs. 4 GG und der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsschutzgarantie. 213 EuGH, Slg. 1971, S. 325, 336 Rdn. 6; Cremer in: Callies / Ruffert, EUV / EGV, Art. 235 EGV Rdn. 6. Deshalb werden auch die Impulse des europäischen Rechts als Chance für die (Weiter-)Entwicklung des deutschen Sekundärrechtsschutzes gewertet, vgl. Schoch, DV 2001, S. 261, 275 ff.; Streinz, VVDStRL 61 (2001), S. 300, 353. 214 Borchardt in: Lenz / Borchardt, EU- und EG-Vertrag, Art. 235 Rdn. 13; Streinz, VVDStRL 61 (2001), S. 300, 332. Zu beachten ist aber der allgemeine Rechtsgrundsatz der Schadensminderungspflicht des Geschädigten. Vgl dazu EuGH, Slg. 1995 I, S. 3709, 3720 f. Rdn. 27; EuGH, Slg. 1996 I, S. 1029, 1156 f. Rdn. 82, 87; EuGH, Slg. 1995 II, S. 2589, 2603 f. Rdn. 39; Gilsdorf / Oliver in: von der Groeben / Thiesing / Ehlermann, EU / EG, Art. 215 Rdn. 59; a.A. Zenner, Haftung der EG-Mitgliedstaaten, S. 150 m. w. N. 215 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 567; Rengeling / Midecke / Gellermann, Rechtsschutz in der Europäischen Union, Rdn. 243; Schwarze in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 235 Rdn. 3. 216 I.R. ihres Anwendungsbereichs, vgl. Kap. 1 C. II. 217 Dörr, Rechtsschutzauftrag, S. 57; vgl. allgemein Cirkel, Gemeinschaftsgrundrechte, S. 197; Kadelbach, Allg. Verwaltungsrecht, S. 259.

Kapitel 2

Geltung der Primärrechtsschutzvorgaben im Vergaberecht Der Erörterung der verfassungs- und europarechtlichen Rechtsschutzvorgaben schließt sich – mit Blick auf die Thematik der Arbeit – die Frage nach der Geltung der Primärrechtsschutzvorgaben aus Art. 19 Abs. 4 GG [B.] und dem Europarecht [C.] im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oberhalb der Schwellenwerte des § 100 Abs. 1 GWB i.V.m. § 2 VgV an. Davor sollen überblickartig die Grundlagen des Vergaberechts und des Vergaberechtsschutzes vorgestellt werden, um die Bedeutung vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes zu verdeutlichen [A.].

A. Grundlagen des Vergaberechts und des Vergaberechtsschutzes Ein Vergabeverfahren ist äußerst fehleranfällig. Dies liegt vor allem an den zahlreichen einzuhaltenden Verfahrensvorschriften, von der Bekanntgabe der Ausschreibung bis zum Abschluss des Vertrags. Darüber hinaus sehen sich die öffentlichen Auftraggeber mit der schwierigen Aufgabe konfrontiert, die vorgegebenen Kriterien bezüglich der Auswahl des Vertragspartners im Einzelfall richtig zu bewerten. Denn hierbei handelt es sich typischerweise um unbestimmte Rechtsbegriffe, die ordnungsgemäß ausgelegt, und Beurteilungsspielräume, die fehlerfrei ausgeschöpft werden müssen. Leidtragende sind die infolge eines Vergabeverstoßes nichtberücksichtigten Unternehmen. Verständlich ist daher ihr Interesse an der Verteidigung ihrer Rechtsposition, also an vergaberechtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten. Als solche kommen vergaberechtlicher Primär- und Sekundärrechtsschutz in Betracht [I.]. Obgleich jener auch im Vergaberecht der „bessere“ Rechtsschutz ist [II.], wird Primärrechtsschutz in Deutschland faktisch – wenn überhaupt – erst seit der Umsetzung der europäischen Vergaberichtlinien durch das VgRÄG zum 01. 01. 1999 gewährt [III.].

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I. Inhalt vergaberechtlichen Primärund Sekundärrechtsschutzes Der Vergaberechtsschutz ist letztlich ein „Streit um den Auftrag“1. Ohne der Darstellung der vergaberechtlichen subjektiven Rechte vorzugreifen2, ergibt sich jedenfalls aus § 97 Abs. 7 GWB offensichtlich ein Anspruch der Unternehmen darauf, „dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält“. Da gem. § 97 Abs. 5 GWB „Der Zuschlag . . . auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt“ wird, besteht zumindest das Recht, in einem rechtmäßigen Vergabeverfahren durch das „wirtschaftlichste“ Angebot den Auftrag erlangen zu können, also das Recht auf ein fehlerfreies Vergabeverfahren. Die typische vergaberechtliche Rechtsverletzung erfolgt insoweit durch die unberechtigte, weil verfahrensfehlerhafte Vergabe des Auftrags an einen Konkurrenten. Vergaberechtlicher Primärrechtsschutz zielt deshalb hauptsächlich3 auf die Unterlassung eines fehlerhaften und damit die Durchführung eines fehlerfreien Vergabeverfahrens ab, das dem Bieter die Möglichkeit wahrt, durch das „wirtschaftlichste“ Angebot den Auftrag zu erlangen4. Sollte hingegen ein Vergabeverfahren fehlerhaft durchgeführt worden sein, ist Primärrechtsschutz auf die Beseitigung dieses Fehlers und die – dann fehlerfreie – erneute Durchführung des Vergabeverfahrens gerichtet. Ziel des vergaberechtlichen Sekundärrechtsschutzes ist dagegen der Ersatz des erlittenen Schadens des nichtberücksichtigten Unternehmens5.

II. Die Bedeutung vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes Vordergründig erscheinen im Vergaberecht indes Primär- und Sekundärrechtsschutz nicht weit auseinander zu liegen. Beide zielen im Ergebnis auf eine Geldleistung ab: Primärrechtsschutz auf die (Chance zur) Erlangung des Auftrags und damit i.E. auf den „Auftragslohn“, Sekundärrechtsschutz auf finanzielle Kompensation für den zu Unrecht nicht erlangten Auftrag und damit i.E. ebenfalls auf den „Auftragslohn“. Unabhängig von der dargelegten verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Notwendigkeit der Gewähr vorrangigen Primärrechtsschutzes erklärt sich dessen Wilke, NZBau 2005, S. 326, 327. Vgl. Kap. 2 B. III. 3 Unbedeutendere Ziele sind die Nachbesserung oder Aufhebung des Vergabeverfahrens; vgl. Kus in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 102 GWB Rdn. 7; ders., NJW 2000, S. 544, 545. 4 Vgl. Gröning, WRP 2000, S. 49. 5 Kus in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 102 GWB Rdn. 7. 1 2

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Kap. 2: Geltung der Primärrechtsschutzvorgaben im Vergaberecht

praktische Relevanz im Vergaberecht jedoch zum einen mit den mit Erlangung eines öffentlichen Auftrags einhergehenden Vorteilen wie Reputationssteigerung, neuen Geschäftsbeziehungen mit Subunternehmern, Auslastung des Betriebs, Beschäftigung der Arbeitnehmer, etc.6. Zum anderen weist der vergaberechtliche Sekundärrechtsschutz erhebliche Schwächen auf und wird deshalb als Kompensation für das Interesse an der Auftragsdurchführung als unzureichend und wenig erfolgsversprechend eingeschätzt7. Denn eine – aus Bietersicht – hinreichende „Entschädigung“ erfordert jedenfalls den Ersatz des entgangenen Gewinns, der nur im Rahmen des positiven Interesses ersetzt wird8; auf den im Rahmen des negativen Interesses ersatzfähigen Vertrauensschaden9 kommt es dem Bieter hingegen typischerweise nicht an10. Das positive Interesse wird allerdings – in erster Linie11 – bei Vorliegen eines Anspruchs aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB gewährt12. Voraussetzung dafür ist, dass der Betroffene den Zuschlag hätte erhalten müssen13. Um den Bieter bezüglich der Beweisbarkeit nicht vor zu große Hürden zu stellen, soll es zwar genügen, wenn der Beweis gelingt, dass der Bieter den Zuschlag mit hinreichend hoher Wahrscheinlichkeit erhalten hätte14. Angesichts des bei der Zuschlagserteilung bestehenden Beurteilungsspielraums des öffentlichen Auftraggebers und der Unbestimmtheit der – insbesondere vergabefremden – Vgl. Lindenthal, VergabeR 2003, S. 630, 631; Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 223. Boesen, NJW 1997, S. 345, 349; Dreher, EuZW 1998, S. 197, 199 f.; Gröning in: Motzke / Pietzcker / Prieß, VOB, Syst IV Rdn. 105; Kling, NZBau 2003, S. 23, 24; Pietzcker, NVwZ 1983, S. 121, 124; Prieß / Hölzl, ZfBR 2005, S. 593, 594; Schimanek, ZfBR 2002, S. 39, 41 f. Allgemein zum vergaberechtlichen Sekundärrechtsschutz Horn / Graef, NZBau 2005, S. 505 ff.; Schnorbus, BauR 1999, S. 77 ff. und v.a. Irmer, Sekundärrechtsschutz. 8 Vgl. Schnorbus, BauR 1999, S. 77, 90. 9 Der Vertrauensschaden umfasst alle für die Vorbereitung des Angebots oder die Teilnahme am Vergabeverfahren entstandenen, unmittelbar zurechenbaren Personal- und Sachaufwendungen, einschließlich der anteiligen Gemeinkosten, vgl. Glahs in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 126 GWB Rdn. 27. 10 Kling, NZBau 2003, S. 23, 24. 11 I.R.d. Anspruchs aus § 126 GWB wird anerkanntermaßen nur das negative Interesse ersetzt (vgl. hierzu, insbes. zur „echten Chance“, Kling, NZBau 2003, S. 23 f., v.a. Fn. 9). Ob Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. den Vergabevorschriften denkbar sind, was eine Qualifikation der Vergabevorschriften als Schutzgesetze i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB voraussetzt, ist umstritten. Selbst wenn man dies bejahte, scheiterte ein Schadensersatzanspruch indes i.d.R. an der Beweisbarkeit eines Schadens (vgl. Glahs in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 126 GWB Rdn. 53). Sonstige denkbare Anspruchsgrundlagen wie § 823 Abs. 1 BGB (Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb), § 823 BGB, § 20 Abs. 1 i.V.m. § 33 GWB sowie UWG-rechtliche Bestimmungen haben im Vergleich zum Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB weitergehende Voraussetzungen, die nur in Ausnahmefällen vorliegen werden (vgl. Glahs in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 126 GWB Rdn. 57 ff.). 12 Vgl. Bornheim / Stockmann, BB 1995, S. 577, 582; Jäckle, NJW 1990, S. 2520, 2524. 13 BGHZ 120, S. 281, 286; Kling, NZBau 2003, S. 23, 24; Schnorbus, BauR 1999, S. 77, 87. 14 Bornheim / Stockmann, BB 1995, S. 577, 581. 6 7

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Vergabekriterien15 dürfte jedoch selbst dieser Beweis in der Praxis nur selten möglich sein16. Sollte dennoch der Anspruchsteller nachweisen können, dass er ohne den konkreten Vergabeverstoß den Zuschlag mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erhalten hätte, kann der Auftraggeber immer noch einwenden, dass die Ausschreibung nach § 26 Nr. 1 lit. c VOB / A hätte aufgehoben werden können. Die Denkmöglichkeit eines solchen rechtmäßigen Alternativverhaltens lässt die Schadensursächlichkeit des Vergabeverstoßes wieder entfallen17. Denkbar ist zudem, dass sich der Bieter ein Mitverschulden i.S.v. § 254 BGB entgegenhalten lassen muss18. Bedeutung gewinnen in diesem Zusammenhang mit der Schadensminderungspflicht des Geschädigten auch die Rechtsgedanken des § 839 Abs. 3 BGB, die Rechtsprechung zu § 906 Abs. 2 S. 2 BGB und die zum enteignungsgleichen Eingriff entwickelten Leitgedanken19. Mithin gestaltet sich die Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs auf das positive Interesse für den Bieter als schwierig und riskant. Er kann immer nur „zweite Wahl“ sein20. Umso wichtiger ist daher in der Praxis, ihm die Durchsetzung seiner Interessen bereits im Primärrechtsschutz zu ermöglichen21.

III. Entwicklung des vergaberechtlichen Rechtsschutzes, insbesondere des Primärrechtsschutzes Erstaunlich ist insofern, dass Primärrechtsschutz im deutschen Vergaberecht lange Zeit überhaupt nicht gewährt wurde. Dies erklärt sich vor allem mit der früheren Zielsetzung des Vergaberechts [I.]. Seit dem Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts hat sich diese Zielrichtung jedoch gewandelt und der Primärrechtsschutz Eingang in das europäische [II.] und das deutsche [III.] Vergaberecht gefunden.

Vgl. Fn. 133 . Bornheim / Stockmann, BB 1995, S. 577, 581; Breloer, Europäische Vorgaben und deutsches Vergaberecht, S. 61; Glahs in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 126 GWB Rdn. 47 f.; Pietzcker, NVwZ 1983, S. 121, 123; uneinheitlich Schnorbus, BauR 1999, S. 77, einerseits S. 88, andererseits S. 96 ff. 17 Vgl. BGH, DB 1998, S. 2261; BGH, DB 1998, S. 2259; Schnorbus, BauR 1999, S. 77, 88; a.A. Jebens, DB 1999, S. 1741, 1746. 18 Bornheim / Stockmann, BB 1995, S. 577, 582. 19 Bornheim / Stockmann, BB 1995, S. 577, 582; Noch, Rechtsschutz, S. 206. 20 Noch in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, Rdn. 527; Kling, NZBau 2003, S. 23, 24. 21 Vgl. auch Schimanek, ZfBR 2002, S. 39, 41 ff. („Die Unzulänglichkeit von Schadensersatz- und Nichtigkeitsvorschriften zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes“). 15 16

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Kap. 2: Geltung der Primärrechtsschutzvorgaben im Vergaberecht

1. Ausgangspunkt: Die Ambivalenz des Vergaberechts als Schutz der Bieter und der öffentlichen Haushalte Das Vergaberecht weist bis heute ambivalente Züge auf. Es ist als Haushaltsrecht Innenrecht und als Wirtschaftsrecht Außenrecht. Als öffentliche Bedarfsdeckung ist es staatliches Handeln und zugleich wirtschaftliche Teilnahme am Marktgeschehen durch Nachfrage. Der öffentliche Auftraggeber handelt in den Formen des Privatrechts und unterliegt öffentlich-rechtlichen Bindungen. Für das wirtschaftliche Handeln ist Flexibilität erforderlich, während bürokratische Hindernisse nötig erscheinen, um politische Einflüsse zurückzudrängen. Ziel des Vergaberechts ist der günstige Einkauf, zugleich aber die Sicherung der Chancengleichheit der Unternehmen22. Diese unterschiedlichen Ziele lassen sich zwar – theoretisch – weitgehend miteinander vereinbaren. So bewirkt das haushaltswirtschaftlich motivierte Gebot der öffentlichen Ausschreibung bei korrekter Durchführung zwangsläufig eine gewisse Sicherung der Gleichbehandlung. Umgekehrt sichert die Einräumung von Gleichbehandlungsansprüchen der Unternehmen im Interesse eines diskriminierungsfreien Wettbewerbs im Ergebnis die günstige Beschaffung23. Indes offenbart dieses theoretische Modell in der Praxis Mängel. Denn aus nationaler Sicht kann sich die Bevorzugung heimischer Bieter unter Außerachtlassung der Chancengleichheit durchaus als ökonomisch vorteilhaft erweisen. Zudem birgt die Realisierung von Rechtsschutzmöglichkeiten zur Sicherstellung der Gleichbehandlung die Gefahr einer erheblichen finanziellen Belastung für den öffentlichen Auftraggeber, da sich die Durchführung des Vorhabens i.d.R. verzögern wird und überdies Schadensersatzforderungen des bislang präferierten Bieters drohen. Folglich muss(te) auf eines der Ziele der Schwerpunkt gesetzt werden. Hauptziel der Bestimmungen über das Verfahren der Auftragsvergabe war insoweit früher der preisgünstige wirtschaftliche Einkauf24. Diese Zielsetzung spiegelte sich wider in der Verankerung der wenigen Vergaberegelungen in den Haushaltsordnungen von Bund, Ländern und Gemeinden25 sowie in der Einführung der Verdingungsordnungen Teile A durch bloße Verwaltungsvorschriften als Innenrecht26. 22 Hermes, JZ 1997, S. 909; Otting, JA 1998, S. 505; Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427, 428; ähnlich Marx in: Jestaedt / Kemper / Marx / Prieß, Auftragsvergabe, S. 10. 23 Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427, 430 f. 24 Waldner, Bieterschutz, S. 22. Weitergehend Breloer, Europäische Vorgaben und deutsches Vergaberecht, S. 2 und Otting, JA 1998, S. 505: preisgünstiger Einkauf als alleiniges Ziel der haushaltsrechtlichen Lösung. 25 Siehe die heute noch gültigen Normen § 55 BHO und § 30 HGrG sowie die Vorschriften der Landeshaushaltsordnungen und Gemeindehaushaltsverordnungen, z. B. § 55 LHO NW und § 31 GemHVO NW. 26 Zur Entstehungsgeschichte der Verdingungsordnungen vgl. Rudolf in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, Einf. Rdn. 9 ff. Die Verdingungsordnungen haben heute immer noch Gültigkeit. Früher als Ergebnis der Arbeit des Reichsverdingungsausschusses erlassen, werden sie

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Dem Rechtscharakter und der Zielrichtung nach sollten Vergabebestimmungen nicht (auch) dem Schutz potentieller Auftragnehmer dienen. Die Verdingungsordnungen Teile A wurden deshalb nicht als Schutznormen zugunsten der Unternehmen und damit auch nicht als Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB angesehen27. Lediglich Ansprüche aus Art. 3 Abs. 1 GG und an besondere Voraussetzungen geknüpfte Ansprüche aus § 26 Abs. 2 GWB waren denkbar28. Dementsprechend entfiel Primärrechtsschutz weitgehend29. Gerichtliche Eingriffe in laufende Vergabeverfahren gab es daher praktisch nicht, zumal Unternehmen sich in der Hoffnung auf weitere Aufträge sowieso nur ungern mit dem Auftraggeber vor Gericht stritten30. In Betracht kam nur Sekundärrechtsschutz, vor allem durch Schadensersatzansprüche aus culpa in contrahendo31. Letztlich war damit das frühere Vergaberecht ein rechtsfreier Raum32. Dies beweisen Statistiken über die (geringe) Zahl der Aufträge, die im Wege der gesetzlich als Regelfall vorgeschriebenen öffentlichen Ausschreibung vergeben wurden, die offen geforderte und auch durchgeführte Bevorzugung ortsansässiger Unternehmen im Kommunalbereich oder die unverhohlen geäußerte Ansicht, die Praxis komme mit dem Vergaberecht nur zu Rande, weil sie es ignoriere33.

2. Die europäische Entwicklung zum (effektiven) Vergaberechtsschutz Zu einer Kehrtwende in dieser vergaberechtlichen Schwerpunktsetzung hat vor allem die europarechtliche Entwicklung geführt34. Da nationale Beschaffungen seit 1947 von sog. Verdingungsausschüssen dem technischen Fortschritt und den EG-Richtlinien angepasst. 27 Nachweise bei Pietzcker, NVwZ 1983, S. 121, 122 ff. 28 Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427, 468. 29 Zu vereinzelten Ausnahmefällen vgl. BGH, NJW 1976, S. 2302; BGH, NJW 1977, S. 628; OLG Düsseldorf, DÖV 1981, S. 537. 30 Dreher, EuZW 1998, S. 197, 199 („Roß-und-Reiter-Problematik“); Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427, 430. 31 Heute kodifiziert in den §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB. Vgl. Kap. 2 A. II. 32 Schimanek, ZfBR 2002, S. 39. 33 Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427, 432 mit Verweis auf die Bilanz zum zehnjährigen Bestehen des Binnenmarktes (www.europa.eu.int/comm/internal_market/10years/indes _de.htm; S. 25) sowie auf Diskussionsbeiträge von kommunaler Seite in Ipsen, Öffentliches Auftragswesen im Umbruch, S. 59, 66 ff., 110 ff. und den Vortrag von Rosenzweig, S. 100 ff. 34 A.A. Holoubek, VVDStRL 60 (2000), S. 645, 647, der weiterhin die wirtschaftlichste Beschaffung als Schwerpunktziel des Vergaberechts ansieht. Ausführlich zum Einfluss des Europarechts auf die Entwicklung des deutschen Vergaberechts vgl. Breloer, Europäische Vorgaben und deutsches Vergaberecht. Die über die EU hinausgreifenden Regelungen i.R.d. GATT und der WTO werden im Folgenden ausgeklammert; vgl. dazu Schwarze, EuZW 2000, S. 133, 134 m. w. N.

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einen Anteil zwischen 10% und 20% des Bruttosozialprodukts in den Mitgliedsstaaten ausmach(t)en, zugleich aber nach dem ungeschriebenen Grundsatz des „buy national“ weit über 90 % der Auftragssumme auf die jeweiligen nationalen Unternehmen entfiel, strebte die Kommission die Schaffung eines offenen und diskriminierungsfreien Binnenmarkts an. Zur Realisierung und Sicherung desselben sollten den interessierten Unternehmen einklagbare Rechte auf Beachtung der die Gleichbehandlung sichernden Vergabevorschriften gewährt werden35. Ziel war ein offenes und wettbewerbsfähiges Vergabewesen, das zu einer verbesserten Daseinsvorsorge, zur Sicherung des effektiven Einsatzes von öffentlichen Gütern, zur Verhinderung von Korruption sowie zur Stimulierung des Wirtschaftswachstums und der Schaffung von Arbeitsplätzen führen sollte36. Erste allgemeine Liberalisierungsrichtlinien37 wurden hierfür durch die detaillierteren Koordinierungsrichtlinien38 verschärft. Diese wurden mangels Effektivität Ende der achtziger Jahre bzw. Anfang der neunziger Jahre novelliert39 und durch weitere Koordinierungsrichtlinien40 vervollständigt. Das haushaltswirtschaftliche Ziel des günstigen Einkaufs ist damit nicht verdrängt, aber durch das Ziel der Gleichbehandlung der Bieter und der Öffnung des gemeinsamen Marktes ergänzt worden41. Um die in den Richtlinien normierten Ziele auch effektiv durchsetzen zu können, wurden diesen Rechtsmittelrichtlinien 42 zur Seite gestellt43. Letztere garantieren die prozessualen Mindestanforderungen und bezwecken, wie später durch den EuGH ausdrücklich festgestellt44, Bietern und Interessenten einklagbare Rechte auf Einhaltung der Vergabevorschriften einzuräumen und eine effektive Nachprüfung von Vergabeentscheidungen zu gewährleisten. Im Jahr 2004 35 Brenner in: FS Kriele, S. 1431 ff.; Dreher, EuZW 1998, S. 197, 199; Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427, 429; Schwarze, EuZW 2000, S. 133, 135. Vgl. schon das Weißbuch der Kommission vom 27. 11. 1985 an den Europäischen Rat – „Vollendung des Binnenmarktes“ – KOM (85) 310 endg. 36 Vgl. den damaligen EU-Binnenmarkts-Kommissar Frits Bolkestein im Wirtschaftsteil der FAZ vom 28. Juni 2003. 37 Warenliberalisierungsrichtlinie 70 / 32 / EWG vom 17. 12. 1969 und Bauliberalisierungsrichtlinie 71 / 304 / EG vom 26. 07. 1971. 38 Baukoordinierungsrichtlinie 71 / 305 / EWG; Lieferkoordinierungsrichtlinie 77 / 62 / EWG. 39 Baukoordinierungsrichtlinie 93 / 37 / EWG; Lieferkoordinierungsrichtlinie 93 / 36 / EWG. 40 Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie 92 / 50 / EWG; Sektorenkoordinierungsrichtlinie 90 / 531 / EWG, neugefasst in 93 / 38 / EWG. 41 Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427, 430 und 469; Schwarze, EuZW 2000, S. 133, 135 ff. 42 Rechtsmittelrichtlinie 89 / 665 / EWG (im Folgenden: RMRL) und Sektorenrechtsmittelrichtlinie 92 / 13 / EWG. 43 Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427, 429. 44 EuGH, EuZW 1995, S. 635 f. Rdn. 19 ff.; zuletzt EuGH, NZBau 2005, S. 111, 113 f. Rdn. 22 ff.

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wurden diese Richtlinien zur besseren Übersichtlichkeit und Koordinierung in einer sog. Vereinigungsrichtlinie zusammengefasst45.

3. Die nationale Entwicklung aufgrund europäischer Vorgaben Der nationale Gesetzgeber folgte diesen europarechtlichen Leitlinien nur widerwillig. Zunächst hatte der Bund zwar die Vorgaben der europäischen Vergaberichtlinien schrittweise in die Verdingungsordnungen integriert. Diese waren jedoch bloßes Innenrecht und widersprachen damit der EuGH-Rechtsprechung, wonach Richtlinien durch Außenrechtssätze umgesetzt werden müssen. Außerdem räumten die modifizierten Verdingungsordnungen keine subjektiven Rechte ein und gewährleisteten somit keinen effektiven Rechtsschutz46. Aus diesen Gründen leitete die Kommission 1992 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland ein. Um einer vorhersehbaren Verurteilung durch den EuGH zuvorzukommen, entschied sich der deutsche Gesetzgeber in einem zweiten Versuch für eine bundeseinheitliche Umsetzung47 der Richtlinien, dokumentierte jedoch mit der Verankerung der gesetzlichen Regelungen in §§ 57 a – c HGrG den Willen, die haushaltsrechtliche Tradition soweit möglich fortzusetzen. Zwar erhielten die Verdingungsordnungen durch die statische Verweisung in der Vergabeverordnung48 selbst Verordnungsrang49. Doch wurden aus Sorge vor unerträgliche Verzögerungen öffentlicher Projekte und vor Missbrauch von Klagerechten den interessierten Unternehmen keine echten subjektiven Rechte eingeräumt, an die sich notwendig die deutschen verfassungsrechtlichen Garantien zur erichtlichen Durchsetzung hätten anschließen müssen50. Dementsprechend wurde den Bietern auch keine Klagemöglichkeit eingeräumt. Ihnen stand lediglich der Zugang zu einer Überprüfung durch die verwaltungsinternen Vergabeprüfstellen und die zu errichtenden Vergabeüberwachungsausschüsse offen. Diese wurden durch § 57 c HGrG als gerichtsadäquate Instanz ausgestaltet, um die Vorgaben der Richtlinie zu erfüllen51. 45 Vgl. dazu Leinemann / Maibaum, VergabeR 2004, S. 275 ff. Zu den neuesten Vorschlägen zur Änderung der Rechtsmittelrichtlinien vgl. Heuvels, NZBau 2006, S. 416 ff. 46 Boesen, Vergaberecht, Einl. Rdn. 132, 138; Martin-Ehlers, EuR 1998, S. 648, 650 ff. 47 Davor waren die Verdingungsordnungen als Haushaltsrecht im weiten Rahmen des § 30 HGrG an sich Sache von Bund und Ländern je für ihren Bereich. 48 Verordnung über die Vergabebestimmungen für öffentliche Aufträge vom 22. 02. 1994 (VgV), BGBl. I 1994, S. 324. 49 Pache, DVBl. 2001, S. 1781, 1786; Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427, 436. 50 BT-Drucks. 12 / 4636, S. 12 („individuelle, klagbare Rechtsansprüche der Bieter nicht entstehen zu lassen“); Byok, NJW 1998, S. 2774, 2775; Schwarze, EuZW 2000, S. 133, 137. 51 Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427, 437 f. Die Richtlinie verlangt kein Gericht i. S. d. nationalen Rechts, sondern nur i. S. d. Art. 177 EGV, den der EuGH großzügig auslegt, vgl. Kap. 5 B. I. 2. c).

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Kap. 2: Geltung der Primärrechtsschutzvorgaben im Vergaberecht

Diese novellierte haushaltsrechtliche Lösung genügte ebenfalls nicht den europa- und verfassungsrechtlichen Vorgaben52. Zwar anerkannte der EuGH – entgegen der überwiegenden Auffassung im deutschen vergaberechtlichen Schrifttum53 – den Überwachungsausschuss des Bundes als Gericht i.S.v. Art. 177 EGV und sah damit das Erfordernis der Überprüfbarkeit durch eine gerichtliche Instanz als erfüllt an54. Ebenso stellte er jedoch den bieterschützenden Charakter der Richtlinien fest, der erfordere, dass sich der Bieter auf die Vorschriften berufen und diese vor nationalen Gerichten geltend machen könne55. Folglich war die bieterschutzablehnende haushaltsrechtliche Lösung europarechtswidrig. Bedeutsamer noch als die Europarechtswidrigkeit, die sich wohl durch eine richtlinienkonforme Auslegung hätte beheben lassen, waren indes die verfassungsrechtlichen Konsequenzen. Denn das Betroffensein subjektiver Rechte löst die verfassungsrechtlichen Garantien des Art. 92 GG und, soweit Hoheitsakte ergehen, des Art. 19 Abs. 4 GG aus. Der von der haushaltsrechtlichen Lösung favorisierte rechtsfreie Raum hätte sich demnach nur halten lassen, wenn man zwischen europarechtlichen subjektiven Rechten und deutschrechtlichen subjektiven Rechten differenzierte. Derartige Differenzierungsversuche wurden zwar vorgenommen56, erschienen jedoch in der vorliegenden Konstellation überaus gewagt. Denn grundsätzlich lagen mit dem bestimmten Adressatenkreis, dem tatsächlichen Interessenschutz und dem bestätigten Schutzzweck alle Voraussetzungen des subjektiven Rechts i. S. deutscher Dogmatik vor57. Folglich war die haushaltsrechtliche Lösung ebenfalls verfassungswidrig. Der infolgedessen zunehmende politische Druck seitens der Kommission58 und der wirtschaftliche seitens der USA59, die ebenfalls die Einführung eines offenen Vergabewettbewerbs in Deutschland verlangten, führten zur Verabschiedung des Vergaberechtsänderungsgesetzes60. 52 Boesen, NJW 1997, S. 345 ff.; Byok, NJW 1998, S. 2774, 2775; Dreher, ZIP 1995, S. 1869 ff., insbes. S. 1876 ff.; Hermes, JZ 1997, S. 909, 911; Otting in: Bechthold, GWB, Vor § 97 Rdn. 6 f. 53 Boesen, EuZW 1996, S. 583 ff.; Dreher, EWS 1997, S. 225 ff.; Prieß, EuZW 1995, S. 793 f. A.A. Gröning, WuW 1995, S. 985, 994 f.; mit gewissen Vorhalten Pietzcker, NVwZ 1996, S. 313, 315 f. 54 EuGH, NJW 1997, S. 3365 ff. Vgl. dazu Boesen, NJW 1997, S. 3350 ff.; Brinker, JZ 1998, S. 39 ff.; Gröning, ZIP 1998, S. 370, 371; Pietzcker, NVwZ 1997, S. 1186. 55 Vgl. Fn. 54 sowie Dreher, EuZW 1998, S. 197, 199. 56 Burgi, Verwaltungsprozeß, S. 51 ff.; Hailbronner, RIW 1992, S. 553, 557 f., 560 ff.; Masing, Mobilisierung des Bürgers, S. 38, 105 ff., 193; Schmidt-Aßmann, DVBl. 1993, S. 924, 934; Wahl in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, Vorb § 42 Abs. 2 Rdn. 17 ff., 94 ff., 121 ff. 57 Pietzcker, NVwZ 1996, S. 313, 316; Ruffert, DVBl. 1998, S. 69, 75; Triantafyllou, NVwZ 1994, S. 943, 944; i.E. ebenso Classen, VerwArch 88 (1997), S. 645, 661 f. Vgl. auch Faber, DÖV 1995, S. 403 ff.; Sterner, Rechtsschutz bei der Vergabe, S. 67 ff., 88 ff. 58 Siehe dazu das Mahnschreiben der Kommission vom 31. 10. 1995 – SG (95) D / 13624 – 95 / 2044, dokumentiert in ZIP 1995, S. 1940 ff. 59 Vgl. Breloer, Europäische Vorgaben und deutsches Vergaberecht, S. 22; Byok, NJW 1998, S. 2774, 2775.

B. Geltung der verfassungsrechtlichen (Primär-)Rechtsschutzvorgaben

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Mit der Einführung der §§ 97 ff. in das GWB61 zum 01. 01. 1999 hat sich, so wird behauptet, die Rechtsschutzsituation der Unternehmen im Vergabeverfahren gegenüber der früheren „haushaltsrechtlichen“ Lösung erheblich verbessert62. Nach § 97 Abs. 7 GWB haben die Unternehmen nun einen „Anspruch“ auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren durch die öffentlichen Auftraggeber63. Dieser Anspruch ist in dem novellierten Nachprüfungsverfahren vor den Nachprüfungsinstanzen64 gem. §§ 102 ff. GWB gerichtlich durchsetzbar. Die genauen Auswirkungen des VgRÄG auf den vergaberechtlichen Rechtsschutz bedürfen indes einer eingehenden Untersuchung. Denn dass die Novellierungen eine Verbesserung der Rechtsschutzsituation darstellen, ist eine richtige, aber nicht aussagekräftige Beurteilung angesichts des früheren „rechtsfreien Raums“. Nur weil überhaupt Rechtsschutz gewährt wird, muss dieser nicht bereits den verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben genügen.

B. Geltung der verfassungsrechtlichen (Primär-)Rechtsschutzvorgaben im Vergaberecht Wenn auch das novellierte Vergaberecht als erhebliche Verbesserung gefeiert wurde, ist die Kritik am deutschen Vergaberecht nicht verstummt. Diese richtet sich zwar hauptsächlich formal gegen das Kaskadenmodell65 und die erfolgte Eingliederung ins GWB66. Teilweise werden aber auch die verbesserten Rechtsschutzmöglichkeiten als noch unzureichend bemängelt. Vor allem der – noch näher darzulegende – Ausschluss von Primärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung stößt immer wieder auf Kritik67. Zur Beurteilung dieser – möglichen – Unzulänglichkeit Vgl. zum Ganzen Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427, 437 ff. Das GWB ermächtigt in §§ 97 Abs. 6 i.V.m. 127 GWB die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats zum Erlass einer Vergabeverordnung. Diese wurde am 01. 02. 2001 erlassen und verweist wiederum statisch auf die Verdingungsverordnungen. Es handelt sich demnach wie schon bei der haushaltsrechtlichen Lösung um eine dreistufige Normenpyramide, das sog. Kaskadenmodell. 62 So Kling, NZBau 2003, S. 23. Marx in: Jestaedt / Kemper / Marx / Prieß, Auftragsvergabe, S 157 beschreibt den Vergabeprimärrechtsschutz als „jetzt mit Zähnen ausgestattet(en)“. 63 Vgl. BT-Drucks. 13 / 9340, S. 14. 64 Vergabekammer, Vergabesenat. 65 Die Unübersichtlichkeit der dreistufigen Rechtskaskade kritisieren Kau, EuZW 2005, S. 492 ff.; Höfler / Bert, NJW 2000, S. 3310 ff., 3316 f.; a.A. Kratzenberg, NZBau 2001, S. 119 und Thieme / Correll, DVBl. 1999, S. 883, 891, die die Beibehaltung dieses bewährten und der Rechtssicherheit dienenden Systems begren. 66 Dreher, NVwZ 1997, S. 343, 344 f.; Malmendier, DVBl. 2000, S. 963, 967; v. Meiborn / Byok, EuZW 1995, S. 629, 632. 67 Vgl. Dieckmann, VergabeR 2005, S. 10 ff.; Irmer, Sekundärrechtsschutz, S. 50. Huber, JZ 2000, S. 877 kritisiert allgemein „die – im Grund bornierte – Grundhaltung des Gesetz60 61

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Kap. 2: Geltung der Primärrechtsschutzvorgaben im Vergaberecht

des neuen Vergabe(primär-)rechtsschutzes bedarf es zunächst eines Maßstabs, an dem dieser zu messen ist. Insofern stellt sich die Frage, ob die Vorgaben aus Art. 19 Abs. 4 GG hinsichtlich eines vorrangig zu gewährenden Primärrechtsschutzes, die nur gegenüber Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt gelten68, auch im Vergaberecht zu beachten sind69.

I. Schutzbereich des Art. 19 Abs. 4 GG Dafür müssten die öffentlichen Auftraggeber als „öffentliche Gewalt“ zu qualifizieren [1.] und die rechtsschutzsuchenden Unternehmen grundrechtsberechtigt sein [2.]. Überdies müssten diesen subjektive (Vergabe-)Rechte zustehen [3.].

1. Die öffentliche Gewalt im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG gegenüber Verletzungen durch die öffentliche Gewalt gehört zu denjenigen Verfassungsbestimmungen, mit denen das Grundgesetz den Staat „in allen seinen Erscheinungsformen verfasst und rechtsstaatlich diszipliniert“70, und steht insoweit in einem „systematischen Wirkungszusammenhang“71 mit Art. 1 Abs. 3 GG72. Aufgrund dieses Wirkungszusammenhangs gilt als öffentliche Gewalt i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG – zumindest73 – die vollziehende Gewalt i. S. d. Art. 1 Abs. 3 GG74. Die Frage, ob öffentliche Auftraggeber als öffentliche Gewalt gelten, ist folglich dahingehend zu konkretisieren, ob sie als vollziehende Gewalt i. S. d. Art. 1 Abs. 3 GG zu qualifizieren sind75.

gebers, von dem traditionellen deutschen „approach“ im Vergaberecht zu retten, was zu retten ist“. 68 Vgl. Kap. 1 B. II. 2. b) cc). 69 Da die herrschende Auffassung von einer inhaltlichen Identität der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG mit dem allgemeinen Justizgewährleistungsanspruch ausgeht, wurde die Frage der Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 4 GG im Vergaberecht bislang nicht (näher) thematisiert. 70 Krebs in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 19 Rdn. 52. 71 Dörr, DÖV 2001, S. 1014. 72 A.A. Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 45. 73 Ob auch die gesetzgebende und die rechtsprechende Gewalt erfasst sind, kann hier dahinstehen. 74 Jarass in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 19 Rdn. 42; Krebs in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 19 IV Rdn. 52, 55; vgl. dazu BVerfG, NJW 2003, S. 1924, 1925. 75 Dörr, DÖV 2001, S. 1014; Krebs in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 19 Rdn. 52, 55; Krüger / Sachs in: Sachs, GG, Art. 19 Rdn. 118. I.E. ebenso BVerfGE 58, S. 1, 26 ff.; BVerfGE 59, S. 63, 85 f.; Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 420 m. w. N.;

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Art. 1 Abs. 3 GG ist die „Schlüssel- und Leitnorm“76 in der Frage der Geltung und Bindungskraft der Grundrechte77. Danach sind unmittelbar nur Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung an die Grundrechte gebunden. Die dem entgegenstehende Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte78 auch zwischen Privaten wird heute überwiegend mit Hinweis auf den Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG und das historische Herkommen der Grundrechte als Abwehrrechte gegen den Staat abgelehnt. Gegen jene Lehre spricht auch die Systematik des Grundgesetzes. Die ausdrückliche Ausnahme des Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG, der eine unmittelbare Grundrechtsbindung auch Privater normiert, zeigt, dass das Grundgesetz grundsätzlich nur den Staat i. S. d. Art. 1 Abs. 3 GG als unmittelbar grundrechtsgebunden ansieht79. Da die Grundrechte mithin unmittelbar nur Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung binden, muss im Umkehrschluss jede unmittelbar grundrechtsgebundene Gewalt, die nicht Rechtsprechung und Gesetzgebung ist, vollziehende, also öffentliche Gewalt i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG sein80. Diese systematische Begründung überzeugt auch inhaltlich: Die Grundrechtsbindung ist Ausdruck des – auf dem Machtungleichgewicht zwischen Staat und Bürger basierenden – Bedürfnisses der spezifischen Bindung einer Gewalt. Mit diesem Bedürfnis korreliert dasjenige eines bestimmten Rechtsschutzes, also auf Durchsetzung und Sicherstellung jener Bindung. Diesem Bedürfnis entspricht Art. 19 Abs. 4 GG. a) Die Grundrechtsbindung der vollziehenden Gewalt Zweifel ergeben sich in der Frage der Qualifikation öffentlicher Auftraggeber als grundrechtsgebundene vollziehende Gewalt i. S. d. Art. 1 Abs. 3 GG jedoch angesichts der erwähnten ambivalenten Zielrichtung und Struktur des Vergaberechts, das zwischen öffentlichem und privatem Recht steht81. Folge dieser Jarass in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 19 Rdn. 42, die als öffentliche Gewalt i.S.v. Art. 19 Abs. 4 GG die dem GG unterworfene Hoheitsmacht ansehen. 76 BVerfGE 31, S. 58, 72 („Leitnorm“); Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1178 („Schlüsselnorm“). 77 Vgl. nur Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 214; ders., DVBl. 1983, S. 422, 424; Höfling, JA 1995, S. 431; Kluth, Wirtschaftsteilnahme, S. 57; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 58. 78 BAGE 1, S. 185, 191 ff.; Nipperdey, Grundrechte und Privatrecht; Leisner, Grundrechte und Privatrecht, insbes. S. 356 ff. Die Bezeichnung „Drittwirkung“ geht zurück auf Ipsen in: Neumann / Nipperdey / Scheuner, Grundrechte, S. 111, 143. 79 St. Rspr. des BVerfG seit E 7, S. 198, 204 ff.; Dreier in: Dreier, GG, Vorb. Rdn. 96 ff.; Herdegen in: Maunz / Dürig, GG, Art. 1 Rdn. 99; v. Münch in: v. Münch / Kunig, GG, Vorb. Art. 1 – 19 Rdn. 31; Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1509 ff., 1543 ff., 1561 ff. Zu weiteren Argumenten vgl. Dreier in: Dreier, GG, Vorb. Rdn. 98 f.; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 46 f. A.A. Schwabe, Drittwirkung; Poscher, Grundrechte, S. 315 ff. 80 Ähnlich Denninger in: AK-GG, Art. 1 Abs. 2, 3 Rdn. 27; Kluth, Wirtschaftsteilnahme, 58 f.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 71.

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Kap. 2: Geltung der Primärrechtsschutzvorgaben im Vergaberecht

Ambivalenz ist, dass die Auftragsvergabe in Deutschland traditionell unabhängig von der Rechtsform des öffentlichen Auftraggebers durch Abschluss eines privatrechtlichen Vertrags zwischen dem Auftraggeber und dem erfolgreichen Bieter erfolgt82. Außerdem fallen nach dem Übergang vom institutionellen zum funktionalen Auftraggeberbegriff unter diesen nicht nur öffentlich-rechtlich, sondern auch privatrechtlich organisierte Auftraggeber83. Freilich bindet Art. 1 Abs. 3 GG seinem Wortlaut nach die gesamte vollziehende Gewalt an die Grundrechte. Dabei meint vollziehende Gewalt nichts anderes als Verwaltung84. Aufgrund der Mannigfaltigkeit öffentlicher Handlungs- und Organisationsformen wird indes eine umfassende Grundrechtsbindung der öffentlichen Hand abgelehnt. Geht es damit um die so genannte Frage der „Grundrechtsbindung der Verwaltung“85, drängen sich somit zwei – bis heute nicht geklärte86 – Problemfelder auf: die Grundrechtsbindung privatrechtlich handelnder Verwaltung [aa)]87 und diejenige privatrechtlich organisierter Verwaltung [bb)]. aa) Die Grundrechtsbindung der privatrechtlich handelnden Verwaltung (1) Überblick über den Meinungsstand In dieser – wenngleich als „Fiskalgeltung der Grundrechte“88 mittlerweile ausführlich diskutierten – Fragestellung gehen die Meinungen nach wie vor weit auseinander. Zunächst wurde die Frage nach der unmittelbaren Grundrechtsgebundenheit privatrechtlich handelnder Stellen im Hinblick auf die anfänglich angenommene strikte Trennung von öffentlichem und privatem Recht verneint89. AngeVgl. Kap. 2 A. III. 1. Vgl. Kap. 4 A. I. 1 und Kap. 6 A. IV. 1. sowie Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 3 Rdn. 7; Wolff / Bachof / Stober Verwaltungsrecht I, § 23 Rdn. 19. 83 Vgl. Kap. 2 B. I. 1. b). 84 Der Begriff „vollziehende Gewalt“ hat i.R.d. zweiten Wehrverfassungsnovelle vom 19. 03. 1956 den in Art. 1 Abs. 3 GG ursprünglich enthaltenen Ausdruck „Verwaltung“ ersetzt. Diese Änderung sollte die Grundrechtsbindung der Wehrverwaltung klarstellen. Eine inhaltliche Änderung war indes nicht beabsichtigt; vgl. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 215; ders., DVBl. 1983, S. 422, 424 f. Vgl. zum Ganzen Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1320 ff. Interessanterweise umfasste der vorgrundgesetzliche Verwaltungsbegriff die Bedarfsdeckungsverwaltung, vgl. Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1325 f. 85 Richtigerweise ist indes nicht die Grundrechtsbindung der Verwaltung fraglich, sondern nur, ob privatrechtlich handelnde oder privatrechtlich organisierte öffentliche Stellen als – grundrechtsgebundene – Verwaltung anzusehen sind. 86 Ronellenfitsch in: HStR III, § 84 Rdn. 45 („Geklärt und anerkannt ist bis heute nichts“). 87 Die Grundrechtsbindung öffentlich-rechtlichen Verwaltungshandelns steht außer Zweifel, vgl. Rüfner in: HStR V, § 117 Rdn. 19. 88 Begriff bei Löw, DÖV 1957, S. 879. 89 Bettermann. in: Bettermann / Nipperdey / Scheuner, Grundrechte III / 2, S. 779, 786; Dürig, JZ 1953, S. 193, 199; Forsthoff, Der Staat als Auftraggeber, S. 10 ff.; Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 25; v. Mangoldt / Klein, GG, Art. 1, Anm. V 3 b, S. 159. 81 82

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sichts dieser Trennung könne ein durch privatrechtlichen Vertrag entstandenes Privatrechtsverhältnis zwischen Staat und Bürger nicht öffentlich-rechtlichen Bindungen unterworfen sein90. Diese Auffassung ermöglichte der Verwaltung indes eine „Flucht ins Privatrecht“91. Aus diesem Grund hat die Diskussion dahingehend eine Wendung erfahren, dass eine mit der Formenwahlfreiheit einhergehende Wahlfreiheit hinsichtlich der Grundrechtsbindung in Frage gestellt und stattdessen eine Bindung an die Grundrechte unabhängig von privatrechtlichen Handlungsformen, abhängig jedoch von der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe angenommen wird. Nach dieser Lehre vom Verwaltungsprivatrecht92 soll mithin die i.R.d. Daseinsvorsorge93 erbrachte und unmittelbar öffentliche Aufgaben erfüllende (Verwaltungs-)Tätigkeit in Privatrechtsform, nicht jedoch die bloße erwerbswirtschaftliche Teilnahme am Wirtschaftsverkehr grundrechtsgebunden sein. Dem folgen bis heute die Rechtsprechung94 und weite Teile der Literatur95, wenn auch zum Teil mit etwas anderen Unterscheidungskriterien96. Eine weitergehende Auffassung geht sogar von einer umfassenden unmittelbaren Grundrechtsbindung jeglichen Staatshandelns unabhängig von der jeweiligen rechtlichen Handlungsform aus, wobei zum Teil zwischen verschiedenen Bindungswirkungen differenziert wird97. Doch 90 Vgl. Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 61, 66 ff., 75 ff.; Gogos, Verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 160 ff.; Koch, Unternehmen in Privatrechtsform, S. 77, 92 f. 91 Begriff von Fleiner, Institutionen, S. 326; vgl. auch Ehlers, DVBl. 1983, S. 422 f. 92 Vgl. grundlegend Siebert in: FS Niedermayer, S. 215, 220 ff. 93 Der Begriff in seiner heutigen Prägung geht zurück auf Forsthoff, Die Verwaltung als Leistungsträger, S. 45. 94 BVerfG, NZBau 2006, S. 791, 793; BGHZ 29, S. 76, 80; Z 33, S. 230, 233; Z 36, S. 91, 95; Z 37, S. 1, 27; Z 52, S. 325, 328 ff.; Z 65, S. 284, 287; Z 91, S. 84, 96 f.; Z 93, S. 372, 381; OLG Frankfurt, NJW 1993, S. 1472; OLG Hamburg, NJW 1988, S. 1600; LG Braunschweig, NJW 1974, S. 800. 95 Dürig in: Maunz / Dürig, GG, Art. 3 Rdn. 475 ff. (offen gelassen in der Neukommentierung von Herdegen, Rdn. 95); Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht I, S. 121 f.; Leisner, BB 1970, S. 405, 406; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 23 Rdn. 29 ff. 96 Kriterium der öffentlichen Aufgabe als Unternehmenszweck: Badura in: FS Schlochauer, S. 1, 5 ff.; ders., ZHR 146 (1982), S. 448 ff.; Kriterium der staatlichen Machtstellung: Bachof, VVDStRL 12 (1954), S. 63 f.; Klein, Teilnahme des Staates, S. 165 ff.; Maunz / Zippelius, Deutsches Staatsrecht, S. 167 ff.; Sympathie bei Ossenbühl, DÖV 1971, S. 513, 522; Schallemacher, Bundesunternehmen, S. 198 ff.; Kriterium der bezweckten Begünstigung durch den Staat: Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 399 ff.; ähnlich Lerche in: Maunz / Dürig, GG, Art. 87 f. Rdn. 62 ff.; ders. in: FS Winkler, S. 581, 590 ff. („Verwaltungsprivatrecht im weiteren Sinne“); Kriterium des „Eingriffs durch Konkurrenz“: Ronellenfitsch in: HStR III, § 84 Rdn. 47, 49; ähnlich Stober, Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 17 III 1 c. 97 Vgl. nur Dreier in: Dreier, GG, Art. 1 III Rdn. 65 ff.; Ehlers in: Erichsen / Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 3 Rdn. 80 ff.; ders., Verwaltung in Privatrechtsform, S. 214 ff.; ders., DVBl. 1983, S. 422, 424 ff.; Erichsen, DVBl. 1983, S. 289, 294; Gusy, JA 1995, S. 166, 171; Isensee, DB 1979, S. 145, 147 ff.; Hesse, Verfassungsrecht, Rdn. 345 ff.; Höfling, JA 1995, S. 431, 432; Huber, Konkurrenzschutz, S. 315; Jarass in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 1 Rdn. 28; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 3 Rdn. 6 ff.; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rdn. 171;

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auch Skepsis gegenüber einer unmittelbaren Grundrechtsbindung privatrechtlich handelnder Stellen klingt immer wieder an98. (2) Gründe für die Grundrechtsbindung privatrechtlich handelnder Verwaltung Reduziert man diese drei Hauptströme auf das wesentliche Kriterium hinsichtlich der Frage der unmittelbaren Grundrechtsbindung einer privatrechtlich handelnden Stelle, so verweisen die Skeptiker dieser Bindung auf die Differenzierung zwischen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Handlungsform (aktivistischer Ansatz), die Lehre vom Verwaltungsprivatrecht stellt auf das Kriterium der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe ab (funktionaler Ansatz) und die Befürworter einer umfassenden Grundrechtsbindung nehmen die rechtliche Organisationsform als Ausgangspunkt und sehen jegliches staatliches Handeln als grundrechtsgebunden an (institutioneller Ansatz)99. (a) Ablehnung des aktivistischen Ansatzes Eine erste Hilfe in der Frage, welcher dieser Ansätze vorzugswürdig ist, scheint der Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG zu bieten, der von „vollziehender Gewalt“ – in Abgrenzung zur „Rechtsprechung“ und „Gesetzgebung“ – spricht. So wird aus dem Begriff „Gewalt“ das Erfordernis eines subordinativen, durch staatliche Zwangsakte geprägten Herrschaftsverhältnisses geschlussfolgert100, welches bei einer öffentlichen Stelle, die sich durch privatrechtliches Handeln dem Bürger gleichordnet, in der Regel nicht vorliegt101. Einer näheren Untersuchung hält diese Begründung indes nicht stand. Zum einen ist das Kriterium des „Herrschaftsverhältnisses“ für das Bestehen staatlicher Gewalt nicht zweckmäßig; denn derartige Verhältnisse bestehen durchaus auch zwischen Privaten, z. B. durch faktische Monopole oder finanzielle Abhängigkeit102. Eine Beschränkung auf Subordinationsverhältnisse übersähe zum anderen die für den modernen Staat typischen subtilen Steuerungsmöglichkeiten. Selbst wenn er sich rechtlich dem Bürger gleichordnet, Pietzcker, AöR 107 (1982), S. 61, 71; Starck in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 1 Abs. 3 Rdn. 228; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung, S. 309 ff.; v. Zezschwitz, NJW 1983, S. 1873, 1878; Zuleeg, WiVerw 1984, S. 112, 119 ff. 98 So bei Bullinger in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 239, 257; Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 132 ff.; ders., JuS 1970, S. 332 ff.; Papier in: HStR VI, § 154 Rdn. 22. 99 Ähnlich Möstl, Grundrechtsbindung, S. 71 f. 100 Klein, Teilnahme des Staates, S. 169 ff.; Ronellenfitsch in: HStR III, § 84 Rdn. 46; Wilke, NZBau 2005, S. 326, 327. 101 Bullinger in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 239, 257 mit Verweis auf die fehlende Schutzbedürftigkeit. 102 Bachof, VVDStRL 12 (1954), S. 37, 63 f.; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 82; Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 397.

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stehen ihm dennoch sein besonderes Funktionspotential und sein besonderer Status zur Verfügung103. Dies wird sogar durch § 54 S. 2 VwVfG104 gesetzlich indiziert. Auch dort muss die öffentliche Gewalt identifiziert und ihre Grundrechtsbindung durchgesetzt werden, da das Privatrecht keinen gleich effektiven Schutz bietet105. Gewalt ist daher nicht (nur) i.S.v. Herrschaft, sondern als „superioritas“, als „die der inneren Souveränität entfließende Einzigheit und Einseitigkeit der Staatsgewalt“106 zu verstehen. Diesem Verständnis des Gewaltbegriffs entspricht die heutige allgemeine Ablehnung107 der absoluten Fiskustheorie108, die zwischen dem öffentlich-rechtlich handelnden Staat und dem privatrechtlich handelnden Fiskus differenzierte und damit ursprünglich als Grundlage des aktivistischen Ansatzes diente. Ihre Legitimation, die in der Verschaffung von Rechtsschutzmöglichkeiten zugunsten des Bürgers gegen einen rechtlich unangreifbaren Staat in seiner Eigenschaft als Fiskus bestand109, steht angesichts des mittlerweile umfassend gewährleisteten Rechtsschutzes in Frage110. Vor allem aber werden Staat und Fiskus nicht mehr als verschiedene Rechtssubjekte, sondern als identisches Rechts- und Pflichtensubjekt angesehen111. Die Begrifflichkeit „Fiskus“ ist damit „nur ein Name für den privatrechtlich handelnden Staat“112. Selbst wenn der Staat privatrechtlich, also fiskalisch, handelt, ist er somit staatlich und nicht privat tätig113. 103 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 214 f.; ders., DVBl. 1983, S. 422, 424; Gusy, DÖV 1984, S. 872, 878; Kluth, Wettbewerbsteilnahme, S. 58; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 58 f.; Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1412. Zur staatlichen Machtentfaltung durch – privatrechtliche – Auftragsvergabe vgl. Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 23 Rdn. 21 m. w. N. 104 „ . . . anstatt einen Verwaltungsakt zu erlassen“. 105 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 214, 217 f.; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 57 ff.; vgl. auch Di Fabio, VVDStRL 56 (1997), S. 235, 252 ff., 263; Pietzcker, Staatsauftrag, S. 370 Fn. 77; a.A. Emmerich, JuS 1970, S. 332, 333, 337. 106 Pitschas, Verwaltungsverantwortung, S. 638 f.; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung, S. 316; ähnlich Ehlers, DVBl. 1983, S. 422, 424. 107 Vgl. nur Ehlers, DVBl. 1983, S. 422, 425; Koch, Unternehmen in Privatrechtsform, S. 68 ff.; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 77; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 69 f. 108 Zur Begründung des aktivistischen Ansatzes mit der Fiskustheorie vgl. Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 240; Mallmann, VVDStRL 19 (1961), S. 165, 194 ff.; Zeidler, VVDStRL 19 (1961), S. 208, 217 ff. Zu den Spielarten und der Entwicklungsgeschichte der Fiskustheorie vgl. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 75 ff.; Koch, Unternehmen in Privatrechtsform, S. 68 ff. 109 Vgl. Burmeister, DÖV 1975, S. 695, 699. 110 Nach Zeidler, VVDStRL 19 (1961), S. 208, 224 ist damit die „Geschäftsgrundlage“ der Fiskustheorie entfallen. Ähnlich Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 241. 111 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 77; Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 244; Kempen, Formenwahlfreiheit, S. 85; Mallmann, VVDStRL 19 (1961), S. 164, 196 ff.; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 78; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 69 f. A.A. Ronellenfitsch in: HStR III, § 84 Rdn. 46.

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Kap. 2: Geltung der Primärrechtsschutzvorgaben im Vergaberecht

Eine Unterteilung staatlichen Handelns in öffentlich-rechtliches und privatrechtliches und eine Herausnahme eines Teilbereichs staatlichen Handelns aus der Verfassungsbindung nimmt das Grundgesetz zudem nicht vor. Öffentliches und privates Recht sind vielmehr zwei Teilgebiete einer einheitlichen Rechtsordnung114, die an die Grundrechte als höherrangiges Verfassungsrecht rückgebunden sind115. Dieses kennt nur konstituierte Staatlichkeit. Der Staat ist mithin vollständig verfasst116. Dies lässt sich insbesondere aus dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG und von Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG117 herleiten, die mit Art. 1 Abs. 3 GG in systematischem und normativem Zusammenhang stehen118. Versteht man demzufolge „vollziehende Gewalt“ in Art. 1 Abs. 3 (i.V.m. Abs. 1 S. 2) und Art. 20 Abs. 2 S. 2 i.V.m. S. 1 GG gleich119, binden die Grundrechte die Institution „Staat“ und ist daher die vollziehende Gewalt als der vollziehende Teil der Institution „Staat“ anzuerkennen, ohne dass die Handlungsform eine Rolle spielt120. Nur so kann im modernen Staat, dem allgemein eine Wahlfreiheit der Handlungsform zugebilligt wird121, dem Rechtsschutz des Bürgers ausreichend Rechnung getragen werden122. Mithin ist der aktivistische Ansatz abzulehnen. 112 Mallmann, VVDStRL 19 (1961), S. 165, 197. Ebenso Möstl, Grundrechtsbindung, S. 78; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 69. Insofern wird weiterhin von „Fiskalverwaltung“ gesprochen, vgl. nur Jarass in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 19 Rdn. 29; Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 3 Rdn. 7; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 23 Rdn. 19. Kritisch hierzu Kempen, Formenwahlfreiheit, S. 85 ff. 113 v. Arnauld, DÖV 1998, S. 437, 440; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 87; Isensee in: HStR V, § 118 Rdn. 24 – 26; Mallmann, VVDStRL 19 (1961), S. 164, 197; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 78; Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 387 ff. 114 Barbey, WiVerw 1978, S. 77 f.; Ehlers in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 40 Rdn. 18 ff. In vergaberechtlicher Hinsicht Hausmann, EuZW 1999, S. 762, 763. 115 Schmidt-Aßmann in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 7, 13. 116 Vgl. Kap. 2 B. I. 1. sowie Dörr, DÖV 2001, S. 1014, 1015; Hesse, Verfassungsrecht, Rdn. 348; Höfling, JA 1995, S. 431, 435 f.; Kempen, Formenwahlfreiheit, S. 37, 84 f.; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 79; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rdn. 207; Pietzcker, AöR 107 (1982) S. 61, 71; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 60, 66; Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1410 ff.; Zeidler, VVDStRL 19 (1961), S. 208, 226. 117 Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG spricht die Verpflichtung „aller staatlichen Gewalt“ aus, Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG nennt „alle Staatsgewalt“. 118 Ehlers, DVBl. 1983, S. 422, 425; Häberle in: HStR II, § 22 Rdn. 56 ff.; Zeidler, VVDStRL 19 (1961), S. 208, 225 ff. 119 Im Zweifel ist davon auszugehen, dass der Verfassungs- / Gesetzgeber einen einheitlichen Sprachgebrauch wählen wollte, vgl. Zippelius, Methodenlehre, § 10 III a. Mit diesem systematischen Argument wird zudem das oben erwähnte Gewaltverständnis entkräftet, da Art. 20 Abs. 2, 3 GG anerkanntermaßen nicht nur „obrigkeitsstaatliches“ Staatshandeln erfasst, vgl. Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 60 Fn. 230. 120 Gusy, DÖV 1984, S. 872, 878; Kluth, Wettbewerbsteilnahme, S. 58 f.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 60; Zeidler, VVDStRL 19 (1961), S. 208, 226. Vorsichtiger Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 77, 214 ff.; ders., DVBl. 1983, S. 422, 425. 121 Vgl. hierzu Rüfner in: HStR III, § 80 Rdn. 55 ff.; Spannowsky, Verwaltungshandeln, S. 84 ff.; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 23 Rdn. 1 ff.; einschränkend Kempen, Formenwahlfreiheit, S. 91 ff.

B. Geltung der verfassungsrechtlichen (Primär-)Rechtsschutzvorgaben

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(b) Ablehnung des funktionalen Ansatzes Damit meint „vollziehende Gewalt“ grundsätzlich die gesamte staatliche Gewalt, unabhängig von der jeweiligen Handlungsform. Dies anerkennt auch der funktionale Ansatz. Doch nimmt er privatrechtlich handelnde Verwaltung, die keine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, sondern rein erwerbswirtschaftlich tätig ist, von diesem Grundsatz aus. Hierfür könnte der Ausdruck „vollziehende Gewalt“ ins Feld geführt werden, da das Partizip „vollziehend“ die Anknüpfung an ein bestimmtes Ziel oder einen bestimmten Auftrag, nämlich die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe, nahe legt und nicht etwa sämtliche Tätigkeiten der Gewalt zu umfassen scheint. Indes ersetzte der Ausdruck „vollziehende Gewalt“ den früheren Begriff „Verwaltung“, ohne dass eine inhaltliche Änderung beabsichtigt war123, so dass dieser Partizipialkonstruktion als Argument grammatikalischer und historischer Auslegung keine definitive inhaltliche Bedeutung beigemessen werden kann124. Auch der zweite Begründungsansatz, der für das funktionale Verständnis von Art. 1 Abs. 3 GG auf eine Modifizierung der Fiskustheorie zurückgreift, kann nicht überzeugen. Danach soll weiterhin zwischen staatlichem und fiskalischem Handeln differenziert werden und letzteres dann vorliegen, wenn keine Verwaltungstätigkeit vorgenommen wird125. Indem diese modifizierte Fassung jedoch nicht mehr konsequent zwischen öffentlich-rechtlichem und privatrechtlichem Handeln unterscheidet, hat sie die dogmatische Grundlage dieser Theorie aufgeweicht. Insbesondere der Versuch einer Ableitung des funktionalen Ansatzes aus den Art. 134 Abs. 2 und 135 Abs. 2 GG einerseits und den Art. 110 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 und Art. 111 Abs. 1 lit. c GG andererseits kann nicht überzeugen126. Vor allem aber mangelt es der modifizierten Fiskustheorie wegen der schwierigen Abgrenzung zwischen fiskalischer und verwaltungsprivatrechtlicher Tätigkeit, die sich am Kriterium der unmittelbaren Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe orientiert, an Klarheit und Überzeugungskraft127. Ist die Zuordnung als öffentliche Aufgabe mittels 122 Ähnlich Bethge, Grundrechtsberechtigung, S. 101; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 79; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 82 ff. 123 Vgl. Fn. 84 . 124 I. E. ebenso Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 215 f.; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 76; Rüfner in: HStR V, § 117 Rdn. 40; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 59; Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1410. A.A. Dreier in: Dreier, GG, Art. 1 III Rdn. 6, 53 und Horn, Grundrechtsunmittelbare Verwaltung, S. 107, die aber den Begriff „vollziehende Gewalt“ als Argument für den institutionellen Ansatz anführen. 125 Vgl. Möstl, Grundrechtsbindung, S. 77. Daher wird auch camouflierend von den „fiskalischen Hilfsgeschäften“ oder „Hilfstätigkeiten“ gesprochen. 126 Vgl. dazu Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1394 ff. 127 Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 241 ff.; Pitschas, Verwaltungsverantwortung, S. 638; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 67; Unruh, DÖV 1997, S. 653, 663; Zeidler, VVDStRL 19 (1961), S. 208, 218 ff. Kritisiert wird zudem die Unsicherheit, die mit der öffentlich-rechtlichen Überlagerung eintritt, vgl. Ehlers, DVBl. 1983, S. 422, 425 ff.

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Kap. 2: Geltung der Primärrechtsschutzvorgaben im Vergaberecht

Verfassungszielen und gesetzgeberischen Aufträgen häufig noch zu leisten, so scheitert eine eindeutige Abgrenzung jedoch in der Regel am Kriterium der Unmittelbarkeit. Dies zeigt sich insbesondere im öffentlichen Auftragswesen128. Denn zum einen erfolgt die Auftragserteilung zu dem Zweck, die materiellen und logistischen Grundlagen der Verwaltungstätigkeit selbst zu schaffen, und ist damit notwendig zur Erfüllung des allgemeinen Verwaltungsauftrags des Staats und folglich mittelbare Aufgabenerfüllung129. Zum anderen aber dienen die im Wege der Auftragsvergabe abgeschlossenen Beschaffungsverträge nicht selten dazu, originäre Aufgaben der Verwaltung im Bereich der Eingriffsverwaltung130 oder – häufiger – der Daseinsvorsorge131 unmittelbar zu erfüllen. Darüber hinaus ist der öffentliche Auftrag ein erstrangiges Instrument politischer Steuerung und Gestaltung132, insbesondere nach Bestätigung der Zulässigkeit vergabefremder Zuschlagskriterien133 durch die Vereinigungsrichtlinie. In Abhängigkeit von ihrer Größenordnung kann der Staat die Auftragsvergabe für die gesamte Bandbreite zulässiger Gemeinwohlzwecke einsetzen, etwa zur Verfolgung wettbewerbs-, regional-, struktur-, sozialoder umweltpolitischer Ziele134. Praktisch jeder größere Staatsauftrag ist damit zumindest potentiell eine Maßnahme der Realförderung135 und insoweit auch eine unmittelbare Staatsaufgabe136. Schließlich ist auf die oben genannten Argumente hinzuweisen, die neben der Ablehnung des aktivistischen Ansatzes für eine umfassende Grundrechtsbindung aller staatlichen Gewalt sprechen. Folglich ist ebenfalls der funktionale Ansatz abzulehnen137. 128 Pietzcker, Staatsauftrag, S. 366 ff.; ähnlich Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1397 f. Dennoch für eine Anerkennung als öffentliche Aufgabe Dörr, DÖV 2001, S. 1014, 1015 f.; Kunert, Bedarfsdeckungsgeschäfte, S. 72 ff., 94; in der Tendenz Binder, ZZP 113 (2000), S. 195, 213. Kritisch schon Forsthoff, Der Staat als Auftraggeber, S. 21. 129 Dörr, DÖV 2001, S. 1014, 1016; Kunert, Bedarfsdeckungsgeschäfte, S. 72 ff.; Zeidler, VVDStRL 19 (1961) S. 208, 235; ähnlich Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung, S. 196 f. 130 Vgl. z. B. den Sachverhalt in BGH, NJW 1977, S. 628 ff. (Beauftragung eines Abschleppunternehmers). 131 Vgl. z. B. den Sachverhalt in BGH, ZIP 2001, S. 479 ff. (ÖPNV). Vgl. zum Ganzen Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1397 f. 132 Dörr, DÖV 2001, S. 1014, 1016; Ronellenfitsch in: HStR III § 84 Rdn. 30; Rüfner in: HStR V, § 117 Rdn. 44; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung, S. 39 ff., 142 ff.; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 23 Rdn. 21. 133 Vgl. dazu umfassend Benedict, Sekundärzwecke im Vergabeverfahren; Kling, Die Zulässigkeit vergabefremder Regelungen. 134 Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 3 Rdn. 7; Pietzcker, Staatsauftrag, S. 304 ff.; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung, S. 142 ff.; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 23 Rdn. 21. 135 Dörr, DÖV 2001, S. 1014, 1016; Kunert, Bedarfsdeckungsgeschäfte, S. 189. 136 Selbst Vertreter des funktionalen Ansatzes befürworten vielfach die Grundrechtsbindung im öffentlichen Auftragswesen, vgl. nur Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 70; Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 65a (freilich nur für die Vergabe oberhalb der Schwellenwerte).

B. Geltung der verfassungsrechtlichen (Primär-)Rechtsschutzvorgaben

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(c) Zustimmung zum institutionellen Ansatz Zuzustimmen ist daher dem institutionellen Ansatz, der die Institution „Staat“ in allen seinen Handlungs- und Organisationsformen als vollziehende Gewalt anerkennt und der Grundrechtsbindung unterwirft. Denn zum einen können der aktivistische und der funktionale Ansatz wie dargelegt nicht überzeugen. Zum anderen sprechen gute Gründe für ein solch institutionelles Verständnis der „vollziehenden Gewalt“. So vermittelt Art. 1 Abs. 3 GG subjektive Rechte. Dementsprechend muss es sich bei Gesetzgebung, Rechtsprechung und vollziehender Gewalt um Anspruchsverpflichtete handeln138. Anspruchsverpflichtet kann indes nur eine Organisation bzw. Institution, nicht aber eine Tätigkeit oder Funktion sein. Des Weiteren spiegelt Art. 1 Abs. 3 GG durch Nennung der drei Gewalten den Gewaltenteilungsgrundsatz wider. Dieser fußt jedoch auf einem formalen Verständnis der Gewalten. Für ein solches spricht auch der normative Zusammenhang zu Art. 20 Abs. 2 GG, in dem von Organen die Rede ist139. Unterstützt wird die institutionelle Sichtweise darüber hinaus durch den Begriff der „Gesetzgebung“, der auf das Parlament abzielt und insofern institutionell-organisatorisch zu deuten ist140. Aus diesen Gründen ist dem institutionellen Ansatz zu folgen und sämtliches staatliches Handeln, das nicht Gesetzgebung und Rechtsprechung ist, unter den Begriff „vollziehende Gewalt“ i. S. d. Art. 1 Abs. 3 GG zu subsumieren141. Dies entspricht auch dem telos des Art. 1 Abs. 3 GG, der, nicht anders als Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG, alle staatliche Gewalt in der Gesamtheit ihrer Funktionen und Organe lückenlos an die Grundrechte binden will142. Schließlich verfängt auch das vielfach angeführte praktische Argument einer unzumutbaren Beschränkung privatrechtlicher Staatstätigkeit143 nicht, da die Grundrechtsbindung der privatrechtlich handelnden Wirtschaftsverwaltung einen größeren Spielraum als der Vollzugsverwaltung einräumt und sich insofern den im Privatrecht geltenden Bindungen annähert144. 137 Andere Kritikpunkte: Nach Kempen, Formenwahlfreiheit, S. 126 f. geht der funktionale Ansatz deshalb fehl, weil der ohnehin nur partiell privatrechtsfähige Staat jedenfalls i.R.d. Erfüllung öffentlicher Aufgaben keine Befugnis zum privatrechtlichen Handeln besitze. Burmeister, DÖV 1975, S. 695, 702 f. moniert, dass das Verwaltungsprivatrecht letztlich eine Kontrolle der rechtmäßigen Ausübung der dem jeweiligen staatlichen Funktionsträger übertragenen Kompetenzen durch die Zivilgerichte ermöglicht, obwohl diese der Verwaltungsgerichtsbarkeit obliegen müsse. 138 Kritisch hierzu Höfling, JA 1995, S. 431, 433, nach dem Art. 1 Abs. 3 GG keine verpflichteten Grundrechtsadressaten, sondern bloß grundrechtsgebundene Staatsfunktionen nennt. 139 Dreier in: Dreier, GG, Art. 1 III Rdn. 53; Schnapp, JuS 1989, S. 1, 2. 140 Dreier in: Dreier, GG, Art. 1 III Rdn. 53; Schnapp, JuS 1989, S. 1, 2. Kritisch hierzu Höfling, JA 1995, S. 431, 433. 141 Ähnlich Denninger in: AK-GG, Art. 1 Abs. 2, 3 Rdn. 27; Kluth, Wettbewerbsteilnahme, S. 58 f.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 71 m. w. N. 142 Dreier in: Dreier, GG, Art. 1 III Rdn. 53; Höfling, JA 1995, S. 431, 433; Rüfner in: HStR V, § 117 Rdn. 1; Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1204. 143 Emmerich, JuS 1970, S. 332, 334 ff.; Klein, Teilnahme des Staates, S. 166. Die Bedenken gelten hauptsächlich der Anwendung des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG.

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Kap. 2: Geltung der Primärrechtsschutzvorgaben im Vergaberecht

bb) Die Grundrechtsbindung privatrechtlich organisierter Verwaltung Ist damit die Grundrechtsbindung privatrechtlich handelnder Verwaltung – respektive vollziehender Gewalt – festgestellt, schließt sich im Hinblick auf die unterschiedlichen Organisationsformen der öffentlichen Auftraggeber die Frage an, was in institutionell-organisatorischer Hinsicht unter vollziehender Gewalt zu verstehen ist. (1) Überblick über den Meinungsstand Vollziehende grundrechtsgebundene Gewalt ist der Staat in allen seinen Organisationsformen. Privatrechtsförmige Organisationen, die dem Staat zuzurechnen oder mit diesem verbunden sind, wie vor allem Eigengesellschaften und gemischtwirtschaftliche Unternehmen, sind jedoch von diesem juristisch verselbständigt145. Als privatrechtliche Rechtspersonen sind sie Träger eigener Rechte und Pflichten. Maßgeblich ist damit, ob und inwieweit privatrechtsförmige Organisationen, aber auch natürliche Personen des Privatrechts, trotz juristischer Selbständigkeit der Institution „Staat“ zuzurechnen und deshalb als vollziehende Gewalt i. S. d. Art. 1 Abs. 3 GG anzuerkennen sind. Auch in dieser Frage nach dem organisatorischen Verständnis der „vollziehenden Gewalt“ herrscht ein „schwer zu durchschauendes Gestrüpp unterschiedlicher Ansichten“146. Weitgehende Einigkeit besteht lediglich insoweit, alle öffentlichrechtlichen Organisationsformen als vollziehende Gewalt anzuerkennen147. Unklar ist jedoch, ob diese Organisationsform bloß hinreichendes oder sogar notwendiges Kriterium für das Vorliegen öffentlicher Gewalt ist. Dabei weist diese Problematik Parallelen zum Problemfeld der Grundrechtsbindung privatrechtlich handelnder Verwaltung auf. Wiederum wird zum Teil mit Verweis auf die privatrechtliche Organisationsform eine Qualifizierung privatrechtsförmiger gemischtwirtschaftlicher Unternehmen148 und sogar Eigengesellschaften149 als vollziehende Gewalt i. S. d. Art. 1 Abs. 3 GG verneint150. Recht144 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 217 ff.; ders., DVBl. 1983, S. 422, 425; Hesse, Verfassungsrecht, Rdn. 347; Pietzcker, AöR 107 (1982), S. 61, 72; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 71 f. 145 v. Arnauld, DÖV 1998, S. 437, 442; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 119; Spannowsky, ZGR 1996, S. 400, 408. 146 Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 57. 147 Vgl. nur Krebs in: HStR III, § 69 Rdn. 6; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 74; Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 72, 188. Einschränkend Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 87 mit Verweis auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten 148 Gogos, Verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 197; Kluth, Wettbewerbsteilnahme, S. 59; Spannowsky, ZHR 160 (1996), S. 560, 568 ff.; Starck in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 1 Abs. 3 Rdn. 231. 149 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 119 f.

B. Geltung der verfassungsrechtlichen (Primär-)Rechtsschutzvorgaben

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sprechung151 und Teile der Literatur152 machen jene Qualifizierung hingegen von der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe abhängig und setzen somit die Lehre vom Verwaltungsprivatrecht gleichsam fort. Ein anderer Teil der Literatur stellt darauf ab, ob der Staat Rechtsträger eines privatrechtsförmigen Unternehmens ist153. Schließlich wird auch die unterschiedslose Bindung aller privatrechtsförmigen Organisationen, die organisatorisch dem öffentlichen Bereich zugeordnet werden können, vertreten154. (2) Kriterien für die Grundrechtsbindung privatrechtlich organisierter Verwaltung (a) Die öffentlich-rechtliche Organisationsform als hinreichendes, nicht aber notwendiges Kriterium Die öffentlich-rechtliche Organisationsform ist, wie bereits dargelegt, hinreichendes Kriterium für das Vorliegen vollziehender Gewalt. Wegen der rechtlichen Verselbständigung privatrechtsförmiger Vereinigungen wird dieses Kriterium teilweise sogar als notwendiges angesehen, zumal ihm als einzigem der genannten der Vorteil eindeutiger Bestimmbarkeit innewohne155. Grundrechtsgebundene vollziehende Gewalt seien daher nur öffentlich-rechtlich organisierte Vereinigungen. Das Gegenargument eines lückenhaften Grundrechtsschutzes verfange diesbezüglich nicht, da gegenüber dem Staat als Anteilseigner eines privatrechtsförmigen Unternehmens eine einklagbare Einwirkungspflicht bestünde156. 150 Eigengesellschaften der öffentlichen Hand werden zwar in Gestalt von juristischen Personen des Privatrechts betrieben, befinden sich aber zu 100 % im Staatseigentum. Gemischtwirtschaftliche Unternehmen sind hingegen solche, die nicht Eigengesellschaften und nicht ausschließlich in privater Hand sind. 151 BGHZ 52, S. 325, 327 f.; Z 91, S. 84, 97 f.; BGH, BB 1969, S. 1239; BVerwG, NVwZ 1991, S. 59; OLG Frankfurt, NJW 1993, S. 1472; OLG Hamburg, NJW 1988, S. 1600. 152 Becker, DÖV 1984, S. 313, 320; Spannowsky, ZGR 1996, S. 400, 408 ff. 153 Vgl. nur Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 247 ff.; ders. in: Erichsen / Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 3 Rdn. 87. 154 Achterberg, Allg. Verwaltungsrecht, § 12 Rdn. 20; Niebuhr, Wettbewerbsteilnahme, S. 234; Zeidler, VVDStRL 19 (1961), S. 251; wohl auch Krebs in: Hoffmann-Riem / SchmidtAßmann, Verwaltungsorganisationsrecht, S. 339, 346 ff. Mit Einschränkung Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 73 (unter Ausschluss von gemischtwirtschaftlichen Unternehmen mit nur einer Minderheitskapitalbeteiligung des Staats) sowie Huber, Allg. Verwaltungsrecht, S. 70; Jarass in: Jarass / Pieroth, GG, Art 1 Rdn. 19 und Stern, Staatsrecht III / 1, S 1421 f. (nur staatlich beherrschte Unternehmen). Daneben gibt es wiederum Ansichten, die sich nicht in diese Hauptrichtungen einordnen lassen. Diese bleiben hier unberücksichtigt; vgl. dazu Möstl, Grundrechtsbindung, S. 68 Fn. 175. 155 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 119 f. Vgl. auch Backhaus, Öffentliche Unternehmen, S. 136 f.; Emmerich, JuS 1970, S. 332, 334 ff. 156 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 120. Zur Einwirkungspflicht Püttner, DVBl. 1975, S. 353 ff.; Spannowsky, ZGR 1996, S. 400, 412 ff.

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Kap. 2: Geltung der Primärrechtsschutzvorgaben im Vergaberecht

Gerade die Effizienz dieser Einwirkungspflicht muss indes in Zweifel gezogen werden157. Dafür sei vorliegend allein auf die Aktiengesellschaft158 verwiesen. Bei dieser kann mangels bestehender Weisungsrechte zu einem bestimmten Verhalten eine durchgehende Rechtmäßigkeitskontrolle nicht sichergestellt werden. Denn das Gesellschaftsrecht selbst impliziert durch die in § 76 Abs. 1 AktG normierte Eigenverantwortlichkeit der Geschäftsführung die Unzulässigkeit derartiger (zumindest gesellschaftsrechtlicher) Weisungsrechte159. Weisungsrechte, die nicht dem Gesellschaftsrecht entspringen160, scheitern hingegen i.d.R. am Vorrang des Gesellschaftsrechts161, unabhängig ob sie gegenüber dem Vorstand bzw. (entsandten) Vorstandsmitgliedern oder dem Aufsichtsrat bzw. (entsandten) Aufsichtsratsmitgliedern geltend gemacht werden162. Weisungen an die Vertreter der öffentlichen Hand in der Hauptversammlung sind schließlich wegen der begrenzten Rechte der Hauptversammlung nicht wirkungsvoll163. Selbst wenn zumindest faktische Einwirkungsmöglichkeiten für die Durchsetzung öffentlicher Interessen und konzernrechtliche Einflussmöglichkeiten auf die grundsätzliche Unternehmenspolitik existieren, so scheitert die Sicherstellung einer durchgehenden Rechtmäßigkeitskontrolle angesichts der Ingerenz im Einzelfall. Des Weiteren erscheint der Verweis auf die Einwirkungspflicht auch widersprüchlich. Denn einerseits wird die eine rechtliche Selbständigkeit begründende Privatrechtsform als Argument gegen die Grundrechtsbindung und Qualifikation als vollziehende Gewalt herangezogen. Andererseits stellt die – wie diese Ansicht behauptet: effektive – Einwirkungspflicht und -möglichkeit gerade diese Selbständigkeit in Frage. Ferner verfängt auch der Hinweis auf die rechtliche Verselbständigung nicht, da es auch rechtlich verselbständigte öffentlich-rechtliche Organisationsformen gibt, auf die die öffentliche Hand nur über Mitgliedschaftsrechte Einfluss nehmen kann164. Der Umstand, dass privatrechtsförmige Organisationen im Gegensatz zu diesen von jedermann gegründet werden können, kann kaum entscheidend sein, wenn gerade ein Verwaltungsträger diese Organisation gründet165.

157 v. Arnauld, DÖV 1998, S. 437, 444; Dörr, DÖV 2001, S. 1014, 1018; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 13 ff., 102 f. 158 Die Rechtsform der GmbH bietet hingegen größere Möglichkeiten der öffentlichen Einflussnahme. Vgl. dazu Möstl, Grundrechtsbindung, S. 22 f. 159 Koppensteiner, NJW 1990, S. 3105, 3109; Mertens in: Zöllner / Mertens, Kölner Kommentar, § 76 AktG Rdn. 42. 160 In Betracht kommen dienstvertragliche und beamtenrechtliche Vorschriften oder Normen aus der Gemeindeordnung; vgl. dazu Koch, Unternehmen in Privatrechtsform, S. 156 ff. 161 Vgl. zur These des Vorrangs des Gesellschaftsrechts BGHZ 69, S. 334, 340; Fischer, AG 1982, S. 85, 90; Habersack, ZGR 1996, S. 544, 555; Schmidt, ZGR 1996, S. 345, 350. 162 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 136; Koch, Unternehmen in Privatrechtsform, S. 156 ff.; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 137; ders., JA 1980, S. 218. 163 Leisner, WiVerw 1983, S. 212, 216; Püttner, JA 1980, S. 218; Schmidt, ZGR 1996, S. 345, 353. 164 Zum Beispiel der Zweckverband.

B. Geltung der verfassungsrechtlichen (Primär-)Rechtsschutzvorgaben

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Schließlich ist anerkannt, dass die Vollziehung „staatlicher Aufgaben“ nicht allein von öffentlich-rechtlich organisierten Organen wahrgenommen wird166. Der Staat der Gegenwart kennt eine Vielzahl von Verwaltungsträgern, seine Organisationsgewalt erlaubt und benötigt Strukturvielfalt167. Aus diesen Gründen ist die Rechtsform als Ausschlusskriterium bei der Qualifizierung „öffentlicher Gewalt“ abzulehnen, zumal der Staat ansonsten durch die – allgemein für zulässig erachtete – freie Wahl einer Organisationsform168 sich seiner Grundrechtsbindung entledigen könnte169. (b) Ablehnung der Rechtsträgerschaft als Kriterium Statt der öffentlich-rechtlichen Organisationsform stellen weite Teile der Literatur auf die Trägerschaft der privatrechtsförmigen Organisation ab. Eine Unterwerfung unter das öffentliche Recht, mithin die Qualifizierung als vollziehende Gewalt, setze die alleinige Trägerschaft durch die öffentliche Hand voraus170. Dementsprechend werden Eigengesellschaften, die sich zu 100 % im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, nicht aber gemischtwirtschaftliche Unternehmen als vollziehende Gewalt anerkannt171. Nur so könne die Privatautonomie der privaten Anteilseigner geschützt werden. Allerdings sei der öffentliche Anteilseigner zur grundrechtswahrenden Wahrnehmung seiner Ingerenzmöglichkeiten verpflichtet172. Praktisch kann diese Ansicht, die eine klare Abgrenzungsmöglichkeit bietet und zudem durch die Einbeziehung der Eigengesellschaften zumindest partiell dem aktuellen Trend der „Verwaltung in Privatrechtsform“173 gerecht wird, überzeugen. Indes kommen beim gemischtwirtschaftlichen Unternehmen zwei unterschiedliche 165 Koch, Unternehmen in Privatrechtsform, S. 150. A.A. jedoch Kluth, Wettbewerbsteilnahme, S. 21 f. 166 Siehe schon Forsthoff, Verwaltungsrecht, § 24 und § 25; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 69 f.; Stober, NJW 1984, S. 449, 450. 167 Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1332. 168 Vgl. dazu Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 81 f. 169 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 247; Koch, Unternehmen in Privatrechtsform, S. 149, Schallemacher, Bundesunternehmen, S. 81; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 69 f.; Scholler / Broß, DÖV 1978, S. 238, 240; Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1410 f. 170 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 247 ff.; ders. in: Erichsen / Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 3 Rdn. 84 ff. 171 Höfling, JA 1995, S. 431, 436. 172 Dreier in: Dreier, GG, Art. 1 III Rdn. 70; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 248 f.; Höfling in: Sachs, GG, Art. 1 Rdn. 96; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rdn. 171; Rüfner in: HStR V, § 117 Rdn. 49. Zur Kritik an der grundrechtswahrenden Effizienz der Ingerenzrechte im Einzelfall vgl. Kap. 2 B. I. 1. a) bb) (2) (a). 173 So auch der Titel der Monographie von Ehlers, auf den die Entwicklung dieses Kriteriums zurückgeht.

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Kap. 2: Geltung der Primärrechtsschutzvorgaben im Vergaberecht

Funktionsträger mit verschiedenen Legitimationsgrundlagen in ein und demselben Rechtsträger zusammen174. Dadurch entsteht ein neuer, rechtlich verselbständigter Träger175. Die Trägerschaft der an der privatrechtsförmigen Vereinigung Beteiligten kann daher als rein rechtliches Kriterium wegen der rechtlichen Selbständigkeit ebendieser privatrechtsförmigen Organisation nicht maßgeblich sein. Entscheidend ist die Bewertung der rechtlich verselbständigten Vereinigung und nicht die seiner rechtlichen Träger. Hintergrund dieser Auffassung scheint deshalb der Gedanke zu sein, dass der Träger an einer privatrechtsförmigen Vereinigung einen bestimmten rechtlichen und tatsächlichen Einfluss hat176. Dann aber kann nicht überzeugen, eine Eigengesellschaft als grundrechtsgebundene vollziehende Gewalt anzuerkennen, aber einem gemischtwirtschaftlichen Unternehmen diese Anerkennung zu verweigern, sobald 5, 10 oder 15 % der Anteile an einen Privaten übertragen sind177. Denn zum einen ist der staatliche Einfluss auf alle privatrechtsförmigen Vereinigungen eingeschränkt178. Zum anderen wird dieser beschränkte Einfluss hinsichtlich Eigengesellschaften und gemischtwirtschaftlichen Unternehmen, soweit diese als von der öffentlichen Hand „beherrscht“179 angesehen werden können, als im Wesentlichen gleich eingeschätzt180. Zwar ist zuzugestehen, dass die Entscheidung für oder gegen die Grundrechtsbindung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen und dementsprechend die Anerkennung als vollziehende Gewalt die „heterogene Erscheinungsform der Organisation“ nicht hinreichend erfassen kann und entweder den staatlichen oder den gesellschaftlichen Anteil vernachlässigt181. Eine pauschale Bewertung aller gemischtwirtschaftlichen Unternehmen verschlösse jedoch die Augen davor, dass sich auch die öffentliche Hand des Unternehmens zur Verfolgung ihrer Ziele und Zwecke bedient182. Die Hereinnahme Privater dient häufig nur der Kapitalaufstockung und damit der Beförderung der öffentlichen Verwaltungszwecke183. Die Aberkennung grundrechtsgebundener vollziehender Gewalt indes mit der Schutzwürdigkeit jener zu begründen184, die als Private gerade keiDreier in: Dreier, GG, Art. 1 III Rdn. 70; Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 166. v. Arnauld, DÖV 1998, S. 437, 442; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 90 f.; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 119; Spannowsky, ZGR 1996, S. 400, 408. 176 Höfling, JA 1995, S. 431, 436. In diesem Sinne auch BVerfG, NJW 1990, S. 1783. Anders wohl Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 248 f., insbes. Fn. 443; ders. in: Erichsen / Ehlers, Allg. Verwaltungsrecht, § 3 Rdn. 87, der rein formell auf das Kriterium der alleinigen Trägerschaft abstellt. 177 Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 92; ders., JuS 1970, S. 332, 334; Koch, Unternehmen in Privatrechtsform, S. 149 f.; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 74. 178 Vgl. Kap. 2, B. I. 1. a) bb) (2) (a). 179 Auf dieses Kriterium wird im Folgenden näher eingegangen. 180 Möstl, Grundrechtsbindung, S. 30, 101. 181 Krebs in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 19 Rdn. 45. 182 Koch, Unternehmen in Privatrechtsform, S. 149. 183 Möstl, Grundrechtsbindung, S. 101; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 74. 174 175

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ner Grundrechtsbindung unterliegen, verkennt jedoch, dass diese sich freiwillig und bewusst für die Beteiligung an einem gemischtwirtschaftlichen Unternehmen entschieden haben185 und dass es sich bei dem Unternehmen um eine rechtlich verselbständigte Organisation handelt. Zudem schließt eine Grundrechtsbindung die gleichzeitige (partielle) Grundrechtsberechtigung nicht zwingend aus186. Aus diesen Gründen ist die Trägerschaft als Kriterium für das Vorliegen vollziehender Gewalt abzulehnen. (c) Ablehnung des funktionalen Kriteriums der öffentlichen Aufgabe Schließlich lässt sich die Meinung finden, dass privatrechtsförmige Vereinigungen dann als vollziehende Gewalt anzuerkennen sind, wenn sie Aufgaben der Daseinsvorsorge erfüllen187 und insofern nicht erwerbswirtschaftlich ausgerichtet sind188. Maßgeblich ist hiernach das Kriterium der öffentlichen Aufgabenerfüllung189. Zu kritisieren ist wiederum, dass die Abgrenzung zwischen privater und öffentlicher Aufgabe i.d.R. nicht eindeutig vollzogen werden kann190. Eine derartige Aufgabensystematik lässt die Bestimmungsfaktoren für die Kategorienbildung offen, weil sie mit den Begriffen „Daseinsvorsorge“ einerseits und „Gewinnerzielung“ bzw. „Erwerbswirtschaft“ anderseits Kriterien nennt, die sich eben nicht ausschließen sondern regelmäßig nebeneinander vorliegen191. Somit fehlt es an einer praktikablen Abgrenzbarkeit von privater und öffentlicher Aufgabe192. Zudem unterliegt der Aufgabenbegriff zeitlichen Schwankungen und ist damit variabel und flexibel193. Schon angesichts der Offenheit des Staatsaufgabenbegriffs 184 Koch, Unternehmen in Privatrechtsform, S. 146. Vgl. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 85; Koppensteiner, NJW 1990, S. 3105, 3109 ff.; Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1170. 185 Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 74. 186 So Jarass in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 1 Rdn. 29. 187 BGHZ 52, S. 325, 328; Z 65 S. 284, 287; OLG Hamburg, NJW 1988, S. 1600; Ronellenfitsch in: HStR III, § 84 Rdn. 48; ähnlich Schäfer, Mitbestimmung, S. 43. 188 Pfeifer, Steuerung kommunaler Aktiengesellschaften, S. 7 f. 189 Koch, Unternehmen in Privatrechtsform, S. 188 f., 190 – 204. 190 Badura in: FS Schlochauer, S. 3, 5 ff.; Gogos, Verselbständigte Verwaltungseinheiten, S. 195 f.; Lerche in: Maunz / Dürig, GG, Art. 86 Rdn. 55 Fn. 11; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 95 f.; Rüfner in: HStR V, § 117 Rdn. 44; Stern, Staatsrecht III / 1 S. 1404 f. 191 Badura in: FS Schlochauer, S. 3, 5; Becker, DV 12 (1979), S. 163, 166; Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 99; Klein, Teilnahme des Staates, S. 19; Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 140. Auch das herangezogene Unmittelbarkeitskriterium (vgl. aus der Rspr. BGHZ 29, S. 76, 80 und aus der Lit Ossenbühl, DÖV 1971, S. 513, 20 f.; Ronellenfitsch in: HStR III, § 84 Rdn. 47) konnte hier nur begrenzte Abhilfe schaffen, vgl. dazu Möstl, Grundrechtsbindung, S. 109 m. w. N. in Fn. 389. 192 Dazu eingehend Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 154 ff.; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 2 Rdn. 15.

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muss daher jede Aufgabenakzessorietät für die Qualifikation als Staatsgewalt abgelehnt werden194. Zum anderen verwischte das alleinige Abstellen auf die Erfüllung öffentlicher Aufgaben die – in einer Zeit des staatlichen Rückzugs aus der Aufgabenverantwortung besonders relevante195 – Unterscheidung zwischen der privatrechtsförmigen Verwaltung und der Verwaltung durch Private196. Diese wären trotz fehlender organisatorischer Eingliederung in die Verwaltung mit der Übernahme öffentlicher Aufgaben stets als grundrechtsgebundene vollziehende Gewalt anzusehen. Eine derart pauschale Betrachtung würde aber weder der mannigfaltigen Möglichkeiten197 der Verwaltung durch Private noch der Interessenlage der Beteiligten gerecht. Ferner führte die Bejahung des funktionalen Ansatzes das soeben gefundene Ergebnis, dass es nämlich für die Qualifizierung privatrechtlich handelnder Verwaltung als vollziehende Gewalt gerade nicht auf die Handlungsform oder die Übernahme einer öffentlichen Aufgabe, sondern auf die Organisationsform ankommt, ad absurdum, wenn die Bewertung als „zur Institution Staat zugehörig“ wiederum von der Aufgabenübernahme abhängig gemacht würde. Zwar ist richtig, dass der Staat und seine Einrichtungen gar nicht anders tätig werden dürfen als in Ausübung einer Staatsaufgabe198. Aber auch außerhalb ihrer Kompetenzbereiche „ultra-vires“ üben sie – wenngleich rechtswidrig – Staatsgewalt aus199. Dann kann es aber nicht überzeugen, die Ausübung rechtmäßiger Staatsgewalt als vollziehende Gewalt der Rechtsschutzgarantie zu unterstellen, die Ausübung rechtswidriger hingegen nicht. Daher ist das funktionale Kriterium der Aufgabenerfüllung abzulehnen. (d) Das organisatorische Kriterium der Beherrschung Folglich bedarf es eines anderen Kriteriums, um vollziehende Gewalt von Privaten abzugrenzen. Vollziehende Gewalt wurde beschrieben als vollziehender Teil Möstl, Grundrechtsbindung, S. 111; Schallemacher, Bundesunternehmen, S. 76. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 86 f. Zur Offenheit der Staatsaufgaben Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 131 ff.; Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 137, 153. Dieses Problem wird auch durch den neuen Ansatz von Möstl, Grundrechtsbindung, v.a. S. 103 ff., 120 ff., nicht gelöst, sondern umgangen, wenn er nicht auf die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe in concreto, sondern allgemein darauf abstellt, ob sich der Unternehmensgegenstand als öffentliche Aufgabe darstellt. 195 Schuppert, DÖV 1995, S. 761 ff. 196 Möstl, Grundrechtsbindung, S. 110, der auch darin einen Grund für die Nicht-Abgrenzbarkeit des Kriteriums der öffentlichen Aufgabe bzw. der Daseinsvorsorge sieht. 197 Z. B. Indienstnahme, Vertrag, funktionale Privatisierung, Steuerung von Selbstregulierung. 198 Jestaedt, Demokratieprinzip, S. 247 f.; ähnlich Gersdorf, AfP 1998, S. 470, 473. 199 Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 86 f.; a.A. Möstl, Grundrechtsbindung, S. 103 ff. 193 194

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der Institution „Staat“, gekennzeichnet durch die Ausübung von Staatsgewalt200. Damit man von der Ausübung staatlicher Gewalt sprechen kann, bedarf es eines Legitimationszusammenhangs, um den nach dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 2 GG) gebotenen Zurechnungszusammenhang zwischen Herrschaftsausübung und Herrschaftsunterworfenheit herzustellen201. Zwar kann der Legitimationszusammenhang die Ausübung staatlicher Gewalt nach allgemeiner Auffassung lediglich rechtfertigen202, nicht aber begründen. Das Vorliegen von einen Legitimationszusammenhang begründenden Kriterien definiert daher die Handlungen eines Unternehmens nicht als Ausübung staatlicher Gewalt – und das Unternehmen selbst nicht als Teil der Institution Staat –, sondern rechtfertigt bloß diese Handlungen, falls sie auf staatlicher Gewalt basierten. Besteht indes zwischen einem Unternehmen und der unmittelbaren Staatsverwaltung, die als legitimiert anerkannt ist, tatsächlich eine derart intensive, dem „Zurechungspostulat“203 des Art. 20 Abs. 2 GG genügende Verbindung, spricht alles – i.S.e. unwiderlegbaren Vermutung – dafür, dass dieses Unternehmen aufgrund dieser engen Verbindung der Institution Staat zuzurechnen ist und insofern Staatsgewalt ausübt204. Damit drängt sich die Frage auf, welche Kriterien einen Legitimationszusammenhang i. S. d. Art. 20 Abs. 2 GG begründen. Hierbei wird zwischen einer personellen Legitimationskomponente, die an den Handelnden anknüpft, und einer materiellen, die sich auf die Handlung selbst bezieht, unterschieden205. Notwendig ist ein durch beide Legitimationsstränge in ihrem Zusammenwirken206 erreichbares bestimmtes Legitimationsniveau, das in seiner Höhe je nach Größe der Bedeutung und Reichweite der Entscheidung variieren kann207. 200 Vgl. Kap. 2 B. I. 1. a) aa) (2) (a) sowie BVerfG, NJW 2003, S. 1924, 1925; Gusy, DÖV 1984, S. 872, 878; Kluth, Wettbewerbsteilnahme, S. 59; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 70. 201 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 136; ders., AfP 1998, S. 470, 473 f.; Isensee in: HStR V, § 118 Rdn. 24 ff.; Koch, Unternehmen in Privatrechtsform, S. 209 ff. 202 Vgl. zu diesem Problemkreis eingehend Schliesky, Herrschaftsgewalt, S. 30 ff., 137 ff., 149 ff., 230 ff. 203 Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 85. Ähnlich BVerfGE 83, S. 60, 72; Emde, Selbstverwaltung, S. 327; Koch, Unternehmen in Privatrechtsform, S. 209 f. 204 I.E. ebenso Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 136; Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 85 mit Verweis auf BVerfGE 8, S. 104, 114. 205 Koch, Unternehmen in Privatrechtsform, S. 211 ff.; Sommermann in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Abs. 2 Rdn. 163 ff.; Volkmann in: Friauf / Höfling, GG, Art. 20, 2. Teil, Rdn. 46; vgl. auch BVerfGE 83, S. 60, 72. Für eine Unterteilung in formelle, materielle (bzw. sachliche) und funktionell-institutionelle Legitimation Böckenförde in: HStR I, § 22 Rdn. 14 ff.; Dreier in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rdn. 113 ff. 206 Die h. M. geht von einer gegenseitigen Substituierbarkeit aus, wobei allerdings auf die materielle Komponente nicht vollständig verzichtet werden dürfe, vgl. nur Koch, Unternehmen in Privatrechtsform, S. 213 m. w. N. 207 BVerfGE 83, S. 60, 72; Sommermann in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Abs. 2 Rdn. 185 ff.

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Die personelle Legitimation wird grundsätzlich durch eine ununterbrochene Legitimationskette bewirkt208. Problematisch ist dies bei öffentlichen Unternehmen, die von einem – eigenständigen209 – Kollektivorgan gesteuert werden. Dort werden die Unternehmenstätigkeiten tatsächlich durch die unternehmensrechtlich installierten Organe bloß vermittelt und die grundsätzliche Unternehmenszielsetzung durch die beherrschenden Gesellschafter beeinflusst210. Allerdings wird dieser Einfluss über die einzelnen Organmitglieder ausgeübt. Vielfach wird deshalb eine ununterbrochene Legitimationskette für jedes Organmitglied gefordert211. Dem muss indes bereits aus pragmatischen Gründen widersprochen werden, weil dann nicht nur die öffentlichen Unternehmen sondern auch zahlreiche Ausschüsse im Bereich der Verwaltung illegitimiert wären212. Stattdessen ist auf die Steuerbarkeit des Organs durch die personell legitimierten Organmitglieder dergestalt abzustellen, dass diese sich im Zweifel durchsetzen können213 oder aber eine Entscheidung zumindest nicht gegen deren Willen gefällt werden kann214. Denn es macht zumindest praktisch keinen Unterschied, ob jedes Organmitglied oder die entscheidungstragende oder entscheidungsfähige Mehrheit legitimiert ist, da in beiden Fällen sich der „legitimierende Volkswille“ durchsetzt bzw. durchsetzen kann. Durch die Einsetzung dieser Organe bzw. durch die Entscheidung zur beherrschenden Beteiligung an diesen wird damit die Legitimationskette erweitert und auf die Unternehmen ausgedehnt215. Wichtiger noch – weil nicht vollständig substituierbar216 – als die personelle ist die materielle Legitimation. Diese wird erreicht durch ein System von Verantwortung und Kontrolle, das die Durchsetzung des legitimierenden Volkswillens gewährleistet217. Problematisch erscheint, dass der Staat gegenüber den rechtlich verselbständigten Unternehmen keine unmittelbaren Weisungsrechte besitzt. Doch 208 BVerfGE 47, S. 253, 275; E 52, S. 95, 130; Böckenförde in: HStR I, § 22 Rdn. 16; Koch, Unternehmen in Privatrechtsform, S. 212, 214. 209 Vgl. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 136 f. 210 Vgl. Schmidt in: FS Knöpfle, S. 303, 310. 211 BVerfGE 47, S. 253, 275; E 52, S. 95, 130; VerfGH NW, DVBl. 1986, S. 1196 f.; Herzog in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 Anm. II Rdn. 55; Sachs in: Sachs, GG, Art. 20 Rdn. 40; Schäfer, Mitbestimmung, S. 59 ff., 83 f., 177. 212 Z. B. die Richterausschüsse; vgl. zum Ganzen Böckenförde in: HStR I, § 22 Rdn. 18 f. 213 Böckenförde in: HStR I, § 22 Rdn. 19; Püttner, DVBl. 1986, S. 1198, 1199. 214 OLG Bremen, NJW 1977, S. 1153, 1156; Emde, Selbstverwaltung, S. 329. A.A. Ehlers, JZ 1987, S. 218, 226. 215 Ähnlich ist das vom BVerfGE 93, S. 37, 67 f. präferierte Prinzip der sog. doppelten Mehrheit, wonach das Vorliegen von Staatsgewalt von der Steuerung im Einzelfall abhängig ist, indem verlangt wird, dass die die Entscheidung tragende Mehrheit sich ihrerseits aus einer Mehrheit unbeschränkt legitimierter Mitglieder des Kreationsorgans ergibt. Vgl. dazu Böckenförde in: HStR I, § 22 Rdn. 19 Fn. 25. 216 Vgl. Fn. 206 . 217 Böckenförde in: HStR I, § 22 Rdn. 21; v. Danwitz, AöR 120 (1995), S. 595, 607; Koch, Unternehmen in Privatrechtsform, S. 213; Schäfer, Mitbestimmung, S. 85 f.

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kann Staatsgewalt auch durch andere, weniger effektive Steuerungsinstrumente ausgeübt werden218. Diesbezüglich ist vor allem die Beeinflussung der Unternehmenstätigkeit durch die – im Falle personeller Legitimation des Unternehmens – beherrschenden legitimierten Organmitglieder zu nennen. Zwar halten Stimmen in der Literatur für die materielle Legitimation umfassende Weisungs- und Kontrollbefugnisse der öffentlichen Hand für erforderlich, mittels derer sie im Zweifel Entscheidungen an sich ziehen bzw. abändern kann219, und verneinen solche Ingerenzmöglichkeiten gegenüber Organmitglieder unter Hinweis auf die Mängel bei den Einwirkungsrechten, die eine Rechtmäßigkeitskontrolle im Einzelfall ausschließen. Doch wäre danach die gesamte privatrechtsförmige Verwaltung de facto ausgeschlossen, obwohl sie im Grundgesetz in Art. 87 d Abs. 1 S. 2 GG durchaus für möglich gehalten wird220. Zudem kennt selbst die mittelbare Staatsverwaltung derart umfassenden Weisungsrechte nicht221. Entscheidend ist daher nicht die Weisungsbefugnis im Einzelfall, sondern die Kontrolle des Unternehmens über die Organmitglieder insgesamt222. Eine solche vorherige inhaltliche Beeinflussung, die sich regelmäßig in den in der Unternehmenssatzung fixierten „öffentlichen“ Unternehmenszielen wie der Gemeinwohlbindung widerspiegelt223, ist dem Staat möglich, so dass die fehlenden Ingerenzmöglichkeiten im Einzelfall kompensiert werden224. Das fehlende Letztentscheidungsrecht 225 im Einzelfall kann durch das Grundsatzentscheidungsrecht substituiert werden226. Dafür spricht auch die Vermutung des § 17 Abs. 2 AktG. Denn beherrscht der Staat das Unternehmen, ist dieses gleichsam verlängerter Arm des Staats und da218 Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 85; ähnlich Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 71. Nicht grundlos wird heutzutage von einem „Steuerungsstaat“ gesprochen und werden die Verwaltungswissenschaften als „Steuerungswissenschaften“ begriffen. 219 In diese Richtung auch Böckenförde in: HStR I, § 22 Rdn. 22; Vollkmann in: Friauf / Höfling, GG, Art. 20, Teil 2, Rdn. 46. 220 Vgl. dazu Möstl, Grundrechtsbindung, S. 99. 221 Vgl. Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 352 ff.; Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 220 f. 222 Vgl. insoweit Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 124 ff. („Globalsteuerung“ im Hinblick auf Art. 5 Abs. 3 GG ausreichend); Engellandt, Einflussnahme der Kommunen, S. 21 f., 25 f., Lerche in: Maunz / Dürig, GG, Art. 86 Rdn. 63 f., Müller, Rechtsformenwahl, S. 244, 248 ff., in der Tendenz auch Spannowsky, ZGR 1996, S. 400, 412, 421 ff. 223 Dreier in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rdn. 137. 224 Lerche in: Maunz / Dürig, GG, Art. 86 Rdn. 63; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 98; Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 358; Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 288 f. 225 Dies wird vielfach gefordert, vgl. nur BVerfGE 83, S. 60, 73; E 93, S. 37, 68, 72; Dreier in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rdn. 137; Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 88. Vgl. auch Ehlers, JZ 1987, S. 218, 225; ders., Jura 1997, S. 180, 185 f. (nur eingeschränkt für privatrechtsförmige Verwaltung). 226 Auf die Mehrheitsbeteiligung abstellend Raiser, ZGR 1996, S. 458, 476; auf die Beherrschung – aber mit einem materiellen Verständnis von Staatsgewalt – abstellend Gersdorf, AfP 1998, S. 470, 474.

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mit ein Teil von ihm227. Insofern geht mit der personellen die materielle Legitimation einher228. cc) Zwischenergebnis Zusammenfassend genügt dem Zurechnungspostulat des Art. 20 Abs. 1 S. 1 GG regelmäßig die Beherrschung der Organisation durch die öffentliche Hand, wenn der Staat also Ziele, Handlungsweisen und Unternehmenspolitik bestimmt229. Maßgebliches Kriterium für die Grundrechtsbindung privatrechtsförmiger Verwaltung ist damit die Beherrschung des Unternehmens durch die öffentliche Hand230. Überzeugungskraft erfährt dieses Kriterium zudem durch seine verfassungsrechtliche Ableitbarkeit. Denn im Gegensatz zur Aufgabenerfüllung ist das Erfordernis einer Legitimationskette aus Art. 20 Abs. 2 GG herleitbar. Darüber hinaus ist die Beherrschung ein formelles und tatsächlich ermittelbares231 Kriterium. Zudem lässt die Beherrschung – anders als die Rechtsträgerschaft – den Schluss auf den tatsächlichen staatlichen Einfluss zu. Ein weiterer Vorteil des Beherrschungskriteriums gegenüber den vorher genannten liegt in der geminderten Missbrauchsgefahr232. Im Hinblick auf die von der herrschende Auffassung vorgenommene Differenzierung zwischen Eigengesellschaft und gemischtwirtschaftlichem Unternehmen in der Frage des Vorliegens vollziehender Gewalt wurde schon zur umgehenden Umwandlung aller Eigengesellschaften in gemischtwirtschaftliche, aber öffentlich beherrschte Unternehmen geraten, um der Grundrechtsbindung zu entgehen233. Hängt diese jedoch vom Kriterium der Beherrschung ab, wäre die Umwandlung in ein privat beherrschtes gemischtwirtschaftliches Unternehmen erforderlich. Die Aufgabe des beherrschenden Einflusses wird indes vor voreiligen Umwandlungen abhalten. Unterstützung erhält das Abstellen auf die Beherrschung außerdem durch die Definition des öffentlichen Unternehmens in der Transparenzrichtlinie234, die ausschließlich einen „beherrschenden Einfluss“ der öffentlichen Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 88. So wohl Pfeifer, Steuerung, S. 15 f. Vgl. auch Ehlers, Jura 1997, S. 180, 184 ff. (ausreichend sei „Leitungsmacht“ und „grundsätzliche Weisungsunterworfenheit“). 229 So oder ähnlich BVerwG, NVwZ 1998, S. 1083, 1084; BGH, NJW 1985, S. 197, 200; Boesen, Vergaberecht, Einl. Rdn. 87; Huber, Allg. Verwaltungsrecht, S. 70; Lerche in: Maunz / Dürig, GG, Art. 87 f. Rdn. 69; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 92 ff.; Schallemacher, Bundesunternehmen, S. 266; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 73 f.; Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 88 f. 230 I.E. ebenso Jarass in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 1 Rdn. 29; Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1421 f. In Betracht gezogen auch von Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 248 f. 231 Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 73. Kritisch hierzu Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 10, 248, der aber in Fn. 442 eine Verpflichtung des Staates zur Offenlegung der Beherrschungsverhältnisse aufgrund des Rechtsstaats- und Demokratieprinzips erwägt. 232 Koch, Unternehmen in Privatrechtsform, S. 148. 233 Emmerich, JuS 1970, S. 332, 335. 227 228

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Hand für erforderlich hält. Schließlich korrespondiert das Kriterium der Beherrschung auch mit der Ablehnung der unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte zwischen Privaten bzw. der Verengung der unmittelbaren Grundrechtsbindung auf die vollziehende Gewalt235. Diese wurde damit begründet, dass aufgrund erhöhter Rechtsmacht eine stärkere Bindung erforderlich ist. Diese erhöhte Rechtsmacht liegt in der legitimierten Staatsmacht des staatlich beherrschten Unternehmens236. Entsprechend wird die Grundrechtsträgereigenschaft einer durch die öffentliche Hand beherrschten juristischen Person des Privatrechts abgelehnt237. b) Die Grundrechtsbindung des öffentlichen Auftraggebers Mithin lässt sich die Grundrechtsgebundenheit öffentlicher Auftraggeber anhand des Kriteriums der Beherrschung untersuchen. Diese Untersuchung wird indes durch die bereits erwähnte Vielzahl unterschiedlicher Auftraggebertypen verkompliziert. Während das frühere deutsche Vergaberecht238 ebenso wie die ursprüngliche Bau-239 und die Lieferkoordinierungsrichtlinie240 fast ausschließlich an die öffentlich-rechtliche Organisationsform anknüpfte (so genannter institutioneller Auftraggeberbegriff241), wurde, vor allem um die oft praktizierte Umgehung des Vergaberechts durch Erledigung von Daseinsvorsorgeaufgaben in Gestalt privatrechtlicher Vereinigungen zu verhindern, durch die Novellen zur LKR242 und BKR243 im europäischen und deutschen Vergaberecht der so genannte funktionale Auftraggeberbegriff eingeführt. Maßgebliche Kriterien für die Qualifizierung als öffentlicher Auftraggeber sind danach vor allem die im Allgemeininteresse liegende Aufgabe sowie der staatliche Einfluss auf den Auftraggeber, insbesondere durch überwiegende Finanzierung oder staatliche Lenkung. Anhand dieser Kriterien bestimmt § 98 GWB abschließend244 den Kreis der öffentlichen Auftraggeber. Diese 234 Art. 2, 2. Spiegelstrich der Richtlinie 80 / 723 / EWG. Zudem hat der EuGH in Slg. 1990 I, S. 3313, 3348 Rdn. 20 den „staatlichen“ Bereich auf Unternehmen erstreckt, deren Träger eine staatliche Organisation ist oder die, wenngleich in privatrechtlicher Form betrieben, mehrheitlich in staatlichem Eigentum stehen oder von staatlicher Weisung abhängig sind. 235 Vgl. Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 144. 236 Vgl. Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, S. 74. 237 Vgl. nur BVerfGE 61, S. 82, 103 ff.; E 68, S. 193, 213; Badura, DÖV 1990, S. 353, 354; Dreier in: Dreier, GG, Art. 19 III Rdn. 72 ff.; Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 288; Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 7. A.A. v. Arnauld, DÖV 1998, S. 437, 450 f.; Pieroth, NWVBl. 1992, S. 85, 88. 238 Vgl. Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427, 442 f. 239 Art. 1 b) BKR i. d. F. v. 26. 07. 1971, 71 / 305 / EWG, Amtsblatt L 175 / 5. 240 Art. 1 b) LKR i. d. F. v. 21. 12. 1976, 77 / 62 / EWG, Amtsblatt (1977) L 13 / 1. 241 Vgl. hierzu Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427, 444 m. w. N. 242 Richtlinie vom 22. 03. 1988, 88 / 195 / EWG, Amtsblatt L 127 / 1. 243 Richtlinie vom 18. 07. 1989, 89 / 440 / EWG, Amtsblatt L 210 / 1.

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sollen unter Berücksichtigung der gestellten Frage der unmittelbaren Grundrechtsbindung der öffentlichen Auftraggeber in folgende Gruppen unterteilt werden: aa) Die klassischen Auftraggeber: Gebietskörperschaften Die erste Gruppe stellen die in § 98 Nr. 1 GWB (auch) genannten klassischen Auftraggeber, nämlich die Gebietskörperschaften, dar. Dazu zählen der Bund, die Länder, die Landkreise und die Gemeinden. Es handelt sich hierbei unbestritten um Verwaltungseinheiten im eigentlichen Sinne, die als grundrechtsgebunden anzusehen sind. bb) Mittelbare Staatsverwaltung und öffentlich-rechtliche Organisationsform Als zweite Gruppe sollen die rechtlich unselbständigen, aber als gesonderte Einheit im Rechtsverkehr auftretenden Eigenbetriebe und sonstige Einheiten der in Gruppe 1 genannten Körperschaften, die in § 98 Nr. 1 GWB als deren Sondervermögen tituliert sind, aufgefasst werden. Darüber hinaus sind zu dieser zweiten Gruppe, allein aufgrund ihrer Organisationsform, die in § 98 Nr. 2 GWB erwähnten juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu zählen, unter die wiederum neben den Gebietskörperschaften die bundes-, landes- und gemeindeunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts zu subsumieren sind245. Auch die Auftraggeber der zweiten Gruppe sind als mittelbare Staatsverwaltung246 bzw. aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Organisationsform unstrittig grundrechtsgebunden. cc) Privatrechtsförmige Unternehmen In der dritten Gruppe werden die in § 98 Nr. 2, 4 und 5 GWB genannten juristischen Personen des privaten Rechts zusammengefasst. Diese Vielzahl unterschiedlicher juristischer Personen lässt sich anhand der Kriterien „Beherrschung“ und „Aufgabe“ wie folgt in Untergruppen gliedern: Zum einen müssen jene juristischen Personen eine bestimmte Aufgabe erfüllen, um als öffentlicher Auftraggeber anerkannt zu werden. So müssen gem. § 98 Nr. 2 GWB die juristischen Personen des privaten Rechts zu dem besonderen Zweck gegründet worden sein, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen. § 98 Nr. 4 GWB verlangt eine Tätigkeit auf dem Gebiet der 244 245 246

Ziekow, VergabeR 2003, S. 483. Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 98 GWB Rn. 11. Vgl. dazu Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 23 Rdn. 30 – 55.

B. Geltung der verfassungsrechtlichen (Primär-)Rechtsschutzvorgaben

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Trinkwasser- oder Energieversorgung, des Verkehrs oder der Telekommunikation, Nr. 5 zählt als vorausgesetzte Tätigkeit Tiefbaumaßnahmen, die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder damit in Verbindung stehende Dienstleistungen und Auslobungsverfahren auf. Zusammengefasst müssen die juristischen Personen des Privatrechts mithin eine Aufgabe erfüllen, die – zumindest entfernt – von öffentlichem Interesse ist. Zum anderen müssen die juristischen Personen des privaten Rechts einer öffentlichen Beherrschung unterliegen. So fordert § 98 Nr. 2 GWB, dass Stellen i. S. d. § 98 Nr. 1 oder 3 GWB die juristischen Personen einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise überwiegend finanzieren, über ihre Leitung die Aufsicht ausüben oder mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder Aufsicht berufenen Organe bestimmt haben. Ausreichend ist darüber hinaus, dass die Stelle, welche die Finanzierung gewährt oder die Mitglieder bestimmt, eine Person des öffentlichen oder des privaten Rechts ist, welche den soeben genannten Kriterien entspricht. Nach § 98 Nr. 4 GWB muss die oben beschriebene Tätigkeit auf der Grundlage von besonderen oder ausschließlichen Rechten ausgeübt werden, die von einer zuständigen Behörde gewährt wurden oder es muss ein Auftraggeber i. S. d. § 98 Nr. 1 bis 3 GWB auf diese juristischen Personen einzeln oder gemeinsam einen beherrschenden Einfluss ausüben können. § 98 Nr. 5 GWB schließlich knüpft die Qualifizierung als öffentlicher Auftraggeber an die Bedingung, dass die juristischen Personen von Stellen i. S. d. § 98 Nr. 1 bis 3 GWB für die oben genannten Tätigkeiten Mittel erhalten, mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50% finanziert werden. Die vergaberechtliche Beherrschung – letztlich durch Gebietskörperschaften oder deren Sondervermögen247 – kann mithin durch überwiegende Finanzierung, durch Leitung, durch Bestimmung von mehr als die Hälfte der Mitglieder eines Geschäftsführungs- oder Aufsichtsorgans oder durch Gewähr von besonderen oder ausschließlichen Rechten ausgeübt werden. Zur Qualifizierung als grundrechtsgebundene Gewalt sind die beiden „echten“ Beherrschungsverhältnisse, d. h. die Leitung und die Organbesetzung, durchaus geeignet, da das Unternehmen selbst oder mittels der selbst beherrschten und im Organ beherrschenden Mitglieder gesteuert werden kann248. 247 Die Beherrschung muss gem. § 98 Nr. 2, 3 und 5 GWB entweder durch eine Behörde oder durch eine Stelle i. S. d. § 98 Nr. 1 bis 3 GWB erfolgen. Eine Stelle i. S. d. Nr. 2 und 3 erfordert aber wiederum eine Beherrschung durch eine Stelle i. S. d. Nr. 1 bis 3. Am Ende muss daher die Beherrschung durch eine Stelle i. S. d. Nr. 1 GWB erfolgen. 248 Vgl. Boesen, Vergaberecht, § 98 GWB Rdn. 68; Dörr, DÖV 2001, S. 1014, 1019 (mit einem Rekurs auf § 17 Abs. 2 AktG); Eschenbruch in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 98 GWB Rdn. 56 ff.; ders. in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 98 GWB Rdn. 160 ff.; Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 98 GWB Rdn. 26. Kritisch dazu Dreher, DB 1998, S. 2579, 2583. A.A. v. Arnauld, DÖV 1998, S. 437, 445, der einen Kapitalanteil von 75 % verlangt.

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Kap. 2: Geltung der Primärrechtsschutzvorgaben im Vergaberecht

Zweifelhaft ist diesbezüglich allerdings die rein finanzielle Beherrschung, da jegliche personelle Einflussnahme fehlt. Wenn aber privatrechtsförmige Unternehmen in ihrem Wirken von öffentlichen Mitteln abhängig sind, was bei einer Finanzierung von über 50 % anzunehmen ist249, und im Gegenzug für die eingeräumte finanzielle Unterstützung dem Geldgeber einen maßgeblichen Einfluss einräumen, so kann man durchaus „von einer Instrumentalisierung der Organisation für staatliche Zwecke sprechen“250. Wenn auch nicht zwingend ein direkter staatlicher Einfluss besteht, obwohl in der Praxis als Gegenleistung für die Finanzierung regelmäßig Ingerenzrechte eingeräumt werden251, so schränken die Bindung an eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe und anderweitige Beschränkungen, wie zum Beispiel gerade die Erfassung durch das Vergaberecht, doch den unternehmerischen Spielraum extrem ein und bewahren dem Staat einen erheblichen mittelbaren Einfluss. Zweifel ergeben sich schließlich bei der Frage, ob über die Gewähr der besonderen oder ausschließlichen Rechte (Nr. 4) eine beherrschende Einflussnahme der öffentlichen Hand gewahrt ist. Wenn Auftraggeber aufgrund jener Rechtsgewährung als von der staatlichen Verwaltung völlig unabhängig beschrieben werden252, wird übersehen, dass gerade durch die Gewähr bzw. den drohenden Entzug der Rechte sowie die Bindung an die im Allgemeininteresse liegende Aufgabe ein erheblicher staatlicher Einfluss vorliegt. Dieser kann dem Unternehmen eine monopolartige Stellung verschaffen oder vorenthalten, die dieses aus dem gleichgeordneten Wettbewerb hervorhebt. Daher liegt zwar keine unmittelbare, wohl aber eine mittelbare staatliche Beeinflussung der Unternehmenstätigkeit vor253. Je nach Intensität dieser Beeinflussung im Einzelfall kann durchaus eine Grundrechtbindung vorliegen, zumal sich die besonderen und ausschließlichen Rechte regelmäßig aus den sektorenspezifischen Eingriffs- und Enteignungsgesetzen herleiten und dem Rechteinhaber damit eine staatsähnliche Machtposition vermitteln254. Daneben sind derartige Auftraggeber oftmals gleichzeitig einem anderweitigen beherrschenden staatlichen Einfluss – über staatlich besetzte Organe oder überwiegende Finanzierung – ausgesetzt und schon aus diesem Grund als vollziehende Gewalt anzuerkennen255. Mithin sind die Auftraggeber der dritten Gruppe je nach Vgl. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 11 ff., v.a. bei Fn. 28. Schuppert, Erfüllung öffentlicher Aufgaben, S. 170 f. Ebenso Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 11 ff., v.a. bei Fn. 28; Lerche in: Maunz / Dürig, GG, Art. 87 f. Rdn. 62. Ähnlich Roth, VergabeR 2003, S. 397, 493. 251 Vgl. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 11. 252 Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 98 GWB Rdn. 53. 253 Crass, Der öffentliche Auftraggeber, S. 126. 254 Ein typisches ausschließliches Recht ist auch der Anschluss- und Benutzungszwang: die Aufhebung der Privatautonomie legt ebenfalls die Qualifikation des Berechtigten als staatliche Gewalt nahe. 255 Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 98 GWB Rdn. 56. Vgl. auch Boesen, Vergaberecht, § 98 GWB Rdn. 111. 249 250

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Art der Beherrschung – über die Leitung und Organbesetzung stets, bei finanzieller Unterstützung regelmäßig, bei Einflussnahme über die Gewähr von Rechten je nach Einzelfall – als grundrechtsgebundene vollziehende Gewalt zu qualifizieren. dd) Verbände Die vierte Gruppe entspricht § 98 Nr. 3 GWB und umfasst damit Verbände, deren Mitglieder unter § 98 Nr. 1 oder 2 GWB fallen. Es handelt sich insbesondere um Zweckverbände. Da die Verbandsmitglieder grundrechtsgebundene vollziehende Gewalt sind, gilt dies ebenfalls für den entsprechenden Verband. ee) Natürliche Personen Die fünfte Gruppe umfasst alle in § 98 Nr. 4 und 5 GWB genannten natürlichen Personen. Diese unterliegen den gleichen Anforderungen hinsichtlich der bestimmten „Aufgabe“ und der „Beherrschung“ wie die in Nr. 4 und 5 erwähnten juristischen Personen des Privatrechts und können daher entsprechend in Untergruppen gegliedert werden. Natürliche Personen sind jedoch anerkanntermaßen lediglich im Fall der Beleihung als grundrechtsgebundene vollziehende Gewalt anzuerkennen256; eine Beleihung liegt hier indes regelmäßig nicht vor. ff) Baukonzessionäre Die sechste Gruppe schließlich entspricht der in § 98 Nr. 6 GWB beschriebenen Gruppe öffentlicher Auftraggeber. Sie umfasst natürliche und juristische Personen des Privatrechts, die von einem öffentlichen Auftraggeber i. S. d. § 98 Nr. 1 bis 3 GWB eine Baukonzession erhalten haben und infolgedessen bei der Vergabe von Drittaufträgen als „verlängerter Arm des den Bindungen des GWB unterliegenden Konzessionsgebers tätig“257 werden. Auf diese Weise soll eine Umgehung der Vergabevorschriften durch die Zwischenschaltung einer Konzessionsvergabe seitens öffentlicher Auftraggeber verhindert werden258. In seiner Funktion als verlängerter Arm der öffentlichen Hand erscheint eine Grundrechtsbindung des Baukonzessionärs nicht ausgeschlossen. Zwar erlauben die Befugnisse, die der öffentlichen Hand allein als Partner eines Baukonzessionsvertrags zustehen, keine beherrschen256 Jarass in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 1 Rdn. 30; Rüfner in: HStR V, S. 530. Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1334 f. und Starck in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art 1 Rdn. 232 erwägen zudem eine Grundrechtbindung bei der Indienstnahme Privater. Rupp, Staatsfunktionen, S. 24 ff., insbes. Fn. 46, lehnt dagegen eine Grundrechtsbindung Beliehener ab. 257 Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 98 GWB Rdn. 63; Reidt / Stickler in: Motzke / Pietzcker / Prieß, VOB, § 32a Rdn. 12; dies., BauR 1997, S. 241, 249. 258 Crass, Der öffentliche Auftraggeber, S. 135; Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 98 Rdn. 119.

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Kap. 2: Geltung der Primärrechtsschutzvorgaben im Vergaberecht

de Einflussnahme259; aus diesem Grund unterliegen die Baukonzessionäre auch einer abgeschwächten vergaberechtlichen Bindung. Wenn allerdings – und das ist die Regel260 – die Finanzierung der vergebenen Bauaufträge zu großen Teilen mit Mitteln geschieht, auf die seitens der öffentlichen Hand Einfluss im Wege von Gebühren oder Vergütungen genommen werden kann, erscheint ein beherrschender Einfluss der öffentlichen Hand im Einzelfall möglich. Ähnlich wie sich die Auftraggebereigenschaft in Abweichung vom Grundsatz der Unteilbarkeit derselben i.R.d. § 98 Nr. 6 GWB nur auf die Vergabe von Bauaufträgen durch den Konzessionär bezieht261, wäre dieser auch nur hinsichtlich jener Vergabe als grundrechtsgebundene vollziehende Gewalt anzusehen. c) Zwischenergebnis Mithin sind die öffentlichen Auftraggeber der ersten, zweiten und vierten Gruppe stets öffentliche Gewalt i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG262. Diejenigen der dritten Gruppe sind je nach Art der Beherrschung – bei Beherrschung durch Leitung und Organbesetzung stets, bei überwiegender finanzieller Unterstützung regelmäßig, bei Einflussnahme über die Gewähr von Rechten im Einzelfall – als solche anzuerkennen. Die öffentlichen Auftraggeber der sechsten Gruppe schließlich sind ebenfalls möglicherweise, d. h. abhängig von der konkreten Beeinflussung im Einzelfall, die der fünften Gruppe nur ausnahmsweise im Fall der Beleihung als öffentliche Gewalt i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG zu bewerten263. In diesen Fällen greift der strengere Rechtsschutzmaßstab des Art. 19 Abs. 4 GG, in allen anderen, d. h. bei Nichtvorliegen öffentlicher Gewalt, der weitere allgemeine Justizgewährleistungsanspruch. Indes wird im öffentlichen Auftragswesen oberhalb der Schwellenwerte eine einheitliche vergaberechtliche Rechtsschutzregelung angestrebt. Insofern ist das Kartellvergaberecht als partielles „Gemeinrecht“ 264 zu begreifen, das sowohl Trä259 So Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 11 Fn. 23; a.A. wohl Püttner, DVBl. 1975, S. 353, 355, der den Konzessionsvertrag als geeignetes Mittel zur Verstärkung des staatlichen Einflusses ansieht. 260 Crass, Der öffentliche Auftraggeber, S. 140. 261 Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 98 Rdn. 129. Diese Konstruktion ähnelt der Beleihung, i.R. derer die natürliche Person auch nur partiell grundrechtsgebunden ist. 262 Anders jüngst BVerfG, NZBau 2006, S. 791, 793, das öffentliche Auftraggeber nicht als öffentliche Gewalt i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG ansieht, weil diese keine öffentliche Aufgabe wahrnehmen. Es hält allerdings den Justizgewährleistungsanspruch für einschlägig, dem es eine Primärrechtsschutzgarantie entnimmt. 263 Diese Differenzierung korrespondiert mit der Differenzierung bei der Frage, welche Auftraggeber aus dem EG-Vertrag, z. B. Art. 12 EG oder den Grundfreiheiten, verpflichtet sein können; vgl. dazu Dreher, NZBau 2002, S. 419, 421 ff. 264 Bullinger in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 239, 258; Zuleeg, VerwArch 73 (1982), S. 384, 402 f. Vgl. auch Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 363 ff. („gemeinsames Recht), 417 ff.

B. Geltung der verfassungsrechtlichen (Primär-)Rechtsschutzvorgaben

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ger hoheitlicher Gewalt als auch Private zum Zuordnungssubjekt hat und daher zwischen öffentlichem und privatem Recht steht265. Dies ist bedingt durch die europarechtlichen Vergaberechtsvorgaben, die nicht zwischen staatlichen und privaten Auftraggebern unterscheiden und dementsprechend eine Einheitsordnung fordern. Die Umsetzung in das deutsche Recht verlangt den schwierigen Spagat, die europarechtlichen Vergabegebote und –verbote unter Berücksichtigung des Verfassungsrechts ins deutsche Recht zu integrieren, das nur die staatlichen Auftraggeber verpflichtet und nur die privaten Auftraggeber berechtigt. In der Frage des zu gewährleistenden Rechtsschutzes muss sich ein einheitliches Vergaberecht demnach „nach dem schwächsten Glied“, also am strengeren Art. 19 Abs. 4 GG mit seiner Garantie vorrangigen Primärrechtsschutzes richten266. Diese Bindung an Art. 19 Abs. 4 GG wird sogar in der Begründung zum Vergaberechtsänderungsgesetz klargestellt267. Dies erscheint angesichts der subventionsähnlichen Wirkung einer öffentlichen Auftragsvergabe mit ihrer zum Teil existenziellen Bedeutung für manchen Privatunternehmer – jedenfalls bei den hier interessierenden Großaufträgen268 – auch sachgerecht und rechtspolitisch wünschenswert269.

2. Der Bieter als Träger des Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 GG Der als Leistungsgrundrecht ausgestaltete Art. 19 Abs. 4 GG garantiert ausdrücklich jedem potentiellen Inhaber eines subjektiven staatverpflichtenden Rechts Rechtsschutz gegen mögliche Verletzungen durch die öffentliche Gewalt270. Insofern stellt sich die Frage, ob der persönliche Schutzbereich an die Grundrechtsqualität der Norm anknüpft mit der Folge, dass sich nur grundrechtsberechtigte Personen auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG berufen können271, oder ob sich der Garantiegehalt auf alle Inhaber eines subjektiven staatverpflichtenden Rechts erstreckt272. Während beide Auffassungen zugunsten natürlicher Personen 265 In diese Richtung auch Opitz, BauR 2000, S. 1564, 1572 f.; Rittner, ZHR 152 (1988), S. 318, 322 ff.; Schimanek, ZfBR 2002, S. 39, 40. 266 A.A. Brinker, NZBau 2000, S. 174, 177; ders. JZ 2000, S. 462, 463, der insoweit zwischen staatlichen und privaten Auftraggebern unterscheidet. 267 Vgl. BT-Drucks. 13 / 9340 S. 12. 268 Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1404. 269 Dörr, DÖV 2001, S. 1014, 1016; Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 70; Maurer Allg. Verwaltungsrecht, § 3 Rdn. 7; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung, S. 312 ff. 270 Jarass in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 19 Rdn. 35, 48; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art 19 IV Rdn. 82. 271 So Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 8; Krebs in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 19 Rdn. 51. 272 So Krüger in: Sachs, GG, Art. 19 Rdn. 114; Papier in: HStR VI, § 154 Rdn. 19; Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 40; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 IV Rdn. 82.

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Kap. 2: Geltung der Primärrechtsschutzvorgaben im Vergaberecht

und inländischer Personen des Privatrechts i. S. d. Art. 19 Abs. 3 GG die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG bejahen273, drohen sie vor allem im Hinblick auf ausländische juristische Personen des Privatrechts und juristische Personen des öffentlichen Rechts zu – vergaberechtsrelevanten – unterschiedlichen Ergebnissen zu kommen, da die beiden letztgenannten Personengruppen nicht grundrechtsberechtigt gem. Art. 19 Abs. 3 GG sind. Indes lehnen die Vertreter der weiten Auffassung, die auf die Inhaberschaft eines subjektiven staatverpflichtenden Rechts abstellt, – insoweit inkonsequent und ohne nähere Begründung – die Erstreckung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG auf juristische Personen des öffentlichen Rechts ab und nähern sich damit der engen Auffassung an274. Diese wiederum anerkennt, dass Art. 19 Abs. 3 GG europarechtskonform auszulegen ist, und bejaht deshalb eine Grundrechtsberechtigung juristischer Personen des Privatrechts der Mitgliedstaaten der EU. Insoweit nähert sich die enge Auffassung damit ihrerseits der weiten Auffassung an. Mit anderen Worten gilt nach beiden Auffassungen Art. 19 Abs. 4 GG für alle natürlichen Personen, für inländische juristische Personen und juristische Personen der Mitgliedstaaten der EU, nicht aber für juristische Personen des öffentlichen Rechts. Da nichteuropäische ausländische juristische Personen im öffentlichen Auftragswesen eher eine Ausnahmeerscheinung darstellen und eine Nichtberücksichtigung juristischer Personen des öffentlichen Rechts, soweit man überhaupt das Vergaberecht für anwendbar hält, nur in seltensten Fällen vorkommen wird275, kommen mithin beide Auffassung jedenfalls für das öffentliche Auftragswesen in den meisten Fällen zu demselben Ergebnis, dass nämlich jeder Bieter von der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG erfasst ist. 3. Die subjektiven (staatverpflichtenden) Rechte im Vergaberecht Schließlich setzt die (formelle) Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG das Bestehen zu schützender subjektiver (staatverpflichtender) Rechte voraus276. Denn 273 Vgl. nur Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 5; Krebs in: v. Münch / Kunig, GG, Art. 19 Rdn. 51; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 IV Rdn. 82. 274 Vgl. nur Papier in: HStR VI, § 154 Rdn. 21 und Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 IV Rdn. 83. Anders noch eine früher weit verbreitete Ansicht, so BayVGH, BayVBl 1966, S. 137; Klein, VVDStRL 8 (1950), S. 67, 102. Vgl. dazu Bettermann, NJW 1969, S. 1321, 1322. 275 Bei Beteiligung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts wird im Zweifel nicht diese, sondern die private Konkurrenz in ihren Rechten verletzt werden. Vgl. zum diesbzgl. Problem der Inhouse-Vergabe eingehend Wittek, In-house Geschäft. 276 BVerfGE 61, S. 82, 110 f.; E 83, S. 182, 194 f.; E 84, S. 34, 49; E 103, S. 142, 156; BVerwGE 60, S. 154, 161; E 84, S. 375, 377; Papier in: HStR VI, § 154 Rdn. 6; Schenke in: BK-GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 287; Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 29, 119, 143; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 IV Rdn. 61. A.A. Pestalozza, NVwZ 1999, S. 140, 143, der die Garantie des Art. 19 Abs. 4 GG auf den Grundrechtsschutz beschränkt.

B. Geltung der verfassungsrechtlichen (Primär-)Rechtsschutzvorgaben

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Primärrechtsschutz ist keine Frage der materiellen Ausgestaltung, sondern der formellen Durchsetzung eines Rechts277. Greift damit die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nur i.V.m. einem subjektiven (staatverpflichtenden) Recht, ist der Weg für die Untersuchung der dem nichtberücksichtigen Bieter zustehenden Rechte eröffnet. Vorrangig ist hierbei auf einfachgesetzliche subjektive (staatverpflichtenden) Rechte abzustellen. Denn die Grundrechte treten gegenüber einer grundrechtskonformen einfachgesetzlichen Ausgestaltung eines Sachverhalts im Einzelfall zurück278, so dass auf diese lediglich bei mangelhafter Ausgestaltung zurückzukommen ist. Ebenfalls nur bei mangelhafter Ausgestaltung, nämlich bei fehlender oder fehlerhafter Umsetzung der Vergaberichtlinien, können auch aus diesen subjektive Rechte der Bieter herzuleiten sein279. Während lange Zeit das Bestehen subjektiver Rechte im öffentlichen Auftragswesen verneint worden war, haben seit der Einführung der §§ 97 ff. in das GWB zum 01. 01. 1999 die Unternehmen280 gem. § 97 Abs. 7 GWB „Anspruch darauf, dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält“281. Zwar nennt § 97 Abs. 7 GWB den Begriff des subjektiven Rechts nicht, sondern nur den des Anspruchs. Doch ist der Anspruch in § 194 Abs. 1 BGB legaldefiniert als das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen fordern zu können, und damit ein Unterfall des subjektiven Rechts282. Soweit der öffentliche Auftraggeber als Anspruchsverpflichteter i. S. d. § 97 Abs. 7 GWB dem Staat zuzurechnen ist283, normiert diese Norm folglich ein subjektives (staatverpflichtendes) Recht284, dessen Schutz durch Art. 19 Abs. 4 GG grundgesetzlich garantiert ist. Ungeachtet von Inhalt und Ausgestaltung des subjektiven staatverpflichtenden Rechts285 genügt bereits dessen Existenz den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG286. 277 Die ganz herrschende Meinung (vgl. nur Papier in: HStR VI, § 154 Rdn. 6; SchmidtAßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 13) lehnt ein Verrechtlichungsgebot aus Art. 19 Abs. 4 GG ab und beschränkt diesen auf eine formelle Garantie. Dagegen sind Zweifel angebracht. Die Eröffnung eines Rechtswegs macht ohne zu schützende materielle Rechte ebenso wenig Sinn wie ohne ein formelles Rechtsschutzsystem. Beide sind von der ausdrücklichen Rechtsweggarantie umfasst. Für ein eingeschränktes Verrechtlichungsgebot plädiert daher Lorenz, Rechtsschutz, S. 14 ff., für ein umfassendes neuerdings Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 140. 278 Dörr, DÖV 2001, S. 1014, 1019; Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1415. 279 Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 97 GWB Rdn. 43. Vgl. zur Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 4 GG auf subjektive Rechte aus dem Gemeinschaftsrecht Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 410 ff. 280 Da der Begriff des Unternehmens im 4. Teil des GWB nicht gesondert definiert wird, ist auf den allgemeinen kartellrechtlichen „funktionalen Unternehmensbegriff“ abzustellen, der jedwede Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr umfasst, vgl. Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 107 GWB Rdn. 13. 281 Vgl. Kap. 2 A. III. 3. 282 Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 97 Rdn. 180; Kalinowsky, Der Anspruch aus § 97 Abs. 7 GWB, S. 64 ff. 283 Vgl. Kap. 2 B. I. 1. b). 284 A.A. Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 457 ff., insbes. Fn. 560.

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Kap. 2: Geltung der Primärrechtsschutzvorgaben im Vergaberecht

II. Zwischenergebnis Soweit die öffentlichen Auftraggeber als öffentliche Gewalt i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG anzuerkennen sind, verpflichtet die aus dieser Norm resultierende Rechtsschutzgarantie zur Gewähr von vorrangigem Primärrechtsschutz im Hinblick auf die den grundrechtsberechtigten Unternehmen aus § 97 Abs. 7 GWB i.V.m. den vergaberechtlichen Vorschriften über das Vergabeverfahren zustehenden subjektiven staatverpflichtenden Rechte287.

C. Geltung der europarechtlichen (Primär-) Rechtsschutzvorgaben im Vergaberecht Für die Durchsetzung gemeinschaftsrechtlich begründeter oder im nationalen Recht zu begründender Rechtspositionen gilt, dass diese sich nach nationalem Prozess- und Verfahrensrecht richtet. Dieses hat jedoch gemeinschaftsrechtliche Mindeststandards einzuhalten und kann durch bereichsspezifische gemeinschaftsrechtliche Spezialregelungen ausgestaltet werden288. Als gemeinschaftsrechtlicher Mindeststandard gilt das Gebot effektiven und vorrangig primären Rechtsschutzes289, so dass die im deutschen Recht zu begründenden Rechtspositionen durch vorrangigen Primärrechtsschutz geschützt werden müssen. Weil die auf einzelstaatlicher Ebene und auf Gemeinschaftsebene bestehenden Vergaberechtsschutzmöglichkeiten diesen Standards nicht immer gerecht wurden, hat der europäische Gesetzgeber eine Rechtsmittelrichtlinie erlassen, „um die Einhaltung der Gemeinschaftsvorschriften zu gewährleisten, vor allem dann, wenn Verstöße noch beseitigt werden können“290. Diese ist dementsprechend dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, grundsätzlich jede Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers im Hinblick auf eine Auftragsvergabe in jeVgl. dazu Kap. 3 A. II. Ob vergaberelevante subjektive (staatverpflichtende) Rechte außerhalb des Kartellvergaberechts bestehen, kann daher dahinstehen. In Betracht kommen Ansprüche aus § 823 Abs. 1 und 2 BGB sowie aus § 826 i.V.m. § 1004 BGB, §§ 20 Abs. 1, 33 S. 1 GWB oder § 1 UWG. 287 Dem korrespondiert im Übrigen eine Pflicht des rechtsschutzsuchenden Unternehmens, vorrangig den gewährten Primärrechtsschutz geltend zu machen, vgl. Bornheim / Stockmann, BB 1995, S. 577, 582; Niebuhr in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 97 GWB Rdn. 286. Kritisch dazu Burgi, JZ 2001, S. 930, 931; Stockmann in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 124 Rdn. 2. 288 EuGH, Slg. 1980, S. 617, 629 Rdn. 10; Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 126 und 182; eingehend dazu Koch, EuZW, 1995, S. 78 ff. 289 Vgl. Kap. 1 C. 290 Vgl. die Erwägungsgründe zur RMRL (abgedruckt bei Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, Anhang III). 285 286

C. Geltung der europarechtlichen (Primär-)Rechtsschutzvorgaben im Vergaberecht 107

dem Fall einem Nachprüfungsverfahren zur effektiven Überprüfung zugänglich zu machen291. Effektive Überprüfbarkeit meint hierbei, dass Vergaberechtsverstöße im Wege des Nachprüfungsverfahrens tatsächlich beseitigt und fehlerhafte Entscheidungen rückgängig gemacht werden können292. Unabhängig von der Möglichkeit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen muss folglich die Aufhebung der Entscheidung erwirkt werden können. Damit ist den EG-Rechtsmittelrichtlinien das Prinzip „Schadensvermeidung vor Schadensregulierung“ immanent293. Insofern verlangt auch die Rechtsmittelrichtlinie als gemeinschaftsrechtliche Spezialregelung die Möglichkeit der vorrangigen Geltendmachung primären Rechtsschutzes294.

291 EuGH, NZBau 2003, S. 511, 513 , Rdn. 52 f.; EuGH, NZBau 2002, S. 458, 460 ff. Rdn. 29 ff.; EuGH, JZ 2000, S. 460, 461 Rdn. 29 ff. Zur Problematik, dass das Europarecht von einem System der Interessentenklage ausgeht und daher die Geltendmachung der Verletzung jeder – also nicht nur subjektiver – Rechte verlangt, vgl. Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 3. 292 Vgl. die Erwägungsgründe zur RMRL (abgedruckt bei Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, Anhang III) sowie Wirner, LKV 2005, S. 293. 293 Kling, NZBau 2003, S. 23, 24; Noch in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, Rdn. 762 ff. 294 Ebenso Burgi, JZ 2001, S. 930, 931; Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 185 f.; i.E. auch Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 36.

Kapitel 3

Grundlagen des vergaberechtlichen Rechtsschutzsystems Damit stehen die grundgesetzlichen und europarechtlichen Anforderungen fest, die an das vergaberechtliche Rechtsschutzsystem gestellt werden. Bevor jedoch dieses System im Einzelnen an jenen Vorgaben gemessen wird, soll ein Überblick über den Vergabe(primär)rechtsschutz gewährt werden, indem zunächst das materielle Anspruchssystem [A.] und danach das prozessuale Durchsetzungssystem dargestellt wird [B.]1.

A. Das materielle Anspruchssystem Auch wenn der Schwerpunkt dieser Arbeit auf der prozessualen Durchsetzbarkeit von Primärrechtsschutzansprüchen – insbesondere nach Zuschlagserteilung – liegt, sollen auch Existenz [I.] und Inhalt [II.] dieser Ansprüche vorgestellt werden.

I. Der Anspruch aus § 97 Abs. 7 GWB § 97 Abs. 7 GWB normiert einen Anspruch – und damit ein subjektives Recht – der Unternehmen auf Einhaltung der Bestimmungen des Vergabeverfahrens durch den Auftraggeber2. Die vergaberechtlichen Verfahrensbestimmungen selbst gelten nicht als subjektive Rechte. Dies ist vor allem auf die historische haushaltswirtschaftliche Ausrichtung des Vergaberechts3 sowie auf die enge Anlehnung desselben an die Vergaberechtsrichtlinien zurückzuführen, die als Gemeinschaftsrecht 1 Das deutsche Rechtsschutzsystem basiert auf der Verbindung von einem materiellen Anspruchssystem mit einem prozessualen Durchsetzungssystem; vgl. Schmidt-Aßmann in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, Einl. Rdn. 231. 2 Vgl. Kap. 2 B. I. 3. Auf andere Primärrechtsschutzansprüche, insbes. aus §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 97 Abs. 7 GWB sowie aus §§ 33 S. 2, 20 Abs. 1 GWB, soll hier nicht eingegangen werden. Diesen kommt in materiellrechtlicher Hinsicht keine Bedeutung zu, da sie keine weitergehenden Rechtsfolgen herbeiführen können. Vgl. zu diesen Ansprüchen Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 493. 3 Vgl. Kap. 2 A. III. 1.

A. Das materielle Anspruchssystem

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zwar Berechtigungen des Einzelnen, nicht aber „subjektive Rechte“ kennen4. Daher kommt § 97 Abs. 7 GWB keine bloße Klarstellungsfunktion5, sondern vielmehr eine Katalysatorfunktion zu: in Verbindung mit den Bestimmungen über das Vergabeverfahren begründet er originär ein subjektives Recht auf Einhaltung derselben6. Diese anspruchsbegründende Wirkung des § 97 Abs. 7 GWB kommt insbesondere in den Verweisen der §§ 103 Abs. 3, 104 Abs. 2, 107 Abs. 2 S. 1 und 114 Abs. 1 S. 1 GWB zum Ausdruck.

II. Inhalt des Anspruchs aus § 97 Abs. 7 GWB Unklar ist indes der genaue Inhalt dieses Anspruchs aus § 97 Abs. 7 GWB. Insoweit wirft der ausnahmslose Verweis auf „die Bestimmungen über das Vergabeverfahren“ die Frage auf, ob davon alle Vergabebestimmungen erfasst sein sollen. Zweifel ergeben sich insbesondere im Hinblick auf die nicht-bieterschützenden [1.] und die bloß formell-rechtlichen [2.] Verfahrensvorschriften. Daneben stellt sich die Frage, ob sich der Anspruch auf Einhaltung der Vergabebestimmungen im Einzelfall zu einem Anspruch auf Zuschlagserteilung verdichten kann [3.].

1. Begrenzung auf bieterschützende Vergabevorschriften Dem deutschen Recht liegt der Gedanke eines Individualrechtsschutzes zugrunde. Deshalb sollten trotz des uneingeschränkten Verweises auf die „Bestimmungen des Vergabeverfahrens“ nicht alle Vergabeverfahrensregeln, sondern nur solche in den Rang eines subjektiven Rechts gehoben werden, die „gerade auch den Schutz des potentiellen Auftragnehmers“ bezwecken7. Zwar wurde eine dementsprechende, im Referentenentwurf noch vorgesehene Formulierung im späteren Gesetzesentwurf weggelassen. Die unverändert gebliebene Gesetzesbegründung weist jedoch auf eine bloß redaktionelle Änderung hin – wohl „weil ohnehin eine Auslegung . . . nach dem Schutzzweck erfolgen müsse und daher der Einschub nur deklaratorischen Charakter gehabt hätte“8. Dagegen lassen sich auch nicht die Martin-Ehlers, EuR 1998, S. 648, 664 ff.; a.A. Reich, EuZW 1996, S. 709, 710. So aber Breloer, Europäische Vorgaben und deutsches Vergaberecht, S. 63, Gröning, WRP 2000, S. 49, 52 („Blankettvorschrift“); Stelkens, NZBau 2003, S. 654, 656. 6 Ebenso Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 97 Rdn. 177; Kalinowsky, Der Anspruch aus § 97 Abs. 7 GWB, S. 66 ff.; Martin-Ehlers, EuR 1998, S. 648, 664 Fn. 105 (dessen Verweis auf die Gesetzesbegründung indes nicht überzeugt). 7 So die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 13 / 9340, S. 14 f. A.A. Bross in: FS Geiß, S. 559, 565 f.; Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 97 Rdn. 190 ff.; MüllerWrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 3 f. Offengelassen von BGH, VergabeR 2003, S. 313, 314 f. 8 Niebuhr in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 97 GWB Rdn. 259. 4 5

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Kap. 3: Grundlagen des vergaberechtlichen Rechtsschutzsystems

gemeinschaftsrechtlichen Rechtsschutzvorgaben anführen9. Freilich liegt dem Gemeinschaftsrecht selbst ein System der Interessenklage zugrunde10. Doch erlaubt es i.R.d. Umsetzung von Gemeinschaftsrecht ins nationale Recht die Anpassung an bestehende Rechtsschutzsysteme11. Vor allem aber fordern die speziellen europäischen Vergaberichtlinien gem. Art. 1 Abs. 3 RMRL Rechtsschutz nur für Unternehmen, denen „durch einen behaupteten Rechtsverstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht“. Damit ist die Forderung nach einem Schutzzweck des geltend gemachten verletzten Rechts gemeinschaftsrechtlich unbedenklich12. Der Gesetzgeber ist insofern trotz der Beschränkung auf die den Bieterschutz bezweckenden Vorschriften seinen mitgliedstaatlichen Pflichten zur Umsetzung der Vergaberichtlinien nachkommen. In der Praxis dürfte dieser Streitfrage allerdings keine große Bedeutung zukommen. Denn zum einen wird dem überwiegenden Teil der vergaberechtlichen Normen ein Bieterschutzzweck zugesprochen13. Zum anderen erfordert die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags gem. § 107 Abs. 2 GWB einen Kausalzusammenhang zwischen dem gerügten Vergabeverstoß und dem dem Unternehmen entstandenen Schaden und setzt damit auf prozessualer Ebene jene Schutznormforderung gleichsam fort14. Eine weitere Einschränkung der subjektiven Rechte i. S. d. § 97 Abs. 7 GWB auf diejenigen Bestimmungen, die der Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben dienen, ist nicht erfolgt. Der diesbezügliche Plan der Bundesregierung wurde wegen der schwierigen Abgrenzung von nationalem Recht und Gemeinschaftsrecht aufgegeben15.

9 So aber Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 97 Rdn. 193; Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 3; Ulbrich / Waldner, BauR 1999, S. 1082, 1084; Schnorbus, BauR 1999, S. 77, 95. 10 Vgl. Kap. 1 C. II. 2. 11 Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, S. 489, 492 ff. 12 Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 97 GWB Rdn. 42; ähnlich Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 167. Unter dem Vorbehalt eines richtlinienbedingten weiten Verständnisses des Begriffs „subjektives Recht“ auch Boesen, Vergaberecht, § 97 GWB Rdn. 189 ff.; ähnlich Niebuhr in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 97 GWB Rdn. 266. 13 OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 440 LS 1; Niebuhr in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 97 GWB Rdn. 262 ff.; Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 97 GWB Rdn. 45. 14 Denn eine Verfahrensvorschrift, deren Zuwiderhandlung einen Schaden des Unternehmens verursacht, dürfte regelmäßig den Bieterschutz bezwecken. 15 Vgl. BT-Drucks. 13 / 9340, S. 15 sowie S. 25 ff. (Gutachten von Hailbronner); Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 97 Rdn. 187; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 97 GWB Rdn. 37; Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 97 GWB Rdn. 46.

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2. Anspruch auf formell und materiell fehlerfreie Vergabeentscheidung Mithin kann das Unternehmen gem. § 97 Abs. 7 GWB die Einhaltung sämtlicher bieterschützender Vergabeverfahrensbestimmungen beanspruchen16. Nicht nur die Verletzung materiell-rechtlicher Vorschriften begründet daher einen Anspruch gem. § 97 Abs. 7 GWB [a)], sondern auch ein Verstoß gegen die formell-rechtlichen bieterschützenden Vergabeverfahrensregeln [b)]17. a) Die Verletzung materiell-rechtlicher Vorschriften § 97 Abs. 7 i.V.m. Abs. 5 GWB gewährt den Anspruch darauf, dass der Auftraggeber den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt18. Dies ist der materielle vergaberechtliche Hauptanspruch, der sinnvollerweise jedem Rechtsschutzbegehren zugrunde liegt19. Unabhängig davon, ob dieses auf die rechtmäßige Fortsetzung des Vergabeverfahrens nach der Rechtsauffassung der Beschwerdeinstanz oder unmittelbar auf die eigene Zuschlagserteilung gerichtet ist, wird der Zuschlag jedenfalls auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Auch die Geltendmachung einer Verletzung anderer Vergaberegeln ist daher nur dann sinnvoll, wenn gleichzeitig das subjektive Recht gem. § 97 Abs. 7 i.V.m. Abs. 5 GWB verletzt ist bzw. zu werden droht und der Bieter letztlich die Erteilung des Zuschlags auf sein wirtschaftlichstes Angebot anstrebt. Auf prozessualer Ebene bringt dies § 107 Abs. 2 GWB zum Ausdruck, indem dort die Zulässigkeit einer Rechtsschutzbeantragung an den (drohenden) Eintritt eines Schadens gebunden wird, der typischerweise in der Nichterteilung des Zuschlags bzw. der erheblichen Schmälerung der Chancen auf die Zuschlagserteilung zu erblicken ist20. b) Die Verletzung formell-rechtlicher Vorschriften Daneben gewährt § 97 Abs. 7 GWB einen Anspruch auf die Einhaltung auch formell-rechtlicher Vergaberegeln. Allerdings setzt ein Anspruch auf Verfahrens16 Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 97 Rdn. 193. Dieser Anspruch kann u.U. auch als Unterlassungsanspruch bestehen, vgl. Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 97 GWB Rdn. 36. 17 Niebuhr in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 97 GWB Rdn. 261. 18 Von Opitz, BauR 2000, S. 1564, 1569 vorgebrachte Bedenken, § 97 Abs. 5 GWB könne als Vorschrift über den Zuschlag und nicht über das Vergabeverfahren verstanden werden mit der Folge, dass § 97 Abs. 5 nicht von Abs. 7 erfasst wäre, verwirft dieser selbst mit Verweis auf die Ratio von § 97 Abs. 7 GWB sowie den Wortlaut der RMRL. Zudem ist der verfahrensbeendigende Zuschlag selbst noch Bestandteil des Vergabeverfahrens. 19 A.A. Willenbruch, NVwZ 1999, S. 1062, 1063 f. 20 Vgl. Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 107 Rdn. 20 f. Fälle, in denen andere als die genannten Schäden bzw. Schadensposten in Betracht kommen, betreffen vor allem Kostenerstattungsregelungen wie § 20 Nr. 1 Abs. 1 VOB / A.

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einhaltung, jedenfalls in multipolaren Konfliktlagen wie der vergaberechtlichen, eine qualifizierte Relation zwischen dem Verfahrensverstoß und der materiellen Rechtsposition dergestalt voraus, dass die korrekte Durchführung des Verfahrens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer materiell-rechtlichen Positionsverbesserung des Dritten geführt hätte21. Dies folgt aus der „dienenden Funktion“ des Verfahrensrechts, das die Verwirklichung des materiellen Rechts bezweckt, und findet im Vergaberecht eine weitere Stütze im diesem zugrunde liegenden Beschleunigungsgebot, da auf diese Weise Verfahrensverzögerungen durch die Nachprüfung verfahrensrechtlicher, aber ergebnisirrelevanter Verstöße verhindert werden. Folglich muss der formelle Vergabeverstoß conditio sine qua non für die spätere Nichterteilung des Zuschlags sein oder zumindest die Chancen auf die spätere Zuschlagserteilung erheblich geschmälert haben. Denn die maßgebliche materielle Rechtsposition ist der in § 97 Abs. 5 GWB zum Ausdruck kommende Anspruch darauf, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt wird. Eine solche Ergebnisrelevanz oder konkrete Kausalität ist typischerweise erst nach Erteilung des Zuschlags belegbar22. Andere Verfahrensverstöße – etwa die Unterlassung der Ausschreibung des Auftrags –, die eine Angebotsabgabe der Unternehmen a priori faktisch verhindern, offenbaren zwar durch diese Schmälerung der Chance auf den Zuschlag bereits vor der Zuschlagsentscheidung eine Ergebnisrelevanz, sind allerdings meistens erst nach der Zuschlagserteilung und der damit einhergehenden Veröffentlichung der „Vergabe“ erkennbar. Doch selbst wenn ausnahmsweise ein ergebnisrelevanter Verfahrensverstoß vor Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung erkennbar ist, wird das Unternehmen seinen Verfahrensanspruch gem. § 97 Abs. 7 GWB typischerweise erst in einem späten Verfahrensstadium, häufig sogar nach der Zuschlagserteilung, geltend machen (können). Denn zunächst muss das Unternehmen seiner Rügeobliegenheit gem. § 107 Abs. 3 GWB nachkommen und dem Auftraggeber einen angemessenen Zeitraum zur Abhilfe einräumen, bevor der Anspruch gem. § 97 Abs. 7 GWB erfolgreich geltend gemacht werden kann23. Vor allem aber wird es sich zumindest solange vor einer Verärgerung des Auftraggebers durch Geltendmachung seines Verfahrensanspruchs gem. § 97 Abs. 7 GWB hüten, wie es sich Chancen auf Erhalt des Zuschlags verspricht – was häufig bis zur endgültigen Zuschlagserteilung der Fall sein wird. Daraus folgt, dass ein Unternehmen den Anspruch auf Einhaltung 21 Vgl. BVerfG, NVwZ-RR 2000, S. 487 f.; BVerwG, NJW 1987, S. 1154; Schmidt-Preuß, NVwZ 2005, S. 489, 491 f. Diese Problematik der Anspruchsentstehung ist zu trennen von derjenigen der Anspruchsdurchsetzung (gem. § 107 Abs. 2 GWB erfordert ein zulässiger Nachprüfungsantrag eine Kausalität von Vergabeverstoß und Schaden (!) – und nicht der materiellen Rechtsposition). A.A. Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 97 Rdn. 198. 22 Ausnahmsweise ist die Ergebnisrelevanz im Vorfeld der Zuschlagsentscheidung ersichtlich, z. B. wenn aufgrund des Verfahrensverstoßes kein Angebot abgegeben werden konnte. 23 Vgl. zur Rügeobliegenheit gem. § 107 Abs. 3 S. 1 GWB Schröder, VergabeR 2002, S. 229 ff.

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der Verfahrensbestimmungen regelmäßig – faktisch – erst nach der Zuschlagserteilung geltend machen kann. 3. Der Zuschlagserteilungsanspruch Der Anspruch auf Einhaltung der formell-rechtlichen Verfahrensregeln ist somit kein Selbstzweck, sondern dient dem Ziel der Erlangung des konkreten ausgeschriebenen öffentlichen Auftrags24. Dieser wird – nach der Konstruktion des Kartellvergaberechts in Gestalt eines durch Zuschlagserteilung zustandegekommenen (zivilrechtlichen) Vertrags25 – gem. § 97 Abs. 5 GWB an den Bieter vergeben, der das wirtschaftlichste Angebot unterbreitet hat. Da § 97 Abs. 5 GWB eine Bestimmung über das Vergabeverfahren i. S. d. § 97 Abs. 7 GWB ist und der Bieter deshalb einen Anspruch auf dessen Einhaltung hat, könnte aus § 97 Abs. 7 i.V.m. Abs. 5 GWB26 ein Anspruch auf Zuschlagserteilung gefolgert werden27. Ein solcher Zuschlagserteilungsanspruch liefe indes auf einen Kontrahierungszwang für den öffentlichen Auftraggeber hinaus und ist deshalb erheblichen Bedenken ausgesetzt. Ob diese Bedenken zu Recht erhoben werden [a)] und ob – trotzdem – im Einzelfall ein Zuschlagserteilungsanspruch gerechtfertigt sein kann [b)], ist Gegenstand der folgenden Untersuchung. a) Die Vertragsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers Vielfach wird der Zuschlagserteilungsanspruch und ein diesem korrespondierender Kontrahierungszwang als Eingriff gebrandmarkt, ohne das Eingriffsobjekt, also die Frage, in „was“ eingegriffen wird, zu problematisieren. Ausgangspunkt dieser Problematik ist wiederum die Einführung des funktionalen Auftraggeberbegriffs in das Kartellvergaberecht, der staatliche wie nicht-staatliche Unternehmen erfasst. Denn die dem Kontrahierungszwang entgegengesetzte Freiheit ist die Vertragsfrei24 Ähnlich Kaelble, ZfBR 2003, S. 657. Zur Frage eines Anspruchs auf öffentliche Nachfrage vgl. Kaelble, ZfBR 2003, S. 657, 669; Pietzcker, Die Zweiteilung des Vergaberechts, S. 26. 25 Vgl. eingehend Kap. 4 A. I. 1. und Kap. 6 A. IV. 1. 26 Auf mögliche Ansprüche auf Zuschlagserteilung aus dem Wettbewerbsrecht (§ 33 S. 1 GWB i.V.m. § 20 Abs. 1 und 2 GWB) und aus dem Schadensersatzrecht (§§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB oder § 1004 Abs. 1 BGB analog) wird hier nicht eingegangen; vgl. dazu Kaelble, ZfBR 2003, S. 657, 659 ff. 27 Für einen Anspruch auf Zuschlagserteilung durch die Vergabekammer Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 97 GWB Rdn. 33, 36; Niebuhr in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 97 GWB Rdn. 273; in engen Grenzen auch Kus in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 39. Für einen Anspruch auf Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers zur Zuschlagserteilung BayObLG, VergabeR 2003, S. 186, 192 f.; Heinrichs in: Palandt, BGB, Einf vor § 145 Rdn. 9; Kulartz in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 97 GWB Rdn. 114. Vgl. aus der parallelen Problematik im Arbeitsrecht BAG, NZA 1995, S. 781.

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heit28, die aus Art. 2 Abs. 1 GG29, teilweise auch aus den Spezialgrundrechten Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG30, abgeleitet wird. Diese ist nur den grundrechtsberechtigten (nichtsstaatlichen) Unternehmen zuzuerkennen. Ein Kontrahierungszwang gegenüber den nicht grundrechtsberechtigten (staatlichen) Auftraggebern kann allenfalls den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verletzen31, der in § 114 Abs. 2 GG wurzelt und in §§ 6 HGrG, 7 Abs. 1 BHO einfachgesetzlich normiert ist32. Dieser Grundsatz kann allerdings durch das Kartellvergaberecht spezialgesetzlich ausgestaltet werden33, ohne dass darin gleichsam ein Eingriff zu sehen ist. Da die Verpflichtung zur Erteilung des Zuschlags auf das wirtschaftlichste Angebot gerade dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit entspricht, spricht viel für eine rechtmäßige Ausgestaltung34. Eine der Privatautonomie vergleichbare Freiheit von Kontrahierungszwängen steht damit dem Staat nicht zu35. In Entsprechung zur Problematik um die Qualifizierung öffentlicher Auftraggeber als öffentliche Gewalt sind mithin weder alle öffentlichen Auftraggeber grundrechtsberechtigt noch sind alle nicht-grundrechtsberechtigt. Dies hat zur Folge, dass ein Kontrahierungszwang lediglich die Vertragsfreiheit eines Teils der Auftraggeber verletzt. Wiederum müssen daher unter Berücksichtigung der Rechte des „Meistgeschützten“ gemeinsame Grundsätze gefunden werden, um einem einheitlichen Kartellvergaberecht, das sowohl Träger hoheitlicher Gewalt als auch Private zum Zuordnungssubjekt hat, gerecht zu werden und es in seiner Funktion als partielles „Gemeinrecht“36 zu emanzipieren 37. Der bessere Schutz wird hier 28 Die „Vertragsfreiheit“ wird teilweise als Unterbegriff der „Privatautonomie“ aufgefasst, teilweise werden beide auch als Synonyme verstanden; vgl. dazu Busche, Privatautonomie, S. 46 ff. 29 BVerfGE 103, S. 89, 100; Bäuerle, Vertragsfreiheit, S. 283 ff. Canaris, JZ 1987, S. 993, 994 f. stellt zusätzlich auf Art. 1 und 20 GG ab. 30 Cornils, NJW 2001, S. 3758 mit Verweis auf BVerfG, GRUR 2001, S. 266. 31 Vgl. zu diesem Grundsatz Stober, Allg. Wirtschaftsverwaltungsrecht, § 10 IV; Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 425 ff. Für eine Herleitung aus Art. 110 GG Maunz in: Maunz / Dürig, GG, Art. 110 Rdn. 59. Umstritten ist, ob diesem Grundsatz verfassungsrechtlicher Rang zukommt. Dafür: Rischer, Finanzkontrolle, S. 239 f.; dagegen: Karpen, DV 19 (1986), S. 230, 233. 32 BGH NJW 1998, S. 3636, 3639; BGH NJW 1998, S. 3640, 3643. 33 Vgl. diesbezüglich die §§ 26 VOB / A, VOL / A, die durch § 97 Abs. 7 GWB in Gesetzesrang gehoben werden, vgl. dazu Kaelble, ZfBR 2003, S. 657, 665. 34 Mantler, VergabeR 2003, S. 119, 126; vgl. auch BGH, NJW 1998, S. 3636, 3639; BGH, NJW 1998, S. 3640, 3643. 35 Vgl. auch Reidt / Brosius-Gersdorf, VergabeR 2002, S. 580, 585. A.A. insoweit wohl Mantler, VergabeR 2003, S. 119, 126 f., der die Überprüfung des Interesses für unzulässig hält und dann, wenn der öffentliche Auftraggeber das Vergabeverfahren aufhebt, das fehlende öffentliche Interesse vermutet. 36 Bullinger in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Auffangordnungen, S. 239, 258; Zuleeg, VerwArch 73 (1982), S. 384, 402 f. Vgl. auch Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 363 ff., 417 ff. („gemeinsames Recht“).

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den Grundrechtsberechtigten zuteil, so dass die Vertragsfreiheit als kartellvergaberechtlicher Grundsatz und damit als Maßstab für die Frage des Zuschlagserteilungsanspruchs heranzuziehen ist38.

b) Die Reduktion der Vertragsfreiheit Eingriffsobjekt ist damit die Vertragsfreiheit, die durch einen Kontrahierungszwang in ihren beiden Untergliederungen, der Vertragsabschlussfreiheit („ob“) sowie der Vertragspartnerwahlfreiheit („mit wem“) beschränkt wird39. Beschränkungen dieser Freiheit können jedoch gerechtfertigt sein, wenn sie zum Schutz von Rechten Dritter oder allgemeiner Rechtsgüter erforderlich sind40. Insofern ist das gesamte Kartellvergaberecht, insbesondere seine verbindlichen Vorgaben hinsichtlich der Vergabe an das wirtschaftlichste Angebot (§ 97 Abs. 5 GWB) und der vorherigen und unabänderbaren Festlegung der Kriterien zur Bestimmung des wirtschaftlichsten Angebots, als gerechtfertigte Beschränkung der Vertragsfreiheit zu begreifen. Denn es dient durch die Verfolgung haushaltsrechtlicher und vor allem wettbewerblicher Ziele der Verwirklichung des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes, des Gleichheitsge- sowie des Diskriminierungsverbots41. Freilich gesteht das Kartellvergaberecht dem öffentlichen Auftraggeber in jedem Bereich zur Realisierung seiner Vertragsfreiheiten Entscheidungsspielräume zu42. Doch stellt sich die Frage, ob diese nicht – ähnlich einer Ermessensreduktion auf Null43 – dergestalt eingeschränkt sein können, dass nur eine rechtmäßige Zu37 Opitz, BauR 2000, S. 1564, 1572 f. Ähnlich Schimanek, ZfBR 2002, S. 39, 40, der von einem eigenständigen Rechtsgebiet mit zivil- und öffentlich-rechtlichen Elementen spricht. 38 I.E. ebenso Kaelble, ZfBR 2003, S. 657, 667 f., der jedoch den Maßstab der Vertragsfreiheit mit deren Funktion als Strukturmerkmal des mit der zivilrechtlichen Handlungsform gewählten Rechtssystems begründet. 39 Ähnlich Busche, Privatautonomie, S. 67 ff.; Di Fabio in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdn. 101; Kaelble, ZfBR 2003, S. 657, 666 f.; Larenz, Schuldrecht Allg. Teil, Bd. 1, S. 39 ff. 40 Ähnlich Opitz, BauR 2000, S. 1564, 1571 f.; Rittner, AcP 188 (1988), S. 101, 124 f. 41 Kaelble, ZfBR 2003, S. 657, 668; Opitz, BauR 2000, S. 1564, 1571. Die staatlichen Auftraggeber sind überdies durch das Willkürverbot des Art. 20 Abs. 3 GG und den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. 42 Dies wird allgemein anerkannt. Allerdings herrscht wegen der fehlenden Berücksichtigung des durch seine Zwitterstellung zwischen öffentlichem und privatem Recht bedingten Doppelrechtscharakters des Vergaberechts ein terminologisches Chaos. Es wird von Vertragsfreiheit einerseits, von Beurteilungs- und / oder Ermessensspielräumen andererseits gesprochen. Vgl. dazu Kaelble, ZfBR 2003, S. 657, 662 f.; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 97 GWB Rdn. 32. Die Überprüfbarkeit dieser Spielräume ist umstritten. Für eine begrenzte Überprüfbarkeit BayObLG, VergabeR 2001, S. 438, 442; Kaelble, ZfBR 2003, S. 657, 662 m. w. N. in Fn. 54.; für eine umfassende Überprüfbarkeit Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 97 GWB Rdn. 30 m. w. N.

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Kap. 3: Grundlagen des vergaberechtlichen Rechtsschutzsystems

schlagsentscheidung denkbar und in dem Fall ein Anspruch auf Zuschlagserteilung anzuerkennen ist. Dafür müsste sowohl die Vertragspartnerwahl- [aa)] als auch die Vertragsabschlussfreiheit [bb)] entsprechend reduziert sein (können). aa) Die Reduktion der Vertragspartnerwahlfreiheit Nach § 97 Abs. 5 GWB wird der Zuschlag nicht auf ein wirtschaftliches, sondern „auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt“. Die Verwendung dieses Superlativs ist Ausdruck der Optimierungsfunktion dieser Norm. Es gibt daher nur eine richtige Entscheidung44. Indes darf der Auftraggeber die für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit heranzuziehenden Kriterien selbständig bestimmen und den ihm durch die Verwendung der „unbestimmten Rechtsbegriffe“ der Eignung, der Fachkunde, der Leistungsfähigkeit und der Zuverlässigkeit gewährten Entscheidungs- und Beurteilungsspielraum ausschöpfen45. Damit kann er die Auswahlentscheidung durch die Festlegung der konkret-generellen Maßstäbe nach seinen Vorstellungen beeinflussen, so dass seine Vertragspartnerwahlfreiheit in ausreichendem Maß berücksichtigt ist. Auf der anderen Seite ist der Auftraggeber zur Bekanntgabe der – mit größtmöglicher Bestimmtheit zu verfassenden46 – Leistungsbeschreibung sowie der geforderten Eignungsnachweise47, Eignungskriterien48 und Zuschlagskriterien verpflichtet49. Diese Bekanntmachungspflichten sind Ausdruck des vergaberechtlichen Transparenzgebots (§ 97 Abs. 1 GWB). Nach der Bekanntgabe darf der Auftraggeber von den Kriterien weder durch Verzicht auf ein genanntes noch durch Hinzufügen eines bislang ungenannten abweichen. Andernfalls bestünde eine Unsicherheit über die Entscheidungskriterien bis zum Ende der Angebotsfrist und die Gefahr einer Ungleichbehandlung der Bieter. Der öffentliche Auftraggeber bindet sich damit selbst. Diese Selbstbindung wird – je nach Auftraggeber – mit dem verwaltungsrechtlichen Grundsatz der Selbstbindung50, dem 43 Vgl. Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 1166 f. Kritisch dazu Schabel, VergabeR 2003, S. 194, 195, der für Personen des Privatrechts die Figur der Ermessensreduktion auf Null für unanwendbar erklärt. 44 Niebuhr in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 97 GWB Rdn. 273; Opitz, BauR 2000, S. 1564, 1569; in der Tendenz auch BayObLG, VergabeR 2003, S. 186, 192 f.; a.A. Stelkens, NZBau 2003, S. 654, 656. 45 Vgl. Thüringer OLG, BauR 2000, S. 388, 393; VÜA Bund, WuW / E 1999, S. 551 f.; Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 97 GWB Rdn. 30. 46 OLG Naumburg, ZfBR 2003, S. 182, 184 m. w. N. 47 OLG Düsseldorf, Beschl. vom 30. 07. 2003 – Verg 20 / 03. 48 EuGH, NZBau 2003, S. 162, 167 Rdn. 95 ff. 49 EuGH, VergabeR 2002, S. 598, 601 Rdn. 62; BGH, NJW 2000, S. 137, 139; BayObLG, VergabeR 2002, S. 637, 641.

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Gebot der Verfahrensfairnis51 und / oder dem Grundsatz von Treu und Glauben52 begründet. Der vergaberechtliche Primärrechtsschutzanspruch gem. § 97 Abs. 7 GWB wird typischerweise in einem späten Verfahrensstadium erhoben, häufig sogar erst nach der Zuschlagsentscheidung bzw. -erteilung53. Zu diesem Zeitpunkt werden eine Bindung des Auftraggebers regelmäßig erfolgt sein und die Kriterien zur Bestimmung des wirtschaftlichsten Angebots verbindlich feststehen. Es gibt dann nur noch eine rechtmäßige Zuschlagsentscheidung. bb) Die Reduktion der Vertragsabschlussfreiheit Unbeantwortet bleibt indes die Frage, ob diese Entscheidung getroffen und der Zuschlag dementsprechend erteilt werden muss. Eine Selbstbindung des öffentlichen Auftraggebers allein aufgrund der Eröffnung des Vergabeverfahrens, die gem. §§ 16 Nr. 2 VOB / A, VOL / A nur zum Zweck der Auftragsvergabe vollzogen werden darf, ist jedenfalls abzulehnen54, zumal zivilrechtlich die Ausschreibung als invitatio ad offerendum gerade kein bindendes Angebot darstellt, das zum späteren Vertragsschluss verpflichtet55. Ebenso wenig hilft der Wortlaut des § 97 Abs. 5 GWB weiter. Zwar drückt der Indikativ in der Gesetzessprache einen Normbefehl aus, so dass gem. § 97 Abs. 5 GWB der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen ist56. Ob jener Normbefehl aber lediglich die unbedingte Verpflichtung zur Erteilung des Zuschlags auf das wirtschaftlichste Angebot unterstreicht, oder ob er darüber hinaus die Zuschlagserteilung an sich, also die Beendigung des einmal eingeleiteten Vergabeverfahrens durch Zuschlag, vorschreibt, bleibt unklar. Während die Rechtsprechung und weite Teile der Literatur für die erstgenannte Auffassung57 streiten und dafür zum einen auf die historische, systematische und BGH, WuW / E 1998, S. 1125, 1130; KG, WuW / E 2002, S. 316, 318 f. KG, VergabeR 2003, S. 78, 81. 52 OLG Düsseldorf, Beschl. vom 20. 03. 2003 – Verg 8 / 03; OLG Düsseldorf, Beschl. vom 28. 05. 2003 – Verg 9 / 03. 53 Vgl. Kap. 3 A. II. 2. b). 54 BGH, ZfBR 2003, S. 401, 403; Gnittke / Michels, VergabeR 2002, S. 571, 577 f. In diese Richtung aber Kaelble, ZfBR 2003, S. 657, 670, der allerdings Lösungsmöglichkeiten von dieser Bindung anerkennt. 55 Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 490; Mantler, VergabeR 2003, S. 119, 125; Reidt / Brosius-Gersdorf, VergabeR 2002, S. 580, 590. 56 Gem. § 97 Abs. 5 GWB „wird (der Zuschlag) auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt“. 57 Vgl. nur OLG Schleswig, ZfBR 2002, S. 296, 297; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 97 GWB Rdn. 33; Opitz, BauR 2000, S. 1564, 1569 f. Doch auch innerhalb dieser Auffassung wird zum Teil bei einer „Ermessensreduktion auf Null“ ein Zuschlagserteilungsanspruch für möglich gehalten, so OLG Frankfurt, VergabeR 2001, S. 243, 249; OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 540, 542; Kullack in: Heiermann / Riedl / Rusam, VOB, § 114 GWB Rdn. 19; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 97 GWB Rdn. 33 und § 114 50 51

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teleologische Auslegung von § 97 Abs. 5 und 7 GWB58 und zum anderen auf die allgemeine Vertragsfreiheit59 verweisen, zeigt die folgende Untersuchung, dass sich die „Ablehnung des Anspruchs auf Zuschlagserteilung ( . . . ) rechtsdogmatisch mit § 97 Abs. 7 GWB ( . . . ) kaum in Einklang bringen“ lässt60 [(1)] und auch die Vertragsfreiheit der Annerkennung eines Zuschlagserteilungsanspruchs nicht grundsätzlich entgegensteht [(2)]. (1) Rechtsdogmatische Herleitung des Zuschlagserteilungsanspruchs Die Gesetzesbegründung zu § 97 Abs. 5 GWB behandelt die Frage des Zuschlagserteilungsanspruchs nicht und spricht damit weder für noch gegen dessen Existenz. Aufschlussreicher ist ein Blick auf die Systematik und Zielsetzung des § 97 Abs. 5 GWB sowie des gesamten Vergaberechts. Dieses ist auf die Zuschlagserteilung ausgerichtet. Das bringen insbesondere die §§ 26 VOB / A, VOL / A61 zum Ausdruck, indem sie die Aufhebbarkeit des Vergabeverfahrens auf die dort abschließend62 genannten und eng auszulegenden63 Ausnahmefälle begrenzen. Auch das passive Auslaufenlassen der Zuschlags- und Bindefristen wird überwiegend §§ 26 VOB / A, VOL / A zugerechnet64 oder aus anderen Gründen für rechtswidrig gehalten65. Damit muss ein Vergabeverfahren durch Zuschlag beendet werden, wenn die in den §§ 26 VOB / A, VOL / A aufgeführten Ausnahmefälle nicht vorliegen. Da die §§ 26 VOB / A, VOL / A – mittlerweile anerkanntermaßen66 – Bestimmungen i. S. d. § 97 Abs. 7 GWB sind und damit das (Nicht)Vorliegen jener Ausnahmefälle Rdn. 6. Ein Kontrahierungszwang soll sich daneben bei marktbeherrschender Stellung des Auftraggebers aus § 20 Abs. 1 GWB ergeben, vgl. Opitz, BauR 2000, S. 1564, 1569 Fn. 50. 58 KG, VergabeR 2003, S. 180, 182 f. mit zust. Anm. Otting. 59 Opitz, BauR 2000, S. 1564, 1569; Schnorbus, BauR 1999, S. 77, 88. 60 Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 491. In der Tendenz auch BayObLG, VergabeR 2003, S. 186, 193; Niebuhr in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 97 GWB Rdn. 273; Tomerius / Kiser, VergabeR 2005, S. 551, 559. 61 Da die VOF die Aufhebung nicht an bestimmte Voraussetzungen knüpft, ist dort an eine analoge Anwendung von § 26 VOL / A zu denken, vgl. Kaelble, ZfBR 2003, S. 657, 663 Fn. 60. 62 Bauer / Kegel, EuZW 2002, S. 502; Jasper in: Motzke / Pietzcker / Prieß, VOB / A, § 26 Rdn. 6. 63 BGHZ 139, S. 259, 263; Scharen, NZBau 2003, S. 585, 586. 64 So wohl Mantler, VergabeR 2003, S. 119, 121 f. mit Verweis auf EuGH, VergabeR 2002, S. 361, 366 Rdn. 49. 65 Nach Jasper in: Motzke / Pietzcker / Prieß, VOB, § 26 Rdn. 3, 7 stellt das Auslaufenlassen keine von der VOB vorgesehene Form der Beendigung eines Vergabeverfahrens dar und ist schon deswegen unzulässig; ähnlich Gesterkamp, VergabeR 2002, S. 454, 456, wonach das Auslaufenlassen nicht zur Verfahrensbeendigung führt. 66 So EuGH, VergabeR 2002, S. 361 ff.; BGH, VergabeR 2003, S. 313, 314 f.; OLG Koblenz, VergabeR 2003, S. 448 ff.; KG, VergabeR 2003, S. 180 ff.; Boesen, Vergaberecht, § 97 GWB Rdn. 209; Scharen, NZBau 2003, S. 585, 586 f.; kritisch dazu Mantler, VergabeR 2003, S. 119, 124 f.

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auf Antrag gerichtlich überprüft werden kann, ist die voraussetzungslose Aufhebung des Vergabeverfahrens als Alternative zur Zuschlagserteilung nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich entfallen. Darf folglich das Vergabeverfahren – von den Ausnahmefällen i. S. d. §§ 26 VOB / A, VOL / A abgesehen – nur durch Zuschlag beendet werden, läuft dies auf ein zumindest faktisches Zuschlagsgebot hinaus67, dem gem. § 97 Abs. 7 GWB ein Anspruch auf Zuschlagserteilung korrespondiert68. Gegen diese rechtsdogmatische Herleitung werden verschiedene Bedenken geltend gemacht, die jedoch nicht überzeugen. So ist im Hinblick auf die Ablehnung eines Zuschlagserteilungsanspruchs durch den EuGH69 zu berücksichtigen, dass das Europarecht keine den §§ 26 VOB / A, VOL / A vergleichbaren Vorschriften kennt, die durch ihre Begrenzung der Aufhebbarkeit des Vergabeverfahrens erst den Umkehrschluss auf den Zuschlagserteilungsanspruch zulassen. Allein deshalb ist ein europarechtlicher Zuschlagserteilungsanspruch ausgeschlossen. Dass der deutsche Gesetzgeber mit den §§ 26 VOB / A, VOL / A, die im Übrigen als europarechtskonform gelten70, über die europäischen Vorgaben zur Offenhaltung des Wettbewerbs hinausgeht, ist unbedenklich71. Auch stehen der Anerkennung eines Zuschlagserteilungsanspruch nicht die Regelungen über die Nichtaufhebbarkeit einer erfolgten Zuschlagserteilung (§ 114 Abs. 2 S. 1 GWB) sowie die nur ausnahmsweise Unwirksamkeit des Zuschlags (§ 115 Abs. 1 GWB, § 13 S. 6 VgV) entgegen. Soweit hieraus eine „Tabuisierung des Zuschlags“72 dergestalt abgeleitet wird, dass die Zuschlagserteilung allein dem Auftraggeber obliege und deshalb ein entsprechender Anspruch nach dem Sinn des Kartellvergabegesetzes ausgeschlossen sei, wird übersehen, dass die genannten Vorschriften bloß die prozessualrechtliche „Bestandskraft“ des erteilten Zuschlags 67 Ähnlich Mantler, VergabeR 2003, S. 119, 122; dieser Schlussfolgerung zustimmend auch OLG Dresden, VergabeR 2003, S. 45, 47 ff. Diesem faktischen Zuschlagsgebot durch Erweiterung der Aufhebungsgründe des § 26 VOB / A, VOL / A im Wege der Auslegung zu begegnen (in diese Richtung OLG Hamburg, VergabeR 2003, S. 40, 42 ff.), hilft letztlich nicht weiter, da jedenfalls dann, wenn auch trotz extensiver Auslegung kein Aufhebungsgrund vorliegt, ein Zuschlagserteilungsanspruch anzunehmen ist. Zudem bestünde die Gefahr der Aushöhlung dieser Norm. 68 Niebuhr in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 97 GWB Rdn. 273; ähnlich BayObLG, VergabeR 2003, S. 186, 192 f.; Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 491. I.E. auch Boesen, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 23; Braun, BB 1999, S. 1069, 1071; Otting in: Bechthold, GWB, § 114 Rdn. 3 f. Insoweit zustimmend Schabel, VergabeR 2003, S. 194, 195, der allerdings angesichts der zivilrechtlichen Einordnung der Auftragsvergabe und diesbezüglich fehlender europarechtlicher Vorgaben einen solchen Anspruch letztlich ablehnt. 69 So Schabel, VergabeR 2003, S. 194, 195 mit Verweis auf EuGH, VergabeR 2002, S. 361, 365 f. Rdn. 40. Ähnlich Erdl, VergabeR 2001, S. 10, 15 mit Verweis auf § 30 Abs. 1 BKR, der keinen Zuschlagserteilungsanspruch fordert. 70 Mantler, VergabeR 2003, S. 119, 121; Reidt / Brosius-Gersdorf, VergabeR 2002, S. 580, 585 ff. 71 Mantler, VergabeR 2003, S. 119, 121. 72 So aber Schabel, VergabeR 2003, S. 194, 195.

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Kap. 3: Grundlagen des vergaberechtlichen Rechtsschutzsystems

normieren. Die materiellrechtliche Frage des Anspruchs auf den zu erteilenden Zuschlag ist davon strikt zu trennen. Vor allem aber dienen jene Vorschriften nicht dem Schutz der Privatautonomie, sondern dem Vertrauensschutz73, indem sie zugunsten des präferierten Bieters die prozessuale Nichtaufhebbarkeit des wirksam erteilten Zuschlags vorschreiben. Dieser Schutz wird durch die Anerkennung eines Zuschlagserteilungsanspruchs nicht aufgehoben. Schließlich wird die Akzeptanz eines Zuschlagserteilungsanspruchs nicht durch die normierte Kündigungsmöglichkeit gem. § 8 Nr. 1 VOB / B, § 649 BGB, die ein jederzeitiges Kündigungsrecht bis zur Vollendung einräumt, ad absurdum geführt74. Denn die Kündigung eines rechtlich gebotenen und „per Behörden- oder Gerichtsbeschluss“ herbeigeführten Vertragsschlusses muss als Umgehung desselben ausgeschlossen sein. Insoweit ist § 8 Nr. 1 VOB / B teleologisch zu reduzieren75. (2) Die entgegenstehende Vertragsabschlussfreiheit des Auftraggebers Zweifelhaft ist die rechtsdogmatisch hergeleitete Existenz eines Zuschlagserteilungsanspruchs indes vor dem Hintergrund der beschränkten Vertragsabschlussfreiheit des Auftraggebers. Tatsächlich stellt der Vertragsabschlusszwang den schwerwiegendsten denkbaren Eingriff in die Vertragsfreiheit dar. Dennoch werden derartige Kontrahierungszwänge und diesen korrespondierende „Vertragsabschlussansprüche“ von Rechtsprechung und Literatur nicht kategorisch ausgeschlossen. Dies beweist u. a. die wettbewerbliche Rechtsprechung76. Ein derartiger Eingriff in die Vertragsfreiheit ist demnach rechtfertigungsfähig, allerdings auch rechtfertigungsbedürftig. Die Verpflichtung zur Zuschlagserteilung auf das wirtschaftlichste Angebot fördert nicht nur den Wettbewerb und die Chancengleichheit, sondern auch den „günstigsten Einkauf“, jedenfalls soweit die Auftragsvergabe selbst nicht aus anderen Gründen sinnlos geworden ist77. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Zuschlagserteilungsanspruch nur im Falle der Nichteinschlägigkeit der §§ 26 In diese Richtung BGH, VergabeR 2003, S. 313, 315. So aber Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 491; Schabel, VergabeR 2003, S. 194, 195. 75 In anderem Zusammenhang ebenfalls für eine einschränkende teleologische Auslegung von § 649 BGB in Gestalt der Voraussetzung der eigenen Vertragstreue des Unternehmens Brechtelsbauer, BauR 1999, S. 1371 ff., insbes. 1373 ff. 76 Für einen Anspruch auf Zuschlagserteilung aus §§ 35, 26, 22 GWB i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB BGHZ 36, S. 91, 100; Z 49, S. 90, 98 f.; OLG Karlsruhe, WuW / E 1980, S. 543, 549; OLG Karlsruhe, WuW / E 1979, S. 397, 404 f. Auch im Schrifttum wird die grundsätzliche Möglichkeit eines Kontrahierungszwangs überwiegend akzeptiert, vgl. Busche, Privatautonomie, S. 396 ff.; Markert in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 20 Rdn. 228. Anders jedoch die schadensersatzrechtliche Rechtsprechung, vgl. dazu Kaelble, ZfBR 2003, S. 657, 660 ff. 77 Kritisch dazu BGH, BauR 1998, S. 1232, 1237 f.; Mantler, VergabeR 2003, S. 119, 125 f. 73 74

A. Das materielle Anspruchssystem

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VOB / A, VOL / A besteht. Diese ermöglichten ursprünglich dem Auftraggeber unter Berücksichtigung des haushaltsrechtlichen Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit die Aufhebung des Vergabeverfahrens, wenn bestimmte Umstände einen Vertragsschluss wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll erscheinen ließen78. Heute sollen sie zur Durchsetzung von Wettbewerb und Chancengleichheit die missbräuchliche Aufhebung der Ausschreibung als Maßnahme der Diskriminierung einzelner Bieter verhindern79. Mit anderen Worten besteht der Zuschlagserteilungsanspruch nur dann, wenn die Nichtzuschlagserteilung lediglich der Diskriminierung einzelner Bieter dient. Im Umkehrschluss ist die Erforderlichkeit desselben für die Gewährleistung von Chancengleichheit und Antidiskriminierung offensichtlich. Dass die Nichtzuschlagserteilung der Diskriminierung einzelner Bieter dient, wird vielfach dann angenommen, wenn der öffentliche Auftraggeber trotz fortbestehenden Vergabewillens den Zuschlag nicht erteilt80. Allerdings ist der subjektive Vergabewille schwer nachzuvollziehen und zu beweisen. Aus diesem Grund stellt der EuGH neben der Willensabhängigkeit auf eine Wirkungsabhängigkeit ab81. Jene muss im Einzelfall festgestellt werden. Jedenfalls mit Erteilung einer Vorabinformation gem. § 13 VgV über die beabsichtigte Zuschlagserteilung an einen konkurrierenden Bieter82 hat der Auftraggeber seine Vergabeabsicht derart manifestiert, dass die „Aufhebung“ des Vergabeverfahrens bei einem „drohendem“ erfolgreichem Rechtsschutzgesuch des bislang unterlegenen Bieters den Verdacht einer Diskriminierung indiziert, den der Auftraggeber selbst widerlegen muss83. Erst recht haben sich der fortbestehende Vergabewille und die Diskriminierungswirkung im nicht bloß angekündigten, sondern bereits erteilten Zuschlag manifestiert, so dass für die Frage des Primärrechtsschutzes nach Zuschlagserteilung unproblematisch ein Zuschlagserteilungsanspruch anzuerkennen ist.

Mantler, VergabeR 2003, S. 119, 126. BGH, VergabeR 2003, S. 313, 315, 317; Reidt / Brosius-Gersdorf, VergabeR 2002, S. 580, 583 f. 80 Vgl. BGH, VergabeR 2003, S. 313, 316 mit dem Beispiel, dass der Auftraggeber wegen Missachtung des Gebots aus § 21 Abs. 1 S. 1 VOB / A glaubte, alle Bieter ausschließen zu müssen, obwohl er durchaus noch willens war, den Auftrag zu vergeben. Vgl. auch OLG Dresden, VergabeR 2004, S. 92, 94. 81 EuGH, VergabeR 2002, S. 361, 367 Rdn. 55. Kritisch gegenüber einem Abstellen auf den Vergabewillen auch Mantler, VergabeR 2003, S. 119, 128 f. 82 Vgl. dazu eingehend Kap. 5 A. II. 83 A.A. OLG Frankfurt, NZBau 2001, S. 101, 104, wonach die Darlegungs- und Beweislast beim Anspruchsteller liegt. Dann wäre jedoch ein Zuschlagserteilungsanspruch de facto kaum durchsetzbar. Deshalb ist von einer Beweislastumkehr auszugehen. 78 79

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Kap. 3: Grundlagen des vergaberechtlichen Rechtsschutzsystems

B. Das prozessuale Durchsetzungssystem Der Darstellung des vergaberechtlichen materiellen Anspruchssystems schließt sich die Frage der prozessualen Durchsetzbarkeit der Ansprüche an. Im Folgenden werden daher die Grundlagen des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzsystems vorgestellt [I.], wobei insbesondere dessen vorbeugender Charakter erläutert wird [II.]. Abschließend erfolgt eine Untersuchung der Kontrolldichte der vergaberechtlichen Nachprüfung [III.].

I. Einführung in den Vergabe(primär)rechtsschutz Der gem. § 97 Abs. 7 GWB dem Bieter zustehende Primärrechtsschutzanspruch muss nach Art. 19 Abs. 4 GG effektiv gerichtlich durchsetzbar sein84. Neben der – praktisch bedeutungslosen – fakultativen Anrufung der Vergabeprüfstellen (vgl. § 103 GWB) steht dem Bieter hierfür mittels des Nachprüfungsantrags gem. §§ 107 ff. GWB der Weg zur Vergabekammer als behördlicher Eingangsinstanz [1.] sowie auf der zweiten Stufe mittels der sofortigen Beschwerde gem. §§ 116 ff. GWB der Weg zum Vergabesenat des Oberlandesgerichts [2.] offen85. Diese Primärrechtsschutzmöglichkeit in Vergabesachen ist gem. § 104 Abs. 2 GWB ausschließlich und abschließend86. Das gilt sogar für den Fall, dass eine Beauftragung außerhalb eines rechtlich gebotenen Vergabeverfahrens erfolgt87.

Vgl. Kap. 1 B. II. 3. Die Beschränkung auf eine gerichtliche Instanz genügt anerkanntermaßen den verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben und steht auch mit § 13 GVG in Einklang, der die Zuweisung an eine Verwaltungsbehörde für zulässig erklärt, sofern gegen deren Entscheidung, wie in §§ 116 ff. GWB vorgesehen, die Gerichte angerufen werden können; vgl. Stockmann in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 104 Rdn. 10. 86 BVerfG, NZBau 2004, S. 564, 565; BGHZ 146, S. 202, 206 ff.; OLG Schleswig, NZBau 2000, S. 100; Kling, NZBau 2003, S. 23; Kus, NJW 2000, S. 544, 545; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 104 GWB Rdn. 3; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 104 GWB Rdn. 13; Stockmann in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 104 Rdn. 8. Dies gilt nach h. M. (vgl. die Nachweise bei Stockmann, in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 104 Rdn. 11 Fn. 24; Niebuhr in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 97 GWB Rdn. 277) ebenfalls für alle vorbeugenden Primärrechtsschutzansprüche aus § 823 Abs. 1 und 2 sowie § 826 i.V.m. § 1004 BGB, §§ 20 Abs. 1, 33 S. 1 GWB oder § 1 UWG, soweit man solche anerkennt (kritisch hingegen Stockmann in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 104 Rdn. 11; Noch, Vergaberecht kompakt, S. 62). Für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen bleiben nach § 104 Abs. 2 S. 2 GWB die ordentlichen Gerichte zuständig. Unberührt bleiben nach § 102 GWB auch die Kompetenzen der Aufsichtsbehörden sowie nach § 104 Abs. 2 S. 2 GWB die Befugnisse der Kartellbehörden. 87 Vgl. OLG Schleswig, ZfBR 2002, S. 189 f.; Wilke, NZBau 2005, S. 326, 327. 84 85

B. Das prozessuale Durchsetzungssystem

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1. Das Verfahren vor der Vergabekammer In erster Instanz entscheiden die unabhängigen Vergabekammern gem. § 107 Abs. 1 GWB auf Antrag des Bieters, der den Anforderungen des Abs. 2 genügen muss, zunächst über die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags. Ist dieser zulässig und nicht offensichtlich unbegründet, stellt die Vergabekammer ihn dem öffentlichen Auftraggeber zu (§ 110 Abs. 2 S. 1 GWB). Damit wird das Zuschlagserteilungsverbot des § 115 Abs. 1 GWB ausgelöst, d. h. der über das Nachprüfungsverfahren in Kenntnis gesetzte Auftraggeber darf den Zuschlag – zunächst – nicht an den präferierten Bieter erteilen. Diesem Zuschlagsverbot kommt entscheidende Bedeutung zu, weil gem. § 114 Abs. 2 S. 1 GWB ein Zuschlag nicht durch die Vergabekammer aufgehoben werden kann und deshalb nach bislang allgemeiner Auffassung die Erteilung des Zuschlags zur Erledigung des Nachprüfungsverfahrens führt88. Gelangt die Vergabekammer schließlich in der folgenden materiellen Prüfung, in welcher sie gem. § 114 Abs. 1 S. 2 GWB nicht an die gestellten Anträge gebunden ist, zu der Überzeugung, dass tatsächlich eine Rechtsverletzung stattgefunden hat, so trifft sie gem. § 114 Abs. 1 und 2 GWB bis zur Erteilung des Zuschlags geeignete Maßnahmen, um die Rechtsverletzung zu beseitigen bzw. um eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Diese Entscheidung ergeht gem. § 114 Abs. 3 S. 1 GWB in Form eines Verwaltungsakts mit der Folge der Vollstreckbarkeit nach den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen des Bundes und der Länder. Allerdings kann der öffentliche Auftraggeber gem. § 115 Abs. 1 S. 2 GWB vor der Vergabekammerentscheidung i. S. d. § 114 Abs. 3 GWB einen Antrag auf Gestattung des Zuschlags und damit zur Beseitigung des oben beschriebenen Zuschlagsverbots (§ 115 Abs. 1 GWB) stellen, über den die Vergabekammer i.R.e. Interessenabwägung entscheidet. Gestattet sie den Zuschlag, ist der Antragsteller gem. § 115 Abs. 2 GWB wiederum berechtigt, beim zuständigen Oberlandesgericht einen Antrag auf Wiederherstellung des Zuschlagsverbots zu stellen. Lehnt sie hingegen den Antrag auf Gestattung der Zuschlagserteilung ab, steht gem. § 115 Abs. 3 GWB dem öffentliche Auftraggeber das Recht zu, sich mit selbigem Anliegen an das Oberlandesgericht zu wenden89. Dieses entscheidet in beiden Fällen ebenfalls aufgrund einer Interessenabwägung. 2. Das Verfahren vor dem Oberlandesgericht Gegen die Hauptsacheentscheidung der Vergabekammer – oder deren fünfwöchige Untätigkeit (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1, § 116 Abs. 2 GWB) – kann jede Partei 88 Es handelt sich insofern um eine inzidente Sicherungsanordnung i. S. d. § 123 VwGO, mittels derer die Absicht zur Zuschlagserteilung vorläufig untersagt wird, vgl. Schoch in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 123 Rdn. 79; Willenbruch, NVwZ 1999, S. 1062, 1064. 89 Willenbruch, NVwZ 1999, S. 1062, 1063 spricht von einem „Ping-Pong-Rechtsmittel“.

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Kap. 3: Grundlagen des vergaberechtlichen Rechtsschutzsystems

gem. § 116 i.V.m. § 117 GWB innerhalb einer zweiwöchigen Notfrist sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht einlegen, das zu diesem Zweck gem. § 116 Abs. 3 S. 2 GWB einen eigenen Vergabesenat einrichtet90. Jene Beschwerde, die schriftlich sowie mit Begründung und Unterschrift eines postulationsfähigen Anwalts (vgl. §§ 117 Abs. 2 u. 3, 120 Abs. 1 GWB)91 beim Beschwerdegericht einzulegen ist, suspendiert die Entscheidung der Vergabekammer. Damit wird nach überwiegender Auffassung auch das erstinstanzliche Zuschlagsverbot (§ 115 Abs. 1 GWB) verlängert, wobei die dogmatische Begründung umstritten ist92. Zwar entfällt dieser Suspensiveffekt gem. § 118 Abs. 1 S. 2 GWB zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist, um Verzögerungen im Vergabeverfahren zu vermeiden. Doch kann der Bieter gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung bis zur Entscheidung des Oberlandesgerichts verlangen. Hierüber entscheidet das Beschwerdegericht aufgrund einer summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache und / oder93 einer Interessenabwägung (§ 118 Abs. 2 GWB). Die Hauptssacheentscheidung des Oberlandesgerichts ergeht schließlich durch Beschluss, indem es die Entscheidung der Vergabekammer entweder bestätigt oder aufhebt und letzterenfalls die Sache selbst entscheidet oder an jene zurückverweist (§ 123 GWB). Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss besteht nicht94. Auch im Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht kann der Auftraggeber die vorzeitige Zuschlagsgestattung beantragen (§ 121 Abs. 1 GWB). Der Entscheidungsmaßstab des Beschwerdegerichts beschränkt sich wie bei der Entscheidung über die Verlängerung des Suspensiveffekts auf die Prognose der Erfolgsaussichten und / oder eine Interessenabwägung. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht zulässig (§ 121 Abs. 4 GWB).

II. Der vorbeugende Charakter des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes Nach alledem bietet das vergaberechtliche prozessuale Durchsetzungssystem auf diesen ersten Blick umfassenden Primärrechtsschutz. Wie sich aus folgender Überlegung ergibt, muss dieser aber regelmäßig vorbeugend geltend gemacht werden95. 90 Vgl. dazu Breloer, Europäische Vorgaben und deutsches Vergaberecht, S. 66 ff.; Hunger in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 116 GWB Rdn. 41 (Schaubild); Wilke, NZBau 2005, S. 326 ff. 91 Der Anwaltszwang gilt nicht für juristische Personen des öffentlichen Rechts. 92 Vgl. Kap. 5 C. I. 1. 93 Dies ist umstritten, vgl. Kap. 5 C. II. 2. b). 94 Das OLG kann nur im Falle einer Divergenz (vgl. § 124 Abs. 2 GWB) die Sache dem BGH vorlegen.

B. Das prozessuale Durchsetzungssystem

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Das subjektive Recht auf Zuschlagserteilung auf das wirtschaftlichste Angebot gem. § 97 Abs. 7 i.V.m. Abs. 5 GWB wird offenkundig erst durch die Zuschlagserteilung verletzt96. Auch der Anspruch gem. § 97 Abs. 7 GWB auf Einhaltung der formell-rechtlichen Vergabebestimmungen entsteht faktisch meist erst nach Erteilung des Zuschlags, da die erforderliche kausale Verletzung der materiellen Rechtsposition häufig dadurch erfolgt oder zumindest erst danach nachweisbar ist97. Zusammenfassend ist für die Verletzung des vergaberechtlichen subjektiven Rechts respektive die Erkennbar- und Beweisbarkeit derselben der Zeitpunkt der Zuschlagserteilung maßgebend. Ähnliches gilt für die prozessuale Möglichkeit der Geltendmachung dieser Rechtsverletzung. Denn der gem. § 107 Abs. 2 GWB für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags erforderliche Schaden liegt regelmäßig in der Nichterteilung des Zuschlags oder der erheblichen Schmälerung der Chancen auf die Zuschlagserteilung, die sich indes häufig erst nach der Erteilung belegen lassen98. Wie bereits angedeutet, zieht nach bislang allgemeiner Auffassung die Zuschlagserteilung jedoch die Erledigung des Primärrechtsschutzes nach sich. Folglich müssen die Primärrechtsschutzansprüche vorbeugend geltend gemacht und muss die Zuschlagserteilung an einen Konkurrenten vorbeugend verhindert werden99. Insoweit liegt dem Rechtsschutzbegehren die Konzeption der vorbeugenden verdrängenden Konkurrentenklage100 zugrunde. Das für vorbeugenden Rechtsschutz wegen seines Eingriffs in den Bereich der Exekutive und damit in den Gewaltenteilungsgrundsatz erforderliche qualifizierte Rechtsschutzbedürfnis101 ist mit Blick auf ebenjene Erledigungswirkung, die eine Irreparabilität der Zuschlagserteilung verursacht, evident gegeben. Entsprechend genügt gem. § 107 Abs. 2 GWB ein drohender Schaden. Verfassungskonform zu modifizieren ist diese Norm 95 In diese Richtung auch Boesen, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 42; Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 486; Kling, NZBau 2003, S. 23, 24; Willenbruch, NVwZ 1999, S. 1062, 1063 f. Es handelt sich jedoch insoweit um einen „unechten“ vorbeugenden Rechtsschutz, da Primärrechtsschutz vor den Vergabekammern grundsätzlich erst nach Beginn eines Vergabeverfahrens statthaft ist, vgl. BayObLG, VergabeR 2002, S. 244, 246; OLG Düsseldorf, VergabeR 2002, S. 404, 409. Vgl. zu echtem vorbeugenden Rechtschutz gem. §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 BGB Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 493; Kullack in: Heiermann / Riedl / Rusam, VOB, § 97 GWB Rdn. 94 f. 96 Vgl. Kap. 3 A. II. 2. a) und b). 97 Vgl. Kap. 3 A. II. 2. b). 98 Vgl. Kap. 3 A. II. 2. Insofern nähert sich das „Vergabeprozessrecht“ dem Verwaltungsprozessrecht an, als dieses ein Vorgehen allein gegen die materielle Sachentscheidung zulässt (§ 44a VwGO). 99 Ebenso wohl Wirner, LKV 2005, S. 293, der nur die Zuschlagsentscheidungsabsicht als im Nachprüfungsverfahren korrigierbar ansieht. 100 Vgl. dazu Wernsmann, DV 36 (2003), S. 67, 68 ff. 101 BVerwG, DVBl. 2000, S. 636, 637; Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 226; Lorenz, Verwaltungsprozessrecht, § 24 Rdn. 4, 7 ff.; Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 278.

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Kap. 3: Grundlagen des vergaberechtlichen Rechtsschutzsystems

allerdings insoweit, als die drohende Verletzung subjektiver Bieterrechte genügen muss102. Diese Beschränkung auf vorbeugenden Rechtsschutz wird vielfach verkannt oder bleibt zumindest unerwähnt. Dies beruht vor allem auf der – falschen – Unterstellung, nicht die Zuschlagserteilung, sondern die gem. § 13 VgV zwei Wochen vor dieser bekanntzugebende Zuschlagsentscheidung sei Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens103. Zum einen gibt die so genannte Vorabinformation gem. § 13 VgV nicht die Zuschlagsentscheidung, sondern lediglich die Zuschlagsentscheidungsabsicht bekannt104. So ist in der Gesetzesbegründung zu § 13 VgV von der „Information des Auftraggebers über den beabsichtigten Zuschlag“ die Rede und der Wortlaut der Norm selbst verpflichtet zur Information derjenigen „Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen“. Zudem wäre sonst die anerkannte Aufrechterhaltung der Rügeobliegenheit des Bieters gem. § 107 Abs. 3 GWB auch nach dieser Vorabinformation sinnlos. Zum anderen zieht die Zuschlagsentscheidung allein mangels Außenwirkung regelmäßig keine – im deutschen Recht erforderliche – Verletzung eines subjektiven Rechts nach sich105. Wenn der EuGH auf die Zuschlagsentscheidung abstellt, ist zu berücksichtigen, dass das Gemeinschaftsrecht keinen Individualrechtsschutz gewährt, sondern von einem System der Interessenklage geprägt ist, in dem keine subjektive Rechtsverletzung erforderlich ist, sondern bereits eine die Interessen des Einzelnen berührende Entscheidung ausreicht106.

III. Die Überprüfbarkeit der Vergabeentscheidung Den Abschluss dieses einführenden Kapitels bildet die Frage der Kontrolldichte der vergaberechtlichen Nachprüfung der Vergabeentscheidung107. Bedeutung er102 In diese Richtung auch BVerfG, VergabeR 2004, S. 597, 599. A.A. OLG Naumburg, NZBau 2004, LS 1 sowie S. 62, 63. 103 So Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 147. 104 Ebenso Wirner, LKV 2005, S. 293. 105 Vgl. Kap 3 A. II. 2. Dies verkennt Kus, NJW 2000, S. 544, 545, der jedes Verhalten der Vergabestelle unabhängig von seiner rechtlichen Qualifizierung als nachprüfbar ansieht; auch Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 147 bezeichnet die „Entscheidung“ als justiziabel. 106 Außerdem hat der EuGH von einer dem Vertragsschluss vorangehenden Frage gesprochen, nämlich mit welchem Bieter der Auftraggeber den Vertrag schließen will, die einer Nachprüfung zugänglich sein müsse. Dabei hat er (anders als das deutsche Kartellvergaberecht, vgl. Kap. 6 A. IV.1.) seiner Entscheidung die Vorstellung eines zweistufigen Zuschlagssystems zugrundegelegt (vgl. Ax, BauR 2000, S. 471, 475; Breloer, Europäische Vorgaben und deutsches Vergaberecht S. 105 f.), auch wenn er diese Konstruktion nicht für zwingend erforderlich hält. Ein zweistufiges Zuschlagssystems zeichnet sich indes durch eine Trennung von Zuschlag und Vertragsschluss aus, wobei im Zuschlag die abschließende Entscheidung des Auftraggebers zum Ausdruck kommt. Dieser Entscheidung des EuGH ist somit nicht die zwingende Überprüfbarkeit der bloßen Entscheidung zu entnehmen.

B. Das prozessuale Durchsetzungssystem

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langt diese Frage vor allem mit Blick auf die oben erwähnten Entscheidungsspielräume des Auftraggebers bei der Bewertung der Bieter und deren Angebote108. Wahl und Gewichtung der Bewertungskriterien unterliegen – abgesehen von der Frage der Zulässigkeit einzelner Kriterien – anerkanntermaßen keiner Vergabekontrolle109. Unklar ist indes die Kontrolldichte hinsichtlich der Bewertung des wirtschaftlichsten Angebots anhand dieser Kriterien. Vielfach wird auf eine beschränkte Überprüfbarkeit abgestellt. Zur Begründung werden die verwaltungsrechtlichen Auffassungen zum Beurteilungsspielraum110 herangezogen, die, reduziert man sie auf „den kleinsten gemeinsamen Nenner“, jedenfalls für bestimmte Fallgruppen111 nur eine beschränkte Überprüfbarkeit vorsehen. Durch die Subsumtion der vergaberechtlichen Wirtschaftlichkeitsbewertung unter eine dieser Fallgruppen wird sodann die beschränkte Überprüfbarkeit dieser Bewertung festgestellt. Zum einen geht jedoch schon der Vergleich mit dem verwaltungsrechtlichen Beurteilungsspielraum fehl. Denn diesem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Verwaltung zur eigenverantwortlichen Entscheidung zwischen mehreren „richtigen“ Lösungen ermächtigt sei112. Die Optimierungsfunktion des § 97 Abs. 5 GWB anerkennt dagegen nur eine rechtmäßige Vergabeentscheidung, nämlich die Erteilung auf das wirtschaftlichste Angebot. Zudem strebt das neue Vergaberecht zum Schutz von Wettbewerb und Chancengleichheit gerade eine verstärkte Überprüfbarkeit der Auftragsvergaben an. Zum anderen überzeugen die Subsumtionsversuche unter die erwähnten Fallgruppen in keiner Weise. Einer vorgeschlagenen Subsumtion unter die Fallgruppe 107 Wenn im Folgenden bzgl. der Kontrolldichte auf die „Vergabeentscheidung“ abgestellt wird, ergibt sich kein Widerspruch zu den vorherigen Ausführungen. Überprüfbar ist die Entscheidung, während die Verletzung durch die Umsetzung dieser Entscheidung – typischerweise durch die Zuschlagserteilung – erfolgt. Zu der nach wie vor umstrittenen Frage der gerichtlichen Kontrolldichte bei Ermessens- und Beurteilungsspielräumen im Verwaltungsrecht vgl. Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 252 f. 108 Vgl. Kap. 3 A. II. 3. b). 109 Opitz, BauR 2000, S. 1564, 1570. 110 Der überwiegende Teil der Literatur geht im Anschluss an die von Bachof, JZ 1955, S. 97 ff. entwickelte Lehre vom Beurteilungsspielraum von einer nur eingeschränkten Überprüfbarkeit der sog. unbestimmten Rechtsbegriffe aus, fordert allerdings eine entsprechende normative Ermächtigung zur abschließenden Bewertung durch das Gesetz, vgl. nur Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 180 ff. Auf eine eingehende Darstellung der zahlreichen Unterströmungen soll hier verzichtet werden. Die Rechtsprechung (z. B. BVerwGE 94, S. 307, 309 f.; E 100, S. 221, 225) geht von einer grundsätzlichen Überprüfbarkeit aus und sieht Ausnahmen nur in besonders begründeten Fällen, vgl. die folgende Fn. 111). 111 Es handelt sich vor allem um Prüfungsentscheidungen; Prüfungsähnliche Entscheidungen; Beamtenrechtliche Beurteilungen; Wertentscheidungen durch weisungsfreie, pluralistisch besetzte Ausschüsse; Prognoseentscheidungen und Risikobewertungen. Vgl. zum Ganzen Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 7 Rdn. 31 ff., insbes. 37 ff. 112 Vgl. nur Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 7 Rdn. 32.

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Kap. 3: Grundlagen des vergaberechtlichen Rechtsschutzsystems

der Prognoseentscheidungen113 stehen insoweit Bedenken entgegen, als diese die Bewertung wirtschaftlicher Gesamtzusammenhänge und nicht einzelwirtschaftliche Rentabilitätsprognosen umfasst. Außerdem werden Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen – z. B. bzgl. Nutzungsdauer und Betriebskosten des Beschaffungsgegenstands – zur Minimierung der Auftraggeberrisiken sinnvollerweise auf den Bieter übertragen, so dass die Prognose in der Kalkulation des Bieterangebots aufgeht und der Auftraggeber, dessen „Prognosegrundlage“ die eingegangenen Angebote sind, gar keine Wahrscheinlichkeitsbetrachtung vorzunehmen braucht114. Auch die Einordnung der vergaberechtlichen Wirtschaftlichkeitsbewertung in die Fallgruppe „Prüfungsentscheidungen“ mit der Begründung, dort sei ebenfalls die Zuordnung einer Leistung in ein vorgegebenes Bewertungssystem vorzunehmen, ist mit dem Hinweis auf die fehlende Situationsgebundenheit der vergaberechtlichen Prüfung zurückzuweisen. Entscheidend ist nicht die von allen Bewerbern in einer bestimmten Situation erbrachte Leistung, sondern ein situationsunabhängiges Angebot. Von einer Wiederholung der Angebotswertung wären daher alle Bieter gleichermaßen betroffen, so dass – im Gegensatz zu situationsabhängigen Prüfungen – die Chancengleichheit gewahrt bliebe115. Insoweit ist eine beschränkte Überprüfbarkeit nicht zu rechtfertigen. Insbesondere vor dem erwähnten Hintergrund einer angestrebten verstärkten Überprüfbarkeit der Vergabeentscheidungen ist mithin von einer vollumfänglichen Nachprüfbarkeit der Vergabeentscheidung auszugehen116.

In diese Richtung, wenngleich differenzierend, Schwarze, EuZW 2000, S. 133, 143. Vgl. Opitz, BauR 2000, S. 1564, 1570 f. 115 Ähnlich Opitz, BauR 2000, S. 1564, 1570. Kritisch dazu Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 560 f. 116 Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 97 Rdn. 150; Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht § 97 GWB Rdn. 30. 113 114

Kapitel 4

Die Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung Der Einführung in das vergaberechtliche Primärrechtsschutzsystem schließt sich die Frage an nach dessen Kommensurabilität mit den verfassungs- und europarechtlichen Rechtsschutzvorgaben für einen vorrangigen Primärrechtsschutz. Als Schwachstelle hat sich bereits die Zuschlagserteilung herauskristallisiert, die nach allgemeiner Auffassung irreversibel sein und deshalb zur Erledigung des Vergabeprimärrechtsschutzes führen soll1. Diese Schwachstelle ist zunächst vor allem dahingehend zu untersuchen, ob sie notwendige Konsequenz der aktuellen gesetzlichen Vergabebestimmungen ist [A.]. Sodann ist der Frage nachzugehen, unter welchen Voraussetzungen diese Primärrechtsschutzbeschränkung gerechtfertigt sein kann [B.].

A. Die Zuschlagserteilung und ihre Konsequenzen § 114 Abs. 2 S. 1 GWB bestimmt, dass „Ein bereits erteilter Zuschlag ( . . . ) nicht aufgehoben werden“ kann und anerkennt in S. 2 die Zuschlagserteilung als einen Erledigungsgrund für das Nachprüfungsverfahren2. Begründet wird dies damit, dass „mit dem Zuschlag . . . das Vergabeverfahren beendet und zugleich der Vertrag zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer geschlossen (wird). Eine Aufhebung dieses Vertrags ist nicht möglich, so dass mit dem Zuschlag ein Streit um die Rechte nach § 106 (§ 97 Abs. 7 GWB) erledigt ist“3. Der Gesetzgeber scheint damit in § 114 Abs. 2 S. 1 GWB lediglich eine Schlussfolgerung aus der geltenden Gesetzeslage gezogen und festgeschrieben zu haben. Mit dem abschließenden4 Nachprüfungsverfahren erledigt sich allerdings zugleich die einzige Möglichkeit zur Erlangung vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes. Folglich wird die nicht aufhebbare Zuschlagserteilung als zeitliche GrenVgl. Kap. 3 B. I. 1. Nach Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 20, gilt § 114 Abs. 2 GWB auch dort, wo die maßgebliche Verdingungsordnung den Begriff des Zuschlags gar nicht vorsieht, da der Begriff des Zuschlags in § 114 Abs. 2 GWB nichts anderes bedeute als die Annahme des Vertragsangebots eines bestimmten Bieters. 3 BT-Drucks. 13 / 9340, S. 19. 4 Vgl. § 104 Abs. 2 GWB sowie Kap. 3 B. I. 1 2

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Kap. 4: Die Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung

ze für die Geltendmachung von Primärrechtsschutz angesehen. Ab diesem Zeitpunkt sollen etwaige Rechtsverletzungen nur noch zur Geltendmachung von Sekundärrechtsschutzansprüchen vor ordentlichen Gerichten führen5. Diese Primärrechtsschutzbeschränkung beeinträchtigt das Recht auf effektiven vorrangigen Primärrechtsschutz. Insofern ist von nicht unerheblichen Interesse, ob und inwiefern § 114 Abs. 2 GWB tatsächlich eine reine Schlussfolgerung aus der geltenden Gesetzeslage ist oder ob es sich vielmehr um ein eigenständiges vergaberechtliches Prinzip handelt, das einer eigenen Rechtfertigung bedarf. Verständlich werden diese normierten „Schlussfolgerungen“ vor dem Hintergrund der rechtlichen Dogmatik der Auftragsvergabe6. Deshalb wird zunächst die rechtliche Struktur der Zuschlagserteilung erläutert [I.]. Daraufhin wird der Frage nachgegangen, warum § 114 Abs. 2 S. 1 GWB die Nichtaufhebbarkeit der erfolgten Zuschlagserteilung normiert [II.]. In einem dritten Abschnitt werden die Folgen dieser Irreversibilität für das Nachprüfungsverfahren untersucht [III.].

I. Zivilrechtlicher Vertragsschluss durch den Zuschlag als Annahmeerklärung Ziel der Auftragsvergabe ist die Erteilung eines öffentlichen Auftrags. Gem. § 99 Abs. 1 GWB sind öffentliche Aufträge „entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen“. Maßgebend für die Ermittlung der Dogmatik der Auftragsvergabe ist damit zunächst die rechtliche Qualifizierung dieses Vertrags [1.]. Danach ist mit Blick auf den angestrebten Vertragsschluss die Funktion des Zuschlags7 zu prüfen, der gem. § 97 Abs. 5 GWB „auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt“ wird [2.].

1. Die zivilrechtliche Einordnung der Auftragsvergabe Traditionell qualifizieren – in Deutschland8 – Rechtsprechung9 und herrschende Lehre10 die Auftragsvergabe als zivilrechtlichen Vertrag. Nur vereinzelt wird daneMüller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 104 GWB Rdn. 3. Vielfach wird entgegengesetzt vorgegangen, indem die Regel des § 114 Abs. 2 S. 1 GWB zum Ausgangspunkt genommen und damit u. a. der pacta-sunt-servanda-Grundsatz erklärt wird, vgl. Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 511; Hailbronner, NZBau 2002, S 474, 475. 7 Der Begriff des Zuschlags ist im Vergaberecht nicht legaldefiniert. Vergaberechtliche Bedeutung findet der „Zuschlag“ nur im offenen und nicht-offenen Verfahren; im Verhandlungsverfahren hingegen wird vom „Auftrag“ gesprochen, vgl. Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 67 Fn. 226; Rusam in: Heiermann / Riedl / Rusam, VOB, § 28 VOB / A Rdn. 1. Die hier maßgeblichen Regeln werden allerdings entsprechend angewandt. 8 Vorwiegend in den Staaten des romanischen Rechtskreises unterliegt das öffentliche Auftragswesen hingegen dem öffentlichen Recht. In Frankreich, Spanien und Portugal ist 5 6

A. Die Zuschlagserteilung und ihre Konsequenzen

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ben eine Einordnung als öffentlich-rechtlicher Vertrag vorgenommen11. Die ebenfalls vereinzelten Stimmen, die eine zweistufige Konstruktion favorisier(t)en und dafür zwischen einer einseitigen staatlichen Vergabeentscheidung in Form eines Verwaltungsakts auf erster Stufe und dem anschließenden Vertragsschluss auf zweiter Stufe differenzier(t)en 12, sind dagegen für die Vergabe oberhalb der Schwellenwerte nach der Einführung der bereits erwähnten Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV13 weitgehend verstummt. Eine Auseinandersetzung mit dieser Problematik ist zunächst nicht erforderlich14. Denn Untersuchungsgegenstand ist hier der Grund für die gesetzliche Normierung der Nichtaufhebbarkeit des Zuschlags (§ 114 Abs. 2 S. 1 GWB) und der darauf zurückzuführenden Erledigung des Nachprüfungsverfahrens (§ 114 Abs. 2 S. 2 GWB). Insofern ist allein die Vorstellung des Gesetzgebers maßgebend. Dieser geht in der Begründung zu § 99 GWB explizit von einer zivilrechtlichen Qualifizierung der „öffentlichen Aufträge“ aus und verweist überdies auf eine entsprechende Bewertung durch die Vergaberichtlinien 15. Dem Kartellvergaberecht – und insofern auch der vorliegenden Untersuchung – liegt mithin die Qualifizierung der Auftragsvergabe als (einstufiger) zivilrechtlicher Vertrag zugrunde.

sowohl das Vergabeverfahren als auch der Vertrag zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer dem öffentlichen Recht zuzuordnen. In den meisten anderen Mitgliedstaaten des romanischen Rechtskreises unterliegen nur die Vergabeverfahren und die sich hieraus ergebenden Rechtsstreitigkeiten dem öffentlichen Recht, während der Vertrag vom Zivilrecht bestimmt wird. In vielen nördlichen europäischen Staaten hingegen (Großbritannien, Niederlande, Dänemark, Luxemburg, Irland) untersteht das öffentliche Auftragswesen dem Privatrecht. Vgl. dazu Prieß / Hausmann, EuR 1999, S. 203, 208 ff. 9 Statt vieler BGHZ 97, S. 312, 316. Abweichend allein der jüngste Beschluss des OVG Koblenz, NZBau 2005, S. 411, 412, allerdings bezogen auf die Auftragsvergabe unterhalb der Schwellenwerte. 10 Boesen, Vergaberecht, Einl. Rdn. 3; Kus, NJW 2000, S. 544, 545 f.; Marx in: Jestaedt / Kemper / Marx / Prieß, Auftragsvergabe, S. 144; Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427, 456 f.; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, Vorb. zu §§ 97 – 101 Rdn. 6 ff.; Rittner, ZHR 152 (1988), S. 318, 322 ff.; Stelkens / Stelkens in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, § 35 Rdn. 70 ff. 11 So Burmeister, VVDStRL 52 (1993), S. 190, 229 Fn. 91; Kadelbach, Allg. Verwaltungsrecht, S. 360 ff.; Schlette, Verwaltung als Vertragspartner, S. 148 ff.; Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266, 314 f. Jedenfalls für eine Zuordnung zum öffentlichen Recht v. Zezschwitz, NJW 1983, S. 1873, 1877; Zuleeg, WiVerw 1984, S. 112, 115. 12 Hermes, JZ 1997, S. 905, 914 f.; Huber, JZ 2000, S. 877, 881 f.; Kopp, BayVBl 1980, S. 609 ff.; Pernice / Kadelbach, DVBl. 1996, S. 1100, 1106; Triantafyllou, NVwZ 1994, S. 943, 946; Willenbruch, NVwZ 1999, S. 1062 f. Für die Anwendung der Zweistufentheorie auf die Auftragsvergabe unterhalb der Schwellenwerte OVG Koblenz, NZBau 2005, S. 411, 412 m. w. N. 13 Vgl. dazu Kap. 4 B. I. und eingehend Kap. 5 A. 14 Vgl. dazu Kap. 6 A. IV. I. 15 BT-Drucks. 13 / 9340 S. 15. Die Bezeichnung „öffentlicher Auftrag“ ist insofern irreführend.

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Kap. 4: Die Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung

2. Die zivilrechtliche Funktion der Zuschlagserteilung Dementsprechend ist die Ausschreibung des Auftrags als invitatio ad offerendum, das Bieterangebot als Angebot auf Abschluss des zivilrechtlichen Vertrags (§ 145 f. BGB) und der Zuschlag als Annahme dieses Angebots durch den Auftraggeber (§§ 147 f. BGB) zu bewerten16. Insofern orientiert sich der vergaberechtliche Zuschlagsbegriff an § 156 BGB17, unterscheidet sich allerdings von diesem in der Empfangsbedürftigkeit der vergaberechtlichen Annahmeerklärung. Denn die Zuschlagserteilung erschöpft sich nicht im innerorganisatorischen Akt der Zuschlagsentscheidung, sondern verlangt als empfangsbedürftige Willenserklärung gem. § 130 Abs. 1 BGB den Zugang beim erfolgreichen Bieter18, sei es mit dem Zugang des Zuschlagsschreibens, sei es mit Zugang der Miteilung über den erfolgten Zuschlag beim Bieter. Zudem wird als Zuschlag nur die „echte“, also unmittelbar zum Vertragsschluss führende Annahmeerklärung anerkannt19. Zuschlagserteilung und Vertragsschluss fallen somit regelmäßig zusammen20. Durch die Zuschlagserteilung wird die zu beauftragende Leistung tatsächlich und rechtlich vergeben21. 16 Kaelble, ZfBR 2003, S. 657, 658 f.; Reidt, BauR 2000, S. 22; Waldner, Bieterschutz, S. 168; Wegmann, NZBau 2001, S. 475 f. A.A. Gröning, WRP 2000, S. 49, 50, der den Zuschlag als Vertragsschluss selbst ansieht. Vgl. auch § 28 Nr. 2 VOB / A, wonach mit der Zuschlagserteilung der Vertrag nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen abgeschlossen ist. Dementsprechend wird die bloße Information an den Bieter, dass ihm der Auftrag erteilt werde, allerdings die Auftragssumme und die einzelnen Auftragsbestandteile einer späteren schriftlichen Mitteilung vorbehalten bleiben, für die Qualifizierung als Zuschlagserteilung ebenso als unzureichend betrachtet wie die interne Willensbildung und –entscheidung des Auftraggebers, vgl. Kullack in: Heiermann / Riedl / Rusam, VOB, § 114 GWB Rdn. 24; Reidt, BauR 2000, S. 22. 17 Der Begriff des Zuschlags wird im Vergaberecht nicht erläutert und ist auch im Zivilrecht mit Ausnahme der § 156 BGB, § 817 ZPO und §§ 79 ff. ZVG unbekannt. 18 BGH, VergabeR 2004, S. 201, 203; Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 68; Kus, NJW 2000, S. 544 f. Der Unterschied zu § 156 BGB erklärt sich daraus, dass der vergaberechtliche Zuschlag i.d.R. unter Abwesenden erteilt wird, vgl. Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 114 Rdn. 23. 19 Vgl. BGH, VergabeR 2004, S. 201, 205; Otting, VergabeR 2003, S. 604 f.; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 22. Demzufolge stellt eine das Bieterangebot abändernde Annahmeerklärung i. S. d. § 150 Abs. 2 BGB keinen Zuschlag im vergaberechtlichen Sinn dar (BayObLG, VergabeR 2001, S. 55, 57; Thüringer OLG, VergabeR 2002, S. 543; Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 114 Rdn. 22; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 26; a.A. Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 114 GWB Rdn. 15 mit Verweis auf VgK Münster, Beschl. vom 14. 10. 1999, VK 1 / 99, S. 14). Bei beurkundungsbedürftigen Rechtsgeschäften soll der Zuschlag sogar erst mit der Beurkundung bzw. mit Vollzug des beurkundungsbedürftigen Rechtsgeschäfts erteilt sein, vgl. Reidt, BauR 2000, S. 22. 20 Vgl. BT-Drucks. 13 / 9340 S. 19 sowie BR-Drucks. 455 / 00 S. 18 f.; Boesen, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 35 f.; ders., EuZW 1998, S. 551, 553; Byok in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 1075; Kus in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 47; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 24 ff. 21 Reidt, BauR 2000, S. 22.

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II. Die Folgen der Qualifizierung als zivilrechtlicher Vertrag für die (Nicht-)Aufhebbarkeit der Zuschlagserteilung Infolge dieser zivilrechtlichen Einordnung von Auftragsvergabe und Zuschlagserteilung sind für die öffentlichen Aufträge die Grundsätze des zivilrechtlichen Vertragsrechts heranzuziehen. Aus diesen ergeben sich Vorgaben für die Aufhebbarkeit von Verträgen [1.] und damit von öffentlichen Aufträgen [2.], allerdings vorausgesetzt, dass diese auch wirksam sind [3.]. 1. Die grundsätzliche Nichtaufhebbarkeit zivilrechtlicher Verträge Durch einen zivilrechtlichen Vertrag gestalten – regelmäßig zwei – Personen einvernehmlich ihr privates Rechtsverhältnis zueinander. Diese Vertragsfreiheit ist Ausdruck ihrer verfassungsrechtlich garantierten Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG) und in der Zivilrechtsordnung – unter dem Vorbehalt der Einhaltung vorgegebener Wirksamkeitsvorschriften – anerkannt und umgesetzt worden. Sie umfasst den (Nicht-)Abschluss und die Gestaltung privatrechtlicher Verträge ebenso wie den Bestand des abgeschlossenen Vertrags22. Folge dieses Bestandsschutzes ist die grundsätzliche Nichtaufhebbarkeit des Vertrags. Daneben findet sich das grundsätzliche Verbot der Aufhebbarkeit zivilrechtlicher Verträge in dem Grundsatz „pacta sunt servanda“ begründet. Dieser ist zwar an keiner Stelle ausdrücklich normiert23, gehört jedoch zu den allgemeinen Rechtsgedanken und ist jedem Rechtsgebiet inhärent24. Er ergibt sich – neben seiner historischen Entwicklung25 sowie dem Verweis auf die Prinzipien von Vertrauensschutz und Rechtssicherheit26 – aus dem Vertragsbegriff selbst: Infolge der Äußerung des Bindungswillens i.R.d. notwendigen Einigung auf der einen und der Rezeption der vertraglichen Handlungsform in der Rechtsordnung, die dem Vertrag Rechtskraft verleiht, auf der anderen Seite ist dem Vertrag das Dogma seiner Verbindlichkeit immanent27. Ausnahmen sind mit Blick auf jene zwei VerbindlichDi Fabio in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdn. 101 f. Entgegen der überwiegenden Auffassung ist der pacta-sunt-servanda-Grundsatz auch nicht in § 114 Abs. 2 S. 1 GWB normiert. Diese Norm beschränkt lediglich infolge der Geltung des Grundsatzes die Befugnisse der Vergabekammer und grenzt damit die Kompetenzen der Primärrechtsschutzinstanzen von denen der Sekundärrechtsschutzinstanzen ab, vgl. BGH, VergabeR 2004, S. 201, 205. 24 Vgl. BVerfGE 34, S. 216, 230; BVerwGE 50, S. 137, 145; Macedo Weiß, Pacta sunt servanda, S. 146; Sangmeister, BB 1988, S. 609, 611. 25 Vgl. Sangmeister, BB 1988, S. 609, 610 f.: Seine Wurzeln bestehen u. a. im kanonischen Recht, das die Pflicht zur Vertragseinhaltung als Ausfluss des christlichen Gebots ansah, zu seinem eigenen Wort zu stehen, sowie in den deutschen Partikularrechten („Ein Mann, ein Wort“). 26 Vgl. Kap. 4 B. II. 3. a) bb). 27 Macedo Weiß, Pacta sunt servanda, S. 147. 22 23

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keitsursachen nur denkbar, wenn erstens die Parteien die Aufhebungsmöglichkeit gemeinsam vereinbaren oder vereinbart haben28, zweitens die Rechtsordnung ausnahmsweise einer Partei die einseitige Aufhebung erlaubt, oder drittens die Rechtsordnung den Vertrag für unwirksam erachtet. Im Übrigen folgt aus dem pacta-sunt-servanda-Grundsatz nicht nur das relative Verbot der einseitigen Aufhebbarkeit des Vertrags durch eine der Vertragsparteien29, sondern ein absolutes mit der Folge einer allgemeinen Unantastbarkeit des einmal wirksam geschlossenen Vertrags30. Das erklärt sich zum einen mit der Relativität des Vertrags, der allein der Gestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen den Vertragsparteien dient und keine unmittelbare Wirkung auf Dritte entfaltet (bzw. entfalten darf). Zum anderen folgt die insoweit absolute Verbindlichkeit aus der Anerkennung von Vertragsschluss und Vertragsinhalt durch die Rechtsordnung.

2. Die Auswirkungen dieser Grundsätze auf die (Nicht-)Aufhebbarkeit des Zuschlags Danach verbieten die Vertragsfreiheit und das pacta-sunt-servanda-Prinzip grundsätzlich die Aufhebung eines wirksam geschlossenen Vertrags durch Dritte. Dementsprechend hat der Gesetzgeber mit § 114 Abs. 2 S. 1 GWB die in Abs. 1 S. 1 GWB genannten Befugnisse der Vergabekammer zur Beseitigung der Rechtsverletzung und Verhinderung der Schädigung der betroffenen Interessen31 dahingehend beschränkt, dass ein „bereits erteilter Zuschlag ( . . . ) nicht aufgehoben werden“ kann. Nach eigenen Angaben hat er damit ein „Prinzip des deutschen Vergaberechts“32 festgeschrieben. Dass der Gesetzgeber als Gegenstand dieses Aufhebungsverbots den Zuschlag benennt, aber in der Gesetzesbegründung auf die Nichtaufhebbarkeit des Vertrags abstellt33, findet angesichts des dargelegten Unmittelbarkeitszusammenhangs34 zwischen Zuschlag und Vertragsschluss in Rechtsprechung und Literatur bislang kaum Beachtung35. 28 Vgl. Macedo Weiß, Pacta sunt servanda, S. 147 f. Denkbar ist z. B. die vorherige Vereinbarung eines Rücktrittsrechts für den Auftraggeber (vgl. OLG Schleswig, ZVgR 1999, S. 265). Derartige Vertragsauflösungsrechte spielen bislang in der Vergaberechtspraxis keine Rolle; vgl. dazu Kap. 6 A. IV. 2. b). 29 Macedo Weiß, Pacta sunt servanda, S. 89, 146. 30 Vgl. zur Wirkung gegenüber dem Gesetzgeber Sangmeister, BB 1988, S. 609, 612 mit Verweis auf BGH, NJW 1985, S. 3021. 31 Gem. § 123 S. 4 GWB gilt § 114 Abs. 2 S. 1 GWB entsprechend für das Beschwerdegericht. 32 So BT-Drucks. 13 / 9340, S. 19. 33 Vgl. BT-Drucks. 13 / 9340, S. 19: „Mit dem Zuschlag wird . . . zugleich der Vertrag zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer geschlossen. Eine Aufhebung dieses Vertrags ist nicht möglich. . .“. Vgl. auch BKartA, VergabeR 2001, S. 433, 435.

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Eine exakte Analyse des § 114 Abs. 2 S. 1 GWB, insbesondere seiner Begründung und seines Zwecks, zeigt jedoch, dass der Gesetzgeber bewusst auf die Zuschlagserteilung abstellt. Nach der Begründung wird „Mit dem Zuschlag . . . das Vergabeverfahren beendet und zugleich der Vertrag zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer geschlossen. Eine Aufhebung dieses Vertrags ist nicht möglich, so dass mit dem Zuschlag ein Streit . . . vor der Vergabekammer erledigt ist“36. Damit wird zunächst die bislang überwiegende Auffassung widerlegt, die in § 114 Abs. 2 S. 1 GWB die Normierung des pacta-sunt-servanda-Grundsatzes erblickt hat. Dieser ist nicht Inhalt, sondern Ursache des § 114 Abs. 2 S. 1 GWB. Denn die Begründung impliziert, dass der Zuschlag deshalb nicht aufgehoben werden kann, weil der Vertrag unaufhebbar ist. Diese gesetzliche Schlussfolgerung ist insoweit logisch, als durch die Aufhebung des Zuschlags die Vertragsannahmeerklärung und damit ein existenzieller Vertragsbestandteil wegfielen37. Sie zeigt jedoch darüber hinaus, dass der Gesetzgeber die Nichtaufhebbarkeit der Zuschlagserteilung im Gegensatz zu derjenigen des Vertrags nicht für selbstverständlich hielt, sondern sie – sogar als „Prinzip des deutschen Vergaberechts“38 – gesetzlich festgeschrieben sehen wollte. Der Grund dafür liegt in der kartellvergaberechtlichen Funktion der Zuschlagserteilung. Diese führt nicht nur – zivilrechtlich – als Vertragsannahmeerklärung unmittelbar zum Vertragsschluss, sondern auch – kartellvergaberechtlich – zur Beendigung des Vergabeverfahrens. Das Vergabeverfahren ist auf die Vergabe eines öffentlichen Auftrags durch Zuschlagserteilung und damit auf den Abschluss des Vergabevertrags gerichtet39. Es hat daher mit dem Vertragsschluss durch Zuschlagserteilung sein Ziel erreicht und soll, weil dieses Ziel nicht beseitigt werden kann, auch nicht mehr fortgeführt werden. Durch das Abstellen auf den Zuschlag i.R.d. § 114 Abs. 2 S. 1 GWB hat der Gesetzgeber somit klargestellt, dass weder der Vertrag noch die Vergabeverfahrensbeendigung aufgehoben werden können respektive dürfen. Auf diese Feststellung wird i.R.d. Erläuterungen zu der Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung zurückzukommen sein40.

34 Der Zuschlag ist die vergaberechtliche Form der unmittelbar zum Vertragsschluss führenden Annahme des Angebots eines bestimmten Bieters, vgl. Kap. 4 A. I. 2. 35 Gröning, WRP 2000, S. 49, 55 plädiert für eine entsprechende Gesetzestextänderung (auch bei §§ 115 Abs. 1 und 2, 118 Abs. 1 S. 3, 121 GWB). 36 Heraushebung durch den Verfasser. 37 Der Vertrag hat mit seinem Zustandekommen nicht notwendig eine Selbständigkeit erlangt, die eine spätere rückwirkende Aufhebung der Annahmeerklärung unbeachtlich sein lässt. Dies beweist die Normierung der Widerrufsrechte im BGB. 38 So die Begründung des Reg.-Entw. zum VgRÄG, BT-Drucks. 13 / 9340, S. 19. 39 Damit erklärt sich auch die obige Forderung, nur unmittelbar zum Vertragsschluss führende Vertragsannahmen als vergaberechtlichen Zuschlag anzuerkennen, vgl. Kap. 4 A. I. 2. 40 Vgl. Kap. 4 A. III. 2. u. 3.

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3. Die Voraussetzung der Wirksamkeit von Vertrag und Zuschlag Insoweit ist die obige These, § 114 Abs. 2 S. 1 GWB beinhalte lediglich eine Schlussfolgerung aus der bestehenden Gesetzlage41, nachvollziehbar. Allerdings gilt das zivilrechtliche Nichtaufhebbarkeitsdogma nicht für unwirksame Verträge. Soweit deshalb teilweise eine entsprechende Beschränkung des Aufhebungsverbots des § 114 Abs. 2 S. 1 GWB im Wege ergänzender Auslegung vorgeschlagen wird42, ist jedoch zu konstatieren, dass weder eine ausdrückliche Beschränkung auf wirksame Zuschläge noch eine auf solche, die zu wirksamen Verträgen führen, erforderlich ist. Denn unwirksame Zuschläge, zu denen auch solche „Zuschläge“ zu rechnen sind, die nicht zu wirksamen Verträgen führen – falls man sie überhaupt als vergaberechtlichen Zuschlag anerkennt43–, zeigen bereits aufgrund ihrer eigenen Unwirksamkeit rechtlich – und damit auch vergabeverfahrensrechtlich – keine Wirkung. Die Vergabekammer kann dann, ohne einen erteilten Zuschlag aufheben zu müssen, den Zuschlag selbst erteilen oder den Auftraggeber zur Fortsetzung des Vergabeverfahrens anweisen (§ 114 Abs. 1 S. 1 GWB)44. Damit stellt sich jedoch die Frage, in welchen Fällen überhaupt ein Vergabevertrag oder ein Zuschlag unwirksam ist. Diese ist insofern weiterführend, als die Problematik der – befürchteten45 – Erledigungswirkung des wirksam erteilten Zuschlags dann wesentlich entschärft wäre, wenn dieser sich vielfach, ja vielleicht sogar bei jedem Vergabeverstoß, als unwirksam herausstellte. Während für den Zuschlag wegen seiner zivil- und vergaberechtlichen Zwitterstellung Unwirksamkeitsgründe aus beiden Rechtsgebieten in Betracht kommen, sind für den zivilrechtlichen Vergabevertrag nur zivilrechtliche Unwirksamkeitsgründe, ggf. durch Vergabeverstöße ausgelöst, denkbar46. Zuschlagsspezifische Unwirksamkeitsgründe sind indessen nicht ersichtlich47. Dies verwundert insofern nicht, weil § 114 Abs. 2 S. 1 GWB die NichtaufhebbarVgl. Kap. 4 A. So Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 114 GWB Rdn. 15. 43 Vgl. Kap. 4 A. I. 2. 44 Gleichwohl dürfte eine „deklaratorische Aufhebung“, ähnlich wie die Anfechtung unwirksamer Verträge, rechtlich möglich sein. 45 Vgl. Kap. 4 A. III. 3. 46 Insbesondere sind die §§ 54 ff. VwVfG nicht anwendbar, vgl. Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 114 Rdn. 22; Kullack in: Heiermann / Riedl / Rusam, VOB, § 114 GWB Rdn. 25; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 25 ff. 47 Zwar besagt die Gesetzesbegründung zu § 115 GWB, dass ein trotz des Zuschlagsverbots i. S. d. § 115 Abs. 1 GWB „dennoch erteilter Zuschlag . . . als Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB nichtig“ ist. Damit dürfte indes gemeint sein, dass im Falle eines „dennoch erteilten Zuschlags“ der Vergabevertrag gem. § 134 BGB nichtig ist. Dafür spricht zum einen, dass die Anwendbarkeit des § 134 BGB auf einseitige Rechtsgeschäfte wie die Annahme (d. h.: der Zuschlag) umstritten ist, und zum anderen, dass der Gesetzgeber in Wortlaut und Begründung des § 13 S. 6 VgV auf die Nichtigkeit des Vertrags abstellt. I.E. ebenso Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 115 GWB Rdn. 2. 41 42

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keit von Zuschlägen festschreibt, aber diejenige von wirksamen Zuschlägen meint und damit augenscheinlich davon ausgeht, dass der Zuschlag regelmäßig wirksam ist. In Betracht kommen allerdings vergabevertragsspezifische zivilrechtliche Unwirksamkeitsgründe, auf die sich die folgende Darstellung konzentriert. Da sich die Frage der (Nicht-)Aufhebbarkeit und damit der (Un-)Wirksamkeit des Vertrags nur i.R.e. Nachprüfungsverfahrens als einzigem Rechtsweg stellt und der Bieter zur Beantragung eines solchen gem. § 107 Abs. 2 GWB eine „Nichtbeachtung von Vergabevorschriften“ geltend machen muss, sind in erster Linie unwirksamkeitsbegründende Vergabeverstöße von Interesse [a)]. Im Anschluss wird die Suche nach Unwirksamkeitsgründen auf vergaberelevante Verstöße gegen nicht-vergabegesetzliches einfaches Recht [b)] sowie höherrangiges Recht [c)] ausgeweitet. a) Unwirksamkeit aufgrund eines Verstoßes gegen bieterschützende Vergabevorschriften Aufgrund der zivilrechtlichen Einordnung der Auftragsvergabe kommen als vertragsspezifische Unwirksamkeitsgründe nur zivilrechtliche in Frage. Vor allem ist die Qualifizierung bestimmter Vergabeverbote als Verbotsgesetz i. S. d. § 134 BGB in Betracht zu ziehen [aa)]. Daneben ist zu untersuchen, ob ein Verstoß gegen bestimmte Vergaberegeln als sittenwidriges Verhalten i. S. d. § 138 Abs. 1 BGB auszulegen ist [bb)]. aa) Unwirksamkeit gem. § 134 BGB Bei Qualifizierung der Vergabebestimmungen als Verbotsgesetze i. S. d. § 134 BGB führte deren Missachtung zur Nichtigkeit des Vergabevertrags48. Eine solche Qualifizierung wird jedoch grundsätzlich aus formellen [(1)] oder materiellen [(2)] Gründen abgelehnt und nur in wenigen Ausnahmefällen anerkannt [(3)]. (1) Aberkennung der Verbotsgesetzeigenschaft aus formellen Gründen Teilweise wird dem Großteil der Vergaberegeln bereits aus formellen Gründen die Verbotsgesetzfähigkeit versagt, indem dafür das Vorliegen eines formellen Gesetzes verlangt wird. In Betracht kämen danach von vornherein nur die §§ 97 ff. GWB; die VgV sowie die Verdingungsordnungen wären hingegen ausgeschlossen49. Eine derartige Beschränkung kann jedoch § 134 BGB nicht entnommen werden. Vielmehr spricht er uneingeschränkt vom „Gesetz“, das in § 2 EGBGB als „jede Vgl. Antweiler, DB 2001, S. 1975, 1976. Byok / Jansen, BB 2003, S. 2301, 2303; Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 510. Für die Verdingungsordnungen Gröning, WRP 2000, S. 49, 53. 48 49

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Rechtsnorm“ legaldefiniert ist und damit Rechtsverordnungen wie die VgV sowie die Verdingungsordnungen erfasst50. Verfassungsrechtlichen Bedenken, die mit Blick auf die Versagung der Rechtsverbindlichkeit privater Vereinbarungen geäußert werden, wird, sofern diese überhaupt hinsichtlich zivilrechtlicher Nichtigkeitsfolgen erhoben werden dürfen51, durch die engen inhaltlichen Grenzen begegnet, die gem. Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG an Rechtsverordnungen gestellt werden. Denn ob der Parlamentsgesetzgeber einen Nichtigkeitstatbestand selbst normiert oder die entsprechende Normierungsbefugnis durch eine in „Inhalt, Zweck und Ausmaß“ begrenzte Ermächtigung auf die Bundesregierung überträgt und damit die Lückenlosigkeit der Legitimationskette wahrt, macht unter dem demokratischen Gesichtspunkt der Eingriffskompetenz in die möglicherweise tangierte Vertragsfreiheit keinen Unterschied. (2) Aberkennung der Verbotsgesetzeigenschaft aus materiellen Gründen Allerdings verbietet nicht jede Vorschrift, die ein Rechtsgeschäft beschränkt oder an bestimmte Bedingungen knüpft, dasselbe i. S. d. § 134 BGB. Vielmehr müssen Verbotsgesetze i. S. d. § 134 BGB nach der Rechtsordnung grundsätzlich mögliche Rechtsgeschäfte wegen ihres Inhalts oder den Umständen ihres Zustandekommens untersagen52. Dafür braucht zwar das Verbot selbst nicht ausdrücklich im Gesetz ausgesprochen zu sein, doch muss sich die Missbilligung des „verbotenen“ Rechtsgeschäfts eindeutig zumindest aus dem Zusammenhang des Gesetzes ergeben53. Eine derartige eindeutige Missbilligung von Inhalt oder Zustandekommen wird den Vergabebestimmungen indes überwiegend aberkannt. Denn sie sollen sich noch nicht einmal gegen den Vergabevertrag als solchen richten, sondern lediglich das Vergabeverfahren bis zu seinem Abschluss regeln54 und gelten deshalb nicht als Verbotsgesetze i. S. d. § 134 BGB55. Dieser Auffassung ist zwar im Ergebnis, nicht jedoch in ihrer Begründung zuzustimmen. Denn Sinn und Zweck des Vergaberechts gehen vielfach über das Vergabeverfahren und damit die Art und Weise des Vertragsschlusses hinaus56. Dies 50 Vgl. nur BGH, VergabeR 2004, S. 201, 206; Heinrichs in: Palandt, BGB, § 134 Rdn. 2; Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1. 51 Dies bestreitet Dürig in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdn. 53 ff., 59. 52 Heinrichs in: Palandt, BGB, § 134 Rdn. 5. 53 Heinrichs in: Palandt, BGB, § 134 Rdn. 2. 54 Vgl. im Hinblick auf § 97 Abs. 1 GWB BKartA, VergabeR 2001, S. 433, 435; Burgi, NZBau 2003, S. 16, 22; ähnlich Portz, VergabeR 2002, S. 211, 217 f.; vgl. im Hinblick auf die Verdingungsordnungen Antweiler, DB 2001, S. 1975, 1976. 55 So BGHZ 146, S. 202, 213 f.; OLG Schleswig, NZBau 2000, S. 100, 101; BKartA, VergabeR 2001, S. 433, 435; Antweiler, DB 2001, S. 1975, 1976; Burgi, NZBau 2003, S. 16, 20, 22; Jaeger, NZBau 2001, S. 289, 299; Portz, VergabeR 2002, S. 211, 217 f.

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zeigt sich beispielsweise am vergaberechtlichen Ziel der sparsamen Haushaltsführung. Während das Erreichen dieses Ziels freilich durch Einhaltung der Vergabe(verfahrens)bestimmungen gewährt wird, besteht der schwerwiegende Aspekt hinsichtlich der Verletzung desselben hingegen weniger im konkreten Verfahrensverstoß, als vielmehr im fortbestehenden Vertrag(sschluss). Gleiches gilt für das vergaberechtliche Ziel der Schaffung von Wettbewerb, das sich überdies nicht auf den Einzelfallwettbewerb hinsichtlich eines konkreten Auftrags beschränkt, sondern gesamtwirtschaftlich auf die Öffnung des Binnenmarktes gerichtet ist. Schließlich kann sich ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot im Einzelfall gerade im Vertragsschluss manifestieren und nur durch Aufhebung des Vertrags beseitigt werden57. Dass sich Vergabebestimmungen allgemein nicht gegen Inhalt oder Zustandekommen des Vergabevertrags richten, stimmt folglich nicht. Allerdings zeigt der Umkehrschluss zu § 115 Abs. 1 GWB und § 13 VgV, an deren Verletzung der Gesetzgeber – zumindest in der Gesetzesbegründung – ausdrücklich die Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB knüpft, dass nur diese und gerade nicht alle Vergabebestimmungen als Verbotsgesetze aufzufassen sind. Dafür spricht des Weiteren, dass andernfalls die vergaberechtliche Differenzierung von Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit verwischt und Rechtsunsicherheit geschaffen würde. Überdies wären die vergaberechtlichen Zuschlagserteilungsverbote bei Annahme einer Nichtigkeit des Vertrags – und damit auch des Zuschlags – im Falle eines Vergabeverstoßes sinnlos, weil dann die Erteilung eines ohnehin nichtigen Zuschlags nicht explizit untersagt werden müsste. Schließlich steht die grundsätzliche Ablehnung der Verbotsgesetzeigenschaft der Vergabebestimmungen im Einklang mit der Entscheidung des Kartellvergabegesetzgebers, die Rechtssicherheit vor den Rechtsschutz zu stellen58. (3) Ausnahmsweise Anerkennung der Verbotsgesetzeigenschaft Mithin sind die Vergabestimmungen im Grundsatz nicht als Verbotsgesetze i. S. d. § 134 BGB zu qualifizieren. Als Ausnahme von diesem Grundsatz ist dagegen die Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB für die Zuschlagserteilungsverbote59 in 56 Ähnlich Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 7. Vgl. EuGH, NZBau 2003, S. 393 ff. sowie EuGH, NZBau 2004, S. 563 ff., der feststellt, dass der Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht in seinen Wirkungen und Folgen solange andauert, wie ein vergaberechtswidrig zustande gekommener Vertrag implementiert wird; vgl. dazu Kap. 6 A. III. 3. Ähnliches gilt für das Subventions- und Beihilfenrecht, vgl. hierzu Karpenstein / Karpenstein in: Grabitz / Hilf, Das Recht der EU II, Art. 228 EGV Rdn. 7. 57 Vgl. die kartellrechtliche Rechtsprechung zu § 20 GWB (§ 26 a.F.), z. B. OLG Stuttgart, NJW-RR 1997, S. 1541, 1543; OLG Hamburg, WRP 1985, S. 431 ff. 58 Vgl. BGH, VergabeR 2001, S. 73; BKartA, VergabeR 2001, S. 433, 435. Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1. 59 Die Verletzung eines formellrechtlichen Zuschlagserteilungsverbots begründet i.d.R. nicht die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags, weil durch diesen Verstoß nur in den seltensten Fällen die materielle Rechtsposition des Unternehmens beeinträchtigt wird. Er muss

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§ 115 Abs. 1 GWB [(a)] und § 13 VgV [(c)]60 ausdrücklich genannt. Daneben wird sie für Verstöße gegen § 118 Abs. 1 und 3 GWB angenommen [(b)], da diese ebenfalls Zuschlagserteilungsverbote beinhalten (sollen). Indes wird selbst bei Verstößen gegen diese Vorschriften aus verschiedenen Gründen die Einschlägigkeit des § 134 BGB in Zweifel gezogen. (a) Das Zuschlagsverbot des § 115 Abs. 1 GWB Begründet werden diese Zweifel i.R.d. § 115 Abs. 1 GWB61 mit dem Fehlen der typischen Charakteristika eines Verbotsgesetzes. Ebenso wie die übrigen Vergabebestimmungen richte sich § 115 Abs. 1 GWB zum einen nicht gegen den Inhalt, sondern nur die Art und Weise des Zustandekommens des Vergabevertrags62 und zum anderen nicht an beide Vertragsparteien, sondern allein an den Auftraggeber63. Deshalb sei eine Verbotsgesetzqualität von § 115 Abs. 1 GWB abzulehnen64. Diese richterrechtlich entwickelten Abgrenzungskriterien verlieren allerdings dann an Bedeutung, wenn die Auslegung des Gesetzes den eindeutigen Schluss auf den Verbotsgesetzcharakter zulässt65. Zwar lässt sich dieser nicht eindeutig dem Wortlaut („darf nicht“) entnehmen66, wohl aber der Gesetzesbegründung67, die ausdrücklich auf § 134 BGB Bezug nimmt68. Zudem wäre andernfalls die Regedaher regelmäßig i.V.m. einem anderen, die materielle Rechtsposition betreffenden Verstoß geltend gemacht werden. 60 Zwar normiert § 13 S. 5 VgV ausdrücklich nur ein Vertragsschlussverbot. Da der Vergabevertrag indes nur durch Zuschlagserteilung geschlossen werden kann, läuft dieses auf ein Zuschlagserteilungsverbot hinaus. 61 Zur Funktion des § 115 Abs. 1 GWB vgl. Kap. 3 B. I. 1. und Kap. 5 B. I. 62 Grundsätzlich gilt: Der Verbotsgesetzcharakter liegt vor, wenn sich das Verbot gegen den Inhalt eines Rechtsgeschäfts und nicht bloß gegen die Art und Weise dessen Zustandekommens richtet, vgl. nur BGHZ 75, S. 366, 368; Larenz / Wolf, BGB AT, § 40 Rdn. 20. 63 Grundsätzlich gilt: Der Verbotsgesetzcharakter liegt vor, wenn sich ein Verbot nicht nur gegen einen der Vertragspartner, sondern gegen beide richtet; vgl. nur BGHZ 46, S. 24, 26; Heinrichs in: Palandt, BGB, § 134 Rdn. 9; a.A. Canaris, Gesetzliches Verbot, S. 15. 64 So Vill, BauR 1999, S. 971 ff. Vorsichtiger dagegen Drügemöller, Vergaberecht, S. 297 (§ 115 Abs. 1 GWB kann jedenfalls „nicht zwingend als Verbot ausgelegt werden“); Heinrichs in: Palandt, BGB, § 134 Rdn. 24 („wohl nein“). 65 Ähnlich BGHZ 78, S. 263, 265; Antweiler, DB 2001, S. 1975, 1976; Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 115 Rdn. 11; Heinrichs in: Palandt, BGB, § 134 Rdn. 6 ff. 66 Vgl. BGH, NJW 1992, S. 2021, 2022; Heinrichs in: Palandt, BGB, § 134 Rdn. 6a; Mayer-Maly / Armbrüster in: MüKo-BGB, § 134 Rdn. 43 ff. 67 Vgl. BT-Drucks. 13 / 9340, S. 20. 68 A.A. Vill, BauR 1999, S. 971, 973, der insoweit auf die sog. objektive Theorie (vgl. BVerfGE 1, S. 299, 312) abstellt, nach der nicht der subjektive, sondern der im Gesetzeswortlaut ausgedrückte Wille maßgebend ist, und den unklaren Wortlaut als Argument gegen § 134 BGB anführt. Die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der objektiven Theorie, nämlich

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lung des § 115 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 GWB sinnlos, der durch Verweis auf § 114 Abs. 2 S. 1 GWB einen bis zur Wiederherstellung des Zuschlagsverbots nach § 115 Abs. 1 GWB in der Zeit nach Ablauf der Zweiwochenfrist des § 115 Abs. 1 S. 1 GWB erteilten Zuschlag für nicht aufhebbar erklärt, wenn der Zuschlag ohnehin während der gesamten Dauer des Nachprüfungsverfahrens wirksam erteilt werden könnte69. Des Weiteren grenzt sich das an den Auftraggeber gerichtete Zuschlagsverbot des § 115 Abs. 1 GWB durch seine systematische Stellung im Zweiten Abschnitt des Vierten Teil des GWB („Nachprüfungsverfahren“) von den eigentlichen Vergabeverfahrensregeln des Ersten Abschnitts („Vergabeverfahren“) ab. Schließlich folgt der Verbotsgesetzcharakter des § 115 Abs. 1 GWB aus dem Sinn und Zweck der Norm. Diese dient neben dem Schutz des Vergabewettbewerbs als Institution insbesondere der Sicherung der subjektiven Rechte der Unternehmen, die sich wegen der befürchteten Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung nur durch Verhinderung derselben erreichen lässt. Eine effektive Verhinderung setzt aber eine Sanktionierung des Verstoßes gegen das Zuschlagsverbot voraus, die allein durch die Bezugnahme auf § 134 BGB dogmatisch begründet werden kann. Damit folgt aus der Ratio des § 115 Abs. 1 GWB zwingend dessen Verbotsgesetzcharakter 70. Zugleich wird ersichtlich, warum die Verbotssanktion des § 115 Abs. 1 GWB im Gegensatz zu anderen kartellrechtlichen Verbotstatbeständen bereits während des laufenden Verfahrens eingreifen muss71. Dieser Beurteilung stehen weder europarechtliche Gründe noch Schutzwürdigkeitserwägungen entgegen. Zwar haben gem. Art. 2 Abs. 3 RMRL „Die Nachprüfungsverfahren als solche . . . nicht notwendigerweise einen automatischen Suspensiveffekt auf die betreffenden Vergabeverfahren“. Diese Vorschrift steht indes offensichtlich unter dem Vorbehalt der Gewähr effektiven Primärrechtsschutzes, die gem. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 RMRL den Hauptzweck der Richtlinie darstellt. Ist daher, wie im deutschen Kartellvergaberecht, effektiver Primärrechtsschutz nur durch Normierung eines Systems vorbeugenden und vorläufigen Rechtsschutzes72 denkbar, ist Art. 2 Abs. 3 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 RMRL dahingehend zu verstehen, dass notwendigerweise ein wirksamer Suspensiveffekt bewirkt werden können muss73. Daneben sind für den Fall eines Verstoßes gegen das dass sich der subjektive Wille des Gesetzgebers nicht feststellen lässt oder durch Änderung der Lebensverhältnisse überholt ist, liegen hier indes nicht vor. 69 Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 115 Rdn. 10. 70 Ebenso Antweiler, DB 2001, S. 1975, 1976; Boesen, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 13 f.; Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 115 Rdn. 12 f.; Gröning, ZIP 1999, S. 52, 56; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 23. 71 U.a. mit diesem systematischen Argument lehnt Vill, BauR 1999, S. 971, 974 f. die Verbotsgesetzeigenschaft ab. 72 Vgl. Kap. 3 B. II. 73 Dasselbe folgt aus den verfassungsrechtlichen Primärrechtsschutzvorgaben. Die Frage, ob sich die Nicht-Notwendigkeit i.R.d. Art. 2 Abs. 3 RMRL überhaupt auf den Suspensiveffekt an sich oder vielmehr auf den automatischen Suspensiveffekt bezieht, kann daher dahinstehen.

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Zuschlagsverbot weder der öffentliche Auftraggeber noch der bevorzugte Bieter derart schutzwürdig, dass eine Nichtigkeitssanktion unzumutbar erschiene. Während dieser ab dem formalen Akt der Zustellung des Nachprüfungsantrags (§ 115 Abs. 1 i.V.m. § 110 Abs. 2 GWB) offenkundig den Zuschlag nicht mehr erteilen darf, wird jener durch die Beiladung, die ihm gegenüber aufgrund der möglichen74 schwerwiegenden Beeinträchtigung seiner wirtschaftlichen Interessen im Falle eines erfolgreichen Nachprüfungsverfahrens gem. § 109 GWB erfolgen muss75, über das Rechtsschutzbegehren und das damit einhergehende Zuschlagsverbot unterrichtet76. Schließlich ist das Zuschlagsverbot des § 115 Abs. 1 GWB ein vorläufiges und zeitlich begrenzt77. (b) Die Zuschlagsverbote gem. § 118 Abs. 1 und 3 GWB Neben § 115 Abs. 1 GWB wird den Zuschlagsverboten des § 118 Abs. 1 und 3 GWB78 die Eigenschaft als Verbotsgesetz i. S. d. § 134 BGB zuerkannt. Dies lässt sich unter Verweis auf den erwähnten Sinn und Zweck eines Zuschlagsverbots ohne weiteres begründen, doch ist die Notwendigkeit einer solchen Begründung zweifelhaft. § 118 Abs. 1 GWB jedenfalls normiert kein „neues“ selbständiges Zuschlagsverbot, sondern verlängert lediglich das „alte“ erstinstanzliche des § 115 Abs. 1 GWB durch Suspendierung der Vergabekammerentscheidung mit ihrer zuschlagsverbotsbeendenden Wirkung79. Es gilt folglich das Zuschlagsverbots des § 115 Abs. 1 GWB einschließlich dessen Nichtigkeitsfolge i. S. d. § 134 BGB fort. Auch hinsichtlich § 118 Abs. 3 GWB ist fraglich, ob dieser ein eigenständiges Zuschlagsverbot begründet. Fest steht, dass im Fall des Obsiegens des Bieters vor 74 Entgegen dem Wortlaut genügt die Möglichkeit einer Interessenberührung, vgl. Portz in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 109 GWB Rdn. 15; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 109 GWB Rdn. 10. 75 Weil der bevorzugte Bieter eine größere Chance als der Antragsteller auf den Erhalt des Zuschlag hat, ist seine Beiladung zumindest möglich (Portz in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 109 GWB Rdn. 15; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 109 GWB Rdn. 14). Zwar hat der Ausgang des Nachprüfungsverfahrens für diesen keine rechtsgestaltende Wirkung, so dass die Beiladung nicht notwendig ist, doch dürfte der Ermessensspielraum der Vergabekammer für die Beiladung des bevorzugten Bieters auf Null reduziert sein. 76 Ähnlich Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 475. Sollte der präferierte Bieter über seine beabsichtigte Bevorzugung in Kenntnis gesetzt und dadurch seine Schutzwürdigkeit erhöht worden sein, könnte daraus eine vorvertragliche Pflicht des Auftraggebers zur Information über das in Gang gesetzte Nachprüfungsverfahren resultieren, deren Verletzung Schadensersatzansprüche aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB (culpa in contrahendo (c.i.c.)) nach sich zieht. Daneben sind Ansprüche aus c.i.c. denkbar, wenn der Auftraggeber in Kenntnis des Zuschlagsverbots den Zuschlag an den bevorzugten Bieter erteilt und damit dessen Vertrauen in den (unwirksamen)Vertragsschluss begründet hat. 77 Vgl. Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 475. 78 Zur Funktion des § 118 Abs. 1 u. 3 GWB vgl. Kap. 3 B. I. 2. und Kap. 5 C. I. u. II. 79 Vgl. Kap. 5 C. I. 1.

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der Vergabekammer das Zuschlagsverbot andauern muss, sei es durch Fortsetzung des „alten“, sei es durch unmittelbare Begründung eines „neuen“. Denn der Sieg vor der Vergabekammer wäre angesichts der befürchteten Erledigungswirkung sinnlos, wenn der Auftraggeber entgegen deren Entscheidung den Zuschlag wirksam erteilen könnte. Das erstinstanzliche Zuschlagsverbot des § 115 Abs. 1 GWB endet allerdings nach dessen eindeutigem Wortlaut nach der Vergabekammerentscheidung und dem Ablauf der Beschwerdefrist (§ 117 Abs. 1 GWB). Auf den ersten Blick drängt sich daher eine Aufrechterhaltung des erstinstanzlichen Zuschlagsverbots im Fall des obsiegenden Bieters durch verfassungskonforme Auslegung des § 115 Abs. 1 GWB auf, solange das Beschwerdegericht die Vergabekammerentscheidung nicht nach § 121 oder § 123 GWB aufhebt80. Die daraus folgende rein deklaratorische Bedeutung des § 118 Abs. 3 GWB erklärte, warum auf diesen Abs. 3 in der Gesetzesbegründung nicht eingegangen wird. Auf der anderen Seite legen die eindeutigen Regelungen der § 115 Abs. 1 und § 118 Abs. 3 GWB den – befremdlichen81 – Schluss nahe, dass der Gesetzgeber tatsächlich ein neues Zuschlagsverbot durch § 118 Abs. 3 GWB begründet sehen wollte. Vorliegend wirkt sich dieser Streit indes nicht aus, da auch für den Fall eines durch § 118 Abs. 3 GWB begründeten selbständigen Zuschlagsverbots dessen Verbotsgesetzcharakter anzuerkennen ist. Insbesondere stehen dieser Bewertung wiederum keine Schutzwürdigkeitsbedenken entgegen. Denn die Information des Auftraggebers und des bevorzugten Bieters ist dadurch gesichert, dass der Beschwerdeführer gem. § 117 Abs. 4 GWB „Mit der Einlegung der Beschwerde . . . die anderen Beteiligten des Verfahrens vor der Vergabekammer . . . durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdefrist zu unterrichten“ hat und darüber hinaus eine entsprechende Informationspflicht auch dem Beschwerdegericht obliegt82. (c) Das Zuschlagsverbot gem. § 13 VgV Die deutlichsten Hinweise auf die Nichtigkeitsfolge gem. § 134 BGB erfolgen für das Zuschlagsverbots des § 13 S. 5 VgV83. § 13 VgV bestimmt, dass der Auftraggeber die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, spätestens 14 Tage vor dem geplanten Vertragsschluss über diesen informiert84. Sowohl § 13 S. 6 VgV85 als auch die Verordnungsbegründung86 stellen klar, dass der VerDafür Boesen, EuZW 1998, S. 551, 558 f. Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 24. 82 Vgl. Antweiler, DB 2001, S. 1975, 1976 f. 83 Zwar normiert § 13 S. 5 VgV ausdrücklich nur ein Vertragsschlussverbot. Da der Vergabevertrag indes nur durch Zuschlagserteilung geschlossen werden kann, läuft dieses auf ein Zuschlagserteilungsverbot hinaus. 84 Zu Inhalt und Funktion der in § 13 VgV normierten Vorabinformationspflicht vgl. Kap. 5 A. I. u. II. 85 „Ein dennoch abgeschlossener Vertrag ist nichtig“. 80 81

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trag nichtig sein soll, wenn er vor Ablauf der Frist oder ohne dass die Information erteilt worden und die Frist abgelaufen ist, geschlossen wird. Doch wird auch hier die Nichtigkeitssanktion in Frage gestellt. Diese Zweifel basieren auf den zwei Thesen, dass erstens die normierte Nichtigkeitsfolge in § 13 S. 6 VgV kein materiell-rechtlicher Nichtigkeitstatbestand ist und deshalb die Nichtigkeit nur durch Bezugnahme auf § 134 BGB begründet werden kann, und dass zweitens § 13 VgV kein Verbotsgesetz i. S. d. § 134 BGB normiert. Die erste These ist zu unterstützen87. Dafür spricht nicht nur der ausdrückliche Verweis in der Verordnungsbegründung88. Vor allem ist die Nichtigkeit privatrechtlicher Verträge im BGB abschließend und in einem differenzierten System geregelt, wie es sich etwa im Zusammenspiel von § 134 und § 138 BGB zeigt. Dieses System würde durch Ergänzungen aus den Angeln gehoben, so dass jedenfalls die Hinzufügung untergesetzlicher Nichtigkeitstatbestände ausgeschlossen ist89. Zudem findet der Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts seine Grenze in dem Vertragsschluss, der nur zivilrechtlichen Regelungen unterfällt90. Aus diesen Gründen kann die Nichtigkeit des Vergabevertrags wegen eines Verstoßes gegen die Vorabinformationspflicht des § 13 VgV nur unter Bezug auf § 134 BGB hergeleitet werden. Dafür müsste dem in § 13 S. 5 VgV enthaltenen Zuschlagsverbot die Eigenschaft eines Verbotsgesetzes zukommen91. Wenn auch der Wortlaut des S. 5 („darf nicht“) nicht weiterhilft92, kommt hier – im Gegensatz zu den §§ 115, 118 GWB – der in der Begründung geäußerte Wille des Gesetzgebers, Verstöße gegen § 13 VgV mit der Nichtigkeit des Vertrags gem. § 134 BGB zu sanktionieren, in S. 6 eindeutig 86 BR-Drucks. 455 / 00, S. 19: „Allerdings ist zu regeln, dass ein Verstoß gegen die in § 13 festgelegte Informationspflicht die Nichtigkeit des abgeschlossenen Vertrags gem. § 134 BGB zur Folge hat“. 87 Ebenso Antweiler, DB 2001, S. 1975, 1977; Berrisch / Nehl, DB 2001, S. 184, 185; Glahs in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 13 VgV Rdn. 34; Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 476; Portz in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 13 VgV Rdn. 3. A.A. KG, VergabeR 2002, S. 235, 237; Byok / Jansen, BB 2003, S. 2301, 2303; Kullack in: Heiermann / Riedl / Rusam, VOB, § 114 GWB Rdn. 29 und Wegmann, NZBau 2001, S. 475, 477 Fn. 27. 88 BR-Drucks. 455 / 00 S. 19. 89 Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 510; a.A. wohl BGH, VergabeR 2004, S. 201, 206. In diesem Zusammenhang wird überdies behauptet, die Konstruktion eines selbständigen, neben § 134 und § 138 BGB stehenden Nichtigkeitstatbestands wäre von der Verordnungs-Ermächtigungsgrundlage des § 97 Abs. 6 GWB i.V.m. Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG [vgl. dazu Kap. 5 A. I. 1.] nicht gedeckt. Der Verordnungsgeber dürfe nur Verbotsgesetze erlassen, nicht aber die eigenständige Nichtigkeit eines Vertrags anordnen (so Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 5 f.). Dieses Argument kann indes allenfalls dogmatisch überzeugen, da es i.E. keinen Unterschied macht, ob der Verordnungsgeber eigenständige Nichtigkeitstatbestände schafft oder Verbotsgesetze i. S. d. § 134 BGB normiert. 90 Vgl. Kap. 4 A. I. 91 Auf § 13 S. 4 i.V.m. S. 5 VgV abstellend Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 510. Auf § 13 S. 3 VgV abstellend Höfler / Bert, NJW 2000, S. 3310, 3314. 92 „Ein Vertrag darf . . . nicht geschlossen werden“ (Heraushebung vom Verfasser).

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zum Ausdruck, so dass die grammatikalische und die historische Auslegung für die Anerkennung der Verbotsgesetzqualität sprechen93. Gleiches gilt für die systematische Auslegung, da Verstöße gegen die anderen kartellvergaberechtlichen Zuschlagsverbote (§ 115 Abs. 1, § 118 Abs. 1 und 3 GWB) ebenfalls die Vertragsnichtigkeit gem. § 134 BGB nach sich ziehen. Dass § 13 VgV im Gegensatz zu diesen nicht im Abschnitt über die Nachprüfungsbestimmungen (Abschnitt 2 der VgV), sondern in demjenigen über die Vergabebestimmungen (Abschnitt 1 der VgV) platziert ist, steht dem nicht entgegen, da sich diese Verortung durch den Zusammenhang des Zuschlagsverbots mit der erwähnten vergabeverfahrensrechtlichen Vorabinformationspflicht94 erklärt. Schließlich lassen sich Sinn und Zweck des § 13 VgV für eine Anerkennung des Verbotsgesetzcharakters anführen. Um zu verhindern, dass der Bieter von einer – wie befürchtet wird95 – erledigenden Zuschlagserteilung überrascht wird, gebietet § 13 VgV eine entsprechende Vorabinformation und ein zweiwöchiges Zuschlagsverbot, damit jener rechtzeitig Rechtsschutz suchen kann. Aus Effektivitätsgründen muss das Zuschlagsverbot durch die Nichtigkeitsfolge sanktioniert werden. Ein Entgegenstehen möglicher Interessen des Auftraggebers, der durch den mit der Vorabinformationspflicht verbundenen Aufwand erheblich belastet wird96, und des präferierten Bieters, der u.U. mangels Inkenntnissetzung über die (Nicht-)Einhaltung jener Verpflichtung auf den Bestand des Vertrags vertrauen durfte97, sind vor diesem Hintergrund unbeachtlich 98. Mithin lässt die Auslegung des § 13 S. 5 VgV den eindeutigen Schluss auf dessen materiellen Verbotsgesetzcharakter zu. Ein Rückgriff auf die richterrechtlich entwickelten Kriterien ist daher nicht notwendig99. bb) Unwirksamkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB Damit sind die Vorschriften des Vergabe(verfahrens)recht mit Ausnahme der §§ 115 Abs. 1, § 118 Abs. 1 und 3 GBW sowie § 13 S. 5 VgV nicht als Verbotsgesetze i. S. d. § 134 BGB anzuerkennen. Dass Vergabeverfahrensrechtsverstöße nicht zur Unwirksamkeit der Zuschlagserteilung führen, gilt daher als vergabe93 Vgl. Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 510; Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1. 94 Vgl. dazu eingehend Kap. 5 A. Diese Pflicht ist eine vergabeverfahrensrechtliche, weil sie den Auftraggeber vor dem Abschluss des Vertrags und vor dem Beginn eines eventuellen Nachprüfungsverfahrens trifft. Gleichwohl ist sie allein im Hinblick auf das Nachprüfungsverfahren geschaffen worden. 95 Vgl. Kap. 4 A. III. 96 Erdl, VergabeR 2001, S. 10, 22. 97 Vgl. Antweiler, DB 2001, S. 1975, 1978 f.; Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 475. 98 Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung, vgl. Kap. 5 A. I. Dort wird die Schutzbedürftigkeit von Auftraggeber und präferiertem Bieter erörtert, dessen Kenntnis von Zuschlagsverbot und Nichtigkeitsfolge nicht sichergestellt ist. 99 Vgl. Fn. 62 und Fn. 63 .

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rechtlicher Grundsatz100. Ausnahmen in Form einer Nichtigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB werden zwar bei massiven sittenwidrigen Vergaberechtsverletzungen wie Kollusion oder gezielter Schädigung bestimmter Unternehmen angenommen101, werden sich jedoch in der Praxis, sollten sie tatsächlich einmal vorkommen, regelmäßig nicht feststellen lassen102. b) Unwirksamkeit aufgrund eines Verstoßes gegen nicht-bieterschützende Vorschriften Von untergeordneter Bedeutung ist die Unwirksamkeit aufgrund eines Verstoßes gegen Vorschriften, die keine „Bestimmungen über das Vergabeverfahren“ i. S. d. § 97 Abs. 7 GWB sind, da deren Verletzung allein nicht zur Beantragung eines Nachprüfungsverfahrens befugt (§ 107 Abs. 2 GWB). Sie können daher von Dritten nur i.V.m. der Verletzung eines subjektiven Rechts i. S. d. § 97 Abs. 7 GWB geltend gemacht werden. Genannt werden in diesem Zusammenhang die gegenüber einem kommunalen Auftraggeber bestehenden kommunalrechtlichen Vertretungs- und Formvorschriften103. Da die Auftragsvergabe oberhalb der Schwellenwerte regelmäßig kein Geschäft der laufenden Verwaltung darstellt104, ist für die Vertragsannahme als eine die Gemeinde verpflichtende Erklärung die Schriftform sowie die Unterschrift des Bürgermeister und zumeist einer weiteren Person erforderlich105. Allerdings sind derartige „Form“-Vorschriften der Gemeindeordnungen nicht als unwirksamkeitsbegründende Formvorschriften i. S. d. § 125 BGB, sondern mit Blick auf ihren Sinn und Zweck als Zuständigkeitsregelungen zu begreifen, deren Verstoß lediglich zu einer schwebenden Unwirksamkeit gem. §§ 164 ff., 177 ff. BGB führt106. Da solche „Form“-Verstöße überdies mit einer formwirksamen Vertragserklärung rückwirkend geheilt werden können107, bewirkt der Verstoß gegen die kommunalVgl. auch Kap. 5 A. I. 1. b) aa). Vgl. BGH, NZBau 2001, S. 151, 154 f.; KG, NZBau 2000, S. 262, 263; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 22 f. 102 Vgl. Bergmann / Grittmann, NVwZ 2004, S. 946, 948 („Nachweisprobleme“); Dieckmann, VergabeR 2005, S. 10, 13 („wird sich nicht – jedenfalls nicht regelmäßig – feststellen lassen“); Kullack in: Heiermann / Riedl / Rusam, VOB, § 114 GWB Rdn. 27; Kus, VergabeR 2004, S. 119, 120 („dürfte in der Praxis . . . schwer nachzuweisen sein“); Lück / Oexle, VergabeR 2004, S. 302, 307. 103 So Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 22. 104 Vgl. OLG Brandenburg, NZBau 2002, S. 624. Vgl. zum Ganzen Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 22. 105 Vgl. § 64 Abs. 1 S. 2 GO NW: die Erklärungen sind vom Bürgermeister „und einem vertretungsberechtigten Beamten oder Angestellten zu unterzeichnen“. 106 Vgl. Heinrichs in: Palandt, BGB, § 125 Rdn. 4 f.; Kullack in: Heiermann / Riedl / Rusam, VOB, § 114 GWB Rdn. 23. 107 OLG Schleswig, NZBau 2000, S. 96, 97. 100 101

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rechtlichen Vertretungs- und Formvorschriften regelmäßig nicht die Unwirksamkeit von Vertrag und Zuschlag. Die Unwirksamkeit des Vergabevertrags aufgrund eines Formfehlers ist lediglich i.R.d. § 311b BGB denkbar108. Daneben wird das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB angeführt, das im Fall seiner Verletzung gem. § 134 BGB die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts bewirken soll109. Zum einen bestehen jedoch gegenüber der Anwendbarkeit des § 20 Abs. 1 GWB im Kartellvergaberecht Zweifel, da dieses im lex specialis § 97 Abs. 2 GWB ein eigenes Diskriminierungsverbot ohne Verbotsgesetzcharakter bereithält. Zum anderen wird eine Nichtigkeitsfolge i.R.d. § 20 Abs. 1 GWB in Fällen ungleicher Behandlung durch Bevorzugung einzelner Markteilnehmer grundsätzlich abgelehnt, da im allgemeinen Kartellrecht – im Gegensatz zum Kartellvergaberecht – die Gleichbehandlung auch unter Aufrechterhaltung des geschlossenen Vertrags durch Abschluss entsprechender Verträge mit den benachteiligten Unternehmen oder die Durchsetzung der Interessen durch Unterlassungsansprüche möglich ist110. Einer unterschiedlichen Handhabung des § 20 Abs. 1 GWB dergestalt, dass im speziellen Kartellvergaberecht dessen Verletzung zur Nichtigkeit gem. § 134 BGB führt, im allgemeinen Kartellrecht hingegen nicht, stehen sowohl die sanktionslose spezialgesetzliche Diskriminierungsregelung des § 97 Abs. 2 GWB sowie der vergaberechtliche Grundsatzes der Unerheblichkeit von Vergabe(verfahrens)rechtsverletzungen für den Vergabevertrag entgegen. c) Unwirksamkeit aufgrund eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht Die Unwirksamkeit von Vertrag und Zuschlag ist schließlich weder verfassungsnoch europarechtlich begründbar. Freilich droht infolge der – befürchteten111 – primärrechtsschutzausschließenden Wirkung der Zuschlagserteilung eine Beeinträchtigung des verfassungsrechtlich garantierten vorrangigen Primärrechtsschutzes. Doch garantiert Art. 19 Abs. 4 GG diesen bloß, bewirkt ihn aber nicht. Insbesondere fordert Art. 19 Abs. 4 GG selbst nicht unmittelbar die Annullierung fehlerhafter Maßnahmen112, so dass sich jedenfalls keine Nichtigkeitsfolgen aus dieser Norm herleiten lassen113. Vgl. Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 22. So Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 22 f. Allgemein zum Verbotsgesetzcharakter des § 20 Abs. 1 GWB vgl. OLG Düsseldorf, WuW / E 1988, S. 168, 170; OLG München, WuW / E 1997, S. 175, 181; Markert in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 20 Rdn. 226; van Venrooy, BB 1979, S. 555 ff. Vgl. zu § 1 UWG i.V.m. § 134 BGB Jennert, WRP 2002, S. 507, 508 f. 110 Markert in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 20 Rdn. 226; van Venrooy, BB 1979, S. 555, 557 f. 111 Vgl. Kap. 4 A. III. 112 Vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 286; nur ausnahmsweise bei Unzumutbarkeit einer Anfechtungslast könne aus Art. 19 Abs. 4 GG eine Nichtigkeitsfolge abgeleitet werden. 108 109

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Kap. 4: Die Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung

Ebenso wenig ist die Unwirksamkeit von Vertrag und Zuschlag aus dem Europarecht ableitbar. Vielmehr obliegt die Regelung des Rechtsschutzes nach Zuschlagserteilung gem. Art. 2 Abs. 6 S. 1 RMRL dem nationalen Gesetzgeber. Dieser muss zwar die Nachprüfbarkeit jeder Vergabeentscheidung, aber keinesfalls die Aufhebbarkeit bereits erfolgter Zuschlagserteilungen sicherstellen, sondern darf sich danach auf Sekundärrechtsschutz beschränken. Auch dem Europarecht ist somit kein Zwang zur Schaffung von Nichtigkeitstatbeständen, geschweige denn eine eigene unmittelbare Nichtigkeitsfolge zu entnehmen114. d) Zwischenergebnis: Die regelmäßige Wirksamkeit von Vertrag und Zuschlag Ein Verstoß gegen das Vergaberecht berührt mithin die Wirksamkeit von Vertrag und Zuschlag in der Regel nicht115. Ebenfalls sind außervergaberechtliche Nichtigkeitsgründe nur ausnahmsweise denkbar. Damit wird die Unwirksamkeit des Zuschlags zum Ausnahmefall116. Weil der wirksame Zuschlag nicht aufgehoben werden kann, folgt daraus: Der einmal erteilte Zuschlag ist und bleibt regelmäßig wirksam.

III. Die Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung Aus dieser – sogar regelmäßigen – Nichtaufhebbarkeit der Zuschlagserteilung wird unter Bezugnahme auf § 114 Abs. 2 S. 2 GWB117 deren Erledigungswirkung für sowohl das Vergabe- als auch das Nachprüfungsverfahren abgeleitet118. Nach einer Klärung des Begriffs der Erledigung [1.] steht jene Ableitung auf dem Prüfstand, wobei zwischen dem Vergabe- [2.] und dem Nachprüfungsverfahren [3.] zu unterscheiden ist. Abschließend ist der Frage nach den Auswirkungen der Zuschlagserteilung auf den Anspruch aus § 97 Abs. 7 GWB nachzugehen [4.].

Antweiler, DB 2001, S. 1975, 1980. Ähnlich Antweiler, DB 2001, S. 1975, 1980. 115 Kullack in: Heiermann / Riedl / Rusam, VOB, § 114 GWB Rdn. 27. 116 Vgl. Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 114 GWB Rdn. 15. Ähnlich Kullack in: Heiermann / Riedl / Rusam, VOB, § 114 GWB Rdn. 27. 117 „Hat sich das Nachprüfungsverfahren durch Erteilung des Zuschlags . . . erledigt, . . .“. Kritisch demgegenüber Mantler, VergabeR 2003, S. 119, 120 118 Antweiler, NZBau 2005, S. 35; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 114 GWB Rdn. 13. 113 114

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1. Der Begriff der Erledigung Der Begriff der Erledigung wird in Rechtsprechung und Literatur immer noch uneinheitlich verwendet119. Erledigung wird konstatiert beim Wegfall der rechtlichen Beschwer oder des materiellen Anspruchs, wenn ein Ereignis alle prozessualen Ansprüche gegenstandslos gemacht, sich der Streitgegenstand erübrigt hat oder wenn die Verfolgung des Begehrens in dem Verfahren sinnlos geworden ist120. Eine Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Ansätzen soll hier unterbleiben. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Instituts der Erledigung, insbesondere aus dem prozess- und verfahrensökonomischen Grund, die Verfolgung von Verfahren zu verhindern, deren Ziel nicht (mehr) erreicht werden kann, erscheinen diese Ansätze jedenfalls auch kumulativ anwendbar121. Ausreichend ist daher die Feststellung, dass die Erledigung durchaus unterschiedliche Anknüpfungspunkte haben kann. Wenn im Folgenden die Erledigung mal an die Sinnlosigkeit des Verfahrens, mal an den Wegfall der Begehr angeknüpft wird, ist dies daher mit dem allgemeinen Verständnis zur Erledigung vereinbar.

2. Die Erledigung des Vergabeverfahrens Insofern ist die Erledigung des Vergabeverfahrens nachvollziehbar. Dieses zielt auf die Vergabe des öffentlichen Auftrags durch Abschluss eines Vergabevertrags ab, der mit der Zuschlagserteilung zustande kommt. Neben der Funktion als Vertragsannahmeerklärung gegenüber dem präferierten Bieter ist der Zuschlag darüber hinaus als Erklärung gegenüber den nichtberücksichtigten Bietern zu verstehen, die auf die Beendigung der Ausschreibung und auf die endgültige Ablehnung deren Angebote gerichtet ist. Diese erlöschen daraufhin gem. § 146 BGB, so dass den nichtberücksichtigten Bietern gegenüber nach der Zuschlagserteilung ex tunc keine rechtlich relevanten Erklärungen mehr existieren122. Folglich hat das Vergabeverfahren mit der – wirksamen – Zuschlagserteilung seinen Zweck erfüllt, Vgl. zum Ganzen Cormann, Erledigung, S. 33 ff., 36 f. Vgl. BVerwGE 80, S. 127, 129 ff. (für das dem Vergaberecht insoweit dogmatisch nahe stehende Beamtenrecht); Brandl, BayVBl 1967, S. 82, 84 ff.; Cremer, NVwZ 2003, S. 797, 798; Manssen, NVwZ 1990, S. 1018, 1019; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 50; Redeker in: Redeker / v. Oertzen, VwGO, § 107 Rdn. 11; Schmidt Glaeser / Horn, Verwaltungsprozeßrecht, Rdn. 541; Wieland in: FS Blümel, S. 647, 650. 121 So wohl auch VGH München, BayVBl 1986, S. 86 f.; Brandl, BayVBl 1967, S. 82, 84 ff.; Günther, DVBl. 1988, S. 612, 614 ff., die unterschiedliche Bezugspunkte wählen. Kritisch dagegen Gerhardt in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 113 Rdn. 81; Wieland in: FS Blümel, S. 647, 650. 122 Ähnlich Jasper / Pooth, NZBau 2003, S. 261, 264. Entsprechend wird im Beamtenrecht (Wernsmann, DVBl. 2005, S. 276, 279, 281) und bzgl. der Aufnahme in einen Krankenhausplan (BVerfG, DVBl. 2004, S. 431, 42 f.) die Ernennung zunehmend als Verwaltungsakt mit Doppelwirkung angesehen. 119 120

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Kap. 4: Die Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung

wird gegenstandslos und deshalb für beendet erklärt123. Es hat sich mit der Zuschlagserteilung erledigt.

3. Die Erledigung des Nachprüfungsverfahrens bzw. des Nachprüfungsbegehrens Eine unmittelbare Auswirkung der Zuschlagserteilung auf das Nachprüfungsverfahren lässt sich hingegen nicht feststellen. Infolge der Beendigung des Vergabeverfahrens wird jedoch das Nachprüfungsverfahren sinnlos und erledigt sich damit [a)]. Auf die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB wirkt sich die Zuschlagserteilung allerdings nicht aus [b)]. a) Sinnlosigkeit des Nachprüfungsverfahrens nach Zuschlagserteilung Über die Beendigung und Erledigung des Vergabeverfahrens wirkt sich die Zuschlagserteilung auf das Nachprüfungsverfahren aus. Dessen Ziel ist gem. § 114 Abs. 1 GWB die Herbeiführung einer Entscheidung der Vergabekammer über die Rechtsverletzung des Antragstellers zusammen mit der Einleitung von „geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern“ (S. 1). Sie soll auf die Einhaltung der Vergabebestimmungen und damit „auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken“ (S. 2). Dieses Ziel ist jedoch nur dann erreichbar, wenn das Vergabeverfahren bereits eingeleitet und noch nicht endgültig abgeschlossen ist124. Dementsprechend beschränkt § 104 Abs. 2 S. 1 GWB die Zuständigkeit der Vergabekammern auf noch nicht abgeschlossene Vergabeverfahren125. Durch den – regelmäßig – wirksamen Zuschlag wird das Vergabeverfahren indes beendet, und zwar infolge dessen Nichtaufhebbarkeit endgültig. Aus diesem Grund wird ein Nachprüfungsverfahren nach Zuschlagserteilung allgemein als sinnlos126 123 BGH, VergabeR 2001, S. 71, 72 ff.; Kullack in: Heiermann / Riedl / Rusam, VOB, § 114 GWB Rdn. 25; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 104 GWB Rdn. 3; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 20; Waldner, Bieterschutz, S. 168. 124 Vgl. BT-Drucks. 13 / 9340, S. 17; BGH, VergabeR 2001, S. 71, 72 f.; BKartA, VergabeR 2001, S. 433, 434; Gröning, ZIP 1999, S. 52, 56 f.; Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 114 Rdn. 45; Kullack in: Heiermann / Riedl / Rusam, VOB, § 107 GWB Rdn. 9; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 114 GWB Rdn. 13; Waldner, Bieterschutz, S. 168 ff. 125 „. . . Handlung in einem Vergabeverfahren . . .“; vgl. BKartA, VergabeR 2001, S. 433, 434. Auch ein Feststellungsantrag gem. § 114 Abs. 2 S. 2 GWB, der erst nach Vertragsschluss gestellt wird, ist unzulässig, vgl. BGH, NZBau 2001, S. 151 ff. 126 Das Nachprüfungsverfahren selbst wird jedoch nicht durch den Zuschlag beendet. Ansonsten könnte der Nachprüfungsantrag nicht mehr auf einen Feststellungsantrag gem. § 114 Abs. 2 S. 2 GWB umgestellt werden (vgl. Kullack in: Heiermann / Riedl / Rusam, VOB, § 114 GWB Rdn. 33).

A. Die Zuschlagserteilung und ihre Konsequenzen

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und deshalb erledigt angesehen127. Das soll sowohl für die Zuschlagserteilung vor, als auch für diejenige während des Nachprüfungsverfahrens gelten128. Dogmatisch zutreffender dürfte allerdings dahingehend zu differenzieren sein, dass jene zur Erledigung des Nachprüfungsbegehrens führt, während diese die Erledigung des Nachprüfungsverfahrens bewirkt. Diese Differenzierung steht überdies im Einklang mit der überwiegenden Auffassung zu § 114 Abs. 2 S. 2 GWB, die ein Fortsetzungsfeststellungsverfahren nur im Falle der Erledigung während des Nachprüfungsverfahrens zulässt129. Denn § 114 Abs. 2 S. 2 GWB gestattet dies allein im Fall der Erledigung des Nachprüfungsverfahrens, nicht der des Nachprüfungsbegehrens. Für die vorliegende Problematik ist diese Frage allerdings rein terminologischer Natur, da sowohl die Erledigung des Nachprüfungsverfahrens als auch diejenige des Nachprüfungsbegehrens die Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses bewirken130. Mit der Zuschlagserteilung endet somit die Möglichkeit der Vergabekammer sowie des Beschwerdegerichts, auf das Vergabeverfahren noch einwirken zu können131. Damit können nach Beendigung des Vergabeverfahrens durch Zuschlagserteilung etwaige Rechts127 Diese Erledigungswirkung ist gerichtlich bestätigt (vgl. BGHZ 146, S. 202, 206; BGH, NZBau 2003, S. 293, 294; BayObLG, NZBau 2000, S. 92; OLG Düsseldorf, NZBau 2003, S. 349, 350; OLG Brandenburg, NZBau 2002, S. 625, 626; KG, NZBau 2000, S. 531, 533 ff.; OLG Thüringen, VergabeR 2003, S. 600, 602 hält sogar eine gesetzlich nicht vorgesehene prozessuale Feststellung der Erledigung in Form einer Zwischenentscheidung aus verfahrensökonomischen Gründen für zulässig) und in Literatur bislang unbestritten (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107 GWB Rdn. 15 ff.; Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 114 Rdn. 45 ff.; Marx in: Motzke / Pietzcker / Prieß, VOB, § 107, 108 GWB Rdn. 12; Otting in: Bechthold, GWB, § 102 Rdn. 4; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 21; Sura in: Langen / Bunte, Kartellrecht, § 102 GWB Rdn. 4; kritisch allein Stelkens, NZBau 2003, S. 654 ff.). 128 Vgl. Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 55 m. w. N. Im Verwaltungsprozessrecht ist dagegen umstritten, ob bei Wegfall der rechtlichen Beschwer vor Klageerhebung eine „Erledigung“ vorliegt; dafür: Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 18 Rdn. 63; dagegen: Redeker in: Redeker / v. Oertzen, VwGO, § 107 Rdn. 12. Im Zivilprozessrecht wird vor Anhängigkeit nicht von einer „Erledigung“ gesprochen, vgl. Hartmann in: Baumbach / Lauterbach, ZPO, § 91a Rdn. 26 ff. 129 Boesen, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 66 f.; Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 114 Rdn. 48; Maier in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 51; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 55. A.A. Höfler, NJW 2000, S. 120, 121, der auch bei vorheriger Erledigung einen Fortsetzungsfeststellungsantrag für zulässig erachtet. Differenzierend Meyer, WuW 1999, S. 567, 569 ff., der parallel zum Verwaltungsprozessrecht ein besonderes Interesse verlangt; ähnlich Kus in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 59 ff. 130 Ebenso Greb, VergabeR 2005, S. 34. Teilweise wird dieses Problem auch in der Statthaftigkeit problematisiert. A.A. OLG Düsseldorf, VergabeR 2005, S. 343, 344, das wegen der zu erörternden Wirksamkeit von Vertrag und Zuschlag die „Erledigung“ erst i.R.d. Begründetheit thematisiert. Es verkennt jedoch, dass im Nachprüfungsverfahren die Einhaltung der Vergabebestimmungen überprüft wird, die auf die Wirksamkeit von Vertrag und Zuschlag grundsätzlich keinen Einfluss hat. Diese ist daher als Vorfrage im Hinblick auf die mögliche Erledigung i.R.d. Zulässigkeit zu prüfen. 131 Vgl. BT-Drucks. 13 / 9340 S. 17; Reidt, BauR 2000, S. 22.

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Kap. 4: Die Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung

verletzungen nur noch durch Geltendmachung von Sekundärrechtsschutzansprüchen vor ordentlichen Gerichten kompensiert werden132. Primärrechtsschutz hingegen ist ausgeschlossen. Insoweit ist irrelevant, dass im hier maßgeblichen Zivilrecht ein bereits erfolgter Vertragsschluss einem weiteren über ein und denselben Gegenstand nicht entgegensteht; zwar kann nur einer der beiden Verträge erfüllt und muss hinsichtlich des anderen Schadensersatz wegen rechtlicher Unmöglichkeit geleistet werden, doch ist dem Anbieter überlassen, welchen der Verträge er erfüllen wird. Denn – zumindest primäres – Ziel des Nachprüfungsverfahrens ist nicht die Bewirkung der Vergabe des Auftrags an den Bieter mit dem wirtschaftlichsten Angebot. Dies ist sogar nur ausnahmsweise überhaupt zulässig133. Vielmehr ist das Nachprüfungsverfahren darauf gerichtet, die Rechtmäßigkeit des konkreten Vergabeverfahrens zu bewirken. Diese Zielsetzung steht in Einklang mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit und dem pacta-sunt-servanda-Prinzip und findet Ausdruck sowohl in der Begründung des VgRÄG134 als auch im Kartellvergaberecht insgesamt, dessen Anwendungsbereich mit dem einmal geschlossenen Vertrag endet. Nur dieses – nach Zuschlagserteilung unerreichbare – Ziel ist maßgebend, nicht die zivilrechtliche Möglichkeit eines zweiten Vertragsschlusses. Damit erklärt sich zudem, warum nach allgemeiner Auffassung die Erledigung auch dann eintritt, wenn ein Vergabeverfahren überhaupt nicht stattgefunden hat135. Diese Erledigungswirkung des nicht-aufhebbaren Zuschlags deckt sich im Übrigen mit der Definition der Zuschlagserteilung als Erledigungsgrund in § 114 Abs. 2 S. 2 GWB. Wenn die Norm auch nicht diese ausnahmslose Erledigungswirkung zu begründen vermag, weil ihr nicht zwingend entnommen werden kann, dass jede Zuschlagserteilung das Nachprüfungsverfahren erledigt136, so anerkennt der Gesetzgeber damit doch jedenfalls die „Geeignetheit“ der Zuschlagserteilung als möglichen Erledigungsgrund137.

132 Boesen, Vergaberecht, § 107 GWB Rdn. 15 ff.; Breloer, Europäische Vorgaben und deutsches Vergaberecht, S. 69; Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 114 Rdn. 6, 45; Kling, NZBau 2003, S. 23; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 114 GWB Rdn. 13; Portz in: Ingenstau / Korbion § 13 VgV Rdn. 2; Reidt, BauR 2000, S. 22; ders. in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 20 ff.; Waldner, Bieterschutz, S. 169. 133 Vgl. Kap. 3 A. II. 3. 134 Vgl. BT-Drucks. 13 / 9340 S. 17 zu § 114 Reg-E und S. 19 zu § 124 Reg-E. 135 BGH, VergabeR 2005, S. 328, 329 f.; Burgi, NZBau 2003, S. 16, 20 m. w. N. Vgl. dazu Kap. 5 A. III. 136 So ausdrücklich BGH, NZBau 2003, S. 293, 294; Scharen, NZBau 2003, S. 585, 589. 137 „Hat sich das Nachprüfungsverfahren durch Erteilung des Zuschlags . . . erledigt, . . .“. Dieser Wortlaut lässt beide Interpretationen zu: sowohl dass jeder Zuschlag zur Erledigung führt, als auch dass ein Zuschlag die Erledigung bewirken kann. Vgl. auch BGH, VergabeR 2003, S. 313, 315; Hübner, VergabeR 2002, S. 429, 432.

A. Die Zuschlagserteilung und ihre Konsequenzen

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b) Keine Auswirkungen auf die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB Fehlschlagen muss hingegen der Versuch, die Unzulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens nach Zuschlagserteilung mit dem Wegfall der Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB wegen nun fehlenden Interesses am Auftrag zu begründen und damit neben der Erledigung auf ein zweites Standbein zu stützen138. Zwar verlangt § 107 Abs. 2 GWB, dass der Antragsteller „ein Interesse am Auftrag hat“ und steht damit auch im Einklang mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Diese lassen einerseits in Art. 3 Abs. 1 RMRL ein wieder erloschenes Interesse ausreichen, erlauben aber andererseits in Art. 2 Abs. 6 S. 2 RMRL die Beschränkung des Primärrechtsschutzes nach Vertragsschluss139. Selbst wenn § 107 Abs. 2 GWB durch das Erfordernis des aktuellen Interesses den Primärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung faktisch ausschlösse, stünde die Norm folglich in Einklang mit der RMRL140. Ein derartiger zwingender Wegfall des Interesses am Auftrag wird jedoch durch die wirksame Zuschlagserteilung nicht notwendig bedingt. Zum einen muss das Interesse am Auftrag i. S. d. Gewährung effektiven Rechtsschutzes weit ausgelegt werden141. Zum anderen ist das in § 107 Abs. 2 GWB geforderte Interesse in Abkehr von der haushaltsrechtlichen Lösung nicht als ein rechtliches, sondern ein wirtschaftliches, faktisches Interesse zu verstehen142. Damit ist es zugleich gedanklich vom Nachprüfungsverfahren abzukoppeln: gefragt ist nicht das unmittelbare rechtliche Interesse am erfolgreichen Ausgang des Nachprüfungsverfahrens, sondern das wirtschaftliche Interesse am Erhalt des Auftrags. Weiterführend für die Prüfung des wirtschaftlichen Interesses erscheint daher die Frage, ob im Fall einer hypothetischen zweiten Ausschreibung des konkreten Auftrags, z. B. weil der zunächst abgeschlossene Vergabevertrag mit dem einst präferierten Bieter angefochten oder gekündigt worden ist, der Bieter immer noch ein Interesse an der Erlangung des Auftrags hat143. Solange diese Frage bejaht wird, ist ein wirtschaftliches „Interesse am Auftrag“ anzuerkennen, selbst nach endgültigem Verfahrensende144. So aber Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 114 GWB Rdn. 13. Kritisch Kulartz, BauR 1999, S. 724, 726 f.; in der Tendenz auch Kus in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 68. 140 Ähnlich BGH, NJW 2001, S. 1492, 1493. 141 Vgl. Möllenkamp in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 107 GWB Rdn. 25; Portz in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 107 GWB Rdn. 14 ff., insbes. Rdn. 16. 142 Vgl. Noch, ZfBR 1997, S. 221, 224 und Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 107 GWB Rdn. 16 sowie die Vorgaben in Art. 1 Abs. 3 S. 1 der Rechtsmittelrichtlinien; a.A. Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 114 GWB Rdn. 13. 143 Dies wirft die Frage auf, ob das Nichtaufhebbarkeitsdogma in einem solchen Fall der – auch nur möglichen? – Auflösung des Vertrags innerhalb des Vertragsverhältnisses gilt. Da die Nichtaufhebbarkeit des Zuschlags, sei es durch den öffentlichen Auftraggeber, sei es durch die Vergabekammer, auf der Existenz des nicht-aufhebbaren Vertrags basiert, ist jene zumindest zweifelhaft, wenn diese wegfällt. Vgl. dazu Kap. 6 A. IV. 2. 138 139

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Kap. 4: Die Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung

4. Die Erledigung des Bieteranspruchs Unberücksichtigt blieben bislang weitgehend die Auswirkungen der Zuschlagserteilung auf den Anspruch des Unternehmens gem. § 97 Abs. 7 GWB. Dieser ist auf die Einhaltung der Vergabebestimmungen im konkreten Vergabeverfahren gerichtet. Infolge der verfahrensbeendigenden Wirkung des Zuschlags gibt es indes kein laufendes Vergabeverfahren mehr, auf das der Bieter mit seinem Anspruch einwirken könnte. Die Verpflichtung zur Einleitung einer neuen, „zweiten Vergabe“ des Auftrags i.R.e. zweiten Vergabeverfahrens ist vom Anspruchsinhalt anerkanntermaßen nicht gedeckt und vom Kompetenzbereich der Vergabekammern nicht umfasst145. Insofern verliert der Anspruch seinen Sinn und ist daher ebenfalls als erledigt anzusehen. Allerdings geht damit nicht ein Erlöschen des Primärrechtsschutzanspruchs einher146. Eine Erledigung muss nicht endgültig sein. So ist im öffentlichen Auftragswesen nicht ausgeschlossen, dass der Auftraggeber einen bereits geschlossenen Vergabevertrag auflöst, z. B. durch Kündigung, Anfechtung oder Rücktritt. Ob dies zur Wiederbelebung des ursprünglichen Vergabeverfahrens führen kann, sei hier noch dahingestellt; der pacta-sunt-servanda-Grundsatz sowie die Vertragsfreiheit stünden dem nicht entgegen. Jedenfalls wird deutlich, dass Erledigungsgründe wegfallen und dementsprechend zwischenzeitlich erledigte Ansprüche wieder erstarken können. Deshalb ist der Erledigungswirkung keine anspruchsvernichtende147, sondern bloß eine anspruchslähmende Wirkung zuzuerkennen148.

B. Die Vereinbarkeit der Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung mit den verfassungs- und europarechtlichen Primärrechtsschutzvorgaben Das vergaberechtliche (Primär-)Rechtsschutzsystem ist mithin geprägt durch seine Beschränkung des Primärrechtsschutzes nach Zuschlagserteilung. Diese Be144 A.A. Kullack in: Heiermann / Riedl / Rusam, VOB, § 107 GWB Rdn. 9; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 114 GWB Rdn. 13 (allerdings auf ein rechtliches Interesse abstellend); wohl auch Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht § 107 GWB Rdn 17. 145 A.A. Stelkens, NZBau 2003, S. 654, 657, 659. 146 A.A. Ulbrich / Waldner BauR 1999, S. 1082, 1085 („Verfallsdatum für den Anspruch aus § 97 Abs. 7 GWB“); Waldner, Bieterschutz, S. 168. 147 Dafür wohl Ulbrich / Waldner, BauR 1999, S. 1082, 1085, die von einem Untergang des Anspruchs aus § 97 Abs. 7 GWB sprechen; ebenso Waldner, Bieterschutz, S. 168. Zweifelhaft ist an diesem Ansatz, dass ein materiell-rechtlicher Zulassungsanspruch dadurch untergehen soll, dass er durch einen rechtswidrigen Hoheitsakt vereitelt wird (vgl. auch Huber, Konkurrenzschutz, S. 457, 477, dessen Forderung nach einer einfachgesetzliche Grundlage jedoch durch § 114 Abs. 2 S. 1 GWB erfüllt wäre). 148 Vgl. auch Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 260.

B. Vereinbarkeit mit den europarechtlichen Primärrechtsschutzvorgaben

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schränkung ist als „Prinzip des deutschen Vergaberechts“149 allgemein anerkannt150 und gilt spätestens seit der Einführung der so genannten Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV als verfassungs- und europarechtskonform [I.]. Die Infragestellung dieses Prinzips ist daher „verwegen“151 und bislang nicht erfolgt152. Und doch weckt diese Primärrechtsschutzbeschneidung Zweifel an ihrer Kommensurabilität mit der verfassungs- [II.] und europarechtlichen [III.] Garantie vorrangigen Primärrechtsschutzes.

I. Die scheinbare Lösung des Problems: Die Vorabinformationspflicht Der wesentliche Grund für die stiefmütterliche Behandlung der Verfassungsund Europarechtskonformität der Primärrechtsschutzbeschneidung liegt in der Einführung der Vorabinformation gem. § 13 VgV153. Davor fiel die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung zeitlich mit der Zuschlagserteilung und dem Vertragsschluss zusammen mit der Folge, dass der nichtberücksichtigte Bieter typischerweise erst im Zeitpunkt des Primärrechtsschutzausschlusses, also der Zuschlagserteilung, von seiner Nichtberücksichtigung erfuhr. Auch die Rechtsverletzung wurde für ihn zumeist erst in diesem Zeitpunkt ersichtlich, soweit diese nicht ohnehin in der Zuschlagserteilung selbst bestand. Vergaberechtlicher Primärrechtsschutz war damit faktisch ausgeschlossen154. Dies galt i.E. ebenso für den Fall, dass ausnahmsweise die Rechtsverletzung vor der Zuschlagserteilung erkennbar war. Denn infolge der Rügeobliegenheit des Bieters gem. § 107 Abs. 3 GWB wurde der Auftraggeber nicht nur über den Vergabeverstoß, sondern auch über die mögliche Absicht des Bieters zur Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens in Kenntnis gesetzt. Weil zwischen Rüge und Nachprüfungsantrag stets ein angemessener Zeitraum zur möglichen Berichtigung des gerügten Verstoßes liegen muss, war der Auftraggeber somit in der Lage, das beabsichtigte Nachprüfungsverfahren durch eine vorgezogene Zuschlagserteilung zu verhindern. Sollte der Bieter dennoch erfolgreich ein Nachprüfungsverfahren beantragt haben, das in diesem frühen Stadium nicht zur Erteilung des Zuschlags, sondern nur zur Fortsetzung des Vergabeverfahrens unter Berichtigung des Vergabeverstoßes führen kann, verhalf ihm dies allenfalls zu einem Phyrrussieg. Denn BT-Drucks. 13 / 9340, S. 19 zu § 124 Reg-E. Vgl. Fn. 127 . 151 So Stelkens, NZBau 2003, S. 654. 152 Mit Ausnahme von Stelkens, NZBau 2003, S. 654 ff. 153 Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge, BGBl. 2001 I., S. 110, Bekanntmachung der Neufassung am 11. 02. 2003, BGBl. 2003 I., S. 169. Vgl. zu den weiteren Informationspflichten des Auftraggebers in den Verdingungsordnungen Erdl, VergabeR 2001, S. 10, 21 f. 154 Vgl. Kus, NJW 2000, S. 544, 545 f.; Wegmann, NZBau 2001, S. 475, 476. 149 150

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Kap. 4: Die Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung

er konnte davon ausgehen, dadurch sämtliche mögliche Sympathien des Auftraggebers verspielt zu haben und dass dieser sein Angebot im ggf. fortzusetzenden Verfahren soweit irgend möglich ablehnen würde155. Deshalb hat das BKartA in der Sache Münzplättchen II aus Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. § 27 a VOL / A eine – der Mitteilungspflicht im beamtenrechtlichen Konkurrenzstreit vergleichbare156 – Vorabinformationspflicht abgeleitet, die den Auftraggeber zur Inkenntnissetzung der nichtberücksichtigten Bieter über die beabsichtigte Zuschlagserteilung spätestens zehn Tage vor derselben verpflichtete157. Allerdings war diese Pflicht nicht nur hinsichtlich ihrer Begründung und Konstruktion umstritten158, sondern vor allem ineffektiv, weil Verstöße die Wirksamkeit von Vertrag und Zuschlag nicht berühren sollten159. Infolge der Kodifizierung der Vorabinformationspflicht in § 13 VgV unter Festlegung des Zuschlagsverbots in S. 5 und der Nichtigkeitsfolge im Falle der Nichtbeachtung in S. 6 VgV wurden jedoch sowohl die dogmatischen als auch die Effektivitätsbedenken begraben160.

155 Zu den verfassungs- und europarechtlichen Bedenken gegen diese einstufige Lösung vgl. Boesen, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 37 ff.; Hermes, JZ 1997, S. 905, 914 f. 156 Darauf verweist das BKartA, NJW 2000, S. 151, 153 explizit. Zur beamtenrechtlichen Vorabinformationspflicht vgl. BVerfG, NJW 1990, S. 501 ff. 157 Vgl. BKartA, NJW 2000, S. 151 ff.; Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 476; Hausmann, EuZW 1999, S. 762, 763; Kus, NJW 2000, S. 544, 546; Martin-Ehlers, EuZW 2000, S. 101, 102 f. Kritisch dagegen Dreher, NZBau 2001, S. 244, der eine solche Informationspflicht aus § 97 Abs. 1 GWB herleitet. 158 Vgl. Gröning, WPR 2000, S. 49, 52; ders. in: Motzke / Pietzcker / Prieß, VOB, Syst IV Rdn. 23, der die Herleitung aus Art. 19 Abs. 4 GG mit dem Argument kritisiert, es werde aus dem prozessualen Rechtsschutzanspruch ein materiell-rechtlicher Anspruch gefolgert, und der die richtlinienkonforme Auslegung des § 27 VOL / A mit der Begründung ablehnt, diese Vorschrift sei keine Norm im Rechtssinne und daher nicht nach §§ 133, 157 BGB auslegbar. Zudem normiere § 27 VOL / A, der überdies keine Entsprechung im vierten Abschnitt der VOL / A, VOB / A für die Sektorenauftraggeber finde, lediglich eine Information nach Zuschlagserteilung und auf Antrag, so dass dessen Heranziehung zur Begründung einer Informationspflicht vor Zuschlagserteilung dem Sinn und Zweck der Norm widerspreche. Seith, Wie kommt der Urheber zu seinem Recht, S. 76 f., beschränkt den Anwendungsbereich der Rechtsschutzgarantie auf den Zeitraum nach Kenntnis der Rechtsverletzung, so dass eine Vorabinformationspflicht nicht mit Art. 19 Abs. 4 GG begründet werden könne. Kritisch auch Boesen, Vergaberecht, § 114 GWB, Rdn. 46 f.; Brinker, NZBau 2000, S. 174, 177 f.; Spießhofer / Lang, ZIP 2000, S. 446, 448 ff. 159 Vgl. BGH, NZBau 2001, S. 151, 153; Erdl, VergabeR 2001, S. 10, 11; Kus, NJW 2000, S. 544, 546. 160 Wegmann, NZBau 2001, S. 475, 476 spricht von einem „Kunstgriff“ zum Erhalt des traditionellen Grundsatzes der Einheit von Zuschlag und Vertragsschluss.

B. Vereinbarkeit mit den europarechtlichen Primärrechtsschutzvorgaben

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II. Die Vereinbarkeit der Erledigungswirkung mit den verfassungsrechtlichen Primärrechtsschutzvorgaben Damit wird allerdings die Reichweite der Garantie eines wirksamen und umfassenden Primärrechtschutzes verkannt. Dass durch die Vorabinformation die faktische Möglichkeit eingeräumt wird, innerhalb einer kurzen Zeitspanne vorbeugenden Primärrechtsschutz zu beantragen, ist sicherlich ein Fortschritt gegenüber dem vorherigen, faktisch gänzlichen Primärrechtsschutzausschluss161. Ob dieser erste Schritt indes die gesamten Erwartungen des Art. 19 Abs. 4 GG zu erfüllen vermag, bedarf zumindest einer eingehenden Untersuchung. Diese setzt zunächst dessen Anwendbarkeit nach Zuschlagserteilung voraus [1.] und sich sodann mit der Frage auseinander, ob der beschränkte vergaberechtliche Primärrechtsschutz die Rechtsschutzgarantie beeinträchtigt [2.] und inwiefern diese Beeinträchtigung gerechtfertigt sein kann [3.].

1. Anwendbarkeit des Rechtsschutzmaßstabs des Art. 19 Abs. 4 GG Dass Art. 19 Abs. 4 GG der verfassungsrechtliche Maßstab ist, an dem der vergaberechtliche Rechtsschutz grundsätzlich gemessen werden muss, wurde bereits dargelegt162. Für die der Frage des Primärrechtsschutzes vor der Vergabekammer nach Zuschlagserteilung ist die Anwendbarkeit dieser verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie jedoch unter zwei Gesichtspunkten zu hinterfragen: zum einen weil die Vergabekammer kein Gericht i. S. d. GG ist [a)], zum anderen, weil die Erledigungswirkung auch das subjektive Bieterrecht betreffen könnte [b)].

a) Die Vorwirkung des Art. 19 Abs. 4 GG auf den behördlichen Rechtsschutz Durch Art. 19 Abs. 4 GG ist effektiver Vergabeprimärrechtsschutz garantiert. Allerdings ist diese Garantie vorderhand auf gerichtlichen Rechtsschutz begrenzt163. Die Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung schließt hingegen in erster Linie den Primärrechtsschutz vor der behördlichen Vergabekammer aus und ist daher kein gerichtliches sondern ein behördliches Rechtsschutzproblem. Damit erscheint Art. 19 Abs. 4 GG vordergründig nicht einschlägig zu sein. Indes darf 161 Eine generelle Beschränkung auf die Anordnung von Schadensersatz für Rechtsverletzungen wäre als Eingriff in den verfassungsänderungsfesten Kernbereich des Art. 19 Abs. 4 GG nicht rechtfertigungsfähig, vgl. nur Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 314; Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 283; Wieland in: FS Blümel, S. 647, 655. 162 Vgl. Kap. 2 B. 163 Vgl. BVerfGE 11, S. 232, 233; E 49, S. 329, 340; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rdn. 1018; Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1442 f.; Streinz, VerwArch 79 (1988), S. 272, 292.

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Kap. 4: Die Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung

sich der Gesetzgeber dem Rechtsschutzgewährungsgebot aus Art. 19 Abs. 4 GG nicht dadurch entziehen können, dass er den Schutz des Einzelnen vorverlagert, um dann die Gerichtskontrolle auszuschließen164. Aus diesem Grund entwickelt Art. 19 Abs. 4 GG anerkanntermaßen Vorwirkungen in vorgerichtlichen behördlichen Verfahren wie demjenigen vor der Vergabekammer165. b) Keine rechtspräklusive Wirkung der Zuschlagserteilung Ausgeschlossen wäre indes die Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 4 GG, wenn mit der Erledigung des Bieteranspruchs gleichsam ein Untergang seines subjektiven Rechts einherginge. Denn Art. 19 Abs. 4 GG konstituiert keine subjektiven Rechte, sondern setzt vielmehr die Existenz subjektiver Rechte voraus. Wird innerhalb der 14tägigen Frist des § 13 VgV kein Nachprüfungsantrag gestellt, erledigen sich das Vergabe- und das Nachprüfungsverfahren und der Bieteranspruch verliert seinen Sinn. Insofern bewirkt zum einen die Zuschlagserteilung den Verlust der Klagbarkeit der subjektiven Primärrechtsschutzrechte aus § 97 Abs. 7 GWB. Zum anderen fungiert die 14-Tages-Frist gleichsam als Antragsfrist, da der Zuschlag im Falle der unterlassenen Nachprüfungsantragsstellung in aller Regel unmittelbar nach Fristablauf erteilt wird. Mit anderen Worten führt die Versäumnis der Nachprüfungsantragstellung innerhalb der Frist i. S. d. § 13 S. 2 u. 3 VgV regelmäßig zum Verlust der Rechtsstellung, die zur Geltendmachung der Rechte aus § 97 Abs. 7 GWB im Nachprüfungsverfahren berechtigt. Damit bewirkt der Zuschlag nicht nur eine Erledigung, sondern darüber hinaus eine materielle Präklusion166. Denn darunter ist nichts anderes zu verstehen als der Verlust einer Rechtsstellung für das Verwaltungs- und167 das Gerichtsverfahren unter bestimmten Voraussetzungen168, meist aufgrund der Versäumnis von Anfechtungsfristen oder der Nichtbeachtung von Rügepflichten169. Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 143. Vgl. allgemein zu den Auswirkungen von Art. 19 Abs. 4 GG auf Verwaltungsverfahren Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 IV Rdn. 483 ff.; Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 248 ff. Ein gerichtliches Vorverfahren an sich ist im Übrigen nach ganz h. M. verfassungsrechtlich zulässig, nicht aber verfassungsrechtlich geboten, selbst wenn es dem Rechtsschutz dienlich ist (vgl. BVerfGE 35, S. 65, 72 f.; E 40, S. 237, 256; E 69, S. 1, 48; Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 39; Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 GG Rdn. 249). 166 Ebenso Kling, NZBau 2003, S. 23, 25. (An)Erkannt als vergaberechtliche Präklusionsregelung ist bislang nur § 107 Abs. 3 GWB. 167 Eine formelle Präklusion erstreckt sich nur auf das Verwaltungsverfahren selbst, wäre also im Vergaberecht auf das Verfahren vor der Vergabekammer begrenzt. Der Primärrechtsschutzausschluss infolge der Zuschlagserteilung gilt indes auch für das Verfahren vor dem Vergabesenat des Oberlandesgerichts. Vgl. allgemein Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 260. 168 Vgl. Creifelds, Rechtswörterbuch; Köbler, Juristisches Wörterbuch. Andere Definitionen sehen den Begriff enger und begrenzen ihn auf das Verfahrensrecht, vgl. Münchner 164 165

B. Vereinbarkeit mit den europarechtlichen Primärrechtsschutzvorgaben

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Maßgebend für die Frage des Bestehenbleibens des subjektiven Bieterrechts nach Zuschlagserteilung ist die Feststellung deshalb, weil die Wirkung der materiellen Präklusion – zumindest im Verwaltungsrecht – teilweise über den Verlust der formellen Rechtsstellung auf denjenigen der materiellen Rechtsstellung erweitert wird. Präkludiert wäre danach nicht nur die Klagbarkeit eines subjektiven Rechts, sondern das subjektive Rechts selbst170 mit der Folge, dass der Anwendbarkeit des Art. 19 Abs. 4 GG die Grundlage entzogen wäre171. Doch verkennen die Vertreter dieser Rechtspräklusion die notwendige Differenzierung zwischen dem subjektiven Recht und dem jeweiligen Anspruch172. Typischerweise erstreckt sich eine Präklusion i.R.e. Primärrechtsschutzverfahrens nur auf den Primärrechtsschutzanspruch und lässt die entsprechenden Sekundärrechtsschutzansprüche unberührt. Im Vergaberecht wird dies sogar durch die Normierung des Feststellungsverfahrens nach Zuschlagserteilung gem. § 114 Abs. 2 S. 2 GWB gesetzlich indiziert, das vor allem „im Hinblick auf die Bindungswirkung der Kammerentscheidung für eventuelle Schadensersatzprozesse“173 (§ 124 Abs. 1 GWB) geschaffen worden ist174. Sekundärrechtsschutzansprüche entspringen indes demselben subjektiven Recht wie der Primärrechtsschutzanspruch, so dass deren Anerkennung nach bzw. trotz der Präklusion des Primärrechtsschutzanspruchs eine Rechtspräklusion ausschließt175. Daher ist eine die Anwendbarkeit des Art. 19 Rechtslexikon, Bd. 2, indem Präklusion definiert wird als die Ausschließung eines Verfahrensbeteiligten mit seinem Vorbringen, das als unentschuldigt verspätet angesehen wird. Otto, Präklusion, S. 17, hingegen bestimmt die Präklusion dahingehend, dass eine Partei von einem Zeitpunkt an mit einer Prozesshandlung ausgeschlossen ist. 169 Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rdn. 502j. Ähnlich Lorenz, Verwaltungsprozeßrecht, der ebenfalls auf die Nicht- bzw. die verspätete Geltendmachung abstellt, allerdings zur Begründung auf den Verwirkungsgedanken verweist und damit auch ein Umstandsmoment zu fordern scheint. Ein solches könnte in der verschuldeten Nichtgeltendmachung der Rechte zu sehen sein. Streinz, VerwArch 79 (1988), S. 272, 280 ff. unterscheidet zwischen einer auf dem Verwirkungsgedanken basierenden und einer auf dem Gedanken der Bestandskraft beruhenden Präklusion. Im Vergaberecht käme letztere zum Tragen, da allein das „Zeitmoment“ entscheidet. 170 So Papier, NJW 1980, S. 319, 321; Schenke in: BK-GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 435. Unklar BVerfGE 61, S. 82, 109 (zu § 3 Abs. 2 Nr. 2 AtAntlV), wonach eine (materielle) Präklusion auch den aus den subjektiven materiellen Rechten folgenden Abwehranspruch materiellrechtlich beschränkt oder gänzlich entfallen lässt, und Köppl, Ausschlußfristen, der auf S. 25 das materielle subjektive Recht als Gegenstand der (materiellen) Präklusion bezeichnet, auf S. 118 f. hingegen das materielle Recht an sich als von der Präklusion unberührt darstellt. 171 Vgl. zu diesem aus dem Verwaltungsrecht bekannten Streit um die Rechtspräklusion und ihre Auswirkung auf die Anwendbarkeit von Art. 19 Abs. 4 GG Streinz, VerwArch 79 (1988), S. 272, 282 ff. 172 Vgl. dazu Kap 1 B. II. 2. b) bb) u. Kap. 2 B. I. 3. 173 BT-Drucks. 13 / 9340, S. 19 zu § 124 Reg-E. 174 Vgl. Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 114 GWB Rdn. 13; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 21. 175 Vgl. auch Streinz, VerwArch 79 (1988), S. 272, 292.

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Kap. 4: Die Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung

Abs. 4 GG ausschließende Rechtspräklusion im Verwaltungs- wie im Vergaberecht abzulehnen.

2. Die Erledigungswirkung als Beschränkung der Rechtsschutzgarantie Mithin sind die (Primär-)Rechtsschutzvorgaben des Art. 19 Abs. 4 GG auch nach Zuschlagserteilung maßgebend. Diese schneidet dem nichtberücksichtigten Bieter im Falle ihrer – regelmäßigen – Wirksamkeit jedoch aufgrund ihrer Erledigungswirkung jeglichen Primärrechtsschutz ab und verweist ihn auf Sekundärrechtsschutz. Selbst wenn infolge der Einführung der Vorabinformationspflicht vor Zuschlagserteilung Primärrechtsschutz effektiv geltend gemacht werden könnte und deshalb im Vergaberecht Primärrechtsschutz nicht mehr grundsätzlich ausgeschlossen wäre, stellt diese Begrenzung – in Gestalt des § 114 Abs. 2 S. 1 GWB – dennoch eine Beeinträchtigung176 des durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten umfassenden vorrangigen Primärrechtsschutzes dar177.

3. Die Rechtfertigungsfähigkeit der Erledigungswirkung Allerdings wird die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG als grundgesetzliche Ausformung der rechtsstaatlichen Justizgewährung von den anderen Instituten, Normen und Werten des Grundgesetzes beeinflusst. Die im Einzelfall gebotene Effektivität des Rechtsschutzes ist daher stets das Ergebnis einer Abwägung, in der sowohl Art. 19 Abs. 4 GG als auch Grundrechte Dritter und andere Verfassungsgüter nach den Regeln praktischer Konkordanz insgesamt zur Wirksamkeit gelangen. Aus diesem Grund wurde die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG bereits als Gebot ausgewogenen Rechtsschutzes konkretisiert178. Die vergaberechtliche Primärrechtsschutzbeschränkung steht daher mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG in Einklang, wenn sie durch kollidierende Grundrechte Dritter oder andere Verfassungsrechtsgüter gerechtfertigt ist179. Im Folgenden ist daher zu untersuchen, welche kollidierenden Verfassungspositionen bei der Ausgestaltung des Vergaberechtsschutzes insbesondere nach Zuschlagser176 Zu der Frage, ob Beeinträchtigungen von Art. 19 Abs. 4 GG als Eingriff oder Ausgestaltung zu bewerten sind, vgl. Kap. 1 B. II. 3. b) cc). 177 Als Beeinträchtigung von Art. 19 Abs 4 GG gilt jedes hoheitliche Verhalten, das den Schutz eines subjektiven (staatverpflichtenden) Rechts durch Gerichte unmöglich macht oder erschwert, vgl. nur Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, Art. 19 IV Rdn 60 ff., 84. Ossenbühl, NVwZ 1982, S. 465, 472 und Redeker, NJW 1980, S. 1593, 1597 scheinen allerdings den Eingriffscharakter einer materiellen Präklusion, welcher die Erledigungswirkung zumindest gleichkommt, abzulehnen. 178 Vgl. Kap. 1 B. II. 3. b) cc). 179 Vgl. Kap. 1 B. II. 3. b) cc).

B. Vereinbarkeit mit den europarechtlichen Primärrechtsschutzvorgaben

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teilung zu berücksichtigen sind [a)] und inwiefern die Erledigungswirkung einen verhältnismäßigen Ausgleich dieser Positionen darstellt [b)]. a) Die Verfassungspositionen in der vergaberechtlichen Konkurrenzsituation Die Mehrpoligkeit der vergaberechtlichen Konkurrenzsituation verlangt eine Berücksichtigung sowohl der Grundrechte des Auftraggebers180 und des präferierten Konkurrenten als auch sonstiger Verfassungsgüter181. Als abwägungsrelevante Verfassungsposition kommen damit – in erster Linie – die Vertragsfreiheit [aa)], der pacta-sunt-servanda-Grundsatz [bb)], die Rechtssicherheit [cc)] und die Funktionsfähigkeit der Verwaltung [dd)] in Betracht. aa) Die Vertragsfreiheit Offensichtlich berührt der vergaberechtliche Primärrechtsschutz zunächst die Vertragsfreiheit von Auftraggeber und präferiertem Bieter, insbesondere wenn Primärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung gewährt werden soll. Sie entfaltet ihren grundrechtlichen Schutz sowohl gegenüber Eingriffen der Exekutive in die Vertragsgestaltung, z. B. durch privatrechtsgestaltenden Hoheitsakt, als auch hinsichtlich der Ausgestaltung der Privatrechtsordnung durch den Gesetz- und Verordnungsgeber182. Unabhängig davon, ob Vergabeprimärrechtsschutz a priori über die Schaffung vergabe- oder zivilrechtlicher genereller Unwirksamkeitstatbestände oder ob er a posteriori über die Einräumung einer Befugnis der Rechtsmittelinstanzen zur Aufhebbarkeit von Vertrag und Zuschlag im Einzelfall vermittelt würde, berührte er folglich die Vertragsfreiheit. Gewährt wird die Vertragsfreiheit i.R.d. Art. 2 Abs. 1 GG183, doch können jedenfalls nach Vertragsschluss ebenfalls Art. 14 GG, in dessen Schutzbereich anerkanntermaßen privatrechtliche obligatorische Rechtspositionen fallen184, sowie Art. 12 Abs. 1 GG einschlägig sein. Da der öffentlichen Hand durch die genannten Grundrechte jeweils in etwa der gleiche Dispositionsspielraum belassen wird, soll vorliegend eine Differenzierung unterbleiben185. 180

Auch öffentliche Auftraggeber können grundrechtsberechtigt sein, vgl. Kap. 2 B. I.

1. b). 181 Vgl. allgemein Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 337; und aus vergaberechtlicher Sicht Kunert, Bedarfsdeckungsgeschäfte, S. 211 f. 182 Di Fabio in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdn. 106; Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 127 f. A.A. Dürig in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdn. 59 f., der privatrechtliche Beschränkungen der Vertragsfreiheit für nicht rechtfertigungsbedürftig hält. 183 Vgl. Di Fabio in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdn. 101 m. w. N. in Fn. 4. 184 Hier geht es um den Schutz des einmal geschlossenen Vertrags, also um bestehende Rechtspositionen, und nicht um den i.R.d. Art. 14 GG umstrittenen Entstehens- und Erwerbsschutz.

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Kap. 4: Die Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung

Dieser Spielraum ist indessen stark begrenzt, da die Vertragsfreiheit aus verfassungsrechtlicher Sicht die juristische Konkretisierung grundrechtlicher Freiheit darstellt. Jede Disposition beschneidet diese Freiheit und gefährdet damit ihren Kernbereich und Wesensgehalt186. Dass der Gesetzgeber dennoch gerechtfertigt sein kann, Verträge – etwa unter Verwendung von Generalklauseln – für nichtig zu erklären oder aber Verwaltungsbehörden zu ermächtigen, die Nichtigkeit per Verwaltungsakt herzustellen, ist allerdings allgemein anerkannt187. Insoweit ist zwischen rechtstechnisch-formalen und inhaltlich-materialen Schranken zu unterscheiden188. Jene sind für die Gewährleistung einer funktionierenden Gegenseitigkeitsordnung unerlässlich und finden sich in Direktiven zur Geschäftsfähigkeit oder in Form- und Publizitätsvorschriften189, diese sollen die Idee eines gerechten Vertragsrechts realisieren und finden sich in vielen gesellschaftsrelevanten Bereichen, beispielsweise im Verbraucherschutz, dem Arbeitnehmerschutz, dem Mieterschutz oder der Wettbewerbsordnung190. Neben diesen sachbereichsbezogenen Schranken sind zudem als generelle Beschränkungen der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit die Nichtigkeitsgründe der §§ 134, 138 BGB zu nennen. Auffällig ist hierbei, dass die Einschränkungen regelmäßig dem Schutz des schwächeren Vertragspartners dienen und nur in Ausnahmefällen mittelbar dem Schutz Dritter. Im Umkehrschluss scheinen an die Beschränkung der Vertragsfreiheit zum Schutz der Rechte Dritter besonders hohe Anforderungen zu stellen zu sein. bb) Der pacta-sunt-servanda-Grundsatz Infolge der Einordnung der Auftragsvergabe als – zivilrechtlicher – Vertrag ist daneben der pacta-sunt-servanda-Grundsatz berührt. Dieser schützt den einmal geschlossenen Vertrag, indem er die Auflösbarkeit des Vertragsverhältnisses – jedenfalls durch Dritte – grundsätzlich ausschließt191. Er ist damit inhaltlich ein Unterfall der Vertragsfreiheit und ebenso wie diese durch vergaberechtlichen Rechtsschutz nach Zuschlagserteilung betroffen. Trotz seiner Anerkennung als allgemeiner Rechtsgrundsatz steht jedoch seine verfassungsrechtliche Dimension in Frage192. Da er diesbezüglich auf die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Ver185 Das Verhältnis der die Vertragsfreiheit schützenden Grundrechte ist unklar. Wenn auch die Subsidiarität des Art. 2 Abs. 1 GG allgemein anerkannt ist, verfährt die Rechtsprechung uneinheitlich und wendet z. T. trotzdem nur Art. 2 Abs. 1 GG, z. T. diesen sowie spezielle Grundrechte nebeneinander oder nur letztere an. Vgl. Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 133 f. m. w. N. 186 Di Fabio in: Maunz / Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdn. 104. 187 Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 127 f. 188 Vgl. Höfling, Vertragsfreiheit, S. 40 ff. 189 Höfling, Vertragsfreiheit, S. 41. 190 Vgl. Höfling, Vertragsfreiheit, S. 41 f. m. w. N. 191 Vgl. Kap. 4 A. II. 1. 192 Vgl. Sangmeister, BB 1988, S. 609, 612 m. w. N. in Fn. 58.

B. Vereinbarkeit mit den europarechtlichen Primärrechtsschutzvorgaben

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trauensschutzes zurückgeführt wird, sollen deshalb diese und nicht der pacta-suntservanda-Grundsatz selbst als mit der Rechtsschutzgarantie kollidierende Verfassungspositionen berücksichtigt werden. cc) Die Rechtssicherheit Rechtssicherheit gebietet zum einen Klarheit und Überschaubarkeit der Rechtsordnung. Zum anderen fordert sie in zeitlicher Hinsicht Vertrauensschutz in die Beständigkeit der Rechtsordnung und seiner hiernach getroffenen Dispositionen193. Dieser Aspekt würde unzweifelhaft durch Primärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung in Form behördlicher und gerichtlicher Eingriffsbefugnisse in bestehende wirksame194 Verträge berührt195. Jener Aspekt wäre betroffen, wenn durch die Kopplung jedes Vergabeverstoßes an ein Verbotsgesetz das Zustandekommen wirksamer Vergabeverträge verhindert und insofern Primärrechtsschutz gewährt würde. Denn zumindest für den präferierten Bieter wäre angesichts der Unübersichtlichkeit des Vergaberechts eine Vielzahl der i.d.R. an den Auftraggeber gerichteten Verbotsgesetze, zumindest jedoch deren Nichteinhaltung im Einzelfall, nicht ersichtlich196. Allerdings ist ein Abstellen auf die Rechtssicherheit i.R.e. Güterabwägung, insbesondere im Vergaberecht, nicht unbedenklich. Wie der pacta-sunt-servanda-Grundsatz ist auch die Rechtssicherheit weder ausdrücklich normiert, noch Inhalt und Gegenstand eines unbedingten Gesetzesgebotes. Zwar werden ihre Wurzeln im Rechtsstaatsprinzip (Art. 19 Abs. 4 GG, 20 Abs. 3 GG) gesehen197, doch kann sie nur als Motiv dieser und anderer Rechtsvorschriften begriffen werden. Daher ist eine, wenngleich überwiegend anerkannte198, verfassungsrechtliche Dimension dieses Rechtsgedankens nicht unumstritten199. Jedenfalls steht diesem auf der Verfassungsebene das gleichwertige, aber gegenläufige Gebot der Einzelgerechtigkeit entgegen, das ebenfalls aus dem Rechtsstaatsprinzip, vor allem jedoch aus dem Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG abge193 Degenhart, Staatsorganisationsrecht, Rdn. 369. Teilweise wird der Vertrauensschutz auch nur auf den Grundsatz von Treu und Glauben zurückgeführt, vgl. Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht II, § 51 Rdn. 70 m. w. N. Dass er nur zugunsten des Bürgers wirkt (so Mainka, Vertrauensschutz, S. 27, 30 f.) ist unbeachtlich, da jedenfalls die präferierten Bieter, z. T. aber auch die Auftraggeber, „Bürger“ sind, vgl. Kap. 2 B. I. 1. b). 194 Die bloße Rechtswidrigkeit schließt einen Vertrauenstatbestand nicht a limine aus, vgl. Herzog in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rdn. 64. 195 Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 475. 196 Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 511; Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 475; Wegmann, NZBau 2001, S. 475, 478. 197 Vgl. allgemein BVerfGE 2, S. 380, 403; E 27, S. 297, 305 f.; E 60, S. 253, 268 ff.; E 88, S. 118, 124; Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 337. 198 Vgl. BVerfGE 72, S. 200, 202 ff.; Degenhart, Staatsorganisationsrecht, Rdn. 354 ff.; Ossenbühl, DÖV 1972, S. 25, 27; Pieroth, JZ 1984, S. 971, 972. 199 Herzog in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rdn. 61.

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Kap. 4: Die Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung

leitet wird200. Insbesondere in der Funktion als „Rechtfertigungsgrund“ einer Beschränkung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG darf daher der Rechtssicherheit keine große Bedeutung beigemessen werden201. dd) Die Funktionsfähigkeit der Verwaltung Abschließend ist die Funktionsfähigkeit der Verwaltung, vor allem in Hinblick auf ihr Ziel der Daseinsvorsorge, und das mit ihr zusammenhängende Gebot der effektiven Erfüllung der Staatsaufgaben202 als abwägungsrelevante Verfassungsposition anzuführen. Auch sie ist im Rechtsstaatsprinzip verwurzelt203. Da die Vergabe öffentlicher Aufträge regelmäßig – zumindest mittelbar – der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient, kann ihre Verzögerung durch Rechtsschutzverfahren, die nach Zuschlagserteilung zulässig wären, im Einzelfall die Daseinsvorsorge erheblich beeinträchtigen. Zudem ist zu befürchten, dass insbesondere in Bereichen, in denen der Staat kein Nachfragemonopol innehat, eine durch die Verzögerung bedingte jahrelange Unsicherheit hochqualifizierte Bewerber abschreckt, so dass der Auftrag schlussendlich nicht an den Leistungsstärksten, sondern an den Prozessfreudigsten vergeben wird204. Schließlich würde eine im Fall eines erfolgreichen Nachprüfungsverfahrens ggf. erforderliche Rückabwicklung des bereits geschlossenen Vergabevertrags mit dem präferierten Bieter die Staatsfinanzen z. T. wesentlich belasten. b) Effektiver Primärrechtsschutz vor Zuschlagserteilung als Voraussetzung für die Rechtfertigung der Erledigungswirkung Zu berücksichtigen in der Frage der Rechtfertigungsfähigkeit der Erledigungswirkung sind damit die Vertragsfreiheit [cc)], die Rechtssicherheit [bb)] sowie die Funktionsfähigkeit der Verwaltung [aa)]. aa) Funktionsfähigkeit der Verwaltung Hinsichtlich der Funktionsfähigkeit wurden bereits erhebliche Beeinträchtigungen im Falle der Gewähr von Primärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung heraus200 BVerfGE 2, S. 380, 403 ff.; Herzog in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rdn. 61; Macedo Weiß, Pacta sunt servanda, S. 141. 201 Insofern konnte der Gesetzgeber im Zivilrecht bei der Abwägung zwischen der Rechtsverbindlichkeit und der Einzelfallgerechtigkeit dem Grundsatz der Vertragsverbindlichkeit den Vorrang einräumen. 202 Vgl. Lansnicker / Schwirtzek, NJW 2003, S. 2481, 2485. 203 Vgl. allgemein Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 337. 204 Damit wird nunmehr auch die Erledigung der Verteilungsentscheidung im Konkurrenzstreit im öffentlichen Dienst begründet, vgl. BAG, NZA 2003, S. 324, 325 f.

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gestellt. Diesen Nachteilen, insbesondere der Verzögerung und der Rechtsunsicherheit, stehen allerdings mit der Minderung des Betrugs- und Korruptionsrisikos205 sowie den Vorzügen, die sich aus einer effektiven rechtlichen Absicherung der Bestenauslese ergeben206, gewichtige Vorteile eines Primärrechtsschutzes nach Zuschlagserteilung entgegen, die jene Nachteile zumindest teilweise kompensieren207. Zudem könnte der Auftraggeber die Gefahr von Verzögerungen und Unsicherheiten durch Ingangsetzung des vergaberechtlichen Eilverfahrens (§§ 115 Abs. 2, 121 GWB) zumindest mindern. Auch sind die Rechtsschutzfristen im Vergaberecht kurz bemessen und überschaubar. Damit kommt der Funktionsfähigkeit der Verwaltung kein abwägungsrelevantes Gewicht zu. bb) Rechtssicherheit Gleiches gilt für den Gesichtspunkt der Rechtssicherheit. Neben den diesbezüglich bereits vorgebrachten Bedenken208 ist zu berücksichtigen, dass – im Gegensatz zum Verwaltungsrecht – im Zivilrecht, für dessen Anwendbarkeit im öffentlichen Auftragswesen sich der Kartellvergabegesetzgeber bewusst entschieden hat, bei der Abwägung zwischen der Rechtsverbindlichkeit und der Gerechtigkeit dem Grundsatz der Vertragsverbindlichkeit generell der Vorrang eingeräumt ist209. Nur in Ausnahmefällen ist ein Durchwirken anderer Rechtsgebiete über die Brücke des § 134 BGB vorgesehen210. Im Übrigen verlangt ein Berufen auf die Rechtssicherheit, zumindest in ihrer Konkretisierung als Vertrauensschutz, eine Vertrauensinvestition des Betroffenen sowie die Schutzwürdigkeit seines Vertrauens211. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Auftraggebers dürfte jedoch regelmäßig zu verneinen sein, da dieser gerade den Vergabeverstoß begeht. Zumindest zweifelhaft ist auch das schutzwürdige Vertrauen des präferierten Bieters. Diesem ist der Verstoß zwar regelmäßig unbekannt. Doch darf er grundsätzlich erst nach endgültigem Abschluss eines Verfahrens auf dessen Ergebnis, hier also die Zuschlagserteilung, vertrauen212. Dies folgt schon 205 Schwarze, EuZW 2000, S. 133, 135. Zur Korruption bei der Auftragsvergabe vgl. Gabriel, VergabeR 2006, 173 ff. Zu den strafrechtlichen Aspekten der Auftragsvergabe vgl. Schaupensteiner, ZRP 1993, S. 250, 251 ff. 206 Vgl. Wieland in: FS Blümel, S. 647, 657. 207 Kritisch auch Gundel, DV 37 (2004), S. 401, 427 ff.; Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 1159. 208 Vgl. Kap. 4 B. II. 3. a) cc). 209 Vgl. Macedo Weiß, Pacta sunt servanda, S. 142. 210 Vgl. Antweiler, DB 2001, S. 1975, 1978 f.; Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 476. 211 Herzog in: Maunz / Dürig, GG, Art. 20 VII Rdn. 65 ff. 212 So auch Lansnicker / Schwirtzek, NJW 2003, S. 2481, 2485; v. Mutius, VerwArch 69 (1978), S. 103, 111; Wahl / Schütz in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rdn. 325. Nach BVerfGE 2, S. 380, 403 ist die Rechtssicherheit v.a. auf einen rechtsbeständigen Verfahrensabschluss gerichtet.

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Kap. 4: Die Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung

daraus, dass der einzelne Bieter lediglich einen Anspruch auf ein rechtmäßiges Verfahren hat und demzufolge erst nach endgültigem Abschluss auf dessen Ergebnis vertrauen darf213. Der endgültige Abschluss erfolgt in einem Rechtsstaat indes nicht schon mit der Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers, sondern erst mit der letztinstanzlichen Entscheidung des zuständigen Gerichts. Die bis dahin bestehende und bekannte Rechtsunsicherheit erscheint insbesondere angesichts der kurzen Fristen im Vergaberecht, die eine schnelle Entscheidung garantieren, sowie der Möglichkeiten des Auftraggebers zur Beantragung einstweiligen Rechtsschutzes als unausweichliche Folge des Rechtsstaats zumutbar214. Das BVerfG hält in diesem Zusammenhang einen Schwebezustand zumindest für einen Zeitraum von sechs Monaten für tragbar215. cc) Vertragsfreiheit Das entscheidende Gegengewicht zum Rechtsschutzanspruch des nichtberücksichtigten Bieters liegt damit in der Vertragsfreiheit von Auftraggeber und präferiertem Bieter. Nun kann aber weder die zeitliche Rechtsschutzbeschneidung als gerechtfertigte Kompensation der Nachprüfungsantragsbefugnis, die als „Anfechtungsmöglichkeit“ Dritter der Privatautonomie widerspricht, noch die Nachprüfungsantragsbefugnis als die erforderliche Kompensation für den Ausschluss zivilrechtlicher Unterlassungsansprüche nach „Bestandskraft“ von Vertrag und Zuschlag angesehen werden216. Vielmehr ist die Rechtfertigung der primärrechtsschutzausschließenden Zuschlagserteilung nicht in der genannten Kompensation, sondern im Ausgleich der genannten Verfassungspositionen zu suchen217. In diesem Zusammenhang ist zum einen zu berücksichtigen, dass das geltende Vergaberecht Primärrechtsschutz vorsieht und durch die Einführung des § 13 VgV und der Zuschlagsverbote der § 115 Abs. 1, 118 Abs. 1 und 3 GWB Maßnahmen zur Unterbindung des Entstehens irreversibler Zustände vor Ingangsetzung bzw. Beendigung von Rechtsschutzverfahren getroffen hat. Damit ist dem Gebot effektiven Rechtsschutzes im Sinne rechtzeitigen Rechtsschutzes218 entsprochen, wonach dem Einzelnen – in Gestalt vorläufigen oder vorbeugenden Rechtsschutzes219 A.A. Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 475. Vgl. Wieland in: FS Blümel, S. 647, 657 ff., 660. Kritisch aber für den Bereich des öffentlichen Auftragswesens mit Blick auf die Funktionsfähigkeit der Verwaltung Gundel, DV 37 (2004), S. 401, 426. 215 Lansnicker / Schwirtzek, NJW 2003, S. 2481, 2485 mit Verweis auf BVerfG, NVwZ 2002, S. 1367. 216 So z. B. Wolfrum, DÖV 1979, S. 498 ff., 502. 217 Streinz, VerwArch 79 (1988), S. 272, 296 f. 218 Dörr, DÖV 2001, S. 1014, 1021. Vgl. zum Gebot des rechtzeitigen Rechtsschutzes Harries-Lehmann, Rechtsweggarantie, S. 67 ff. 219 BVerfGE 46, S. 166, 178 f.; E 51, S. 268, 284; E 65, S. 1, 70; E 79, S. 69, 76; E 94, S. 166. 216. 213 214

B. Vereinbarkeit mit den europarechtlichen Primärrechtsschutzvorgaben

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– die Möglichkeit eingeräumt sein muss, die Verwaltung an der Schaffung vollendeter Tatsachen zu seinen Lasten zu hindern, solange nicht ein Gericht über die Rechtmäßigkeit des staatlichen Handelns befunden hat220. Zum anderen ist die Vertragsfreiheit bereits durch das geltende Kartellvergaberecht, also auch ohne den Vergabeprimärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung, erheblich zugunsten des Bieterrechtsschutzes221 eingeschränkt. Dies zeigt sich insbesondere in der Anerkennung eines verdrängenden Zuschlagserteilungsanspruchs unter bestimmten Voraussetzungen222. Die Erweiterung des Vergabeprimärrechtsschutzes auf die Phase nach Vertragsschluss erfüllte zwar die Forderung nach umfassendem Primärrechtsschutz, allerdings einseitig und massiv zu Lasten der Vertragsfreiheit. Solange daher Vergabeprimärrechtsschutz grundsätzlich garantiert ist, mithin die derzeitige Beschränkung eine allein zeitliche und keine inhaltliche ist, ist der verfassungsrechtliche Ausgleich zwischen der Rechtsschutzgarantie auf der einen und der Vertragsfreiheit (sowie der Rechtssicherheit und der Funktionsfähigkeit der Verwaltung) auf der anderen Seite gewahrt223. Voraussetzung für die Rechtfertigung der vergaberechtlichen Primärrechtsschutzbeschränkung ist damit, dass zur erforderlichen Gewährleistung der Überprüfbarkeit jeder224 Vergabeentscheidung und der Verhinderung irreversibler Tatsachen der vergaberechtliche Primärrechtsschutz effektiv ausgestaltet ist225.

220 BVerfG, NJW 1990, S. 501; BVerwG, ZBR 2004, S. 101, 102; Dörr, DÖV 2001, S. 1014, 1021; Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 IV Rdn. 460. 221 Die Einführung eines effektiven Vergaberechtsschutzes war die Zielsetzung des VgRÄG, vgl. Kap. 2 A. III. 2. u. 3. 222 Vgl. Kap. 3 A. II. 3. 223 Die Rechtmäßigkeit zeitlicher Rechtsschutzbeschränkungen ist im Grundsatz allgemein anerkannt, z. B. bei den Instituten der Erledigung und der Präklusion sowie den Klage- und Anfechtungsfristen. Vgl. dazu Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 352. 224 Jüngst klargestellt von BVerfG, NZBau 2004, S. 564, 565 mit Anm. Bultmann / Hölzl, NZBau 2004, S. 651; Prieß / Hölzl, NZBau 2005, S. 367, 370. 225 Vgl. BVerfGE 61, S. 82, 116 f.; E 60, S. 253, 269 f.; BVerwGE, 60, S. 297, 307 ff.; Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 337, 341; Streinz, VerwArch 79 (1980), S. 272, 297, 299 ff.; Wernsmann, DVBl. 2005, S. 276, 283. Der Unterschied zum ohnehin aus Art. 19 Abs. 4 GG resultierenden Gebot effektiven und lückenlosen Rechtsschutzes liegt in der erforderlichen lückenlosen Rechtsschutzgewährung im präventiven Bereich. Anders das BVerfG, NZBau 2006, 791, 795, das eine Primärrechtsschutzgarantie im Vergaberecht (unterhalb der Schwellenwerte) abgelehnt hat. Zum einen lässt die Entscheidung jedoch eine ausführliche Auseinandersetzung mit den verschiedenen abzuwägenden Interessen vermissen. Zum anderen greifen ihre Hauptargumente nur für Unterschwellenbereich: nur dort sind Vergaben ein „Massenphänomen“; (hauptsächlich) nur dort kommen kurzfristig erforderliche Vergaben in Betracht, so dass Primärrechtsschutz die Erfüllung öffentlicher Aufgaben gefährden, weil verzögern, kann; (wenn überhaupt, dann) nur dort ist der erfolglose Bieter allein in wirtschaftlichen Interessen betroffen.

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Kap. 4: Die Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung

III. Die Vereinbarkeit der Erledigungswirkung mit den europarechtlichen Primärrechtsschutzvorgaben Daneben muss die Erledigungswirkung den europarechtlichen Vorgaben genügen. Dies ist zunächst vor dem Hintergrund problematisch, dass den europäischen Vergaberichtlinien die Struktur einer zweistufigen Vergabe, d. h. der Trennung von Zuschlag und Vertragsschluss, zugrunde liegt226. Gerade diese Trennung ist indes nicht nur im deutschen Recht nicht festgeschrieben, das stattdessen von einer einstufigen Vergabe und somit dem Zusammenfallen von Zuschlag und Vertragsschluss ausgeht, sondern wurde darüber hinaus als wesentliche Ursache der Erledigungswirkung herausgestellt227. Sollte daher den Richtlinien jene Trennung nicht nur zugrundegelegt, sondern als Gebot zu entnehmen sein, wäre die Erledigungswirkung bereits deshalb (mittelbar) mit den europäischen Vorgaben unvereinbar, weil sie das Resultat der europarechtswidrigen einstufigen Auftragsvergabe ist [1.]. Daneben steht auch die Vereinbarkeit der primärrechtsschutzausschließenden Erledigungswirkung selbst mit der RMRL in Frage, die gerade zur Verbesserung des Vergabeprimärrechtsschutz in den Mitgliedstaaten erlassen worden ist [2.]228.

1. Die Vereinbarkeit der einstufigen Vergabe mit der RMRL Die den Richtlinien zugrundeliegende Struktur der zweistufigen Auftragsvergabe wird offensichtlich in Art. 2 Abs. 6 RMRL. Danach richten sich die Wirkungen der Maßnahmen der Nachprüfungsinstanzen „auf den nach Zuschlagserteilung des Auftrags geschlossenen Vertrag . . . nach dem einzelstaatlichen Recht“ (Unterabs. 1) und „kann ein Mitgliedstaat ferner vorsehen, dass nach dem Vertragsschluss im Anschluss an die Zuschlagserteilung die Befugnisse der Nachprüfungsinstanzen darauf beschränkt werden, einer durch einen Rechtsverstoß geschädigten Person Schadensersatz zuzuerkennen“ (Unterabs. 2). Damit wird ausdrücklich zwischen Zuschlagserteilung und Vertragsschluss unterschieden229. Eine bestimmte Zeitspanne zwischen Zuschlag und Vertragsschluss ist indes nicht festgelegt230. Da auch das deutsche Recht eine – zumindest rechtliche – Differenzierung zwischen der Zuschlagserteilung als Vertragsannahme und dem eigentlichen Vertragsschluss Vgl. Gröning, ZIP 1999, S. 52, 57; Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 143. Vgl. Kap. 4 A. III. 228 Vgl. die Begründung die Begründung zur RMRL, abgedruckt bei Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, Anhang III. 229 Vgl. Martin-Ehlers, EuZW 2000, S. 101; Wittig, Probleme des Vergaberechts, S. 98 f. In diesem Zusammenhang werden in der vergaberechtlichen Literatur regelmäßig zwei Problemfelder vermischt: auf der einen Seite das Verhältnis von Zuschlag und Vertragsschluss, auf der anderen Seite das Verhältnis von Zuschlagserteilung und Zuschlagsentscheidung. 230 Vgl. EuGH, EuZW 1999, S. 759, 761 Rdn. 40 f.; Gröning, ZIP 1999, S. 52, 57; Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 146. 226 227

B. Vereinbarkeit mit den europarechtlichen Primärrechtsschutzvorgaben

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vorsieht mit der Folge, dass jene diesem zumindest eine juristische Sekunde vorhergeht231, ist es insoweit mit dem Richtlinienwortlaut vereinbar. Die Vereinbarkeit mit dem Sinn und Zweck des Art. 6 Abs. 2 RMRL ist dagegen zweifelhaft. Die RMRL nennt als erstes Rechtsschutzziel in Art. 2 Abs. 1 lit. a vor allen anderen die Beseitigung von Rechtsverstößen und die Verhinderung weiterer Schädigungen, also Primärrechtsschutz. Vergaberechtsverstöße erfolgen jedoch normalerweise i.R.d. Zuschlagserteilung oder werden zumindest mit dieser erkennbar232. Fällt die Zuschlagserteilung mit dem Vertragsschluss zusammen und kann Rechtsschutz gem. Art. 6 Abs. 2 RMRL nach dem Vertragsschluss auf Schadensersatz begrenzt werden, hat dies zur Folge, dass – entgegen der Grundvorgabe der RMRL – der vergaberechtliche Rechtsschutz typischerweise auf Schadensersatz beschränkt ist233. Deshalb wird teilweise Art. 6 Abs. 2 RMRL über seinen Wortlaut hinaus ein Verbot auch des faktischen Zusammenfallens von Zuschlag und Vertragsschluss entnommen. Indessen betrifft ein solches Verbot in erster Linie die Ausgestaltung des Vergabeverfahrens und nicht die des Rechtsschutzverfahrens. Nicht jenes, sondern nur dieses ist aber Gegenstand der RMRL234. Für das Vergabeverfahren sehen die insoweit maßgeblichen Koordinierungsrichtlinien dagegen ein derartiges Verbot nicht vor. Vielmehr ist ein solches bei den Beratungen über die 1992 verabschiedete Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie – also weit nach Erlass der allgemeinen Rechtsmittelrichtlinie – zwar diskutiert, aber mangels Einigung nicht verabschiedet worden235. Diese rechtshistorischen und systematischen Erwägungen sprechen ersichtlich gegen die Annahme eines in Art. 6 Abs. 2 RMRL zugrunde gelegten Verbots des faktischen Zusammenfallens von Zuschlag und Vertragsschluss236. Vor allem aber überlässt die RMRL die Ausgestaltung des Rechtsschutzsystems weitgehend den Mitgliedstaaten, solange ihre Ziele, insbesondere die Primärrechtsschutzsteigerung237, umgesetzt und erreicht werden238. Damit ist ein ZusammenA.A. wohl Gröning, WRP 2000, S. 49, 50. Vgl. Kap. 3 A. II. 2. b). 233 Vgl. dazu Kus, NJW 2000, S. 544, 545. 234 Dementsprechend findet sich § 13 VgV auch im Abschnitt 1 der VgV über das Vergabeverfahren. 235 Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 208. 236 Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 208. 237 Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 205. A.A. Jasper / Pooth, NZBau 2003, S. 261, 263, die – im Hinblick auf die Frage des Rechtsschutzes gegen die Aufhebung einer Ausschreibung – das aus Art. 1 Abs. 1 RMRL folgende Gebot effektiven Rechtsschutzes durch die grundsätzliche Möglichkeit erfüllt sehen, die Maßnahme auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen und gegebenenfalls Schadensersatz zu fordern. 238 Vgl. die Begründung zur RMRL, abgedruckt bei Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, Anhang III. Daher ist, wie Kus, NJW 2000, S. 544, 545 erläutert, „lediglich das Ziel entscheidend, nicht die Art und Weise, d. h. die Ausgestaltung des Systems“. Vgl. auch Boesen, ZIP 1999, S. 1942; Erdl, BauR 1999, S. 1341, 1344. 231 232

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Kap. 4: Die Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung

fallen von Zuschlagserteilung und Vertragsschluss von den Richtlinien freilich nicht vorgesehen, aber mit diesen vereinbar, soweit trotz der Einstufigkeit effektiver Vergabeprimärrechtsschutz gewährt wird239. Nichts anderes folgt im Übrigen – und entgegen mancher Stimmen in der Literatur240 – aus der Alcatel-Entscheidung des EuGH241. Dieser unterscheidet dort im Hinblick auf die Primärrechtsschutzausschlussmöglichkeit nach Vertragsschluss gem. Art. 2 Abs. 6 RMRL nicht etwa zwischen der Zuschlagserteilung und dem nachfolgenden Vertragsschluss, sondern zwischen dem einem Vertragsschluss vorhergehenden und dem einem Vertragsschluss nachfolgenden Stadium. Insbesondere weist der EuGH darauf hin, dass aus europarechtlicher Sicht, die vom Gedanken der Interessenklage und nicht des Individualrechtsschutzes geprägt ist, nicht die Zuschlagserteilung, sondern die Zuschlagsentscheidung der Nachprüfung zugänglich sein und daher dem Vertragsschluss vorgehen muss242. Maßgeblich ist danach eine Trennung von Zuschlagsentscheidung und Vertragsschluss. Demzufolge ist das europarechtliche Auseinanderfallen von Vertrag und Zuschlagserteilung darauf zurückzuführen, dass dort Zuschlagserteilung und –entscheidung zusammenfallen. Das deutsche Recht hat hingegen durch die Einführung von § 13 VgV jene Trennung dadurch gewährleistet, dass zwar Zuschlagserteilung und Vertragsschluss zusammen-, stattdessen aber – zumindest faktisch243 – Zuschlagserteilung und -entscheidung auseinander fallen. Damit entspricht es insoweit den Vorgaben der RMRL. 2. Die Vereinbarkeit der Erledigungswirkung mit der RMRL bei effektivem Vergabeprimärrechtsschutz vor Zuschlagserteilung Nicht anders als eine zweistufige Ausgestaltung steht aber auch die Europarechtskonformität der „einstufigen Vergabe“ unter dem Vorbehalt der Einhaltung 239 Vgl. Antweiler, DB 2001, S. 1975, 1978; Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 476; Hausmann, EuZW 1999, S. 762, 763; Kus, NJW 2000, S. 544, 545; Reidt, BauR 2000, S. 22, 23. 240 Z. B. Malmendier, DVBl. 2000, S. 963, 964. 241 EuGH, EuZW 1999, S. 759 ff., insbes. Rdn. 37 ff. 242 Ebenso Antweiler, DB 2001, S. 1975, 1978. 243 Genau genommen verkündet die Vorabinformation nicht die endgültige Zuschlagsentscheidung, sondern informiert nur darüber, wie die geplante endgültige Zuschlagsentscheidung ausfallen soll [vgl. auch Kap. 5 A. II. 2. b) aa) u. c) sowie III. 1. a)]. Trotzdem ist insoweit auch das deutsche Vergaberecht zweistufig ausgestaltet: Wie der europäische Zuschlag bewirkt die Vorabmitteilung die Information der unterlegenen Bieter über den (geplanten) Vertragsschluss und ermöglicht die Geltendmachung möglicher Vergabeverstöße mit der Folge der Verhinderung jenes Vertrags. Der Unterschied besteht nur darin, dass nach europäischen Vorgaben im Wege „normalen“ Rechtsschutzes durch Anfechtung des rechtsverletzenden Zuschlags der Vergabevertrag verhindert wird, während im deutschen Recht die in der Vorabinformation angedrohte Rechtsverletzung in Gestalt des Vertragsschlusses im Wege vorbeugenden Rechtsschutzes abgewendet wird.

B. Vereinbarkeit mit den europarechtlichen Primärrechtsschutzvorgaben

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europarechtlicher Rechtsschutzvorgaben, die für das Vergaberecht in der RMRL konkretisiert sind. Diese verlangen auf der einen Seite gem. Art 1 Abs. 1 RMRL die effektive und rasche Nachprüfbarkeit von Vergabeentscheidungen sowie gem. Art. 2 Abs. 1 b) RMRL deren Aufhebbarkeit im Falle ihrer Rechtswidrigkeit. Auf der anderen Seite weisen Art. 2 Abs. 1 a) und c) darauf hin, dass Vergaberechtsschutz nicht nur durch die Aufhebung der rechtsverletzenden Vergabeentscheidung, sondern auch bei Aufrechterhaltung dieser Entscheidung durch Schadensersatz gewährt werden kann244. In diesem Zusammenhang stellt Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 1 RMRL klar, dass die Wirkungen des europarechtlich vorgegeben Primärund Sekundärrechtsschutzsystems „auf den nach Zuschlagserteilung des Auftrags geschlossenen Vertrag . . . sich nach dem einzelstaatlichen Recht“ richten. Ferner gestattet, wie bereits erwähnt, Art. 6 Abs. 2 Unterabs. 2 RMRL eine Beschränkung des Rechtsschutzes nach Vertragsschluss auf Schadensersatz245. Da Schadensersatz nur bei einer rechtswidrigen abschließenden Vergabeentscheidung in Betracht kommt, folgt daraus zugleich, dass die RMRL nicht verlangt, dass der Bieter nach Vertragsschluss noch gegen die Vergabeentscheidung vorgehen können muss246. Dies erklärt sich weniger mit dem Einflussbereich der Vergaberichtlinien, die allein das nur bis Vertragsschluss währende Vergabeverfahren regeln247 als vielmehr mit dem nahezu in allen Mitgliedstaaten geltenden Prinzip „pacta sunt servanda“248 sowie dem Rechtsschutzbedürfnis des Vertragspartners249 und wird daneben deutlich in Art. 3 RMRL, der die Möglichkeit der Kommission zur Einwirkung auf nach ihrer Ansicht europarechtswidrige Vergaben ausdrücklich auf die Phase „vor Abschluss eines Vertrags“ beschränkt. Andernfalls, d. h. bei Anerkennung der Aufhebbarkeit aller Vergabeentscheidungen auch nach Vertragsschluss, wäre auch die Erwähnung des vorläufigen Rechtsschutzes zur Beseitigung oder Verhinderung von Rechtsverstößen250 vor allen anderen Rechtsschutzmaßnahmen und damit dessen exponierte Stellung nicht nachvollziehbar251. Da das Europarecht somit nach 244 a) „. . . um den behaupteten Rechtsverstoß zu beseitigen oder weitere Schädigungen der betroffenen Interessen zu verhindern“. c) „. . . denjenigen, die durch den Rechtsverstoß geschädigt worden sind, Schadensersatz zuerkannt werden kann“. 245 Dreher, NZBau 2001, S. 244, 245; Kling, NZBau 2003, S. 23, 24; Kus in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 68. Eine solche Einschränkung folgt noch nicht aus Art. 2 Abs. 1 b) RMRL. Dieser zählt nicht die aufhebbaren Entscheidungen abschließend auf, sondern benennt nur Beispiele für rechtswidrige aufhebbare Entscheidungen (so EuGH, EuZW 1999, S. 759, 760 f. Rdn. 31), so dass aus der fehlenden Nennung von Zuschlagserteilung und -entscheidung nicht die europarechtliche Zulässigkeit der Nichtaufhebbarkeit von Zuschlagserteilung und -entscheidung gefolgert werden kann. Vgl. dazu Kus, NJW 2000, S. 544, 545 246 Vgl. Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 21. 247 Vgl. Art. 2 Abs. 6, Art. 3 RMRL; Breloer Europäische Vorgaben und deutsches Vergaberecht S. 62. 248 Prieß / Hausmann, EuR 1999, S. 203, 208 ff. 249 Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 204. 250 Art. 2 Abs. 1 a) RMRL.

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Kap. 4: Die Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung

Vertragsschluss nicht nur eine Beschränkung des Rechtsschutzes auf Schadensersatz zulässt, sondern darüber hinaus danach auf eine zwingende Angreifbarkeit der Vergabeentscheidung als solche verzichtet 252, ist die primärrechtsschutzausschließende Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung angesichts des faktischen Zusammenfallens derselben mit dem Vertragsschluss im deutschen Recht als europarechtskonform anzusehen253. Voraussetzung ist allerdings auch hier die effektive Gewährleistung von Primärrechtsschutz vor Zuschlagserteilung und Vertragsschluss. Denn mit Blick auf die Zielsetzung der RMRL, effektiven Vergaberechtsschutz zu gewährleisten254, muss „die dem Vertragsschluss vorangehende Entscheidung des Auftraggebers darüber, mit welchem Bieter eines Vergabeverfahrens er den Vertrag schließt, in jedem Fall einem Nachprüfungsverfahren zugänglich“255 sowie aufhebbar oder verhinderbar sein256. Soweit daher Art. 2 Abs. 6 RMRL den Ausschluss der Angreifbarkeit von Vergabeentscheidungen nach Vertragsschluss zulässt, fordert er in diesen Fällen im Umkehrschluss die lückenlose effektive Nachprüfbarkeit derselben vor Vertragsschluss257.

251 Dass Art. 2 Abs. 1 a) auf einen zu beseitigenden und damit erfolgten Rechtsverstoß abstellt, ein solcher nach dem deutschen Recht vor der Zuschlagserteilung aber noch nicht vorliegt, erklärt sich damit, dass im Europarecht im Gegensatz zum deutschen Recht ein bloßer Rechtsverstoß, der bereits in der Entscheidung liegen kann, genügt und keine Individualrechtsverletzung erforderlich ist, die erst in der Zuschlagserteilung zu erblicken ist. 252 Diese Feststellung ist insoweit relevant, als die RMRL auf der anderen Seite auch die Bindung des Schadensersatzes an die vorherige Aufhebung der Vergabeentscheidung zulässt (Art. 2 Abs. 5 RMRL). 253 Vgl. BGHZ 146 S. 202, 209 f.; BGH, NZBau 2001, S. 151, 153; OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 391, 395 f.; Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 476; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 21. Dies ergibt sich aus den Regelungen in Art. 1 Abs. 3, 2 Abs. 1, 2 und 6 der Rechtsmittelrichtlinien, vgl. Dreher, NZBau 2001, S. 244 f.; Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 206 f.; Kling, NZBau 2003, S. 23, 24. Kritisch bzgl. der Europarechtmäßigkeit von § 114 Abs. 2 S. 1 GWB hingegen Boesen, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 38. A.A. auch Martin-Ehlers, EuZW 2000, S. 101, 102. 254 Ähnlich EuGH, EuZW 1999, S. 759, 761 Rdn. 33 ff.; Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 209. 255 EuGH, EuZW 1999, S. 759, 761 Rdn. 43 (Hervorhebung vom Verfasser) mit Anm. Hausmann. 256 Vgl. EuGH, VergabeR 2005, S. 472 ff. ; EuGH, EuZW 1999, S. 759 (1. LS) sowie dazu auch Dieckmann, VergabeR 2005, S. 10 f.; Kus, NJW 2000, S. 544, 545; Opitz, VergabeR 2005, S. 476 f. 257 In diese Richtung auch Boesen, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 38; Drügemöller, Vergaberecht, S. 293 ff.; Gröning, ZIP 1999, S. 52, 57 f.; zurückhaltender jedoch ders., WRP 2000, S. 49, 50 („will nicht ohne weiteres einleuchten“) und Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 144 („nicht . . . systematisch der Nachprüfung . . . entzogen sei“).

Kapitel 5

Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung Die Verfassungsmäßigkeit und Europarechtskonformität der Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung setzt mithin voraus, dass gegen jede Bieterrechtsverletzung vor Zuschlagserteilung effektiver Primärrechtsschutz offen steht. Dementsprechend muss zum einen jede Verletzung vor Zuschlagserteilung erkennbar1 und zum anderen der vor Zuschlagserteilung zustehende Rechtsschutz lückenlos sein. Erforderlich ist insofern ein vorbeugender Rechtsschutz2, der wegen der Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung durch einen effektiven einstweiligen Rechtsschutz3 gesichert werden muss, der den Eintritt der erledigenden und nicht-aufhebbaren Zuschlagserteilung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens verhindert4. Beide Rechtsschutzformen verfolgen unterschiedliche Rechtsschutzziele – der vorläufige die Verhinderung irreversibler Tatsachen für die Zukunft durch eine Zwischenentscheidung, der vorbeugende eine endgültige Hauptsacheentscheidung –, so dass deren Kombination zulässig ist5. Vor allem dem einstweiligen Rechtsschutz kommt besondere Bedeutung zu, da die einstweilige Verhinderung der Zuschlagserteilung die Voraussetzung für die 1 Daneben müssen die Bieter durch eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage von den Wirkungen der Zuschlagserteilung und den ihnen davor und danach zustehenden Rechten informiert werden. 2 Vgl. Kap. 3 B. II. Die Rechtsverletzung erfolgt regelmäßig erst durch die Zuschlagserteilung oder wird durch diese erst erkennbar. 3 Die aus dem Zivilprozessrecht bekannte Unterscheidung zwischen einstweiligem Rechtsschutz (Offenhaltung der Entscheidungsfähigkeit des Hauptsacheverfahrens) und vorläufigem Rechtsschutz (endgültiger voll wirksamer Rechtsschutz, nur unter dem Vorbehalt der Aufhebbarkeit) (vgl. Heinze in: MüKo-ZPO, Vor § 916 Rdn. 15 ff.) ist im Verwaltungsprozessrecht (vgl. Schoch in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 80 Rdn. 1) und deshalb im diesem nahe stehenden Vergaberecht abzulehnen. 4 Vgl. Kap. 4 B. II. 3. Ähnlich Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 142; Willenbruch, NVwZ 1999, S. 1062, 1068. Zum Erfordernis eines vorläufigen Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG zur Verhinderung irreversibler Tatsachen vgl. Finkelnburg / Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 6; Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 219; Kotulla, DV 33 (2000), S. 521, 555. Da im deutschen Recht Erlass und Vollzug des Zuschlags zwingend zusammenfallen, ist eine Suspendierung desselben nicht denkbar, sondern muss bereits sein Erlass verhindert werden. 5 Finkelnburg / Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 28. Zu einer derartigen Kombination im Beamtenrechtsschutz vgl. Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 228.

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

vorbeugende Nachprüfung derselben ist. Dem wurde mit § 13 VgV und §§ 115 Abs. 1 sowie 118 Abs. 1 bis 3 GWB Rechnung getragen. Ob damit allerdings dem nichtberücksichtigten Unternehmen ein – wie bislang behauptet6 – lückenloses System vorbeugenden und vorläufigen Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung zur Verfügung steht, ist indes zweifelhaft. Dagegen spricht bereits, dass der geltende Vergaberechtsschutz lediglich einen Kompromiss zwischen den Interessen des nichtberücksichtigten Bieters an einem umfassenden Rechtsschutz und dem Interesse vor allem des Auftraggebers und der Allgemeinheit an einem möglichst beschleunigten Nachprüfungsverfahren darstellt7. Überdies kann nicht von einer rechtstreuen Anwendung des Vergaberechts durch die Auftraggeber ausgegangen werden. Vielmehr nutzen diese bestehende Rechtsschutzlücken8 und verwenden sogar „bei der Planung von Auftragsvergaben mehr Energie darauf, Wege aus dem Anwendungsbereich des EU-Vergaberechts zu suchen, als Vergabeverfahren sorgfältig vorzubereiten und durchzuführen“9. Deshalb ist eine Überprüfung der angeblichen Lückenlosigkeit des (einstweiligen) Primärrechtsschutzsystems vor Zuschlagserteilung erforderlich. Die Untersuchung orientiert sich hierfür am tatsächlichen Verfahrensverlauf, so dass zunächst die Effizienz der Vorabinformation gem. § 13 VgV [A.] und im Folgenden diejenige des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer [B.] sowie des gerichtlichen Rechtsschutzes vor dem Beschwerdegericht untersucht wird [C.]. Der Feststellung möglicher Rechtsschutzlücken schließen sich Vorschläge zur Korrektur derselben an.

A. Die Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV Ausgangspunkt des Vergabeprimärrechtsschutzes ist § 13 VgV, der durch die Kombination der Informationspflicht (S. 1 – 4) mit dem Zuschlagsverbot (S. 5) und der Nichtigkeitsfolge (S. 6)10 die rechtzeitige Inkenntnissetzung des nichtberücksichtigten Bieters von der geplanten Zuschlagserteilung sowie einen zweiwöchigen Zeitraum zur Beantragung von Primärrechtsschutz scheinbar effektiv gewährleistet. Bereits im statu nascendi wurde dieser Bestimmung große Bedeutung vorausgesagt, allerdings ebenso ein erhebliches Streitpotential11. Diese Prognose hat sich 6 Erdl, VergabeR 2001, S. 10, 12; Portz in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 13 VgV Rdn. 5; ders., VergabeR 2002, S. 211, 212. Ähnlich Byok in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 1099 („grundsätzlich lückenlos geschützt“). 7 Gröning, ZIP 1998, S. 370, 372, 375. 8 Vgl. dazu Kaiser, NZBau 2005, S. 311, 313 Fn. 37 mit Verweis auf das Gutachten des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung vom 18. 06. 2003 sowie die Bemerkungen des Bundesrechnungshofs 2004. 9 Heuvels, NZBau 2005, S. 32, 34; ähnlich Vetter / Bergmann, EuZW 2005, S. 589. 10 Zwar folgt die Nichtigkeit aus § 13 S. 5 VgV i.V.m. § 134 BGB [vgl. Kap. 4 A. II. 3. a) aa) (3) (c)]. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird jedoch hier S. 6 als Ausdruck für die Nichtigkeitsfolge verwendet.

A. Die Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV

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bewahrheitet. § 13 VgV ist Grund für eine „unüberschaubare Anzahl von Entscheidungen“12 in der Rechtsprechung und Gegenstand zahlreicher Diskussionen im Schrifttum, deren Ende nicht in Sicht ist13. Vielmehr tritt immer deutlicher zu Tage, wie sehr die Mängel des § 13 VgV den vergaberechtlichen Alltag beeinträchtigen14. In Frage und hier zur Diskussion steht bereits die (formelle) Wirksamkeit des § 13 VgV, vor allem der in § 13 S. 6 VgV formulierten Nichtigkeitsfolge [I.]. Danach ist der Anwendungsbereich der Vorabinformationspflicht, insbesondere mit Blick auf den Adressatenkreis, die Rechtsschutzfrist sowie den erforderlichen Informationsgehalt, Gegenstand der Untersuchung [II.]. Ein gesonderter dritter Teil beschäftigt sich mit dem umfassenden und höchst umstrittenen Problem der de-facto-Vergabe [III.].

I. Formelle Wirksamkeit des § 13 VgV Nach § 13 VgV i.V.m. § 134 BGB führen Verstöße gegen das Zuschlagsverbot des § 13 S. 5 VgV, das im Fall einer nicht geleisteten Vorabinformation i. S. d. § 13 S. 1 VgV oder einer Nichteinhaltung der 14tägigen Rechtsschutzfrist des § 13 S. 2 – 4 VgV greift15, zur Nichtigkeit des Vergabevertrags. Damit werden unmittelbar das Zuschlagsverbot und mittelbar jene Informations- und Fristeinhaltungspflichten effektuiert16. Unklar ist jedoch die Kongruenz dieser Nichtigkeitsfolge mit der Verordnungsermächtigung des § 97 Abs. 6 GWB17, die, weil die Nichtigkeitsfolge in die Vertragsfreiheit von Auftraggeber und präferiertem Bieter eingreift und der Gesetzgeber im grundrechtsrelevanten Bereich alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss, von entscheidender Bedeutung für die Rechtmäßigkeit des § 13 VgV ist18. Eine Kongruenz wurde lange Zeit entweder ausdrücklich bejaht19 oder stillschweigend vorausgesetzt20, ist aber in jüngerer VerStockmann, NZBau 2003, S. 591 mit Verweis auf Dreher, NZBau 2000, S. 178, 179. Wagner, VergabeR 2002, S. 643. 13 Byok / Jansen, VergabeR 2003, S. 598, 599; Herrmann, VergabeR 2005, S. 518. 14 Byok / Jansen, VergabeR 2003, S. 598, 599. 15 Soweit im Folgenden der Begriff „Vorabinformationspflicht“ verwendet wird, sind davon diese beiden Pflichten umfasst. 16 Das Fehlen einer derartigen Sanktion war ein wesentlicher Kritikpunkt an der vorherigen Vorabinformation aus Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. § 27 VOL / A; vgl. Kap. 4 B. I. 17 Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der VgV sind die §§ 97 Abs. 6, 127 GWB. Für § 13 VgV kommt aber nur § 97 Abs. 6 GWB in Betracht. A.A. Gesterkamp, WuW 2001, S. 665, 668, der die Ermächtigungsgrundlage für § 13 VgV in § 127 GWB sieht. 18 Vgl. Jasper / Pooth, ZfBR 2004, S. 543 m. w. N. 19 OLG Düsseldorf, VergabeR 2003, S. 435, 442 f.; KG, VergabeR 2002, S. 235, 239. 20 Vgl. KG, NZBau 2002, S. 522, 524; OLG Dresden, VergabeR 2002, S. 142, 145; OLG Düsseldorf, VergabeR 2001, S. 429, 430; Wegmann, NZBau 2001, S. 475, 477 f. 11 12

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gangenheit – nicht grundlos – in Zweifel gezogen worden21. Diese Zweifel konnten auch nicht dadurch beseitigt werden22, dass zu diesem Problemkomplex eine Entscheidung des BGH ergangen ist und eine Entscheidung des BVerfG nicht mehr ergehen wird, da ein Normenkontrollverfahren gem. Art. 100 GG von einem Gericht nicht vorgelegt werden kann, wenn es um die Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsverordnung geht23, selbst wenn diese mit Zustimmung des Parlaments ergangen ist24. Sie sind daher Gegenstand der folgenden Untersuchung [1.]. In diesem Zusammenhang ist zudem die Vereinbarkeit des § 13 VgV mit dem Rechtsstaatsprinzip [2.] sowie der RMRL [3.] zu hinterfragen.

1. Die Kongruenz von § 13 VgV mit § 97 Abs. 6 GWB Die Bundesregierung wird gem. § 97 Abs. 6 GWB ermächtigt, durch Rechtsverordnung „nähere Bestimmungen über das bei der Vergabe einzuhaltende Verfahren zu treffen, insbesondere über ( . . . ) den Abschluss des Vertrags und sonstige Fragen des Vergabeverfahrens“. Dadurch dass der Parlamentsgesetzgeber das Nachprüfungsverfahren selbst näher ausgestaltet hat, das eigentliche Vergabeverfahren jedoch offen und dessen Ausgestaltung gem. § 97 Abs. 6 GWB der Bundesregierung überließ, ist vorhersehbar25 und vorprogrammiert26, dass die Verordnung insoweit sämtliche Verfahrensfragen umfassen kann. Dazu gehören nicht nur Verfahrenspflichten und -gebote, sondern auch diesen korrespondierende Verfahrensverbote27, denen u.U. auch ein Verbotsgesetzcharakter i. S. d. § 134 BGB zuzuerkennen ist. Dem steht nicht entgegen, dass nach dem in Art. 20 Abs. 3 GG zugrundegelegten (Parlaments-)Vorbehalt des Gesetzes die Legislative die (v.a. grundrechts-)wesentlichen Fragen selbst regeln muss28. Wenn die Legislative i.R.d. Ermächtigungsgrundlage (§ 97 Abs. 6 GWB) Inhalt, Zweck und Ausmaß des auszugestaltenden Vergabeverfahrens vorgibt und das Verbotsgesetz lediglich der Effektuierung dieser Vorgaben dient, ist dem Sinn des Parlamentsvorbehalts grundsätzlich Rechnung getragen. Zwar ist § 97 Abs. 6 GWB selbst weit gefasst. Er erlangt jedoch seine gem. Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG notwendige Bestimmtheit zulässigerwei21 Den Anstoß zu der folgenden Debatte gab wohl Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 476 ff. 22 So aber Erdl, VergabeR 2004, S. 208, 210. A.A. hingegen Kau, NZBau 2003, S. 310, 311. 23 BVerfGE 1, S. 184, 201; E 48, S. 40, 45; BVerwGE 87, S. 133, 139. 24 BVerfGE 8, S. 274, 322. 25 Zur sog. Vorhersehbarkeitsformel i.R.d. Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG vgl. BVerfGE 1, S. 14, 60. 26 Zur sog. Programmformel i.R.d. Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG vgl. BVerfGE 5, S. 71, 77. 27 So auch Dietlein / Spiesshofer, VergabeR 2003, S. 509, 511. 28 Vgl. Lücke in: Sachs, GG, Art. 80 Rdn. 19 f.

A. Die Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV

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se durch den Sinnzusammenhang mit den Grundsätzen des Vergaberechts (§ 97 Abs. 1 – 5 GWB), an die § 97 Abs. 6 GWB systematisch anknüpft, sowie durch den in § 97 Abs. 7 sowie den §§ 107 ff. GWB zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers zur Schaffung eines effektiven vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes29. § 97 Abs. 6 GWB ist daher der verfassungsrechtliche Maßstab, mit dem § 13 VgV formell [a)] und materiell [b)] übereinstimmen muss. a) Formelle Bedenken: Begriffliche und inhaltliche Inkongruenz der Nichtigkeitsfolge mit § 97 Abs. 6 GWB? Bereits gegen die formelle Kongruenz des § 13 VgV mit seiner Ermächtigungsgrundlage in § 97 Abs. 6 GWB werden dahingehende Bedenken erhoben, dass die Normierung einer materiell-rechtlichen Nichtigkeitsfolge weder begrifflich noch inhaltlich „das bei Vergabe einzuhaltende Verfahren“ betreffe. Insbesondere sei die Ermächtigung zur Regelung des „Abschluss des Vertrags“ auf die verfahrensrechtliche Seite des Zustandekommens des Vertragsschlusses reduziert und befuge nicht zur Normierung materiellrechtlicher Nichtigkeitstatbestände 30. Doch überzeugt dieser zunächst plausibel erscheinende Einwand letztlich nicht: aa) Die Kongruenz von § 13 S. 1 – 5 VgV mit § 97 Abs. 6 GWB Ausgangspunkt der folgenden Überlegung ist der systematische Zusammenhang zwischen der Nichtigkeitsfolge (§ 13 S. 6 VgV) einerseits und der Vorabinformationspflicht nebst Zuschlagsverbot (§ 13 S. 1 – 5 VgV) andererseits31. Diese stellt fraglos eine nähere Bestimmung des Vergabeverfahrens i. S. d. § 97 Abs. 6 GWB dar32. Sie besteht nicht nur vor Zuschlagserteilung, also während des Vergabeverfahrens, und bestimmt durch die Zweiwochenfrist dessen Dauer, sondern beeinflusst dieses darüber hinaus inhaltlich durch die faktische Ermöglichung der Rüge seitens des nichtberücksichtigten Bieters, soweit dieser auf weitere neue bzw. bislang übersehene Aspekte in der Angebotsbewertung aufmerksam macht. Zudem ist die Erfüllung der vergabeverfahrensrechtlichen Vorabinformationspflicht eine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der vergabeverfahrensbeendigenden Zuschlagser29 BGH, VergabeR 2004, S. 201, 204 f.; Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 512 („eindeutige Kompetenzgrenzen“); auch Byok / Jansen, BB 2003, S. 2301, 2305 (aber unter Ausschluss annexweiser Nichtigkeitssanktionen). A.A. OLG Brandenburg, VergabeR 2004, S. 210, 214 ff. 30 Byok / Jansen, BB 2003, S. 2301, 2303; Delius, ZfBR 2002, S. 341; Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 511; Kau, NZBau 2003, S. 310 f. 31 Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 478. Ähnlich auch BGH, VergabeR 2004, S. 201, 205. 32 BGH, VergabeR 2004, S. 201, 205; Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 478; Kau, NZBau 2003, S. 310.

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teilung. In materieller Hinsicht ist schließlich anzuführen, dass durch die Vorabinformation die Einhaltung der ebenfalls in § 97 GWB normierten und damit mit Abs. 6 systematisch verbundenen Vergabegrundsätze gesichert, insbesondere die erforderliche Transparenz (Abs. 1) gefördert, die Wahrnehmung subjektiver Rechte im Wege effektiven Rechtsschutzes ermöglicht (Abs. 7) und dadurch Diskriminierung verhindert werden kann (Abs. 2). bb) Der systematische Zweckzusammenhang zwischen § 13 S. 1 – 5 mit S. 6 VgV Vorabinformationspflicht und Zuschlagsverbot (§ 13 S. 1 – 5 VgV) sind mithin Bestimmungen des Vergabeverfahrens i. S. d. § 97 Abs. 6 GWB33. Bereits festgestellt wurde aber, dass die Nichtigkeit selbst erst aus § 134 BGB resultiert und als Verbotsgesetz nicht § 13 S. 6 VgV, sondern § 13 S. 4 i.V.m. S. 5 VgV anzusehen sind, während S. 6 nur dem Willen des Gesetzgebers Ausdruck verleiht, die Verletzung der Vorabinformationspflicht mit der Nichtigkeit von Zuschlag und Vertrag zu sanktionieren34. Ermächtigungsbedürftig und, wie dargelegt, von § 97 Abs. 6 GWB ermächtigt sind daher lediglich § 13 S. 1 – 5 VgV35. Doch selbst wenn man § 13 S. 6 VgV nicht nur deklaratorische36, sondern auch konstitutive Bedeutung beimisst, indem er die Anwendbarkeit von § 134 BGB begründet, ist er durch seinen systematischen Zweckzusammenhang mit § 13 S. 1 – 5 VgV von der Ermächtigung des § 97 Abs. 6 GWB umfasst37. Denn die Nichtigkeitsfolge ist lediglich das Mittel zur Durchsetzung bzw. Effektuierung der Vorabinformationspflicht und des Zuschlagsverbots und unterfällt damit als Annexregelung formell der Verordnungskompetenz aus § 97 Abs. 6 GWB38. 33 A.A. Antweiler, DB 2001, S. 1975, 1978; Kratzenberg, NZBau 2001, S. 119, 120, die die S. 1 – 5 dem Nachprüfungsverfahren zurechnen. Sie verkennen indes, dass das Nachprüfungsverfahren formell ein Bestandteil des Vergabeverfahrens ist, da es nur bis zum Vergabeverfahrensende (Zuschlagserteilung) zulässig und damit in das gesamte Vergabeverfahren integriert ist. 34 Vgl. Kap. 4 A. II. 3. a) aa) (3) (c). 35 Dies wird regelmäßig verkannt (vgl. nur Byok / Jansen, BB 2003, S. 2301, 2303). 36 So Burgi, NZBau 2003, S. 16, 20; Kratzenberg, NZBau 2001, S. 119, 121; MüllerWrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1 Fn. 3. 37 Ähnlich BGH, VergabeR 2004, S. 201, 205; i.E. auch Burgi, NZBau 2003, S. 16, 20. Vgl. in diesem Zusammenhang KG, VergabeR 2002, S. 235, 237, das die Zuständigkeit der Vergabekammern und der diesen nachgeordneten Gerichten in der Frage der Vertragsnichtigkeit als Ausnahme von § 13 GVG mit ebendiesem Annexverhältnis begründet. 38 Z. T. wird § 13 S. 6 VgV selbst als Regelung des „Abschluß des Vertrags“ i. S. d. § 97 Abs. 6 GWB angesehen (KG, VergabeR 2002, S. 235, 239; Jasper / Pooth, ZfBR 2004, S. 543, 544). Doch ist damit nur das zum Vertragsschluss führende Verfahren umfasst. Insoweit überzeugt weder der Hinweis des KG auf die ex-tunc-Wirkung der rechtshindernden Einwendung des § 134 BGB, da strikt zwischen dem Zustandekommen eines Vertrags einerseits und möglichen Einwendungen andererseits zu differenzieren ist, noch derjenige von

A. Die Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV

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Dieser Nichtigkeitsannex widerspricht im Übrigen nicht der Systematik des Kartellvergaberechts39. Dort sind keine Sanktionen für Vergabeverfahrensverstöße, sondern nur für bestimmte Verstöße im Nachprüfungsverfahren normiert (§§ 115 Abs. 1, 118 Abs. 1 u. 3 GWB i.V.m. § 134 BGB). Das erklärt sich damit, dass der Gesetzgeber dieses näher bestimmen wollte und bestimmt hat, während er die nähere Ausgestaltung des eigentlichen Vergabeverfahrens per Ermächtigung gem. § 97 Abs. 6 GWB der Bundesregierung überlassen hat. Da zudem Verstöße sich nur in Ausnahmefällen auf Zuschlag und Vertrag auswirken sollen40, ist die annexweise, d. h. systematisch an die bestimmte Verfahrenspflicht gekoppelte Bestimmung der Nichtigkeitsfolge der Rechtsklarheit und -übersichtlichkeit geschuldet41. Ein versteckter Hinweis darauf, dass auch der Kartellvergabegesetzgeber eine Nichtigkeit annexweise nicht ausschließen wollte, könnte sowohl der Bezeichnung der Verordnung als Vergabeverordnung – und nicht etwa: Vergabeverfahrensverordnung42 – als auch dem Wortlaut der Ermächtigung entnommen werden, die den „Abschluss des Vertrags“ umfasst, der zwar faktisch mit der vergabeverfahrensbeendigenden Zuschlagserteilung zusammenfällt, rechtlich gesehen ihr aber nachfolgt. Ähnliches gilt für die Gesetzesbegründung, nach der die Ermächtigung des § 97 Abs. 6 GWB „inhaltlich der . . . in § 57a Abs. 1 und 2 HGrG enthaltenen Ermächtigung“ entspricht43. Dieser kann eine Beschränkung auf die Regelung nur des eigentlichen Vergabeverfahrens indes nicht entnommen werden44.

cc) Die Nichtigkeit als kartellvergaberechtliche und nicht zivilrechtliche Frage Überdies betrifft die Nichtigkeitsfolge des § 13 VgV i.V.m. § 134 BGB zwar die materiell-rechtliche Wirksamkeit eines nach den Grundsätzen des zivilen Vertragsrechts geschlossenen Vertrags45, nicht aber das zivile Vertragsrechts selbst46, welJasper / Pooth auf die Regelung der Verfahrensdauer, da diese nicht von S. 6 sondern den S. 2 – 5 bestimmt wird. 39 A.A. Byok / Jansen, BB 2003, S. 2301, 2303. 40 Vgl. dazu Kap. 4 A. II. 3. 41 Wenn hingegen sämtliche Vergabeverfahrensverstöße die Vertragsnichtigkeit begründen sollten, böte sich eine entsprechende einheitliche Nichtigkeitsbestimmung im GWB an. 42 Dass dieser Hinweis keine bloße Wortklauberei ist, zeigt das Vergaberecht in seiner alten Form, in dem es eine Vergabeverordnung und eine Nachprüfungsverfahrensverordnung gab, also die Vergabeverordnung augenscheinlich nicht auf reine Verfahrensfragen begrenzt sein sollte. 43 BT-Drucks. 13 / 9340, S. 14. 44 Nach § 57a Abs. 1 HGrG „regelt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung . . . die Vergabe von Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträgen . . .“. Nach Abs. 2 regelt sie bloß „insbesondere die Bekanntmachung, den Ablauf und die Arten der Vergabe, die Auswahl und Prüfung der Unternehmen und der Angebote, den Abschluss der Verträge und sonstige Fragen des Vergabe- oder Wettbewerbsverfahrens“.

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ches als Regelungsgegenstand der Verordnungsermächtigung des § 97 Abs. 6 GWB entzogen ist47. Denn trotz des Rückgriffs auf die Regeln des zivilen Vertragsrechts bewahrt das Vergaberecht seine Zwitterstellung zwischen öffentlichem und privatem Recht und damit seine Eigenständigkeit48. Die gem. § 13 VgV i.V.m. § 134 BGB eintretende Nichtigkeitsfolge ist zwar ein zivilrechtlicher Unwirksamkeitsgrund, der jedoch durch einen Kartellvergaberechtsverstoß ausgelöst wird und insofern einen spezialgesetzlichen kartellvergaberechtlichen Unwirksamkeitstatbestand darstellt. Das Zivilvertragsrecht wird im öffentlichen Auftragswesen adaptiert und durch öffentlich-rechtliche sowie kartellvergaberechtliche Spezialregelungen beeinflusst. Aus diesem Grund ist die Erweiterung der Ermächtigungsgrundlage auf die spezialgesetzliche materiell-rechtliche Annexregelung des § 13 S. 6 VgV zulässig49, jedenfalls soweit sich diese im Hinblick auf Art. 80 Abs. 2 S. 1 GG inhaltlich an den gesetzlichen Vorgaben, vorliegend also den kartellvergaberechtlichen Grundentscheidungen, orientiert und diesen nicht widerspricht50. b) Materielle Bedenken: Kongruenz von § 13 VgV mit den kartellvergaberechtlichen Grundsätzen? Mit der Grundentscheidung des Kartellvergabegesetzgebers für die Gewährleistung eines vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes steht § 13 S. 6 VgV offensichtlich im Einklang. Zweifelhaft erscheint dies jedoch hinsichtlich des in § 114 Abs. 2 S. 1 GWB niedergelegten „Prinzip des deutschen Vergaberechts“51. Indem der Kartellvergabegesetzgeber dort zum einen die Nichtaufhebbarkeit des wirk45 Insoweit ist der Hinweis von Byok / Jansen, BB 2003, S. 2301, 2303; Kau, NZBau 2003, S. 310, 311 auf die ebenfalls betroffenen Verträge des präferierten Bieters mit den Subunternehmen zutreffend. Dafür hält das BGB indes eigene Regelungen bereit (§§ 280 ff., 320 ff., 313, 346 ff. BGB). 46 So aber Antweiler, DB 2001, S. 1975, 1979; Delius, ZfBR 2002, S. 341; Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 511; Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 478. 47 So aber OLG Brandenburg, VergabeR 2004, S. 210, 215; Kau, NZBau 2003, S. 310, 311. 48 Vgl. Kap. 2 B. I. 1. c). 49 Hailbronner, NZBau 2002, S 474, 478. I.E. auch BGH, VergabeR 2004, S. 201, 205 f. Auf in der Literatur vorgenommene Versuche einer Erweiterung der Ermächtigungsgrundlage im Wege der Rechtsfortbildung (vgl., wenngleich ablehnend Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 512) oder einer europarechtsfreundlichen Auslegung (vgl., wenngleich ablehnend Kau, NZBau 2003, S. 310, 311) kommt es daher nicht an. Die pauschale Erweiterung der Ermächtigung auf alle materiell-rechtlichen Fragen ist entgegen Hailbronner, ebd., abzulehnen (ebenso Kau, NZBau 2003, S. 310). 50 Vgl. Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 511; Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 478, sowie allgemein Brenner in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 80 Rdn. 37, dem zufolge eine Verordnungsermächtigung „keine Grundlage für eine originäre Rechtsetzung der Exekutive bildet, sondern nur Annex-Regelungen zur Konkretisierung und Ergänzung von Gesetzen zulässt“. 51 BT-Drucks. 13 / 9340, zu 114

A. Die Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV

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samen Zuschlags ausdrücklich sowie die des wirksamen Vertrags konkludent bestimmt hat (Grundsatz der Nichtaufhebbarkeit) und zum anderen die Unwirksamkeit von Zuschlag und Vertrag nur ausnahmsweise bei Verstößen gegen die ausdrücklichen Zuschlagsverbote der §§ 115 Abs. 1, 118 Abs. 1 u. 3 GWB anerkennt (Grundsatz der Unerheblichkeit von Vergabeverstößen)52, hat er ein in sich geschlossenes System zur Frage der Rechtsgültigkeit einmal wirksam abgeschlossener Verträge festgeschrieben53. Zwar sind mit den angesprochenen §§ 115 Abs. 1, 118 Abs. 1 S. 1, 3 GWB systemimmanente Ausnahmen vom Grundsatz der Zuschlags- und Vertragsbeständigkeit anerkannt. Ob allerdings das insoweit zwischen den Polen Rechtsschutz und Rechtssicherheit parlamentsgesetzlich austarierte Vergaberechtsschutzsystem die Ergänzung einer untergesetzlichen und insofern systemfremden Ausnahme verträgt, erscheint fragwürdig54. Aus diesem Grund spricht auf den ersten Blick viel für eine materielle Inkongruenz des § 13 S. 6 VgV mit den in § 114 Abs. 2 S. 1 GWB ausgedrückten Vergabeprinzipien der Nichtaufhebbarkeit von Vertrag und Zuschlag [aa)] sowie der grundsätzlichen Unerheblichkeit von Vergabeverstößen [bb)] – und insofern mit der Ermächtigungsgrundlage des § 97 Abs. 6 GWB55.

aa) Kein Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtaufhebbarkeit Ein Rückblick auf die Herleitung des Grundsatzes der Nichtaufhebbarkeit von Zuschlag und Vertrag i. S. d. § 114 Abs. 2 S. 1 GWB zeigt indessen, dass die Nichtaufhebbarkeit unter dem Vorbehalt des zustande gekommenen wirksamen Vertragsschlusses steht56. Erst und nur dann sollen Vertrauensschutz und Rechtssicherheit überwiegen57. Ein Verstoß gegen die Vorabinformationspflicht verhindert jedoch a priori das Entstehen eines wirksamen Vertrags und damit eines Zuschlags im kartellvergaberechtlichen Sinne. § 13 VgV betrifft damit nicht die Frage der nachträglichen (Nicht-)Aufhebbarkeit, sondern die vorhergehende Frage des Vorliegens eines wirksamen Vertrags und Zuschlags, das notwendige Bedingung 52 53

Vgl. im einzelen Kap. 4 A. II. 3. Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 511; Hailbronner, NZBau 2002, S. 474,

475. 54 Bedenklich ist neben der Untergesetzlichkeit und Systemfremdheit, dass § 13 VgV die Schutzwürdigkeit von Auftraggeber und präferiertem Bieter wesentlich stärker verletzt als die §§ 115 Abs. 1, 118 Abs. 1 u. 3 GWB, vgl. Kap. 4 A. II. 3. a) aa) (3) (c). Soweit Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 475 in diesem Zusammenhang auf jene Bedenken abstellt, ist zu entgegnen, dass die Schutzwürdigkeit selbst kein expliziter Vergaberechtsgrundsatz und deshalb in dieser Diskussion nicht maßgeblich ist. 55 In diese Richtung OLG Brandenburg, VergabeR 2004, S. 210, 215; Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 510 ff.. 56 Vgl. Kap. 4 A. II 1. u. 3 sowie A. III. 4. 57 Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1. Vgl. auch BGH, VergabeR 2001, S. 71, 73; BKartA, VergabeR 2001, S. 433, 435.

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der Nichtaufhebbarkeit ist. Folglich ist dieser Grundsatz durch § 13 S. 6 VgV nicht beeinträchtigt 58. bb) Kein Verstoß gegen den Unerheblichkeitsgrundsatz Im Gegensatz dazu erscheint jedoch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Unerheblichkeit von Vergabeverfahrensrechtsverstößen für die Wirksamkeit von Zuschlag und Vertrag offensichtlich, wenn gem. § 13 VgV i.V.m. § 134 BGB der Verstoß gegen die vergabeverfahrensrechtliche Vorabinformationspflicht zur Unwirksamkeit des Vergabevertrags führt. Insbesondere scheidet diese Unwirksamkeitsfolge als systemimmanente Ausnahme – wie es die §§ 115 Abs. 1, 118 Abs. 1 u. 3 GWB sind – auf den ersten Blick aus, da sie bloß untergesetzlich durch den Verordnungsgeber, nicht aber parlamentsgesetzlich durch den Kartellvergabegesetzgeber selbst ausgestaltet worden ist. Wenn dieser jene Unwirksamkeitsfolge als geeigneten oder gar erforderlichen Faktor in sein austariertes Vergaberechtsschutzsystem integrieren wollte, hätte er sie schließlich selbst parlamentsgesetzlich normieren können. Zwar betreffen die Unwirksamkeitsfolgen der §§ 115 Abs. 1, 118 Abs. 1 u. 3 GWB lediglich das Nachprüfungsverfahren, welches der Gesetzgeber, wie die §§ 107 ff. GWB verdeutlichen, im Gegensatz zum eigentlichen Vergabeverfahren auch in seinen näheren Einzelheiten selbst bestimmen wollte. Insofern rechtfertigt allein das Fehlen parlamentsgesetzlicher Nichtigkeitsfolgen im offen gestalteten eigentlichen Vergabeverfahren nicht den Schluss, der Gesetzgeber wolle Vergabeverfahrensverstöße im allgemeinen sowie den Vorabinformationspflichtverstoß im besonderen nicht mit einer Nichtigkeitsfolge sanktioniert sehen59. Doch hat der Gesetzgeber mit der grundsätzlichen Unerheblichkeit der Vergabeverstöße auf der einen und den Ausnahmen der §§ 115 Abs. 1, 118 Abs. 1 u. 3 GWB auf der anderen Seite einen Ausgleich zwischen Rechtsschutz und Rechtssicherheit im Vergaberecht getroffen60. Dass er diesen auf dem Grundsatz der Unerheblichkeit beruhenden Ausgleich durch die Ermächtigung zur Normierung von Nichtigkeitsfolgen gem. § 97 Abs. 6 GWB bewusst zur Disposition des Verordnungsgebers stellen wollte, erscheint fragwürdig61. (1) Systematische Begründung: § 13 S. 6 VgV als begründende Ausnahme Anders als die Nichtaufhebbarkeit ist die Unerheblichkeit allerdings kein ausdrückliches und normiertes Prinzip des Vergaberechts. Insbesondere lässt sie sich Ähnlich Wegmann, NZBau 2001, S. 475, 476. Vgl. BGH, VergabeR 2004, S. 201, 206. 60 Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 511. In diese Richtung auch OLG Brandenburg, VergabeR 2004, S. 210, 215. 61 Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 511; vgl. auch Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 5. 58 59

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nicht unmittelbar aus § 114 Abs. 2 S. 1 GWB herleiten62. Zwar verlöre diese Bestimmung der Nichtaufhebbarkeit wirksamer Zuschläge und Verträge ihren Sinn und Zweck, wenn jeder Vergabeverstoß deren Unwirksamkeit bewirkte. Daraus allein kann indes nicht im Umkehrschluss auf die notwendige Unerheblichkeit grundsätzlich aller Vergabeverstöße geschlossen werden, da die Nichtaufhebbarkeitsbestimmung bereits dann nicht mehr leer läuft, wenn nur nicht jeder Vergabeverstoß zur Unwirksamkeit führt63. Vielmehr ist der Grundsatz der Unerheblichkeit eine Folgerung, die aus der Struktur und dem Gesamtzusammenhang des Kartellvergaberechts zu ziehen ist, weil der Gesetzgeber nur im Sonderfall des Zuschlagsverbotsverstoßes eine Unwirksamkeitsfolge bestimmt. Damit ist der Unerheblichkeitsgrundsatz nicht dogmatisch, sondern systematisch begründet. Auch § 13 S. 6 VgV legt die Nichtigkeitsfolge für den Fall des Verstoßes gegen ein ausdrückliches Zuschlagsverbot (S. 5) fest und entspricht insoweit den kartellvergabegesetzlichen Ausnahmetatbeständen der §§ 115 Abs. 1, 118 Abs. 1 u. 3 GWB. Aus diesem systematischen Grund ist er als – gleichsam den Unerheblichkeitsgrundsatz begründende – Ausnahme ebenso wie jene GWB-Normen gerechtfertigt. (2) Rationale Begründung: § 13 S. 6 VgV als rechtfertigende Ausnahme Darüber hinaus wird mit § 13 VgV das hinter dem Unerheblichkeitsgrundsatz stehende austarierte Vergaberechtsschutzsystem gerechtfertigt64. Dieses gilt bislang vor allem deshalb als verfassungs- und europarechtskonform, weil infolge der Einführung der Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV vergaberechtlicher Primärrechtsschutz (vor Zuschlagserteilung) als faktisch gesichert angesehen wird65. Ohne diese Informationspflicht erführe der nichtberücksichtigte Bieter regelmäßig erst mit der Zuschlagserteilung und damit nach der Erledigung jeglicher Primärrechtsschutzmöglichkeiten von der Vergaberechtsverletzung. 62 So aber Antweiler, DB 2001, S. 1975, 1979; Delius, ZfBR 2002, S. 341, 342; Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 475. 63 Dagegen vom Grundsatz der Nichtaufhebbarkeit wirksamer Verträge abzuleiten, dass es dann jedenfalls auch unwirksame Verträge geben müsse, die diesem Grundsatz nicht unterfielen, da andernfalls der Grundsatz nicht auf wirksame Verträge begrenzt sein müsste, ist zwar logisch, aber deshalb nicht weiterführend, weil § 114 Abs. 2 S. 1 GWB selbst nicht zwischen wirksamen und unwirksamen Verträgen bzw. Zuschlägen differenziert, sondern diese Differenzierung sich vor allem aus den der Zuschlagserteilung zugrunde liegenden Rechtsstrukturen ergibt. Vgl. zu den vergaberechtlichen Unwirksamkeitsgründen Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 511; Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 475. 64 Ähnlich Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1. Wenn das OLG Düsseldorf, VergabeR 2003, S. 435, 442 ff. in diesem Zusammenhang das Argument der Rechtssicherheit als vernachlässigbar zurückstellt, verkennt es, dass der rechtssicherheitswahrende pacta-sunt-servanda-Grundsatz die Vorabinformation zu seiner Rechtfertigung benötigt. 65 So auch Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 476; Heuvels / Kaiser, NZBau 2001, S. 479 f.; Wegmann, NZBau 2001, S. 475 f.; vgl. auch BR-Drucks. 455 / 00, S. 18 f.

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

Aus keinem anderen Grund als zur verfassungs- und europarechtlichen Rechtfertigung der Beibehaltung jenes austarierten Vergaberechtsschutzsystems wurde die Vorabinformation in Gestalt des § 13 VgV eingeführt66. Insbesondere sollte diese im Gegensatz zur vorherigen, aus Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. § 27 VOL / A hergeleiteten Informationspflicht durch eine – wie die Praxis zeigt(e) zwingend erforderliche67 – Sanktionsfolge für den Fall ihrer Verletzung effektuiert werden. Sollte sich nun die Nichtigkeitsfolge als die einzig denkbare, zumindest aber als verhältnismäßige Sanktion zur Effektuierung der Vorabinformation darstellen, wäre sie nicht nur eine systematisch begründete, sondern darüber hinaus eine rechtfertigende Ausnahme des Unerheblichkeitsgrundsatzes bzw. des dahinter stehenden Vergaberechtschutzsystems68. Als gleich geeignete, allerdings in ihren Auswirkungen mildere Sanktionierungsalternativen eines Vorabinformationspflichtverstoßes werden insbesondere die Aufhebbarkeit und die Anfechtbarkeit des Zuschlags vorgeschlagen69. Deren „Vorteile“ sollen darin begründet sein, dass sie für den Eintritt der Unwirksamkeit eine entsprechende Geltendmachung verlangen, sei es durch den Nachprüfungsantrag (Aufhebung), sei es durch eine Anfechtungserklärung, und dadurch die Möglichkeit der Unwirksamkeitsbewirkung nur einem ausgewählten Kreis (der antragsberechtigten nichtberücksichtigten Bieter) und ggf. nur für eine bestimmte Zeit (Anfechtungsfrist, Verwirkung) eröffnen. Damit soll der Verstoß statt einer absoluten und zeitlich unbegrenzten Unwirksamkeit, welche die notwendige Investitionssicherheit zerstörte und dadurch in inakzeptablem Maße das öffentliche Auftragswesen behinderte, insbesondere wenn die Rückabwicklung des gesamten Vertrags drohte, in dessen Bestand die Vertragsparteien bereits vertraut hätten, lediglich eine schwebende Unwirksamkeit nach sich ziehen, die zudem dadurch relativiert und einzelfallabhängig ausgestaltet wird, dass sie nur von einem bestimmten Kreis herbeigeführt werden kann70. 66 So ausdrücklich die Gesetzesbegründung, BR-Drucks. 45 500 S. 19 sowie Antweiler, DB 2001, S. 1975, 1978; Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 476; Stockmann, NZBau 2003, S. 591. 67 Vgl. Kap. 4 B. I. sowie Erdl, VergabeR 2001, S. 10, 11. Ähnlich Heuvels / Kaiser, NZBau 2001, S. 479 f. Vgl. auch BR-Drucks. 455 / 00, S. 18 f. A.A. Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 478, der – blauäugig – davon ausgeht, der öffentliche Auftraggeber werde auch bei fehlender Sanktionierung nicht absichtlich gegen die Vorabinformationspflicht verstoßen. Eine entsprechende Sanktion für den Fall des Verstoßes gegen die Vorabinformationspflicht wird mittlerweile auch im parallelen Beamtenrecht gefordert, vgl. Wernsmann, DVBl. 2005, S. 276, 283; mit ähnlicher Begründung BVerwG, DVBl. 2004, S. 317, 318 f. 68 I.E. auch BGH, VergabeR 2004, S. 201, 205. 69 Byok / Jansen, VergabeR 2003, S. 598, 599; dies., BB 2003, S. 2301, 2303; Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 476, 478 f., 481. Kritisch gegenüber der einschneidenden Nichtigkeitsfolge auch OLG Düsseldorf, VergabeR 2003, S. 594, 597; OLG Dresden, VergabeR 2002, S. 138, 139 ff.; Kau, NZBau 2003, S. 310, 311; Rojahn, VergabeR 2002, S. 141 f. 70 Ähnlich Antweiler, DB 2001, S. 1975, 1978 f.; Lindenthal, VergabeR 2003, S. 630, 631 f. (bzgl. de-facto-Vergaben). Vgl zu den – vermeintlichen – Rechtsfolgen der Vertragsnichtigkeit eingehend auch Kau, NZBau 2003, S. 310, 312 f.: So werden auf der Seite des

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Diese vermeintlichen Vorteile haben indes erheblich an Bedeutung eingebüßt, weil mittlerweile auch die Nichtigkeitsfolge des § 13 S. 6 VgV teleologisch reduziert und dadurch relativiert wird71. Ihre Geltung72, zumindest aber ihre Geltendmachbarkeit73, wird für den erfolgreichen Bieter und Vertragspartner sowie für am – tatsächlich durchgeführten – Verfahren bislang nicht beteiligte Unternehmen ausgeschlossen, im Umkehrschluss also nur dem antragsberechtigten 74 nichtberücksichtigten Bieter für den Fall gewährt, dass er in einem Nachprüfungsverfahren den Vorabinformationspflichtverstoß beanstandet. Denn nur der nichtberücksichtigte und nichtinformierte Bieter, der gegen seine Nichtberücksichtigung Rechtsschutz sucht und beantragt, ist vom Schutzzweck des § 13 VgV erfasst75. Den Schutz Dritter außerhalb des – stattfindenden – Vergabeverfahrens76 oder gar den „erfolgreichen“ Bieters die Geltendmachung von Bereicherungs- und Schadensersatzansprüchen in möglicherweise langwierigen Prozessen, der damit verbundene Kosten- und Zeitaufwand, mögliche Liquiditätsverluste, Auseinandersetzungen mit Lieferanten und Subunternehmen sowie ein Reputationsverlust angeführt, auf der Seite der Auftraggeber der Rückabwicklungsaufwand, damit verbundene Zusatzkosten sowie zu leistender Schadensersatz. Kaiser, NZBau 2005, S. 311, 314 f. sieht in den „fatalen Folgen“ einer Rückabwicklung stattdessen einen Ansporn für die Auftraggeber zur Einhaltung des Vergaberechts. 71 BGH, VergabeR 2005, S. 339, 341 f.; OLG Düsseldorf, VergabeR 2003, S. 594, 597; OLG Dresden, VergabeR 2002, S. 138 ff. mit zust. Anm. Rojahn; Höss, VergabeR 2002, S. 443, 445 f. m. w. N.; Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 157. A.A. Glahs in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 13 VgV Rdn. 36; Stockmann, NZBau 2003, S. 591, 595 f. Kritisch auch Otting, VergabeR 2003, S. 604, 606 (fehlende Rechtssicherheit und -klarheit). Des ebenfalls erwogenen Rückgriffs auf eine Rechtspflicht zur Bestätigung des nichtigen Rechtsgeschäfts gem. §§ 141, 144 BGB bedarf es insoweit daher nicht; vgl. dazu Erdl, VergabeR 2001, S. 10, 24 ff.; Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 478; Portz, VergabeR 2002, S. 211, 216 f. Soweit Stockmann, NZBau 2003, S. 591, 594 f. eine teleologische Reduktion für nicht erforderlich erachtet, da die Vorabinformation ohnehin nur gegenüber Verfahrensbeteiligten greife, übersieht er, dass die von dieser zu abstrahierende Nichtigkeit grundsätzlich gegenüber jedermann gilt und von jedermann geltend gemacht werden kann, z. B. vom Vertragspartner in zivilrechtlichen Streitigkeiten. 72 So BGH, VergabeR 2005, S. 339, 341. 73 OLG Thüringen, VergabeR 2003, S. 600, 603 f.; OLG Dresden, VergabeR 2002, S. 138, 139 („kein Beanstandungsrecht“). 74 Soweit das OLG Dresden, VergabeR 2002, S. 138, 139 ein Berufenkönnen auf die Nichtigkeitsfolge nur den Unternehmen zuerkennt, die am ursprünglichen Vergabeverfahren beteiligt waren, kommt es zwar häufig zum selben Ergebnis, da die Antragsbefugnis zumindest eine Chance auf den Erhalt des Zuschlags erfordert, die ein unbeteiligtes Unternehmen mangels Bewerbung an sich nicht hatte, vgl. Erdl, VergabeR 2002, S. 241, 243 f. Unanwendbar ist diese Auffassung jedoch bei de-facto-Vergaben [vgl. dazu Kap. 5 A. III.], bei denen ein förmliches Verfahren nicht stattfindet. 75 BGH, VergabeR 2005, S. 339, 341. Der Verweis von Kau, NZBau 2003, S. 310, 311, auf möglicherweise berührte Interessen der Nachunternehmer verfängt nicht, da diesen bereits ein unmittelbares eigenes Interesse am Auftrag und damit eine Antragsbefugnis abgesprochen wird (vgl. Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 107 GWB Rdn. 16 m. w. N.; str.). Der Gesetzgeber hat für den Fall, dass deren Verträgen mit dem erfolgreichen Bieter wegen der Unwirksamkeit von Zuschlag und Vertragsschluss möglicherweise die Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) entzogen ist, durch den Verweis auf die §§ 346 ff. BGB selbst einen wertenden Ausgleich getroffen.

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des Bieters, der den Zuschlag erhalten soll, hatte der Verordnungsgeber hingegen nicht im Sinn77. Vielmehr ist § 13 VgV im Ergebnis sogar gegen den obsiegenden Bieter gerichtet, da sein Erfolg angreifbar gemacht werden soll78. Dem stehen im Übrigen weder die Gesetzesmaterialien 79, noch die Systematik des Zivilrechts entgegen, das selbst z. B. in den §§ 135 Abs. 1 S. 1, 888 BGB eine relative Nichtigkeit anerkennt80. Dies gilt auch für die erforderliche Geltendmachung der – sonst von Amts wegen zu berücksichtigenden – Nichtigkeit, da hier der materiell-rechtliche Geltungsbereich des Nichtigkeitstatbestands nach dem Normzweck eingeschränkt, nicht aber seine prozessuale Behandlung modifiziert wird81. Daneben sind in Rechtsprechung und Literatur Tendenzen erkennbar, wonach nicht jeder Verstoß des öffentlichen Auftraggebers gegen die Vorabinformationspflicht die einschneidende Nichtigkeitsfolge begründen soll82. Zudem ist die Befristung der Geltendmachung der Nichtigkeitsfolge des § 13 S. 6 VgV i.R.d. der anstehenden Novellierung des Vergaberechts geplant83. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass selbst im Fall eines gem. § 13 VgV i.V.m. § 134 BGB unwirksamen Vergabevertrags der Zuschlag nicht zwingend durch die Vergabekammer aufgehoben werden muss. Diese hat vielmehr für ihre Anordnungen gem. § 114 Abs. 1 S. 1 GWB einen weiten Entscheidungsspielraum, der neben den Interessen des Antragstellers auch die Belange des Auftraggebers und des erfolgreichen Bieters berücksichtigen muss84. Die Anordnung muss danach verhältnismäßig sein85. Ist der entsprechende Auftrag endgültig durchgeführt und der gesamte Vertrag bereits abgewickelt worden oder hat der ausgewählte Bieter tatsächlich das wirtschaftlichste Angebot abgegeben, spricht viel dafür, dass – jedenfalls wenn Versäumnisse des 76 OLG Dresden, VergabeR 2002, S. 138, 139; OLG Thüringen, Beschl. vom 28. 01. 2004 – 6 Verg 11 / 03 LS 1, 2. 77 BGH, VergabeR 2005, S. 339, 341 f.; OLG Düsseldorf, VergabeR 2003, S. 594, 597. 78 OLG Düsseldorf, VergabeR 2003, S. 594, 597. 79 Entgegen Glahs in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 13 VgV Rdn. 36 wurde im Gesetzgebungsverfahren nicht die Normierung einer relativen, sondern diejenige einer schwebenden Unwirksamkeit diskutiert, aber nicht umgesetzt. Vgl. dazu BR-Drucks. 455 / 1 / 00 S. 3 f. 80 BGH, VergabeR 2005, S. 339, 341 f.; OLG Düsseldorf, VergabeR 2003, S. 594, 597. Kritisch Otting, VergabeR 2003, S. 604, 606. 81 BGH, VergabeR 2005, S. 339, 341 f. 82 Vgl. OLG Düsseldorf, VergabeR 2003, S. 594, 596 m. w. N.; Byok / Jansen, VergabeR 2003, S. 598, 599; Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 478; Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn.173 (zu § 115 Abs. 1 GWB). Insbesondere sollen bloße Formverstöße nicht zwingend die Nichtigkeit herbeiführen. Hierfür wird auf § 242 BGB und die zu § 311b BGB (§ 313 a.F.) entwickelten Grundsätze verwiesen. Vgl. auch Kap. 5 A. II. 3. 83 Vgl. § 101b Reg-E. 84 Vgl. Boesen, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 12 ff. 85 Vgl. Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 114 Rdn. 16; Marx in: Motzke / Pietzcker / Prieß, VOB, § 114 GWB Rdn. 7 f.; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 17; ähnlich Boesen, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 12 ff.

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erfolgreichen Bewerbers nicht ersichtlich sind – der Entscheidungsspielraum der Vergabekammer geschrumpft ist und sich ihre Befugnisse auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit beschränken, die wiederum präjudizielle Wirkung für einen Schadensersatzprozess hat (§ 124 Abs. 1 GWB)86. Der öffentliche Auftraggeber und der gem. § 109 GWB i.d.R. beteiligte „erfolgreiche“ Bewerber können gegen derartige unverhältnismäßige Anordnungen mit der sofortigen Beschwerde nach § 116 GWB vorgehen87. Aus diesen Gründen können Aufhebung und Anfechtung keineswegs als mildere Sanktionsalternativen den Vorzug beanspruchen. Vielmehr sind sie aus dogmatischen Gesichtspunkten abzulehnen, da sie – die ex-nunc wirkende Aufhebung rechtlich, die ex-tunc wirkende Anfechtung zumindest faktisch88 – im Gegensatz zur ex-tunc-Nichtigkeitsfolge des § 13 S. 6 VgV gegen das Verbot der Aufhebbarkeit einmal wirksam erteilter Zuschläge und zustande gekommener Verträge verstoßen, wenn der Vertrag zunächst (faktisch) zustande kommt und danach wieder wegfällt. Ebenso ist dem allgemeinen Zivilvertragsrecht, auf welches das Kartellvergaberecht zurückgreift, eine Drittanfechtung ebenso fremd wie ein Anspruch Dritter auf Vertragsaufhebung89. Mithin ist die Nichtigkeitsfolge des § 13 S. 6 VgV die geeignete, erforderliche und dogmatisch am besten begründbare Variante zur Effektuierung der Vorabinformationspflicht90. Ihre Normierung war und ist daher notwendige Voraussetzung zum Erhalt des aktuellen vergaberechtlichen Rechtsschutzsystems. Insofern steht sie als rechtfertigende Ausnahme des Unerheblichkeitsgrundsatzes in Einklang mit den vergaberechtlichen Grundsätzen und ist demzufolge von der Ermächtigung gem. § 97 Abs. 6 GWB gedeckt.

86 In diese Richtung auch Braun, NVwZ 2004, S. 441, 444; Weise, NJW-Spezial 2005, S. 213, 214. 87 OLG Düsseldorf, WuW 2001, S. 333 f.; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 19a. 88 Ob im Fall einer erfolgreichen Anfechtung der Vertrag von vornherein nicht bestand (ex tunc) oder aber später weggefallen ist (ex nunc), wird vor allem i.R.d. § 812 BGB bei der Frage erörtert, ob ein angefochtenes Rechtsgeschäft nach Abs. 1 oder Abs. 2 rückabgewickelt wird. 89 Ein solcher wäre gegen den staatlichen Auftraggeber vielleicht noch denkbar, nicht aber gegen den privaten Vertragspartner. Dies wäre indes erforderlich, da abgesehen von vereinbarten einseitigen Vertragsauflösungsrechten der Vertrag nur in beiderseitigem „Einvernehmen“ aufgehoben werden kann. 90 Dem entspricht, dass mittlerweile auch für Verstöße gegen die beamtenrechtliche Vorabinformationspflicht eine Nichtigkeitssanktion gefordert wird, vgl. Wernsmann, DVBl. 2005, S. 276, 283. Kritisch hingegen BGH, NZBau 2001, S. 151, 154; Byok / Jansen, VergabeR 2003, S. 598, 599, deren Verweis auf den Unerheblichkeitsgrundsatz aber – wie bereits dargestellt – nicht überzeugen kann.

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2. Vereinbarkeit von § 13 S. 6 VgV mit Art. 20 Abs. 3 GG Bedenklich erscheint nach alledem indes die Vereinbarkeit des § 13 S. 6 VgV mit Art. 20 Abs. 3 GG unter dem Aspekt der Rechtssicherheit 91, die als tragende Elemente u. a. die Rechtsklarheit, Rechtsbestimmtheit und die Rechtskontinuität umfasst92. Denn nach den erwähnten zahlreichen Korrekturen des § 13 VgV und seiner Nichtigkeitsfolge – genannt seien nur die teleologische Reduktion sowie die Tendenzen zur einzelfallabhängigen Nichtigkeit93 – ist eine unübersehbare Unsicherheit entstanden und kann die Frage, ob der Vergabevertrag nichtig ist oder nicht, ohne genaue Rechtsprechungskenntnis nicht mehr beantwortet werden. Angesichts der Vielzahl neuer, aber auch divergierender Entscheidungen ist dies ein kaum noch zu leistender Anspruch94. Ob allein mit diesen Erwägungen die Verfassungswidrigkeit des § 13 VgV begründet werden kann mit der Folge, dass § 13 S. 6 VgV als untergesetzliche Norm von deutschen Gerichten nicht mehr angewendet werden dürfte, erscheint zwar fraglich. Dennoch sollte eine weitere Neufassung der VgV nicht – wie die letzte im Jahre 2003 – über diesen Problemkomplex hinweggehen.

3. Vereinbarkeit von § 13 S. 6 VgV mit der Rechtsmittelrichtlinie Dagegen ist die Vereinbarkeit des § 13 S. 6 VgV mit der RMRL zweifellos gegeben. Zwar ist der Unerheblichkeitsgrundsatz auch in der RMRL angelegt, insbesondere indem der europäische Gesetzgeber mit Blick auf die Rechtsfolgen der Vertragsnichtigkeit die Mitgliedstaaten zur Beschränkung des Rechtsschutzes nach Vertragsschluss auf Schadensersatz ermächtigt hat95, und wurde vom EuGH auch nicht in Frage gestellt. Jedoch ist jede RMRL-Bestimmung vor dem Hintergrund des Gebots der Überprüfbarkeit jeder Vergabeentscheidung zu interpretieren. Soweit dies aufgrund der Eigenart des deutschen Vergabesystems mit seinem Zusammenfallen von erledigendem Zuschlag und Vertragsschluss nur durch eine mittels Nichtigkeitssanktion effektuierte Vorabinformation gewährleistet ist, steht die entsprechende Regelung in Einklang mit der RMRL96.

91 Vgl. zur verfassungsrechtlichen Herleitung der Rechtssicherheit Kap. 4 B. II. 3. a) cc). Bedenken gegenüber den Grundsätzen des Vorbehalts und des Vorrangs des Gesetzes haben sich mit der Feststellung der Kongruenz von § 13 VgV mit § 97 Abs. 6 GWB erledigt. 92 Vgl. Kap. 4 B. II. 3. a) cc) sowie Byok / Jansen, BB 2003, S. 2301, 2304; Münch, NJW 1996, S. 3320, 3321 m. w. N. 93 Vgl. 5 A. I. 1. b) bb) (2) sowie eingehend die folgenden Darstellungen. 94 Ebenso Byok / Jansen, BB 2003, S. 2301, 2302, 2304. 95 Art. 2 Abs. 6 RMRL. Vgl. auch Art. 3 Abs. 1 RMRL. Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 476 sieht den Unerheblichkeitsgrundsatz sogar „in der Rechtsmittelrichtlinie ausdrücklich niedergelegt(e)“. 96 Vgl. dazu BGH, VergabeR 2005, S. 339, 341.

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II. Der Anwendungsbereich der Vorabinformation gem. § 13 VgV Der „guten“ Nachricht, dass § 13 VgV rechtlich angewendet werden darf und muss, folgt indes die „schlechte“, dass dessen Anwendungsbereich selbst keineswegs unumstritten oder geklärt ist. Ein Großteil der vergaberechtlichen Entscheidungen und Diskussionen befasst sich infolgedessen mit dem Anwendungsbereich des § 13 VgV97. Immer wieder werden neue – vermeintliche? – Rechtsschutzlücken gesucht und gefunden, welche die öffentlichen Auftraggeber dann rechtlich guten Gewissens dazu nutzen, die Vorabinformation entweder zu beschränken oder erst gar nicht zu erteilen. Sei es dass der Auftraggeber den mit der Vorabinformationspflicht verbundenen Aufwand kaum mehr fehlerfrei bewältigen kann98, sei es dass damit bewusst die Beantragung von Nachprüfungsverfahren verhindert wird99, die praktische Folge jeglicher Beschränkung der Vorabinformation ist eine Beschränkung des Vergabeprimärrechtsschutzes. Deshalb soll im Folgenden der Anwendungsbereich des § 13 VgV im Hinblick auf den Adressatenkreis [1.], die Rechtsschutzfrist [2.] sowie den Inhalt der Information [3.] auf Rechtsschutzlücken untersucht werden100.

1. Adressaten der Vorabinformation § 13 S. 1 VgV verpflichtet den Auftraggeber zur Information derjenigen „Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen“. Zwar ist der Begriff des Bieters nicht legaldefiniert. Doch offenbart ein Studium des Vergaberechts, in dem terminologisch sorgfältig zwischen „Unternehmen“, „Bewerber“ und „Bieter“ differenziert wird101, dass die Qualifizierung als Bewerber das aktive und offensichtliche Bemühen um einen Auftrag voraussetzt102, während die Bietereigenschaft die Abgabe eines wirksamen Angebots gegenüber dem Auftraggeber erfordert103.

97 Dafür genügt ein Blick in die Inhaltsverzeichnisse der NZBau und der VergabeR der letzten Jahre. 98 So Erdl, VergabeR 2001, S. 10, 22. 99 Vgl. Heuvels, NZBau 2005, S. 32, 34; Kaiser, NZBau 2005, S. 311, 313. 100 Die folgende Darstellung unterliegt nicht dem Anspruch auf Vollständigkeit. Dies ist i.R.d. Arbeit nicht möglich, aber auch nicht erforderlich, da bereits einige wesentliche Rechtsschutzlücken der geforderten Lückenlosigkeit entgegenstehen. 101 Vgl. §§ 19, 20, 34a GWB; §§ 4, 13, 16 VgV; §§ 8, 8a, 24 Nr. 1 Abs. 1, Nr. 2, 25 Nr. 1 Abs. 2, Nr. 2 Abs. 1, 28 Nr. 1 Abs. 1, Nr. 2 Abs. 2 VOB / A; §§ 24 Nr. 1 Abs. 1 u. 2, Nr. 2 Abs. 2 25 Nr. 2 Abs. 1 u. 2, 28 Nr. 1 Abs. 1 VOL / A. A.A. Schranner in: Ingenstau / Korbion, VOB, Vor § 2 VOB / A Rdn. 4. 102 Z. B. indem ein Unternehmen sich im offenen Verfahren die Verdingungsunterlagen beschafft oder im nichtoffenen Verfahren einen Teilnehmerantrag stellt. 103 Ebenso OLG Düsseldorf, VergabeR 2004, S. 216, 219 f.; Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 513; Putzier, DÖV 2002, S. 517, 519.

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

a) Die zu Informierenden und Informierten des offenen Vergabeverfahrens Wenn damit nur die erfolglosen Bieter gem. § 13 VgV vorabinformiert werden, obgleich § 107 Abs. 2 GWB jedes interessierte und möglicherweise in seinen Rechten gem. § 97 Abs. 7 GWB verletzte Unternehmen zur Beantragung eines Nachprüfungsverfahrens berechtigt, wird offensichtlich, dass nicht jedem Rechtsschutzberechtigten faktisch (Primär-)Rechtsschutz ermöglicht wird104. Für den Fall eines – ordnungsgemäß durchgeführten105 – förmlichen offenen Vergabeverfahrens ist die Beschränkung auf nichtberücksichtigte 106 Bieter gerechtfertigt, da infolge der Ausschreibung jedes interessierte Unternehmen durch Angebotsabgabe den Bieterstatus erlangen konnte und dem Auftraggeber nur die Unterrichtung dieser ihr Interesse insoweit verbindlich bekundenden Unternehmen zumutbar und vor allem möglich ist107. b) Die zu Informierenden und Informierten des nichtoffenen Vergabeverfahrens Problematischer erscheint dies für die anderen beiden Vergabeverfahren108, das nichtoffene sowie das Verhandlungsverfahren, auf die § 13 VgV ebenfalls anwend104 Dies betrifft nicht die Nachunternehmer, denen ein unmittelbares eigenes Interesse am Auftrag gem. § 107 Abs. 2 GWB abgesprochen wird, vgl. Kap. 4 B. III. 3. b). 105 Der Fall der Vergabe ohne Ausschreibung und Durchführung eines Vergabeverfahrens (de-facto-Vergabe) wird bei unter Kap. 5 A. III. erörtert. 106 Darunter fallen auch nur teilweise nichtberücksichtigte Bieter sowie solche, die in einem früheren Verfahrensstadium ausgeschlossen worden sind. Sofern letztere über ihr frühzeitiges Ausscheiden informiert worden sind und dies nicht unverzüglich gerügt haben, sind sie aber gem. § 107 Abs. 3 S. 1 GWB präkludiert und ist eine Information i. S. d. § 13 VgV nicht mehr erforderlich. Die Information des erfolgreichen Bieters ist nach dem Wortlaut nicht geboten, aber ratsam, um Unsicherheiten über den Grund der unterbliebenen Information zu vermeiden Vgl. insges. BR-Drucks. 455 / 00 S. 18 f.; Erdl, VergabeR 2001, S. 10, 12 f., 27; Wegmann, NZBau 2001, S. 475, 476. 107 Da dem Auftraggeber alle interessierten Unternehmen nicht zwingend bekannt sind, wäre die Verpflichtung zur Information jener Unternehmen eine unerfüllbare. 108 § 101 Abs. 1 GWB zählt mit dem Offenen, dem Nichtoffenen sowie dem Verhandlungsverfahren abschließend die möglichen Vergabeverfahren auf. Vgl. dazu Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 101 GWB Rdn. 3; Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427, 451 ff. I.R.d. anstehenden Novellierung des Kartellvergaberechts wird diesen nach der VereinigungsRL der „wettbewerbliche Dialog“ sowie die „elektronische Auktion“ und die „elektronische dynamische Beschaffung“ als weitere Verfahren beigefügt (kritisch dazu Opitz, NZBau 2003, S. 183, 191 f.). Für den Beginn eines Vergabeverfahrens kommt es auf die erstmalige Kundgabe der Durchführung desselben an. Jene erfolgt i.d.R. durch die Vergabebekanntmachung (vgl. § 17a Nr. 2 Abs. 1 VOB / A). Bei Vergabeverfahren ohne öffentlichen Teilnahmewettbewerb dürfte auf die Einladung des ersten Unternehmens abzustellen sein. Die unverbindliche „Vorinformation“ gem. § 17a Nr. 1 VOB / A, § 17a Nr. 2 VOL / A, § 9 Abs. 1 VOF genügt nicht. Vgl. dazu Erdl, VergabeR 2001, S. 10, 12, insbes. Fn. 19.

A. Die Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV

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bar ist109, da in diesen ein Angebot nur abgegeben darf, wer dazu aufgefordert wurde, so dass die Bieterstellung nicht für jedes interessierte Unternehmen garantiert erreichbar ist. Im nichtoffenen Verfahren wird dieses Manko durch die zwingende Verpflichtung zur Durchführung eines öffentlichen Teilnahmewettbewerbs kompensiert110. Erforderlich ist danach eine Ausschreibung der nichtoffenen Vergabe, die es dem interessierten Unternehmen ermöglicht, sich um die Teilnahme an dem nichtoffenen Verfahren zu bewerben. Falls daraufhin eine Aufforderung zur Angebotsabgabe erfolgt, ist die Bieterstellung erreichbar, falls nicht, wird das Unternehmen gleichsam durch die Nichtaufforderung von der Nichtberücksichtigung bei der zukünftigen Zuschlagserteilung vorabinformiert. Primärrechtsschutz kann dann bereits gegen die Nichtaufforderung beansprucht werden. Eine zweite Vorabinformation gem. § 13 VgV ist daher nicht mehr erforderlich111. c) Die zu Informierenden und Informierten des Verhandlungsverfahrens Dem Verhandlungsverfahren ist hingegen bloß regelmäßig, nicht aber zwingend eine öffentliche Bekanntmachung vorgeschaltet112 mit der Folge, dass bei fehlender Vergabebekanntmachung mangels Kenntnis keine Bewerbung um die Teilnahme am Verhandlungsverfahren und damit keine Ablehnung derselben erfolgt, aus der gleichsam die spätere Nichtberücksichtigung bei der Zuschlagserteilung ersichtlich würde113. Zudem folgt aus § 13 VgV keine Pflicht zur Information über den Beschluss zur Durchführung bloß eines Verhandlungsverfahrens114. Diese Regelungslücke wird zwar dadurch zu stopfen versucht, dass jedenfalls diejenigen „Unternehmen“ vorab zu informieren sind, die rechtswidrig nicht am Verhandlungsverfahren beteiligt wurden115. Doch ist diese Erweiterung des Bieterbegriffs 109 OLG Düsseldorf, VergabeR 2005, S. 508, 509; OLG Dresden, VergabeR 2002, S. 142, 144; Erdl, VergabeR 2001, S. 10, 12, insbes. Fn. 20; Höss, VergabeR 2002, S. 443, 444 m. w. N.; Portz, VergabeR 2002, S. 211, 212 f.; Stockmann, NZBau 2003, S. 591 f. 110 Vgl. dazu Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 101 GWB Rdn. 3. 111 Glahs in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 13 VgV Rdn. 18. 112 Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 101 GWB Rdn. 3. 113 Dass diese Regelungslücke auch praktisch ausgenutzt wird, zeigen z. B. die den Beschlüssen des OLG Düsseldorf, VergabeR 2005, S. 503 ff. und 508 ff. zugrunde liegenden Sachverhalte. In beiden Fällen beschloss die Vergabestelle, die sich im Öffentlichen Vergabeverfahren mit dem Nachprüfungsantrag eines abgewiesenen Bieters konfrontiert sah, sich dieses Problems dadurch zu entledigen, dass am Tag vor der Vergabekammerverhandlung zunächst der abgewiesene Bieter per Fax von der Aufhebung der Ausschreibung unterrichtet und im gleichen Atemzug eine Freihändige Vergabe an den bevorzugten Bieter erfolgreich durchgeführt wurde (in einem Fall in nur einundsiebzig Minuten). Vor der Vergabekammer konnte dann am folgenden Tag die Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrags wegen Erledigung gerügt werden. 114 So OLG Düsseldorf, VergabeR 2005, S. 513, 515 mit krit. Anm. Herrmann. 115 OLG Düsseldorf, NZBau 2003, S. 400, 405; OLG Dresden, VergabeR 2002, S. 142, 144; Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 157; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB,

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nicht nur rechtlich bedenklich116, sondern auch praktisch kaum weiterführend, da eine rechtswidrige Nichtbeteiligung äußerst selten vorliegen wird. Denn der Auftraggeber kann die Zahl der zu beteiligenden Unternehmen auf ein Minimum reduzieren117 und ihm steht bei der Auswahl der Beteiligten im Rahmen einer Eignungsprüfung (§ 97 Abs. 4 GWB) ein eigener Entscheidungsspielraum zu. Eine rechtswidrige Nichtbeteiligung ist damit vor allem dann denkbar, wenn die Zahl geeigneter Bewerber geringer oder gleich der Zahl zu beteiligender Bewerber ist und der Auftraggeber einen ungeeigneten statt eines geeigneten auswählt. d) Zwischenergebnis und Lösungsvorschlag Mithin resultiert aus der Beschränkung des Adressatenkreises der Zu-Informierenden auf die „Bieter“ zumindest für das Verhandlungsverfahren eine praxisrelevante Rechtsschutzlücke. Diese Relevanz wird auch nicht durch den Ausnahmecharakter des Verhandlungsverfahrens geschmälert, da die Nachprüfung der Rechtmäßigkeit desselben gerade durch die fehlende Vorabinformationspflicht faktisch erschwert wird. Lediglich für einen Teilaspekt dieses Problemkomplexes, nämlich den Fall, dass ein offenes Verfahren – u.U. sogar missbräuchlich – aufgehoben und unmittelbar im Anschluss der Auftrag im Wege des Verhandlungsverfahrens per Direktvergabe vergeben wird, ist eine Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV gegenüber den Bietern des vorangegangenen förmlichen Verfahrens anzuerkennen. Die diesbezügliche Begründung des OLG Düsseldorfs, dass unter Bezugnahme auf das EuGH-Urteil in der Sache Leuna118 oder aufgrund einer funktionalen Betrachtung119 von ein und demselben Beschaffungsvorgang und deshalb von einer Fortsetzung der Bieterstellung auszugehen sei, ist allerdings nur materiell, nicht aber dogmatisch überzeugend. Denn der Begriff des „Bieters“ ist ein förmlicher § 101 GWB Rdn. 10, 15; Stockmann, NZBau 2003, S. 591, 592. Hiervon zu trennen ist die rechtswidrige Einleitung des Verhandlungsverfahrens, die allein entgegen Otting, VergabeR 2002, S. 146, 147, nicht eine Informationspflicht gegenüber jedem Interessenten begründet. Diese Pflicht wäre praktisch nicht erfüllbar (vgl. auch Fn. 367) und demzufolge der bloße Verfahrensverstoß faktisch nichtigkeitsbegründend. Dem steht nicht nur der vergaberechtliche Grundsatz der Unerheblichkeit, sondern auch die Rechtssicherheit entgegen. 116 Glahs in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 13 VgV Rdn. 18 ff.; Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 479 unter Verweis auf den eindeutigen Wortlaut und das Erfordernis der Rechtssicherheit. Vgl. auch Kap. 5 A. III. 2. b) aa) (1). 117 Die Mindestanzahl der zu beteiligenden Unternehmen beläuft sich für das nichtoffene Verfahren auf fünf und für das Verhandlungsverfahren auf drei Unternehmen. Laut OLG Düsseldorf, VergabeR 2005, S. 513 ff. mit abl. Anm. Herrmann ist sogar die Begrenzung auf ein Unternehmen zulässig, wenn nur dieses (in den Augen des Auftraggebers) die geforderte Leistung erbringen kann (Verweis auf § 3a Nr. 2 lit.c VOL / A). 118 So OLG Düsseldorf, VergabeR 2005, S. 508, 510 Fn. 9 mit Verweis auf EuGH, VergabeR 2005, S. 44 ff. 119 Vgl. OLG Düsseldorf, VergabeR 2005, S. 503, 505 f.; Benedict, VergabeR 2005, S. 512, 513 m. w. N.

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und verfahrensrechtlicher, so dass eine Abkopplung der Bietereigenschaft vom konkreten Verfahren nicht unbedenklich ist, zumal mit dessen Ende zugleich die abgegebenen Angebote erlöschen und insofern das notwendige Bieterkriterium wegfällt. Damit ist der frühere Bieter nur noch ein erkennbar am Auftrag interessiertes Unternehmen und somit ein „Bewerber“, der offensichtlich nicht von § 13 VgV erfasst ist. Die Abkopplung des Bieters vom Verfahren ist folglich zumindest bedenklich, vor allem aber zur Begründung einer Vorabinformationspflicht vorliegend nicht erforderlich. Denn der Auftraggeber ist nur ausnahmsweise zur Aufhebung des offenen Vergabeverfahrens berechtigt. Insbesondere wird mittlerweile „als geklärt angesehen“120, dass die Aufhebungsentscheidung – auch nachträglich – einem Nachprüfungsverfahren zugänglich ist, also überprüft und ggf. aufgehoben werden kann121. Mit anderen Worten führt die – zumindest rechtswidrige – Aufhebung nicht zur erledigenden Vergabeverfahrensbeendigung122. Ist damit das Vergabeverfahren noch nicht (endgültig) beendet, besteht die Bieterstellung und folglich die Vorabinformationspflicht fort. Will der Auftraggeber den Auftrag mithin unmittelbar nach der Aufhebung des offenen Verfahrens per Direktvergabe vergeben und gleichzeitig sichergehen, dass der Vertrag nicht wegen eines Vorabinformationspflichtverstoßes nichtig ist, muss er die Bieter des vorangegangenen offenen Verfahrens vorabinformieren. Soweit dem Verhandlungsverfahren indes kein offenes Verfahren vorangeht, bleibt die dargelegte Rechtsschutzlücke bestehen. Da der mögliche Vergabeverstoß hauptsächlich in der Unzulässigkeit des Verhandlungsverfahrens liegen dürfte, könnte jene Lücke durch die Pflicht zur vorherigen Bekanntmachung entweder bereits der beabsichtigten Auftragsvergabe i.R.e. Verhandlungsverfahrens oder erst der beabsichtigten Zuschlagserteilung geschlossen werden. Im Gegensatz zur Vorabinformationspflicht des § 13 VgV müsste diese Bekanntmachung freilich keine individualisierte Begründung beinhalten, sondern ähnlich der Ausschreibung im öffentlichen Verfahren ergehen.

2. Die Rechtsschutzfrist des § 13 S. 2 – 4 VgV Ein weiterer „neuralgischer Punkt“123 des § 13 VgV ist seine 14-Tage-Frist, nach deren Ablauf das Zuschlagsverbot des § 13 S. 5 VgV erlischt, sofern nicht der Noch in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 102 GWB Rdn. 771. Dies wird nach den wegweisenden Entscheidungen des EuGH, VergabeR 2002, S. 361 ff. und des BGH, VergabeR 2003, S. 313 ff. überwiegend anerkannt, vgl. nur Portz in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 26 VOB / A Rdn. 39 ff. m. w. N. Daher steht die Bieterstellung auch nicht „zur Disposition des öffentlichen Auftraggebers“, wie das OLG Düsseldorf, VergabeR 2005, S. 509, 510 mit zust. Anm. Benedict behauptet. 122 BGH, VergabeR 2003, S. 313, 315 mit insoweit zust. Anm. Müller-Wrede. Vgl. auch schon BayObLG, NZBau 2000, S. 211, 212 f.; BKartA, NZBau 2000, S. 310 ff. 120 121

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unterlegene Bieter durch die – nicht offensichtlich unzulässige oder unbegründete (§ 110 Abs. 2 GWB) – Beantragung eines Nachprüfungsverfahrens den Beginn des Zuschlagsverbot des § 115 Abs. 1 GWB und damit gleichsam die Fortsetzung jenes Zuschlagsverbots des § 13 S. 5 VgV bewirkt hat. Zur Beantwortung der Frage, ob dafür die 14-Tage-Frist ausreicht oder – sogar diese124 – zu knapp bemessen ist, bedarf es einer Untersuchung des Fristbeginns [a)] und des dem Bieter tatsächlich gewährten Fristumfangs [b)]. a) Fristbeginn Während die ursprüngliche Fassung des § 13 VgV die Frage des Fristbeginns nicht eindeutig klärte und diesbezüglich teils auf die Absendung der Mitteilung125, teils auf deren Zugang beim berechtigten Bieter abgestellt wurde126, beginnt nach der novellierten aktuellen Fassung des § 13 VgV die Frist „am Tag nach der Absendung der Information durch den Auftraggeber“127. Damit entspricht die Neufassung der ursprünglichen Verordnungsgeberabsicht128 und steht in Einklang mir den EG-Vergaberichtlinien, die für Informationserklärungen ebenfalls auf die Absendung abstellen (vgl. Art. 10 Abs. 1 LKR, Art. 12 Abs. 1 BKR, Art. 19 Abs. 1 DLR)129. Allerdings hat die Maßgeblichkeit der Absendung fristverkürzende Auswirkungen. 123 So Wegmann, NZBau 2001, S. 475, 479. Kritisch auch schon Gröning, ZIP 1998, S. 370, 375, 377. 124 Die Länge der Frist war im Gesetzgebungsverfahren umstritten. Der Entwurf vom Dezember 1999 sah noch eine Frist von 7 Kalendertagen, die Fassung vom Juni 2000 eine Frist von 10 Werktagen vor. 125 So Portz, VergabeR 2002, S. 211, 215; Wegmann, NZBau 2001, S. 475, 477 unter Verweis auf den Wortlaut des § 13 S. 2 VgV a.F., die Begründung zur VgV, den Beschleunigungsgrundsatz sowie die notwendige Praktikabilität. 126 So Thüringer OLG, VergabeR 2002, S. 631, 633; KG, VergabeR 2002, S. 235, 239; Erdl, VergabeR 2001, S. 10, 19 f.; Glahs / Külpmann, VergabeR 2002, S. 387, 388; Gröning, WRP 2001, S. 1, 5 (§ 130 Abs. 1 BGB analog) unter Berufung auf die Schutzfunktion des § 13 VgV sowie das Gebot effektiven Rechtsschutzes. 127 Soweit damit für den Fristbeginn die Absendung, für die grundsätzliche Wirksamkeit jedoch der Zugang für erforderlich erachtet wird, entspricht § 13 S. 2 – 4 VgV der früheren vermittelnden Ansicht von Antweiler, DB 2001, S. 1975, 1978. BGH, VergabeR 2004, S. 201, 207 (noch zu § 13 VgV a.F.) hat dies gleichsam bestätigt. Vgl. zum Ganzen Stockmann, NZBau 2003, S. 591, 593 f. m. w. N. 128 BR-Drucks. 455 / 00 S. 18 f.: „Für den Beginn der Frist kommt es nicht auf den Zugang der Information beim Bieter, sondern auf den Tag der Absendung der Information . . . an“. 129 Bedenken gegenüber der Neufassung v.a. seitens des KG, VergabeR 2003, S. 235, 239, etwa unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung aller Bieter (§ 97 Abs. 2 GWB) oder der Widersprüchlichkeit zu den allgemeinen Grundsätzen zur Wirksamkeit von Verwaltungsakten, rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen und rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen. Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 156 will in Ausnahmefällen weiterhin auf den Zugang abstellen. Dem entsprechen auch die jüngsten Vorschläge der Kommission zur Änderung der RMRL, vgl. Heuvels, NZBau 2006, 416, 418, 420.

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Zwar setzt die wirksame Information weiterhin ihren Zugang beim nichtberücksichtigten Bieter voraus und ist insoweit empfangsbedürftig. Dies impliziert bereits der Wortlaut des § 13 VgV, dessen Zuschlagsverbot (S. 5) einerseits an die Einhaltung der Frist und andererseits an die Erteilung der Information anknüpft und insofern deren Zugang voraussetzt, und ist zwingende Folge der Rechtsschutzsicherungsfunktion des § 13 VgV130. Die insoweit bestehende Empfangsbedürftigkeit darf indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass infolge des typischen Auseinanderfallens von Absendung und Zugang die tatsächlich gewährte Frist – gewollt oder ungewollt – typischerweise verkürzt wird, ausländischen Bietern gegenüber sogar erheblich131. Freilich kann der Bieter den Auftraggeber frühzeitig auffordern, das Informationsschreiben vorab per Telefax an ihn zu übersenden132. Ob indes eine diesbezügliche Weigerung des Auftraggebers treuwidrig i.S.v. § 242 BGB ist und damit zur Vertragsnichtigkeit führt133, erscheint jedoch zweifelhaft, da § 13 VgV eine Information durch Telefax nicht erfordert und eine solche einen erheblichen Mehraufwand134 und ein beträchtliches Übermittlungs- und Beweisrisiko für den Auftraggeber darstellt135. Jedenfalls dürfte das „unbewusste Vernachlässigen“ dieser Aufforderung unbeachtlich und eine entsprechende Absicht schwer nachzuweisen sein. Neben dieser typischen Fristverkürzung geht infolge der Maßgeblichkeit der Absendung zudem die Verzögerungsgefahr allein zu Lasten des nichtberücksichtigten Bieters. Lediglich die Verlustgefahr trifft noch den Auftraggeber, dem damit erhebliche Fristverkürzungsmöglichkeiten offen stehen.

130 Die Auffassung, § 130 BGB gelte nur für Willenserklärungen und sei auf Informationserklärungen wie die des § 13 VgV nicht anwendbar, so dass im Umkehrschluss der Empfang für deren Wirksamkeit nicht maßgeblich sei, ist abzulehnen. § 130 BGB trifft lediglich eine Teilregelung für das Wirksamwerden empfangsbedürftiger Willenserklärungen, entscheidet aber nicht über die Empfangsbedürftigkeit einer Erklärung selbst; ebenso Kus, VergabeR 2002, S. 634, 636; Rojahn, NZBau 2004, S. 382, 383. Ob § 130 BGB überhaupt anwendbar ist, kann insoweit dahinstehen. 131 Diesbezüglich noch gravierender ist der Vorschlag von Gröning, WRP 2001, S. 1, 5, die Zugangsproblematik durch die Verpflichtung zur Information durch Aushändigung einer Erklärung unter Anwesenden zu umgehen. 132 Dies ist unbestritten möglich, seit § 13 VgV keine „schriftliche“ Information (i.S.v. § 126 BGB, früher str.) mehr erfordert, sondern „Textform“ genügen lässt. Vgl. dazu sowie zum früheren Streit um die Zulässigkeit der Mitteilung per Fax Stockmann, NZBau 2003, S. 591, 593 m. w. N. Der so genannte o.k.-Vermerk des Faxgeräts beim Absender dient zwar weder als Voll- noch als Anscheinsbeweis für den Zugang, legt dem Adressaten aber eine gesteigerte Last substantiierten Bestreitens auf, vgl. OLG Thüringen, VergabeR 2002, S. 631, 633. 133 So wohl Gröning, WRP 2001, S. 1, 5; Wegmann, NZBau 2001, S. 475, 477. 134 Teilweise sind mehrere hundert Bieter vorabzuinformieren. 135 Vgl. zu den praktischen Problemen der Übermittlung per Telefax Erdl, VergabeR 2001, S. 10, 20.

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b) Fristumfang Zumindest unter Berücksichtigung dieser Fristverkürzung(smöglichkeiten) erscheint die 14-tägige Frist zu kurz, um effektiven Rechtsschutz, insbesondere mit Blick auf die notwendige Beantragung des Nachprüfungsverfahrens zur Bewirkung des Zuschlagsverbots des § 115 Abs. 1 GWB, zu gewährleisten [aa)], zumal auch der Verfahrensverlauf nach Fristbeginn weitere faktische Fristverkürzungsmöglichkeiten bietet [bb)]. aa) Die Kürze der Frist mit Blick auf das Erreichen des Zuschlagsverbots des § 115 Abs. 1 GWB Nach Zugang der Vorabinformation muss sich Bieter entscheiden, ob er den geplanten Zuschlag beanstanden will. Wenn rechtliche Prüfungen notwendig sind oder die Entscheidungsträger des Bieters nicht uneingeschränkt zur Verfügung stehen, kann bereits dafür die 14-Tages-Frist „sehr kurz“ sein136. Wegen der komplexen Vergaberechtsmaterie darf insbesondere die – insofern faktisch erforderliche137 – Anwaltskonsultation nicht aus zeitlichen Gründen ausgeschlossen sein, selbst wenn für das Verfahren vor der Vergabekammer kein Anwaltszwang besteht138. Entscheidet sich der Bieter sodann für ein Vorgehen gegen die geplante Zuschlagserteilung, muss er zunächst seiner Rügeobliegenheit gem. § 107 Abs. 3 GWB nachkommen, die nach ihrem Sinn und Zweck, dem Auftraggeber die Gelegenheit zur Fehlerkorrektur zu geben, um unnötige und möglicherweise kostspielige Verfahren zu vermeiden139, neben der eigentlichen Rüge die Einhaltung einer Wartefrist vor der Stellung eines Nachprüfungsantrags voraussetzt140. Dass die – voraussichtliche – Zuschlagsentscheidung bereits gefällt wurde und der Auftraggeber von dieser typischerweise nicht mehr freiwillig abweicht, steht mit Blick auf jene Zielsetzung der Rügeobliegenheit nicht entgegen141. Allenfalls erscheint eine Dieckmann, VergabeR 2005, S. 10, 12. Vgl. Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 153. 138 Ebenso Kus, NJW 2000, S. 544, 547. Anwaltszwang besteht nur in der zweiten Instanz vor dem Beschwerdegericht, § 117 Abs. 3 GWB; vgl. aber Kap. 5 B. II. 1. b). 139 Vgl. BT-Drucks. 13 / 9340 S. 17. Daneben nennt die Begründung ebd. das weitere Ziel, dass „der Unternehmer, der auf einen erkannten Fehler spekuliert, weil er sich möglicherweise zu seinen Gunsten auswirken könnte, . . . insoweit nicht die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einfordern dürfen (soll), wenn seine Spekulation nicht aufgeht“. 140 Einschränkend Wagner, VergabeR 2002, S. 643. Gegen eine Wartefrist KG, VergabeR 2002, S. 398, 400 f.; OLG Frankfurt, NZBau 2001, S. 101, 103; Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 521 ff. 141 Offengelassen vom KG, VergabeR 2002, S. 398, 401 mit Verweis auf OLG Düsseldorf, Beschl. vom 22. 08. 2000 – Verg 9 / 00 für den Fall, dass die Rüge offensichtlich nur aussichtslose Förmelei sei. 136 137

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Verkürzung der Wartefrist vor Anrufung der Vergabekammer zulässig, wenn andernfalls effektiver Rechtsschutz ohne eigenes Verschulden gefährdet ist142. Da die Rüge nicht zu einer Unterbrechung oder Verlängerung der Rechtsschutzfrist führt143, wird diese durch die Wartefrist somit weiter verkürzt. Schließlich wird das notwendige Zuschlagsverbot des § 115 Abs. 1 GWB nicht durch das Einreichen des Nachprüfungsantrags, sondern nur durch die Zustellung desselben an den Auftraggeber durch die Vergabekammer (§ 110 Abs. 2 GWB) erreicht144. Dass der Gesetzgeber bewusst den eindeutigen Rechtsbegriff der Zustellung gewählt hat, der eine einfache Bekanntgabe verbietet und eine förmliche Zustellung i. S. d. VwZG des Bundes erfordert145, zeigt die Differenzierung in § 110 Abs. 2 GWB zwischen der „Zustellung“ an den Auftraggeber und der bloßen „Übermittlung der Kopie“ an die Vergabeprüfstelle. Der Nachprüfungsantrag muss mithin so frühzeitig vorbereitet und eingereicht werden, dass die Vergabekammer diesen zunächst auf seine mögliche offensichtliche Unzulässigkeit und Unbegründetheit hin überprüfen und danach dem Auftraggeber noch innerhalb der 14-Tage-Frist zustellen kann146. Aufgrund der „sehr knapp bemessenen Zeitspanne“ erscheint jedoch eine frühzeitige – d. h. viele Tage vor Ablauf der Vorabinformationsfrist – Einreichung des Nachprüfungsantrags, um „auf der sicheren Seite“ zu stehen, dem Bieter kaum möglich oder zumindest nicht zumutbar147. Auch der Verweis auf § 5 Abs. 2 VwZG hilft nicht weiter148, da die dortige Berechtigung von Behörden zur Zustellung per Telefax nur gegenüber anderen Be142 Ausnahmsweise wird dann die Stellung des Nachprüfungsantrags unmittelbar nach Zugang der Rüge bei der Vergabestelle (Postlaufzeit 3 Tage) für zulässig erachtet (vgl. Wegmann, NZBau 2001, S. 475, 479). Die Einreichung am gleichen Tag nähert sich hingegen einem Rügeverzicht an und erscheint damit ausgeschlossen (dafür jedoch Wagner, VergabeR 2002, S. 643; offen gelassen vom BayObLG, VergabeR 2002, S. 637, 638. Das Argument Wagners, ebd., wonach die Einhaltung einer Wartefrist bewirke, dass der Auftraggeber schnell den Zuschlag erteilt, verfängt angesichts des bestehenden Zuschlagsverbots gem. § 13 S. 5 VgV nicht. Vgl. auch Schröder, VergabeR 2002, S. 229, 233 f. 143 Thüringer OLG, VergabeR 2005, S. 521, 524; dass., VergabeR 2002, S. 543, 544. Andernfalls könnte der Bieter die Frist durch Rügen nahezu beliebig verlängern. 144 Während hier die dadurch bedingte Fristverkürzung erörtert wird, ist dort die Problematik der (fehlerhaften) Nichtzustellung Untersuchungsgegenstand. 145 Zwar haben mangels Spezialregelung (in § 110 Abs. 2 S. 1 GWB) die Landesbehörden beim Vollzug von Bundesrecht prinzipiell die landesrechtlichen Vorschriften über das Zustellungsverfahren anzuwenden, doch verweist § 114 Abs. 3 S. 3 i.V.m. § 61 Abs. 1 S. 1 GWB auf das VwZG des Bundes, so dass wegen der Einheitlichkeit des Verfahrens dieses auch hinsichtlich der Zustellung des Nachprüfungsantrags Anwendung finden soll, vgl. Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 110 GWB Rdn. 28. A.A. Byok in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 110 GWB Rdn. 1022 (VwZG von Bund und Ländern); Terner, VergabeR 2004, S. 28, 30 f. Die Anwendung der VwZG von Bund und Ländern insgesamt ablehnend Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 110 Rdn. 13 f. 146 Ebenso Erdl, VergabeR 2002, S. 241, 242 f. 147 Dieckmann, VergabeR 2005, S. 10, 14 f. 148 Vgl. Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 110 GWB Rdn. 29.

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hörden, Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts sowie bestimmten Personen des bürgerlichen Rechts greift149 – und damit nicht gegenüber allen öffentlichen Auftraggebern. Der Vorschlag, die Telefax-Zustellung an privatrechtlich organisierte Auftraggeber durch eine Heilung gem. § 9 VwZG nachträglich zu legalisieren, ist ungeachtet der Frage der tatbestandlichen Einschlägigkeit von § 9 VwZG – gefordert ist der Zugang des zu übermittelnden Schriftstücks und keiner Kopie, andernfalls zumindest ein besonderer Ausfertigungs- bzw. Beglaubigungsvermerk150, der einem Telefax fehlt, und schließlich ein nachweislicher Zugang beim Empfänger, den das Fax-Sendeprotokoll nicht beweist151 – als Umgehung des gesetzgeberischen Willens zu qualifizieren, der augenscheinlich andere Zustellungsmethoden als die persönliche und die postalische nur gegenüber den in § 5 Abs. 2 VwZG genannten Personen erlauben wollte152. Zumindest gegenüber privatrechtlich organisierten Auftraggebern ist damit infolge der vorgeschriebenen postalischen Zustellung der effektive Rechtsschutz weiter erheblich eingeschränkt153. Bereits aus diesen Gründen ist die Rechtsschutzfrist als zu kurz zu kritisieren. bb) Weitere faktische Fristverkürzungsmöglichkeiten Neben den bisher genannten tatsächlichen Fristverkürzungen eröffnet das dargestellte Verfahren weitere faktische Fristverkürzungsmöglichkeiten. Abgesehen von den – durchaus provozierbaren – praktischen Übermittlungsproblemen und Verzögerungsgründen (Abwesenheit, Überlastung, etc.) birgt vor allem die Notwendigkeit der Zustellung des Nachprüfungsantrags für den Beginn des Zuschlagsverbots (§§ 110 Abs. 2, 115 Abs. 1 GWB), der infolgedessen nicht mehr in der Hand des Bieters liegt, ein erhebliches Potenzial zur Rechtsschutzbeeinträchtigung154. Dies gilt sowohl für die Vergabekammern mit Blick auf deren „teilweise ohnehin schon bedenkliche Nähe . . . zu den öffentlichen Auftraggebern, insbesondere dort, wo sie derselben öffentlich-rechtlichen Körperschaft zugeordnet sind“155, als auch für die Auftraggeber, deren für die Zustellung notwendige Er149 I.E. ebenso OLG Schleswig, WuW 1999, S. 1259, 1260; Kus, NJW 2000, S. 544, 547. Zudem hilft die Fax-Zustellung dann nicht weiter, wenn der Antrag zu seiner Verständlichkeit seiner Anlagen bedarf, vgl. KG, VergabeR 2002, S. 235, 241. 150 Bitter, NVwZ 1999, S. 144, 145 ff. m. w. N.; a.A. Terner, VergabeR 2004, S. 28, 29 f. 151 Vgl. Engelhardt / App, VwZG, § 9 Rdn. 4 ff. 152 Eine entsprechende Heranziehung der Regelungen der ZPO, insbes. von § 167 ZPO, wurde soweit ersichtlich bislang nicht diskutiert. 153 Vgl. Terner, VergabeR 2004, S. 28 f. 154 Dieckmann, VergabeR 2005, S. 10, 12 f.; Erdl, VergabeR 2002, S. 241, 243. Vgl. nur den KG, VergabeR 2002, S. 235 ff. zugrunde liegenden Fall, in dem die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag einerseits nicht zugestellt und andererseits den Auftraggeber über dessen Eingang informiert und damit den Zeitpunkt des Vertragsschlusses beeinflusst hat.

A. Die Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV

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reichbarkeit sich „vor dem Hintergrund, dass die Vergabestelle an der Zustellung des Nachprüfungsantrags naturgemäß kein besonderes Interesse hat“156, als manipulationsanfällig darstellt. Intensiviert wird dieses Beeinträchtigungspotenzial durch den fehlenden Rechtsschutz des Bieters gegen die verzögerte Zustellung157, denn eine sofortige Beschwerde ist im Gegensatz zum Zivilprozessrecht, wo eine solche gegen die Nichtzustellung der Klageschrift erhoben werden kann, im Vergaberecht nicht zulässig158. Es fehlt bereits eine – im Übrigen auch im Zivilprozessrecht erforderliche159 – instanzbeendende Entscheidung der Vergabekammer, die Gegenstand einer sofortigen Beschwerde gem. § 116 Abs. 1 GWB sein könnte160. Zudem hätte die sofortige Beschwerde die gleichzeitige Anhängigkeit der Sache in erster und in zweiter Instanz zur Folge. Auch die Gewähr einstweiligen Rechtsschutzes durch das OLG dergestalt, dass dem Auftraggeber ohne Zustellung des Nachprüfungsantrags die Zuschlagserteilung vorläufig untersagt wird, muss „als ernst zu nehmender Lösungsvorschlag verworfen werden“161. Da §§ 110 Abs. 2, 115 Abs. 1 GWB selbst einstweiligen Rechtsschutz i.R.d. kartellvergaberechtlichen vorbeugenden Rechtsschutzes gewähren, handelte es sich bei jenem Vorschlag um einen „vorbeugenden einstweiligen einstweiligen Rechtsschutz“ – eine bereits rechtstechnisch abzulehnende Konstruktion. Vielmehr scheint die Verzögerungsgefahr in § 13 VgV angelegt und vom Verordnungsgeber als Rechtsschutzlücke bewusst in Kauf genommen worden zu sein162. c) Zwischenergebnis und Lösungsvorschlag Folglich weisen die Kürze der Frist des § 13 VgV sowie vor allem die faktischen Fristverkürzungsmöglichkeiten von Vergabekammer und Auftraggeber „miss155 Dieckmann, VergabeR 2005, S. 10, 18. Die pro forma geforderte Pflicht zur unverzüglichen Zustellung des Nachprüfungsantrags im Falle nicht offensichtlicher Unzulässigkeit oder Unbegründetheit (vgl. Byok in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 110 GWB Rdn. 1023; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 110 GWB Rdn. 4 f.) wird man unter den Vorbehalt des praktisch Möglichen stellen müssen, so dass wieder Manipulationsmöglichkeiten bestehen. 156 Dieckmann, VergabeR 2005, S. 10, 15. 157 I.R.d. vorliegenden Fristproblematik geht es um die verzögerte Zustellung. Unter Kap. 5 B. I. 2. wird die (fehlerhafte) Nichtzustellung erörtert. 158 OLG Dresden, VergabeR 2002, S. 544, 545; OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 596 f.; Gröning, VergabeR 2002, S. 435, 437; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 115 GWB Rdn. 3. Einschränkend Byok in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 110 GWB Rdn. 1029 (Untersuchung im Einzelfall). 159 Lüke in: MüKo-ZPO, § 271 Rdn. 19. 160 Noch nicht einmal die Entscheidung über die Nichtzustellung wegen offensichtlicher Unzulässigkeit oder Unbegründetheit wird als Entscheidung i. S. d. § 116 Abs. 1 GWB gewertet, vgl. OLG Dresden, VergabeR 2002, S. 544, 545 sowie unter Kap. 5 B. I. 2. 161 Gröning, VergabeR 2002, S. 435, 437 f. Ähnlich OLG Dresden, VergabeR 2002, S. 544, 545. 162 Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 115 GWB Rdn. 3.

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brauchbare“ Rechtsschutzlücken auf, die selbst durch das mit dem Bieterinteresse abzuwägende öffentliche Interesse an der beschleunigten Durchführung von Beschaffungsverfahren und dem Kartellvergabegesetzes- und Verordnungsziel der Vermeidung von Investitionsblockaden163 nicht gerechtfertigt sind164. Ob eine Fristverlängerung Abhilfe verschafft165, ist insbesondere wegen der weiterhin bestehenden Manipulationsmöglichkeiten zweifelhaft. Zudem müsste zugleich die nach § 19 Nr. 2 VOB / A, VOL / A vom Auftraggeber zu bestimmende, allerdings auf grundsätzlich höchstens 30 Tage begrenzte Zuschlags- und Bindefrist entsprechend verlängert werden166. Denn eine Verlängerung der Rechtsschutzfrist des § 13 VgV hätte eine faktische Verkürzung der Zuschlagsfrist zur Folge, weil beide Fristen zwar rechtlich mit der Zuschlagserteilung enden, faktisch jedoch die Zuschlagsfrist mit Beginn der Rechtsschutzfrist abschließt, da zu diesem Zeitpunkt die voraussichtliche Zuschlagsentscheidung getroffen sein muss. Dies hätte neben der Verzögerung der Beschaffung auch eine längere Bindung der Bieter an ihre Angebote (vgl. § 19 Nr. 3 VOB / A, VOL / A) und damit eine schwierige Kalkulation derselben zur Folge. Zu erwägen ist stattdessen die Anknüpfung des gesetzlichen Zuschlagsverbots des § 115 Abs. 1 GWB an den Eingang des Nachprüfungsantrags bei der Vergabekammer, welche dies dem Auftraggeber unmittelbar mitteilt 167. Im Falle offensichtlicher Unzulässigkeit oder Unbegründetheit entfiele das Verbot wieder. Da der Nachprüfungsantrag ohnehin binnen fünf Wochen ab Eingang bei der Vergabekammer zu bescheiden ist, wären wesentliche Zeitverzögerungen nicht zu befürchten. Offensichtlichen Missbräuchen könnte schließlich zum einen mit Schadensersatzforderungen gem. § 125 Abs. 1 GWB und zum anderen durch entsprechende Eintragungen in einem – bereits geplanten – Präqualifikations- oder Korruptionsregister begegnet werden168.

163 Vgl. auch die Gesetzesbegründung, die eine Rechtsschutzausgestaltung dergestalt fordert, dass Investitionshindernisse nicht entstehen, BT-Drucks. 13 / 9340, S. 12. 164 Ähnlich Dieckmann, VergabeR 2005, S. 10, 12 ff. („defizitär und mit Blick auf den europa- und verfassungsrechtlich gebotenen effektiven Rechtsschutz erheblich verbesserungswürdig“); Kus, NJW 2000, S. 544, 547 f.; kritisch auch KG, VergabeR 2002, S. 235, 239 f. (v.a. im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz). 165 Eine Verlängerung der Frist auf drei Wochen fordert Kus, NJW 2000, S. 544, 547 f. Vgl. zur Diskussion im Beamtenrecht um die Länge der Frist OVG Schleswig, DÖV 1993, S. 962 f. (drei Wochen); Martens, ZBR 1992, S. 129, 131 (einen Monat). 166 Ob dies eine Änderung der Verdingungsordnungen erfordert (so Erdl, VergabeR 2001, S. 10, 19, 20 Fn. 71) oder sich im Wege einer systematischen Auslegung erreichen lässt (so Wegmann, NZBau 2001, S. 475, 479), ist strittig. 167 So auch Dieckmann, VergabeR 2005, S. 10, 18. 168 Vgl. dazu Leinemann / Maibaum, VergabeR 2004, S. 275, 283 f. Dazu sowie zu weiteren Möglichkeiten zur Vermeidung von Manipulationen bei der Auftragsvergabe vgl. auch Hentschke / Geßner, LKV 2005, S. 425 ff.

A. Die Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV

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3. Inhalt und Umfang der Vorabinformation Der abschließenden Überprüfung von Inhalt und Umfang der Vorabinformation auf Rechtsschutzlücken geht zunächst die Klarstellung ihrer Relevanz für einen effektiven Rechtsschutz voraus [a)]. Dem schließt sich die Frage nach dem erforderlichen Inhalt und Umfang an [b)], bevor dann zum Schluss die Rechtsfolgen einer unzureichenden Information untersucht werden [c)]. a) Relevanz von Inhalt und Umfang Auf den ersten Blick sichert bereits der bloße Hinweis auf die bevorstehende Zuschlagserteilung die Möglichkeit der Beantragung eines Nachprüfungsverfahrens, ohne dass ein darüber hinausgehender Informationsgehalt für einen effektiven Rechtsschutz notwendig erscheint. Deshalb Inhalt und Umfang der Information für irrelevant zu halten – zumindest im Hinblick auf das Zuschlagsverbot (S. 5) und die Nichtigkeitsfolge (S. 6) –169, überginge indes nicht nur den Wortlaut des § 13 S. 1 VgV, der eine Information „über den Namen des Bieters, dessen Angebot angenommen werden soll und über den Grund der vorgesehenen Nichtberücksichtigung“ vorschreibt und in der Gesetzesbegründung sinngemäß wiederholt wird170, sondern reduzierte auch den Sinn der Vorabinformationspflicht auf die bloße Schaffung eines Frühwarnsystems. Wenn aber „Mit einer solchen Information . . . dem Erfordernis eines effektiven Rechtsschutzes . . . entsprochen“171 werden soll, darf der Informationsgehalt nicht auf die beabsichtigte Zuschlagserteilung beschränkt werden, sondern muss darüber hinaus die genannten Hintergrundinformationen liefern. aa) Die Festlegung des Streitgegenstands im Nachprüfungsantrag Denn maßgeblich für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsverfahrens ist neben der erfolgten Rüge gem. § 107 Abs. 3 GWB172 ein wirksamer Antrag gem. §§ 107 Abs. 1 u. 2, 108 GWB173, der den Verfahrensgegenstand und die zu beseitigende 169 In diese Richtung aber Thüringer OLG, VergabeR 2005, S. 521, 523 f.; OLG Koblenz, VergabeR 2002, S. 384, 386 f. mit abl. Anm. Glahs / Külpmann; Dieckmann, VergabeR 2005, S. 10, 12. Dies beruht auf der fehlenden Differenzierung zwischen der Frage der grundsätzlichen Reichweite der Informationspflicht und der Frage, inwieweit eine unzureichende Information die Nichtigkeitsfolge nach sich zieht. 170 BR-Drucks. 455 / 00 S. 18 f. 171 BR-Drucks. 455 / 00 S. 19 (Heraushebung vom Verfasser). 172 Inhalt und Umfang der Information können auch für die Frage entscheidend sein, ob der Informationsadressat die für die Rügeobliegenheit erforderliche Kenntnis vom Vergabeverstoß hatte und damit die Präklusionsgefahr bestand bzw. besteht, vgl. BayObLG, VergabeR 2002, S. 637, 638 sowie jüngst OLG Bremen, VergabeR 2006, 502 ff. mit Anm. Wagner.

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Rechtsverletzung festlegt und der „weitestmöglich in der Antragsschrift“ begründet wird174. Zwar können Verstöße hinzugefügt und die Begründung unverzüglich (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB) nachgeholt werden, sofern bestimmte Informationen noch nicht vorliegen175. Ob der Bieter dann i.R.d. Nachprüfungsverfahren aber tatsächlich alle wichtigen Informationen frühzeitig erlangt, ist „sehr fraglich“176. Dafür steht ihm nur das Akteneinsichtsrecht gem. § 111 GWB zur Verfügung, das allerdings ein bereits begonnenes Nachprüfungsverfahren voraussetzt. Da für den Beginn des Nachprüfungsverfahrens nicht auf den Eingang des Nachprüfungsantrags, sondern auf ein Sich-Befassen der Vergabekammer abgestellt wird177, könnte diese folglich durch die Verweigerung des Sich-Befassens die Informationsmöglichkeiten des Bieters auf die Vorabinformation zumindest solange begrenzen, bis die Fünfwochenfrist des § 113 Abs. 1 GWB abgelaufen ist und der Bieter eine sog. Untätigkeitsbeschwerde gem. § 116 Abs. 2 GWB beim Beschwerdegericht erheben kann. Ähnliches gilt im Fall der ungerechtfertigten Versagung der Akteneinsicht durch die Vergabekammer während eines durchgeführten Nachprüfungsverfahrens, die der Bieter ebenfalls nur „im Zusammenhang mit der sofortigen Beschwerde in der Hauptsache“ (§ 111 Abs. 4 GWB) angreifen kann. Doch hilft auch das dann im Beschwerdeverfahren bestehende Akteneinsichtsrecht gem. §§ 120 i.V.m. 111 i.V.m. 72 GWB nur eingeschränkt weiter, da die Untersuchungspflicht des OLG nur auf die vom Beschwerdeführer im Nachprüfungsantrag thematisierten Rechtsverstöße178 beschränkt179 und daher ein „Nachschieben“ selbst erst dann erkennbarer Vergabeverstöße ausgeschlossen ist180. In diesen Fällen stellt die Vorabinformation die einzige Informationsquelle dar.

173 Vgl. § 107 Abs. 1 GWB (anders hingegen die Vergabeprüfstellen, § 103 GWB). Das Nachprüfungsverfahren folgt damit dem Dispositionsgrundsatz, auch wenn die Vergabekammer nicht an den Antrag gebunden ist, vgl. § 114 Abs. 1 S. 2 GWB. Die inhaltlichen Antragserfordernisse orientieren sich an § 82 VwGO, § 253 ZPO. 174 Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 108 GWB Rdn. 10. 175 Vgl. nur Portz in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 108 GWB Rdn. 9. 176 So Noelle, VergabeR 2005, S. 525, 526. 177 Vgl. Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 107 GWB Rdn. 8 ff. m. w. N. auch zur Gegenansicht. 178 Neue Tatsachen und Beweismittel können i.R.d. bereits gerügten Vergabeverstöße hingegen nachgeschoben werden. 179 Im Vergaberecht gilt einerseits die Dispositionsmaxime, indem Vergabekammer und Beschwerdegericht an die gerügten Vergabeverstöße gebunden sind, andererseits der Untersuchungsgrundsatz (vgl. § 110 Abs. 1, §§ 120 Abs. 2, 70 Abs. 1 GWB), indem i.R. dieser Verstöße die Rechtsschutzinstanzen eine Amtsermittlungspflicht trifft. 180 BayObLG, VergabeR 2001, S. 438, 441 f. (unter Berufung auf § 117 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 GWB) mit krit. Anm. Horn; Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 117 GWB Rdn. 14; Wilke, NZBau 2005, S. 326, 328. m. w. N.

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bb) Die Zulässigkeit und Begründetheit i. S. d. § 110 Abs. 2 GWB Daneben darf der Nachprüfungsantrag zur Erreichung effektiven Rechtsschutzes nicht von vornherein offensichtlich unzulässig oder unbegründet sein, weil er sonst nicht zugestellt wird (§ 110 Abs. 2 GWB)181 und infolgedessen das Zuschlagsverbot des § 115 Abs. 1 GWB nicht in Kraft tritt. Da der Großteil der Vergabeverstöße im Vergabeverfahren für die Bieter nicht ersichtlich ist, dürfte eine bloß auf die drohende Zuschlagserteilung hinweisende Vorabinformation die Stellung eines nicht evident unzulässigen oder unbegründeten Antrags zumindest erheblich erschweren. Ihrem Ziel der Sicherung effektiven Rechtsschutzes wird sie damit nicht gerecht182. Denn effektiver Rechtsschutz meint nicht nur die Möglichkeit der Rechtsschutzbeantragung überhaupt, sondern die Möglichkeit einer effektiven Rechtsschutzbeantragung. cc) Das Kostenrisiko Als faktische Rechtsschutzbeeinträchtigung darf schließlich das Kostenrisiko183 des Bieters nicht unterschätzt werden, das dieser, wenn er mangels Hintergrundinformationen den Nachprüfungsantrag gleichsam „ins Blaue hinein“ stellt, bewusst in Kauf nehmen muss184. Im Falle seines Unterliegens vor der Vergabekammer hat er zum einen gem. § 128 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 1 GWB die Kosten zur Deckung des Verwaltungsaufwands185 zu tragen. Dass er diese zu entrichtenden Kosten durch die Rücknahme des Antrags186 gem. § 128 Abs. 3 S. 3 GWB halbieren kann, entschärft dieses Risiko nur unwesentlich, da sich auch dann noch die Kosten auf einen Betrag von bis zu 50 000 A belaufen können187. Auch kann sich der unterlegene Bieter nicht 181 Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 108 GWB Rdn. 11. Insbesondere muss aus dem gesamten Nachprüfungsantrag die zu beseitigende Rechtsverletzung ersichtlich werden, obwohl der Antrag ein bestimmtes Rechtsbegehren lediglich enthalten „soll“; vgl. Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 108 GWB Rdn. 12; Byok in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 108 GWB Rdn. 1002. Weniger kritisch OLG Koblenz, VergabeR 2002, S. 384, 386 mit zust. Anm. Glahs / Külpmann, wonach der Möglichkeit des Auftraggebers, die Information knapp zu halten, ein Recht des Bieters entspreche, seinen Nachprüfungsantrag nur knapp zu begründen. 182 I.E. ebenso BGH, VergabeR 2005, S. 339, 341; Abel, VergabeR 2001, S. 431. 183 Einen Überblick über die Kosten im Nachprüfungsverfahren bietet Lausen, NZBau 2005, S. 440 ff. 184 Kritisch zu den Mitwirkungspflichten des Rechtsschutzsuchenden einerseits und dessen Kostenrisiko andererseits auch Griem, WRP 1999, S. 1126, 1129; Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 351. 185 Die Kosten bestehen aus Gebühren, die in § 128 Abs. 2 GWB geregelt sind, und Auslagen, deren Höhe sich aus § 128 Abs. 1 GWB i.V.m. § 10 VwKostG ergeben. 186 Vgl. zur Antragsrücknahme und der Kostentragungspflicht BayObLG, NZBau 2000, S. 99; Boesen, Vergaberecht, § 128 Rdn. 29.

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auf eine gem. § 128 Abs. 3 S. 4 GWB darüber hinausgehend mögliche Gebührenermäßigung aus Billigkeitsgründen verlassen, da der Kostenregelung des § 128 GWB das Kostendeckungsprinzip zugrunde liegt, so dass sich gebührenermäßigende Billigkeitsgründe bei geringem Aufwand der Vergabekammer188 und vielleicht noch bei extremer wirtschaftlicher Belastung der gebührenpflichtigen Unternehmen finden189, sich aber nicht mit Fehlern Dritter, hier des Auftraggebers, begründen lassen werden190. Zum anderen muss der unterliegende Bieter die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen191 Kosten des Antragsgegners sowie des aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligten Beigeladenen erstatten192. Insofern muss die Vorabinformation den nichtberücksichtigen Bieter in die Lage versetzen zu beurteilen, ob die Rechtsschutzbeantragung erfolgsversprechend ist193. b) Der erforderliche Inhalt und Umfang Muss somit die Vorabinformation über den bloßen Hinweis auf die beabsichtigte Zuschlagserteilung hinausgehen, stellt sich die Frage nach ihrem erforderlichen Inhalt und Umfang. Zweifellos und insoweit eindeutig hat der Auftraggeber gem. § 13 S. 1 VgV „den Namen des Bieters (anzugeben), dessen Angebot angenommen werden soll“194. Soweit er aber darüber hinaus verpflichtet ist, „den Grund der vorVgl. auch BT-Drucks. 13 / 9340 S. 23 f. Vgl. Glahs in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 128 GWB Rdn. 6 mit Verweis auf VgK Thüringen, Beschl. vom 16. 09. 1999 – 216 – 4001.20 – 003 / 99-J-S. 189 Vgl. Kollmorgen in: Langen / Bunte, Kartellrecht, § 80 Rdn. 29 f. 190 Eine Billigkeitsentscheidung entsprechend § 91a Abs. 1 ZPO, § 161 Abs. 2 VwGO kommt nicht in Betracht, da das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer kein gerichtliches Verfahren ist. 191 Diese umfassen die persönlichen Auslagen der Beteiligten sowie die Kosten und Auslagen eines Bevollmächtigten. Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts sind allerdings nur erstattungsfähig, wenn dessen Hinzuziehung notwendig war. Vgl. dazu Glahs in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 128 GWB Rdn. 23 f. m. w. N. insbes. zur umstr. Frage der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch den öffentlichen Auftraggeber. 192 Ebenso OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 440, 444; OLG Frankfurt, NZBau 2001, S. 101, 103; Stockmann in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 128 Rdn. 9; vgl. für das Beschwerdeverfahren BGH, VergabeR 2004, S. 201, 208; OLG Düsseldorf, VergabeR 2006, S. 425 ff. Anders jüngst BGH, NZBau 2006, S. 196; kritisch auch BayObLG, NZBau 2001, S. 344 (LS); OLG Celle, NZBau 2000, S. 98 f. Für eine Billigkeitsentscheidung entsprechend § 162 Abs. 3 VwGO BayObLG, NZBau 2001, S. 344 LS; Boesen, Vergaberecht, § 128 GWB Rdn. 47. 193 I.E. ebenso OLG Düsseldorf, VergabeR 2003, S. 594, 597; Höfler / Bert, NJW 2000, S. 3310, 3314; Kus, NJW 2000, S. 544, 547; Wegmann, NZBau 2001, S. 475, 477. 194 A.A. Kus, NJW 2000, S. 544, 547, der erwägt, „ob zusätzlich nicht auch die Gründe für die Auftragserteilung an den potenziellen Auftragnehmer mitzuteilen sind (was die Verdingungsordnungen nicht vorsehen), weil oft erst in Kenntnis auch dieser Hintergründe die Situation vergaberechtlich zureichend beurteilt werden kann“. 187 188

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gesehenen Nichtberücksichtigung“ mitzuteilen, bleibt offen, ob damit irgendein unbedeutender Grund, der entscheidende Grund oder gar eine detaillierte Begründung gemeint ist195. Eher verwirrend als weiterführend ist in diesem Zusammenhang auch die Gesetzesbegründung, in welcher der Verordnungsgeber einen „Standardtext“ für ausreichend erachtet, der jedoch eine „jeweilige für den Einzelfall tragende Begründung“ enthalten müsse196. Allerdings zeigt die Entstehungsgeschichte, dass sich der Verordnungsgeber nach einer Stellungnahme der öffentlichen Auftraggeber und dem Verweis auf den hohen Verwaltungsaufwand bewusst gegen die Formulierung im Entwurf vom 14.12. 1999 („Gründe“) und für die jetzige Fassung („Grund“) entschieden hat197, so dass eine detaillierte Begründung nicht erforderlich sein198, sondern vielmehr eine knappe Begründung ausreichen dürfte199. Zudem lässt die damit bewusste Formulierung („den Grund“) durch die Verwendung des Singulars auf der einen und des bestimmten Artikels200 auf der anderen Seite den Schluss zu, dass die Angabe eines einzigen, aber dafür des – entscheidenden – Grundes den Anforderungen des § 13 S. 1 VgV genügt201. Insbesondere das Abstellen auf den tragenden Grund ist aus Rechtsschutzgesichtspunkten entscheidend, da andernfalls der Auftraggeber durch Angabe eines unverdächtigen Grundes die Einschätzung der Erfolgsaussichten des Bieters für ein Nachprüfungsverfahren manipulieren und dieses damit mittelbar vereiteln könnte. Sollte ausnahmsweise die Feststellung eines einzigen ausschlaggebenden Grundes nicht möglich sein202, ist die Mitteilung der maßgeblichen Gründe-Kombination zu fordern203. Insoweit orientiert sich 195 Von Anfang an wurde in der Unschärfe der Regelung einer ihrer Schwachpunkte gesehen, vgl. nur Antweiler, DB 2001, S. 1975, 1978. 196 BR-Drucks. 455 / 00 S. 18. Auch ein Rückgriff auf das Informationsverständnis in den §§ 27, 27a VOB / A, VOL / A kommt, da die dortigen Informationen nach Zuschlagserteilung und auf Antrag eines Bieters erfolgen (vgl. BayObLG, VergabeR 2002, S. 383), ebenso wenig in Betracht wie ein Verweis auf § 39 VwVfG, da die Vorabinformation kein Verwaltungsakt ist. 197 Vgl. Portz in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 13 VgV Rdn. 10. 198 So aber Erdl, VergabeR 2001, S. 10, 18 mit Verweis auf die Rechtsschutzgarantie. 199 Ebenso BayObLG, VergabeR 2002, S. 637 f. (das aber im Einzelfall einen Anspruch auf ergänzende Information anerkennt); OLG Düsseldorf, VergabeR 2001, S. 429, 430; Glahs / Külpmann, VergabeR 2002, S. 387; Portz in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 13 VgV Rdn. 10; weitergehend KG, VergabeR 2002, S. 235, 238. 200 Nicht ein, sondern der (i.S.v. entscheidende) Grund soll mitgeteilt werden. 201 I.E ebenso OLG Düsseldorf, WuW 2001, S. 1159 ff. In diese Richtung auch Glahs / Külpmann, VergabeR 2002, S. 387, 388; Schröder, NVwZ 2002, S. 1440, 1442. Dies kann durch ein Formblatt erfolgen, vgl. die im Vergabehandbuch des Bundes enthaltenen Formulare EFB (B) Info / Abs EG 306 und EFB (B) Info EG 307, abgedruckt in NZBau 2001, S. 128. 202 Vgl. Schröder, NVwZ 2002, S. 1440, 1442. 203 Ähnlich Kratzenberg, NZBau 2001, S. 119, 120 und Wegmann, NZBau 2001, S. 475, 477, soweit sie es für notwendig, aber auch ausreichend erachten, diejenigen Ausschlussgründe mitzuteilen, welche die Nichtberücksichtigung rechtfertigen.

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

der erforderliche Informationsgehalt stets am Einzelfall204, muss sich jedoch – neben den genannten Kriterien – vor allem am Sinn und Zweck des § 13 VgV messen lassen, nämlich den nichtberücksichtigten Bieter in die Lage zu versetzen, ein Nachprüfungsverfahren erfolgreich zu beantragen und seine Erfolgsaussichten einzuschätzen205. c) Die Rechtsfolge einer unzureichenden Information Zu ihrer Effektivität bedarf die dargestellte Vorabinformationspflicht allerdings einer Sanktion für den Fall ihrer Nichteinhaltung. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut des § 13 VgV206, wohl aber aus seiner Begründung, seiner Entstehungsgeschichte und seinem Sinn und Zweck207. aa) Allgemeine Ablehnung der Nichtigkeitsfolge des § 13 S. 6 VgV Die Sanktionierung der Nichterteilung der Vorabinformation mit der Nichtigkeit gem. § 13 VgV i.V.m. § 134 BGB ist unbestritten. Auch für das gänzliche Fehlen einer Begründung und das Verschweigen des Namens des präferierten Bieters wird diese Sanktionsfolge allgemein akzeptiert208. Eine bloß unzureichende Information soll hingegen nach der Rechtsprechung und der überwiegenden Auffassung in der Literatur zum Schutz der Rechts- und Investitionssicherheit die Wirksamkeit des Vertrags nicht berühren209. Begründet wird diese Reduktion der Nichtigkeitsfolge 204 Ähnlich BayObLG, VergabeR 2002, S. 383 f. und S. 637, 638. Zum notwendigen Informationsgehalt bei VOF-Vergaben vgl. Portz, VergabeR 2002, S. 211, 214. Eine schriftliche Vorabinformation für nicht erforderlich zu halten, wenn der Bieter über die Vergabeabsicht anderweitig informiert ist, erscheint unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit sehr bedenklich (so aber Schleswig Holsteinisches OLG, VergabeR 2006, 258 ff.). 205 OLG Düsseldorf, VergabeR 2003, S. 594, 597; Höfler / Bert, NJW 2000, S. 3310, 3314; Kus, NJW 2000, S. 544, 547; Wegmann, NZBau 2001, S. 475, 477. A.A. VK Baden-Württemberg, NJOZ 2003, S. 3146 LS 1. 206 Vielmehr führt die grammatikalische Auslegung des § 13 S. 5 VgV, wonach „Ein Vertrag . . . vor Ablauf der Frist oder ohne dass die Information erteilt worden und (ohne dass?) die Frist abgelaufen ist“ nicht geschlossen werden darf, zum gegenteiligen Schluss, nämlich dass das Zuschlagsverbot unabhängig von einer Informationserteilung nur bis zum Fristablauf besteht. 207 Vgl. dazu Kap. 5 A. I. 1. sowie Kap. 4 B. I. 208 Z. T. wird aber die Möglichkeit der Bestätigung des Rechtsgeschäfts (§§ 141, 144 BGB) in Betracht gezogen, wenn die Information nachgeholt wird, die Vertragsausführung noch nicht begonnen wurde und der nachinformierte Bieter nicht innerhalb von 14 Tagen ein Nachprüfungsverfahren erfolgreich beantragt, vgl. Portz in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 13 VgV Rdn. 19 f. 209 BayObLG, VergabeR 2002, S. 637, 638; Thüringer OLG, VergabeR 2005, S. 521, 523; dass., VergabeR 2002, S. 543 LS. 2 und S. 631; OLG Koblenz, VergabeR 2002, S. 384, 386; Erdl, VergabeR 2001, S. 10, 22 f. (teleologische Reduktion); Glahs / Külpmann, VergabeR 2002, S. 387 f.; Wegmann, NZBau 2001, S. 475, 478.

A. Die Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV

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vor allem mit der Möglichkeit des Bieters, die subjektiv unzureichende Information in einem Nachprüfungsverfahren zu rügen. Da die Vergabekammer im Falle tatsächlicher Mangelhaftigkeit gem. § 114 Abs. 1 S. 1 GWB angehalten sei, den Auftraggeber zur erneuten, inhaltlich ausreichenden Information – wiederum mit 14-tägiger Zuschlagswartefrist – zu verpflichten, werde so das Ziel des § 13 VgV auch ohne die „Nichtigkeitskeule“210 erreicht211. bb) Keine „Rechtfertigung“ durch separate Nachprüfbarkeit der Vorabinformation i.R.d. § 107 ff. GWB Indes ist die Zulässigkeit einer separaten Überprüfung der Vorabinformation i.R.d. Nachprüfungsverfahrens i. S. d. §§ 107 ff. GWB zumindest zweifelhaft. Zwar folgt aus § 13 VgV ein subjektives Recht i. S. d. § 97 Abs. 7 GWB212. Doch gestaltet sich die Begründung der erforderlichen Kausalität zwischen der Informationspflichtverletzung und einem Schaden in Gestalt der Verschlechterung der Zuschlagschancen213 schwierig214. Denn wenngleich die Vorabinformation formal eine vergabeverfahrensrechtliche Pflicht ist, weil sie innerhalb des Vergabeverfahrens befolgt werden muss, ist sie in materieller Hinsicht eher dem Nachprüfungsverfahren zuzurechnen, da sie nicht – unmittelbar – auf die rechtmäßige Zuschlagserteilung abzielt, sondern auf die Ermöglichung eines Nachprüfungsverfahrens. Ihre Verletzung kann sich daher nur insoweit auf die individuellen Zuschlagschancen des nichtberücksichtigten Bieters auswirken, als dieser infolge einer „unverdächtigen“ Information zur Unterlassung der Nachprüfungsantragsstellung und damit mittelbar zur „Aufgabe“ des Zuschlags veranlasst werden könnte. Ob eine derartig mittelbare – und hypothetische215 – Kausalität ausreicht, erscheint hingegen fraglich. Jedenfalls sind solche Fälle nicht vom ursprünglichen Sinn und Zweck des Nachprüfungsverfahrens erfasst. Zudem verzögerte diese Konstruktion den gesamten Vergabevorgang, indem zunächst die Vorabinformation i.R.d. So Kau, NZBau 2003, S. 310, 313. Dafür OLG Koblenz, VergabeR 2002, S. 384, 386; Abel, VergabeR 2001, S. 431, 432; Erdl, VergabeR 2001, S. 10, 22 f.; Wagner, VergabeR 2002, S. 643; Wegmann, NZBau 2001, S. 475, 478. 212 Erdl, VergabeR 2001, S. 10, 12. 213 „Schaden“ i. S. d. § 107 Abs. 2 GWB muss ein Vermögensschaden i. S. d. § 249 ff. BGB sein. In aller Regel ist damit eine Verschlechterung der Chance auf Zuschlagserteilung gemeint. In Ausnahmefällen kommen auch nicht zuschlagsbezogene schadensverursachende Vergabeverstöße in Betracht, z. B. bei Kostenerstattungsregelungen. Vgl. dazu Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 107 Rdn. 20 f.; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 107 GWB Rdn. 7. 214 Vgl. BayObLG, VergabeR 2002, S. 637 f.; OLG Dresden, VergabeR 2002, S. 138, 140; Noelle, VergabeR 2005, S. 525, 526. Ähnlich OLG Koblenz, NZBau 2001, S. 535, 537 (kein Rechtsschutzbedürfnis, vgl. auch LS 4). 215 Ob die unzureichende Information tatsächlich condition sine qua non ist, dürfte sich weder beweisen noch widerlegen lassen. 210 211

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

§§ 107 ff. GWB überprüft würde und ggf. danach in einem zweiten Nachprüfungsverfahren das eigentliche Zuschlagserteilungsverfahren. Vor allem aber stellt das Nachprüfungsverfahren lediglich dann eine Sanktionsmöglichkeit dar, wenn die Mangelhaftigkeit der Information ersichtlich ist. Verdeckte Mängel hingegen, die regelmäßig auf einer sachlich unzutreffenden Information beruhen, z. B. wenn diese den präferierten Bieter nicht richtig bezeichnet, den wahren Grund der Nichtberücksichtigung nicht angibt oder nur einen – unbedeutenden – Grund von mehreren nennt, können nicht erkannt und demzufolge nicht rechtzeitig vor der Zuschlagserteilung in einem Nachprüfungsverfahren geltend gemacht werden216. cc) Keine „Rechtfertigung“ durch die Überprüfung der Vorabinformation i.R.d. Nachprüfung der Zuschlagserteilung Kann damit die Vorabinformation nicht separat nachgeprüft werden, kommt lediglich ihre Überprüfung i.R.d. Nachprüfung der Zuschlagserteilung gem. § 107 ff. GWB in Betracht217. Diese – für den Fall einer tatsächlich vergaberechtswidrigen Zuschlagserteilung prozess- und zeitökonomischere – Lösung verlangt indes die Beantragung der Überprüfung der Zuschlagserteilung ins Blaue hinein mit den bereits erwähnten Problemen218. Die diesbezügliche Forderung einer der unzureichenden Information entsprechenden Reduktion der an einen Nachprüfungsantrag zu stellenden Anforderungen (§ 108 GWB) ist abzulehnen, da die gesetzlichen Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen Nachprüfungsantrags nicht einzelfallund von der gewährten Vorabinformation abhängig variieren dürfen219. Erst recht ist mit Blick auf den vergaberechtlichen Dispositionsgrundsatz eine Verpflichtung der Vergabekammer zur selbständigen Überprüfung des Vergabeverfahrens auf Vergabeverstöße zu verneinen220. Der Bieter müsste daher – einen ordnungsgemäßen und weder offensichtlich unzulässigen noch unbegründeten Antrag unterstellt – selbst i.R.d. Nachprüfungsverfahrens die relevanten Informationen zu erlangen suchen und trägt das Kostenrisiko für den Fall, dass kein zuschlagsrelevanter Vergabeverstoß erfolgt ist221. Ob die Vorabinformation dabei tatsächlich unzureichend war oder nicht, dürfte irrelevant sein, da sie nicht Gegenstand, sondern bloß Anlass des Nachprüfungsverfahrens war. Vor allem aber besteht weiterhin die Gefahr, dass der Bieter den verdeckten Mangel der Information nicht erkennt und deshalb kein Nachprüfungsverfahren beantragt, sei es weil er von der Rechtmäßigkeit der Zuschlagserteilung ausgeht, sei es weil ihm das Kostenrisiko zu hoch ist. Ebenso Kühnen in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 13 VgV Rdn. 1590. In diese Richtung KG, VergabeR 2002, S. 235, 237 f.; Glahs / Külpmann, VergabeR 2002, S. 387 f. 218 Vgl. unter Kap. 5 A. II. 3. a). 219 So aber Glahs / Külpmann, VergabeR 2002, S. 387 f. 220 So aber KG, VergabeR 2002, S. 235, 237 f. mit Verweis auf § 110 Abs. 1 GWB. 221 Ebenso Abel, VergabeR 2001, S. 431, 432. 216 217

A. Die Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV

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d) Zwischenergebnis und Lösungsvorschlag Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass überwiegend die Nichtigkeit für den Fall einer inhaltlich unzureichenden Vorabinformation abgelehnt wird. Dieses Ziel wird mittlerweile weniger mit einer materiellen Begrenzung der Vorabinformation – durch Ablehnung der Relevanz von Inhalt und Umfang –, sondern vielmehr durch eine unmittelbare Beschränkung der Rechtsfolge einer inhaltlichen Informationspflichtverletzung zu erreichen versucht. Eine gleichwertige Kompensation für die Ablehnung der Nichtigkeitsfolge ist jedoch bislang nicht gefunden, so dass mangels Effektivität der primärrechtschutzwahrenden Vorabinformationspflicht eine erhebliche Rechtsschutzlücke besteht222. Aus diesem Grund ist die Nichtigkeit i.S.v. § 13 S. 6 VgV auch im Fall einer „bloß“ unzureichenden Vorabinformation anzunehmen223, zumal nicht nur der bereits diskutierte „Rechtfertigungsgrund“ der Überprüfbarkeit der Vorabinformation im Nachprüfungsverfahren gem. §§ 107 ff. GWB fehlschlägt, sondern auch die übrigen, gegen die Nichtigkeitsfolge angeführten Argumente nicht überzeugen. Bereits das systematische Argument der angeblichen Überschreitung der Kompetenzgrenze des § 97 Abs. 6 GWB für den Fall, dass auch die unzureichende Information zur Vertragsnichtigkeit führt224, verfängt nicht. Denn wenn die Festlegung der Nichtigkeitsfolge als verfassungsrechtlich notwendige Effektuierung der ebenfalls verfassungsrechtlich erforderlichen Vorabinformation von § 97 Abs. 6 GWB gedeckt ist225 und die effektive Vorabinformation über die bloße Nennung des präferierten Bieters hinausgehend die Angabe des maßgeblichen Grundes für die Nichtberücksichtigung zwingend erfordert226, muss die Erstreckung der Nichtigkeitsfolge auch auf dementsprechende inhaltliche Informationspflichtverletzungen mit § 97 Abs. 6 GWB in Einklang stehen. Ebenso wenig überzeugt das Argument, dass das Gebot einer inhaltlich ausreichenden Information relativ sei, indem es dem einzelnen Bieter die Einschätzung seiner Erfolgsaussichten ermöglichen müsse und insofern subjektive Kriterien wie die individuelle Verständlichkeit maßgeblich seien, und dass deshalb ein dementsprechender Verstoß nicht die schwerwiegendste Sanktionsfolge der Nichtigkeit nach sich ziehen dürfe227. Zwar erfolgt die Überprüfung des notwendigen InformaKritisch auch Krist, VergabeR 2005, S. 342 f. I.E. ebenso Schröder, NVwZ 2002, S. 1441, 1443. Die von Griem, WRP 1999, S. 1126, 1129 vorgeschlagene Beweislastumkehr dergestalt, dass der Auftraggeber die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens im Nachprüfungsverfahren beweisen müsste, ist abzulehnen, da die Gefahr besteht, dass chancenlose Unternehmen einen Nachprüfungsantrag ins Blaue hinein stellen werden und damit die Vergabe verzögern. 224 BayObLG, VergabeR 2002, S. 637, 638. 225 Vgl. Kap. 5 A. I. 1. b) bb) (2). 226 Vgl. Kap. 5 A. II. 3. a) und b). 227 OLG Koblenz, VergabeR 2002, S. 384, 386; ähnlich BayObLG, NZBau 2002, S. 578; OLG Jena, NZBau 2002, S. 526 sowie OLG Düsseldorf, VergabeR 2001, S. 429, 430, das 222 223

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

tionsgehalts notwendigerweise einzelfallabhängig, doch orientiert sich diese am objektiven Empfängerhorizont und wird dadurch verobjektiviert228. Zudem ist dem Zivilrecht, auf das durch § 13 S. 6 VgV Bezug genommen wird, eine derartige „Relativität“ von Ge- bzw. Verboten, die sich auf die Vertragswirksamkeit auswirken können, nicht fremd229. Daneben ist zu berücksichtigen, dass der Wortlaut des § 13 VgV für eine derart differenzierte Anwendung der Nichtigkeitssanktion nicht herangezogen werden kann und deshalb die Nichtanwendung der Nichtigkeitsfolge im Fall bloß unzureichender Information mit einer teleologischen Reduktion begründet wird230. Eine solche setzt jedoch voraus, dass der Wortlaut der Regelung einen Fall erfasst, der nach dem Sinn und Zweck der Norm keinesfalls erfasst sein soll231. § 13 VgV zielt indes gerade auf die Sicherung einer effektiven und damit inhaltlich ausreichenden Vorabinformation ab, so dass eine teleologische Reduktion die vorliegende Beschränkung nicht zu begründen vermag. Dies gilt auch dann, wenn der unterlegene Bieter trotz unzureichender Information tatsächlich imstande ist, mit seinem Nachprüfungsantrag in zulässiger Weise eine Verletzung seiner Rechte nach § 97 Abs. 7 GWB infolge Nichtbeachtung anderer Vergabevorschriften als § 13 S. 1 VgV geltend zu machen232. Denn effektiver Rechtsschutz meint nicht nur die faktische Möglichkeit der zulässigen Beantragung eines Nachprüfungsverfahrens – das, weil möglicherweise nur geringe Verstöße bekannt sind, gar nicht beantragt wird –, sondern erfordert grundsätzlich die Befähigung zur realistischen Einschätzung der Erfolgschancen und damit eine effektive Vorabinformation233. Bleiben damit dahingehende praktische Erwägungen übrig, dass die Vorabinformation einen erheblichen Aufwand234 sowie vor allem Rechtsunsicherheit für den Auftraggeber mit sich bringt, da dieser nicht immer weiß, ob die Bieter sowie die Vergabekammer den Gehalt seiner Information als ausreichend und diese demzufolge als wirksam erachten235, kann diesen durch den Verweis auf die Rügezumindest die Voraussetzung an die Verständlichkeit eines Informationsschreibens einzelfallabhängig beurteilen will. 228 In diese Richtung auch Glahs / Külpmann, VergabeR 2002, S. 387, 388; Kühnen in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 13 VgV Rdn. 1588. 229 Zum Beispiel ist § 263 StGB, der eine Täuschung und einen Irrtum des „Betrogenen“ voraussetzt, ein Verbotsgesetz i. S. d. § 134 BGB. Vgl. auch die Sittenwidrigkeit i. S. d. § 138 Abs. 1 BGB. 230 Vgl. OLG Dresden, VergabeR 2002, S. 138, 139 f. mit zust. Anm. Rojahn. Im Gegenteil spricht der Wortlaut für die Nichtigkeitsfolge auch bei unzureichender Information, vgl. Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 477. 231 Heinrichs in: Palandt, BGB, Einleitung Rdn. 59. 232 So aber OLG Koblenz, VergabeR 2002, S. 384, 386 f. 233 Kritisch auch Glahs / Külpmann, VergabeR 2002, S. 387, 388. 234 Vgl. Erdl, VergabeR 2001, S. 10, 18: Die Notwendigkeit der Information von mehr als 300 Bietern innerhalb weniger Tage ist keine Besonderheit. 235 Vgl. OLG Düsseldorf, VergabeR 2001, S. 429, 430.

A. Die Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV

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obliegenheit gem. § 107 Abs. 3 GWB begegnet werden. Zwar ist ein allein auf einen Vorabinformationspflichtverstoß bezogenes Nachprüfungsverfahren mangels Kausalität zwischen Rechtsverstoß und Schaden unzulässig. Soweit der Bieter jedoch in einem späteren Nachprüfungsverfahren nach – unwirksamer – Zuschlagserteilung einen anderen Verstoß geltend macht und sich im Hinblick auf die notwendige Unwirksamkeit von Vertrag und Zuschlag auf den Vorabinformationspflichtverstoß beruft, ist dieser als „Verstoß“ i. S. d. § 107 Abs. 3 GWB anzusehen und damit eine entsprechende Rüge zur Verhinderung der Präklusion erforderlich. Dadurch dass der Bieter folglich eine unzureichende Information unverzüglich rügen muss, um sich später auf die Nichtigkeit des Vertrags gem. § 13 S. 6 VgV wegen mangelhafter Vorabinformation berufen zu können, ist eine Inkenntnissetzung sowie eine Korrektur- bzw. Nachholmöglichkeit des Auftraggebers gesichert.

III. Die de-facto-Vergabe Wenn bereits die aufgeführten Rechtsschutzlücken geeignet sind, das (Schein-) Bild einer lückenlosen Vorabinformation in Frage zu stellen, so wird dieses durch die folgende Problematik der de-facto-Vergabe236 vollends zerstört. Hierbei veröffentlicht der Auftraggeber trotz der Einschlägigkeit des Kartellvergaberechts und der Pflicht zur Durchführung eines offenen oder nichtoffenen Vergabeverfahrens seine Beschaffungsabsicht nicht und führt kein förmliches Vergabeverfahren durch, sondern schließt den Vergabevertrag entweder unmittelbar, d. h. ohne Beteiligung anderer Unternehmen, mit seinem Vertragspartner oder nachdem er – informell und unter der Hand – verschiedene Angebote eingeholt und sich für dasjenige seines – späteren – Vertragspartners entschieden hat. Damit erfahren interessierte, aber nicht im Vorfeld informell informierte Unternehmen typischerweise erst nach dem erledigenden Zuschlag und Vertragsschluss von der Vergabe, so dass vergaberechtlicher Primärrechtsschutz ausgeschlossen scheint, es sei denn, dass entweder der i.R.d. de-facto-Vergabe erteilte Zuschlag bzw. geschlossene Vertrag unwirksam wäre und damit die primärrechtsschutzausschließende Erledigungswirkung nicht einträte [1.] oder dass auch bei de-facto-Vergaben eine Vorabinformationspflicht bestünde, so dass vor Zuschlagserteilung interessierte Unternehmen die Rechtmäßigkeit der de-facto-Vergabe nachprüfen lassen und Primärrechtsschutz beantragen könnten [2.]. Die de-facto-Vergabe dürfte der aktuell umstrittenste Problemkomplex im Vergaberecht sein237. Sie ist nicht nur Gegenstand einer mittlerweile kaum mehr überschaubaren Anzahl von – selbst höchstrichterlichen 238 – Entscheidungen und BeZur Kritik an diesem Begriff Burgi, NZBau 2003, S. 16, 17. Jüngst hat Greb, VergabeR 2005, S. 347, 349 den hohen Missbrauch durch die Direktvergabe betont. 236 237

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

schlüssen, sondern auch Thema unzähliger Beiträge in der vergaberechtlichen Literatur. Dennoch sind „sicherlich noch nicht alle Fragen im Zusammenhang mit De-facto-Vergaben beantwortet“239. Da außerdem die geplante Novellierung des Vergaberechts, in deren Zusammenhang die de-facto-Problematik auf gesetzlicher Ebene gelöst werden soll240, aufgrund der aktuellen politischen Lage zunächst auf unbestimmte Zeit verschoben ist241, soll im Folgenden diese Problematik eingehend erörtert werden.

1. Wirksamkeit von de-facto-Vergaben Die de-facto-Vergabe wird gemeinhin als der denkbar schwerste Eingriff im Bereich des öffentlichen Auftragswesens angesehen, da durch sie nicht nur eine einzelne Verfahrensvorschrift, sondern das gesamte Normprogramm des Kartellvergaberechts ignoriert werde, welches nämlich an ein förmliches Vergabeverfahren anknüpfe. Angesichts der Schwere dieses Verstoßes sei für de-facto-Vergaben die Nichtigkeitsfolge als angemessene Reaktion angezeigt und als Ausnahme vom Unerheblichkeitsgrundsatz des § 114 Abs. 2 S. 1 GWB gerechtfertigt242. Indes kann keiner der Versuche einer gesetzlichen Herleitung der – bislang nicht ausdrücklich normierten – Nichtigkeit von de-facto-Vergaben überzeugen:

a) Keine Nichtigkeit gem. § 13 S. 6 VgV analog In der Literatur wird teilweise die Herleitung der Nichtigkeit von de-facto-Vergaben über eine analoge Anwendung des § 13 S. 6 VgV im Wege eines erst-rechtSchlusses befürwortet243. Dieser wird damit begründet, dass wenn schon die Verletzung der bloß verfahrensrechtlichen Vorabinformationspflicht die Nichtigkeit von Zuschlag und Vertrag nach sich ziehe, dies erst recht für die Verletzung der Pflicht zur Durchführung eines Vergabeverfahrens aus §§ 97 Abs. 1 i.V.m. 101 BGH, VergabeR 2005, S. 328 ff. Weise, NJW-Spezial 2005, S. 213, 214. Ebenso Herrmann, VergabeR 2005, S. 518. 240 Vgl. § 101b Reg-E. Bislang findet sich weder im GWB noch in der VgV eine – ausdrückliche – Regelung, vgl. Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 4. Geplant ist eine Regelung der de-facto-Problematik i.R.e. Änderung der Rechtsmittelrichtlinien, vgl. Heuvels, NZBau 2006, S. 416, 418. 241 Zwar soll mit der Novellierung zugleich eine Richtlinie umgesetzt werden, deren Umsetzung bis zum 31. 01. 2006 erfolgen muss. Doch hat die Bundesregierung derartige Fristen in der Vergangenheit nicht selten verstreichen lassen und nach den politischen Turbulenzen des Jahres 2005 die Sache zunächst „auf Eis gelegt“ (so Mitteilung NZBau 2006 Heft 1 S. XII f.), so dass die (so) baldige Novellierung keinesfalls feststeht. 242 Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 4 f. 243 Hertwig, NZBau 2001, S. 241, 242; in diese Richtung wohl auch Burgi, NZBau 2003, S. 16, 21; Prieß, EuZW 2001, S. 365, 367. 238 239

A. Die Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV

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Abs. 1 GWB244 gelten müsse. Denn da alle vergaberechtlichen Bestimmungen, insbesondere die Vergabegrundsätze (§ 97 Abs. 1 – 5 GWB) und die subjektiven Rechte (§ 97 Abs. 7 GWB) an das förmliche Vergabeverfahren anknüpften, das insofern gleichsam als deren „Existenzgrundlage“ fungiere245, stelle die de-factoVergabe als Umgehung des gesamten Vergaberechtsregime den schwerwiegendsten denkbaren Vergabeverstoß dar, der deshalb vor allen anderen und somit erst recht zur Nichtigkeit des Vertrags – und des Zuschlags – führen müsse246. Indes werden damit Ursache und Wirkung verwechselt: Die Durchführung eines Vergabeverfahrens ist nicht Voraussetzung für die Geltung der vergaberechtlichen Grundsätze von Wettbewerb, Transparenz und Gleichbehandlung, sondern die Geltung dieser Grundsätze im Bereich des öffentlichen Auftragswesens verpflichtet den Auftraggeber zur Vergabe i.R.e. förmlichen Vergabeverfahrens247. Gleichermaßen ist das förmliche Vergabeverfahren nicht Existenzgrundlage der subjektiven Rechte, sondern vielmehr Anspruchsziel248. Das verdeutlicht die Begründung zu § 107 Abs. 2 GWB, die festschreibt, dass „die Verletzung . . . auch darin bestehen (kann), dass die Ausschreibung einer Vergabe rechtswidrig unterblieb“249. Denn andernfalls, d. h. bei Annahme einer Notwendigkeit des förmlichen Verfahrens für die Entstehung subjektiver Rechte, könnte das der Verpflichtung des Auftraggebers zur Ausschreibung und Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens korrespondierende subjektive Recht aus § 97 Abs. 7 GWB250 nie verletzt sein, weil es – 244 Vgl. dazu auch Kap. 5 A. III. 1. b) aa) sowie Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 101 GWB Rdn. 5; Schimanek, ZfBR 2002, S. 39, 40. Allein auf § 97 Abs. 1 GWB abstellend Bär, ZfBR 2001, S. 375, 376; Burgi, NZBau 2003, S. 16, 18; Portz, VergabeR 2002, S. 211, 218 (aber kein Verbotsgesetz). 245 Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 8 mit Verweis auf BT-Drucks. 13 / 9340, S. 13; zustimmend BGH, VergabeR 2005, S. 328, 336; Portz, VergabeR 2002, S. 211, 217. 246 Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 8. 247 Nach der BT-Drucks. 13 / 9340 S. 13 f. misst „Die Bundesregierung . . . einem transparenten, diskriminierungsfreien Vergabeverfahren eine hohe Bedeutung zu“, weil „die Beachtung wettbewerblicher Prinzipien im Vergaberecht . . . vorteilhaft ist und Vergaben deshalb grundsätzlich im Wettbewerb zu erfolgen haben“. 248 Dementsprechend schreibt § 97 Abs. 7 GWB fest, „dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält“ – und nicht diejenigen in einem Vergabeverfahren. 249 Damit setzt die Zulässigkeit eines Nachprüfungsverfahrens nicht die vorherige Eröffnung eines förmlichen Vergabeverfahrens voraus, vgl. jüngst BGH, VergabeR 2005, S. 328, 331. Vielmehr unterliegt ein Beschaffungsvorhaben schon dann einer Nachprüfung nach § 104 ff. GWB, wenn sich ein Auftraggeber zur Beschaffung von Leistungen am Markt entschließt und mit organisatorischen bzw. planerischen Schritten zur Umsetzung des Beschaffungsvorhabens mit dem Ziel des Vertragsschlusses begonnen hat, vgl. die Grundsatzentscheidung des OLG Düsseldorf, VergabeR 2001, S. 329 ff. 250 Dieses Recht wird überwiegend anerkannt, z. B. von BGH, VergabeR 2005, S. 328, 335 f.; Bär, ZfBR 2001, S. 375, 377; Boesen, Vergaberecht, § 97 GWB Rdn. 204 (sogar unabhängig von § 97 Abs. 7 GWB); Burgi, NZBau 2003, S. 16, 19; Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 97 Rdn. 14, 188 f.; Marx in: Motzke / Pietzcker / Prieß, VOB, § 97 GWB Rdn. 14; Niebuhr in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 97 GWB Rdn. 269;

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

mangels Vergabeverfahren – gar nicht existierte. Vor allem aber könnte der Auftraggeber gleichsam über die Entstehung subjektiver Bieterrechte und damit letztlich über die Anwendbarkeit von Art. 19 Abs. 4 GG bestimmen. Darüber hinaus ist die Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens ebenso wenig ein Garant für die tatsächliche Beachtung der Grundsätze wie die defacto-Vergabe einen zwingenden Ausschluss von Transparenz, Wettbewerb und Gleichbehandlung darstellt – de-facto-Vergaben finden sogar häufig in „wettbewerblichen Verfahren“ statt251 –, so dass die pauschale Gleichstellung von defacto-Vergaben mit einem Verstoß gegen die Vergabegrundsätze und die These vom „schwerwiegendsten Vergabeverstoß“ nicht überzeugt. Daneben beschränkt das Vergaberecht die Nichtigkeitssanktion auf Verstöße gegen ausdrücklich normierte Zuschlagserteilungsverbote252. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass den eigentlich schwerwiegendsten, weil irreversiblen Vergabeverstoß die vergabewidrige Zuschlagserteilung als Verfahrensbeendigung darstellt – und nicht ein verfahrensinterner reversibler Vergabeverstoß wie die fehlende Ausschreibung. Die insoweit schwerwiegenderen Zuschlagserteilungsverbote sind zudem im Gegensatz zu den sonstigen Vergabeverfahrensgeboten und -verboten, zu denen die Vergabeverfahrensdurchführungspflicht zu rechnen ist, nicht unmittelbar auf die Herbeiführung einer rechtmäßigen Zuschlagsentscheidung, sondern auf die vorbeugende Nachprüfbarkeit derselben gerichtet und stellen damit ein aliud dar. Eine für den Analogieschluss erforderliche Vergleichbarkeit der Sachverhalte – Vergabeverfahrensverstoß i.e.S. einerseits, Zuschlagsverbot andererseits – liegt mithin nicht vor253. Darüber hinaus stünde die Nichtigkeitssanktion für den Fall des Verstoßes gegen die Vergabeverfahrensdurchführungspflicht als Vergabeverfahrensverstoß i.e.S. im – ungerechtfertigen – Widerspruch zu dem vergaberechtlichen Unerheblichkeitsgrundsatz mit der Folge, dass eine entsprechende Normierung nicht von der Verordnungsermächtigung des § 97 Abs. 6 GWB gedeckt wäre254. Wenn aber der Analogieschluss als gedachte gesetzliche Regelung rechtswidrig ist, muss er unzulässig sein255. Vor allem aber geht der Versuch einer Begründung der Unwirksamkeit von de-facto-Vergaben mit einer Analogie aus § 13 S. 6 VgV insofern ins Leere, als die Nichtigkeit eines VorabinformationsverSchimanek, ZfBR 2002, S. 39, 40. A.A. Bross in: FS Geiß, S. 559, 565; Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 2 f.; Portz, VergabeR 2002, S. 211, 217. 251 Vgl. Kap. 5 A. III. 2. b) bb) (1). 252 Vgl. KG, ZfBR 2005, S. 302, 307. 253 Aus dem gleichen Grund ist eine von Kaiser, NZBau 2005, S. 311, 313 diskutierte analoge Heranziehung von § 115 Abs. 1 GWB abzulehnen. 254 Vgl. unter Kap. 5 A. I. Im Gegensatz zur Nichtigkeitsfolge beim Vorabinformationspflichtverstoß ist die vorliegende nicht aus Primärrechtsschutzgründen zwingend geboten, da der Vergabeverfahrensdurchführungspflichtverstoß nicht irreversibel, sondern prinzipiell einer Nachprüfung i. S. d. §§ 107 ff. GWB zugänglich ist. 255 Ähnlich Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 5 f.

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stoßes nicht unmittelbar aus § 13 S. 6 VgV, sondern aus § 134 BGB i.V.m. dem Verbotsgesetz des § 13 S. 5 VgV folgt. b) Keine Nichtigkeit gem. § 134 BGB Die Begründung der Nichtigkeitssanktion für den Verstoß gegen die Vergabeverfahrensdurchführungspflicht kann daher insoweit nur gelingen, wenn diese zugleich als Verbotsgesetz i. S. d. § 134 BGB zu qualifizieren ist256. aa) Kein Verbotsgesetzcharakter der §§ 97 Abs. 1 i.V.m. 101 Abs. 1 GWB Indes schreiben die §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 GWB lediglich fest, dass die Vergabe im Wege transparenter respektive der in § 101 GWB genannten Verfahren erfolgt. Sie enthalten damit – im Gegensatz zu den Zuschlagsverboten der § 13 S. 5 VgV, §§ 115 Abs. 1, 118 Abs. 1 u. 3 GWB – lediglich ein Gebot zum positiven Tun, nämlich zur Vertragsanbahnung in einer bestimmten Form257. Vor allem weisen weder der Gesetzeswortlaut noch die entsprechende Begründung auf § 134 BGB oder die Nichtigkeitsfolge hin, so dass sich die Qualifizierung als Verbotsgesetz – wiederum im Gegensatz zu den § 13 S. 5, §§ 115 Abs. 1, 118 Abs. 1 u. 3 GWB258 – nach den allgemeinen, zu § 134 BGB entwickelten Auslegungskriterien richtet259. Da es sich bei der Verfahrensdurchführungspflicht jedoch erstens um ein bloß einseitiges Verbot handelt, dessen Verstoß sogar oftmals ein bloßes Internum in der Sphäre des Auftraggebers bleibt260, und dieses 256 Dafür: Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 7 ff.; Heuvels / Kaiser, NZBau 2001, S. 479, 480; Kaiser, NZBau 2005, S. 311 ff. Offengelassen von KG, ZfBR 2005, S. 302, 307. 257 Dieses „Manko“ sehen Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 8; Heuvels / Kaiser, NZBau 2001, S. 479, 480; Kaiser, NZBau 2005, S. 311, 313 durch den zwingenden Charakter der Ausschreibungspflicht kompensiert. 258 § 13 VgV verweist durch seinen Wortlaut (S. 6) und in seiner Begründung ausdrücklich auf § 134 BGB. Auch die Begründung zu § 115 Abs. 1 GWB nennt die Nichtigkeitsfolge gem. § 134 BGB. Zudem formulieren die §§ 115 Abs. 1, 118 Abs. 1 S. 1, 3 GWB ausdrücklich ein Zuschlagsverbot. Ihrer Entstehungsgeschichte sowie ihrem Sinn und Zweck kann ferner ein Verbotsgesetzcharakter entnommen werden; vgl. Kap. 4 A. II. 3. a) aa) (3) (a) und (b). 259 Vgl. Kap. 4 A. II. 3. a) aa) (3) (a) – (c). Dies verkennt Kaiser, NZBau 2005, S. 311, 313 f. 260 Diesem Argument begegnen Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 8; Heuvels / Kaiser, NZBau 2001, S. 479, 480 und Kaiser, NZBau 2005, S. 311, 314 mit dem Verweis auf den nur durch die Nichtigkeit gem. § 134 BGB zu gewährleistenden Schutz Dritter und der Vergabegrundsätze durch das Verbot. Doch werden durch das Unterlassen der Ausschreibung zwingend weder der Rechtsschutz ausgeschlossen noch die Vergabegrundsätze missachtet. Die Behauptung des qualitativen Unterschieds dieses Vergabeverstoßes gegenüber den übrigen, die ebenfalls i.E. die Einhaltung der Vergabegrundsätze sichern sollen und anerkannter-

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sich zweitens nicht gegen den Inhalt und Abschluss, sondern gegen das formlose Zustandekommen des Rechtsgeschäfts richtet261, sind die Ordnungsnormen §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 GWB nicht als Verbotsgesetz i. S. d. § 134 BGB zu qualifizieren262. Dies entspricht im Übrigen auch dem Willen des Gesetzgebers des VgRÄG, der mit der Schaffung effektiven Vergaberechtsschutzes den pacta-suntservanda-Grundsatz nicht antasten und die Nichtigkeitstatbestände auf die notwendigen §§ 115, 118 GWB begrenzen wollte263. Schließlich bestünde bei Anerkennung einer Verbotsgesetzqualität die Gefahr einer Ausweitung der Ausnahmevorschrift des § 134 BGB, denn wenn die fehlende Ausschreibung – aufgrund möglicher Verstöße gegen die Vergabegrundsätze – bereits zur Nichtigkeit führte, wäre der Weg zur Nichtigkeit bei einem unmittelbaren Vergabegrundsatzverstoß nicht mehr weit264.

bb) Kein Verstoß gegen das Verbot von Umgehungsgeschäften Des weiteren ist die de-facto-Vergabe nicht als Umgehungsgeschäft zu qualifizieren, das die Nichtigkeit gem. § 134 BGB nach sich zöge265. Die Umgehung der §§ 97 Abs. 1 i.V.m. 101 Abs. 1 GWB scheidet freilich mangels deren Verbotsgesetzqualität aus266. In Betracht kommt allenfalls die Umgehung der Vorabinformationspflicht und des mit dieser korrespondierenden Zuschlagsverbots dadurch, dass infolge des Unterlassens der Ausschreibung faktisch kein „Bieter“ zugelassen maßen nicht zur Vertragsnichtigkeit führen, überzeugt daher nicht. Insbesondere ist der reversible Ausschreibungspflichtverstoß einem Nachprüfungsverfahren zugänglich. 261 BKartA, VergabeR 2001, S. 433, 435. Zwar wurde festgestellt, dass die Zielsetzung des vorrangig das Zustandekommen von Verträgen regelnden Vergaberechts auch auf den Vertragsinhalt gerichtet ist, da vergaberechtliche „Schutzgüter“ wie die sparsame Haushaltsführung oder der Wettbewerb auch durch den Inhalt des fortbestehenden rechtswidrigen Vertrags fortlaufend verletzt werden können. Doch stellt das Vergabeverfahren selbst kein solches Schutzgut dar, sondern dient nur der Sicherung jener Schutzgüter im Einzelfall. Eine fortlaufende Verletzung besteht zudem im fortbestehenden Vertrag, nicht im beendeten rechtswidrigen oder unterlassenen Vergabeverfahren, so dass Ansatzpunkt die Verhinderung der de-facto-Zuschlagserteilung sein muss, indem die Nachprüfung einer unterlassenen Ausschreibung effektiv beantragt werden kann. 262 Ähnlich OLG Düsseldorf, VergabeR 2004, S. 216, 219; BKartA, VergabeR 2001, S. 433, 435; Portz, VergabeR 2002, S. 211, 218. 263 Vgl. KG, ZfBR 2005, S. 302, 307. A.A. Hausmann / Bultmann, ZfBR 2005, S. 309, 312; vgl. dazu Kap. 5 A. I. 1. a) u. b). 264 A.A. Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 8 f., deren Versuch einer Differenzierung zwischen der nichtigkeitsbegründenden de-facto-Vergabe und dem bloß rechtswidrigen Verzicht auf die Vergabebekanntmachung indes offenbart, dass eine solche Differenzierung tatsächlich kaum möglich und aus Wertungsgesichtspunkten fraglich ist, da beide Fälle in gleicher Weise das Risiko eines Vergabegrundsätzeverstoßes bergen. 265 Vgl. zu Umgehungsgeschäften Heinrichs in: Palandt, BGB, § 134 Rdn. 28. 266 Vgl. Kap. 5 A. III. 1. b) aa) sowie Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 9.

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wird und demzufolge der Zuschlag ohne Vorabinformation der nichtberücksichtigten „Bieter“ erteilt werden kann267. Indes setzt die Qualifizierung als Umgehungsgeschäft eine Umgehungsabsicht, zumindest aber das Vorliegen eines subjektiven Tatbestands, voraus268, die bzw. der bei vielen de-facto-Vergaben fehlt, da diese nicht selten aufgrund einer falschen Einschätzung der Einschlägigkeit des Kartellvergaberechts erfolgen, dessen Anwendungsbereich unklar und umstritten ist269. Zumindest dürfte der subjektive Tatbestand nur in den seltensten Fällen nachweisbar sein270. Vor allem aber hat der Gesetzgeber, obwohl ihm die Problematik der de-facto-Vergabe bekannt war, die Vorabinformationspflicht nur gegenüber Bietern normiert und gerade nicht in Entsprechung des § 107 Abs. 2 GWB gegenüber allen interessierten und möglicherweise in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzten Unternehmen271. Das lässt den Schluss zu, dass der Gesetzgeber die Vorabinformationspflicht bewusst nicht auf de-facto-Vergaben erweitert hat, so dass ein Umgehungsgeschäft nicht nur nicht nachweisbar ist oder typischerweise am subjektiven Tatbestand scheitert, sondern bereits eine Umgehung überhaupt abzulehnen ist272. Aus den gleichen Gründen ist im Übrigen eine tatsächliche273 Umgehung des gesamten Kartellvergaberechtsregimes abzulehnen274.

cc) Kein regelmäßiger Verstoß gegen das Verbotsgesetz aus Art. 88 Abs. 3 S. 3 EGV Nur im Einzelfall kommt schließlich die Nichtigkeit einer de-facto-Vergabe wegen Verstoßes gegen Art. 88 Abs. 3 S. 3 EGV in Betracht, dessen Verbotsgesetzcharakter i. S. d. § 134 BGB der BGH jüngst herausstellte275. Da Beschaffungsvorgänge, die offensichtlich nicht einem marktüblichen Wert entsprechen, den Tatbestand der rechtswidrigen Beihilfe erfüllen können276 und im Fall einer nicht-wettVgl. auch Lück / Oexle, VergabeR 2004, S. 302, 307. Vgl. Heinrichs in: Palandt, BGB, § 134 Rdn. 28 m. w. N. 269 Diesbezügliche Probleme ergeben sich insbes. bei der Qualifizierung als öffentlicher Auftraggeber i. S. d. § 98 GWB und bei der Berechnung des finanziellen Volumens des Auftrags im Hinblick auf die Schwellenwerte i. S. d. § 100 Abs. 1 GWB i.V.m. §§ 2, 3 VgV. 270 Vgl. auch Kap. 5 A. III. 1. c). 271 Vgl. eingehend unter Kap. 5. A. III. 1. b) bb). 272 Dafür spricht auch die erforderliche individualisierte Begründung. 273 Eine rechtliche Umgehung ist nicht möglich, da durch die fehlende Ausschreibung nicht der Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts ausgeschlossen wird, vgl. auch Kap. 5 A. I. 1. b). 274 So aber OLG Düsseldorf, VergabeR 2005, S. 343, 346; wohl auch Jasper / Pooth, ZfBR 2004, S. 543, 546 unter Heranziehung von BGHZ 36, S. 395 ff. 275 BGH, EuZW 2003, S. 444, 445. Vgl. dazu Jasper / Pooth, ZfBR 2004, S. 543, 547. 276 EuGH, NZBau 2003, S. 503, 507 ff. 267 268

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bewerblichen de-facto-Vergabe, wenn also der Auftraggeber von vornherein nur mit dem späteren Vertragspartner verhandelt, mangels Wettbewerbs die Ermittlung des Marktpreises kaum möglich ist, unterliegen insbesondere de-facto-Vergaben dem Risiko, dass der Beschaffungsvorgang nicht zum Marktpreis realisiert und deswegen gegen Art. 88 Abs. 3 S. 3 EGV verstoßen wird277. Doch ist – ungeachtet der Frage, ob ein solcher Verstoß überhaupt nachweisbar ist, wenn er gerade darauf beruht, dass der Marktpreis nicht ermittelt werden kann – dieser Verstoß stets im Einzelfall zu überprüfen und kann nicht pauschal allen de-facto-Vergaben unterstellt werden, so dass mit möglichen Verstößen gegen Art. 88 Abs. 3 S. 3 EGV im Einzelfall nicht die Unwirksamkeit der de-facto-Vergabe an sich begründet werden kann. c) Keine Nichtigkeit gem. § 138 BGB Dasselbe gilt für die Nichtigkeit von de-facto-Vergaben gem. § 138 Abs. 1 BGB, die im (Einzel-)Fall einer bewussten Missachtung des Vergaberechts durch den Auftraggeber sowie dessen kollusiven Zusammenwirkens mit dem Auftragnehmer zum Nachteil Dritter anzunehmen278, nicht aber bei jeder de-facto-Vergabe und damit der de-facto-Vergabe an sich gegeben ist279. Zwar kann selbst der einfache Gesetzesverstoß sittenwidrig i. S. d. § 138 Abs. 1 BGB sein, wenn er existentielle Belange der Allgemeinheit verletzt. Doch geht zum einen mit der de-facto-Vergabe nicht zwingend eine Verletzung von Allgemeininteressen wie der sparsamen Haushaltsführung und dem Wettbewerb einher, da die Vergabe nicht selten in einem wettbewerblichen, wenn auch nichtförmlichen Verfahren erfolgt280. Zum anderen wird für die Bewertung einfacher Gesetzesverstöße als sittenwidrig aufgrund der Verletzung von Allgemeininteressen überwiegend ein entsprechender Vorsatz von Auftraggeber und Auftragnehmer gefordert281. Da die de-facto-Vergabe indes häufig auf einer falschen Einschätzung der Einschlägigkeit des Kartellvergaberechts beruht282, wird ein solcher subjekti277 Jasper / Pooth, ZfBR 2004, S. 543, 547. Vgl. insges. zur Problematik des Beihilfecharakters öffentlicher Aufträge Bultmann, Beihilfenrecht und Vergaberecht; Fischer, VergabeR 2004, S. 1 ff. 278 Unter der Voraussetzung eines kollusiven Zusammenwirkens OLG Düsseldorf, VergabeR 2005, S. 343, 346 f. mit Anm. Greb; Heuvels / Kaiser, NZBau 2001, S. 479, 480 f.; Kaiser, NZBau 2005, S. 311 f. 279 Vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2004, S. 113, 116; Bergmann / Grittmann, NVwZ 2004, S. 946, 948; v. Gehlen, NZBau 2005, S. 503, 505. 280 Vgl. unter Kap. 5 A. II. 1 sowie III. 2. b) bb). A.A. Jasper / Pooth, ZfBR 2004, S. 543, 546. 281 Vgl. BGH, NJW 1995, S. 2284; BGH, NJW 1990, S. 567, 568; OLG Düsseldorf, ZfBR 2004, S. 196, 200; Bergmann / Grittmann, NVwZ 2004, S. 946, 948; Jauernig in: Jauernig, BGB, § 138 Rdn. 11; Heinrichs in: Palandt, BGB, § 138 Rdn. 8, 40; Jasper / Pooth, ZfBR 2004, S. 543, 547.

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ver Tatbestand vielfach nicht vorliegen – und selbst in Fällen eines tatsächlich bewussten Verstoßes kaum nachzuweisen sein283. Soweit im Vergaberecht jene subjektiven Voraussetzungen aufzuweichen versucht werden, indem das mutwillige Sich-Verschließen einer derartigen Erkenntnis der positiven Kenntnis gleichgesetzt und i.R.d. Beweisführung ein entsprechender Schluss allein aufgrund von Indizien zugelassen wird284, ist diese Entwicklung bedenklich. Denn ein wesentliches Charakteristikum der Sittenwidrigkeit – und zugleich Unterscheidungsmerkmal zwischen § 134 BGB und § 138 BGB – ist die Erforderlichkeit eines persönlichen Verhaltens neben dem objektiven Sittenverstoß, das dem Beteiligten vorgeworfen werden kann285. Wenn auch das Ziel dieser Entwicklung, nämlich die Gewährung vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes i.R.d. de-facto-Vergabe, erstrebenswert ist, stehen doch andere Möglichkeiten zur Erreichung desselben zur Verfügung, sei es durch die Ausweitung der Vorabinformationspflicht mit der Folge der tatsächlichen Nachprüfbarkeit von de-facto-Vergaben, sei es durch die Normierung eines gesetzlichen Verbots von Direktvergaben, so dass die Opferung der althergebrachten Grundsätze der Sittenwidrigkeit nicht angemessen erscheint286. d) Keine Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht Aus dem gleichen Grund ist die Unwirksamkeit des Vertrags nicht aus höherrangigem Recht ableitbar. Zwar verstößt die de-facto-Vergabe, soweit sie Primärrechtsschutz faktisch ausschließt, sowohl gegen Art. 19 Abs. 4 GG287 als auch 282 Vgl. auch Kap. 5 A. I. 1. b) bb) (2) sowie BKartA, VergabeR 2001, S. 433, 435; Burgi, NZBau 2003, S. 16, 17; kritisch hierzu Krist, VergabeR 2001, S. 436, 437. 283 Denn die Beweislast trifft denjenigen, der sich auf die Sittenwidrigkeit beruft, vgl. Kaiser, NZBau 2005, S. 311, 312 mit Verweis auf Mayer-Maly / Armbrüster in: MüKo-BGB, § 138 Rdn. 132. Der Verweis auf die Schwere des – vermeintlichen – Schadens als Indiz für einen subjektiven Verstoß überzeugt insoweit nicht (so aber Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 9 unter Verweis auf Mayer-Maly / Armbrüster in: MüKo-BGB, § 138 Rdn. 129 ff.). 284 Vgl. OLG Düsseldorf, VergabeR 2005, S. 343, 346 f.; KG, ZfBR 2005, S. 302, 307 f. Soweit Greb, VergabeR 2005, S. 347, 349 aus diesem Beschluss ableitet, dass die Sittenwidrigkeit nur dann verneint werden könne, wenn alle Beteiligten nach einer sorgfältigen Prüfung zu dem Ergebnis kämen, dass der Tatbestand einer gemeinschaftsweiten Ausschreibungspflicht eindeutig nicht erfüllt sei, verkennt er den Einzelfallcharakter dieses Beschlusses. Diesem lag der Sachverhalt zugrunde, dass ein vorangehender und den Beteiligten bekannter Beschluss des KG für ebensolche Fälle die Ausschreibungspflicht festlegte und nur deshalb das KG eine derartige Prüfungspflicht der Beteiligten annahm. 285 So Greb, VergabeR 2005, S. 347, 349; Hausmann / Bultmann, ZfBR 2005, S. 309, 312 f. Vgl. allerdings zu neueren Entwicklungen in der zivilrechtlichen Rechtsprechung Heinrichs in: Palandt, BGB, § 138 Rdn. 7 ff., 40 ff. 286 A.A. Greb, VergabeR 2005, S. 347, 349. 287 A.A. Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 2 f., die bei de-facto-Vergaben das Kartellvergaberecht für unanwendbar halten und demzufolge keine subjektiven (Bie-

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gegen die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben288. Letzteres hat der EuGH jüngst bestätigt, indem er herausstellte, dass die Entscheidung über die (Nicht-)Ausschreibung als eine solche i. S. d. Art. 2 Abs. 1 RMRL anzusehen ist, die demzufolge einer (gerichtlichen) Nachprüfung zugänglich und im Falle ihrer Rechtswidrigkeit aufhebbar sein muss289. Denn andernfalls würde die Eröffnung von Rechtsschutz ins Belieben des Auftraggebers gestellt und damit die praktische Wirksamkeit der Rechtsmittelrichtlinie und deren Zielsetzung erheblich beeinträchtigt 290. Folglich ist die Nachprüfbarkeit von de-facto-Vergaben sowohl verfassungs- als auch europarechtlich gefordert291. Indes kann – unabhängig von der Frage, ob und inwieweit Verstöße gegen höherrangiges Recht eine Vertragsnichtigkeit nach sich ziehen bzw. begründen können – ein derartiger Primärrechtsschutz auch mit geeigneten anderen Mitteln als der Nichtigkeitsfolge gewährleistet werden, welche die vergaberechtlichen Grundsätze der Nichtaufhebbarkeit und Unerheblichkeit sowie die Positionen von Auftraggeber und präferiertem Bieter weniger stark beeinträchtigen. Insbesondere kann durch eine Vorabinformationspflicht i.R.d. de-facto-Vergabe die Beantragung einer Nachprüfung i.R.d. §§ 107 ff. GWB tatsächlich ermöglicht werden292. Dies hätte die mildere Konsequenz, dass nicht automatisch jede de-facto-Vergabe unwirksam, sondern nur diejenige angreifbar wäre, die in die Rechte Dritter eingreift und diese schädigt. Aus diesem Grund kann die pauschale Unwirksamkeit der de-facto-Vergabe nicht aus höherrangigem Recht hergeleitet werden293.

ter-)Rechte anerkennen. Indes wurde dargelegt, dass die fehlende Ausschreibung das Kartellvergaberecht nicht ausschließt, vgl. Kap. 5 A. I. 1. b). 288 Vgl. Wirner, LKV 2005, S. 293. A.A. Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 513 f. 289 Vgl. EuGH, NZBau 2005, S. 111 ff. auf Vorlage des OLG Naumburg, NZBau 2003, S. 224 ff. Zum zweifelhaften Sinn und Zweck dieser Vorlage vgl. Krohn, NZBau 2005, S. 92, 93; Reidt, ZfBR 2003, S. 602, 603. 290 EuGH, NZBau 2005, S. 111, 113 f. Rdn. 34, 37. Dem steht auch Art. 1 Abs. 3 RMRL nicht entgegen. Insbesondere sieht dieser nicht nur ein Nachprüfungsverfahren vor, wenn in der Zukunft ein Schaden eintreten wird (so aber Lindenthal, VergabeR 2003, S. 630, 636), was in der Tat bei de-facto-Vergaben mangels eines Angebots seitens des nichtberücksichtigten Bieters kaum beweisbar ist, sondern bereits dann, wenn ein Schaden zu entstehen droht. Dafür ist ausreichend, dass der Vergabeverstoß geeignet ist, die Aussichten auf den Zuschlag zu beeinträchtigen. 291 So ausdrücklich EuGH, NZBau 2005, S. 111, 114 Rdn. 38. 292 Die Zulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens setzt kein förmliches Vergabeverfahren voraus, vgl. unter Kap. 5 A. II. 1. 293 Zur Frage, ob dagegen im Einzelfall, insbesondere weil die aktuelle Rechtslage kein weniger einschneidendes Mittel zur Verfügung stellt, aus dem höherrangigen Recht die Nichtigkeit des konkreten de-facto-Vertrags hergeleitet werden kann, vgl. Kap. 6 A. III. u. IV.

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2. Effektiver Primärrechtsschutz gegen de-facto-Vergaben Damit folgt aus dem höherrangigen Recht zwar keine Nichtigkeitsfolge, aber die Notwendigkeit eines effektiven, vorrangig primären Rechtsschutzes auch i.R. von bzw. gegen de-facto-Vergaben294. Diese müssen daher einem Nachprüfungsverfahren i. S. d. §§ 107 ff. GWB zugänglich sein [a)] und effektiv geltend gemacht werden können [b)]. a) Die Zulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens Dass das Nachprüfungsverfahren selbst nicht die erfolgte Einleitung eines förmlichen Vergabeverfahrens voraussetzt, sondern einen Entschluss des öffentlichen Auftraggebers zur Beschaffung von Leistungen am Markt genügen lässt, wenn dieser sich in ersten organisatorischen bzw. planerischen Schritten manifestiert hat, ist mangels gegenteiliger gesetzlicher Vorgaben weitgehend anerkannt295. So unterliegt „die Vergabe öffentlicher Aufträge“ – und nicht etwa nur förmliche Vergabeverfahren – gem. § 102 GWB der Nachprüfung296 und der für die Zulässigkeit des Nachprüfungsverfahrens relevante § 107 Abs. 2 GWB nimmt keinen Bezug auf ein Vergabeverfahren, geschweige denn auf ein förmliches. Er stellt zwar auf „eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB“ ab, doch zielen diese lediglich auf die Einhaltung der „Bestimmungen über das Vergabeverfahren“ ab und begrenzen damit unmittelbar allein den Kreis der i.R.d. § 97 Abs. 7 GWB einzubeziehenden Normen297. Lediglich mittelbar wird dadurch der Kreis der Antragsberechtigten auf diejenigen beschränkt, die eine solche Rechtsverletzung geltend machen können. Dies können grundsätzlich alle Unternehmen sein; eine Einschränkung auf Bieter, die im Umkehrschluss einen regelmäßigen Ausschluss von de-facto-Vergaben bedeutete, erfolgt nicht298. Eine derartige Einschränkung ergibt sich auch nicht faktisch 294 Zumal der für Sekundärrechtsschutz erforderliche Nachweis einer „echten Chance“ auf eine Zuschlagserteilung mangels Vergabeverfahrens kaum zu erbringen ist, vgl. Krist, VergabeR 2001, S. 436, 437. 295 Vgl. die Grundsatzentscheidung des OLG Düsseldorf, VergabeR 2001, S. 329. Dem folgend BGH, VergabeR 2005, S. 328, 329 ff.; BayObLG, VergabeR 2003, S. 563, 564 f.; dass., VergabeR 2002, S. 244, 246; OLG Düsseldorf, VergabeR 2003, S. 55, 57; Burgi, NZBau 2003, S. 16, 19 f.; Hübner, VergabeR 2005, S. 336, 337 ff.; Wagner, VergabeR 2002, S. 250. Zweifelnd OLG Naumburg, NZBau 2003, S. 224, 226 ff. 296 Vgl. nur BGH, VergabeR 2005, S. 328, 329 f. mit zust. Anm. Hübner, mit Verweis auf EuGH, VergabeR 2005, S. 44, 50 Rdn. 41. Unklar noch BGH, NZBau 2001, S. 151, 152; BKartA, NZBau 2000, S. 310; 311 f., die ein „Vergabeverfahren“ voraussetzen. 297 Die Anwendbarkeit des § 97 Abs. 7 GWB setzt dagegen kein förmliches Vergabeverfahren voraus, vgl. Kap. 5 A. III. 1. a). 298 EuGH, NZBau 2005, S. 113, 114 Rdn. 40; dass., VergabeR 2004, S. 315, 318 f. Rdn. 28 ff.; BGH, VergabeR 2005, S. 328, 330 f.; OLG Düsseldorf, VergabeR 2005, S. 343, 344

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durch das Erfordernis der Geltendmachung eines Interesses i. S. d. § 107 Abs. 2 GWB299. Denn ausreichend hierfür ist ein tatsächliches wirtschaftliches Interesse, das nicht zwingend an die Abgabe eines Angebots in einem förmlichen Vergabeverfahren gekoppelt ist. Allerdings wird das i.R.e. de-facto-Vergabe nichtberücksichtigte Unternehmen zur Glaubhaftmachung seines Interesses darlegen müssen, dass es gerade aufgrund des gerügten Vergabeverstoßes an der Erstellung oder Abgabe eines Angebots gehindert war, und substantiiert vortragen müssen, welches Angebot es bei ordnungsgemäßem Ablauf des Vergabeverfahrens abgegeben hätte; diesbezügliche Darlegungsschwierigkeiten gehen zu Lasten des rechtsschutzsuchenden Unternehmens. Ebenfalls ist das gegen de-facto-Vergaben gerichtete Nachprüfungsverfahren nicht deshalb grundsätzlich unzulässig, weil die Nachweisbarkeit eines entstandenen oder zu entstehen drohenden kausalen Schadens mangels eigenen Angebots ausgeschlossen ist300. Denn anerkanntermaßen genügt es, wenn der behauptete Vergabeverstoß geeignet ist, die Aussichten auf den Zuschlag zu beeinträchtigen301, so dass es als ausreichend zu erachten ist, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei einem förmlichen Vergabeverfahren der Antragsteller den Zuschlag hätte erhalten müssen. Dementsprechend genügt es, wenn der Antragsteller, der ohne Ausschreibungsverfahren keine Chance hat, ein Angebot zu platzieren, schlüssig darlegt, dass er dazu sowohl im Stande als auch willens (gewesen) ist302. Insoweit ist auch gegen de-facto-Vergaben ein Nachprüfungsverfahren statthaft und Primärrechtsschutz möglich. Andernfalls hätte es der öffentliche Auftraggeber in der Hand, über die Zulässigkeit von Nachprüfungsverfahren zu entscheiden303. Eine tatsächliche Rechtsschutzbeeinträchtigung begründet allerdings die Rügeobliegenheit, die für de-facto-Vergaben zwar nicht unmittelbar aus § 107 Abs. 3 GWB, der auf einen „Verstoß gegen Vergabevorschriften . . . im Vergabeverfahren“ abstellt304, wohl aber aus einer analogen Anwendung desselben305, aus den Gedanmit zust. Anm. Greb; Hübner, VergabeR 2005, S. 336, 337. Unklar, i.E. aber zustimmend BVerfG, VergabeR 2004, S. 597, 599 f. 299 Kritisch hingegen Antweiler, VergabeR 2004, S. 702 ff. m. w. N. 300 In diese Richtung aber Lindenthal, VergabeR 2003, S. 630, 636 (zum insoweit identischen Art. 1 Abs. 3 RMRL). Vgl. dazu auch Kap. 5 A. II. 3. c) bb). 301 Vgl. BVerfG, NZBau 2004, S. 564, 565 f.; BGH, VergabeR 2005, S. 328, 331; Braun, NVwZ 2004, S. 441, 443. 302 Vgl. Braun, NVwZ 2004, S. 441, 443. 303 Vgl. nur Wirner, LKV 2005, S. 293 m. w. N. 304 Die Anwendbarkeit des § 107 Abs. 3 S. 1 GWB bei de-facto-Vergaben ist umstritten. Verneinend BayObLG, VergabeR 2002, S. 244, 246; OLG Düsseldorf, VergabeR 2005, S. 343, 344; KG, ZfBR 2005, S. 302; OLG Frankfurt, NZBau 2004, S. 692, 693; OLG Düsseldorf, VergabeR 2001, S. 329, 336; Burgi, NZBau 2003, S. 16, 21. Bejahend Bär, ZfBR 2001, S. 375, 377; Braun, NVwZ 2004, S. 441, 442; Otting, VergabeR 2002, S. 146, 147; Weise, NJW-Spezial 2005, S. 213, 214; Wagner, VergabeR 2002, S. 250, 251 (für den Fall positiver Kenntnis). Offengelassen von BGH, VergabeR 2005, S. 328, 331. Der Entwurf zur

A. Die Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV

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ken von Treu und Glauben bzw. der Rechtsmissbräuchlichkeit306 oder mit Blick auf das Institut der Verwirkung307 hergeleitet werden kann. Die de-facto-Rügeobliegenheit wird insoweit unterschiedlich begründet, im Ergebnis aber überwiegend anerkannt. Mit ihr wird allerdings eine für das interessierte Unternehmen prekäre Situation geschaffen, indem es nicht nur die schwierige Prüfung der Ausschreibungspflicht des betreffenden Auftrags selbst vornehmen, sondern vor allem die Entscheidung treffen muss, entweder – sicherheitshalber – die unterlassene Ausschreibung zu rügen und damit zwar einerseits ein späteres Nachprüfungsverfahren zu ermöglichen, andererseits aber die Sympathie des Auftraggebers „aufs Spiel zu setzen“ oder – risikoreich – durch das Unterlassen der Rüge die ohne förmliches Verfahren womöglich besseren Chancen auf den Auftrag zu erhalten und damit die Rechtsschutzmöglichkeiten zu verspielen. Insbesondere kann bei de-facto-Vergaben, in deren Rahmen die Anwendung der Vorabinformation nebst Zuschlagsverbot (§ 13 VgV) höchst umstritten ist308, insofern die – bereits vor Normierung des § 13 VgV bekannte – Gefahr nicht ausgeschlossen werden, dass der Auftraggeber, sobald er infolge der Rüge von den Nachprüfungsabsichten des Unternehmens erfährt, rasch – und womöglich, wenn § 13 VgV nicht einschlägig ist, zulässigerweise – den Auftrag vergibt, bevor das Nachprüfungsverfahren in Gang gesetzt wird. Dieses tatsächliche Rechtsschutzproblem will der BGH durch geringe Anforderungen an die Rügeobliegenheit lösen, indem er diese erst im Zeitpunkt der nachweislich positiven Kenntnis von der de-facto-Vergabe anerkennt, die typischerweise erst im Fall der unmittelbar bevorstehenden Zuschlagserteilung vorliege309. Dann aber wird das Unternehmen gleichzeitig 310 einen Nachprüfungsantrag stellen, um durch das damit bewirkte Zuschlagsverbot einen wirksamen de-facto-Vertragsschluss zu verhindern. Eine Rüge, die ihrem Sinn und Zweck zufolge vor einem Nachprüfungsantrag erhoben werden sollte, um dem Auftraggeber die Beseitigung des Vergabeverstoßes vor einem möglichen Rechtsschutzverfahren zu ermöglichen, wäre indes im Zeitpunkt der unmittelbar bevorstehenden Zuschlagserteilung sinnlos. Zudem überzeugt die Begründung des BGH nicht, wenn er unterNeuregelung des Vergaberechts sieht vor, dass die Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 GWB bei de-facto-Vergaben entfällt; vgl. Hübner, VergabeR 2005, S. 336, 338. 305 Vgl. auch Kap. 5 A. III. 2. b) bb) (3) (c). 306 BGH, VergabeR 2005, S. 328, 336. Vgl. dazu Hübner, VergabeR 2005, S. 336, 339. 307 OLG Düsseldorf, VergabeR 2005, S. 343, 344 mit zust. Anm. Greb. In diese Richtung auch KG, ZfBR 2005, S. 302 ff. Einschränkend Hausmann / Bultmann, ZfBR 2005, S. 309, 310, die die Verwirkung von der Gutgläubigkeit des Auftraggebers abhängig machen. 308 Vgl. eingehend Kap. 5 A. III. 2. b). 309 BGH, VergabeR 2005, S. 328, 331. 310 Während im förmlichen Vergabeverfahren eine – zumindest grundsätzlich einzuhaltende – Wartefrist zwischen Rüge und Nachprüfungsantrag gefordert wird [vgl. Kap. 5 A. II. 2. b) aa)], wird im Fall, dass die Rügeobliegenheit erst unmittelbar vor Zuschlagserteilung entsteht, gleichzeitig gerügt und der Nachprüfungsantrag gestellt werden dürfen.

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

stellt, dass das interessierte Unternehmen typischerweise erst in jenem Zeitpunkt sicher sein könne, dass kein erforderliches förmliches Vergabeverfahren durchgeführt werde. Vielmehr muss diesem bereits verdächtig erscheinen, wenn es von der beabsichtigten Auftragsvergabe informell unterrichtet wird oder durch Dritte Kenntnis erlangt und noch keine Ausschreibung erfolgt ist. Selbst wenn man diesen Anfangsverdacht für die Begründung der Rügeobliegenheit nicht als ausreichend erachtet, so wird sich dieser mit dem Ablauf jedes weiteren Tages sowie mit möglichen Andeutungen des Auftraggebers erhärten, so dass die Rügeobliegenheit jedenfalls nicht erst dann entsteht, wenn die Zuschlagserteilung unmittelbar bevorsteht, zumal der Zeitpunkt des unmittelbaren Bevorstehens der Zuschlagserteilung kaum zu ermitteln ist. Vielmehr muss das Unternehmen im nichtförmlichen Verfahren jederzeit mit einer Zuschlagserteilung rechnen, so dass es, wenn es sich für den Weg der Rüge entschließt, diese jedenfalls aus tatsächlichen Gründen möglichst früh erheben sollte311. Damit sind diese vom BGH definierten geringeren Anforderungen an das Entstehen der Rügepflicht nicht nur rechtlich bedenklich, sondern erfüllen auch ihren praktischen Sinn und Zweck nicht, die Rügepflicht des Unternehmens weitestmöglich zu verzögern. Die damit bestehende Zwickmühle, in der sich Unternehmen bei de-facto-Vergaben befinden, stellt folglich eine erste und nicht unwesentliche Beeinträchtigung des Primärrechtsschutzes gegen de-facto-Vergaben dar. b) Keine Vorabinformationspflicht i.R.d. de-facto-Vergabe Jene Beeinträchtigung wäre indes weniger gravierend, wenn § 13 VgV i.R.d. de-facto-Vergabe anwendbar wäre, der mit seiner Vorabinformationspflicht effektiven Primärrechtsschutz im Wege eines Nachprüfungsverfahrens faktisch erst ermöglicht. Indes ist zum einen seine Anwendbarkeit i.R.d. de-facto-Vergabe überhaupt fraglich. Zum anderen ist die Effektivität der Vorabinformation zweifelhaft, da diese gem. § 13 VgV nur gegenüber „Bietern“ zu erfolgen hat, i.R.d. de-factoVergabe die Unternehmen jedoch im Gegensatz zum förmlichen Verfahren typischerweise den Bieterstatus durch Angebotsabgabe mangels Kenntnis von der Vergabe nicht erreichen können. Für den Fall der nicht unmittelbaren Anwendbarkeit des § 13 VgV [aa)] ist daher auch seine entsprechende Anwendung im Wege einer Analogie in Betracht zu ziehen [bb)]312. aa) Keine unmittelbare Anwendbarkeit des § 13 VgV auf de-facto-Vergaben Eine unmittelbare Anwendung des § 13 VgV i.R.d. de-facto-Vergabe scheidet nach mittlerweile ganz überwiegender Ansicht aus313. Ähnlich Hausmann / Bultmann, ZfBR 2005, S. 309, 310. Ein ähnliches Problem stellt sich bei der Frage einer Vorabinformationspflicht über eine bevorstehende Aufhebung der Ausschreibung, vgl. Erdl, VergabeR 2001, S. 10, 13 ff. 311 312

A. Die Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV

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(1) Grammatikalische Auslegung § 13 S. 1 VgV verpflichtet den Auftraggeber zur Information allein der „Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen“. „Bieter“ i. S. d. kartell(vergabe-)rechtlichen Terminologie sind abzugrenzen von bloßen Unternehmen sowie von erkennbar am Auftrag interessierten Bewerbern und zeichnen sich im Gegensatz zu den Genannten durch die Abgabe eines Angebots aus, mit dem sie ihr erkennbares Interesse verbindlich äußern314. Dafür spricht zudem der Wortsinn (Angebot). Der Bieterstatus kann somit nur durch eine Angebotsabgabe, nicht aber durch anderweitige Interessenbekundung erlangt werden315. Da de-facto-Vergaben keine Ausschreibung und kein förmliches Verfahren vorangeht, das interessierte Unternehmen zur Angebotsabgabe gleichsam befähigt, sind typischerweise keine Zu-Informierenden vorhanden316. Insoweit greift die Vorabinformationspflicht i.R.d. de-facto-Vergabe nicht. Dieses Wortlautargument317 verliert im Übrigen nicht dadurch an Überzeugungskraft, dass § 13 VgV im Gegensatz zum GWB nicht vom Parlament, sondern von der Bundesregierung erlassen worden ist. Denn ein Blick in die Verordnungsbegründung offenbart, dass der Verordnungsgeber die kartellvergabegesetzliche Differenzierung zwischen interessierten Unternehmen und Bietern erkannt und beibehalten hat318. Allerdings kann auch die de-facto-Vergabe unter Beteiligung mehrerer Unternehmen erfolgen, die – wenn auch nicht in einem förmlichen Verfahren – ein Angebot abgegeben haben, sei es aufgrund informeller Beteiligung durch den Auf313 Vgl. nur aus der Rspr. BGH, VergabeR 2005, S. 328 ff.; OLG Düsseldorf, VergabeR 2004, S. 216 ff.; OLG Thüringen, VergabeR 2004, S. 113; OLG Düsseldorf, VergabeR 2003, S. 435; OLG Dresden, VergabeR 2002, S. 142; und aus der Lit. Burgi, NZBau 2003, S. 16, 20 f.; Dieckmann, NZBau 2001, S. 481 f.; Hailbronner, NZBau 2002, S. 474 ff.; Portz, VergabeR 2002, S. 211, 217 f.; Wegmann, NZBau 2001, S. 475, 478. 314 Vgl. auch Kap. 5 A. II. 1. 315 So aber wohl OLG Düsseldorf, VergabeR 2005, S. 508, 509 f. 316 So Byok / Jansen, VergabeR 2003, S. 598, 600; Delius, ZfBR 2002, S. 341, 343; Dieckmann, NZBau 2001, S. 481, 482; Gesterkamp, WuW 2001, S. 665, 669; Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 479; Heuvels / Kaiser, NZBau 2001, S. 479, 480; Jasper / Pooth, ZfBR 2004, S. 543, 545 f.; Putzier, DÖV 2002, 517, 519; zurückhaltender Burgi, NZBau 2003, S. 16, 21 („bei isolierter Textinterpretation“ nicht einschlägig). Hausmann / Bultmann, ZfBR 2005, S. 309, 311, hingegen kritisieren das „Kleben der Oberlandesgerichte am Wortlaut“. 317 Vgl. zur Bedeutung des Wortlauts als Auslegungsgrenze Meier-Hayoz, Richter als Gesetzgeber, S. 42. 318 Vgl. BR-Drucks. 455 / 00, S. 18: „Mit der Erteilung des Zuschlags kann der Anspruch der an öffentlichen Aufträgen interessierten Unternehmen auf Einhaltung der Vergabevorschriften ( . . . ) nicht mehr durchgesetzt werden. Mit dem Zuschlag ist das Vergabeverfahren beendet und ein einmal geschlossener Vertrag kann nicht mehr aufgehoben werden; der sich in seinen Rechten verletzt fühlende Unternehmer kann dann nicht mehr die Vergabekammer zur Nachprüfung anrufen, sondern nur noch Schadensersatz vor den ordentlichen Gerichten erlangen. Die Auftraggeber werden daher im § 13 verpflichtet, die Bieter, die den Auftrag nicht erhalten sollen, vor der Zuschlagserteilung zu informieren“ (Hervorhebung durch den Verfasser). Vgl. auch § 16 Abs. 1 VgV.

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

traggeber, sei es weil ein Unternehmen zufällig von dem Beschaffungsvorgang erfuhr und unaufgefordert ein Angebot abgab319. Es stellt sich daher die Frage, ob der Bieterbegriff über die bloße Angebotsabgabe hinaus eine solche in einem förmlichen Vergabeverfahren voraussetzt. Dafür spricht bereits die Begrifflichkeit „Bieter“, der sich vom bloßen Anbieter unterscheidet. Während das Anbieten auf das Ergebnis der fortwirkenden Angebotsabgabe abstellt, ist das Bieten tätigkeitsbezogen, umfasst also einen Vorgang respektive ein Verfahren, nämlich dasjenige von der Angebotsabgabe bis zum Vertragsschluss. Soweit im deutschen Recht der Begriff „Bieter“ verwendet wird, ist insofern stets ein Anbieter in einem förmlichen wettbewerblichen Verfahren, typischerweise einer Versteigerung, gemeint320. Dem entspricht, dass früher der öffentliche Auftrag i.R.e. sog. „umgekehrten Versteigerung“ vergeben wurde321. Zwar sieht das heutige Vergaberecht eine „Versteigerung“ des Auftrags nicht mehr vor, doch findet die ordnungsgemäße Vergabe im Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts grundsätzlich immer noch in einem förmlichen wettbewerblichen Verfahren statt. Daher darf der Wortlaut berechtigterweise dahingehend interpretiert werden, dass „Bieter“ und damit die Vorabinformationspflicht ein förmliches Verfahren voraussetzen322. (2) Systematische Auslegung Dieses Ergebnis wird von der überwiegenden Auffassung vor allem jedoch mit einer systematischen Auslegung des § 13 VgV begründet. Insbesondere wird der systematische Zusammenhang von § 13 VgV mit § 1 VgV, der festschreibt, dass die VgV-Normen nähere Bestimmungen „über das bei der Vergabe öffentlicher Aufträge einzuhaltende Verfahren“ enthalten, dahingehend interpretiert, dass § 13 VgV zwingend ein förmliches Vergabeverfahren voraussetze und außerhalb eines solchen zumindest keine unmittelbare Anwendung finden könne323. Zudem wird 319 Vgl. Hertwig, NZBau 2001, S. 241, 242; Heuvels / Kaiser, NZBau 2001, S. 479, 480. A.A. Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 513, die bei de-facto-Vergaben einen Bieterwettbewerb ausschließen. 320 Vgl. die Versteigerung i. S. d. § 156 BGB oder die Zwangsversteigerung i. S. d. § 814 ZPO. 321 Vgl. Schimanek, ZfBR 2002, S. 39, 43: „das Ausschreibungsverfahren (ist) aus dem alten Lizitations-, Abstreich- oder Abschreibungsverfahren entstanden. ( . . .. ) Französisch bedeutet Lizitation Versteigerung. Das Prinzip dieses Vergabeverfahrens war eine Versteigerung mit umgekehrten Vorzeichen.“ 322 I.E. ebenso KG, VergabeR 2005, S. 236, 243; Dietlein / Spießhöfer, VergabeR 2003, S. 509, 513; Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, Vor §§ 97 ff. Rdn. 54; Jasper / Pooth, ZfBR 2004, S. 543, 545 f.; Kühnen in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 13 VgV Rdn. 1602; Rosenkötter, NZBau 2004, S. 136, 138. A.A. OLG Düsseldorf, VergabeR 2004, S. 216, 219 f. 323 Vgl. BGH, NZBau 2005, S. 290, 294; OLG Thüringen, VergabeR 2004, S. 113; OLG Dresden, VergabeR 2002, S. 142 sowie die herrschende Lehre (Dieckmann, NZBau 2001, S. 481, 482; Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 513; Heuvels / Kaiser, NZBau 2001, S. 479, 480; Jasper / Pooth, ZfBR 2004, S. 543, 546; Portz, VergabeR 2002, S. 211,

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auf § 97 Abs. 6 GWB verwiesen, der den Verordnungsgeber nur ermächtigt, „nähere Bestimmungen über das bei der Vergabe einzuhaltende Verfahren zu treffen“. Darüber hinausgehende Bestimmungen lägen außerhalb der Verordnungsermächtigung und seien daher verfassungswidrig324. Allerdings wurde bereits festgestellt, dass die Formulierung „über das Vergabeverfahren“ nicht mit derjenigen „in einem Vergabeverfahren“ verwechselt werden darf. Demzufolge ist die Verordnungsermächtigung des § 97 Abs. 6 GWB nicht auf die Normierung von Regeln begrenzt, die nur im Fall eines tatsächlich durchgeführten förmlichen Vergabeverfahrens gelten dürfen. Vielmehr ermächtigt sie den Verordnungsgeber, i.R.d. Anwendungsbereichs des Kartellvergaberechts Bestimmungen über das bei der Vergabe einzuhaltende Verfahren zu treffen. Dementsprechend ist § 1 VgV zu verstehen. Da die de-facto-Vergabe in den Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts fällt und daher die Bestimmungen über das bei der Vergabe einzuhaltende Verfahren einschlägig sind, lässt sich mit dem Verweis auf § 1 VgV sowie auf § 97 Abs. 6 GWB die Begrenzung der Vorabinformationspflicht auf förmliche Vergabeverfahren nicht begründen325. Ein Indiz dafür kann allerdings dem systematischen Aufbau der VgV entnommen werden. Denn die §§ 12 – 16 VgV, die gleichsam einen Unterabschnitt der VgV bilden, setzen entweder ausdrücklich (§ 16) oder zumindest inzident (§ 12, §§ 14 f.) die tatsächliche Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens voraus326. Das spricht dafür, dass auch § 13 VgV nur für förmliche Verfahren gelten soll. (3) Historische Auslegung Weiterführende Erkenntnisse im Hinblick auf die Erforderlichkeit eines förmlichen Vergabeverfahrens respektive die Nichtanwendbarkeit des § 13 VgV bei der de-facto-Vergabe gewährt dessen historische Auslegung. Einen ersten dahingehenden Hinweis liefern die „Wegbereiter“ der Vorabinformationspflicht, die Münz217 f.; Wegmann, NZBau 2001, S. 475, 478). Offengelassen von OLG Düsseldorf, VergabeR 2004, S. 216, 220. 324 Daher halten Dieckmann, NZBau 2001, S. 481, 482 und Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 513 die – hypothetische – Normierung einer Vorabinformationspflicht in der VgV für de-facto-Vergaben und deshalb auch eine dementsprechende Auslegung des § 13 VgV für verfassungswidrig. 325 A.A. BGH, VergabeR 2005, S. 328, 334; Dieckmann, NZBau 2001, S. 481, 482; Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 513; Gesterkamp, WuW 2001, S. 665, 669; Jasper / Pooth, ZfBR 2004, S. 543, 546; Portz, VergabeR 2002, S. 211, 217. Das Vorliegen eines Vergabeverfahrens unter Heranziehung eines materiellen Begriffsverständnisses bereits dann anzunehmen, wenn andere Bieter am Vergabevorgang tatsächlich beteiligt werden (so OLG Thüringen, VergabeR 2004, S. 113, 117; OLG Düsseldorf, VergabeR 2003, S. 435, 443) oder hätten beteiligt werden müssen (so OLG Dresden, VergabeR 2002, S. 142, 145 f.) ist daher nicht erforderlich. 326 Vgl. Kühnen in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 1 VgV Rdn. 1483; Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 97 GWB Rdn. 34.

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plättchen II-Entscheidung der Bundesvergabekammer sowie die Alcatel-Entscheidung des EuGH, denen ein förmliches Vergabeverfahren zugrunde lag327. Da der Verordnungsgeber die Quasi-Vorgaben dieser Entscheidungen mit § 13 VgV umsetzen wollte, ihm aber ebenso wie dem parlamentarischen Kartellvergabegesetzgeber mit Blick auf die Geschichte des Vergaberechtsschutzes berechtigterweise eine Tendenz zur weitestmöglichen Rechtsschutzbeschränkung unterstellt werden darf328, ist davon auszugehen, dass er auch die Vorabinformation nur in den vorgegebenen Grenzen – also für das förmliche Vergabeverfahren – normieren wollte. Diese Vermutung steht in Einklang mit der allgemeinen Zielsetzung der VgV, die auf die Sicherung zügiger öffentlicher Investitionstätigkeit und Rechtsklarheit gerichtet ist329, und wird darüber hinaus von der Gesetzesbegründung untermauert330. Diese stellt zwar nicht explizit auf förmliche Vergabeverfahren ab, aber inzident, indem sie die Vorabinformation als Mittel zur Verhinderung einer unerkannten bzw. unerkennbaren irreversiblen Zuschlagserteilung definiert. Der Zuschlag ist indes ein vergabeverfahrenstypischer und -eigener Begriff331. Er fällt nicht in eine zivilrechtliche Kategorie, sondern ist gleichsam Vertragsannahme und wirksamer Vertragsschluss in einem332. Zugleich wird mit ihm ein ordnungsgemäßer Wettbewerb abgeschlossen und dies durch einen formellen behördlichen Akt dokumentiert333. Er steht daher am Ende eines förmlichen Vergabeverfahrens. Damit wird offensichtlich, dass der Verordnungsgeber den Anwendungsbereich der Vorabinformationspflicht auf das förmliche Vergabeverfahren begrenzt sah und sehen wollte. Indem er i.R.d. Überarbeitung des § 13 VgV in Kenntnis der de-facto-Problematik und der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, die zumindest eine unmittelbare Anwendbarkeit des § 13 VgV auf de-facto-Vergaben ablehnen, diesbezüglich die Vorschrift nicht änderte, hat er gleichsam dieses Verständnis untermauert. (4) Teleologische Auslegung Die sich insoweit aus der Auslegung des § 13 VgV ergebende Beschränkung auf förmliche Vergabeverfahren steht schließlich im Einklang mit dem Sinn und Zweck der Vorabinformation des § 13 VgV. Mit dieser soll „dem Erfordernis eines effektiven Rechtsschutzes bis zur Zuschlagserteilung entsprochen und auch der Entscheidung des EuGH vom 28. Oktober 1999 (Rechtssache C-81 / 98) Rechnung 327 Ebenso Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 513; Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 479. 328 Vgl. Kap. 2 A. III. und Kap. 4 B. I. Vgl. auch KG, VergabeR 2005, S. 236, 243. 329 Vgl. BR-Drucks. 455 / 00, Anlage „Änderungen und Entschließung zur VgV“, S. 2. 330 Kritisch gegenüber der Heranziehung gesetzgeberischer Motive, die sich nicht im Wortlaut der Verordnung wieder finden, KG VergabeR 2002, S. 235, 239. 331 Vgl. Schimanek, ZfBR 2002, S. 39, 43. A.A. BKartA, VergabeR 2001, S. 433, 436. 332 Vgl. Kap. 4 A. I. 2. 333 Vgl. Kap. 4 A. III. 2. sowie Schimanek, ZfBR 2002, S. 39, 43.

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getragen“ werden, so dass „an dem bestehenden System des Zusammenfalls von Zuschlag und Vertragsschluss festgehalten“ werden kann334. Dieser dreifachen Zielsetzung wird eine auf das förmliche Vergabeverfahren begrenzte Vorabinformation gerecht, da jene selbst auf förmliche Verfahren beschränkt ist. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass § 13 VgV eine allgemeine und über das förmliche Vergabeverfahren hinausgehende Vorabinformationspflicht normieren soll335. Eine solche allgemeine Information wäre aber i.R.v. de-facto-Vergaben erforderlich, vor allem weil der Auftraggeber alle rechtsschutzsuchenden, mangels Ausschreibung jedoch nicht in Erscheinung getretenen Unternehmen gar nicht kennen kann. Weder geben die Gesetzesmaterialien entsprechende Hinweise336 noch kann eine solche Pflicht mit einem unterstellten gesetzgeberischen Willen zur grundsätzlichen Realisierung seiner verfassungs- und europarechtlichen Verpflichtungen337 begründet werden338, die auch für de-facto-Vergaben Primärrechtsschutz fordern. Im Gegenteil ist mit Blick auf die Verpflichtung zur individuellen Begründung339 davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber sich bewusst gegen eine allgemeine Informationspflicht und dementsprechend bewusst für die ausdrückliche Begrenzung auf „Bieter“ und damit auch auf förmliche Verfahren entschieden hat340. Vor dem Hintergrund des erheblichen, mit der Vorabinformation verbundenen Aufwands und der einschneidenden Nichtigkeitsfolge ist diese Beschränkung nachvollziehbar. Insbesondere rechtfertigt nicht die Gefahr der Umgehung der Vorabinformationspflicht des § 13 VgV durch Unterlassung der Ausschreibung eine beliebig weite und über den Wortlaut als Auslegungsgrenze341 hinausgehende Auslegung der Vorschrift342. Daneben soll die Vorabinformation die Bieter über die beabsichtigte Zuschlagserteilung sowie den Grund ihrer Nichtberücksichtigung in Kenntnis setzen. Die Vorabinformation i.R.d. de-facto-Vergabe hätte jedoch vor allem zum Ziel, über die Auftragsvergabe überhaupt zu unterrichten. Insofern steht diese hypothetische de-facto-Vorabinformationspflicht hinsichtlich der Art ihrer Erfüllung – als allgemeine Informationspflicht müsste sie ähnlich der Ausschreibung in einem öffentlichen Verfahren bekannt gemacht werden – und ihres Inhalts der Ausschrei334 335

BR-Drucks. 455 / 00, S. 19. Vgl. Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 6; Raabe, NJW 2004, S. 1284,

1287. Vgl. BR-Drucks. 455 / 00, S. 19; Hertwig, NZBau 2001, S. 241. Vgl. auch BR-Drucks. 455 / 00, S. 19. 338 Ähnlich Dieckmann, NZBau 2001, S. 481, 482; Heuvels / Kaiser, NZBau 2001, S. 479, 481. Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 6 nennen diese Unterstellung trefflich „mehr ein Hoffen als ein Vorsatz“. 339 Vgl. Kap. 5 A. II. 3. b). 340 Ebenso Dieckmann, NZBau 2001, S. 481, 482. 341 Vgl. Fn. 317 . 342 Dieckmann, NZBau 2001, S. 481, 483. 336 337

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bungspflicht näher als der Vorabinformationspflicht. Auch deshalb ist eine Informationspflicht i.R.d. de-facto-Vergabe nicht vom Sinn und Zweck des § 13 VgV gedeckt. Sie hätte jedenfalls ausdrücklich normiert werden müssen. (5) Richtlinienkonforme Auslegung Diese Rechtsschutzlücke kann auch durch eine Berücksichtigung der europarechtlichen Rechtsschutzvorgaben nicht korrigiert werden. Freilich verlangt die RMRL effektiven Vergabeprimärrechtsschutz auch i.R.v. de-facto-Vergaben343. Eine unmittelbare innerstaatliche Wirkung kommt Richtlinien allerdings grundsätzlich nicht zu. Zwar ist in Ausnahmefällen eine unmittelbare Geltung anerkannt, wenn die Richtlinie hinreichend bestimmt und nicht (ordnungsgemäß) umgesetzt worden ist344. Da die RMRL eine Vorabinformationspflicht indes nicht vorsieht – und wegen der ihr zugrunde liegenden zweistufigen Vergabestruktur auch nicht vorsehen muss –, muss die unmittelbare Geltung der RMRL hier von vornherein nicht weiter erörtert werden. Nicht von vornherein ausgeschlossen ist dagegen ein Ausfüllen der Rechtsschutzlücke im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung345 des § 13 VgV unter Berücksichtigung der europarechtlichen Rechtsschutzvorgaben. Denn allein die Ablehnung einer unmittelbaren Wirkung der Richtlinie schließt die Möglichkeit – oder sogar Pflicht – einer richtlinienkonformen Auslegung ebenso wenig aus346 wie die eventuell erfolgte, ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht347. Wenn daher die RMRL die effektive Nachprüfbarkeit und Aufhebbarkeit auch von de-facto-Vergaben verlangt und dies im deutschen Vergaberecht durch das verhältnismäßige Mittel der Vorabinformation am besten gewährleistet wäre, könnte aus der RMRL ein Gebot zur Effektuierung und insofern zur Erweiterung der Vorabinformationspflicht auf de-facto-Vergaben herzuleiten sein. Diese Vermutung scheint der EuGH zu bestärken, wenn er explizit auf die Verpflichtung des Auftraggebers zur Transparenz hinweist, die es ermöglichen soll, die Beachtung der Gemeinschaftsvorschriften zu gewährleisten348. Vgl. Kap. 5 A. III. 1. d). A.A. Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 513 f. St. Rspr. des EuGH seit EuGH, Slg. 1970, S. 825, 837 ff. Rdn. 2 ff. und des BVerfG seit BVerfGE 75, S. 223, 227 ff., 235 ff.; vgl. aus der Literatur nur Streinz, Europarecht, Rdn. 395. Anerkannt ist allerdings nur eine vertikale unmittelbare Wirkung (vgl. EuGH, Slg. 1986, S. 723, 748 f. Rdn. 47 f.). Jedoch ist der Begriff des Staats weit zu fassen (vgl. EuGH, Slg. 1990 I, S. 3313, 3348 Rdn. 20), so dass ein Großteil der öffentlichen Auftraggeber darunter fällt [vgl. Kap. 2 B. I. 1. b)]. 345 Vgl. zum Institut der richtlinienkonformen Auslegung EuGH, Slg. 1984, S. 1921, 1941 Rdn. 21 ff. und Slg. 2000 I, S. 4941, 4975 Rdn. 30; Streinz, Europarecht, Rdn. 403 ff. 346 Streinz, Europarecht, Rdn. 404. Dies verkennen Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 513 mit Verweis auf EuGH, NJW 2000, S. 569, 571 Rdn. 49 und OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 391, 395. 347 EuGH, Slg. 1994 I, S. 1657, 1673 Rdn. 10; Streinz, Europarecht, Rdn. 406. 348 EuGH, NZBau 2005, S. 111, 114 Rdn. 39. 343 344

A. Die Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV

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Insbesondere kann dem nicht unter Verweis auf Art. 6 Abs. 2 RMRL entgegengehalten werden, dass die RMRL lediglich Vorgaben für den Rechtsschutz vor Zuschlagserteilung bzw. Vertragsschluss enthalte und die Gestaltungsbefugnisse der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Rechtsverbindlichkeit abgeschlossener Verträge nicht antasten wolle349. Damit würde nicht nur verkannt, dass die Vorabinformation gerade vor Vertragsschluss erfolgen muss, sondern vor allem übersehen, dass die europarechtliche Ermächtigung zur Begrenzung des Rechtsschutzes nach Zuschlagserteilung auf Schadensersatz (Art. 2 Abs. 6 RMRL) unter dem Vorbehalt steht, dass davor effektiver Primärrechtsschutz gewährleistet ist350. Ebenso wenig verfängt der Einwand, dass mit der Erweiterung der Vorabinformationspflicht auf de-facto-Vergaben gleichsam eine – im Wege richtlinienkonformer Auslegung unzulässige – neuartige und im nationalen Recht nicht vorgesehene Verpflichtung begründet würde351. Zwar hätte die Erweiterung notwendig eine Änderung nicht nur des Adressatenkreises sondern auch des Informationsgehalts zur Folge, da eine individualisierte Information nicht mehr möglich und nur noch eine allgemeine Information zumutbar wäre. Doch ist die allgemeine Informationspflicht im Vergleich zur individualisierten kein alternatives, sondern lediglich ein in seiner Zielrichtung und seinem Inhalt abgewandeltes Rechtsschutzmittel 352. Allerdings ist auch eine richtlinienkonforme Auslegung nur innerhalb der nationalen Auslegungsgrenzen zulässig353. Ebenso wie die vorangestellte – verfassungskonforme – Auslegung stößt die vorliegende richtlinienkonforme daher an die Wortlautgrenze des § 13 VgV, der den Adressatenkreis auf „Bieter“ begrenzt, zumal diese Begrenzung auch mit der historischen und teleologischen Auslegung der Norm in Einklang steht354. Über diese Grenze kann auch ein dahingehender 349 Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 514; vgl. auch BR-Drucks. 455 / 00, S. 19. In diese Richtung auch Putzier, DÖV 2002, S. 517, 519. 350 Vgl. Kap. 4 B. III. 2. 351 In diese Richtung Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 7; ähnlich Dieckmann, NZBau 2001, S. 481, 482. Zur Unzulässigkeit der Begründung einer neuen Pflicht im Wege richtlinienkonformer Auslegung vgl. EuGH, Slg. 1987, S. 3969, 3986 Rdn. 13; Streinz, Europarecht, Rdn. 405. Das Europarecht kann damit zwar die Nichtanwendbarkeit einer bestehenden national-rechtlichen Verpflichtung (vgl. EuGH, VergabeR 2005, S. 472), nicht aber die neue Begründung einer national-rechtlichen Verpflichtung legitimieren. 352 Ähnlich Dreher, NZBau 2001, S. 244, 245 sowie Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 250 (Unterschied nur in der Regelungstechnik). 353 EuGH Slg. 1988, S. 673, 690 Rdn. 11; KG, ZfBR 2005, S. 302, 307; Dieckmann, NZBau 2001, S. 481, 482; Lück / Oexle, VergabeR 2004, S. 302, 306; Streinz, Europarecht, Rdn. 405; EuGH, Slg. 1984, S. 1891, 1909 Rdn. 26. Zu den verfassungsrechtlichen Grenzen einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung vgl. Di Fabio, NJW 1990, S. 947 ff. 354 Während der BGH (BGHZ 63, S. 261, 264; Z 87, S. 59, 61) eine Auslegung über den Wortlaut hinaus mit der Begründung zuzulassen scheint, der deutsche Normgeber wolle grundsätzlich eine europarechtskonforme Regelung erlassen, sieht das BVerfG (BVerfGE 75, S. 223, 227 ff., 235 ff.) aufgrund der Gefahr der Nivellierung des Unterschieds zwischen unmittelbarer Wirkung und richtlinienkonformer Auslegung die Grenze richtlinienkonformer Auslegung grundsätzlich im Wortlaut der Norm. Ebenso Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

Schluss nicht hinweghelfen, dass, weil das Europarecht die Gerichte zur Nichtanwendung nationaler Vorschriften verpflichten könne355, dies erst recht für einzelne Tatbestandsmerkmale – hier die Begrenzung auf „Bieter“ – gelten müsse. Jedenfalls wenn die Nichtanwendbarkeit einzelner Tatbestandsmerkmale im Ergebnis nicht zu einer Beschränkung des Regelungsbereichs einer Norm, sondern zu dessen Erweiterung führt, ist ein derartiger Schluss unzulässig. Mithin hilft auch eine richtlinienkonforme Auslegung des § 13 VgV nicht darüber hinweg, dass die Vorabinformationspflicht i.R.d. de-facto-Vergabe ausgeschlossen ist356. bb) Partielle analoge Anwendung des § 13 VgV auf de-facto-Vergaben Damit verbleibt zur Schließung der dargelegten Rechtsschutzlücke durch Erweiterung der Vorabinformationspflicht auf die de-facto-Vergaben die Möglichkeit einer analogen357 Anwendung des § 13 VgV358. Voraussetzung dafür ist zunächst dessen Analogiefähigkeit [(1)]. Daneben müssten sich die Nichterfassung der de-facto-Vergabe von § 13 VgV als planwidrige Regelungslücke [(2)] und die förmliche Vergabe auf der einen und die de-facto-Vergabe auf der anderen Seite als vergleichbare Sachverhalte darstellen [(3)]359.

2002, S. 1, 6. Da hier die Wortlautgrenze durch die historische und teleologische Auslegung bestätigt wird, dürfte dieser Streit nicht entscheidungserheblich sein. 355 Vgl. EuGH, VergabeR 2005, S. 472 ff.; Herrmann, VergabeR 2005, S. 518, 520. 356 I.E. ebenso, aber auf den systematisch bedingten Ausschluss von de-facto-Vergaben abstellend Burgi, NZBau 2003, S. 16, 21; Dieckmann, NZBau 2001, S. 481, 482; Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 513; Gesterkamp, WuW 2001, S. 665, 669; Heuvels / Kaiser, NZBau 2001, S. 479, 480 f. A.A. Hertwig, NZBau 2001, S. 241, 242, der einerseits eine Ausweitung des Adressatenkreises und damit die Verpflichtung zur europaweiten Bekanntgabe im Wege der richtlinienkonformen Auslegung und andererseits den Verzicht auf die Nennung individueller Gründe für die Nichtberücksichtigung im Wege einer „teleologischen Reduktion“ befürwortet. 357 Meist wird auf einen erst-recht-Schluß (a minori ad maius) als Unterfall der Analogie (vgl. Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 515 m. w. N.) zurückgegriffen: Die Sanktionierung von Vorabinformationspflichtverstößen müsse erst recht gelten, wenn ein öffentlicher Auftraggeber unter Missachtung jeglicher Vergaberegeln ein Verfahren vollständig unterlasse. Indem dafür lediglich auf § 13 VgV abgestellt wird, handelt es sich um eine Einzelanalogie; vgl. dazu Heinrichs in: Palandt, BGB, Einl. Rdn. 58. 358 Für eine Analogie Otting, VergabeR 2002, S. 11, 18; Stockmann, NZBau 2003, S. 591, 592. Gegen eine Analogie Antweiler, VergabeR 2002, S. 109, 110; Braun, NZBau 2001, S. 675, 678; Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 515 ff.; Gesterkamp, WuW 2001, S. 665, 669; Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 479; Jasper / Pooth, ZfBR 2004, S. 543, 545 f.; Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1 ff.; Schimanek, ZfBR 2002, S. 39, 41; Wegmann, NZBau 2001, S. 475, 478. 359 Vgl. Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 515.

A. Die Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV

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(1) Partielle Analogiefähigkeit von § 13 VgV Höchst fraglich ist bereits die Analogiefähigkeit von § 13 VgV. Diese ist zwar nicht bereits wegen des – vermeintlichen – Ausnahmecharakters des § 13 VgV und seiner Nichtigkeitsfolge abzulehnen360. Denn zum einen wurde die Nichtigkeitsfolge des § 13 S. 6 VgV als gleichsam den Unerheblichkeitsgrundsatz361 rechtfertigende Ausnahme herausgestellt, so dass insoweit der – rechtfertigende – Ausnahmecharakter eher für als gegen eine Analogiefähigkeit des § 13 VgV spricht362. Zum anderen – und vor allem – aber ist entgegen einer weitläufigen Ansicht363 die analoge Anwendung einer Ausnahmevorschrift – auch i.R.d. § 134 BGB – in den Grenzen ihres Zwecks nicht unstatthaft364. Entsprechendes dürfte auch hinsichtlich der Kompetenzgrenze der Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG i.V.m. § 97 Abs. 6 GWB gelten, so dass jedenfalls eine analoge Anwendung von § 13 VgV, die sich in den Grenzen der Ermächtigung hält, statthaft ist365. Schließlich steht einer Analogie auch nicht der bloß materielle Gesetzescharakter von § 13 VgV entgegen366. Unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit der analogen Anwendung mit dem Kompetenzbereich sowie dem Zweck der Ausgangsnorm ist daher ein Analogieschluss zulässig. Der Zweck des § 13 VgV besteht erkennbar in der faktischen Gewährleistung eines effektiven Vergabeprimärrechtsschutzes durch die Sicherstellung der rechtzeitigen Inkenntnissetzung der rechtsschutzsuchenden Unternehmen vom möglichen Vergabeverstoß und der drohenden erledigenden Zuschlagserteilung. Die Pri360 So aber KG, ZfBR 2005, S. 302, 307; Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 518; Jasper / Pooth, ZfBR 2004, S. 543, 546; Krist, VergabeR 2001, S. 436; Lindenthal, VergabeR 2003, S. 630, 631; Wegmann, NZBau 2001, S. 475, 478. 361 Soweit diesbezüglich pauschal auf § 114 Abs. 2 S. 1 GWB abgestellt wird, ist zu erwidern, dass diese Norm primär der Kompetenzverteilung zwischen primärrechtsschutzgewährenden Vergabekammern und nachgeordneten Gerichten einerseits und sekundärrechtsschutzgewährenden Zivilgerichten andererseits dient (vgl. BGH, VergabeR 2005, S. 328, 334 mit Verweis auf BGH, VergabeR 2004, S. 201, 205). Der hier maßgebliche Unerheblichkeitsgrundsatz ist dort lediglich zum Ausdruck gebracht, so dass von einer Ausnahme zu § 114 Abs. 2 S. 1 GWB nicht gesprochen werden kann. Vgl. Kap. 4 A. III. 3. 362 In diese Richtung auch BGH, VergabeR 2005, S. 328, 334. 363 Vgl. KG, ZfBR 2005, S. 302, 307; Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 517, zu Unrecht verweisend auf BGH, NJW 1989, S. 227 und 461 (vgl. auch die folgende Fn.). 364 Vgl. BGHZ 26, S. 78, 83; BayObLG, NJW 2000, S. 1875; Hausmann / Bultmann, ZfBR 2005, S. 309, 311; Heinrichs in: Palandt, BGB, Einl. Rdn. 63. Genauso auch BGH, NJW 1989, S. 227 und 460 f., so dass der Verweis der Gegenansicht auf diese Entscheidung (vgl. Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 517 Fn. 68) nicht verfängt. 365 A.A., allerdings auch undifferenziert auf die de-facto-Vergabe an sich abstellend Burgi, NZBau 2003, S. 16, 21; Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 517; Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 5. In die hier vertretene Richtung, allerdings in Bezug auf Satzungen Gern, NVwZ 1995, S. 1145, 1148 f. 366 Vgl. BGH, VergabeR 2005, S. 328, 335; Gern, NVwZ 1995, S. 1145, 1148 f. A.A. wohl Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 517.

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

märrechtsschutzgewährleistung beschränkt § 13 VgV zwar auf förmliche Verfahren, doch widerspricht eine Ausweitung dieser auf de-facto-Vergaben – wie im Folgenden dargelegt wird – nicht zwingend dem Sinn und Zweck des § 13 VgV. Um die Erfüllung der Vorabinformationsverpflichtung dem Auftraggeber zu ermöglichen und zumuten zu können, sollen allerdings nur diejenigen Unternehmen informiert werden müssen, die verbindlich ihr Interesse bekundet haben. Diese Zwecksetzung ist mit Blick auf die vorgeschriebene individuelle Begründung der Vorabinformation auch erforderlich, da der Auftraggeber den Kreis aller potentiellen Bieter nicht kennt und kennen kann und daher eine entsprechende Ausweitung der individualisierten Informationspflicht der Begründung einer objektiv nicht erfüllbaren Pflicht entspräche367. Dies widerspräche nicht nur der geltenden Rechtsordnung368, sondern stellte wegen der dann regelmäßig eintretenden Nichtigkeitsfolge eine Umgehung des Verbots zur Schaffung eigener Nichtigkeitstatbestände369 und damit einen Missbrauch von § 134 BGB dar370. Dadurch dass sich der Verordnungsgeber – nachvollziehbar – gegen eine allgemeine Information aller und für eine individuelle Information der offensichtlich schutzbedürftigen Unternehmen entschieden hat, ist die Analogiefähigkeit des § 13 VgV mithin dahingehend begrenzt, dass die Informationspflicht nur gegenüber einem umgrenzten und individualisierbaren Adressatenkreis bestehen darf371. Dies wird im Grundsatz vielfach anerkannt, aber mit der Formulierung, der Analogieschluss sei nur für wettbewerbliche de-facto-Vergaben zulässig372, unklar zum Ausdruck gebracht. Denn die Frage des Adressatenkreises ist von derjenigen des Verfahrens zu trennen373. Das bloße Abstellen auf wettbewerbliche Verfahren lässt die Frage offen, wer Adressat der dort geltenden Vorabinformationspflicht ist. Vielmehr greift die Vorabinformationspflicht – analog – in grundsätzlich jedem de367 Ebenso Dieckmann, NZBau 2001, S. 481, 482; Lindenthal, VergabeR 2003, S. 630, 633; Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 9; ähnlich Heuvels / Kaiser, NZBau 2001, S. 479, 480. Auf den bloßen Wortlaut („Bieter“) abstellend KG, ZfBR 2005, S. 302, 307. Dem steht nicht entgegen, dass nach h. M. das Fehlen der individuellen Gründe für die Nichtberücksichtigung nicht zwingend die Nichtigkeitsfolge des § 13 S. 6 VgV hervorrufen soll. Denn anerkanntermaßen gehört deren Nennung dennoch zu den Mindestvoraussetzungen einer Vorabinformation i. S. d. § 13 VgV, da nur so dem nichtberücksichtigten Bieter eine Einschätzung der Erfolgsaussichten eines möglicherweise kostspieligen Nachprüfungsverfahrens ermöglicht wird; vgl. Kap. 5 A. II. 3. a) cc) u. b). 368 Vgl. Kaiser, NZBau 2005, S. 311, 312; Lindenthal, VergabeR 2003, S. 630, 633 mit Verweis auf § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG als exemplarischer Bestätigung dieses Grundsatzes. Darüber hinaus erschiene die Begründung der Nichtigkeitsfolge über § 134 BGB fragwürdig. 369 Vgl. auch Kap. 4 A. II. 3. a) u. Kap. 5 A. I. 1. a). 370 Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 7. 371 Ähnlich BGH, VergabeR 2005, S. 328, 335; OLG Düsseldorf, VergabeR 2005, S. 343, 345 f.; dass., VergabeR 2004, S. 216 ff.; Dieckmann, VergabeR 2005, S. 10, 13 f.; ders., NZBau 2001, S. 481, 482. A.A. wohl Diercks, NZBau 2005, S. 295, 296. 372 Vgl. Fn. 371. 373 Soweit ersichtlich hat dies bislang nur Hermann, VergabeR 2005, S. 518, 519 f. ebenso gesehen.

A. Die Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV

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facto-Vergabeverfahren, aber nur gegenüber den individualisierten Adressaten. Dass jenes Verfahren, weil es insofern individualisierte Adressaten voraussetzt, zugleich ein wettbewerbliches sein muss, ist weniger Voraussetzung als eher eine Konsequenz der Voraussetzungen für die analoge Anwendbarkeit des § 13 VgV. (2) Planwidrige Regelungslücke Ist damit § 13 VgV partiell analogiefähig, stellt sich die Frage nach dem Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke im Hinblick auf die de-facto-Vergabe. Dass in einem durch das Zusammenfallen von Zuschlagserteilung und Vertragsschluss geprägten öffentlichen Auftragswesen eine Vorabinformationspflicht Ausfluss des verfassungs- und europarechtlichen Gebots vorrangiger Primärrechtsschutzgewährung ist und vergaberechtlicher Rechtsschutz prinzipiell allen Unternehmen i. S. d. §§ 97 Abs. 7, 107 Abs. 2 GWB unabhängig von einem Bieterstatus und der Einleitung eines förmlichen Vergabeverfahrens zustehen muss, wurde bereits dargestellt374. Die Begrenzung des § 13 VgV auf eine Informationspflicht gegenüber Bietern in einem förmlichen Vergabeverfahren eröffnet damit gleichsam eine Regelungslücke im Hinblick auf Unternehmen, denen ebenfalls ein subjektives Recht i. S. d. § 97 Abs. 7 GWB – hier v.a. dasjenige auf Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens gem. §§ 97 Abs. 1 i.V.m. 101 Abs. 1 GWB – zusteht und die ersichtlich am Auftrag interessiert sind oder wären, aber infolge der fehlenden Ausschreibung kein Angebot abgegeben haben375. Zweifelhaft ist jedoch die Planwidrigkeit dieser Regelungslücke. Bedeutung erlangt dabei die Frage, ob bei der Überprüfung der Planwidrigkeit einer Regelungslücke von Rechtsverordnungen auf den Normgeber oder auf den Ermächtigungsgeber abzustellen ist, der die Verordnung gleichsam in seinen Willen (und sein Gesetz) aufnimmt. (a) Abstellen auf den Verordnungsgeber Ein Problembewusstsein des Verordnungsgebers hinsichtlich des Primärrechtsschutzausschlusses bei der de-facto-Vergabe und damit eine bewusste Nichtregelung der Vorabinformationspflicht für diese Fälle kann weder eindeutig bejaht noch verneint werden. Wie bereits dargelegt, hat der Verordnungsgeber die Vorabinformationspflicht bewusst für förmliche Verfahren geregelt. Zwar sind keine eindeutigen Hinweise ersichtlich, dass ihm bei Erlass der Verordnung die de-facto-Problematik bekannt war und deshalb von der bewussten Regelung für förmliche Verfahren auf einen bewussten Ausschluss für de-facto-Vergaben geschlossen werden kann. Auf der anderen Seite gibt es keine eindeutigen Belege für eine Unkenntnis des Verordnungsgebers. Zudem kannte der Parlamentsgesetzgeber diese Problematik und hat sie in der Begründung des VgRÄG ausdrücklich benannt376. Vor allem 374 375 376

Vgl. Kap. 5 A. I. 1. b) bb) (2) u. II. 1. Ähnlich BGH, VergabeR 2005, S. 328, 334 f. BT- Drucks. 13 / 9340, S. 17.

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

aber musste dem Verordnungsgeber zumindest im Zeitpunkt der Neufassung des § 13 VgV im Jahre 2003, in dem die Diskussion um die de-facto-Vergabe bereits entbrannt war, dieselbe bekannt gewesen sein, so dass seine diesbezügliche Untätigkeit trotz Kenntnis eine Planwidrigkeit ausschließt. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu berücksichtigen, dass seine Kompetenzen im hypothetischen Fall einer Ausweitung der Vorabinformationspflicht auf de-facto-Vergaben von dem überwiegenden Teil der Rechtsprechung und der Literatur als überschritten angesehen werden, da diese nur zur Regelung des förmlichen Vergabeverfahrens ermächtigten377. Insofern ist nicht auszuschließen, dass der Verordnungsgeber sich rechtlich außer Stande sah, eine weitergehende Informationspflicht zu normieren und dies deswegen bewusst unterließ378. Dann aber müsste eine planwidrige Regelungslücke, verstanden als unbewusste und unbeabsichtigte Nichtregelung eines Sachverhalts, abgelehnt werden. (b) Abstellen auf den parlamentarischen Ermächtigungs- und Gesetzgeber Mit Blick auf diese allgemein – allerdings zu Unrecht379 – angenommene Begrenzung der Verordnungsermächtigung, die eine Ausweitung der Vorabinformation auf de-facto-Vergaben beschränkt, könnte bezüglich der Planwidrigkeit statt auf den Verordnungsgeber auf den (Ermächtigungs-)Gesetzgeber abzustellen sein. Dieser hat die VgV in das Kartellvergaberecht und damit in seinen Willen integriert380. Wenn die VgV – aufgrund der beschränkten Ermächtigung durch den Parlamentsgesetzgeber – trotz eines grundsätzlichen Anliegens des Kartellvergaberechts nur für einen Teilbereich eine sachgerechte Lösung enthält, ist mithin eine analoge Heranziehung von § 13 VgV erforderlich381 und insofern unter dem Vorbehalt einer entsprechenden Planwidrigkeit seitens des Parlamentsgesetzgebers zulässig. Der Gesetzgeber hat in der Begründung zu § 107 GWB selbst festgestellt, dass „Die Verletzung . . . auch darin bestehen (kann), dass die Ausschreibung einer Vergabe rechtswidrig unterblieb“382. Ihm war folglich die Gefahr von Vergabeverstößen außerhalb förmlicher Vergabeverfahren bekannt383. Dass er trotz dieser Kenntnis derartige Vergabeverstöße nicht gesetzlich sanktionierte und weder selbst einen effektiven Rechtsschutz dagegen noch – so die herrschende Auffassung384 – eine Vgl. Kap. 5 A. I. 1. a). So Burgi, NZBau 2003, S. 16, 21; Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 5. 379 Vgl. Kap. 5 A. I. 1. a). 380 Ähnlich Erdl, VergabeR 2001, S. 10, 12. 381 Vgl. BGH, VergabeR 2005, S. 328, 335. 382 Vgl. BT-Drucks. 13 / 9340, S. 17. 383 Ebenso OLG Düsseldorf, VergabeR 2004, S. 216, 221; Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 515. 384 Vgl. Kap. 5 A. I. 1. a) u. b). 377 378

A. Die Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV

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dahingehende Verordnungsermächtigung schuf, wird als Indiz für den Willen des Kartellvergabegesetzgebers zur möglichst ausnahmslosen Beibehaltung des vergaberechtlichen pacta-sunt-servanda-Prinzips erachtet385 – eine Schlussfolgerung, die durch die Entstehungsgeschichte des Kartellvergaberechts bestätigt zu werden scheint und mit den Entscheidungen Münzplättchen II und Alcatel durch ihre Vorgaben für den Primärrechtsschutz vor Zuschlagserteilung und Vertragsschluss in Einklang steht386. Bei näherer Betrachtung erweist sich der Hinweis auf die Begründung zu § 107 GWB jedoch als nicht stichhaltig: Primäres, in der Begründung zum VgRÄG genanntes Ziel ist die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes im Wege des Nachprüfungsverfahrens für jedes interessierte Unternehmen, soweit diesem ein Schaden zu entstehen droht und es in seinen Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt ist. § 97 Abs. 7 GWB i.V.m. §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 GWB beinhaltet ein Recht auf Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens, wie die Gesetzesbegründung klarstellt. Insofern war dem Parlamentsgesetzgeber zwar die de-facto-Problematik bekannt, er wollte jedoch auch derartige Vergabeverstöße im Wege des Nachprüfungsverfahrens ahnden lassen können. Deshalb setzt die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens auch nicht die Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens voraus. Unbekannt war dem Gesetzgeber indes, dass effektiver Rechtsschutz aufgrund des Zusammenfallens von Zuschlag und Vertragsschluss einer Vorabinformationspflicht bedurfte. Dies zeigte sich erst nach Erlass des VgRÄG387. Insbesondere war § 97 Abs. 6 GWB nicht darauf angelegt, die Bundesregierung zur Normierung einer Vorabinformationspflicht zu ermächtigen, sondern wurde im Nachhinein als Notanker für eine schnelle diesbezügliche Regelung genutzt. Die – ohnehin zu Unrecht unterstellte – Begrenzung der Ermächtigungsgrundlage kann daher ebenso wenig wie die unterlassene eigene Normierung einer Informationspflicht als Indiz dafür gewertet werden, dass der Parlamentsgesetzgeber de-facto-Vergaben vom Vergabeprimärrechtsschutz ausschließen wollte. Mithin ist die Planwidrigkeit der Nichterfassung von de-facto-Vergaben i.R.d. § 13 VgV anzunehmen. (3) Unvergleichbarkeit der Sachverhalte Schließlich erfordert eine analoge Anwendung von § 13 VgV die Vergleichbarkeit des normierten mit demjenigen Sachverhalt, auf den die Regelung entsprechend angewandt werden soll. Durch die normbedingte Begrenzung des Analogie385 So Gesterkamp, WuW 2001, S. 665, 669; ähnlich OLG Düsseldorf, VergabeR 2004, S. 216, 221; Jasper / Pooth, ZfBR 2004, S. 543, 546. 386 Vgl. Kap. 4 B. I. sowie Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 515 f. Der Verweis auf § 114 Abs. 2 S. 1 GWB verfängt indes nicht, da dieser primär der Kompetenzverteilung zwischen der primärrechtsschutzgewährenden Vergabekammer nebst nachgeordneten Gerichten einerseits und den sekundärrechtsschutzgewährenden Zivilgerichten andererseits dient, vgl. Fn. 361. 387 Vgl. Kap. 4 B. I.

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

schlusses auf eine Vorabinformation i.R.d. de-facto-Vergabe nur gegenüber einem individualisierbaren Adressatenkreis sind einige Einwände gegen die Vergleichbarkeit von förmlichen und de-facto-Vergaben a priori entkräftet worden. So verfängt die These der Inkomparabilität der allgemeinen, eine individualisierte Begründung ausschließenden Informationspflicht mit der individuellen Informationspflicht des § 13 VgV nicht388. Ebenso wenig überzeugt der Verweis auf die unterschiedlichen Rechtsfolgen, wonach die im förmlichen Verfahren erfüllbare Informationspflicht die Überprüfbarkeit einer Vergabe gewährleiste, während die bei de-facto-Vergaben unerfüllbare Informationspflicht faktisch unmittelbar auf die Nichtigkeit jeder de-facto-Vergabe abziele389. Die übrigen und noch nicht von vornherein ausgeschlossenen vorgebrachten Unterschiede zwischen einer Informationsverpflichtung im förmlichen und im de-facto-Verfahren können eine Unvergleichbarkeit nicht begründen, wie die nachfolgende Untersuchung zeigt390: (a) Die subjektive „Vorwerfbarkeit“ gegenüber dem Auftraggeber und die Zielrichtung der Informationspflicht So wird zum einen auf die Vorwerfbarkeit hinsichtlich des Unterlassens der Vorabinformation gegenüber dem Auftraggeber abgestellt. Während dieser sich in einem förmlichen Vergabeverfahren typischerweise seiner Vorabinformationspflichtverletzung bewusst sei, da deren Voraussetzungen im Gesetz klar definiert und die zu informierenden Bieter dem Auftraggeber bekannt seien, könne bei de-facto-Vergaben eine individuelle Vorwerfbarkeit als Voraussetzung eines erst-recht-Schlusses nicht pauschal angenommen werden391. Denn regelmäßig ginge der Auftraggeber davon aus, dass das Kartellvergaberecht und damit eine Vorabinformations388 Vgl. Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 516; Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 6. 389 Vgl. Dieckmann, NZBau 2001, S. 481, 482; Lindenthal, VergabeR 2003, S. 630, 633. Ähnlich Kaiser, NZBau 2005, S. 311, 312. Daneben ist zu berücksichtigten, dass die Aufhebung des Zuschlags trotz Eintritts der Nichtigkeitsfolge im Ermessen der Vergabekammer läge, so dass diese die Aufhebung insbesondere dann versagen könnte, wenn der Vertrag vollständig durchgeführt worden wäre oder wenn der ausgewählte Bieter tatsächlich das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hätte [vgl.dazu Kap. 5 A. I. 1. b) bb) (2)]. 390 Der Verweis auf Art. 3 GG wegen einer Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte ist in dem Zusammenhang nicht weiterführend. Ein Recht des übergangenen Unternehmens auf Einhaltung der Verfahrensvorschriften als Ausprägung von Art. 3 GG ist allenfalls anzuerkennen, soweit es tatsächlich ein wirtschaftlicheres Angebot abgegeben hat. Da der Analogieschluss indes unabhängig vom Vorliegen eines wirtschaftlicheren Angebots erfolgt, darf Art. 3 GG nicht herangezogen werden (vgl. auch Lindenthal, VergabeR 2003, S. 630, 637). Zudem berechtigte die Verletzung des Rechts aus Art. 3 GG allenfalls zur Verwerfung des § 13 S. 6 VgV für das förmliche Verfahren, keinesfalls aber zur teleologischen Erweiterung dessen Anwendungsbereichs (vgl. Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 516). 391 OLG Düsseldorf, VergabeR 2004, S. 216, 221 f.; Dieckmann, NZBau 2001, S. 481, 482; Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 516; Lindenthal, VergabeR 2003, S. 630, 634. Vgl. auch Jasper / Pooth, ZfBR 2004, S. 543.

A. Die Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV

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pflicht nicht einschlägig sei, und unterlasse demzufolge unbewusst sowohl die Ausschreibung als auch die Information. Folglich beziehe sich die Vorwerfbarkeit im förmlichen Verfahren auf die – absichtliche oder grob fahrlässige392 – Nichtbeachtung der eindeutigen Verpflichtung zur Vorabinformation und im de-facto-Verfahren auf die Nichtbeachtung der Verpflichtung zur Ausschreibung. Dieser Vorwurf sei jedoch weniger gravierend, da die Anwendbarkeit des Kartellvergaberechts und infolgedessen die Ausschreibungspflicht auf rechtlich teilweise noch ungeklärten und tatsächlich oftmals schwer festzustellenden Kriterien beruhe393. Aufgrund dieser Differenzen in Intensität und Zielrichtung des Verstoßes sei die unterlassene Vorabinformation bei de-facto-Vergaben kein minus394, sondern ein aliud395. Darüber hinaus dürfe der Auftraggeber, der ein förmliches Verfahren unterlasse, nicht besser dastehen als derjenige, der ein solches durchführe396. Diese Auffassung verkennt jedoch, dass auch bei de-facto-Vergaben die unterlassene Vorabinformationspflicht und nicht die unterlassene Ausschreibungspflicht Anknüpfungspunkt der Vorwerfbarkeit ist, selbst wenn jene diese bedingt. Unterschiede liegen lediglich im informativen Schwerpunkt, der im förmlichen Verfahren allein auf der beabsichtigten Zuschlagserteilung, im de-facto-Verfahren daneben auf der unterlassenen Ausschreibung liegt. Des Weiteren stellt § 134 BGB ebenso wenig wie § 13 VgV auf eine subjektive Vorwerfbarkeit ab, so dass dieses Kriterium zur Begründung der Inkomparabilität der verschiedenen Informationspflichtverletzungen ohnehin ungeeignet erscheint. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die Nichtigkeitsfolge in erster Linie nicht auftraggeberbezogen, quasi als „Bestrafung“ für die unterbliebene Vorabinformation, sondern bieterbezogen ausgestaltet ist, indem sie dessen Primärrechtsschutzmöglichkeiten offen hält. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die rechtliche Einordnung eines geplanten Vorgehens zum allgemeinen Risiko gehört, das jeder zu tragen hat, der am Rechtsleben teilnehmen will397, und vor allem zum Risiko des öffentlichen Auftraggebers, den aufgrund seiner übergeordneten Stellung und der Bedeutung der Auftragsvergabe eine besondere Verantwortlichkeit trifft398. In Zweifelsfällen steht Lindenthal, VergabeR 2003, S. 630, 634. Lindenthal, VergabeR 2003, S. 630, 634; vgl. auch Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 511; Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 475. Unsichere Faktoren sind z. B. die Auftraggebereigenschaft und die z. T. auf Prognosen beruhende Berechnung des Auftragswerts. Unkritisch hingegen Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 11. 394 So aber Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 4. 395 Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 516; ähnlich Kaiser, NZBau 2005, S. 311, 312. 396 So OLG Düsseldorf, VergabeR 2003, S. 435, 442 ff. Vgl. dazu Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 512 397 BGH, VergabeR 2005, S. 328, 335; ähnlich OLG Düsseldorf, NZBau 2003, S. 400, 405. Dies anerkennt auch Lindenthal, VergabeR 2003, S. 630, 634. 398 Vgl. Diercks, NZBau 2005, S. 295 f., wonach der Auftraggeber im Zweifel das Kartellvergaberecht inklusive Informationspflicht anwenden müsse. 392 393

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

dem Auftraggeber die – realiter auch praktizierte399 – Möglichkeit der Einholung von Rechtsgutachten offen400. (b) Die „Bösgläubigkeit“ des erfolgreichen Bieters Zum anderen wird zur Vergleichbarkeit der Sachverhalte aus Bietersicht eingewandt, im förmlichen Verfahren könne sich der erfolgreiche Bieter selbst von der Einhaltung der Informationspflicht überzeugen oder sich unter Festlegung spezieller Sanktionsfolgen jene zusichern lassen, so dass der Nichtigkeitsfolge des § 13 S. 6 VgV die Vorstellung eines „bösgläubigen“ erfolgreichen Bieters zugrunde liege401. Entsprechende Möglichkeiten bestünden für den erfolgreichen Bieter eines defacto-Vergabeverfahrens nicht, da diesem typischerweise weder andere Anbieter bekannt seien noch ihm das GWB verfahrensrechtliche Möglichkeiten zur rechtsverbindlichen Vorabklärung zur Verfügung stelle402. Im Gegensatz zum erfolgreichen Bieter in einem förmlichen Verfahren sei der erfolgreiche de-facto-Bieter daher typischerweise gutgläubig. Neben der so begründbaren Inkompatibilität sei auch aus Wertungsgesichtspunkten, vor allem aus Gründen der Rechtssicherheit, die Vorabinformationspflicht mit ihrer Nichtigkeitsfolge, der schärfsten Waffe des Zivilrechts, unangemessen403. In den Ausnahmefällen bewusster und kollusiver Umgehung von Ausschreibung und Vorabinformation könne schließlich auf § 138 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden404. Hiergegen ist einzuwenden, dass die unterstellte Bösgläubigkeit des erfolgreichen Bieters regelmäßig weder gegeben noch entscheidend405 ist. Eine Information des erfolgreichen Bieters über die Durchführung der Vorabinformation i. S. d. § 13 VgV durch den Auftraggeber erfolgt nicht. Angesichts der teilweise existenziellen Bedeutung der Auftragsvergabe und der übergeordneten Stellung der Auftraggeber ist es zudem realitätsfremd und kaum zumutbar, von einer dahingehenden Eigeninitiativpflicht auszugehen, dass der erfolgreiche Bieter sich über die Durchführung der Vorabinformation informiert oder sogar für den Fall der Unterlassung Vgl. OLG Düsseldorf, VergabeR 2004, S. 216, 217. Dies verkennt Dieckmann, NZBau 2001, S. 481 f. 401 Schimanek, ZfBR 2002, S. 39, 41; darauf verweist Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 517. 402 Dieckmann, NZBau 2001, S. 481, 482; Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 516 f.; Hailbronner, NZBau 2002, S. 474, 480; Schimanek, ZfBR 2002, S. 39, 41. 403 Putzier, DÖV 2002, S. 517, 519; ähnlich Dieckmann, NZBau 2001, S. 481 f. Lindenthal, VergabeR 2003, S. 630, 636 f. erkennt in dem Analogieschluss überdies einen Verstoß gegen Art. 14 GG, der den vertraglichen Anspruch des erfolgreichen Bieters schütze, der, da es sich bei der Analogie um eine nachträgliche richterliche Rechtsfortbildung handele, zunächst wirksam entstanden sei. 404 Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 517 mit Verweis auf OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 397; vgl. auch Wegmann, NZBau 2001, S. 475, 479. 405 Auf die Bösgläubigkeit des Vertragspartners kommt es für die Nichtigkeitsfolge nicht an, vgl. Wegmann, NZBau 2001, S. 475, 477. 399 400

A. Die Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV

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Sanktionen androht, zumal selbst die spätere Geltendmachung der fehlenden Vorabinformation durch einen nichtberücksichtigten Bietern ihn nicht schlechter stellte, da so oder so ein Nachprüfungsverfahren durchgeführt würde. Vielmehr würde er bei später festgestellter Unwirksamkeit des Vertrags möglicherweise vom Auftraggeber Schadensersatz verlangen können406. Da keine durch den Auftraggeber vermittelte Kenntnis vorliegt und mangels Eigeninformationspflicht die – auch grob – fahrlässige Unkenntnis in diesem Fall der Bösgläubigkeit nicht gleichzustellen ist, ist der erfolgreiche Bieter regelmäßig nicht bösgläubig407. Außerdem ist anzunehmen, dass der Verordnungsgeber eine Vorabinformationspflicht auch gegenüber dem erfolgreichen Bieter – quasi als Beweis für die Durchführung der Vorabinformation gegenüber den nichtberücksichtigten Bietern – angeordnet hätte, wenn er tatsächlich die Vorabinformation mit ihrer Nichtigkeitsfolge mit der „Bösgläubigkeit“ des erfolgreichen Bieters hätte begründen wollen. Dies ist allerdings nicht geschehen. Überdies gehört es nach dem hier maßgeblichen § 97 GWB nicht zu den Aufgaben des Vergaberechts, das Vertrauen der Beteiligten auf die Wirksamkeit eines Vertragsschlusses zu schützen, zumal auch im Zivilrecht jede Einigung unter dem Vorbehalt der rechtlichen Wirksamkeit steht. Zudem wird ein Anspruch auf den zu erteilenden Auftrag nur in engen Grenzen anerkannt. Insofern besteht auch für das Unternehmen eine unter Eigentumsgarantie stehende Rechtsposition regelmäßig erst nach dem wirksamen Zustandekommen des Vertrags, wobei sich die Wirksamkeit an der Gesetzeslage orientiert, zu der neben dem unmittelbaren Regelungsgehalt der einschlägigen Vorschriften auch durch Analogieschluss gewonnene Regeln gehören408. (c) Die Rechtsunsicherheit aufgrund der Nichtigkeitsfolge Ein letzter Einwand besteht schließlich in der Befürchtung eines Zustands der Rechtsunsicherheit, da angesichts der vielfältigen ungeklärten Fragen über die Reichweite des Kartellvergaberechts viele Verträge dem Verdikt der Nichtigkeit ausgesetzt wären409. Selbst bei einem pflichtbewussten Auftraggeber drohe desSo Wegmann, NZBau 2001, S. 475, 477 Fn. 28. Ähnlich Lindenthal, VergabeR 2003, S. 630, 631, i.E. aber eine Analogie ablehnend. 408 BGH, VergabeR 2005, S. 328, 335. A.A. Lindenthal, VergabeR 2003, S. 630, 636 f., der in dem rechtsfortbildenden Urteilsspruch erst die Schaffung des Rechts erkennt, das die Nichtigkeit begründet, wohingegen der Vertrag nach dem bis zu dem Richterspruch existierenden Rechtsbestand wirksam gewesen sei und daher Art. 14 GG unterfalle. Selbst wenn dem Richter für die Zukunft eine Inhaltsbestimmung des Eigentums zustehe, greife er für die bereits abgeschlossenen Fälle in grundrechtlich geschützte Eigentumspositionen ein, indem er sie vollständig entziehe. Dies sei nur gerechtfertigt bei Gründen öffentlichen Interesses, die so schwerwiegend sind, dass sie Vorrang haben vor dem Vertrauen des Bürgers in den Fortbestand seines Rechts. Zudem sei nur unter besonderen Voraussetzungen eine übergangslose Regelung zulässig. Das Vertrauen des Bieters sei jedoch regelmäßig berechtigt, da die Gründe für das Unterbleiben der Ausschreibung typischerweise in unbewussten Fehleinschätzungen lägen. 406 407

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

halb nicht selten die Unwirksamkeit des Vertrags gem. § 13 VgV410, weil er das Kartellvergaberecht für nicht anwendbar gehalten und deswegen nicht vorabinformiert habe. Darüber hinaus erlange der Auftraggeber mangels Rügeobliegenheit i.R.v. de-facto-Vergaben411 typischerweise erst zu einem späten Zeitpunkt Kenntnis von dem möglichen Vergabeverstoß und der Nachprüfungsabsicht des nichtberücksichtigten Unternehmens412 mit schwerwiegenden Folgen für die Rückabwicklung. Die in der Sicherung zügiger öffentlicher Investitionstätigkeit und Rechtsklarheit bestehenden Zielsetzungen der VgV413 vernachlässige daher ein Analogieschluss. Insofern könne eine Vergleichbarkeit nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden414. In diesem Zusammenhang ist zunächst zu konstatieren, dass die Rügeobliegenheit auch bei de-facto-Vergaben greift und somit eine durch den Bieter initiierte Verzögerung nach Kenntniserlangung ausgeschlossen ist415. Zwar stellt § 107 Abs. 3 GWB ausdrücklich auf ein durchgeführtes Vergabeverfahren ab416. Doch muss mit der analogen Anwendung der Vorabinformationspflicht auf de-facto-Verfahren einerseits jedenfalls eine analoge Anwendung der Rügeobliegenheit auf defacto-Verfahren andererseits einhergehen. Zudem beinhaltete die eigenmächtige Verzögerung trotz Kenntnis die Gefahr der Verwirkung417. Vor allem aber rechtfertigt allein die Rechtsunsicherheit nicht die (analoge) Unanwendbarkeit von § 13 VgV418, zumal die Betroffenen, nämlich der Auftraggeber, der sich über die Einschlägigkeit der Vorabinformationspflicht informieren kann und muss, und der erfolgreiche Bieter, der bis zur Vertragswirksamkeit noch keine (vertrauens-) schutzwürdigen Rechtspositionen erlangt hat, im Vergleich zum rechtswidrig nichtberücksichtigten Bieter weniger schutzwürdig erscheinen419. Darüber hinaus 409 Vgl. OLG Naumburg, NZBau 2003, S. 224, 226; Bergmann / Grittmann, NVwZ 2004, S. 946, 948; Byok / Jansen, VergabeR 2003, S. 598, 600 („vom juristischen Laien, den der Öffentliche Auftraggeber zumeist mit der Vergabe betraut, kaum mehr zu leisten“); Dieckmann, NZBau 2001, S. 481 („Damoklesschwert der Nichtigkeit“; wenn auch bzgl. der erweiternden Auslegung); Jasper / Pooth, ZfBR 2004, S. 543, 546. 410 OLG Düsseldorf, VergabeR 2001, S. 429, 430. 411 Lindenthal, VergabeR 2003, S. 630, 631 mit Verweis auf BayObLG, VergabeR 2002, S. 244. 412 OLG Düsseldorf, VergabeR 2004, S. 216, 221. Vgl. zu den Folgen der Vertragsnichtigkeit für Auftraggeber und „erfolgreichen“ Bieter auch Kap. 5 A. I. 1. b) bb) (2). 413 Vgl. BR-Drucks. 455 / 00, Anlage „Änderungen und Entschließung zur VgV“, S. 2. 414 Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 517. Vgl. auch OLG Düsseldorf, VergabeR 2004, S. 216, 221 f.; Lindenthal, VergabeR 2003, S. 630, 631. 415 Hinsichtlich der Rügeobliegenheit ebenso VgK Magdeburg, ZfBR 2003, S. 509, 510. A.A. BayObLG, VergabeR 2002, S. 244, 247; KG, VergabeR 2005, S. 236, 237. 416 Vgl. Kap. 5 A. III. 2. a). 417 Vgl. KG, VergabeR 2005, S. 236, 237. 418 Burgi, NZBau 2003, S. 16, 21. 419 Zu beachten sind auch die existenzielle Bedeutung öffentlicher Aufträge und die übergeordnete Stellung öffentlicher Auftraggeber.

A. Die Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV

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werden sich die unsicheren Kriterien hinsichtlich der Ausschreibungspflicht im Laufe der Zeit durch klärende Gerichtsentscheidungen besser beurteilen lassen. Schließlich können grobe Unbilligkeiten infolge der Nichtigkeit durch den erwähnten Entscheidungsspielraum der Vergabekammer kompensiert und behoben werden, der trotz Nichtigkeit nicht ausnahmslos zur Aufhebung des Zuschlags und zur Gewährung von Primärrechtsschutz zwingt420. (4) Zwischenergebnis Mithin ist eine analoge Anwendbarkeit der Vorabinformation i.R.d. de-factoVergabe vertretbar, gilt jedoch nur gegenüber einem individualisierten Adressatenkreis. Erfasst dürften damit vor allem Unternehmen sein, die i.R.d. de-facto-Vergabe ein Angebot abgegeben haben, sei es weil sie vom Auftraggeber informell über die Auftragsvergabe unterrichtet worden sind, sei es weil sie auf andere Weise davon Kenntnis erlangt haben. Entsprechend der analogen Anwendung der Vorabinformationspflicht auf de-facto-Vergaben dürfte diese auch gegenüber „defacto-Bietern“ analog anwendbar sein. Eine personelle Erweiterung auf diejenigen Unternehmen, die kein Angebot abgegeben, sondern nur ihr ernstes Interesse am Auftrag bekundet haben421, sprengte hingegen die Grenze der Analogiefähigkeit des § 13 VgV. Jene sind bloß Bewerber, nicht aber (de-facto-)Bieter, obwohl sie diesen Status durch Angebotsabgabe hätten erreichen können. Gerade das durch Angebotsabgabe bekundete verbindliche Interesse begründet jedoch erst die erhöhte Schutzwürdigkeit des Unternehmens, die seine Vorabinformation erfordert. Zudem ist der Begriff des „ernsten Interesses“ unklar. Zur sicheren Verhinderung der Nichtigkeitsfolge wäre der Auftraggeber zur Vorabinformation aller interessierten Unternehmen faktisch verpflichtet. Dies wiederum stünde im Widerspruch zur Verpflichtung zur individualisierten Begründung sowie zum Sinn und Zweck des § 13 VgV, eine zumutbare und erfüllbare Informationspflicht zu normieren422. Darüber hinaus ginge damit die analoge Anwendung des § 13 VgV im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal „Bieter“ über die unmittelbare Anwendung im förmlichen Verfahren hinaus. Schließlich wäre der Auftraggeber gleichsam angehalten, die de-facto-Vergabe geheim 420 Vgl. Kap. 5 A. I. 1. b) bb) (2). In diese Richtung auch Braun, NVwZ 2004, S. 441, 444; Weise, NJW-Spezial 2005, S. 213, 214. Damit kann auch dem Einwand von Dietlein / Spießhofer, VergabeR 2003, S. 509, 518 (mit Verweis auf BGHZ 114, S. 127, 136; Heinrichs in: Palandt, BGB, § 134 Rdn. 12b) und Lindenthal, VergabeR 2003, S. 630, 636 f. (mit Verweis auf BVerfGE 83, S. 201, 212 f.) entsprochen werden, dass der Gedanke des Vertrauensschutzes nach der Rechtsprechung des BGH Einschränkungen der Nichtigkeitssanktion jedenfalls dort erforderlich mache, wo die Rechtsprechung eine Verbotsnorm auf bisher nicht erfasste Rechtsgeschäfte ausdehne. 421 OLG Thüringen, VergabeR 2004, S. 113, 117 f. („willensgetragenes aktives Teilnehmerverhalten“). Wohl auch OLG Düsseldorf, VergabeR 2004, S. 216 ff.; Dieckmann, VergabeR 2005, S. 10, 13 f. 422 Vgl. auch Kap. 5 A. III. 2. b) bb) (1).

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und nur unter Beteiligung eines Unternehmens durchzuführen und damit die wesentlichen europäischen Vorgaben hinsichtlich eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens zu unterlaufen. Bloße Bewerber sind daher auch i.R.d. de-facto-Vergabe nicht vorabzuinformieren. Erst recht ist eine Erweiterung auf diejenigen Unternehmen unzulässig, die zwar nicht erkennbar ihr ernstes Interesse bekundet haben (konnten), von denen der Auftraggeber aber weiß oder wissen muss, dass sie an einem solchen Auftrag interessiert sind bzw. wären423. Mit Blick auf die Öffnung des öffentlichen Auftragswesens für den europäischen Markt erscheint bereits der Kreis aller interessierten Unternehmen unüberschaubar. Zudem würde wiederum die analoge Anwendung des § 13 VgV erheblich über die unmittelbare hinausgehen. Damit wäre der Auftraggeber in Zweifelsfällen stets zur Vorabinformation aller interessierten Unternehmen verpflichtet, um eine mögliche Nichtigkeitsfolge weitgehend auszuschließen, obwohl er selbst den Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts für nicht einschlägig hält. cc) Zwischenergebnis und Lösungsvorschläge Folglich ist die dargelegte Rechtsschutzlücke zwar teilweise, nicht aber vollkommen geschlossen. Vielmehr kann der Auftraggeber durch eine nicht-wettbewerbliche de-facto-Vergabe die Vorabinformationspflicht umgehen424. Dies hat zur – absurden – Folge, dass wenn der Auftraggeber (immerhin!) ein wettbewerbliches Verfahren durchführt und insofern den europarechtlichen Zielsetzungen zumindest teilweise genügt, eine Vorabinformationspflichtverletzung die Nichtigkeit nach sich zieht, während er im Fall eines nicht-wettbewerblichen Verfahrens keine Sanktion der Informationspflichtverletzung befürchten muss. Damit wird der Auftraggeber faktisch zur Wahl der wettbewerbsfeindlichen Vergabe und damit ggf. zum gravierenderen Vergabeverstoß in Versuchung geführt. (1) Die Relevanz der Rechtsschutzlücke Dem Vorwurf der Rechtsschutzlücke kann nicht entgegengehalten werden, dass unwissenden bzw. unbeteiligten Unternehmen aufgrund dieser Nichtbeteiligung am Vergabeverfahren in einem Nachprüfungsverfahren das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehle425 – und infolgedessen eine Rechtsschutzlücke nicht bestehe. Denn zum einen ist die Nichtbeteiligung am Verfahren allenfalls i.R.d. Frage der 423 In diese Richtung OLG Düsseldorf, NZBau 2003, S. 400, 404; Stockmann, NZBau 2003, S. 591, 592 f. 424 Ähnlich Diercks, NZBau 2005, S. 295; Hertwig, NZBau 2001, S. 241, 242; Heuvels / Kaiser, NZBau 2001, S. 479, 480. 425 So Weise, NJW-Spezial 2005, S. 213; ähnlich Braun, NVwZ 2004, S. 441, 442 f. („Rechtsschutzinteresse“).

A. Die Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV

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Zuschlagschance und damit für die Darlegung eines drohenden Schadens i.R.d. Antragsbefugnis relevant. Zum anderen ist inzwischen anerkannt, dass jedenfalls die zulässige Beantragung eines Nachprüfungsverfahrens keine vorherige Angebotsabgabe voraussetzt und damit auch Nicht-Bieter nachprüfungsantragsbefugt sein können426. Überdenkenswert erscheint hingegen die Frage, ob ungeachtet der lediglich partiellen Anwendbarkeit des § 13 VgV i.R.d. de-facto-Vergabe die deshalb bestehende Rechtsschutzlücke insofern nicht als gravierend zu qualifizieren ist, weil die de-facto-Vergabe möglicherweise keinen endgültigen Primärrechtsschutzausschluss bewirkt427. Der vergaberechtliche Primärrechtsschutzausschluss ist in § 114 Abs. 2 S. 1 GWB begründet, der mit Blick auf den pacta-sunt-servanda-Grundsatz den Zuschlag für nicht aufhebbar erklärt. Weil dieser das Vergabeverfahren und insofern den formalisierten Beschaffungsvorgang beendet, ist somit nicht nur der erteilte Zuschlag respektive geschlossene Vertrag irreversibel, sondern es kann auch kein zweiter Vertrag über den Auftrag geschlossen werden428. Der Zuschlag wurde indes als Bestandteil des förmlichen Vergabeverfahrens herausgearbeitet429. Beendet er damit lediglich förmliche, nicht aber de-facto-Verfahren, sondern wird i.R. dieser Verfahren der Auftrag nicht per Zuschlag i. S. d. Kartellvergaberechts, sondern durch einen einfachen zivilrechtlichen Vertragsschluss vergeben, so spricht nichts gegen eine derartige „Zweitvergabe“. Denn mangels Zuschlags wäre dann § 114 Abs. 2 S. 1 GWB nicht einschlägig, und das allein maßgebliche Zivilrecht verbietet einen solchen zweiten Vertragsschluss nicht. Folglich könnte der nichtberücksichtigte Bieter Primärrechtsschutz erlangen, indem der Auftraggeber zum Abschluss eines zweiten Vergabevertrags und zur Erfüllung desselben verpflichtet würde. Dem stehen Wertungsgesichtspunkte nicht entgegen. Der Auftraggeber und sein Vertragspartner haben bewusst den Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts verlassen (wollen) und können sich daher auf dessen Schutz nicht verlassen. Einer eventuellen Schutzwürdigkeit des Vertragspartners, der die Notwendigkeit der Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens nicht immer zu beurteilen vermag, wird durch die Aufrechterhaltung des ersten Vertrags und damit durch das Bestehen von Schadensersatzansprüchen entsprochen. Vor dem Hintergrund, dass der Auslegung und der analogen Anwendung des § 13 VgV nach der hier vertretenen Auffassung ein exaktes Verständnis der Begrifflichkeiten zugrundezulegen ist, ist daher der Ausschluss der erledigenden Zuschlagserteilung für de-facto-Vergaben konsequent und steht überdies in Einklang mit den Wertungen Vgl. Kap. 5 A. III. 2. a). In diese Richtung auch Schimanek, ZfBR 2002, S. 39, 43. Dies erwägen auch Hausmann / Bultmann, ZfBR 2005, S. 309, 312. 428 Das Zivilrecht erlaubt hingegen den Abschluss mehrere Verträge über ein und dieselbe Sache und verweist diesbezüglich auf die Regeln der rechtlichen Unmöglichkeit, d. h. weil nur einer der Verträge geschlossen werden kann, sind bzgl. der übrigen Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung gegeben. 429 Vgl. Kap. 5 III. 2. b) aa) (3). A.A. BKartA, VergabeR 2001, S. 433, 436. 426 427

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des Kartellvergaberechts sowie den verfassungs- und europarechtlichen Primärrechtsschutzvorgaben. Für den Fall, dass das öffentliche Interesse einer Zweitvergabe entgegensteht, ist die Vergabekammer schließlich zur Begrenzung des Rechtsschutzes auf Schadensersatz berechtigt430. (2) Lösungsvorschläge Soweit dem nicht gefolgt wird, ist eine Lösung zu suchen, die sich an dem Ziel einer Vorabinformationspflicht i.R.v. de-facto-Vergaben gegenüber Nicht-Bietern orientiert431. Im Gegensatz zur Pflicht des § 13 VgV ist keine Nennung des präferierten Bieters sowie eine individualisierte Begründung der Nichtberücksichtigung des eigenen Angebots erforderlich – und möglich –, sondern vielmehr die bloße Inkenntnissetzung von der de-facto-Auftragsvergabe sowie der beabsichtigten Zuschlagserteilung. Diesem Erfordernis kann durch eine standardisierte, der europaweiten Ausschreibung entsprechende Bekanntmachung der Zuschlagserteilung in dem Amtsblatt der EU sowie den anderen üblichen Bekanntmachungsmedien entsprochen werden432. Da diese allgemeine Informationspflicht sich in Inhalt, Umfang und Adressatenkreis von der Vorabinformation i. S. d. § 13 VgV unterscheidet, ist eine Ableitung aus § 13 VgV in seiner aktuellen Form nicht möglich433. Insofern ist die Normierung einer derartigen Pflicht notwendig – und i.R.d. Novellierung des Vergaberechts auch geplant (§ 101b Reg-E). Insbesondere ist ein Rückgriff auf die aus Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. § 27 VOL / A hergeleitete Vorabinformationspflicht für die Fälle, in denen § 13 VgV nicht greifen kann und nicht greifen soll, ausgeschlossen, zumal diese keine effektuierende Sanktionsfolge nach sich zieht434. Als Alternative zu einer allgemeinen Vorabinformationspflicht, die 14 Tage vor der geplanten „Zuschlagserteilung“ erfolgen muss, ist eine allgemeine Informationspflicht in Betracht zu ziehen, welche die Ausschreibungspflicht ersetzt und daher bereits vor möglichen Verhandlungen, gleichsam mit dem Entschluss zur Auftragsvergabe, erforderlich wird435. Im Rahmen dieser Information müsste die Vgl. Kap. 5 A. I. 1. b) bb) (2). In diese Richtung gehen auch die diesbezüglichen Vorschläge der Kommission zur Schließung dieser Rechtsschutzlücke, vgl. Heuvels, NZBau 2006, S. 416, 418, 420. 432 In diese Richtung auch Herrmann, VergabeR 2005, S. 518, 519. Der diesbezüglichen Kritik von Müller-Wrede / Kaelble, VergabeR 2002, S. 1, 7, es bestünde kein geeignetes Organ oder eine eigene Rubrik im Amtsblatt, kann in der Praxis leicht abgeholfen werden. Auch ist entgegen Dieckmann, NZBau 2001, S. 481, 482 die 14-Tage-Frist, die als Wartefrist auch für diese allgemeine Vorabinformation maßgeblich sein sollte, nicht zu kurz, da mangels förmlichen Vergabeverfahrens und – typischerweise – anderer Bieterangebote der Vergabeverstoß nur in der Unterlassung der Ausschreibung liegen kann, so dass sich die Prüfung der Unternehmen darauf beschränkt. 433 Ähnlich Dieckmann, NZBau 2001, S. 481, 482. 434 Vgl. dazu Kap. 4 B. I. 430 431

A. Die Vorabinformationspflicht gem. § 13 VgV

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Absicht, einen bestimmten Auftrag de facto vergeben zu wollen, und – entsprechend der 14tägigen Wartefrist des § 13 VgV – der Zeitpunkt mitgeteilt werden, in dem frühestens der Vergabevertrag geschlossen wird, so dass potentielle Interessenten ein Urteil über die beabsichtigte Nichtanwendung des Kartellvergaberechts durch den Auftraggeber fällen sowie eine Entscheidung über ihre Bewerbung oder die Abgabe eines Angebots treffen können. Die Nichterteilung dieser Quasi-Ausschreibung müsste mit der Nichtigkeit des Vergabevertrags sanktioniert werden; dies erscheint vertretbar, weil der Auftraggeber im Fall der beabsichtigten de-factoVergabe die unbedingte und ausnahmslose Informationspflicht kennt oder kennen muss und daher ein entsprechender Verstoß vorsätzlich oder grob fahrlässig erfolgt436. Auch damit wäre die Verschaffung der erforderlichen Informationen i.R.d. de-facto-Vergabe gewährleistet. Auf den ersten Blick erscheint die erste Alternative vorzugswürdig. Denn weder der europäische noch der nationale Gesetzgeber haben eine (Quasi-)Ausschreibungspflicht ausdrücklich normiert, geschweige denn entsprechende Verstöße mit einer Nichtigkeitsfolge sanktioniert. Der entscheidende Vorteil der zweiten Alternative liegt hingegen in der alsbaldigen Information, welche eine Beschleunigung des Verfahrens dadurch gewährleistet, dass der Auftraggeber frühzeitig über die Kritik an der Nichtanwendung des Kartellvergaberechts sowie über weitere Angebote in Kenntnis gesetzt wird. Daneben ist in diesem Zusammenhang auf eine jüngst ergangene Entscheidung des EuGH437 zu den Transparenzerfordernissen einer „Auftragsvergabe“ im Dienstleistungssektor außerhalb des Anwendungsbereichs des Vergaberechts hinzuweisen. Danach erfordern die Art. 43, 49 EG eine transparente Vergabe dergestalt, dass zwar nicht unbedingt eine Ausschreibung erfolgen, wohl aber die Ermöglichung des Zugangs zu angemessenen Informationen gewährt werden muss, so dass – in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene – Unternehmen gegebenenfalls ihr Interesse am Erhalt des Auftrags bekunden können438. Während der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt die Vergabe durch einen öffentlich-rechtlich organisierten Auftraggeber, eine Gemeinde, betraf, ist darüber hinaus von einer unmittelbaren Anwendung der Grundfreiheiten auch auf das Handeln von öffentlichen Auftraggebern in Privatrechtsform 435 In diese Richtung Hertwig, NZBau 2001, S. 241, 242 in Ansehung entsprechender Forderungen im Beamtenrecht (OVG Bautzen, ZBR 2001, S. 368, 369; Schnellenbach, ZBR 2002, S. 180, 182; ders., NVwZ 1990, S. 637, 638) sowie der Entscheidung „Fernmeldetürme“ des OLG Düsseldorf, DÖV 1981, S. 537, 539 (kritisch dazu Pietzcker, DÖV 1981, S. 539, 540, der diese Pflicht aus Art. 19 Abs. 4 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG herleitet). 436 Zudem steht der Vergabekammer immer noch ein Entscheidungsspielraum im Hinblick auf die geeigneten Rechtsschutzmaßnahmen zu, vgl. Kap. 5. A. I. 1. b) bb) (2). 437 EuGH, VergabeR 2005, S. 609 ff.; ebenso bereits Dreher, NZBau 2002, S. 419, 422 f. 438 EuGH, VergabeR 2005, S. 609, 611 Rdn. 17 ff. Ähnlich bereits Dreher, NZBau 2002, S. 419, 422 f., der daneben auf Art. 12 EG abstellt, welcher grundsätzlich auch Private erfasse, soweit diese – wie es bei öffentlichen Auftraggebern typischerweise der Fall ist – im Einflussbereich des Staats oder von diesem ausschließlich berechtigt, subventioniert oder konzessioniert seien.

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

auszugehen, jedenfalls soweit diese einer erheblichen Staatsgebundenheit unterliegen439. Diesbezüglich kann auf die obige Untersuchung hinsichtlich der Qualifizierung als öffentliche Gewalt verwiesen werden440, so dass zumindest den Großteil der öffentlichen Auftraggeber diese europarechtliche Informationspflicht trifft. Unter zusätzlicher Berücksichtigung der Weite des Dienstleistungsbegriffs des Art. 49 EG sowie der Tatsache, dass eine derartige Informationspflicht ebenfalls aus Art. 28 EG abgeleitet werden kann441, unterfallen nicht wenige Aufträge dieser europarechtlichen Quasi-Ausschreibungspflicht. Zwischen den Vergaben oberhalb der Schwellenwerte, für die das Kartellvergaberecht einschlägig ist, sowie den Vergaben unterhalb der Schwellenwerte scheint sich somit eine weitere Stufe zu bilden, die binnenmarktrelevante Aufträge erfasst442 und eine entsprechende Information aller potentiellen Unternehmen verlangt. In Ansehung dieser – prognostizierten – europarechtlichen Entwicklung ist die allgemeine Quasi-Ausschreibung jedenfalls als gleichwertige Alternative zur allgemeinen Vorabinformation zum Zweck der Schließung der Rechtsschutzlücke anzusehen.

IV. Zwischenergebnis Mit der Vorabinformationspflicht des § 13 VgV versucht das deutsche Kartellvergaberecht, den Spagat zwischen einem Festhalten am traditionellen System des Zusammenfallens von Zuschlag und Vertragsschluss einerseits und den vom EuGH aufgestellten Rechtsschutzanforderungen andererseits zu vollziehen443. Das Konzept ist gut, die Umsetzung hingegen mangelhaft. Insbesondere den angestrebten Ausgleich zwischen den Positionen von Auftraggeber, erfolgreichem Bieter, nichtberücksichtigten Bietern sowie lediglich interessierten Unternehmen kann die Vorabinformation nicht leisten. Das Resultat ist eine mittlerweile auf ein „erschreckendes“ Minimum teleologisch reduzierte Norm, so dass sich die Frage stellt, ob das aktuelle Verständnis noch vom Willen des Verordnungsgebers getragen ist444. Vor allem wird die Effizienz der Vorabinformation aufgeweicht, so dass sie eine faktische Ermöglichung und Gewährleistung effektiven Vergabeprimärrechtsschutzes nicht lückenlos sicherstellt. Um den genannten Positionen gerecht zu werden, ohne die Effizienz sowie die Zielsetzung der Vorabinformation zu beeinträchtigten, sollte daher die Vorabinformation auf ihren ursprünglichen „Aufgabenbereich“, die detaillierte und individuaVgl. Dreher, NZBau 2002, S. 419, 422. Vgl. Kap. 2 B. I. 1. 441 Ebenso Dreher, NZBau 2002, S. 419, 422. 442 Eine grenzüberschreitende Bedeutung kann nur ausnahmsweise abgelehnt werden, z. B. bei „sehr geringfügiger wirtschaftlicher Bedeutung“ (EuGH, VergabeR 2005, S. 609, 611 Rdn. 20). Ähnlich bereits Dreher, NZBau 2002, S. 419, 422 f. 443 Noelle, VergabeR 2005, S. 525, 526. 444 Vgl. Krist, VergabeR 2005, S. 342 f. 439 440

B. Das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer gem. §§ 102 ff. GWB

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lisierte Unterrichtung der Bieter über die beabsichtigte Zuschlagserteilung, beschränkt und zugleich effektiv ausgestaltet werden. Daneben sollte eine zweite allgemeine Informationspflicht begründet werden, die entweder als allgemeine Vorabinformation oder als allgemeine Quasi-Ausschreibung normiert wird.

B. Das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer gem. §§ 102 ff. GWB Nach der Aufdeckung der Schwächen der Vorabinformation als tatsächlicher Voraussetzung für die Ergreifung vorbeugenden Primärrechtsschutzes steht im Folgenden das erstinstanzliche Rechtsschutzverfahren selbst im Mittelpunkt der Untersuchung. Über diesem schwebt das Damoklesschwert der irreversiblen Zuschlagserteilung, die nach Ablauf der 14-Tage-Frist des § 13 S. 2 – 5 VgV grundsätzlich zulässig ist. Bedenklich erscheinen daher insbesondere445 die Schnittstelle zwischen dem objektiven446 Zuschlagsverbot des § 13 S. 5 VgV und dem subjektiven447 Zuschlagsverbot des § 115 Abs. 1 GWB [I.] sowie das Eilverfahren zur vorzeitigen Gestattung der Zuschlagserteilung gem. § 115 Abs. 2 GWB [II.].

I. Das erstinstanzliche Zuschlagsverbot des § 115 Abs. 1 GWB Maßgeblich für die Gewährleistung eines effektiven Vergabeprimärrechtsschutzes ist die Nichterteilung des Zuschlags. Ein Zuschlagsverbot besteht gem. § 13 S. 5 VgV für den Zeitraum von 14 Tagen ab der Absendung der Vorabinformation. Innerhalb dieser Frist muss folglich der unterlegene Bieter den Eintritt des neuen Zuschlagsverbots448 gem. § 115 Abs. 1 GWB durch Stellung eines Nachprüfungs445 Auf Schwächen des Nachprüfungsverfahrens, die nicht auf der Irreversibilität der Zuschlagserteilung beruhen, zum Beispiel das Problem des regelmäßigen Ablaufs der Zuschlags- und Bindefrist vor Beendigung des Nachprüfungsverfahrens, wird hier nicht eingegangen (vgl. dazu Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 557; Gröning, ZIP 1998, S. 370, 377; Putzier / Goede, VergabeR 2003, S. 391 ff.). 446 Dieses tritt von Gesetzes wegen in Kraft, ohne dass eine Handlung des rechtsschutzsuchenden Bieters erforderlich ist. 447 Der Eintritt des Zuschlagsverbots setzt v.a. eine Antragstellung des rechtsschutzsuchenden Bieters voraus. Zu den weiteren Voraussetzungen vgl. Kap. 5 B. I. 1. a). 448 Entgegen einer vielfach verbreiteten Auffassung (vgl. nur Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 115 GWB Rdn. 1; Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427, 470 ff.; Portz in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 110 GWB Rdn. 13) vermittelt § 115 Abs. 1 GWB „nur“ ein Zuschlagsverbot, keinesfalls aber einen Suspensiveffekt oder eine aufschiebende Wirkung. Denn im vorbeugenden Rechtsschutz fehlt es gerade an einem suspensionsfähigen Akt. „Suspendiert“ wird allenfalls die Umsetzung der internen Vorabentscheidung in die außenwirksame, mit der endgültigen Entscheidung zusammenfallende Zuschlagserteilung. Kritisch auch Boesen, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 9 („verfehlt“); Lück, Vorläufiger

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

antrags bewirken, um ein nahtloses Ineinanderübergehen bzw. ein Sich-Überlappen beider Zuschlagsverbote zu erreichen und sich damit die Gewähr effektiven Primärrechtsschutzes offenzuhalten449. Rechtsschutzbedenken rufen hierbei vor allem die Voraussetzungen der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags [1.] sowie die erforderliche Zustellung des Nachprüfungsantrags gem. § 110 Abs. 2 GWB [2.] hervor. Doch nicht nur der Beginn, sondern auch das Ende des erstinstanzlichen Zuschlagsverbots gibt Fragen auf. Dieses tritt gem. §§ 115 Abs. 1 i.V.m. 117 Abs. 1 GWB zwei Wochen nach der Vergabekammerentscheidung ein, ohne dass für den Fall einer bieterfreundlichen und nicht durch den Auftraggeber durch sofortige Beschwerde gem. § 116 Abs. 1 GWB angegriffenen Entscheidung ein Andauern des Verbots normiert wäre [3.].

1. Die Voraussetzungen der zulässigen und zustellungsfähigen Antragstellung nach § 115 Abs. 1 GWB Die Bewirkung des notwendigen erstinstanzlichen Zuschlagsverbots des § 115 Abs. 1 GWB wäre wesentlich erschwert und infolgedessen effektiver Vergabeprimärrechtsschutz erheblich beeinträchtigt, wenn die an die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags [a)] sowie an die erforderliche Zustellungsfähigkeit eines Nachprüfungsantrags (§ 110 Abs. 2 GWB) gestellten Voraussetzungen [b)] für den nichtberücksichtigten Bieter unmöglich oder kaum zu bewältigen sind.

a) Die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags Dass Rechtsschutz nur auf Antrag gewährt wird, ist Ausdruck des deutschen subjektiven Rechtsschutzsystems450 und steht mit den europäischen Rechtsschutzvorgaben in Einklang. Auch die konkrete vergaberechtliche Ausgestaltung dieses – insofern grundsätzlich zulässigen – Antragserfordernisses schraubt die Anforderungen an den Rechtsschutzsuchenden nicht zu hoch. Soweit der Antragsteller gem. § 107 Abs. 2 GWB „eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7“ geltend machen muss451, ist mit Blick auf die vergleichbare Formulierung in § 42 Abs. 2 VwGO anerkannt, dass für die Zulässigkeit des Antrags bereits die Möglichkeit einer Rechtsverletzung ausreicht, während deren tatsächliches Vorliegen erst i.R.d. Begründetheit zu prüfen ist452. Ebenfalls werden an die Darlegung eines Rechtsschutz, Rdn. 173 Fn. 483 („Rein dogmatisch gesehen kann nicht von Suspensiveffekt bzw. aufschiebender Wirkung . . . gesprochen werden . . .“). 449 Gröning, VergabeR 2002, S. 435. 450 Vgl. Kap. 1 B. II. 2. a) u. b). 451 Dass Bietern kein allgemeiner Überprüfungsanspruch zusteht, sondern sie nur die Verletzung subjektiver Rechte geltend machen können, ist ebenfalls Ausdruck der deutschen Rechtstradition.

B. Das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer gem. §§ 102 ff. GWB

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drohenden Schadens i. S. d. § 107 Abs. 2 GWB keine hohen Anforderungen gestellt453. Strenger werden hingegen die in § 108 GWB genannten formellen Voraussetzungen gehandhabt. Erforderlich ist eine „genaue und erschöpfende Darstellung der Sachverhalte“454 sowie die Bezeichnung aller verfügbaren Beweismittel455. Diese Voraussetzungen sind nur unter dem Vorbehalt als unbedenklich zu qualifizieren, dass dem nichtberücksichtigten Bieter ein ausreichender Zeitraum zur Vorbereitung seines Antrags zur Verfügung steht. Solange dies nicht garantiert ist, können die Zulässigkeitsvoraussetzungen i.V.m. der faktisch verkürzten Frist des § 13 VgV die Stellung eines zulässigen Nachprüfungsantrags erschweren und damit den Vergabeprimärrechtsschutz nicht unerheblich beeinträchtigen456. b) Die Zustellungsfähigkeit des Nachprüfungsantrags Das Zuschlagsverbot des § 115 Abs. 1 GWB tritt überdies nicht bereits mit zulässiger Antragstellung, sondern erst mit der Zustellung des Nachprüfungsantrags durch die Vergabekammer an den Auftraggeber in Kraft. Während die Frage der Zulässigkeit dieses Zustellungserfordernisses an sich einer separaten Prüfung vorbehalten ist457, sollen im Folgenden die Zustellungsvoraussetzungen erörtert werden. Denn diese stehen mit den Zulässigkeitsvoraussetzungen in Verbindung, indem der Antrag gem. § 110 Abs. 2 S. 1 GWB nur zugestellt wird, „Sofern er nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist“. Insoweit kann auf die obige Darstellung der Zulässigkeitsvoraussetzungen und deren Problematik verwiesen werden. Bedenklich ist darüber hinaus die Kopplung der Zustellungsfähigkeit des Antrags an den Nachweis über „die Zahlung eines Vorschusses in Höhe der Mindestgebühr von 2.500 A“458. Dementsprechende Regelungen in den Geschäftsordnungen der Vergabekammern werden zwar weitgehend für zulässig erachtet, da § 128 Abs. 1 S. 2 GWB auf das Verwaltungskostengesetz verweist, das in § 16 VwKostG festschreibt, dass „Eine Amtshandlung, die von Amts wegen vorzunehmen ist, . . . von der Zahlung eines angemessenen Vorschusses . . . bis zur Höhe der voraussicht452 Otting in: Bechthold, GWB, § 107 Rdn. 2; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 107 GWB Rdn. 18. 453 Vgl. Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 107 GWB Rdn. 24 f. m. w. N. 454 Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 108 GWB Rdn. 9. 455 Portz in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 108 GWB Rdn. 17 sieht hierin eine „Mitwirkungspflicht“, deren Nichtbefolgung zu einer Nichtbeachtung dieser Beweismittel im Nachprüfungsverfahren führen kann. Weniger streng Möllenkamp in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 108 Rdn. 15; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 108 GWB Rdn. 24 („Mitwirkungslast“). 456 Kritisch zu den Mitwirkungspflichten des Rechtsschutzsuchenden einerseits und dessen Kostenrisiko andererseits Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 351. 457 Vgl. Kap. 5 B. I. 2. 458 § 4 Abs. 1 S. 1 Geschäftsordnung der Vergabekammern des Bundes.

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

lich entstehenden Kosten abhängig gemacht werden“ kann459. Sie sind aber mit Blick auf den effektiven Rechtsschutz des Anbieters kritisch zu beurteilen und widersprechen dem Eilcharakter des Nachprüfungsverfahrens460. Dieser Kritik kann auch nicht dadurch Abhilfe verschafft werden, dass statt der tatsächlichen Vorschusszahlung die anwaltliche Zusicherung akzeptiert wird, dass die Gebühren bezahlt würden461. Denn damit würde entgegen der offensichtlichen Absicht des Kartellvergabegesetzgebers bereits in der ersten Instanz ein faktischer Anwaltszwang begründet, der eine erhebliche Steigerung des Kostenrisikos bewirkt(e) und damit den Vergabeprimärrechtsschutz zumindest faktisch beeinträchtigt(e). Erschwerend kommt hinzu, dass die Notwendigkeit dieser Nachweiserbringung nicht Gegenstand der Vorabinformation ist, so dass ein mit der diesbezüglichen Handhabung der Vergabekammer nicht vertrauter Bieter nach Eingang des Antrags zunächst von der Vergabekammer auf dieses Erfordernis hingewiesen und zur Zahlung des Vorschusses aufgefordert werden muss462. Angesichts der ohnehin sehr kurz bemessenen 14-Tage-Frist und den faktischen Fristverkürzungsmöglichkeiten463 kann diese Verzögerung dazu führen, dass die Zustellung und damit der Beginn des Zuschlagsverbots erst nach Ablauf des vorherigen Zuschlagsverbots des § 13 S. 5 VgV erfolgt, so dass in dieser Zuschlagsverbotslücke derselbe wirksam erteilt werden kann.

2. Die Voraussetzung der Zustellung des Nachprüfungsantrags gem. § 110 Abs. 2 GWB Neben den Anforderungen, die an den zustellungsfähigen Nachprüfungsantrag gestellt werden, ist auch die Zustellungsvoraussetzung selbst nicht unbedenklich, die § 115 Abs. 1 GWB ausdrücklich vorschreibt, indem der Auftraggeber erst „Nach Zustellung eines Antrags auf Nachprüfung an den Auftraggeber . . . den Zuschlag nicht erteilen“ darf. Infolgedessen tritt das Zuschlagsverbot nicht automatisch, sondern erst nach der Erfüllung weiterer Voraussetzungen ein, die jedoch nicht in der Hand des Rechtsschutzsuchenden liegt464. Zwar gilt ein Ausschluss des automatischen Suspensiveffekts zur Verhinderung missbräuchlicher Antragstellungen, die ohne Erfolgschancen sind und im Vergaberecht lediglich ein vorReidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 110 GWB Rdn. 27. So Byok in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 110 GWB Rdn. 1025. Schweda in: Langen / Bunte, Kartellrecht, § 110 GWB Rdn. 9 und Waldner, Bieterschutz im Vergaberecht, S. 182 f. halten diese Vorschrift daher für rechtswidrig. 461 So aber Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 175. 462 Vgl. Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 110 GWB Rdn. 27. 463 Vgl. dazu Kap. 5 A. II. 2. 464 Die z. T. gewählte Bezeichnung des Zuschlagsverbots als automatischen Suspensiveffekt (z. B. Portz in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 110 GWB Rdn. 13) ist daher „doppelt falsch“. 459 460

B. Das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer gem. §§ 102 ff. GWB

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übergehendes Zuschlagsverbot gem. § 115 Abs. 1 GWB zum Ziel haben, als mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar465. Auch geht ein solcher Ausschluss mit den europarechtlichen Rechtsschutzvorgaben konform466. Andererseits wird vor dem Hintergrund der irreversiblen Primärrechtsschutzausschlusswirkung der Zuschlagserteilung in der Frage der Zustellung des Nachprüfungsantrags zugleich über die Gewähr von Vergabeprimärrechtsschutz mitentschieden. Denn ohne Zustellung tritt das Zuschlagsverbot nicht in Kraft, so dass der Auftraggeber zulässigerweise durch Zuschlagserteilung die Erledigung des Primärrechtsschutzes bewirken kann. Insofern ist bereits bedenklich, dass diese Entscheidung allein auf Evidenzerwägungen basiert. Maßgebliche Rechtsfragen müssen in diesem Stadium noch nicht (vollständig) geklärt sein und es kann sogar eine gut vertretbare Rechtsauffassung zur offensichtlichen Unbegründetheit führen, wenn diese der ständigen (aber erst seit wenigen Jahren existierenden) Rechtsprechung widerspricht467. Vor allem aber trifft diese Entscheidung mit der Vergabekammer ein Organ der vollziehenden Gewalt, deren „Selbstherrlichkeit“ gerade durch den einstweiligen Rechtsschutz beseitigt werden soll468. Dass somit ein Verwaltungsorgan eine endgültige Entscheidung über die Gewähr von Primärrechtsschutz treffen kann, widerspricht Art. 19 Abs. 4 GG, der die Überprüfbarkeit durch mindestens eine gerichtliche Instanz garantiert. Deshalb ist eine effektive gerichtliche Überprüfbarkeit der Zustellungsentscheidung zwingend erforderlich. Während die Problematik der verzögerten und damit verspäteten Zustellung des Nachprüfungsantrags bereits erläutert worden ist469, stellt sich im Folgenden die Frage der Korrektur der fehlerhaften (Nicht-)Zustellungsentscheidung. Hierbei kommt es maßgeblich darauf an, ob die ablehnende Zustellungsentscheidung innerhalb der 14-Tage-Frist des § 13 VgV getroffen wird [a)] oder nach Ablauf derselben [b)].

465 Finkelnburg / Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 638; Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 221; Kotulla, DV 33 (2000), S. 521, 555; Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 273. Mit Blick auf das vorliegende Zustellungserfordernis unklar hingegen BVerfGE 35, S. 263, 374; E 51, S. 268, 284, wenn es darauf abstellt, dass der einstweilige Rechtsschutz insbesondere die „Selbstherrlichkeit der vollziehenden Gewalt“ beenden solle, da die Vergabekammer als Behörde über den Eintritt des einstweiligen Zuschlagsverbots entscheide. 466 Wenn Art. 2 Abs. 3 RMRL bestimmt, dass Nachprüfungsverfahren „als solche nicht notwendigerweise einen automatischen Suspensiveffekt“ haben, schreibt er einen solchen ausdrücklich nicht vor, sieht ihn aber gleichwohl als Regelfall an. 467 Vgl. Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 177; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 110 GWB Rdn. 25 f. Daher warnt Willenbruch, NVwZ 1999, S. 1062, 1066, dass „die Vorprüfung in dieser Hinsicht nicht unterschätzt werden“ darf. 468 So BVerfGE 35, S. 263, 374; E 51, S. 268, 284. Diese Nähe der Vergabekammer zum öffentlichen Auftraggeber wird zu recht in der Literatur kritisiert (z. B. von Dieckmann, VergabeR 2005, S. 10, 18). 469 Vgl. Kap. 5 B. I. 1. b).

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

a) Rechtsschutz gegen die ablehnende Zustellungsentscheidung vor Ablauf der Zuschlagsverbotsfrist des § 13 VgV Die ablehnende Entscheidung über die Zustellung des Nachprüfungsantrags gem. § 110 Abs. 2 GWB ist als instanzbeendende Letztentscheidung der Vergabekammer einer Überprüfung durch die Vergabesenate der Oberlandesgerichte i.R.d. sofortigen Beschwerde gem. § 116 Abs. 1 GWB zugänglich470. Für den Fall einer vor Ablauf der Frist des § 13 VgV zulässigerweise erhobenen sofortigen Beschwerde gegen die – bereits zugestellte – instanzabschließende (Nicht-)Zustellungsentscheidung i. S. d. § 114 Abs. 3 S. 1 GWB erscheint daher effektiver gerichtlicher Primärrechtsschutz gesichert471. Denn mit der Beschwerde wird nicht nur die Nichtzustellungsentscheidung der Vergabekammer angegriffen, sondern zugleich ein zweitinstanzliches Nachprüfungsverfahren vor dem OLG angestrengt472. Folglich wird gem. § 118 Abs. 1 S. 1 GWB die ergangene Vergabekammerentscheidung für die Dauer von zwei Wochen vorläufig suspendiert. Da mit der Vergabekammerentscheidung i. S. d. § 114 Abs. 3 S. 1 GWB normalerweise ein bestehendes erstinstanzliches Zuschlagsverbot gem. § 115 Abs. 1 GWB – nach Ablauf der Beschwerdefrist nach § 117 Abs. 1 GWB – beendet wird, bewirkt die aufschiebende Wirkung des § 118 Abs. 1 S. 1 GWB daher – normalerweise – mit der Suspendierung der Vergabekammerentscheidung zugleich die Suspendierung der Aufhebung des Zuschlagsverbots473. Diese Suspendierung kann474 mittels Antrags gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängert werden, so dass eine Beschwerdeentscheidung möglich ist, ohne dass die Erledigung des Vergabeprimärrechtsschutzes droht. Ein erstinstanzliches Zuschlagsverbot gem. § 115 Abs 1 GWB, dessen Existenz das zweitinstanzliche zwingend voraussetzt, wenn es jenes bloß verlängert475, ist allerdings mangels Zustellung des Nachprüfungsantrags gerade nicht in Kraft getreten. Während früher die Kompetenz zur Zustellung des Nachprüfungsantrags gem. § 110 Abs. 2 GWB allein den Vergabekammern zuerkannt wurde, ist indes mittlerweile anerkannt, dass auch das Beschwerdegericht analog § 115 Abs. 1 GWB zur Zustellung des Antrags an den Auftraggeber berechtigt ist476. Damit beVgl. OLG Dresden, VergabeR 2002, S. 544, 545. A.A. Dieckmann, VergabeR 2005, S. 10, 19. 472 KG, VergabeR 2002, S. 180, 181. 473 Vgl. zu der Wirkung des § 118 Abs. 1 S. 1 GWB eingehend Kap. 5 C. I. 1. 474 Nach KG, VergabeR 2003, S. 180, 181 und LS 1 ist die Erstreckung der sofortigen Beschwerde auf das Zuschlagsverbot des § 118 Abs. 1 S. 3 GWB mit der Folge des notwendigen Vorliegens von dessen Voraussetzungen nicht nur möglich, sondern zwingend. 475 Insoweit setzt das zweitinstanzliche „Zuschlagsverbot“ das erstinstanzliche voraus, vgl. OLG Koblenz, VergabeR 2002, S. 384, 385; KG, NZBau 2000, S. 262, 263. 476 OLG Dresden, VergabeR 2002, S. 544, 545; OLG Koblenz, VergabeR 2002, S. 384, 385 f.; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 116 GWB Rdn. 5. 470 471

B. Das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer gem. §§ 102 ff. GWB

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wirkt das Beschwerdegericht den Eintritt des Zuschlagsverbots des § 115 Abs 1 GWB, das infolge der Suspendierung der Vergabekammerentscheidung gem. § 118 Abs. 1 S. 1 GWB nicht beendet ist, sondern in der zweiten Instanz andauert, so dass im Folgenden der Beschwerdesenat den gerügten Vergabeverstoß überprüfen kann. Allerdings wird die Vergabekammer dem Antragsteller ihre begründete Entscheidung regelmäßig erst kurz vor Ablauf der Verbotsfrist des § 13 S. 5 VgV zustellen477, so dass diesem für die Prüfung, Ausarbeitung und Einreichung einer sofortigen Beschwerde kaum Zeit verbleibt, von einer Befassung und Entscheidung des Oberlandesgerichts mit bzw. in der Sache innerhalb der Frist ganz zu schweigen. Ob dies als Verletzung des Beschleunigungsgebots oder einer Treuepflicht anzusehen ist478, dürfte letztlich unerheblich sein, da jedenfalls der Nachweis einer diesbezüglichen Pflichtverletzung, geschweige denn eines entsprechenden Verschuldens, angesichts des auch für die Vergabekammer engen Zeitrahmens sowie der teilweise großen Anzahl zu überprüfender Anträge kaum zu führen sein wird479. Zudem dürfte dieser Verfahrenspflichtverstoß mit Blick auf den vergaberechtlichen Unerheblichkeitsgrundsatz nicht zur Unwirksamkeit von Zuschlag und Vertrag führen, so dass selbst die nachgewiesene Pflichtverletzung den Primärrechtsschutzausschluss aufgrund Zuschlagserteilung nicht revidiert480. Mithin ist Rechtsschutz gegen die Nichtzustellungsentscheidung, soweit sie innerhalb der 14-Tage-Frist des § 13 VgV erfolgt, zwar rechtlich möglich, faktisch aber häufig eingeschränkt oder gar ausgeschlossen. b) Rechtsschutz gegen die ablehnende Zustellungsentscheidung nach Ablauf der Zuschlagsverbotsfrist des § 13 VgV Nicht bloß faktisch, sondern sogar rechtlich ausgeschlossen ist eine rechtzeitige, d. h. innerhalb der Zuschlagsverbotsfrist des § 13 VgV erfolgende Korrektur der Entscheidung über die Nichtzustellung, wenn diese erst nach Ablauf jener 14-Ta477 Vgl. Dieckmann, VergabeR 2005, S. 10, 16 unter Verweis auf die Fälle des OLG Dresden – WVerg 006 / 03 – und des KG – 2 Verg 6 / 04 –. Die Verpflichtung der Vergabekammer zur unverzüglichen Entscheidung und Zustellung ist mangels Sanktionsfolge nicht effektiv. 478 Um überhaupt eine Möglichkeit zur rechtzeitigen Einlegung der sofortigen Beschwerde zu gewährleisten, bejahen dies (bzgl. der Treuepflicht:) Dieckmann, VergabeR 2005, S. 10, 17; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 110 GWB Rdn. 32; (bzgl. des Beschleunigungsgebots:) Gröning, VergabeR 2002, S. 435, 437 und Terner, VergabeR 2004, S. 28, 32. 479 So auch im Fall des OLG Dresden, VergabeR 2002, S. 544 ff. Ähnlich Gröning, VergabeR 2002, S. 435, 436 f.; weniger kritisch Dieckmann, VergabeR 2005, S. 10, 17. Aus diesem Grund ist hierin auch nicht zwingend ein Verstoß gegen das vergaberechtliche Beschleunigungsgebot zu sehen (so aber Gröning, VergabeR 2002, S. 435, 437. 480 Vgl. auch Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 116 GWB Rdn. 5: „Das Risiko eines verfahrensbeendigenden Zuschlags nach Ablauf der Frist des § 13 S. 2 VgV . . . geht gleichwohl zu Lasten des Antragstellers“.

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

ge-Frist des § 13 S. 2 zugeht481. Zwar wird der Antragsteller regelmäßig innerhalb dieser 14 Tage mündlich oder schriftlich über die Entschließung zur Nichtzustellung informiert. Hierbei handelt es sich allerdings um eine bloße unselbständige Zwischenentscheidung. Dies folgt aus § 112 Abs. 1 GWB, der das gesamte Verfahren vom Eingang des Nachprüfungsantrags bis zum instanzbeendenden Verwaltungsakt i. S. d. § 114 Abs. 3 S. 1 GWB als eine Einheit darstellt482. Eine Zwischenentscheidung ist jedoch nicht mit der sofortigen Beschwerde angreifbar; diese ist allein instanzbeendenden Entscheidungen vorbehalten483. Eine Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung über die Nichtzustellung ist daher ebenso unzulässig484 wie eine isolierte Beschwerde gegen die – diesbezügliche – Untätigkeit der Vergabekammer. Diese Regelungslücke scheint der Gesetzgeber zugunsten eines raschen Verfahrensabschlusses bewusst in Kauf genommen zu haben, so dass eine Schließung jener im Wege einer Analogie mangels Planwidrigkeit nicht in Betracht kommt485. Im Zweifel kann der Antragsteller dann gem. § 116 Abs. 2 GWB erst nach fünf Wochen – und damit geraume Zeit nach Wegfall des Zuschlagsverbots des § 13 VgV – sofortige Beschwerde erheben.

c) Zwischenergebnis und Lösungsvorschlag Mithin kann eine säumige Vergabekammer durch die verspätete Entscheidung über die (Nicht-)Zustellung, deren verspätete schriftliche Begründung oder gar durch Nichtstun den Primärrechtsschutz vereiteln486. Bis zur – möglicherweise erst nach Ablauf der Frist des § 13 S. 2 VgV ergehenden – Hauptsacheentscheidung ist der Bieter rechtsschutzlos und muss gegebenenfalls fünf Wochen, also geraume Zeit nach Ablauf des Zuschlagsverbots, warten, bis er gem. § 116 Abs. 2 GWB 481 Vgl. KG, Beschl. vom 15. 4. 2004 – 2 Verg 6 / 04 und 7 / 04 –; OLG Dresden, VergabeR 2002, S. 544 ff.; KG, VergabeR 2002, S. 235 ff. 482 Für den Fall der Nichtzustellung des Nachprüfungsantrags sieht § 112 Abs. 1 S. 3 GWB lediglich eine erleichterte Verfahrensweise vor. 483 KG, Beschl. vom 15. 4. 2004 – 2 Verg 6 / 04 und 7 / 04 –; OLG Dresden, VergabeR 2002, S. 544, 545; Byok in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 110 GWB Rdn. 1023; Gröning, VergabeR 2002, S. 435, 436; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 116 GWB Rdn. 4; Maier in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 110 GWB Rdn. 22. Ähnlich OLG Dresden, VergabeR 2002, S. 544, 545 (v.a. auf die dadurch fehlende rechtliche Beschwer abstellend). 484 OLG Dresden, VergabeR 2002, S. 544, 545; OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 596 f.; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 116 GWB Rdn. 5; i.E. auch Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 178. A.A. wohl Dieckmann, VergabeR 2005, S. 10, 17, der darauf abstellt, dass die eigentliche Entscheidung bereits vor der Mitteilung und erst recht vor der Zustellung gefallen sei. 485 Gröning, VergabeR 2002, S. 435, 436; vgl. auch OLG Dresden, VergabeR 2002, S. 544, 545; KG, NZBau 2000, S. 262, 263 (Rechtsschutzlücke als „Ergebnis einer gesetzgeberischen Abwägung“). 486 Dieckmann, VergabeR 2005, S. 10, 17; kritisch auch Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 116 GWB Rdn. 5.

B. Das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer gem. §§ 102 ff. GWB

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sofortige Beschwerde einlegen kann. Damit weist der Vergaberechtsschutz „eine – de lege lata kaum zu schließende – Lücke auf“487 und widerspricht durch den Ausschluss der einzigen gerichtlichen Beschwerdeinstanz488 eindeutig den verfassungsrechtlichen Rechtsschutzvorgaben. Änderungen i.R.d. anstehenden Novellierung des Vergaberechts sind lediglich dahingehend geplant, dass auf eine „Zustellung des Nachprüfungsantrags“ zugunsten einer bloßen Übermittlung der Kopie verzichtet werden soll. Dadurch wird zwar eine Erleichterung der Tätigkeit der Vergabekammern und eine Vereinfachung des Nachprüfungsverfahrens489, nicht jedoch eine Lösung der aufgeführten Rechtsschutzprobleme herbeigeführt. Vielmehr sollte der Eintritt des Zuschlagsverbots an den Eingang des Nachprüfungsantrags bei der Vergabekammer geknüpft werden und das Verbot im Falle offensichtlicher Unzulässigkeit oder Unbegründetheit des Antrags wieder aufgehoben werden können490.

3. Das Zuschlagsverbot nach bieterfreundlicher Vergabekammerentscheidung Doch muss das erstinstanzliche Zuschlagsverbot nicht nur tatsächlich bewirkt werden können, sondern darüber hinaus auch effektiv ausgestaltet sein. Einmal bewirkt, gilt das Zuschlagsverbot gem. §§ 115 Abs. 1, 117 Abs. 1 GWB – mit Ausnahme des erfolgreichen Auftraggeberantrags gem. § 115 Abs. 2 GWB – ausnahmslos während des erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahrens bis zum Ablauf der zweiwöchigen Beschwerdefrist und entspricht insoweit den Effizienzanforderungen. Während für den Fall der Beendigung des erstinstanzlichen Verfahrens durch eine auftraggeberfreundliche Vergabekammerentscheidung § 118 Abs. 1 GWB ausdrücklich die Möglichkeit zur Verlängerung des Zuschlagsverbots durch Beschwerdeerhebung festschreibt, ist ein Zuschlagsverbot nach Beendigung durch eine bieterfreundliche bestandskräftige491 Vergabekammerentscheidung492 gesetzlich nicht vorgesehen. Dies mutet deshalb absurd an, weil der erst487 Erdl, VergabeR 2002, S. 241, 243; ebenso Dieckmann, VergabeR 2005, S. 10, 18; Gröning, VergabeR 2002, S. 435, 438. 488 Die Vergabekammer ist unstreitig kein Gericht i. S. d. GG, vgl. nur Stockmann in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 105 Rdn. 10 m. w. N. Siehe auch BT-Drucks. 13 / 9340, S. 20. Den europäischen Rechtsschutzvorgaben (vgl. Art. 2 Abs. 8 S. 2 RMRL) scheint die Überprüfung durch die Vergabekammer indessen zu genügen, da diese von der ganz herrschenden Auffassung als Gericht i. S. d. EGV anerkannt wird (a.A. mit plausibler Begründung indes Dieckmann, VergabeR 2005, S. 10, 18 Fn. 27). 489 Das ist laut BT-Drucks. 13 / 9340, S. 21 auch die einzige Zielsetzung. 490 Vgl. bereits Kap. 5 A. II. 2. c). 491 Die Vergabekammern entscheiden gem. § 114 Abs. 3 S. 1 GWB durch Verwaltungsakt. Ihre Entscheidungen erwachsen daher nicht in Rechts-, sondern in Bestandskraft. 492 Vgl. dazu Gesterkamp, WuW 2001, S. 665, 670 ff.; Wilke, NZBau 2005, S. 380, 384. Der bloße Verweis auf das Vollstreckungsverfahren (§ 114 Abs. 3 S. 2 GWB), das, so Gester-

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instanzliche bestandskräftige Erfolg des Bieters ohne Fortsetzung des Zuschlagsverbots letztlich wertlos wäre. Die Herleitung eines Zuschlagsverbots aus § 115 Abs. 1 GWB gelingt offensichtlich nicht, da dieser ein Zuschlagsverbot nur für das laufende Nachprüfungsverfahren normiert493. Plausibel, aber ebenfalls nicht weiterführend ist eine Interpretation der bieterfreundlichen Vergabekammerentscheidung als Zuschlagsverbot494, da diese als Verwaltungsakt (vgl. § 114 Abs. 3 S. 1 GWB) kein gesetzliches, sondern nur ein behördliches Verbot darstellte, das nicht unter § 136 BGB fiele495 und daher mangels Nichtigkeitsfolge ineffizient wäre. Ebenso wenig verfängt die Berufung auf § 118 Abs. 1 GWB496. Denn das i.R.d. § 118 Abs. 1 GWB gewährte Zuschlagsverbot ist nicht nur auf zwei Wochen begrenzt, sondern wurde vor allem als lediglich fortgesetztes erstinstanzliches Zuschlagsverbot qualifiziert497. Zu dieser Fortsetzung bedarf es jedoch einer suspendierten und suspendierfähigen Vergabekammerentscheidung. Da die bieterfreundliche – und zudem bestandskräftige – Entscheidung aber keine aussetzbare rechtsbegründende Wirkung zeigt498, kommt insofern eine Anwendung des § 118 Abs. 1 GWB nicht in Betracht. Damit verbleibt allein die Heranziehung des § 118 Abs. 3 GWB. Dieser normiert ein Zuschlagsverbot bis zur Aufhebung der positiven Vergabekammerentscheidung durch das Beschwerdegericht gem. § 121 GWB oder § 123 GWB und bewehrt es mit der Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB. Sowohl der Wortlaut als auch die Begründung der Vorschrift offenbaren jedoch, dass ihr Anwendungsbereich auf den Fall der Einlegung einer sofortigen Beschwerde begrenzt ist499. Dafür spricht auch unter systematischen Gesichtspunkten die Regelung des Zuschlagsverbots i.R.d. § 118 GWB. Zudem hat der Kartellvergabegesetzgeber allein zur Sicherstellung der Durchsetzbarkeit der – bieterfreundlichen – Vergabekammerentscheidungen in § 114 Abs. 3 GWB festgelegt, dass diese als vollstreckbarer Verwaltungsakt ergehen müssen (S. 1) und insofern auf die Verwaltungsvollstreckungsgesetze des Bundes und der Länder verwiesen (S. 2)500. Wesentlicher vollstreckbarer Inhalt der bieterfreundlichen Vergabekammerentscheidung ist indes die Nichterteilung des Zuschlags an den präferierten Bieter. Daher ließe die erweiterte Anwendung des § 118 Abs. 3 GWB auf bieterfreundliche bestandskräftige Vergabekammerentkamp, ebd., allenfalls zu einem Ordnungsgeld von höchstens 2000 DM führt, wird dem verfassungs- und europarechtlichen Gebot effektiven Primärrechtsschutzes nicht gerecht. 493 Dessen Anwendung auf den vorliegenden Problemkreis erwägt Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 553 (i.E. jedoch ablehnend). 494 Darauf abstellend Jaeger in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 1195. 495 Vgl. Stockmann in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 118 Rdn. 20. 496 So aber Boesen, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 15; Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 634; a.A. Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 296. 497 Vgl. bereits Kap. 3 B. I. 2. sowie eingehend Kap. 5 C. I. 1. 498 So Boesen, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 15. 499 Vgl. BT-Drucks. 13 / 9340 S. 21 f. 500 Vgl. BT-Drucks. 13 / 9340 S. 19.

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scheidungen nicht nur § 114 Abs. 3 S. 2 GWB weitgehend leer laufen, sondern widerspräche überdies dem Willen des Kartellvergabegesetzgebers501. Doch selbst wenn mit der überwiegenden Auffassung aus Rechtsschutzgesichtspunkten eine derartige erweiterte Anwendung des § 118 Abs 3 GWB befürwortet wird502, ist der Eintritt eines Zuschlagsverbots keineswegs garantiert. Denn mit Blick auf den Wortlaut des § 118 Abs. 3 GWB, der für den Eintritt des Zuschlagsverbots voraussetzt, dass „die Vergabekammer dem Antrag auf Nachprüfung durch Untersagung des Zuschlags stattgegeben“ hat, wird in Teilen von Rechtsprechung und Literatur gefordert, dass diese Untersagung im Tenor der Vergabekammerentscheidung erfolgen müsse503. Dies wird jedoch selten praktiziert504 – mit der möglichen Folge des Nichteintritts des Zuschlagsverbots entsprechend § 118 Abs. 3 GWB. Dann bleibt lediglich der Weg über § 138 Abs. 1 BGB übrig505. Da die Vergabekammerentscheidung mit ihrem konkludenten Zuschlagsverbot allen Beteiligten zugestellt wird und zu diesen regelmäßig auch das gem. § 109 GWB beigeladene präferierte Unternehmen gehört, erscheint der Nachweis einer kollusiven Benachteiligung und damit der Weg über § 138 Abs. 1 BGB vorliegend zumindest möglich. Doch steht diese Nichtigkeitsfolge stets unter dem Vorbehalt der Nachweisbarkeit der Sittenwidrigkeit und bietet daher keinen hinreichenden Schutz für den obsiegenden Bieter. Da zur Gewährleistung effektiven Primärrechtsschutzes mithin die Anwendung des § 118 Abs. 3 GWB auf bieterfreundliche Vergabekammerentscheidungen unabhängig von der Tenorierung aus Rechtsschutzgesichtspunkten erforderlich ist, sollte eine Klarstellung im Gesetzeswortlaut erfolgen506.

501 Kritisch ebenfalls Gesterkamp, WuW 2001, S. 665, 671; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 74. 502 Dafür Boesen, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 40; Dieckmann, VergabeR 2005, S. 10, 20; Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 553; Gröning, ZIP 1999, S. 181, 183; wohl auch Stockmann in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 118 Rdn. 20 („erst recht“); ähnlich Kus in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 19 (argumentum a fortiori). 503 Thüringer OLG, VergabeR 2002, S. 104 f.; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 118 GWB Rdn. 20. A.A. KG, VergabeR 2002, S. 100, 102; Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 18. 504 Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 18. 505 Vgl. dazu eingehend Gesterkamp, WuW 2001, S. 665, 672. Ähnlich Wilke, NZBau 2005, S. 380, 384. 506 Zu den – beschränkten – Möglichkeiten des Bieters in dem Fall, dass die Vergabestelle trotz des bestehenden Zuschlagsverbots den Zuschlag faktisch dadurch vornimmt und vollzieht, dass die zu vergebenden Leistungen ausgeführt und bezahlt werden, vgl. KG, VergabeR 2002, S. 100 mit Anm. Stapenhorst.

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II. Eilverfahren auf Gestattung der Zuschlagserteilung Mehr noch als die Schwäche des Zuschlagsverbots selbst weckt jedoch das „juristisch spektakuläre“507 Eilverfahren auf Gestattung der Zuschlagserteilung verfassungs- und europarechtliche Bedenken. So ist die Vergabekammer, also eine reine, zumindest instanziell dem öffentlichen Auftraggeber nahestehende Verwaltungsinstanz508, i.R.d. beschleunigten Hauptsacherechtsschutzes gem. § 115 Abs. 2 S. 1 GWB auf Antrag des Auftraggebers berechtigt, auf der Grundlage einer bloßen Interessenabwägung das Zuschlagsverbot des § 115 Abs. 1 GWB aufzuheben und die irreversible Zuschlagserteilung zu gestatten. Der – vermeintlich? – eingeschränkte Rechtsschutz sowie die Konsequenzen dieses Aussetzungsverfahrens, in dessen Rahmen im Erfolgsfall eine vorzeitige Zuschlagserteilung und damit eine beschleunigte Vergabe gestattet wird, lassen vermuten, dass der Auftraggeber regelmäßig diesen Weg einschlagen wird und infolgedessen die wesentlichen Entscheidungen der Vergabekammer nicht in der Hauptsache getroffen werden, sondern im Rahmen des Aussetzungsverfahrens509. Das Zuschlagsverbot des vorbeugenden Vergaberechtsschutzes, das in seiner Wirkung, nämlich der Verhinderung irreversibler Tatsachen und der interimistischen Befriedung510, dem Suspensiveffekt des „normalen“ vorläufigen Rechtsschutzes entspricht, kann indes ebenso wie dieser nur dann verfassungskonform aufgehoben werden, wenn die Aufhebung einer effektiven gerichtlichen511 Nachprüfung – auch i.S.e. Neuentscheidung mit inzidenter Nachprüfung – zugänglich ist und, ohne dass zwischenzeitlich irreversible Tatsachen geschaffen worden sind, im Falle ihrer Rechtswidrigkeit rückgängig gemacht werden kann512. Ob das dafür in § 115 Abs. 2 S. 2 GWB vorgesehene Rechtsschutzverfahren diese Anforderungen einer effektiven gerichtlichen (Nach-)Prüfbarkeit erfüllt, ist zweifelhaft angesichts dessen Voraussetzungen einer zulässigen Antragstellung [1.] und des eingeschränkten Prüfungskatalogs in Form einer Interessenabwägung [2.]. Bedenklich ist in diesem Zusammenhang schließlich die Endgültigkeit der gerichtlichen Entscheidung auch für die Hauptsache [3.].

Gröning, ZIP 1998, S. 370, 375. Kritisch auch Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 551. 509 Willenbruch, NVwZ 1999, S. 1062, 1063. 510 Vgl. Schoch in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 80 Rdn. 7, 36 ff. 511 Vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 273 m. w. N. Siehe auch VGH München, NVwZ-RR 2002, S. 809, 810, wonach vorläufiger Rechtsschutz nicht ausschließlich in der Hand der Verwaltung liegen darf. 512 Vgl. Gesetzesbegründung zu § 115 Abs. 1 GWB. Bzgl. des Suspensiveffekts vgl. Finkelnburg / Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 5 f.; Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 222; Kotulla, DV 33 (2000), S. 521, 556. 507 508

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1. Die zulässige Antragstellung gem. § 115 Abs. 2 S. 2 GWB Rechtsschutz gegen die Eilentscheidung der Vergabekammer i. S. d. § 115 Abs. 2 S. 1 GWB wird gem. § 115 Abs. 2 S. 2 GWB auf Antrag durch das Beschwerdegericht gewährt, welches „das Verbot des Zuschlags nach Absatz 1 wiederherstellen“ kann. Besondere, die Antragstellung unzumutbar beeinträchtigende Zulässigkeitsvoraussetzungen sind zunächst nicht ersichtlich513. Bei näherer Betrachtung erweist sich jedoch wiederum die Kürze der Rechtsschutzfrist als nicht unproblematisch [a)]. Eine weitere Rechtsschutzbeeinträchtigung könnte in der Erforderlichkeit der Herbeiziehung eines Rechtsanwalts begründet sein [b)]. a) Die Zweiwochenfrist des § 115 Abs. 2 S. 1 GWB Auf den ersten Blick setzt die Zulässigkeit des Antrags nach § 115 Abs. 2 S. 2 GWB lediglich voraus, dass dieser gem. §§ 115 Abs. 2 S. 4 i.V.m. 121 Abs. 2 S. 1 u. 2 GWB schriftlich gestellt und gleichzeitig begründet wird sowie dass die begründenden Tatsachen und der Grund für die Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht werden. Da der Zuschlag jedoch zwei Wochen nach der Eilentscheidung514 des § 115 Abs. 1 GWB irreversibel (vgl. §§ 115 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 i.V.m. 114 Abs. 2 S. 1 GWB) erteilt werden darf und typischerweise erteilt wird, muss ein Wiederherstellungsantrag i. S. d. § 115 Abs. 2 S. 2 GWB, der nur vor Zuschlagserteilung sinnvoll ist, innerhalb jener zwei Wochen gestellt werden515. Insbesondere führt die bloße Eilentscheidung nicht zu einer Verlängerung um die zweiwöchige Beschwerdefrist gem. §§ 115 Abs. 1, 117 Abs. 1 GWB, die eine Hauptsacheentscheidung der Vergabekammer voraussetzt516. Aus zwei Gründen ist diese Rechtsschutzfrist indes als zu knapp bemessen zu bewerten517. Zum einen gilt für dieses Rechtsschutzverfahren die ohnehin eingeschränkte vergaberechtliche Untersuchungsmaxime518 nicht519, da eigenständige Untersuchungen des Beschwerdegerichts bereits faktisch wegen des starken Zeitdrucks 513 Kritisch zu den Mitwirkungspflichten des Rechtsschutzsuchenden einerseits und dessen Kostenrisiko andererseits Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 351. 514 „Diese Entscheidung“ i.R.d. § 115 Abs. 2 S. 1 GWB meint die(se) im gleichen Abs. 2 erwähnte Eilentscheidung und nicht etwa jene in Abs. 1 angesprochene Hauptsacheentscheidung. I.E. ebenso Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 544, mit Verweis auf den Sinnzusammenhang. 515 Gröning, ZIP 1999, S. 181,184 bezeichnet dies zu recht als „heimtückisch“. 516 A.A. Kus in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 5 (widersprüchlich aber Rdn. 11, 48). 517 Kritisch auch Gröning, ZIP 1999, S. 181, 184; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 115 GWB Rdn. 10. 518 Vgl. Kap. 5 A. II. 3. a) aa) u. insbes. Fn. 179 . 519 Ebenso Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 115 Rdn. 41; Jaeger in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 1175.

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ausgeschlossen und rechtlich nicht vorgesehen sind. Denn § 115 Abs. 2 S. 4 GWB verweist nicht auf § 121 Abs. 3 S. 4 GWB, so dass die §§ 120, 70 Abs. 1 GWB hier nicht zur Anwendung gelangen520. Daraus folgt jedoch, dass unter der Berücksichtigung des maßgeblichen Prüfungskatalogs des § 115 Abs. 2 GWB, der statt rechtlichen Prüfungen tatsächliche und rechtliche Erwägungen vorsieht521, der Qualität der erforderlichen Antragsbegründung für den Erfolg des Antrags entscheidende Bedeutung zukommt. Insofern ist die Zweiwochenfrist zumindest äußerst knapp bemessen. Vor allem aber muss der Antrag wegen der Irreversibilität der Zuschlagserteilung so frühzeitig gestellt werden, dass innerhalb dieser Frist auch die Wiederherstellungsentscheidung des Beschwerdegerichts ergehen kann. Denn § 115 Abs. 2 S. 5 GWB, der eine sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer nach § 115 Abs. 2 S. 1 GWB für unzulässig erklärt und damit den Antrag auf Wiederherstellung des Zuschlagsverbots gem. § 115 Abs. 2 S. 3 GWB nicht als Überprüfung der Entscheidung der Vergabekammer, sondern als eigene Entscheidung des Beschwerdegerichts qualifiziert522, offenbart, dass mit diesem Antrag die aufschiebende Wirkung des § 118 Abs. 1 S. 1 GWB nicht eintritt523. Diese erhebliche Schmälerung des Primärrechtsschutzes524 kann nur durch die kartellvergabegesetzlich nicht vorgesehene und daher nicht unumstrittene525 Anerkennung einer Befugnis des Beschwerdegerichts zur Verlängerung jener Zweiwochenfrist kompensiert werden. Diese Befugnis sollte daher ausdrücklich normiert werden. b) Das Anwaltserfordernis gem. § 117 Abs. 3 GWB Keine – wie durch die zu knappe 14-Tage-Frist – faktische Beseitigung, wohl aber eine Erschwerung der Wiederherstellung des Zuschlagsverbots nach § 115 Abs. 2 S. 2 GWB liegt schließlich in der zum Teil geforderten Notwendigkeit der A.A. Tilmann, WuW 1999, S. 342, 345. Vgl. näher Kap. 5 B. II. 2. a). 522 Ebenso Willenbruch, NVwZ 1999, S. 1062, 1063. I.E. handelt es sich jedoch um eine Korrektur und inzidente Nachprüfung der Eilentscheidung der Vergabekammer, so dass damit der geforderten Überprüfbarkeit entsprochen wird. 523 A.A. Kus in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 5 (widersprüchlich aber Rdn. 11, 48). 524 Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 551. Zum Erfordernis einer angemessenen Frist zur Rechtsbehelfseinlegung aus Art. 19 Abs. 4 GG vgl. Huber in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 474 ff.; Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 222. 525 Dafür Boesen, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 50; Gröning, ZIP 1999, S. 181, 184; Jaeger in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 1175 (Analogie zu § 64 Abs. 2 GWB und § 572 Abs. 3 ZPO); Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 115 GWB Rdn. 10; Kus in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 48. Dagegen Schweda in: Langen / Bunte, Kartellrecht, § 115 GWB Rdn. 18. 520 521

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u.U. kostspieligen Herbeiziehung eines Anwalts gem. § 117 Abs. 3 GWB526. Eine solche will daher gut überlegt sein, doch fehlt dafür, wie dargelegt, die Zeit, was den vorsichtigen Bieter abschrecken dürfte. Zwar spricht gegen die Einschlägigkeit des § 117 Abs. 3 GWB, dass der Gesetzgeber den Vorschlag des Bundesrates zur Anwendung des § 117 GWB für das erstinstanzliche Eilverfahren zurückgewiesen hat527 und es mit Blick auf die folgende bloße Interessenabwägung durch das Beschwerdegericht einer rechtlichen Aufbereitung des Prozessstoffes nicht bedarf528. Zudem stellt der Antrag i. S. d. § 115 Abs 2 S. 2 GWB gerade keine derart formbedürftige sofortige Beschwerde dar529. Auf der anderen Seite bezog sich jene Zurückweisung primär auf die Form- und Fristenregelungen des § 117 GWB und besteht vor dem Beschwerdegericht ein grundsätzlicher Anwaltszwang530. Angesichts der plausiblen Begründbarkeit beider Ansichten einerseits und der aus Rechtsschutzgründen zu bevorzugenden ersten Auffassung andererseits, sollte eine dahingehende gesetzliche Klarstellung erfolgen.

2. Der eingeschränkte Prüfungskatalog Bedenklich ist vor dem Hintergrund der geforderten effektiven gerichtlichen (Nach-)Prüfbarkeit der Aufhebung des Zuschlagsverbots jedoch nicht nur der erschwerte Zugang zum Rechtsschutzverfahren nach § 115 Abs. 2 S. 2 GWB, sondern auch der dem Beschwerdegericht auferlegte Prüfungsmaßstab, den § 115 Abs. 2 S. 1 GWB auf die „Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen“ beschränkt [a)] und der sich insofern, weil stets nicht unerhebliche öffentliche Interessen betroffen sind, zu Lasten der privaten Antragsteller auswirken könnte [b)].

a) Die alleinige Grundlage der Interessenabwägung Nach § 115 Abs. 2 S. 1 GWB darf die Vergabekammer die vorzeitige Zuschlagserteilung auf der Grundlage einer bloßen Interessen- und Folgenabwägung gestatten, nämlich „wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen sowie des Interesses der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zum 526 So Kus in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 44; Willenbruch, NVwZ 1999, S. 1062, 1067. 527 Vgl. Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 242. 528 Vgl. BT-Drucks. 13 / 9340, S. 21. 529 Jaeger in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 1166; Tilmann, WuW 1999, S. 342, 344 530 Kus in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 48; Willenbruch, NVwZ 1999, S. 1062, 1067.

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

Abschluss der Nachprüfung die damit verbundenen Vorteile überwiegen“. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind danach unbeachtlich531. Dies untermauert der Vergleich zu § 121 Abs. 1 GWB, der als Prüfungsmaßstab neben einer Interessenabwägung (S. 2) ausdrücklich die Berücksichtigung der Erfolgsaussichten (S. 1) nennt. Dieser Unterschied im Prüfungskatalog zwischen dem erst- und dem zweitinstanzlichen Eilverfahren wird damit begründet, dass bei diesem das OLG bereits auf die Feststellung der Vergabekammer aufbauen und damit eine verlässliche Prognose über die Erfolgsaussichten abgeben kann und dass bei jenem der Antrag gem. § 115 Abs. 2 S. 1 GWB extrem kurzfristig verbeschieden werden soll532. Deshalb – und mangels gegenteiliger gesetzlicher Vorgaben – soll dieser eingeschränkte Prüfungsmaßstab auch für die (Nach-)Prüfbarkeit der vorzeitigen Zuschlagserstattung durch das Beschwerdegericht gem. § 115 Abs. 2 S. 2 GWB gelten533. Bereits für reversible gerichtliche Eilentscheidungen wird indes überwiegend eine summarische Prüfung verlangt, welche grundsätzlich die Erfolgsaussichten in der Hauptsache berücksichtigt534. Denn zum einen soll die Entscheidung nicht allein auf unsicheren situativen Kriterien basieren und zum anderen verlangt die primäre Zielsetzung des Eilrechtsschutzes, die in der Sicherung streitiger Rechtspositionen im Hauptsacheverfahren besteht und insofern den Eilrechtsschutz funktional mit dem Hauptsacherechtsschutz und dem materiellen Recht verknüpft, einen materiell-akzessorischen Prüfungsmaßstab535. Daher darf in der Frage, ob und inwieweit ein laufendes Verfahren abgekürzt werden darf, um noch eine „richtige“ Entscheidung zu gewährleisten, der Ausgleich zwischen schnellem und qualitativ hochwertigem Rechtsschutz nicht einseitig zu Lasten des letzteren gehen; im Gegenteil ist das qualitative Element weitgehend unabdingbar536. Erst recht müssen dann die Erfolgsaussichten bei drohenden Irreparabilitäten wie der endgültigen Zuschlagserteilung Beachtung finden. Für diese Fälle wird so531 Ebenso KG, Beschl. vom 09. 11. 1999, KartVerg 12 / 99, S. 3 f. (unter II.); BKartA vom 30. 06. 1999 – VK 2 – 14 / 99; Gröning, ZIP 1999, S. 181, 184; ders., VergabeR 2003, S. 290, 292 f.; Kus in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 26; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 115 GWB Rdn. 8. In der Tendenz ebenso BayObLG, VergabeR 2003, S. 368, 370 f. A.A. unter der Voraussetzung der Evidenz der Erfolgsaussichten Thüringer OLG, VergabeR 2002, S. 165, 166; dass., BauR 2000, S. 95, 97; OLG Dresden, VergabeR 2001, S. 342, 343; OLG Celle, VergabeR 2001, S. 338, 340; Boesen, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 31 (Würdigung der Erfolgsaussichten liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Vergabekammer); Kus in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 26; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 35. 532 Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 232 m. w. N. 533 So Kus in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 54; MüllerWrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 115 GWB Rdn. 11. 534 Vgl. BVerfG, NVwZ-RR 1999, S. 217, 218; Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 220; Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 276 m. w. N.; Schoch in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 80 Rdn. 276, 284. 535 Finkelnburg / Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 45 f. 536 Harries-Lehmann, Rechtsweggarantie, S. 95 m. w. N.

B. Das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer gem. §§ 102 ff. GWB

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gar eine über die sonst vorgesehene summarische Prüfung hinausgehende genaue Untersuchung der Erfolgsaussichten in der Hauptssache gefordert537. Daher ist die Außerachtlassung der Erfolgsaussichten i.R.d. § 115 Abs. 2 GWB verfassungswidrig538. Dieser Bewertung widerspricht auch nicht die verminderte Relevanz des Zuschlagsverbots, respektive Suspensiveffekts, in mehrpoligen Verhältnissen539, da die Außerkraftsetzung desselben in erster Linie den Auftraggeber und gerade nicht den schutzwürdigen Dritten begünstigen soll, wie die Beschränkung der Antragsbefugnis des § 115 Abs. 2 S. 1 GWB allein auf den Auftraggeber beweist540.

b) Die (behauptete) Vorbestimmtheit der Interessenabwägung Verschärft wird diese Problematik durch die grundsätzliche Relevanz des in die Abwägung des § 115 Abs. 2 GWB einzubeziehenden Allgemeininteresses541, die – so wird teilweise befürchtet: regelmäßig – zu einem Überwiegen desselben führen kann542. Dem stellen sich zwar die Rechtsprechung sowie der überwiegende Teil 537 BVerfG, NVwZ 1998, S. 834, 835; dass., NJW 2000, S. 1399, 1400; Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 220. Vgl. auch Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 276; Schmidt in: Eyermann / Fröhler, VwGO, § 80 Rdn. 1. Weniger kritisch OVG Schleswig, NVwZ 1992, S. 687, 688. Derart endgültige Entscheidungen werden regelmäßig im Strengbeweisverfahren gefällt, in dem die volle Überzeugung des Richters dem Urteil zugrunde liegt, und nicht im Eilverfahren, in dem aus Zeitgründen nur mit dem Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit gearbeitet werden kann, vgl. Gröning, ZIP 1998, S. 370, 375. Durch die genaue Untersuchung soll das Beschwerdegericht zu einer – wenn auch nicht vollen – Überzeugung gelangen. Zu dem Recht der Gegendarstellung im Presserecht als einzigem Fall, in dem eine endgültige Entscheidung im Eilverfahren auf bloßer Wahrscheinlichkeitserwägung gefällt wird, vgl. Gröning, ebd. Ausnahmen zulassend Schoch, Jura 2002, S. 37, 43 f. 538 Kritisch auch OLG Thüringen, VergabeR 2002, S. 165, 166; OLG Dresden, VergabeR 2001, S. 342, 343; OLG Celle, VergabeR 2001, S. 338, 340 (die jedoch aus dieser möglichen Verfassungswidrigkeit eine Berücksichtigung der Erfolgsaussichten folgern). Auch die RMRL scheint hinsichtlich der Prüfung, ob vorläufige Maßnahmen zu ergreifen sind, grundsätzlich von einer Berücksichtigung der Erfolgsaussichten auszugehen. Sie nennt die Interessenabwägung in Art. 2 Abs. 4 RMRL als eine mögliche Komponente dieser Prüfung, setzt also im Umkehrschluss mindestens eine andere, jedenfalls zu berücksichtigende Komponente voraus. Diese dürfte die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sein. 539 Vgl. Schmidt in: Eyermann / Fröhler, VwGO, § 80 Rdn. 1; Schoch in: Schoch / SchmidtAßmann / Pietzner, VwGO, § 80 Rdn. 18, 23, 36 ff. 540 Im Gegenteil stellt der BayVGH, BayVBl 1991, S. 720, 721 sogar in Frage, ob es in mehrpoligen Verhältnissen überhaupt andere Kriterien als die Erfolgsaussichten geben könne und dürfe. 541 Entscheidend ist stets das Interesse am vorzeitigen Vertragsschluss, nicht dasjenige am Vertragsschluss überhaupt. 542 Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 545. Vgl. auch KOM (90) 287, endg., Einleitung Rdn. 15, wonach es wegen des gewerblichen und gemeinnützigen Charakters der Versorgungsbetriebe für den einzelnen schwierig sei, sich im vorläufigen Rechtsschutz durchzusetzen, da die Verzögerung des Verfahrens unter Würdigung aller bedrohten Interessen ein-

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

der Literatur entgegen, die regelmäßig das Rechtsschutzinteresse des Bieters überwiegen sehen und daher eine vorzeitige Gestattung der Zuschlagserteilung nur ausnahmsweise annehmen. Überzeugen kann diese herrschende Auffassung allerdings nur in ihrem Ergebnis, den effektiven Primärrechtsschutz sicherzustellen, nicht aber in ihrer Begründung. Freilich lässt sich der Vorrang des Allgemeininteresses im Gegensatz zur früheren haushaltsrechtlichen Lösung nicht mehr ausdrücklich aus dem Gesetz ableiten543, doch wird es anders als die übrigen zu berücksichtigenden Interessen explizit erwähnt und damit herausgehoben544. Diese Heraushebung entspricht der grundsätzlichen besonderen Wertschätzung des Allgemeininteresses durch das Kartellvergaberecht. Diese findet z. B. Ausdruck in § 116 Abs. 2 GWB, der die Untätigkeit der angerufenen Vergabekammer innerhalb der Entscheidungsfrist des § 113 Abs. 1 GWB der Ablehnung des Nachprüfungsantrags gleichstellt und damit im Zweifel dem Allgemeininteresse Vorrang einräumt. Des Weiteren ergibt sich auch aus dem zweistufigen Prüfungssystem des § 118 Abs. 2 GWB545 sowie des § 121 Abs. 1 GWB546, dass eine Interessenabwägung (zweite Stufe) nur im Falle der für den Auftraggeber ungünstigen Erfolgsaussichten in der Hauptsache (erste Stufe) maßgeblich sein soll. Folglich kann zugunsten des Auftraggebers das Allgemeininteresse negative Erfolgsaussichten überwiegen, während zugunsten des nichtberücksichtigten Bieters dem Bieterinteresse keine derartige Wirkung zuerkannt, sondern bei für diesen negativen Erfolgsaussichten der Antrag ohne Interessenabwägung direkt abgelehnt wird. Dass das Allgemeininteresse, nicht aber das Bieterinteresse, wichtiger als die Erfolgsaussichten sein kann, ist Ausdruck der kartellvergaberechtlichen Höherbewertung des Allgemeininteresses, die sich mit dem Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts nur für Großprojekte erklären lässt, deren Verzögerung erhebliche finanzielle Schäden für eine gesamte Region herbeiführen kann547. schließlich des öffentlichen Interesses typischerweise nicht gerechtfertigt sei. Ähnlich Willenbruch, NVwZ 1999, S. 1062, 1066. Kritisch auch Pache, DVBl. 2001, S. 1781, 1788. 543 Nach § 57b Abs. 4 S. 6 HGrG ist „insbesondere“ das öffentliche Interesse zu berücksichtigen, vgl. dazu Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 545 und 302 ff. 544 Ähnlich Korbion, VgRÄG, § 115 GWB Rdn. 3 („besondere Bedeutung“). Vorsichtiger dagegen Kus in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 33. Wenn er zudem darauf abstellt, das Allgemeininteresse sei auf die Einhaltung des Vergaberechts gerichtet, ist zu erwidern, dass die Vergaberechtmäßigkeit durch den Ausschluss der Erfolgsaussichten in der Hauptsache bei dieser Interessenabwägung weder erörtert wird noch eine unmittelbare Rolle spielen soll. 545 Vgl. nur Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 118 GWB Rdn. 15 ff. m. w. N.; Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 12. 546 Vgl. nur Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 121 GWB Rdn. 20 ff. 547 Vgl. Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 547; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 115 GWB Rdn. 7 m. w. N. Ob eine Vorschrift, die das Überwiegen öffentlicher Interessen als Regelvermutung aufstellt, mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar ist, lässt BVerfG, NVwZ 1984, S. 165 offen.

B. Das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer gem. §§ 102 ff. GWB

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Dieser Höherbewertung des Allgemeininteresses an einem raschen Verfahren ist i.R.d. § 115 Abs. 2 GWB nicht bereits durch die kurzen Fristen des Nachprüfungsverfahrens und des § 113 Abs. 1 S. 1 GWB hinreichend Rechnung getragen548. Vielmehr ist das Eilverfahren gerade für den Fall der – überdies nicht unüblichen und mehrfach möglichen549 – Verlängerung der Fünfwochenfrist des § 113 Abs. 1 S. 1 GWB gem. § 113 Abs. 1 S. 2 GWB geschaffen worden550, so dass in diesem Zusammenhang nicht auf die „gewöhnlich“ kurzen Fristen abgestellt werden darf. Stattdessen müssen neben der ungewissen Dauer der Fristverlängerung (§ 113 Abs. 1 S. 2 GWB) auch der dann sichere Ablauf der Binde- und Zuschlagsfrist vor der Hauptsacheentscheidung mit der Folge der Pflicht zur Neuausschreibung551 sowie die – wegen der existenziellen Bedeutung der Auftragsvergabe – höchstwahrscheinliche weitere Verzögerung durch ein Beschwerdeverfahren bedacht werden552. Darüber hinaus verfängt in diesem Zusammenhang der Einwand nicht, dass sich sowohl das Bieter- als auch das Allgemeininteresse an der Einhaltung des Kartellvergaberechts orientierten und daher ohnehin übereinstimmten 553. Denn zum einen steht in der Hauptsache gerade die Rechtmäßigkeit der Vergabe zur Diskussion und zum anderen sind i.R.d. § 115 Abs. 2 GWB rechtliche Erwägungen unbeachtlich, da nur eine bloße Interessenabwägung erfolgt. Ebenso wenig ist in der Frage des Verhältnisses von Bieter- und Allgemeininteresse der Gesetzeszweck weiterführend, weil dieser sowohl das Allgemeininteresse an der beschleunigten Vergabe 548 So aber Thüringer OLG, VergabeR 2002, S. 165, 166; OLG Celle, VergabeR 2001, S. 338, 340 mit zust. Anm. Hilgers. 549 So Byok in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 113 GWB Rdn. 1064; Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 113 Rdn. 8; Marx in: Motzke / Pietzcker / Prieß, VOB, § 113 GWB Rdn. 8; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 113 GWB Rdn. 15; a.A. Boesen, Vergaberecht, § 113 GWB Rdn. 27; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 113 GWB Rdn. 3 f. 550 Vgl. Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 213. 551 Vgl. Kap. 5 A. II. 2. c) sowie Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 545, 557 ff.; a.A. Kus in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 33; Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 225. Zwar ist der Auftraggeber zur Berücksichtigung eines etwaigen Nachprüfungsverfahrens bei der Berechnung des Zeitrahmens für die Vergabe rechtlich verpflichtet (vgl. OLG Dresden, VergabeR 2001, S. 342, 344; OLG Celle, VergabeR 2001, S. 338, 340). Faktisch erlaubt ihm die auf maximal 30 Tage zu begrenzende und mit dem Eröffnungstermin beginnende Zuschlagsfrist aber nicht, neben der 14-tägigen Frist des § 13 S. 2 VgV auch noch Zeit für das Nachprüfungsverfahren einzuplanen, ohne die ihm zur Verfügung stehende Zeit zur Bewertung der teilweise immensen Anzahl von Angeboten auf ein unmögliches Minimum zu reduzieren. Eine Aussetzung der Zuschlags- und Bindefrist wird durch das Zuschlagsverbot nach allgemeiner Auffassung nicht bewirkt, da andernfalls die Bieter die Länge der Bindung an ihre Angebote nicht abschätzen und deshalb auch nicht sicher kalkulieren könnten. 552 Die „Höchstwahrscheinlichkeit“ verkennt das BKartA, Beschl. vom 30. 06. 1999, VK 1 – 14 / 99, S. 6 ff., wenn es die Berücksichtigung der Verzögerung durch ein Beschwerdeverfahren ablehnt. 553 Vgl. Schoch in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 80 Rdn. 146 f.

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

als auch das Bieterinteresse am effektiven Primärrechtsschutz verfolgt. Daneben ist, jedenfalls für mehrpolige Verhältnisse wie dem bei der Auftragsvergabe, auch eine Präjudizwirkung zugunsten einer bieterfreundlichen Aufrechterhaltung des Zuschlagsverbots abzulehnen554. Schließlich führt die Irreversibilität des Primärrechtsschutzausschlusses trotz existenzieller Bedeutung der Auftragsvergabe nicht zur – regelmäßigen – Außerkraftsetzung jenes abwägungsrelevanten Kräfteverhältnisses zugunsten des Bieterinteresses555. Denn in derartigen mehrpoligen Verhältnissen sind zusätzlich die Interessen am Verfahren beteiligter Dritter, insbesondere des präferierten Bieters, einzubeziehen556, deren Relevanz bereits in § 109 GWB557 zum Ausdruck kommt558. Ebenso wie die (vergabewidrige) sofortige Zuschlagserteilung zu einem endgültigen Rechtsverlust des nichtberücksichtigten Bieters führt, kann die Verzögerung der Vergabe durch ein (letztlich nicht erfolgreiches) Nachprüfungsverfahren zumindest faktisch dauerhaft die Interessen des präferierten Bieters beeinträchtigen, etwa wenn dieser nur innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens den Auftrag durchführen kann oder seine derzeitige Kalkulation zeitlich gebunden ist. Im Gegensatz zum rechtswidrig nichtberücksichtigten Bieter steht dem rechtmäßig auserwählten, aber durch die Verzögerung verhinderten Bieter noch nicht einmal eine Kompensation durch Sekundärrechtsschutz zu. Daher kann in einer reinen Interessenabwägung ohne Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache bereits das Interesse des präferierten Bieters das Interesse des nichtberücksichtigten Bieters aufwiegen und wird dann die zusätzliche Beachtung des Allgemeininteresses erst recht zu einer Abwägung zugunsten des Auftraggebers führen, zumal auch das Allgemeininteresse irreparabel beeinträchtigt sein kann. Insoweit darf nicht allein auf für die Zukunft irreparable Zustände abgestellt werden559. Für die Bieter ist dies zwar sinnvoll und gerechtfertigt, da für diese in erster Linie der „Auftragslohn“ und die Reputation zählen, die auch in der Zukunft noch erreicht werden können. Für den öffentlichen Auftraggeber ist indes mit dem Auftrag regelmäßig ein Nutzungswert verbunden, sei es dass durch bestimmte Einkäufe die Funktionsfähigkeit der Verwaltung aufrechterhalten, sei es dass durch den veranlassten Bau von Straßen, Krankenhäusern o.ä. deren Betrieb i.R.d. Daseinsvorsorge sichergestellt wird. Im Gegensatz zu den terminunabhängigen Zielen der Bieter tritt für den Auftraggeber und die Allgemeinheit auch durch bloßen Zeitablauf ein irreparabler „Wertverlust“ ein, so dass auf deren Seite i.R.d. Interessen- und Folgenabwägung auch irreparable Zustände zu berücksichtigen sind, die auf den Zeitraum560 zwischen potenzieller Eilentscheidung bis zur Haupt554 Vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 275; Schoch in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 80 Rdn. 12. 555 In diese Richtung jedoch Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 223. 556 Kotulla, DV 33 (2000), S. 521, 556 f. 557 „. . . schwerwiegend berührt . . .“. 558 Ähnlich Kus in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 29 f. 559 Vgl. dazu Schoch in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 123 Rdn. 141 ff. 560 Die Gesetzesbegründung geht in BT-Drucks. 13 / 9340 S. 21 von durchschnittlich neun Monaten aus.

B. Das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer gem. §§ 102 ff. GWB

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sacheentscheidung beschränkt sind. Selbst wenn die herrschende Auffassung bislang das Bieterinteresse regelmäßig überwiegen lässt, ist die Befürchtung eines – zumindest nicht untypischen – Überwiegens der Auftraggeber- und Allgemeininteressen nicht unberechtigt. 3. Die Endgültigkeit der Entscheidung Ein eng mit der Irreversibilität der Zuschlagserteilung verbundenes verfassungsund europarechtliches Problem liegt schließlich in der bereits erwähnten Endgültigkeit der – aus Bietersicht negativen – Eilentscheidung. Insofern entspricht das zwitterhafte „sinnverkehrte Eilverfahren“561 in seinem Prüfungsumfang dem vorläufigen Rechtsschutz, im Hinblick auf sein endgültiges Ergebnis auch für die Hauptsache aber einem „beschleunigten Hauptsacherechtsschutz“562. Eine derartige endgültige Vorwegnahme der Hauptsache, die sogar für die Zukunft irreversible Zustände herbeiführt und damit das Hauptsacheverfahren erledigt, steht jedoch in Widerspruch zu Art. 19 Abs. 4 GG563. Denn Eilrechtsschutzverfahren sollen mit ihrer Sicherungs- und interimistischen Befriedigungsfunktion im Gegenteil gerade die Verhinderung der Erledigung des Hauptsacherechtsschutzes bewirken. In diesem Sinne ist auch Art. 2 Abs. 4 RMRL zu verstehen, der in S. 1 lediglich vorläufige – und nicht vorzeitige – Maßnahmen erlaubt und in S. 2 die Beeinträchtigung der „sonstigen Rechte“ durch die Gestattung oder Vornahme von „vorläufigen Maßnahmen“ verbietet. Dass der Bieter selbst die gerichtliche Eilentscheidung beantragt, ist hierbei unbeachtlich, da er wegen der Irreversibilität der – vorher gem. § 115 Abs. 2 GWB vorzeitig gestatteten – Zuschlagserteilung faktisch dazu gezwungen ist, um seine Primärrechtsschutzmöglichkeiten zu wahren. Freilich werden Ausnahmen von dem Vorwegnahmeverbot anerkannt, jedoch auf den Fall begrenzt, in dem effektiver Hauptsacherechtsschutz, insbesondere aus Zeitgründen, nicht möglich ist, also nicht nur die Vorwegnahme der Hauptsache, sondern umgekehrt auch das Absehen der Maßnahmenvorwegnahme irreparable Zustände schafft564. Zur Minimierung des Fehlentscheidungsrisikos müssen aber die Erfolgsaussichten in der Hauptsache umfassend berücksichtigt werden, so dass – zumindest annähernd – die Kontrolldichte eines Hauptsacheverfahrens erreicht wird565. Eine bloße Interessenabwägung ist daher unzureichend566. Allein auf dieGröning, ZIP 1998, S. 370, 375. Vgl. Boesen, Vergaberecht, § 121 GWB Rdn. 1 („beschleunigtes Hauptverfahren“). 563 Vgl. die Nachweise bei Finkelnburg / Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 203 ff., 211 ff.; Schoch in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 123 Rdn. 141. 564 Ähnlich OVG Berlin, NVwZ-RR 1997, S. 712, 714; Finkelnburg / Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 211 f., 217 Fn. 62 m. w. N.; Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 220; Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 255 m. w. N.; Schoch in: Schoch / SchmidtAßmann / Pietzner, VwGO, § 80 Rdn. 7. 565 Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 232; in diese Richtung auch Kopp / Schenke, VwGO, § 123 Rdn. 24. 561 562

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

se beschränkt sich jedoch der Prüfungsmaßstab des vergaberechtlichen erstinstanzlichen Eilverfahrens, das überdies rechtliches Gehör allenfalls in einer auf das Eilverfahren angepassten Form gewährt und die Geltung des – eingeschränkten – vergaberechtlichen Untersuchungsgrundsatzes ausschließt567. Auch aus diesem Grund ist die derzeitige Ausgestaltung des Eilverfahrens gem. § 115 Abs. 2 GWB im Hinblick auf die verfassungs- und europarechtlichen Rechtsschutzvorgaben sehr bedenklich.

4. Zwischenergebnis und Lösungsvorschlag Vor dem Hintergrund der Irreversibilität der Zuschlagserteilung ist das Eilverfahren gem. § 115 Abs. 2 GWB568 wegen des eingeschränkten Prüfungsumfangs und der Endgültigkeit der Entscheidung im Hinblick auf die verfassungs- und europarechtlichen Rechtsschutzvorgaben als unzureichend zu kritisieren. Allein der Appell zur restriktiven Auslegung des § 115 Abs. 2 GWB569 kann diese Bedenken nicht beseitigen. Vielmehr ist dessen Existenzberechtigung zu hinterfragen, die mit der Notwendigkeit einer zeitnahen Nachprüfungsentscheidung im Einzelfall und der Verhinderung missbräuchlicher Verfahrensverzögerung durch die Stellung eines (nicht erfolgversprechenden) Nachprüfungsantrags begründet wird. Ob jedoch aufgrund des in § 113 GWB sehr eng gesteckten Zeitrahmens, der bereits Abstriche von der Rechtsschutzqualität bedingt, ein i.R.d. Eilverfahrens tatsächlich erreichbarer erheblicher Zeitgewinn möglich ist, erscheint zweifelhaft570, zumal das Zuschlagsverbot nur die Beendigung des Vergabeverfahrens durch Zuschlag, nicht aber die Fortsetzung des Verfahrens bis – exklusive – zur Zuschlagserteilung verbietet. Zwar ist das Eilverfahren primär als Ausgleich für die Verlängerungsmöglichkeit nach § 113 Abs. 1 S. 2 GWB gedacht. Wenn allerdings diese Vorschrift nicht mehr weit ausgelegt – bislang wird z. B. eine Überlastung der Vergabekammer als tatsächliche Schwierigkeit571, das gesetzliche Erfordernis des 566 Schoch in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 80 Rdn. 72; vgl. umfassend Finkelnburg / Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 227 ff. m. w. N. A.A. Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 276. Die vom BVerfG, NVwZ 1997, S. 479, 480 gestattete erfolgsunabhängige Folgenabwägung bezog sich nicht auf die Vorwegnahme der Hauptsache für die Zukunft, wie sie im Vergaberecht droht. 567 Ähnlich Boesen, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 48; Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 218 f., 246; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 32. Zum Untersuchungsgrundsatz vgl. auch Kap. 5 A. II. 3. a) aa) und Fn. 179 . 568 Die Erwägungen zu § 115 Abs. 2 S. 1 u. 2 GWB gelten gleichermaßen für § 115 Abs. 2 S. 3 GWB. 569 Vgl. Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 115 GWB Rdn. 6. 570 Kritisch auch Gröning, ZIP 1998, S. 370, 374 („. . . weshalb auf diese Regelung im Übrigen mit Fug und Recht verzichtet werden könnte.“); Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 26. Anders beim Eilverfahren vor dem Beschwerdegericht, das für seine Entscheidung keinen zeitlichen Vorgaben unterliegt.

C. Gerichtlicher Rechtsschutz vor dem OLG

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Ausnahmefalls als „entbehrlich“572 und eine mehrfache Verlängerung für möglich erachtet573 –, sondern entsprechend ihrem Sinn und Zweck restriktiv gehandhabt würde, Verlängerungen damit auf besonders gelagerte, seltene Einzelfälle beschränkt und von vornherein auf einen „erforderlichen Zeitraum“ von höchstens fünf Wochen begrenzt blieben, wäre der Sinn des Eilverfahrens durchaus in Frage gestellt. Eine derartige restriktive Handhabung entspräche auch dem Gesetzeszweck, der Zwischenverfahren vor dem Beschwerdegericht sowie die damit einhergehende Doppelbelastung der Gerichte und die Verzögerung des Hauptsacheverfahrens zu verhindern sucht574. Anerkennt man überdies, dass ein während des Zuschlagsverbots geschlossener Vertrag dennoch wirksam sein kann respektive nicht zwingend aufzuheben ist, sei es aufgrund einer schwebenden Unwirksamkeit, sei es mit Blick auf den der Vergabekammer zustehenden Entscheidungsspielraum i.R.d. § 114 Abs. 1 GWB575, so dass in besonderen Eilfällen, in denen der Auftraggeber von der Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens überzeugt ist, dieser während des Nachprüfungsverfahrens den Zuschlag ohne negative Folgen erteilen kann576, muss das Eilverfahren als verzichtbar qualifiziert werden, zumal ein Ausschluss offensichtlich missbräuchlicher Nachprüfungsanträge bereits durch das Zustellungserfordernis des § 110 Abs. 1 GWB und den Schadensersatzanspruch bei Rechtsmissbrauch gem. § 125 GWB garantiert ist.

C. Gerichtlicher Rechtsschutz vor dem OLG Dem tatsächlichen Verlauf einer Vergabenachprüfung entsprechend schließt sich der erfolgten Analyse des erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahrens eine entsprechende Untersuchung des zweitinstanzlichen Nachprüfungsverfahrens vor dem Beschwerdegericht gem. §§ 116 ff. GWB an. Maßgeblich ist wiederum die Frage der Lückenlosigkeit des Zuschlagsverbots577, die wegen der Irreversibilität der Zu571 So Otting in: Bechthold, GWB, § 113 Rdn. 3; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 113 GWB Rdn. 10. 572 So Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 113 GWB Rdn. 12. 573 So Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 113 Rdn. 8; Marx in: Motzke / Pietzcker / Prieß, VOB, § 113 GWB Rdn. 8; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 113 GWB Rdn. 15. 574 Vgl. BT-Drucks. 13 / 9340 S. 20. Vgl. zu den diesbezüglichen Nachteilen des Eilrechtsschutzes Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 220. 575 Vgl. Kap. 5 A. I. 1. b) bb) (2). 576 In diese Richtung auch Byok in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 1098. Denkbar ist auch eine aufschiebend bedingte Zuschlagserteilung, vgl. Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 7; a.A. Byok in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 1097. 577 Es wird im Folgenden nur der Fall der antragsablehnenden Vergabekammerentscheidung untersucht. Für die stattgebende Vergabekammerentscheidung gilt § 118 Abs. 3 GWB, vgl. Kap. 5 B. I. 3.

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

schlagserteilung zur Gewähr eines effektiven vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes erforderlich ist. Kritisch erscheinen in diesem Zusammenhang die Schnittstelle zwischen erst- und „zweitinstanzlichem“ Zuschlagsverbot [I.], die – notwendige – Verlängerung desselben gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB [II.] sowie das zweitinstanzliche Eilverfahren gem. § 121 GWB zur vorzeitigen Gestattung der Zuschlagserteilung [III.].

I. Das „zweitinstanzliche Zuschlagsverbot“ des § 118 Abs. 1 S. 1 u. 2 GWB Das vergaberechtliche Zuschlagsverbot endet gem. §§ 115 Abs. 1, 117 Abs. 1 GWB zwei Wochen nach Zustellung der zuungunsten des nichtberücksichtigten Bieters ausgefallenen Vergabekammerentscheidung respektive bei Saumseligkeit der Vergabekammer zwei Wochen nach Ablauf der Frist des § 113 Abs. 1 GWB. Eine dagegen eingelegte sofortige Beschwerde bewirkt jedoch nach dem Gesetzeswortlaut des § 118 Abs. 1 GWB kein neues Zuschlagsverbot oder eine Verlängerung des erstinstanzlichen, sondern hat bloß „aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer“578. Zu untersuchen ist daher zunächst die Wirkung der aufschiebenden Wirkung des § 118 Abs. 1 S. 1 GWB [1.], bevor dann die Voraussetzungen des Eintritts der aufschiebenden Wirkung zu hinterfragen sind [2.].

1. Die Tatbestandswirkung des vergaberechtlichen Suspensiveffekts Zum Teil wird jene Problematik durch eine verfassungs- und europarechtskonforme Auslegung der aufschiebenden Wirkung des § 118 Abs. 1 S. 1 GWB als Zuschlags- und gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB zu umgehen versucht579. Dies widerspricht indes nicht nur dem klaren Wortlaut580 des Gesetzes („aufschiebende Wirkung“) und seiner Begründung („Suspensiveffekt“), sondern ist auch nicht erforderlich, wenn durch die Suspendierung der Vergabekammerentscheidung gleichsam das daran gebundene Zuschlagsverbot des § 115 Abs. 1 GWB aufrechterhalten wird. In Frage steht damit die so genannte Tatbestandswirkung des Suspensiveffekts581.

578 Erfasst ist auch die gem. § 116 Abs. 2 GWB fingierte Vergabekammerentscheidung, vgl. dazu bereits Kap. 5 A. II. 3. a) aa) sowie B. I. 2. b) u. c). 579 So Boesen, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 15 f.; Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 263; wohl auch Stockmann in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 118 Rdn. 7. 580 Zum Wortlaut als Auslegungsgrenze vgl. Fn. 317 . 581 Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 623. Vgl. zur Tatbestandswirkung Knöpfle, BayVBl 1982, S. 225, 230.

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§ 115 Abs. 1 GWB knüpft das Ende des erstinstanzlichen Zuschlagsverbots zum einen an die „Entscheidung der Vergabekammer“ und zum anderen an den „Ablauf der Beschwerdefrist nach § 117 Abs. 1“ GWB, die zwei Wochen nach der Zustellung der Vergabekammerentscheidung endet. Schon aus dem Umkehrschluss zu dieser formellen und auf einen Zeitpunkt abstellenden zweiten Voraussetzung folgt, dass für jene erste Voraussetzung nicht der Zeitpunkt der Entscheidung, sondern vor allem deren materielle Wirksamkeit maßgeblich ist582. Dafür spricht auch der Sinn und Zweck des § 115 Abs. 1 GWB, der effektiven Primärrechtsschutz gewährleisten will583. Damit stünde nicht in Einklang, wenn jede, also auch die unwirksame Entscheidung das Zuschlagsverbot entfallen ließe. Überdies ist es gerade ein Wesensmerkmal der Unwirksamkeit, dass sie keine Rechtsfolgen auslöst. Mithin entfällt das erstinstanzliche Zuschlagsverbot nur im Falle einer wirksamen Vergabekammerentscheidung. Hemmte daher der Suspensiveffekt des § 118 Abs. 1 S. 1 GWB deren Wirksamkeit, bestünde das erstinstanzliche Zuschlagsverbot fort584. Allerdings wird diese Wirksamkeitstheorie im Verwaltungsrecht von der herrschenden Auffassung zu Recht abgelehnt585. Verwiesen wird vor allem auf § 43 VwVfG, der die Wirksamkeit eines Verwaltungsakts ausdrücklich bis zu dessen Aufhebung – und nicht dessen Suspendierung – anerkennt, sowie auf § 80 Abs 2 S. 1 Nr. 4 VwGO, wonach eine Behörde den Suspensiveffekt nur durch die Anordnung der Vollziehung – und nicht durch ein neues Inkrafttretenlassen des Verwaltungsakts – beseitigen kann. Stattdessen wird der Suspensiveffekt als Vollzugshemmung unter Fortbestand der Wirksamkeit qualifiziert. Die Übertragung dieser Auffassung ins Vergaberecht hätte allerdings den Wegfall des Zuschlagsverbots trotz Einlegung der sofortigen Beschwerde zur Folge. Denn infolge des Wirksambleibens der Vergabeentscheidung endete das Zuschlagsverbot unabänderlich nach Ablauf der Beschwerdefrist. Damit wären nicht nur zweitinstanzlicher Primärrechtsschutz mangels Zuschlagsverbots faktisch ausgeschlossen und die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG sowie europarechtliche Rechtsschutzvorgaben verletzt586. Darüber hinaus stünde dieses Verständnis auch offensichtlich in Widerspruch zu dem Willen des Gesetzgebers587 Die Unwirksamkeitsgründe eines Verwaltungsakts sind in § 44 VwVfG normiert. Vgl. BT-Drucks. 13 / 9340, S. 19 f. 584 Für diese so genannte Wirksamkeitstheorie daher OLG Düsseldorf, VergabeR 2001, S. 429; KG, NZBau 2000, S. 262, 263; Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 629 f.; vgl. auch BTDrucks. 13 / 9340, S. 21. 585 Vgl. nur BVerwGE 13, S. 1, 5 ff.; E 66, S. 218, 222; Finkelnburg / Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 639; Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 32 Rdn. 3. Aus dem Vergaberecht Gesterkamp, WuW 2001, S. 665, 666 f. 586 Vgl. Boesen, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 16; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 118 GWB Rdn. 3. Insbesondere gilt die erste Instanz vor der Vergabekammer nicht als gerichtliche i. S. d. GG (vgl. Fn. 488), so dass kein gerichtlicher Rechtsschutz gewährleistet wäre. 582 583

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und der Systematik der §§ 116 ff. GWB. Jener hat sich zwar ausdrücklich gegen ein automatisches dauerhaftes Zuschlagsverbot zugunsten des vor der Vergabekammer unterlegenen Bieters588, augenscheinlich aber für ein vorläufiges kurzes, durch Suspendierung der Vergabekammerentscheidung zu erreichendes Zuschlagsverbot entschieden. Denn die gesetzliche Anknüpfung des Zuschlagsverbots des § 115 Abs. 1 GWB an den Ablauf der Beschwerdefrist erscheint nur sinnvoll, wenn ein Schutz nach Einlegung der sofortigen Beschwer besteht. Auch ist sonst die Normierung des Eilverfahrens zur „Vorabentscheidung über den Zuschlag“ während des Beschwerdeverfahrens gem. § 121 Abs. 1 GWB nicht nachvollziehbar589. Schließlich führte die Anwendung der reinen Vollziehbarkeitstheorie die Regelung der §§ 118 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 GWB ad absurdum, die „das Beschwerdegericht (ermächtigen,) auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde (zu) verlängern“. Denn der Suspensiveffekt wäre dann – also ohne Zuschlagsverbot – für den Antragsteller nutzlos590 und allenfalls für den Auftraggeber von Interesse591, dem jedoch im Falle seines Obsiegens vor der Vergabekammer keine Antragsbefugnis i. S. d. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB zusteht592. Die Lösung dieses Konflikts zwischen Wirksamkeits- und Vollzugshemmung bietet eine – im Verwaltungsrecht bekannte593 – dahingehende Modifizierung der Vollziehbarkeitstheorie, dass nicht einseitig auf die Vollziehbarkeit abgestellt wird, sondern alle negativen Folgen der Verwirklichung des Verwaltungsakts von der aufschiebenden Wirkung umfasst werden594. Diesem Verständnis als umfassendes Verwirklichungsverbots entspricht es, dass auch das Zuschlagsverbot unter den Suspensiveffekt des § 118 Abs. 1 S. 1 GWB gefasst wird. Im Ergebnis wird daher mit der Einlegung der sofortigen Beschwerde das Ende des Zuschlagsverbots suspendiert.

587 588 589

Vgl. BT-Drucks. 13 / 9340, S. 21. BT-Drucks. 13 / 9340 Anlage 3 Buchstabe r (§ 128). Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 118 GWB Rdn. 3. Vgl. dazu Kap. 5 C.

III. 590 Die einen Antrag ablehnende Entscheidung hätte dann keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, dessen Wirkung durch den Suspensiveffekt beeinflusst werden könnte, vgl. Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 623. 591 Insbesondere bei einem Teilerfolg des Auftraggebers vor der Vergabekammer, z. B. der Gestattung der Zuschlagserteilung unter bestimmten Auflagen, wenn er dagegen sofortige Beschwerde eingelegt hat, aber inzwischen die Durchsetzung dieser Auflagen im Wege der Verwaltungsvollstreckung gem. § 114 Abs. 3 S. 2 GWB droht. 592 Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 628. 593 Finkelnburg / Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 639; Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 32 Rdn. 3. 594 Ebenso Boesen, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 6; Gesterkamp, WuW 2001, S. 665, 667.

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2. Die Voraussetzungen des Eintritts des Suspensiveffekts Insoweit gewährleistet die faktische Verlängerung des erstinstanzlichen Zuschlagsverbots durch die sofortige Beschwerde effektiven zweitinstanzlichen Primärrechtsschutz. Zwar erscheint die gewährte Zweiwochenfrist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde mit Blick auf die Begründungserfordernisse des § 117 Abs. 2 GWB595 und die Notwendigkeit der Konsultation eines Rechtsanwalts gem. § 117 Abs. 3 GWB wiederum „äußerst knapp bemessen“596, zumal die Beschwerdeeinlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle oder bei der Vergabekammer unzulässig sein soll und selbst im Fall einer für zulässig gehaltenen Weiterleitung der Beschwerde an das zuständige Beschwerdegericht die kurze Zweiwochenfrist regelmäßig abgelaufen sein wird597. Zumindest erscheinen aber durch die Normierung des automatischen Eintritts des Suspensiveffekts, der ein Tätigwerden der angerufenen Instanz nicht mehr voraussetzt, die aus dem erstinstanzlichen Verfahren bekannten tatsächlichen Fristverkürzungsmaßnahmen ausgeschlossen598. Doch auch bei Unterstellung der Angemessenheit der Beschwerdefrist erscheint der zweitinstanzliche Primärrechtsschutz nicht lückenlos ausgestaltet. Rechtsschutzbeeinträchtigen drohen zum einen, wenn und soweit das Zuschlagsverbot an über die Beschwerdeeinlegung hinausgehende Voraussetzungen, z. B. ein Antragserfordernis [a)] oder eine Inkenntnissetzung des Auftraggebers [b)], gebunden wird, die sich allgemein oder im Einzelfall als schwer oder sogar nicht erfüllbar erweisen. Zum anderen ist zu untersuchen, ob in Fällen, in denen die Nichterfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen der Beschwerde aus Rechtsschutzgesichtspunkten nachträglich kompensiert werden kann und muss, sei es durch spätere Heilung einer offensichtlichen Unzulässigkeit [c)] oder die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i.R.d. Problematik der so genannten „Untätigkeitsbeschwerde“ [dd)], der auf diese Weise bewirkte rückwirkende Suspensiveffekt stets auch die rückwirkende Wiederherstellung des Zuschlagsverbots zur Folge hat.

a) Das Antragserfordernis bei ablehnenden Vergabekammerentscheidungen Teile der Literatur599 begrenzen den automatischen Eintritt des Suspensiveffekts gem. § 118 Abs. 1 S. 1 GWB auf Beschwerden gegen stattgebende Vergabekammerentscheidungen und setzen für die Suspendierung ablehnender Entscheidungen einen – erfolgreichen – Antrag gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB voraus. Zur lückenlo595 596 597 598 599

Vgl. dazu Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 279 ff. Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 117 GWB Rdn. 13b. Vgl. Wilke, NZBau 2005, S. 326, 328 m. w. N. Vgl. dazu Kap. 5 A. II. 2. b) bb). So Stockmann in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 118 Rdn. 3.

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sen Fortsetzung des Zuschlagsverbots durch Suspendierung der Vergabekammerentscheidung müsste dieser Antrag innerhalb der als Notfrist nicht verlängerbaren Beschwerdefrist gem. § 117 Abs. 1 GWB somit nicht nur gestellt, sondern auch zugunsten des Bieters verbeschieden werden. Dafür dürfte die ohnehin als „äußerst knapp bemessen“ kritisierte Dauer von zwei Wochen jedoch kaum ausreichen, so dass mit Ablauf der Beschwerdefrist das Zuschlagsverbot zunächst endete und der Zuschlag wirksam erteilt werden könnte. Ob das Verbot später durch den „Verlängerungsantrag“ gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB wiederhergestellt werden könnte600 und die Rückwirkung des Suspensiveffekts das wiederhergestellte Zuschlagsverbot umfasste mit der Folge der ex-tunc-Unwirksamkeit von Zuschlag und Vertragsschluss601, ist hingegen äußerst fraglich. Damit nimmt jene Literaturmeinung eine erhebliche Rechtsschutzlücke in Kauf. Ein Nachgehen der aufgeworfenen Fragen zur Untersuchung und Bestätigung dieser Lücke lohnt allerdings nicht, da die obige Ansicht bereits mit Wortlaut und Sinn des § 118 Abs. 1 GWB unvereinbar und deshalb abzulehnen ist. Denn § 118 Abs. 1 S. 3 GWB, der für die Fälle ablehnender Vergabekammerentscheidungen gilt, spricht ausdrücklich von einer Verlängerung der aufschiebenden Wirkung und setzt damit ein vorheriges Ent- und Bestehen derselben voraus. Dies vermittelt allein § 118 Abs. 1 S. 1 GWB, so dass S. 3 die Einschlägigkeit von S. 1 für ablehnende Entscheidungen impliziert. Ein Antragserfordernis für den Eintritt von Suspensiveffekt und Zuschlagsverbot und eine damit einhergehende Rechtsschutzlücke besteht mithin nicht.

b) Die Inkenntnissetzung des Auftraggebers gem. § 117 Abs. 4 GWB Bedenklich erscheint dagegen die von Teilen der Rechtsprechung geforderte zusätzliche602 Bindung des Eintritts des Suspensiveffekts an die Inkenntnissetzung des Auftraggebers durch den Beschwerdeführer gem. § 117 Abs. 4 GWB603. Danach sind „Mit der Einlegung der Beschwerde . . . die anderen Beteiligten . . . vom Beschwerdeführer . . . zu unterrichten“. Dies hätte zum einen die Übertragung des Übermittlungsrisikos auf den Beschwerdeführer zur Folge. Zum anderen müsste die Mitteilung i. S. d. § 117 Abs. 4 GWB wegen der zeitlichen Anbindung an die Beschwerdeeinlegung ebenfalls innerhalb der Zweiwochenfrist erfolgen, so dass den Beschwerdeführer eine weitere604, innerhalb der Beschwerdefrist zu erfüllende Verpflichtung träfe und zudem die Frist faktisch verkürzt würde, da der Bieter we600 601 602 603 604

tation.

Vgl. Kap. 5 C. II. 2. a), insbes. Fn. 655 . Vgl. Kap. 5 C. II. 2. d) bb) u. cc) (1). D. h. neben dem Erfordernis der Beschwerdeeinlegung. Dafür OLG Naumburg, VergabeR 2003, S. 360, 362 ff.; dass., NZBau 2000, S. 96. Neben der Beschwerdeeinlegung, der Begründung derselben sowie der Anwaltskonsul-

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gen des Übermittlungsrisikos den zur Verfügung gestellten Zeitraum vorsichtshalber nicht ausschöpfen würde. Für die Kopplung des Suspensiveffekts an die Mitteilung gem. § 117 Abs. 4 GWB lässt sich zum einen die Beschleunigungswirkung des § 117 Abs. 4 GWB anführen605, zum anderen kann auf die Parallele zum erstinstanzlichen Zuschlagsverbot verwiesen werden, dessen Eintritt ebenfalls die Kenntnis des Auftraggebers voraussetzt (§§ 115 Abs. 1, 110 Abs. 2 GWB)606. Dagegen spricht indes, dass im Beschwerdeverfahren gerade eine den §§ 115 Abs. 1 110 Abs. 2 GWB entsprechende, explizite Anknüpfungsregelung fehlt607. Das erklärt sich damit, dass das erstinstanzliche Zustellungserfordernis in seiner Funktion als Hürde für missbräuchliche Nachprüfungsanträge, die allein zur Bewirkung des Zuschlagsverbots gestellt werden, in der zweiten Instanz und in Anbetracht der Kürze und Vorläufigkeit des Suspensiveffekts (§ 118 Abs. 1 S. 2 GWB) nicht mehr erforderlich ist. Außerdem ist ein derartiger Sanktionscharakter weder aus dem Wortlaut oder der Begründung des § 117 Abs. 4 GWB ableitbar, noch erforderlich, da eine – wenn auch verspätete – Kenntnis des Auftraggebers jedenfalls durch die zusätzliche Zustellungspflicht des Beschwerdegerichts gem. §§ 120 Abs. 2, 73 Nr. 2 GWB i.V.m. § 172 Abs. 2 ZPO gewährleistet ist608. Schließlich muss die in erster Instanz erfolgreiche Partei angesichts des wirtschaftlichen Gewichts der Auftragsvergabe mit der Einlegung des Rechtsmittels rechnen609. Zusammenfassend ist dem Gesetz eine zwingende Begründung weder für noch gegen eine Anknüpfung des Suspensiveffekts an die Mitteilung gem. § 117 Abs. 4 GWB zu entnehmen610. In Anbe605 OLG Naumburg, VergabeR 2003, S. 360, 362 ff.; dass., NZBau 2000, S. 96; Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 117 GWB Rdn. 21; vgl. BT-Drucks. 13 / 9340, S. 21 („Die Vorschrift dient der Beschleunigung . . .“). 606 Stickler, VergabeR 2003, S. 366 bewertet die Argumentation des OLG Naumburg daher als nachvollziehbar. 607 Vgl. Hunger in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 4 i.V.m. § 117 GWB Rdn. 60 ff. 608 Vgl. OLG Düsseldorf, BauR 1999, S. 751, 755; Hunger in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 117 GWB Rdn. 64 mit Verweis auf §§ 120 Abs. 2, 73 Nr. 2 GWB i.V.m. § 210a ZPO; Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 117 GWB Rdn. 20. Dass der Auftraggeber wegen der wirtschaftlichen Bedeutung der Auftragsvergabe mit einer Beschwerdeeinlegung rechnen muss, beseitigt den Zustand der Rechtsunsicherheit hingegen nicht. 609 Boesen, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 9. 610 Insbesondere greifen weitere gegen die Anknüpfung angeführte Argumente nicht: Der Verweis auf den Ordnungsnormcharakter des § 117 Abs. 4 GWB, dessen Verletzung auf die Wirksamkeit der Beschwerde deshalb keinen Einfluss haben soll, ist unbeachtlich, da insoweit §§ 115 Abs. 1, 110 Abs. 2 GWB, die unstreitig Einfluss auf die Wirksamkeit der Beschwerde haben, ebenfalls als bloße Ordnungsnormen einzustufen sind. (a.A. Dieckmann, VergabeR 2005, S. 10, 19 f. m. w. N.). Dass die Bürde des Auftraggebers, sich notfalls selbst über die Beschwerdeeinlegung informieren zu müssen, deshalb zumutbar sei, weil das Gesetz ihm bereits in einem anderen Fall eine derartige Selbstinformation aufbürde, nämlich bzgl. der Zustellung der Vergabekammerentscheidung an die Bieter, um den davon abhängenden Ablauf der Beschwerdefrist

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tracht der Kürze der Beschwerdefrist und der Irreversibilität der Zuschlagserteilung aus Gründen effektiven Rechtsschutzes ist eine derartige Anknüpfung jedoch abzulehnen611. Angesichts der entgegenstehenden oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung ist eine diesbezügliche gesetzliche Klarstellung zu erwägen. c) Die offensichtliche Zulässigkeit der Beschwerde Doch nicht nur über die bloße Beschwerdeeinlegung hinausgehende Voraussetzungen für den Eintritt des Suspensiveffekt können die Effektivität des Zuschlagsverbots beeinträchtigen, sondern auch die im Einzelfall nur schwer oder sogar nicht erfüllbaren Beschwerdevoraussetzungen selbst, wenn, wie in der Literatur gefordert612, der Eintritt des Suspensiveffekts an die Zulässigkeit – respektive die nicht offensichtliche Unzulässigkeit – geknüpft wird. Insbesondere die äußerst knapp bemessene Beschwerdefrist erhöht die Gefahr der Erhebung einer unzulässigen Beschwerde, da unter Zeitdruck die formellen Voraussetzungen eher vernachlässigt werden und die erforderliche umfassende Begründung möglicherweise nicht erbracht werden kann. Deshalb soll die Bindung des Suspensiveffekts an die Zulässigkeit der Beschwerde mit der Möglichkeit der Heilung von Zulässigkeitsmängeln kompensiert werden613. Diese Kompensation ist allerdings nur dann effektiv, wenn die Rückwirkung des wiederhergestellten Suspensiveffekts ebenfalls das Zuschlagsverbot umfasst mit der Folge der ex-tunc-Unwirksamkeit von Zuschlag und Vertragsschluss. Vorliegend ist indes die Frage der Weite der Rückwirkung des – geheilten – Suspensiveffekts nicht entscheidend. Denn bereits die Anknüpfung des Suspensiveffekts an die Zulässigkeit (oder nicht offensichtliche Unzulässigkeit) der Beschwerde ist abzulehnen614. Eine derartige Anknüpfung lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Begründung des § 118 Abs. 1 GWB herleiten. Überdies verfängt der dafür vorgebrachte Verweis auf die Parallele zu § 110 Abs. 2 GWB und den Gedanken der Verhinderung missbräuchlicher Anträge nicht615, da für das Verrespektive das Ende des Zuschlagsverbots berechnen zu können, überzeugt ebenso wenig (a.A. Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 117 GWB Rdn. 21). Denn es kann nicht ohne weiteres von der Zumutbarkeit einer Pflicht auf diejenige einer weiteren zusätzlichen Pflicht geschlossen werden. 611 I.E. ebenso Dieckmann, VergabeR 2005, S. 10, 19 f.; Hunger in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 117 GWB Rdn. 60 ff.; Jaeger in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 117 GWB Rdn. 1162; Kus in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 14 ff.; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 118 GWB Rdn. 6; Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 117 GWB Rdn. 21. 612 So Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 264. 613 So Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 264. 614 Ebenso Stockmann in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 118 Rdn. 4. 615 So aber Boesen, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 11.

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fahren vor der zweiten Instanz gerade eine dem § 110 Abs. 2 GWB entsprechende Vorschrift fehlt und ein Missbrauch nach den Hürden des erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahrens weitgehend ausgeschlossen und im Hinblick auf die Vorläufigkeit und Kürze des Suspensiveffekts gem. § 118 Abs. 1 GWB auch unbedeutend ist. d) Die „Untätigkeitsbeschwerde“ gem. § 116 Abs. 2 GWB In engem Zusammenhang mit der Frage der späteren Heilung einer offensichtlichen Unzulässigkeit steht diejenige der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach – unverschuldetem – Ablauf der Beschwerdefrist. Maßgebliche Bedeutung wird der Wiedereinsetzung im Hinblick auf die „Untätigkeitsbeschwerde“616 gem. § 116 Abs. 2 GWB beigemessen. aa) Die Problematik der „Untätigkeitsbeschwerde“ Gemäß § 116 Abs. 2 GWB wird nach Ablauf der Frist des § 113 Abs. 1 GWB eine bis dato nicht – respektive nicht ordnungsgemäß617 – ergangene, den Nachprüfungsantrag ablehnende Vergabekammerentscheidung fingiert, gegen die eine sofortige Beschwerde zulässig ist. Dadurch wird allerdings nach der überwiegenden Auffassung keine zusätzliche Beschwerdemöglichkeit gewährt. Vielmehr ersetzt die sofortige Beschwerde i. S. d. § 116 Abs. 2 GWB diejenige des Abs. 1 mit der Folge, dass zweitinstanzlicher Rechtsschutz in diesen Fällen nur durch Erhebung jener „Untätigkeitsbeschwerde“ innerhalb von zwei Wochen (§ 117 Abs. 1 Alt. 2 GWB) nach Ablauf der Frist des § 113 Abs. 1 S. 1 GWB bzw. der gem. § 113 Abs. 1 S. 2 GWB verlängerten Frist erreicht werden kann. Eine Fristverlängerung analog § 58 VwGO wegen des – bei fingierten Entscheidungen typischen – Fehlens einer gem. § 114 Abs. 3 S. 3 GWB i.V.m. § 61 Abs. 1 S. 1 VwVfG erforderlichen Rechtsbehelfsbelehrung wird mit Blick auf die Ausgestaltung der Beschwerdefrist als unabänderliche Notfrist sowie den Beschleunigungsgrundsatz überwiegend abgelehnt618. Infolge jener Ersetzung ist eine sofortige Beschwerde i. S. d. § 116 Abs. 1 GWB mithin selbst dann nicht mehr zulässig, wenn eine verspätete (vgl. § 113 Abs. 1 616 Genau genommen handelt es sich nicht um eine Untätigkeitsbeschwerde, sondern um eine „echte“ sofortige Beschwerde, die sich nicht gegen die Untätigkeit, sondern gegen die gem. § 116 Abs. 2 GWB fingierte Vergabekammerentscheidung richtet. 617 Vgl. dazu OLG Düsseldorf, VergabeR 2002, S. 89 ff.; dass., VergabeR 2001, S. 329 ff.; Jaeger in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 116 GWB Rdn. 1121 m. w. N. 618 Boesen, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 92 ff.; Marx in: Motzke / Pietzcker / Prieß, VOB, § 114 GWB Rdn. 9; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 117 GWB Rdn. 4; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 68. A.A. Hunger in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 117 GWB Rdn. 5 und § 118 GWB Rdn. 16 ff.

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GWB) ordnungsgemäße Vergabekammerentscheidung noch ergeht. Nach dem Fristablauf i. S. d. § 116 Abs. 2 GWB ist das erstinstanzliche Nachprüfungsverfahren beendet. Die Vergabekammer ist folglich nicht mehr zuständig und eine von ihr erlassene Entscheidung rechtlich unwirksam619. Andernfalls wären nach der Fristversäumnis zwei Nachprüfungsinstanzen für den Nachprüfungsantrag zuständig, nämlich zum einen die Vergabekammer, die eine verspätete Entscheidung treffen kann, und zum anderen das Beschwerdegericht, das gem. § 116 Abs. 2 GWB zulässigerweise angerufen werden darf620. Maßgeblich für die Rechtsschutzbestrebungen des nichtberücksichtigten Bieters ist demnach die fingierte Vergabekammerentscheidung. Nach Ablauf der diesbezüglichen Beschwerdefrist gem. § 117 Abs. 1 i.V.m. § 116 Abs. 2 GWB ist daher eine sofortige Beschwerde gegen eine verspätete „echte“ Vergabekammerentscheidung wegen Verfristung unzulässig621; davor kann durch sie allenfalls eine klarstellende Aufhebung bewirkt werden, da die rechtliche Wirkung nicht von der „echten“, sondern von der fingierten Entscheidung ausgeht622. Nur dieses Verständnis steht mit dem Normzweck des § 116 Abs. 2 GWB in Einklang, der auf die Verhinderung von Verzögerungen „durch Untätigkeit oder Langsamkeit der Vergabekammer“623 abzielt und dementsprechend Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot des § 113 Abs. 1 GWB sanktionieren soll. Insofern ist auch der missverständliche Wortlaut des § 116 Abs. 2 GWB zu verstehen. Wenn danach im Fall der Untätigkeit der Vergabekammer „Die sofortige Beschwerde . . . auch zulässig“ ist, wird keine kumulative Anwendbarkeit der Beschwerden i.S.v. § 116 Abs. 1 und Abs. 2 GWB festgelegt, sondern lediglich der Alternativität beider Situationen Rechnung getragen. Da nach Ablauf der Entscheidungsfrist des § 113 Abs. 1 GWB eine – tatsächliche – Vergabekammerentscheidung nicht mehr zulässig ist, soll auch in dieser Situation eine Beschwerde zulässig sein. Diese Rechtsschutzbeschränkung auf die Untätigkeitsbeschwerde birgt jedoch erhebliche Risiken für den Bieter. So ist für diesen das Ende der Beschwerdefrist nicht ohne weiteres ersichtlich, da dieses vom Eingang seines Nachprüfungsantrags bei der Vergabekammer abhängt. Denn damit beginnt die Fünfwochenfrist 619 Otting in: Bechthold, GWB, § 113 Rdn. 5. Ähnlich Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 113 Rdn. 9. Unklar Jaeger in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 116 GWB einerseits Rdn. 1109, andererseits Rdn. 1129. 620 Vgl. OLG Düsseldorf, VergabeR 2001, S. 329, 330. 621 OLG Düsseldorf, VergabeR 2002, S. 89, 90, 93; dass., VergabeR 2001, S. 329, 330; Hunger in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 117 GWB Rdn. 9 (der deshalb in Fn. 18 von einer Beschwerde-“Pflicht“ spricht); Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 274; Stockmann in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 117 Rdn. 3 (anders aber für den Fall, dass die tatsächliche Vergabekammerentscheidung innerhalb der Beschwerdefrist bzgl. der fingierten Entscheidung ergeht); wohl auch Noch, Vergaberecht, S. 76; Tilmann, WuW 1999, S. 342, 347. A.A. KG, VergabeR 2002, S. 95, 96 f.; OLG Rostock, VergabeR 2002, S. 85, 86 mit abl. Anm. Gottschalk. 622 Dies verkennt Stockmann in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 117 Rdn. 3. 623 BT-Drucks. 13 / 9340 S. 20.

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des § 113 Abs. 1 GWB, an deren Ende sich die zweiwöchige Beschwerdefrist des § 117 Abs. 1 GWB anschließt. Darüber hinaus ist die Untätigkeit der Vergabekammer i. S. d. § 116 Abs. 2 GWB innerhalb der Beschwerdefrist nicht immer erkennbar, da nach der überwiegenden Auffassung die Entscheidung nicht innerhalb der Fünfwochenfrist zugestellt, sondern lediglich getroffen und ausreichend begründet worden sein muss624. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 GWB, demzufolge die Vergabekammer ihre Entscheidungen in der Fünfwochenfrist lediglich „trifft und begründet“625. Diesem Wortlautargument kommt insbesondere dadurch besonderes Gewicht zu, dass die §§ 113 Abs. 1 S. 1, 114 Abs. 3 S. 1 GWB einerseits und die §§ 114 Abs. 3 S. 3, 61 GWB anderseits darauf hinweisen, dass das Kartellrecht die Entscheidung und die Zustellung als getrennte Vorgänge begreift626. Außerdem wird damit dem ohnehin hohen Zeitdruck der Vergabekammer Rechnung getragen, indem dieser nicht auch noch das Zustellungsrisiko aufgebürdet wird. Folglich „muss“ der Bieter vorsorglich sowohl den exakten Zeitpunkt des Eingangs seines Nachprüfungsantrags als auch – am Tage des Fristablaufs (§ 113 Abs. 1 GWB) – die tatsächliche Untätigkeit der Vergabekammer in Erfahrung bringen und die damit einhergehenden Risiken, insbesondere das der Richtigkeit der Auskunft, tragen627. Sollte eine Fristverlängerung gem. § 113 Abs. 1 S. 2 GWB erfolgt sein, wird dem Bieter überdies von Teilen der Literatur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verlängerung aufgebürdet, da das für die Fiktionswirkung maßgebliche Ende der Frist des § 113 Abs. 1 GWB (und damit Anfang und Ende der Beschwerdefrist) nicht von der formellen Verlängerung, sondern von der materiellen Richtigkeit der Verlängerungsbegründung abhängen soll628. Erschwerend kommt schließlich noch hinzu, dass nicht nur die nicht ergangene, sondern auch die nicht ordnungsgemäße Vergabekammerentscheidung nach Fristablauf die Fik624 OLG Düsseldorf, VergabeR 2002, S. 89, 93; in der Tendenz bereits dass., VergabeR 2001, S. 154, 155 f.; ebenso Dreher in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 113 Rdn. 7; Hunger in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 117 GWB Rdn. 10; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 113 GWB Rdn. 2; kritisch Byok in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 113 GWB Rdn. 1062 (fordert zumindest eine Bekanntgabe per Telefax); Otting in: Bechthold, GWB, § 113 Rdn. 2 (Zustellung muss eingeleitet, aber noch nicht erfolgt sein). 625 Vgl. auch die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 13 / 9340 zu § 113 Abs. 1: „Innerhalb von maximal fünf Wochen muss grundsätzlich jeder Vergaberechtsstreit durch die Kammer entschieden sein“. 626 Dass i.R.d. § 69 Abs. 2 VwVfG hingegen ein Verwaltungsakt von der überwiegenden Auffassung erst mit seiner Zustellung als erlassen angesehen wird, steht dem angesichts der Subsidiarität des VwVfG i.R.d. §§ 107 ff. GWB nicht entgegen. 627 Vgl. dazu Hunger in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 117 GWB Rdn. 23. Bedenklich erscheint auch die Bindungswirkung der – im Falle verspäteter Beschwerdeeinlegung – fingierten ablehnenden Vergabekammerentscheidung gem. § 124 Abs. 1 GWB. 628 Boesen, Vergaberecht, § 116 GWB Rdn. 56; wohl auch Kus in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 113 GWB Rdn. 20. A.A. OLG Koblenz, NZBau 2001, S. 641 f.; Byok in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 113 GWB Rdn. 1065; Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 271; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 113 GWB Rdn. 22.

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tion des § 116 Abs. 2 GWB nach sich zieht629, so dass sich die Prüfungsobliegenheiten des Unternehmen ebenfalls auf die Wirksamkeit der Entscheidung erstrecken. Ob tatsächlich die vollständige Entscheidung mit Beschlusstenor und gesamter Begründung schriftlich abgefasst und von den maßgeblichen Mitgliedern der Vergabekammer unterschrieben worden ist, dürfte sich jedoch kaum am Tag des Fristablaufs auf informellen Weg mit hinreichender Sicherheit in Erfahrung bringen lassen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass das erstinstanzliche Verfahren „anwaltsfrei“ ausgestaltet (vgl. § 117 Abs. 3 GWB), der fingierten Vergabekammerentscheidung typischerweise keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt ist und es einer sonstigen Belehrung über die Rechtsfolgen des § 116 Abs. 2 GWB nach einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung nicht bedürfen soll, da diese kraft Gesetzes und nicht kraft einer Entscheidung der Nachprüfungsbehörden eintreten630, widerspricht die Aufbürdung aller jener Obliegenheiten auf das rechtsschutzsuchende Unternehmen der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie. Und abgesehen von der Unzumutbarkeit, dass nachlässiges und sogar rechtswidriges Verhalten der Vergabekammer „insoweit ausschließlich zu Lasten des betreffenden Bieters“ geht631, widerspricht auch die Kopplung von Rechtsmittelfristen an fingierte Entscheidungen rechtsstaatlichen Grundsätzen632. Diese Rechtsschutzlücke soll durch eine „nicht zu kleinliche Handhabung der Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand“633 gem. §§ 120 Abs. 2, 73 Nr. 2 GWB i.V.m. § 233 ZPO634 geschlossen werden. Zwar ist ein Rückgriff auf das Institut der Wiedereinsetzung, das für die Fälle der Versäumnis materieller Ausschlussfristen nicht einschlägig ist635, hier zulässig, da die Erledigungswirkung gerade nicht den materiellen Anspruch, sondern nur dessen prozessuale Geltendmachung betrifft636. Zur effektiven Rechtsschutzlückenfüllung muss die rückwirkende Wiedereinsetzung allerdings ebenfalls das Zuschlagsverbot umfassen mit der Folge, dass ein bereits erteilter Zuschlag ex tunc unwirksam ist und Primärrechtsschutz deshalb noch offen steht637. 629 630

Vgl. Kap. 5 B. I. 2. b). So OLG Düsseldorf, VergabeR 2002, S. 89, 94; Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn.

287. Hunger in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 117 GWB Rdn. 9. Die grundsätzliche Voraussetzung für den Beginn von Rechtsmittelfristen ist in der Verwaltungs- und in der Zivilprozessordnung die ordnungsgemäße Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung; vgl. Hunger in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 117 GWB Rdn. 5. 633 So Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 287. Ähnlich Boesen, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 95. 634 Kritisch zu dieser Herleitung Hunger in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 117 GWB Rdn. 4 Fn. 8. 635 Vgl. Bier in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 60 Rdn. 7. 636 Vgl. Kap. 4 A. III. 4. u. B. II. 1. a). 631 632

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bb) Die Wirkung der Wiedereinsetzung Die Wiedereinsetzung führt dazu, dass eine unter bestimmten Voraussetzungen versäumte und nachgeholte Prozesshandlung als rechtzeitig bewirkt gilt. Ihr Ergebnis ist damit nicht die Verlängerung oder Wiedereröffnung der abgelaufenen Frist, sondern lediglich die Beseitigung der Rechtskraft der verwerfenden Entscheidung638. Zwar treten mit dieser Fiktion der fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde zwangsläufig auch die sonstigen mit dieser verbundenen Wirkungen ein. Ein nach Ablauf der Beschwerdefrist erteilter Zuschlag soll aber nach allgemeiner Auffassung dennoch wirksam bleiben, da im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung objektiv keine aufschiebende Wirkung und somit kein Zuschlagsverbot bestand. Die Rückwirkungsfiktion ändere daran nichts, da eine Nichtigkeit gem. § 134 BGB nur dann gegeben sei, wenn das Rechtsgeschäft bereits im Zeitpunkt der Vornahme verbotswidrig war639. Eine gegenteilige Auffassung führe nur zur Rechtsunsicherheit und widerspräche dem Beschleunigungsgrundsatz640. cc) Zwischenergebnis und Lösungsvorschlag Damit ist jedoch eine Wiedereinsetzung im Ergebnis sinnlos, weil typischerweise eine irreversible Zuschlagserteilung erfolgt sein wird, die den Primärrechtsschutz erledigt. Es besteht daher nach aktuellem Stand eine erhebliche Rechtsschutzlücke.

637 Eine ähnliche Problematik besteht, wenn im Fall der fehlerhaften Zustellung der Entscheidung der Vergabekammer i. S. d. § 117 Abs. 1 GWB (dafür Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 117 GWB Rdn. 5) oder im Fall der unterbliebenen oder fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung für den Beginn der Beschwerdefrist auf den Ablauf der Frist des § 113 Abs. 1 GWB abgestellt wird (dafür Boesen, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 94 f.; Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 67 f.; Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 117 GWB Rdn. 6. A.A. Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 286 (§ 58 Abs. 2 VwGO analog)). 638 Vgl. Bier in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 60 Rdn. 11; Kopp / Schenke, VwGO, § 60 Rdn. 1; Putzo in: Thomas / Putzo, ZPO, § 233 Rdn. 1; Roth in: Stein / Jonas, ZPO, § 233 Rdn. 1. 639 Hunger in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 24 mit Verweis auf Sack in: Staudinger, BGB, § 134 Rdn. 54; Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 288; Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 117 GWB Rdn. 117; Stockmann in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 117 Rdn. 4. Vgl. auch die ähnliche Problematik i.R.d. § 812 BGB hinsichtlich der Frage, ob im Fall einer späteren Anfechtung mit der Folge der Nichtigkeit ex tunc damals ein Rechtsgrund für die Leistung bestanden hat oder nicht. 640 Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 117 GWB Rdn. 117; Stockmann in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 117 Rdn. 4.

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(1) Die Erweiterung der Rückwirkung auf das Zuschlagsverbot Indes kann jene Auffassung, welche die Erweiterung der Rückwirkung der Wiedereinsetzung auf das Zuschlagsverbot ablehnt, weder in ihrer dogmatischen noch in ihrer ergebnisorientierten Begründung überzeugen. Dogmatisch wird die aus Art. 19 Abs. 4 GG herzuleitende ex-tunc-Wirkung der Wiedereinsetzung sowie des Suspensiveffekts verkannt respektive nicht berücksichtigt. Gilt infolge der Wiedereinsetzung die sofortige Beschwerde als innerhalb der Beschwerdefrist eingelegt mit der Folge des Eintritts der mit dieser verbundenen Wirkungen, muss davon auch das automatisch mit der Beschwerde eintretende Zuschlagsverbot erfasst sein. Ausnahmen von der Rückwirkung werden zwar für den Fall der Erledigung der Hauptsache diskutiert, jedoch lediglich für die Variante des Wegfalls der Beschwer (vgl. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO) angenommen641. Die Erledigung durch Zuschlagserteilung beseitigt indes nicht die rechtliche Beschwer des nichtberücksichtigten Bieters, sondern führt nur infolge der Irreversibilität zur Erfolg- und damit Sinnlosigkeit eines Nachprüfungsverfahrens. Daher greift jene Ausnahmeregelung nicht. Des Weiteren überzeugt der Verweis auf die notwendige Verbotswidrigkeit im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts gem. § 134 BGB nicht. Denn rechtlich wird infolge der Rückwirkung die Verbotswidrigkeit für den Zeitraum nach Ablauf der Beschwerdefrist und damit für den Zeitpunkt der Zuschlagserteilung fingiert. Insbesondere steht § 134 BGB selbst einem rückwirkenden Zuschlagsverbot nicht zwingend entgegen, wie der für grundsätzlich zulässig erachtete Erlass rückwirkender Verbotsgesetze beweist642. Dass den Beteiligten tatsächlich die Verbotswidrigkeit im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung unbekannt war, dürfte unbeachtlich sein. Denn zum einen erscheint die Relevanz der tatsächlichen Kenntnis i.R.d. § 134 BGB unbedeutend, da diese Norm nicht auf die Erfüllung eines subjektiven Tatbestands abstellt. Zum anderen müssen die Beteiligten mit einem rückwirkenden Zuschlagsverbot infolge einer Wiedereinsetzung rechnen, da ihnen die Situation sowie die Problematik der Untätigkeit der Vergabekammer bekannt sein wird. Aus diesem Grund überzeugt auch das Argument der Rechtsunsicherheit aufgrund der gleichsam auflösend bedingten Wirksamkeit der Zuschlagserteilung nicht, zumal die Rechtsunsicherheit eine inzidente zwingende Folge der Wiedereinsetzung ist und daher bei der Frage der Stattgabe eines Wiedereinsetzungsantrags, nicht aber bei derjenigen hinsichtlich der Folgen eines solchen Antrags relevant ist643. Darüber hinaus ist die Antragsfrist gem. § 234 Abs. 1 ZPO knapp bemessen und wird der Bieter typischerweise bereits kurz nach Ablauf der Beschwerdefrist den Antrag stellen, so dass der Zustand der Unsicherheit von kurzer Dauer ist. Folglich bewirkt entgegen der einhelligen Meinung im Vergaberecht die Wiedereinsetzung eine Rückwirkung des Zuschlagsverbots und damit die Nichtig641 642 643

Vgl. Finkelnburg / Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 886. Vgl. Sack in: Staudinger, BGB, § 134 Rdn. 55. Vgl. Bier in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 60 Rdn. 3.

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keit einer Zuschlagserteilung. Dies sollte durch eine gesetzliche Normierung klargestellt werden. (2) Die Sicherstellung einer ausreichenden Information des Antragstellers Allerdings ist zu fragen, ob dieser Problematik der Untätigkeitsbeschwerde nicht anders als durch die – als Ausnahmeregelung konzipierte644 – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgeholfen werden kann. Ansatzpunkt muss entweder die antragsablehnende Fiktion oder die fehlende Information über das Ende der Frist des § 113 Abs. 1 GWB sein. Eine ausreichende Information des Antragstellers setzt zunächst voraus, dass der Eingang seines Nachprüfungsantrags bei der Vergabekammer bestätigt wird, so dass er die Fünfwochenfrist des § 113 Abs. 1 GWB berechnen kann. Für den Fall der Verlängerung jener Frist gem. § 113 Abs. 1 S. 2 GWB müsste für das Fristende die formelle Verlängerung und nicht etwa, wie teilweise gefordert645, die Rechtmäßigkeit der Verlängerung maßgeblich sein646. Sollte der Antragsteller nicht in der geforderten schriftlichen Form über die Verlängerung informiert worden sein und deshalb nach Ablauf der – seiner Auffassung nach nicht verlängerten – Frist des § 113 Abs. 1 S. 1 GWB eine Beschwerde i. S. d. § 116 Abs. 2 GWB erhoben haben, wäre zudem zu fordern, dass in Entsprechung zu § 75 VwGO das dergestalt eingeleitete Beschwerdeverfahren ausgesetzt wird, bis entweder die verlängerte Frist gem. § 113 Abs. 1 S. 2 GWB abgelaufen ist oder die Vergabekammer i.R.d. Frist entschieden hat. Soweit diese Entscheidung zuungunsten des Antragstellers ausfällt, müsste die „Untätigkeitsbeschwerde“ i. S. d. § 116 Abs. 2 GWB als „normale“ Beschwerde i. S. d. § 116 Abs. 1 GWB aufrechterhalten und fortgeführt werden können647. Damit wäre die Berechenbarkeit der Beschwerdefrist sichergestellt. Rechtsunsicherheiten bestünden indes weiterhin, da der Antragsteller nicht weiß, ob innerhalb der Frist die Entscheidung überhaupt und vor allem auch ordnungsgemäß getroffen worden ist. Diese Unsicherheiten könnten schließlich durch die Normierung der Erforderlichkeit der Zustellung der Vergabekammerentscheidung innerhalb der Frist des § 113 Abs. 1 GWB beseitigt werden. (3) Die Modifizierung der Fiktionswirkung des § 116 Abs. 2 GWB Ein weiterer Ansatzpunkt zur Beseitigung der dargelegten Rechtsschutzlücken ist die Modifizierung der Fiktionswirkung des § 116 Abs. 2 GWB. Dieser soll laut 644 Vgl. Bier in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 60 Rdn. 2 („absoluten Ausnahmecharakter“); Roth in: Stein / Jonas, ZPO, § 233 Rdn. 1. 645 Vgl. Fn. 628 . 646 Diese Forderung entspricht der überwiegenden Auffassung, vgl. nur Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 113 GWB Rdn. 20 ff. 647 Vgl. zu § 75 VwGO Kopp / Schenke, VwGO, § 75 Rdn. 19 ff.

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seiner Begründung sicherstellen, dass „der gerichtliche Rechtsschutz nicht durch Untätigkeit oder Langsamkeit der Vergabekammer verzögert werden kann“. Deshalb schreibt er die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde auch für den Fall fest, dass „die Vergabekammer über einen Antrag auf Nachprüfung nicht innerhalb der Frist des § 113 Abs. 1 entschieden hat“ und soll sich insofern gemäß seiner Begründung „an die Verpflichtungsklage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren und die Verpflichtungsbeschwerde nach § 63 Abs. 3 GWB“ anlehnen648. § 75 VwGO gibt jedoch dem Antragsteller lediglich die Möglichkeit, über die Erhebung der Untätigkeitsklage das Verfahren zu beschleunigen, ohne die Untätigkeit als Antragsablehnung zu fingieren und somit den Antragsteller gleichsam auch zur Untätigkeitsklage zu verpflichten. Dieses Prinzip liegt auch § 63 Abs. 3 GWB zugrunde, der zwar die Untätigkeit der Unterlassung einer beantragten Verfügung gleichachtet, durch die unbefristete Möglichkeit zur Erhebung der Untätigkeitsbeschwerde gem. § 66 Abs. 2 GWB aber zumindest die den Antragsteller belastende Folge der fingierten Unterlassung in Gestalt des beginnenden Ablaufs etwaiger Rechtsmittelfristen ausschließt649. Unter Berücksichtigung seiner „Vorbilder“ bietet sich daher eine dahingehende Modifizierung des § 116 Abs. 2 GWB – respektive des § 117 Abs. 1 GWB – an, dass statt der Fiktion entweder eine echte Untätigkeitsbeschwerde normiert wird oder die in § 116 Abs. 2 GWB bestimmte sofortige Beschwerde unbefristet geltend gemacht werden kann. Dem vergaberechtlichen Beschleunigungsgebot wäre damit immer noch hinreichend Rechnung getragen, da der Antragsteller regelmäßig an einer raschen Nachprüfung interessiert sein und daher unverzüglich die sofortige Beschwerde erheben wird. Zudem erscheint diese Lösung insofern sachgerecht, als erstens die dargestellten Rechtsschutzlücken geschlossen werden können, zweitens die Untätigkeit der Vergabekammer, die als Verwaltungsbehörde dem Auftraggeber typischerweise näher steht als dem Unternehmen, nicht mehr einseitig zu Lasten desselben geht und drittens somit sowohl der Auftraggeber i.R.d. vergaberechtlichen Eilverfahren (§§ 115 Abs. 2, 121 GWB) als auch das Unternehmen (§ 116 Abs. 2 GWB) Beschleunigungsrechte – und nicht Beschleunigungspflichten – haben.

II. Die Verlängerung des Zuschlagsverbots gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB Wenn auch durch die dargelegten Rechtsschutzlücken eingeschränkt, sieht § 118 Abs. 1 GWB dennoch im Grundsatz die automatische Verlängerung des ZuschlagsBT-Drucks. 13 / 9340, S. 20. § 63 Abs. 3 GWB regelt insofern eine „prozessuale“ oder „formelle“ Fiktion, welche die Untätigkeit aus prozessualen Gründen der Unterlassung gleichstellt. § 116 Abs. 2 GWB normiert hingegen eine „materielle“ Fiktion mit der Folge, dass der Nachprüfungsantrag nicht nur prozessual, d. h. zur Ermöglichung der Erhebung einer sofortigen Beschwerde, sondern auch materiell als abgelehnt gilt, so dass diese fingierte Ablehnung im Fall der nicht rechtzeitig erhobenen sofortigen Beschwerde bestandkräftig wird. 648 649

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verbots durch Suspendierung der Vergabekammerentscheidung mittels Einlegung einer sofortigen Beschwerde vor. Suspensiveffekt und Zuschlagsverbot sind allerdings auf „zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist“ begrenzt und werden nur auf – erfolgreichen – Antrag gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB verlängert. Eine Verlängerung ist jedoch regelmäßig notwendig, da das Beschwerdegericht typischerweise nicht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 118 Abs. 1 S. 2 GWB entscheiden wird650. Mit Blick auf die erforderliche Lückenlosigkeit und Effektivität des Zuschlagsverbots eröffnen sich in diesem Zusammenhang zwei Problemfelder: zum einen die Vorläufigkeit des Zuschlagsverbots und die deshalb notwendige Beantragung seiner Verlängerung [1.], zum anderen die effektive Ausgestaltung des Verlängerungsrechtsschutzes gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB [2.].

1. Die Notwendigkeit der Verlängerung des Zuschlagsverbots Die Notwendigkeit zur Beantragung der Verlängerung von Suspensiveffekt und Zuschlagsverbot gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB stellt nicht nur wegen der Irreversibilität der Zuschlagserteilung eine besonders wichtige, sondern mit Blick auf die Vorläufigkeit des Suspensiveffekts auch eine außergewöhnliche Obliegenheit des Bieters dar. Denn dem deutschen Rechtsschutzstandard entspricht ein Andauern der aufschiebenden Wirkung bis zur Entscheidung des iudex ad quem651. Zwar erscheint der bloß vorläufige Suspensiveffekt und die damit einhergehende partielle Außerkraftsetzung des „automatischen Suspensiveffekts“ mit den verfassungsrechtlichen Mindestvorgaben vereinbar652. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der automatische Suspensiveffekt für die gesamte Dauer des erstinstanzlichen Verfahrens und in der zweiten Instanz zumindest solange vorgesehen ist, bis der Belastete seinerseits eine gerichtliche Entscheidung zum einstweiligen Rechtsschutz hat erwirken können653. Denn vorgegeben ist nicht die Ausgestaltung des vorläufigen Rechtsschutzes, sondern der mit diesem zu erreichende Erfolg. Insofern sind neben der „dauerhaften“ aufschiebenden Wirkung i. S. d. § 80 VwGO auch andere verfassungskonforme Formen vorläufigen Rechtsschutzes denkbar, soweit diese die Vgl. Hunger in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 9. OLG Düsseldorf, VergabeR 2001, S. 429, 430; Gröning, ZIP 1999, S. 181, 182. Freilich gibt es hiervon auch Ausnahmen, z. B. § 80b VwGO. 652 Finkelnburg / Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 638; Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 221; Kotulla, DV 33 (2000), S. 521, 555; Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 273; Schoch in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 80 Rdn. 35. Kritischer, weil sie den automatischen vorläufigen Rechtsschutz als verfassungsrechtlich geforderten Regelfall ansehen BVerfGE 35, S. 382, 401 f. („Regel-Ausnahme-Verhältnis“); E 46, S. 166, 178 („soweit als möglich“); BVerfG, NVwZ 1996, S. 58, 59; Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 31 Rdn. 4. 653 In diese Richtung auch Ruffert, NVwZ 1997, S. 654, 656 (zu § 80b VwGO); SchmidtAßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 274. Vgl. zudem BVerfGE 51, S. 268, 285. 650 651

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Verhinderung irreparabler Zustände sowie die interimistische Befriedung gewährleisten654. Dem entspricht, dass Art. 2. Abs. 3 RMRL den automatischen Suspensiveffekt nur als – nicht „notwendigerweise“ einzuhaltende – Regel anerkennt. Mithin ist die Vorläufigkeit des Suspensiveffekts und damit die Notwendigkeit zur Beantragung der Verlängerung desselben gerechtfertigt, soweit der (Rechts-) Schutz zur Verlängerung gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB vor dem Hintergrund der erforderlichen Lückenlosigkeit des Zuschlagsverbots effektiv ausgestaltet ist. 2. Die effektive Ausgestaltung des Verlängerungsrechtsschutzes gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB Die Effektivität der Ausgestaltung des Rechtsschutzes zur Verlängerung gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB erscheint jedoch in dreierlei Hinsicht zweifelhaft: wegen erstens der kurzen zweiwöchige Entscheidungsfrist des Beschwerdegerichts [a)], zweitens des eingeschränkten Prüfungskatalogs des § 118 Abs. 2 GWB [b)] und drittens der Irreversibilität der Verlängerungsentscheidung [c)]. a) Die zweiwöchige Entscheidungsfrist gem. § 118 Abs. 1 S. 2 u. 3 GWB Zur Gewährleistung eines lückenlosen Zuschlagsverbots muss das Beschwerdegericht seine Entscheidung über die Verlängerung von Suspensiveffekt und Zuschlagsverbot innerhalb der Zweiwochenfrist des § 118 Abs. 1 S. 2 GWB treffen, während der das vorläufige Zuschlagsverbot des § 118 Abs. 1 S. 1 GWB greift. Denn ein nach Ablauf des Zuschlagsverbots i. S. d. § 118 Abs. 1 S. 1 GWB erteilter Zuschlag ist im Fall einer nicht oder nicht rechtzeitig erfolgten Verlängerung des Verbots irreversibel. Dabei kommt es auf die bereits erörterte Rückwirkung eines nachträglich bewirkten Zuschlagsverbots nicht an, weil der Begriff der „Verlängerung“ in § 118 Abs. 1 S. 3 GWB klarstellt, dass ein einmal erloschener Suspensiveffekt nicht mittels eines Verlängerungsantrags wiederhergestellt werden kann655. Selbst wenn eine – sowohl die sofortige Beschwerde656 als auch den Ver654 Zu den Funktionen und Zielen des vorläufigen Rechtsschutzes vgl. Kap. 3 B. II. u. Kap. 5 B. II. 655 Ebenso OLG Düsseldorf, VergabeR 2001, S. 162 ff. mit zust. Anm. Kainz; Jaeger in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 1185; Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 305; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 118 GWB Rdn. 13; Noelle, VergabeR 2005, S. 525; Tilmann, WuW 1999, S. 342, 347. A.A. OLG Stuttgart, NZBau 2001, S. 462, 463; Boesen, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 22; Hunger in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 11; Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 10. Diese kommen aber in der Praxis zu gleichen Ergebnissen, weil der Zuschlag typischerweise unmittelbar nach Ablauf des Zuschlagsverbots erteilt wird und sie eine Rückwirkung des Zuschlagsverbots ablehnen; die Frage der Wiederherstellung stellt sich dann nicht. 656 Vgl. § 123 S. 4 i.V.m. § 114 Abs. 2 GWB.

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längerungsantrag erledigende657 – Zuschlagserteilung noch nicht erfolgt ist, kann daher nach Fristende i. S. d. § 118 Abs. 1 S. 2 GWB die Entscheidung über die Verlängerung keinesfalls nachgeholt werden. Vor dem Hintergrund, dass die Verlängerungsentscheidung damit eine faktische irreversible Letztentscheidung über den vergaberechtlichen Primärrechtsschutz darstellt, hat der Gesetzgeber mit dieser Regelung „zumindest die Grenzen der legislatorischen Seriosität erreicht“658. Zwar ist die zeitliche Befristung eines Antrags auf Eilrechtsschutz grundsätzlich mit dem Gedanken des effektiven Rechtsschutzes vereinbar659. Doch gilt bereits eine zweiwöchige Antragsfrist als kurz bemessen, innerhalb derer ein Antrag schriftlich zu stellen und zu begründen ist. Zwar normiert § 118 Abs. 1 S. 3 GWB selbst keine formellen Voraussetzungen und ist entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung660 § 121 Abs. 2 GWB, der formelle Anforderungen an den Eilantrag gem. § 121 GWB stellt, für den Verlängerungsantrag nicht analog heranzuziehen. Denn § 118 Abs. 1 S. 3 GWB verweist im Gegensatz zu § 115 Abs. 2 S. 4 GWB nicht auf § 121 Abs. 2 GWB, so dass eine planwidrige Regelungslücke nicht vorliegt; überdies mangelt es an einer Vergleichbarkeit der Interessenlage, da der Eilantrag i. S. d. § 121 GWB jederzeit gestellt werden kann und deshalb höhere Formanforderungen gerechtfertigt erscheinen661. Zumindest faktisch ist der Antragsteller i. S. d. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB jedoch verpflichtet, in einer gesonderten Begründung auf das weitere Entscheidungskriterium der Interessenabwägung gem. § 118 Abs. 2 S. 2 GWB einzugehen662. Da i.R.d. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB der Verlängerungsantrag jedoch nicht nur innerhalb dieser zwei Wochen gestellt und begründet, sondern sogar die gerichtliche Entscheidung getroffen sein muss, weil danach das Zuschlagsverbot entfällt, folglich die Zuschlagserteilung droht und ein Verlängerungsantrag nicht mehr zulässig ist, erscheint ein Verstoß gegen die verfassungs- und europarechtliche Garantie effektiven Rechtsschutzes offensichtlich663, zumal dem Gericht zwei Wochen nur 657 Überwiegend wird nach wirksamer Zuschlagserteilung ein Antrag gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB für unzulässig gehalten (vgl. OLG Düsseldorf, VergabeR 2001, S. 429, 430; Jaeger in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 1181; Noelle, VergabeR 2005, S. 525), teilweise (erst) für unbegründet (so Thüringer OLG, VergabeR 2005, S. 522 f.). 658 Gröning, ZIP 1999, S. 181, 183. In diese Richtung auch Hunger in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 11; Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 311; Willenbruch, NVwZ 1999, S. 1062, 1065. 659 Vgl. Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 118 GWB Rdn. 13. Kritisch gegenüber einer Erschwerung des Eilrechtsschutzes durch eine verschärfte Befristung auch Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 223 m. w. N. 660 Gröning, in: Motzke / Pietzcker / Prieß, VOB, § 118 GWB Rdn. 34 ff.; Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 9; Sura in: Langen / Bunte, Kartellrecht, § 118 GWB Rdn. 8. 661 Vgl. Boesen, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 23 ff. I.E. ebenso Stockmann in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 118 Rdn. 12. 662 Ähnlich Jaeger in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 1186.

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im Idealfall der gleichzeitigen Eingabe von Beschwerdeschrift und Verlängerungsantrag zur Verfügung stehen664. Dazu ist der Bieter allerdings nicht verpflichtet665 – und wegen der kurzen Frist kaum in der Lage –, so dass die Prüfungs- und Entscheidungsfrist im Regelfall sogar weniger als zwei Wochen beträgt. Eine über eine oberflächliche Prüfung hinausgehende Auseinandersetzung des Gerichts mit den Erfolgsaussichten und den widerstreitenden Interessen ist insofern faktisch ausgeschlossen666. Aus diesem Grund wird in der vergaberechtlichen Rechtsprechung und Literatur nach dogmatischen Lösungen zur Verlängerung der Entscheidungsfrist gesucht. Teilweise soll die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde und damit das Zuschlagsverbot nach „allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen“ einstweilen verlängert werden können667, teilweise wird die einstweilige Verlängerung als Minusmaßnahme aus § 118 Abs. 1 S. 3 GWB hergeleitet668. Andere wiederum ziehen diesbezüglich zur dogmatischen Begründung die §§ 707, 719 ZPO669 oder § 570 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 242 BGB670 entsprechend heran. Zum Teil wird die einstweilige Verlängerung allerdings auch abgelehnt671. Insofern besteht zumindest 663 In diese Richtung auch Boesen, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 29; Hunger in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 11. Soweit Boesen, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 13, 18, auf der anderen Seite darauf abstellt, dass die Frist des § 118 Abs. 1 S. 2 GWB mit Ablauf der ebenfalls zwei Wochen dauernden Beschwerdefrist (§ 117 Abs. 1 GWB) beginne, so dass dem beschwerdeführenden Bieter letztlich vier Wochen zur Verfügung stünden, ist dem entgegenzuhalten, dass der Verlängerungsantrag separat gestellt und begründet werden muss und insbesondere die Begründung desselben mit Blick auf die Interessenabwägung i. S. d. § 118 Abs. 2 GWB über diejenige der sofortigen Beschwerde hinausgehen muss. 664 Boesen, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 13, 18. 665 Diskutiert wird lediglich, eine „unverständliche späte Einreichung“ des Verlängerungsantrags i.R.d. ggf. erforderlichen Interessenabwägung zuungunsten des Bieters zu berücksichtigen. Dafür OLG Düsseldorf, VergabeR 2001, S. 429, 430 (weil der Bieter auf diese Weise das rechtliche Gehör des Auftraggebers verhindere); dagegen Abel, VergabeR 2001, S. 431, 432 f. (mit Verweis auf den drohenden endgültigen Rechtsverlust und die Möglichkeit des Auftraggebers, sich i.R.d. Verfahrens gem. § 121 GWB rechtliches Gehör zu verschaffen). 666 Ebenso Boesen, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 29; Hunger in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 4. 667 Vgl. KG, NZBau 2000, S. 95; wohl auch Boesen, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 34 i.V.m. § 115 GWB Rdn. 50; Tilmann, WuW 1999, S. 342, 347 (per Zwischenverfügung). 668 Hunger in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 13 (ders. in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 70 plädiert nunmehr für eine Herleitung aus § 118 Abs. 2 GWB); Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 11. 669 Gröning, ZIP 1999, S. 181, 183. 670 Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, § 118 GWB Rdn. 19. 671 OLG Düsseldorf, VergabeR 2001, S. 429, 430 (lehnt zumindest eine diesbezügliche Verpflichtung ab); ebenso Marx in: Jestaedt / Kemper / Marx / Prieß, Recht der Auftragsvergabe, S. 153.

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Rechtsunklarheit und -unsicherheit hinsichtlich der Möglichkeit einer Verlängerung der Zweiwochenfrist des § 118 Abs. 1 S. 2 GWB. b) Der eingeschränkte Prüfungskatalog des § 118 Abs. 2 GWB In Anbetracht der Irreversibilität der Verlängerungsentscheidung i. S. d. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB weckt indes nicht nur der kurze Prüfungszeitraum, sondern auch der in Abs. 2 vorgegebene Prüfungskatalog verfassungs- und europarechtliche Bedenken. Dem systematischen Aufbau des § 118 Abs. 2 GWB zufolge sind zunächst i.R.e. summarischen Prüfung „die Erfolgsaussichten der Beschwerde“ zu erörtern (S. 1). Im Anschluss sind alle möglicherweise geschädigten Interessen gegeneinander abzuwägen und dabei die Folgen der Verlängerungsentscheidung für die Beteiligten einzubeziehen (S. 2). Obwohl der Wortlaut des § 118 Abs. 2 GWB darauf schließen lässt, dass die Erfolgsaussichten als Vorprüfung zu erörtern und lediglich i.R.d. für die Verlängerungsentscheidung maßgeblichen Interessen- und Folgenabwägung zu berücksichtigen sind672, hat die Rechtspraxis ein am systematischen Aufbau der Norm orientiertes zweistufiges Prüfungssystem entwickelt. Danach ist der Antrag nach überwiegender Auffassung bereits dann abzulehnen, wenn das Ergebnis der Erfolgsaussichtenprüfung zuungunsten des Bieters ausfällt673. Eine mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit günstige Erfolgsaussicht wird hierbei nicht für erforderlich, sondern es vielmehr für ausreichend erachtet, wenn der Beschwerde keine674, mit hoher Wahrscheinlichkeit keine675, aller Wahrscheinlichkeit keine676, keine hinreichende677 oder keine überwiegende678 Erfolgsaussicht beigemessen wird. Nur im Fall für den Bieter günstiger Erfolgsaussichten ist noch eine Interessen- und Folgenabwägung vorzunehmen und dementsprechend die Entscheidung zu treffen679. Dieser Prüfungskatalog offenbart erhebliche Rechtsschutzschwächen. Auffallend ist zunächst, dass dem Auftraggeber im Gegensatz zum Bieter ein „Netz mit 672 Nach § 118 Abs. 2 S. 1 GWB sind die Erfolgsaussichten zu berücksichtigen, während nach S. 2 der Antrag im Fall einer Interessen- und Folgenabwägung zuungunsten des Antragstellers abzulehnen ist. 673 Vgl. nur Jaeger in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 1189 m. w. N. 674 OLG Stuttgart, VergabeR 2003, S. 101, 102; OLG Düsseldorf, VergabeR 2001, S. 128. 675 Thüringer OLG, VergabeR 2003, S. 339, 340 676 BayObLG, VergabeR 2002, S. 61; OLG Koblenz, VergabeR 2003, S. 699, 700. 677 BayObLG, VergabeR 2001, S. 131, 132. 678 KG, VergabeR 2003, S. 84, 85. 679 OLG Stuttgart, NZBau 2001, S. 462; Hunger in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 61; Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 308; Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 12. A.A. Boesen, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 27.

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

doppeltem Boden“ zur Verfügung steht, indem (nur) zu seinen Gunsten eine zweite Prüfung in Gestalt der Interessenabwägung vorzunehmen ist. Dass ein auftraggeberfeindliches Ergebnis auf erster Stufe noch durch eine Interessenabwägung korrigiert werden kann, ein bieterfeindliches indes nicht, lässt sich nur damit erklären, dass der Gesetzgeber – die bewusste Vorgabe eines derartigen zweistufigen Prüfungssystems durch den systematischen Aufbau des § 118 Abs. 2 GWB unterstellt – sowie die Rechtspraxis allein das Allgemeininteresse für so gewichtig halten, eine – für den Auftraggeber negative – Prognose der Erfolgsaussichten überwiegen zu können. Die Schlussfolgerung eines kartellvergaberechtlich vorgegebenen Überwiegens des Allgemeininteresses680 führt dann zur regelmäßigen Ablehnung des Verlängerungsantrags: entweder bereits aufgrund der bieterfeindlichen Erfolgsaussichten in der Hauptsache, oder aufgrund einer Interessenabwägung, in der typischerweise das Allgemeininteresse obsiegt. Diesem kommt in der zweiten Instanz überdies dadurch besonderes Gewicht zu, dass dort für die Sachentscheidung des Beschwerdegerichts keine dem § 113 Abs. 1 GWB entsprechende Frist vorgegeben ist und sich deshalb die Auftragsvergabe durch ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung typischerweise mehrere Monate verzögert681. Damit wäre zweitinstanzlicher Primärrechtsschutz weitgehend ausgeschlossen, da i.d.R. eine Hauptsacheentscheidung nicht innerhalb des zweiwöchigen Zuschlagsverbots des § 118 Abs. 1 S. 1 GWB erfolgen und der Beantragung der Verlängerung des Verbots gem. Abs. 1 S. 3 nicht stattgegeben werden kann. Über das mit der Normierung des bloß vorläufigen Zuschlagsverbots angestrebte gesetzgeberische Ziel, eine Präqualifikation der Entscheidung des Auftraggebers als rechtswidrig zu verhindern682, schießt – ungeachtet der Frage der Erforderlichkeit dieser Zielsetzung angesichts der Sicherungs- und interimistischen Befriedungsfunktion des vorläufigen Rechtsschutzes – die jetzige Regelung somit hinaus, indem stattdessen der Rechtsschutzanspruch des Bieters i.E. vor der Hauptsacheentscheidung abgelehnt wird. 680 Vgl. Kap. 5 B. II. 2. b). Der Versuch von Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 649, geht fehl, die Kenntnis des Gesetzgebers von der Vorbestimmtheit der Interessenabwägung aus den Gesetzesmaterialien herzuleiten. Aus der Begründung zu § 122 GWB, wonach im Fall der Erfolglosigkeit des Antrags gem. § 121 Abs. 1 GWB nur ausnahmsweise der Hauptsacheantrag nicht erfolglos ist, folgert sie, dass der Gesetzgeber grundsätzlich vom Erfolg des Antrags, also dem Überwiegen öffentlicher Interessen, ausgehe. Anders ließe sich jene These des Gesetzgebers angesichts der Nichtberücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache bei der Interessenabwägung (also i.E. der Unabhängigkeit von Eilverfahren und Hauptsache) nicht erklären. Erdl verkennt jedoch den zweistufigen Aufbau des § 121 Abs. 1 GWB, wonach eine Interessenabwägung nur im Fall der vorausgehenden negativen Prüfung der Erfolgsaussichten in Betracht kommt. Setzt damit die Erfolglosigkeit des Antrags gem. § 121 Abs. 1 GWB sowohl negative Erfolgsaussichten in der Hauptsache als auch minderwertige Interessen voraus, erklärt sich die Begründung zu § 122 GWB. 681 Die Gesetzesbegründung zu § 121 GWB befürchtet eine bis zu neun Monaten währende Dauer des zweitinstanzlichen Verfahrens, vgl. BT-Drucks. 13 / 9340, S. 21. 682 Vgl. Kus in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 2 m. w. N.

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Doch selbst wenn der These vom überwiegenden Allgemeininteresse nicht gefolgt wird, widerspricht der Prüfungskatalog des § 118 Abs. 2 GWB den verfassungs- und europarechtlichen Rechtsschutzvorgaben683. So steht die dargelegte Begünstigung des Auftraggebers mit dem Prinzip der Waffengleichheit 684 nicht in Einklang685. Dadurch dass sogar trotz offensichtlicher Rechtswidrigkeit der Vergabe das überwiegende Allgemeininteresse vor dem Interesse an der Einhaltung des europäischen und deutschen Vergaberechts und vor dem Rechtsschutzinteresse des Einzelnen Vorrang haben kann686, wird eine erhebliche Beschränkung des Rechtsschutzes des einzelnen zumindest in Kauf genommen687. Zudem steht dies in Widerspruch zu dem Grundsatz, dass die Rechtswidrigkeit einer staatlichen Maßnahme das öffentliche Interesse an deren sofortiger Vollziehung, also der Aufhebung des Suspensiveffekts, grundsätzlich ausschließen soll688. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass eine Eilentscheidung689, welche die Erfolgsaussichten nicht in die Prüfung einbezieht, im Hinblick auf die verfassungs- und europarechtlichen Rechtsschutzvorgaben äußerst bedenklich ist690. Erst recht muss dann eine Eilentscheidung Bedenken wecken, die sich über die geprüften Erfolgsaussichten hinwegsetzt. Daneben widerspricht es der Garantie effektiven Rechtsschutzes, dass der Antrag auf Verlängerung des Suspensiveffekts, der i.E. ein Antrag auf Ermöglichung zweitinstanzlichen Primärrechtsschutzes ist, im Falle einer auftraggebergünstigen Erfolgsaussichtenprognose allein aufgrund einer summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten ohne Interessenabwägung endgültig abgelehnt werden kann691. Eine Rechtfertigung nach dem Motto, summarischer Rechtsschutz sei noch immer besser als gar kein Rechtsschutz692, überzeugt keineswegs. Vielmehr werden Ausnahmen vom Grundsatz des automatischen Suspensiveffekts und damit das Institut des vorläufigen Rechtsschutzes, der stets durch die endgültige Regelung eines zumindest vorläufigen, hier sogar endgültigen Zustands aufgrund seiner kurzfristigen summarischen Prüfung eine Beschneidung des effektiven Rechtsschutzes darstellt, gegenüber Art. 19 Abs. 4 GG allein durch ein besonderes überwiegendes öffentliLück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 334. Vgl. dazu EGMR, NJW 1995, S. 1413. 685 Kritisch auch Gröning, ZIP 1999, S. 181, 183. Vgl. auch Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 276. 686 Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 35. In diese Richtung auch Kommission, ZIP 1995, S. 1940, 1944 mit Verweis auf Art. 2 Abs. 1 lit.a RMRL. 687 Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 36. 688 Ebenso wohl OVG Koblenz, NVwZ 1987, S. 246, 248; Finkelnburg / Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 733 f.; Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 276. 689 Im Hinblick auf den Prüfungskatalog entspricht die Verlängerungsentscheidung i. S. d. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB einer Eilentscheidung. 690 Vgl. Kap. 5 B. II. 2. a) u. 4. 691 Schoch in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 80 Rdn. 14. 692 So Ossenbühl, Gutachten B zum 50 DJT, S. 195. 683 684

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ches Interesse an einer Eilentscheidung gerechtfertigt. Dass eine staatliche Maßnahme voraussichtlich rechtmäßig und ein künftiger Rechtsbehelf infolgedessen unbegründet ist, rechtfertigt für sich allein daher nicht die vorzeitige Aufhebung des Suspensiveffekts693. Eine Eilentscheidung ohne Interessenabwägung und -berücksichtigung erscheint damit als Einschränkung der Rechtsschutzgarantie verfassungsrechtlich zumindest dann nicht gerechtfertigt, wenn die Erfolgsaussichtenprognose nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen Erfolg des Auftraggebers in der Hauptsache verspricht694. Erschwerend kommt hinzu, dass die Prüfung der Erfolgsaussichten sich auf vorliegende oder binnen kürzerster Zeit verfügbare Beweismittel beschränken und gegebenenfalls auf eine abschließende Klärung von Rechtsfragen verzichten muss695, sowie dass der Untersuchungsgrundsatz in diesem Eilverfahren nicht gilt. c) Die Endgültigkeit der Entscheidung Verfassungs- und europarechtlichen Zweifeln unterliegt schließlich auch die Irreversibilität der Entscheidung gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB selbst, da mit dieser – ablehnenden – Verlängerungsentscheidung i.E. die Hauptsache vorweggenommen wird696. Jedenfalls soweit und solange der soeben problematisierte eingeschränkte Prüfungsumfang und die kurze Prüfungs- und Entscheidungsfrist beibehalten werden, ist diese vergaberechtliche Eilentscheidung nicht als Ausnahme zum verfassungs- und europarechtlichen Vorwegnahmeverbot gerechtfertigt.

3. Zwischenergebnis Mithin widerspricht das Eilverfahren gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB in mehrfacher Hinsicht den verfassungs- und europarechtlichen Rechtsschutzvorgaben. Der Suche nach Verbesserungsvorschlägen soll allerdings eine Untersuchung des „zweiten“697 zweitinstanzlichen Eilverfahrens gem. § 121 Abs. 1 GWB auf vorzeitige Gestattung der Zuschlagserteilung vorgeschaltet werden. Dieses wird der allein antragsberechtigte Auftraggeber nur im Falle einer zuvor erfolgten Verlängerung des Zuschlagsverbots gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB beantragen698. Denn ers693 BVerfG, DÖV 1982, S. 450; VGH München, NVwZ 1988, S. 745; Finkelnburg / Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 734. Ähnlich Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 276. 694 Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 121 GWB Rdn. 9. 695 Vgl. BayObLG, NZBau 2000, S. 94, 95; dass., ZfBR 2001, S. 50, 51; Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 308; Schoch in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 80 Rdn. 14. 696 Vgl. auch Kap. 5 B. II. 3. 697 Sowohl § 118 Abs. 1 S. 3 GWB als auch § 121 Abs. 1 GWB sind Eilentscheidungen und beruhen auf einer dementsprechenden summarischen Prüfung.

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tens wird die Zulässigkeit eines Antrags gem. § 121 Abs. 1 S. 1 GWB vor Ablauf der Zweiwochenfrist des § 118 Abs. 1 S. 2 GWB teilweise abgelehnt699, zweitens ist die faktische Möglichkeit einer begründeten Antragstellung innerhalb der knappen Zweiwochenfrist des § 118 Abs. 1 S. 2 GWB zweifelhaft700 und drittens ist es mit Blick auf das Risiko der Verfahrensbeendigung durch die Fiktion des § 122 GWB im Falle des Unterliegens des Auftraggebers701 unwahrscheinlich, dass der Auftraggeber ein riskantes Eilverfahren zur Beendigung des Zuschlagsverbots beantragt, ohne zu wissen, ob das Zuschlagsverbot nach Ablauf der zweiwöchigen Frist des § 118 Abs. 1 S. 2 GWB überhaupt fortbesteht702. Nachdem das Beschwerdegericht aber das Zuschlagsverbot aufgrund der Erfolgsaussichten in der Hauptssache oder der Interessenabwägung zugunsten des nichtberücksichtigten Bieters verlängert hat, kann es nicht aus den gleichen Erwägungen die vorzeitige Zuschlagserteilung gestatten703. Losgelöst von der Frage ihrer Verfassungs- und Europarechtswidrigkeit verkomplizieren die zwei Eilentscheidungen des § 118 Abs. 1 S. 3 GWB und des § 121 Abs. 1 GWB damit nicht nur den vergaberechtlichen Rechtsschutz und bedingen – theoretisch – zweifach die typischen Eilrechtsschutzgefahren704, sondern schließen sich überdies gegen698 Wird der Verlängerungsantrag gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB hingegen abgelehnt und ist demzufolge dem Auftraggeber die Zuschlagserteilung nicht bis auf weiteres untersagt worden, ist der Antrag gem. § 121 Abs. 1 S. 1 GWB sinnlos und wird als unzulässig erachtet, vgl. Stockmann in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 121 Rdn. 6. 699 Als unzulässig erachtet die Antragstellung das OLG Naumburg, NZBau 2001, S. 642; dass., Beschl. vom 29. 09. 1999 – 10 Verg 3 / 99 und Beschl. vom 30. 06. 2000, 1 Verg 4 / 00; Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 323; kritisch dazu Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 121 GWB Rdn. 4. 700 Insbesondere wird die Möglichkeit des Nachreichens der Begründung ausgeschlossen oder eingeschränkt, vgl. Hunger in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 121 GWB Rdn. 9; Kulartz / Röwekamp in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 121 Rdn. 12; MüllerWrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 121 GWB Rdn. 12; a.A. Stockmann in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 121 Rdn. 6. 701 Vgl. auch Kap. 5 C. III. 2. Das Risiko ist allerdings dadurch begrenzt, dass § 122 GWB nach h. M. nicht anwendbar ist, wenn das Beschwerdegericht den Antrag ausschließlich aus Gründen mangelnder Eilbedürftigkeit, aufgrund Unzulässigkeit oder ausschließlich aufgrund einer Interessenabwägung ablehnt und sich überhaupt nicht mit der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit befasst hat, vgl. Hunger in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 122 GWB Rdn. 2, 7; Röwekamp in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 122 GWB Rdn. 2; Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 122 GWB Rdn. 4; Stockmann in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 122 Rdn. 3; einschränkend Jaeger in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 122 GWB Rdn. 846 (nur bei eindeutiger Unzulässigkeit). 702 Ähnlich Hunger in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 116 GWB Rdn. 40. 703 Dieses Argument basiert auf der Idealvorstellung, dass i.R.d. § 118 Abs. 2 GWB tatsächlich eine effektive Prüfung (wie i.R.d. § 121 Abs. 1 GWB, vgl. Kap. 5 C. III. 1.) möglich ist. 704 Insbes. die Doppelbelastung der Gerichte sowie damit einhergehend die Verzögerung des Hauptsacheverfahrens sowie anderer anhängiger Verfahren, vgl. Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 220.

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seitig typischerweise aus, so dass § 121 Abs. 1 GWB bislang weitgehend leer läuft705. Eine „höchst selten vorkommende“706 Ausnahme ist lediglich anzuerkennen, wenn sich nachträglich Gründe für die Notwendigkeit der Vorabentscheidung herausstellen707. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage der Erforderlichkeit dieses zweifachen Eilrechtsschutzes. Daher ist vor der Erarbeitung möglicher Reformvorschläge für § 118 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 GWB zunächst eine Untersuchung des § 121 Abs. 1 GWB vorzunehmen, insbesondere vor der Frage, ob dieser den Rechtsschutzvorgaben entspricht und ob der dadurch vermittelte Eilrechtsschutz ausreichend ist, so dass das Verfahren gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB aufgehoben werden könnte.

III. Das Eilverfahren auf Gestattung der Zuschlagserteilung Der dritte neuralgische Punkt des zweitinstanzlichen Primärrechtsschutzes ist das Eilverfahren auf vorzeitige Gestattung der Zuschlagserteilung gem. § 121 GWB708. Wie in der ersten Instanz führt dieser „beschleunigte Hauptsacherechtsschutz“ zu einer endgültigen Entscheidung709, anders als in der ersten Instanz allerdings unabhängig vom Entscheidungsergebnis710. Die Endgültigkeit ergibt sich für den Fall der Gestattung der Zuschlagserteilung aus deren irreversibler Erledigungswirkung711, für den Fall der Versagung der vorzeitigen Zuschlagserteilung 705 Ähnlich Hunger in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 116 GWB Rdn. 40; Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 324; Willenbruch, NVwZ 1999, S. 1062, 1063. Stockmann in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 121 Rdn. 5 hält den Antrag nach § 121 Abs. 1 S. 1 GWB dann sogar für unzulässig, es sei denn, dass er auf neue Tatsachen gestützt ist. Vgl. auch BTDrucks. 13 / 9340, S. 21 f. Auch die analoge Anwendung des § 121 GWB für den Fall, dass der Aufraggeber eine Verlängerung des Zuschlagsverbots des § 118 Abs. 1 S. 1 GWB begehrt, z. B. weil er das Verfahren ohne Auflagen der Vergabekammer fortführen und eine Vollstreckung der Anordnungen der Vergabekammer verhindern möchte, ist abzulehnen und stattdessen § 118 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 GWB analog heranzuziehen, vgl. Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 121 GWB Rdn. 5. 706 Gröning, ZIP 1999, S. 181, 183. 707 OLG Naumburg, NZBau 2001, S. 642; Gröning, ZIP 1999, S. 181, 183; Jaeger in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 121 GWB Rdn. 835. A.A. Boesen, Vergaberecht, § 121 GWB Rdn. 26 f. (auch zur Korrektur der Entscheidung i. S. d. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB geeignet). 708 Das Beschwerdegericht kann darüber hinaus gem. § 121 Abs. 1 GWB „den weiteren Fortgang des Verfahrens gestatten“. Die praktische Bedeutung dieser Variante erläutert Boesen, Vergaberecht, § 121 GWB Rdn. 3. 709 Gröning, ZIP 1999, S. 181, 183; Hunger in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 121 GWB Rdn. 2; Kulartz / Röwekamp in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 121 GWB Rdn. 1. 710 Vgl. BT-Drucks. 13 / 9340, S. 22. Das Eilverfahren gem. § 115 Abs. 2 GWB führte nur bei Gestattung der Zuschlagserteilung zu faktisch endgültigen Ergebnissen. 711 A.A. Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 121 GWB Rdn. 1 mit Verweis auf § 123 S. 4 i.V.m. § 114 Abs. 2 S. 1 GWB, der dabei aber verkennt, dass es sich beim Antrag

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aus der gesetzlichen Fiktion des § 122 GWB, nach dem das Vergabeverfahren „nach Ablauf von 10 Tagen nach Zustellung der Entscheidung als beendet (gilt), wenn der Auftraggeber nicht die Maßnahmen zur Herstellung der Rechtmäßigkeit des Verfahrens ergreift, die sich aus der Entscheidung ergeben“. Ein Rechtsmittel ist gegen diese Vorabentscheidung i. S. d. § 121 Abs. 1 S. 1 GWB gem. § 121 Abs. 4 GWB nicht zulässig. Im Gegensatz zum erstinstanzlichen Eilverfahren wird der Antrag des Auftraggebers gem. § 121 Abs. 1 S. 1 GWB vom Beschwerdegericht verbeschieden, so dass der i.R.d. § 115 Abs. 2 GWB erörterte Problemkreis der effektiven Rechtswegeröffnung zur gerichtlichen Überprüfung der – in der ersten Instanz behördlichen – Gestattungsentscheidung hier nicht besteht712. Wiederum ist allerdings zu überprüfen, ob der Prüfungskatalog des § 121 Abs. 1 GWB den Anforderungen an eine effektive gerichtliche Eilentscheidung gerecht wird [1.] und ob die Endgültigkeit dieser Eilentscheidung mit den verfassungs- und europarechtlichen Primärrechtsschutzvorgaben im Einklang steht [2.]. 1. Der eingeschränkte Prüfungskatalog gem. § 121 Abs. 1 S. 1 u. 2 GWB Der Prüfungskatalog des § 121 Abs. 1 S. 1 u. 2 GWB umfasst zwei Prüfungskriterien: zum einen die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (S. 1) und zum anderen eine Interessen- und Folgenabwägung (S. 2). Das Verhältnis dieser beiden Kriterien ist hingegen umstritten. Dieser Streit ist in erster Linie auf eine Widersprüchlichkeit von Wortlaut und Begründung des § 121 Abs. 1 GWB zurückführen. Der Wortlaut des § 121 Abs. 1 GWB713 spricht dafür, dass das Beschwerdegericht beide Kriterien nach Belieben alternativ anwenden kann. Demzufolge wäre es dem Gericht gestattet, das Zuschlagsverbot allein aufgrund einer Interessenabwägung ohne Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Hauptsache aufzuheben714. Dies wurde indes als in verfassungs- und europarechtlicher Hinsicht bedenklich bewertet715. Die Gesetzesbegründung hingegen weist auf einen zweistufigen Prüfungsaufbau hin. Danach sind „zunächst die Erfolgsaussichten der sofortigen Beschwerde zu auf Gestattung der Zuschlagserteilung um ein von der sofortigen Beschwerde i.E. unabhängiges Verfahren handelt. 712 Vgl. Kap. 5 B. II. 1. 713 § 121 Abs. 1 S. 2 GWB: „auch“. 714 Dafür Boesen, EuZW 1998, S. 551, 556; Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 640; Gröning, ZIP 1998, S. 370, 376; Kulartz / Röwekamp in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 121 GWB Rdn. 22; Kus in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 115 GWB Rdn. 27. Dieses Wortlautargument anerkennt auch Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 121 GWB Rdn. 7. 715 Vgl. Kap. 5 B. II. 2. a).

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prüfen . . .“ und „alsdann . . . im Rahmen dieser Eilentscheidung alle möglicherweise geschädigten Interessen sowie das Interesse der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Verfahrens zu berücksichtigen“716. Zudem wird darin auf die „Verfahren über eine einstweilige Verfügung (§ 940 ZPO) und über eine einstweilige Anordnung (§ 123 VwGO) und . . . über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage (§ 80 Abs. 5 VwGO)“ Bezug genommen, die ebenfalls eine Kombination von einer Erfolgsaussichtenprognose und einer Interessen- und Folgenabwägung vorsehen. Auch die Systematik des § 121 GWB steht dieser Auffassung nicht entgegen, da die zwei Prüfungskriterien zwar in unterschiedlichen Sätzen, aber im gleichen Absatz 1 festgelegt sind. Daneben lassen sich der bereits erwähnte § 122 GWB717 sowie § 121 Abs. 3 S. 3 GWB anführen, der die Erläuterung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens in der Entscheidungsbegründung und damit die Notwendigkeit einer Prüfung der Erfolgsaussichten für jede Eilentscheidung i. S. d. § 121 Abs. 1 GWB impliziert718. Im Gegensatz zur Erfolgsaussichtenprognose soll die Interessen- und Folgenabwägung jedoch nicht in jeder Eilentscheidung, sondern in Entsprechung zu § 118 Abs. 2 GWB nur im Falle einer für den Auftraggeber ungünstigen Prognose erfolgen müssen719. Indes wurde auch diese Prüfungsfolge i.R.d. § 118 Abs. 2 GWB als verfassungs- und europarechtswidrig beurteilt, insbesondere weil in manchen Fällen die Entscheidung allein aufgrund einer in kürzester Zeit vorzunehmenden summarischen Prüfung nur der Erfolgsaussichten getroffen und weil in anderen Fällen die Entscheidung auch entgegen der Erfolgsaussichten allein aufgrund einer – möglicherweise sogar vorbestimmten – Interessenabwägung gefällt werden könnte720. Allerdings besteht zwischen § 118 Abs. 2 und § 121 Abs. 1 GWB ein wesentlicher Unterschied, der in der gewährten Prüfungs- und Entscheidungszeit liegt. Während diese für den Verlängerungsantrag auf höchstens zwei Wochen begrenzt ist, steht dem Gericht für die Eilentscheidung i. S. d. § 121 Abs. 1 GWB gem. dessen Abs. 3 S. 1 ein Prüfungszeitraum „von fünf Wochen nach Eingang des Antrags“ zu, der sogar „im Ausnahmefall . . . durch begründete Mitteilung an die BeBT-Drucks. 13 / 9340, S. 21 f. Vgl. Kap. 5 C. II. 3., insbes. Fn. 701. § 122 GWB impliziert, dass eine bieterfreundliche Eilentscheidung dem Auftraggeber Maßnahmen zur Herstellung der Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens vorschreibt. 718 A.A. Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 638 ff., die zwar die inzidente Pflicht zur Prüfung der Erfolgsaussichten anerkennt, eine Pflicht zur Berücksichtigung derselben jedoch ablehnt. 719 Dafür Gröning, ZIP 1999, S. 181, 183 f.; Jaeger in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 121 GWB Rdn. 1215 f.; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 121 GWB Rdn. 9 f.; Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht § 121 GWB Rdn. 20; unklar Hunger in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 121 GWB Rdn. 3 f. 720 Vgl. Kap. 5 C. II. 2. b). 716 717

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teiligten um den erforderlichen Zeitraum“ verlängert werden darf. Aus diesem Grund721 kann das Gericht nicht nur eine intensivere Erfolgsaussichtenprüfung und Interessenabwägung vornehmen und somit über eine bloße „summarische Prüfung“ hinausgehen, die dem Effektivitätsgebot – vor allem im Hinblick auf die Endgültigkeit der Entscheidung – nicht gerecht wird722. Daneben ermöglicht dieser längere Prüfungszeitraum, für die Erfolgsaussichtenprognose, soweit sie allein, d. h. ohne zusätzliche Interessenabwägung, entscheidend sein soll, eine höhere Richtigkeitsgarantie anzusetzen. Insofern erscheint es gerechtfertigt zu verlangen, dass der Auftraggeber Erfolg haben wird oder zumindest eine hohe, idealerweise an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit für den Erfolg des Auftraggebers besteht723, während bereits bei bloß überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Interessenabwägung erfolgen muss724. Infolge dieser sehr wahrscheinlichen oder sogar sicher bestehenden Kommensurabilität von Hauptsache- und Eilentscheidung ist der Vorwurf der fehlenden verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Beschneidung des effektiven Rechtsschutzes durch den vorläufigen durch ein überwiegendes öffentliches Interesses zumindest abgeschwächt, wenn nicht sogar ausgeräumt. Ungelöst ist indes noch das Rechtsschutzproblem, dass entgegen der bieterfreundlichen Erfolgsaussichten aufgrund einer – möglicherweise vorbestimmten – Interessenabwägung die Eilentscheidung zuungunsten des Bieters getroffen werden kann. Allerdings mildern auch hier die Unterschiede zu § 118 Abs. 2 GWB, die vor allem in der längeren Prüfungszeit und der damit verbundenen Möglichkeit einer eingehenden Prüfung der Erfolgsaussichten liegen, die verfassungs- und europarechtlichen Bedenken. Außerdem beschränkt die Gesetzesbegründung des § 121 Abs. 1 GWB (anders als die des § 118 GWB) jene Problematik auf „außergewöhnliche Fälle“ und setzt voraus, dass „die Gründe für eine schnelle Vergabe aber besonders schwer wiegen“725. Das Vorliegen eines solchen Ausnahmetatbestands 721 Teilweise wird versucht, eine Pflicht zur intensiveren Prüfung der Erfolgsaussichten durch den Verweis auf die Gesetzesmaterialien zu begründen. Dort wird u. a. auf § 80 Abs. 5 VwGO verwiesen, der allein im Hinblick auf den Amtsermittlungsgrundsatz eine intensive Detailprüfung voraussetzt. Diese Begründung verfängt indes nicht. Zum einen wird ebenso auf die einstweilige Verfügung gem. §§ 935, 940 ZPO verwiesen, die auf eine bloße Glaubhaftmachung abstellt (vgl. Reichold in: Thomas / Putzo, ZPO, § 935 Rdn. 8, § 940 Rdn. 5). Zum anderen soll der Verweis auf diese Eilverfahren allein die Existenz eines vergaberechtlichen Eilverfahrens rechtfertigen, nicht aber einen bestimmten Prüfungsmaßstab festschreiben. 722 Schoch in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 80 Rdn. 14. 723 Ähnlich OLG Dresden, BauR 2001, S. 235; OLG Bremen, BauR 2001, S. 94, 95; Jaeger in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 121 GWB Rdn. 1215; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 121 GWB Rdn. 9. In diese Richtung auch Boesen, Vergaberecht, § 121 GWB Rdn. 8 f. (erforderlich ist ein „höherer Grad an Wahrscheinlichkeit als im normalen Eilrechtsschutz“). 724 Ähnlich Boesen, Vergaberecht, § 121 GWB Rdn. 8 f.; Hunger in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 121 GWB Rdn. 6; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 121 GWB Rdn. 9.

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kann (im Gegensatz zum Verlängerungsverfahren i. S. d. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB) aufgrund der längeren Prüfungszeit i.R.d. § 121 Abs. 1 GWB auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Im Hinblick auf den Grundsatz, dass die offensichtliche Rechtswidrigkeit einer staatlichen Maßnahme das öffentliche Interesse an dieser ausschließt726, ist daher das Vorliegen eines „außergewöhnlichen Falles“ bei offensichtlicher Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens, die i.R.d. § 121 Abs. 1 GWB wegen der längeren Prüfungszeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann, abzulehnen. Dass im öffentlichen Auftragswesen, insbesondere bei Großaufträgen, häufig wesentliche, teilweise sogar existenzielle Belange der Bevölkerung einer ganzen Region betroffen sein können, rechtfertigt keine Ausnahme. Denn tatsächlich wird der rechtsschutzsuchende Bieter ebenso wie der bislang präferierte zum unverzüglichen Beginn der Auftragsdurchführung bereit sein. Rechtlich könnte – die Anerkennung eines Zuschlagserteilungsanspruchs unterstellt – das Bestehen eines solchen in der Eilentscheidung wegen der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellten Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens als Maßnahme zur Wiederherstellung der Rechtmäßigkeit genannt werden mit der Folge, dass der Auftraggeber den Zuschlag dem rechtsschutzsuchenden Bieter gem. § 122 GWB unmittelbar, d. h. ohne die Fortsetzung des Vergabeverfahrens, erteilen könnte (und müsste) und ein Zeitverlust durch Ablehnung des Eilantrags (statt dessen Stattgabe) ausgeschlossen wäre.

2. Die Endgültigkeit der Entscheidung Nach wie vor wird allerdings durch die Eilentscheidung gem. § 121 Abs. 1 GWB über die vorzeitige Gestattung der irreversiblen und deshalb die Hauptsache erledigenden Zuschlagserteilung die Hauptsache vorweggenommen727. Die Vorwegnahme ist zwingende Folge des Zusammenfallens von Zuschlag und Vertragsschluss zum einen und der Nichtaufhebbarkeit von Zuschlag und Vertrag zum anderen und damit unauflöslich mit dem aktuellen deutschen Vergaberecht verknüpft. 725 Vgl. BT-Drucks. 13 / 9340 S. 22. Dies entspricht dem verwaltungsrechtlichen Standard, vgl. Finkelnburg / Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 735 m. w. N. In diesem Fall wird die Pflicht zur Erläuterung der Rechtmäßigkeit oder –widrigkeit des Vergabeverfahrens (§ 121 Abs. 3 S. 3 GWB) teleologisch reduziert, vgl. Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 121 GWB Rdn. 17. I.E. ebenso Boesen, Vergaberecht, § 121 GWB Rdn. 36; Kulartz / Röwekamp in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 121 GWB Rdn. 30; Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 121 GWB Rdn. 23. 726 Vgl. OVG Koblenz, NVwZ 1987, S. 246, 248; Finkelnburg / Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 733 f.; Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 276. 727 Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 320; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 121 GWB Rdn. 1, 14. Zu der Frage, ob zugleich die Entscheidung der Vergabekammer aufgehoben wird, vgl. Boesen, Vergaberecht, § 121 GWB Rdn. 16; Müller-Wrede in: Ingenstau / Korbion, VOB, § 121 GWB Rdn. 6; Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 121 GWB Rdn. 21.

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Indes wurde dargelegt, dass die Vorwegnahme einer Maßnahme dann gerechtfertigt ist, wenn nicht nur diese Maßnahmenvorwegnahme, sondern auch das Unterlassen der Maßnahmenvorwegnahme für die Zukunft irreparable Zustände schafft und aufgrund einer Abwägung, welche die Erfolgsaussichten ebenso wie die widerstreitenden Interessen berücksichtigt, die Vorwegnahme der Hauptsache durch die Eilentscheidung gegenüber dem Unterlassen der Vorwegnahme der Hauptsache zu bevorzugen ist728. Freilich stellt § 121 Abs. 1 S. 2 GWB bloß auf ein überwiegendes Interesse von Auftraggeber, präferiertem Bieter sowie der Allgemeinheit ab und fordert nicht, dass für jene das Absehen der vorzeitigen Zuschlagserteilung für die Zukunft irreparable Zustände beispielsweise dergestalt schafft, das die Auftragsvergabe bzw. -durchführung unmöglich oder sinnlos wird. Doch droht, insbesondere bei Anerkennung eines Zuschlagserteilungsanspruchs, wegen der Verpflichtung des Auftraggebers aus § 122 GWB eine vorzeitige Zuschlagserteilung zugunsten des rechtsschutzsuchenden Bieters und damit ein irreversibler möglicher Rechtsverlust des bislang präferierten Bieters. Vor allem aber darf im Vergaberecht nicht allein auf für die Zukunft irreparable Zustände abgestellt werden729. Jedenfalls für den Auftraggeber und die Allgemeinheit tritt auch durch bloßen Zeitablauf ein irreparabler „Wertverlust“ ein, so dass auf deren Seite i.R.d. Interessen- und Folgenabwägung i. S. d. § 121 Abs. 1 S. 2 GWB auch irreparable Zustände zu berücksichtigen sind, die auf den Zeitraum730 zwischen potenzieller Eilentscheidung bis zur Hauptsacheentscheidung beschränkt sind731. 3. Zwischenentscheidung und Lösungsvorschlag Aufgrund seiner längeren Prüfungs- und Entscheidungsfrist (§ 121 Abs. 3 S. 1 GWB) und den Erläuterungen in der Gesetzesbegründung ist das Eilverfahren gem. § 121 Abs. 1 GWB grundsätzlich geeignet, verfassungs- und europarechtskonformen Eilrechtsschutz zu gewähren732. Erforderlich ist jedoch, dass die Prüfungskriterien der Erfolgsaussichtenprognose und der Interessen- und Folgenabwägung nicht alternativ, sondern kumulativ angewendet werden. Auf die Interessenabwägung sollte nur dann verzichtet werden dürfen, wenn der Ausgang des Hauptsacheverfahrens mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bestimmt werden kann. 728 Vgl. bereits Kap. 5 B. II. 2. b) sowie Puttler in: Sodan / Ziekow, VwGO, § 123 Rdn. 12; Kopp / Schenke, VwGO, § 123 Rdn. 24; Schoch in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 123 Rdn. 145. 729 Vgl. Kap. 5 B. II. 2. b). 730 Die Gesetzesbegründung geht von bis zu neun Monaten aus, vgl. BT-Drucks. 13 / 9340, S. 21. 731 Vgl. Kap. 5 B. II. 2. b). 732 Kritisch Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 647. Es muss keine mündliche Verhandlung stattfinden, vgl. BT-Drucks. 13 / 9340 S. 22.

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

Es stellt sich insofern die bereits aufgeworfene Frage, ob auf das – in verfassungs- und europarechtlicher Hinsicht bedenkliche – Eilverfahren gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB verzichtet werden kann. Dafür spricht vor allem, dass sich beide Verfahren bislang weitgehend ausschließen, da sie auf einer – idealerweise – identischen Prüfung basieren und das Beschwerdegericht daher aufgrund der gleichen Erwägungen regelmäßig zu inhaltlich identischen Ergebnissen kommen wird733. Mit dem Verlängerungsverfahren würde mithin nicht nur ein verfassungs- und europarechtlich bedenklicher, sondern letztlich auch ein überflüssiger Part des Nachprüfungsverfahrens beseitigt. Zugleich ginge mit der Entflechtung dieser beiden Eilverfahren durch Löschung des einen eine wesentliche Vereinfachung des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens und damit eine Steigerung von Rechtssicherheit und -klarheit einher, ohne dass die gesetzgeberische Zielsetzung der Verhinderung einer automatischen Investitionsblockade über zwei Instanzenzüge eingeschränkt würde. Vielmehr würden die typischen Eilrechtsschutzgefahren734 durch die Reduktion des bisherigen, gleichsam zweistufigen Eilrechtsschutzsystems (zunächst § 118 Abs. 1 S. 3 GWB, dann § 121 Abs. 1 GWB) auf das Eilverfahren gem. § 121 Abs. 1 GWB halbiert, die Belastung des Beschwerdegerichts verringert und deshalb die Dauer des Hauptssacheverfahrens typischerweise verkürzt735. Schließlich widerspricht die Vorläufigkeit des Zuschlagsverbots gem. § 118 Abs. 1 S. 1 GWB, die erst die Verlängerung gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB erforderlich macht, den deutschen Rechtsschutzstandards736, die den Suspensiveffekt als Regel und die sofortige Vollziehung als Ausnahme anerkennen. Diese Vorstellung liegt auch § 121 Abs. 1 GWB zugrunde. Mit der Aufhebung des Eilverfahrens gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB müsste dann die Gewähr eines dauerhaften Suspensiveffekts respektive Zuschlagsverbots infolge der Beschwerdeeinlegung gem. § 118 Abs. 1 S. 1 GWB einhergehen, dessen vorzeitige Aufhebung der Auftraggeber im Einzelfall durch einen Antrag gem. § 121 GWB beantragen könnte. Die Zumutbarkeit dieser stärkeren Belastung des Auftraggebers infolge des nun automatischen Suspensiveffekts folgt bereits daraus, dass dies dem deutschen Rechtsschutzstandard entspricht. Insbesondere steht dieser Einschätzung nicht die Fiktion des § 122 GWB entgegen, deren Eintritt der Auftraggeber mit dem – dann abgelehnten – Antrag gem. § 121 Abs. 1 GWB riskiert737. Denn zum einen kann der Auftraggeber frei über 733 Zu der – umstrittenen – Ausnahme des nachträglichen Auftretens von Gründen vgl. Kap. 5 C. II. 3., insbes. Fn. 706 u. 707. Diese ist vorliegend allerdings unerheblich, da mit § 118 Abs. 1 S. 3 GWB ohnehin das zeitlich frühere Verfahren aufgehoben werden soll. 734 Insbes. die Doppelbelastung der Gerichte sowie damit einhergehend die Verzögerung des Hauptsacheverfahrens sowie anderer anhängiger Verfahren, vgl. Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 220. 735 Selbst wenn Eil- und Hauptsacheverfahren selbständig nebeneinander laufende Verfahren sind, beanspruchen beide dasselbe Gericht, so dass in der Praxis mit dem Eilverfahren eine Verzögerung des Hauptsacheverfahrens einhergeht. 736 Vgl. Fn. 651.

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die Stellung des Eilantrags entscheiden, und im Fall einer faktischen Verpflichtung aufgrund irreparabler Schäden, die infolge des Abwartens der Hauptssache zu entstehen drohen, lassen ebendiese Schäden die Interessenabwägung i.R.d. § 121 Abs. 1 S. 2 GWB wohl738 zu seinen Gunsten ausfallen. Zum anderen findet § 122 GWB nach überwiegender Auffassung dann keine Anwendung, wenn das Beschwerdegericht den Antrag ausschließlich aus Gründen mangelnder Eilbedürftigkeit, aufgrund Unzulässigkeit oder ausschließlich aufgrund einer Interessenabwägung ablehnt und sich überhaupt nicht mit der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit befasst hat739. Damit ist nicht nur der Anwendungskreis und insofern die Gefahr der Eintritts der Fiktion des § 122 GWB erheblich verkleinert worden. Vor allem entspricht die maßgebliche Erfolgsaussichtenprognose in der Eilentscheidung in den meisten Fällen einer – tatsächlichen oder hypothetischen – späteren Hauptsacheentscheidung, da die längere Prüfungszeit des § 121 Abs. 3 S. 1 GWB eine intensive Prüfung zulässt, so dass die Fiktion des § 122 GWB den Auftraggeber – sehr wahrscheinlich oder sogar mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – nicht stärker belastet als die spätere Hauptsacheentscheidung und ihm sogar noch den zeitlichen Aufwand sowie die Kosten der Weiterführung des Hauptsacheverfahrens erspart740. Daneben sind keine zwingenden Gründe für eine Erforderlichkeit des bloß vorläufigen Zuschlagsverbots i. S. d. § 118 Abs. 1 S. 1 u. 2 GWB ersichtlich. Dessen existenzbegründende Zielsetzung, die Verhinderung missbräuchlicher Anträge741, ist keine notwendige, da ein Missbrauch nach den Hürden des erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahrens weitgehend ausgeschlossen ist. Zudem normiert § 125 Abs. 1 GWB eine Schadensersatzpflicht des Bieters bei missbräuchlicher Einlegung einer sofortigen Beschwerde742; der Befürchtung einer prohibitiven Wirkung wurde hierbei durch die – wenngleich nicht abschließende – Bezeichnung 737 In diese Richtung aber Hunger in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 116 GWB Rdn. 40. 738 Denn irreparable Nachteile für die Allgemeinheit, die typischerweise in der drohenden Funktionsunfähigkeit der Verwaltung oder in der Unbenutzbarkeit bestimmter Einrichtungen liegen, sind im Zweifel stärker zu gewichten als irreparable Nachteile des Einzelnen, zumal diese typischerweise auf den Auftragswert gerichtet sind. 739 Hunger in: Niebuhr / Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 122 GWB Rdn. 2, 7; Kulartz / Röwekamp in: Kulartz / Kus / Portz, Vergaberecht, § 122 GWB Rdn. 2; Stickler in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 122 GWB Rdn. 4; Stockmann in: Immenga / Mestmäcker, GWB, § 122 Rdn. 3. 740 Vgl. BT-Drucks. 13 / 9340 S. 22. 741 So aber Boesen, Vergaberecht, § 118 GWB Rdn. 11. 742 Vgl. auch BT-Drucks. 13 / 9340 S. 22. Kritisch gegenüber der missbrauchsverhindernden Wirkung des § 125 GWB wegen der schwierigen Beweislage Glahs in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 125 GWB Rdn. 2; Gröning, ZIP 1998, S. 370, 373. Zur Erreichung eines ausgewogenen vorläufigen Rechtsschutzes durch ersatzrechtliche Lösungen vgl. Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 220; Schmidt-Aßmann in: Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rdn. 275.

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Kap. 5: Schwächen des Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung

typischer Missbrauchstatbestände in § 125 Abs. 2 GWB entgegengewirkt. Auch das geplante Präqualifikations- respektive Korruptionsregister wird vor missbräuchlichen Nachprüfungsanträgen und sofortigen Beschwerden abschrecken743. Diese Schadensersatzpflicht sollte im Übrigen auf den Auftraggeber sowohl bei missbräuchlicher Beschwerdeeinlegung als auch bei missbräuchlicher Beantragung der vorzeitigen Zuschlagsgestattung ausgedehnt werden, um einen Missbrauch seinerseits zu verhindern744. Die Ausdehnung des Eilrechtsschutzes gem. § 121 GWB auf den Bieter dergestalt, dass dieser die vorzeitige Zuschlagserteilung an sich selbst verlangen kann, erscheint schließlich nicht erforderlich. Insbesondere dürfte es einem Unternehmen regelmäßig an einem überwiegenden eigenen Interesse an der vorzeitigen – in dem Fall für den Auftraggeber und den bislang präferierten Bieter irreversiblen – Zuschlagserteilung fehlen, da für das rechtsschutzsuchende Unternehmen – im Gegensatz zum Auftraggeber – durch die Verzögerung typischerweise keine irreparablen Schäden auftreten745.

743 Vgl. dazu Leinemann / Maibaum, VergabeR 2004, S. 275, 283 f. Dazu sowie zu weiteren Möglichkeiten zur Vermeidung von Manipulationen bei der Auftragsvergabe vgl. auch Hentschke / Geßner, LKV 2005, S. 425 ff. 744 Vgl. BVerwG, NVwZ 1991, S. 270 f.; Ibler in: Friauf / Höfling, GG, Art. 19 IV Rdn. 220; Schoch in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 123 Rdn. 193, die derartige Schadensersatzpflichten mit dem allgemeinen Rechtsgedanken rechtfertigen, dass diese der Preis dafür seien, schon nach einer nur summarischen Prüfung vollstrecken zu dürfen. 745 Vgl. auch Kap. 5 B. II. 2. b).

Kapitel 6

Ausnahmen von der Erledigungswirkung Der vergaberechtliche Primärrechtsschutz ist damit vor Zuschlagserteilung keineswegs so lückenlos ausgestaltet, wie üblicherweise behauptet wird. Damit gerät jedoch das gesamte Vergaberechtsschutzsystem ins Wanken. Denn der Primärrechtsschutzausschluss nach Zuschlagserteilung wird allgemein nur aufgrund der – vermeintlich – effektiven Gewährleistung von Primärrechtsschutz vor Zuschlagserteilung als gerechtfertigt angesehen. Zwar wurden Lösungsvorschläge zur Beseitigung der bestehenden Rechtsschutzlücken erarbeitet. Bis zu deren Umsetzung bleibt jedoch der Vergabeprimärrechtsschutz lückenhaft. Zudem ist angesichts der intensiven Bestrebungen immer noch vieler öffentlicher Auftraggeber, Wege aus dem Anwendungsbereich des EU-Vergaberechts und damit eine Umgehung des Rechtsschutzes zu suchen1, fraglich, ob diese Lösungsvorschläge dauerhaft die Lückenlosigkeit des Vergabeprimärrechtsschutzes garantieren. Es stellt sich daher die abschließende Frage, ob und wie im geltenden Vergaberecht effektiver Vergabeprimärrechtsschutz im Einzelfall auch nach Zuschlagserteilung gewährt werden kann [A.] und / oder ob es einer grundlegenden Reform des Vergaberechts(schutz)systems bedarf [B.].

A. Vergabeprimärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung de lege lata Zunächst wird somit der Frage nachgegangen, ob für den Fall, dass Primärrechtsschutz vor Zuschlagserteilung ausgeschlossen und eingeschränkt ist, das aktuelle Vergaberecht selbst ausnahmsweise Primärrechtsschutz auch nach Zuschlagserteilung vorsieht [I.] oder vergaberechtlicher Primärrechtsschutz unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie entwickelt werden kann [IV.]. Hierbei bietet sich ein Blick auf andere „Verteilungssituationen“ [II.], denen ebenfalls die Problematik der Erledigungswirkung der „Verteilungsentscheidung“ zugrunde liegt, sowie auf die neueste Rechtsprechung des EuGH an [III.], der mit den ersten Fällen konfrontiert wurde, in denen nationaler Vergabeprimärrechtsschutz aufgrund von Rechtsschutzlücken nicht gewährt worden war. 1

Vgl. Heuvels, NZBau 2005, S. 32, 34; Vetter / Bergmann, EuZW 2005, S. 589.

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Kap. 6: Ausnahmen von der Erledigungswirkung

I. Bisherige Ablehnung eines Vergabeprimärrechtsschutzes nach Zuschlagserteilung Bislang wird Primärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung ausnahmslos für unzulässig gehalten. Das erklärt sich mit der obigen dogmatischen Begründung der primärrechtsschutzausschließenden Erledigungswirkung, die gleichsam das Resultat aus der Einheit von Zuschlag und Vertragsschluss einerseits und der grundsätzlichen Nichtaufhebbarkeit von Verträgen andererseits ist. Diese ist im Vergaberecht nur in den ausdrücklichen Ausnahmefällen des § 13 S. 6 VgV sowie der §§ 115 Abs. 1, 118 Abs. 1 u. 3 GWB ausgeschlossen, nicht aber für den Fall des ineffektiven Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung2.

II. Primärrechtsschutz in anderen Verteilungssituationen Der bisherige ausnahmslose Primärrechtsschutzausschluss nach Zuschlagserteilung steht jedoch in Fällen ineffektiven Primärrechtsschutzes vor Zuschlagserteilung mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht in Einklang. Die primärrechtsschutzausschließende Erledigungswirkung, die auf der normierten Nichtaufhebbarkeit von Zuschlag und Vertrag basiert (§ 114 Abs. 2 S. 1 GWB), wurde im geltenden Vergabe(rechtsschutz)system als verfassungsrechtlich zulässige Beschränkung des Gebots effektiven und vorrangig primären Rechtsschutzes gewertet, soweit und solange effektiver Vergabeprimärrechtsschutz überhaupt, also vor Zuschlagserteilung, gewährleistet ist. Dies ist im geltenden Vergaberecht jedoch nicht der Fall, so dass sich die Frage stellt, ob infolgedessen die Nichtaufhebbarkeit – als dogmatische Grundlage der primärrechtsschutzausschließenden Erledigungswirkung – verfassungswidrig respektive von Verfassungs wegen die Aufhebbarkeit von Zuschlag und Vertrag erforderlich ist. Hierfür lohnt sich ein Blick über den Tellerrand des Vergaberechts hinaus auf die so genannte Verteilungsentscheidung an sich. Zu den Verteilungsverfahren, die sich durch die Verteilung knapper Güter durch die öffentliche Hand bei einer Überzahl von Bewerbern auszeichnen, gehören neben dem öffentlichen Auftragswesen vor allem Einstellungsverfahren in den öffentlichen Dienst, die Vergabe von Standplätzen auf Märkten und die Veräußerung nicht unerheblicher Vermögenswerte durch die öffentliche Hand. Allen diesen Verteilungsverfahren war gemein, dass eine einmal getroffene wirksame Verteilungsentscheidung selbst im Falle ihrer Rechtswidrigkeit nicht mehr aufgehoben werden konnte. Mit Art. 19 Abs. 4 GG wurde dies für vereinbar gehalten, solange ein effektiver Primärrechtsschutz im 2 Vgl. nur das OLG Celle, NZBau 2002, S. 53 und das OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 391, 395, die die Nichtaufhebbarkeit von Zuschlag und Vertrag sogar im Fall einer entgegenstehenden europarechtlichen Verpflichtung bzw. einem vertraglich eingeräumten Rücktrittsrecht zugunsten des Auftraggebers annehmen.

A. Vergabeprimärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung de lege lata

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Vorfeld der Verteilungsentscheidung grundsätzlich gewährleistet war3. Die Frage der Einzelfallgerechtigkeit, d. h. ob eine im Einzelfall ineffektive Primärrechtsschutzgewährleistung das Nichtaufhebbarkeitsdogma durchbricht, wurde – soweit ersichtlich – nicht gestellt. Allerdings deutet die neuere Rechtsprechung zu den Verteilungsverfahren eine Abkehr von dem bisherigen grundsätzlichen Nichtaufhebbarkeitsdogma an. Zwar wird dieses in den verschiedenen Verteilungssituationen unterschiedlich begründet, beispielsweise im Beamtenrecht mit dem Grundsatz der Ämterstabilität oder im Vergaberecht mit dem pacta-sunt-servanda-Prinzip. Im Grunde konzentriert sich die Problematik jedoch immer auf den Konflikt zwischen dem Vertrauensschutz des präferierten „Bieters“, dem Interesse der öffentlichen Hand an einer raschen und streitfesten Entscheidung sowie dem Rechtsschutzinteresse nichtberücksichtigter Personen4. Sollte daher das Nichtaufhebbarkeitsdogma in anderen Verteilungssituationen erfolgreich in Frage gestellt respektive sogar aufgegeben werden oder gar bereits aufgegeben worden sein, dürfte dies als Wink für die zukünftige vergaberechtliche Entwicklung verstanden werden. 1. Die Entwicklung im Beamtenrecht Das Beamtenrecht war Ausgangspunkt der Entwicklung des Nichtaufhebbarkeitsdogmas, das im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerwG zum beamtenrechtlichen Konkurrentenstreit5 auf die anderen Verteilungssituationen übertragen und vom BVerfG als mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar angesehen wurde6. Daher kommt für die Frage der Fortgeltung des Nichtaufhebbarkeitsdogmas der beamtenrechtlichen Rechtsprechung eine Schlüsselrolle zu. Dass das BVerwG in einer Entscheidung vom 13. 09. 2001 in einem zu einem Leitsatz erhobenen obiter dictum den Primärrechtsschutzausschluss aufgrund einer rechtswidrigen Auswahlentscheidung jüngst für mit Art. 19 Abs. 4 GG nur schwer vereinbar gehalten und ein Festhalten an der bisherigen Rechtsprechung insofern für zweifelhaft erklärt hat7, stellt daher die Nichtaufhebbarkeit nicht nur im Beamtenrecht, sondern zugleich für alle Verteilungsentscheidungen in Frage8. 3 Vgl. allgemein Röhl, VerwArch 86 (1995), S. 531, 561 f.; Stelkens, NZBau 2003, S. 654, 655 f. m. w. N.; für die Einstellung in den öffentlichen Dienst BAG, NZA, 2003, S. 324, 325 ff.; für die Veräußerung nicht unerheblicher Vermögensgegenstände durch die öffentliche Hand Eggers / Malmendier, NJW 2003, S. 780, 782 f. 4 Ähnlich Gundel, DV 37 (2004), S. 401, 417 f., 422. 5 BVerwGE 80, S. 127, 129 ff. 6 BVerfG, NJW 1990, S. 501 sowie dass., NVwZ 2003, S. 200 f.; dass., NVwZ 2002, S. 1367 f. 7 BVerwG, NVwZ 2002, S. 604. Vgl. dazu zustimmend Lansnicker / Schwirtzek, NJW 2003, S. 2481, 2482, 2485; kritisch Lemhöfer, ZBR 2003, S. 14, 16 und Schnellenbach, ZBR 2002, S. 180 ff., die eine Rechtsschutzeffektuierung zwar für erforderlich, den zu entrichtenden Preis für die Aufgabe des Nichtaufhebbarkeitsdogmas aber für zu hoch halten.

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Kap. 6: Ausnahmen von der Erledigungswirkung

Zwar erscheint zweifelhaft, dass das BVerwG mit dieser Entscheidung eine Kehrtwende in der Frage der grundsätzlichen Nichtaufhebbarkeit von Verteilungsentscheidungen eingeläutet hat9. Jedenfalls hat diese Entscheidung aber einen Trend zur „Perfektionierung des bestehenden Systems“ in Gang gesetzt10. Selbst wenn demnach im Grundsatz an der Nichtaufhebbarkeit der Verteilungsentscheidung festgehalten wird, steht dieses Festhalten jedoch unter dem Vorbehalt einer effektiven Primärrechtsschutzgewährleistung im Vorfeld der Entscheidung. Sollte effektiver Primärrechtsschutz hingegen grundsätzlich oder im Einzelfall ausgeschlossen sein, müsste im Umkehrschluss die Verteilungsentscheidung aufhebbar sein. Dies hat das BVerwG jüngst für den Fall klargestellt und einen Anspruch auf Wiederherstellung anerkannt, dass die Verwaltung durch ihr Verhalten einen einstweiligen effektiven Rechtsschutz verhindert hat11. Gegebenenfalls müsse eine neue Planstelle geschaffen werden. 2. Die Entwicklung hinsichtlich der Einstellung in den öffentlichen Dienst In die gleiche Richtung geht eine Entscheidung des BAG vom 28. 05. 2002 zum arbeitsgerichtlichen Rechtsschutz konkurrierender Bewerber um die Besetzung einer Angestelltenstelle im öffentlichen Dienst12. Zwar vertritt das BAG weiterhin, dass die endgültige Besetzung der Stelle das Bewerbungsverfahren abschließt, eine Wiederholung der Auswahlentscheidung deshalb gegenstandslos wird und sich die Konkurrentenklage aus diesem Grund erledigt13. Es lässt aber ausdrücklich die Frage offen, ob dem zu Unrecht nichtberücksichtigten Bewerber im Einzelfall ein Anspruch auf Wiederherstellung zustehen kann, insbesondere wenn durch das Verhalten der Verwaltung effektiver Rechtsschutz verhindert worden ist. 8 Ähnlich bereits OVG Münster, DÖD 2001, S. 159 f. Für die Anerkennung einer beamtenrechtlichen Konkurrentenklage Allgaier, ZBR 1985, S. 298 ff.; Finkelnburg, DVBl. 1980, S. 809, 811. 9 Bejahend: Burgi, NZS 2005, S. 169 ff.; Hufen, JuS 2002, S. 1237 f.; verneinend: Battis, NJW 2005, S. 800, 804 m. w. N. zur aktuellen Rspr. (anders noch ders., NJW 2002, S. 1085, 1089). Vgl. zur Konkurrentenklage im Spannungsfeld der Justiz und zu Erwägungen zu anderen – abgelehnten – Rechtsschutzmodellen (Ernennung unter Vorbehalt, Rücknahmetatbestand) Landau / Christ, NJW 2003, S. 1648 f. 10 Gundel, DV 37 (2004), S. 401 ff. 11 BVerwG, NJW 2004, S. 870, 871 f. In diese Richtung bereits Füßer, DÖV 1997, S. 816 ff. Die Entscheidung des BGH, NJW-RR 2004, S. 1700, in der dieser die Anfechtung der Ernennung eines Mitbewerbers für den Fall ausschließt, dass sich die Ernennung über eine vom nichtberücksichtigten Mitbewerber erwirkte einstweilige Anordnung hinwegsetzt, bezeichnet der BGH selbst als auf Einzelfallerwägungen basierenden Ausnahmefall. 12 BAG, NZA 2003, S. 324 ff. Vgl. dazu Lansnicker / Schwirtzek, NJW 2003, S. 2481, 2482, 2485. 13 Insbesondere lehnt das BAG damit eine in der Literatur vertretene Auffassung (vgl. Günther, ZTR 1993, S. 181) ab, die im Falle einer rechtswidrigen Auswahlentscheidung den Vertrag als nichtig gem. § 134 BGB qualifiziert.

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3. Die Entwicklung hinsichtlich der Vergabe von Marktständen Noch deutlicher tritt der Trend zur Abkehr vom Nichtaufhebbarkeitsdogma in einer Entscheidung des BVerfG zur Vergabe von Marktständen zutage14. Danach gebietet im Falle einer rechtswidrigen Vergabeentscheidung, die in concreto nicht durch effektiven vorläufigen Rechtsschutz angegriffen werden konnte, Art. 19 Abs. 4 GG dem Fachgericht, eine entsprechende Verpflichtung des Marktanbieters zur rechtmäßigen Vergabe auszusprechen. Dem stünde die Erschöpfung der Platzkapazität nicht entgegen. Es sei dann die Sache des Marktanbieters, die Verpflichtung umzusetzen. Da das Privatrecht mit der außerordentlichen Kündigung, wenn auch gegen Schadensersatz, eine Möglichkeit zur Auflösung des Vertrags biete, könne der Abschluss des Vertrags mit den präferierten Bietern weder rechtlich noch faktisch als Hinderungsgrund geltend gemacht werden15. Zudem könne der Marktanbieter durch die vertragliche Vereinbarung entsprechender Kündigungsklauseln für derartige Fälle vorsorgen.

4. Der Stand des Primärrechtsschutzes in anderen Bereichen Ferner ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass in anderen Gebieten des besonderen Verwaltungsrechts die Gewähr repressiven Primärrechtsschutzes durch eine Konkurrentenklage als zulässig und durch Art. 19 Abs. 4 GG geboten angesehen wird16. Verwiesen sei nur auf das Personenbeförderungsrecht, in dem gegen die – selbst erstrebte – Erteilung von Linienverkehrsgenehmigungen an Konkurrenten vorgegangen werden kann17, oder die Zulässigkeit der Drittanfechtung der Aufnahme in den Krankenhausbedarfsplan18.

5. Zwischenergebnis Im Ergebnis ist in den verschiedenen Verteilungssituationen eine rechtsschutzfreundliche Entwicklung zu konstatieren. Ob der Grundsatz der Nichtaufhebbarkeit 14 BVerfG, NJW 2002, S. 3691, 3692. Dem folgend VG Oldenburg, NVwZ-RR 2005, S. 127 ff. LS 4.; VG Gießen, GewArch 2004, S. 164 ff. 15 Vgl. auch Ehlers in: Achterberg / Püttner / Würtenberger, Bes. Verwaltungsrecht I, § 2 Rdn. 85, der Bescheide zur Platzvergabe unter Verweis auf die Rechtsprechung zum Güterkraftverkehrsrecht als durch den nichtberücksichtigten Bewerber angreifbar und die mit den präferierten Bewerbern bereits geschlossenen Verträge als nichtig gem. §§ 134, 138 BGB betrachtet. 16 Vgl. Gundel, DV 37 (2004), S. 401, 423 ff.; Hösch, DV 30 (1997), S. 211 ff.; Pöcker, DÖV 2003, S. 193 ff. (der die Verteilungsentscheidung als einheitlichen Verteilungsverwaltungsakt ansieht); Wieland, DV 32 (1999), S. 217 ff. 17 BVerwG, DVBl. 2000, S. 1614 ff. 18 BVerfG, DVBl. 2004, S. 431 ff. mit Anm. Vollmöller.

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Kap. 6: Ausnahmen von der Erledigungswirkung

der wirksamen Verteilungsentscheidung bestehen bleibt, ist ungewiss. Zumindest in Ausnahmefällen, in denen effektiver Primärrechtsschutz vor der Verteilungsentscheidung ausgeschlossen ist, wird aber trotz der bereits getroffenen Entscheidung Primärrechtsschutz gewährt. Bislang wurden diese Ausnahmen nur für den Fall anerkannt, dass die öffentliche Hand einen effektiven vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutz verhinderte oder beeinträchtigte. Darunter dürfte jedoch auch das bewusste Ausnutzen von Rechtsschutzlücken zu fassen sein, selbst wenn die Lücken der öffentlichen Hand durch das Gesetz gleichsam zur Verfügung gestellt werden und sich diese insoweit gesetzeskonform verhält.

III. Europarechtliche Entwicklung In diese Richtung weist auch die europarechtliche Entwicklung in der Frage des Vergabeprimärrechtsschutzes. Zwar wurde bereits herausgestellt, dass die RMRL weder die Trennung von Zuschlag und Vertragsschluss noch die Aufhebbarkeit des Vertrags fordert und daher das deutsche Vergabe(rechtsschutz)system insoweit mit der RMRL in Einklang steht. Neueste Entscheidungen des EuGH und Stellungnahmen der Kommission geben indes zumindest Anlass zu der Vermutung, dass jedenfalls im Fall des nicht lückenlos gewährleisteten Vergabeprimärrechtsschutzes eine Aufhebbarkeit des Vertrags europarechtlich gefordert wird19.

1. Die Stadt-Halle-Entscheidung In der Stadt-Halle-Entscheidung hat der EuGH herausgehoben, dass „jede (vergaberechtsrelevante) Maßnahme eines öffentlichen Auftraggebers . . . eine nachprüfbare Entscheidung i.S. von Art. 1 I der Richtlinie 89 / 665 / EWG“20 darstellt und damit „wirksam und vor allem möglichst rasch . . . nachgeprüft werden können“ muss. Aufgrund dieser Klarstellungen wird zum Teil für den Fall, dass eine Entscheidung in concreto keiner Nachprüfung zugänglich war, eine Kündigungspflicht des Auftraggebers – und damit im Endeffekt die Aufhebbarkeit des geschlossenen Vertrags – hergeleitet21. Indes betrifft die Stadt-Halle-Entscheidung einen Sachverhalt, in dem der klagende Mitbewerber seinen Nachprüfungsantrag vor Vertragsschluss gestellt hat, so dass bereits deshalb diese Schlussfolgerung gewagt erscheint. Zudem hat der EuGH lediglich die Nachprüfbarkeit jeder Vergabeentscheidung verlangt, ohne ausdrücklich die Aufhebbarkeit im Falle der Rechtswidrigkeit zu fordern. Vielmehr ist nach dem EuGH die Nachprüfbarkeit „vor allem dann zu gewährleisten . . . , wenn Verstöße noch beseitigt werden kön19 20 21

Vgl. dazu Horn, VergabeR 2006, S. 667 ff. EuGH, NZBau 2005, S. 111, 113 Rdn. 34. So Lotze, VergabeR 2005, S. 278, 279.

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nen“22. Im Umkehrschluss anerkennt er damit die grundsätzliche Nichtaufhebbarkeit von Zuschlag und Vertrag, so dass jedenfalls die Stadt-Halle-Entscheidung in der Frage der Aufhebbarkeit von Zuschlag und Vertrag nicht weiterführt23.

2. Die Entscheidungen „Koppensteiner“ und „Santex“ In den Sachen „Koppensteiner“24 und „Santex“25 hat der EuGH die Verpflichtung des nationalen Gerichts festgestellt, „die nationalen Vorschriften unangewendet zu lassen, die es daran hindern, die Verpflichtung aus den Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Buchstabe b der Richtlinie 89 / 665 / EWG . . . zu beachten“26. Zudem seien die „Bestimmungen der Richtlinie 89 / 665 . . . unbedingt und hinreichend genau, um ein Recht für einen Einzelnen zu begründen, auf das sich dieser ggf. gegenüber einer Vergabebehörde . . . berufen kann“27. Da die RMRL in Art. 1 Abs. 1 die Nachprüfbarkeit jeder Vergabeentscheidung und in Art. 2 Abs. 1 lit. b ausdrücklich die Möglichkeit der „Aufhebung rechtswidriger Entscheidungen“ vorschreibt, das deutsche Recht indes gem. § 114 Abs. 2 S. 1 GWB nach erteiltem Zuschlag keinen Primärrechtsschutz im Wege des Nachprüfungsverfahrens mehr zulässt, könnte hieraus geschlussfolgert werden, dass der EuGH zumindest dann die Aufhebbarkeit von Zuschlag und Vertrag verlangt, wenn eine Nachprüfbarkeit vor der Zuschlagserteilung ausgeschlossen ist28. a) Effektivität auch im Einzelfall Zwar betrifft das Vorabentscheidungsverfahren gem. Art. 234 EGV die Ermittlung des Inhalts einer Vorschrift mit Blick auf einen bestimmten Sachverhalt. InsEuGH, NZBau 2005, S. 111, 114 Rdn. 39. I.E. ebenso Vetter / Bergmann, EuZW 2005, S. 589, 591. Dementsprechend haben auch das OLG Düsseldorf, VergabeR 2005, S. 343, 345 f. und die VK Schleswig-Holstein, Beschl. vom 02. 02. 2005 – VK-SH 01 / 05 – in Kenntnis der Stadt-Halle-Entscheidung einen de-facto erteilten Zuschlag / Vertrag nicht aufgehoben. 24 EuGH, VergabeR 2005, S. 472 ff. 25 EuGH, VergabeR 2003, S. 305 ff. 26 EuGH, VergabeR 2005, S. 472 LS 1; ähnlich EuGH, VergabeR 2003, S. 305, 311 Rdn. 64. 27 EuGH, VergabeR 2005, S. 472, 476 Rdn. 38. Damit hat der EuGH erstmalig die unmittelbare Wirkung der RMRL anerkannt. Bislang wurde diese aufgrund mangelnder Publizitätselemente überwiegend abgelehnt (vgl. Boesen, ZIP 1999, S. 1942, 1943; Lück, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdn. 144; Martin-Ehlers, EuZW 2000, S. 101, 102), sogar vom EuGH (vgl. Slg. 1999 I, S. 7671, 7710 Rdn. 47 ff.); zwar fehlt dort eine Begründung der Ablehnung der unmittelbaren Geltung, doch ergibt sich aus dem Zusammenhang, dass der EuGH die Richtlinie für weder self-executing noch für inhaltlich bestimmt hielt. Vgl. zu den Voraussetzungen der unmittelbaren Geltung Streinz, Europarecht, Rdn. 400). 28 Vgl. Opitz, VergabeR 2005, S. 476. 22 23

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besondere entscheidet der EuGH grundsätzlich allein über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, nicht jedoch über dessen Anwendung auf den konkreten Fall29. Allerdings hat er in der Entscheidung Santex klargestellt, dass „Für die Anwendung des Effektivitätsgebots . . . jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Gemeinschaftsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahrens . . . zu prüfen“ ist30. Daher könne, selbst „wenn eine Ausschlussfrist . . . nicht als solche gegen das Effektivitätsgebot verstößt, nicht ausgeschlossen werden, dass die Anwendung dieser Frist unter den konkreten Umständen des dem Vorlagegericht vorliegenden Falls zu einem Verstoß gegen dieses Gebot führt“31. Die Aussage von Opitz, der EuGH habe in der Koppensteiner-Entscheidung lediglich bestimmt, „dass der nationale Vergaberechtsschutz die Möglichkeit der Aufhebung von Entscheidungen des öffentlichen Auftraggebers generell vorsehen muß“32, ist daher missverständlich. Denn eine generelle – verstanden als grundsätzliche – Aufhebbarkeit von Vergabeentscheidungen sieht das deutsche Vergaberecht, wenn auch auf den Zeitraum vor Zuschlagserteilung begrenzt, vor. Vielmehr folgt jedoch aus der Koppensteiner-Entscheidung, dass Vergabeentscheidungen stets und auch in jedem Einzelfall ausnahmslos im Falle ihrer Rechtswidrigkeit aufhebbar sein müssen. Dieser Forderung wird das deutsche Vergabeprimärrechtsschutzsystem mit seiner lückenhaften Ausgestaltung nicht gerecht. b) Keine Auswirkung auf die Erledigungswirkung von Zuschlag und Vertrag Allerdings behandeln die Entscheidungen „Koppensteiner“ und „Santex“ nicht die Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung, sondern die Frage, ob in jedem Fall der Aufhebung eines Vergabeverfahrens die Mitgliedstaaten die Möglichkeit der so genannten Aufhebung der Aufhebung vorsehen müssen. Die Generalanwältin hat sogar in ihren Schlussanträgen die Aufhebung ausdrücklich vom „Vertragsschluß im Anschluß an die Zuschlagserteilung“ abgegrenzt, indem sie die ausnahmsweise Möglichkeit der Beschränkung der Befugnisse der Nachprüfungsinstanzen gem. Art. 2 Abs. 6 RMRL auf die Zuerkennung von Schadensersatz nur nach Vertragsschluss, nicht aber nach der Aufhebung anerkannte33. Die in der Koppensteiner-Entscheidung geforderte Sicherstellung der Überprüf- und Aufhebbarkeit jeder Vergabeentscheidung durch die – notfalls – Außerachtlassung dem entgegenstehender nationaler Vorschriften und die unmittelbare Anwendung der 29 Opitz, VergabeR 2003, S. 312; Schwarze in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 234 Rdn. 13, 17. 30 EuGH, VergabeR 2003, S. 305, 310 f. Rdn. 56. 31 EuGH, VergabeR 2003, S. 305, 311 Rdn. 57. 32 Opitz, VergabeR 2005, S. 476. 33 Vgl. die Schlussanträge der GA Stix-Hackl, NZBau 2005, Heft 2, S. VII, XI Rdn. 67 ff.

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RMRL kann und soll daher wohl nicht auf das Stadium nach Vertragsschluss ausgedehnt werden. Für dieses scheint der EuGH insoweit an der in Art. 2 Abs. 6 RMRL normierten Befugnis der Mitgliedstaaten zur Beschränkung des Rechtsschutzes auf Schadensersatz festzuhalten34.

3. Die Entscheidungen „Bockhorn / Braunschweig“, „Müllentsorgungsdienste“ Eine entgegengesetzte Schlussfolgerung könnte hingegen aus den Entscheidungen „Bockhorn / Braunschweig“35 und „Müllentsorgungsdienste“36 zu ziehen sein. Dort hat der EuGH Vertragsverletzungsklagen gem. Art. 226 EGV wegen de-factoVergaben für zulässig und begründet und somit den vergaberechtswidrigen defacto-Vertragsschluss als EG-Vertragsverletzung erachtet. Weil das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen ist, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der Stellungnahme gesetzt wurde37, hat der EuGH damit nicht nur den eigentlichen vergaberechtswidrigen Vertragsschluss, sondern auch den durch diesen fortwirkenden Vergabevertrag hervorgerufenen Zustand als Vertragsverletzung i. S. d. Art. 226 EGV herausgestellt. Art. 2 Abs. 6 RMRL führt mithin nicht dazu, „dass das Verhalten eines öffentlichen Auftraggebers in jedem Fall im Rahmen einer Vertragsverletzungsklage als gemeinschaftsrechtskonform anzusehen ist38. Da die Mitgliedstaaten gem. § 228 Abs. 1 GWB im Falle einer durch den EuGH festgestellten Vertragsverletzung verpflichtet sind, „die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil ergeben“, wird zum Teil aus den genannten Entscheidungen eine Pflicht zur Aufhebung des jeweiligen de-facto-Vertrags gefolgert39. Dieser vermeintlichen Pflicht sind Deutschland respektive die betroffenen Auftraggeber nicht nachgekommen, so dass die Kommission in den Sachen „Bockhorn / Braunschweig“ sowie in anderen gleichartigen Sachverhalten beschlossen hat(te), Deutschland gem. Art. 226 EG wegen der Weigerung zu verklagen, aus der Entscheidung die Konsequenz zu ziehen, die Annullierung der gemeinschaftswidrig 34 I.E. ebenso Hübner, NZBau 2005, S. 438 f.; Opitz, VergabeR 2005, S. 476 („wird die Entscheidung „Koppensteiner“ auf den Vergaberechtsschutz in Deutschland kaum Auswirkungen haben“). 35 EuGH, NZBau 2003, S. 393 ff. 36 EuGH, NZBau 2004, S. 563 ff. 37 EuGH, NZBau 2003, S. 393, 394 Rdn. 32 mit Verweis auf EuGH Slg. 1992 I, S. 2353, 2372 Rdn. 10; Slg. 2002 I, S. 2503, 2510 Rdn. 11; Karpenstein / Karpenstein in: Grabitz / Hilf, Das Recht der EU II, Art. 226 EGV Rdn. 17 m. w. N. 38 EUGH, NZBau 2004, S. 563 Rdn. 15. Ähnlich EuGH, NZBau 2003, S. 393, 394 Rdn. 38. 39 So Kaiser, NZBau 2005, S. 311, 314; Lotze, VergabeR 2005, S. 278, 279; erwogen bereits von Stelkens, NZBau 2003, S. 654, 655.

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zustande gekommenen Verträge zu betreiben40. Ob indes aus den genannten Entscheidungen eine derartige Pflicht zur Aufhebung der vergaberechtswidrig geschlossenen Verträge abgeleitet werden kann, erscheint fraglich. a) Differenzierung zwischen Vertragsverletzung und Verletzungsfolgen Zu hinterfragen sind bereits die Entscheidungen selbst, wenn sie den durch den Vergabevertragsschluss hervorgerufenen Zustand als Vertragsverletzung i. S. d. Art. 226 Abs. 1 EGV beurteilen. Denn der Anwendungsbereich der RMRL sowie der Koordinierungsrichtlinien erfasst nur die zeitliche Phase bis zum Vertragsschluss41, so dass ein fortdauernder Vergabeverstoß in Gestalt des fortbestehenden Vertragsschlusses ausgeschlossen ist. Zwar sollen die Vergaberichtlinien über das konkrete Vergabeverfahren hinaus eine Öffnung des Wettbewerbs bewirken und die Rechte und Interessen der Marktteilnehmer schützen, so dass insoweit ein im fortbestehenden Vertrag fortwirkender (einmaliger) Vergabeverstoß in Betracht kommt42. Die eigentliche Vertragsverletzung – und insoweit die Beeinträchtigung jener Zielsetzung – ist jedoch durch den Vergabeverfahrensverstoß erfolgt und hat sich hinsichtlich des Vergabevertrags lediglich in der Wahl des Vertragspartners und dessen Angebots niedergeschlagen. Auch wenn sich der Verfahrensverstoß im Vergabevertrag durch dessen Erledigungswirkung manifestiert hat und insofern in diesem fortwirkt, ist doch fraglich, ob dieses Fortwirken als – zu beseitigende – Vertragsverletzung i. S. d. Art. 226 EGV zu qualifizieren ist43. b) Die Folgen der Entscheidung Des Weiteren ist im Falle der Anerkennung des fortwirkenden Vergabevertrags als Vertragsverletzung der Schluss auf die gem. Art. 228 Abs. 1 EGV bestehende Pflicht zur Beseitigung derselben durch Aufhebung des Vertrags nicht zwingend. Nach Art. 228 Abs. 1 EGV hat der Mitgliedstaat „die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergeben“. Zwar kann der EuGH im Ur40 Vgl. vor allem die Pressemitteilungen der Kommission vom 25. 10. 2004 – IP / 04 / 1294 sowie vom 15. 07. 2005 (IP / 05 / 949). Teilweise wurden zur Vermeidung der durch die Kommission angedrohten Zwangsgeldverfahren – gefordert waren Zwangsgelder in der Tageshöhe von 31680 A im Fall Bockhorn bzw. 126720 A im Fall Braunschweig – die betroffenen defacto-Verträge von den Vertragspartnern einvernehmlich aufgehoben (vgl. die Mitteilung in NZBau 2005, Heft 8, S. VII f.). 41 Vgl. Kap. 4 B. III. sowie Art. 2 Abs. 6, Art. 3 RMRL. 42 Vgl. EuGH, NZBau 2005, S. 410 LS 1 (spricht nur von einem Verstoß wegen Nichteinhaltung der Bekanntmachungs- und Verfahrensvorschriften, nicht aber wegen Aufrechterhaltung des Vertrags; unklar allerdings Rdn. 7); ebenso EuGH, NZBau 2005, S. 49 LS 1; EuGH, NZBau 2004, S. 563 LS 2 und Rdn. 13; EuGH, NZBau 2003, S. 393 LS 1 und 2 sowie Rdn. 36 f. I. E. ebenso Heuvels, NZBau 2005, S. 32, 34. 43 Kritisch auch Heuvels, NZBau 2005, S. 32, 33 f.

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teilstenor nicht selbst verbindlich die Maßnahmen festschreiben, welche die Mitgliedstaaten zur Beseitigung der Vertragsverletzung zu ergreifen haben. Auf der anderen Seite ist er aber nicht grundsätzlich gehindert, in den Urteilsgründen Überlegungen über Art und Ausmaß der im konkreten Fall bestehenden Regularisierungsmöglichkeiten anzustellen. Anlass für solche Überlegungen wird insbesondere in Fällen wie den vorliegenden gesehen, in denen sich ein Mitgliedstaat mit dem Argument verteidigt, der in Frage stehende Vertragsverstoß sei irreparabel44. Der EuGH hat sich indes in den vorliegenden Fällen mit den zu ergreifenden Verletzungsbeseitigungsmaßnahmen nicht auseinandergesetzt und eine Pflicht zur Aufhebung der Vergabeverträge nicht in Erwägung gezogen. Vielmehr hat er die Frage, ob der Auftraggeber zu einer Kündigung des laufenden Vergabevertrags gezwungen ist, ausdrücklich als nicht durch den EuGH zu klärende Folgefrage offen gelassen45. Mit Blick auf die Möglichkeit – respektive sogar Üblichkeit – zur Erörterung dieser Folgefrage in den Entscheidungsgründen und die Unklarheit und Unsicherheit, die im Hinblick auf diese Frage besteht, ist deren Nichtbeantwortung durch den EuGH jedenfalls nicht dahingehend zu deuten, dass dieser von der erforderlichen Aufhebbarkeit der Vergabeverträge ohne weiteres ausgeht. Ferner liegt in Vertragsverletzungsverfahren, in denen es zu einer Einbeziehung der Verstoßfolgen und -wirkungen kommt, der Gegenstand des Feststellungsurteils typischerweise nicht nur in dem Vertragsverstoß als solchem, sondern vor allem und in erster Linie in der Nicht-Beseitigung der durch den Verstoß ausgelösten tatsächlichen Folgen46. Denn eine Folgenbeseitigungspflicht wird nur dann allgemein anerkannt, wenn Gegenstand des Vertragsverletzungsverfahrens gerade und speziell auch die Nichtbeseitigung der Verletzungsfolgen geworden ist47. Mit anderen Worten wird nur dann eine über die bloße Beseitigung der Vertragsverletzung hinausgehende Pflicht zur Aufhebung auch der Verletzungsfolgen anerkannt, wenn die bisherige Nichtbeseitigung der Verletzungsfolgen als Vertragsverstoß erörtert wurde. Als Vertragverletzung hat der EuGH in den vorliegenden Entscheidungen indes zum Teil ausschließlich, zumindest aber in erster Linie auf den einmaligen Vergabeverfahrensverstoß abgestellt48, so dass auch insofern eine Pflicht zur Aufhebung bzw. Aufhebbarkeit der Vergabeverträge – als Verletzungsfolge – nicht aus den Entscheidungen abgeleitet werden kann. 44 Karpenstein / Karpenstein in: Grabitz / Hilf, Das Recht der EU II, Art. 228 EGV Rdn. 6. Vgl. zu den diesbezüglichen Einwänden der Bundesrepublik Deutschland in den vorliegenden Fällen EuGH, NZBau 2005, S. 410 Rdn. 10; EuGH, NZBau 2004, S. 563 Rdn. 15; NZBau 2003, S. 393, 394 f. Rdn. 31 ff. u. 49. 45 So ausdrücklich EuGH, NZBau 2005, S. 410 f. Rdn. 13 und EuGH, NZBau 2005, S. 49, 51 Rdn. 26. 46 Karpenstein / Karpenstein in: Grabitz / Hilf, Das Recht der EU II, Art. 228 EGV Rdn. 7, 16. 47 Karpenstein / Karpenstein in: Grabitz / Hilf, Das Recht der EU II, Art. 228 EGV Rdn. 16. 48 Darauf verweist auch KG, ZfBR 2005, S. 302, 307; wohl auch Hausmann / Bultmann, ZfBR 2005, S. 309, 312.

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Kap. 6: Ausnahmen von der Erledigungswirkung

Überdies ist der Mitgliedstaat lediglich zur Ergreifung derjenigen Maßnahmen verpflichtet, die sich aus dem Urteil ergeben. Insoweit ist von Bedeutung, dass der EuGH grundsätzlich sowie in den genannten Entscheidungen die in Art. 2 Abs. 6 RMRL normierte Ermächtigung der Mitgliedstaaten zur Beschränkung des Vergaberechtsschutzes nach Zuschlagserteilung stets und ausnahmslos anerkannt hat49. Die Entscheidungen sind folglich dahingehend zu verstehen, dass die gem. Art. 2 Abs. 6 RMRL zulässige Rechtsschutzbeschränkung zwar keineswegs die Gemeinschaftsrechtskonformität vergaberechtswidrig abgeschlossener Verträge bewirkt, jedoch die Beschränkung der im Hinblick auf diese Vertragsverletzung und ihre Folgen zu ergreifenden Maßnahmen auf solche des Sekundärrechtsschutzes gestattet50. Dass bloße Schadensersatzleistungen grundsätzlich zur Beseitigung von Vertragsverletzungen nicht als ausreichend erachtet werden51, steht dieser Sonderregelung für das öffentliche Auftragswesen nicht entgegen, zumal die eigentliche Verletzung ohnehin nicht im Vertragsschluss, sondern im Vergabeverfahrensverstoß begründet ist und insofern die zu ergreifenden Maßnahmen vor allem die Folgen der eigentlichen Verletzung betreffen.

4. Zwischenergebnis Aus den angeführten Entscheidungen des EuGH lässt sich mithin eine Pflicht zur Aufhebung respektive zur Aufhebbarkeit eines vergaberechtswidrig abgeschlossenen Vertrags nicht herleiten52. Auf der anderen Seite hat der EuGH jedoch durch die Heraushebung der Gemeinschaftswidrigkeit auch nach Vertragsschluss fortwirkender Vergabeverstöße und deren Qualifizierung als Vertragsverletzung(sfolgen) die Pflicht der Mitgliedstaaten zur Gewährleistung eines effektiven Vergabeprimärrechtsschutzes unterstrichen53. Die Ausgestaltung desselben bleibt zwar nach wie vor den Mitgliedstaaten überlassen, doch wurde der notwendige 49 Vgl. EuGH, NZBau 2004, S. 563 Rdn. 15; EuGH, NZBau 2003, S. 393, 394 Rdn. 38 f. Darauf abstellend auch OLG Düsseldorf, VergabeR 2005, S. 503, 505; Bergmann / Grittmann, NVwZ 2004, S. 946, 947; Wirner, LKV 2005, S. 293. 50 In diese Richtung auch KG, ZfBR 2005, S. 302, 307 und wohl Hausmann / Bultmann, ZfBR 2005, S. 309, 312, welche die zu ergreifenden Maßnahmen auf solche beschränken, die nach nationalem Recht zulässig sind. Da das nationale Recht von der Rechtsbeständigkeit des geschlossenen Vertrags ausgeht und eine einseitige Aufhebung desselben ausschließt, soll diese auch nicht als Maßnahme i. S. d. Art. 228 Abs. 1 EGV ergriffen werden müssen. 51 Karpenstein / Karpenstein in: Grabitz / Hilf, Das Recht der EU II, Art. 226 EGV Rdn. 26 f. 52 Antweiler, EuZW 2003, S. 330 ff., 331; Vetter / Bergmann, EuZW 2005, S. 589, 591. Selbst wenn man eine Pflicht zur Kündigung des de-facto-Vertrags annähme, wäre damit nicht der Primärrechtsschutz des unterlegenen Bieters verbessert, da die Kündigungspflicht ein vorangegangenes Vertragsverletzungsverfahren gem. Art. 226 EGV voraussetzte, zu welchem dem Bieter die Antragsbefugnis fehlte. 53 Die Entscheidungen richten sich daher primär an den Gesetzgeber und weniger an die öffentlichen Auftraggeber.

A. Vergabeprimärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung de lege lata

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Erfolg nochmals betont54. Daher ist nicht auszuschließen, dass im Fall der Beibehaltung des lückenhaften Vergabeprimärrechtsschutzsystems der EuGH in zukünftigen Entscheidungen die Frage nach den gem. Art. 228 Abs. 1 EGV zu ergreifenden Maßnahmen nicht mehr offen lässt, sondern im Hinblick auf eine Pflicht zur Beseitigung des gemeinschaftsrechtswidrigen Zustands durch Beseitigung des Vergabevertrags in den Entscheidungsgründen näher erörtert. Hinzuweisen ist in dem Zusammenhang auf das Vorhaben der Kommission, i.R.d. anstehenden Revision der Rechtsmittelrichtlinien die Durchsetzungsschwäche des europäischen Rechts zu beseitigen. Insbesondere wird an die Einführung eines – EU-typischen – objektiven Rechtsschutzsystems dergestalt gedacht, dass EU-Behörden geschaffen werden, die auf Antrag nichtberücksichtigter Bieter oder Bewerber selbstständig bei Verdacht auf Vergabeverstöße ermitteln und rechtliche Schritte gegen die festgestellten Verstöße ergreifen können. Ob diese Behörden an die mitgliedstaatlichen Beschränkungen des Rechtsschutzes auf Sekundärrechtsschutz nach Vertragsschluss gebunden werden, erscheint zweifelhaft. Überdies ist nicht auszuschließen, dass mit Blick auf die Hartnäckigkeit, mit der die Kommission die oben angeführten Vertragsverletzungsverfahren bestreitet und anschließende Zwangsgeldverfahren beantragt, die Ermächtigung des Art. 2 Abs. 6 RMRL und die mit ihr einhergehenden Rechtsschutzlücken i.R.d. Revision noch einmal überdacht und möglicherweise aufgehoben werden.

IV. Begründung einer Aufhebbarkeit von Zuschlag und Vertrag de lege lata In Anbetracht der dargestellten verfassungs- und europarechtlichen Entwicklung stellt sich die Frage, ob und wie eine ausnahmsweise Primärrechtsschutzgewährleistung nach Zuschlagserteilung im aktuellen Vergaberecht de lege lata begründet werden kann55. Ansatzpunkt muss insoweit einer der Grundsätze – Einheit von Zuschlag und zivilrechtlichem Vertragsschluss; Unerheblichkeit von Vergabeverstößen; Unaufhebbarkeit von Zuschlag und Vertragsschluss – sein, auf denen die primärrechtsschutzausschließende Erledigungswirkung beruht. Ausscheiden dürfte von vornherein lediglich der Grundsatz der Unerheblichkeit von Vergabeverstößen. Die Geltung dieses Grundsatzes kommt nicht nur durch die Systematik des Vergaberechts zum Ausdruck, das lediglich in den bestimmten Fällen des § 13 S. 6 VgV sowie der §§ 115 Abs. 1, 118 Abs. 1 u. 3 GWB die Erheblichkeit des Verstoßes gegen die dort genannten Zuschlagsverbote für die Wirksamkeit von Zuschlag und Vertrag ausdrücklich bestimmt und im Umkehrschluss 54 Ähnlich KG, ZfBR 2005, S. 302, 307; wohl auch Hausmann / Bultmann, ZfBR 2005, S. 309, 312; Wirner, LKV 2005, S. 293. 55 Vgl. hierzu jüngst LG München, VergabeR 2006, S. 268 ff. mit Anm. Erdl; Prieß / Gabriel, NZBau 2006, S. 219 ff.

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Kap. 6: Ausnahmen von der Erledigungswirkung

damit die Unerheblichkeit aller anderen Vergabeverstöße impliziert. Vielmehr ist diese grundsätzliche Unerheblichkeit aus praktischen Gesichtspunkten geboten, da andernfalls wegen der stets drohenden Unwirksamkeit von Zuschlag und Vertrag die Daseinsvorsorge, welche mittelbar durch die Vergabe öffentlicher Aufträge getroffen werden soll, nicht mehr gewährleistet wäre. Ansatzpunkt für die Durchbrechung der Ableitung der Erledigungswirkung muss daher entweder die Einheit von Zuschlag und – zivilrechtlichem – Vertrag [1.] oder die Nichtaufhebbarkeit beider sein [2.].

1. Trennung von Zuschlag und Vertrag Teilweise wird der einzige Ausweg zur Lösung dieses Konflikts in der Trennung von Zuschlag und Vertragsschluss gesehen, da sich nur so erreichen lasse, dass der Vergabevertrag von Mängeln des Vergabeverfahrens freigehalten wird56. Angreifbar sei dann der Zuschlag, wohingegen der geschlossene Vergabevertrag, dessen Bestand durch die verfassungsrechtliche Vertragsfreiheit geschützt sei und auf den die Vertragsparteien auch vertrauen dürften, den Rechtsschutzinteressen Dritter entzogen sei. Bekannt ist eine derartige zweistufige Konstruktion als „Zweistufentheorie“ aus dem öffentlichen Recht. Danach muss der auf der ersten Stufe zu ergehende Verwaltungsakt dem Adressaten zugehen, um die einmonatige – und insofern ausreichend lange – Widerspruchsfrist in Gang zu setzen, und ist zudem als Wirksamkeitsvoraussetzung für den auf zweiter Stufe zu schließenden Vergabevertrag zu bewerten. Eine lückenlose Kette von Zuschlagsverboten erscheint dann nicht erforderlich. Wenngleich die Diskussion um die Anwendung der Zweistufentheorie im Vergaberecht nach der Einführung der Vorabinformationspflicht des § 13 VgV und im Vertrauen auf einen damit sichergestellten vorbeugenden Primärrechtsschutz weitgehend verstummt ist, wird die zweistufige Lösung immer noch in Teilen der Literatur befürwortet. Insbesondere nach der jüngsten bahnbrechenden Entscheidung des OVG Koblenz57, das für den Vergaberechtsschutz unterhalb der Schwellenwerte die Zweistufentheorie anwendet, ist ein Wiederaufleben dieser Auffassung zu erwarten58. Dennoch stößt die Begründung einer Trennung von Zuschlag und Vertragsschluss unter Bezugnahme auf die öffentlich-rechtliche Zweistufentheorie unter zwei Gesichtspunkten auf Kritik. Zum einen ist die dafür erforderliche öffentlichrechtliche Einordnung der Auftragsvergabe abzulehnen [a)]. Zum anderen ist die Dogmatik einer derartigen zweistufigen Konstruktion kritikwürdig [b)]. In einem Exkurs ist anschließend auf den Vorschlag einer rechtlichen Qualifizierung der Auftragsvergabe als öffentlich-rechtlicher Vertrag einzugehen [c)]. 56 57 58

Vgl. nur Kau, NZBau 2003, S. 310, 314; Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266, 317. So Prieß / Hölzl, NZBau 2005, S. 367, 368. Ähnlich Tomerius / Kiser, VergabeR 2005, S. 551.

A. Vergabeprimärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung de lege lata

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a) Die öffentlich-rechtliche Einordnung der Auftragsvergabe Soweit der Staat selbst als regulierender Nachfrager von gemeinwohlrelevanten Leistungen auftritt und die knappen Ressourcen in Form von Marktchancen verteilt, wird die Auftragsvergabe von einer im Vordringen befindlichen Ansicht öffentlich-rechtlich qualifiziert59. Deshalb finde auf den öffentlichen Auftrag entweder die Zweistufentheorie Anwendung, oder der Auftrag sei als öffentlich-rechtlicher Vertrag zu bewerten. Diese Einordnung sei jedenfalls dann zwingend, wenn infolge einer einheitlichen privatrechtlichen Beurteilung Zuschlag und Vertragsschluss zusammenfielen mit der Folge der Schaffung irreversibler Tatsachen und des damit einhergehenden Primärrechtsschutzausschlusses. Diese Auffassung verkennt jedoch – bzw. anerkennt nicht – die grundsätzliche Formenwahlfreiheit der Verwaltung. Ein Rechtsformenzwang zugunsten des öffentlichen Rechts lässt sich dem Grundgesetz nicht entnehmen. Vielmehr sind der Staat und seine Untergliederungen als privatrechtsfähig zu bewerten und können daher auch im Bereich des öffentlichen Auftragswesens privatrechtliche Verträge schließen60. Zwar besteht ebenso wenig ein vom Grundgesetz beabsichtigter Vorrang einer privatrechtsautonomen Ausgestaltung gegenüber öffentlichen Regelungen, der den Auftraggeber zur Vergabe öffentlicher Aufträge im Wege privatrechtlicher Verträge verpflichtete61. Wenn aber grundgesetzlich keine Form vorgeschrieben und insofern eine Formenwahl des hoheitlichen Auftraggebers oder auch eine einfachgesetzliche Einordnung möglich ist, sprechen viele Argumente für eine zivilrechtliche Qualifizierung der öffentlichen Aufträge. Insbesondere die andernfalls notwendige Trennung des Vergaberechts in einen öffentlich-rechtlichen Teil für die hoheitlichen und einen privatrechtlichen Teil für die privaten Auftraggeber, die zudem eine Rechtswegspaltung nach sich zöge, führte zu vielfältigen Problemen wie Bürokratie, Unübersichtlichkeit oder Inpraktikabilität 62. Überdies bewirkte die öffentlich-rechtliche Einordnung lediglich eine teilweise – auf den 59 Vgl. OVG Koblenz, NZBau 2005, S. 411, 412; Burmeister, VVDStRL 52 (1993), S. 190, 229; Hermes, JZ 1997, S. 909, 915; Kadelbach, Allg. Verwaltungsrecht, S. 360 ff.; Prieß / Hölzl, NZBau 2005, S. 367, 370 ff.; dies., ZfBR 2005, S. 593; Schlette, Verwaltung als Vertragspartner, S. 148 ff.; Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266, 314. Ebenso bereits Zuleeg, WiVerw. 1984, S. 112, 115; v. Zezschwitz NJW 1983, S. 1873, 1877. 60 Ähnlich Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 74; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 81 f.; unter Einschränkungen auch Ehlers, JZ 1990, S. 1089, 1092 f. 61 In diese Richtung aber Rittner, ZHR 152 (1988), S. 318, 325 mit Verweis auf BGHZ 97, S. 312, 316. Vgl. auch Dreher in: FS Rittner, S. 115, der von einem verfassungsrechtlichen Vorrang der privatrechtlichen gegenüber einer öffentlich-rechtlichen Gestaltung ausgeht. 62 So auch Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427, 456 f. Die weiteren von Pietzcker, ebd., angeführten Argumente, nämlich dass der Staat wie ein privater Marktteilnehmer einkaufend tätig sei und dass der Vertragsgegenstand nach den geläufigen Abgrenzungstheorien kein öffentlich-rechtliches Verhältnis darstelle, können hingegen nicht überzeugen. Ersteres ist als funktionales Kriterium nicht geeignet [vgl. Kap. 2 B. I. 1. a) aa) (2) (b) u. bb) (2) (c)], letzteres übersieht, dass mit dem öffentlichen Auftraggeber regelmäßig ein Träger öffentlicher Gewalt berechtigt bzw. verpflichtet wird [vgl. Kap. 2 B. I. 1. b)].

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Kap. 6: Ausnahmen von der Erledigungswirkung

öffentlich-rechtlichen Part begrenzte – Rechtsschutzverbesserung. Dies erscheint indes nicht sachgerecht, da privatrechtsförmig organisierte Verwaltung, die öffentliche Gewalt ausübt, dem rechtsschutzunfreundlicheren privatrechtlich ausgestalteten Vergaberecht und die öffentlich-rechtlich organisierte Verwaltung dem rechtsschutzfreundlicheren öffentlich-rechtlichen Vergaberecht unterfiele. Doch nicht nur diese Aufteilung der Verwaltungstätigkeit im Hinblick auf die Organisationsform des Verwaltungsträgers, sondern auch die Trennung zwischen der Verwaltung und den Privaten ist im öffentlichen Auftragswesen nicht gerechtfertigt, da der staatliche Nachfrager genauso wie der private den interessierten Unternehmen als zumindest rechtlich gleichberechtigter Vertragspartner gegenübertritt63. Diese Gleichstellung findet auch Ausdruck in den Verdingungsordnungen, die auf einen verfahrensmäßig ausgewogenen und abgestimmten Interessenausgleich ausgerichtet sind64. Darüber hinaus ist die Zukunftsfähigkeit dieser strikten Trennung zwischen öffentlichem und privatem Recht fragwürdig angesichts der zahlreichen Kooperationsformen zwischen Verwaltung und Privaten. Dafür spricht auch die Europäisierung des deutschen Rechts, die nicht selten über die Grenzen von öffentlichem und privatem Recht hinweg einheitliche Regelungen vorgibt. Gerade das europarechtlich geprägte Vergaberecht, das sowohl die Verwaltung als auch private Unternehmen umfasst, verdeutlicht die Notwendigkeit eines über die Grenzen von öffentlichem und privatem Recht hinausgehenden „Gemeinrechts“65. Dieses muss aufgrund des geltenden Rechts, das grundsätzlich nur die privatrechtliche Handlungsform allen, d. h. privat- wie öffentlich-rechtlich organisierten, Personen zuerkennt66, jedoch im Grundsatz privatrechtlich ausgestaltet sein und kann lediglich durch öffentlich-rechtliche, insbesondere grundgesetzliche, Vorgaben beeinflusst werden67. Die öffentlich-rechtlichen Bindungen der – grundrechtsverpflichteten – staatlichen Hoheitsträger führen lediglich zu einer „öffentlich-rechtlichen Ummantelung“68 des Vergabeverfahrens, ohne seinen zivilrechtlichen Charakter in Frage zu stellen. Bereits aus diesen Gründen ist ein öffentlichrechtlich ausgestaltetes Vergaberegime abzulehnen69. 63 Ähnlich Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, §§ 97 – 101 GWB Rdn. 6. Die faktische Überlegenheit des staatlichen Nachfragers beruht weniger auf der hoheitlichen Gewalt, als auf seinem Nachfragemonopol und seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die den in den Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts fallenden privaten Unternehmen jedoch in ähnlicher Weise eigen ist. 64 BGHZ 86, S. 135, 141; BVerwG, NVwZ-RR 1989, S. 377, 379; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 23 Rdn. 25. 65 Vgl. dazu Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 81 ff.; Zuleeg, VerwArch 73 (1982), S. 384, 403. 66 Die öffentlich-rechtliche Handlungsform steht dagegen privatrechtsförmig organisierten Personen grundsätzlich nicht zur Verfügung. Ausnahmen stellen z. B. die Beliehenen dar. 67 Insoweit weitergehend Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 225 ff. und Röhl, VerwArch 86 (1995), S. 531, 573 ff., die für eine Anwendung der Grundsätze des Verwaltungsverfahrens im Vergaberecht plädieren. 68 Tomerius / Kiser, VergabeR 2005, S. 551, 558.

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b) Die Anwendung der Zweistufentheorie Neben der grundsätzlichen Ablehnung einer – lediglich partiell möglichen – öffentlich-rechtlichen Qualifizierung der Auftragsvergabe sprechen auch gewichtige Argumente gegen die teilweise favorisierte70 Anwendung der Zweistufentheorie im Vergaberecht selbst, wonach dem Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages eine erste Stufe in Gestalt eines eigenständigen Vergabeverfahrens vorausgehen soll. Insbesondere führt sie zu dogmatischen Schwierigkeiten hinsichtlich der Frage nach den rechtlichen Konsequenzen für den Vertrag, wenn die Auswahlentscheidung aufgehoben wird71. Daneben bedingte die Zweistufentheorie die Trennung eines einheitlichen Lebens- sowie – nach bislang herrschender Auffassung – auch rechtlichen Sachverhalts, indem Zuschlag und Vertragsschluss getrennt aufzufassen wären72. Soweit diesem Argument dadurch die Bedeutung entzogen werden soll, dass die erste Stufe nicht im Zuschlag selbst – mit der Folge der Trennung von Zuschlag und Vertragsschluss –, sondern im vorangehenden Verwaltungsverfahren gesehen wird73, hilft dies nicht weiter. Denn zum einen ist fraglich, in welchem Verfahrensstadium bzw. in welcher konkreten Entscheidung der für die erste Stufe erforderliche Verwaltungsakt liegen soll74. Für die Vorabinformation wird dies jedenfalls wegen ihres rein informativen und nicht-regelnden Charakters überwiegend abgelehnt75. In Betracht kommt stattdessen die Entscheidung über die Vergabe des Auftrags überhaupt, die jedoch anerkanntermaßen nicht justiziabel ist, so dass auch dieser Ansatz nicht weiterführt76. Zum anderen spricht viel für eine 69 I.E. ebenso Ehlers in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner, VwGO, § 40 Rdn. 250 m. w. N. 70 Hermes, JZ 1997, S. 905, 914 f.; Huber, JZ 2000, S. 877, 881 f.; Kopp, BayVBl 1980, S. 609, ff.; Pernice / Kadelbach, DVBl. 1996, S. 1100, 1106; Triantafyllou, NVwZ 1994, S. 943, 946; Willenbruch, NVwZ 1999, S. 1062 f.; sowie jüngst OVG Koblenz, NZBau 2005, S. 411, 412. 71 Reidt, BauR 2000, S. 22, 23. Vgl. zur allgemeinen Kritik Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 17 Rdn. 11 ff. Ebenso problematisch ist der umgekehrte Sachverhalt, dass der abgeschlossene Vertrag unwirksam ist, während die Vergabeentscheidung auf der ersten Stufe bestandskräftig vorliegt. 72 Kritisch auch Reidt in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 114 GWB Rdn. 32; Tomerius / Kiser, VergabeR 2005, S. 551, 558. 73 OVG Koblenz, NZBau 2005, S. 411, 412; Prieß / Hölzl, NZBau 2005, S. 367, 371 ff. 74 Ebenso Ruthig, NZBau 2005, S. 497, 499 f. 75 Kaelble, ZfBR 2003, S. 657, 658. A.A. Pöcker, DÖV 2003, S. 193, 199. Zudem ergeht die Vorabinformation gem. § 13 VgV nur gegenüber den nichtberücksichtigten Bietern. Als Verwaltungsakt auf erster Stufe müsste dann eine begünstigende Drittwirkung dieses belastenden Verwaltungsakts als anspruchsbegründende Rechtsposition anerkannt werden, vgl. Kaelble, ebd. 76 Insofern verfängt auch der Vergleich mit der Subventionsvergabe nicht, bei der die Entscheidung über das „ob“ der Vergabe auf der ersten Stufe angesiedelt wird. Ähnlich Tomerius / Kiser, VergabeR 2005, S. 551, 558; a.A. OVG Koblenz, NZBau 2005, S. 411, 412; Prieß / Hölzl, NZBau 2005, S. 367, 371.

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zivilrechtliche Einordnung auch des Vergabeverfahrens. Nach der Entscheidung über die Auftragsvergabe, die als öffentlich-rechtliche Entscheidung angesehen werden könnte, ist das Verfahren von „zivilrechtlichen Einschlägen“77 geprägt und läuft auf den Abschluss eines zivilrechtlichen Vertrags hinaus. Dafür lässt sich wiederum der Rechtscharakter der Verdingungsordnungen sowie das Verhandlungsverfahren anführen, das typischerweise aus einer rein privatrechtlichen Verhandlung zwischen den Parteien besteht. Insofern ist der Qualifikation der Ausschreibung als invitatio ad offerendum und der des Vergabeverfahrens als vorvertragliches Schuldverhältnis beizupflichten. Damit sind nicht nur der eigentliche Vergabevertrag, sondern ebenfalls der Zuschlag sowie das Vergabeverfahren dem Zivilrecht zugeordnet78. Ferner wird die Zweistufentheorie selbst im öffentlichen Recht mittlerweile als überflüssig bewertet, da diejenigen Hoheitsakte, die mithilfe dieser Theorie dem damals mangelhaften Verwaltungsrechtsschutz unterworfen werden sollten79, heutzutage anerkanntermaßen justiziabel sind80. Gleiches gilt nach der Einführung der Vorabinformationspflicht des § 13 VgV auch im Vergaberecht, da durch diese die Inkenntnissetzung der rechtsschutzsuchenden Unternehmen und damit die Justiziabilität der Vergabeentscheidung grundsätzlich gewährleistet ist. Insoweit ist sogar das deutsche Vergaberecht zweistufig ausgestaltet, nur dass im Gegensatz zur Zweistufentheorie nicht der Akt der ersten Stufe (Vorabinformation), sondern der angekündigte Akt der zweiten Stufe im Wege vorbeugenden Rechtsschutzes angreifbar ist. Auch wenn dem vorbeugenden Rechtsschutz im deutschen Recht lediglich ein Ausnahmecharakter zugedacht ist, ist diese Konstruktion aus den dargelegten dogmatischen und praktischen Gründen zu befürworten81. Daher ist die Anwendung der Zweistufentheorie im Vergaberecht abzulehnen. Dem steht auch die RMRL nicht entgegen, der zwar ein zweistufiges Modell zugrunde liegt, die zwingende Notwendigkeit einer zweistufigen Ausgestaltung des Vergaberechts indes nicht entnommen werden kann82.

Tomerius / Kiser, VergabeR 2005, S. 551, 557. Erdl, Vergaberechtsschutz, Rdn. 68 ff. Ausnahmsweise kann eine Beschaffung auch mittels öffentlich-rechtlichen Vertrags erfolgen. Auch dann bleibt das GWB anwendbar, vgl. Burgi, NZBau 2002, S. 57, 60 ff.; Dreher, NZBau 2002, S. 245, 254 f. 79 Vgl. Ipsen, DVBl. 1956, S. 461, 465 und S. 602, 603, 610 ff. 80 Vgl. allgemein Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 17 Rdn. 11 ff. und in Bezug auf das Vergaberecht Kaelble, ZfBR 2003, S. 657, 658. Sogar im Subventionsrecht, dem typischen Anwendungsfeld der Zweistufentheorie, wird diese nach einer im Vordringen befindlichen Auffassung durch die Einordnung der Subventionsvergabe als öffentlich-rechtlichen Vertrag ersetzt, vgl. Maurer, Allg. Verwaltungsrecht, § 17 Rdn. 24 ff. 81 I.E. ebenso Kaelble, ZfBR 2003, S. 657, 658 sowie bereits vor Einführung des § 13 VgV Pietzcker, ZHR 162 (1998), S. 427, 458; Reidt, BauR 2000, S. 22, 24. 82 Vgl. Kap. 4 B. III. 77 78

A. Vergabeprimärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung de lege lata

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c) Exkurs: Die Qualifizierung des Vergabevertrags als öffentlich-rechtlicher Vertrag Infolge der hier befürworteten zivilrechtlichen Einordnung der Auftragsvergabe scheidet auch eine Qualifizierung des Vergabevertrags als öffentlich-rechtlicher Vertrag i. S. d. §§ 54 ff. VwVfG aus83. Diese hätte durch das Zustimmungserfordernis Dritter gem. § 58 VwVfG, soweit der Vertrag in deren Rechte eingreift, zudem nicht nur effektiven Rechtsschutz zugunsten der nichtberücksichtigten Unternehmen gewährleistet, sondern ebenfalls einen Zustand der Rechtsunsicherheit sowie ein gewisses „Erpressungspotential“ der nichtberücksichtigten Unternehmen zur Folge. Denn solange die Rechtmäßigkeit der Vergabe nicht geklärt und die schriftliche Zustimmung aller nichtberücksichtigten Unternehmen nicht erteilt worden wäre, schwebte über dem Vergabevertrag das Damoklesschwert der Unwirksamkeit gem. § 58 VwVfG.

2. Aufhebbarkeit von Zuschlag und Vertrag Die Einheit von Zuschlag und – zivilrechtlichem – Vertrag ist insoweit ein ebenso unangreifbarer Grundsatz wie die Unerheblichkeit von Vergabeverstößen. Gleiches scheint für die Nichtaufhebbarkeit des Vertrags, die insbesondere auf der verfassungsrechtlich garantierten Vertragsfreiheit beruht, sowie des Zuschlags zu gelten, die in § 114 Abs. 2 S. 1 GWB ausdrücklich normiert ist. Auf der anderen Seite ist festgestellt worden, dass die Rechtsbeständigkeit des Vertrags dann nicht gilt, wenn die Parteien die Aufhebungsmöglichkeit gemeinsam vereinbaren oder vereinbart haben oder die Rechtsordnung ausnahmsweise einer Partei die einseitige Aufhebung erlaubt84. Mit anderen Worten ist der Vertrag zwar gegen Angriffe von außen geschützt, darf aber innerhalb des Vertragsverhältnisses aufgehoben werden, soweit dies vereinbart wird respektive wurde oder gesetzlich geregelt ist. Demnach kann zwar nicht die Vergabekammer, wohl aber der öffentliche Auftraggeber den Vertrag aufheben, soweit ihm Aufhebungsrechte zustehen. Dagegen spricht auch nicht § 114 Abs. 2 S. 1 GWB. Bereits dessen systematische Stellung deutet darauf hin, dass das Aufhebungsverbot nur an die Vergabekammer sowie das Beschwerdegericht (§ 123 S. 4 GWB) gerichtet ist und deren Befugnis zur Einwirkung auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens (§ 114 Abs. 1 GWB) beschränkt85. Die Vergabekammer kann daher nicht selbst Zuschlag und Vertrag durch privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt86 aufheben. Sie ist jedoch insoweit nicht gehindert, den Auftraggeber zur Wahrnehmung eines ihm zustehen83 84 85 86

Dafür jedoch Schlette, Verwaltung als Vertragspartner, S. 148 ff. Vgl. Kap. 4 A. II. 1. Ebenso Stelkens, NZBau 2003, S. 654, 655. Vgl. dazu eingehend Manssen, Privatrechtsgestaltung, insbes. S. 126.

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den Vertragsauflösungsrechts anzuhalten87. Voraussetzung ist indes, dass das nichtberücksichtigte Unternehmen auch nach Zuschlagserteilung noch zulässigerweise ein primärrechtsschutzwahrendes Nachprüfungsverfahren beantragen kann [a)]. Danach ist zu untersuchen, in welchen Fällen Auflösungsrechte des Auftraggebers bestehen oder wie sie begründet werden können [b)]. a) Primärrechtsschutzgewährleistung nach Zuschlagserteilung Bislang wurde lediglich festgestellt, dass das aktuelle Vergaberecht der Aufhebbarkeit des Vertrags durch den öffentlichen Auftraggeber sowie einer entsprechenden Verpflichtung desselben nicht entgegensteht. Ob ein derartiger Anspruch, der gleichsam auf die Einhaltung der Bestimmungen über das wiederzubelebende Vergabeverfahren gerichtet ist, tatsächlich besteht [aa)] und im abschließenden Nachprüfungsverfahren geltend gemacht werden kann [bb)], bedarf jedoch einer näheren Untersuchung. aa) Anspruch auf Verpflichtung zur Inanspruchnahme eines Vertragsauflösungsrechts § 97 Abs. 7 GWB gewährt dem nichtberücksichtigten Unternehmen einen Anspruch darauf, „dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält“. Dieser verdichtet sich zu einem Anspruch auf eine formell und materiell fehlerfreie Vergabeentscheidung88 und kann im Einzelfall bei Ermessensreduktion auf Null zu einem Anspruch auf Zuschlagserteilung erwachsen89. Durchgesetzt und realisiert wird dieser Anspruch dadurch, dass die Vergabekammer gem. § 114 Abs. 1 S. 1 GWB „die geeigneten Maßnahmen (trifft), um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern“. Unklar ist jedoch, ob nach Zuschlagserteilung überhaupt Ansprüche aus § 97 Abs. 7 GWB hergeleitet werden können [(1)]. Zudem ist aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten mit Blick auf die Vertragsfreiheit des Auftraggebers90 fraglich, ob der Anspruch aus § 97 Abs. 7 GWB auf die Aufhebung des aufhebbaren Vertrags und damit des Zuschlags erstreckt werden kann [(2)].

Diese Möglichkeit erwägen auch Rindtorff / Gabriel, VergabeR 2004, S. 222, 225. Vgl. Kap. 3 A. II. 2. 89 Vgl. Kap. 3 A. II. 3. 90 Die Vertragsfreiheit des präferierten Bieters ist nicht betroffen, da er insoweit gegen die zulässige Geltendmachung eines vertraglich oder gesetzlich eingeräumten Auflösungsrechts durch seinen Vertragspartner nicht geschützt ist. 87 88

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(1) Kein Ausschluss des materiell-rechtlichen Anspruchs durch die Zuschlagserteilung Die Herleitung vergaberechtlicher Ansprüche aus § 97 Abs. 7 GWB nach der Vergabeverfahrensbeendigung wird zumindest für die Beendigung durch Zuschlagserteilung allgemein ausgeschlossen oder erst gar nicht in Betracht gezogen91. Dies beruht auf der allgemeinen Ansicht, dass sich mit der wirksamen Zuschlagserteilung das Nachprüfungsverfahren ausnahmslos erledige und insofern eine Geltendmachung möglicher Ansprüche von vornherein ausgeschlossen sei. Insoweit ist jedoch bereits klargestellt worden, dass die Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung weder das subjektive Recht selbst, noch den daraus resultierenden Anspruch in seiner Existenz beeinträchtigen kann92. Die Erledigung selbst führt lediglich zu einer Anspruchslähmung, die andauert, solange der die Erledigung begründende Zustand besteht. Folglich wird der Vergabeanspruch durch die Erledigung materiell-rechtlich keinesfalls beseitigt und ist lediglich im Fall der Erledigung des Nachprüfungsverfahrens gelähmt. Andere Ausschlussgründe sind nicht einschlägig. Soweit Stelkens in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass der Grundsatz der Erledigungswirkung im Ergebnis eine rechtsvernichtende Einwendung des Auftraggebers gegenüber den materiellen Ansprüchen der Mitbewerber begründe93, weil durch diesen eine Verpflichtung des Auftraggebers zur Zweitvergabe verhindert werden solle, ist dem nicht beizupflichten. Dagegen spricht bereits, dass § 114 Abs. 2 S. 1 GWB, der in seinem Wortlaut die Nichtaufhebbarkeit des Zuschlags und in seiner Begründung die daraus folgende Erledigung des Nachprüfungsverfahrens bestimmt, aufgrund seiner systematischen Stellung allein an die Vergabekammer sowie das Beschwerdegericht gerichtet ist und deren Kompetenzen einschränkt. Insoweit soll die Erledigung formell-rechtlich die Durchsetzbarkeit des Anspruchs, nicht aber seine materiell-rechtliche Wirksamkeit und Existenz begrenzen. Sie regelt damit die Zulässigkeit eines Nachprüfungsverfahrens und kommt nicht erst in der Begründetheit zum Tragen. Zudem greift der Gedanke der Zweitvergabe nicht, da der Anspruch aus § 97 Abs. 7 GWB nach Zuschlagserteilung auf die Einhaltung der Vergabebestimmungen in einem wiederherstellbaren Vergabeverfahren und nicht auf die Zweitvergabe in einem zweiten Vergabeverfahren gerichtet ist. Schließlich – und das anerkennt Stelkens selbst – ist „Die so unterstellte Möglichkeit der Vernichtung eines Anspruchs trotz bestehender Möglichkeit einer Anspruchserfüllung . . . völlig atypisch“94. 91 A.A. soweit ersichtlich lediglich Stelkens, NZBau 2003, S. 654, 656 ff. Anders hingegen im Fall der Beendigung durch die Aufhebung der Ausschreibung, vgl. dazu im Folgenden. 92 Vgl. Kap. 4 A. III. 4. 93 Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 1161; ders., NZBau 2003, S. 654, 657. 94 Stelkens, NZBau 2003, S. 654, 657 mit Verweis auf § 275 BGB, wonach Unmöglichkeit erst dann eintritt, wenn für den Schuldner keine Möglichkeit besteht, den zur Erfüllung notwendigen Gegenstand zu beschaffen.

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Kap. 6: Ausnahmen von der Erledigungswirkung

(2) Verfassungsrechtliche Bedenken Auch die Bedenken wegen des Eingriffs in die Vertragsfreiheit des Auftraggebers verfangen auf den zweiten Blick nicht mehr. Freilich darf hierbei wegen der Idee eines einheitlichen Vergaberechts nicht darauf verwiesen werden, dass diese ohnehin nur einem Teil der öffentlichen Auftraggeber, nämlich nur den grundrechtsberechtigten, zustehe. Vielmehr ist auf die Einschränkbarkeit der Vertragsfreiheit abzustellen. Insofern wurde bereits festgestellt, dass sie zur Wiederherstellung der Vertragsgerechtigkeit eingeschränkt werden darf95. Zwar sind damit typischerweise Einschränkungen zugunsten des schwächeren Vertragspartners gemeint, doch sind gesetzliche Einschränkungen auch zugunsten Dritter oder anderer Rechtsgüter von Verfassungsrang zulässig, wo dies aus „gesamtwirtschaftlichen und sozialen Gründen . . . zum Nutzen des allgemeinen Wohl geboten“ ist96. Derartige zulässige Schranken finden sich insbesondere im Wettbewerbsrecht97, dem das Vergabekartellrecht unterfällt. Diesbezüglich werden die Beschränkungen der Vertragsfreiheit durch die Verfahrensregeln vor Zuschlagserteilung allgemein für gerechtfertigt gehalten. Dann aber muss gleichermaßen die entsprechende Effektuierung und Sanktionierung dieser für gerechtfertigt gehaltenen Verfahrensregeln als zulässig erachtet werden. Denn die Vorstellung, die Normierung von Verfahrensregeln sei zulässig, die Normierung von Regeln zur Einhaltung ebendieser Verfahrensregeln jedoch nicht, ist absurd. Daneben dienen die Verfahrensregeln nicht nur dem Schutz der am Auftrag interessierten Unternehmen, sondern ebenfalls der Öffnung des Wettbewerbs. Dieser ist nicht nur in der Verfassung verankert, sondern zugleich eine wesentliche Zielsetzung des VgRÄG sowie vor allem der europäischen Vergaberichtlinien und des Europarechts an sich. Auch deshalb erscheint die Beschränkung der Vertragsfreiheit als Folge der Sanktionierung von Vergabeverfahrensverstößen – und mithin auch Wettbewerbsverstößen – gerechtfertigt, weil „gesamtwirtschaftlich und . . . zum Nutzen des allgemeinen Wohl geboten“98. Schließlich verfangen Bedenken wegen der verfassungsrechtlich zu gewährleistenden Rechtssicherheit und Funktionsfähigkeit der Verwaltung nicht99. Eine Beeinträchtigung der Rechtssicherheit scheidet bereits deshalb aus, weil der Anspruch nur im Falle aufhebbarer Vergabeverträge einschlägig ist, die Aufhebbarkeit des Vertrags jedoch ein schutzwürdiges Vertrauen des Vertragspartners in den dauerhaften Bestand des Vertrags ausschließt. Der Funktionsfähigkeit der Verwaltung wird dadurch Rechnung getragen, dass die gegebenenfalls von der Vergabekammer zu ergreifenden Maßnahmen (§ 114 Abs. 1 S. 1 GWB) und damit die mögliche 95 96 97 98 99

Vgl. Kap. 4 B. II. 3. BVerfGE 8, S. 274, 329. Vgl. Höfling, Vertragsfreiheit, S. 42; Kramer, Liberales Vertragsdenken, S. 37 ff. BVerfGE 8, S. 274, 329. Vgl. auch Kap. 4 B. II. 3 a) u. b). A.A. hingegen BAGE 101, S. 153, 159.

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Verpflichtung des Auftraggebers zur Inanspruchnahme eines Vertragsauflösungsrechts im Ermessen der Vergabekammer liegt, die in Fällen, in denen die Funktionsfähigkeit der Verwaltung gefährdet ist, den Rechtsschutz auf Schadensersatz beschränken darf100. Im Übrigen kann in diesem Zusammenhang auf die Rügeobliegenheit des § 107 Abs. 3 GWB verwiesen werden, die eine schnellstmögliche Inkenntnissetzung des Auftraggebers über die Nachprüfungsabsichten des unberücksichtigten Unternehmens sicherstellt. Eine lang anhaltende Rechtsunsicherheit ist damit weitgehend ausgeschlossen. Außerdem liegt es in der Hand des Auftraggebers, die unterlegenen Unternehmen durch rechtzeitige und ausreichende Information über die Vergabe zu informieren. Eine längere Phase der Rechtsunsicherheit, die darauf beruht, dass der nichtberücksichtigte Bieter – wegen unzureichender Information – erst verspätet rügen konnte und musste, ist insofern vom Auftraggeber selbst verschuldet. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass Art. 19 Abs. 4 GG eine gewisse, zeitlich begrenzte Rechtsunsicherheit hinnimmt101. bb) Geltendmachung des Anspruchs im Nachprüfungsverfahren Die Zuerkennung eines Vergabeanspruchs aus § 97 Abs. 7 GWB nach Zuschlagserteilung ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn dieser im abschließenden Nachprüfungsverfahren geltend gemacht werden kann. Dagegen könnte die mögliche Erledigung des Nachprüfungsverfahrens sprechen. In dem hier relevanten Fall, dass dem Auftraggeber Vertragsauflösungsrechte zustehen, ist jedoch bereits das Vorliegen eines die Erledigung begründenden Zustands zweifelhaft. Ruft man sich nochmals die Gesetzesbegründung zu § 114 Abs. 2 S. 1 GWB in Erinnerung, die besagt, dass „Eine Aufhebung dieses Vertrags . . . nicht möglich (ist), so dass mit dem Zuschlag ein Streit um die Rechte nach § 106 Abs. 6 GWB vor der Vergabekammer erledigt ist“, sowie diejenige zu § 104 Abs. 2 GWB, die erklärt, dass „Das Recht auf Einhaltung der Vergaberegeln . . . nur bis zum Abschluss des Vergabeverfahrens geltend gemacht werden (kann), weil nach erteiltem Zuschlag und Abschluss eines Vertrages kein Raum mehr für Rechte auf Einhaltung von Verfahrensregeln ist; nach deutschem Recht kommt durch den Zuschlag der Vertrag zustande, der grundsätzlich nicht mehr aufhebbar ist“, wird offensichtlich, dass die vergaberechtliche Erledigung an die Nichtaufhebbarkeit des Vertrags anknüpft. Im Umkehrschluss tritt keine Erledigung ein, wenn der Vertrag aufhebbar ist. Ob der Vertrag durch die Vergabekammer unmittelbar – was im deutschen Vergaberecht ausgeschlossen ist – oder mittelbar durch die Befugnis zur entsprechenden Verpflichtung des Auftraggebers aufgehoben wer100 Vgl. Kap. 5 A. I. 1. b) bb) (2). In der Tendenz auch Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 1165 f., der in Fällen der fehlenden Rückabwicklungsmöglichkeit wegen bereits erbrachter Leistung Primärrechtsschutz ablehnt. 101 Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 1164 f.

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den kann, ist unerheblich. Entscheidend ist vielmehr, dass der Vergabekammer noch rechtlich zulässige Möglichkeiten zur Einwirkung auf das Vergabeverfahren offen stehen. Dieses wird zwar durch den Zuschlag beendet. Ist der Vertrag und deshalb102 auch der Zuschlag jedoch aufhebbar, ist die Beendigung des Vergabeund des Nachprüfungsverfahrens nicht endgültig. Diesbezüglich lohnt sich der Verweis auf die Entwicklung in der Frage der Rückgängigmachung der Aufhebung der Ausschreibung103. Dort ist mittlerweile anerkannt, dass die Aufhebung der Ausschreibung, die ebenso wie die Zuschlagserteilung das Vergabeverfahren beendet, keineswegs eine endgültige Maßnahme des Auftraggebers darstellt, sondern dieser die Aufhebung jederzeit aufheben kann, soweit und solange keine gesetzlichen Regelungen entgegenstehen. Insbesondere soll der Bieter im Falle der Rechtswidrigkeit der Aufhebung vor der Vergabekammer zulässigerweise den Antrag stellen können, den Auftraggeber anzuweisen, die Aufhebung der Ausschreibung rückgängig zu machen und damit das eigentlich beendete Vergabeverfahren wiederzubeleben104. Eine Erledigung tritt daher zumindest dann nicht ein, wenn die Aufhebung ihrerseits aufhebbar und aufzuheben ist105. Der oben genannte Grundsatz106, dass ein Nachprüfungsverfahren ein laufendes Vergabeverfahren voraussetzt, ist folglich dahingehend abzuwandeln, dass jenes ein nicht endgültig beendetes Vergabeverfahren voraussetzt. Diese Erwägungen müssen in gleichem Maße für die Erledigungswirkung der Zuschlagserteilung gelten, da diese ebenso wie die Erledigungswirkung der Aufhebung der Ausschreibung auf dem Gedanken der – endgültigen – Vergabeverfahrensbeendigung beruht. Mithin ist das Vergabeverfahren im Falle des aufhebbaren und aufzuhebenden Vertragsschlusses und der damit zusammenhängenden Zuschlagserteilung nicht endgültig beendet – und daher nicht erledigt –, so dass die Einwirkungsmöglichkeiten der Vergabekammer i. S. d. § 114 Abs. 1 S. 1 GWB fortbestehen und der Vergabeanspruch aus § 97 Abs. 7 GWB insoweit zulässigerweise im Nachprüfungsverfahren geltend gemacht werden kann107. Lediglich die Notwendigkeit, die Zuschlags- und Bindefrist einzuhalten, könnte einem Anspruch auf Aufhebung der Zuschlagserteilung entgegenstehen. Insoweit ist aber anerkannt 102 Das ergibt sich im Umkehrschluss aus den oben genannten Passagen der Gesetzesbegründung zu § 114 Abs. 2 GWB sowie § 104 Abs. 2 GWB. 103 Vgl. dazu Mantler, VergabeR 2003, S. 119 ff.; Scharen, NZBau 2003, S. 585 ff. 104 Dähne, VergabeR 2004, S. 32, 35 f.; Mantler, VergabeR 2003, S. 119, 129; Noch in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 102 GWB Rdn. 771. 105 BGH, NZBau 2003, S. 169 ff.; OLG Dresden, NZBau 2003, S. 573 f.; Hübner, VergabeR 2002, S. 429, 432 f.; Mantler, VergabeR 2003, S. 119, 120. 106 Vgl. insbes. Kap. 4 A. III. 3. a). 107 Auch die §§ 107 Abs. 2, 114 Abs. 2 S. 2 GWB sprechen nicht dagegen, zumal diese die Erledigung nicht begründen, vgl. Kap. 4 A. III. 3. b). Die Erledigung von einer Erfüllung des Vertrags bzw. dem Beginn des „Erfüllungsvorgangs“ abhängig zu machen (in diese Richtung Stelkens, EuZW 2005, S. 299, 303), ist abzulehnen, weil dies nur dazu führte, dass der Konkurrent unmittelbar nach Vertragsschluss erste Schritte zur Vertragserfüllung unternähme.

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und bereits klargestellt worden, dass einmal gesetzte Fristen im Einvernehmen der Beteiligten verlängert werden können und dies auch noch nach Ablauf der Bindefrist geschehen kann108. b) Begründung vertraglicher Auflösungsrechte Im Falle eines aufhebbaren Vergabevertrags und deshalb aufhebbaren Zuschlags ist mithin ein Anspruch des nichtberücksichtigten Unternehmens gegenüber dem Auftraggeber auf Einhaltung der Vergabebestimmungen in dem wiederzubelebenden Vergabeverfahren anzuerkennen, der im Nachprüfungsverfahren geltend gemacht werden kann. Fraglich ist jedoch, in welchen Fällen der Vergabevertrag aufhebbar ist. In der diesbezüglichen Untersuchung ist zu differenzieren zwischen vereinbarungsunabhängigen Vertragsauflösungsrechten [aa)], die damit jeden Vergabevertrag betreffen können, und vereinbarungsabhängigen [bb)], die folglich zwischen den Vertragsparteien vereinbart werden oder worden sein müssen. aa) Vereinbarungsunabhängige Vertragsauflösungsrechte (1) § 8 VOB / B Nach § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOB / B kann „Der Auftraggeber bis zur Vollendung der Leistung . . . jederzeit den Vertrag kündigen“. Ein besonderer Grund ist nicht erforderlich109. Allerdings ist bei einer Kündigung nach § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOB / B der präferierte Bieter gem. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB / B berechtigt, die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen, also den gesamten Gewinn, zu verlangen. Sie ist daher mit einem hohen finanziellen Aufwand verbunden, den die Vergabekammer in ihren Erwägungen, welches die gem. § 114 Abs. 1 GWB geeignete Maßnahme zur Beseitigung einer Rechtsverletzung ist, berücksichtigen muss. Mithin dürfte die Kündigungsmöglichkeit gem. § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOB / B nur im Einzelfall als Auflösungsrecht, zu dessen Inanspruchnahme der Auftraggeber durch die Vergabekammer verpflichtet werden kann, zur Verfügung stehen; anderes gilt für den Auftragsentzug nach § 8 Nr. 3 VOB / B, der aber nur bei schuldhafter Haupt- oder Nebenpflichtverletzung zulässig ist. Zudem ist zu berücksichtigen, dass jene Kündigungsmöglichkeit auf Bauaufträge begrenzt ist. Ein ähnliches Kündigungsrecht kann im Anwendungsbereich der VOL und VOF nur im Einzelfall aus § 649 BGB hergeleitet werden.

108 109

Scharen, NZBau 2003, S. 585, 588. Vgl. auch Kap. 5 A. II. 2. c). Vgl. Wittig, Probleme des Vergaberechts, S. 308 f.

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(2) Kündigung aus wichtigem Grund Wittig anerkennt im Fall einer rechtswidrigen Zuschlagserteilung einen wichtigen Grund, der zur Kündigung des öffentlichen Auftrags berechtige110. Da ein wichtiger Grund indes gem. § 314 Abs. 1 BGB nur dann vorliegt, „wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses . . . nicht zugemutet werden kann“, erscheint die Annahme eines wichtigen Grundes allein aufgrund der rechtswidrigen Zuschlagserteilung zweifelhaft. Insbesondere kann allein das Interesse an einem rechtmäßigen Verwaltungshandeln die Kündigung aus wichtigem Grund nicht rechtfertigen. Auch der Verweis auf das Sparpotential des Staates, welches sich bei der Durchsetzung der ordnungsgemäßen Auftragsvergabe eröffnete, vermag jedenfalls nicht ausnahmslos zu überzeugen, da nach der Kündigung des Vergabevertrags ein neuer preisgünstigerer Vertragsabschluss nicht garantiert ist und überdies Schadensersatzforderungen des präferierten Bieters drohen111. (3) Wegfall der Geschäftsgrundlage Ferner liegt in der nachträglichen Erkenntnis der Rechtswidrigkeit der Zuschlagserteilung keine Störung der Geschäftsgrundlage, die u.U. gem. § 313 BGB zum Rücktritt vom Vertrag ermächtigte112. Zwar ist dafür ausreichend, wenn wesentliche Vorstellungen, die von beiden Parteien zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen (Abs. 2). Doch ist bereits fraglich, ob tatsächlich beide Parteien von der Fehlerfreiheit des Vergabeverfahrens ausgingen oder nicht zumindest dem Auftraggeber Verfahrensfehler bewusst waren. Jedenfalls wird für den Fall des Verschuldens einer Partei ein Recht wegen Störung der Geschäftsgrundlage abgelehnt, so dass dem Auftraggeber, der typischerweise die Rechtswidrigkeit des Zuschlags zu vertreten hat, keine Rechte aus § 313 BGB zustehen113. 110 Wittig, Probleme des Vergaberechts, S. 312 ff. Vgl. auch Horn, VergabeR 2006, S. 667, 674 ff. für den Fall der Feststellung der Vergaberechtswidrigkeit eines Vertrags durch den EuGH. 111 Ebenso wenig überzeugt die Bezugnahme auf § 60 VwVfG. Dieser ist zunächst nur auf einen Teil der Auftragsvergaben, nämlich die Verträge der öffentlichen Hand, anwendbar. Zudem ändern sich weder die rechtlichen, noch die tatsächlichen Umstände (S. 1), da Zuschlag und Vertrag von Anfang an rechtswidrig waren und der Auftraggeber dies zumeist auch wusste oder zumindest wissen musste. Schwere Nachteile für das Gemeinwohl liegen aus den dargelegten Gründen durch den Vertrag im Einzelfall nicht vor. 112 Anders jüngst LG München, VergabeR 2006, S. 268 ff., für den Fall einer nachträglichen Feststellung der Vergaberechtswidrigkeit eines Vertrags durch ein Urteil des EuGH. Vgl. zu der Entscheidung des LG München Erdl, VergabeR 2006, S. 275 ff.; Prieß / Gabriel, NZBau 2006, S. 219 ff. 113 Heinrichs in: Palandt, BGB, § 313 Rdn. 17, 20; Wittig, Probleme des Vergaberechts, S. 320. Daneben wird eine „Störung der Geschäftsgrundlage“ bei Vorhersehbarkeit abgelehnt

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(4) Andere Vertragsauflösungsrechte Andere vereinbarungsunabhängige Vertragsauflösungsrechte scheiden regelmäßig aus. Dies gilt insbesondere für die Anfechtung des Vergabevertrags. Ein Erklärungs- oder Inhaltsirrtum des Auftraggebers i. S. d. § 119 BGB wird nicht in Frage kommen, da dieser typischerweise die Erklärungshandlung in der gewählten Art und Weise respektive die gewählte Erklärung tatsächlich abgeben wollte. Ebenso wird eine Täuschung des Auftraggebers durch den Vertragspartner i. S. d. § 123 BGB nicht in Betracht kommen. Vielmehr liegen die Vergabeverstöße und -fehler in aller Regel auf der Seite des Auftraggebers. bb) Vereinbarungsabhängige Vertragsauflösungsrechte Daneben steht es dem Auftraggeber jedoch frei, bestimmte Vertragsauflösungsrechte mit seinem Vertragspartner zu vereinbaren. Insbesondere kann er die Wirksamkeit des Vergabevertrags an die auflösende Bedingung der (Feststellung der) Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens knüpfen (§ 158 Abs. 2 BGB). Ferner steht ihm die Vereinbarung von Rücktritts- oder Kündigungsrechten für den Fall der Rechtswidrigkeit des Vergabeverfahrens offen.

V. Zwischenergebnis Mithin ist Vergabeprimärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung nicht pauschal ausgeschlossen. Im Falle eines durch den öffentlichen Auftraggeber aufhebbaren Vertrags ist jener vielmehr zur Realisierung seines Vertragsauflösungsrechts zu verpflichten. Mit dem Bestand des Vertrags entfällt zugleich die Grundlage für den Bestand des Zuschlags, so dass der Zuschlag ebenfalls vom Auftraggeber aufzuheben und dieser sodann zur rechtmäßigen Durchführung des somit wiederbelebten Vergabeverfahrens zu verpflichten ist114.

B. Vergabeprimärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung de lege ferenda Wenngleich somit nach der geltenden Rechtslage Primärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung gewährleistet werden kann, stellt sich die Frage nach einer aus(Heinrichs in: Palandt, BGB, § 313 Rdn. 18). Die Fehlerhaftigkeit des Vergabeverfahrens wird häufig für den Auftraggeber erkennbar und insofern die Störung der Geschäftsgrundlage vorhersehbar gewesen sein. 114 In diese Richtung auch Stelkens, NZBau 2003, S. 654 ff. sowie ders., EuZW 2005, S. 299, 302 f. mit Verweis auf eine entsprechende Handhabung dieses Problems in Frankreich.

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Kap. 6: Ausnahmen von der Erledigungswirkung

drücklichen Normierung dieser Primärrechtsschutzmöglichkeit 115. Denn die Gewährleistung eines derart extensiven – wenn auch erforderlichen – Primärrechtsschutzes steht jedenfalls in Widerspruch mit dem historischen Willen des Kartellvergabegesetzgebers. Sie kann zwar unter Bezugnahme auf die verfassungs- und europarechtlichen Rechtsschutzvorgaben ohne Widerspruch mit dem geltenden Recht begründet werden, ergibt sich jedoch nicht aus diesem und bedarf einer komplizierteren Begründung. Daher sollte Primärrechtsschutz nach Zuschlagserteilung ausdrücklich im Kartellvergaberecht vorgesehen werden. Diesbezüglich ist eine gesetzliche – zeitliche und inhaltliche – Trennung von Zuschlag und Vertragsschluss zu erwägen, wie sie in fast allen anderen EU-Mitgliedstaaten vorherrscht. Da die Nichtaufhebbarkeit des Zuschlags aus seinem Zusammenfallen mit dem Vertragsschluss resultiert, der aufgrund der Vertragsfreiheit und des pacta-sunt-servanda-Grundsatzes nicht durch Dritte aufgehoben werden können soll, ginge mit jener Trennung eine Aberkennung seiner Unangreifbarkeit und Nichtaufhebbarkeit einher. Dem Zuschlag käme keine zivilrechtliche Funktion als Vertragsannahmeerklärung zu, sondern er wäre rein kartellvergabeverfahrensrechtlich als Verfahrensbeendigung und Entscheidungsbekanntmachung aufzufassen und als kartellvergaberechtliche Entscheidung des Auftraggebers einem Nachprüfungsverfahren zugänglich. Würde schließlich für die Wirksamkeit des Vergabevertrags die Bestandskraft dieser Entscheidung vorausgesetzt, entspräche diese Konstruktion einer kartellvergaberechtlichen Zweistufentheorie. Unter der Berücksichtigung, dass die Anwendung der öffentlich-rechtlichen Zweistufentheorie im Vergaberecht hauptsächlich aufgrund der dafür erforderlichen öffentlichrechtlichen Einordnung der Auftragsvergabe abgelehnt worden ist116, erscheint dieses kartellvergaberechtliche Konzept jedenfalls nicht von vornherein ungeeignet. Vielmehr entspricht diese Aufteilung der Vergabe in einen kartellvergaberechtlichen Teil bis einschließlich zur Zuschlagserteilung und einem zivilrechtlichen Teil, der mit dem Vertragsschluss beginnt, der Konzeption der RMRL, deren Anwendungsbereich mit der Zuschlagserteilung endet117. Zudem liegt der RMRL der Gedanke eines zweistufigen Vergabeverfahrens zugrunde. Das gegen die Anwendung zweistufiger Verfahren ins Feld geführte Argument des Auseinanderreißens eines einheitlichen Lebenssachverhalts verliert insofern an Bedeutung. Darüber hinaus müsste der vergaberechtliche Primärrechtsschutz nicht als vorbeugender – und damit entgegen dem deutschen Rechtsschutzstandard –, sondern könnte entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben als repressiver Rechtsschutz ausgestaltet werden. Damit verbleibt als Argument gegen die Anwendung einer kartellvergaberechtlichen Zweistufentheorie die dogmatische Schwierigkeit der Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Zuschlag und Vertrag. In Entsprechung des 115 Vgl. auch die jüngsten, bei Heuvels, NZBau 2006, S. 416 ff. wiedergegebenen Vorschläge der Kommission zur Änderung der RMRL, um die Lücken im europaweiten Primärrechtsschutz zu schließen. 116 Vgl. Kap. 6 A. IV. 1. b). 117 Vgl. Art. 2 Abs. 6 RMRL.

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VgRÄG könnte bis zur Bestandskraft des Zuschlags ein Vertragsschlussverbot normiert werden. Eine andere Möglichkeit bestünde in der Qualifikation des wirksamen oder bestandskräftigen Zuschlags als Geschäftsgrundlage des Vertrags. Ebenfalls könnte der Auftraggeber zur Vereinbarung der Wirksamkeit oder Bestandskraft des Zuschlags als Vertragsbedingung verpflichtet werden.

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Sachverzeichnis Akteneinsichtsrecht 202 Alcatel-Entscheidung 170, 228 Ambivalenz des Vergaberechts 70 Anfechtbarkeit 184 Anfechtung 331 Annahme 132 Anspruch auf fehlerfreie Vergabeentscheidung 111 Antragsbefugnis, Erledigung 153 Anwaltszwang 196 Aufhebbarkeit 184 Aufhebbarkeit von Zuschlag und Vertrag 323 Aufhebung der Aufhebung 312 Aufhebung der Ausschreibung 328 Auftraggeber – Auftraggebertypen 97 – Baukonzessionäre 101 – Beherrschung 99 – funktionaler Auftraggeberbegriff 97 – Gebietskörperschaften 98 – Grundrechtsbindung 97 – institutioneller Auftraggeberbegriff 97 – mittelbare Staatsverwaltung 98 – natürliche Personen 101 – privatrechtsförmige Unternehmen 98 – Verbände 101 – Vertragsfreiheit 113 Beamtenrecht 307 Beihilfe 217 Beiladung 142 Beurteilungsspielraum 127 Bieter – Begriff 225 – Grundrechtsberechtigung 103 Bieteranspruch, Erledigung 154 bieterschützende Vergabevorschriften 109 Bockhorn / Braunschweig-Entscheidung 313

de-facto-Vergabe 211 – analoge Anwendung von § 13 S. 6 VgV 212 – analoge Anwendung von § 13 VgV 232 – Art. 88 Abs. 3 S. 3 EGV 217 – Nachprüfungsverfahren 221 – Rügeobliegenheit 222 – Sittenwidrigkeit 218 – Umgehungsgeschäft 216 – Verbotsgesetz 215 – Verstoß gegen höherrangiges Recht 219 – Vorabinformationspflicht 224 – Vorabinformationspflichtverletzung 212 – Wirksamkeit 212 effektiver Rechtsschutz 47 – Gemeinschaftsrecht 61 – Vorrang des Primärrechtsschutzes siehe Primärrechtsschutz 47 effet utile 62 Eilverfahren § 115 Abs. 2 GWB 260 – Anwaltserfordernis 262 – Prüfungskatalog 263 – Vorwegnahme der Hauptsache 269 – Zweiwochenfrist 261 Eilverfahren § 121 GWB 296 – Prüfungskatalog 297 – Vorwegnahme der Hauptsache 300 einstufige Auftragsvergabe 168 Einstufigkeit der Vergabe 170 Einwirkungspflicht 87 EMRK 59 Entschädigung 68 Erledigung 148 – Antragsbefugnis 153 – Ausnahmen 305 – Begriff 149 – des Bieteranspruchs 154 – des Nachprüfungsverfahrens 150 – des Vergabeverfahrens 149

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Sachverzeichnis

– nur bei wirksamen Verträgen 136 Erledigungswirkung 129 – Rechtfertigungsfähigkeit 160 – Rechtsschutzgarantie 160 – Vereinbarkeit mit Europarecht 168 – Vereinbarkeit mit Verfassungsrecht 157 Fiskalgeltung der Grundrechte 78 Fiskustheorie 81 Formenwahlfreiheit 319 Fortsetzungsfeststellungsverfahren 151 Funktionsfähigkeit der Verwaltung 164 Gemeinschaftsrechtliches Gebot effektiven Rechtsschutzes 61 Gerichtlicher Rechtsschutz 271, 273, 275, 277, 279, 281, 283, 285, 287, 289, 291, 293, 295, 297, 299, 301, 303 Grundgesetzliche Justizgewährleistungen 34 Grundrechtsbindung 77 – öffentliche Auftraggeber 97 – privatrechtlich handelnde Verwaltung 78 – privatrechtlich organisierte Verwaltung 86 haushaltsrechtliche Lösung 74 Individualrechtsschutz 39 Integritätspflicht 45 Integritätswiederherstellungsanspruch 45 invitatio ad offerendum 132 juristische Person 104 Justizgewährleistungsanspruch 53 – Herleitung 53 – Unterschiede zur Rechtsschutzgarantie 55 Kaskadenmodell 75 Konkurrenzsituation 161 Kontrahierungszwang 113 Koordinierungsrichtlinien 72 Koppensteiner-Entscheidung 311 Kostenrisiko 203 Kündigung – § 8 VOB 329 – aus wichtigem Grund 330 Kündigungspflicht 310

Legitimationszusammenhang 93 Lehre vom Verwaltungsprivatrecht 79 Leistungsbeschreibung 116 Marktstände 309 Mitteilungspflicht gem. § 117 Abs. 4 GWB 277 Müllentsorgungsdienste-Entscheidung 313 Münzplättchen II-Entscheidung 156, 228 Nachprüfungsantrag 122 – Begründungspflicht 202 – Einzahlungsnachweis 251 – Kostenrisiko 203 – Zulässigkeit 250 – Zustellungsfähigkeit 251 Nachprüfungsverfahren 249, 251, 253, 255, 257, 259, 261, 263, 265, 267, 269 – de-facto-Vergabe 221 – Erledigung 150 Nichtaufhebbarkeit 133, 134, 181 – Ausnahmen von der 133, 307 – wirksamer Verträge 136 Oberlandesgericht 124 objektives Recht 42 öffentliche Aufgabenerfüllung 91 öffentliche Gewalt 76 öffentlicher Auftraggeber siehe Auftraggeber 97 öffentlicher Dienst 308 öffentlich-rechtliche Organisationsform 87 öffentlich-rechtlicher Vertrag 131, 323 pacta sunt servanda 133, 162 – siehe auch Nichtaufhebbarkeit 133 Präklusion 158 Primärrechtsschutz – Ausnahmen vom Vorrang 48 – Begriff 32 – Europarechtliche Vorgaben 59, 61, 63, 65 – Primärrechtsschutzgarantie 38 – Verfassungsrechtliche Vorgaben 34, 36 – vergaberechtlicher siehe Vergaberechtsschutz 66 – Vorrang des 46, 47 Privatrecht 58

Sachverzeichnis Rechtsbehelfsbelehrung 279, 282 Rechtsmittelrichtlinie 106, 110, 168, 188, 230 Rechtsschutz – effektiver Rechtsschutz siehe effektiver Rechtsschutz 47 – Garantie eines subjektiven Rechtsschutzes 39 – Gebot ausgewogenen Rechtsschutzes 50, 160 – gerichtlicher Rechtsschutz 157 – optimaler Rechtsschutz 46 – repressiver Rechtsschutz 37 Rechtsschutzgarantie – Anwendbarkeit im Vergaberecht 157 – Bestandsgarantie 45 – des Art. 19 Abs. 4 GG 35 – Garantie effektiven Rechtsschutzes siehe effektiver Rechtsschutz 47 – Primärrechtsschutz siehe Primärrechtsschutz 38 – Wertgarantie 45 Rechtsschutzgarantie siehe Rechtsschutz 39 Rechtsschutzziele 33 Rechtssicherheit 163, 165, 188 rechtsstaatliches Verteilungsprinzip 44 Rechtsstaatsprinzip 53, 188 Rechtsträgerschaft 89 Rechtsweggarantie 36 Rücknahme des Nachprüfungsantrags 203 Rügeobliegenheit 196, 201, 211 – de-facto-Vergabe 222 Santex-Entscheidung 311 Schadensersatz 68, 304, 313 Schutzpflichtenjudikatur 57 Sekundärrechtsschutz 33, 37, 49 – vergaberechtlicher 68 Selbstbindung 117 Sittenwidrigkeit 145 – de-facto-Vergabe 218 sofortige Beschwerde 273 Stadt-Halle-Entscheidung 310 status negativus 44 subjektives Recht 40 – Existenz 41 – Herleitung 41

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– im Vergaberecht 104, 108 – Inhalt 43 – subjektives staatsverpflichtendes Recht 43 summarische Prüfung 264, 299 Suspensiveffekt 272 – Tatbestandswirkung 272 Tatbestandswirkung 272 Transparenzgebots 116 Trennung von Zuschlag und Vertragsschluss 318 Unerheblichkeitsgrundsatz 182, 317 Untätigkeitsbeschwerde 279 – Rechtsschutzbeschränkung 280 – Wiedereinsetzung 283 Untermaßverbot 56 Unwirksamkeit – Vergabevertrag 137 – Zuschlag 136 Verbotsgesetz 137 – § 13 VgV 143 – § 101 Abs. 1 GWB 215 – § 115 Abs. 1 GWB 141 – § 118 Abs. 1 GWB 142 – § 118 Abs. 3 GWB 143 – Art. 88 Abs. 3 S. 3 EGV 217 – de-facto-Vergabe 215 – Diskriminierungsverbot 147 – kommunalrechtliche Vertretungs- und Formvorschriften 146 – nicht bieterschützende Vorschriften 146 – vergaberechtliche Verbotsgesetze 137 Verdingungsordnungen 70, 73 Vereinigungsrichtlinie 73 Vergabeentscheidung – Überprüfbarkeit 126 – wirtschaftlichstes Angebot 111 vergabefremde Zuschlagskriterien 84 Vergabekammer 123 Vergaberecht – Begriff 27 – Entwicklung 28 – Schwäche des Sekundärrechtsschutzes 49 – wirtschaftliche Bedeutung 27 – Zielsetzung 28, 70

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Sachverzeichnis

Vergaberechtsänderungsgesetzes 74 Vergaberechtsschutz – Bedeutung 67 – Einführung 122 – Entwicklung 69 – europarechtliche Entwicklung 71 – europarechtliche Vorgaben 106 – Inhalt 67 – materielles Anspruchssystem 108 – nach Zuschlagserteilung 324 – Primärrechtsschutzgarantie 75, 106 – prozessuales Durchsetzungssystem 122 – Schwäche des Sekundärrechtsschutzes 67 – Verfahrenseinhaltung 111 – vorbeugender Charakter 124 – wirtschaftlichstes Angebot 111 Vergabeverfahren – nichtoffenes 190 – offenes 190 – Verhandlungsverfahren 191 Verlängerung der Entscheidungsfrist 290 Verlängerungsantrag 289 Verteilungssituationen 306 Vertragsauflösungsrecht 324 – vereinbarungsabhängige 331 – vereinbarungsunabhängige 329 Vertragsfreiheit 133, 161, 166 – des öffentlichen Auftraggebers 113 – Vertragsabschlussfreiheit 117 – Vertragspartnerwahlfreiheit 116 Vertragsverletzung i. S. d. Art. 226 Abs. 1 EGV 314 Vertrauensschaden 68 Vertrauensschutz 165 Verwaltung in Privatrechtsform 89 Verwaltungsakt 123, 256 Verwaltungsverfahren 321 Verwirkung 184, 223, 242 Verzögerung 198, 252, 266 Vorabentscheidung 297 Vorabinformationsfrist 193 – Fristbeginn 194 – Fristumfang 196 – Fristverkürzungsmöglichkeiten 198 Vorabinformationsinhalt 204 – Bedeutung 201

Vorabinformationspflicht 143, 155, 174, 175, 177, 179, 181, 183, 185, 187, 189, 191, 193, 195, 197, 199, 201, 203, 205, 207, 209, 211, 213, 215, 217, 219, 221, 223, 225, 227, 229, 231, 233, 235, 237, 239, 241, 243, 245, 247 – Adressaten 189 – de-facto-Vergabe 224 – Entwicklung 227 – Inhalt siehe Vorabinformationsinhalt 201 – Kongruenz mit § 97 Abs. 6 GWB 176 – Nichtaufhebbarkeit 181 – Nichtigkeitsfolge 179 – Rechtsmittelrichtlinie 188 – Rechtsschutzfrist siehe Vorabinformationsfrist 193 – Rechtsstaatsprinzip 188 – Umfang siehe Vorabinformationsinhalt 201 – Unerheblichkeitsgrundsatz 182 – Verletzung siehe Vorabinformationspflichtverletzung 206 – Wirksamkeit 175 – Zuschlagsverbot 178 Vorabinformationspflichtverletzung – de-facto-Vergabe 212 – Nachprüfungsverfahren 207 – Nichtigkeitsfolge 206 – unterlassene Information 206 – unzureichende Information 206 vorbeugender Rechtsschutz 125 Vorrang des Primärrechtsschutzes – Ausnahmen 48 – effektiver Rechtsschutz siehe effektiver Rechtsschutz 47 – Gemeinschaftsrecht 63 Vorwegnahme der Hauptsache 269, 300 Wegfall der Geschäftsgrundlage 330 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 282 wirtschaftlichstes Angebot 111 Zuschlagserteilung 129, 131, 133, 135, 137, 139, 141, 143, 145, 147, 149, 151, 153 – Erledigung siehe Erledigung 148 – Präklusion 158 – und Vertragsschluss 132 – Verfahrensbeendigung 135

Sachverzeichnis – zivilrechtliche Annahme 130 – Zuschlagsentscheidung 132, 170 Zuschlagserteilungsanspruch 113 – Herleitung 118 – und Vertragsfreiheit 120 Zuschlagsgestattung 124 Zuschlagskriterien 116 Zuschlagsverbot – § 13 VgV 143 – § 115 Abs. 1 GWB 140 – § 118 Abs. 1 GWB 142 – § 118 Abs. 3 GWB 142 – nach bieterfreundlicher Vergabekammerentscheidung 257 Zuschlagsverbot § 115 Abs. 1 GWB 249 – Dauer 273 – nach bieterfreundlicher Vergabekammerentscheidung 257 – Nachprüfungsantragserfordernis 250

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– Zustellungserfordernis 197, 203, 252 Zuschlagsverbot § 118 Abs. 1 GWB 272 – Antragserfordernis 275 – Inkenntnissetzung des Auftraggebers 276 – Suspensiveffekt 272 – Zulässigkeit der Beschwerde 278 Zuschlagsverbot § 118 Abs. 3 GWB, nach bieterfreundlicher Vergabekammerentscheidung 258 Zuschlagsverbotsverlängerung § 118 Abs. 1 S. 3 GWB 286 – Ausgestaltung 288 – Entscheidungsfrist 288 – Notwendigkeit 287 – Prüfungskatalog 291 Zuständigkeit der Vergabekammern 150 Zustellung 197, 203 Zweistufentheorie 131, 318, 321 Zwischenentscheidung 256