Der Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts: Eine Untersuchung hinsichtlich Bestimmtheit, Klarheit und Systemgerechtigkeit des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte [1 ed.] 9783428552245, 9783428152247

Die genaue Reichweite des Anwendungsbereichs des Vergaberechts hat für die Beschaffungspraxis erhebliche Bedeutung. Denn

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Der Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts: Eine Untersuchung hinsichtlich Bestimmtheit, Klarheit und Systemgerechtigkeit des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte [1 ed.]
 9783428552245, 9783428152247

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Beiträge zum Vergaberecht Band 2

Der Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts Eine Untersuchung hinsichtlich Bestimmtheit, Klarheit und Systemgerechtigkeit des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte

Von

Justus M. Bartelt

Duncker & Humblot · Berlin

JUSTUS M. BARTELT

Der Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

Beiträge zum Vergaberecht Herausgegeben von Prof. Dr. Thorsten Siegel, Berlin Prof. Dr. Jan Ziekow, Speyer

Band 2

Der Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts Eine Untersuchung hinsichtlich Bestimmtheit, Klarheit und Systemgerechtigkeit des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte

Von

Justus M. Bartelt

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Wintersemester 2016/17 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 2364-8724 ISBN 978-3-428-15224-7 (Print) ISBN 978-3-428-55224-5 (E-Book) ISBN 978-3-428-85224-6 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Diese Arbeit wurde vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Uni­ versität Berlin im Wintersemester 2016 / 17 als Dissertation angenommen. Sie befindet sich im Wesentlichen auf dem Stand von Mitte April 2016 – dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des novellierten GWB. Neuere Literatur und vergaberechtliche Entwicklungen konnten im Anschluss nur vereinzelt berücksichtigt werden. Großer Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Thorsten Siegel. Durch seine stets professionelle, engagierte und sympathi­ sche Art hat er maßgeblich zum Erfolg der Arbeit beigetragen. Zudem bin ich ihm für die zügige Erstellung des Erstgutachtens sowie die Aufnahme der Arbeit in die vorliegende Schriftenreihe sehr verbunden. Die Erstellung des Zweitgutachtens hat freundlicherweise Herr Professor Dr. Helge Sodan übernommen – auch ihm danke ich ganz herzlich. Zudem sei Herrn Profes­ sor Dr. Jan Ziekow aus Speyer für die Aufnahme der Dissertation in die Schriftenreihe gedankt. Für Korrekturarbeiten bin ich überdies insbesondere meinem Vater, Herrn Georg Bartelt, sowie meinen Freunden Herrn Dr.  Karl Felix Oppermann und Herrn Jonas Weber sehr dankbar. Ihre Anmerkungen und Kritik haben sich bei der Bearbeitung als sehr wertvoll erwiesen. Dank gebührt ebenfalls Herrn Dr. Pascal Friton, LL.M., für die Unterstützung in der Anfangsphase sowie Herrn Raffaele Mazza, der gemeinsam mit mir unzählige Stunden in der Staatsbibliothek zu Berlin verbracht hat und als Diskussionspartner zur Verfügung stand. Für die finanzielle Unterstützung bei der Drucklegung bin ich im Weiteren meiner Großmutter Elisabeth Bartelt in großem Maße dank­ bar. Abschließend gebührt expliziter Dank meiner Familie sowie meiner Freundin Josephine Tischer, die die ganze Zeit an das Gelingen des Projek­ tes geglaubt und mich bedingungslos unterstützt haben. Letztere hat einen besonders großen Anteil daran  – ohne sie wäre die Arbeit nicht entstanden. Ihr ist die Arbeit daher gewidmet. Berlin, im April 2017

Justus Bartelt

Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Kapitel 1

Die Grundsätze der „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ im deutschen Recht 

22

A. Derzeitige Verwendung der Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 I. In der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 II. In der Rechtsprechung des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 III. Einheitliche Begriffsverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 B. Herleitung der Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 C. Geltung der Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 D. Inhalt der Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 II. „Bestimmtheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1. Höchstmögliche Bestimmtheit von Gesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2. Erforderlicher Bestimmtheitsgrad (materieller Gehalt des Bestimmt­ heitsgebots) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 a) Auslegungsbedürftigkeit & Auslegungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . 34 b) Einzelne Bereiche bzw. Arten des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 aa) Formelles und materielles Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 bb) Eingreifen in Rechte des Bürgers und Vorteilsgewährung . . . 36 cc) Einzelne Sachgebiete des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 c) Unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln . . . . . . . . . . . . 39 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 III. „Klarheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1. Einzelaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 a) Verständlichkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 b) Zusammenwirken von Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 c) Widerspruchsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 aa) Konstellation 1: Normenwiderspruch / -konflikt . . . . . . . . . . . 46 bb) Konstellation 2: Prinzipienkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 cc) Konstellation 3: (bloße) Wertungswidersprüche . . . . . . . . . . . 47 dd) Konstellation 4: „Störungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

8

Inhaltsverzeichnis d) Aufbau und Systematik sowie Übersichtlichkeit . . . . . . . . . . . . . 50 e) Verweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

E. Verhältnis von Bestimmtheit und Klarheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 F. Adressatenproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 I. Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 II. Maßstab im Vergaberecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 G. Rechtsfolgen eines Verstoßes  – Anwendung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . 64 H. Bestimmtheit und Klarheit im Recht der Europäischen Union . . . . . . . . . . . 65 Kapitel 2

Systemgerechtigkeit, Einheit der Rechtsordnung und Kohärenz 

68

A. Systemgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 B. Einheit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 C. Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 I. Kohärenz im Sinne des Art. 7 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 II. Kohärenz in der Glücksspiel-Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . 76 Kapitel 3

Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts 

82

A. Maßgebliche Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 I. Die neuen europäischen Vergaberichtlinien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 1. Entstehung und allgemeine Ziele der neuen Vergaberichtlinien . . . . 83 2. VRL (Richtlinie 2014 / 24 / EU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 a) Allgemeiner Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 aa) Sonderregime für soziale und andere besondere Dienstleis­ tungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 bb) Öffentliche Aufträge zwischen Einrichtungen des öffent­ lichen Sektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 (1) In-House-Vergaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 (2) In-State-Vergaben (interkommunale Zusammenarbeit) . . 91 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 cc) Schwellenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 b) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 aa) Art. 7, 8, 9 und 11 VRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 bb) Art. 10 VRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94



Inhaltsverzeichnis9 (2) Lit. h) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 (a) Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . 97 (b) Keine Entscheidungserheblichkeit der Auslegungs­ frage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (aa) Geltung europäischen Primärrechts bei der Vergabe von (Regel-)Rettungsdienstleistungen an gemeinnützige Organisationen oder Vereini­ gungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (bb) Widerspruch zwischen europäischem Primärund Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 c) Besondere Sachverhalte & Verteidigung und Sicherheit . . . . . . . 109 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3. SRL (Richtlinie 2014 / 25 / EU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 a) Allgemeiner Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 aa) Sonderregime für soziale und andere besondere Dienstleis­ tungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 bb) Besondere Beziehungen (Zusammenarbeit, verbundene Unternehmen und Gemeinschaftsunternehmen) . . . . . . . . . . . 111 cc) Schwellenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Sektorentätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 c) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 aa) Art. 18 bis 20, 22 und 23 SRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 bb) Art. 21 SRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 d) Besondere Sachverhalte, Verteidigung und Sicherheit & Wettbe­ werbsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 4. KVR (Richtlinie 2014 / 23 / EU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 a) Schaffung einer eigenständigen Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 b) Allgemeiner Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 aa) Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 bb) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 (1) Wortlaut von Art. 5 Nr. 1 KVR sowie Erwägungsgrün­ de 11–20 KVR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 (2) Übergang des Betriebsrisikos als maßgebliches Kriteri­ um . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 cc) Sonderregime für soziale und andere besondere Dienstleis­ tungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 dd) Öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit, verbundene Unter­ nehmen, Gemeinschaftsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 ee) Schwellenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 c) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 aa) Art. 10 KVR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 bb) Art. 11, 12 und 16 KVR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

10

Inhaltsverzeichnis cc) Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen  . . . . . . . . . . . . . . 123 d) Besondere Sachverhalte & Verteidigung und Sicherheit . . . . . . . 124 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 II. Nationale Regelungen zum Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Überblick  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 b) Kapitel 1, Abschnitt 1 GWB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 aa) Die einzelnen Auftraggeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 bb) Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 cc) Schwellenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 dd) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (1) Allgemeine Ausnahmen, § 107 GWB n. F. . . . . . . . . . . . 132 (2) Ausnahmen bei öffentlich-öffentlicher Zusammenarbeit, § 108 GWB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (a) In-House-Vergaben (Abs. 1 bis 5) . . . . . . . . . . . . . . . 133 (b) In-State-Vergaben (Abs. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 (c) Bestimmung des prozentualen Anteils (Abs. 7) . . . . 134 (d) Entsprechende Anwendung für Sektorenauftragge­ ber und Konzessionsgeber (Abs. 8) . . . . . . . . . . . . . 135 (3) Ausnahmen für Vergaben auf der Grundlage internatio­ naler Verfahrensregeln, § 109 GWB n. F. . . . . . . . . . . . . 135 ee) Abgrenzungs- und Anwendungsregeln bei der Vergabe gemischter Aufträge, §§ 110 bis 112 GWB n. F. . . . . . . . . . . 135 ff) Verordnungsermächtigung und Berichtspflichten, §§ 113, 114 GWB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 c) Kapitel 1, Abschnitt 2 GWB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 aa) Besondere Ausnahmen, § 116 GWB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . 137 bb) Besondere Ausnahmen für Vergaben, die Verteidigungs- und Sicherheitsaspekte umfassen, § 117 GWB n. F. . . . . . . . . . . . 138 cc) Bestimmten Auftragnehmern vorbehaltene öffentliche Auf­ träge, § 118 GWB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 dd) Vergabe von öffentlichen Aufträgen über soziale und andere besondere Dienstleistungen, § 130 GWB n. F. . . . . . . . . . . . . 139 ee) Vergabe von öffentlichen Aufträgen über Personenverkehrs­ leistungen im Eisenbahnverkehr, § 131 GWB n. F. . . . . . . . . 140 d) Kapitel 1, Abschnitt 3 GWB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 aa) Unterabschnitt 1: Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch Sektorenauftraggeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (1) Besondere Ausnahmen, § 137 GWB n. F. . . . . . . . . . . . . 141 (2) Besondere Ausnahme für die Vergabe an verbundene Unternehmen, § 138 GWB n. F. (Konzernprivileg) . . . . . 141



Inhaltsverzeichnis11 (3) Besondere Ausnahme für die Vergabe durch oder an ein Gemeinschaftsunternehmen, § 139 GWB n. F. (Joint-Venture-Privileg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (4) Besondere Ausnahme für unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzte Tätigkeiten, § 140 GWB n. F. (Wettbe­ werbsklausel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (5) Sonstige anwendbare Vorschriften, § 142 GWB n. F. . . . 142 (6) Regelung für Auftraggeber nach dem Bundesbergge­ setz, § 143 GWB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 bb) Unterabschnitt 2: Vergabe von verteidigungs- und sicher­ heitsspezifischen öffentlichen Aufträgen . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (1) Besondere Ausnahmen für die Vergabe von vertei­ digungs- oder sicherheitsspezifischen öffentlichen Aufträgen, § 145 GWB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (2) Sonstige anwendbare Vorschriften, § 147 GWB n. F. . . . 143 cc) Unterabschnitt 3: Vergabe von Konzessionen . . . . . . . . . . . . 144 (1) Besondere Ausnahmen, § 149 GWB n. F. . . . . . . . . . . . . 144 (2) Besondere Ausnahmen für die Vergabe von Konzes­ sionen in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit, § 150 GWB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (3) Vergabe von Konzessionen über soziale und andere besondere Dienstleistungen, § 153 GWB n. F. . . . . . . . . 145 (4) Sonstige anwendbare Vorschriften, § 154 GWB n. F. . . . 145 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 Kapitel 4



Verfassungsrechtliche Prüfungen 

147

A. Vorbemerkung: Prüfung verfassungsrechtlicher Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . 147 I. Bestehen von Umsetzungsspielräumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 1. Allgemeines zur Umsetzung von EU-Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . 149 2. Gold Plating (überschießende Richtlinienumsetzung) . . . . . . . . . . . . 149 a) Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 b) Vorliegen sog. gold platings hinsichtlich des Anwendungsbe­ reichs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 3. Umsetzungsspielräume der neuen EU-Vergaberichtlinien hinsicht­ lich der vorzunehmenden Prüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 a) Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 b) Klarheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 c) Systemgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 aa) Umsetzungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 bb) Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 II. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

12

Inhaltsverzeichnis

B. Klarheit der neuen Vorschriften zum Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . 158 I. Widerspruchsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 II. Aufbau und Systematik bzw. Übersichtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 1. Intergesetzliche Aspekte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 2. Internormative Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 a) Allgemeiner Aufbau des Vierten Teils des GWB n.F . . . . . . . . . 161 aa) Aufteilung in „allgemeinen“ und „besonderen“ Teil . . . . . . . 161 bb) Problematik des Aufbaus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (1) Beispiel: Eröffnung des Anwendungsbereichs im Fall der Konzessionsvergabe  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 (a) Eröffnung des Anwendungsbereichs . . . . . . . . . . . . . 163 (b) Nichtvorliegen von Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 cc) „Gelungene Gesetzgebung“: Weitere Vereinfachung des Aufbaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (1) Kritik / Vorschläge der BRAK  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 b) Einzelaspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 aa) Systematische Stellung des § 108 GWB n. F. . . . . . . . . . . . . . 168 bb) Hohe Anzahl an Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 3. Intranormative Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 a) § 99 GWB n. F.: Öffentliche Auftraggeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 b) § 100 GWB n. F.: Sektorenauftraggeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 c) § 101 GWB n. F.: Konzessionsgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 d) § 103 GWB n. F.: Öffentliche Aufträge, Rahmenvereinbarungen und Wettbewerbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 e) § 107 GWB n. F.: Allgemeine Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 f) § 108 GWB n. F.: Öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit . . . . . . 174 g) Besondere Ausnahmevorschriften: §§ 116, 117, 137, 145, 149 und 150 GWB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 h) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 III. Verweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 1. Zusammenspiel der §§ 98–102 GWB n. F. (Auftraggeber) . . . . . . . . 175 a) § 100 Abs. 1 GWB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 b) § 101 Abs. 1 GWB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 2. § 106 GWB n. F.: Schwellenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3. § 130 GWB n. F.: Vergabe von öffentlichen Aufträgen über soziale und andere besondere Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 4. §§ 137, 149 GWB n. F.: Besondere Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . 182 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182



Inhaltsverzeichnis13

C. Bestimmtheit der neuen Vorschriften zum Anwendungsbereich . . . . . . . . . . 182 I. Begriff der Betrauung in § 105 Abs. 1 Nr. 1 und 2 sowie § 108 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 Nr. 2 GWB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 II. Einfügung eines klarstellenden Abs. 3 in § 105 GWB n. F. . . . . . . . . . . 185 III. Begriff der „Zusammenarbeit“ in § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB n. F. . . . . . 186 1. Enge Auslegung: „Echte Zusammenarbeit“ erforderlich . . . . . . . . . . 186 2. Weite Auslegung: Zahlung eines Geldbetrages ausreichend . . . . . . . 188 3. Stellungnahmen im Rahmen der Expertenanhörung zum VergRModG im Ausschuss für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 4. Eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 a) Entscheidung des OLG Koblenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 b) Auslegungsfähigkeit des Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 aa) Behandlung des Begriffs der Zusammenarbeit im nationalen Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 bb) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 (1) Keine Notwendigkeit der Schaffung eines „offenen“ Rechtsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 (2) Keine Abwartefrist für den Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . 196 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 IV. Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse in § 108 Abs. 6 Nr. 2 GWB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 1. Begriff der „Überlegungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 2. Begriff des „öffentlichen Interesse[s]“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 D. Systemgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 I. Neue Vergaberichtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 1. Notwendigkeit einer eigenständigen Regelung betreffend Kon­ zessionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Allgemeiner Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 3. Sonderregime für soziale und andere besondere Dienstleistungen . . 207 4. Öffentliche Aufträge zwischen Einrichtungen des öffentlichen Sektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 a) Freistellung als solche und einzelne Tatbestandsmerkmale . . . . . 208 b) Neu geregelte In-House-Konstellation: Schwesternbeauftragung (sog. horizontales In-House-Geschäft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 aa) Kontrollkriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 bb) Wesentlichkeitskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 5. Schwellenwerte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 6. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 a) Rechtsdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

14

Inhaltsverzeichnis b) Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 c) Wasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 7. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 II. Nationale Regeln zum Anwendungsbereich (Umsetzung in Deutsch­ land) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 1. System / zugrundeliegende Wertentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 2. Verstoß gegen verfassungsrechtliche Systemgerechtigkeit? . . . . . . . . 231 a) Vorschriften für die Vergabe von Konzessionen . . . . . . . . . . . . . . 231 b) Allgemeiner Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 c) Sonderregime für soziale und andere besondere Dienstleistun­ gen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 aa) Schaffung der Sonderregime (bzw. Zuordnung der ent­ sprechenden Dienstleistungen zum strengeren allgemeinen Vergaberegime) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (1) Vorliegen einer Systemwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 (2) Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 (a) Intensität der Abweichung von der zugrunde geleg­ ten Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 (b) Vorliegen sachlich hinreichender / plausibler Gründe . 235 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 bb) Auswahl der von den Sonderregimen erfassten Dienstleis­ tungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 (1) Vorliegen einer Systemwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 (2) Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 (a) Intensität der Abweichung von der zugrunde geleg­ ten Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 (b) Vorliegen sachlich hinreichender / plausibler Gründe . 238 (3) Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . 242 (a) Dogmatische Begründung der Unanwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 (b) Einwände gegen die Unanwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (aa) Mitgliedstaatliche Mitwirkungsmöglichkeiten an der nationalen Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . 243 (bb) Differenzierung innerhalb des Hoheitsgebietes eines Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 (c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 d) Öffentliche Aufträge zwischen Einrichtungen des öffentlichen Sektors, Schwellenwerte und Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 3. Rechtspolitische Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 a) Vorschriften für die Vergabe von Konzessionen . . . . . . . . . . . . . . 247 b) Allgemeiner Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247



Inhaltsverzeichnis15 c) Sonderregime für soziale und andere besondere Dienstleistun­ gen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 aa) Schaffung der Sonderregime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 bb) Auswahl der von den Sonderregimen erfassten Dienstleis­ tungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 (1) Unveränderte Dienstleistungsauswahl . . . . . . . . . . . . . . . 249 (2) Anpassung durch den deutschen Gesetzgeber  . . . . . . . . 250 (3) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 d) Öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 aa) Wesentlichkeitskriterium, § 108 Abs. 1 Nr. 2 GWB n. F. . . . . 252 bb) Keine direkte private Kapitalbeteiligung, § 108 Abs. 1 Nr. 3 GWB n. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 cc) Neu geregelte In-House-Konstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . 254 e) Schwellenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 aa) Dienstleistungskonzessionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 bb) Bauleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 f) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 aa) Rechtsdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 bb) Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschut­ zes und der Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 cc) Wasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259

E. Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Kapitel 5

Aufbau des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte 

262

A. Bisheriger Aufbau des Vergaberechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 B. Kritik am bisherigen Aufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 I. Verfassungsrechtliche Zweifel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 1. Kritik der Literatur und Klarheit des Kaskadensystems . . . . . . . . . . 267 2. Rechtsprechung des BVerfG und eigene Stellungnahme . . . . . . . . . . 269 II. Europarechtliche Zweifel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 1. Kritik der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 C. Neuer Aufbau des Vergaberechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 D. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 I. Verfassungsrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 II. Europarechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 III. Rechtspolitische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281

16

Inhaltsverzeichnis 1. Erweiterung des Vierten Teils des GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 2. Fortbestand der VOB / A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 a) Rechtfertigung durch Besonderheiten des Baubereichs? . . . . . . . 284 aa) Ansicht einiger Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 (1) Besonderheiten des Baubereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 (2) Auswirkungen auf den Bereich unterhalb der Schwel­ lenwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 b) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 3. Zusammenführung der Vergabeverordnungen oder Schaffung eines einheitlichen Bundesvergabegesetzes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 4. Vergaberechtliche Landesgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 a) Kritik im Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295

Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328

Abkürzungsverzeichnis ABl. EU

Amtsblatt der Europäischen Union

a. E.

am Ende

a. F.

alte Fassung

BMWi

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

BRD

Bundesrepublik Deutschland

ders.

derselbe

DVA

Deutscher Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleis­ tungen

DVAL

Deutscher Vergabe- und Vertragsausschuss für Lieferun­ gen und Dienstleistungen

ErwGrd

Erwägungsgrund

ErwGrde

Erwägungsgründe

Fn.

Fußnote

GPA

Agreement on Government Procurement v. 15.04.1994, bzw. überarbeitete Fassung v. 02.04.2012, jeweils abruf­ bar unter www.wto.org

i. d. R.

in der Regel

i. S. d.

im Sinne des

i. V. m.

in Verbindung mit

KMU

kleine und mittelständische Unternehmen

KonzVgV

Verordnung über die Vergabe von Konzessionen (Kon­ zessionsvergabeverordnung  – KonzVgV)

KVR

Richtlinie 2014 / 23 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.  Februar 2014 über die Konzes­ sionsvergabe, ABl. EU Nr. L 94 / 1 v. 28.03.2013

Ls.

Leitsatz

m. w. N.

mit weiteren / m Nachweis / en

n. F.

neue Fassung

RL

Richtlinie

Rn.

Randnummer

Rs.

Rechtssache

SektVO

Verordnung über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Bereich des Verkehrs, der Trinkwasserversorgung und der Energieversorgung (Sektorenverordnung  – SektVO)

18

Abkürzungsverzeichnis

SKR

Richtlinie 2004 / 17 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.  März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste, ABl. EU Nr. L 134 / 1 v. 30.04.2004 SRL Richtlinie 2014 / 25 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.  Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Was­ ser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Post­ dienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004 / 17 / EG, ABl. EU Nr. L 94 / 243 v. 28.03.2014 VergRModG Vergaberechtsmodernisierungsgesetz v. 17.02.2016, BGBl. I, S. 203 VKR Richtlinie 2004 / 18 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.  März 2004 über die Koordinie­ rung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge, ABl. EU Nr. L 134 / 114 v. 30.04.2004 VO (EG) Nr. 1370 / 2007 Verordnung (EG) Nr. 1370 / 2007 des Europäischen Par­ laments und des Rates vom 23.  Oktober 2007 über ­öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191 / 69 und (EWG) Nr. 1107 / 70 des Rates, ABl. EU Nr. L 315 / 1 v. 03.12.2007 VRL Richtlinie 2014 / 24 / EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004 / 18 / EG, ABl. EU Nr. L 94 / 65 v. 28.03.2014 VSVKR Richtlinie 2009 / 81 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit und zur Änderung der Richtlinien 2004 / 17 / EG und 2004 / 18 / EG, ABl. EU Nr. L 216 / 76 v.  20.08.2009 zit. zitiert Alle weiteren verwendeten Abkürzungen richten sich, soweit nicht gesondert vermerkt, nach Kirchner, Abkürzungsverzeichnis des Rechtssprache, 7. Aufl., Berlin 2013

Einführung Der Bereich des Vergaberechts ist seit jeher von erheblichen Vermei­ dungstendenzen1 geprägt. Da das Vergaberecht stark formalisiert und dessen Einhaltung mit einigem bürokratischen Aufwand verbunden ist,2 wird in der Praxis nicht selten versucht, die Vorgaben dieses Rechtsgebiets zu umge­ hen.3 Zudem ist bei vergaberechtlichen Rechtsetzungsverfahren regelmäßig zu beobachten, dass Interessenvertreter vor allem dafür streiten, dass der von ihnen vertretene Sachbereich weitestmöglich vom Vergaberecht ausge­ nommen wird.4 Angesichts dieser Umgehungspraxis erscheint es besonders wichtig, dass der Anwendungsbereich des Vergaberechts gesetzlich klar umrissen und dessen konkrete Weite fehlerfrei feststellbar ist. Nur wenn in der Praxis eindeutig geklärt werden kann, in welchen Fällen eine europaweite öffent­ liche Ausschreibung durchgeführt werden muss bzw. in welchen hierauf verzichtet werden darf, kann Umgehungsversuchen effektiv entgegengetre­ ten werden. Langwierige und kostenintensive Streitigkeiten über die Verga­ berechtspflichtigkeit öffentlicher Vorhaben lassen sich dann vermeiden. Ziel 1  Begriffsverwendung bei Braun, EuZW 2012, 451 (455) hinsichtlich der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen. 2  Pietzcker, NVwZ 2007, 1225 (1225, 1229). 3  Vgl. hierzu Dreher, in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Vor §§ 97 GWB Rn. 142; Schumacher, Rechtsschutz, S. 5. Eine Umgehung ist beispielsweise durch die künstliche Aufteilung eines Auftrags in einzelne Bauabschnitte denkbar, so jedenfalls die Konstellation in EuGH, Urt. v.  15.03.2012, Rs.  C-574 / 10  – „Ge­ meinde Niedernhausen“. Vgl. zudem u. a. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.10.2011, VII-Verg 51 / 11, NZBau 2012, 190 ff. (unzulässige Vergabe einer Dienstleistungs­ konzession); OLG Saarbrücken, Urt. v. 06.11.2014, 3 O 260 / 11, NZBau 2015, 121 ff. (kollusives Zusammenwirken); siehe auch EuGH, Urt. v. 29.11.2012, verb. Rs. C-182 / 11 und C-183 / 11  – „Econord SpA“, Rn. 31; vgl. auch König, in: Ga­ briel / Krohn / Neun, Handbuch des Vergaberechts, Kap. 1 § 6 Rn. 70 sowie Gabriel, in: Gabriel / Krohn / Neun, Handbuch des Vergaberechts, Kap. 13 § 72 Rn. 7. 4  Derartiges zeigte sich auch im gerade abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahren, vgl. beispielsweise S. 2 f. der Stellungnahme des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. (BDEW) v. 12.01.2012 zum Entwurf einer Richtlinie über die Konzessionsvergabe, abrufbar im Internet unter https: /  / www.bdew.de / internet. nsf / id / FCEFDE9687C6E9C5C125798E00316394 / $file / 120113_BDEW_Bewer tung_Konzessionsrichtlinie_final.pdf  – zuletzt abgerufen am 31.03.2016; vgl. auch Bundesrat, Beschl. v. 30.03.2012, BR-Drs. 874 / 11 (Beschluss) (2), Nr. 12 f. (S. 5) sowie Prieß, NZBau 2014, 465 f. und Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (357).

20

Einführung

der folgenden Ausführungen ist es vor diesem Hintergrund zunächst, den Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts etwas näher zu betrachten, um anschließend überprüfen zu können, ob eine (weitgehend) fehlerfreie Rechts­ anwendung für die vom Vergaberecht Betroffenen tatsächlich möglich ist. Abgestellt wird bei der Überprüfung auf die Vorgaben des nationalen Rechts; schließlich sind die europäischen Vorgaben zum Vergaberecht ledig­ lich in Form von Richtlinien ausgestaltet, welche sich gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV an die Mitgliedstaaten wenden und im innerstaatlichen Recht grund­ sätzlich keine unmittelbare Wirkung entfalten5. Den Maßstab für die Über­ prüfung bilden deshalb die deutschen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit des Rechts. Neben den streng verfas­ sungsrechtlichen Aspekten soll stellenweise allerdings auch Raum für rechtspolitische Erwägungen bleiben. Im Hinblick auf die Bestrebungen interessierter Kreise, gerade „ihren“ Bereich von den Vorgaben des Vergaberechts zu befreien, bietet es sich im Weiteren an, die vom europäischen bzw. deutschen Gesetzgeber gesetzten Grenzen des Vergaberechts einmal einer kritischen Würdigung zu unterzie­ hen. Es soll der Frage nachgegangen werden, ob die Ausgestaltung und Weite des Anwendungsbereichs stimmig und in Anbetracht der Ziele des Vergaberechts konsistent ist. Überprüft werden somit in erster Linie Aspek­ te der sog. Systemgerechtigkeit bzw. Folgerichtigkeit. Mitunter werden aber auch hier rechtspolitische Anmerkungen zu finden sein. Gegen eine Prüfung anhand der verfassungsrechtlichen Vorgaben der Bestimmtheit und Klarheit ließe sich zwar einwenden, dass eine solche im Vergaberecht wenig sinnvoll wäre, da die Vorschriften in erster Linie nicht an die Bürger, sondern die Vertreter des Staates gerichtet sind. Schließlich ist unter Vergaberecht „die Gesamtheit der Regeln und Vorschriften zu ver­ stehen, die dem Staat, seinen Behörden und Institutionen eine bestimmte Vorgehensweise beim Einkauf von Gütern und Leistungen vorschreiben“.6 Allerdings müssen auch die Auftragnehmer bzw. die potentiell an öffentli­ chen Aufträgen interessierten Personen und Unternehmen in der Lage sein, die Reichweite des Anwendungsbereichs fehlerfrei zu erkennen und zu be­ stimmen. Denn nur so können sie erfolgreich an Vergabeverfahren teilneh­ men, etwaige Verstöße der (öffentlichen) Auftraggeber erkennen und sich hiergegen wehren. Hinzu kommt, dass im Falle der Ausübung einer Sekto­ rentätigkeit ggf.7 auch natürliche oder juristische Personen des privaten 5  Dageförde, Vergaberecht, Rn. 42; vgl. allgemein zur Thematik Haag, in: Bie­ ber / Epiney / Haag, Europäische Union, § 6 Rn. 29 ff., 61 ff. 6  Jasper / Marx, Textausgabe Vergaberecht, S. IX. 7  Sofern die entsprechende Tätigkeit auf der Grundlage von besonderen oder ausschließlichen Rechten ausgeübt wird, die von einer zuständigen Behörde gewährt wurden.



Einführung21

Rechts, d. h. rein private Unternehmen, die keinerlei staatlichem Einfluss unterliegen, an (spezielle) Vergabevorschriften gebunden sind.8 Die hinrei­ chende Bestimmtheit und Klarheit des Rechts ist daher auch im Vergabe­ recht von bedeutender Relevanz.9 Für die Bearbeitung der beiden Themenkomplexe werden in den ersten beiden Kapiteln zunächst insbesondere die Grundsätze der Bestimmtheit, Klarheit und Systemgerechtigkeit im Allgemeinen vorgestellt. Daraufhin werden im dritten Kapitel die neuen europäischen und deutschen Vorschrif­ ten zum Anwendungsbereich des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwer­ te nachgezeichnet. Den Schwerpunkt der Untersuchung bildet sodann das sich anschließende vierte Kapitel: Darin sollen die Vorschriften zum An­ wendungsbereich hinsichtlich der genannten Aspekte eingehend überprüft werden. Abgerundet wird die Arbeit schließlich durch einen Blick auf den allgemeinen Aufbau des Vergaberechts. So sind im fünften Kapitel anläss­ lich der aktuellen Reform  – aber unabhängig von den Vorschriften zum Anwendungsbereich  – einige Anmerkungen zu Aufbau und Systematik des oberschwelligen Vergaberechts zu finden. Hinzuweisen ist schließlich darauf, dass bei einer Untersuchung der vor­ liegenden Art naturgemäß nicht jede einzelne Norm, jeder einzelne Absatz und jeder Satz eingehend überprüft werden kann. Die Untersuchung be­ schränkt sich daher auf den Bereich oberhalb der EU-Schwellenwerte und konzentriert sich auf einige ausgewählte, besonders relevante bzw. proble­ matische Vorschriften und Gesichtspunkte.

8  Vgl. Dörr, in: Dreher / Motzke, Vergaberecht, § 98 GWB Rn. 120 ff.; Werner, in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 98 GWB Rn. 91. 9  Vgl. zur Verdeutlichung auch BVerfGE 116, 135 (162): „Werden rechtmäßige Vergabeverfahren auf Initiative des Einzelnen überprüft, so entstehen Verfahrenskos­ ten, ohne dass diesen Kosten ein Gewinn an Wirtschaftlichkeit gegenüberstünde. […] Schließlich kann wegen dieser [durch ein Nachprüfungsverfahren begründeten] Verzögerungen die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe, um deretwillen Mittel be­ schafft werden sollen, beeinträchtigt oder sogar verfehlt werden.“ [Hervorhebung hinzugefügt].

Kapitel 1

Die Grundsätze der „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ im deutschen Recht Für die weiteren Ausführungen sind zunächst die genauen Anforderungen des Bestimmtheits- und Klarheitsgrundsatzes zu ermitteln. Nur wenn diese feststehen, lässt sich später bewerten, ob die Ausgestaltung des Anwen­ dungsbereichs des Vergaberechts diesen Vorgaben entspricht. Der folgende Abschnitt skizziert daher, was im Einzelnen unter Bestimmtheit und Klar­ heit zu verstehen ist und welche grundlegenden Anforderungen beide Grundsätze aufstellen. Der Fokus liegt dabei auf dem für alle Rechtsnormen geltenden1 „allgemeine[n] rechtsstaatliche[n] Bestimmtheitsgebot“2 sowie dem Gebot der Normen- / Rechtsklarheit.

A. Derzeitige Verwendung der Begriffe I. In der Literatur Bei einem Definitions- und Klärungsversuch fällt zunächst die uneinheit­ liche Begriffsverwendung in der Literatur auf. So wird neben „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ z. B. auch von „Gesetzesbestimmtheit“3, „Rechtsklarheit“4, „Normenklarheit“5, „Verständlichkeit“6, „Normenverständlichkeit“7, „Genau­ igkeit“8, „Eindeutigkeit“9, „Offenheit“10 oder „Justitiabilität“11 gesprochen. 1  Zur

allgemeinen Geltung des Gebots vgl. unten Kap. 1 C. in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 20 Rn. 182 mit Verweis auf BVerfGE 108, 186 (234 f.) und 111, 54 (82). 3  Schmidt-Aßmann, in: Maunz / Dürig, GG, Bd. 6, Art. 103 Abs. 2 Rn. 178. 4  Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Bd. 3, Art. 20 VII Rn. 55; Herschel, JZ 1967, 727 (727); Fritz / Seidler, EuZW 2010, 933 (933). 5  Müller, Normenklarheit, S. 1; auch das einfache Recht verwendet diesen Be­ griff, vgl. § 2 Abs. 3 MaßstG. 6  Waldhoff / Grefrath, IStR 2013, 477 (477); vgl. auch Hey, Steuerplanungssicher­ heit, S. 554 ff. 7  Waldhoff / Grefrath, IStR 2013, 477 (479); Singer, Rechtsklarheit, S. 23; so auch in § 2 Abs. 3 MaßstG. 8  Sobota, Rechtsstaat, S. 133. 2  Huster / Rux,



A. Derzeitige Verwendung der Begriffe23

Insbesondere der Gebrauch der Begriffe „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ ist hier uneinheitlich: Beide Begriffe werden entweder synonym gebraucht,12 Bestimmtheit als Unterfall von Klarheit angesehen,13 oder Klarheit als ein Teilbereich des Gebotes der Bestimmtheit bezeichnet.14 Zudem wird zwi­ schen beiden Grundsätzen oft nicht (deutlich) unterschieden15 – auch die Inhalte werden insofern häufig vermischt. Eine Reihe von Autoren trennt hingegen zwischen Bestimmtheit und Klarheit und misst beiden Grundsät­ zen eine eigenständige, unterschiedliche Bedeutung bei.16 Hierbei wird ­allerdings zum Teil betont, dass Klarheit und Bestimmtheit nicht eindeutig voneinander abzugrenzen seien17 oder sich überschnitten18.

II. In der Rechtsprechung des BVerfG Ein Grund für diese unterschiedliche Begriffsverwendung dürfte darin liegen, dass das BVerfG bislang keine deutliche Abgrenzung der relevanten Begrifflichkeiten vorgenommen hat. Vielmehr wird in den entsprechenden Urteilen eine Vielzahl unterschiedlicher Begriffe und Formulierungen ver­ wendet, ohne dass diese deutlich voneinander abgegrenzt oder in Verhältnis 9  Ebd.

10  Geitmann,

BVerfG und „offene“ Normen, S. 47 f. Normenklarheit, S. 3 m. w. N. 12  Leisner, in: Sodan, GG, Art. 20 GG Rn. 55; so wohl auch Papier / Möller, AöR 122 [1997], 177 (178); Waldhoff / Grefrath, IStR 2013, 477 (477 u. 479). 13  Müller, Normenklarheit, S. 3 f.; ähnlich auch Grefrath, JA 2008, 710 (711 f.), der den Begriff „Normenklarheit“ als Oberbegriff festlegt und „Bestimmtheit“ und „Verständlichkeit“ als Unterpunkte verwendet. 14  Robbers, in: Kahl / Waldhoff / Walter, GG, Bd. 5, Art. 20 Rn. 2279; Wolff, Unge­ schriebenes Verfassungsrecht, S. 255 f.; Sandrock, in: FS Ipsen, S. 795; ähnlich Stern, Staatsrecht, Bd. 1, S. 829 f., der davon ausgeht, dass das Gebot der Bestimmt­ heit „über die Anforderungen der Klarheit hinaus“ geht; ähnlich wohl auch Sommermann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 2, Art. 20 Rn. 289. 15  Antoni, in: Hömig, GG, Art. 20 Rn. 12.; Gärditz, in: Friauf / Höfling, GG, Bd. 2, Art. 20 (6. Teil) Rn. 136 f.; Maurer, Staatsrecht I, § 8 Rn. 46 ff.; dieselbe Fest­ stellung findet sich auch bereits bei Gassner, Genehmigungsvorbehalte, S. 118; eine kurze Übersicht hierzu findet sich bei Geitmann, BVerfG und „offene“ Normen, S. 28 f. (Fußnote 35). 16  Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 2, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 129–45; Huster / Rux in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 20 Rn. 182 ff.; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 57 ff., Rn. 63; Singer, Rechtsklarheit, S. 68 f. und S. 76 f.; Gassner, Genehmigungsvorbehalte, S. 118 ff.; Fetzer, in: FS Schenke, S. 129 (133); Geitmann, BVerfG und „offene“ Normen, S. 28 f. 17  So Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 123 ff. und Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Bd. 3, Art. 20 VII Rn. 58. 18  Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 63. 11  Müller,

24 Kap. 1: Grundsätze der „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ im deutschen Recht

gesetzt werden. Teilweise wird in Entscheidungen nur von den „Grundsät­ zen des Rechtsstaats“ oder dem „Rechtsstaatsprinzip“ gesprochen, aus wel­ chem dann unmittelbar Anforderungen abgeleitet werden19. In anderen Ur­ teilen ist von den „rechtsstaatlichen Grundsätzen der Normklarheit und Justitiabilität“20, dem „aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende[n] Gebot der Verständlichkeit geltender Normen“21 oder den „rechtsstaatlichen Grund­ sätze[n] der Normenklarheit und Widerspruchsfreiheit“22 die Rede, welche dann entsprechende Vorgaben enthalten. Überwiegend wird aber von (den Geboten der) „Bestimmtheit“ und / oder „Klarheit“ bzw. „Normenbestimmt­ heit“ und „Normenklarheit“ gesprochen.23 Insbesondere die Begriffe der Bestimmtheit und Klarheit werden dabei jedoch in vielen Fällen  – wie in der Literatur  – synonym verwendet.24 Zur dadurch entstehenden Frage, ob zwischen diesen Begriffen inhaltliche Unterschiede bestehen und wie solche ggf. aussehen, nimmt das BVerfG nicht ausdrücklich Stellung. Warum derart viele verschiedene Begriffe ge­ braucht werden, wird letztlich nicht recht deutlich. Eine eindeutige „Syste­ matik“ ist bei der Begriffsnutzung jedenfalls nicht erkennbar. Allerdings zeichnet sich in einigen jüngeren Entscheidungen mittlerweile die Tendenz ab, die Grundsätze der Bestimmtheit und Klarheit selbstständig und mit jeweils eigenem Bedeutungsgehalt zu betrachten.25 Eine explizite Klarstel­ lung durch das Gericht hat jedoch  – soweit ersichtlich  – bislang nicht stattgefunden.26 19  Z. B. BVerfGE 1, 14 (16 / 45); 9, 83 (87 f.); 13, 153 (160); 17, 306 (313 f.); 21, 245 (260); 62, 169 (183); 64, 261 (286); 89, 69 (84); vgl. hierzu auch Jehke, Be­ stimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 29. 20  So z. B. in BVerfGE 21, 73 (79); 31, 255 (264); 49, 343 (375); 78, 214 (226); 103, 332, 384) und 110, 33 (57); in BVerfGE 112, 332 (356) ist sogar von den „Grundsätze[n] der Normenklarheit, der Justiziabilität und der Rechtssicherheit“ die Rede. 21  BVerfGE 119, 331 (351 f.). 22  BVerfGE 108, 169 (181); 119, 331 (366). 23  Vgl. stellv. BVerfGE 48, 210 (221); 49, 168 (181); 56, 1 (12); 59, 104 (114); 83, 130 (145); 84, 133 (149); 87, 234 (263); 92, 262 (272); 108, 186 (235); 110, 33 (53 ff.); 113, 348 (375 f.); 114, 1 (53); 115, 166 (190); 117, 71 (111); 120, 378 (407); 128, 1 (59) sowie NJW 2008, 1505 (1507). 24  So auch Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 29 f. mit Verweis auf BVerfGE 37, 132 (142); 93, 213 (238); 103, 21 (33 f.). 25  BVerfGE 108, 52 (74 f.); 108, 169 (181 f.); 110, 33 (53 f.); 113, 348 (375); 128, 1 (47, 59 f.); BVerfG, 1 BvR 3185 / 09 v. 26.03.2014, Absatz-Nr. 40; BVerfG NJW 2013, 1499 (1512 (Rn. 181)); Bartone, in: Rensen / Brink, Rechtsprechung des BVerfG, S. 305 (325); anders, d. h. mit eher synonymer Begriffsverwendung, hinge­ gen BVerfGE 103, 21 (33 f.); BVerfG, 2 BvL 9 / 08 v. 04.06.2012, Rn. 102. 26  Eine solche wäre insbesondere in BVerfGE 127, 335 (356, 362) möglich ge­ wesen. In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Vorlagebeschluss des BFH



A. Derzeitige Verwendung der Begriffe25

III. Einheitliche Begriffsverwendung Zur Lösung von Rechtsproblemen sind eindeutig geklärte Begrifflichkei­ ten unabdingbar.27 Nachfolgend sollen daher für die entsprechenden Proble­ matiken die Begriffe „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ gebraucht und diese soweit möglich28 voneinander abgegrenzt werden. Dies entspricht nicht nur der Tendenz der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung; auch in der Litera­ tur scheint sich immer mehr die Erkenntnis durchzusetzen, dass eine Ab­ grenzung beider Begriffe kein bloßer Selbstzweck ist, sondern einen leich­ teren und verständlicheren Umgang mit der Problematik ermöglicht.29 Für die weiteren Ausführungen soll unter „Bestimmtheit“ daher die Not­ wendigkeit hinreichend präziser und eindeutiger Formulierungen bzw. Be­ griffe verstanden werden. Bei der Bestimmtheit eines Gesetzes geht es also um die Frage, wie genau oder wie ausführlich und spezifiziert einzelne Sach­ verhalte inhaltlich im Gesetz geregelt sind, bzw. sein müssen.30 „Klarheit“ hingegen beschreibt das Bedürfnis nach möglichst verständlichen, übersicht­ lichen und widerspruchsfreien Normen und Normengefügen bzw. Gesetzen („Wie ist die gesetzliche Regelung aufgebaut?“ / Systematik)31. Entsprechend wird die Gesamtheit der jeweiligen Anforderungen im Folgenden auch als „Gebot“ oder „Grundsatz“ der Bestimmtheit bzw. Klarheit bezeichnet.32 (BFHE 214, 430) hatte dieser nämlich ausdrücklich zwischen „Gesetzesbestimmt­ heit“ und „Normenklarheit“ unterschieden und beide Begriffe definiert. Das BVerfG allerdings lehnte bereits die Zulässigkeit des Vorlagebeschlusses ab und beschäftigte sich nicht näher mit einer Präzisierung der Begrifflichkeiten. 27  Hierzu Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 4, der an dieser Stelle Konfuzius zitiert, um festzustellen, dass juristischer Schwierigkeiten nur Herr werden könne, wer „die Begriffe in Ordnung bringt“. Anders hingegen Bröhmer, Transparenz, S. 160. 28  Vgl. Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 30 und 180 ff. 29  Vgl. Singer, Rechtsklarheit, S. 68 f. und 76 f.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 2, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 141; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 122 ff.; v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 240 und 243; Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuer­ recht, S. 179; Fetzer, in: FS Schenke, S. 129 (132 f.); vgl. auch Grefrath, JA 2008, 710 (711 f.), der allerdings den Begriff „Normenklarheit“ als Oberbegriff verwendet. 30  Hierzu beispielsweise BFH, Beschl. v. 06.09.2006  – XI R 26 / 04, BFHE 214, 430 (442 f.); Antoni, in: Hömig, GG, Art. 20 Rn. 12; Fetzer, in: FS Schenke, S. 129 (133); Bartone, in: Rensen / Brink, Rechtsprechung des BVerfG, S. 305 (312); Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 29; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 2, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 129 ff.. 31  Ebd., vgl. aber z. B. auch Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 122 ff.; Gassner, Genehmigungsvorbehalte, S. 118 f.; zur Abgrenzung von Klarheit und Bestimmtheit vgl. Debus, Verweisungen, S. 135 ff. sowie Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 180 ff. 32  Aus den Begriffen „Gebot“ und „Grundsatz“ ergeben sich jedoch inhaltlich keine Unterschiede.

26 Kap. 1: Grundsätze der „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ im deutschen Recht

B. Herleitung der Grundsätze Zum besseren Verständnis der einzelnen inhaltlichen Anforderungen von Bestimmtheit und Klarheit soll in kursorischer Weise auch die Herleitung der beiden Grundsätze skizziert werden. In Übereinstimmung mit der bereits oben verwendeten Formulierung des „allgemeine[n] rechtsstaatliche[n] Be­ stimmtheitsgebotes“33 werden die Grundsätze der Bestimmtheit und Klarheit im deutschen Verfassungsrecht ganz überwiegend aus dem insbesondere in Art. 20 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 1 GG verankerten34 Rechtsstaatsprinzip35 abgeleitet. Dieser Ansicht ist jedenfalls das BVerfG.36 Eine umfassende Herleitung mit genauer Begründung liefert das Gericht indes nicht;37 auch nicht zu Beginn seiner Rechtsprechung38. Regelmäßig müssen knappe For­ mulierungen ausreichen. So erfolgt in vielen Fällen nur die Nennung des Rechtsstaatsprinzips bzw. „rechtsstaatliche[r] Anforderungen“ als Quelle des Bestimmtheits- / Klarheitsgrundsatzes39  – häufig verbunden mit dem Gedan­ ken der Rechtssicherheit als Unterprinzip des Rechtsstaatsprinzips.40 Verein­ zelt unterbleibt sogar die Nennung des Rechtsstaatsprinzips41 oder überhaupt eine Bezugnahme auf die verfassungsrechtliche Herleitung. Bestimmtheitsund Klarheitsanforderungen werden in diesen Fällen schlicht ohne expliziten Rückgriff oder Verweis auf verfassungsrechtliche Grundlagen geprüft.42 Abgesehen vom Rechtsstaatsprinzip zieht das BVerfG stellenweise auch weitere Prinzipien und grundgesetzliche Normen heran, um die Geltung von 33  Vgl. oben Kap. 1; Zitat von Huster / Rux, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 20 Rn. 182 [Hervorhebung hinzugefügt]. 34  BVerfGE 1, 14 (45); 7, 89 (92 f.); Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 28 ff. 35  Zum Rechtsstaatsprinzip vgl. z. B. Sobota, Rechtsstaat oder Kunig, Rechts­ staatsprinzip. 36  St. Rspr., vgl. z. B. BVerfGE 21, 245 (261); 45, 400 (420); 52, 1 (41); 89, 69 (84); 108, 1 (20); 128, 1 (59); so auch Fetzer, in: FS Schenke, S. 129 (132) und Müller, Normenklarheit, S. 10, 12. 37  Ebd. 38  Vgl. BVerfGE 1, 14 (45). 39  BVerfGE 89, 69 (84); 21, 245 (261); 45, 400 (420); 52, 1 (41); 108, 1 (20); 110, 33 (53); 128, 1 (59); in dieselbe Richtung geht auch die Feststellung von ­Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 29. 40  Z. B. BVerfGE 4, 352 (357); 5, 25 (31); 14, 13 (16); Müller, Normenklarheit, S. 11; vgl. aber auch BVerfGE 112, 332 (356). 41  So in BVerfGE 65, 1 (19 f.), wo das Gericht lediglich vom „verfassungsrechtliche[n] Bestimmtheitsgebot“ spricht; vgl. auch Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 201. 42  So z. B. in BVerfGE 79, 174 (194 f.), wo aber zumindest auf die Entscheidun­ gen in BVerfGE 21, 73 (79 f.) und BVerfGE 31, 255 (264) verwiesen wird, in wel­ chen die verfassungsrechtlichen Grundlagen genannt werden; vgl. auch BVerfGE 16, 194 (200 f.) und wiederum Müller, S. 11 f.



B. Herleitung der Grundsätze

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Bestimmtheits- und Klarheitsgrundsatz zu belegen.43 So wird z. B. dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, dem Prinzip der Gewalten­ teilung sowie der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4  GG Bedeutung für die Bestimmtheit und Klarheit zugemessen.44 Zusätzlich werden zum Teil die speziellen Bestimmtheitsgebote des GG herangezogen.45 In der Literatur werden die Grundsätze der Bestimmtheit und Klarheit gleichfalls ganz überwiegend aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitet, wobei mitunter ebenfalls der Gedanke der Rechtssicherheit miteinbezogen wird.46 Oft wird dies nicht umfangreich begründet, sondern nur auf die Rechtspre­ chung des BVerfG verwiesen.47 Lediglich vereinzelt finden sich nähere Ausführungen. Dabei werden Bestimmtheit und Klarheit beispielsweise als „ein Stück des Primats des Rechts, selbstverständlicher Bestandteil des Rechtsstaates“ bezeichnet,48 oder neben dem Rechtsstaatsprinzip und der Rechtssicherheit noch weitere verfassungsrechtliche Grundsätze oder einzel­ ne Unterprinzipien des Rechtsstaatsprinzips49 als Quelle der Grundsätze herangezogen. Im Einzelnen genannt werden der Vorbehalt des Gesetzes und die Wesentlichkeitstheorie, die Gewaltenteilung, die Rechtsschutzgaran­ tie des Art. 19 Abs. 4 GG, das Vertrauensschutzprinzip, das Prinzip der Effizienz,50 das Übermaßverbot51 die Demokratie52 sowie die Funktion des Rechts als solches53. Die Begründungsansätze sind also durchaus verschie­ den. 43  Vgl. Müller, Normenklarheit, S. 13; Geitmann, BVerfG und „offene“ Normen, S. 77. 44  BVerfGE 8, 274 (325 f.); Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 200 f. 45  Vgl. Müller, Normenklarheit, S. 13; Geitmann, BVerfG und „offene“ Normen, S. 77 und z. B. BVerfGE 110, 33 (52 ff.); 113, 348 (375 ff.); 7, 282 (302 f.); 63, 77 (79); 75, 329 (340 ff.). 46  Vgl. Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 57 und 63; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 122 f.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 2, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 128; Sommermann, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, GG, Bd. 2, Art. 20 Rn. 288 ff.; Schnapp, in: v. Münch / Kunig, GG, Bd. 1, Art. 20 Rn. 39; Fetzer, in: FS Schenke, S. 132; Maurer, Staatsrecht I, § 8 Rn. 46. 47  Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 57, 63; Schnapp, in: v. Münch / Ku­ nig, GG, Bd. 1, Art. 20 Rn. 39. 48  Stern, Staatsrecht, Bd. 1, S. 829. 49  Vgl. Bröhmer, Transparenz, S. 160 f. 50  Papier / Möller, AöR 122 [1997], 177 (179 ff.); Robbers, in: Kahl / Wald­ hoff / Walter, GG, Bd. 5, Art. 20 Rn. 2131 ff.; Gärditz, in: Friauf / Höfling, GG, Bd. 2, Art. 20 (6. Teil) Rn. 136; Geitmann, BVerfG und „offene“ Normen, S. 77 ff.; Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 396 ff. 51  Vgl. Burmeister, DÖV 1981, 503 (506). 52  Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 397. 53  So Bartone, in: Rensen / Brink, Rechtsprechung des BVerfG, S. 305 (311 f.); sehr ähnlich Papier / Möller, AöR 122 [1997], 177 (181 f.) m. w. N.

28 Kap. 1: Grundsätze der „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ im deutschen Recht

Weiterhin sind auch die Grundrechte im Rahmen der Bestimmtheit und Klarheit zu berücksichtigen.54 Hinreichend bestimmte und klare, die grund­ rechtlichen Garantien im Einzelnen ausfüllende Gesetze sind für die Aus­ übung der jeweiligen Grundrechte von erheblicher Bedeutung. Nur so können Bürger und Exekutive feststellen, ob ein Verhalten (noch) grund­ rechtlich zulässig ist oder nicht.55 Fehlen hinreichend bestimmte und klare Normen besteht die Gefahr, dass die Exekutive (ungerechtfertigt) in den grundrechtlich geschützten Bereich des Einzelnen eingreift bzw. dieser gar aus Unsicherheit von einer (geschützten) Verhaltensausübung absieht.56 Grundrechtsrelevante Vorschriften müssen daher nach der Rechtsprechung des BVerfG so formuliert werden, dass die Rechtslage für den Betroffenen erkennbar ist und er sein Verhalten danach einrichten kann, bzw. die Tätig­ keit der Behörde inhaltlich normiert wird.57 Allgemein gehaltene Grundsät­ ze reichen nicht aus.58 Maßstab der verfassungsrechtlichen Prüfung kann mithin auch die jeweilige Grundrechtsnorm selbst sein.59 Insofern verwun­ dert es nicht, wenn das BVerfG vereinzelt die Bestimmtheit und Klarheit eines Gesetzes innerhalb einer Grundrechtsprüfung kontrolliert und nicht  – zumindest nicht explizit  – auf das Rechtsstaatsprinzip oder dessen Unter­ prinzipien zurückgreift.60 Letztendlich zeigt sich, dass nicht allein der Gedanke der Rechtssicher­ heit als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips zur Begründung herangezogen werden kann. Auch andere Unterprinzipien des Rechtsstaatsprinzips und verfassungsrechtliche Grundsätze sowie die Grundrechte erfordern bestimmte und klare Rechtsnormen. Zuzustimmen ist darüber hinaus auch der The­ se, das Wesen bzw. die Funktion des Rechts erfordere hinreichend bestimm­ te und klare Normen und Gesetze. Erst wenn der Bürger durch das (ausrei­ chend bestimmte und klare) Gesetz seine Rechte und Pflichten erkennen 54  Vgl. z. B. BVerfGE 110, 33 (53): „Die Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit der Norm erhöhen sich, wenn die Unsicherheit bei der Beurteilung der Gesetzeslage die Betätigung von Grundrechten erschwert.“ 55  Ob also das grds. grundrechtlich geschützte Verhalten im konkreten Fall durch ein Gesetz eingeschränkt oder gerechtfertigt ist. 56  Bartone, in: Rensen / Brink, Rechtsprechung des BVerfG, S. 305 (312 f.); Papier / Möller, AöR 122 [1997], 177 (180 ff.); BVerfGE 21, 73 (78 ff.); 62, 169 (182 ff.); 88, 366 (379); vgl. auch Geitmann, BVerfG und „offene“ Normen, S. 90 sowie Müller, Normenklarheit, S. 16 ff., der als weitere Beispiele u. a. BVerfGE 52, 1 (40 ff.) und BVerfGE 77, 1 (50) nennt. 57  BVerfGE 52, 1 (41); 21, 73 (79 f.); vgl. auch Sodan, in: ders. / Ziekow, Grund­ kurs Öffentliches Recht, § 7 Rn. 37. 58  Ebd. 59  Z. B. BVerfGE 110, 33 (52 ff.); 90, 1 (16); vgl. hierzu auch v. Arnauld, Rechts­ sicherheit, S. 244. 60  Papier / Möller, AöR 122 [1997], 177 (182); BVerfGE 90, 1 (16).



C. Geltung der Grundsätze29

kann, ist er auch in der Lage, dementsprechend zu handeln.61 Und das ist letztlich Grundvoraussetzung für ein geordnetes Zusammenleben in einer gesellschaftlichen Ordnung.62 Die unterschiedlichen Herleitungs- und Begründungsansätze verdeutlichen die hohe Bedeutung der Gebote der Bestimmtheit und Klarheit.63 Allerdings ist durch die Ansätze für den konkreten Inhalt der beiden Gebote noch nichts gewonnen, da sich aus ihnen keine konkret fassbaren Kriterien ablei­ ten lassen.64 Aus den verschiedenen theoretischen Grundlagen ergibt sich gerade nicht, wie bestimmt oder wie klar ein Rechtsakt sein muss. Insofern kann hier auf eine detailliertere Besprechung der einzelnen Begründungsan­ sätze verzichtet werden.65

C. Geltung der Grundsätze Aufgrund der verfassungsrechtlichen Verankerung der Gebote der Klar­ heit und Bestimmtheit wird durchweg vertreten, dass beide Gebote in allen Rechtsgebieten66 zu beachten seien und formelle wie materielle Gesetze67 bzw. sogar „sämtliches staatliche Recht“68 (also auch untergesetzliche Normen)69 beträfen. Dem ist zuzustimmen; Gründe, die gegen eine generel­ le Anwendung in bestimmten Teilgebieten des Rechts sprechen, sind nicht ersichtlich. Auch Rechtsverordnungen, die ebenfalls Rechte und Pflichten begründen, müssen den Anforderungen von Bestimmtheit und Klarheit ge­ nügen, damit der Betroffene erkennen kann, was von ihm verlangt wird. Es ist nicht ersichtlich, warum für untergesetzliches staatliches Recht etwas anderes gelten sollte. 61  So Papier / Möller, AöR 122 [1997], 177 (181 f.); Bartone, in: Rensen / Brink, Rechtsprechung des BVerfG, S. 305 (311 f.); vgl. hierzu auch Kunig, Rechtsstaats­ prinzip, S. 396. 62  Bartone, in: Rensen / Brink, Rechtsprechung des BVerfG, S. 305 (311 f.) m. w. N. 63  Papier / Möller, AöR 122 [1997], 177 (181); Gassner, ZG 1996, 37 (54 f.). 64  Papier / Möller, AöR 122 [1997], 177 (183 f.); vgl. auch Geitmann, BVerfG und „offene“ Normen, S. 77 f. und Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 90. 65  Umfassende Ausführungen zur Herleitung bietet Jehke, Bestimmtheit und Klar­ heit im Steuerrecht, S. 56 ff. 66  Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 207 m.w.N.; Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 28; vgl. auch Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 2, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 132. 67  Towfigh, Der Staat 48 (2009), 29 (39 f.). 68  So Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 207; in diese Richtung wohl auch Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 GG Rn. 57. 69  Vgl. an dieser Stelle z. B. OVG NW, Urt. v. 07.11.1995, 11 A 293 / 942, NVwZRR 1996, 491 f. (zur Unbestimmtheit einer in einen Bebauungsplan aufgenommenen Gestaltungsfestsetzung).

30 Kap. 1: Grundsätze der „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ im deutschen Recht

Zudem ist zu beachten, dass Klarheits- und Bestimmtheitsgebot jeweils sowohl Tatbestands- als auch Rechtsfolgenseite einer Norm umfassen70 und sich nicht nur auf einzelne, sondern auf alle für eine Rechtsfrage bedeutsa­ men Normen beziehen (intra- und internormative Geltung)71. Allerdings gebietet der lex specialis-Grundsatz, dass das allgemeine Bestimmtheitsge­ bot nur dann angewendet wird, wenn kein spezielles grundgesetzliches Bestimmtheitsgebot72 einschlägig ist.73

D. Inhalt der Grundsätze Nachdem die verschiedenen Begrifflichkeiten sowie die Herleitung von Bestimmtheit und Klarheit skizziert wurden, folgt nun der für die späteren Prüfungen wichtigste Teil: die Bestimmung des Inhalts der beiden Grund­ sätze. Nach einigen einführenden Worten (I.) soll dabei zunächst auf die Bestimmtheit eingegangen werden (II.), anschließend auf die Klarheit ge­ setzlicher Regelungen (III.).

I. Allgemeines In der deutschen Rechtsordnung ist das Gesetz der zentrale Ausgangs­ punkt des Rechts. Zwar entsteht Recht auch auf andere Weise  – z. B. durch Verwaltungspraxis, Gerichtsentscheidungen oder Gewohnheit74 – bei der Anwendung ist jedoch immer der einschlägige Gesetzestext zu beachten. Auch deshalb ist unzweifelhaft, dass an das Gesetz seinerseits bestimmte Anforderungen gestellt werden müssen.75 Andernfalls bestünde die Gefahr, dass der Rechtsunterworfene das an ihn gerichtete Recht nicht mehr erken­ nen und verstehen kann, so dass in der Folge die „Steuerungsfunktion des Rechts“76 verloren ginge.77 70  Towfigh,

Der Staat 48 (2009), 29 (40). Klarheitsgebot liegt dies (bei Orientierung an obiger Definition) in der Natur der Sache. Aber auch beim Bestimmtheitsgebot dürfen angrenzende Vorschrif­ ten nicht einfach außer Acht gelassen werden, vgl. insofern Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 57 sowie BVerfGE 108, 52 (75). 72  Z. B. Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG, vgl. Sodan, in: ders. / Ziekow, Grundkurs Öffent­ liches Recht, § 7 Rn. 35. 73  Grefrath, JA 2008, 710 (712). 74  Zur Entstehung von Gewohnheitsrecht vgl. z. B. BVerfGE 22, 114 (121). 75  Ähnlich Vogel / Waldhoff, Finanzverfassungsrecht, Rn. 487. 76  Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, S. 252, 257; v. Arnauld, Rechts­ sicherheit, S. 219. 77  Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 27, der allerdings vom „Steuerungscharakter des Rechts“ spricht [Hervorhebung hinzugefügt]. 71  Beim



D. Inhalt der Grundsätze31

Jede Rechtsnorm muss demnach ein gewisses Mindestmaß an Bestimmt­ heit und Klarheit aufweisen. Liegt ein solches nicht vor, ist die Norm mit dem GG unvereinbar.78 Das bedeutet allerdings nicht, dass die Verfassungs­ widrigkeit einer Norm bereits übereilt dann angenommen werden kann, wenn die Ermittlung ihrer konkreten Rechte und Pflichten zwar nicht ganz einfach, aber (noch) möglich ist. Sicherlich ist es in vielen Fällen vorstell­ bar, noch klarere, bzw. bestimmtere und somit verständlichere und besser nachzuvollziehende Normen zu erlassen. Letztendlich muss dem Gesetzge­ ber bei der Ausgestaltung des Rechts aber ein weiter Entscheidungsspiel­ raum zuerkannt werden. Die demokratische Legitimierung des Gesetzgebers gebietet es, an die Rechtsetzung als solche „von außen“ (d. h. seitens der Literatur und Rechtsprechung) keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Ansonsten würde man die Frage nach der (bloßen) Geltung des Rechts mit Fragen der Rechtsästhetik79 bzw. bloßen rechtspolitischen Erwägungen ver­ wechseln.80 Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden versucht werden, die Grenze zwischen Rechtsästhetik / Rechtspolitik und Verfassungswidrigkeit genauer zu bestimmen.

II. „Bestimmtheit“ Wie bereits oben angeführt, soll unter Bestimmtheit die Notwendigkeit hinreichend präziser und eindeutiger Formulierungen bzw. Begriffe verstan­ den werden. Es geht somit um die Frage, wie genau oder wie ausführlich und spezifiziert einzelne Aspekte im Gesetz inhaltlich geregelt sein müssen. 1. Höchstmögliche Bestimmtheit von Gesetzen Man könnte zunächst darauf kommen, dass eine höchstmögliche Be­ stimmtheit von Gesetzen ideal sei. Unabhängig vom soeben erwähnten weiten Spielraum des Gesetzgebers beim Erlass von Rechtsnormen begegnet dies aber gleich mehreren Bedenken: Einerseits ist es dem Gesetzgeber aufgrund der enormen Vielzahl unter­ schiedlicher Lebensverhältnisse in der Praxis nicht möglich, für jede vor­ stellbare tatsächliche Konstellation eine rechtliche Vorgabe zu schaffen. Die 78  Waldhoff / Grefrath,

IStR 2013, 477 (479 f.). Rechtsästhetik vgl. Triepel, Vom Stil des Rechts, S. 11 ff., sowie (knapp) Herschel, JZ 1967, 727 (732). 80  Zu dieser Einschränkung ähnlich Waldhoff / Grefrath, IStR 2013, 477 (479 f.) und bereits Grefrath, JA 2008, 710 (714). 79  Zur

32 Kap. 1: Grundsätze der „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ im deutschen Recht

enorme Vielseitigkeit und Komplexität der Lebensverhältnisse verhindert es, für jeden denkbaren Fall eine genaue Rechtsregel zu erlassen.81 Zudem ist „höchstmögliche Bestimmtheit“ auch begrifflich nicht erreichbar, da einer gesetzlichen Regelung immer weitere Details oder Differenzierungen hinzu­ gefügt werden können.82 Wenn man dann ebenfalls bedenkt, dass Sprache an sich stets in einem gewissen Maße unscharf oder mehrdeutig ist und daher „ein gewisses Maß an Mehrdeutigkeit des Gesetzes“83 mit sich bringt, wird deutlich, dass ein „höchstmöglicher Grad an Bestimmtheit“ praktisch nicht erreichbar ist. Andererseits ist jener höchstmögliche Bestimmtheitsgrad verfassungs­ rechtlich auch gar nicht gefordert.84 Abgesehen davon, dass nicht alle Pro­ bleme mit dem Erlass von Rechtsvorschriften gelöst werden können,85 spricht u. a. das Gewaltenteilungsprinzip gegen den Versuch, einen höchst­ möglichen Bestimmtheitsgrad zu erreichen. Erließe der Gesetzgeber nämlich für alle Lebensbereiche möglichst detaillierte / bestimmte Regelungen, ver­ bliebe der Exekutive keinerlei Gestaltungs- und Ermessensspielraum. Die Verwaltung könnte und müsste nur noch auf die entsprechenden gesetzlichen Regelungen verweisen, ohne letztlich selbst eine konkret-individuelle Ent­ scheidung zu treffen. Dass hierdurch das Verhältnis der Gewalten erheblich aus dem Gleichgewicht geriete, leuchtet ein.86 Weiterhin ist zu bedenken, dass es neben der Rechtssicherheit ein weite­ res zentrales Anliegen des Rechts ist, materielle Gerechtigkeit herzustellen. Zu detaillierte Normen bergen dabei aber die Gefahr, dass im Einzelfall durch Exekutive und Judikative nicht auf besondere (ggf. für den Gesetzge­ 81  Vgl.

ben.

BVerfGE 3, 225 (243) und 17, 306 (314), die jeweils Ähnliches beschrei­

82  Kunig,

Rechtsstaatsprinzip, S. 401 f. Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 26 und 33; vgl. zudem Hassemer / Kargl, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, StGB, § 1 Rn. 30 f. Die Men­ schen als Verwender der Sprache verfügen schließlich über ganz unterschiedliche Vorerfahrungen und messen daher einzelnen Begriffen, Redewendungen und Aus­ drücken unterschiedliche Bedeutungen zu. Weiterhin verändert sich Sprache sich Sprache im Laufe der Zeit und entwickelt sich weiter. So kann sich z. B. die Bedeu­ tung eines einzelnen Begriffes erheblich ändern. 84  Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 401 m.w.N.; Gassner, ZG 1996, 37 (56); BVerfGE 123, 39 (78). 85  So bereits die bei Kindermann, DÖV 1981, 855 (856) erwähnten Gesetzge­ bungsrichtlinien des Bundes v. 20.08.1979 („Hinweise und Empfehlungen zur Be­ darfsprüfung, Bestandssicherheit und Befristung von Rechtsetzungsakten“). 86  v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 247; vgl. auch Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 401, der den eigenständigen Handlungsspielraum der Gerichte erwähnt. Außerdem muss das Verbot der Einzelfallgesetzgebung aus Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG beachtet werden. 83  So



D. Inhalt der Grundsätze33

ber unvorhersehbare) Umstände und Situationen reagiert werden kann. Einzelfallgerechtigkeit ist mithin bei sehr detaillierten Normen nicht immer erreichbar.87 Der Gesetzestext muss deswegen Verwaltung und Gerichten an bestimmten Stellen ein gewisses Mindestmaß an Ermessen und Flexibilität einräumen. Letztlich würde durch höchstmögliche Bestimmtheit von Gesetzen auch eine beachtliche „Normenflut“ entstehen, die für den Rechtsanwender kaum mehr zu überblicken wäre: Neben der bloßen Vielzahl an Normen wäre auch der Umfang der einzelnen Normen oder Normenkomplexe extrem er­ höht, so dass bereits das Auffinden der relevanten Vorschrift(en) ein ernst­ haftes Problem darstellen würde. Außerdem verwässert das Vorhandensein vieler Einzelnormen den Aufbau und die Systematik eines Gesetzes bzw. Rechtsgebietes erheblich und kann zu Wertungswidersprüchen und Abgren­ zungsschwierigkeiten führen88. Unter einer Vielzahl an Normen würden somit die Verständlichkeit und Übersichtlichkeit eines Gesetzes oder ganzen Rechtsgebietes leiden. Überzogene Bestimmtheit kann somit auch der Ein­ haltung des Klarheitsgebotes abträglich sein und im Widerspruch zu diesem stehen.89 Eine höchstmögliche Bestimmtheit ist somit verfassungsrechtlich nicht geboten. 2. Erforderlicher Bestimmtheitsgrad (materieller Gehalt des Bestimmtheitsgebots) Auch wenn dies für die folgende Untersuchung sehr vorteilhaft wäre: Auf abstraktem Niveau einen genauen Grad an Bestimmtheit festzulegen, der dann den Maßstab für sämtliche Rechtsnormen bildet, ist nicht möglich.90 Es lässt sich keine generelle Faustformel erstellen, anhand derer einzelne Nor­ men in jedem Fall problemlos subsumiert werden können.91 Dies liegt u. a. 87  Vgl. Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 62 f., 134 f. und 141 f.; vgl. auch BVerfGE 48, 210 (222); 59, 104 (114) und 80, 103 (107) sowie Herschel, JZ 1967, 727 (729), der auf eine Aussage von M. E. Mayer verweist: „Wer Normen sät, kann keine Gerechtigkeit ernten“; für den Bereich des Strafrechts vgl. Hassemer / Kargl, in: Kindhäuser / Neumann / Paeffgen, StGB, § 1 Rn. 18–20. 88  Herzog, NJW 1999, 25 (26); vgl. zum Ganzen auch Hey, Steuerplanungs­ sicherheit, S. 550 ff. 89  Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 188 f.; Vogel / Waldhoff, Finanzverfassungsrecht, Rn. 486. Vgl. hierzu auch näher unten Kap. 1 E. 90  Grefrath, JA 2008, 710 (712); Papier / Möller, AöR 122 [1997], 177 (185 und 196); Middelschulte, Unbestimmte Rechtsbegriffe, S. 123 f. 91  Ähnlich Geitmann, BVerfG und „offene“ Normen, S. 164; Wolff, Ungeschrie­ benes Verfassungsrecht, S. 256 f.; ähnlich Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 401 mit Verweis auf Karpen, Verweisung, S. 167; Grefrath, JA 2008, 710 (712).

34 Kap. 1: Grundsätze der „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ im deutschen Recht

daran, dass eine Abwägung zwischen dem hinreichenden Bestimmtheitsgrad und der notwendigen Flexibilität zur Sicherung der Einzelfallgerechtigkeit nicht pauschal, sondern nur unter Berücksichtigung der Besonderheiten des konkreten Falls bzw. für einen bestimmten Teilbereich des Rechts getroffen werden kann.92 Insgesamt lässt sich eine hohe Zahl an Argumenten für höhe­ re, ebenso aber auch für geringere Bestimmtheitsanforderungen finden.93 Dies schließt eine allgemeine, formelhafte Fixierung aus. Anstatt einer subsumierfähigen Formel muss daher zunächst der zentrale Gedanke der Rechtsprechung des BVerfG zur Bestimmtheit und Klarheit genügen: Danach sollen die beiden Gebote „die Betroffenen befähigen, die Rechtslage anhand der gesetzlichen Regelung zu erkennen, damit sie ihr Verhalten danach ausrichten können. Die Bestimmtheitsanforderungen die­ nen auch dazu, die Verwaltung zu binden und ihr Verhalten nach Inhalt, Zweck und Ausmaß zu begrenzen sowie, soweit sie zum Schutz anderer tätig wird, den Schutzauftrag näher zu konkretisieren.“94 Das Handeln des Staates müsse „meßbar und in gewissem Ausmaß für den Staatsbürger vor­ aussehbar und berechenbar“ sein.95 Was hierunter praktisch zu verstehen ist, muss im Wege weiterer Konkretisierung geklärt werden. a) Auslegungsbedürftigkeit & Auslegungsfähigkeit Zunächst ist anerkannt, dass die Rechtslage nicht direkt und ohne weite­ res aus dem Gesetz ersichtlich sein muss. Da nicht jede Unsicherheit bereits beim Erlass einer Norm ausgeschlossen werden kann,96 führt die Ausle­ gungsbedürftigkeit einer Norm nicht bereits zu deren Unbestimmtheit.97 Es liegt in der Natur des Gesetzesrechts, Normen zur Ermittlung eines konkre­ ten Ergebnisses auszulegen. Rechtsnormen dürfen also auslegungsbedürftig, müssen im Gegenzug jedoch auslegungsfähig sein.98 Der Regelungsgehalt 92  Middelschulte, Unbestimmte Rechtsbegriffe, S. 261; Grefrath, JA 2008, 710 (712). 93  Papier / Möller, AöR 122 [1997], 177 (196); Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Bd. 3, Art. 20 VII Rn. 59. 94  So in BVerfGE 114, 1 (53); vgl. weiterhin z. B. BVerfGE 131, 88 (123); 110, 33 (53); 108, 52 (75); 83, 130 (145); 56, 1 (12); Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 374; Frank, in: Stein / Frank, Staatsrecht, S. 156; Würtenberger, in: Zippelius / Würtenber­ ger, Deutsches Staatsrecht, § 12 Rn. 62. 95  So BVerfGE 56, 1 (12); Antoni, in: Hömig, GG, Art. 20 Rn. 12. 96  Bartone, in: Rensen / Brink, Rechtsprechung des BVerfG, S. 305 (315). 97  Maurer, Staatsrecht I, § 8 Rn. 47; Schnapp, in: v. Münch / Kunig, GG, Bd. 1, Art. 20 Rn. 39; statt vieler: BVerfGE 92, 262 (272). 98  BVerfGE 92, 262 (272); Sodan, in: ders. / Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht, § 7 Rn. 38.



D. Inhalt der Grundsätze35

einer Norm muss daher anhand der anerkannten Auslegungsregeln (und ggf. jahrzehntelanger Rechtsprechung) hinreichend sicher ermittelt werden kön­ nen.99 Die Rechtsunterworfenen müssen in zumutbarer Weise feststellen können, „ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen“.100 Das BVerfG fordert folglich kei­ ne absolute Bestimmtheit, sondern lässt eine Bestimmbarkeit des Normin­ halts ausreichen.101 b) Einzelne Bereiche bzw. Arten des Rechts In der Rechtsprechung des BVerfG findet sich weiterhin die Aussage, Rechtsvorschriften seien so genau zu fassen, „wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Norm­ zweck möglich ist“.102 Dabei hänge „der verfassungsrechtlich gebotene Grad an Bestimmtheit von der Besonderheit des jeweiligen Tatbestands und von den Umständen ab, die zu der gesetzlichen Regelung führen“.103 Maß­ geblich ist demnach, wie weit eine Materie überhaupt einer gesetzlichen Regelung zugänglich ist, die Besonderheiten des Lebenssachverhalts also eine Regelung zulassen (Regelungsfähigkeit).104 Daraus folgt, dass einige Regelungsbereiche bzw. Arten von Vorschriften genauer und bestimmter zu regeln sind als andere. An unterschiedliche Bereiche sind mit anderen Wor­ ten unterschiedliche Bestimmtheitsanforderungen zu stellen, wobei freilich immer auch beachtet werden muss, welcher Bestimmtheitsgrad in tatsäch­ licher Hinsicht (unter den Besonderheiten und Schwierigkeiten des Rechts­ gebietes) überhaupt erreicht werden kann.105 Dieser Gedanke unterschiedlicher Bestimmtheitsanforderungen weist er­ hebliche Parallelen zum Vorbehalt des Gesetzes106 auf, welcher nach der Rechtsprechung des BVerfG fordert, dass „der Gesetzgeber in grundlegen­ den normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen 99  Bartone,

in: Rensen / Brink, Rechtsprechung des BVerfG, S. 305 (315). 37, 132 (142). 101  Bartone, in: Rensen / Brink, Rechtsprechung des BVerfG, S. 305 (315); die Bestimmbarkeit schließt auch die Verwendung von sog. „unbestimmten Rechtsbe­ griffen“ und Generalklauseln nicht aus  – dazu sogleich unter Kap. 1 D. II. 2. c). 102  BVerfGE 49, 168 (181); 93, 213 (238); 133, 277 (355 f.); Wolff, Ungeschrie­ benes Verfassungsrecht, S. 256. 103  BVerfGE 117, 71 (111). 104  Vgl. Leisner, in: Sodan, GG, Art. 20 Rn. 55; BVerfGE 56, 1 (13); Grefrath, JA 2008, 710 (712). 105  Vgl. hier Vogel / Waldhoff, Finanzverfassungsrecht, Rn. 489. 106  Aus welchem das Bestimmtheitsgebot zum Teil auch explizit hergeleitet wird, vgl. oben Kap. 1 B. 100  BVerfGE

36 Kap. 1: Grundsätze der „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ im deutschen Recht

muß“.107 Die Normierungspflicht umfasst dabei nämlich nicht nur die Frage, „ob ein bestimmter Gegenstand überhaupt gesetzlich geregelt sein muß, sondern auch, wie weit diese Regelungen im Einzelnen zu gehen haben“.108 Auch hier geht es also um die Bestimmtheit einer Regelung, die von der „Wesentlichkeit“ abhängt und sich ebenfalls an Sachbereich und Regelungs­ gegenstand orientiert.109 Aufgrund der Überschneidungen zum allgemeinen Bestimmtheitsgebot kann jedoch auf detailliertere Ausführungen zum Vor­ behalt des Gesetzes verzichtet werden.110 Genauere Betrachtung verdient hingegen, in welchen Teilgebieten des Rechts erhöhte und in welchen nur geminderte Bestimmtheitsanforderungen gelten. aa) Formelles und materielles Recht Zunächst ist eine Unterscheidung zwischen formellem, also Verfahrensund Prozessrecht, sowie materiellem Recht möglich. Hier lässt sich beob­ achten, dass das materielle Recht für starre Regeln weniger geeignet ist als das formelle Recht. Denn beim materiellen Recht muss ein gewisser Grad an Flexibilität erhalten bleiben, damit im Einzelfall die Erzielung (sach-) gerechter Ergebnisse möglich ist.111 Materielles Recht kann daher nicht durchgehend so bestimmt ausgestaltet werden wie formelles Recht. bb) Eingreifen in Rechte des Bürgers und Vorteilsgewährung Weiterhin kann zwischen Vorschriften, die in die Rechte des Bürgers eingreifen und solchen, die dem Bürger Vorteile gewähren, unterschieden werden. Hier gilt, dass staatliche Eingriffe präziser, d. h. bestimmter geregelt sein müssen als Fälle der Gewährung staatlicher Leistungen.112 Ganz ohne 107  Statt aller: BVerfGE 84, 212 (226); 101, 1 (34); Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 47. 108  BVerfGE 101, 1 (34); 83, 130 (142). 109  Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 54; BVerfGE 111, 191 (217). 110  Vgl. hierzu Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 54, 58–62a. Gegen detailliertere Ausführungen und für eine gemeinsame Behandlung spricht zudem die Feststellung von Papier / Möller, AöR 122 [1997], 177 (199), dass aus einer Tren­ nung der allgemeinen Anforderungen an Bestimmtheit und Klarheit sowie den An­ forderungen, die sich aus dem Vorbehalt des Gesetzes ergeben, „noch nichts gewon­ nen“ sei, weil jeweils „dieselben, relativ unscharfen Maßstäbe angewendet werden“. 111  Näher Scholz, Rechtssicherheit, S. 56 f.; vgl. auch Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 130. 112  Maurer, Staatsrecht I, § 8 Rn. 47; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 2, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 132; BVerfGE 21, 209, 214 f.; vgl. auch BVerfGE 131, 88 (123).



D. Inhalt der Grundsätze

37

Anforderungen an die Bestimmtheit kommt aber auch der Bereich der Leis­ tungsgewährung nicht aus,113 da eine positive Entscheidung für Einzelne in fast allen Fällen zur Konsequenz hat, dass andere Bewerber leer ausgehen. Dieser Gedanke trifft übrigens auch auf das Vergaberecht zu, wo  – abgese­ hen von Fällen der Losbildung – letztlich nur ein Bieter den Zuschlag erhält. Zwar steht die gewährende Leistung des Auftraggebers hier in einem syn­ allagmatischen Verhältnis zu der des Auftragnehmers, nur letzterer erhält jedoch, im Gegensatz zu den erfolglosen Bietern, durch den Auftrag die Möglichkeit, Umsatz und Gewinn zu erwirtschaften. cc) Einzelne Sachgebiete des Rechts Neben diesen grundsätzlichen Differenzierungen muss zwischen einzel­ nen Sachgebieten des Rechts unterschieden werden. Hierbei gilt die Grund­ regel, dass die Bestimmtheitsanforderungen umso höher sind, je schwerwie­ gendere Auswirkungen ein Gesetz hat bzw. je intensiver der Grundrechts­ eingriff ist.114 Mit der Intensität der Einwirkung auf den Regelungsadressa­ ten steigen somit die Anforderungen.115 Daher soll gerade das Strafrecht erhöhten Bestimmtheitsanforderungen unterliegen.116 Zudem kommt es auch darauf an, an wen die Norm gerichtet ist, wer also Normanwender bzw. Normbetroffener ist.117 Bei Gesetzen, die unmittelbar an den (einzelnen) Bürger gerichtet sind,118 ihn also direkt betreffen, sollen insofern strengere Maßstäbe gelten.119 Einfluss auf den konkreten Bestimmtheitsgrad eines Rechtsgebietes hat zudem die Komplexität eines Regelungsbereichs. So wurden in mehreren Entscheidungen des BVerfG die Bestimmtheitsanforderungen aufgrund der „Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse“ herabgesetzt.120 „Gerade“ im Be­ 113  Wolff,

Ungeschriebenes Verfassungsrecht, S. 256. in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 59; Wolff, Ungeschriebenes Verfas­ sungsrecht, S. 256; BVerfGE 102, 254 (337); 86, 288 (311); 110, 33 (55); 133, 277 (336 f.). 115  So Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 59; BVerfGE 102, 254 (337). 116  v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 246 f.; vgl. auch Geitmann, BVerfG und „of­ fene“ Normen, S. 162. 117  BVerfGE 128, 282 (318). 118  Zur Frage, an wen Rechtsnormen gerichtet sind, bzw. welche unterschied­ lichen Bestimmtheitsanforderungen sich aus verschiedenen Adressatenkreisen erge­ ben, vgl. näher unten Kap. 1 F. 119  Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 129; vgl. zudem Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 140 f. 120  Gassner, Genehmigungsvorbehalte, S. 170 m. w. N.; kritisch Papier / Möller, AöR 122 [1997], 177 (186). 114  Jarass,

38 Kap. 1: Grundsätze der „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ im deutschen Recht

reich des Wirtschafts- und Steuerrechts wurde die Verwendung unbestimm­ ter Rechtsbegriffe und Generalklauseln für zulässig erklärt.121 Eine hohe Komplexität der zu regelnden Materie kann somit ein Grund für reduzierte Bestimmtheitsanforderungen sein. Trotzdem müssen Rechtsvorschriften ent­ sprechend dem oben122 Gesagten so genau und bestimmt gefasst werden, wie es nach der Eigenart der jeweiligen zu ordnenden Lebenssachverhalte möglich ist. So kann auch im Bereich des Wirtschafts- und Steuerrechts123 nicht pauschal auf herabgesetzte Bestimmtheitsanforderungen verwiesen werden; vielmehr müssen die Regelungen dort ebenfalls so bestimmt ausge­ staltet werden, wie es im konkreten Fall möglich ist. Bedeutsam ist weiterhin, wie sehr ein Regelungsbereich Änderungen oder unvorhersehbaren Einflüssen ausgesetzt ist. Sinnvollerweise muss bei sehr schnellen und häufigen Änderungen ein verminderter Bestimmtheitsgrad gelten, damit adäquat auf neue Situationen und Konstellationen reagiert werden kann.124 Dies gilt insbesondere im Bereich der technischen Normie­ rungen, wo technische Möglichkeiten und Standards sich sehr schnell än­ dern und weiterentwickeln können.125 Ähnliches dürfte aber auch im Bereich des Wirtschaftsrechts zutreffen. Allerdings darf auch hier ein gewisser Rahmen nicht überschritten werden. Die durchgängige Verwendung vager und unbestimmter Begriffe allein mit dem Hinweis, der Verwaltung flexib­ les und schnelles Handeln ermöglichen zu müssen, erscheint  – wie Gassner zutreffend feststellt – als zu pauschal und undifferenziert.126 Erforderlich ist es stets zu prüfen, ob im jeweiligen Bereich oder konkreten Einzelfall tat­ sächlich das Bedürfnis besteht, allgemeinere Normen zu verwenden.127 Denn es kann nicht generell für ein gesamtes Rechtsgebiet behauptet wer­ den, allgemeine Regeln seien unabdingbar.128 121  Vgl. z. B. BVerfGE 8, 274 (326); 31, 33 (42); 48, 210 (222); 78, 214 (226); Tettinger, Rechtsanwendung, S. 374; Gassner, Genehmigungsvorbehalte, S. 170 und BVerfGE 67, 1 (12); kritisch hierzu Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 407 ff.; vgl. wei­ terhin für besondere Grundsätze im Steuer- und Abgabenrecht Bartone, in: Ren­ sen / Brink, Rechtsprechung des BVerfG, S. 305 (316 f.). 122  Soeben unter Punkt b). 123  Im Bereich des Steuerrechts mögen herabgesetzte Bestimmtheitsanforderun­ gen aber für die Vermeidung der Entstehung von Regelunglücken oder Schlupf­ löchern notwendig sein, vgl. hierzu Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 241 f., der die erhöhte Offenheit des Begriffs „ähnliche Modelle“ im damaligen § 2b EstG durch eine „reduzierte ‚Regelungsfähigkeit des Sachbereichs‘ “ rechtfer­ tigt, um „ ‚Vermeidungsstrategien der Branche‘ “ vermeiden zu können. 124  Papier / Möller, AöR 122 [1997], 177 (185 f.).; Gassner, Genehmigungsvorbe­ halte, S. 172 f.; Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 149 ff. 125  BVerfGE 49, 89 (139 f.). 126  Gassner, Genehmigungsvorbehalte, S. 173. 127  Gassner, Genehmigungsvorbehalte, S. 173 ff.



D. Inhalt der Grundsätze39

Schließlich können Bestimmtheitsanforderungen auch dann reduziert sein, wenn ein zuvor (ganz oder teilweise) ungeregelter Bereich erstmals normiert wird.129 Der Gesetzgeber wird ohne Vorerfahrungen kaum in der Lage sein, eine ausnahmslos bestimmte und angemessene Regelung zu treffen. Zudem kann in einigen Fällen auch die Gefahr bestehen, dass eine zu bestimmte gesetzliche Regelung von den Normunterworfenen umgangen wird, wie dies z. B. im Abgabenrecht häufig vorkommt.130 Nur die Verwendung allgemei­ nerer Regelungen wird dann sicherstellen können, den Gesetzeszweck prak­ tisch zu erreichen.131 c) Unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln Nach allgemeiner Ansicht steht es dem deutschen Gesetzgeber im Grund­ satz frei, sog. „unbestimmte Rechtsbegriffe“ und Generalklauseln132 zu verwenden.133 Auch Mehrfachverwendungen innerhalb eines einheitlichen Zusammenhangs sind erlaubt.134 Insbesondere bei „vielgestaltigen Sachver­ halten“ sei eine solche Regelungstechnik „grundsätzlich verfassungsrecht­ lich unbedenklich“.135 Da sich die „Vielfalt der Verwaltungsaufgaben nicht immer in klar umrissene Begriffe einfangen“ ließe,136 müsse der Gesetzge­ ber daher den Tatbestand nicht zwingend „mit genau erfaßbaren Maßstäben […] umschreiben“.137 Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 151. AöR 122 [1997], 177 (200). 130  Papier / Möller, AöR 122 [1997], 177 (187). 131  Vgl. z. B. Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 240 ff. In der Literatur wird bei der Frage nach konkreten Bestimmtheitsanforderungen unter­ schiedlicher Bereiche teilweise auch danach differenziert, in welches Grundrecht eingegriffen wird. Bei bestimmten Grundrechten sollen dann nur reduzierte Be­ stimmtheitsanforderungen gelten. Vgl. hierzu näher Geitmann, BVerfG und „offene“ Normen, S. 140 ff. sowie Papier / Möller, AöR 122 [1997], 177 (188). 132  Klassische Beispiele hierfür sind „verhältnismäßig“, „geeignet“, „fahrlässig“, „Treu und Glauben“, „guten Sitten“ sowie die jeweiligen allgemeinen polizeirecht­ lichen Befugnisnormen wie z. B. § 11 Nds. SOG oder § 17 ASOG Bln.; vgl. Grefrath, JA 2008, 710 (713). Ausführlich zu Generalklauseln beispielsweise Wißmann, Generalklauseln, 2008; zu unbestimmten Rechtsbegriffen Middelschulte, Unbe­ stimmte Rechtsbegriffe, 2007. 133  Statt aller: Hofmann, in: Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 85 m. w. N.; anschaulich auch Merten, DÖV 2015, 349 (355); BVerfGE 90, 1 (16 f.); 118, 168 (188); 133, 277 (355). 134  BVerfGE 110, 33 (57). 135  BVerfGE 118, 168 (188); 49, 89 (133) m. w. N. 136  BVerfGE 49, 168 (181). 137  BVerfGE 49, 168 (181); 78, 205 (212); Hofmann, in: Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 85. 128  Vgl.

129  Papier / Möller,

40 Kap. 1: Grundsätze der „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ im deutschen Recht

Dies ist insofern sprachlich bemerkenswert, als damit „unbestimmte Rechtsbegriffe“ im Grundsatz als „hinreichend bestimmt“ angesehen wer­ den.138 Die (etablierte) Bezeichnung „unbestimmte Rechtsbegriffe“ wird angesichts dessen zum Teil  kritisiert; besser sei beispielsweise die Bezeich­ nung als „in gesteigertem Maße deutungsoffene[r] Rechtsbegriff“.139 In der Sache herrscht jedoch Einigkeit, dass der Gesetzgeber auf solche Begriffe und Klauseln  – insbesondere wegen der angesprochenen Komplexität und sich schnell wandelnder Verhältnisse, aber auch der Wahrung von Flexibili­ tät für die Verwaltung140  – in der Rechtsetzungspraxis angewiesen ist. Unzulässig wäre der Gebrauch unbestimmter Rechtsbegriffe und General­ klauseln allerdings z. B. dann, wenn der Gesetzgeber versucht, hierdurch das Treffen einer notwendigen Sachentscheidung zu umgehen. In der Literatur wird jedenfalls zum Teil ein Rechtfertigungserfordernis für den Fall begrün­ det, dass der Gesetzgeber unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln verwendet.141 Dem kann  – auch mit Blick auf die Vorgaben zum Vorbehalt des Gesetzes  – gefolgt werden. Denn auch bei der Verwendung von Gene­ ralklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen müssen die konkreten Um­ stände des Einzelfalls über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer hinrei­ chend bestimmten Regelung entscheiden. Unbestimmte Rechtsbegriffe pauschal zuzulassen, wäre zu weitgehend. Eine Rechtfertigung für den Gebrauch unbestimmter Rechtsbegriffe ist in der Folge beispielsweise dann möglich, wenn der zugrundeliegende Rechtsbereich sich durch eine beson­ ders hohe Komplexität oder stetige Veränderungen der zugrunde liegenden Umstände auszeichnet. Zu berücksichtigen ist deshalb insbesondere, an welcher Stelle der Rechtsordnung ein unbestimmter Rechtsbegriff oder eine Generalklausel verwendet wird. So dürfte beispielsweise der extrem un­ scharfe unbestimmte Rechtsbegriff der „öffentlichen Ordnung“ nicht im Strafrecht verwendet werden, da dort erhöhte Bestimmtheitsanforderungen zu beachten sind.142 Sofern die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und Generalklauseln gerechtfertigt werden kann, müssen diese Begriffe und Klauseln aber den­ noch auslegungsfähig, d. h. bestimmbar bleiben. Entsprechend dem oben genannten Ansatz des BVerfG muss der Rechtsunterworfene den Regelungs­ 138  Kunig, Jura 1990, 495 (497) spricht insofern von einem „kategoriale[n] Para­ doxon“. 139  So Grefrath, JA 2008, 710 (713); vgl. zudem auch die Kritik bei Papier / Möller, AöR 122 [1997], 177 (184 f.). Da der Begriff aber durchgehend verwendet wird, soll er auch hier benutzt werden. 140  Vgl. Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 134 f. 141  Papier / Möller, AöR 122 [1997], 177 (189); Waldhoff / Grefrath, IStR 2013, 477 (479). 142  So Grefrath, JA 2008, 710 (713).



D. Inhalt der Grundsätze41

inhalt erkennen können, damit er sich nach der Norm richten kann. Der Inhalt einer Regelung muss daher nach den Regeln der juristischen Ausle­ gungsmethoden143 konkretisiert werden können.144 Verbleibende Unklarhei­ ten dürfen nicht so weit gehen, dass „Vorhersehbarkeit und Justitiabilität des Handelns der durch die Normen ermächtigten staatlichen Stellen gefährdet sind“.145 Hierbei sei  – so das BVerfG  – auch eine möglicherweise langjäh­ rige Konkretisierung durch die Rechtsprechung zu berücksichtigen.146 Auf­ gabe der Rechtsprechung sei es insofern, unbestimmte Rechtsbegriffe zu konkretisieren und notwendige Klarstellungen vorzunehmen.147 Hinsichtlich der Einräumung von Ermessen und Beurteilungsspielräumen soll es demzufolge ausreichen, wenn der Gesetzgeber einen äußeren Rah­ men festlegt, der eine richterliche Nachprüfung ermöglicht148 und willkürli­ che Entscheidungen verhindert149. Grundsätzlich muss allerdings auch dabei gelten, dass der Gesetzgeber stets „seinen Grundgedanken, das Ziel seines gesetzgeberischen Wollens, vollkommen deutlich“ zu machen hat.150 Problematisch wird es nach dem Gesagten dann, wenn bei einem unbe­ stimmten Rechtsbegriff oder einer Generalklausel (noch) keine einheitliche Konkretisierung seitens der  – idealerweise höchstrichterlichen  – Rechtspre­ chung vorliegt und auch im Wege der Auslegung (insbesondere unter Rück­ griff auf Bestimmungen anderer Gesetze) Grundgedanke und Inhalt der Regelung nicht ermittelt werden können.151 Darüber hinaus kann auch be­ reits eine unterschiedliche Auslegung desselben unbestimmten Rechtsbe­ griffs in verschiedenen, thematisch ähnlichen Bereichen für einen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz sprechen.152 Bevor das BVerfG in derartigen Fällen eine Verfassungswidrigkeit an­ nimmt, räumt es dem Gesetzgeber jedoch bisweilen eine Frist ein, innerhalb derer eine Norm bzw. eine Formulierung durch die Rechtsprechung konkre­ 143  Dies ist insofern problematisch, da nicht jeder Bürger die „juristischen Aus­ legungsmethoden“ beherrscht, vgl. zur sog. Adressatenproblematik näher unten Kap. 1 F. 144  BVerfGE 118, 168 (188). 145  BVerfGE 118, 168 (188). 146  BVerfGE 54, 143 (144 f.); 118, 168 (188). 147  BVerfGE 81, 70 (88); 21, 245 (261). 148  BVerfGE 20, 150 (158); 21, 73 (78 ff.); 110, 33 (54); Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 58. 149  BVerfGE 21, 73 (80); 80, 137 (161); Antoni, in: Hömig, GG, Art. 20 Rn. 12. 150  BVerfGE 17, 306 (314). 151  Waldhoff / Grefrath, IStR 2013, 477 (479); Papier / Möller, AöR 122 [1997], 177 (189 ff.). 152  Vgl. BVerfGE 92, 1 (18); Waldhoff / Grefrath, IStR 2013, 477 (479) m. w. N.; Papier / Möller, AöR 122 [1997], 177 (192); anders noch BVerfGE 24, 119 (152).

42 Kap. 1: Grundsätze der „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ im deutschen Recht

tisiert werden kann. So entschied das Gericht für den (noch immer) in § 31a BtMG enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriff der „geringe[n] Menge“, dass der Gesetzgeber abwarten dürfe, ob der Tatbestand der Norm „zu einer im wesentlichen gleichmäßigen Rechtsanwendung […] führt oder ob weite­ re gesetzliche Konkretisierungen […] erforderlich sind“.153 Zwar bezieht sich die Entscheidung des BVerfG nicht ausdrücklich auf das Bestimmt­ heitsgebot, sondern auf das sog. Gebot des gleichmäßigen Normvollzugs, eine Übertragung hierauf dürfte allerdings durchaus möglich sein.154 Der Gesetzgeber dürfte demnach also zunächst darauf setzen, dass der Begriff hinreichend konkretisiert wird. Erst wenn sich zeigt, dass dies nicht ge­ schieht, muss er erneut tätig werden.155 Im Hinblick auf die Gewaltenteilung und den Vorbehalt des Gesetzes erscheint es jedoch fragwürdig, ob dem Gesetzgeber ein solches Abwarten eingeräumt und die Konkretisierung auf die Rechtsprechung übertragen werden kann.156 Abgesehen davon, dass die Norm in diesem Fall bis zum Ergehen  – möglichst höchstrichterlicher  – Entscheidungen unbestimmt bleibt, sorgt in diesem Fall schließlich nicht die Legislative, sondern erst die Judikative für eine Erkennbarkeit der Rechts­ lage. Zudem bleibt der Normtext selbst durch einzelfallbezogene Gerichts­ entscheidungen naturgemäß unverändert.157 Der Rechtsanwender kann also nicht auf den Wortlaut des Gesetzestextes vertrauen, sondern muss stets auch über eine umfassende Kenntnis der einschlägigen Rechtsprechung verfügen.158 Die Möglichkeit zunächst abzuwarten, kann dem Gesetzgeber daher nicht ohne Weiteres eingeräumt werden. Lediglich in Ausnahmefäl­ len – beispielsweise, wenn mit einer einheitlichen Auslegung zu rechnen ist oder der Erlass eines vergleichsweise offenen Begriffs zur Vermeidung von Regelungslücken oder Umgehungsmöglichkeiten geboten ist  – erscheint ein derartiges Vorgehen gerechtfertigt.159 Festgehalten werden kann an dieser Stelle, dass es dem Gesetzgeber grundsätzlich freisteht, unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln zu verwenden. Die Verfassungsmäßigkeit dieses Vorgehens kann jedoch nicht uneingeschränkt bejaht werden, sondern hängt von mehreren Faktoren ab und muss für den jeweiligen Einzelfall gesondert geprüft werden.160 153  BVerfGE

90, 145 (191); vgl. zudem auch BVerfGE 78, 374 ff. AöR 122 [1997], 177 (190). 155  So auch Papier / Möller, AöR 122 [1997], 177 (190); vgl. auch die Anmerkung zu BVerfGE 90, 145 von Sachs, JuS 1994, 1067 (1068). 156  Vgl. die Zusammenfassung bei Papier / Möller, AöR 122 [1997], 177 (190). 157  Vgl. hierzu auch Ransiek, in: FS Tiedemann, S. 171 (178). 158  Papier / Möller, AöR 122 [1997], 177 (190 f.) m. w. N. 159  Kritisch zu dieser Vorgehensweise des Gesetzgebers auch Middelschulte, Un­ bestimmte Rechtsbegriffe, S. 103 ff. 154  Papier / Möller,



D. Inhalt der Grundsätze43

3. Zwischenergebnis Der allgemeine Bestimmtheitsgrundsatz fordert keine höchstmögliche Bestimmtheit von Gesetzen. Dies wäre auch gar nicht möglich und ist ver­ fassungsrechtlich nicht geboten. Grundsätzlich gilt, dass die Rechtslage anhand der gesetzlichen Regelung für Betroffene erkennbar sein muss, wobei allerdings die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm allein noch nicht deren Verfassungswidrigkeit begründet. Normen  – auch unbestimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln  – müssen jedoch auslegungsfähig, d. h. bestimmbar bleiben. Darüber hinaus ist anhand der verschiedenen Teilgebie­ te des Rechts zu differenzieren. Während in manchen Bereichen erhöhte Bestimmtheitsanforderungen angebracht sind, müssen diese andernorts redu­ ziert werden. Abzustellen ist bei der Prüfung jeweils auf den konkreten Einzelfall. In der Praxis ist demnach eine Vielzahl von Aspekten zu berück­ sichtigen, was eine genaue Bestimmung des erforderlichen Bestimmtheits­ grades auf abstrakter Ebene verhindert.161 Die skizzierten Aspekte sind bei einer Überprüfung jedoch als Indizien heranzuziehen.

III. „Klarheit“ Ebenso wie der Bestimmtheitsgrundsatz dient auch der Klarheitsgrundsatz dazu, die Betroffenen zu befähigen, die Rechtslage zu erkennen, um sich hiernach richten zu können. Anders als der Bestimmtheitsgrundsatz be­ schreibt Klarheit allerdings das Bedürfnis nach möglichst verständlichen, übersichtlichen und widerspruchsfreien Normen und Normengefügen bzw. Gesetzen. Es geht in erster Linie um Aufbau und Systematik sowie das Zusammenwirken von Gesetzen, Normen, Absätzen, Sätzen und Begriffen. Das Klarheitsgebot betrifft also nicht das „Was und Wie viel“, sondern das „Wie“ einer gesetzlichen Regelung,162 mit anderen Worten die „gesetzes­ technische Qualität einer Vorschrift“163. Von Interesse ist somit, ob die Norm oder das Gesetz einer logischen Sys­ tematik folgt, Widersprüche enthält, zu Abgrenzungsschwierigkeiten führt oder z. B. durch eine Vielzahl an Verweisungen oder auch seinen hohen Um­ fang impraktikabel und unübersichtlich wird. Gegen die Einhaltung des Klar­ heitsgrundsatzes sprechen daher beispielsweise „[e]ine gehäufte Verwendung 160  Für eine Überprüfung im Einzelfall  – wenngleich im Bereich des Steuer­ rechts – auch Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 157. 161  Papier / Möller, AöR 122 [1997], 177 (196); vgl. auch Kunig, Jura 1990, 495 (497). 162  Braun, VerwArch 76 (1985), 24 (46). 163  Gassner, Genehmigungsvorbehalte, S. 119.

44 Kap. 1: Grundsätze der „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ im deutschen Recht

sprachlich kaum abgrenzbarer unbestimmter Rechtsbegriffe, eine umfangrei­ che Textlänge, ein unübersichtlicher Gesetzesaufbau, ein unklarer Satzbau, eine Häufung und Stufung von Regel-Ausnahme-Techniken, Mehrfachver­ weisungen und widersprüchliche Rechtsfolgenanordnun­gen“.164 Das BVerfG formuliert für den Klarheitsgrundsatz (auch wenn es diesen begrifflich nicht vom Bestimmtheitsgebot trennt), gesetzliche Regelungen müssten so gefasst sein, dass der Betroffene die Rechtslage so konkret er­ kennen kann, dass er sein Verhalten danach auszurichten vermag. Die Nor­ men müssten „in ihrem Inhalt entsprechend ihrer Zwecksetzung für die Betroffenen klar und nachvollziehbar sowie in ihrer Ausgestaltung wider­ spruchsfrei sein. Soweit die praktische Bedeutung einer Regelung […] nicht nur von der Geltung und Anwendung einer Einzelnorm abhängt, sondern vom Zusammenspiel von Normen unterschiedlicher Regelungsbereiche, […] müssen die Klarheit des Norminhalts und die Voraussehbarkeit der Ergeb­ nisse der Normanwendung gerade auch im Hinblick auf dieses Zusammen­ wirken gesichert sein“.165 Unter dem Begriff der Klarheit sind demzufolge mehrere Aspekte zu berücksichtigen. Die wesentlichen sollen im Folgenden einzeln dargestellt werden. 1. Einzelaspekte a) Verständlichkeit Im Zusammenhang mit dem Klarheitsgrundsatz taucht häufig das Wort „Verständlichkeit“ auf. Nähere Erkenntnisse für die Ausprägungen des Klar­ heitsgrundsatzes liefert der Begriff jedoch nicht, vielmehr stellt dieser ledig­ lich ein Synonym für Klarheit dar, aus dem keine weiteren Konkretisierun­ gen und Erkenntnisse folgen.166 b) Zusammenwirken von Normen Das BVerfG betont, dass die Klarheit des Norminhalts und die Voraus­ sehbarkeit der Ergebnisse der Normanwendung gerade auch dann gewähr­ 164  So

(443).

anschaulich BFH, Beschl. v. 06.09.2006  – XI R 26 / 04, BFHE 214, 430

165  BVerfGE

108, 52 (75); 110, 33 (53 f.). z. B. die Verwendung in BVerfGE 14, 13 (16); wie hier auch Jehke, Be­ stimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 189 f. Eine nähere Konkretisierung ergibt sich auch nicht aus der Verwendung des Begriffs in § 2 Abs. 3 MaßstG („Die Rege­ lungen müssen den Erfordernissen der Normenklarheit und Normenverständlichkeit genügen.“). Ähnlich zudem auch Hammer-Strnad, Bestimmtheitsgebot, S. 12 f. 166  Vgl.



D. Inhalt der Grundsätze45

leistet sein müssen, wenn Normen unterschiedlicher Regelungsbereiche zu­ sammenwirken. Der Klarheitsgrundsatz bezieht sich demzufolge nicht nur auf das Zusammenwirken einzelner Begriffe, Sätze167 oder Absätze inner­ halb einer Norm, sondern auch auf das Zusammenwirken mehrerer Normen innerhalb eines Gesetzes oder gar mehrerer Gesetze oder Rechtsakte. Das Klarheitsgebot gilt folglich intranormativ und internormativ.168 Der Begriff Rechtsklarheit ist deshalb etwas präziser als der der Normenklarheit und sollte diesem vorgezogen werden.169 c) Widerspruchsfreiheit Wesentlicher Bestandteil des Klarheitsgebotes ist die Widerspruchsfrei­ heit. Danach sind einerseits sprachlogische Fehler innerhalb einer Norm zu vermeiden. Tatbestandselemente, die sich inhaltlich widersprechen und so­ mit gegenseitig neutralisieren, lassen den Normbefehl nicht erkennen und widersprechen daher dem Klarheitsgebot.170 Innerhalb einer Norm dürften Widersprüche allerdings praktisch nur sehr selten vorkommen. Wahrscheinlicher sind Widersprüche im internormativen Bereich. Das BVerfG forderte hier anfangs, dass einzelne Gesetze inhaltlich klar und widerspruchsfrei sein müssten.171 In zwei vielbeachteten Entscheidungen des Zweiten Senats vom 07.05.1998 präzisierte und erweiterte das Gericht diese Rechtsprechung dann jedoch und stellte fest: „Das Rechtsstaatsprinzip verpflichtet alle rechtsetzenden Organe des Bundes und der Länder, die Regelungen jeweils so aufeinander abzustimmen, daß den Normadressaten nicht gegenläufige Regelungen erreichen, die die Rechtsordnung wider­ sprüchlich machen“.172 Diese Forderung wurde kurze Zeit später  – wenn auch in abgeschwächter Form  – vom Ersten Senat wiederholt.173 In einer neueren Kammerentscheidung aus dem Jahr 2011 formuliert das BVerfG hingegen wieder etwas zurückhaltender: Zwar ließe sich aus dem Rechts­ staatsprinzip herleiten, dass Rechtsnormen so aufeinander abzustimmen sind, dass den Normadressaten nicht gegenläufige Vorschriften erreichen, Geitmann, BVerfG und „offene“ Normen, S. 28. Genehmigungsvorbehalte, S. 120; vgl. auch Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 186. 169  So auch Fetzer, in: FS Schenke, S. 129 (133). 170  Gassner, Genehmigungsvorbehalte, S. 120. 171  BVerfGE 17, 306 (314); 25, 216 (227); vgl. z. B. auch BVerfGE 90, 226 (237). 172  So in BVerfGE 98, 106 (118 f.); fast wortgleich in BVerfGE 98, 83 (97). Eine ausführliche Darstellung dieser (und weiterer) Entscheidungen des BVerfG bietet Kohl, Widerspruchsfreie Normgebung, S. 30 ff. 173  BVerfGE 98, 265 (301); Jarass, AöR 126 (2001), 588 (590). 167  Vgl.

168  Gassner,

46 Kap. 1: Grundsätze der „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ im deutschen Recht

die Rechtsordnung also widersprüchlich sei. Dies sei allerdings „nur bei einem echten Normwiderspruch der Fall, also dann, wenn der vermeintliche Widerspruch durch Auslegung und Kollisionsregeln nicht zu beheben ist“.174 Diese (Kammer-)Entscheidung des Gerichts macht deutlich, dass nicht bei allen Formen von Widersprüchen ein Verstoß gegen den Klarheitsgrund­ satz anzunehmen ist.175 Folgende Konstellationen müssen deshalb unter­ schieden werden: aa) Konstellation 1: Normenwiderspruch / -konflikt Zwei Normen enthalten sich widersprechende Regelungsbefehle (= Rechts­ folgen). Den Bürger erreichen in einer Situation zwei miteinander unverein­ bare Verhaltensbefehle, beispielsweise ein Ge- und ein Verbot, von denen denklogisch nur eines befolgt werden kann.176 Dies wird in der Literatur vor­ wiegend als Normen- oder Regelkonflikt bezeichnet.177 Verfassungsrechtlich problematisch ist ein solcher Konflikt indes erst dann, wenn er weder durch Auslegung, noch durch Kollisionsregeln (z. B. Art. 31 und 70 ff. GG, „lex superior derogat legi inferiori“ oder „lex specialis derogat legi generali“178) behoben werden kann179 und folglich für den Betroffenen nicht erkennbar ist, wie er sich zu verhalten hat. Ein Beispiel hierfür wäre ein Soldatengesetz, dass unbedingten Gehorsam verlangt, obwohl gleichzeitig ein Strafgesetz be­ steht, dass den Untergebenen uneingeschränkte strafrechtliche Verantwortung zuweist.180 Nur dann, wenn es nicht gelingt, einen solchen Konflikt zu lösen, liegt nach der Rechtsprechung des BVerfG181 ein echter Normwiderspruch vor, der einen Verstoß gegen das Klarheitsgebot begründet. 174  BVerfG-K, Beschl. v. 27.01.2011, 1 BvR 3222 / 09, NJW 2011, 1578 (1580, Rn. 35). 175  So auch Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 242. 176  Sendler, NJW 1998, 2875 (2876); Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 243 ff.; Bumke, ZG 1999, 376 (378), der noch zwischen konkreten und abstrakten Normen­ konflikten unterscheidet. Vgl. auch Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Bd. 3, Art. 20 VII Rn. 56 sowie v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 256 f. 177  Vgl. nur Bumke, ZG 1999, 376 (378) und Heckmann, Geltungskraft und Gel­ tungsverlust, S. 142. 178  Vgl. hierzu näher Jarass, AöR 126 (2001), 588 (594–597 und 603) sowie Kloepfer / Bröcker, DÖV 2001, 1 (9 f.). 179  Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 191; Debus, Verweisun­ gen, S. 141; vgl. auch Sodan, JZ 1999, 864 (865); BVerfG-K, NJW 2011, 1578 (1580, Rn. 35). 180  Beispiel nach Schneider, Gesetzgebung, Rn. 57. 181  Die Terminologie des „echten“ Normwiderspruchs findet sich aber z. B. auch bereits bei Jarass, AöR 126 (2001), 588 (593 und 601) oder Sendler, NJW 1998, 2875 (2876).



D. Inhalt der Grundsätze

47

bb) Konstellation 2: Prinzipienkonflikte Normen- / Regelkonflikte sind abzugrenzen von sog. Prinzipienkonflikten. Kennzeichnend für sie ist, dass sich in einer konkreten Situation zwei oder mehrere Optimierungsgebote (Prinzipien) gegenüberstehen, die jeweils dar­ auf abzielen, die in ihnen enthaltenen Vorgaben in einem möglichst hohen Maße zu verwirklichen.182 Solche Konflikte lassen sich jedoch regelmäßig durch Auslegung lösen. Dies geschieht durch die Bildung von Fallgruppen, welche in entsprechenden Situationen jeweils der einen oder anderen Seite Vorrang gewähren.183 Ein Beispiel hierfür ist das vergaberechtliche Wettbewerbsgebot,184 das bei der Frage der Zulässigkeit von Nachverhand­ lungen mit einzelnen Bietern durch das Gleichbehandlungsgebot begrenzt wird. An anderer Stelle begrenzt das Wettbewerbsgebot selbst dann das Transparenzgebot, da schließlich der Geheimwettbewerb ein zentrales An­ liegen des Vergaberechts darstellt.185 Das Auftreten von Prinzipienkonflikten ist daher im Rahmen des Klarheitsgrundsatzes grundsätzlich nicht zu bean­ standen.186 Die Existenz gegenläufiger Prinzipien führt nicht zur Nichtigkeit eines der Prinzipien / Gebote. cc) Konstellation 3: (bloße) Wertungswidersprüche Als weitere Form von Widersprüchen finden sich sog. (bloße) Wertungs­ widersprüche. Gemeint sind Fälle, in denen vergleichbare Problemlagen in verschiedenen (Sach-)Bereichen unterschiedlich gelöst werden187 oder Ge­ setzesziele bzw. durch Gesetz verursachte Folgen kollidieren188. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn bei zwei vergleichbaren Eingriffen in ge­ schützte Rechtspositionen nur in einer der beiden Situationen eine Entschä­ digung gewährt wird,189 oder zwei gesetzliche Regelungen unterschiedliche 182  Bumke, 183  Bumke,

ZG 1999, 376 (379). ZG 1999, 376 (379); Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuer­

recht, S. 191 f. 184  Zu den vergaberechtlichen Grundprinzipien Wettbewerb, Transparenz und Gleichbehandlung vgl. z. B. Kus, in: Kulartz / Kus / Portz, GWB-Vergaberecht, § 87 GWB Rn. 1 ff.; Burgi, NZBau 2008, 29 ff.; Rechten / Portner, NZBau 2014, 276 ff. 185  Dörr, in: Dreher / Motzke, Vergaberecht, § 97 GWB Rn. 6. 186  Davon geht offensichtlich auch der BFH in seinem bereits erwähnten Be­ schluss v. 06.09.2006 (XI R 26 / 04, BFHE 214, 430 (443)) aus, nennt es dort doch explizit „widersprüchliche Rechtsfolgenanordnungen“ als Merkmal einer dem Gebot der Klarheit widersprechenden Norm [Hervorhebung hinzugefügt]. 187  Sendler, NJW 1998, 2875 (2876). 188  Bumke, ZG 1999, 376 (379). 189  Frei nach Sendler, NJW 1998, 2875 (2876), der das Atomrecht mit dem Im­ missionsschutzrecht vergleicht.

48 Kap. 1: Grundsätze der „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ im deutschen Recht

(z. B. finanzielle) Anreize setzen.190 Da sich diese Wertungswidersprüche  – insbesondere zwischen mehreren Gesetzgebern auf verschiedenen Rege­ lungsebenen  – kaum vermeiden lassen191, tauchen sie in der heutigen komplexen und weit ausdifferenzierten Rechtsordnung an vielen Stellen auf192. Es wäre zu weitgehend, auch diese per se dem Klarheitsgrundsatz zu unterwerfen und jeweils mit verfassungsrechtlichen Konsequenzen zu bele­ gen. Denn für den Bürger ist die Rechtslage trotz möglicher Widersprüche erkennbar bzw. vorhersehbar. Er mag die Widersprüche zwar für sinnlos oder paradox halten, kann sich auf diese aber einstellen193 und den gesetz­ lichen Anforderungen somit gerecht werden. Bloße Wertungswidersprüche führen daher im Rahmen des Klarheitsgebotes nicht zu einer Verfassungs­ widrigkeit. Es obliegt vielmehr dem Gesetzgeber, diese aus rechtspolitischen Gründen möglichst zu vermeiden.194 Der oben skizzierte Ansatz des BVerfG aus dem Jahr 1998, der eine umfassende Widerspruchsfreiheit auch zwischen den einzelnen Gesetzge­ bern forderte, ist vor diesem Hintergrund  – wenn man ihn nicht sehr rest­ riktiv auslegen möchte195  – abzulehnen.196 Überzeugender ist angesichts dessen die oben angesprochene (aktuellere) Kammerentscheidung des BVerfG,197 nach welcher nur echte Widersprüche vom Klarheitsgebot erfasst sind  – also solche, die sich nicht durch Auslegung oder Anwendung von Kollisionsregeln beheben lassen. Im Ergebnis sind somit Wertungswider­ sprüche und Prinzipienkonflikte nicht vom Klarheitsgrundsatz erfasst. 190  Weitere Beispiele für Wertungswidersprüche finden sich etwa bei Milger, NZM 2013, 553 ff. (Mietrecht) oder Thüsing, in: Säcker / Rixecker, MüKo-BGB, Bd. 1, § 15 AGG Rn. 33 (Gleichbehandlung / AGG). Vgl. weiterhin (zu durch die Rechtsprechung verursachten Wertungswidersprüchen) Kröpil, ZRP 2010, 178 ff. 191  So Bumke, ZG 1999, 376 (378); Schenke, Rechtsfindung im Steuerrecht, S. 44; ähnlich auch Ehle, Kohärenz, S. 76. 192  Vgl. Sendler, NJW 1998, 2875 (2876); Bumke, ZG 1999, 376 (380 f.); siehe hierzu auch die anschauliche Einleitung bei Jarass, AöR 126 (2001), 588 (588 f.). 193  Bumke, ZG 1999, 376 (382). 194  Vgl. Sendler, NJW 1998, 2875 (2876), der meint, dass das „scharfe Schwert der Nichtigerklärung“ hier nicht in Anspruch genommen werden könne. Vgl. auch Möllers, NJW 2005, 1973 (1979), der vom (bloßen) „verfassungstheoretischen Ide­ al“ eines widerspruchsfreien allgemeinen Gesetzes spricht. 195  Gründe für eine sehr restriktive Auslegung sind indes nicht ersichtlich, vgl. insofern Jarass, AöR 126 (2001), 588 (589 und 594). Anders hingegen Kloepfer / Bröcker, DÖV 2001, 1 ff. 196  Die Entscheidungen sind von vielen Stimmen in der Literatur auch zu Recht (und zum Teil sehr deutlich) kritisiert worden, vgl. z. B. Sendler, NJW 1998, 2875 ff.; Bumke, ZG 1999, 376 (382); Konrad, DÖV 1999, 12 (16 f.); Grzeszick, in: Maunz / Dü­ rig, GG, Bd. 3, Art. 20 VII Rn. 56 f.; Jarass, AöR 126 (2001), 588 ff. m. w. N. Zustim­ mend hingegen Di Fabio, NVwZ 1999, 1153 (1157) sowie Sodan, JZ 1999, 864 ff. 197  BVerfG-K, Beschl. v. 27.01.2011, 1 BvR 3222 / 09, NJW 2011, 1578.



D. Inhalt der Grundsätze49

dd) Konstellation 4: „Störungen“ Ebensowenig vom Klarheitsgrundsatz umfasst sind nach dem zuvor Ge­ sagten Fälle, in denen Normen sich nicht direkt widersprechen, sondern in denen das Verständnis z. B. wegen uneinheitlicher Formulierungen oder in unterschiedlicher Weise verwendeter Begriffe lediglich „gestört“ ist.198 Die­ se Situationen lassen sich meist ebenfalls durch Auslegung lösen. Verfas­ sungsrechtlich problematisch wird es erst dann, wenn der Betroffene im Einzelfall aufgrund der (mangelhaften) Art und Weise der gesetzlichen Re­ gelungen (=  gesetzestechnische Qualität) die Rechtslage nicht mehr erken­ nen und sein Verhalten hieran ausrichten kann. In diesem Fall kann ein Verstoß gegen den Klarheitsgrundsatz vorliegen. ee) Zwischenergebnis Relevant für den Klarheitsgrundsatz ist somit nur die erste Konstellation der miteinander unvereinbaren Rechtsfolgen (echte Normwidersprüche). Die Übrigen stellen  – es sei denn, die Betroffenen können die Rechtslage nicht mehr erkennen  – eher Aspekte der Systemgerechtigkeit und Einheit der Rechtsordnung dar,199 bzw. betreffen rechtspolitische Fragen. Diese sind mit dem Klarheitsgrundsatz zwar in gewisser Weise verwandt, müssen von diesem aber unterschieden werden.200 Wie erwähnt ist der Ansatz der drei oben genannten Entscheidungen des BVerfG aus dem Jahr 1998201 als zu weitgehend abzulehnen.202 Der Klarheitsgrundsatz würde hierdurch deutlich überdehnt. Zu folgen ist der Kammerentscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2011203.

198  Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 192; Jarass, AöR 126 (2001), 588 (588, 593); vgl. auch Kröpil, ZRP 2010, 178 (180 f.). 199  Kohl, Widerspruchsfreie Normgebung, S. 167 ff.; Kischel, in: Epping / Hillgru­ ber, GG, Art. 3 Rn. 96; Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 193. 200  Vgl. hinsichtlich der Systemgerechtigkeit Sendler, NJW 1998, 2875 (2875 f.); Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 201; vgl. auch Konrad, DÖV 1999, 12 (16). 201  BVerfGE 98, 83 (97); 98, 106 (118 f.); 98, 265 (301). 202  Kritisch zu dieser Rechtsprechung des BVerfG auch Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 194–196; vgl. auch Jarass, AöR 126 (2001), 588 (596); kritisch auch Huster / Rux, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 20 Rn. 183.1 sowie Bumke, ZG 1999, 376 (384). 203  BVerfG-K, Beschl. v. 27.01.2011, 1 BvR 3222 / 09, NJW 2011, 1578.

50 Kap. 1: Grundsätze der „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ im deutschen Recht

d) Aufbau und Systematik sowie Übersichtlichkeit Weiterhin ist zu ermitteln, ob sich aus dem Klarheitsgrundsatz bestimmte Anforderungen hinsichtlich des Aufbaus und der Systematik des Rechts für den Gesetzgeber ergeben. Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem Aufbau und der Systematik innerhalb einer Norm (intranormativer Aufbau), dem Zusammenwirken mehrerer Normen innerhalb eines Gesetzes (internormati­ ver Aufbau) und dem Zusammenwirken mehrerer Gesetze oder Rechtsakte. Diese letzte Konstellation wurde oben noch als „internormativ“ bezeichnet, zur besseren Abgrenzung liegt jedoch die Bezeichnung als „intergesetzlicher Aufbau“ nahe. Wirklich konkrete Vorgaben lassen sich dem Klarheitsgrundsatz allerdings nicht entnehmen. Es wäre auch zu weitgehend, dem Gesetzgeber detailliert vorzuschreiben, wie er eine Norm, ein Gesetz oder einen ganzen Regelungs­ komplex aufzubauen hat und welche Systematik dabei eingehalten werden muss. Dem Gesetzgeber kommt insoweit ein recht weiter Ermessens- und Gestaltungsspielraum zu. Es muss aus verfassungsrechtlicher Sicht in erster Linie nur darauf ankommen, ob Aufbau und Systematik der Erkennbarkeit der Rechtslage für die Betroffenen entgegenstehen oder nicht. Der Aufbau und die gewählte Systematik dürfen nicht dazu führen, dass die Rechtslage für die Betroffenen (überhaupt) nicht mehr erkennbar ist. Dies zugrunde gelegt wird man formulieren können, dass Gesetze und sonstige Rechtsakte ein Mindestmaß an Übersichtlichkeit und Transparenz204 aufweisen müssen, um dem Klarheitsgrundsatz gerecht zu werden. Regelun­ gen dürfen aufgrund ihrer Art und Weise nicht so schwer überschaubar bzw. komplex sein, dass die Rechtslage (gar) nicht mehr nachvollzogen werden kann.205 Sie müssen so präsentiert werden, dass auch innerhalb komplexer Regelungsbereiche eine Orientierung möglich ist.206 Dafür dürfte unter an­ derem von Bedeutung sein, dass Vorschriften für einen bestimmten Lebens­ bereich  – zumindest mehr oder weniger  – einheitlich an einer Stelle kodifi­ ziert und den zugrundeliegenden tatsächlichen Umständen folgend angeord­ net werden.207 Denn dem Erkennen der Rechtslage ist es in höchstem Maße abträglich, wenn relevante Vorschriften über mehrere Gesetze oder Rechts­ akte verteilt sind oder sogar an völlig unerwarteten Stellen auftreten. Wei­ terhin liegt auf der Hand, dass z. B. auch eine (zu) große Anzahl an Aus­ nahmen von einem Regelungssystem der Übersichtlichkeit abträglich ist und Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 196. Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 196 f. 206  v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 221. 207  v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 222, 214; Noll, Gesetzgebungslehre, S. 204 ff. und insbesondere S. 222. 204  Vgl. 205  Vgl.



D. Inhalt der Grundsätze51

der Erkennbarkeit des Systems als solchem entgegensteht.208 Zwar sind Ausnahmen und Abweichungen von einem System oft notwendig und in einem demokratischen System, in welchem Gesetze regelmäßig einen poli­ tischen Kompromiss abbilden, nichts Außergewöhnliches, sondern unum­ gänglich.209 Überschreitet die Anzahl der Ausnahmen jedoch einen gewissen Grad, kann dies gegen das Vorliegen einer ausreichend übersichtlichen Re­ gelung sprechen. Neben diesen Beispielen dürften  – in Anlehnung an den eingangs zitier­ ten Beschluss des BFH210  – folgende Aspekte im Rahmen der Klarheit be­ sonders problematisch sein: •• In „intergesetzlicher“ Hinsicht (zwischen mehreren Gesetzen oder Rechtsakten): die Verteilung von für einen Sachbereich maßgeblichen Vorschrif­ ten auf mehrere Gesetze oder Rechtsakte (keine einheitliche Kodifizierung in einem einzigen Gesetz, d. h. eine hohe Anzahl von relevanten Gesetzen und sonstigen Rechtsakten für einen Sachbereich),211 die Verteilung von Vorschriften auf mehrere Regelungsebenen (Gesetz – Verordnung – unter­ gesetzliche Ebene), eine Vielzahl an Verweisungen; •• In internormativer Hinsicht (zwischen mehreren Normen bzw. innerhalb eines Gesetzes): eine ungewöhnliche Abfolge einzelner Abschnitte (z. B. Zweck des Gesetzes oder allgemeine Grundsätze nicht am Anfang des Gesetzes),212 eine Anordnung von Vorschriften entgegen den zugrundelie­ genden tatsächlichen Umständen,213 die überraschende systematische Stellung einzelner Normen, sachfremde Regelungen innerhalb eines Ge­ setzes (z. B.  – fiktives Extrembeispiel  – Regelungen zum Vergabeverfah­ ren im StVG), eine Aufteilung in sehr viele unterschiedliche Abschnitte, eine Vielzahl an Verweisungen214 oder eine „Häufung und Stufung von Regel-Ausnahme-Techniken“215 bzw. eine Vielzahl an Ausnahmen; 208  Vgl. Sandrock, in: FS Ipsen, S. 789, der bezogen auf das UStG das Vorliegen „Dutzende[r] […] Ausnahmetatbestände“, die die Anwendung des Umsatzsteuer­ rechts „kompliziert, unübersichtlich und unsicher“ machten kritisiert. 209  Vgl. zur Kompromissbildung auf europäischer Ebene Grüner, Quantität und Qualität, S. 150 ff.; vgl. zudem Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 173 („die Kom­ promissnotwendigkeit in der parlamentarischen Demokratie“). 210  BFH, Beschl. v. 06.09.2006  – XI R 26 / 04, BFHE 214, 430 (443). 211  v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 222, 214; Noll, Gesetzgebungslehre, S. 204 ff. und insbesondere S. 222. 212  v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 221 f. 213  v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 222, 214. 214  Zur Problematik der Verweisungen näher unter Kap. 1 D. III. 1. e) sowie ausführlich Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, Berlin 2008. 215  BFH, Beschl. v. 06.09.2006  – XI R 26 / 04, BFHE 214, 430 (443); vgl. auch Sandrock, in: FS Ipsen, S. 789, der im Bereich des Steuerrechts das Vorliegen

52 Kap. 1: Grundsätze der „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ im deutschen Recht

•• In intranormativer Hinsicht (innerhalb einer Norm): Ein hoher Rege­ lungsumfang216 mit sehr vielen Absätzen, ein unklarer oder übermäßig langer und verschachtelter Satzbau217 sowie eine nicht nachvollziehbare oder gar unlogische Reihenfolge bzw. Stellung und Strukturierung der einzelnen Absätze und Sätze. Ab wann genau die aufgezählten Gesichtspunkte allerdings dazu führen, dass die Rechtslage nicht mehr nachvollzogen werden kann und somit die gesetzliche Steuerungsfunktion entfällt, lässt sich (ähnlich wie oben beim hinreichenden Bestimmtheitsgrad) abstrakt kaum bestimmen. Eine trenn­ scharfe Linie zwischen Verfassungsmäßig- und Verfassungswidrigkeit zu ziehen, ist faktisch unmöglich. Insbesondere auch, weil Übersichtlichkeit in besonderem Maße vom jeweiligen Betrachter abhängt: Was beispielsweise für einen gut ausgebildeten Juristen noch übersichtlich und „normal“ er­ scheint, mag für einen rechtlichen Laien bereits vollkommen intransparent sein.218 Allzu niedrig wird die Schwelle zur Verfassungswidrigkeit – wie im Bereich der Widersprüche  – angesichts des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers allerdings auch hier nicht angesetzt werden können. Auf­ bau, Systematik und Übersichtlichkeit sind daher letztlich nur begrenzt verfassungsrechtlich kontrollierbar.219 Trotz der somit nur eingeschränkten verfassungsrechtlichen Bedeutung existieren einige Überlegungen, an denen sich der Gesetzgeber bei der Schaffung von Gesetzen zum Zwecke verbesserter Übersichtlichkeit und Verständlichkeit orientieren kann. Sinnvoll sind beispielsweise ein vorange­ stelltes Inhaltsverzeichnis, amtliche Überschriften, ein gesondertes Stich­ wortverzeichnis oder am Beginn eines Gesetzes platzierte Leitvorschriften, die über Sinn und Zweck des Gesetzes aufklären.220 Diese rechtspolitischen Ansätze und Forderungen werden unter dem Stichwort „guter Gesetzge­ „unzählige[r] Ausnahmetatbestände“ beklagt, die zudem noch „unklar definiert“ seien. 216  Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 557 f. 217  Vgl. BFH, Beschl. v. 06.09.2006  – XI R 26 / 04, BFHE 214, 430 (443); vgl. Rn. 62 ff. im Handbuch der Rechtsförmlichkeit des BMJV (abrufbar im Internet unter http: /  / www.hdr.bmj.de  – zuletzt abgerufen am 25.09.2014); Däubler-Gmelin, BB 2000, Die erste Seite, (Editorial), Nr. 2; vgl. auch Gassner, Genehmigungsvor­ behalte, S. 120 sowie Geitmann, BVerfG und „offene“ Normen, S. 28. 218  Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 197; vgl. zudem v. Ar­ nauld, Rechtssicherheit, S. 219; ausführlich zu dieser „Adressatenproblematik“ so­ gleich unter Kap. 1 F. Aber auch zwischen Juristen können erhebliche Unterschiede beim Verständnis des Rechts bestehen. 219  Vgl. Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 197 f.; ähnlich auch Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 557 f. 220  v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 221 f.; ein gutes Beispiel einer Leitvorschrift ist § 1 AGG, aber auch § 1 VgV a. F.



D. Inhalt der Grundsätze53

bung“ diskutiert.221 Dabei haben die Erkenntnisse der Wissenschaft durch­ aus Eingang in die moderne Gesetzgebungspraxis gefunden, wie das mitt­ lerweile in dritter Auflage vorliegende „Handbuch der Rechtsförmlichkeit“ des BMJV222 beweist, das u. a. eine Vielzahl an Empfehlungen für das Formulieren von Rechtsvorschriften enthält.223 Hinzu kommen der aus Lin­ guisten bestehende „Redaktionsstab Rechtssprache“ des BMJV224 sowie der Redaktionsstab der Gesellschaft für deutsche Sprache e. V. beim Deutschen Bundestag, die jeweils Gesetzentwürfe auf ihre sprachliche Richtigkeit und Verständlichkeit prüfen, vgl. §§ 46, 42 Abs. 5 Sätze 2  und  3 GGO sowie § 80a GOBT. e) Verweisungen Die Auswirkungen einer Verweisung225 auf Klarheit und Übersichtlichkeit des Rechts sind ambivalent.226 Einerseits können durch den Gebrauch einer Verweisung lange Ausführungen zur Klärung einer Rechtsfrage innerhalb einer Norm vermieden werden. Durch den Verweis auf eine andere Rechts­ vorschrift oder einen Normenkomplex entfällt schließlich die Notwendigkeit einer eigenen Regelung. Der Normtext bleibt somit knapp und übersichtlich, unnötige Wiederholungen werden vermieden.227 Andererseits wird die Er­ mittlung der Rechtslage durch Verweisungen erheblich erschwert. Um den Aussagegehalt der Verweisungsnorm gänzlich zu verstehen, muss der 221  Vgl. Knauff, NZBau 2010, 657 (660); ebenso Däubler-Gmelin, BB 2000, Die erste Seite, (Editorial), Nr. 2. 222  BMJV (zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch BMJ), Handbuch der Rechtsförmlichkeit (abrufbar im Internet unter http: /  / www.hdr.bmj.de  – zuletzt ab­ gerufen am 25.09.2014); vgl. auch §§ 42 Abs. 5, 46, 62 Abs. 2 GGO. 223  Insbesondere Teil  B: „Allgemeine Empfehlungen für das Formulieren von Rechtsvorschriften“. Vgl. darin insbesondere Rn. 65 ff., in denen mit konkreten Ver­ besserungsvorschlägen aufgezeigt wird, wie unverständliche, ungenaue und unüber­ sichtliche Formulierungen vermieden werden können. 224  Vgl. hierzu aktuell Carstens, „Muss man Gesetzestexte verstehen können?“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (Online-Ausgabe) v. 16.02.2016, abrufbar im Internet unter http: /  / www.faz.net / aktuell / politik / justizministerium-prueft-verstaend­ lichkeit-von-gesetze-14068538.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2  – zuletzt abgerufen am 16.02.2016. 225  Eine anschauliche Definition bietet Schneider, Gesetzgebung, Rn. 378: „Ver­ weisungen sind die im Text eines Gesetzes ausgesprochenen Bezugnahmen auf an­ dere Rechtsvorschriften derart, dass die ausdrücklich in Bezug genommenen Rechts­ vorschriften als eine notwendige Ergänzung zu einem Bestandteil der Regelung des verweisenden Gesetzes werden.“ 226  Ähnlich Grüner, Quantität und Qualität, S. 106, der von einem „Dilemma“ spricht. 227  Vgl. hierzu auch die Ausführungen bei Burghart, Gesetz, S. 78.

54 Kap. 1: Grundsätze der „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ im deutschen Recht

Rechtsanwender auf eine bzw. mehrere andere Normen (Verweisungsobjek­ te) zurückgreifen. Zwar ist die Heranziehung mehrerer Normen zur Klärung einer Rechtsfrage nichts Außergewöhnliches, sondern eher der Regelfall. Allerdings begründet das Vorhandensein einer Verweisung neben der Beein­ trächtigung des Leseflusses immer einen Zusatzaufwand und eine gewisse Unsicherheit bei der Rechtsanwendung.228 Trotz dieser Nachteile ist der Gebrauch von Verweisungen grundsätzlich zulässig.229 Das BVerfG fordert aber, dass ein verweisendes Gesetz für den Rechtsunterworfenen klar erkennen lassen muss, was Rechtens sein soll.230 Eine Verweisung muss somit hinreichend bestimmt sein und deutlich ma­ chen, welche (weiteren) Vorschriften maßgebend sein sollen.231 Das bedeu­ tet, dass die Betroffenen in die Lage versetzt werden müssen, sich verläss­ lich und ohne Schwierigkeiten Kenntnis vom Inhalt der Regelungen ver­ schaffen zu können.232 Ein Blick in die Literatur zeigt, dass zwischen vielen verschiedenen Arten von Verweisungen unterschieden werden kann.233 Am wichtigsten ist dabei die Differenzierung zwischen sog. statischen (auch: starren) und dynami­ schen (auch: gleitenden)234 Verweisungen. Während statische Verweisungen eine ganz bestimmte Fassung einer Norm in Bezug nehmen, knüpfen dyna­ mische Verweisungen an Vorschriften in ihrer jeweils geltenden Fassung an.235 Gerade letzteres ist aber nicht ohne verfassungsrechtliche Brisanz, da hierdurch ggf. auch neuere Fassungen einbezogen werden,236 der materielle Inhalt der Verweisungsnorm sich in diesem Fall also ohne textliche Umge­ staltungen ändern kann.237 Kritisch wird es insbesondere dann, wenn in 228  Zu Vor- und Nachteilen von Verweisungen vgl. z. B. BMJV, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, Rn. 225 ff. (abrufbar im Internet unter http: /  / www.hdr.bmj.de  – zuletzt abgerufen am 25.09.2014) sowie Debus, Verweisungen, S. 98 ff. und insbe­ sondere S. 102 f.; Guckelberger, ZG 2004, 62 (66). Ein Beispiel für Unsicherheiten in der Rechtsanwendung findet sich insbesondere in BVerfGE 110, 33 (61 ff.). 229  Vgl. Leisner, in: Sodan, GG, Art. 20 Rn. 56. 230  U. a. BVerfGE 5, 25 (31); 22, 330 (346); 26, 338 (365 f.); 78, 32 (35 f.); 92, 191 (197); 120, 274 (315 ff.). 231  BVerfGE 26, 338 (367); 47, 285 (311); 92, 191 (197); vgl. auch BVerfGE 110, 33 (71 f.) und 120, 274 (315 ff.). 232  BVerwG, Urt. v. 27.06.2013, 3 C 21 / 12, Rn. 20, zit. nach juris. 233  Vgl. nur Debus, Verweisungen, S. 49 ff. m. w. N. 234  Schneider, Gesetzgebung, Rn. 385; Hofmann, in: Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 87. 235  BVerfGE 78, 32 (36); Schmidt, ZfBR 2009, 113 (114). Falls erforderlich, muss durch Auslegung ermittelt werden, ob es sich um eine dynamische oder stati­ sche Verweisung handelt, vgl. Guckelberger, ZG 2004, 62 (65). Zu dieser Abgren­ zung auch ausführlich Debus, Verweisungen, S. 63 ff. 236  Schmidt, ZfBR 2009, 113 (114).



D. Inhalt der Grundsätze55

dynamischer Form auf Regelungen außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des jeweiligen Gesetzgebers verwiesen wird, also beispielsweise Bundes­ recht auf Landesrecht verweist, oder umgekehrt.238 Der verweisende Gesetz­ geber hat in diesem Fall nicht die Möglichkeit, selbst über Änderungen des Verweisungsobjekts zu entscheiden.239 Der Norminhalt kann sich folglich ohne ein Tätigwerden des zuständigen Gesetzgebers ändern. Es verbleibt lediglich die Möglichkeit, die Entwicklung fremder Normen nachzuverfol­ gen und die Verweisungsnorm ggf. (nachträglich) an etwaige Änderungen anzupassen. Auch solchen dynamischen Verweisungen steht das BVerfG indes nicht gänzlich ablehnend gegenüber.240 Selbst im Fall mangelnder Identität der Gesetzgeber soll eine Verwendung zulässig sein, wenn der Inhalt der Rege­ lungen, auf die verwiesen wird, im Wesentlichen feststeht241 und die Prin­ zipien der Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Bundestaatlichkeit beachtet werden242. Am Vorliegen dieser Anforderungen kann insbesondere bei dy­ namischen Verweisungen auf Regelwerke Privater gezweifelt werden,243 da diese bei der Normsetzung keinen verfassungsrechtlichen Beschränkungen unterliegen und folglich eine Regelung entstehen kann, die von der ur­ sprünglich in Bezug genommenen Regelung stark abweicht und Interessen einzelner Gruppen bevorzugt behandelt.244 237  Statische Verweisungen sind demgegenüber regelmäßig verfassungsrechtlich weit weniger problematisch, vgl. bereits Ossenbühl, DVBl. 1967, 401 (402, 408) sowie Guckelberger, ZG 2004, 62 (69 ff.); BVerfGE 47, 285 (317). 238  Hofmann, in: Hofmann / Henneke, GG, Art. 20 Rn. 87; Karpen, Verweisung, S. 161 f.; kritisch auch Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 123a. Im Falle der Verwei­ sung von Bundes- auf Landesrecht bzw. Landes- auf Bundesrecht stellt sich zudem die Frage nach der Vereinbarkeit mit den Art. 70 ff. GG, hierzu Guckelberger, ZG 2004, 62 (79 ff.). Ausführlich auch Debus, Verweisungen, S. 168 ff. 239  Zudem stellt sich hier auch die Frage, ob nicht ein Verstoß gegen die verfas­ sungsrechtliche Kompetenzordnung der Art. 70 ff. GG vorliegt, vgl. hierzu Guckelberger, ZG 2004, 62 (79 ff.). 240  BVerfGE 78, 32 (36). 241  BVerfGE 26, 338 (366 f.); 64, 208 (215); vgl. auch BVerwG, Urt. v. 27.06.2013, 3 C 21 / 12, Rn. 42, zit. nach juris. 242  BVerfGE 78, 32 (36); 47, 285 (312); Guckelberger, ZG 2004, 62 (75); vgl. auch BVerfGE 67, 348 (363), BVerfGE 73, 261 (272), BVerfG-K, Beschl. v. 29.04.2010, 2 BvR 871 / 04, 2 BvR 414 / 08, Rn. 40, zit. nach juris sowie SchulzeFielitz, in: Dreier, GG, Bd. 2, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 144 und Huster / Rux, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 20 Rn. 183. 243  BVerfGE 64, 208 (214 ff.); 78, 32 (36); Guckelberger, ZG 2004, 62 (82); vgl. jedoch auch BverwG, Urt. v. 27.06.2013, 3 C 21 / 12, Rn. 39, zit. nach juris; Jarass, NJW 1987, 1225 (1231); Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Bd. 3, Art. 20 VII Rn. 55. vgl. zudem auch Karpen, Verweisung, S. 117 ff. 244  Guckelberger, ZG 2004, 62 (82).

56 Kap. 1: Grundsätze der „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ im deutschen Recht

Neben einzelnen Arten von Verweisungen kann weiterhin deren mehrfa­ che Verwendung verfassungsrechtlich problematisch werden.245 Mehrfach­ verweisungen und Verweisungsketten innerhalb eines oder zwischen mehre­ ren Gesetzen oder sonstigen Rechtsakten sind ebenfalls geeignet, die Er­ kennbarkeit der Rechtslage für den Betroffenen zu erschweren.246 Während eine einzelne Verweisung hinreichend klar und bestimmt sein kann, kann das Zusammenwirken vieler Verweisungen zu einer strukturellen Komplexi­ tät führen, die das Erfassen von Zusammenhängen und Systemstrukturen erschwert bzw. ganz verhindert und so auch das Fehlerrisiko bei der Rechts­ anwendung deutlich erhöht.247 Letztendlich ist der Gebrauch von Verweisungen demnach von erhebli­ cher Relevanz für den Klarheitsgrundsatz. Auch hier gilt bei einer Prüfung aber, dass jeweils eine gesonderte Betrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände und Besonderheiten des Einzelfalls stattfinden muss.248 2. Zwischenergebnis Der Klarheitsgrundsatz beschreibt das Bedürfnis nach möglichst verständ­ lichen, übersichtlichen und widerspruchsfreien Normen und Normengefügen bzw. Gesetzen. Dabei gilt der Klarheitsgrundsatz nicht nur innerhalb einzel­ ner Vorschriften (intranormativ), sondern auch zwischen mehreren Vor­ schriften sowie Gesetzen / Rechtsakten (internormativ bzw. intergesetzlich). Ein wesentlicher Aspekt ist die Widerspruchsfreiheit des Gesetzes. Ver­ fassungsrechtlich relevant sind dabei allerdings nur echte Normwidersprü­ che, d. h. Vorschriften, die sich widersprechende Rechtsfolgen anordnen. Andere Arten von Widersprüchen sind lediglich im Rahmen des Systemge­ rechtigkeitsgedankens, bzw. in rechtsästhetischer und rechtspolitischer Hin­ sicht von Bedeutung. Weiterhin sind im Rahmen des Klarheitsgrundsatzes auch Aufbau, Syste­ matik, Übersichtlichkeit und Transparenz gesetzlicher Regelungen wichtig. Konkrete Vorgaben, wie der Gesetzgeber ein gesamtes Gesetz oder einzelne Abschnitte aufzubauen und systematisch auszugestalten hat, können dem Klarheitsgrundsatz aber nicht entnommen werden. Entscheidend ist (nur), ob Aufbau und Systematik der Erkennbarkeit der Rechtslage entgegenste­ 245  Debus,

Verweisungen, S. 153 m. w. N. 110, 33 (61 ff.). 247  Debus, Verweisungen, S. 153; Grzeszick, in: Maunz / Dürig, GG, Bd. 3, Art. 20 VII Rn. 54; Schnell, Verweisungsbedingte Normkomplexität, S. 108 und 116 ff.; Herb, Verweisungsfehler, S. 32 ff.; vgl. auch BVerfGE 110, 33 (63 f.). 248  In diese Richtung auch Karpen, Verweisung, S. 167. 246  BVerfGE



E. Verhältnis von Bestimmtheit und Klarheit

57

hen. Ähnliches gilt für die Übersichtlichkeit und Transparenz einzelner Rechtsnormen. Es wird jeweils nur schwer festzustellen sein, ab wann eine Regelung unübersichtlich oder intransparent ist. Verbesserungsmöglichkei­ ten werden deshalb oft unter dem Stichwort guter Gesetzgebung diskutiert. Ein letztlich ebenfalls bedeutsamer Punkt des Klarheitsgrundsatzes sind Verweisungen. Problematisch sind dabei insbesondere Verweisungen dyna­ mischer Art, welche das BVerfG aber als im Grundsatz zulässig einstuft. Daneben kann der Klarheitsgrundsatz auch bei Mehrfachverweisungen und Verweisungsketten betroffen sein.

E. Verhältnis von Bestimmtheit und Klarheit Nach den bisherigen Ausführungen weisen Bestimmtheit und Klarheit jeweils einen eigenen, abgrenzbaren Anwendungsbereich auf und betreffen verschiedene Problematiken.249 Allerdings widersprechen die beiden Grund­ sätze sich insoweit, als Bestimmtheit nach langen, detaillierten und auszise­ lierten Normen strebt, während Klarheit eher auf knappe und abstrakte Formulierungen abzielt.250 Beide Grundsätze stehen somit in einem gewis­ sen Spannungsverhältnis. Es ist jedoch mitnichten so, dass der Gesetzgeber sich im Einzelfall stets zwischen der Verwirklichung von Bestimmtheit oder Klarheit entscheiden müsste. Vielmehr ist es weitgehend möglich, dass Rechtsakte gleichzeitig bestimmt und klar sind,251 insbesondere auch, weil der Bestimmtheitsgrundsatz keine höchstmögliche Bestimmtheit von Geset­ zen fordert (s. o.). Zudem wird ein demokratischer Gesetzgeber sich wohl auch nie bewusst für eine als unklar erkannte Regelung entscheiden. Un­ klarheit entsteht eher unbewusst bzw. ungewollt. Im Rahmen der Bestimmt­ heit kann hingegen durchaus von einer bewussten Entscheidung gesprochen werden, schließlich muss der Gesetzgeber hier stets festlegen, wie spezifisch 249  Hey, DStR 2007, 1 (8) spricht in diesem Zusammenhang von „unterschiedlichen[n] Kategorien von Rechtsunsicherheit“; vgl. auch Singer, Rechts­ klarheit, S. 68 f.; Braun, VerwArch 76 (1985), 24 (46). 250  Hierzu anschaulich Schneider, Gesetzgebung, Rn. 80: „Eine lange und detail­ lierte Tatbestandsbeschreibung in mehreren Alternativen, mit Ausnahmen unter al­ lerlei Voraussetzungen und Ausnahmen von den Ausnahmen mag als bestimmt an­ gesehen werden, aber sie entbehrt der notwendigen Klarheit.“ Vgl. zudem auch Geitmann, BVerfG und „offene“ Normen, S. 28; Hill, Gesetzgebungslehre, S. 109, 130; Gassner, Genehmigungsvorbehalte, S. 119; Herzog, NJW 1999, 25 (26) sowie Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 549; Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuer­ recht, S. 182 f.; Waldhoff / Grefrath, IStR 2013, 477 (478); Debus, Verweisungen, S. 135. 251  Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 188 f.; Vogel / Waldhoff, Finanzverfassungsrecht, Rn. 486.

58 Kap. 1: Grundsätze der „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ im deutschen Recht

und genau, respektive abstrakt er eine Norm formuliert.252 Dabei kommt es vor, dass der Gesetzgeber absichtlich eine möglichst weite, d. h. unbestimm­ te Formulierung wählt, beispielsweise um möglichst viele Anwendungsfälle zu erfassen. Weiterhin weisen gesetzliche Regelungen oft nicht schon von Anfang an eine bedenkliche Unklarheit auf, sondern wachsen erst im Laufe der Zeit durch Änderungen und Ergänzungen  – und damit ggf. verbundene Systembeeinträchtigungen  – in den Bereich verfassungswidriger Unklarheit hinein.253

F. Adressatenproblematik I. Allgemein Im Zusammenhang mit Bestimmtheit und Klarheit muss stets auch die Frage beantwortet werden, aus wessen Sicht das Vorliegen der jeweiligen Anforderungen zu beurteilen ist – nach welchem Maßstab also geprüft wird, ob die Rechtslage anhand der gesetzlichen Regelung erkennbar ist. Einerseits ist klar, dass wohl niemals jede gesetzliche Regelung jedem einzelnen Bürger bei der ersten Lektüre des Normtextes sofort in seinem kompletten Regelungsgehalt ersichtlich ist.254 Andererseits  – um bei Ex­ trembeispielen zu bleiben  – dürfen Normen aber auch nicht so formuliert sein, dass „[n]ur mit subtiler Sachkenntnis, außerordentlichen methodischen Fähigkeiten und einer gewissen Lust zum Lösen von Denksport-Aufgaben […] überhaupt verstanden werden [kann], welche Anordnungen […] getrof­ fen werden sollen.“255 Der richtige Ansatzpunkt liegt zwischen diesen Punk­ 252  Vgl. Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 27, 184 f., 189; Gassner, Genehmigungsvorbehalte, S. 119; Geitmann, BVerfG und „offene“ Nor­ men, S. 48 ff. Schließlich gibt es auch kein Bedürfnis nach gesetzlicher Unklarheit, welches der Gesetzgeber berücksichtigen müsste. Dies führt im Übrigen dazu, dass Klarheit nicht damit gerechtfertigt werden kann, sie sei notwendig gewesen, vgl. hierzu Hey, DStR 2007, 1 (8). 253  Dies erkennt auch Singer, Rechtsklarheit, S. 75. Auf weitere detaillierte Aus­ führungen zum weitgehend theoretischen Verhältnis zwischen Bestimmtheit und Klarheit, insbesondere ob Unklarheit stets auch zu Unbestimmtheit führt (und um­ gekehrt) kann im Rahmen dieser Untersuchung mangels Relevanz für die späteren Einzelprüfungen verzichtet werden. Es sei aber verwiesen auf die Ausführungen bei Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 134 f., 141 f., 182 f., 185–189; Fetzer, in: FS Schenke, S. 129 (132 f.); Schneider, Gesetzgebung, Rn. 80; Braun, VerwArch 76 (1985), 24 (46) sowie Gassner, Genehmigungsvorbehalte, S. 119 ff. 254  v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 230. 255  So in einer bekannten Entscheidung des Österreichischen Verfassungsgericht­ hofs, VfGH v. 29.06.1990, G  81 / 90. An anderer Stelle dieser Entscheidung heißt es zudem, dass ein Normunterworfener nicht die Möglichkeit habe, sich der Norm



F. Adressatenproblematik59

ten. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob Gesetze nur für Juristen und Rechtsexperten oder auch den einzelnen, rechtsunkundigen Bürger verständ­ lich sein müssen.256 Betrachtet man die Rechtsprechung des BVerfG, so spricht der Wortlaut vieler Entscheidungen zunächst eher für ein Abstellen auf den (rechtsun­ kundigen) Bürger. Das Gericht formuliert u. a., dass ein Gesetz „den Rechtsunterworfenen klar erkennen lassen [muss], was Rechtens sein soll“.257 Wenn „nicht einmal die mit der Sache befaßten Behörden hin­ sichtlich der […] geltenden Vorschriften übereinstimmen, kann dem Rechtsunterworfenen nicht zugemutet werden, von sich aus zu ermitteln, welche Bestimmungen Anwendung finden.“258 Oder: „Ist es […] allenfalls Experten möglich, sämt­liche Eingriffsvoraussetzungen mit vertretbarem Aufwand zu erkennen, spricht dies gegen die Beachtung des Grundsatzes der Klarheit einer Norm“.259 In anderen Entscheidungen heißt es dann, Vorschriften müssten „in ihren Vo­raussetzungen und in ihrem Inhalt so formuliert sein, daß die von ihr Betroffenen260 die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können.“261 Zudem wurde in spezi­ fisch steuerrechtlichen Entscheidungen vor einiger Zeit gefordert, der Steu­ erpflichtige müsse „die auf ihn entfallende Steuerlast vorausberechnen“ können,262 und es müsse dem „nicht steuerrechtskundigen Pflichtigen“ möglich sein, seinen strafbewehrten Erklärungspflichten „sachgerecht zu genügen“.263 Dem steht allerdings in gewisser Hinsicht die erwähnte Praxis des BVerfG entgegen, nach der es ausreicht, wenn Auslegungsprobleme sowie unbe­ stimmte Rechtsbegriffe und Generalklauseln „nach den Regeln der juristi­ gemäß zu verhalten, wenn zur Sinnermittlung der Vorschrift „subtile verfassungs­ rechtliche Kenntnisse, qualifizierte juristische Befähigung und Erfahrung und gera­ dezu archivarischer Fleiß“ vonnöten sei. 256  Noll, Gesetzgebungslehre, S. 172; Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 558 fragt danach, ob Bestimmtheit und Verständlichkeit einer Norm objektiv oder subjektiv ermittelt werden müssen. 257  BVerfGE 5, 25 (31). 258  BVerfGE 5, 25 (33). 259  So in BVerfGE 110, 33 (64). 260  In ähnlichem Kontext wurde auch auf die Erkennbarkeit für den „Staatsbür­ ger“ (BVerfGE 23, 62 (72 f.)), den „Bürger“ und „Jedermann“ (BVerfGE 22, 21 (25 f.)) abgestellt. 261  So in BVerfGE 21, 73 (79); fast wortgleich u. a. in BVerfGE 52, 1 (41); 108, 52 (75); 110, 33 (53)  – jeweils m. w. N.; in BVerfGE 113, 348 (375) spricht das Gericht dann vom „betroffene[n] Bürger“. 262  So z. B. in BVerfGE 73, 388 (400); 19, 253 (267); 34, 348 (365); 49, 343 (362). 263  BVerfGE 99, 216 (243); vgl. auch Sandrock, in: FS Ipsen, S. 802 f.

60 Kap. 1: Grundsätze der „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ im deutschen Recht

schen Methodik“ hinreichend konkretisiert werden können.264 Der nicht rechtswissenschaftlich ausgebildete Bürger wird für gewöhnlich die Regeln der juristischen Methodik weder kennen noch beherrschen (können).265 Dies hat mittlerweile dem Anschein nach auch das BVerfG erkannt und in einer jüngeren Entscheidung seine Rechtsprechung mit dem Hinweis erweitert, dass „folglich nicht generell das Verständnis des rechtsunkundigen Bürgers […], der die juristischen Auslegungsmethoden nicht kennt“ maßgebend sei.266 Der Bestimmtheitsgrundsatz fordere nicht, dass der Inhalt gesetzli­ cher Vorschriften „dem Bürger grundsätzlich ohne Zuhilfenahme juristischer Fachkunde erkennbar sein muss“; vielmehr komme es auf vielfältige Um­ stände an.267 Unabhängig davon, ob man hierin eine Änderung der bisheri­ gen Rechtsprechung sieht oder nicht, muss zukünftig wohl  – unter Beach­ tung der Formulierungen „nicht generell“ und „grundsätzlich“  – zumindest in bestimmten Fällen auf die Erkenntnismöglichkeiten Rechtskundiger ab­ gestellt werden. Man wird angesichts dessen differenzieren dürfen, bzw. müssen. Ange­ lehnt an den bereits oben skizzierten Grundsatz, dass Bestimmtheitsanforde­ rungen in unterschiedlichen Bereichen des Rechts unterschiedlich hoch sein können / müssen, ist danach zu fragen, an welchen Adressatenkreis sich eine Norm typischerweise richtet.268 Wendet sie sich an einen abgrenzbaren Kreis an Personen, dessen Mitglieder (auch wenn diese keine Juristen sind) regelmäßig über eine gewisse Rechts- sowie Sachkenntnis der betroffenen Materie verfügen269, wird man diese Kenntnisse bei der Beurteilung von Bestimmtheit und Klarheit miteinbeziehen und beim Verständlichkeitsmaß­ stab auf eben diesen Personenkreis abstellen dürfen.270 In diesem Fall wird es dem Gesetzgeber auch erlaubt sein, (verstärkt) Fachbegriffe zu verwen­ 264  St. Rspr., z. B. BVerfGE 83, 130 (145); 87, 287 (318); 118, 168 (188); 120, 378 (423 f.). Diesen Widerspruch sehen z. B. auch Towfigh, Der Staat 48 (2009), 29 (43), Geitmann, BVerfG und „offene“ Normen, S. 96 f., Gassner, Genehmigungsvor­ behalte, S. 157 sowie Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 137; ähnlich auch Müller, Normenklarheit, S. 145. 265  Vgl. z. B. Neumeyer, Begrenzung, S. 162. 266  BVerfGE 131, 88 (122). 267  BVerfGE 131, 88 (123). Die Aussage, dass es auf vielfältige Umstände an­ komme zeigt, dass jeweils eine gesonderte Einzelfallbetrachtung notwendig ist. 268  Vgl. v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 231; Hill, Gesetzgebungslehre, S. 130; Waldhoff / Grefrath, IStR 2013, 477 (479); Sandrock, in: FS Ipsen, S. 803; Bartone, in: Rensen / Brink, Rechtsprechung des BVerfG, S. 305 (313 f.); Noll, Gesetzgebungsleh­ re, S. 172 ff.; Braun, VerwArch 76 (1985), 24 (45); Hey, DStR 2007, 1 (7 f.). 269  Auch im Hinblick auf die relevanten Begrifflichkeiten. 270  v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 231. Dies dürfte in besonderer Weise bei Vor­ schriften des Technikrechts der Fall sein, die regelmäßig jeweils (nur) für eine be­ stimmte Branche relevant sind, vgl. hierzu Noll, Gesetzgebungslehre, S. 184 und 191



F. Adressatenproblematik61

den, um den Bedeutungsgehalt seiner Vorschriften möglichst präzise zum Ausdruck zu bringen.271 Der betroffene Personenkreis wird die Fachbegriffe regelmäßig kennen, erwarten und mit ihnen umgehen können. Anders ist dies dagegen bei Vorschriften, die sich nicht an eine spezielle Gruppe, sondern die Allgemeinheit richten, wie beispielsweise StGB, OWiG oder BGB, aber auch Steuer- oder Straßenverkehrsgesetze bzw. -verordnun­ gen.272 Hier können keine speziellen Rechts- oder Sachkenntnisse erwartet werden. Schließlich muss es in einer Demokratie möglich sein, dass die Bürger die (in ihrem Namen beschlossenen) Gesetze verstehen können.273 Zumindest im Grundsatz müssen diese Bereiche daher für Jedermann  – mit zumutbarem Aufwand  – verständlich sein.274 Dies gebietet es auch, die Verwendung von Fachbegriffen und Abkürzungen in diesen Bereichen auf ein Mindestmaß zu reduzieren und stattdessen vermehrt auf allgemeinver­ ständliche Begriffe zurückzugreifen.275 Es kann hier im Grundsatz Krüger276 zugestimmt werden, der schon vor einiger Zeit feststellte, dass im Zweifel – aber auch nur dann  – die Verständlichkeit der Präzision vorzuziehen ist.277 Freilich kann diese Regel aber nicht ausnahmslos gelten, sondern muss in jedem Einzelfall kritisch hinterfragt werden. Die Differenzierung zwischen verschiedenen Gesetzesadressaten stimmt zudem im Wesentlichen mit Krügers Forderung überein, Gesetze sollten „mindestens für die interessierten Laien“, also diejenigen, die die Gesetze unmittelbar berühren, erkennbar sein.278 Den typischerweise Betroffenen muss es möglich sein, das Recht – ggf. mithilfe ihres spezifischen Fachwis­ sens  – zu verstehen.279 Denn aus demokratischer und rechtsstaatlicher Sicht sowie Schneider, Gesetzgebung, Rn. 455. Anschaulich in diesem Zusammenhang auch Kirchhof, NJW 2002, 2760 (2760) sowie Bröhmer, Transparenz, S. 163. 271  Vgl. hierzu Kirchhof, NJW 2002, 2760 (2760) sowie Burghart, Gesetz, S. 74 f. 272  Vgl. hierzu Noll, Gesetzgebungslehre, S. 178 f.; Kirchhof, NJW 2002, 2760 (2760). 273  Däubler-Gmelin, BB 2000, Die erste Seite, (Editorial), Nr. 2; a. A. Burghart, Gesetz, S. 70. 274  Sandrock, in: FS Ipsen, S. 803; v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 232; vgl. auch Bartone, in: Rensen / Brink, Rechtsprechung des BVerfG, S. 305 (313). Hierfür spricht auch § 42 Abs. 5 S. 1 GGO, der festlegt: „Gesetzentwürfe müssen sprachlich richtig und möglichst für jedermann verständlich gefasst sein.“ [Hervorhebung hin­ zugefügt]. 275  v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 232. 276  Krüger, Der Adressat des Rechtsgesetzes, S. 94. 277  Dem zustimmend auch v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 233 f. Ähnlich zudem Herzog, NJW 1999, 25 (26). 278  Krüger, Der Adressat des Rechtsgesetzes, S. 82–88, 111 f., 114. 279  Vgl. v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 232 f.

62 Kap. 1: Grundsätze der „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ im deutschen Recht

kann es dem Gesetzgeber nicht erlaubt sein, Gesetze durchgehend so aus­ zugestalten, dass ausschließlich Juristen diese verstehen können. Es dürfte vor diesem Hintergrund der skizzierten Rechtsprechung des BVerfG nicht widersprechen, wenn im Grundsatz darauf abgestellt wird, ob die Normen für die jeweils Betroffenen verständlich sind. Eine ausnahms­ lose Verständlichkeit für alle Betroffenen zu gewährleisten, wird dem Ge­ setzgeber allerdings kaum in allen Fällen möglich sein.280 In bestimmten (z. B. sehr komplizierten) Situationen muss daher auch auf das Verständnis eines Juristen abgestellt werden dürfen. Wo genau aber eine Grenze zu ziehen ist, in welchen Fällen also noch das Verständnis der Betroffenen maßgebend sein soll und ab wann die Kenntnisse und Fähigkeiten eines Juristen miteinbezogen werden dürfen, ist abstrakt ebenfalls nur sehr schwierig zu beantworten; es muss insoweit auf den Einzelfall abgestellt werden. Dieser Meinung ist wohl auch das BVerfG, wenn es darauf ver­ weist, dass es auf „vielfältige Umstände“281 ankomme. Eine Abgrenzung / Grenzziehung wird man aus diesen Gründen nur an­ hand bestimmter „Indizien“ durchführen können. Ein Abstellen auf den Verständnishorizont eines fachkundigen Juristen könnte z. B. dann geboten sein, wenn ein Fall besonders komplex oder speziell, besonders umstritten bzw. ungeklärt ist, oder eine außergewöhnliche oder seltene Konstellation vorliegt. Zudem dürfte auch bei Auslegungsproblemen sowie unbestimmten Rechtsbegriffen und Generalklauseln teilweise ein Abstellen auf den juristi­ schen Verständnishorizont unumgänglich sein. In nicht wenigen („problema­ tischen“) Fällen wird es daher letztendlich doch auf juristischen Sachver­ stand ankommen (müssen). Die hohe Komplexität der modernen Gesell­ schaft und die daran angepasste Rechtsordnung verhindern eine uneinge­ schränkte Verständlichkeit für die Betroffenen. Es liegt zudem im Wesen des Rechts, dass nicht in allen Fällen eine klare und eindeutige Lösung existiert. Recht ist, insbesondere bezogen auf einen konkreten Fall, an sehr vielen Stellen weder „schwarz“ noch „weiß“ oder enthält die eine Lösung. Vielmehr existiert – zumindest vor der höchst­ richterlichen Klärung eines Einzelfalls  – oft ein „Graubereich“ mit einer ganzen Reihe vertretbarer Auslegungsergebnisse und Sichtweisen.282 Auch Rechtsanwälte, sonstige Berater und Juristen können einen Fall nicht immer „schwarz“ oder „weiß“ zuordnen, sondern vielfach nur darlegen, wo unge­ fähr im „Graubereich“ eine Konstellation anzusiedeln ist, bzw. welche Ar­ gumente für und gegen eine bestimmte Auslegung sprechen oder welche Noll, Gesetzgebungslehre, S. 182. 131, 88 (123). 282  Frei nach Höcker, Rechtsirrtümer, S. 37 f. 280  Ähnlich

281  BVerfGE



F. Adressatenproblematik63

Risiken mit der einen oder anderen Sichtweise verbunden sind.283 Kein Rechtsanwalt wird seinem Mandanten eine Garantie ausstellen (können), dass ein Gericht einen Fall in einer bestimmten Weise entscheidet. Bis zu einem gewissen Punkt bleibt die Erkennbarkeit der Rechtslage somit immer eine Fiktion. Dies verschärft sich noch, wenn von einer Erkennbarkeit „an­ hand der gesetzlichen Regelung“284 gesprochen wird, da sich Recht als solches längst nicht auf Gesetze und sonstige Rechtsakte beschränkt, son­ dern in der Praxis ganz erheblich durch Gerichtsentscheidungen, Verwal­ tungspraxis und Fachliteratur geprägt wird.285 Umso wichtiger ist es daher, dass der Wortlaut stets die äußerste Grenze der Auslegung einer Norm bil­ det.286 Dennoch muss davor gewarnt werden, generell nur auf eine Erkennbar­ keit für Juristen abzustellen. Es besteht sonst die Gefahr, dass sich das Recht von den Nichtjuristen (der ganz überwiegenden Zahl der Gesetzesad­ ressaten) entfernt und somit möglicherweise auch die Akzeptanz des Rechts schwindet;287 denn wer nicht in der Lage ist, ein Gesetz zu verstehen, kann und wird es nicht befolgen.288 Im Grundsatz muss die Rechtslage deshalb, auch im Hinblick auf das Demokratieprinzip und den Grundsatz Ignorantia legis non excusat289, für die jeweiligen Betroffenen erkennbar sein. Nur in bestimmten Fällen darf ausschließlich auf den Verständnishorizont eines Juristen abgestellt werden. Dabei werden die konkreten Umstände des Ein­ zelfalls entscheidend sein.

II. Maßstab im Vergaberecht Für die bevorstehende Prüfung ist zu klären, welcher Maßstab im Verga­ berecht anzulegen ist. Dies richtet sich wie gerade gesehen nach dem typi­ schen Adressatenkreis der vergaberechtlichen Normen. Bei näherer Betrach­ tung fällt auf, dass sowohl auf Seiten der Auftrag- bzw. Konzessionsgeber als auch auf Seiten der Auftrag- und Konzessionsnehmer nicht ausschließlich (ggf. spezialisierte) Juristen mit dem Vergaberecht befasst sind. Vielmehr sind branchenübergreifend oft juristische Laien gezwungen, sich den spezi­ 283  Vgl.

ebd. in BVerfGE 131, 88 (123). 285  Vgl. hier Towfigh, Der Staat 48 (2009), 29 (49 f.), der feststellt, dass dem Adressat die Kenntnis des Gesetzes nicht nütze, weil er hieraus nicht folgern könne, was Recht ist. 286  v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 234. 287  Vgl. v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 230. 288  So auch Herzog, NJW 1999, 25 (25 f.). 289  „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“. 284  So

64 Kap. 1: Grundsätze der „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ im deutschen Recht

ellen Vorgaben dieses Rechtsgebiets zu stellen.290 Ein durchgängiges Abstel­ len auf den Verständnishorizont eines Juristen verbietet sich damit. Aller­ dings ist auch zu bedenken, dass sich das Vergaberecht an einen abgrenz­ baren Kreis an Personen richtet und die Auseinandersetzung mit dem Ver­ gaberecht in aller Regel nicht in der privaten, sondern in der beruflichen Sphäre der Betroffenen stattfindet. Es kann und muss daher von den Betrof­ fenen ein gewisses Maß an Sach- und Rechtskenntnissen erwartet werden, das bei der Festlegung des Verständlichkeitsmaßstabes miteinzubeziehen ist.

G. Rechtsfolgen eines Verstoßes – Anwendung in der Praxis Dem hohen Stellenwert der Grundsätze der Bestimmtheit und Klarheit widerspricht in vielen Fällen ihre Anwendung in der Praxis. So beschränken sich die verfassungsrechtlichen Prüfungen schwer verständlicher Normen einerseits oft auf floskelhafte Ausführungen und Prüfungen.291 Andererseits hat sich das BVerfG in der älteren Vergangenheit darauf beschränkt, einen Verstoß nur „ausnahmsweise“292 oder in „extremen Fällen“293 anzunehmen. Dementsprechend sind vom BVerfG in der Vergangenheit nur recht wenige Gesetze als unbestimmt bzw. unklar eingestuft und folglich für nichtig bzw. mit dem GG unvereinbar erklärt294 worden.295 290  Vgl. Dicks, in: „ ‚Die mehreren nationalen Rechtsebenen des Vergaberechts gehören bereinigt‘  – Interview mit Heinz-Peter Dicks, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht, Vorsitzender des Vergabesenats und des 2. Kartellsenats des OLG Düsseldorf“, in: Vergabeblog.de v. 18.09.2011, Nr. 10774, abrufbar im Internet un­ ter: http: /  / www.vergabeblog.de / 2011-09-18 / die-mehreren-nationalen-rechtsebenendes-vergaberechts-gehoren-bereinigt-interview-mit-heinz-peter-dicks-vorsitzenderrichter-am-oberlandesgericht-vorsitzender-des-vergabesenats-und-des-2-kar /   – zuletzt abgerufen am 29.11.2013. 291  Hierzu anschaulich und mit einer Vielzahl an Beispielen Kunig, Rechtsstaats­ prinzip, S. 233 ff. 292  BVerfGE 17, 67 (82); kritisch hierzu Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 403 sowie Papier / Möller, AöR 122 [1997], 177 (197). 293  Z. B. BVerfGE 1, 14 (45). 294  Nicht in allen Fällen erklärt das BVerfG eine Regelung für nichtig. Möglich ist in bestimmten Fällen auch eine Unvereinbarkeitserklärung, verbunden mit einem Neuregelungsauftrag an den Gesetzgeber; hierzu näher BVerfGE 119, 331 (382 f.) sowie Singer, Rechtsklarheit, S. 75 f. m. w. N. Vgl. auch § 31 Abs. 2 BVerfGG sowie BVerfGE 118, 168 (211). 295  So Papier / Möller, AöR 122 [1997], 177 (196 f.), die insoweit auch Extrem­ beispiele für als noch hinreichend bestimmt angesehene Normen anführen, beispiels­ weise den noch heute geltenden § 2 Abs. 1 Preisgesetz: „Die für die Preisbildung zuständigen Stellen […] können Anordnungen und Verfügungen erlassen, durch die Preise […]festgesetzt oder genehmigt werden, oder durch die der Preisstand aufrecht



H. Bestimmtheit und Klarheit im Recht der Europäischen Union 65

Dies scheint sich seit einiger Zeit jedoch zu ändern. Insbesondere im Bereich der Klarheit zeichnet sich in aktuelleren Urteilen eine Tendenz ab, die Vorgaben des Grundsatzes nun etwas konsequenter zu verfolgen.296

H. Bestimmtheit und Klarheit im Recht der Europäischen Union Der Grundsatz der Rechtssicherheit, der im deutschen Verfassungsrecht oft zur Herleitung der Grundsätze der Bestimmtheit und Klarheit herange­ zogen wird, ist auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) seit langer Zeit anerkannt.297 Er gilt als ein fundamentaler Grund­ satz der Gemeinschaftsrechtsordnung298 und dient auch hier der Ableitung von Anforderungen an Bestimmtheit und Klarheit.299 Bestimmtheits- und Klarheitsanforderungen sind demzufolge auch im Unionsrecht bekannte Prinzipien; sie stellen Anforderungen an die Ausgestaltung der Sekundär­ rechtsakte.300

erhalten werden soll“. Vgl. auch Singer, Rechtsklarheit, S. 25 f. sowie Sodan, in: ders. / Ziekow, § 7 Rn. 40. 296  Vgl. insoweit die Urteile BVerfGE 99, 216 (242 f.); 107, 395 (416 ff.); 108, 52 (75 ff.); 110, 33 (52 ff.); 113, 348 (375 ff.); 118, 168 (186 ff.); 119, 331 (381 f.); 120, 274 (315 ff.); 120, 378 (407 ff.); 131, 88 (122 ff.). Diese Tendenz wurde auch bereits an einigen Stellen in der Literatur festgestellt, vgl. z. B. Singer, Rechtsklar­ heit, S. 26; Bartone, in: Rensen / Brink, Rechtsprechung des BVerfG, S. 305 (326 f.); Papier / Möller, AöR 122 [1997], 177 (197 ff.); Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 202. 297  Vgl. z. B. EuGH, Urt. v. 12.11.1981, Rs. C-212 / 80 bis C-217 / 80, Slg. 1981, I-2735  – „Salumi“, Rn. 10; EuGH, Urt. v. 21.09.1983, Rs. C-205 / 82 bis C-215 / 82, Slg. 1983, I-2633  – „Deutsche Milchkontor“, Rn. 30; v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 497 m. w. N.; Schilling, EuGRZ 2000, 3 (19). 298  EuGH, Urt. v. 01.10.2009, Rs. C-247 / 08, Slg. 2009, I-9225  – „Gaz de France“, Rn. 38; Soltész / Steinle / Bielesz, EuZW 2003, 202 (204). 299  Z. B. EuGH, Urt. v. 12.11.1981, Rs. C-212 / 80 bis C-217 / 80, Slg. 1981, I-2735  – „Salumi“, Rn. 10; EuGH, Urt. v. 12.12.1996, Rs. C-74 / 95 und C-129 / 95, Slg. 1996, I-6609, Rn. 25  – „Strafverfahren gegen X“; EuGH, Urt. v. 24.07.2003, Rs. C-280 / 00, Slg. 2003, I-7747  – „Altmark Trans“, Rn. 59, 63 ff.; v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 497 f.; Soltész / Steinle / Bielesz, EuZW 2003, 202 (204). Zur Her­ leitung auch Bröhmer, Transparenz, S. 172: „Der EuGH hat den Bestimmtheits­ grundsatz sowohl aus der EMRK als auch aus den gemeinsamen Verfassungstraditi­ onen der Mitgliedstaaten abgeleitet und als allgemeinen Grundsatz des Gemein­ schaftsrechts übernommen.“ 300  Vgl. Soltész / Steinle / Bielesz, EuZW 2003, 202 (204); Schilling, EuGRZ 2000, 3 (30 f.). Zur Differenzierung der Bestimmtheitsanforderungen zwischen Richtlinie und Verordnung Hammer-Strnad, Bestimmtheitsgebot, S. 32 f., 58.

66 Kap. 1: Grundsätze der „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ im deutschen Recht

Konkret geht der EuGH davon aus, dass „die Gemeinschaftsgesetzgebung klar und für die Betroffenen vorhersehbar“301 sowie Rechtsakte „eindeutig“302 sein müssten. Es sei von besonderer Bedeutung, dass „die Rechtslage für den Einzelnen hinreichend bestimmt und klar ist und ihn in die Lage ver­ setzt, von allen seinen Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenen­ falls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen“303. Zudem seien Bestimmungen einer Richtlinie von den Mitgliedstaaten mit unbestreitbarer Verbindlichkeit und „der erforderlichen Konkretheit, Bestimmtheit304 und Klarheit“ umzusetzen.305 Die Entscheidungen, in denen der EuGH auf Bestimmtheits- und Klar­ heitsanforderungen Bezug nimmt, betreffen vorwiegend Sanktionsvorschrif­ ten und Abgaben,306 wobei häufig über eine (mangelnde) Umsetzung von Richtlinien zu entscheiden ist. Speziell im Bereich der Abgaben heißt es etwa, dass „eine den Abgabepflichtigen belastende Regelung klar und deut­ lich“ sein müsse. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Regelung stehe dem jedoch nicht entgegen, auch nicht, wenn die Auslegung „schwierig“ sei.307 Letztendlich beziehen sich die Anforderungen neben belastenden auch auf für den Einzelnen vorteilhafte Rechtsakte, gerade wenn Mitgliedstaaten Richtlinien ins innerstaatliche Recht umzusetzen haben, die individuelle Begünstigungen vorsehen.308

301  EuGH, Urt. v. 12.11.1981, Rs. C-212 / 80 bis C-217 / 80, Slg. 1981, I-2735  – „Salumi“, Rn. 10; ähnlich auch EuGH, Urt. v. 07.06.2005, Rs. C-17 / 03, Slg. 2005, I-4983  – „VEMW u. a.“, Rn. 80. 302  EuGH, Urt. v. 22.02.1984, Rs. C-70 / 83, Slg. 1984, I-1075 – „Gerda Kloppen­ burg / Finanzamt Leer“, Rn. 11. 303  EuGH, Urt. v. 24.07.2003, Rs. C-280 / 00, Slg. 2003, I-7747  – „Altmark Trans“, Rn. 59; ähnlich bereits EuGH, Urt. v. 09.07.1981, Rs. C-169 / 80, Slg. 1981, I-1931  – „Gondrand Frères“, Rn. 17. 304  Vgl. hierzu auch Wübbenhorst, Unbestimmtheit, S. 81 f. m. w. N. 305  EuGH, Urt. v. 18.10.2001, Rs. C-354 / 99, Slg. 2001, I-7657  – „Kommissi­ on / Irland“, Rn. 27; fast wortgleich auch EuGH, Urt. v. 27.04.2006, Rs. C-441 / 02, Slg. 2006, I-3449  – „Kommission / Bundesrepublik Deutschland“, Rn. 73 sowie EuGH, Urt. v. 24.10.2013, Rs. C-151 / 12  – „Kommission / Spanien“, Rn. 26. Zur Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht vgl. auch Schilling, EuGRZ 2000, 3 (20) sowie v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 500. 306  Vgl. die „Analyse der Rechtsprechung des EuGH“ bei Hammer-Strnad, Be­ stimmtheitsgebot, S. 59 ff. 307  EuGH, Urt. v. 17.07.1997, Rs. C-354 / 95, Slg. 1997, I-4559  – „National Far­ mers’ Union“, Rn. 57–59. 308  v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 503 f. mit Zitat von EuGH, Urt. v. 09.09.1999, Rs. C-217 / 97, Slg. 1999, I-5087  – „Kommission / Deutschland“, Rn. 32.



H. Bestimmtheit und Klarheit im Recht der Europäischen Union 

67

Verstoßen Vorschriften gegen die geforderte Klarheit oder Bestimmtheit, so erklärt auch der EuGH Vorschriften für nichtig.309 Allerdings geschieht dies nur in recht wenigen Fällen, da Verstöße nicht zu Lasten der Rechts­ unterworfenen gehen sollen und der EuGH eine Reihe von „Kompensatio­ nen“ zulässt.310 Insgesamt ähneln die Vorgaben des EuGH denen des deutschen Verfas­ sungsrechts.311 Zudem wird – ebenfalls ähnlich wie in Deutschland – in der Literatur mitunter die Rechtsprechung des EuGH kritisiert. Dieser gehe z. B. bei der Prüfung der Anforderungen nicht konsequent vor, da er insbesonde­ re im Fall divergierender Sprachfassungen einer rechtlichen Vorschrift auf die Anwendung der Grundsätze verzichte.312 Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung sollen die Aspekte der Bestimmtheit und Klarheit im Recht der Europäischen Union jedoch nicht vertieft werden. Die europäischen Vorgaben zum Vergaberecht sind in Form von Richtlinien gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV ausgestaltet und entfalten grundsätzlich keine unmittelbare Wirkung gegenüber (potentiellen) Auftragbzw. Konzessionsgebern und -nehmern. Vielmehr ist stets ein innerstaatli­ cher Umsetzungsakt erforderlich, so dass für die Rechtsanwender in der Praxis vornehmlich die Vorschriften des nationalen Rechts maßgeblich sind. Wie schon in der Einleitung angesprochen, sollen im Rahmen dieser Unter­ suchung daher die nationalen Vorschriften näher betrachtet und überprüft werden.

309  Grüner, 310  So

191 ff.

Quantität und Qualität, S. 191. mit näheren Ausführungen Hammer-Strnad, Bestimmtheitsgebot, S. 89,

311  Vgl. hierzu v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 501, sowie Hammer-Strnad, Be­ stimmtheitsgebot, S. 89, die Bestimmtheit in einer Überschrift als „insbesondere deutsches Anliegen“ bezeichnet, da der Anteil der Entscheidungen, in welchen deut­ sche Gerichte, Kläger oder Beklagte Fragen der hinreichenden Bestimmtheit aufwer­ fen, verhältnismäßig hoch sei. 312  Schilling, EuGRZ 2000, 3 (20).

Kapitel 2

Systemgerechtigkeit, Einheit der Rechtsordnung und Kohärenz Neben den klassisch verfassungsrechtlichen Aspekten der Bestimmtheit und Klarheit müssen für die weiteren Prüfungen auch einige hiermit ver­ wandte bzw. hieran angrenzende Prinzipien näher betrachtet werden. Es handelt sich dabei um die sog. Systemgerechtigkeit (auch als Folgerichtig­ keit bezeichnet1), den Gedanken der Einheit der Rechtsordnung und die sog. Kohärenz.

A. Systemgerechtigkeit Unter Systemgerechtigkeit wird die Pflicht des Gesetzgebers verstanden, Sachverhalte in sich konsistent und folgerichtig zu regeln.2 Zum Teil wird daher  – gerade in jüngerer Zeit  – auch direkt von Folgerichtigkeit gespro­ chen.3 Ein System von Grundregeln4 muss demnach in sich geschlossen und als Ganzes verständlich sein.5 Normen und Normenkomplexe (bzw. die 1  Payandeh, AöR 136 (2011), 578 ff.; vgl. auch Heun, in: Dreier, GG, Bd. 1, Art. 3 Rn. 37. 2  Vgl. Osterloh / Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 98; Heun, in: Dreier, GG, Bd. 1, Art. 3 Rn. 37. Ausführlich zur Systemgerechtigkeit auch Peine, Systemgerech­ tigkeit, Baden-Baden 1985. 3  Payandeh, AöR 136 (2011), 578 ff.; BVerfGE 121, 317 (362); 122, 210; vgl. zudem die Nachweise bei Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 56 mit Fn. 127. Auf­ grund der weitgehend identischen Überlegungen des BVerfG zu Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit und der synonymen Begriffsverwendung des Gerichts, kann hier auf eine Unterscheidung zwischen beiden Begriffen verzichtet werden, vgl. hierzu Payandeh, AöR 136 (2011), 578 (582 m. w. N.); ziemlich ähnlich Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 56 f. und S. 182 ff. m. w. N. 4  Die Ermittlung, was zum „System“ gehört und welche Normen von diesem System abweichen, bzw. ab wann überhaupt erst ein System vorliegt, kann außeror­ dentlich schwierig sein, das BVerfG bietet hierfür jedenfalls kaum Orientierungshil­ fen, vgl. hierzu Payandeh, AöR 136 (2011), 578 (590 f.); Dieterich, Systemgerech­ tigkeit, S. 72 ff.; ähnlich auch Kischel, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 96 m.w.N; Degenhart, Systemgerechtigkeit, S. 3. 5  Hey, Steuerplanungssicherheit, S. 563 mit Verweis auf Benda, DStZ 1984, 159 (162 f.).



A. Systemgerechtigkeit69

zugrundeliegenden Regelungsziele und -wirkungen6) sollen inhaltlich und sprachlich aufeinander abgestimmt7 d. h. in sich stimmig und konsistent sein. Der Gesetzgeber soll mit anderen Worten konsequent verfahren8 und die einem System zugrundeliegenden Wertentscheidungen in den einzelnen gesetzlichen Regelungen ausformen.9 Insbesondere sollen Regel und Aus­ nahme in einem stimmigen Verhältnis zueinander stehen.10 Im Unterschied zum Klarheitsgebot führt ein Verstoß hiergegen allerdings nicht ohne wei­ teres zur Nichtigkeit der betroffenen Vorschriften: Die Systemgerechtigkeit / Folgerichtigkeit wird ganz überwiegend nicht aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet, sondern entfaltet lediglich i. R.v. Art. 3 Abs. 1 GG Relevanz.11 Das BVerfG betont dabei, dass eine System­ widrigkeit alleine für das Vorliegen eines Gleichheitsverstoßes nicht ausrei­ che, sie könne „allenfalls“ Indiz hierfür sein.12 In gewisser Weise konkre­ tisiert der Topos der Systemgerechtigkeit jedoch den Inhalt des Gleichheits­ satzes13 und begründet bei Abweichungen vom System etwas erhöhte Rechtfertigungsanforderungen14  – weshalb ihm als „Hilfsfunktion“ durch­ 6  Vgl. insoweit BVerfGE 122, 210 (244), worin das BVerfG hinsichtlich der damaligen Neuregelung zur einkommensrechtlichen Berücksichtigung des Aufwands für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz (Pendlerpauschale) eine mangelnde Konsequenz und Konsistenz der Regelungsziele und -wirkungen feststellte. 7  Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 193; vgl. an dieser Stelle auch § 27 Abs. 2 TKG: „Die Bundesnetzagentur hat darauf zu achten, dass Entgelt­ regulierungsmaßnahmen in ihrer Gesamtheit aufeinander abgestimmt sind (Konsistenzgebot).“ [Hervorhebung hinzugefügt]. 8  Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 284. 9  Payandeh, AöR 136 (2011), 578 (582) mit Verweis auf die ständige Recht­ sprechung des BVerfG, z. B. BVerfGE 19, 101 (116) und 21, 160 (172); vgl. auch BVerfGE 121, 317 (362); Bumke, Der Staat 49 (2010), 77 (96); Grzeszick, Rationa­ litätsanforderungen, VVDStRL 71 (2012), 49 (60). 10  Bumke, Der Staat 49 (2010), 77 (96). 11  Sendler, NJW 1998, 2875 (2875 f.); Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 54, 555, 822; Kohl, Widerspruchsfreie Normgebung, S. 156 f., 180; Degenhart, System­ gerechtigkeit, S. 49; vgl. BVerfGE 122, 210 (235 / 245); 123, 111 (123). Im Wider­ spruch hierzu steht BVerfGE 121, 317, worin das BVerfG nicht an Art. 3 Abs. 1 GG, sondern an die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen der Freiheitsrechte anknüpft und sich dann an dieser Stelle mit Fragen der Folgerichtigkeit auseinandersetzt. Letztlich handelt es sich aber auch hier um Fragen der Gleichbehandlung, vgl. in­ sofern Kischel, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 96.1. 12  BVerfGE 122, 1 (36); kritisch hierzu Payandeh, AöR 136 (2011), 578 (589 ff.); vgl. zudem auch Krieger, in: Hofmann / Henneke, GG, Art. 3 Rn. 52. 13  Vgl. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 286. 14  Vgl. Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 74 mit Verweis auf BVerfG 122, 210. Vgl. zudem auch BVerfGE 124, 199 (222 f.) sowie (kritisch hierzu) Kischel, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 96.4.

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Kap. 2: Systemgerechtigkeit, Einheit der Rechtsordnung und Kohärenz

aus eine Existenzberechtigung zukommt.15 Entscheidend ist nach Ansicht des BVerfG, ob die Abweichung sachlich „hinreichend“16 bzw. „plausibel“17 gerechtfertigt ist.18 Dabei müssten die Gründe für eine Durchbrechung des einmal gewählten Ordnungsprinzips, um überzeugend zu sein, in ihrem Gewicht der Intensität der Abweichung von der zugrunde gelegten Ordnung entsprechen.19 Dies dürfte im Wesentlichen der heute vom BVerfG verwen­ deten „Je-desto-Formel“ entsprechen, wonach die Intensität der Ungleichbe­ handlung und die Intensität der Prüfungskontrolle in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen20. Aus Gründen der Innovationshemmung und unter Berücksichtigung der – auf demokratietheoretischen Aspekten gründenden21  – gesetzgeberischen Freiheit dürfen die Anforderungen an das Vorliegen eines solchen sachlich „hinreichenden“ Grundes allerdings nicht übersteigert werden.22 Der Ge­ setzgeber muss beim Bestehen nachvollziehbarer (hinreichender / plausibler) Gründe von einem selbst gesetzten (Regelungs-)System abweichen dürfen;23 er darf nicht zu stark an das bereits bestehende System gebunden sein.24 Denn in nicht wenigen Fällen sind von einem System abweichende Rege­ lungen zur Erzielung (sach-)gerechter Ergebnisse durchaus notwendig.25 So 15  Dieterich,

Systemgerechtigkeit, S. 555. 122, 1 (36 m. w. N.); 85, 238 (247). 17  BVerfGE 81, 156 (207); 124, 199 (223); Osterloh / Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 100. 18  Teilweise deuten die Formulierungen des BVerfG allerdings auf noch weiter­ gehende Rechtfertigungsanforderungen hin, vgl. z. B. BVerfGE 59, 36 (49). Zudem wird in Bezug auf das Steuerrecht teilweise das Vorliegen eines „besonderen sach­ lichen Grundes“ [Hervorhebung hinzugefügt] o. ä. gefordert, vgl. BVerfGE 122, 210 (231 m. w. N.); 123, 111 (120 f.). Repräsentativ sind  – außerhalb des Steuerrechts  – jedoch eher die hier genannten Formulierungen „hinreichend“ und „plausibel“, vgl. Osterloh / Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 100. 19  BVerfGE 59, 36 (49 m. w. N.); 67, 70 (84 f.); Felix, Einheit der Rechtsord­ nung, S. 284. 20  Krieger, in: Hofmann / Henneke, GG, Art. 3 Rn. 33 (vgl. auch Rn. 29 bis 31 zur Entwicklung der Rechtsprechung im Laufe der Zeit); Heun, in: Dreier, GG, Bd. 1, Art. 3 Rn. 32; vgl. zudem BVerfGE 124, 199 (223). 21  Vgl. Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 297. 22  So Heun, in: Dreier, GG, Bd. 1, Art. 3 Rn. 37; grundsätzlich kritisch zur Sys­ temgerechtigkeit Krieger, in: Hofmann / Henneke, GG, Art. 3 Rn. 52. 23  BVerfGE 85, 238 (247); vgl. auch Degenhart, Systemgerechtigkeit, S. 3. 24  Kischel, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 96; vgl. auch Bumke, ZG 1999, 376 (381), der feststellt, der Grundsatz der Systemgerechtigkeit sei „bei weitem nicht so stark, Wertungswidersprüche generell auszuschließen“. 25  Kischel, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 96 formuliert treffend: „[…] weil die Abweichung von einem Regelungssystem gerade sachgerecht, die Anwen­ dung in einem Einzelfall gerade sachwidrig sein kann“. 16  BVerfGE



A. Systemgerechtigkeit

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wird es oft nicht möglich sein, den zu regelnden Lebensbereich „in ein Schema zu pressen“, vielmehr sind in der Regel Differenzierungen, Abgren­ zungen, Ausnahmen und unterschiedliche Regelungsansätze für bestimmte Situationen erforderlich. Sähe man dies anders und verlangte eine starke Systembindung, würden der Judikative (zu) weitreichende (Kontroll-)Befug­ nisse übertragen.26 Zudem bestünde in tatsächlicher Hinsicht die Gefahr einer „Verkrustung“, die es dem Gesetzgeber verwehrte, auf aktuelle Ent­ wicklungen angemessen und flexibel zu reagieren;27 die Verwendung sach­ gerechter Maßnahmen bzw. Ausnahmen wäre in diesem Fall kaum mög­ lich.28 Auf der anderen Seite darf die Gestaltungsfreiheit und Flexibilität des Gesetzgebers natürlich nicht unbegrenzt sein. Ohne ein Mindestmaß der vom BVerfG geforderten hinreichenden sachlichen Gründe darf der Gesetz­ geber nicht vom bestehenden Regelungssystem abweichen. Es kann dem Gesetzgeber nicht erlaubt sein, beliebige Aspekte willkürlich unterschiedlich zu regeln. So wird der Gesetzgeber z. B. keine unbegrenzte, beliebige An­ zahl an Ausnahmen vom Anwendungsbereich anordnen dürfen, ohne hierfür jeweils nachvollziehbare, plausible Gründe vorweisen zu können. Weiterhin gilt es an dieser Stelle zu beachten, dass nur Regelungen, die vom selben Gesetzgeber erlassen wurden, im Rahmen der Systemgerechtig­ keit relevant sind,29 da eine Ungleichbehandlung i. R.v. Art. 3 Abs. 1 GG nur bei Vergleichsfällen desselben Trägers öffentlicher Gewalt möglich ist.30 Andere Fälle sind insofern nicht erfasst. Zudem kann Systemgerech­ tigkeit bzw. -widrigkeit nur innerhalb des Systems einer einzelnen Sachma­ terie bzw. eines Rechtsgebietes auftreten. Denn nach dem BVerfG enthält der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht das Gebot, ver­ wandte Sachverhalte in verschiedenen Ordnungsbereichen / Rechtsgebieten identisch zu regeln.31 Unterschiedliche Regeln sind daher in verschiedenen Bereichen durchaus möglich und zumindest verfassungsrechtlich32 nicht zu beanstanden. Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 299. BVerfGE 60, 16 (43); Benda, DStZ 1984, 159 (161); Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 285; ähnlich v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 258. 28  Kischel, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 96. 29  Jarass, AöR 126 (2001), 588 (595); Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 78, 195. 30  BVerfGE 79, 127 (158) m. w. N.; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 9; Jarass, AöR 126 (2001), 588 (588); ausführlich Kohl, Widerspruchsfreie Normge­ bung, S. 173 ff. 31  BVerfGE 75, 78 (107); Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 286. 32  Möglicherweise können derartige Regelungen als rechtspolitisch bedenklich eingestuft werden, eine verfassungsrechtliche Relevanz ergibt sich aber gerade nicht. 26  Vgl.

27  Ebd.;

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Kap. 2: Systemgerechtigkeit, Einheit der Rechtsordnung und Kohärenz

Nach alledem ist die Reichweite des Systemgerechtigkeits- / Folgerichtig­ keitsgedankens (sehr) begrenzt.33 In vielen Konstellationen – außerhalb des soeben skizzierten Anwendungsbereichs des Art. 3 Abs. 1 GG oder beim Vorliegen sachlich hinreichender Gründe  – ist deshalb ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG und folglich eine Verfassungswidrigkeit der betroffenen Norm(en) abzulehnen. Trotzdem kann im Rahmen der vorliegenden Untersuchung hinterfragt werden, ob die getroffene Regelung sinnvoll ist bzw. sie zur besseren Er­ reichung des Normzwecks oder leichterer Verständlichkeit nicht möglicher­ weise hätte (ganz) anders ausgestaltet werden müssen. Nur handelt es sich dabei dann eben nicht um verfassungsrechtlich relevante Fragen, sondern um rechtspolitische Gesichtspunkte und Aspekte gelungener Gesetzge­ bung34 bzw. Rechtsästhetik. So mögen beispielsweise die Einheitlichkeit des Rechts oder noch „konsistentere“ oder „stimmigere“ Regelungen zwar förderungswürdige Ziele sein  – schließlich dürften dadurch Übersichtlich­ keit und Anwendbarkeit des Rechts für die Betroffenen (weiter) erleichtert werden.35 Verfassungsrechtlich relevant sind sie indes nicht. Der Gesetzge­ ber muss die Möglichkeit haben, einzelne Regelungen abweichend vom bestehenden System auszugestalten, wenn ihm dies sachlich geboten er­ scheint. Es ist wesentliche Aufgabe des Gesetzgebers, zwischen mehreren vertretbaren Regelungsalternativen zu entscheiden. Hierbei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Entscheidet er sich aufgrund inhaltlicher Aspekte gegen die theoretisch „konsistenteste“ Lösung, ist ihm dies verfas­ sungsrechtlich regelmäßig nicht vorzuwerfen. Die Rechtsordnung muss „Raum für Uneinheitlichkeit lassen, um Konflikte aufzulösen und Heraus­ forderungen effektiv zu bewältigen“.36 Letztendlich dürfen auch politische Gegebenheiten nicht verkannt werden,37 sondern müssen bei der inhaltlichen Reichweite der Systemge­ rechtigkeit berücksichtigt werden. Gesetzliche Regelungen bilden in der Praxis aufgrund der hohen Zahl verschiedener Einzelinteressen und Ansich­ ten oft politische Kompromisse ab.38 Wie bereits angesprochen,39 ist dies Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 194. Huster / Rux, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 20 Rn. 183.1. 35  Hierzu ähnlich Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 240. 36  Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 555; vgl. auch Schmidt, in: FS Canaris, S. 1353 (1358). 37  Instruktiv hierzu Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 556 ff., 173. 38  Vgl. an dieser Stelle auch Körber, Grundfreiheiten, S. 244, der darauf hinweist, dass Gesetze „kaum jemals ein Regelungsziel konsequent und lückenlos verwirk­ lichen, sondern typischerweise die wirtschafts- und rechtspolitischen Zwänge wider­ spiegeln, unter denen sie entstanden sind“. 39  Vgl. oben Kap. 1 D. III. 1. d). 33  Vgl. 34  Vgl.



A. Systemgerechtigkeit

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im demokratischen Staat zwar nicht unüblich, ein negativer Einfluss auf die Qualität des Rechts (Konsistenz, Stimmigkeit etc.) liegt darin aber dennoch. Umfangreiche Verhandlungen zwischen den jeweiligen Interessenträgern (Stakeholdern) vor und während des Gesetzgebungsprozesses stehen klaren und präzisen gesetzlichen Formulierungen üblicherweise entgegen.40 Prob­ lematisch ist insbesondere das Vereinbaren sog. „package deals“, bei denen von den Beteiligten verschiedene, eigentlich getrennte Fragestellungen mit­ einander verknüpft werden, um durch gegenseitige Zugeständnisse in den jeweiligen Bereichen Kompromisse zu finden.41 Weiterhin stehen auch er­ hebliche Zeitabstände zwischen einzelnen Normierungen, sich wandelnde politische Mehrheitsverhältnisse, Fehleinschätzungen hinsichtlich konkreter Normauswirkungen42 oder das Einwirken verschiedener Lobby- und Inter­ essengruppen auf die politischen Entscheidungsträger der Schaffung konsis­ tenter Normwerke entgegen. Letzteres führt insbesondere zu einer Erhöhung der Zahl an Ausnahmeregelungen.43 Gerade bei Normvorhaben, die die bestehende Rechtslage verschärfen, bzw. durch die ein Regelungsbereich erstmals gesetzlich geregelt wird, versuchen Interessengruppen auf nationa­ ler wie internationaler Ebene, dass der von ihnen vertretene Bereich nicht umgestaltet wird bzw. von Normierungen befreit bleibt. Dies hat sich expli­ zit bei der Schaffung der neuen europäischen Vergaberichtlinien (insbeson­ dere der KVR) gezeigt,44 geschieht in identischer Weise aber auch beim Erlass nationaler Vorschriften. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass Widersprüche, die nicht in der be­ schriebenen Weise der Systemgerechtigkeit unterfallen, verfassungsrechtlich unproblematisch sind und „nur“ einen rechtspolitischen bzw. rechtsästheti­ schen Aspekt darstellen. Zur besseren Übersichtlichkeit und Anwendbarkeit ist es allerdings zweckmäßig, dass der Gesetzgeber diese beim Normerlass ebenfalls berücksichtigt.

40  So im Hinblick auf die Rechtsetzung in der Europäischen Union Grüner, Quantität und Qualität, S. 154, vgl. aber auch bereits S. 139 ff. sowie S. 149 ff. 41  Zum Begriff der „package deals“ im europäischen Kontext Steppacher, in: Bergmann, Handlexikon EU, Stichwort: „Package deal“; vgl. zudem Grüner, Quan­ tität und Qualität, S. 154, der zutreffend feststellt, dass man dies Praxis der „packa­ ge deals“ als politische Tatsache wird hinnehmen müssen. 42  Kohl, Widerspruchsfreie Normgebung, S. 92. 43  Vgl. Grüner, Quantität und Qualität, S. 160 f. 44  Hierzu Prieß, NZBau 2014, 465 f.; vgl. auch Prieß / Stein, VergabeR 2014, 499 (501) sowie Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (357).

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Kap. 2: Systemgerechtigkeit, Einheit der Rechtsordnung und Kohärenz

B. Einheit der Rechtsordnung Der eingeschränkten Reichweite des Systemgerechtigkeitsgedankens könnte möglicherweise ein weit verstandenes Prinzip der Einheit der Rechtsordnung gegenüberstehen, welches für eine „harmonische und wider­ spruchsfreie Gesamtrechtsordnung“,45 streitet.46 Schließlich unterliegt dieses Prinzip nicht den Einschränkungen des Art. 3 Abs. 1 GG und kann damit auch Regelungen mehrerer Rechtsgebiete oder Gesetzgeber umfas­ sen.47 Überwiegend wird eine verfassungsrechtliche Relevanz dieses Prinzips jedoch abgelehnt.48 Eine umfangreiche Gleichschaltung und uneinge­ schränkte Widerspruchsfreiheit des Rechts kann verfassungsrechtlich nicht gefordert werden, vielmehr müssen dem Gesetzgeber sachlich gerechtfertig­ te, unterschiedliche Regelungsansätze und Differenzierungen möglich blei­ ben.49 Wie bei der Systemgerechtigkeit mögen einheitliche Regelungen zwar möglicherweise rechtspolitisch wünschenswert sein.50 Aus denselben gewichtigen Gründen wie dort ist die Reichweite des Prinzips jedoch be­ grenzt. Bedeutung erlangt die Einheit der Rechtsordnung lediglich für Fra­ gen der Auslegung und Interpretation, z. B. bei der Entscheidung zwischen mehreren möglichen Auslegungsergebnissen oder der Analogiebildung.51 Auf eine Überprüfung des Vergaberechts im Lichte der Einheit der Rechts­ ordnung wird daher im Folgenden verzichtet. 45  So Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 399; v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 252 f. spricht von einer „Gleichgestimmtheit der Rechtsordnung insgesamt“. 46  Grundlegend zur Einheit der Rechtsordnung z. B. Engisch, Einheit der Rechts­ ordnung, Heidelberg 1935; Baldus, Einheit der Rechtsordnung, Berlin 1995; Felix, Einheit der Rechtsordnung, Tübingen 1998; K. Schmidt, „Einheit der Rechtsord­ nung  – Realität? Aufgabe? Illusion?“, in: K. Schmidt, Vielfalt des Rechts  – Einheit der Rechtsordnung?, Berlin 1994. 47  Vgl. hierzu Schenke, Rechtsfindung im Steuerrecht, S. 82; Dieterich, System­ gerechtigkeit, S. 205 f. Zudem soll die Einheit der Rechtsordnung auch die Recht­ sprechung sowie Verwaltungsentscheidungen einbeziehen, so Kohl, Widerspruchs­ freie Normgebung, S. 84 f. Aufgrund dieser Weite wird es deshalb dort auch als „Fundament für unterschiedliche Verfassungsprinzipien und Kollisionsregeln“ ange­ sehen. 48  Vgl. Peine, NJW 1990, 2442 (2446); Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 399, 401 m. w. N., 404; Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 229 f.; ähnlich v. Ar­ nauld, Rechtssicherheit, S. 263, 269; Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust, S. 143 ff. sowie Hanebeck, Der Staat 41 (2002), 429 (451). 49  Vgl. Ruffert, Vorrang der Verfassung, S. 42; Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 402, 404; Ehle, Kohärenz, S. 76. 50  Vgl. Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 405. 51  Bumke, ZG 1999, 376 (381 f.); Schenke, Rechtsfindung im Steuerrecht, S. 83.



C. Kohärenz

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C. Kohärenz Von der Systemgerechtigkeit / Folgerichtigkeit sowie der Einheit der Rechtsordnung zu unterscheiden ist der Begriff der Kohärenz.52 Es handelt sich dabei um einen europarechtlichen Begriff, der insbesondere53 in Art. 7 AEUV54 (hierzu unter I.) sowie jüngeren Entscheidungen des EuGH55 (hier­ zu unter II.) zu finden ist. Für die vorliegende Untersuchung der natio­nalen Vorschriften scheint er deswegen auf den ersten Blick irrelevant. Da die Begriffe Systemgerechtigkeit / Folgerichtigkeit und Kohärenz jedoch gewisse Ähnlichkeiten aufweisen und die sogleich skizzierten Entscheidungen zur Kohärenz des EuGH unmittelbare Auswirkungen auf die Rechtsetzung in den EU-Mitgliedstaaten haben, soll auch der europarechtliche Kohärenzbe­ griff im Folgenden kurz erläutert werden.

I. Kohärenz im Sinne des Art. 7 AEUV Unter Kohärenz wird in (europa-)rechtlicher Hinsicht das „konzeptionelle und inhaltliche Aufeinanderbezogensein von Rechtssätzen und Realakten“ verstanden;56 einzelne Teile sollen in einem „sinnbildenden Zusammen­ hang“ stehen.57 Das allgemeine Kohärenzgebot aus Art. 7 AEUV verpflich­ tet daher die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, ihre Politik und Maßnahmen in den verschiedenen Bereichen  – unter Beachtung der Ziele aus Art. 3 EUV  – in zusammenhängender und stimmiger Weise 52  Der Ausdruck ist abgeleitet vom lateinischen Begriff „cohaerentia“ = Zusam­ menhängen, Verbundensein, vgl. Pagenkopf, NVwZ 2011, 513 (515); zur Kohärenz allgemein auch Bracker, Kohärenz und juristische Interpretation, Baden-Baden 2000. 53  Der Begriff der Kohärenz findet sich auch an einigen anderen Stellen im Unionsrecht, vgl. hierzu Ruffert, in: Calliess / Ruffert, EUV / AEUV, Art. 7 AEUV Rn. 7 sowie Schorkopf, DÖV 2011, 260 (262, Fn. 11). 54  Art. 7 AEUV lautet: „Die Union achtet auf die Kohärenz zwischen ihrer Po­ litik und ihren Maßnahmen in den verschiedenen Bereichen und trägt dabei unter Einhaltung des Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung ihren Zielen in ihrer Gesamtheit Rechnung.“. 55  Insbesondere in Entscheidungen zum (deutschen) Glücksspielrecht, vgl. exem­ plarisch EuGH, Urt. v. 08.09.2010, Rs. C-46 / 08, Slg. 2010, I-8149  – „Carmen Media“; Urt. v. 08.09.2010, Rs. C-409 / 06, Slg. 2010, I-8015  – „Winner Wetten“; Urt. v. 08.09.2010, verb. Rs. C-316 / 07, C-358 / 07 bis C-360 / 07, C-409 / 07 und C-410 / 07, Slg. 2010, I-8069  – „Markus Stoß“. 56  Schorkopf, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Recht der EU, Bd. I, Art. 7 AEUV Rn. 11; hierauf bezugnehmend auch Streinz, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 7 AEUV Rn. 4. 57  Ebd.

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Kap. 2: Systemgerechtigkeit, Einheit der Rechtsordnung und Kohärenz

auszuüben.58 Konflikte zwischen den einzelnen Zielen müssen insofern ausgeglichen und etwaige Unstimmigkeiten vermieden werden.59 Diese Plichten dürfen jedoch nicht in uneingeschränkter Weise, d. h. im Sinne einer absoluten Widerspruchsfreiheit und Folgerichtigkeit verstanden werden.60 Insbesondere muss dem Gesetzgeber61 ein weiter (politischer) Gestaltungsspielraum zuerkannt werden, der es ihm ermöglicht, einzelne Sachbereiche im Laufe der Zeit unterschiedlich zu regeln. Materieller Aus­ sagegehalt sowie Justitiabilität von Art. 7 AEUV sind daher letztendlich recht gering.62

II. Kohärenz in der Glücksspiel-Rechtsprechung des EuGH Daneben gilt es, die insbesondere in jüngeren Urteilen des EuGH zum Glücksspielrecht enthaltene Vorstellung eines Kohärenzgebotes zu berück­ sichtigen. Diese ist vom allgemeinen Kohärenzgebot des Art. 7 AEUV zu unterscheiden.63 In einer Reihe von Urteilen vertritt der EuGH seit der Entscheidung Gambelli im Jahr 200364 die Ansicht, dass mitgliedstaatliche Beschränkungen der primärrechtlichen Grundfreiheiten „kohärent und syste­ matisch“ ausgestaltet sein müssten, um gerechtfertigt werden zu können.65 58  Heintschel von Heinegg, in: Vedder / Heintschel von Heinegg, EU-Recht, Art. 7 AEUV Rn. 4 f.; Streinz, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 7 AEUV Rn. 4. 59  Streinz, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 7 AEUV Rn. 4; ähnlich auch Ruffert, in: Calliess / Ruffert, EUV / AEUV, Art. 7 AEUV Rn. 3. 60  Schorkopf, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Recht der EU, Bd. I, Art. 7 AEUV Rn. 11; ebenso auch ders., in: Kirchhof / Magen / Schneider, Was weiß Dogmatik?, S. 139 (143 f.): „Das Kohärenzgebot verpflichtet die Union auf die Widerspruchsfrei­ heit und Folgerichtigkeit ihrer Handlungen zu achten, ohne dass dies eine strikte Pflicht wäre.“ [Hervorhebung hinzugefügt]; zustimmend Pagenkopf, NVwZ 2011, 513 (515 f.); Pelka, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 7 AEUV Rn. 4. 61  Treffender wäre im europäischen Kontext sicherlich der Begriff „Normgeber“. Da sich der Begriff „Gesetzgeber“ jedoch auch hier durchgesetzt hat, soll er in dieser Untersuchung ebenfalls verwendet werden. 62  Ebd.; Streinz, in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 7 AEUV Rn. 8; zur Justitiabilität näher Ruffert, in: Calliess / Ruffert, EUV / AEUV, Art. 7 AEUV Rn. 5. 63  Schorkopf, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Recht der EU, Bd. I, Art. 7 AEUV Rn. 12; ders. DÖV 2011, 260 (262). Zum Teil  wird das Kohärenzgebot des EuGH auch als „Konsistenzgebot“ bezeichnet, so z. B. Dederer, NJW 2010, 198 (199 f.). 64  EuGH, Urt. v. 06.11.2003, Rs. C-243 / 01, Slg. 2003, I-13031  – „Gambelli“; vgl. hierzu auch Noll-Ehlers, EuZW 2008, 522 (522 f.) sowie Streinz / Kruis, NJW 2010, 3745 (3747). 65  Insbesondere: EuGH, Urt. v. 24.03.1994, Rs. C-275 / 92, Slg. 1994, I-1039  – „Schindler“; Urt. v. 21.09.1999, Rs. C-124 / 97, Slg. 1999, I-6067  – „Läärä“; Urt. v. 21.10.1999, Rs. C-67 / 98, Slg. 1999, I-7304  – „Zenatti“; Urt. v. 06.11.2003, Rs. C-243 / 01, Slg. 2003, I-13031 – „Gambelli“; Urt. v. 06.03.2007, verb. Rs. C-338 / 04,



C. Kohärenz

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Hieraus ergeben sich folglich direkte Anforderungen für die Ausgestaltung nationalen Rechts. Anlass für die Urteile waren jeweils mitgliedstaatliche Regelungen zur Begrenzung des nationalen Glücksspielmarktes, die vom Gerichtshof als Beschränkung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfrei­ heit (Art. 49 und 56 AEUV) angesehen und sodann einer Rechtfertigungs­ prüfung unterzogen wurden. Exemplarisch können drei Urteile vom 08.09.201066 herangezogen wer­ den, in denen die große Kammer des EuGH jeweils über deutsche Vorabent­ scheidungsersuchen zu entscheiden hatte, welche allesamt die Rechtslage im Glücksspielbereich in den deutschen Bundesländern betrafen. Gegenstand der Urteile waren regionale Monopole für Sportwetten, die es privaten Wettanbietern verwehrten, entsprechende Glücksspiele in einzelnen Bundes­ ländern anzubieten. Der EuGH stellte jeweils fest, dass die spezifischen nationalen Regelungen primärrechtliche Grundfreiheiten beschränkten, und prüfte daher, ob diese gerechtfertigt werden können. Eine Rechtfertigung komme aber nur in Betracht, falls die in Rede stehende (restriktive) Maß­ nahme geeignet sei, die Bekämpfung der Spielsucht dadurch zu gewährleis­ ten, dass sie in „kohärenter und systematischer Weise“ dazu beiträgt, die einzelnen Wetttätigkeiten zu begrenzen.67 Das nationale Gericht müsse daher prüfen, ob die restriktive Maßnahme tatsächlich dem Anliegen entspricht, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen.68 Stelle sich C-359 / 04 und C-360 / 04, Slg. 1997, I-1932  – „Placanica“; Urt. v. 08.09.2009, Rs. C-42 / 07, Slg. 2009, I-7633  – „Liga Portuguesa“; Urt. v. 03.06.2010, Rs. C-258 / 08, Slg.2010, I-4695  – „Ladbrokes“; Urt. v. 08.09.2010, Rs. C-46 / 08, Slg. 2010, I-8149  – „Carmen Media“; Urt. v. 08.09.2010, Rs. C-409 / 06, Slg. 2010, I-8015  – „Winner Wetten“; Urt. v. 08.09.2010, verb. Rs. C-316 / 07, C-358 / 07 bis C-360 / 07, C-409 / 07 und C-410 / 07, Slg. 2010, I-8069  – „Markus Stoß“; Urt. v. 24.01.2013, verb. Rs. C-186 / 11 und C-209 / 11  – „Stanleybet“; EuGH, Urt. v. 12.06.2014, Rs. C-156 / 13  – „Digibet“; vgl. zudem auch die Skizzierung der Rechtsprechung bei Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 741 ff. 66  EuGH, Urt. v. 08.09.2010, Rs. C-46 / 08, Slg. 2010, I-8149  – „Carmen Me­ dia“; Urt. v. 08.09.2010, Rs. C-409 / 06, Slg. 2010, I-8015  – „Winner Wetten“; Urt. v. 08.09.2010, verb. Rs. C-316 / 07, C-358 / 07 bis C-360 / 07, C-409 / 07 und C-410 / 07, Slg. 2010, I-8069  – „Markus Stoß“. 67  EuGH, Urt. v. 08.09.2010, Rs. C-46 / 08, Slg. 2010, I-8149  – „Carmen Me­ dia“, Rn. 55, 64; ebenso Urt. v. 08.09.2010, verb. Rs. C-316 / 07, C-358 / 07 bis C-360 / 07, C-409 / 07 und C-410 / 07, Slg. 2010, I-8069  – „Markus Stoß“, Rn. 97 f. sowie Urt. v. 08.09.2010, Rs. C-409 / 06, Slg. 2010, I-8015  – „Winner Wetten“, Rn. 68. 68  EuGH, Urt. v. 08.09.2010, Rs. C-46 / 08, Slg. 2010, I-8149  – „Carmen Me­ dia“, Rn. 65 sowie Rn. 46, 62 und 98 des Urt. v. 08.09.2010, verb. Rs. C-316 / 07, C-358 / 07 bis C-360 / 07, C-409 / 07 und C-410 / 07, Slg. 2010, I-8069  – „Markus Stoß“; vgl. Auch Rn. 68 im Urt. v. 08.09.2010, Rs. C-409 / 06, Slg. 2010, I-8015  –

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Kap. 2: Systemgerechtigkeit, Einheit der Rechtsordnung und Kohärenz

bei dieser Prüfung heraus, dass der Gesetzgeber in anderen Glücksspielbe­ reichen eine Politik verfolgt, die eher darauf abzielt, die Teilnahme an Glücksspielen (durch intensive Werbung) zu fördern, könne das nationale Gericht an der Geeignetheit der Maßnahme zur Zielerreichung durch eine kohärente und systematische Begrenzung der (Wett-)Tätigkeiten zweifeln.69 Dies wird auch durch neuere Urteile bestätigt.70 Eine nationale Regelung ist demnach nur dann kohärent und systematisch ausgestaltet (und somit ggf. gerechtfertigt), wenn sie in konsequenter71 Art und Weise das vom Gesetzgeber vorgegebene Ziel verfolgt. Der EuGH nimmt den Gesetzgeber also beim eigenen Wort72 und verlangt ein geradli­ niges, in sich schlüssiges Vorgehen. Die Ausgestaltung der einzelnen Maß­ nahmen muss das vom Gesetzgeber angegebene Ziel tatsächlich verfol­ gen73  – Regelungen, die in Wahrheit abweichende Ziele anstreben (z. B. Errichtung eines Monopols als Maßnahme zur staatlichen Einnahmenerzie­ lung anstatt zur Begrenzung der Spielsucht) sind insofern nicht zu rechtfer­ tigen74 und verstoßen in unzulässiger Weise gegen die europäischen Grund­ freiheiten. Die Forderung nach einer kohärenten und systematischen Rege­ lungsausgestaltung kann daher auch als Effektivitätsgebot bezeichnet werden: Will ein Mitgliedstaat die Grundfreiheiten beschränken, muss dies in mög­ „Winner Wetten“; vgl. zur Prüfungspflicht der nationalen Gerichte auch Ennuschat, ZfWG 2011, 153 (156). 69  EuGH, Urt. v. 08.09.2010, Rs. C-46 / 08, Slg. 2010, I-8149  – „Carmen Me­ dia“, Rn. 71; Urt. v. 08.09.2010, verb. Rs. C-316 / 07, C-358 / 07 bis C-360 / 07, C-409 / 07 und C-410 / 07, Slg. 2010, I-8069  – „Markus Stoß“, Rn. 106. 70  Vgl. z. B. EuGH, Urt. v. 15.09.2011, Rs. C-347 / 09, Slg. 2011, I-8185  – „Di­ ckinger und Ömer“; Urt. v. 24.01.2013, verb. Rs. C-186 / 11 und C-209 / 11  – „Stan­ leybet“; EuGH, Urt. v. 30.04.2014, Rs. C-390 / 12   – „Pfleger“; EuGH, Urt. v. 12.06.2014, Rs. C-156 / 13  – „Digibet“; EuGH, Urt. v. 04.02.2016, Rs.  C-336 / 14  – „Ince“, Rn. 27, 53; vgl. zudem die genannten neueren Urteile bei Dieterich, System­ gerechtigkeit, S. 755 ff. 71  Vgl. die Begriffsverwendung bei Forsthoff, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Recht der EU, Bd. I, Art. 45 AEUV Rn. 401. 72  Dederer, NJW 2010, 198 (200). 73  Vgl. an dieser Stelle auch Lippert, EuR 2012, 90 (91), der im Hinblick auf das Kohärenzkriterium formuliert: „Es verwehrt einem Mitgliedstaat, der eine Rechtfer­ tigung für eine die Grundfreiheiten beschränkende Tätigkeit geltend macht, sich darauf zu berufen, eine Tätigkeit aus einem bestimmten Grund zu beschränken, obwohl er sie gleichzeitig  – möglicherweise verdeckt  – duldet oder sogar fördert.“; ähnlich auch Fremuth, NVwZ 2010, 1417 (1418). 74  Schorkopf, DÖV 2011, 260 ff. spricht von „Wahrhaftigkeit“ und einem „Wahrhaftigkeitstest“; zustimmend Ziegenhorn / Rietdorf, EuZW 2012, 821 (822). Es ist demnach zu prüfen, ob die zu prüfende Maßnahme tatsächlich das vorgegebene Ziel verfolgt und der Rechtfertigungsgrund nicht nur vorgeschoben ist. Ähnlich Deiseroth, jurisPR-BVerwG, 23 / 2013 Anm. 4, der von einer „ ‚Scheinheiligkeits‘-Prü­ fung“ spricht.



C. Kohärenz

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lichst effektiver Weise geschehen, so dass das hinter der Beschränkung stehende Ziel optimal gefördert wird.75 Bei der Kohärenzprüfung wird zudem zwischen vertikaler und horizonta­ ler Kohärenz76 unterschieden: Während vertikale Kohärenz die abgestimmte Ausgestaltung einzelner Regelungsbereiche / Sektoren meint, wird unter dem Stichwort der horizontalen Kohärenz eine „Gesamtkohärenz“ mehrerer spe­ zifischer Bereiche, d. h. eine (bereichs-)übergreifende Wirkung des Kohä­ renzerfordernisses verstanden.77 Die horizontale Kohärenz geht somit über die vertikale Kohärenz hinaus und fordert – um auf dem Gebiet des Glücks­ spielwesens zu bleiben  – neben der kohärenten Ausgestaltung einzelner Glücksspielarten (z. B. Automatenspiele) auch eine solche bezüglich des gesamten Glücksspielwesens.78 Einzelne Maßnahmen werden daher nicht nur an den Regelungsinhalten und -zielen des betroffenen Glücksspielsek­ tors, sondern auch an denen weiterer Glücksspielbereiche gemessen.79 Dieser weitgehende Ansatz horizontaler Kohärenz läuft jedoch  – insbe­ sondere bei einem Nebeneinander verschiedener Gesetzgeber in Mehrebe­ nenstaaten80  – Gefahr, praktisch kaum verwirklicht werden zu können und die Gestaltungsfreiheit des nationalen Gesetzgebers zu stark einzuengen. Auch an dieser Stelle dürfen die Prinzipien der Demokratie und Gewalten­ 75  Schorkopf, DÖV 2011, 260 (261). Eine gewisse Unschärfe der genauen An­ forderungen ist jedoch auch beim Kohärenzerfordernis festzustellen, vgl. hierzu z. B. Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 769 f., 777 ff. 76  Möglich ist zudem eine Unterscheidung zwischen „rechtlicher“ und „tatsäch­ licher“ Kohärenz, ausgehend davon, ob ein Widerspruch bereits in der Norm selbst angelegt ist, oder erst bei dessen Umsetzung zutage tritt, vgl. Dieterich, Systemge­ rechtigkeit, S. 793 ff. 77  Vgl. u. a. EuGH, Urt. v. 08.09.2010, verb. Rs. C-316 / 07, C-358 / 07 bis C-360 / 07, C-409 / 07 und C-410 / 07, Slg. 2010, I-8069  – „Markus Stoß“, Rn. 96, 107; Urt. v. 08.09.2010, Rs. C-46 / 08, Slg. 2010, I-8149 – „Carmen Media“, Rn. 57, 61 f., 71; Brüning, NVwZ 2013, 23 (25); Hartmann, EuZW 2014, 814 (816) m. w. N.; Dederer, NJW 2010, 198 (200); zum Meinungsstand vor Erlass der drei Urteile vom 08.09.2010 (Carmen Media, Markus Stoß und Winner Wetten) vgl. Koenig / Ciszewski, ZfWG 2008, 397 (405). 78  Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 777 f.; Lippert, EuR 2012, 90 (95 f., 98); Fremuth, NVwZ 2010, 1417 (1418); Hecker, DVBl 2011, 1130 (1131). Dass die Abgrenzung, was (noch) zu einem einzelnen Glücksspielbereich gehört und was einen eigenen Glücksspielbereich ausmacht, mitunter schwierig ist, veranschaulicht Hartmann, EuZW 2014, 814 (815). 79  Das BVerwG spricht hingegen nicht von horizontaler, sondern „intersektoraler“ Kohärenz und sieht hierin explizit einen „Mittelweg“ zwischen vertikaler und hori­ zontaler Kohärenz, vgl. BVerwG, Urt. v. 20.06.2013, 8 C 10 / 12, 12 / 12 und 17 / 12, NVwZ-RR 2014, 181, Rn. 62 ff., vgl. hierzu auch Hartmann, EuZW 2014, 814 (816 ff.). 80  Vgl. Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 778.

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Kap. 2: Systemgerechtigkeit, Einheit der Rechtsordnung und Kohärenz

teilung81 nicht übersehen werden, die letztlich gegen eine zu weite Prü­ fungshoheit der Judikative und für eine recht weitreichende Autonomie des Gesetzgebers sprechen.82 Daher erscheint es  – ähnlich wie bei der System­ gerechtigkeit  – unabdingbar, das Kohärenzerfordernis in gewisser Weise zu begrenzen und hieraus keine uneingeschränkte Pflicht zur widerspruchsfrei­ en Normgebung abzuleiten. Dem entspricht es, wenn in der Literatur fest­ gestellt wird, dass nicht jede im Verhältnis zu anderen Regelungen relevan­ te Ungleichbehandlung eine Entwertung der Legitimationserwägungen für die konkrete Maßnahme begründet, sondern eine Regelung trotz der Un­ gleichbehandlung den spezifischen Gefahren noch hinreichend Rechnung tragen kann.83 Dies wird auch von der Rechtsprechung des EuGH gestützt: Dort heißt es, dass divergierende rechtliche Regelungen „für sich genom­ men“ bzw. „als solche“ nichts an der Geeignetheit der Maßnahme zur Zielerreichung und somit der Rechtfertigung der Maßnahme ändern.84 Das horizontale Kohärenzerfordernis muss vor diesem Hintergrund auf solche Fälle beschränkt bleiben, in denen Regelungen unterschiedlicher Bereiche auf ein identisches Ziel ausgerichtet sind, eine inkohärente Ausgestaltung also die effektive Zielerreichung beeinträchtigen würde.85 Das Kohärenzer­ fordernis betrifft damit nicht sämtliche Widersprüche, die innerhalb mit­ gliedstaatlicher Rechtsordnungen auftreten können, sondern nur solche, die der Wirksamkeit der Realisierung des vom Gesetzgeber gewählten Ziels entgegenstehen. Darüber hinaus wird das Kohärenzerfordernis in der Literatur zum Teil  auf eine Art Evidenzprüfung beschränkt. So wird vertreten, die (hori­ zontale) Kohärenz solle nur im Falle offensichtlicher und eindeutiger Maß­ nahmen, die der Zielverwirklichung entgegenstehen, entfallen86 oder die Reichweite der Kohärenzprüfung sei „eng zu begrenzen“.87

81  Hierzu beispielsweise Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 11 ff., 79 ff. sowie Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 1 ff., 23 ff. 82  Ähnlich Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 796 f.; vgl. zudem auch Lippert, EuR 2012, 90 (93). 83  Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 779. 84  EuGH, Urt. v. 08.09.2010, verb. Rs. C-316 / 07, C-358 / 07 bis C-360 / 07, C-409 / 07 und C-410 / 07, Slg. 2010, I-8069  – „Markus Stoß“, Rn. 96; Urt. v. 08.09.2010, Rs. C-46 / 08, Slg. 2010, I-8149  – „Carmen Media“, Rn. 63; Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 779 f. 85  Lippert, EuR 2012, 90 (98); Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 780; Streinz / Kruis, NJW 2010, 3745 (3747); vgl. auch Schorkopf, DÖV 2011, 260 (262 f.); Hartmann, EuZW 2014, 814 (816); eindeutig insoweit BVerwG, Urt,. v. 01.06.2011, 8 C 2 / 10, NVwZ 2011, 1328 (1331). 86  Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 797 ff.; Schlag, in: Schwarze, EU-Kommen­ tar, Art. 49 AEUV Rn. 57 spricht von einer „Plausibilitätsprüfung“; in dieselbe Rich­



C. Kohärenz81

Festzuhalten ist im Ergebnis, dass das Kohärenzerfordernis einen zusätz­ lichen Prüfungspunkt innerhalb der „normalen“ Rechtfertigungsprüfung bei den Grundfreiheiten darstellt.88 Es handelt sich deshalb letztlich um eine „Schranken-Schranke“,89 die einige Parallelen zum Grundsatz der System­ gerechtigkeit aufweist90 und in der Literatur u. a. mit dem vergaberechtli­ chen Transparenzgebot verglichen wird.91 Die Begrenzung der mitliedstaat­ lichen Gestaltungsfreiheit durch Aufstellung eines Kohärenzerfordernisses ist zudem kein speziell glücksspielrechtliches Erfordernis.92 Auch in anderen Bereichen hat sich der EuGH bereits auf dieses Erfordernis gestützt und beispielsweise anlässlich der Errichtung und des Betriebs eines Zahnambu­ latoriums eine kohärente und systematische Ausgestaltung nationaler Rege­ lungen gefordert.93 Mangels überzeugender Gründe für eine Einschränkung ist das Kohärenzerfordernis daher nicht auf bestimmte Sachgebiete be­ schränkt. Vielmehr handelt es sich um ein „allgemeine[s] Erfordernis“ im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung.94

tung auch Frenz, EuR 2012, 344 (353) sowie Körber, Grundfreiheiten, S. 244 f. und wohl auch Krieger, JZ 2005, 1021 (1025) und Hecker, DVBl 2011, 1130 (1133). 87  So Grzeszick, VVDStRL 71 (2012), S. 49 (76). 88  Lippert, EuR 2012, 90 (91, 93); ähnlich Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 763, der die Kohärenz als „zusätzliches Erfordernis der Geeignetheitsprüfung“ ansieht. 89  Zur – zuletzt weniger relevanten – Wirkungsweise als „Schranke“, also Recht­ fertigungsgrund, vgl. Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 560 ff. 90  Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 817. 91  So Lippert, EuR 2012, 90 (93). 92  Ziegenhorn / Rietdorf, EuZW 2012, 821 (822); vgl. auch Lippert, EuR 2012, 90 (90, Fn. 1 m. w. N.). 93  So in EuGH, Urt. v. 10.03.2009, Rs. C-169 / 07, Slg. 2009, I-1721  – „Hartlau­ er“, insbesondere Rn. 55; vgl. zudem auch EuGH, Urt. v. 17.07.2008, Rs. C-500 / 07, Slg. 2008, I-5785  – „Corporación Dermoestética“, Rn. 39 f. sowie EuGH, Urt. v. 12.01.2010, Rs. C-341 / 08, Slg. 2010, I-0047  – „Petersen“, Rn. 53, dem nicht die Beschränkung einer Grundfreiheit, sondern eine Alterdiskriminierung zugrunde lag. Weiterhin zeigt sich das Kohärenzerfordernis des EuGH  – wenn auch ohne explizi­ te Verwendung des Begriffs Kohärenz – auch im vergaberechtlichen „Rüffert-Urteil“ des EuGH (Urt. v. 03.04.2008, Rs. C-346 / 06, Slg. 2008, I-1989), vgl. hierzu Simon, RdA 2014, 165 (170) sowie Tugendreich, NZBau 2015, 395 (399 f., 402); ebenso danach in EuGH, Urt. v. 18.09.2014, Rs. C-549 / 13  – „Bundesdruckerei“, Rn. 32. Anders hingegen aktuell EuGH, Urt. v. 17.11.2015, Rs.  C-115 / 14  – „Regio Post“, Rn. 63, 65; vgl. hierzu auch Siegel, EuZW 2016, 101 (102). 94  Streinz / Kruis, NJW 2010, 3745 (3747).

Kapitel 3

Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts Mit Blick auf die Vermeidungstendenzen im Bereich des Vergaberechts1 soll nachfolgend zunächst der neue, nach der europäischen Richtlinienre­ form geltende Anwendungsbereich des Vergaberechts oberhalb der Schwel­ lenwerte dargestellt werden (Punkte A. und B.). Anschließend sollen diese Regelungen anhand der soeben skizzierten Vorgaben genauer untersucht werden (Kapitel 4). Hinsichtlich Bestimmtheit und Klarheit müssen die einschlägigen Bestim­ mungen zum Anwendungsbereich  – in der oben beschriebenen Weise  – sprachlich hinreichend präzise formuliert sowie verständlich, übersichtlich und widerspruchsfrei ausgestaltet sein. In Bezug auf die Systemgerechtigkeit kommt es darauf an, ob die Vorschriften konsistent und folgerichtig ausge­ staltet sind. Abschließend, bei den europäischen Vorgaben an die Kohärenz innerstaatlicher Regelungen, wird entscheidend sein, ob der Anwendungsbe­ reich des neuen Vergaberechts in unzulässiger Weise europäische Grundfrei­ heiten beschränkt.

A. Maßgebliche Vorschriften Da die europäischen Vorgaben des Vergaberechts in Form von Richtlinien gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV ausgestaltet sind und somit grundsätzlich keine unmittelbare Wirkung gegenüber (potentiellen) Auftraggebern und -nehmern entfalten,2 sind in der Praxis in erster Linie die Vorschriften des nationalen Rechts maßgeblich. Entscheidend ist somit, dass diese innerstaatlichen Nor­ men hinreichend bestimmt und klar ausgestaltet sind3 sowie den Anforde­ rungen der Systemgerechtigkeit und Kohärenz entsprechen.

1  Vgl.

hierzu die Einführung. Vergaberecht, Rn. 42; vgl. zur Thematik allgemein Haag, in: Bie­ ber / Epiney / Haag, Europäische Union, § 6 Rn. 29 ff., 61 ff. 3  Vgl. an dieser Stelle auch EuGH, Urt. v. 30.05.1991, Rs. C-361 / 88, Slg. 1991, I-2567  – „Kommission / Bundesrepublik Deutschland“, Rn. 15, wonach die Umsetzung einer Richtlinie in innerstaatliches Recht „in so klarer und bestimmter Weise gewährleistet“ sein muss, dass „die Begünstigten in der Lage sind, von allen 2  Dageförde,



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich83

B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich Zur Erörterung der genannten Punkte ist ein Blick auf die einzelnen in­ nerstaatlichen Vorschriften zum Anwendungsbereich des Vergaberechts er­ forderlich. Gerade die Regeln zum Anwendungsbereich sind allerdings sehr stark durch die europarechtlichen Vorgaben geprägt. Bei der Untersuchung des für die Betroffenen maßgeblichen nationalen Rechts müssen daher auch die neuen europäischen Vergaberichtlinien4 beachtet werden. Im Folgenden wird deshalb zunächst der Anwendungsbereich der europäischen Vergabe­ richtlinien dargestellt (unter I.), bevor erst anschließend die nationalen ­Regelungen besprochen werden (unter II.). Besonderes Augenmerk wird dabei jeweils auch auf die Frage gelegt, inwiefern die neue Rechtslage von der bisherigen Rechtslage abweicht.

I. Die neuen europäischen Vergaberichtlinien 1. Entstehung und allgemeine Ziele der neuen Vergaberichtlinien Am 28.03.2014 wurden im Amtsblatt der EU drei neue Richtlinien zur öffentlichen Auftragsvergabe veröffentlicht. Dies sind die „allgemeine“ Ver­ gaberichtlinie 2014 / 24 / EU (nachfolgend: VRL),5 die Richtlinie für Sekto­ renauftraggeber 2014 / 25 / EU (nachfolgend: SRL)6 sowie die Richtlinie über die Konzessionsvergabe 2014 / 23 / EU (nachfolgend: KVR).7 Während VRL und SRL umfassende Überarbeitungen der bislang geltenden Richtli­ ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen“. 4  Dies sind im Einzelnen: Richtlinie 2014 / 24 / EU des Europäischen Parlamen­ tes und des Rates vom 26.  Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004 / 18 / EG, ABl. EU Nr. L 94 / 65 v. 28.03.2014; Richtlinie 2014 / 25 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Febru­ ar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004 / 17 / EG, ABl. EU Nr. L 94 / 243 v. 28.03.2014; Richtlinie 2014 / 23 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.  Februar 2014 über die Kon­ zessionsvergabe, ABl. EU Nr. L 94 / 1 v. 28.03.2014. 5  Richtlinie 2014 / 24 / EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richt­ linie 2004 / 18 / EG, ABl. EU Nr. L 94 / 65 v. 28.03.2014. 6  Richtlinie 2014 / 25 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.  Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Auf­ hebung der Richtlinie 2004 / 17 / EG, ABl. EU Nr. L 94 / 243 v. 28.03.2014. 7  Richtlinie 2014 / 23 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.  Februar 2014 über die Konzessionsvergabe, ABl. EU Nr. L 94 / 1 v. 28.03.2014.

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Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

nien 2004 / 18 / EG (VKR)8 und 2004 / 17 / EG (SKR)9 darstellen, handelt es sich bei der KVR um einen neuen Rechtsakt, der nun erstmalig die Vergabe von Konzessionen umfassend sekundärrechtlich regelt. Bislang waren Dienstleistungskonzessionen nach Art. 17 VKR ausdrücklich vom Anwen­ dungsbereich der europäischen Richtlinien ausgenommen.10 Vorausgegangen war der Veröffentlichung der Richtlinien ein mehrjähri­ ger Rechtsetzungsprozess mit weitreichenden Diskussionen und Kom­ promissen,11 in dem insbesondere die Ausnahmeregelungen intensiv disku­ tiert wurden. Letztlich konnte jedoch am 25.06.2013 im Rahmen des sog. informellen Trilogverfahrens zwischen den Vertretern der Kommission, des Parlaments und des Rates eine Verständigung über die wesentlichen Streit­ punkte erzielt werden.12 In der Folgezeit stimmten dann der Ausschuss der Ständigen Vertreter, das Europäische Parlament sowie der Rat den endgül­ tigen Texten zu.13 Nach der Veröffentlichung sind die Richtlinien am 17.04.2014 in Kraft getreten, die Umsetzungsfrist betrug zwei Jahre. Die wichtigsten Ziele der Neuregelung sind ausweislich ErwGrd14 2 VRL (a) die Steigerung der Effizienz öffentlicher Ausgaben,15 (b) die För­ derung der Teilnahme kleinerer und mittlerer Unternehmen (KMU) an öf­ 8  Richtlinie 2004 / 18 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.  März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bau­ aufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge, ABl. EU Nr. L 134 / 114 v. 30.04.2004. 9  Richtlinie 2004 / 17 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.  März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste, ABl. EU Nr. L 134 / 1 v. 30.04.2004. 10  Für Baukonzessionen galten hingegen einige (wenige) Vorschriften der VKR, vgl. Art. 56 ff. VKR. 11  Vgl. z. B. Sudbrock, KommJur 2014, 41 (42); Burgi, ZHR 2014, 2 (2); Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (363, 369); Braun, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 159 stellt fest: „Nach Auffassung der Union wurde vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Entwicklung und aktueller Haushaltszwänge eine Reform sämtlicher Vergaberegeln notwendig.“ 12  Kritisch zur Anwendung des Trilogverfahrens bei der Verabschiedung der Richtlinien Schäfer, in: Vergaberecht im Umbruch II, S. 149 (156 f.). 13  Müller / Klostermann, ZfBR 2014, 347 (347); Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (351 f.); Neun / Otting, EuZW 2014, 446 (446). 14  Zur Heranziehung von Erwägungsgründen für die Auslegung der einzelnen Artikel europäischer Richtlinien vgl. EuGH, Urt. v. 15.05.1997, Rs. C-355 / 95, Slg. 1997, I-2549  – „Textilwerke Deggendorf“, Rn. 21; zur zunehmenden Bedeutung der Erwägungsgründe siehe Siegel, VergabeR 2015, 265 (267) sowie ders., EuZW 2016, 101 (103). 15  Effizienz kann hier verstanden werden als „best value for taxpayers money“, vgl. Burgi, ZHR 2014, 2 (3 f.) m. w. N.



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich85

fentlichen Vergabeverfahren, (c) die stärkere Unterstützung gesellschaftli­ cher Belange durch die öffentliche Auftragsvergabe sowie (d) die Erhöhung der Rechtssicherheit. Die Vergabe öffentlicher Aufträge soll vereinfacht, flexibilisiert und entbürokratisiert werden,16 während gleichzeitig eine wei­ tere Öffnung des Wettbewerbs angestrebt wird (vgl. ErwGrd 1 VRL).17 Allgemein zeichnen sich die Richtlinien dadurch aus, dass in hohem Maße Rechtsprechung des EuGH übernommen wird. Der europäische Ge­ setzgeber hat im Grundsatz an vielen Stellen auf die Schaffung eigener Regeln verzichtet und stattdessen die Rechtsprechung des Gerichtshofs ko­ difiziert.18 Allerdings wird der Inhalt der Rechtsprechung nicht immer ex­ akt abgebildet. Stellenweise weichen die Richtlinien von den Vorgaben des EuGH ab bzw. modifizieren oder präzisieren diese.19 Insoweit ist bei der Beachtung der Richtlinien stets Vorsicht geboten und darauf zu achten, ob und ggf. inwiefern der europäische Gesetzgeber von der Rechtsprechung des EuGH abgewichen ist. Weiterhin fällt auf, dass die Richtlinien der sog. strategischen Beschaf­ fung (Beachtung „vergabefremder“ Zwecke)20 große Bedeutung beimessen. ErwGrd 123 VRL betont, dass Aspekte des Umweltschutzes, soziale Aspek­ te sowie Innovationsaspekte im Rahmen der Strategie „Europa 2020“ im Bereich des öffentlichen Auftragswesens eine „wichtige Rolle spielen müssen“.21

16  Opitz, NZBau 2014, 129 (129); ders. NVwZ 2014, 752 (753); Siedenberg, „Änderungen im Vergaberecht: ‚Vereinfachung‘ auf über 1.000 Seiten“, in: Legal Tribune Online, 12.03.2014, abrufbar im Internet unter http: /  / www.lto.de / recht / hin tergruende / h / vergaberecht-reform-europaparlament-richtlinien /   – zuletzt abgerufen am 02.07.2015. 17  Zum Wettbewerbsgedanken bei den neuen Richtlinien vgl. auch Dreher, NZ­ Bau 2015, 1. Zu den Zielen bei Schaffung der SRL vgl. Opitz, VergabeR 2014, 369 (369 f.). Allgemein zu den Zielen der Richtlinien Oberndörfer / Lehmann, BB 2015, 1027 (1028). 18  Siegel, Entscheidungsfindung, S. 249 spricht bei derartigen Vorgängen von „geronnene[r] Rechtsprechung“. 19  Müller / Klostermann, ZfBR 2014, 347 (347); Prieß / Stein, VergabeR 2014, 499 (502); allgemein hierzu auch Treumer, in: Lichère / Caranta / Treumer, Moderni­ sing Public Procurement, S. 17 ff.; vgl. auch ErwGrd 31 VRL. 20  Vgl. hierzu überblicksartig Burgi, ZHR 2014, 2 (7 f.). 21  Vgl. zur strategischen Beschaffung Gröning, VergabeR 2014, 339 (340 f.; 345 ff.); kritisch z. B. Lau, Gespräche 2013, S. 43 (45).

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Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

2. VRL (Richtlinie 2014 / 24 / EU) a) Allgemeiner Anwendungsbereich Wie die bisherige VKR aus dem Jahr 2004 regelt die VRL als allgemei­ ne Richtlinie die Vergabe von Bauleistungen, Lieferungen und Dienstleis­ tungen, Art. 1 Abs. 2 VRL. Abweichend von der Vorgängerrichtlinie sind nun allerdings Baukonzessionen nicht mehr von der allgemeinen Richtlinie erfasst. Für sie gelten fortan die speziellen Vorschriften der KVR, vgl. Art. 1 Abs. 2 KVR.22 Inhalt und Umfang der Begriffe öffentlicher Auftrag und öffentlicher Auftraggeber bleiben im Wesentlichen identisch.23 Aus­ weislich ErwGrd 4 VRL soll der Begriff der Auftragsvergabe zwar klarer definiert werden, eine Erweiterung des Anwendungsbereichs im Vergleich zur VKR ist damit jedoch explizit nicht beabsichtigt. Zudem soll nach ErwGrd 10 VRL auch der persönliche Geltungsbereich der Richtlinie un­ verändert bleiben. aa) Sonderregime für soziale und andere besondere Dienstleistungen Eine gewisse inhaltliche Erweiterung des Anwendungsbereichs liegt je­ doch in der Aufgabe der Unterscheidung zwischen sog. prioritären und nicht-prioritären Leistungen nach Anhang  II (Teile A und B) VKR.24 Wäh­ rend für die nicht-prioritären Leistungen aus Anhang II Teil  B nach Art. 21 VKR bislang lediglich Art. 23 VKR (Technische Spezifikationen) und Art. 35 Abs. 4 VKR (Bekanntmachung der Vergabeergebnisse) galten, sind entspre­ chende Dienstleistungen aus Anhang XIV VRL nun den Sonderregeln („light regime“25) der Art. 74 ff. VRL26 unterworfen. Ziel dieser Neugestaltung ist die Schaffung von mehr Wettbewerb, da mittlerweile auch den bisherigen B-Dienstleistungen eine (begrenzte) Binnenmarktrelevanz zugemessen 22  Brockhoff, VergabeR 2014, 625 (626); näher zudem Rechten, NZBau 2014, 667 (668). 23  Neun / Otting, EuZW 2014, 446 (446 f.); Jaeger, NZBau 2014, 259 (259 f.); hinsichtlich des Begriffs öffentlicher Auftrag vgl. auch Arrowsmith, Procurement, Rn. 6-15; hinsichtlich der Auftraggebereigenschaft und der Differenzierung zwischen zentralen und subzentralen öffentlichen Auftraggebern (Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 und 3 VRL) vgl. Burgi, in: Lichère / Caranta / Treumer, Modernising Public Procurement, S. 50 f. 24  Zu dieser Differenzierung allgemein Ziekow, in: Ziekow / Völlink, Vergabe­ recht, § 99 Rn. 188 ff. 25  So Arrowsmith, Procurement, Rn. 6-45. 26  Näher zu den Art. 74 ff. VRL Höfer / Nolte, NZS 2015, 441 (446).



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich

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wird.27 Bei Erreichen des einschlägigen Schwellenwerts in Höhe von €  750.000,–28 ist daher insbesondere eine ex-ante Bekanntmachung bzw. Vorinformation erforderlich, Art. 75 Abs. 1 VRL.29 Erfasst sind von Anhang XIV VRL neben sozialen Dienstleistungen u. a.30 auch Postdienste31, Dienst­ leistungen im juristischen Bereich (vgl. ErwGrd 116 VRL) sowie Rettungs­ dienste (vgl. ErwGrd 117 VRL). Die beiden letzteren allerdings nur, sofern sie nicht nach Art. 10 lit. d) bzw. lit. h) VRL ausgeschlossen sind.32 bb) Öffentliche Aufträge zwischen Einrichtungen des öffentlichen Sektors Gewisse Einschränkungen des Anwendungsbereichs33 im Vergleich zur Situation vor Erlass der neuen Richtlinien34 enthalten die Vorschriften zur In-House-Vergabe (vertikale Kooperation) sowie zur In-State-Vergabe (hori­ zontale Kooperation).35 An dieser Stelle hat der europäische Gesetzgeber 27  Vgl. ErwGrd 114 VRL; Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (358); an­ ders noch im Rahmen der VKR, vgl. Ziekow, in: Ziekow / Völlink, Vergaberecht, § 99 Rn. 190. 28  Gem. Art. 74 i. V. m. Art. 4 lit. d) VRL. Die Höhe des Schwellenwertes war im Rechtsetzungsverfahren umstritten. Während die Kommission ursprünglich € 500.000,– vorgesehen hatte, hielt das Parlament zwischenzeitlich € 1.000.000,– für sinnvoll, vgl. Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (358). 29  Vgl. Schriever, AnwBl. 11 / 2013, M 368. 30  Näheres dazu, welche Dienstleistungen aus Anhang IIB übernommen wurden, bzw. welche Dienstleistungen neu hinzugekommen sind bei Semple, Public Procure­ ment, Rn. 1.36. Insgesamt sind im Gegensatz zu Anhang IIb VKR nun aber weniger Dienstleistungen von Anhang XIV VRL erfasst, insbesondere ist die Generalklausel der „sonstige[n] Dienstleistungen“ nun nicht mehr zu finden. 31  Diese waren unter Geltung der VKR noch unter Anhang II A, Kategorie 4 als prioritäre Dienstleistungen definiert, vgl. auch Soudry, in: Hettich / Soudry, Vergabe­ richtlinien, S. 99. 32  Vgl. Burgi, ZHR 2014, 2 (3); Neun / Otting, EuZW 2014, 446 (452); vgl. auch Arrowsmith, Procurement, Rn. 6-55 und 6-44 f. 33  Obwohl die Vorgaben zur öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit im Ab­ schnitt 3 („Ausnahmen“) der VRL stehen, sind diese mit der bisherigen Rechtspre­ chung und Literatur richtigerweise als allgemeine Anwendungsvoraussetzung anzu­ sehen. Näher hierzu und zur systematischen Stellung des § 108 GWB n. F. unten Kap. 4 B. II. 2. b) aa). 34  Einen Überblick über die bisherige, durch die EuGH-Rechtsprechung geprägte Rechtslage bietet Dabringhausen, VergabeR 2014, 512 (512 ff.); vgl. auch Eschenbruch, in: Kulartz / Kus / Portz, GWB-Vergaberecht, § 99 Rn. 385 ff.; Hausmann, in: FS Marx, S. 213 ff.; ausführlich Schleissing, In-House-Geschäfte, Baden-Baden 2012. 35  Neben dem Begriff In-State-Geschäft (so Ziekow / Siegel, VerwArch 2005, 119 (126)) ist bei letzterer Konstellation auch die Bezeichnung als interkommunale Zu­ sammenarbeit (vgl. z. B. Bungenberg, in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kar­

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Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

beim Richtlinienerlass festgestellt, dass erhebliche Rechtsunsicherheit darü­ ber bestehe, inwieweit Verträge, die zwischen Einrichtungen des öffentli­ chen Sektors geschlossen werden, öffentliche Aufträge darstellen. Da die einschlägige Rechtsprechung des EuGH nicht nur von den einzelnen Mit­ gliedstaaten, sondern auch von den einzelnen öffentlichen Auftraggebern unterschiedlich ausgelegt werde, gelte es daher zu präzisieren, in welchen Fällen derartige Verträge von der Anwendung der Vorschriften für die Ver­ gabe öffentlicher Aufträge ausgenommen sind, ErwGrd 31 VRL. Im Grund­ satz sollte somit an der Rechtsprechung des EuGH festgehalten und diese in den neuen Richtlinien (erstmalig) kodifiziert werden.36 Stellenweise fin­ den sich jedoch Präzisierungen und Abweichungen, da die  – naturgemäß  – durch den jeweiligen Einzelfall geprägten Entscheidungen des EuGH in ein möglichst stimmiges Gesamtkonzept übertragen werden sollten.37 (1) In-House-Vergaben Im Bereich der In-House-Vergaben müssen nach Art. 12 Abs. 1 UAbs. 1 VRL38 nunmehr drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein, damit ein Auftrag vergaberechtsfrei vergeben werden kann. 1.: Der öffentliche Auf­ traggeber muss über die betreffende juristische Person eine ähnliche Kont­ rolle ausüben, wie über eigene Dienststellen (lit.a)). 2.: Mehr als 80 % der Tätigkeiten der kontrollierten juristischen Person dienen der Ausführung der Aufgaben, mit denen sie von dem die Kontrolle ausübenden öffentlichen Auftraggeber oder von anderen von diesem kontrollierten juristischen Per­ sonen betraut wurden (lit. b)). 3.: Es besteht keine direkte private Kapital­ beteiligung an der kontrollierten juristischen Person, mit Ausnahme nicht beherrschender Formen der privaten Kapitalbeteiligung und Formen der privaten Kapitalbeteiligung ohne Sperrminorität, die in Übereinstimmung mit den Verträgen durch nationale gesetzliche Bestimmungen vorgeschrie­ ben sind und die keinen maßgeblichen Einfluss auf die kontrollierte juristi­ sche Person vermitteln (lit. c)). tellrecht, § 99 GWB Rn. 51) oder  – in Anlehnung an die Public-Private-Partner­ ship  – als Public-Public-Partnership (so Storr, LKV 2005, 521 ff.) gebräuchlich. Als Oberbegriff für die In-House- und In-State-Vergabe wird hier der Begriff der öffent­ lich-öffentlichen Zusammenarbeit verwendet. 36  Bei der Erstellung der VKR und SKR war eine explizite Normierung hinge­ gen noch gescheitert, vgl. Ziekow / Siegel, VergabeR 2005, 145 (146). Kritisch ge­ genüber der Kodifizierung als solcher allerdings Portz, in: FS Marx, S. 555 (564), der feststellt, dass die Vergaberechtsfreiheit bislang „mit gutem Grund“ nicht kodi­ fiziert worden sei. 37  Neun / Otting, EuZW 2014, 446 (448). 38  Ausführlich zu Art. 12 VRL auch Arrowsmith, Procurement, Rn. 6-183 bis 6-189.



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich89

Bei lit. a), der durch Art. 12 Abs. 1 UAbs. 2 VRL etwas näher erläutert wird,39 handelt es sich um das vom EuGH entwickelte, sog. Kontrollkrite­ rium. Es entspricht (wörtlich) der Rechtsprechung des EuGH.40 Eine Er­ weiterung oder Einschränkung des Anwendungsbereichs im Vergleich zur bisherigen Rechtslage ist hier somit nicht festzustellen. Einen Unterschied zur bisherigen Rechtslage enthält jedoch lit. b), der das sog. Wesentlichkeitskriterium normiert. Während der EuGH hier im Einzel­ fall entschieden hatte, dass eine Fremdtätigkeit in Höhe von 10 % der Ver­ gaberechtsfreiheit nicht entgegenstehe,41 war die deutsche Rechtsprechung an diesem Punkt sehr streng und stellte mitunter fest, dass die Fremdtätig­ keitsgrenze bereits bei 7,5 % überschritten sei.42 Der EU-Gesetzgeber fordert jetzt hingegen nur, dass mehr als 80 % der Tätigkeiten der Ausführung der Aufgaben dienen, mit denen die juristische Person vom kontrollierenden Auftraggeber betraut wurde.43 Eine Fremdtätigkeit in Höhe von knapp 20 % ist damit unschädlich. Der Grund für diese Lockerung liegt – unter Berück­ sichtigung nationaler Besonderheiten  – in dem angestrebten Mehr an Flexi­ bilität für die öffentlichen Auftraggeber,44 wobei der gefundene Wert von 80 % letztlich einen politischen Kompromiss darstellt. Schließlich wurden im Rechtsetzungsverfahren auch Werte von 50, 90 und sogar 100 % disku­ tiert.45 Im Ergebnis wird der Anwendungsbereich des sekundärrechtlichen Vergaberechts an dieser Stelle jedenfalls erheblich eingeschränkt. Einen weiteren Unterschied stellt das in lit. c) geregelte Verbot einer direk­ ten privaten Kapitalbeteiligung an der kontrollierten juristischen Person dar. Dieses Merkmal knüpft zwar zunächst an die Rechtsprechung des ­EuGH an, wonach jegliche private Beteiligung am Kapital einer Gesellschaft schädlich Art. 12 Abs. 1 UAbs. 2 VRL vgl. Ziekow, NZBau 2015, 258 (259). u. a. EuGH, Urt. v. 18.11.1999, Rs. C-107 / 98, Slg. 1999, I-1821  – „Teckal“, Rn. 50; Urt. v. 11.05.2006, Rs. C-340 / 04, Slg. 2006, I-4137 – „Carbother­ mo“, Rn. 36 f., 59; Urt. v. 29.11.2012, verb. Rs. C-182 / 11 und C-183 / 11, NZBau 2013, 55  – „Econord SpA“, Rn. 27; Dabringhausen, VergabeR 2014, 512 (514) m. w. N.; Knauff, EuZW 2014, 486 (487). 41  EuGH, Urt. v. 19.04.2007, Rs. C-295 / 05, Slg. 2007, I-2999  – „Asemfo“, Rn. 62 ff. 42  OLG Celle, Beschl. v. 29.10.2009, 13 Verg 8 / 09, NZBau 2010, 194 (197) und bereits Beschl. v. 14.09.2006, 13 Verg 2 / 06, NZBau 2007, 126. 43  Zur Berechnung dieses Anteils vgl. den von der bisherigen EuGH-Rechtspre­ chung abweichenden Art. 12 Abs. 5 VRL sowie ErwGrd 32 VRL; näher hierzu auch Dabringhausen, VergabeR 2014, 512 (518 ff.) sowie Knauff, EuZW 2014, 486 (488). Vgl. auch Ziekow, NZBau 2015, 258 (260), der feststellt, dass die Änderung den Anwendungsbereich des In-House-Geschäfts vergrößert haben dürfte. 44  Jaeger, NZBau 2014, 259 (261); Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (354). 45  Vgl. die Darstellung bei Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (354). 39  Zu

40  Vgl.

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Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

ist,46 erlaubt dann aber in den beschriebenen – eng begrenzten – Fällen eine private Kapitalbeteiligung dennoch.47 Hierin wird allerdings keine folgen­ schwere Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des EuGH zu sehen sein.48 Vielmehr macht ErwGrd 32 UAbs. 2 VRL deutlich, dass lit. c) gerade für die (seltenen) Fälle geschaffen wurde, in denen nach nationalem Recht eine Pflichtmitgliedschaft49 Privater in öffentlichen Einrichtungen vorgese­ hen ist, wie sie beispielsweise in Deutschland in Form von öffentlich-rechtli­ chen Zwangsverbänden nach Landesrecht (z. B. bei den Wasserverbänden Ruhrverband und Emschergenossenschaft in Nordrhein-Westfalen)50 be­ steht.51 ErwGrd  32 VRL legt allerdings ausdrücklich auch fest, dass „allein die direkte private Beteiligung an der kontrollierten juristischen Person“52 entscheidend ist. Unabhängig von nationalen Vorschriften ist daher explizit auch eine private Kapitalbeteiligung am kontrollierenden öffentlichen Auf­ traggeber oder den kontrollierenden öffentlichen Auftraggebern möglich, da solche Beteiligungen den Wettbewerb zwischen den privaten Wirtschaftsteil­ nehmern nicht nachteilig beeinflussten, ErwGrd 32 UAbs. 2 VRL.53 Daneben ist allerdings ungeklärt, was im Umkehrschluss zur „direkten“ z. B. unter ei­ ner indirekten Beteiligung zu verstehen wäre.54 Im Ergebnis wird der Anwen­ dungsbereich des sekundärrecht­lichen Vergaberechts im Vergleich zur bishe­ rigen Rechtslage durch lit. c) leicht eingeschränkt. 46  EuGH, Urt. v. 11.01.2005, Rs. C-26 / 03, Slg. 2005, I-0001  – „Stadt Halle“, Rn. 49 f. 47  Knauff, EuZW 2014, 486 (487). 48  In diese Richtung auch Neun / Otting, EuZW 2014, 446 (448); Müller / Klostermann, ZfBR 2014, 347 (350); Jaeger, NZBau 2014, 259 (261); Knauff, EuZW 2014, 486 (487); Gurlit, Gespräche 2015, S. 67 (73); a. A. Wiggen, P.P.L.R. 2014, 83 (85 f.). 49  Anderes gilt, wenn lediglich die Möglichkeit besteht, Private in Zweckverbän­ de aufzunehmen, vgl. Gurlit, Gespräche 2015, S. 67 (73) sowie Neun / Otting, EuZW 2014, 446 (448). 50  Hierzu näher Dabringhausen, VergabeR 2014, 512 (517). 51  Neun / Otting, EuZW 2014, 446 (448); Knauff, EuZW 2014, 486 (487); vgl. zudem auch Prieß / Stein, VergabeR 2014, 499 (505 f.) und Burgi, in: Lichère / Caran­ ta / Treumer, Modernising Public Procurement, S. 58. Initiator für die Aufnahme dieser Ausnahme war Deutschland, vgl. Soudry, in: Hettich / Soudry, Vergabericht­ linien, S. 18. 52  Hervorhebung hinzugefügt. 53  Kritisch hierzu Jaeger, NZBau 2014, 259 (261), der feststellt, dass diese Er­ wägung der bisherigen EuGH-Rechtsprechung fremd sei. Näher zur Problematik auch Dabringhausen, VergabeR 2014, 512 (516–518) m. w. N. sowie Ziekow, NZBau 2015, 258 (260 ff.), der diagnostiziert, dass durch den Hinweis in ErwGrd 32 VRL im Umkehrschluss künftig auch gemischt-wirtschaftliche Auftraggeber vergabefrei Aufträge an die eigene Tochter vergeben können. Zu den vergleichbaren Regeln im Rahmen der KVR vgl. weiterhin Sudbrock, KommJur 2014, 41 (44). 54  Hierzu Ziekow, NZBau 2015, 258 (261).



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich91

Neben den einzelnen Voraussetzungen regeln Art. 12 Abs. 2 und 3 VRL weitere In-House-Konstellationen, die bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden sind und in der Literatur unterschiedlich behandelt wurden.55 Liegen die Voraussetzungen aus Art. 12 Abs. 1 VRL in entsprechender Weise vor (Rechtsgrundverweisung),56 erklärt Art. 12 Abs. 2 VRL sowohl Vergaben einer kontrollierten juristischen Person an den kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber (Var. 1, sog. inverse In-House-Vergabe (Vergabe der Tochter an die Mutter))57, als auch horizontale In-House-Vergaben an Schwestergesell­ schaften (Var. 2) für vergaberechtsfrei.58 Weiterhin regelt Art. 12 Abs. 3 VRL die Situationen, in denen mehrere öffentliche Auftraggeber gemeinsam die Kontrolle über eine juristische Person ausüben und nimmt auch diesen Be­ reich von der Anwendung der Richtlinie aus.59 Letzteres entspricht insbeson­ dere den Urteilen Econord Spa60 und Sea Srl61 des EuGH.62 (2) In-State-Vergaben (interkommunale Zusammenarbeit) Den Bereich der In-State-Vergaben regelt Art. 12 Abs. 4 VRL. Auch die­ ser setzt im Wesentlichen die Rechtsprechung des EuGH, d. h. an dieser Stelle insbesondere die Erkenntnisse aus den Urteilen Stadtreinigung Ham­ burg63, Lecce64 und Piepenbrock65 um.66 Zur Vergaberechtsfreiheit muss 55  Dabringhausen, VergabeR 2014, 512 (520); vgl. auch Elbel, VergabeR 2011, 185 ff. 56  Vgl. Greb, VergabeR 2015, 289 (293); zustimmend Ziekow, NZBau 2015, 258 (262); a. A. Dabringhausen, VergabeR 2014, 512 (521). 57  So Knauff, EuZW 2014, 486 (487); Neun / Otting, EuZW 2014, 446 (448) und Soudry, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 19 bezeichnen diese Konstellation als „Bottom-Up-Vergabe“; Dabringhausen, VergabeR 2014, 512 (520) spricht von einer „umgekehrte[n] vertikalen[n] Inhouse-Vergabe“. 58  Jaeger, NZBau 2014, 259 (261); zu weitergehenden inhaltlichen Fragen dieser Regelungen vgl. Dabringhausen, VergabeR 2014, 512 (520 f.) sowie Soudry, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 19 f. 59  Näher zu Art. 12 Abs. 3 VRL Ziekow, NZBau 2015, 258 (262 f.). 60  EuGH, Urt. v. 29.11.2012, verb. Rs. C-182 / 11 und C-183 / 11, NZBau 2013, 55  – „Econord SpA“, Rn. 27 ff. 61  EuGH, Urt. v. 10.09.2009, Rs. C-573 / 07, Slg. 2009, I-8127 – „Sea Srl“, Rn. 63. 62  Soudry, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 16; Dabringhausen, Ver­ gabeR 2014, 512 (521). 63  EuGH, Urt. v. 09.06.2009, Rs. C-480 / 06, Slg. 2009, I-4747  – „Stadtreinigung Hamburg“. 64  EuGH, Urt. v. 19.12.2012, Rs. C-159 / 11, NZBau 2013, 114  – „Lecce“. 65  EuGH, Urt. v. 13.06.2013, Rs. C-386 / 11, NZBau 2013, 522  – „Piepenbrock“. 66  Soudry, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 20; Knauff, EuZW 2014, 486 (489); Arrowsmith, Procurement, Rn. 6-190 ff.

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Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

demnach ein ausschließlich zwischen zwei oder mehreren öffentlichen Auftraggebern geschlossener Vertrag folgende Voraussetzungen erfüllen: 1.:  Der Vertrag muss eine Zusammenarbeit zwischen den beteiligten öffent­ lichen Auftraggebern mit dem Ziel der Ausführung einer öffentlichen Auf­ gabe begründen oder erfüllen (lit. a)); 2.: Die Durchführung der Zusammen­ arbeit wird ausschließlich durch Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse bestimmt (lit. b)) und 3.: Die beteiligten öffentlichen Auftraggeber erbringen auf dem offenen Markt weniger als 20 % der durch die Zusammenarbeit erfassten Tätigkeiten (lit. c)), wobei die Berechnung dieses Wertes sich nach Art. 12 Abs. 5 VRL richtet. Näheres enthalten zu­ dem die ErwGrd 31 und 33 VRL. Letztendlich entsprechen die einzelnen Vorgaben weitgehend67 den Kri­ terien der bisherigen EuGH-Rechtsprechung.68 Neu ist jedoch das 20 %-Kri­ terium aus lit. c), das spiegelbildlich dem Wesentlichkeitskriterium bei der In-House-Vergabe entspricht.69 Erhebliche Änderungen des Anwendungs­ bereichs sind auf dem Gebiet der In-State-Vergaben demnach nur hinsicht­ lich dieses 20 %-Kriteriums zu konstatieren. Kritisiert wird in Bezug auf die Kodifizierung der In-State-Vergabe indes, der Richtliniengeber habe es versäumt, weitere Konturierungen vorzuneh­ men und die Vorschriften praktisch handhabbar zu machen.70 (3) Zwischenergebnis Die Bereiche der In-House- und In-State-Vergabe orientieren sich in wei­ ten Teilen an der bisherigen Rechtsprechung des EuGH. Wie schon einlei­ tend beschrieben, weichen die Vorgaben jedoch stellenweise von der bishe­ rigen Rechtsprechung ab und konkretisieren und präzisieren diese. Dadurch wird der Anwendungsbereich des (sekundärrechtlichen) Vergaberechts mit­ unter eingeschränkt, um den nationalen öffentlichen Stellen eine flexiblere Vorgehensweise zu ermöglichen. 67  Vgl. an dieser Stelle auch Prieß / Stein, VergabeR 2014, 499 (506), die  – al­ lerdings ohne nähere Begründung  – feststellen, dass die für den vergleichbaren Art. 17 Abs. 4 KVR maßgeblichen Erläuterungen in ErwGrd 47 KVR (entspricht ErwGrd 33 VRL) der bisherigen Rechtsprechung des EuGH widersprächen. 68  Vgl. die Ausführungen bei Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (355 ff., insbesondere 356); Müller / Klostermann, ZfBR 2014, 347 (350). 69  Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (356 f.); Brockhoff, VergabeR 2014, 625 (632); kritisch Schellenberg, in: Vergaberecht im Umbruch  II, S. 5 (17). 70  So Müller / Klostermann, ZfBR 2014, 347 (350); kritisch auch Knauff, EuZW 2014, 486 (489). Zur Bestimmtheitsproblematik der Umsetzung im deutschen Recht vgl. Kap. 4 C. III. und IV.



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich93

cc) Schwellenwerte Die Höhe der Schwellenwerte wurde durch die Neugestaltung der VRL nicht verändert. Vielmehr wurden die seit dem 01.01.2014 geltenden Schwellenwerte beibehalten.71 Eine im Gesetzgebungsverfahren diskutierte Erhöhung72 scheiterte insbesondere an der Bindung der EU an das Agree­ ment on Government Procurement73 (GPA).74 Man beschloss daher, das Thema erst zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufzugreifen, vgl. Art. 92 VRL und ErwGrd  134 VRL. Neu ist im Gegensatz zur bisherigen Rechts­ lage lediglich der bereits erwähnte Schwellenwert für soziale und andere besondere Dienstleistungen in Höhe von €  750.000,–. b) Ausnahmen aa) Art. 7, 8, 9 und 11 VRL Abschnitt 3 des ersten Kapitels, Art. 7 ff. VRL, regelt die Ausnahmen vom Anwendungsbereich der allgemeinen Richtlinie.75 Zunächst nimmt Art. 7 VRL eine Abgrenzung zur SRL vor und schließt die entsprechenden Sektorentätigkeiten vom Anwendungsbereich der allgemeinen VRL aus. In Art. 8 VRL finden sich weiterhin Ausnahmen im Bereich der elektronischen Kommunikation, während Art. 9 VRL öffentliche Aufträge und Wettbewerbe ausnimmt, die nach internationalen Regeln vergeben bzw. durchgeführt 71  Vgl. Art. 4 und 6 VRL sowie die einschlägige Änderungsverordnung vom 13.12.2013, ABl. EU Nr. L 335 / 17 v. 14.12.2013. Aktuell (2016 / 17) gelten aller­ dings bereits die Schwellenwerte aus der Delegierten Verordnung (EU) 2015 / 2170 der Kommission v. 24.11.2015 zur Änderung der Richtlinie 2014 / 24 / EU des Euro­ päischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für Auf­ tragsvergabeverfahren. 72  Vgl. Semple, Public Procurement, Rn. 1.10. 73  Agreement on Government Procurement v. 15.04.1994, in Kraft getreten am 01.01.1996, abrufbar unter www.wto.org. Ebenfalls abrufbar ist dort die überarbei­ tete Fassung des GPA v. 02.04.2012, die am 06.04.2014 in Kraft trat, GPA / 113 v. 02.04.2012. 74  Vgl. Opitz, NZBau 2014, 129 (130); näher Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (352) sowie Arrowsmith, Procurement, Rn. 6-97 f. 75  In diesen Abschnitt fallen auch die Regeln zu In-House- und In-State-Vergabe, Art. 12 VRL. Nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH liegt in solchen Fällen jedoch bereits kein öffentlicher Auftrag vor. Die Verortung sowie die Formulierung in Art. 12 Abs. 1 UAbs. 1 VRL („vergebener öffentlicher Auftrag“) dürfte angesichts von ErwGrd 31 daher als Redaktionsversehen zu werten sein, vgl. Dabringhausen, VergabeR 2014, 512 (515 f.) m. w. N. sowie Müller, in: Hettich / Soudry, Vergabe­ richtlinien, S. 130 f. Angesichts dessen wurde Art. 12 VRL hier auch schon zuvor behandelt.

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Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

werden.76 Zudem gilt die VRL gem. ihrem Art. 11 nicht für Dienstleistungs­ aufträge, die aufgrund eines ausschließlichen Rechts vergeben werden. Dies entspricht im Wesentlichen den bisherigen Regelungen in Art. 12, 13, 15 und 18 VKR.77 bb) Art. 10 VRL (1) Allgemeines Veränderungen beinhaltet dagegen Art. 10 VRL, der den bisherigen Art. 16 VKR ersetzt. Dieser schließt eine ganze Reihe von Dienstleistungs­ aufträgen aus dem Anwendungsbereich der Richtlinien aus. Neben der in Art. 10 lit. f) VRL eingefügten Klarstellung, dass auch Kredite und Darlehen ausgenommen sind und der in Art. 10 lit. i) VRL geregelten Ausnahme für öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene oder per Untergrundbahn (insoweit gilt die VO (EG) Nr. 1370 / 200778) sind insbesondere79 die Aus­ nahmen in Art. 10 lit. d) VRL neu. Durch die Aufgabe der Unterscheidung zwischen prioritären und nicht-prioritären Dienstleistungen (s. o.) ergab sich hier die Notwendigkeit, bestimmte Bereiche, bei denen die Anwendung der Richtlinienvorgaben wegen deren speziellen Eigenarten unangemessen er­ scheint, aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie auszunehmen.80 Art. 10 lit. d) VRL schließt daher insbesondere forensische Rechtsdienstleistungen vom Anwendungsbereich der Richtlinie aus.81

Art. 9 VRL vgl. Arrowsmith, Procurement, Rn. 6-159. Jaeger, NZBau 2014, 259 (260). 78  Verordnung (EG) Nr. 1370 / 2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.  Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191 / 69 und (EWG) Nr. 1107 / 70 des Rates, ABl. EU Nr. L 315 / 1 v. 03.12.2007. 79  Neu ist auch Art. 10 lit. j) VRL, der Dienstleistungen im Rahmen bestimmter politischer Kampagnen ausnimmt. Da Parteien in Deutschland aber keine Einrich­ tungen des öffentlichen Rechts i. S. v. Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 VRL sein können, ist diese Ausnahme für Deutschland irrelevant, vgl. Jaeger, NZBau 2014, 259 (260) und Semple, Public Procurement, Rn. 1.28 sowie ErwGrd 29 VRL. Leicht verändert wurde auch der jetzige Art. 10 lit. e) VRL, wonach nun auch mit der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) durchgeführte Transaktionen vom Vergaberecht ausgenommen sein sollen. 80  Vgl. Neun / Otting, EuZW 2014, 446 (447). 81  Zur bisherigen Rechtslage vgl. Otting, AnwBl 2014, 304 (304). 76  Zu

77  Vgl.



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich95

(2) Lit. h) Weiterhin werden in Art. 10 lit. h) VRL Dienstleistungen des Katastro­ phenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr vom Anwendungs­ bereich ausgenommen, sofern diese von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und unter die dort genannten CPVCodes82 fallen. Allerdings nimmt die Vorschrift den Einsatz von Kranken­ wagen zur Patientenbeförderung (Patientenfahrdienst) von dieser Ausnah­ meregelung direkt wieder aus (Rückausnahme). Art. 10 lit. h) VRL betrifft demnach den in den letzten Jahren viel diskutierten83 Bereich der Rettungs­ dienste.84 In den deutschen Bundesländern hatte sich hier im Laufe der Zeit ein gespaltenes Bild ergeben: Aufgrund zahlreicher Gerichtsentscheidungen sowie anhaltender Rechtsunsicherheiten und Zweifel hinsichtlich der An­ wendbarkeit des Vergaberechts85 entwickelten sich im Wesentlichen86 zwei Modelle zur Vergabe von Rettungsdienstleistungen. Einerseits das sog. Submissionsmodell, andererseits das sog. Konzessionsmodell. Während bei ersterem Dienstleistungsaufträge ausgeschrieben und vergeben werden, wird die Vergabe beim Konzessionsmodell  – soweit die entsprechenden Voraus­ setzungen vorliegen – in Form von Dienstleistungskonzessionen vollzogen.87 Da für Dienstleistungskonzessionen aber bislang auf europäischer Ebene noch keine sekundärrechtlichen Regelungen bestanden, musste hier lediglich Primärrecht beachtet werden.88 In der Praxis führten die beiden Modelle somit zu unterschiedlich ausgestalteten Vergabeverfahren. 82  Dies sind die Codes 7525000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113199-9 und 85143000-3. 83  Vgl. beispielsweise Bonhage / Ritzenhoff, NZBau 2012, 218 ff.; Landsberg / Struß, KommJur 2011, 321 ff.; Braun, NZBau 2011, 400 ff.; näher Zander, Rettungsdienst, Hamburg 2010; EuGH, Urt. v. 10.03.2011, Rs. C-274 / 09, Slg. 2011, I-1335  – „Rettungsdienst Stadler“. 84  Vgl. CPV-Codes 75252000-7 (Rettungsdienste) und 85143000-3 (Einsatz von Krankenwagen). 85  Jaeger, NZBau 2014, 259 (260) spricht von einer „jahrzehntelange[n] Rechtsunsicherheit“; vgl. auch Kraus, KommP Spezial 2014, 141 (141, 144). 86  Vereinzelt finden sich auch In-House-Konstruktionen bei denen z. B. die Feu­ erwehr als eigene Einrichtung die Rettungsdienstleistungen erbringt, vgl. Eschenbruch, in: Kulartz / Kus / Portz, GWB-Vergaberecht, § 99 Rn. 163. 87  Eschenbruch, in: Kulartz / Kus / Portz, GWB-Vergaberecht, § 99 Rn. 163–166; vgl. auch Amelung / Janson, NZBau 2016, 23 (24 f.). 88  EuGH, Urt. v. 10.03.2011, Rs. C-274 / 09, Slg. 2011, I-1335  – „Rettungsdienst Stadler“, Rn. 48 f. Die früher vertretene Auffassung, bei Rettungsdiensten handele es sich um hoheitliche Tätigkeiten, die deshalb wegen der Bereichsausnahme des Art. 51 i. V. m. Art. 62 AEUV vom Vergaberecht ausgenommen seien, ist mittlerwei­ le überholt, vgl. Eschenbruch, in: Kulartz / Kus / Portz, GWB-Vergaberecht, § 99 Rn. 164; BGH, Beschl. v. 01.12.2008, X ZB 31 / 08, BGHZ 179, 84 ff.; EuGH, Urt.

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Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

Zur genauen Bestimmung der durch Art. 10 lit. h) VRL ausgenommenen Dienstleistungen kann ergänzend ErwGrd 28 VRL herangezogen werden, der zunächst die Begründung für die Ausnahme liefert (Wahrung des spezi­ ellen Charakters der betreffenden gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen) und dann darauf hinweist, dass die Ausnahme nicht über das notwendigste Maß hinaus ausgeweitet werden sollte.89 Art. 10 lit. h) VRL muss daher eng ausgelegt werden. Bei strenger Orientierung am Wortlaut von lit. h) ergibt sich, dass nur solche Notfallrettungen erfasst sind, die (a) Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes oder der Ge­ fahrenabwehr darstellen, (b) von gemeinnützigen Organisationen oder Ver­ einigungen90 erbracht werden und (c) tatsächlich unter einen der genannten CPV-Codes fallen  – wobei der Einsatz von Krankenwagen zur Patientenbe­ förderung ausgeschlossen ist. Hinzukommen muss (d) ausweislich der Be­ gründung in ErwGrd 28 VRL, dass der spezielle Charakter der gemeinnüt­ zigen Organisationen oder Vereinigungen im Falle der Durchführung eines Vergabeverfahrens nach der VRL nur schwer gewahrt werden könnte.91 Fraglich erscheint angesichts dieser Voraussetzungen, ob auch die Vergabe von (Regel-)Rettungsdienstleistungen, d. h. die allgemeine Notfallrettung sowie der qualifizierte Krankentransport92 von lit. h) ausgenommen sind. Dies soll im Folgenden überprüft werden.

v. 29.04.2010, Rs. C-169 / 08, Slg. 2010, I-3713  – „Kommission / Deutschland“, Rn. 81 ff. 89  Dies entspricht, wie Antweiler, BKS-Rechtsgutachten, S. 21 f. zutreffend fest­ stellt der ständigen europäischen Rechtsprechung, nach der eines der Ziele der eu­ ropäischen Vorschriften zum öffentlichen Auftragswesen die Öffnung für einen möglichst umfassenden Wettbewerb ist, EuGH, Urt. v. 23.12.2009, Rs. C-305 / 08, Slg. 2009, I-12129  – „CoNISMa“, Rn. 37. 90  Solche dürften unter Berücksichtigung systematischer Auslegung erst dann vorliegen, wenn die Voraussetzungen des Art. 77 Abs. 2 VRL kumulativ vorliegen, so Prieß / Lübbig / Kaufmann, Rechtsgutachten Regelrettungsdienste, S. 4, 26, abruf­ bar im Internet unter http: /  / www.falck.de / de / falckGermany / medien / aktuelles / Do­ cuments / Falck %20- %20Gutachten %20Bereichsausnahme %20- %2022.04.2015. pdf – zuletzt abgerufen am 27.01.2016 (im Folgenden wird auf die Angabe der URL verzichtet  – eine gekürzte Fassung des Gutachtens ist zudem abgedruckt in NZBau 2015, 343 ff.); Caranta, in: Lichère / Caranta / Treumer, Modernising Public Procure­ ment, S. 84; Amelung / Janson, NZBau 2016, 23 (26). 91  So Antweiler, BKS-Rechtsgutachten, S. 24 f. mit weiteren Details. 92  Begriff in Anlehnung an Prieß / Lübbig / Kaufmann, Rechtsgutachten Regelret­ tungsdienste, S. 3.



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich

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(a) D  ienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr In der Praxis dürfte sich zunächst die Frage nach der Reichweite der erstgenannten Voraussetzung („Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr“) stellen. Zwar könnte man die­ se Formulierung lediglich als Umschreibung der betreffenden CPV-Codes einstufen und dieser keine weitere Bedeutung zumessen. Mit dem genauen Wortlaut der Norm,93 der Rechtsprechung des EuGH, nach welcher Aus­ nahmen vom Anwendungsbereich einer (Vergabe-)Richtlinie eng auszulegen sind,94 sowie ErwGrd  28, der darauf hinweist, dass diese Ausnahmen nicht über das notwendigste Maß hinaus ausgeweitet werden sollten, sprechen jedoch gute Argumente für eine Einstufung als eigenständiges Tatbestands­ merkmal.95 Hinzu kommt, dass der europäische Gesetzgeber andernfalls eine unnötige Formulierung in die (ohnehin schon sehr lange) Richtlinie /  Vorschrift aufgenommen hätte.96 Folgt man diesem Ansatz, stellt sich die Frage, wie die Begriffe „Katas­ trophenschutz“, „Zivilschutz“ und „Gefahrenabwehr“ im Einzelnen auszule­ gen sind. Schließlich werden diese in den neuen Richtlinien nicht definiert. In Art. 196 AEUV findet sich jedoch zumindest der Begriff der „Katastro­ phe“. Im Wege einer einheitlichen bzw. primärrechtskonformen Auslegung des Unionsrechts dürfte die dortige Begriffsbestimmung als Indiz herange­ zogen werden können.97 In der Literatur zu Art. 196 AEUV ist der Begriff im Wesentlichen durch drei Elemente geprägt. Von einer Katastrophe ist demnach dann auszugehen, wenn (a) ein Extremereignis vorliegt, das (b)  außergewöhnlich schädliche Folgen mit sich bringt und (c) von den unmittelbar betroffenen Personen nicht selbst bewältigt werden kann.98 Demzufolge umfasst der Begriff des „Katastrophenschutzes“ die Hilfe bei 93  „Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefah­ renabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die folgenden CPV-Codes fallen […]“ [Hervorhebung hinzu­ gefügt]. 94  EuGH, Urt. v. 07.06.2012, Rs. C-615 / 10, NZBau 2012, 509 ff.  – „InsTiimy Oy“, Rn. 35; vgl. auch Amelung / Janson, NZBau 2016, 23 (25). 95  So Prieß / Lübbig / Kaufmann, Rechtsgutachten Regelrettungsdienste, S. 21 f.; ebenso Amelung / Janson, NZBau 2016, 23 (25 f.); a. A. hingegen Ruthig, NZBau 2016, 3 (5), der insbesondere für die Auslegung des Begriffs der „Gefahrenabwehr“ die einzelnen in der Vorschrift genannten CPV-Codes heranzieht. 96  Prieß / Lübbig / Kaufmann, Rechtsgutachten Regelrettungsdienste, S. 21 f. 97  Ebd., S. 22 f. 98  Nettesheim, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Recht der EU, Bd. II, Art. 196 AEUV Rn. 12 ff.; ähnlich Calliess, in: Calliess / Ruffert, EUV / AEUV, Art. 196 AEUV Rn. 2.

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Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

„besonders schwere[n] Unglücke[n] oder schadensträchtige[n] Naturereig­ nisse[n] von erheblichem Ausmaß“.99 In die gleiche Richtung zielt der Begriff des „Zivilschutzes“. Diesem wird im europarechtlichen Kontext jedoch keine eigenständige Bedeutung zugemessen. Vielmehr werden die Begriffe „Katastrophen-“ und „Zivil­ schutz“ im Europarecht synonym verwandt.100 Etwas schwieriger zu bestimmen ist der Inhalt des Begriffs der „Gefah­ renabwehr“. Zwar kann hier naturgemäß nicht auf die Definition der „Ge­ fahr“ im Polizei- und Ordnungsrecht der Mitgliedstaaten101 zurückgegriffen werden. Doch auch unabhängig hiervon dürften sich unter den Begriff abs­ trakt fast alle Konstellationen subsumieren lassen, in denen die (wahrschein­ liche) Möglichkeit besteht, dass  – wie auch immer geartete  – Rechtsgüter verletzt werden.102 Im Gegensatz zu den Merkmalen „Katastrophenschutz“ und „Zivilschutz“ wäre dieses Merkmal mithin sehr weitgehend. Letztlich ließe sich daher vertreten, dass es die anderen Merkmale aushebeln und praktisch überflüssig machen würde, da beim Vorliegen einer Katastrophe denklogisch immer auch eine Gefahr anzunehmen wäre.103 Im Ergebnis könnte somit eine deutlich engere Auslegung des Begriffs geboten sein, die dem Inhalt der anderen Begriffe nahekommt und folglich ebenfalls nur Er­ eignisse extremer Art umfasst.104 Legte man diese Begriffsinterpretation zugrunde, ergäbe sich eine sehr deutliche Einschränkung der Ausnahmevor­ schrift. Die klassischen, wiederkehrenden (Regel-)Rettungsdienste (Rettung einzelner Personen, Unfallhilfe etc.) sowie der qualifizierte Krankentrans­ port105 wären demnach nicht von der Ausnahme erfasst.

99  Bergmann,

in: Bergmann, Handlexikon EU, Stichwort: „Katastrophenschutz“. jeweils Calliess, in: Calliess / Ruffert, EUV / AEUV, Art. 196 AEUV Rn. 2; Prieß / Lübbig / Kaufmann, Rechtsgutachten Regelrettungsdienste, S. 23; a. A. hingegen Ruthig, NZBau 2016, 3 (5), der zwischen dem Schutz der Zivilbevölke­ rung im Kriegsfall (= „Zivilschutz“) und unvorhersehbaren Ereignissen in Friedens­ zeiten (= „Katastrophenschutz“) unterscheidet. Auswirkungen haben diese unter­ schiedlichen Auffassungen vorliegend jedoch nicht, da von beiden Begriffen unbe­ stritten nur Extremereignisse erfasst sind, der allgemeine Rettungsdienst hingegen nicht, vgl. Amelung / Janson, NZBau 2016, 23 (26). 101  Zum Begriffsverständnis nach deutschem Recht vgl. nur Mann, in: Tettinger /  Erbguth / Mann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 463. 102  Vgl. Prieß / Lübbig / Kaufmann, Rechtsgutachten Regelrettungsdienste, S. 25. 103  Ebd.; in die gleiche Richtung auch Amelung / Janson, NZBau 2016, 23 (26). 104  Prieß / Lübbig / Kaufmann, Rechtsgutachten Regelrettungsdienste, S. 25; a. A. wiederum Ruthig, NZBau 2016, 3 (5 mit Fn. 19), der diese Sichtweise als (zu) „formalistisch“ ablehnt. 105  Prieß / Lübbig / Kaufmann, Gutachten Regelrettungsdienste, S. 3. 100  Vgl.



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich99

Fraglich ist jedoch, ob eine derart enge Auslegung und damit Geltung der Ausnahmevorschrift im Gesetzgebungsverfahren wirklich angestrebt wurde. Auch wenn man der historischen Auslegung im europäischen Rechtset­ zungsprozess aufgrund der politischen Gegebenheiten keine allzu große Bedeutung zumessen mag106 und die zur Verfügung stehenden Gesetzesma­ terialien der Vergaberichtlinien an dieser Stelle nicht explizit weiterhelfen,107 stellt sich doch die Frage, ob eine solch einschränkende Auslegung der Ausnahmevorschrift angesichts entsprechender Stellungnahmen im Gesetz­ gebungsprozess108 tatsächlich intendiert war. Aus den Erwägungsgründen wird dies jedenfalls nicht hinreichend deutlich. Dort wird explizit nur darauf hingewiesen, dass der Einsatz von Krankenwagen zur Patientenbeförderung nicht ausgenommen sein sollte. Erläuternde Ausführungen hinsichtlich der erforderlichen Art und Schwere der erfassten Ereignisse sind nicht enthal­ ten. Zudem ist auch eine gegenteilige Auslegung des  – wenn man es als sol­ ches ansieht  – ersten Tatbestandsmerkmals aus lit. h) möglich: Der Begriff der „Gefahrenabwehr“ könnte bewusst in Abgrenzung zu den engen Begrif­ fen des „Katastrophen-“ und „Zivilschutzes“ gewählt worden sein, um auch die „normalen“ (Regel-)Rettungsdienstkonstellationen zu umfassen und in die Ausnahmevorschrift miteinzubeziehen.109 Eine spezielle Einschränkung folgt schließlich noch direkt im Anschluss mit der abschließenden Aufzäh­ lung spezieller CPV-Codes. (b) Keine Entscheidungserheblichkeit der Auslegungsfrage? Die sich letztendlich stellende Auslegungsfrage muss an dieser Stelle je­ doch nicht entschieden werden, wenn andere, zwingende Gründe für oder gegen die Erfassung der (Regel-)Rettungsdienstleistungen von der Ausnah­ mevorschrift sprechen. Solche Gründe könnten sich unter Beachtung der weiteren Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift ergeben. Von Relevanz ist dabei insbesondere die zweite Voraussetzung, wonach nur solche Dienst­ 106  So Prieß / Lübbig / Kaufmann, Gutachten Regelrettungsdienste, S. 20; vgl. auch Burmeister / Staebe, EuR 2009, 444 (450) sowie Wegener, in: Calliess / Ruffert, EUV / AEUV, Art. 19 EUV Rn.13. 107  Prieß / Lübbig / Kaufmann, Gutachten Regelrettungsdienste, S. 20. 108  Vgl. insofern die Stellungnahme des deutschen Bundesrates v. 02.03.2012, BR-Drs. 874 / 11, Nr. 10 (S. 3 f.) sowie v. 30.03.2012, BR-Drs. 874 / 11 Nr. 15 (S. 6). 109  Vgl. beispielsweise auch die Stellungnahme der Bundesvereinigung der kom­ munalen Spitzenverbände v. 27.04.2015, abrufbar im Internet unter http: /  / www. dstgb-vis.de / dstgb_vis / Aktuelles / Vergabe %20vereinfachen / Bereichsausnahme %20 f %C3 %BCr %20die %20Vergabe %20von %20Rettungsdienstleistungen  – zuletzt ab­ gerufen am 13.11.2015.

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Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

leistungen vom Anwendungsbereich ausgeschlossen sind, die von gemein­ nützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden. Sofern die weite Auslegung des Gefahrenbegriffs (=  kein Extremereignis erforderlich) zugrunde gelegt wird und bei der Vergabe von Rettungsdienstleistungen an gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen europäisches Primärrecht zu beachten wäre (hierzu sogleich (aa)) könnte nämlich ein Widerspruch zwischen Primär- und Sekundärrecht entstehen (hierzu  (bb)). (aa) G  eltung europäischen Primärrechts bei der Vergabe von (Regel-)Rettungsdienstleistungen an gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen? Geklärt werden muss zunächst, ob bei der Vergabe von (Regel-)Rettungs­ dienstleistungen an gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen  – wenn man (Regel-)Rettungsdienstleistungen als vom Begriff der „Gefahren­ abwehr“ umfasst ansieht und folglich von der Geltung der VRL ausnimmt – die vergaberechtlichen Grundanforderungen des europäischen Primärrechts (insbesondere Nichtdiskriminierung, Gleichbehandlung und Transparenz)110 zu beachten wären. Im Zuge der Umsetzung der Vergaberichtlinien wurde vorgetragen, die Anforderungen des Primärrechts seien gerade nicht zu berücksichtigen; statt einem „Vergaberecht light“ gelte vielmehr „Zero Vergaberecht“.111 Zur Be­ gründung wurde darauf verwiesen, dass Art. 10 lit. h) VRL leer liefe, falls auch für die davon erfassten (und somit von der VRL ausgenommenen) Dienstleistungen ein „Vergaberecht light“ zu beachten wäre.112 Die Rege­ 110  Vgl. die „Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen“, ABl. EU Nr. C 179 / 2 v. 01.08.2006 sowie ErwGrd 1 VRL; Meister, NZBau 2015, 757 (757); vgl. auch Siegel, VerwArch 2016, 1 (7); zum EU-Vergaberechtsregime unterhalb der Schwellenwerte vgl. z. B. auch Wollenschläger, NVwZ 2007, 388 ff. oder Gabriel / Voll, NZBau 2014, 155 (156); ausführlich zur Reichweite des Primärvergaberechts Kühling / Huerkamp, in: Montag / Säcker, MüKo-Wettbewerbsrecht, Bd. 3, Vor §§ 97 ff. Rn. 39 ff. 111  S. 1 f. der Stellungnahme der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenver­ bände v. 27.04.2015, abrufbar im Internet unter http: /  / www.dstgb-vis.de / dstgb_ vis / Aktuelles / Vergabe %20vereinfachen / Bereichsausnahme %20f %C3 %BCr %20 die %20Vergabe %20von %20Rettungsdienstleistungen  – zuletzt abgerufen am 13.11. 2015. 112  So auf S. 5 der Stellungnahme der Bundesvereinigung der kommunalen Spit­ zenverbände und des VKU im Rahmen der Öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie im Deutschen Bundestag zum VergRModG v. 03. / 09.11.2015, abrufbar im Internet unter https: /  / www.bundestag.de / blob /394248 /  357e1bd5d0947e71bf052221a948a419 / komm--spitzenverbaende-data.pdf  – zuletzt



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich101

lungssystematik verdeutliche die Intention des europäischen Gesetzgebers, bestimmte Rettungsdienstvergaben umfassend freizustellen. Da bereits die von der Ausnahmevorschrift nicht erfassten Dienstleistungen (gewerbsmä­ ßig durchgeführte Rettungsdienste) einem erleichterten Sonderregime unter­ fielen, würde die Ausnahmevorschrift ihrer Wirkung beraubt, falls die davon erfassten Dienstleistungen „dem gleichen ‚Vergaberecht-light‘-Regime un­ terstellt“ wären.113 Diese Argumentation mag zwar auf den ersten Blick recht überzeugend klingen, widerspricht jedoch den grundlegenden normenhierarchischen Prin­ zipien des Unionsrechts, wonach das Primärrecht dem Sekundärrecht vor­ geht. Das vom europäischen Gesetzgeber erlassene Sekundärrecht ist grund­ sätzlich am Primärrecht zu messen.114 Man wird dem EU-Gesetzgeber aber einigen Freiraum bei der Ausgestaltung des Sekundärrechts zugestehen müssen; gewisse Konkretisierungen und Beschränkungen des Primärrechts sowie der primärrechtlichen Grundfreiheiten sind deshalb hinzunehmen.115 Nutzt der EU-Gesetzgeber diesen Freiraum, wird teilweise von der Begrün­ dung einer Sperrwirkung bzw. einem Anwendungsvorrang des Sekundär­ rechts gesprochen.116 Ein Rückgriff auf das Primärrecht soll dann nur noch möglich sein, wenn das Sekundärrecht Lücken offenbart oder den nationalen Gesetzgebern Gestaltungsspielräume eröffnet.117 Trotz dieses Freiraums für den EU-Gesetzgeber erscheint es jedoch sehr weitgehend, anzunehmen, dass das Primärrecht bereits dann nicht anwendbar ist, wenn der EU-Gesetzgeber bloße Ausnahmen vom Anwendungsbereich einer Richtlinie vorsieht oder einige Aspekte in einer Richtlinie (überhaupt) abgerufen am 13.11.2015; inhaltlich gleichlaufend auch bereits die Argumentation auf S. 2 der Stellungnahme der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbän­ de v. 27.04.2015, abrufbar im Internet unter http: /  / www.dstgb-vis.de / dstgb_vis / Ak tuelles / Vergabe %20vereinfachen / Bereichsausnahme %20f %C3 %BCr %20die %20 Vergabe %20von %20Rettungsdienstleistungen  – zuletzt abgerufen am 13.11.2015; ebenso jetzt auch Röwekamp, in: Kulartz / Kus / Portz / Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl.  2016, § 107 Rn. 34. 113  Ebd. 114  Vgl. zum Vorrang des Primärrechts z. B. Bast, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Recht der EU, Bd. I, Art. 5 EUV Rn. 10; EuGH, Urt. v. 13.12.1983, Rs. 218 / 82, Slg. 1983, 4063  – „Kommission / Rat“, Rn. 15. 115  Siegel, EWS 2008, 66 (66); Dörr, in: Dreher / Motzke, Vergaberecht, Einlei­ tung, Rn. 144. 116  So explizit Dörr, in: Dreher / Motzke, Vergaberecht, Einleitung, Rn. 144 m. w. N.; ähnlich Diehr, VergabeR 2009, 719 (721); kritisch zu dieser Begriffsver­ wendung allerdings Siegel, EWS 2008, 66 (66 f.). 117  Dörr, in: Dreher / Motzke, Vergaberecht, Einleitung, Rn. 144; vgl. auch EuGH, Urt. v. 25.03.2004, Rs. C-71 / 02, Slg. 2004, I-3025 – „Karner“, Rn. 33 f. sowie EuGH, Urt. v. 12.10.2004, Rs. C-60 / 03, Slg. 2004, I-9553 – „Wolff & Müller“, Rn. 30.

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Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

nicht regelt. In Anbetracht des grundsätzlichen Vorrangs des Primärrechts kann es dem Sekundärrechtsgeber nicht erlaubt sein, bestimmte Aspekte (z. B. ausgewählte Dienstleistungen) einfach durch eine bloße Ausnahmevor­ schrift vollständig von der Geltung des europäischen Rechts freizustellen.118 Eine umfangreiche Sperrwirkung der bisher geltenden VKR und SKR wurde dementsprechend in der Vergangenheit stets abgelehnt.119 Insbesondere die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen120 oder Vergaben unterhalb der Schwellenwerte121 mussten bei Vorliegen eines grenzüberschreitenden Inter­ esses122 unter Beachtung primärrechtlicher Regeln durchgeführt werden.123 Aber auch nichtprioritäre Dienstleistungen (für die nach Art. 21 VKR nur die Vorgaben der Art. 23 und 35 Abs. 4 VKR galten) mussten nach der Recht­ sprechung des EuGH den primärrechtlichen Anforderungen genügen.124 Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte dürfte dies auch unter der Geltung der drei neuen Vergaberichtlinien Bestand haben.125 Bei Ausnahmen vom An­ wendungsbereich der Richtlinien ist daher auch weiterhin das europäische Primärrecht zu beachten. Hierfür spricht jedenfalls auch der Wortlaut von ErwGrd 1 VRL.126 Demnach hatte der Sekundärrechtsgesetzgeber überhaupt nicht die Möglichkeit, die Vergabe von (Regel-)Rettungsdienstleistungen um­ fassend vom Vergaberecht freizustellen.127 118  Prieß / Simonis, Tagungsband 16.  Düsseldorfer Vergaberechtstag 2015, S. 23 (26) (auch abgedruckt in: NZBau 2015, 731 ff.). 119  Prieß / Lübbig / Kaufmann, Gutachten Regelrettungsdienste, S. 30; Huerkamp, Gleichbehandlung und Transparenz, S. 101 ff.; vgl. auch Siegel, EWS 2008, 66 (67) sowie Diehr, VergabeR 2009, 719 (721). 120  Hierzu beispielsweise EuGH, Urt. v. 06.04.2006, Rs. C-410 / 04, Slg. 2006, I-3303  – „ANAV“, Rn. 19 ff. m. w. N. 121  Hierzu u. a. EuGH, Urt. v. 14.06.2007, Rs. C-6 / 05, Slg. 2007, I-4557  – „Me­ dipac“, Rn. 33 m. w. N.; EuG, Urt. v. 29.05.2013, Rs. T-384 / 10  – „Spanien / Kom­ mission“, Rn. 110; vgl. auch Diehr, VergabeR 2009, 719 (721). 122  Ein grenzüberschreitendes Interesse wird in jüngerer Zeit schon recht schnell bejaht, vgl. z. B. EuGH, Urt. v. 14.11.2013, Rs. C-388 / 12   – „Comune di Anco­ na / Regione Marche“; dazu Prieß, NZBau 2015, 57 f.; EuGH, Urt. v. 14.11.2013, Rs. C-221 / 12 – „Belgacom“; EuGH, Urt. v. 16.04.2015, Rs. C-278 / 14  – „SC Enterpri­ se Focused Solutions“; zur Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH auch Meister, NZBau 2015, 757 (759). 123  Siegel, EWS 2008, 66 (67); Prieß / Lübbig / Kaufmann, Gutachten Regelret­ tungsdienste, S. 30 ff. 124  Vgl. EuGH, Urt. v. 27.10.2005, Rs. C-234 / 03, Slg. 2005, I-9315  – „Contse“, Rn. 47 ff.; Dörr, in: Dreher / Motzke, Vergaberecht, Einleitung, Rn. 146. 125  Vgl. Prieß / Simonis, Tagungsband 16.  Düsseldorfer Vergaberechtstag 2015, S. 23 (26); Prieß, NZBau 2014, 465 (465 f.). 126  Dieser lautet auszugsweise: „Die Vergabe öffentlicher Aufträge durch oder im Namen von Behörden der Mitgliedstaaten hat im Einklang mit den im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) niedergelegten Grundsätzen zu erfolgen, insbesondere […].“ [Hervorhebung hinzugefügt].



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich103

Abgesehen von diesen grundsätzlichen Erwägungen wurde eine umfas­ sende Ausnahme bestimmter Rettungsdienstvergaben von der Geltung des europäischen Primärrechts auch mit Verweis auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache „Spezzino“128 vertreten.129 In dem Urteil ging es um die Frage, ob das europäische Primärrecht nationalen (italienischen) Vorschrif­ ten entgegensteht, wonach die Erbringung von dringenden Krankentrans­ port- und Notfallkrankentransportdiensten unter bestimmten Voraussetzun­ gen vorrangig und im Wege einer Direktvergabe ohne jegliche Bekanntma­ chung an Freiwilligenorganisationen vergeben werden kann bzw. muss. Der EuGH sah in einer derartigen Direktvergabe zunächst eine Ungleich­ behandlung zum Nachteil der in einem anderen Mitgliedstaat niedergelas­ senen Unternehmen, die an einer solchen Konzession interessiert sein könnten. Die entsprechenden Vorschriften stellten grundsätzlich eine nach den Art. 49 und 56 AEUV verbotene mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar (vgl. Rn. 52 des Urteils). Allerdings hielt der Gerichtshof unter ausdrücklicher Anerkennung der von dem italienischen Gesetz verfolgten Ziele  – Universalität, Solidarität, Erschwinglichkeit und Geeignetheit (insbesondere zur Sicherstellung eines wirtschaftlich ausgegli­ chenen Haushalts)  – eine Rechtfertigung für möglich (Rn. 53 ff.). Ein Mit­ gliedstaat könne die Auffassung vertreten, dass der Rückgriff auf Freiwil­ ligenorganisationen dem sozialen Zweck der dringenden Krankentransporte entspreche und geeignet sei, dazu beizutragen, die mit diesen Diensten verbundenen Kosten zu beherrschen (Rn. 59). Das jeweilige, die Freiwilli­ genorganisationen begünstigende System müsse dann allerdings tatsächlich zu dem Zweck und zu den Zielen der Solidarität und der Haushaltseffizi­ enz beitragen, auf denen dieses System beruht (Rn. 60).130 Deshalb dürften die Hilfsorganisationen angesichts der italienischen Vorschriften (a) nur die genannten sozialen Zwecke und Ziele der Solidarität und Haushaltseffi­ 127  Dass von der Ausnahmevorschrift des Art. 10 lit. h) VRL bzw. Art. 10 Abs. 8 lit. g) KVR erfasste Rettungsdienstleistungen zumindest dem europäischen Primär­ recht unterliegen bestätigt Antweiler, BKS-Rechtsgutachten, S. 34. 128  EuGH, Urt. v. 11.12.2014, Rs. C-113 / 13   – „Spezzino“. 129  So S. 3 der Stellungnahme der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzen­ verbände v. 27.04.2015, abrufbar im Internet unter http: /  / www.dstgb-vis.de / dstgb_ vis / Aktuelles / Vergabe %20vereinfachen / Bereichsausnahme %20f %C3 %BCr %20 die %20Vergabe %20von %20Rettungsdienstleistungen  – zuletzt abgerufen am 13.11. 2015; ebenso S. 5 f. der Stellungnahme der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände und des VKU im Rahmen der Öffentlichen Anhörung des Aus­ schusses für Wirtschaft und Energie im Deutschen Bundestag zum VergRModG v. 03. / 09.11.2015, abrufbar im Internet unter https: /  / www.bundestag.de / blob / 394248 /  357e1bd5d0947e71bf052221a948a419 / komm--spitzenverbaende-data.pdf  – zuletzt abgerufen am 13.11.2015. 130  An dieser Stelle sind Parallelen zur bereits oben unter Kap. 2 C. II. skizzierten glücksspielrechtlichen Kohärenz-Rechtsprechung des EuGH zu erkennen.

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Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

zienz verfolgen sowie (b) mit ihren Leistungen keinen Gewinn erzielen. Zudem dürfe (c) ein Rückgriff auf Erwerbstätige nur in dem Maße statt­ finden, wie es für den geregelten Betrieb der Freiwilligenorganisationen erforderlich ist (Rn. 61 f.). Den italienischen Vorschriften entsprechende Normen sind im deutschen Recht bislang nicht enthalten. Zwar enthält das deutsche Sozialrecht Vor­ schriften zur Versorgung mit Krankentransport- und Rettungsdienstleistun­ gen, vgl. §§ 60, 133 SGB V und im Landesrecht131 sind teilweise Vorschrif­ ten anzutreffen, die gemeinnützige Organisationen gegenüber privaten An­ bietern bei der Vergabe von Rettungsdienstleistungen privilegieren. Doch Normen, die ausdrücklich eine Direktvergabe von Rettungsdienstleistungen unter expliziter Berufung auf soziale und haushaltsspezifische Zwecke vor­ sehen  – und folglich den italienischen Vorschriften ähneln  – existieren nicht.132 Auch ergibt sich derartiges nicht aus der Gesetzesbegründung des deutschen VergRModG. Eine direkte Übertragbarkeit des Urteils auf die deutsche Rechtslage ist daher abzulehnen. Der deutsche Gesetzgeber hätte allerdings theoretisch die Möglichkeit, ähnliche Vorschriften einzuführen, um auch in Deutschland Direktvergaben von Rettungsdienstleistungen an Hilfsorganisationen gesetzlich zu legi­ timieren.133 Unabhängig von damit verbundenen verfassungsrechtlichen Bedenken (die allein eine entsprechende Bevorzugung gegenüber gewerb­ lichen Anbietern letztlich verbieten dürften),134 bleibt jedoch fraglich, ob die in Deutschland herrschenden tatsächlichen Umstände eine Übertragung des Urteils bei entsprechend ausgestalteten Vorschriften überhaupt erlauben würden. Zunächst wird man annehmen können, dass auch die deutschen Hilfsor­ ganisationen (insbesondere Arbeiter-Samariter-Bund, Deutsche Lebensret­ tungsgesellschaft, Deutsches Rotes Kreuz, Johanniter-Unfallhilfe und Mal­ teser-Hilfsdienst) soziale Ziele verfolgen. Problematisch könnte hingegen der hohe Anteil Erwerbstätiger (Hauptamtlicher) bei diesen Organisationen sein, der den Anteil ehrenamtlicher Helfer deutlich übersteigt.135 Es könnte 131  Z. B.

in § 5 Abs. 1 RDG-Berlin; § 2 RDG-BW; § 7 RDG-Hamburg. Prieß / Simonis, Tagungsband 16.  Düsseldorfer Vergaberechtstag 2015, S. 23 (28); ebenso Amelung / Janson, NZBau 2016, 23 (26). 133  Dies fordernd S. 5 der Stellungnahme der Bundesvereinigung der kommuna­ len Spitzenverbände und des VKU im Rahmen der Öffentlichen Anhörung des Aus­ schusses für Wirtschaft und Energie im Deutschen Bundestag zum VergRModG v. 03. / 09.11.2015, abrufbar im Internet unter https: /  / www.bundestag.de / blob /394248 /  357e1bd5d0947e71bf052221a948a419 / komm--spitzenverbaende-data.pdf – zuletzt abgerufen am 13.11.2015. 134  Vgl. hierzu BayVerfGH, Urt. v. 24.05.2012, Az. Vf. 1-VII-10, DÖV 2012, 734 (Leitsatz), BeckRS 2012, 51350 (Volltext). 132  Vgl.



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich105

daran gezweifelt werden, ob die deutschen Hilfsorganisationen tatsächlich – wie vom EuGH gefordert – nur in dem Maße auf Erwerbstätige zurückgrei­ fen, wie es für den geregelten Betrieb einer Freiwilligenorganisation erfor­ derlich ist. Zu bedenken sind jedoch die hohen Anforderungen, die an die Ausübung einer rettungsdienstlichen Tätigkeit in Deutschland geknüpft sind. So ist nach dem neuen NotSanG, dass am 01.  Januar 2014 in Kraft trat mittlerweile eine dreijährige (Vollzeit-)Ausbildung einschließlich einer staatlichen Prüfung notwendig, um als Notfallsanitäter / -in tätig zu werden (vgl. § 5 Abs. 1 NotSanG).136 Und auch nach dem zuvor geltenden ­RettAssG war für die Zulassung als Rettungsassistent eine in der Regel zweijährige Ausbildung erforderlich (vgl. §§ 4, 7 Abs. 1 RettAssG).137 Ein solch hoher Aufwand ist ehrenamtlich neben einer Voll- oder Teilzeitbeschäftigung kaum zu leisten. Die Zahl verfügbarer ehrenamtlicher Helfer ist daher im Rettungsdienst zwangsläufig gering,138 so dass die Freiwilligenorganisatio­ nen praktisch gezwungen sind, auf hauptamtlich Beschäftigte zurückzugrei­ fen. Ansonsten könnten die Organisationen im Bereich des Rettungsdienstes nicht wirksam handeln.139 Der hohe Anteil Erwerbstätiger bei den deutschen Hilfsorganisationen muss daher als für den geregelten Betrieb der Freiwil­ ligenorganisation erforderlich angesehen werden.140 Zwei der drei Voraus­ setzungen des EuGH liegen damit vor. Weiterhin dürfen die Freiwilligenorganisationen für eine Übertragbarkeit des Urteils mit den Rettungsdienstleistungen allerdings keinen Gewinn er­ wirtschaften.141 Dabei ist nach den Ausführungen des EuGH darauf zu ach­ ten, dass ein Erwerbszweck nicht etwa unter dem Vorwand der Freiwilligen­ tätigkeit, und sei es nur indirekt, verfolgt wird. Dem Freiwilligen könnten lediglich die Kosten erstattet werden, die er für die geleistete Tätigkeit tat­ sächlich aufgewandt hat (Rn. 62). Im Falle der deutschen Hilfsorganisationen wird eine Gewinnerzielung bei Tätigkeiten im Rettungsdienst indes zu beja­ hen sein. So stellte der BFH in einem Beschluss vom 18.  September 2007 explizit fest: 135  Vgl. hierzu die von Prieß / Lübbig / Kaufmann, Gutachten Regelrettungsdienste, S. 13 angeführte Statistik aus Baden-Württemberg für das Jahr 2011 (Landtag Ba­ den-Württemberg, Drs. 15 / 2943, S. 4). 136  Darauf hinweisend auch Prieß / Lübbig / Kaufmann, Gutachten Regelrettungs­ dienste, S. 12 f. 137  Das RettAssG ist mit Wirkung zum 31.12.2014 aufgehoben worden. 138  Im Sanitätsdienst dürfte der Anteil Ehrenamtlicher hingegen höher liegen. 139  Dies entspricht der Formulierung des EuGH in Rn. 61 des Urteils. 140  A. A. hingegen Prieß / Lübbig / Kaufmann, Gutachten Regelrettungsdienste, S. 13 f. und wohl auch Amelung / Janson, NZBau 2016, 23 (25). 141  Ein Verzicht auf dieses Kriterium erscheint angesichts des ausdrücklichen Bezugs auf haushaltspolitische Zwecke gerade nicht möglich.

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Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

„Der Krankentransport und der Rettungsdienst, die Wohlfahrtsverbände zu densel­ ben Bedingungen wie private gewerbliche Unternehmen anbieten, werden um des Erwerbes willen und nicht zum Wohl der Allgemeinheit ausgeübt. Eine auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit ändert nicht dadurch ihren Charakter, dass sie statt von gewerblichen Unternehmen von Wohlfahrtsverbänden erbracht wird, mögen diese mit ihren Leistungen im öffentlichen Rettungsdienst einen Über­ schuss der Einnahmen über die Ausgaben anstreben und tatsächlich erzielen oder nicht.“.142

Für die Frage, ob die Sorge für notleidende oder gefährdete Mitmenschen um des Erwerbes Willen ausgeübt wird, sei weiterhin allein maßgeblich, ob die Bedingungen unter denen sie ausgeübt wird, objektiv geeignet seien, Gewinne zu erzielen.143 Zwar hat das Deutsche Rote Kreuz als Reaktion auf dieses Urteil ausdrücklich bestritten, dass der Rettungsdienst der Gewinner­ zielung diene.144 An anderer Stelle wird jedoch deutlich, dass durch den Rettungsdienst sehr wohl Gewinne entstehen, die anschließend für die Fi­ nanzierung anderer Tätigkeitsbereiche verwendet werden.145 Das Kriterium 142  BFH, Beschl. v. 18.09.2007, Az. I R 30 / 06, Rn. 19, zit. nach juris (= NVwZ 2008, 701 ff.), vgl. zur näheren Begründung auch Rn. 20 f. [Hervorhebung hinzuge­ fügt]; auf dieses Urteil beziehen sich auch Prieß / Lübbig / Kaufmann, Gutachten Regelrettungsdienste, S. 11 f.; kritisch zum Urteil des BFH beispielsweise Musil, in: Heintzen / Musil, Steuerrecht des Gesundheitswesens, Rn. 381 ff. 143  BFH, Beschl. v. 18.09.2007, Az. I R 30 / 06, Rn. 21, zit. nach juris (= NVwZ 2008, 701 ff.). Nach erheblicher Kritik des Schrifttums gegen die getroffenen Aus­ sagen entschied der BFH mit Urteil v. 27.11.2013, Az. I R 17 / 12, Rn. 43–45, zit. nach juris (= NVwZ-RR 2014, 568 ff.), die damals getroffene Aussage sei dahin einzuschränken, „dass eine den Zweckbetrieb nach § 66 AO ausschließende Er­ werbsorientierung dann gegeben ist, wenn damit Gewinne angestrebt werden, die den konkreten Finanzierungsbedarf des jeweiligen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs übersteigen […], die Wohlfahrtspflege mithin nur als Vorwand dient, um das eigene Vermögen zu mehren“ (Rn. 45). Eine umfangreiche Korrektur des damaligen Urteils ist darin jedoch nicht zu sehen. Die hier interessierende Aussage des Beschlusses aus 2007 (Ausübung des Rettungsdienstes zur Gewinnerzielung) wird durch das Urteil aus 2013 jedenfalls nicht grundsätzlich in Frage gestellt. 144  Vgl. Presseinformation Nr. 06 / 08 des Deutschen Roten Kreuzes v. 15.02.2008, abrufbar im Internet unter http: /  / www.drk.de / pressemeldungen / meldung / 5989-deut sches-rotes-kreuz-zum-bfh-urteil-rettungsdienst-ist-kein-gewerbe.html – zuletzt abge­ rufen am 18.11.2015. 145  Vgl. die Aussagen des DRK-Beauftragten für den Ennepe-Ruhr-Kreis, Sascha Rolf Lüder in: Gruber, „Regelung aus 2010 gekippt“, in: WAZ v. 07.04.2014, ab­ rufbar im Internet unter http: /  / www.derwesten.de / staedte / schwelm / regelung-aus2010-gekippt-aimp-id9214119.html  – zuletzt abgerufen am 18.11.2015; Benden / Gego, „Die Geschäfte mit den Rettern vom Roten Kreuz“, in: Aachener Zeitung v. 12.10.2013, abrufbar im Internet unter http: /  / www.aachener-zeitung.de / lokales /  region / die-geschaefte-mit-den-rettern-vom-roten-kreuz-1.675786  – zuletzt abgerufen am 18.11.2015; etwas näher hierzu Prieß / Lübbig / Kaufmann, Gutachten Regelret­ tungsdienste, S. 10 f.



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich

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des EuGH, es dürfe kein Gewinn erzielt werden, muss demnach bei den deutschen Hilfsorganisationen verneint werden.146 Eine Übertragung des Urteils auf die die Situation in der Bundesrepublik Deutschland und folglich eine umfassende Freistellung der Vergabe von Rettungsdienstleistungen vom europäischen Primärrecht ist deshalb abzulehnen.147 Unabhängig davon, wie man eine Bevorzugung der Hilfsorganisationen politisch oder moralisch einordnet, müssen daher auch bei der Vergabe von (Regel-)Rettungsdienst­ leistungen an gemeinnützige Organisationen die Vorgaben des europäischen Primärrechts beachtet werden. (bb) Widerspruch zwischen europäischem Primär- und Sekundärrecht Das soeben gefundene Ergebnis hat zur Folge, dass bei Rettungsdienst­ vergaben an gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen148 unter Zugrundelegung der weiten Auslegung des Gefahrenbegriffs (nur) europäi­ sches Primärrecht zu beachten wäre, während bei Vergaben an gewerbliche Unternehmen die Vorgaben der VRL einzuhalten sind.149 Wird in ersterer Konstellation ein Vergabeverfahren unter Einhaltung der vom EuGH aufgestellten primärrechtlichen Voraussetzungen durchgeführt, ist jedoch nicht auszuschließen,150 dass auch gewerbliche Unternehmen an 146  Zweifelnd hinsichtlich der Erfüllbarkeit der gemeinschaftsrechtlichen Vorga­ ben durch die deutschen Organisationen auch OLG Schleswig, Beschl. v. 28.08.2015, 1 Verg 1 / 15 (= NZBau 2015, 718 ff.), Rn. 33. 147  Kritisch zur Übertragbarkeit des Urteils des EuGH auch Amelung / Janson, NZBau 2016, 23 (25) sowie Prieß / Lübbig / Kaufmann, Rechtsgutachten Regelret­ tungsdienste, S. 10 ff.; vgl. nun auch Burgi, VergabeR 2016, 261 (264 f.). Gegen eine umfassende Freistellung der Rettungsdienstleistungen von primärrechtlichen Vorga­ ben offenbar auch Gröning, NZBau 2015, 690 (693) sowie Antweiler, BKS-Rechts­ gutachten, S. 34 und Braun, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 177 f.; vgl. ebenfalls Burgi, ZHR 2014, 2 (3), der explizit darauf hinweist, dass für Einzelberei­ che, die aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie(n) herausgenommen worden sind freilich weiterhin das Vergaberecht light gelte. 148  Ob eine gemeinnützige Organisation oder Vereinigung tatsächlich vorliegt, richtet sich nach den Vorgaben aus Art. 77 Abs. 2 VRL, vgl. Prieß / Lübbig / Kaufmann, Rechtsgutachten Regelrettungsdienste, S. 4, 26 sowie Caranta, in: Lichère / Ca­ ranta / Treumer, Modernising Public Procurement, S. 84. Ob dessen Voraussetzungen, die weitgehend denen des EuGH in der dargestellten Rs. „Spezzino“ entsprechen, in Deutschland allerdings von den einschlägigen Organisationen erfüllt werden, er­ scheint vor dem Hintergrund der Auffassung des EuGH und den soeben getroffenen Ausführungen zweifelhaft; ähnlich wie hier deshalb zutreffend auch Amelung / Janson, NZBau 2016, 23 (26); vgl. zudem nun Burgi, VergabeR 2016, 261 (264 f.). 149  So auch Antweiler, BKS-Rechtsgutachten, S. 25–27. 150  Zu beachten ist an dieser Stelle nämlich, dass Art. 77 Abs. 1 VRL die Mit­ gliedstaaten nicht zu einer Bevorzugung gemeinnütziger Organisationen zwingt,

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Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

der Ausschreibung teilnehmen und sich letzten Endes durchsetzen.151 Erhält aber ein gewerbliches Unternehmen den Zuschlag, liegt ein Verstoß gegen die VRL vor, die für diesen Fall eben strengere Vorgaben vorsieht, als das Primärrecht. Es kommt somit zu einem Widerspruch zwischen Primär- und Sekundärrecht, der sinnvollerweise nur durch eine primärrechtskonforme Auslegung des Sekundärrechts aufgelöst werden kann.152 Die Ausnahmevor­ schrift in Art. 10 lit. h) VRL ist deswegen so weit zu reduzieren, dass auch Rettungsdienst-Vergaben an gemeinnützige Organisationen oder Vereinigun­ gen keinen Ausnahmefall begründen. Die Ausnahmeregelung wird dadurch zwar deutlich eingeschränkt, so dass die Vergabe von Rettungsdienstleistun­ gen nicht außerhalb der Richtlinie denkbar ist. Zur Herstellung der erforder­ lichen Konformität zwischen Primär- und Sekundärrecht ist diese Einschrän­ kung jedoch unabdingbar. Im Ergebnis ist die Vergabe von Regelrettungs­ dienstleistungen daher nur nach den sekundärrechtlichen Vorschriften der VRL möglich.153 Eine umfassende Ausnahme für den gesamten Bereich der Rettungsdiens­ te stellt Art. 10 lit. h) VRL demnach letztlich nicht dar,154 was auch bereits von der deutschen Rechtsprechung bestätigt wurde.155 Die Ausnahmevor­ schrift könnte nach dem Gesagten nur dann angewendet werden, wenn auch primärrechtlich keinerlei vergaberechtliche Pflichten (insbesondere transpa­ rentes und nichtdiskriminierendes Verfahren) bei der Vergabe von Rettungs­ dienstleistungen bestünden.156 Da dem jedoch  – wie gesehen  – nicht so ist, gelten für die Vergabe der Regelrettungsdienste fortan die Vorgaben des Sonderregimes für soziale und andere besondere Dienstleistungen aus Art. 74 ff. VRL.157 Entsprechendes gilt  – dies vorab158  – nun auch im Falle der Vergabe von Rettungsdienstleistungen per Dienstleistungskonzession. Art. 10 Abs. 8 sondern ihnen nur ein solches Recht einräumt. Zudem ist auch sehr fraglich, ob die Vorschrift in Deutschland überhaupt umgesetzt bzw. auf die Vergabe von Rettungs­ dienstleistungen angewendet werden dürfte (dagegen Prieß / Lübbig / Kaufmann, Gut­ achten Regelrettungsdienste, S. 6, 15, 26, 34 f., 46). 151  Prieß / Lübbig / Kaufmann, Gutachten Regelrettungsdienste, S. 34. 152  Vgl. ebd. 153  Ebd. 154  Vgl. Antweiler, BKS-Rechtsgutachten, S. 29 f. 155  Vgl. OLG Schleswig, Beschl. v. 28.08.2015, 1 Verg 1 / 15 (= NZBau 2015, 718 ff.), Rn. 33, wonach nicht von vornherein davon ausgegangen werden könne, dass „die  – grundsätzlich eng auszulegenden  – Regelungen in Art. 10 Buchst.  h der RL 2014 / 24 / EU […] die […] Leistungen des so genannten ‚Regel-Rettungsdiensts‘ […] von der (EU-)Ausschreibungspflicht vollständig ausnehmen wird.“. 156  Prieß / Lübbig / Kaufmann, Gutachten Regelrettungsdienste, S. 35. 157  Vgl. Art. 74 i. V. m. Anhang XIV sowie ErwGrd 117 VRL.



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich109

lit. g) KVR enthält insofern die identische Ausnahmeregelung für den Be­ reich der Konzessionen. Zudem stimmen ErwGrd 36 KVR und ErwGrd 28 VRL inhaltlich überein, so dass sich die obigen Ausführungen auf die KVR übertragen lassen.159 Ist der Anwendungsbereich der KVR demnach eröffnet, unterliegen die (Regel-)Rettungsdienste ebenfalls dem dortigen Sonderregime für soziale und andere besondere Dienstleistungen. Nach Art. 19 KVR i. V. m. Anhang IV KVR gelten dann ausschließlich die aus Art. 31 Abs. 3 sowie den Art. 32, 46 und 47 KVR erwachsenden Verpflich­ tungen.160 Weiterhin sind die Ausnahmeregelungen aus Art. 10 lit. h) VRL und Art. 10 Abs. 8 lit. g) KVR wortgleich auch in Art. 21 lit. h) SRL wiederzu­ finden. Konkretisiert wird die Regelung dort durch ErwGrd 36 SRL, der mit ErwGrd 28 VRL und ErwGrd 36 KVR übereinstimmt161. Praktische Rele­ vanz dürfte der Ausnahmetatbestand im Rahmen der SRL allerdings kaum entfalten. c) Besondere Sachverhalte & Verteidigung und Sicherheit Zur Vollständigkeit sei abschließend noch auf Abschnitt 4 (Art. 13–17 VRL) hingewiesen, der einige Ausnahmen für besondere Sachverhalte re­ gelt. Dort sind bestimmte Aufträge, die von öffentlichen Auftraggebern subventioniert werden (Art. 13 VRL), bestimmte Forschungs- und Entwick­ lungsdienstleistungen (Art. 14 VRL)162 sowie einige Aufträge, die Verteidi­ gungs- oder Sicherheitsaspekte163 beinhalten (Art. 15–17 VRL),164 von der Richtlinie ausgenommen.

158  Näher

zur KVR unten ab S. 115. auch Antweiler, BKS-Rechtsgutachten, S. 30 f. 160  Ein modifizierter Schwellenwert gilt somit im Bereich der KVR nicht. 161  Inhaltlich stimmen alle drei ErwGrd überein. Es finden sich lediglich etwas unterschiedliche Formulierungen, die letztlich wohl auf enge zeitliche Vorgaben bei der Übersetzung der Richtlinien zurückzuführen sind. In der Sache begründen diese jedoch keinerlei Unterschiede. 162  Hierzu Semple, Public Procurement, Rn. 1.29. 163  Kursive Hervorhebung hinzugefügt. Art. 15  – 17 VRL gelten für die Fälle, in denen zwar ein Bezug zu Aspekten der Verteidigung und Sicherheit besteht, die RL 2009 / 81 / EG jedoch nicht anwendbar ist und auch keine der Ausnahmen aus Art. 8, 12 und 13 RL  2009 / 81 / EG einschlägig ist. 164  Vgl. hierzu Arrowsmith, Procurement, Rn. 6-144 ff.; Semple, Public Procure­ ment, Rn. 1.30 ff. 159  Vgl.

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Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

d) Zwischenergebnis Der Anwendungsbereich des Vergaberechts wird durch die Neuregelun­ gen der VRL näher definiert. Insgesamt kann festgehalten werden, dass sich dieser im Vergleich zur bisherigen Rechtslage stellenweise verändert hat  – entweder durch Einschränkungen (z. B. 80 %-Kriterium bei In-House-Verga­ ben) oder Erweiterungen (Sonderregime für soziale und andere besondere Dienstleistungen, Rettungsdienstleistungen (insbesondere durch die Schaf­ fung der KVR)). 3. SRL (Richtlinie 2014 / 25 / EU) a) Allgemeiner Anwendungsbereich Ebenso wie die VRL erstreckt sich auch die SRL (nur) auf die Vergabe von Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträgen, Art. 1 Abs. 2 SRL. Wie schon die Vorgängerrichtlinie (SKR) stellt die SRL Sonderregeln für die Bereiche der Energie-, Wasser- und Verkehrsversorgung sowie der Post­ dienste (sog. Sektorenbereiche, vgl. Art. 7 ff. SRL) auf. Die SRL ist insofern lex specialis zur VRL165 und enthält inhaltlich flexiblere Vorgaben als die­ se.166 Ein besonderer Unterschied zwischen beiden Richtlinien liegt darin, dass die SRL nicht nur für „klassische“ öffentliche Auftragnehmer (Bund, Länder, Kommunen), sondern auch für öffentliche und (bestimmte) private Unternehmen gilt.167 Die SRL unterscheidet insofern nun zwischen „Öffentliche[n] Auftraggeber[n]“ (Art. 3 SRL) und „Auftraggeber[n]“ (Art. 4 SRL). Inhaltliche Unterschiede zur bisher geltenden SKR, wo dies in nur einem Artikel (Art. 2 SKR) geregelt war, ergeben sich daraus jedoch nicht. Vielmehr bleibt der persönliche Geltungsbereich ausweislich von ErwGrd 12 SRL unverändert.168 Zentrale, stets zu beachtende Anwendungsvoraussetzung der SRL ist – im Gegensatz zur VRL  –, dass die Auftragsvergabe zu Zwecken der Ausübung einer Sektorentätigkeit vergeben wird. Dies ergibt sich im Wege eines Um­ kehrschlusses nun aus Art. 19 Abs. 1 SRL.169 Prieß / Stein, NZBau 2014, 323 (323). in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 107; Semple, Public Pro­ curement, Rn. 1.18. 167  Müller, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 107. 168  So auch Müller, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 112. 169  Ebd., S. 110 ff.; vgl. zur alten SKR auch Greb, in: Greb / Müller, SektVO, § 1 Rn. 119 ff. Nicht erfasst sind darüber hinaus Aufträge, die zum Zwecke der Aus­ übung einer Sektorentätigkeit in einem Drittland in einer Weise vergeben werden, die nicht mit der physischen Nutzung eines Netzes oder geographischen Gebiets in 165  Vgl.

166  Müller,



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich111

Allgemein kann festgestellt werden, dass die SRL inhaltlich in einigen Teilen recht nah an die VRL herangerückt ist, so dass die bisherige Flexi­ bilität im Vergleich zur klassischen Richtlinie ein Stück weit verloren ge­ gangen ist.170 aa) Sonderregime für soziale und andere besondere Dienstleistungen Wie im Bereich der VRL existiert auch im Sektorenbereich nach dem Wegfall der Unterscheidung zwischen prioritären und nichtprioritären Dienst­ leistungen ein Vergaberecht „light“ für bestimmte soziale und andere beson­ dere Dienstleistungen, Art. 91 ff. SRL. Danach gelten für die in Anhang XVII SRL aufgezählten Dienstleistungen nur die in den Art. 92–94 SRL festgeleg­ ten Vorgaben, sofern der erhöhte Schwellenwert in Höhe von € 1.000.000,– (vgl. Art. 91 i. V. m. Art. 15 lit. c) SRL) erreicht oder überschritten wird. Die Vorgaben in den Art. 92–94 SRL entsprechen dabei im Wesentlichen denen der Art. 74 ff. VRL und gewähren den Mitgliedstaaten recht weitreichende Gestaltungsspielräume. Ebenso sind auch die von Anhang XVII SRL erfass­ ten Dienstleistungen fast komplett identisch mit denen aus Anhang  XIV VRL. Insbesondere sind auch in der SRL Dienstleistungen im juristischen Bereich sowie Rettungsdienste von dem Sonderregime erfasst, wenn diese nicht nach Art. 21 lit. c) bzw. h) SRL ausgeschlossen sind.171 Im Ergebnis wird somit auch der Anwendungsbereich der SRL etwas erweitert. bb) Besondere Beziehungen (Zusammenarbeit, verbundene Unternehmen und Gemeinschaftsunternehmen) Auch die SRL enthält Regelungen zu In-House Vergaben und interkom­ munaler Kooperation. Zu finden sind diese in Art. 28 SRL, so dass die Frage, ob auch bei Vergaben im Sektorenbereich die vom EuGH entwickel­ ten In-House Kriterien anzuwenden sind, nunmehr mit einem klaren „ja“ beantwortet werden kann. Der diesbezügliche Streit hat sich also erledigt.172 Inhaltlich stimmt Art. 28 SRL mit Art. 12 VRL überein;173 es kann insofern der Union verbunden ist, Art. 19 Abs. 1 Var. 2 SRL (vgl. auch Prieß / Stein, NZBau 2014, 323 (324)). 170  Näher Müller, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 108. 171  Vgl. insofern auch ErwGrde 122 f. SRL. 172  Prieß / Stein, NZBau 2014, 323 (325); Müller, in: Hettich / Soudry, Vergabe­ richtlinien, S. 130; Eschenbruch, in: Eschenbruch / Opitz, SektVO § 1 Rn. 183 sowie Opitz, in: Eschenbruch / Opitz, SektVO, Anhang zu § 1 Rn. 53. 173  Vgl. ErwGrd 38 SRL; Opitz, VergabeR 2014, 369 (375 f.); Knauff, EuZW 2014, 486 (489).

112

Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

auf die obigen Ausführungen zur VRL verwiesen werden.174 Zu beachten ist allerdings, dass die in Art. 28 SRL vorgesehenen Ausnahmen nur für öffentliche Auftraggeber i. S. d. Art. 3 SRL gelten. Privatrechtlich organisierten Unternehmen stehen die Regelungen daher nicht offen. Für diese gilt vielmehr das sog. Konzernprivileg, das in Art. 29 SRL normiert ist und den früheren Art. 23 Abs. 1 bis 3 und 5 SKR ersetzt. Danach findet die SRL bei der Vergabe an verbundene Unternehmen keine Anwendung, wenn unter Berücksichtigung aller Dienstleistungen, Lieferun­ gen bzw. Bauleistungen die von dem verbundenen Unternehmen in den letzten drei Jahren erbracht wurden, mindestens 80 % des erzielten durch­ schnittlichen Umsatzes aus der Erbringung von Dienstleistungen, Lieferun­ gen oder Bauleistungen für den Auftraggeber oder andere mit ihm verbun­ dene Unternehmen stammen. Der Begriff des verbundenen Unternehmens wird dabei in Art. 29 Abs. 1 und 2 SRL definiert und geht auf die Bestim­ mungen der Richtlinie 2013 / 34 / EU zurück. Viele, weitreichende Verände­ rungen sind im Vergleich zur Vorgängernorm nicht festzustellen.175 Eine wichtige Änderung liegt jedoch darin, dass bei der Umsatzermittlung nun­ mehr alle Dienstleistungen, Lieferungen bzw. Bauleistungen die von dem verbundenen Unternehmen während der letzten drei Jahre erbracht wurden, zu berücksichtigen sind.176 Zuvor wurde unter Geltung der SKR im deut­ schen Recht von der überwiegenden Ansicht noch eine „Umsatzsegmentie­ rung“ anhand der Art der zu vergebenden Tätigkeit als zulässig erachtet.177 Dies ist nun nicht mehr möglich. Die Ausnahmevorschrift wird somit in gewisser Weise eingeschränkt, der Anwendungsbereich der Richtlinie folg­ lich erweitert. Weiterhin regelt Art. 30 SRL die Konstellationen der Vergabe von einem und an ein Gemeinschaftsunternehmen und stellt diese Auftragsvergaben den Vergaben an verbundene Unternehmen gleich.178 Dies entspricht im Wesentlichen der bisherigen Regelung in Art. 23 Abs. 4 SKR und wird mitunter als Joint-Venture-Privileg bezeichnet179.

174  Kap. 3

B. I. 2. a) bb). Drömann, NZBau 2015, 202 (203). 176  Opitz, VergabeR 2014, 369 (376); Müller, in: Hettich / Soudry, Vergabericht­ linien, S. 133. 177  Opitz, VergabeR 2014, 369 (376) mit Verweis u. a. auf Greb, in: Greb / Müller, SektVO, § 1 Rn. 139; Gabriel, in: Montag / Säcker, MüKo-Wettbewerbsrecht, Bd. 3, § 100 GWB Rn. 106; a. A.: Röwekamp, in: Kulartz / Kus / Portz, GWB-Vergaberecht, § 100b GWB Rn. 33. 178  Knauff, EuZW 2014, 486 (489 f.). 179  Opitz, NVwZ 2014, 753 (758). 175  Vgl.



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich113

cc) Schwellenwerte Traditionell gelten im Sektorenbereich erhöhte Schwellenwerte. Dies wird auch unter Geltung der neuen SRL fortgesetzt. Art. 15 SRL legt die nun geltenden neuen Schwellenwerte fest, die ebenso wie die Schwellenwerte der VRL nicht verändert, sondern lediglich turnusmäßig angepasst wur­ den.180 Die Entscheidung über die Erhöhung der Schwellenwerte wurde angesichts des GPA auch hier vertragt, vgl. Art. 108 SRL und ErwGrd 28 SRL. Neu ist lediglich der schon erwähnte erhöhte Schwellenwert für sozi­ ale und andere besondere Dienstleistungen in Höhe von € 1.000.000,–. b) Sektorentätigkeiten Wie einleitend beschrieben, gilt die SRL nur, wenn die Auftragsvergabe zu Zwecken der Ausübung einer Sektorentätigkeit erfolgt. Geregelt sind diese einzelnen Tätigkeiten in Kapitel  II, Art. 8 ff. SRL. Erfasst sind die Bereiche Gas und Wärme (Art. 8 SRL), Elektrizität (Art. 9 SRL), Wasser (Art. 10 SRL), Verkehrsleistungen (Art. 11 SRL), Tätigkeiten im Zusam­ menhang mit der Nutzung von Häfen und Flughäfen (Art. 12 SRL), Post­ dienste (Art. 13 SRL) sowie die Förderung von Öl und Gas und Exploration oder Förderung von Kohle oder anderen festen Brennstoffen (Art. 14). Zu­ dem stellt Art. 7 SRL vorab klar, dass der Begriff „Einspeisung“ für die Zwecke der Art. 8, 9 und 10 SRL die Erzeugung / Produktion sowie den Groß- und den Einzelhandel umfasst. Änderungen im Vergleich zur SKR ergeben sich aus dieser Vorschrift aber nicht.181 Größere inhaltliche Änderungen sind zudem auch bei den einzelnen Sek­ torentätigkeiten nicht zu verzeichnen, insbesondere ergeben sich solche nicht aus der veränderten Anordnung der einzelnen Artikel.182 Zu beachten ist jedoch, dass nach Art. 14 SRL die Exploration (= Aufsuchen) von Öl und Gas nicht mehr unter die neue Richtlinie fällt183 und im Bereich der Ver­ kehrsleistungen auf die Ausnahmeregelung des bisherigen Art. 5 Abs. 2 SKR verzichtet wurde. Fortan fällt daher auch der Betrieb eines öffentlichen Busverkehrs in den Anwendungsbereich der SRL, sofern andere Unterneh­ 180  Aktuell (2016 / 17) gelten bereits die Schwellenwerte der Delegierten Verord­ nung (EU) 2015 / 2171 der Kommission v. 24.11.2015 zur Änderung der Richtlinie 2014 / 25 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für Auftragsvergabeverfahren. 181  Vgl. ErwGrd 23 SRL; Müller, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 119. 182  Opitz, VergabeR 2014, 369 (372); Müller, in: Hettich / Soudry, Vergabericht­ linien, S. 118 ff.; Prieß / Stein, NZBau 2014, 323 (323). 183  Vgl. ErwGrd 25 SRL.

114

Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

men entweder allgemein oder für ein besonderes, geographisch abgegrenztes Gebiet die Möglichkeit haben, die gleiche Aufgabe unter den gleichen Be­ dingungen wie der betreffende Auftraggeber zu übernehmen. In Deutschland war die Ausnahme jedoch bislang ohne Relevanz, so dass sich in der (deut­ schen) Praxis nicht viel ändern dürfte.184 Hinsichtlich Art. 13 SRL ist anzu­ merken, dass der sog. Katalog der „andere[n] Dienste als Postdienste“ (bislang Art. 6 Abs. 2 lit. c) SKR, nun Art. 13 Abs. 2 lit. c) SRL) im Ver­ gleich zur SKR etwas gekürzt wurde: Elektronische Mehrwertdienste, Fi­ nanzdienstleistungen, philatelistische Dienstleistungen und logistische Dienstleistungen sind nach neuer Rechtslage nicht mehr erfasst. c) Ausnahmen In der SRL sind die sachlichen Ausnahmen vom Anwendungsbereich im Abschnitt II des dritten Kapitels (Art. 18 ff. SRL) geregelt. aa) Art. 18 bis 20, 22 und 23 SRL Zunächst nimmt Art. 18 SRL zum Zwecke der Weiterveräußerung oder der Vermietung an Dritte vergebene Aufträge vom Anwendungsbereich der SRL aus, während der bereits angesprochene Art. 19 SRL festlegt, dass die Richtlinie insbesondere nicht für solche Aufträge gilt, die zu anderen Zwe­ cken als der Ausübung von Sektorentätigkeiten vergeben werden. Darüber hinaus regelt Art. 20 SRL, dass auch nach internationalen Regeln vergebene Aufträge und ausgerichtete Wettbewerbe nicht erfasst sind. Schließlich fin­ det die SRL auch dann keine Anwendung, wenn Dienstleistungsaufträge aufgrund eines ausschließlichen Rechts vergeben werden (Art. 22 SRL) oder Aufträge für den Kauf von Wasser sowie die Lieferung von Energie oder von Brennstoffen für die Energieerzeugung von Sektorenauftraggebern in­ nerhalb ihres Sektors zu vergeben sind (Art. 23 SRL).185 Inhaltlich entspre­ chen die Art. 18, 19, 20, 22 und 23 SRL den bisher geltenden Art. 19, 20, 22, 25 und 26 SKR. bb) Art. 21 SRL Weiterhin ersetzt und verändert Art. 21 SRL den bisherigen Art. 24 SKR. Inhaltlich entspricht Art. 21 SRL weitgehend186 der Regelung in Art. 10 184  Müller, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 120; Opitz, in: Eschen­ bruch / Opitz, SektVO, § 1 Rn. 146 mit Hinweis auf das „Verbot der Doppelbedie­ nung“ in § 13 Abs. 2 und 3 PBefG. 185  Vgl. zu letzterem Müller, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 129.



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich115

VRL, so dass auf die Ausführungen hierzu187 verwiesen werden kann. Auch im Bereich der SRL sind somit insbesondere forensische Rechtsdienst­ leistungen und bestimmte „Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des ­Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr“ vom Anwendungsbereich ausge­ schlossen. d) Besondere Sachverhalte, Verteidigung und Sicherheit & Wettbewerbsklausel Auch in der SRL sind bestimmte Forschungs- und Entwicklungsdienst­ leistungen (Art. 32 SRL) sowie bestimmte Aufträge, die Verteidigungs- und Sicherheitsaspekte beinhalten (Art. 24–27 SRL) vom Anwendungsbereich ausgenommen. Darüber hinaus ist die sog. Wettbewerbsklausel aus Art. 30 SKR nun in Art. 34 f. SRL zu finden.188 e) Zwischenergebnis Wie bei der VRL wurde auch der Anwendungsbereich der SRL stellen­ weise erweitert (z. B. Sonderregime für soziale und andere besondere Dienstleistungen; keine Umsatzsegmentierung beim Konzernprivileg) sowie eingeschränkt (z. B. In-House-Vergabe; keine Exploration von Öl und Gas). 4. KVR (Richtlinie 2014 / 23 / EU) a) Schaffung einer eigenständigen Richtlinie Während für den Bereich der Baukonzessionen nur einige (wenige) Vor­ schriften der VKR galten,189 war der Bereich der Dienstleistungskonzessio­ nen bislang überhaupt nicht sekundärrechtlich geregelt. Da das Fehlen klarer Bestimmungen im Bereich der Konzessionen190 nach Ansicht des EU-Ge­ setzgebers jedoch zu Rechtsunsicherheit, Behinderungen des freien Dienst­ leistungsverkehrs und Verzerrungen des Binnenmarkts führte, sollte mit der KVR ein „angemessener, ausgewogener und flexibler Rechtsrahmen“ ge­ 186  Allerdings ist Art. 21 lit. i) SRL enger gefasst, als der entsprechende Art. 10 lit. b) VRL. 187  s. o. Kap. 3 B. I. 2. b) bb). 188  Hierzu näher Opitz, VergabeR 2014, 369 (373); Müller, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 134 f. 189  Art. 56 ff. VKR. 190  Zur Entwicklung des Konzessionsbegriffs in Deutschland vgl. Braun, in: Het­ tich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 157 f.

116

Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

schaffen werden (ErwGrd 1 KVR), der u. a. „die Besonderheit von Konzes­ sionen im Vergleich zu öffentlichen Aufträgen gebührend widerspiegel[t]“ (ErwGrd 2 KVR).191 Die KVR soll den Anwendern somit im Vergleich zur allgemeinen VRL ein erhöhtes Maß an Flexibilität gewähren.192 Umstritten war deshalb im Gesetzgebungsprozess neben der Regelungsdichte193 und der Ausgestaltung der einzelnen Vorschriften insbesondere, ob überhaupt eine eigenständige Richtlinie geschaffen werden sollte.194 Während v. a. die Europäische Kommission dies stets befürwortete und vorantrieb,195 lehnten viele Stakeholder das Vorhaben ab196 oder standen ihm zumindest kritisch gegenüber197. b) Allgemeiner Anwendungsbereich aa) Persönlicher Anwendungsbereich In persönlicher Hinsicht gilt die KVR sowohl für öffentliche Auftraggeber (Art. 1 Abs. 2 lit. a) i. V. m. Art. 6 KVR), als auch für Auftraggeber, d. h. Stellen, die einer der in Anhang II KVR genannten Tätigkeiten nachgehen und eine Konzession zum Zweck der Ausübung einer dieser Tätigkeiten vergeben (Art. 1 Abs. 2 lit. b) i. V. m. Art. 7 KVR). Der Begriff des öffentlichen Auftraggebers in Art. 6 KVR entspricht weitgehend der Definition des öffentlichen Auftraggebers in Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 VRL.198 Die Definition des Auftraggebers geht hingegen in Art. 7 Abs. 1 lit. c) KVR hierüber hinaus und bezieht neben den spezifisch staatlich geprägten Stellen (Art. 7 Abs. 1 191  Vgl. hierzu auch Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (363) sowie Fritz /  Seidler, EuZW 2010, 933 ff. 192  Ähnlich Schröder, NZBau 2015, 351 (354). 193  Vgl. Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (363); Siegel, VergabeR 2015, 265 (266). 194  Vgl. Mosters, IR 2013, 296 (296) sowie Schäfer, in: Vergaberecht im Um­ bruch II, S. 149 (167 f.). 195  Vgl. KOM(2911) 897 endgültig, S. 2 und 6; Opitz, NVwZ 2014, 753 (753 f.); Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (363). 196  Z. B. Bundesrat, Beschl. v. 11.02.2011, BR-Drs. 698 / 10, S. 8 f.; Beschl. v. 02.03.2012, BR-Drs. 874 / 11; Prieß / Marx / Hölzl, NVwZ 2011, 65 (71 f.). 197  Europäisches Parlament, Entschließung vom 25.10.2011, 2011 / 2048(INI), Nr. 7; Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, ABl. EU Nr. C 191 / 84 v. 29.06.2012, Punkte 1.17 und 5.2; Ausschuss für Wirtschaft und Technologie des Deutschen Bundestages, Beschl. v. 21.03.2012, BT-Drs. 17 / 9069; vgl. auch Byok, NJW 2013, 1488 (1492). 198  Knauff / Badenhausen, NZBau 2014, 395 (395 f.); Siegel, VergabeR 2015, 265 (267); zu Übereinstimmungen und Unterschieden auch Craven, P.P.L.R. 2014, 188 (190 f.).



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich

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lit. a) und b) KVR) auch solche mit ein, die auf der Grundlage besonderer oder ausschließlicher Rechte tätig sind, die ihnen zur Ausübung einer der in Anhang II KVR genannten Tätigkeiten gewährt wurden.199 Es sei denn, die besonderen oder ausschließlichen Rechte wurden auf der Grundlage objek­ tiver Kriterien gewährt, Art. 7 Abs. 2 KVR. Die für die Auftraggebereigenschaft maßgeblichen, in Anhang II der KVR aufgeführten Tätigkeiten entsprechen den Sektorentätigkeiten der SRL200  – lediglich bestimmte Tätigkeiten im Bereich (Trink-)Wasser sind wegen des Ausschlusses in Art. 12 KVR nicht umfasst.201 Die KVR gilt somit auch für die Mehrzahl der Sektorenauftraggeber. Hierin liegt ein Un­ terschied zur bisherigen Rechtslage, nach der die Vergabe von Dienstleis­ tungs- und Baukonzessionen im Sektorenbereich nicht sekundärrechtlich normiert war. Die Bestrebungen, die Versorgungssektoren von der Geltung der KVR auszunehmen,202 hat sich im Rechtsetzungsverfahren folglich nicht durchsetzen können.203 bb) Sachlicher Anwendungsbereich (1) W  ortlaut von Art. 5 Nr. 1 KVR sowie Erwägungsgründe 11–20 KVR In sachlicher Hinsicht erfasst die KVR Bau-, und Dienstleistungskonzessi­ onen. Was hierunter zu verstehen ist, wird in Art. 5 Nr. 1 KVR definiert. Eine Baukonzession ist nach Art. 5 Nr. 1 UAbs. 1 lit. a) KVR ein „entgeltliche[r], schriftlich geschlossene[r] Vertrag, mit dem ein oder mehrere öffentliche Auftraggeber oder Auftraggeber einen oder mehrere Wirtschaftsteilnehmer mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragen, wobei die Gegenleistung entweder allein in dem Recht zur Nutzung des vertragsgegenständlichen Bauwerks oder in diesem Recht zuzüglich einer Zahlung besteht“. Dienstleis­ tungskonzession ist nach Art. 5 Nr. 1 UAbs. 1 lit. b) KVR ein „entgeltliche[r], schriftlich geschlossene[r] Vertrag, mit dem ein oder mehrere öffentliche Auftraggeber oder Auftraggeber einen oder mehrere Wirtschaftsteilnehmer mit der Erbringung und der Verwaltung von Dienstleistungen betrauen, die nicht in der Erbringung von Bauleistungen nach Buchstabe a bestehen, wobei die Gegenleistung entweder allein in dem Recht zur Verwertung der vertrags­ 199  Siegel, VergabeR 2015, 265 (267); vgl. auch Knauff / Badenhausen, NZBau 2014, 395 (395 f.). 200  So auch Stein, in: Vergaberecht im Umbruch II, S. 101 (105 f.). 201  Zur Bereichsausnahme des Art. 12 KVR näher sogleich unter c) bb). 202  So Bundesrat, Beschl. v. 30.03.2012, BR-Drs. 874 / 11 Nr. 13 und 14 (S. 5 f.). 203  Opitz, NVwZ 2014, 753 (755).

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Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

gegenständlichen Dienstleistungen oder in diesem Recht zuzüglich einer Zahlung besteht“. Diese neuen Definitionen entsprechen im Wesentlichen den bisherigen  – durch die Rechtsprechung geprägten  – Definitionen aus Art. 1 Abs. 3 und 4 VKR sowie Art. 1 Abs. 3 lit. a) und b) SKR.204 Darüber hinaus erläutert die neue KVR (ebenfalls angelehnt an die bis­ herige EuGH-Rechtsprechung205) in Art. 5 Nr. 1 UAbs. 2 KVR, dass mit der Vergabe einer Bau- oder Dienstleistungskonzession das Betriebsrisiko für die Nutzung des entsprechenden Bauwerks bzw. für die Verwertung der Dienstleistungen auf den Konzessionsnehmer übergeht und es sich hierbei um ein Nachfrage- und / oder ein Angebotsrisiko handeln kann. Dabei gilt das Betriebsrisiko als vom Auftragnehmer getragen, wenn unter normalen Bedingungen nicht garantiert ist, dass die Investitionsaufwendungen oder die Kosten für den Betrieb des Bauwerks oder die Erbringung der Dienst­ leistungen wieder erwirtschaftet werden können. Der Auftragnehmer muss somit den Unwägbarkeiten des Marktes tatsächlich ausgesetzt sein, poten­ zielle geschätzte Verluste des Konzessionsnehmers dürfen nicht rein nomi­ nell oder vernachlässigbar sein. Weitere Konkretisierungen zu den beiden Definitionen und der Übernah­ me des Betriebsrisikos sind in den Erwägungsgründen 11–20 KVR zu fin­ den. Diese beschreiben insbesondere die Konstellationen, die nach dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht als Konzession im Sinne der Richt­ linie angesehen werden sollen. (2) Übergang des Betriebsrisikos als maßgebliches Kriterium Bei Betrachtung dieser Vorgaben erscheint der Übergang des Betriebsri­ sikos als maßgebliches Kriterium für das Vorliegen einer Konzession  – und folglich der Abgrenzung zum Auftrag. Dies entspricht grundsätzlich der bisherigen Rechtslage. Umstritten ist jedoch, in welchem Maße (Höhe / Um­ fang) das Betriebsrisiko nach der Neuregelung auf den Konzessionär über­ gehen muss,206 da eine diesbezügliche Aussage in der KVR fehlt.207 Denn 204  Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (364); Opitz, NVwZ 2014, 753 (755 f.); Siegel, VergabeR 2015, 265 (267); Classen, VergabeR 2016, 13 (16 f.); a. A. in Bezug auf Dienstleistungskonzessionen Knauff / Badenhausen, NZBau 2014, 395 (396) wegen des neu eingeführten Merkmals der „Betrauung“. 205  Vgl. Stein, in: Vergaberecht im Umbruch II, S. 101 (108) mit Verweis auf EuGH, Urt. v. 10.03.2011, Rs. C-274 / 09, Slg. 2011, I-1335  – „Rettungsdienst Stad­ ler“; Urt. v. 25.03.2010, Rs. C-451 / 08, Slg. 2010, I-2673  – „Helmut Müller“; Urt. v. 10.09.2009, Rs. C-206 / 08, Slg. 2009, I-8377 – „Eurawasser“; ähnlich Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (365), ebenfalls m. w. N. 206  Darüber hinaus wird unter Verweis auf ErwGrd 19 KVR vereinzelt auch ver­ treten, die Möglichkeit, das Betriebsrisiko von vornherein zu beschränken, sei nach



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich119

dass potenzielle geschätzte Verluste des Auftragnehmers nicht rein nominell oder vernachlässigbar sein dürfen, sagt noch nichts über die genaue Höhe des Risikos aus. Es wird hier u. a. vorgetragen, der Wortlaut der KVR spreche nicht dafür, dass der „wesentliche“ oder „überwiegende“ Teil  des Betriebsrisikos auf den Konzessionär übergehen muss. Vielmehr müsse nur „irgendein substan­ zielles Risiko, dass die Investitionen und Kosten des Konzessionärs nicht ausgeglichen werden, als spekulatives Element“ verbleiben. Dies entspreche der bisherigen Rechtsprechung des EuGH, die jedoch gerne anders interpre­ tiert werde.208 Im Anschluss hieran wird an anderer Stelle argumentiert, es seien keine Hinweise ersichtlich, dass der Auftragnehmer den „wesent­ lichen“ oder „überwiegenden“ Teil  des Risikos übernehmen müsse. Das übernommene Risiko müsse daher lediglich substantiell sein, das Risiko des (öffentlichen) Auftraggebers aber nicht übersteigen.209 Andererseits wird vertreten, der bisherige Erkenntnisstand der EuGHRechtsprechung bliebe auch unter Geltung der neuen KVR erhalten, so dass eine „bestimmte wirtschaftliche Freiheit“ des Unternehmers vorliegen und das ökonomische Risiko „zu einem wesentlichen Teil“ übertragen werden müsse.210 Dass schon das Vorliegen eines substantiellen Risikos für die Annahme einer Konzession ausreichen soll, erscheint letztlich relativ weitgehend.211 der neuen KVR nunmehr auf bestimmte Ausnahmefälle – beispielsweise in Bran­ chen mit vorgeschriebenen Tarifen  – begrenzt worden (Stein, in: Vergaberecht im Umbruch II, S. 101 (110); Prieß / Stein, VergabeR 2014, 499 (502); vgl. auch Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (365)). Diese Auslegung von ErwGrd 19 KVR ist allerdings nicht zwingend, weshalb hier auf eine nähere Darstellung ver­ zichtet werden soll. Weiterhin wird an anderer Stelle vertreten, dass der abschließen­ de Satz von ErwGrd 18 KVR einen Widerspruch zur bisherigen EuGH-Recht­ sprechung darstelle (so Craven, P.P.L.R. 2014, 188 (193)) und somit letztlich den Anwendungsbereich der Richtlinie für bestimmte Vereinbarungen erweiterte, die ausschließlich von einem (öffentlichen) Auftraggeber vergütet werden. Auch auf nähere Ausführungen hierzu kann jedoch vorliegend verzichtet werden. 207  Knauff / Badenhausen, NZBau 2014, 395 (396); Braun, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 164; Craven, P.P.L.R. 2014, 188 (193); Wagner / Pfohl, ZfBR 2014, 745 (746 f.). 208  So Opitz, NVwZ 2014, 753 (756). 209  So Stein, in: Vergaberecht im Umbruch II, S. 101 (110). 210  So Siegel, VergabeR 2015, 265 (267 f.). In dieselbe Richtung geht anschei­ nend auch die Auffassung des dt. Gesetzgebers, vgl. S. 76 f. BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzesbegründung zum VergRModG (VergRModG v. 17.02.2016, BGBl. I, S. 203)). 211  Ähnlich Braun, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 164, der sich expli­ zit gegen die Auffassung von Opitz wendet; ebenso ders., VergabeR 2015, 793

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Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

Aufgrund des bei Liefer- und Dienstleistungen im Vergleich zur VRL erhöh­ ten Schwellenwerts der KVR212 scheint unter der Prämisse umfassenden Wettbewerbs und vor dem Hintergrund der weniger strengen Vorgaben der KVR eher eine restriktive Vorgehensweise geboten. Danach wäre eine Kon­ zession nur dann anzunehmen, wenn der Auftragnehmer ein wirklich be­ trächtliches (wesentliches) Risiko übernimmt. Andernfalls läge ein Dienst­ leistungsauftrag vor.213 Dies entspräche auch dem schon erwähnten, allge­ meinen Grundsatz der EuGH-Rechtsprechung, Ausnahmen vom Anwen­ dungsbereich eng auszulegen. Eine endgültige Klärung der Frage wird allerdings naturgemäß erst durch die Rechtsprechung erfolgen können. Dabei dürften auch weiterhin die Umstände des konkreten Einzelfalls maßgeblich sein.214 cc) Sonderregime für soziale und andere besondere Dienstleistungen Wie in VRL und SRL existieren auch in der KVR Sonderregeln für die Vergabe von sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen. Gem. Art. 19 KVR unterliegen Konzessionen zur Erbringung sozialer Dienstleis­ tungen oder anderer in Anhang IV KVR genannter besonderer Dienstleis­ tungen, die in den Anwendungsbereich der KVR fallen,215 ausschließlich den aus Art. 31 Abs. 3, 32, 46 und 47 KVR erwachsenden Verpflichtungen. Notwendig sind dann (nur) eine Vorinformation sowie eine Zuschlagsbe­ kanntmachung.216 dd) Öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit, verbundene Unternehmen, Gemeinschaftsunternehmen Die KVR enthält in Art. 17, 13 und 14 Regelungen zu In-House-Geschäf­ ten, interkommunaler Kooperation, verbundenen Unternehmen sowie von mehreren Auftraggebern gebildeten Gemeinschaftsunternehmen. Aufgrund der identischen inhaltlichen Vorgaben kann hierbei auf die obigen Ausfüh­ (795). Offen gelassen hingegen bei Wagner / Pfohl, ZfBR 2014, 745 (746 f.) sowie Craven, P.P.L.R. 2014, 188 (193). 212  Vgl. Art. 4 VRL mit Art. 8 KVR. 213  Vgl. auch Donhauser / Hölzlwimmer, VergabeR 2015, 509 (515). 214  Braun, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 164; Knauff / Badenhausen, NZBau 2014, 395 (396). 215  Ein abweichender Schwellenwert gilt in der KVR  – im Gegensatz zu VRL und SRL  – nicht, vgl. Höfer / Nolte, NZS 2015, 441 (445). 216  Vgl. Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (363 f.).



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich121

rungen zur SRL verwiesen werden.217 Viele Anwendungsfälle dürften sich im Bereich der KVR allerdings nicht ergeben.218 ee) Schwellenwert Für die KVR gilt – in ihrer ursprünglichen Fassung219 – gem. Art. 8 KVR ein für Bau- und Dienstleistungskonzessionen einheitlicher Schwellenwert in Höhe von € 5.186.000,– (aktuell € 5.225.000,–). Ein spezifischer Schwel­ lenwert für soziale und andere besondere Dienstleistungen existiert nicht.220 Der Schwellenwert entspricht dem nach der allgemeinen VRL für Bau­ aufträge geltenden Schwellenwert (Art. 4 lit. a) VRL) und orientiert sich ebenfalls an den Vorgaben des GPA. Abweichende Vorschläge zur Höhe der  Schwellenwerte vom Parlament (€ 8 Mio.)221 und der Kommission (€ 2,5 Mio.)222 konnten sich nicht durchsetzen.223 Zudem ist auch in Art. 53 KVR festgehalten, dass eine mögliche Erhöhung des Schwellenwerts später wieder aufgegriffen werden soll. c) Ausnahmen Die Art. 10 ff. KVR enthalten recht weitreichende Ausnahmen. aa) Art. 10 KVR Eine Vielzahl an Ausnahmen ist in Art. 10 KVR geregelt. Der dortige Ausnahmekatalog entspricht im Wesentlichen den verschiedenen Ausnah­ 217  Vgl. Opitz, NVwZ 2014, 753 (758); näher Knauff, EuZW 2014, 486 (489) sowie Sudbrock, KommJur 2014, 41 (43 ff.); Siegel, VergabeR 2015, 265 (268 f.). 218  Hierzu Braun, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 172 f. 219  Aktuell (2016 / 17) gelten für alle drei Richtlinien bereits veränderte Schwellen­ werte, vgl. Delegierte Verordnung (EU) 2015 / 2170 der Kommission v. 24.11.2015 zur Änderung der Richtlinie 2014 / 24 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für Auftragsvergabeverfahren; Delegierte Verordnung (EU) 2015 / 2171 der Kommission v. 24.11.2015 zur Änderung der Richtlinie 2014 /  25 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwer­ te für Auftragsvergabeverfahren; Delegierte Verordnung (EU) 2015 / 2172 der Kom­ mission v. 24.11.2015 zur Änderung der Richtlinie 2014 / 23 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für Vergabeverfahren. 220  So auch Höfer / Nolte, NZS 2015, 441 (445). 221  Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (363). 222  Vgl. Art. 5 Nr. 2 KVR-Kom-E v. 20.12.2011, KOM(2011) 897 endg. 223  Vgl. Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (363); Knauff / Badenhausen, NZBau 2014, 395 (396 mit Fn. 16); Opitz, NVwZ 2014, 753 (757).

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Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

men der VRL224 und enthält u. a. solche für bestimmte juristische Dienst­ leistungen (Art. 10 Abs. 8 lit. d) KVR) sowie die schon angesprochenen Notfalldienste (Art. 10 Abs. 8 lit. g) KVR). Insoweit kann auch hier auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.225 Zu bedenken ist jedoch, dass einige Ausnahmen aufgrund des besonderen Charakters von Konzessionen in der Praxis voraussichtlich keinerlei Bedeutung haben werden.226 Darüber hinaus nimmt die KVR in Art. 10 Abs. 9 KVR bestimmte Lotteriedienstleis­ tungen vom Anwendungsbereich der Richtlinie aus. Eine einheitliche Rege­ lung erschien hier aufgrund der sehr unterschiedlichen Regelungssysteme in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht möglich.227 bb) Art. 11, 12 und 16 KVR Weitere Ausnahmen enthalten die Art. 11, 12 und 16 KVR. Während Art. 11 KVR besondere Ausschlüsse im Bereich der elektronischen Kom­ munikation regelt ( Art. 8 VRL) und Art. 16 KVR klarstellt, dass ein Ausschluss nach der sog. Wettbewerbsklausel des Art. 34 f. SRL auch im Bereich der KVR zu beachten ist,228 nimmt Art. 12 KVR den Bereich des Trinkwassers von der Geltung der KVR aus. Danach gilt die Richtlinie nicht für Konzessionen betreffend (a) die Bereitstellung und das Betreiben fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit im Zusammenhang mit der Gewinnung, dem Transport oder der Verteilung von Trinkwasser sowie (b) die Einspeisung von Trinkwasser in diese Netze. Die Ausnahme erstreckt sich daher neben dem örtlichen Versorger grundsätzlich auch auf den Vor­ versorger.229 Diese Ausnahmevorschrift war im Gesetzgebungsverfahren heftig umstritten.230 So hatte sich aufgrund der vermeintlichen Gefahr einer 224  Braun, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 171; Craven, P.P.L.R. 2014, 188 (192). 225  Kap. 3 B. I. 2. b) bb). 226  Stein, in: Vergaberecht im Umbruch II, S. 101 (111) weist zutreffend darauf hin, dass z. B. juristische Dienstleistungen in Form von Dienstleistungskonzessionen nicht recht vorstellbar sind. 227  Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (366); Opitz, NVwZ 2014, 753 (758) weist zusätzlich darauf hin, dass es sich um eine „Ausnahme ‚zweiter Klas­ se‘ “ handele, da die Gewährung des ausschließlichen Rechts im EU-Amtsblatt zu veröffentlichen ist. 228  Opitz, NVwZ 2014, 753 (758); zur Wettbewerbsklausel vgl. auch Debus, in: Ziekow / Völlink, Vergaberecht, § 3 SektVO Rn. 21. 229  Sudbrock, KommJur 2014, 41 (42). 230  Mosters, IR 2013, 296 (296) spricht von „massiven und emotional aufgelade­ nen Protesten sowohl vonseiten voraussichtlich betroffener Körperschaften als auch von allenfalls mittelbar betroffenen Bürgern“; vgl. auch Sudbrock, KommJur 2014, 41 (41 f.) sowie Schröder, KommP Spezial 2014, 122 (123).



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich123

Privatisierung und Kommerzialisierung des Bereichs der Wasserwirtschaft mit möglicherweise negativen Folgen für Zugänglichkeit und Qualität des Wassers eine europäische Bürgerinitiative231 gebildet, die letztlich fast 1,9 Mio. Unterstützer zählte232 und sich somit zur ersten nach dem Vertrag von Lissabon erfolgreichen europäischen Bürgerinitiative entwickelte.233 Da die Einbeziehung des Trinkwassersektors zudem auch von (insbesondere deut­ schen) Einrichtungen und politischen Entscheidungsträgern abgelehnt wurde,234 entschloss sich die Kommission, auf eine Herausnahme der Trink­ wasserversorgung vom Geltungsbereich der KVR hinzuwirken.235 Begründet wird der Ausnahmetatbestand in ErwGrd 40 KVR nun damit, dass Konzes­ sionen in der Wasserwirtschaft häufig spezifischen und komplexen Regelun­ gen unterlägen, die besonderer Aufmerksamkeit bedürften, da Wasser als öffentliches Gut für alle Bürger der Union von grundlegendem Wert sei. Der Bereich der (Trink-)Wasserwirtschaft unterliegt somit nicht den sekun­ därrechtlichen Verpflichtungen der KVR; selbstverständlich müssen bei der Vergabe aber die primärrechtlichen Vorgaben beachtet werden.236 cc) Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen Wie bereits erwähnt, bestimmen die ErwGrde 11–20 KVR in erster Li­ nie, in welchen Fallgestaltungen die KVR keine Anwendung finden soll. Aus deutscher Perspektive ist hierbei insbesondere ErwGrd 16 KVR von einiger Bedeutung. Danach sollten Vereinbarungen über die Gewährung von Wegerechten hinsichtlich der Nutzung öffentlicher Liegenschaften für die Bereitstellung oder den Betrieb fester Leitungen oder Netze, über die eine Dienstleistung für die Allgemeinheit erbracht werden soll, nicht als Konzessionen im Sinne der KVR gelten, sofern derartige Vereinbarungen 231  Europäische Bürgerinitiative „Wasser und Sanitäre Grundversorgung sind ein Menschenrecht – Wasser ist ein Öffentliches Gut, keine Handelsware“, kurz: „Right­ 2Water“. 232  Exakt 1.884.790 Unterzeichner, vgl. die Angaben auf der Homepage der Ini­ tiative: www.right2water.eu  – zuletzt abgerufen am 20.05.2015. 233  Vgl. hierzu ausführlich Sule, EuZW 2014, 725 ff. und Opitz, NVwZ 2014, 753 (758). 234  Vgl. Bundesrat, Beschl. v. 30.03.2012, BR-Drs. 874 / 11 (Beschluss) (2), Nr. 12 f. (S. 5) sowie Mosters, IR 2013, 296 (296); Craven, P.P.L.R. 2014, 188 (191). 235  Vgl. die Stellungnahme vom damaligen EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier v. 21.06.2013, abrufbar unter http: /  / ec.europa.eu / deutschland / press / pr_re leases / 11496_de.htm – zuletzt abgerufen am 20.05.2015. 236  Es ist daher bereits mehrfach angezweifelt worden, ob es sich bei der Aus­ nahme tatsächlich um einen Erfolg für die betroffenen Bereiche oder nur einen „Pyrrhussieg“ handelt, vgl. Prieß, NZBau 2014, 465 f. sowie Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (366 f.).

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Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

weder eine Lieferverpflichtung auferlegen, noch den Erwerb von Dienst­ leistungen durch den (öffentlichen) Auftraggeber für sich selbst oder für Endnutzer vorsehen. Angesichts dessen könnte man darauf kommen, dass die in Deutschland bislang nach europäischem Primärrecht i. V. m. §§ 1, 46 EnWG durchgeführten Vergaben von Strom- und Gaskonzessionen künftig nicht in den Anwendungsbereich der KVR fallen,237 obwohl diese durch­ aus Dienstleistungskonzessionen i. S. d. Art. 5 Nr. 1 UAbs. 1 lit. b) KVR darstellen.238 Dagegen spricht jedoch entscheidend, dass den Betreibern in diesen Fällen nicht nur Rechte, sondern (gem. NAV, Strom- / GasNZV) re­ gelmäßig auch tiefgreifende Pflichten  – z. B. zum sicheren Betrieb und bedarfsgerechten Ausbau des Leitungsnetzes sowie diskriminierungsfreien Netzzugang  – auferlegt werden.239 Zukünftig müssen daher auch derartige Konzessionen nach den sekundärrechtlichen Regelungen der KVR ausge­ schrieben werden. d) Besondere Sachverhalte & Verteidigung und Sicherheit Auch in der KVR sind bestimmte Forschungs- und Entwicklungsdienst­ leistungen (Art. 25 KVR) sowie Konzessionen die Verteidigungs- oder Si­ cherheitsaspekte beinhalten (Art. 21–23 KVR) vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen. Hinzu kommen nach Art. 10 Abs. 5 bis 7 KVR weitere Ausnahmen für Konzessionen in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit, die den Ausnahmetatbeständen nach Art. 12 und 13 RL 2009 / 81 / EG240 sowie Art. 15 Abs. 2 und 3 und Art. 17 Abs. 1 und 2 VRL nachgebildet sind.241 Daneben regelt Art. 24 KVR, dass die Mitgliedstaaten das Recht zur Teilnahme an einem Konzessionsvergabeverfahren geschütz­ ten Werkstätten und Wirtschaftsteilnehmern vorbehalten können bzw. solche Konzessionen im Rahmen von Programmen für geschützte Beschäftigungs­ verhältnisse durchgeführt werden können (vorbehaltene Konzessionen). Dafür müssen 30 % der Arbeitskräfte dieser Werkstätten, Wirtschaftsteilneh­ 237  So Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (366); Graef / Faasch, NZBau 2014, 548 (550) mit zugehöriger Fn. 12. 238  Weiß, NVwZ 2014, 1415 (1419); Hofmann / Zimmermann, NZBau 2016, 71 (72); vgl. auch Graef / Faasch, NZBau 2014, 548 (550). 239  So Stein, in: Vergaberecht im Umbruch II, S. 101 (112); vgl. auch Hofmann / Zimmermann, NZBau  2016, 71 (74); Donhauser / Hölzlwimmer, Verga­ beR  2015, 509 (513, 515 ff.); Tugendreich, ZfBR 2014, 547 (552 f.). 240  Richtlinie 2009 / 81 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.  Juli 2009 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit und zur Änderung der Richtlinien 2004 / 17 / EG und 2004 / 18 / EG, ABl. EU Nr. L 216 / 76 v. 20.08.2009. 241  Vgl. S. 129 BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzesbegründung des VergRModG).



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich125

mer oder Programme Menschen mit Behinderungen oder Personen aus be­ nachteiligten Gruppen sein. e) Zwischenergebnis Durch die Schaffung der Konzessionsrichtlinie hat sich der Anwendungs­ bereich des sekundärrechtlichen Vergaberechts deutlich erweitert. Für Dienstleistungs- und Baukonzessionen gelten nun eigene Anforderungen an die Ausgestaltung des Vergabeverfahrens. Dabei gilt die KVR insbesondere auch für die Mehrzahl der Sektorenauftraggeber sowie im Bereich der Strom- und Gaskonzessionen. Eine wirklich umfassende Regelung des Be­ reichs der Konzessionen ist jedoch durch die Aufnahme der Ausnahmevor­ schriften sowie der Festsetzung eines recht hohen Schwellenwertes verhin­ dert worden.

II. Nationale Regelungen zum Anwendungsbereich 1. Allgemeines Auch nach der innerstaatlichen Umsetzung des aktuellen Richtlinienpake­ tes ist das deutsche Vergaberecht nach wie vor zweigeteilt.242 Abhängig vom (geschätzten) Wert des zu vergebenden Auftrags gelten unterschiedli­ che Vorschriften: Wird ein bestimmter, von den europäischen Richtlinien vorgegebener, Schwellenwert mindestens erreicht,243 sind folgende Vor­ schriften zu beachten: Teil 4 des GWB (§§ 97 ff.), die VgV, die SektVO, die neue Konzessionsverordnung (KonzVgV), die VSVgV, die Abschnitte  2 und  3 der VOB / A sowie etwaige Landesgesetze. Liegt der Auftragswert hingegen unter dem für die einschlägige Vergabe maßgeblichen Schwellen­ 242  Zur Zweiteilung ausführlich Pietzcker, Zweiteilung; vgl. auch Glahs, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, Einleitung Rn. 8 sowie Barth, Vergaberecht, S. 19 ff.; BVerfGE 116, 136 (136 ff.). 243  Die Höhe der Schwellenwerte wird alle zwei Jahre von der Kommission neu festgesetzt und ergibt sich aktuell (2016 / 17) aus folgenden Verordnungen: Delegier­ te Verordnung (EU) 2015 / 2170 der Kommission v. 24.11.2015 zur Änderung der Richtlinie 2014 / 24 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für Auftragsvergabeverfahren; Delegierte Verordnung (EU) 2015 / 2171 der Kommission v. 24.11.2015 zur Änderung der Richtlinie 2014 / 25 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für Auftragsvergabeverfahren; Delegierte Verordnung (EU) 2015 / 2172 der Kommission v. 24.11.2015 zur Änderung der Richtlinie 2014 / 23 / EU des Europäischen Parla­ ments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für Vergabeverfahren. Zur Berechnung des konkreten Auftragswerts vgl. Müller-Wrede, in: ders. Kompendium, Kap. 7 Rn. 36 ff.

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Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

wert, gelten grundsätzlich die Vorschriften des Haushaltsrechts. Von Bedeu­ tung sind dabei insbesondere die §§ 55 BHO, LHO, sowie § 6 Abs. 1 HGrG und § 7 Abs. 1 BHO. Hinzu kommen die einschlägigen Verwaltungsvor­ schriften, welche regelmäßig auf die ersten Abschnitte von VOL / A und VOB / A verweisen sowie – auch hier – die vergaberechtlichen Landesgeset­ ze.244 Allerdings muss nach der Rechtsprechung des EuGH beim Vorliegen einer grenzüberschreitenden Bedeutung (sog. „Binnenmarktrelevanz“)245 auch im Unterschwellenbereich europäisches Primärrecht beachtet werden, so dass insbesondere die Beachtung des Transparenzgebots sowie eine dis­ kriminierungsfreie Vorgehensweise erforderlich sind.246 Da die aktuelle Umsetzung der Richtlinien bislang lediglich zu Änderun­ gen der Rechtslage ab dem Erreichen der Schwellenwerte geführt hat,247 beschränkt sich die Untersuchung im Folgenden auf diesen Teil des Verga­ berechts, der  – aufgrund seiner Verankerung im Vierten Teil des GWB  – auch als „GWB-Vergaberecht“248 oder „Kartellvergaberecht“249 bezeichnet wird.

zum Haushaltsvergaberecht aktuell Siegel, VerwArch 2016, 1 ff. grenzüberschreitendes Interesse wird in jüngerer Zeit schon recht schnell bejaht, vgl. EuGH, Urt. v. 14.11.2013, Rs. C-388 / 12 – „Comune di Ancona / Regione Marche“; dazu Prieß, NZBau 2015, 57 f.; EuGH, Urt. v. 16.04.2015, Rs. C-278 / 14 – „SC Enterprise Focused Solutions“; zur Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH auch Meister, NZBau 2015, 757 (759). 246  Vgl. hierzu die „Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen“, ABl. EU Nr. C 179 / 2 v.  01.08.2006, bestätigt durch EuG, Urt. v. 20.05.2010, Rs. T-258 / 06, Slg. 2010, II-2027  – „Bundesrepublik Deutschland / Kommission“; zur Thematik u. a. auch Hertwig, Auftragsvergabe, Rn. 48–51; Dittmann, in: Ziekow / Völlink, Vergaberecht, Vor § 102 GWB Rn. 19 f.; Siegel, EWS 2008, 66 (67 ff.). 247  Ausweislich S. 2 der vom Bundeskabinett am 07.01.2015 beschlossenen „Eckpunkte zur Reform des Vergaberechts“ soll erst nach erfolgter Umsetzung der Vergaberichtlinien „zeitnah der Anpassungsbedarf für Vergaben unterhalb der EUSchwellenwerte geprüft“ werden, Dokument abrufbar im Internet unter http: /  / www. bmwi.de / BMWi / Redaktion / PDF / E / eckpunkte-zur-reform-des-vergaberechts,prop erty=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf  – zuletzt abgerufen am 03.09. 2015. 248  Vgl. schon den Titel des Kommentars von Kulartz / Kus / Portz: „Kommentar zum GWB-Vergaberecht“ sowie Müller-Wrede: „GWB-Vergaberecht – Kommentar“. 249  Dreher, in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Vor §§ 97 GWB Rn. 64; Dörr, in: Dreher / Motzke, Vergaberecht, Einleitung Rn. 57 m. w. N. 244  Ausführlich 245  Ein



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich

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2. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich a) Überblick Zur Umsetzung der Richtlinien hat der deutsche Gesetzgeber sich u. a. entschlossen, den Vierten Teil des GWB grundlegend zu ändern und neu zu strukturieren. Bei genauerer Betrachtung fällt zunächst auf, dass der Um­ fang der Regelungen deutlich gestiegen ist: Reichten bislang 43 Paragraphen zur Normierung der Grundstrukturen des Vergaberechts aus, sind nach An­ sicht des Gesetzgebers nunmehr 88 Paragraphen erforderlich. Zur besseren Strukturierung wurde daher die Gliederungsebene der Kapitel neu einge­ führt, so dass innerhalb des Vierten Teils jetzt drei Regelungsebenen (statt bisher zwei) existieren. Ausdrückliches Ziel der Umgestaltungen ist aus­ weislich der Gesetzesbegründung, dem Rechtsanwender ein möglichst über­ sichtliches und leicht handhabbares Regelwerk zur Verfügung zu stellen. Durch eine stärkere Gliederung und Strukturierung der gesetzlichen Rege­ lungen soll es künftig einfacher werden, die für die konkrete Vergabe anzu­ wendenden Vorschriften zu ermitteln.250 Dies hat u. a. zur Folge, dass im Vierten Teil  nun alle wesentlichen Normen zum Anwendungsbereich des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte enthalten sind. Der neue Vierte Teil ist aufgeteilt in die zwei Kapitel „Vergabeverfahren“ und „Nachprüfungsverfahren“. Dies entspricht im Wesentlichen den bishe­ rigen Abschnitten 1 und  2 des Vierten Teils des GWB a. F. Allerdings ist das erste Kapitel nun deutlich umfangreicher als der vormalige erste Ab­ schnitt. Darüber hinaus sind die Regeln des bisherigen Abschnitt 3 („Sons­ tige Regelungen“) in der neuen Fassung überwiegend ans Ende des zweiten Kapitels verschoben worden. Da das zweite Kapitel (bestehend aus den Abschnitten „Nachprüfungsbe­ hörden“, „Verfahren vor der Vergabekammer“ und „Sofortige Beschwerde“) keinerlei Vorschriften zum Anwendungsbereich des Vergaberechts enthält, reicht es an dieser Stelle aus, die Normen des ersten Kapitels näher zu betrachten. Um den Aufbau des neuen Vierten Teils nachzuvollziehen und die Neufassung v. a. anhand der Vorgaben zur Klarheit anschaulich überprü­ fen zu können, orientiert sich die Darstellung des Anwendungsbereichs251 im Folgenden streng am Aufbau des Gesetzes.252 Dabei wird zuweilen da­ 250  So

S. 3, 55, 67 BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzesbegründung zum VergRModG). Vorschriften werden nicht oder nur am Rande betrachtet. Verzichtet wird daher insbesondere auf die Vorschriften zum Ablauf des Vergabeverfahrens und der Auftragsausführung (§§ 119–129 und §§ 132–135 GWB  n. F.). 252  Aus diesem Grund wird § 108 GWB n. F. nicht bei den allgemeinen Anwen­ dungsvoraussetzungen, sondern erst im Abschnitt der Ausnahmen vom Anwendungs­ 251  Sonstige

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Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

rauf hingewiesen, welche Artikel der Richtlinie(n) mit den einzelnen Nor­ men umgesetzt werden bzw. welchen bisherigen Normen die Neuregelungen entsprechen. Generell fällt zunächst auf, dass das erste Kapitel in drei Abschnitte ge­ gliedert ist. Während Abschnitt 1 ganz allgemein „Grundsätze, Definitionen und Anwendungsbereich“ regelt, bezieht sich Abschnitt 2 auf die klassische „Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber“. Ab­ schließend normiert der dritte Abschnitt die weiteren Vergabekonstellatio­ nen, nämlich die „Vergabe von öffentlichen Aufträgen in besonderen Berei­ chen [Sektorenbereich sowie Verteidigung und Sicherheit] und von Konzes­ sionen“. Vorschriften zu Anwendungsbereich und Ausnahmen sind in allen dieser drei Abschnitte zu finden. b) Kapitel 1, Abschnitt 1 GWB n. F. Der erste Abschnitt des ersten Kapitels beginnt in § 97 GWB n. F. wie gewohnt mit den Grundsätzen der Vergabe. Zur Umsetzung der Richtlinien wurde die Vorschrift etwas überarbeitet und u. a. um die Aspekte der Kon­ zessionsvergabe erweitert. Der Anwendungsbereich ist von § 97 GWB n. F. jedoch nicht unmittelbar betroffen. Vorschriften zum Anwendungsbereich sind vielmehr direkt im Anschluss, in den §§ 98 ff. GWB n. F. enthalten. Zunächst wird in §§ 98 bis 101 GWB n. F. festgelegt, wer als Auftraggeber im Sinne des Gesetzes anzusehen ist. Dabei fungiert der Begriff „Auftraggeber“ ausweislich des § 98 GWB n. F. als Oberbegriff, unter den die öffentlichen Auftraggeber (§ 99 GWB n. F.), die Sektorenauftraggeber (§ 100 GWB n. F.) und die Konzessionsgeber (§ 101 GWB n. F.) fallen. aa) Die einzelnen Auftraggeber Wie schon anhand der Überschrift zu erkennen, regelt § 99 GWB n. F. fortan nur noch, wer öffentlicher Auftraggeber im Sinne des Gesetzes ist. Aufgrund der in SRL und KVR getroffenen Unterscheidung zwischen „öf­ fentlichen Auftraggebern“ und „Auftraggebern“ (Art. 3, 4 SRL sowie Art. 6, 7 KVR) wurden für Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber eigene Paragraphen geschaffen, §§ 100, 101 GWB n. F. Dementsprechend ist die Regelung des § 98 Nr. 4 GWB a. F. nun in § 100 GWB n. F. zu finden. Die Vorschrift des bisherigen § 98 Nr. 6 GWB a. F. ist hingegen entfallen, da bereich dargestellt, vgl. zur systematischen Stellung dieser Norm näher unten Kap. 4 B. II. 2. b) aa).



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich129

eine entsprechende Regelung in den Richtlinien nicht mehr existiert. An­ sonsten enthält § 99 GWB n. F. im Vergleich zu § 98 GWB a. F. nur kleine­ re Veränderungen (in Nr. 2 und 4 n. F.) bzw. Umstrukturierungen (Nr. 2 n. F.). § 100 Abs. 1 GWB n. F. bestimmt sodann, dass sowohl öffentliche Auf­ traggeber (i. S. d. § 99 Nr. 1 bis 3 GWB n. F.) als auch private Auftraggeber als Sektorenauftraggeber anzusehen sind, sofern sie jeweils eine Sektoren­ tätigkeit im Sinne des § 102 GWB n. F. ausüben. Bei den privaten Auftrag­ gebern ist allerdings zusätzlich erforderlich, dass entweder die Sektorentä­ tigkeit auf der Grundlage von besonderen oder ausschließlichen Rechten ausgeübt wird (Nr. 2 lit. a)) oder öffentliche Auftraggeber gem. § 99 Nr. 1 bis 3 GWB n. F. auf die privaten Personen einzeln oder gemeinsam einen beherrschenden Einfluss ausüben können (Nr. 2 lit. b)). Beides entspricht inhaltlich dem bisherigen § 98 Nr. 4 GWB  a. F. sowie der neuen SRL. In § 100 Abs. 2 und 3 GWB n. F. wird anschließend  – ebenfalls in Überein­ stimmung mit den europarechtlichen Vorgaben  – definiert, was als „beson­ dere oder ausschließliche Rechte“ bzw. „Ausübung eines beherrschenden Einflusses“ zu verstehen ist. Vervollständigt werden die Vorschriften zu den Auftraggebern durch § 101 GWB n. F. Konzessionsgeber sind danach sowohl öffentliche Auftrag­ geber (Abs. 1 Nr. 1), öffentliche Sektorenauftraggeber (Abs. 1 Nr. 2) als auch private Sektorenauftraggeber (Abs. 1 Nr. 3), die eine Konzession ver­ geben. Dies entspricht den Vorgaben der KVR.253 § 101 GWB n. F. baut dabei auf den §§ 99 und 100 GWB n. F. auf und verweist jeweils entspre­ chend. Im Falle der Sektorenauftraggeber ist naturgemäß auch hier das Vorliegen einer Sektorentätigkeit erforderlich. Allerdings muss es sich um eine Tätigkeit aus § 102 Abs. 2 bis 6 GWB n. F. handeln. § 102 Abs. 1 GWB n. F. ist nicht erfasst, da der dort geregelte Trinkwasserbereich vom Anwendungsbereich der KVR durch dessen Art. 12 ausgeschlossen ist und der deutsche Gesetzgeber diese Ausnahme auch ins deutsche Recht übertra­ gen wollte. bb) Definitionen In §§ 102 bis 105 GWB n. F. werden die einzelnen Sektorentätigkeiten (§ 102 GWB n. F.) sowie wichtige Begriffe (§§ 103 bis 105 GWB n. F.) definiert. § 102 GWB n. F. listet die verschiedenen Sektorentätigkeiten auf. Bei der Schaffung der Norm hat sich der deutsche Gesetzgeber  – abgesehen von 253  Insbesondere gilt die KVR auch für Sektorenauftraggeber, vgl. Kap. 3 B. I. 4. b) aa).

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Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

den Postdiensten254  – streng an den Vorgaben der SRL orientiert und im Wesentlichen auch deren Struktur übernommen. Die enthaltenen Sektoren­ tätigkeiten entsprechen daher denen der Art. 8 bis 12 sowie 14 SRL. In § 103 GWB n. F. werden die grundlegenden Begriffe öffentlicher Auf­ trag sowie Liefer-, Bau- und Dienstleistungsauftrag beschrieben. Hinzu kommt eine Definition der Rahmenvereinbarungen und der Wettbewerbe (bislang als Auslobungsverfahren bezeichnet). Inhaltlich werden damit ohne Abweichungen die Vorgaben der Richtlinien umgesetzt. Gewichtige Ände­ rungen zu den bisherigen Definitionen sind dabei nicht zu verzeichnen. Hingewiesen sei auch auf § 104 GWB n. F., der verteidigungs- und si­ cherheitsspezifische255 öffentliche Aufträge definiert und inhaltlich dem bisherigen § 99 Abs. 7 bis 9 GWB a. F. entspricht. Schließlich fixiert § 105 GWB n. F. die Eigenheiten einer Konzession. Abs. 1 unterscheidet explizit zwischen Bau- und Dienstleistungskonzessio­ nen und stimmt inhaltlich mit Art. 5 Nr. 1 UAbs. 1 lit. a) und b) KVR überein. Weiterhin wird mit § 105 Abs. 2 GWB n. F. der Art. 5 Nr. 1 UAbs. 2 KVR umgesetzt und der notwendige Übergang des Betriebsrisikos näher erläutert. In der Gesetzesbegründung256 skizziert der Gesetzgeber zudem den zentralen Inhalt der Konzessionsrechtsprechung des EuGH. Hingewie­ sen wird dabei u. a. auf die Entscheidung WAZV Gotha257, wonach das Betriebsrisiko auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Vorschriften zwar erheblich eingeschränkt sein kann, für die Einordnung als Dienstleistungs­ konzession jedoch erforderlich ist, dass der öffentliche Auftraggeber entwe­ der das volle von ihm getragene Risiko, oder zumindest einen wesentlichen Teil  davon auf den Konzessionsnehmer überträgt. Dies legt nahe, dass der deutsche Gesetzgeber zur Konkretisierung der Vorschrift die Wertungen des EuGH berücksichtigt wissen möchte. Für das Vorliegen einer Konzession wäre demnach der Übergang des wesentlichen ökonomischen Risikos erfor­ derlich, ein lediglich substanzielles Risiko dürfte nicht ausreichen.258 254  Die Postdienste (Art. 13 SRL) wurden wie schon bei der Umsetzung der SKR nicht aufgenommen. Der Grund hierfür liegt angesichts der Gesetzesbegründung des GWB n. F. (S. 73 BT-Drs. 18 / 6281) darin, dass der Markt der Postdienstleistungen in Deutschland liberalisiert ist und es in diesem Bereich keinerlei Auftraggeber im Sinne der §§ 98 ff. GWB n. F. gibt. 255  Die Änderung des Wortlauts von verteidigungs- oder sicherheitsrelevanten hin zu verteidigungs- und sicherheitsspezifischen Aufträgen ist der Einführung der Art. 15 bis 17 VRL geschuldet, hat jedoch keine materiellen Auswirkungen auf die vorliegende Vorschrift, sondern dient lediglich der besseren Abgrenzung, vgl. S. 74 f. BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzesbegründung zum VergRModG). 256  S. 76 f. BT-Drs. 18 / 6281. 257  EuGH, Urt. v. 10.09.2009, Rs. C-206 / 08, Slg. 2009, I-8377  – „WAZV Go­ tha / Eurawasser“, Rn. 77.



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich131

cc) Schwellenwerte Eine Regelung zu den Schwellenwerten wird fortan von § 106 GWB n. F. getroffen. Während dessen Abs. 1 allgemein festlegt, dass der Vierte Teil des GWB n. F. nur für Vergaben gilt, die die jeweils festgelegten Schwellenwerte erreichen oder überschreiten, wird in Abs. 2 geregelt, welche Schwellenwerte im Einzelnen zu beachten sind. Dafür wird jeweils in dynamischer Weise („in der jeweils geltenden Fassung“) auf die einschlägigen Artikel von VRL, SRL und KVR sowie der Verteidigungs-RL 2009 / 81 / EG verwiesen. Nicht explizit erläutert wird allerdings, dass die Schwellenwerte bereits turnusmäßig alle zwei Jahre von der Kommission geändert werden können und dies regelmä­ ßig auch geschieht – ein Hinweis auf die entsprechenden Art. 6 VRL, Art. 17 SRL, Art. 9 KVR und Art. 68 RL 2009 / 81 / EG fehlt. In Abs. 3 des § 106 GWB n. F. wird allerdings darauf hingewiesen, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) die geltenden Schwellenwerte unverzüg­ lich, nachdem sie im ABl. EU veröffentlicht worden sind, im Bundesanzeiger bekannt gibt. Insgesamt kann festgehalten werden, dass § 106 Abs. 2 GWB n. F. den Regelungsgehalt der bisherigen § 2 Abs. 1 VgV a. F., § 1 Abs. 2 SektVO a. F. und § 1 Abs. 2 VSVgV a. F. übernimmt. Entsprechende Rege­ lungen auf Verordnungsebene sind daher fortan entbehrlich.259 dd) Ausnahmen Der sich anschließende § 107 GWB n. F. ist eine von insgesamt 16 Nor­ men, die die Wörter „Ausnahme[n]“ oder „Anwendungsbereich“ in ihrer Überschrift trägt. Diese Vielzahl an Vorschriften ist der neuen Regelungs­ systematik des Vierten GWB-Teils geschuldet. Wie einleitend beschrieben, hat der Gesetzgeber einzelne Gliederungseinheiten für die verschiedenen Vergabekonstellationen geschaffen. Neben den in Abschnitt 1 beschriebenen allgemeinen Ausnahmen sind daher auch in den Abschnitten 2 und 3 spezi­ fische, auf die konkrete Vergabekonstellation zugeschnittene Anwendungsund Ausnahmeregelungen enthalten. Abschnitt 1 enthält drei Vorschriften zum Anwendungsbereich: In § 107 GWB n. F. werden zunächst „Allgemeine Ausnahmen“ bestimmt, bevor in § 108 GWB n. F. „Ausnahmen bei öffentlich-öffentlicher Zusammenarbeit“ und in § 109 GWB n. F. „Ausnahmen für Vergaben auf der Grundlage inter­ nationaler Verfahrensregeln“ festgelegt werden. 258  Hierzu bereits oben Kap. 3 B. I. 4. b) bb) (2). Vgl. an dieser Stelle auch Diemon-Wies, VergabeR 2016, 162 (164), die in diesem Zusammenhang eine zwei­ stufige Prüfung vorschlägt. 259  So auch S. 77 BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzesbegründung zum VergRModG).

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Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

(1) Allgemeine Ausnahmen, § 107 GWB n. F. Die allgemeinen Ausnahmen in § 107 GWB n. F. gelten in allen vier aktu­ ellen Vergaberichtlinien260 und entfalten somit Wirkung für sämtliche Verga­ bekonstellationen. Dabei handelt es sich in Abs. 1 um die Vergabe von öf­ fentlichen Aufträgen und Konzessionen zu Schiedsgerichts- und Schlich­ tungsdienstleistungen (Nr. 1), für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichen Vermö­ gen sowie Rechten daran (Nr. 2) und zu Arbeitsverträgen (Nr. 3). Hinzu kommt in Nr. 4 die hier bereits im Rahmen der VRL näher behandelte Aus­ nahme für Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr. Darin übernimmt der deutsche Gesetzgeber zunächst fast wortgetreu die Formulierung aus den Richtlinien. Anschließend geht er jedoch darüber hinaus und stellt fest, dass gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen insbesondere die Hilfsorganisationen seien, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind. Diese, im ersten Referentenentwurf v. 30. April 2015261 noch nicht enthaltene Ergänzung wird dann in der Gesetzesbegründung262 weiter konkretisiert. Dort wird beispielhaft § 26 Abs. 1 Satz 2 ZSKG angeführt, wo­ nach insbesondere der Arbeiter-Samariter-Bund, die Deutsche Lebensret­ tungsgesellschaft, das Deutsche Rote Kreuz, die Johanniter-Unfall-Hilfe und der Malteser-Hilfsdienst als Hilfsorganisationen anerkannt sind.263 Weiterhin spricht die Gesetzesbegründung im selben Abschnitt ausdrück­ lich davon, dass das EU-Sekundärrecht (u. a.) „auf die Vergabe von Notfall­ rettungsdiensten“ keine Anwendung finde, wenn diese Dienste von gemein­ nützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden. Berücksichtigt man zudem die während des europäischen Gesetzgebungsverfahrens abge­ gebenen Stellungnahmen des Bundesrates,264 scheint der deutsche Gesetzge­ 260  VRL,

SRL, KVR und RL 2009 / 81 / EG. des BMWi zur Modernisierung des Vergaberechts v. 30.04.2015, abrufbar im Internet unter http: /  / www.bmwi.de / BMWi / Redaktion /  PDF / P-R / reform-des-vergaberechts-referentenentwurf,property=pdf,bereich=bmwi2 012,sprache=de,rwb=true.pdf  – zuletzt abgerufen am 30.07.2015. 262  S. 79 BT-Drs. 18 / 6281. 263  Nach Amelung / Janson, NZBau 2016, 23 (26) geht der Verweis auf § 26 Abs. 1 Satz  2 ZSKG in Anbetracht des Grundsatzes der autonomen Auslegung uni­ onsrechtlicher Vorschriften jedoch fehl. A. A. hingegen Ruthig, NZBau 2016, 3 (6), der sich für eine Konkretisierung der Begrifflichkeiten durch das nationale Recht ausspricht. 264  Stellungnahmen des deutschen Bundesrates v. 02.03.2012, BR-Drs. 874 / 11, Nr. 10 (S. 3 f.) sowie v. 30.03.2012, BR-Drs. 874 / 11 Nr. 15 (S. 6) in denen jeweils gefordert wurde, den Bereich der Rettungsdienste in den Ausnahmenkatalog der Richtlinien aufzunehmen. 261  Referentenentwurf



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich133

ber  – entgegen der hier vertretenen Auffassung  – davon auszugehen, dass auch die Vergabe von „klassischen“ (Regel-)Rettungsdienstleistungen und dem qualifizierten Krankentransport an gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen vom Anwendungsbereich der Richtlinien und des GWB n. F. ausgenommen sein sollen.265 Letztlich ist noch auf § 107 Abs. 2 GWB n. F. hinzuweisen, wonach der Vierte Teil  des GWB n. F. nicht anwendbar ist, wenn wesentliche Sicher­ heitsinteressen der BRD im Sinne des Art. 346 Abs. 1 lit. a) AEUV betroffen sind (Nr. 1) oder ein Fall des Art. 346 Abs. 1 lit. b) AEUV vorliegt (Nr. 2). (2) A  usnahmen bei öffentlich-öffentlicher Zusammenarbeit, § 108 GWB n. F. § 108 GWB n. F. normiert erstmals die Fälle der In-House- und In-StateGeschäfte im deutschen Recht. In der Gesetzesbegründung zu dieser Norm weist der Gesetzgeber explizit darauf hin, dass die europäischen Vorgaben bei der Umsetzung in deutsches Recht „möglichst eins-zu-eins übernom­ men“ werden sollten.266 Geringfügige Unterschiede im Wortlaut können daher gerade nicht als beabsichtigte Abweichung von den europäischen Vorgaben verstanden werden. Die deutsche Regelung enthält acht Absätze: Während die Abs. 1 bis 5 die verschiedenen In-House-Konstellationen beschreiben, regelt Abs. 6 die In-State-Vergabe. Zusätzlich wird in Abs. 7 dargelegt, wie die prozentualen Vorgaben aus Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 2 und Abs. 6 Nr. 3 zu bestimmen sind, bevor Abs. 8 klarstellt, dass die Norm nicht nur für öffentliche Auftragge­ ber, sondern auch für Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber entspre­ chend gilt. Im Einzelnen: (a) In-House-Vergaben (Abs. 1 bis 5) Die Abs. 1 und 2 des § 108 GWB n. F. regeln den Grundfall der InHouse-Vergabe und weichen tatsächlich inhaltlich nicht von den Vorgaben 265  Hierfür spricht eindeutig auch die Äußerung von MdB Marcus Held (SPD) in der Ersten Lesung des VergRModG im Deutschen Bundestag am 16.10.2015: „Die­ ses Gesetz ist auch deshalb ein großer Wurf, […] weil wir die Rettungsdienste privilegieren, wenn sie in der Trägerschaft von gemeinnützigen Organisationen ste­ hen. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die gegenwärtige Flüchtlingspolitik eingehen. Was wären wir in unseren Ländern, in unseren Kommunen ohne diese Rettungsdienste! Deshalb bin ich froh, dass wir mit dieser Privilegierung ihnen auch etwas zurückgeben können.“, vgl. Plenarprotokoll 18 / 131 des Deutschen Bundesta­ ges v. 16.10.2015, S. 12806 f. 266  Vgl. S. 80 BT-Drs. 18 / 6281.

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Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

der Richtlinien ab. Insbesondere hat der deutsche Gesetzgeber sich dazu entschieden, die 80 %-Grenze beim Wesentlichkeitskriterium zu überneh­ men. Darüber hinaus wird in der Gesetzesbegründung darauf hingewiesen, dass § 108 Abs. 1 Nr. 3 GWB n. F. allein auf die direkte private Kapitalbe­ teiligung an der kontrollierten juristischen Person abstellt und eine private Kapitalbeteiligung am kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber daher unschädlich sei.267 Anschließend werden in den Abs. 3 bis 5  – ebenfalls den Vorgaben der Richtlinien folgend  – weitere In-House-Konstellationen behandelt. Fortan sind daher auch die sog. inverse In-House-Vergabe (Vergaben der Tochter an die eigene Mutter), die sog. horizontale In-House-Vergabe (Vergaben zwischen Schwestergesellschaften) sowie die Fälle, in denen mehrere öf­ fentliche Auftraggeber eine juristische Person kontrollieren und an diese einen Auftrag vergeben, vom Anwendungsbereich des Vierten Teils ausge­ nommen. Hinsichtlich letzterer Konstellation (Abs. 4 und 5) wird in der Gesetzesbegründung268 zudem klargestellt, dass auch Auftragsvergaben von der kontrollierten juristischen Person an einen von mehreren kontrollieren­ den öffentlichen Auftraggebern erfasst seien (inverse In-House-Vergabe im Falle mehrerer kontrollierender öffentlicher Auftraggeber). (b) In-State-Vergaben (Abs. 6) Die In-State-Vergabe wird durch § 108 Abs. 6 GWB n. F. geregelt. Auch hier werden Struktur und Inhalt der Richtlinienvorgaben ohne sachliche Abweichungen fast wörtlich übernommen. Ergänzend wird in der Gesetzes­ begründung ErwGrd 33 VRL269 nachgezeichnet sowie darauf hingewiesen, dass es unerheblich sei, ob an den öffentlichen Auftraggebern eine private Kapitalbeteiligung bestehe oder nicht.270 Weitergehende Konkretisierungen, beispielsweise zum Begriff der „Zusammenarbeit“ (Nr. 1) oder den „Über­ legungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse“ (Nr. 2), fehlen jedoch. (c) Bestimmung des prozentualen Anteils (Abs. 7) Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass § 108 Abs. 7 GWB n. F. die Berechnungsmethode bestimmt, nach der der prozentuale 267  S. 81

BT-Drs. BT-Drs. 269  Bzw. ErwGrd 270  S. 82 BT-Drs. 268  S. 81

18 / 6281. Dies entspricht der Erläuterung in ErwGrd 32 VRL. 18 / 6281. 47 SRL. 18 / 6281.



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich135

Anteil aus Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 2 und Abs. 6 Nr. 3 (80 bzw. 20 %-Krite­ rium) bestimmt wird. (d) E  ntsprechende Anwendung für Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber (Abs. 8) Schließlich sieht § 108 Abs. 8 GWB n. F. die entsprechende Anwendung der Abs. 1 bis 7 für Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber vor. Rich­ tigerweise  – bzw. entsprechend den Richtlinien  – beschränken sich die enthaltenen Verweise an dieser Stelle aber auf Sektorenauftraggeber nach § 100 Abs. 1 Nr. 1 GWB n. F. sowie Konzessionsgeber nach § 101 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GWB n. F. Privaten Auftraggebern ist es deshalb nicht möglich, sich auf die Vorschrift zu berufen. Naturgemäß können für sie nur die Re­ geln zum Konzernprivileg gelten, die nunmehr in § 138 GWB n. F. enthalten sind. (3) A  usnahmen für Vergaben auf der Grundlage internationaler Verfahrensregeln, § 109 GWB n. F. Zu den Vorschriften, die die Begriffe „Ausnahme(n)“ oder „Anwendungs­ bereich“ in ihren Überschriften tragen, gehört in Abschnitt 1 auch § 109 GWB n. F. Dessen Abs. 1 sieht vor, dass bestimmte Vergaben auf der Grundlage internationaler Verfahrensregeln vom neuen Vierten Teil  des GWB ausgenommen sind. In Abs. 2 wird zudem klargestellt, dass für ver­ teidigungs- oder sicherheitsspezifische öffentliche Aufträge sowie Konzessi­ onen in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit der § 145 Nr. 7 bzw. § 150 Nr. 7 GBW n. F. gilt. Im Wesentlichen entspricht § 109 GWB n. F. damit dem bisherigen § 100 Abs. 8 Nr. 4 bis 6 GWB a. F. ee) Abgrenzungs- und Anwendungsregeln bei der Vergabe gemischter Aufträge, §§ 110 bis 112 GWB n. F. Die §§ 110 bis 112 GWB n. F. legen fest, nach welchen Regeln gemisch­ te öffentliche Aufträge bzw. Konzessionen zu vergeben sind. Die einzelnen Vorschriften gelten dabei für unterschiedliche Konstellationen: § 110 GWB n. F. regelt zunächst die Vergabe von gemischten öffentlichen Aufträgen und Konzessionen, die  – im Anwendungsbereich einer der Richtlinien  – unter­ schiedlichen Vergaberechtsregimen unterfallen. § 111 GWB n. F. bestimmt, welche Vorschriften gelten, wenn die verschiedenen Teile eines öffentlichen Auftrags bzw. einer Konzession jeweils unterschiedlichen rechtlichen Rege­ lungen unterliegen und in § 112 GWB n. F. wird der Fall normiert, wenn

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Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

eine von mehreren Tätigkeiten eine Sektorentätigkeit im Sinne des § 102 GWB n. F. darstellt. ff) Verordnungsermächtigung und Berichtspflichten, §§ 113, 114 GWB n. F. Den Abschluss des ersten Abschnitts des ersten Kapitels bilden die §§ 113 und 114 GWB n. F. Für die Bestimmung des Anwendungsbereichs ist aller­ dings nur § 113 GWB n. F. von Bedeutung. Darin wird die Bundesregie­ rung – wie bislang – ermächtigt, durch Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten der Vergabe zu regeln. Neu ist hingegen der ebenfalls vorgesehene Parlamentsvorbehalt. Danach müssen die Verord­ nungen zukünftig zunächst dem Bundestag zugeleitet werden, welcher dann die Möglichkeit hat, diese zu ändern oder abzulehnen. Um größere Verzö­ gerungen zu vermeiden, bleiben dem Bundestag jedoch nur drei Sitzungs­ wochen Zeit, sich mit den Verordnungen zu befassen.271 Nach Ablauf dieser Frist werden die unveränderten Rechtsverordnungen direkt dem Bundesrat zugeleitet.272 Weiterhin fällt auf, dass § 113 GWB n. F. wegen des neuen § 106 GWB n. F. nicht mehr die Umsetzung der vergaberechtlichen Schwellenwerte der Richtlinien erfasst (bisher § 127 Nr. 1 GWB a. F.). Zudem ist im hiesigen Kontext § 113 Nr. 2, 7. Fall GWB n. F. zu erwähnen, wonach die Verord­ nungsermächtigung auch die Regelung der Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen, die soziale und andere besondere Dienstleistungen be­ treffen umfasst. c) Kapitel 1, Abschnitt 2 GWB n. F. Abschnitt 2 regelt den „Normalfall“ der Vergabe öffentlicher Aufträge durch öffentliche Auftraggeber und ist in zwei Unterabschnitte gegliedert. Während Unterabschnitt 1 die hier interessierenden Regeln zum Anwen­ dungsbereich enthält, betrifft Unterabschnitt 2 das Vergabeverfahren und die Auftragsdurchführung. Für die Bestimmung des Anwendungsbereichs sind 271  Je nach Terminierung der einzelnen Sitzungswochen können so allerdings bis zu 13 (Zeit-)Wochen vergehen. 272  Die Schaffung eines Parlamentsvorbehalts für Rechtsverordnungen erscheint vor dem Grundsatz der Gewaltenteilung zunächst überraschend. Eine vergleichbare Regelung besteht aber beispielsweise auch in § 11 Abs. 4 DüngG. Zudem sind An­ merkungen zu dieser Vorgehensweise in Rn. 402 ff. des Handbuchs der Rechtsförm­ lichkeit des BMJV zu finden (Handbuch abrufbar im Internet unter http: /  / www.hdr. bmj.de  – zuletzt abgerufen am 25.09.2014).



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich

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aus letzterem nur die §§ 130, 131 GWB n. F. relevant. Regelungstechnisch ist festzuhalten, dass einzelne Normen des zweiten Abschnitts aufgrund entsprechender Verweise auch im dritten Abschnitt gelten, vgl. z. B. §§ 142, 147, 154 GWB n. F. Unterabschnitt 1 beginnt mit § 115 GWB n. F., der klarstellt, dass der Unterabschnitt auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und die Ausrich­ tung von Wettbewerben durch öffentliche Auftraggeber anzuwenden ist. Es folgen die §§ 116 bis 118 GWB n. F., die insbesondere umfangreiche Aus­ nahmeregeln enthalten. aa) Besondere Ausnahmen, § 116 GWB n. F. In § 116 GWB n. F. werden in erster Linie die Ausnahmen aus Art. 8, 10, 11 und 14 VRL umgesetzt. Abs. 1 betrifft daher bestimmte Rechtsdienstleis­ tungen (Nr. 1), Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen (Nr. 2), Dienstleistungen für audiovisuelle Mediendienste oder Hörfunkmedien­ dienste (Nr. 3), finanzielle Dienstleistungen (Nr. 4), Kredite und Darlehen (Nr. 5) sowie Dienstleistungen, die aufgrund eines ausschließlichen Rechts vergeben werden (Nr. 6). Nach Abs. 2 ist der Vierte Teil  zudem nicht auf öffentliche Aufträge und Wettbewerbe anzuwenden, die hauptsächlich den Zweck haben, dem öffentlichen Auftraggeber die Bereitstellung oder den Betrieb öffentlicher Kommunikationsnetze oder die Bereitstellung eines oder mehrerer elektronischer Kommunikationsdienste für die Öffentlichkeit zu ermöglichen. Auf den ersten Blick mag zweifelhaft erscheinen, warum beispielsweise die Rechtsdienstleistungen (Nr. 1) sowie die Forschungs- und Entwicklungs­ dienstleistungen (Nr. 2) nicht in § 107 GWB n. F. des allgemeinen ersten Abschnitts geregelt worden sind – schließlich sind diese Ausnahmen in allen drei neuen Richtlinien mit identischem Inhalt vorhanden.273 Der Grund hierfür ist die RL 2009 / 81 / EG. In dieser befindet sich zum einen keine Ausnahme für Rechtsdienstleistungen; zum anderen weichen die Regeln zu Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen der drei neuen Richtlinien geringfügig vom weiterhin geltenden Art. 13j der RL 2009 / 81 / EG ab. Eine allgemeine, für alle Vergabekonstellationen geltende Regelung im ersten Abschnitt war daher nicht möglich.274

273  Rechtsdienstleistungen: Art. 10 lit. d) VRL, Art. 21 lit. c) SRL und Art. 10 Abs. 8 lit. d) KVR; Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen: Art. 14 VRL, Art. 32 SRL und Art. 25 KVR. 274  Vgl. S. 93 f. BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzesbegründung zum VergRModG).

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Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

Vergleicht man die einzelnen Ausnahmen aus Abs. 1 und 2 mit denen der VRL, fallen keine inhaltlichen Abweichungen auf, vielmehr entspricht die deutsche Regelung fast wortgleich den europäischen Vorgaben. Konkretisie­ rungen – z. B. dazu, wann im Sinne von § 116 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) GWB n. F. „konkrete Anhaltspunkte“ vorliegen und eine „hohe Wahrscheinlichkeit“ besteht, dass die Angelegenheit, auf die sich die Rechtsberatung bezieht, Gegenstand eines Verfahrens nach lit. a) wird  – sind auch im deutschen Recht nicht vorhanden. bb) Besondere Ausnahmen für Vergaben, die Verteidigungs- und Sicherheitsaspekte umfassen, § 117 GWB n. F. Betrachtet man die Überschrift des § 117 GWB n. F., stellt sich (ähnlich wie soeben bei § 116 GWB n. F.) die Frage, warum diese Vorschrift nicht im speziellen – den Bereich Verteidigung und Sicherheit betreffenden – Un­ terabschnitt 2 des dritten Abschnitts verortet worden ist. Die Frage wird jedoch bereits durch einen genauen Blick auf den Wortlaut des § 117 GWB n. F. beantwortet. Danach gilt die Norm ausdrücklich nur für solche öffent­ lichen Aufträge und Wettbewerbe, die Verteidigungs- oder Sicherheitsaspekte umfassen, ohne verteidigungs- oder sicherheitsspezifische275 Aufträge zu sein. Sie erfasst demnach nur die Fälle, in denen der Anwendungsbereich des Art. 2 RL  2009 / 81 / EG276 nicht einschlägig und folglich auch keine der Ausnahmeregelungen aus Art. 8, 12 und 13 RL 2009 / 81 / EG anzuwenden ist.277 Das GWB  n. F. differenziert also fortan zwischen Verteidigungs- und Sicherheitsaspekten sowie verteidigungs- und sicherheitsspezifischen Aufträ­ gen. Dies ist erforderlich, um die Art. 15 und 17 VRL sowie Art. 24 und 27 SRL sachgerecht umzusetzen. Inhaltlich sieht § 117 Nr. 1 bis 5 GWB n. F. mehrere Fälle vor, in denen der Vierte Teil  des GWB bei öffentlichen Aufträgen und Wettbewerben, die Verteidigungs- und Sicherheitsaspekte umfassen, nicht anzuwenden ist. Bei­ spielsweise, soweit der Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen der Bun­ desrepublik Deutschland in Rede steht (Nr. 1), die Voraussetzungen des Art. 346 Abs. 1 lit. a) AEUV erfüllt sind (Nr. 2) oder wenn die Vergabe und die Ausführung des Auftrags für geheim erklärt werden oder besondere Sicherheitsmaßnahmen erfordern (Nr. 3).

275  Kursive

Hervorhebung jeweils hinzugefügt. somit auch der Anwendungsbereich des § 104 GWB n. F. 277  Vgl. S. 95 BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzesbegründung zum VergRModG). 276  Und



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich139

cc) Bestimmten Auftragnehmern vorbehaltene öffentliche Aufträge, § 118 GWB n. F. § 118 GWB n. F. eröffnet den öffentlichen Auftraggebern die Möglichkeit, das Recht zur Teilnahme an Vergabeverfahren bestimmten Werkstätten für Menschen mit Behinderung und Unternehmen vorzubehalten (Abs. 1, 1.  Fall) oder zu bestimmen, dass öffentliche Aufträge im Rahmen von Pro­ grammen mit geschützten Beschäftigungsverhältnissen durchzuführen sind (Abs. 1, 2.  Fall). Voraussetzung ist dafür nach Abs. 2 jeweils, dass mindes­ tens 30 % der in diesen Werkstätten oder Unternehmen beschäftigten Men­ schen mit Behinderung oder benachteiligte Personen sind. Eine entsprechen­ de Regelung war im alten GWB nicht vorhanden, vielmehr wird hiermit Art. 20 Abs. 1 VRL umgesetzt. Inhaltliche Abweichungen von den Vorgaben der Richtlinie sind dabei nicht zu erkennen. dd) Vergabe von öffentlichen Aufträgen über soziale und andere besondere Dienstleistungen, § 130 GWB n. F. Durch § 130 GWB n. F. werden auf nationaler Ebene Verfahrenserleichte­ rungen für die Fälle der Vergabe öffentlicher Aufträge über soziale und andere besondere Dienstleistungen gem. Anhang XIV VRL278 eingeführt. Abs. 1 ermöglicht den öffentlichen Auftraggebern in solchen Fällen eine weitgehend freie Verfahrenswahl und weicht damit von den Vorgaben in § 119 Abs. 1 und 2 GWB n. F.279 ab. Lediglich das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb steht nur zur Verfügung, soweit dies explizit im GWB n. F. gestattet ist.280 Ferner sieht Abs. 2 vor, dass die Änderung eines öffentlichen Auftrags über soziale und andere besondere Dienstleistungen ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zulässig ist, wenn der Wert der Änderung nicht mehr als 20 Prozent des ursprünglichen Auftrags­ wertes beträgt. Die Norm unterscheidet sich damit von § 132 Abs. 3 GWB n. F., der bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen grundsätzlich nur eine 278  Erfasst sind aufgrund des Verweises in § 130 Abs. 1 GWB n. F. nur die in Anhang XIV VRL erfassten Dienstleistungen. Nicht unter den Begriff sozialer Dienstleistungen fällt dagegen ausweislich der Gesetzesbegründung des VergRModG die Zulassung von Dienstleistungserbringern im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis. Gleiches gelte zudem für die Zulassung von Pflegeeinrichtungen sowie die Feststel­ lung der fachlichen Eignung im Rahmen der Zulassung besonderer Dienste oder besonderer Einrichtungen, vgl. S. 73, 76, 114 f. BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzesbegrün­ dung zum VergRModG) und S. 13 der BT-Drs.  18 / 7086 sowie ErwGrde  4 und 114 VRL sowie 13 KVR. 279  Auf die Darstellung der §§ 119 ff. GWB  n. F. wurde vorliegend mangels Re­ levanz für den Anwendungsbereich verzichtet. 280  Näher hierzu S. 116 BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzesbegründung zum VergRModG).

140

Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

Wertänderung in Höhe von zehn Prozent erlaubt. Weitere Verfahrenserleich­ terungen können ausweislich der Gesetzesbegründung281 auf der Verord­ nungsebene durch die Ermächtigung des § 113  Nr. 2,  7.  Fall GWB n. F. aufgenommen werden.282 ee) Vergabe von öffentlichen Aufträgen über Personenverkehrsleistungen im Eisenbahnverkehr, § 131 GWB n. F. Sonderregelungen enthält auch der folgende § 131 GWB n. F., der die Vergabe von öffentlichen Aufträgen über Verkehrsleistungen im Eisenbahn­ verkehr betrifft. Zwar sind öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und per Untergrundbahn gem. dessen Art. 10 lit. i) von der VRL283 ausge­ nommen, so dass auf eine gesonderte Regelung im GWB hätte verzichtet werden können. Über die abstrakten Vorgaben des Art. 5 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1370 / 2007 hinaus hat der deutsche Gesetzgeber sich jedoch  – ähnlich wie bisher – dazu entschlossen, dass die Vergabe derartiger Dienstleistungen im wettbewerblichen Verfahren nach dem GWB erfolgen soll. Dabei wird den entsprechenden Auftraggebern jedoch auch weiterhin eine erhöhte Fle­ xibilität eingeräumt.284 Im nationalen Gesetzgebungsverfahren war insbe­ sondere § 131 Abs. 3 GWB n. F. Gegenstand umfangreicher Diskussionen. Letztlich einigte man sich darauf, das Wort „können“ aus dem Gesetzesent­ wurf durch das Wort „sollen“ zu ersetzen und einen ergänzenden zweiten Satz einzufügen.285 d) Kapitel 1, Abschnitt 3 GWB n. F. Der dritte Abschnitt des ersten Kapitels ist in drei Unterabschnitte unter­ teilt, die jeweils verschiedene Vergabekonstellationen betreffen. In Unterab­ schnitt 1 wird die Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch Sektorenauf­ traggeber behandelt, in Unterabschnitt 2 die Vergabe von verteidigungs- und 281  S. 115 f.

BT-Drs. 18 / 6281. jetzt die §§ 64–66 VgV n. F. 283  Wortgleich die Regelung in Art. 21 lit. g) SRL, vgl. hierzu auch Müller, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 121, 128 f. Für Konzessionen gilt Art. 10 Abs. 3 KVR. 284  Nähere Erläuterungen zu § 131 enthalten S. 117 f. BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzes­ begründung zum VergRModG). 285  Vgl. hierzu BR-Drs. 367 / 15 (Beschluss), S. 7 (Nr. 7) sowie das Protokoll der 54. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages v. 09.11.2015, Protokoll-Nr. 18 / 54, abrufbar im Internet unter https: /  / www.bundes tag.de / blob / 396788 / c14c6b4aa4228c44d063dc114ec46d95 / protokoll-data.pdf  – zu­ letzt abgerufen am 25.01.2016. 282  Vgl.



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich141

sicherheitsspezifischen öffentlichen Aufträgen sowie in Unterabschnitt 3 die Vergabe von Konzessionen. aa) Unterabschnitt 1: Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch Sektorenauftraggeber Nach dem gleichen Schema wie § 115 GWB n. F. stellt § 136 GWB n. F. am Anfang des ersten Unterabschnitts klar, dass dieser Unterabschnitt auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und die Ausrichtung von Wettbe­ werben durch Sektorenauftraggeber zum Zweck der Ausübung einer Sekto­ rentätigkeit anzuwenden ist. (1) Besondere Ausnahmen, § 137 GWB n. F. § 137 GWB n. F. beschreibt die für den Sektorenbereich geltenden Aus­ nahmen. In § 137 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 werden zunächst „allgemeine“ Ausnah­ men geregelt, die weitgehend denen des § 116 Abs. 1 GWB n. F. entspre­ chen, so dass im Text jeweils auf die dortigen Regelungen verwiesen werden konnte. Einzig die Ausnahme für bestimmte Mediendienste in § 137 Abs. 1 Nr. 3 GWB n. F. musste ausformuliert werden, da der hier umzusetzende Art. 21 lit. i) SRL enger gefasst ist, als der vergleichbare  – durch § 116 Abs. 1 Nr. 3 GWB n. F. umgesetzte  – Art. 10 lit. b) VRL. Anschließend enthält § 137 Abs. 1 Nr. 7 bis 9 GWB n. F. „sektorenspezi­ fische“ Ausnahmen, wie die Beschaffung von Wasser im Rahmen der Trink­ wasserversorgung. Diese entsprechen unverändert § 100b Abs. 2 Nr. 2 und 3, Abs. 4 Nr. 3 GWB a. F. und setzen ohne inhaltliche Abweichungen die Art. 23 und 18 SRL um. Weiterhin werden in § 137 Abs. 2 GWB n. F.  – ebenfalls unverändert  – die bisherigen Regelungen des § 100b Abs. 4 Nr. 1 und 2 GWB a. F., die der Umsetzung von Art. 19 Abs. 1 SRL dienen, auf­ genommen. (2) B  esondere Ausnahme für die Vergabe an verbundene Unternehmen, § 138 GWB n. F. (Konzernprivileg) Das Konzernprivileg, das bislang in § 100b Abs. 6 und 7 GWB a. F. nor­ miert war, ist ab sofort in § 138 GWB n. F. zu finden. Zur besseren Über­ sichtlichkeit ist die neue Regelung zwar etwas anders aufgebaut, inhaltlich entspricht sie jedoch weitgehend der alten Regelung. Neu ist hingegen  – entsprechend der Richtlinienvorgaben286  –, dass zur Umsatzermittlung fort­ 286  Vgl.

hierzu bereits oben unter Kap. 3 B. I. 3. a) bb).

142

Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

an alle Liefer-, Bau- und Dienstleistungen zu berücksichtigen sind, die von dem verbundenen Unternehmen während der letzten drei Jahre in der EU erbracht wurden (Abs. 3). Diese müssen zu mindestens 80  Prozent des im jeweiligen Leistungssektor (Liefer-, Bau- oder Dienstleistungsaufträge) insgesamt erzielten durchschnittlichen Umsatzes für den Sektorenauftraggeber oder andere mit ihm verbundene Unternehmen erbracht worden sein. Eine „Umsatzsegmentierung“ ist mithin nicht mehr möglich. Hingewiesen sei an dieser Stelle auch auf § 108 GWB n. F., der aufgrund seiner systematischen Stellung im Abschnitt 1 grundsätzlich auch für Sek­ torenauftraggeber gilt. Der Verweis in § 108 Abs. 8 GWB n. F. bestimmt jedoch zutreffend, dass dies nur für Sektorenauftraggeber im Sinne des § 100 Abs. 1 Nr. 1 GWB n. F. der Fall ist. Für private Sektorenauftraggeber gilt ausschließlich das Konzernprivileg. (3) B  esondere Ausnahme für die Vergabe durch oder an ein Gemeinschaftsunternehmen, § 139 GWB n. F. (Joint-Venture-Privileg) Nach § 139 GWB n. F. sind auch Vergaben durch oder an ein Gemein­ schaftsunternehmen im Sektorenbereich vom Vierten Teil  ausgenommen. Dies entspricht dem bisherigen § 100b Abs. 8 und 9 GWB a. F. und dient der Umsetzung von Art. 30 SRL.287 (4) B  esondere Ausnahme für unmittelbar dem Wettbewerb ausgesetzte Tätigkeiten, § 140 GWB n. F. (Wettbewerbsklausel) § 140 GWB n. F. enthält unverändert die bisher aus Art. 30 SKR sowie § 100b Abs. 4 Nr. 4 GWB a. F. und § 3 SektVO bekannte Wettbewerbsklau­ sel. Auf gesetzlicher Ebene wird allerdings nur der Ausnahmetatbestand als solcher geregelt, die Verfahrensvorschriften enthält die überarbeitete ­SektVO. (5) Sonstige anwendbare Vorschriften, § 142 GWB n. F. § 142 GWB n. F. bestimmt die übrigen für die Sektorenauftragsvergabe maßgeblichen Normen. Aufgrund der vielen Parallelen zwischen VRL und SRL wird hier ergänzend auf einige Vorschriften zur „klassischen“ Auftrags­ vergabe (§§ 118 ff. GWB n. F.) verwiesen, die jedoch zum Teil  – unter Be­ 287  Auch

hier gilt wie bei § 138 GWB n. F. zusätzlich § 108 GWB n. F.



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich143

achtung der Richtlinienvorgaben – modifiziert und an die speziellen Bedürf­ nisse des Sektorenbereichs angepasst werden. (6) R  egelung für Auftraggeber nach dem Bundesberggesetz, § 143 GWB n. F. § 143 GWB n. F. sieht spezielle Vorgaben für bestimmte Sektorenauftrag­ geber nach dem Bundesberggesetz vor. Dies entspricht der bisherigen Re­ gelung in § 129b GWB a. F. bb) Unterabschnitt 2: Vergabe von verteidigungs- und sicherheitsspezifischen öffentlichen Aufträgen Mit Unterabschnitt 2 werden die speziellen Vorgaben der RL 2009 / 81 / EG im GWB n. F. umgesetzt.288 Wie §§ 115 und 136 GWB n. F. am Beginn der vorherigen (Unter-)Abschnitte, bestimmt § 144 GWB n. F. in allgemeiner Weise, für welche Vergabekonstellationen die nachfolgenden Normen gel­ ten: für die Vergabe von verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen öffent­ lichen Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber und Sektorenauftraggeber. Konzessionsgeber sind nicht aufgeführt, da Konzessionen von der RL 2009 / 81 / EG nicht erfasst sind. (1) B  esondere Ausnahmen für die Vergabe von verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen öffentlichen Aufträgen, § 145 GWB n. F. § 145 GWB n. F. legt einige besondere Ausnahmen für den Bereich der verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen Auftragsvergabe fest. Diese ent­ sprechen dem bisherigen § 100c Abs. 2 bis 4 GWB a. F. und setzen die Vorgaben des Art. 13 RL 2009 / 81 / EG um  – soweit diese nicht bereits in § 107 GWB n. F. enthalten sind.289 (2) Sonstige anwendbare Vorschriften, § 147 GWB n. F. Während § 146 GWB n. F. die Verfahrensarten bei der Vergabe von ver­ teidigungs- oder sicherheitsspezifischen öffentlichen Aufträgen regelt, be­ 288  Vgl.

S. 126 BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzesbegründung zum VergRModG). bereits angesprochen gilt § 107 GWB n. F. für alle Vergabekonstellatio­ nen und somit auch bei der Vergabe von verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen öffentlichen Aufträgen. Eine Aufzählung sämtlicher Vorgaben des Art. 13 RL 2009 /  81 / EG in § 145 GWB n. F. war daher für den Gesetzgeber entbehrlich. 289  Wie

144

Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

stimmt § 147 GWB n. F.  – ebenso wie § 142 GWB n. F. im Sektorenbe­ reich  – die im Übrigen geltenden Vorschriften. Auch hier werden mehrere Vorschriften zur „klassischen“ Auftragsvergabe in Bezug genommen und für die Zwecke der verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen Auftragsvergabe teils modifiziert. Dabei ist festzustellen, dass die Vorgaben des GWB n. F. an dieser Stelle über die Vorgaben der RL 2009 / 81 / EG hinausgehen: Aus­ weislich des Wortlauts des § 147 GWB n. F. sowie der Gesetzesbegründung hat der deutsche Gesetzgeber im Interesse der Rechtssicherheit bewusst auch die Regelungen zur Auftragsänderung und Kündigung in besonderen Fällen für anwendbar erklärt (§§ 132, 133 GWB n. F.).290 Derartige Vor­ schriften sind in der RL  2009 / 81 / EG hingegen nicht vorhanden, so dass hier bislang lediglich europäisches Primärrecht galt, das nun näher konkre­ tisiert wird. Darüber hinaus führt der Verweis auf die Vorschriften zur „klassischen“ Auftragsvergabe dazu, dass auch im Bereich der Ausschluss­ gründe etwas strengere Vorgaben als nach der RL 2009 / 81 / EG zu beachten sind.291 cc) Unterabschnitt 3: Vergabe von Konzessionen Der dritte Unterabschnitt betrifft die Vergabe von Konzessionen und be­ ginnt in Form von § 148 GWB n. F. ebenfalls mit einem klarstellenden allgemeinen Paragraphen. Unterabschnitt  3 ist danach auf die Vergabe von Konzessionen durch Konzessionsgeber anzuwenden. (1) Besondere Ausnahmen, § 149 GWB n. F. Die besonderen Ausnahmen für die Konzessionsvergabe sind in § 149 GWB n. F. geregelt. Dessen Nr. 1 bis 5 enthalten zunächst allgemeine Aus­ nahmen, die denen des § 116 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 GWB n. F. entsprechen; auf die jeweiligen Nummern wird deshalb dort verwiesen. Mit Nr. 6 bis 12 werden anschließend weitere Vorgaben aus Art. 10 Abs. 1,  3,  9  und  10 so­ wie Art. 11 und Art. 12 KVR entsprechend der Richtlinienvorgaben umge­ setzt. Hervorzuheben ist davon § 149 Nr. 9 GWB n. F., wonach der Vierte Teil  nicht für bestimmte Konzessionen im Bereich Wasser gilt. Hierdurch wird Art. 12 KVR ins GWB n. F. übertragen, so dass die im europäischen Gesetzgebungsprozess umstrittene Bereichsausnahme für Wasser fortan – in identischem Umfang  – auch im deutschen Recht zu beachten ist.

290  Vgl. 291  Vgl.

ModG).

S. 127 BT-Drs. 18 / 6281. hierzu näher S. 127 BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzesbegründung zum VergR­



B. Aktuelle Vorschriften zum Anwendungsbereich145

(2) B  esondere Ausnahmen für die Vergabe von Konzessionen in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit, § 150 GWB n. F. Mit § 150 GWB n. F. setzt der deutsche Gesetzgeber Art. 10 Abs. 5, 6 und 7 KVR um. Zwar wurde die Reihenfolge der Absätze nicht ins deutsche Recht übernommen, inhaltlich ergeben sich jedoch keinerlei Unterschie­ de.292 Folglich ist der Vierte Teil  z. B. nicht auf die Vergabe von Konzessi­ onen anzuwenden, bei denen die Anwendung der Vorschriften dieses Teils den Konzessionsgeber verpflichten würde, Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seines Erachtens den wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bun­ desrepublik Deutschland zuwiderläuft (§ 150 Nr. 1, 1. Fall GWB n. F., ent­ spricht Art. 10 Abs. 6 lit a), 1. Fall KVR). (3) V  ergabe von Konzessionen über soziale und andere besondere Dienstleistungen, § 153 GWB n. F. Von Bedeutung für den Anwendungsbereich ist zudem § 153 GWB n. F., wonach für das Verfahren zur Vergabe von Konzessionen, die soziale und andere besondere Dienstleistungen betreffen, die §§ 151, 152 GWB n. F. anzuwenden sind. (4) Sonstige anwendbare Vorschriften, § 154 GWB n. F. Auch im dritten Unterabschnitt wird auf weitere anwendbare Vorschriften verwiesen, die zum Teil  ebenfalls modifiziert werden. § 154 GWB n. F. verweist allerdings nicht nur auf Vorschriften aus Abschnitt 2 des ersten Kapitels, sondern auch auf einige Normen aus Abschnitt 3, Unterabschnitt 1. Dies bedeutet, dass  – abgesehen vom Verweis auf § 118 GWB n. F.  – nicht nur auf Vorschriften zu Vergabeverfahren und Auftragsausführung, sondern auch auf spezielle Normen zum Anwendungsbereich (bzw. Ausnahmen) verwiesen wird. So wird zur Umsetzung des Art. 13 KVR in § 154 Nr. 5 GWB n. F. auf § 138 GWB n. F. hinsichtlich der Vergabe von Konzessionen durch Konzes­ sionsgeber im Sinne des § 101 Abs. 1 Nr. 2 und 3 an verbundene Unterneh­ men verwiesen (Konzernprivileg). Der Verweis erstreckt sich wegen der Inbezugnahme des § 101 Abs. 1 Nr. 2  und  3 GWB n. F. freilich nur auf Auftraggeber im Sektorenbereich, die Tätigkeiten nach § 102 Abs. 2 bis 7293 GWB n. F. nachgehen. 292  Näher zu § 150 GWB n. F. S. 129 f. BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzesbegründung zum VergRModG). 293  Abs. 1 ist wegen der Ausnahme des Wassersektors auch hier nicht erfasst.

146

Kap. 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts

Weiterhin wird zur Umsetzung des Art. 14 KVR in § 154 Nr. 6 GWB n. F. auf § 139 GWB n. F. hinsichtlich der Vergabe von Konzessionen an oder durch Gemeinschaftsunternehmen verwiesen (Joint-Venture-Privileg). Auch hier erstreckt sich der Verweis nur auf Auftraggeber im Sektorenbereich, die Tätigkeiten nach § 102 Abs. 2 bis 7 GWB n. F. nachgehen. Abschließend wird Art. 16 KVR umgesetzt und in § 154 Nr. 7 GWB n. F. auf die in § 140 GWB n. F. geregelte Wettbewerbsklausel verwiesen. Auch hier gilt naturgemäß, dass nur Auftraggeber im Sektorenbereich betroffen sind, die eine Tätigkeit nach § 102 Abs. 2 bis 7 GWB n. F. ausüben. Hingewiesen sei an dieser Stelle auch noch auf § 108 GWB n. F., der aufgrund seiner systematischen Stellung im Abschnitt 1 grundsätzlich auch für Konzessionsgeber gilt. Der Verweis in § 108 Abs. 8 GWB n. F. bestimmt jedoch zutreffend, dass dies nur für Konzessionsgeber im Sinne des § 101 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GWB n. F. der Fall ist. e) Zwischenergebnis Die Ausführungen haben gezeigt, dass der deutsche Gesetzgeber die Vor­ gaben der neuen Richtlinien zum Anwendungsbereich nahezu überall „1:1“ in das neue GWB überführt hat. Obwohl der Gesetzgeber die Möglichkeit gehabt hätte, neben den in den Richtlinien genannten auch andere Bereiche den Pflichten des GWB-Vergaberechts zu unterwerfen,294 sind große Abwei­ chungen von den sekundärrechtlichen Vorgaben nicht zu verzeichnen.

294  Vgl. hierzu sogleich unter Kap. 4 A. Zu Umsetzungsspielräumen bei der Um­ setzung von EU-Richtlinien allgemein Oehme, Vergabe von Aufträgen, S. 118 ff.; zudem zu dieser sog. „überschießenden Umsetzung“ auch Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 387; Nettesheim, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Recht der EU, Bd. III, Art. 288 AEUV Rn. 131; vgl. zudem auch Hertwig, NZBau 2015, 129 f. sowie Neun / Otting, EuZW 2014, 446 (448).

Kapitel 4

Verfassungsrechtliche Prüfungen A. Vorbemerkung: Prüfung verfassungsrechtlicher Aspekte Bevor im Folgenden die Einhaltung der in den Kapiteln 1 und 2 skizzier­ ten Aspekte überprüft wird, ist zu klären, ob eine verfassungsrechtliche Prüfung an den Vorgaben des GG im Rahmen der vorliegenden Untersu­ chung überhaupt möglich ist. Schließlich setzt der deutsche Gesetzgeber mit dem GWB n. F. (lediglich) europäische Richtlinienvorgaben innerstaatlich um, wozu er gem. Art. 288 Abs. 3, Art. 291 Abs. 1 AEUV i. V. m. den be­ treffenden sekundärrechtlichen Regelungen1 sowie Art. 23 Abs. 1 GG verpflichtet ist. Der verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab könnte daher verändert oder beschränkt sein bzw. der nationale Gesetzgeber zu einer bestimmten Form der Umsetzung verpflichtet sein. Zur Klärung kann die Rechtsprechung und Literatur zur Zulässigkeit der Normenkontrollverfahren des Grundgesetzes, insbesondere der abstrakten Normenkontrolle gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG i. V. m. §§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG, herangezogen werden  – denn eine inhaltliche verfassungsrechtli­ che Prüfung durch das BVerfG setzt stets ein zulässiges Verfahren voraus. Fraglich ist hier, ob ein zulässiger Antragsgegenstand vorliegt. Zulässiger Antragsgegenstand ist bei der abstrakten Normenkontrolle Bundes- und Landesrecht, vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG. Erfasst sind demnach grundsätz­ lich alle deutschen Rechtsnormen, d. h. insbesondere Gesetze, aber auch Rechtsverordnungen und Satzungen.2 Normen des europäischen Sekundär­ rechts (z. B. Richtlinien) können hingegen nicht überprüft werden, da sie kein Bundes- oder Landesrecht darstellen.3

1  v. Bogdandy / Schill, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Recht der EU, Bd. I, Art. 4 EUV Rn. 77. 2  Schlaich / Korioth, Das BVerfG, Rn. 126–128; Zuck, in: Lechner / Zuck, BVerfGG, § 76 Rn. 13; BVerfGE 10, 20 (54); 106, 1 (12). 3  BVerfGE 118, 79 (95); Zuck, in: Lechner / Zuck, BVerfGG, § 76 Rn. 16; E. Klein, in: Benda / Klein, Verfassungsprozessrecht, Rn. 680.

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

Einen Sonderfall bilden indes bundes- oder landesrechtliche Normen, die der Ausführung von EU-Verordnungen oder der Umsetzung von EU-Richt­ linien dienen. Als Teile des Bundes- bzw. Landesrechts sind sie grundsätz­ lich zulässiger Antragsgegenstand.4 Allerdings wird der verfassungsgericht­ liche Prüfungsmaßstab bzw. -umfang hier zum Teil  eingeschränkt. Unter Verweis auf gefestigte Kammerrechtsprechung hat der Erste Senat im Be­ schluss v. 13.03.20075 in Anlehnung an die Solange-II-Rechtsprechung6 festgestellt, dass eine innerstaatliche Rechtsvorschrift, die eine Richtlinie in deutsches Recht umsetzt insoweit nicht an den Grundrechten des Grundge­ setzes gemessen werde, „als das Gemeinschaftsrecht7 keinen Umsetzungs­ spielraum lässt, sondern zwingende Vorgaben macht“.8 Entscheidend ist für die Möglichkeit einer verfassungsrechtlichen Prüfung demnach, ob die hier zugrundeliegende(n) Richtlinie(n) den Mitgliedstaaten einen Umsetzungs­ spielraum zugesteht oder nicht. Besteht ein Umsetzungsspielraum, ist eine Prüfung anhand der Vorgaben des Grundgesetzes  – insbesondere der Grundrechte  – möglich.9 Denn der nationale Gesetzgeber hat in diesem Fall die Möglichkeit, verfassungskon­ form zu handeln; ein Verfassungsverstoß wird also gerade nicht unmittelbar durch das Unionsrecht begründet.10 Ist die nationale Umsetzungsnorm hin­ gegen „unionsrechtlich determiniert“, d. h. verfügt der nationale Gesetzgeber über keinen Umsetzungsspielraum, ist eine Prüfung an den Vorgaben des Grundgesetzes nicht ohne weiteres möglich.11 In diesem Fall steht es dem BVerfG lediglich offen, das entsprechende Normenkontrollverfahren auszu­ setzen und eine Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 267 AEUV darüber einzuholen, ob die betreffende Richtlinie gegen höherrangiges ­Unionsrecht verstößt.12 Bejaht der EuGH einen solchen Verstoß, ist eine umfassende 4  Rozek,

in: Maunz u. a., BVerfGG, § 76 Rn. 38, 70; BVerfG NJW 1990, 974. 118, 79. 6  BVerfGE 73, 339. 7  Jetzt freilich: Unionsrecht. 8  BVerfGE 118, 79 (95); in dieselbe Richtung auch BVerfGE 121, 1 (15); 122, 1 (20); 125, 260 (306 f.); 129, 186 (199). 9  Hillgruber / Goos, Verfassungsprozessrecht, Rn. 526a; BVerfGE 121, 1 (15); 125, 260 (306 f.). 10  Rozek, in: Maunz u. a., BVerfGG, § 76 Rn. 70; E. Klein, in: Benda / Klein, Verfassungsprozessrecht, Rn. 681. 11  Rozek, in: Maunz u. a., BVerfGG, § 76 Rn. 70; Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 272; BVerfGE 121, 1 (15); 122, 1 (20); vgl. auch Masing, NJW 2006, 264 (265). 12  BVerfGE 125, 260 (307); E. Klein, in: Benda / Klein, Verfassungsprozessrecht, Rn. 680; Rozek, in: Maunz u. a., BVerfGG, § 76 Rn. 70; vgl. auch Degenhart, Staats­ recht I, Rn. 275. 5  BVerfGE



A. Vorbemerkung: Prüfung verfassungsrechtlicher Aspekte 149

Prüfung anhand der Vorgaben des Grundgesetzes möglich.13 Andernfalls jedoch ist dem BVerfG eine grundgesetzliche Prüfung verwehrt. Es ist dann lediglich noch denkbar, die Unanwendbarkeit des Sekundärrechts im Rah­ men der sog. (engen) Ultra-vires-Kontrolle14 festzustellen15 und über diesen Weg die Überprüfung der nationalen Vorschrift zu ermöglichen.

I. Bestehen von Umsetzungsspielräumen 1. Allgemeines zur Umsetzung von EU-Richtlinien Gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV sind EU-Richtlinien hinsichtlich des zu er­ reichenden Ziels verbindlich, während die Wahl der Form und der Mittel den Mitgliedstaaten überlassen ist.16 Daraus ergibt sich für die Mitgliedstaa­ ten die Verpflichtung, das nationale Recht fristgemäß an die Vorgaben der Richtlinien anzupassen.17 Es sind diejenigen Formen und Mittel zu wählen, die für die Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit der Richtlinie am besten geeignet sind (effet utile).18 Enthalten die Richtlinien zwingende Vorgaben, muss der nationale Gesetzgeber diese entsprechend ins nationale Recht übertragen. Im Falle bestehender Spielräume oder Regelungsoptionen steht es ihm hingegen frei, eigene Regeln zu treffen, bzw. sich für eine der vorgesehenen Regelungsoptionen zu entscheiden. 2. Gold Plating (überschießende Richtlinienumsetzung) a) Anforderungen Diese Anforderungen sind jedoch im Sinne einer Mindestvorgabe19 zu verstehen. Unabhängig davon, ob die Richtlinie den Mitgliedstaaten an einzelnen Stellen inhaltliche Gestaltungsspielräume einräumt oder zwingen­ de Vorgaben macht, sind die nationalen Gesetzgeber grundsätzlich nicht 13  BVerfGE

118, 79 (97 f.). hierzu beispielsweise BVerfGE 123, 267 (353 f.); 126, 286 (302 f.). 15  BVerfGE 129, 186 (199 f.); E. Klein, in: Benda / Klein, Verfassungsprozess­ recht, Rn. 680; Rozek, in: Maunz u. a., BVerfGG, § 76 Rn. 70; vgl. auch Hillgruber /  Goos, Verfassungsprozessrecht, Rn. 526a. 16  Den Wortlaut des Art. 288 AEUV als „missverständlich“ bezeichnend Nettesheim, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Recht der EU, Bd. III, Art. 288 AEUV Rn. 112. 17  Haag, in: Bieber / Epiney / Haag, Europäische Union, § 6 Rn. 31. 18  EuGH, Urt. v. 08.04.1976, Rs. 48 / 75, Slg. 1976, 497  – „Royer“, Ls. Nr. 6. 19  Vgl. Haratsch / Koenig / Pechstein, Europarecht, Rn. 387: „Mindestbestimmun­ gen“. 14  Vgl.

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

gehindert, weitergehende oder ergänzende Vorschriften zu erlassen und so über die Richtlinienvorgaben hinauszugehen.20 Es ist dem Gesetzgeber dem­ nach möglich, ein „Mehr“ an Regelungen zu schaffen. Allerdings gilt dies nicht unbegrenzt: Unter den Stichworten „überschießende Richtlinienumset­ zung“ und „gold plating“21 werden den nationalen Gesetzgebern in diesem Zusammenhang Grenzen gesetzt. Unterschieden wird zwischen „echtem“ und „unechtem“ gold plating. Um „echtes“ gold plating handelt es sich, wenn der nationale Gesetzgeber ein­ zelne, von der Richtlinie erfasste Bereiche verändert oder insbesondere verschärft. „Echtes“ gold plating liegt also vor, wenn der Gesetzgeber über die Vorschriften einer Richtlinie hinausgeht und weitergehende  – i. d. R. strengere  – Anforderungen schafft.22 „Unechtes“ gold plating ist hingegen dann anzunehmen, wenn der nationale Gesetzgeber im Zuge der Umsetzung einer Richtlinie noch andere – von der Richtlinie nicht erfasste – Sachbe­ reiche entsprechend der Richtlinien regelt bzw. in den Anwendungsbereich des Umsetzungsgesetzes miteinbezieht.23 Die Zulässigkeit „echten“ gold platings wird in der Literatur kritisch gesehen, da durch strengere Anforderungen neue Hemmnisse für den Han­ del mit Dienstleistungen und Waren entstehen könnten und eine Aufsplitte­ rung des Binnenmarktes zu befürchten steht.24 Gefordert wird daher eine umfassende Vereinbarkeit der zusätzlichen Vorschriften mit europäischem Primär- und Sekundärrecht, insbesondere, soweit das Ziel der zugrundelie­ genden Richtlinie in der (Voll-)Harmonisierung des geregelten Rechtsgebie­ tes liegt.25 Das „unechte“ gold plating wird im Unterschied dazu deutlich weniger kritisch betrachtet.26 Weil die von den Mitgliedstaaten vorgenom­ menen Abweichungen hier Bereiche betreffen, die nicht den von einer Richtlinie harmonisierten Bereich betreffen, soll in diesem Fall eine alleini­ ge Regelungsverantwortung der Mitgliedstaaten bestehen.27 Allerdings dür­ 20  Vgl.

OLG Koblenz, Beschl. v. 03.12.2014, Verg 8 / 14, ZfBR 2015, 308 (309). die Begriffsverwendung bei Habersack / Meyer, JZ 1999, 913 ff.; Nettesheim, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Recht der EU, Bd. III, Art. 288 AEUV Rn. 131; Brandner, Richtlinien, S. 11, 136 sowie Burmeister / Staebe, EuR 2009, 444 (445). Im Folgenden soll der Begriff „gold plating“ verwendet werden. 22  Burmeister / Staebe, EuR 2009, 444 (445); Schwarze, Europäisches Wirt­ schaftsrecht, Rn. 748. 23  Ebd. 24  Schwarze, Europäisches Wirtschaftsrecht, Rn. 750 f.; Burmeister / Staebe, EuR 2009, 444 (446 ff.). 25  Näher Burmeister / Staebe, EuR 2009, 444 (446 ff.). 26  Burmeister / Staebe, EuR 2009, 444 (444): „Dieser Fall ist gemeinschaftsrecht­ lich unproblematisch“; vgl. zur unterschiedlichen Behandlung auch Brandner, Richt­ linien, S. 12. 21  Vgl.



A. Vorbemerkung: Prüfung verfassungsrechtlicher Aspekte 151

fen die nationalen Vorschriften auch in diesem Fall den Vorgaben der Richtlinie nicht widersprechen28 und das übergeordnete Ziel der Rechtsan­ gleichung nicht gefährden.29 b) Vorliegen sog. gold platings hinsichtlich des Anwendungsbereichs? Im aktuellen Kapitel ist der Anwendungsbereich des Vergaberechts Ge­ genstand der Untersuchungen und soll hinsichtlich Bestimmtheit, Klarheit und Systemgerechtigkeit überprüft werden. Fraglich ist, ob im Rahmen dieser Prüfungen ein Fall des problematischen „echten“ gold platings vor­ liegt (bzw. vorliegen kann), der zu einer Einschränkung des mitgliedstaatli­ chen Umsetzungsspielraums führt. Im Rahmen der Bestimmtheit wird zu klären sein, ob die nationalen Re­ gelungen zum Erreichen der verfassungsrechtlich gebotenen hinreichenden Bestimmtheit vom deutschen Gesetzgeber noch konkreter und genauer hät­ ten ausgestaltet werden müssen. Angesichts der angestrebten „1:1“-Umset­ zung des deutschen Gesetzgebers dürfte eine Veränderung, Verschärfung oder Erweiterung des Anwendungsbereichs durch eine noch bestimmtere Ausformung der nationalen Normen aber regelmäßig nicht vorliegen. Ledig­ lich im Einzelfall wäre ein Fall des sog. gold platings denkbar. Darüber hinaus liegt der Fokus auch bei der Überprüfung der Klarheit nicht auf inhaltlichen Änderungen. Dort wird vielmehr untersucht, ob die Vorgaben des Unionsrechts im nationalen Recht in systematischer Hinsicht hinreichend verständlich aufbereitet wurden. Inhaltliche Änderungen erge­ ben sich im Rahmen der Klarheit nicht. Ein Fall des („echten“ oder „unech­ ten“) gold plating ist daher auch hier abzulehnen. Im Rahmen der Systemgerechtigkeit geht es schließlich in erster Linie darum, welche Bereiche von den neuen Vergaberegeln erfasst sind und ob der Anwendungsbereich des nationalen Vergaberechts möglicherweise hätte erweitert werden müssen. Da folglich nicht eine Verschärfung von Vor­ schriften, sondern (nur) eine Ausweitung des Anwendungsbereichs in Rede steht, handelt es sich um einen Fall des „unechten“  – und nicht des proble­ matischen „echten“  – gold platings. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der deutsche Gesetzgeber die Möglichkeit gehabt hätte, neben den in den Richt­ linien genannten noch weitere Sachbereiche den Pflichten des GWB-Verga­ Schwarze, Europäisches Wirtschaftsrecht, Rn. 750. in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Recht der EU, Bd. III, Art. 288 AEUV Rn. 131. 29  Schwarze, Europäisches Wirtschaftsrecht, Rn. 750. 27  So

28  Nettesheim,

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

berechts zu unterwerfen.30 Es muss lediglich bedacht werden, dass diese Ausweitungen nicht den grundlegenden Regelungszielen der Richtlinien widersprechen dürfen.31 Ein Fall des „echten“ gold plating könnte aller­ dings dann vorliegen, wenn neben der Einbeziehung in den Anwendungsbe­ reich als solches zusätzlich auch überprüft wird, ob die Einordnung einzel­ ner Dienstleistungen innerhalb des Anwendungsbereichs zutreffend ist, oder sich eine Pflicht des Gesetzgebers ergibt, Änderungen  – die in diesem Fall als Verschärfungen wirken – vorzunehmen. Die Frage stellt sich namentlich bei den Sonderregimen für soziale und andere besondere Dienstleistungen. Dort kann die Schaffung der Sonderregime als solche sowie die Auswahl der betreffenden Dienstleistungen im Hinblick auf die in Art. 3 Abs. 1 GG angelegte Systemgerechtigkeit hinterfragt werden. Möglicherweise ergibt sich eine Pflicht des Gesetzgebers, die dem Sonderregime zugeordneten Dienstleistungen dem allgemeinen Vergaberegime zuzuordnen.32 Der oben geschilderte, erforderliche Umsetzungsspielraum ist daher an den zu prüfenden Stellen nicht bereits grundsätzlich durch das Vorliegen eines Falls des problematischen „echten“ gold platings beschränkt. Nur hinsichtlich der Ausgestaltung der Sonderregime könnte ein solcher Fall auftreten. 3. Umsetzungsspielräume der neuen EU-Vergaberichtlinien hinsichtlich der vorzunehmenden Prüfungen Entscheidend ist nach dem oben Gesagten, ob VRL, SRL und KVR dem nationalen Gesetzgeber (unabhängig von der Thematik des sog. gold ­plating) Umsetzungsspielräume hinsichtlich der hier in Rede stehenden Überprüfungen des Anwendungsbereiches zugestehen. Zwar enthalten die neuen Vergaberichtlinien relativ detaillierte Vorschriften, was auf den ers­ ten Blick gegen große Umsetzungsspielräume spricht. Hinsichtlich Be­ stimmtheit, Klarheit und Systemgerechtigkeit der Vorschriften zum Anwen­ dungsbereich könnten aber dennoch Spielräume für die Mitgliedstaaten bestehen.

30  Vgl.  – allerdings in etwas anderem Kontext  – Neun / Otting, EuZW 2014, 446 (448); Höfer / Nolte, NZS 2015, 441 (445); Masing, in: Dreher / Motzke, Vergabe­ recht, § 2 VgV Rn. 2; Ruthig, NZBau 2016, 2 (4 mit Fn. 14). 31  Vgl. Nettesheim, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Recht der EU, Bd. III, Art. 288 AEUV Rn. 131. 32  Vgl. unten unter Kap. 4 D. II. 2. c).



A. Vorbemerkung: Prüfung verfassungsrechtlicher Aspekte 153

a) Bestimmtheit Für die Prüfung der Bestimmtheit ist maßgeblich, ob der nationale Ge­ setzgeber (in formaler Hinsicht) die Möglichkeit hat, als zu unbestimmt empfundene europäische Normen bei der Umsetzung in innerstaatliches Recht noch konkreter bzw. „bestimmter“ auszugestalten. Entscheidend sind dafür allerdings nicht die speziellen Regelungen von VRL, SRL und KVR, sondern die allgemeinen Vorgaben zur Umsetzung von EU-Richtlinien. Generell verpflichten EU-Richtlinien die nationalen Gesetzgeber dazu, das innerstaatliche Recht an die Vorgaben der Richtlinien anzupassen. Dabei ist nicht erforderlich, dass ganze Normen oder einzelne Formulierungen wörtlich übernommen werden.33 Dies wäre aufgrund der Eigenarten der verschiedenen nationalen Rechtsordnungen auch kaum möglich. Entschei­ dend ist, dass der Inhalt der Richtlinie innerstaatlich umgesetzt wird.34 Letztendlich muss nach der Rechtsprechung des EuGH die vollständige Anwendung der Richtlinie „in so klarer und bestimmter Weise gewährleis­ tet“ sein, dass „die Begünstigten in der Lage sind, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen“.35 Hierbei gilt aus europarechtlicher Sicht der Grundsatz der Kongruenz von Richtlinienbestimmung und nationaler Umsetzungsbestimmung: Von den Mitgliedstaaten kann (seitens der EU) nicht verlangt werden, dass eine na­ tionale Regelung einen höheren Bestimmtheits- / Spezifizierungsgrad auf­ weist, als die entsprechende Richtliniennorm.36 Weist eine europäische Be­ stimmung einen nur geringen Grad an Bestimmtheit auf, ist der nationale Gesetzgeber demnach nicht verpflichtet, diese im nationalen Recht noch konkreter und „bestimmter“ auszugestalten.37 Der Rechtsprechung und Li­ teratur ist jedoch (soweit ersichtlich) nicht zu entnehmen, dass die Mitglied­ 33  EuGH, Urt. v. 30.05.1991, Rs. C-361 / 88, Slg. 1991, I-2567  – „Kommission /  Bundesrepublik Deutschland“, Rn. 15. Vgl. zudem Vedder, in: Vedder / Heintschel von Heinegg, EU-Recht, Art. 288 AEUV Rn. 20, der feststellt, dass Richtlinien nicht der Schaffung von identischem nationalen Recht, sondern der Rechtsangleichung, d. h. der Schaffung harmonisierten Rechts dienen. 34  Nettesheim, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Recht der EU, Bd. III, Art. 288 AEUV Rn. 120. 35  EuGH, Urt. v. 30.05.1991, Rs. C-361 / 88, Slg. 1991, I-2567  – „Kommission /  Bundesrepublik Deutschland“, Rn. 15; vgl. auch EuGH, Urt. v. 08.10.1996, verb. Rs. C-178 / 94, C-179 / 94, C-188 / 94, C-189 / 94 und C-190 / 94, Slg. 1996, I-4848 – „Dil­ lenkofer“, Rn. 48; vgl. auch Stuby, Unlautere Praktiken, S. 106. 36  Nettesheim, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim, Recht der EU, Bd. III, Art. 288 AEUV Rn. 120. 37  Ebd.

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

staaten gehindert wären, einzelne  – als zu unbestimmt empfundene  – Nor­ men konkreter zu fassen. Ausschlaggebend dürfte in europarechtlicher Hinsicht nur sein, dass der (sachliche) Inhalt der nationalen Umsetzung dem der Richtlinie entspricht. Der Gesetzgeber ist folglich nicht gezwungen, über die Bestimmtheit der Richtlinie hinauszugehen, er kann dies jedoch tun, wenn er es für erforderlich bzw. angemessen hält. Beispielsweise dann, wenn zum Zwecke der Abgrenzung zu anderen Regeln des nationalen Rechts nähere Erläuterungen oder Abgrenzungen notwendig werden. Im Rahmen der Bestimmtheit kann ein Umsetzungsspielraum des nationalen Gesetzgebers daher bejaht werden. Darüber hinaus dürfte für den deutschen Gesetzgeber sogar eine Pflicht bestehen, beim Vorliegen von – nach deutschen Maßstäben – zu unbestimm­ ten Normen tätig zu werden und diese so weit zu konkretisieren, bis die erforderliche Bestimmtheit erreicht ist. Schließlich sind die gesetzgebenden Organe auch bei der Umsetzung von EU-Richtlinien an die verfassungsmä­ ßige Ordnung gebunden, Art. 20 Abs. 3 GG.38 Zudem ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Gesetzgebungsorgane verfassungsrechtlich ver­ pflichtet sind, die in einer Richtlinie vorhandenen Gestaltungsspielräume in verfassungs-, insbesondere „grundrechtsschonender Weise“ auszunutzen.39 Zwar mag sich diese Aussage in erster Linie auf materielle (Sach-)Fragen und inhaltliche Gestaltungsspielräume oder -optionen beziehen. Es ist je­ doch nicht ersichtlich, was dagegen sprechen sollte, diese Verpflichtung auch auf den eher formellen Aspekt der Bestimmtheit zu übertragen, der ebenfalls im Grundgesetz verankert ist. b) Klarheit Wie oben gesehen, beschreibt Klarheit das Bedürfnis nach möglichst verständlichen, übersichtlichen und widerspruchsfreien Normen und Nor­ mengefügen bzw. Gesetzen.40 Es geht in erster Linie um Aufbau und Sys­ tematik sowie das Zusammenwirken von Normen und Gesetzen. Hierzu 38  In diese Richtung auch Tuengerthal, Richtlinienumsetzung, S. 265: „Generell ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bei der Umsetzung von EG-Rechtsakten genau wie bei der Schaffung sonstiger Rechtssätze an das nationale Verfassungsrecht gebunden ist und sich insoweit auch eine Kontrollzuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts ergibt.“ [Hervorhebung im Original] (vgl. zudem auch die Ausfüh­ rungen auf S. 266, 282 f.). Zu Art. 20 Abs. 3 GG siehe beispielsweise Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 32 ff. 39  Vgl. Vedder, in: Vedder / Heintschel von Heinegg, EU-Recht, Art. 288 AEUV Rn. 24 mit Verweis auf BVerfGE 113, 273 (300), hinsichtlich eines Rahmenbe­ schlusses; BVerfGE 118, 79 (95 ff.) hinsichtlich einer Richtlinie. 40  s. o. Kap. 1 D. III.



A. Vorbemerkung: Prüfung verfassungsrechtlicher Aspekte 155

enthalten die europäischen Vorgaben zur Richtlinienumsetzung keine spezi­ ellen Vorgaben. Es ist angesichts der vorherigen Ausführungen lediglich zu bedenken, dass diejenigen Formen und Mittel zu wählen sind, die für die Wirksamkeit der Richtlinie am besten geeignet sind (effet utile)41 und dass die vollständige Anwendung der Richtlinie „in so klarer und bestimmter Weise gewährleistet“ sein muss, dass „die Begünstigten in der Lage sind, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen“.42 Aufbau und Systematik müssen deshalb nicht der / n Richtlinie / n entsprechen. Beispielsweise kön­ nen mehrere Richtlinien auch in einer einzigen gesetzlichen Regelung um­ gesetzt werden  – die Schaffung mehrerer eigenständiger Gesetze ist nicht erforderlich. Dem deutschen Gesetzgeber verbleibt daher auch bezüglich der Klarheit ein Umsetzungsspielraum, der eine verfassungsrechtliche Prüfung ermöglicht. Ein weitreichender Umsetzungsspielraum ist für die Umsetzung in inner­ staatliches Recht auch zwingend erforderlich. Schließlich müssen die ent­ sprechenden europäischen Regelungen systematisch korrekt in die bestehen­ de nationale Rechtsordnung eingepasst werden können. So dürfte es aus systematischen Gründen z. B. kaum möglich sein, den Gesamttext einer Richtlinie unverändert als gesondertes Gesetz zu übernehmen oder nur auf die entsprechende Richtlinie zu verweisen.43 c) Systemgerechtigkeit aa) Umsetzungsspielraum Letztlich bleibt zu klären, ob auch hinsichtlich der Systemgerechtigkeit ein Umsetzungsspielraum für den nationalen Gesetzgeber besteht. Bei der Systemgerechtigkeit geht es um die gesetzgeberische Pflicht, Sachverhalte in sich konsistent und folgerichtig auszugestalten. Normen und Normen­ komplexe (bzw. die zugrundeliegenden Regelungsziele und -wirkungen) sollen inhaltlich und sprachlich aufeinander abgestimmt, d. h. in sich stim­ mig und konsistent sein.44 Betrachtet man die umfangreichen und detaillier­ 41  EuGH,

Urt. v. 08.04.1976, Rs. 48 / 75, Slg. 1976, 497  – „Royer“, Ls. Nr. 6. Urt. v. 30.05.1991, Rs. C-361 / 88, Slg. 1991, I-2567  – „Kommission /  Bundesrepublik Deutschland“, Rn. 15; vgl. auch EuGH, Urt. v. 08.10.1996, verb. Rs. C-178 / 94, C-179 / 94, C-188 / 94, C-189 / 94 und C-190 / 94, Slg. 1996, I-4848 – „Dil­ lenkofer“, Rn. 48. 43  Hierzu jeweils kritisch Stelkens, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, EU-Ver­ waltungsrecht u. a., Rn. 65 mit Verweis auf Sydow, NVwZ 2008, 481 (484 f.). 44  Vgl. oben Kap. 2 A. 42  EuGH,

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

ten Regelungen der drei neuen Vergaberichtlinien, erscheint ein Umset­ zungsspielraum des nationalen Gesetzgebers weitgehend ausgeschlossen. Aufgrund der dichte der zwingenden Vorgaben hat der nationale Gesetzgeber insgesamt kaum Spielräume oder Regelungsoptionen. Allerdings beschränkt sich die Prüfung vorliegend auf den Anwendungsbereich des novellierten, europäisch geprägten Vergaberechts. Nicht alle bzw. bestimmte Aspekte oder Teilbereiche des neuen Vergaberechts, sondern dessen Geltungsbereich (als solcher) soll hinsichtlich der Systemgerechtig­ keit überprüft werden. Es kann daher an dieser Stelle auf den Anwendungs­ bereich der drei Richtlinien und den in diesem Rahmen vorliegenden Um­ setzungsspielraum abgestellt werden. Oben wurde bereits festgestellt, dass die Vorgaben der Richtlinien als „Mindestvorgaben“ anzusehen sind und der deutsche Gesetzgeber die Mög­ lichkeit gehabt hätte, neben den in den Richtlinien genannten auch weitere Sachbereiche den Pflichten des GWB-Vergaberechts zu unterwerfen (Fall des sog. „unechten“ gold platings). Bei der Erweiterung des Anwendungs­ bereichs handelt es sich um die alleinige Entscheidung des nationalen Ge­ setzgebers.45 Dies ist sinnvoll, da sich auf nationaler Ebene noch weite­ re / andere Gründe für die Einbeziehung eines Sachbereichs in den Anwen­ dungsbereich ergeben können. Umgekehrt ist es dem Gesetzgeber jedoch nicht möglich, die in den Richtlinien vorgesehene Bereiche von der Geltung des GWB-Vergaberechts auszunehmen; insofern verbleibt dem nationalen Gesetzgeber kein Spiel­ raum. Im Ergebnis liegt somit ein begrenzter / einseitiger Umsetzungsspiel­ raum des nationalen Gesetzgebers vor. Eine Prüfung an den Vorgaben des Grundgesetzes erscheint daher grundsätzlich nur (aber immerhin) dahinge­ hend möglich, ob das deutsche Verfassungsrecht eine Ausweitung des An­ wendungsbereichs fordert. bb) Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG Bei der Prüfung der Systemgerechtigkeit ergibt sich jedoch noch ein zu­ sätzliches Problem. Wie erläutert, entfaltet der Grundsatz der Systemgerech­ tigkeit nur innerhalb des Art. 3 Abs. 1  GG Geltung.46 Für die Prüfung der Systemgerechtigkeit ist mithin die Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG erforderlich. Daran kann allerdings in der vorliegenden Konstellation ge­ 45  Vgl. Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 430 f.; ähnlich Siegel, Euro­ päisierung, Rn. 34: „Eine solche Ausweitung steht jedoch im Ermessen des jeweili­ gen nationalen Gesetzgebers.“; vgl. zudem auch Gröning, NZBau 2015, 690 (693). 46  s. o., Kap. 2 A.



A. Vorbemerkung: Prüfung verfassungsrechtlicher Aspekte 

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zweifelt werden. Denn im Falle seiner Anwendbarkeit könnte Art. 3 Abs. 1 GG den Umsetzungs- und Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzge­ bers empfindlich einschränken und den nationalen Gesetzgeber praktisch verpflichten, neben den von einer Richtlinie erfassten Bereichen auch etliche weitere Bereiche den nationalen Regelungen zu unterwerfen.47 Art. 3 Abs. 1 GG erhielte dann die Funktion eines „Harmonisierungshebels“.48 Bei durch Richtlinien geprägten Regelungen könnte die Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG daher abzulehnen sein. Dies ist in der Literatur umstritten.49 Die Frage der Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG in einem durch europäi­ sche Richtlinien geprägten Rechtsbereich stellte sich auch in BVerfGE 116, 135. In jenem Fall ging es um die Frage, ob es gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, dass der spezifisch vergaberechtliche Rechtsschutz oberhalb der (europäisch geprägten) Schwellenwerte anders ausgestaltet ist als bei Verga­ ben unterhalb der Schwellenwerte. Bei der Umsetzung der Vergaberichtlini­ en beschränkte sich der deutsche Gesetzgeber nämlich darauf, für den Be­ reich oberhalb der in den Richtlinien festgesetzten Schwellenwerte ein umfassendes Rechtsschutzverfahren einzuführen. Es kam somit zu einer Zweiteilung des vergaberechtlichen Rechtsschutzes.50 Das BVerfG erkannte die Frage der möglichen Unanwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG, musste diese jedoch im konkreten Fall nicht beantworten. Zwar sah das Gericht in der unterschiedlichen Behandlung von Vergaben ober- und unterhalb der Schwellenwerte eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung, stellte aber fest, dass diese durch hinreichend gewich­ tige Gründe gerechtfertigt sei. Auch im Falle der Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG liege daher kein Grundrechtsverstoß vor.51 Im Ergebnis war / ist der deutsche Gesetzgeber folglich nicht verpflichtet, auch im Unterschwel­ lenbereich ein spezielles Rechtsschutzsystem einzuführen. Bei Orientierung an der Vorgehensweise des BVerfG kann der Streit um die Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG zunächst ebenfalls offengelassen werden. Eine Entscheidung ist im Rahmen dieser Untersuchung nur / erst z. B. Siegel, Europäisierung, Rn. 34. NZBau 2002, 419 (424); Begriffsverwendung auch bei Götz, JZ 1994, 1061 (1062) sowie Siegel, Europäisierung, Rn. 34. 49  Vgl. zunächst den prägnanten Überblick über den Streitstand bei Beul, DStR 2012, 257 (259). Vgl. weiterhin beispielsweise Heun, in: Dreier, GG, Bd. 1, Art. 3 Rn. 11; Osterloh / Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 71; Bösch, Jura 2009, 91 (92 ff.); Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 423 ff.; Heintzen, EWS 1990, 82 (87 f.); Michaels, Anerkennungspflichten, S. 302 ff. 50  Hierzu BVerfGE 116, 135 (136 ff.). 51  BVerfGE 116, 135 (159 ff.); zustimmend Siegel, DÖV 2007, 237 (238); eine prägnante Zusammenfassung des Urteils findet sich bei Niestedt / Hölzl, NJW 2006, 3680 (3680 f.). 47  Vgl.

48  Dreher,

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

dann erforderlich, falls sich bei der konkreten Prüfung der Systemgerechtig­ keit zeigen sollte, dass eine für Art. 3 Abs. 1 GG relevante Ungleichbehand­ lung vorliegt, die jedoch nicht durch hinreichende Gründe gerechtfertigt werden kann.

II. Zwischenergebnis Da die erforderlichen Umsetzungsspielräume hinsichtlich der Prüfung von Bestimmtheit, Klarheit und Systemgerechtigkeit bestehen, ist eine Prüfung anhand der Vorgaben des Grundgesetzes grundsätzlich möglich. Bei der Prüfung der Systemgerechtigkeit ist jedoch zu beachten, dass Art. 3 Abs. 1 GG möglicherweise nicht angewendet werden kann.

B. Klarheit der neuen Vorschriften zum Anwendungsbereich Bei der Prüfung von Bestimmtheits- und Klarheitsanforderungen bietet es sich  – entgegen der oben gewählten Reihenfolge  – an, zunächst mit dem Klarheitsgrundsatz zu beginnen. So können erst das Bestehen möglicher Widersprüche, der Aufbau und die Systematik bzw. Übersichtlichkeit der Normen sowie die Verwendung von Verweisungen betrachtet werden. An­ schließend können sodann einzelne Vorschriften und Formulierungen der Anwendungsregeln hinsichtlich ihrer hinreichenden Bestimmtheit überprüft werden. Stellenweise sollen aber auch rechtspolitische Erwägungen einflie­ ßen. Vorausgeschickt seien einige allgemeine Anmerkungen, bei denen es sich allerdings nicht um Fragen der Klarheit oder Bestimmtheit im engeren Sin­ ne, sondern eher um Aspekte der Rechtssicherheit handelt: So ist es zu­ nächst sehr begrüßenswert, dass der europäische Gesetzgeber einen erhebli­ chen Teil  der Rechtsprechung des EuGH in den Vergaberichtlinien kodifi­ ziert hat und dies vom deutschen Gesetzgeber auch innerstaatlich umgesetzt wurde. Die Rechtsanwender können nun in vielen Fällen auf konkrete Normen zurückgreifen und sich an den jeweils genannten Tatbestandsmerk­ malen orientieren. Ein gutes Beispiel hierfür bildet § 108 GWB n. F., in dem die wesentlichen Vorgaben des EuGH zur öffentlich-öffentlichen Zusam­ menarbeit fixiert wurden.52 Nichtsdestotrotz muss der Rechtsanwender bei 52  Ebenso S. 5 der Stellungnahme der BRAK zum Referentenentwurf des Ver­ gRModG aus Juni 2015, Stellungnahme abrufbar im Internet unter http: /  / www.brak. de / zur-rechtspolitik / stellungnahmen-pdf / stellungnahmen-europa / 2015 / juni / stel lungnahme-der-brak-2015-23.pdf  – zuletzt abgerufen am 29.01.2016. Bestrebungen,



B. Klarheit der neuen Vorschriften zum Anwendungsbereich 159

der Berücksichtigung der neuen Vorschriften Vorsicht walten lassen, denn wie bereits angesprochen53 wird der Inhalt der Rechtsprechung von den Richtlinien – und entsprechend auch den nationalen Vorschriften – nicht in allen Fällen exakt übernommen. Dies gilt auch für § 108 GWB n. F., der sich zwar in weiten Teilen an den Vorgaben des Gerichtshofs orientiert, davon stellenweise jedoch abweicht.54 Weiterhin erscheint in Bezug auf die Rechtssicherheit problematisch, dass sich durch die Überarbeitung und deutliche Ausweitung des Vierten Teils des GWB die Nummerierung der einzelnen Vorschriften fast vollständig geändert hat. Die Rechtsanwender sind damit gezwungen, sich gänzlich neu zu orientieren. Derartiges lässt sich bei groß angelegten Reformen jedoch kaum vermeiden  – insbesondere wenn, wie hier, ein Regelungsabschnitt deutlich ausgeweitet wird. Die bestehende Alternative, an der alten Numme­ rierung im Grundsatz festzuhalten und ergänzende Paragraphen zwischen den bisherigen Normen einzufügen (z. B. §§ 99a, 99b, 99c etc.), wäre für die Rechtsanwender jedenfalls mindestens ebenso unangenehm und erschie­ ne bei einer derart groß angelegten Reform auch aus systematischen Erwä­ gungen verfehlt.

I. Widerspruchsfreiheit Es drängt sich zunächst die Frage auf, ob relevante Widersprüche vorlie­ gen. In Betracht kommen dabei nach den obigen Vorgaben55 nur sog. echte Normwidersprüche, d. h. Konstellationen, in denen zwei Normen sich widersprechende Regelungsbefehle (=  Rechtsfolgen) enthalten. Im hiesigen Kontext müssten die Widersprüche sich auf die Weite oder Ausgestaltung des Anwendungsbereichs beziehen. Ein relevanter Widerspruch könnte dem­ nach z. B. dann vorliegen, wenn eine Norm einen (Teil-)Bereich ausdrück­ lich dem (oberschwelligen) Vergaberecht unterstellt, während eine andere Norm diesen explizit ausnimmt und der Rechtsanwender in der Folge nicht erkennen kann, wie er sich zu verhalten hat. Derartiges ist im neuen Vierten Teil  des GWB allerdings nicht ersichtlich. Auch die einzelnen Ausnahme­ tatbestände (u. a. §§ 107, 116, 137, 145 und 149 GWB n. F.) begründen im Verhältnis zu den Vorschriften zur allgemeinen Eröffnung des Vierten Teils des GWB n. F. (§§ 99–106 GWB n. F.) keine relevanten Widersprüche. Schließlich gehen die Ausnahmetatbestände den allgemeinen Anwendungs­ die öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit explizit zu regeln, gab es auch bereits im Rahmen der Reform von 2004 / 05, vgl. Siegel, VergabeR 2009, 240 (244 f.). 53  Vgl. oben Kap. 3 B I. 1. 54  Vgl. oben Kap. 3 B I. 2. a) bb). 55  Kap. 1 D. III. 1. c).

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

regeln als speziellere Regeln vor („lex specialis derogat legi generali“). Verfassungsrechtlich relevante, echte Normwidersprüche existieren damit im Ergebnis nicht.

II. Aufbau und Systematik bzw. Übersichtlichkeit Im Rahmen von Aufbau und Systematik bzw. Übersichtlichkeit ist darauf zu achten, inwieweit der gewählte Aufbau des Vergaberechts die Bestim­ mung des Anwendungsbereichs erschwert oder gar unmöglich macht. Die Prüfung gliedert sich dabei in drei Teile. Nachdem zunächst intergesetzliche Aspekte untersucht werden (unter  1.) werden anschließend die internorma­ tiven (unter  2.) sowie intranormativen Gesichtspunkte (unter  3.) betrachtet. 1. Intergesetzliche Aspekte Die wesentlichen Regelungen zum Anwendungsbereich des deutschen Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte finden sich im Vierten Teil  des GWB n. F.56 Die für die Bestimmung der Reichweite des Vergaberechts maßgeblichen Vorschriften sind somit gerade nicht auf mehrere Gesetze oder Rechtsakte verteilt. Zudem erscheint die Verortung auf gesetzlicher Ebene im GWB n. F. nachvollziehbar (Wesentlichkeitsgrundsatz) und ent­ spricht dem Ort der bisherigen Anwendungsregeln. Die Vorschriften treten demnach nicht an unerwarteten Stellen auf. Ein Verstoß gegen den Klar­ heitsgrundsatz ist in intergesetzlicher Hinsicht demnach abzulehnen. Aller­ dings wäre es zur leichteren Erkennbarkeit vorteilhaft, wenn die Existenz der Vergaberegeln im GWB n. F. sich auch in dessen Namen widerspiegeln würde. So könnte das Auffinden der Normen zum Anwendungsbereich des oberschwelligen Vergaberechts noch vereinfacht werden.57 Zudem wäre es hilfreich gewesen, im neuen Vierten Teil  kurz darauf hinzuweisen, welche Vorschriften anzuwenden sind, wenn die Schwellen­ werte nicht erreicht werden.58 Idealerweise hätte ein solcher Hinweis als ergänzender Abs. 4 in § 106 GWB n. F. aufgenommen werden können.

56  Vgl. für die Schätzung der Auftragswerte allerdings § 3 VgV n. F., § 2 Sekt­ VO n. F., § 2 KonzVgV und § 3 VSVgV n. F. 57  Zur Benennung des GWB vgl. auch unten Kap. 5 D. III. 3. 58  Ebenso S. 9 der Stellungnahme der BRAK zum Referentenentwurf des VergR­ ModG aus Juni 2015, Stellungnahme abrufbar im Internet unter http: /  / www.brak. de / zur-rechtspolitik / stellungnahmen-pdf / stellungnahmen-europa / 2015 / juni / stel lungnahme-der-brak-2015-23.pdf  – zuletzt abgerufen am 29.01.2016.



B. Klarheit der neuen Vorschriften zum Anwendungsbereich 161

2. Internormative Aspekte Im Rahmen der internormativen Aspekte sollen neben dem allgemeinen Aufbau des Vierten Teils des GWB n. F. (unter  a) auch einige Einzelaspek­ te (unter b) einbezogen werden. a) Allgemeiner Aufbau des Vierten Teils des GWB n.F aa) Aufteilung in „allgemeinen“ und „besonderen“ Teil Der deutsche Gesetzgeber hat den Vierten Teil  des GWB grundlegend überarbeitet und neu geordnet. Angestrebt wurde dabei die Schaffung eines möglichst übersichtlichen und leicht handhabbaren Regelwerks. Durch eine stärkere Gliederung und Strukturierung sollte es fortan einfacher werden, die für die konkrete Vergabe anzuwendenden Vorschriften zu ermitteln.59 Dass der Gesetzgeber sich bemüht hat, diese Ziele zu erreichen, ist nicht zu leugnen.60 So wurde im Vierten Teil  des GWB die Ebene der Kapitel ein­ geführt, was eine deutlichere Konturierung des bisherigen Ersten Abschnit­ tes zu den Vergabeverfahren (jetzt Kapitel 1, Vergabeverfahren) ermöglichte. In Abschnitt  1 des neuen Ersten Kapitels des Vierten GWB-Teils sind nun Grundsätze, Definitionen und einige allgemeine Vorschriften zum Anwen­ dungsbereich enthalten. Verallgemeinerungsfähige Aussagen wurden mithin „vor die Klammer gezogen“, wie dies in der deutschen Rechtsordnung häufig geschieht. Der Erste Abschnitt des Ersten Kapitels bildet folglich den „Allgemeinen Teil“ innerhalb des Ersten Kapitels des Vierten Teils des GWB.61 Der Zweite Abschnitt betrifft den „klassischen“ Fall der Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber. Er enthält neben (weiteren) Vorschriften zum Anwendungsbereich Vorgaben zum Vergabever­ fahren und zur Auftragsausführung. Im Dritten Abschnitt werden anschlie­ ßend in eigenen Unterabschnitten die Vergabe von öffentlichen Aufträgen in besonderen Bereichen sowie die Vergabe von Konzessionen geregelt. Der Zweite und Dritte Abschnitt regeln also die einzelnen Vergabekonstellatio­ 59  So ausdrücklich S. 3, 55, 67 BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzesbegründung zum VergR­ModG). 60  Soudry, „Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts (Entwurf)  – Die wich­ tigsten Neuerungen“, in: Vergabeblog.de v. 26.05.2015, Nr. 22546, abrufbar im In­ ternet unter http: /  / www.vergabeblog.de / 2015-05-26 / gesetzes-zur-modernisierungdes-vergaberechts-entwurf-der-referentenentwurf-zum-neuen-gbw-2015-die-wichtigs ten-neuerungen /   – zuletzt abgerufen am 03.02.2016. 61  Ebenso Knauff, NZBau 2016, 195 (197).

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

nen und bilden dadurch gemeinsam den „Besonderen Teil“ des Ersten Ka­ pitels des Vierten GWB-Teils.62 Diese Aufteilung in Allgemeinen und Besonderen Teil  ist grundsätzlich zu begrüßen. Sie entspricht dem gewöhnlichen Aufbau deutscher Gesetze und kann damit gewissermaßen als „bekannt und bewährt“ bezeichnet wer­ den. Eine ungewöhnliche Abfolge der großen Abschnitte liegt jedenfalls nicht vor. Ganz allgemein betrachtet ist beim Aufbau des Vierten Teils des GWB n. F. daher ein Mindestmaß an Übersichtlichkeit und Transparenz gewahrt. Die gewählte Vorgehensweise des Gesetzgebers erscheint demnach auf den ersten Blick eher als Beispiel für ein gelungenes Vorgehen des Gesetzgebers als ein Fall gesetzlicher Unklarheit. bb) Problematik des Aufbaus Der gewählte Aufbau bringt jedoch  – gerade für die hier interessierende Bestimmung des Anwendungsbereichs  – Nachteile mit sich. Zwar kann der Rechtsanwender anhand der (Unter-)Abschnittsüberschriften leicht erken­ nen, welcher Teil  der Vorschriften „seine Vergabe“ regelt. Die Vorschriften in den einzelnen (Unter-)Abschnitten normieren die jeweiligen Vergabekon­ stellationen allerdings nicht abschließend. So müssen insbesondere zur korrekten Bestimmung des Anwendungsbereichs63 neben den bereichsspe­ zifischen Normen mitunter weitere Normen aus anderen (Unter-)Abschnitten herangezogen werden.64 Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) kriti­ sierte den Aufbau im Gesetzgebungsverfahren entsprechend als „zu ver­ schachtelt“ und stellte fest, dass der Anwendungsbereich sich „erst auf den zweiten Zugriff“ erschließe.65

62  Ebenso

ebd. der Bestimmung des Anwendungsbereichs muss allerdings auch für die Durchführung des Vergabeverfahrens in vielen Fällen auf Vorschriften anderer Re­ gelungsabschnitte zurückgegriffen werden, vgl. z. B. die Bezugnahmen in §§ 152– 154 GWB n. F. 64  Dass der Vierte Teil  des GWB n. F. überaus viele Vorschriften enthält, die die Wörter „Ausnahme(n)“ oder „Anwendungsbereich“ in ihren Überschriften tragen, wurde bereits oben erwähnt. Hinzu kommen für die Bestimmung des Anwendungs­ bereichs naturgemäß die allgemeinen Vorschriften zu den verschiedenen Auftragbzw. Konzessionsgebern, die Definitionen der Tätigkeiten, Aufträge und Konzessio­ nen selbst sowie die Regelung zu den geltenden Schwellenwerten, vgl. §§ 98 ff. GWB n. F. 65  S. 3 der Stellungnahme der BRAK zum Referentenentwurf des VergRModG aus Juni 2015, Stellungnahme abrufbar im Internet unter http: /  / www.brak.de / zurrechtspolitik / stellungnahmen-pdf / stellungnahmen-europa / 2015 / juni / stellungnahmeder-brak-2015-23.pdf  – zuletzt abgerufen am 29.01.2016. 63  Neben



B. Klarheit der neuen Vorschriften zum Anwendungsbereich 163

Von Seiten des Flughafenverbandes ADV wurde bemängelt, dass der Aufbau vorrangig auf der Vergabe öffentlicher Aufträge durch öffentliche Auftraggeber basiere.66 Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen in beson­ deren Bereichen und von Konzessionen sei lediglich ein „Anhängsel“ zu Abschnitt 2. Den Besonderheiten der Vergaben in Abschnitt 3 werde deshalb nur unzureichend Rechnung getragen.67 (1) B  eispiel: Eröffnung des Anwendungsbereichs im Fall der Konzessionsvergabe Die vorgetragene Kritik wird plastischer, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Vorschriften zur Bestimmung des Anwendungsbereich in den ver­ schiedenen Vergabekonstellationen im Einzelnen berücksichtigt werden müssen. Beispielhaft sollen deshalb an dieser Stelle die zu beachtenden Vorschriften bei der Konzessionsvergabe aufgezeigt werden: (a) Eröffnung des Anwendungsbereichs Der Anwendungsbereich muss zunächst grundsätzlich eröffnet sein. Den ersten Ansatzpunkt hierfür bilden  – wie auch in allen anderen Vergabekon­ stellationen  – die §§ 98 ff. im „Allgemeinen Teil“ des GWB n. F. Dabei bietet es sich an, zunächst den persönlichen Anwendungsbereich zu bestim­ men. Es muss also festgestellt werden, ob die im konkreten Fall handelnde Stelle Konzessionsgeber gem. § 101 GWB n. F. ist. Dies lässt sich aufgrund der Verweise in § 101 GWB n. F. aber nur mithilfe der §§ 99, 100 und 102 GWB n. F. ermitteln.68 Ist der Anwendungsbereich in persönlicher Hinsicht eröffnet, muss das Vorliegen des sachlichen Anwendungsbereichs geprüft werden. Auch dies richtet sich nach den Vorschriften im „Allgemeinen Teil“ des Vierten Teils des GWB n. F., und zwar nach den §§ 103–105 und 106 GWB n. F., wobei 66  S. 2 der Stellungnahme des Flughafenverbandes ADV (Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen) zum VergRModG v. 12.08.2015, abrufbar im Internet unter http: /  / www.adv.aero / fileadmin / pdf / Recht / Sektoren-RL / ADV-Stellungnah­ me_zum_Gesetzentwurf_des_GWB.pdf  – zuletzt abgerufen am 01.02.2016. 67  Ebd. In eine ähnliche Richtung zielt wohl auch die Kritik auf S. 2 der Stellung­ nahme des BDI zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Ver­ gaberechts v. 16.09.2015, in der bemängelt wird, dass die neue Struktur für Sektoren­ auftraggeber einen Mehraufwand verursache, da für diese im GWB künftig mehrere Abschnitte gelten sollten, Stellungnahme abrufbar im Internet unter ­https: / / www. bundestag.de / blob / 394240 / 89fdaebfb43c968bcac124eea885e0e0 / mundt_bdi-data. pdf – zuletzt abgerufen am 17.12.2015. 68  Zu diesen Vorschriften genauer unter Kap. 4 B. III. 1.

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

für den Fall der Konzessionsvergabe § 105 GWB n. F. einschlägig ist. Zu beachten ist dabei zusätzlich § 108 GWB n. F., die Regelung zu den InHouse- und In-State-Geschäften.69 Sind die Voraussetzungen von § 105 GWB n. F. erfüllt und ist § 108 GWB n. F. nicht einschlägig, ist abschließend zu ermitteln, ob die beabsich­ tigte Konzession die geltenden Schwellenwerte erreicht oder übersteigt. Die Schwellenwerte sind allerdings nicht direkt aus § 106 GWB n. F. ersichtlich. Vielmehr verweist § 106 GWB n. F. auf die einschlägigen Vergaberichtlinien in ihrer jeweils geltenden Fassung (dynamische Verweisung). Der Rechtsan­ wender muss also zusätzlich Art. 8 KVR und die jeweils aktuelle Verord­ nung zur Festlegung der Schwellenwerte heranziehen.70 (b) Nichtvorliegen von Ausnahmen Ist der Anwendungsbereich grundsätzlich eröffnet, muss geprüft werden, ob eine der zahlreichen Ausnahmevorschriften einschlägig ist. Auch hier ist aus systematischen Erwägungen zunächst der „Allgemeine Teil“ zu beach­ ten. In Betracht kommen dabei insbesondere die Ausnahmen in § 107 GWB n. F., möglich  – aber wohl eher selten  – ist zudem das Vorliegen einer Ausnahme gem.  § 109 GWB n. F. Hat die zu vergebende Konzession ver­ schiedene Leistungen zum Gegenstand oder unterliegen die Teile der Kon­ zession unterschiedlichen rechtlichen Regelungen, sind außerdem die §§ 110  und 111 GWB n. F. zu beachten. Stellt eine von mehreren Tätigkei­ ten eine Sektorentätigkeit im Sinne des § 102 GWB n. F. dar, ist § 112 GWB n. F. heranzuziehen. Liegt keine der Ausnahmen vor, sind im nächsten Schritt die in § 149 GWB n. F. genannten besonderen Ausnahmen für die Vergabe von Konzes­ sionen zu berücksichtigen. Die dortigen Regelungen stehen indes nicht immer für sich allein. Vielmehr ist in einigen  – genannten  – Fällen ein Rückgriff auf die in § 116 GWB n. F. geregelten besonderen Ausnahmetat­ bestände für die „klassische“ Auftragsvergabe erforderlich. Sofern es sich möglicherweise um die Vergabe einer Konzession in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit handelt, müssen nachfolgend die Ausnahmen in § 150 GWB n. F. beachtet werden. Zudem ist in den Fällen 69  Zur Rechtsnatur und systematischen Stellung dieser Norm siehe unten Kap. 4 B. II. 2. b) aa). 70  Aktuell (2016 / 17) ist dies die Delegierte Verordnung (EU) 2015 / 2172 der Kommission v. 24.11.2015 zur Änderung der Richtlinie 2014 / 23 / EU des Europäi­ schen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für Vergabe­ verfahren. Allerdings werden die Schwellenwerte gem. § 106 Abs. 3 GWB n. F. auch im Bundesanzeiger bekannt gemacht.



B. Klarheit der neuen Vorschriften zum Anwendungsbereich 165

der Konzessionsvergabe durch einen Sektorenauftraggeber (bzw. dann prä­ ziser: Sektorenkonzessionsgeber) § 154 GWB n. F. zu berücksichtigen. Dar­ in wird in Nr. 5–7 die Anwendung der Vorschriften zum Konzernprivileg (§ 138 GWB n. F.), zum Joint-Venture-Privileg (§ 139 GWB n. F.) sowie zur Wettbewerbsklausel (§ 140 GWB n. F.) angeordnet. (2) Stellungnahme Das Beispiel hat deutlich gemacht, dass mitunter eine Vielzahl an Nor­ men verschiedener (Unter-)Abschnitte zu beachten ist. Eine gewisse Ver­ schachtelung der Vorschriften, welche die Bestimmung des Anwendungsbe­ reichs erschwert, lässt sich somit zumindest bei Vergaben im Konzessions­ bereich nicht ganz von der Hand weisen. Im Bereich der „klassischen“ Auftragsvergabe dürfte dieselbe Aufgabe hingegen einfacher zu bewältigen sein, schließlich müssen hier nur die Vorschriften aus den Abschnitten  1 und  2 herangezogen werden. Die vorgetragene Kritik der BRAK und des Flughafenverbandes ADV ist daher im Ansatz nachvollziehbar, insbesonde­ re wenn man bedenkt, dass in der Praxis häufig Nichtjuristen mit dem Vergaberecht befasst sind. Allerdings handelt es sich bei den vom Vergaberecht Betroffenen um ei­ nen abgrenzbaren Personenkreis, der regelmäßig nicht im privaten, sondern im beruflichen Bereich mit dem Recht der Auftragsvergabe in Berührung gerät. Eine gewisse Sach- und Rechtskenntnis darf von den Rechtsanwen­ dern des Vergaberechts daher erwartet und bei der Beurteilung berücksich­ tigt werden.71 Dass der gewählte Aufbau mit der Ausgestaltung der Anwen­ dungsregeln verfassungsrechtlich unhaltbar ist und gegen den Klarheits­ grundsatz verstößt, ist (auch deswegen) jedenfalls zweifelhaft. Sicherlich ist die korrekte Ermittlung des Anwendungsbereichs  – gerade im Bereich der Konzessionen  – nicht ganz einfach und mit einigem Aufwand verbunden. Neben den generellen Anwendungsregeln des „allgemeinen Teils“ muss schließlich darauf geachtet werden, auf welche weiteren Vorschriften in dem für die in Rede stehende Vergabe einschlägigen Abschnitt verwiesen wird. Sofern der Rechtsanwender aber schrittweise vorgeht, dabei die allgemeinen Voraussetzungen ebenso wie die Verweisungen der besonderen Abschnitte72 berücksichtigt und die relevanten Vorschriften mit der gebotenen Sorgfalt nacheinander „durchprüft“, erscheint eine fehlerfreie Bestimmung machbar. Eine übermäßige, aufbaubedingte Komplexität bzw. Unübersichtlichkeit, die der Erkennbarkeit der Rechtslage für die Betroffenen entgegensteht, ist je­ 71  Vgl. 72  Zur

oben Kap. 1 F. Problematik der Verweisungen vgl. gesondert unter Kap. 4 B. III.

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

denfalls nicht erkennbar.73 Der allgemeine, abschnittsweise Aufbau des Vierten Teils des GWB n. F. steht der korrekten Ermittlung des Anwen­ dungsbereichs somit nicht entgegen. Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass der deutsche Gesetzgeber vorliegend keine einfache Aufgabe zu bewältigen hatte. Schließlich wurden im Ersten Kapitel des Vierten Teils des GWB n. F. der Anwendungsbereich sowie die wesentlichen Grundlagen aus vier (!) EU-Richtlinien zusammen­ geführt (VRL, SRL, KVR und die Verteidigungs-RL 2009 / 81 / EG). Dass dies gewisse Aufbauschwierigkeiten mit sich bringt, liegt auf der Hand. Die Alternative, die einzelnen Richtlinien im nationalen Recht separat umzuset­ zen, wäre nicht anwenderfreundlicher gewesen. Der allgemein gewählte Aufbau des neuen Vierten Teils des GWB n. F. verstößt daher hinsichtlich der Ermittlung des Anwendungsbereichs nicht gegen den Klarheitsgrund­ satz.74 cc) „Gelungene Gesetzgebung“: Weitere Vereinfachung des Aufbaus Möglicherweise hätten die Regeln zum Anwendungsbereich im Sinne gelungener Gesetzgebung dennoch etwas einfacher und übersichtlicher aus­ gestaltet werden können. Entsprechende Kritik wurde von Seiten der BRAK geäußert. (1) Kritik / Vorschläge der BRAK Die BRAK kritisierte75 im Gesetzgebungsverfahren die Differenzierung zwischen den allgemeinen Ausnahmetatbeständen in § 107 GWB-Entwurf76 73  Vgl. an dieser Stelle auch die allgemeinen Ausführungen bei Jehke, Be­ stimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 211: „Allein aus der Tatsache, dass einer Regelung ein hoher Komplexitätsgrad zukommt, der den ‚ersten Zugriff‘ auf die Materie erschwert, kann noch nicht geschlossen werden, dass dieser Zustand schon als verfassungswidrig zu bezeichnen ist.“ 74  Ebenso  – allerdings allgemein und nicht nur bezogen auf den Anwendungs­ bereich – Knauff, NZBau 2016, 195 (197). 75  S. 4 der Stellungnahme der BRAK zum Referentenentwurf des VergRModG aus Juni 2015, Stellungnahme abrufbar im Internet unter http: /  / www.brak.de / zurrechtspolitik / stellungnahmen-pdf / stellungnahmen-europa / 2015 / juni / stellungnahmeder-brak-2015-23.pdf  – zuletzt abgerufen am 29.01.2016. 76  Die Stellungnahme bezog sich seinerzeit auf den Referentenentwurf des BMWi zur Modernisierung des Vergaberechts v. 30.04.2015, Entwurf abrufbar im Internet unter http: /  / www.bmwi.de / BMWi / Redaktion / PDF / P-R / reform-des-verga­ berechts-referentenentwurf,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true. pdf – zuletzt abgerufen am 30.07.2015. Da sich die Nummerierung im Vergleich zur



B. Klarheit der neuen Vorschriften zum Anwendungsbereich 

167

und den besonderen Ausnahmetatbeständen im Bereich der klassischen öf­ fentlichen Aufträge (§ 116 GWB-Entwurf77), der Sektorenauftragsvergabe (§ 137 GWB-Entwurf) sowie der Konzessionsvergabe (§ 149 GWB-Ent­ wurf78). Zwar sei eine Aufteilung zwischen „allgemein“ und „besonders“ in den EU-Vergaberichtlinien angelegt, die Regelung erweise sich jedoch als unübersichtlich.79 Sinnvoll sei es daher, sämtliche allgemeinen Ausnahme­ tatbestände in § 107 GWB aufzulisten.80 Weiterhin sei „[n]icht ganz nachvollziehbar“, warum der Entwurf einige Ausnahmen in § 107 GWB-Entwurf behandele, andere hingegen autonomen Vorschriften unterstelle.81 Dies betreffe im Wesentlichen die §§ 108, 109 GWB-Entwurf. (2) Stellungnahme Bei ihrer Kritik übersieht die BRAK, dass eine uneingeschränkte Zusam­ menführung der besonderen Ausnahmetatbestände aus den §§ 116, 137 und 149 GWB-Entwurf / n. F. im Allgemeinen Teil  des Vierten Teils des GWB n. F. nicht möglich ist. Denn die in § 116 GWB n. F. geregelten Ausnahme­ tatbestände, auf die die §§ 137 und 149 GWB n. F. umfangreich verweisen, gelten nach den Vorgaben der europäischen Richtlinien nicht allesamt für die im Dritten Abschnitt geregelten Vergaben von verteidigungs- und sicher­ heitsspezifischen öffentlichen Aufträgen. Sie können entsprechend nicht einfach „vor die Klammer gezogen werden“. Wie bereits oben bei der Dar­ verabschiedeten Fassung des GWB allerdings nicht verändert hat, ist hier keine Anpassung erforderlich. 77  Im Text der Stellungnahme ist zwar von § 117 GWB-Entwurf die Rede, dabei handelt es sich aber allem Anschein nach lediglich um einen Tippfehler. Aus dem Inhalt der Ausführungen ergibt sich, dass § 116 GWB-Entwurf gemeint sein muss. 78  § 149 GWB-Entwurf wird in der Stellungnahme zwar nicht ausdrücklich ge­ nannt, es kann aber nur diese Norm gemeint sein. 79  S. 4 der Stellungnahme der BRAK zum Referentenentwurf des VergRModG aus Juni 2015, Stellungnahme abrufbar im Internet unter http: /  / www.brak.de / zurrechtspolitik / stellungnahmen-pdf / stellungnahmen-europa / 2015 / juni / stellungnahmeder-brak-2015-23.pdf  – zuletzt abgerufen am 29.01.2016. 80  Ebd. Ähnlich auch die Kritik auf S. 8 der Stellungnahme des Flughafenver­ bandes ADV (Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen) zum VergRModG v. 12.08.2015, abrufbar im Internet unter http: /  / www.adv.aero / filead­ min / pdf / Recht / Sektoren-RL / ADV-Stellungnahme_zum_Gesetzentwurf_des_GWB. pdf  – zuletzt abgerufen am 01.02.2016. 81  S. 4 der Stellungnahme der BRAK zum Referentenentwurf des VergRModG aus Juni 2015, Stellungnahme abrufbar im Internet unter http: /  / www.brak.de / zurrechtspolitik / stellungnahmen-pdf / stellungnahmen-europa / 2015 / juni / stellungnahmeder-brak-2015-23.pdf  – zuletzt abgerufen am 29.01.2016.

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

stellung des Anwendungsbereichs erläutert,82 ist insbesondere die Ausnah­ me für Rechtsdienstleistungen aus § 116 Abs. 1 Nr. 1 GWB n. F. nicht auf die Vorschriften zur Vergabe von verteidigungs- und sicherheitsspezifischen öffentlichen Aufträgen übertragbar, da eine entsprechende Ausnahme in der RL  2009 / 81 / EG fehlt. Zudem weichen die neuen Regeln zu Forschungsund Entwicklungsdienstleistungen in § 116 Abs. 1 Nr. 2 GWB n. F. gering­ fügig vom weiterhin geltenden Art. 13j der RL 2009 / 81 / EG ab83 und lassen sich somit ebenfalls nicht für alle Vergabekonstellationen verallgemeinern. Ähnliches gilt auch für die weiteren Ausnahmetatbestände. Eine umfassende Zuordnung der Ausnahmetatbestände zum allgemeinen Teil  ist daher nicht möglich.84 Der Vorschlag der BRAK, die besonderen Ausnahmetatbestände „vor die Klammer zu ziehen“ kann folglich schon aus inhaltlichen Gründen nicht umgesetzt werden. Inhaltliche Bedenken ergeben sich bezüglich des zweiten Kritikpunktes der BRAK, einige Ausnahmen in § 107 GWB n. F. zu behandeln, andere aber autonomen Vorschriften zu unterstellen (§§ 108, 109 GWB n. F.) hin­ gegen nicht. Es ist allerdings überaus fraglich, ob eine Zusammenführung der Vorschriften tatsächlich eine Verbesserung für die Rechtsanwender mit sich brächte. Schließlich entstünde in diesem Fall ein sehr umfangreicher Paragraph mit sehr vielen Absätzen.85 Die Aufteilung auf mehrere Paragra­ phen ist daher im Sinne gelungener Gesetzgebung letztlich nicht zu bean­ standen, sondern eher begrüßenswert.86 b) Einzelaspekte aa) Systematische Stellung des § 108 GWB n. F. Fraglich erscheint, ob die systematische Stellung des § 108 GWB n. F. hinsichtlich der darin geregelten öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit Sinn ergibt. Bislang enthielten weder die europäischen Richtlinien noch das GWB diesbezügliche Regelungen. In Rechtsprechung und Literatur war die Existenz der Fallgruppe jedoch  – mit Unterschieden im Detail  – durchweg anerkannt. Dabei beruhte die Freistellung vom Vergaberecht dogmatisch auf 82  Vgl.

Kap. 3 B. II. 2. c) aa). S. 94 BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzesbegründung zum VergRModG). 84  Vgl. wiederum S. 94 BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzesbegründung zum VergR­ ModG). 85  Addierte man einfach die Zahl der bisherigen Absätze der §§ 107–109 GWB n. F., ergäbe sich ein Paragraph mit insgesamt zwölf Absätzen, der sich über mehre­ re Seiten erstreckte. 86  Bedenklich ist hingegen die Abfolge der §§ 107, 108 GWB, d. h. deren syste­ matische Stellung, vgl. hierzu sogleich. 83  Vgl.



B. Klarheit der neuen Vorschriften zum Anwendungsbereich 169

einer teleologischen Reduktion des Auftragsbegriffs87 bzw. wurde als Aus­ prägung des Grundsatzes der Ausschreibungsfreiheit der Eigenerledigung angesehen88. Es lag damit bereits kein öffentlicher Auftrag vor.89 Demnach war das Vergaberecht  – beim Vorliegen der entsprechenden Voraussetzun­ gen  – schon von vornherein nicht anwendbar. Es handelte sich dogmatisch also nicht (erst) um eine Ausnahme vom Vergaberecht. Vor diesem Hintergrund überrascht es, dass die Kodifizierung der InHouse- und In-State-Ausnahme im neuen GWB systematisch nicht vor, sondern erst nach den allgemeinen Ausnahmetatbeständen in § 107 GWB n. F. zu finden ist. Ebenfalls verwundert die Verwendung des Wortes „Aus­ nahmen“ in der amtlichen Überschrift des § 108 GWB n. F. Die Ausgestaltung der Vorschrift als Ausnahme vom Vergaberecht erklärt sich jedoch bei einem Blick auf die VRL. Auch dort ist die öffentlich-öf­ fentliche Zusammenarbeit  – ausweislich der systematischen Stellung des Art. 12 VRL im Abschnitt  3 („Ausnahmen“)  – als Ausnahme vom Anwen­ dungsbereich des Vergaberechts konstruiert.90 Es ist somit zumindest nach­ vollziehbar, dass der deutsche Gesetzgeber sich im Rahmen der „1:1“-Um­ setzung dazu entschlossen hat, die Konstellationen der öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit als Ausnahmen zu verfassen. Fraglich ist indes, ob mit der gewählten Ausgestaltung der VRL eine Änderung der Dogmatik intendiert war oder es sich bei der Einordnung im Abschnitt zu den Ausnahmen nur um ein Redaktionsversehen handelt. 87  Vgl. EuGH, Urt. v. 18.11.1999, Rs. C-107 / 98, Slg. 1999, I-8121  – „Teckal“, Rn. 38, 41; OLG Hamburg, Beschl. v. 14.12.2010, 1 Verg 5 / 10, NZBau 2011, 185 (186); Krajewski / Wethkamp, DVBl. 2008, 355 (355); Eschenbruch, in: Kulartz /  Kus / Portz, GWB-Vergaberecht, § 99 Rn. 385; Pfannkuch, NZBau 2015, 743 (744, 746 f.); Schotten / Hüttinger, in: Dreher / Motzke, Vergaberecht, § 99 GWB Rn. 47; Neun / Otting, EuZW 2014, 446 (448); Siegel, VergabeR 2009, 240 (246) differen­ ziert hingegen zwischen In-House- und In-State-Geschäft: Während es sich beim In-House-Geschäft um eine teleologische Reduktion des Auftragsbegriffs und damit des sachlichen Anwendungsbereichs handele, gingen In-State-Geschäfte im Rahmen des persönlichen Anwendungsbereichs der Frage nach, inwieweit auch Kooperatio­ nen unter Verwaltungsträgern einer Ausschreibungspflicht unterliegen. 88  Ziekow, in: Ziekow / Völlink, Vergaberecht, § 99 GWB Rn. 93 f.; vgl. auch Willenbruch, in: Willenbruch / Wieddekind, Vergaberecht, 2. Los, § 99 GWB Rn. 48 f. sowie Wegener, in: Pünder / Schellenberg, Vergaberecht, § 99 GWB Rn. 10. 89  Vgl. aktuell z. B. OLG Koblenz, Beschl. v. 03.12.2014, Verg 8 / 14, ZfBR 2015, 308 (310). 90  Gurlit, Gespräche 2015, S. 67 (73). Ähnliches ist zudem im Bereich von SRL und KVR zu beobachten: Art. 28 SRL befindet sich zwar im Unterabschnitt 3 „Be­ sondere Beziehungen“ des Ersten Abschnitts des Dritten Kapitels, steht damit aber systematisch hinter den allgemeinen und besonderen Ausnahmen (Unterabschnitt 1). Zudem ist Art. 17 KVR im Abschnitt II („Ausschlüsse“) zu finden, d. h. unmittelbar nach den allgemeinen und besonderen Ausschlüssen.

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

Zweifel an einer Änderung der Dogmatik ergeben sich jedenfalls aus ­ErwGrd  31 VRL.91 Nach dessen UAbs. 1 gelte es, zu „präzisieren“, in wel­ chen Fällen im öffentlichen Sektor geschlossene Verträge von der Anwen­ dung der Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge ausgenommen sind. Diese Präzisierung sollte sich, so anschließend UAbs. 2, auf die Grundsätze stützen, die in der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH dargelegt wurden.92 Eine grundlegende Änderung des dogmatischen An­ knüpfungspunktes der öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit erscheint in Anbetracht dieser Formulierungen eher abwegig.93 Gegen eine Änderung der Dogmatik sprechen zudem die unveränderten Auswirkungen der In-House- bzw. In-State-Vorschriften. Während bei den „gewöhnlichen“ Sachbereichsausnahmen vom EU- / GWB-Vergaberecht stets das europäische Primärrecht zu berücksichtigen bleibt,94 begründen die Fälle öffentlich-öffentlicher Zusammenarbeit  – mangels gegenteiliger An­ haltspunkte auch nach der neuen Rechtslage – eine umfassende Freistellung vom Vergaberecht. Schließlich ist bei der Eigenerledigung durch die öffent­ liche Stelle bzw. bei Kooperationen zwischen öffentlichen Stellen eine Ungleichbehandlung von Wirtschaftsteilnehmern und damit ein Verstoß ge­ gen den primärrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz per se ausgeschlos­ sen.95 Die Einordnung im Abschnitt „Ausnahmen“ der VRL ist daher wohl tatsächlich ein Redaktionsversehen.96 Im nationalen Recht hätte der deutsche Gesetzgeber die Möglichkeit ge­ habt, dieses Redaktionsversehen zu korrigieren,97 zumal sich inhaltliche 91  Vgl.

für die KVR ErwGrd 45 KVR, für die SRL ErwGrd 38 SRL. Umstand, dass in ErwGrd  31 UAbs. 1 VRL das Wort „ausgenommen“ verwendet wird, dürfte indes kein Indizcharakter zukommen, vgl. z. B. die abwei­ chende englische Sprachfassung: „[…] are not subject to the application of public procurement rules“). 93  Ebenso Müller, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 130 f.; Dabringhausen, VergabeR 2014, 512 (516). 94  Hierzu bereits oben Kap. 3 B. I. 2. b) bb) (2) (aa). 95  Ziekow, in: Ziekow / Völlink, Vergaberecht, § 99 GWB Rn. 94. Auf diese um­ fassende Freistellung vom Vergaberecht hätte sinnvollerweise in § 108 GWB n. F. zur Erhöhung der Rechtssicherheit hingewiesen werden sollen. In eine ähnliche Richtung (für die Aufnahme einer Klarstellung in die Gesetzesbegründung) ging jedenfalls der Vorschlag auf S. 3 der Stellungnahme der Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister e. V. (Vitako) v. 21.09.2015, Stellungnahme abruf­ bar im Internet unter http: / / www.vitako.de / Publikationen / Documents / Stellungnah me %20Vitako %20zum %20GWB_Stand %20September %202015.pdf  – zuletzt ab­ gerufen am 26.02.2016. 96  Dabringhausen, VergabeR 2014, 512 (516). 97  A. A. hingegen Gurlit, Gespräche 2015, 67 (73), nach deren  – nicht näher begründeter  – Ansicht die öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit auch im novellier­ ten GWB in Form von Ausnahmen hätte ausgestaltet werden müssen. 92  Dem



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Abweichungen im Vergleich zu den Richtlinien dadurch nicht ergeben hät­ ten. Um die unterschiedlichen Auswirkungen von öffentlich-öffentlicher Zusammenarbeit und allgemeinen (Sachbereichs-)Ausnahmen herauszustel­ len, wäre es geboten gewesen, die Vorschrift zur öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit im neuen GWB vor den allgemeinen Ausnahmetatbestän­ den einzuordnen. Die letztlich gewählte Ausgestaltung führt indes nicht zu einer verfas­ sungsrechtlich relevanten Unklarheit der Vorschriften zum Anwendungsbe­ reich. Trotz der systematisch unzutreffenden Einordnung ist die Vorschrift zur öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit für die Rechtsanwender auffind­ bar, die Norm ist insbesondere nicht in einem anderen Abschnitt „versteckt“ worden. Zudem sind Hinweise darauf, dass die Fälle der öffentlich-öffentli­ chen Zusammenarbeit fortan keine umfassende Freistellung vom Vergabe­ recht mehr begründen sollen nirgendwo ersichtlich.98 Gegenteiliges wird man angesichts des ErwGrd 31 VRL („präzisieren“) weder aus der systema­ tischen Stellung innerhalb der VRL herleiten können noch wäre dies mit der Natur der Regelung zu vereinbaren. Letztlich handelt es sich daher bei der systematischen Stellung des § 108 GWB n. F. eher um ein theoretisches Problem, das für die Rechtsanwender weniger relevant sein dürfte. bb) Hohe Anzahl an Ausnahmen Der novellierte Vierte Teil  des GWB enthält eine recht große Anzahl an Ausnahmen vom Anwendungsbereich. Gleich zwölf Normen enthalten in ihrer Überschrift das Wort „Ausnahme“ bzw. „Ausnahmen“. Die Existenz derart vieler Normen könnte zu einer gewissen Unübersichtlichkeit und damit Unklarheit des Vierten Teils führen. Allerdings ist zu bedenken, dass der deutsche Gesetzgeber die Ausnahmevorschriften  – wie gesehen99 – weitestmöglich „vor die Klammer gezogen“ hat. Die Ausnahmen sind da­ durch in allgemeine und besondere Ausnahmen gegliedert. Ferner erklärt sich die hohe Zahl der Ausnahmevorschriften dadurch, dass das GWB n. F. die grundlegenden Vorgaben für sämtliche Vergabekonstellationen enthält.100 Dies erfordert jeweils eigenständige, auf die jeweiligen Sachbereiche zuge­ schnittene Normen. Im Gegenzug müssen die Rechtsanwender auch regel­ 98  Vgl. hierzu auch S. 3 der Stellungnahme der Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister e. V. (Vitako) v. 21.09.2015, Stellungnahme abrufbar im Internet unter http: /  / www.vitako.de / Publikationen / Documents / Stellungnahme % 20Vitako %20zum %20GWB_Stand %20September %202015.pdf  – zuletzt abgerufen am 26.02.2016. 99  Vgl. oben bei Punkt Kap. 4 B. II. 2. a) cc). 100  Schließlich wurden im neuen GWB die elementaren Vorgaben aus den drei neuen Vergaberichtlinien sowie der RL 2009 / 81 / EG zusammengeführt.

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

mäßig nicht alle Ausnahmevorschriften beachten, sondern nur diejenigen, die für „ihre Vergabe“ relevant sind. Dennoch ist der inhaltliche Umfang der Ausnahmen vom Anwendungsbe­ reichs erheblich. Die einzelnen Ausnahmeregelungen enthalten jeweils eine Vielzahl an Konstellationen, die vom Vergaberecht ausgenommen sind. Dass dies insgesamt zu einer gewissen Unübersichtlichkeit führt, ist nach­ vollziehbar. Dass die Rechtsanwender die Rechtslage, d. h. hier den Anwen­ dungsbereich deswegen aber nicht mehr erkennen können, ergibt sich nicht. Vielmehr wurde oben bereits festgestellt, dass die Rechtsanwender bei einer schrittweisen Vorgehensweise, in dessen Rahmen die relevanten Vorschrif­ ten mit der gebotenen Sorgfalt nacheinander „durchgeprüft“ werden, den Anwendungsbereich fehlerfrei bestimmen können.101 Ein Verstoß gegen den Klarheitsgrundsatz ist daher abzulehnen. c) Zwischenergebnis Im Ergebnis verstoßen weder der allgemeine Aufbau des neuen Vierten Teils noch einzelne Aspekte hiervon gegen den internormativen Teil  des Klarheitsgrundsatzes. Zwar mag sich der Aufbau in Bezug auf den Anwen­ dungsbereich nicht auf den „allerersten“ Blick erschließen. Bei etwas ge­ nauerer Betrachtung ist jedoch eine Regelungssystematik erkennbar, anhand derer sich der Rechtsanwender unter Beachtung der gebotenen Sorgfalt fehlerfrei zurechtfinden kann. 3. Intranormative Aspekte Abschließend ist der Aufbau in intranormativer Hinsicht zu prüfen. Dabei ist zu ermitteln, welchen Einfluss der Aufbau einzelner Normen auf die Bestimmbarkeit des Anwendungsbereichs hat. Einige ausgewählte Normen sollen im Folgenden näher betrachtet werden.102 a) § 99 GWB n. F.: Öffentliche Auftraggeber Vergleicht man den neuen § 99 GWB n. F. mit § 98 GWB a. F., der bis­ herigen Norm zu den Auftraggebern, fällt zunächst eine Reduzierung des Umfangs auf. Statt sechs sind in der neuen Regelung nur noch vier Num­ mern enthalten. Die Regelung der bisherigen Nr. 4 ist fortan im neuen § 100 101  Vgl.

oben bei Punkt Kap. 4 B. II. 2. a) bb) (2). eine Besprechung jeder einzelnen Norm muss aus Platzgründen verzichtet werden; die Untersuchung beschränkt sich deshalb auf einige zentrale Normen. 102  Auf



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GWB n. F. zu finden, Nr. 6 der alten Fassung ist weggefallen. Zudem wurde die alte (und neue) Nr. 2 der Vorschrift durch das Einfügen einzelner Buch­ staben stärker untergliedert und damit übersichtlicher gestaltet. Im Ergebnis sind diese Änderungen sehr zu begrüßen, der Regelungsinhalt des § 99 GWB n. F. ist durch den neuen Aufbau deutlich einfacher zu erfassen. Klar­ heitsprobleme ergeben sich nicht. b) § 100 GWB n. F.: Sektorenauftraggeber § 100 GWB n. F. enthält die Regelung des bisherigen § 98 Nr. 4 GWB a. F. und fällt im Vergleich zur Altregelung ebenfalls durch eine erheblich anspre­ chendere Gliederung auf. Die Strukturierung durch einzelne Absätze, Num­ mern und Buchstaben führt auch hier zu einer deutlich vereinfachten Erfass­ barkeit des Regelungsgehalts. Zudem ist die systematische Stellung der drei Absätze logisch und nachvollziehbar: Nachdem in Abs. 1 zunächst vorgege­ ben wird, welche Stellen Sektorenauftraggeber sind, enthalten die folgenden Abs. 2 und 3 die zur korrekten Bestimmung erforderlichen Definitionen. c) § 101 GWB n. F.: Konzessionsgeber § 101 GWB n. F. fügt sich nahtlos in die Reihe der Vorschriften zu den Auftraggebern ein und ist ebenfalls übersichtlich aufgebaut. Klarheitsbeden­ ken ergeben sich insofern nicht.103 Unabhängig davon hätte aus Gründen der sprachlichen Einheitlichkeit und Konsistenz jedoch überlegt werden können, statt dem Wort „Konzessionen“ die Formulierung „Konzessionen i. S. d. § 105“ zu verwenden.104 d) § 103 GWB n. F.: Öffentliche Aufträge, Rahmenvereinbarungen und Wettbewerbe Der bisherige, aus 13 Absätzen bestehende § 99 GWB a. F. wurde im neuen GWB auf mehrere Normen aufgeteilt. § 103 GWB n.F entspricht dabei den bisherigen Abs. 1–5 der Vorgängernorm. Die einzelnen Absätze der neuen Norm sind klar strukturiert. Ein Verstoß gegen den Klarheits­ grundsatz ist daher abzulehnen. 103  Zum Zusammenspiel der §§ 98–102 GWB n. F. und der einhergehenden Ver­ weisungsproblematik vgl. unten Kap. 4 B. III. 1. 104  So der Vorschlag auf S. 3 der Stellungnahme des DIHK zum Referentenent­ wurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts v. 26.05.2015, abrufbar im Internet unter http: /  / www.dihk.de / themenfelder / recht-steuern / rechtspolitik / nati onale-stellungnahmen  – zuletzt abgerufen am 19.02.2016.

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e) § 107 GWB n. F.: Allgemeine Ausnahmen Der Aufbau der allgemeinen Ausnahmevorschrift des § 107 GWB n. F. erscheint unter intranormativen Klarheitsaspekten unproblematisch. Viel­ mehr ist zu begrüßen, dass in der Norm nur die bisher in § 100 Abs. 3, Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5 und Abs. 6 GWB a. F. enthaltenen allgemeinen Tatbe­ stände sowie die neue Ausnahme für Dienstleistungen des Katastrophen­ schutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr normiert wurden. Im Vergleich zum bisherigen § 100 GWB a. F. erhöht dies die Übersichtlichkeit deutlich. f) § 108 GWB n. F.: Öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit § 108 GWB n. F. ist hinsichtlich der intranormativen Klarheit ebenfalls un­ problematisch. Zwar enthält die Regelung insgesamt acht Absätze und er­ scheint auf den ersten Blick etwas unübersichtlich. Dies ist jedoch in erster Linie der inhaltlichen Komplexität der Regelungen und den recht vielen ver­ schiedenen  – den neuen Richtlinien entsprechenden  – In-House- bzw. InState-Konstellationen geschuldet. Bei einer schrittweisen Herangehensweise sind die einzelnen Konstellationen und Voraussetzungen für ein In-Housebzw. In-State-Geschäft jedenfalls recht leicht zu ermitteln. Hilfreich war da­ für insbesondere, dass der deutsche Gesetzgeber die in Art. 12 Abs. 1 UAbs. 2 und Abs. 3 UAbs. 2 VRL enthaltenen Bestimmungen als eigenständige Ab­ sätze normiert sowie die bereits in den Richtlinien praktizierte Aufteilung des Kontrollkriteriums in das GWB n. F. übernommen hat.105 g) Besondere Ausnahmevorschriften: §§ 116, 117, 137, 145, 149 und 150 GWB n. F. Abschließend bleibt darauf hinzuweisen, dass auch die Vorschriften zu den besonderen Ausnahmen, d. h. insbesondere die §§ 116, 117, 137, 145, 149 und 150 GWB n. F. nicht derart unübersichtlich oder unklar aufgebaut sind, dass die darin normierten Ausnahmekonstellationen nicht erkennbar wären. Vielmehr sind die Vorschriften durch die Verwendung von Absätzen, Nummern und Buchstaben verständlich strukturiert und untergliedert. Ein Verstoß gegen die intranormativen Aspekte des Aufbaus bzw. der Übersicht­ lichkeit ist daher abzulehnen. 105  Vgl. zu letzterem S. 4 der Stellungnahme der Bundes-Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen IT-Dienstleister e. V. (Vitako) v. 21.09.2015, Stellungnahme abrufbar im Internet unter http: /  / www.vitako.de / Publikationen / Documents / Stellungnahme % 20Vitako %20zum %20GWB_Stand %20September %202015.pdf  – zuletzt abgerufen am 26.02.2016.



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h) Zwischenergebnis Verstöße gegen den intranormativen Klarheitsgrundsatz liegen bei den Vorschriften zum Anwendungsbereich des neuen Vierten Teils des GWB nicht vor. Vielmehr sind die einzelnen Vorschriften klar strukturiert und nachvollziehbar untergliedert. Seinem Ziel, durch eine stärkere Gliederung und Strukturierung der gesetzlichen Vorschriften ein möglichst übersichtli­ ches und leicht handhabbares Regelwerk zu schaffen,106 ist der Gesetzgeber damit in intranormativer Hinsicht sehr nahe gekommen.

III. Verweisungen Schließlich bleibt zu prüfen, inwiefern der Gebrauch von Verweisungen die Erkennbarkeit des Anwendungsbereichs des neuen GWB-Vergaberechts erschwert bzw. unmöglich macht. Neben dem mehrfachen Gebrauch von Verweisungen kann dabei insbesondere die Art der Verweisung verfassungs­ rechtlich relevant werden. Im Folgenden sollen einige ausgewählte Verwei­ sungen etwas näher beleuchtet werden: 1. Zusammenspiel der §§ 98–102 GWB n. F. (Auftraggeber) Betrachtet man die Vorschriften der §§ 97 ff. GWB n. F. streng nach ihrer Reihenfolge, fällt als Erstes die gehäufte Verwendung von Verweisungen in den §§ 100 Abs. 1 und 101 Abs. 1 GWB n. F. auf. a) § 100 Abs. 1 GWB n. F. In § 100 Abs. 1 Nr. 1 GWB n. F. wird zunächst die Eigenschaft als öffent­ licher Auftraggeber nach § 99 Nr. 1–3 GWB n. F. in Bezug genommen. Zudem wird für das Vorliegen einer Sektorentätigkeit auf § 102 GWB n. F. verwiesen. Ähnlich ist die Vorgehensweise bei § 100 Abs. 1 Nr. 2 GWB n. F.: Auch dort müssen die §§ 102 und 99 Nr. 1–3 GWB n. F. zur Inhalts­ ermittlung herangezogen werden. Oben107 wurde festgestellt, dass die Auswirkungen von Verweisungen auf die Klarheit und Übersichtlichkeit des Rechts ambivalent sind. Der (mehr­ fache) Gebrauch von Verweisungen in § 100 Abs. 1 GWB n. F. ist indes eindeutig zu begrüßen. Zwar muss der Rechtsanwender für die Ermittlung 106  Vgl.

S. 3, 55, 67 BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzesbegründung zum VergRModG). D. III. 1. e).

107  Kap. 1

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der Sektorenauftraggebereigenschaft dadurch auf mehrere Normen zurück­ greifen. Eine Wiederholung der Definition des öffentlichen Auftraggebers aus § 99 GWB n. F. in § 100 GWB n. F. hätte jedoch eine sehr unübersicht­ liche Norm entstehen lassen und wäre angesichts der Tatsache, dass der einzige inhaltliche Unterschied zwischen der Sektorenauftraggebereigen­ schaft und der Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber in der Art der ausgeübten Tätigkeit liegt, wenig sinnvoll gewesen. Für die Ermittlung der Sektorenauftraggebereigenschaft muss der Rechtsanwender lediglich die direkt vorausgehende Norm des § 99 Nr. 1–3 GWB n. F. heranziehen und das Vorliegen einer Sektorentätigkeit gem. § 102 GWB n. F. prüfen. Dies ist recht leicht möglich; die Ermittlung der Rechtslage wird dadurch nicht er­ heblich erschwert. Die Ausgestaltung des § 100 Abs. 1 Nr. 1 GWB n. F. stellt damit keineswegs eine verfassungsrechtlich relevante Unklarheit dar. Entsprechendes gilt für § 100 Abs. 1 Nr. 2 GWB n. F.: Auch hier hätten Wiederholungen zu einer sehr langen Norm geführt und wären aus inhaltli­ chen Gründen nicht geboten gewesen. Der Gebrauch der Verweisungen in § 100 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 GWB n. F. erschwert das Erkennen der Rechts­ lage demnach nicht. Vielmehr trägt die gewählte Ausgestaltung entscheidend zum Entstehen einer übersichtlichen Regelung bei. b) § 101 Abs. 1 GWB n. F. § 101 Abs. 1 GWB n. F. enthält ebenfalls eine Mehrzahl an Verweisungen und baut auf den beiden vorhergehenden Vorschriften, d. h. den §§ 99 und 100 GWB n. F., auf. Dadurch werden unnötige Wiederholungen vermieden, der Normtext bleibt übersichtlich. Zwar entsteht insbesondere im Fall des § 101 Abs. 1 Nr. 2 GWB n. F. eine Verweisungskette (§ 101 Abs. 1 Nr. 2 → § 100 Abs. 1 Nr. 1 → § 99 Nr. 1–3 GWB n. F.). Mit drei Normen – die noch dazu direkt hintereinander angeordnet sind  – ist die Kette allerdings nicht sonderlich lang. Eine erhebliche strukturelle Komplexität, welche die Er­ kennbarkeit der Rechtslage erschwert, entsteht hierdurch nicht. Da die Konzessionsgebereigenschaft nach der KVR zudem eng an die Eigenschaft als öffentlicher Auftraggeber bzw. Sektorenauftraggeber angelehnt ist,108 erscheint es sinnvoll, direkt an dessen Voraussetzungen anzuknüpfen. Eine Wiederholung der Tatbestandsvoraussetzungen in § 101 Abs. 1 GWB n. F. wäre für die Rechtsanwender insofern nicht besser gewesen. Die mehrfache 108  Der wesentliche Unterschied zwischen den verschiedenen Auftraggebern liegt nur in der Art des Beschaffungsgegenstandes sowie  – im Falle des § 101 Abs. 1 Nr. 2 und 3 GWB n. F.  – dem Umfang der Sektorentätigkeiten (Sektorentätigkeiten im Bereich Wasser gem. § 102 Abs. 1 GWB n. F. sind wegen Art. 12 KVR ausge­ schlossen).



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Verwendung von Verweisungen in der Regelung des § 101 GWB n. F. ist damit im Ergebnis nachvollziehbar und begründet ebenfalls keinen Verstoß gegen den Klarheitsgrundsatz. Insgesamt kann das Zusammenspiel der §§ 98–102 GWB n. F. für die Bestimmung der einzelnen Auftraggeber demnach als gelungen bezeichnet werden. Zwar werden recht viele Verweisungen verwendet, es ergibt sich jedoch ein stimmiges System, das für die Übersichtlichkeit der Normen vorteilhaft ist und auch angesichts des weitgehend identischen Inhalts der Normen gut vertretbar erscheint. 2. § 106 GWB n. F.: Schwellenwerte Wie oben bereits festgestellt,109 wurde die Regelung zu den Schwellen­ werten auf gesetzlicher Ebene in § 106 GWB n. F. zusammengeführt. Die bisher in § 100 Abs. 1 Satz  2 Nr. 1–3 GWB a. F. enthaltenen Verweise auf die jeweiligen Vergabeordnungen entfallen. Dementsprechend ist an dieser Stelle eine Regelungsebene weniger zu beachten, was im Sinne der Über­ sichtlichkeit und Klarheit zu begrüßen ist. Für die konkrete Ermittlung der geltenden Schwellenwerte verweist § 106 Abs. 2 GWB n. F. in dynamischer Weise („in der jeweils geltenden Fas­ sung“) auf die Schwellenwertfestsetzungen in den einschlägigen EU-Richt­ linien.110 Die Verwendung solcher dynamischer Verweisungen birgt indes einige verfassungsrechtliche Brisanz, da der materielle Inhalt der Verwei­ sungsnorm sich in diesem Fall ohne textliche Umgestaltungen ändern kann und der Rechtsanwender stets ermitteln muss, welche die aktuell geltende Fassung ist. Zudem wird vorliegend mit den EU-Vergaberichtlinien auf Regelungen außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des deutschen Gesetzge­ bers verwiesen. Dieser ist zwar an der europäischen Rechtsetzung beteiligt, ohne die Mitwirkung der Vertreter der anderen EU-Staaten ist ein europäi­ scher Rechtsetzungsakt jedoch nicht denkbar. Darüber hinaus gilt für die Schwellenwerte eine Besonderheit, dessen Existenz sich nicht explizit aus § 106 GWB n. F. ergibt: So werden die Schwellenwerte regelmäßig, alle zwei Jahre, von der Kommission überprüft und ggf. neu festgesetzt, vgl. Art. 6 VRL, Art. 17 SRL, Art. 9 KVR sowie Art. 68 RL 2009 / 81 / EG. Ein förmliches europäisches Gesetzgebungsverfahren findet zur Änderung der Schwellenwerte also regelmäßig nicht statt. Der deutsche Gesetzgeber hat damit keinerlei direkten Einfluss auf die jeweilige Höhe der Schwellen­ werte. 109  Vgl. 110  So

unter Kap. 3 B. II. 2. b) cc). verweist beispielsweise § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB n. F. auf Art. 4 VRL.

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

Dynamischen Verweisungen steht die deutsche Rechtsprechung, wie an anderer Stelle erläutert111, nicht gänzlich ablehnend gegenüber  – selbst in Fällen mangelnder Identität der Gesetzgeber. Dabei ist zunächst anerkannt, dass der deutsche Gesetzgeber grundsätzlich auch auf Vorschriften des Uni­ onsrechts verweisen darf. Zwar handelt es sich beim nationalen Recht und dem Unionsrecht um zwei eigenständige Rechtsordnungen.112 Da diese aber nicht unverbunden nebeneinander stehen, sondern vielfach miteinander ver­ schränkt sind, verbiete es sich, Verweisungen auf Unionsrecht anders zu behandeln als solche auf nationales Recht.113 Der zuständige Gesetzgeber darf sich seiner Normierungsverantwortung jedoch nicht völlig entäußern.114 Vielmehr sind dynamische Verweisungen bei mangelnder Identität der Gesetzgeber nur im Rahmen der Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Bundesstaatlichkeit zulässig.115 Der Inhalt der Regelung auf die in dynamischer Weise verwiesen wird, muss daher im Wesentlichen feststehen.116 Neben dem Sachbereich und der damit einhergehenden Grundrechtsrelevanz soll dabei insbesondere der Um­ fang einer derartigen Verweisung von Bedeutung sein.117 Der Umfang der vorliegenden Verweisungen mag auf den ersten Blick recht weitgehend erscheinen. Die konkrete Höhe der Schwellenwerte hat schließlich enorme Auswirkungen darauf, in welchen Fällen das nationale GWB-Vergaberecht anwendbar ist. Liegt die Festsetzung der Schwellenwerte im Kompetenzbereich der Europäischen Union, bzw. – genauer – der Kom­ mission, scheint sich der deutsche Gesetzgeber somit in recht umfassender Weise seiner Normierungsbefugnis und -verantwortung zu entledigen. Zu bedenken ist jedoch, dass die Kommission zwar die Befugnis erhält, die Schwellenwerte regelmäßig zu überprüfen und neu festzusetzen. Über die Höhe der Schwellenwerte kann sie dabei allerdings keineswegs frei entscheiden. Vielmehr ist die Kommission gehalten, die Schwellenwerte (nur) auf Übereinstimmung mit dem GPA zu überprüfen, Art. 6 Abs. 1 111  Vgl.

unter Kap. 1 D. III. 1. e). 29, 198 (210) m. w. N. (damals freilich noch Gemeinschaftsrecht). 113  BVerfGE 29, 198 (210); BVerfG-K, Beschl. v. 29.04.2010, 2 BvR 871 / 04, 2 BvR 424 / 08, Rn. 39, zit. nach juris; BVerwG, Urt. v. 27.06.2013, 3 C 21 / 12, Rn. 39, zit nach juris; in die gleiche Richtung Guckelberger, ZG 2004, 62 (85). 114  BVerfGE 47, 285 (315); 33, 125 (157). 115  U. a. BVerfGE 78, 32 (36); 47, 285 (312); BVerfG-K, Beschl. v. 29.04.2010, 2 BvR 871 / 04, 2 BvR 414 / 08, Rn. 40, zit. nach juris; vgl. hierzu auch Guckelberger, ZG 2004, 62 (74 ff.). 116  BVerfGE 26, 338 (366 f.); 64, 208 (215); BVerwG, Urt. v. 27.06.2013, 3 C 21 / 12, Rn. 42, zit. nach juris; vgl. auch Guckelberger, ZG 2005, 62 (76 f.). 117  BVerwG, Urt. v. 27.06.2013, 3 C 21 / 12, Rn. 43, zit. nach juris. 112  BVerfGE



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UAbs. 1 VRL.118 Die konkrete Berechnung der Schwellenwerte erfolgt dann gem. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 VRL in Übereinstimmung mit dem GPA anhand des durchschnittlichen Tageskurses des Euro, ausgedrückt in Sonderzie­ hungsrechten (SZR). Damit ist zwar nicht exakt vorhersehbar, in welchem Umfang sich die Schwellenwerte in Zukunft ändern, es steht aber eindeutig fest, nach welchem Mechanismus die Werte fortwährend angepasst werden müssen.119 Dass dieser Mechanismus in der Praxis zu eher geringen Ände­ rungen der genauen Höhe der Schwellenwerte führt, zeigen die Werte der letzten Jahre.120 Der Umfang der Verweisungen ist daher letztlich (doch) begrenzt; der Inhalt der Regelungen auf die verwiesen wird, steht im We­ sentlichen fest. Ein Verstoß gegen die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Bundesstaatlichkeit ist damit abzulehnen. Problematisch könnte indes noch sein, dass der deutsche Gesetzgeber in § 106 GWB n. F. nicht ausdrücklich auf Art. 6 VRL121 verwiesen hat, so dass für die deutschen Rechtsanwender nicht direkt ersichtlich ist, dass die Schwellenwerte sich regelmäßig, alle zwei Jahre ändern und von der Kom­ mission neu festgesetzt werden. Dies könnte gegen das Gebot der hinrei­ chenden Bestimmtheit von Verweisungen verstoßen, wonach die Betroffenen in die Lage versetzt werden müssen, sich verlässlich und ohne Schwierig­ keiten Kenntnis vom Inhalt der Regelungen verschaffen zu können122. Ge­ gen einen Verstoß sprechen jedoch die Existenz und der Wortlaut des § 106 Abs. 3 GWB n. F. Dieser verpflichtet das BMWi die geltenden Schwellen­ werte unverzüglich, nachdem sie im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sind, im Bundesanzeiger bekannt zu machen. Aus dem verwendeten Wortlaut („geltenden Schwellenwerte“ und „nachdem sie […] veröffentlicht worden sind“) kann zudem geschlossen werden, dass die Werte sich ggf. ändern können. Zur Ermittlung des einschlägigen Schwel­ lenwertes haben die Rechtsanwender somit die einfache Möglichkeit, die entsprechende Veröffentlichung im  – kostenlos per Internet zugäng­ 118  Ebenso Art. 17 Abs. 1 SRL und Art. 9 Abs. 1 KVR. Im Rahmen der RL 2009 / 81 / EG vgl. deren Art. 68. 119  Da die Europäische Union an das GPA gebunden ist, hat sie auch keine Mög­ lichkeit, dieses System in naher Zukunft grundlegend zu verändern. Die bei Guckelberger, ZG 2004, 62 (78 f.) vorgebrachten Bedenken greifen daher im vorliegenden Fall nicht durch. 120  Vgl. beispielsweise die Entwicklung des Schwellenwertes für Bauleistungen in den letzten Jahren: 2006 / 07: €  5.278.000,–; 2008 / 09: €  5.150.000,–; 2010 / 11: €  4.845.000,–; 2012 / 13: €  5.000.000,–; 2014 / 15: €  5.186.000,–; 2016 / 17: €  5.225.000,–. 121  Und die entsprechenden Art. 17 SRL, Art. 9 KVR sowie Art. 68 RL 2009 /  81 / EG. 122  BVerwG, Urt. v. 27.06.2013, 3 C 21 / 12, Rn. 20, zit. nach juris.

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lichen123  – Bundesanzeiger einzusehen. Die Möglichkeit, sich verlässlich und ohne Schwierigkeiten Kenntnis über den Inhalt der Regelungen, d. h. hier die genauen Schwellenwerte, zu verschaffen, besteht damit. Im Ergebnis verstößt der (mehrfache) Gebrauch von Verweisungen in § 106 Abs. 2 GWB n. F. nicht gegen das verfassungsrechtliche Klarheitsge­ bot. Darüber hinaus ist die Ausgestaltung auch in rein rechtspolitischer Hin­ sicht nachvollziehbar. Denn bei einer Aufnahme der geltenden Schwellen­ werte in das GWB hätte dies aufgrund der regelmäßigen Wertanpassungen zukünftig wiederholt vom Gesetzgeber geändert werden müssen. Dass der Gesetzgeber diesen Aufwand vermeiden wollte ist nur zu verständlich und angesichts der enormen Vielzahl an Sachfragen mit denen sich die einzelnen Ministerien und der Bundestag beschäftigen müssen auch sinnvoll. 3. § 130 GWB n. F.: Vergabe von öffentlichen Aufträgen über soziale und andere besondere Dienstleistungen § 130 GWB n. F. enthält Vorgaben für die Vergabe von öffentlichen Auf­ trägen über soziale und andere besondere Dienstleistungen. Zur Bestimmung dieser sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen verweist Abs. 1 auf Anhang  XIV der VRL.124 Um zu ermitteln, welche Dienstleistungen dem erleichterten Vergaberegime unterfallen, muss demnach auf Unions­ recht zurückgegriffen werden. Dass Verweise auf Unionsrecht  – auch bei Verweisungen dynamischer Art – grundsätzlich möglich sind, wurde soeben bereits festgestellt. Falls es sich um eine dynamische Verweisung handelt, stellt sich aber auch hier die Frage nach dem Umfang der Verweisung, bzw. ob der Inhalt der getroffenen Regelung im Wesentlichen feststeht. Ob es sich um eine statische oder dynamische Verweisung handelt, lässt sich dem Wortlaut des § 130 Abs. 1 GWB n. F. allerdings nicht direkt ent­ nehmen. Eine Formulierung, die eindeutig für die eine oder andere Form spricht, fehlt. Die Verweisungsart muss deshalb durch Auslegung ermittelt werden.125 Dabei ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen  – denn eine allgemeine Auslegungsregel, nach welcher pauschal formulierte Ver­ weise stets dynamische Verweisungen darstellen, kann gerade nicht ange­ nommen werden.126 123  www.bundesanzeiger.de.

124  Ebenso verweist § 142 GWB n. F. auf Anhang XVII der SRL sowie § 153 GWB n. F. auf Anhang IV der KVR. Da die sich stellende Problematik aber jeweils identisch ist, soll hier lediglich auf § 130 GWB n. F. näher eingegangen werden. 125  Vgl. Guckelberger, ZG 2004, 62 (65); Debus, Verweisungen, S. 63 ff. 126  So zu Recht Debus, Verweisungen, S. 65 ff. m. w. N.; anders hingegen z. B. Schneider, Gesetzgebung, Rn. 385: „Wenn die verweisende Vorschrift pauschal auf



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Die Gesetzesbegründung des VergRModG liefert für die Bestimmung bedauerlicherweise keine Anhaltspunkte.127 Ebenso sind direkte Hinweise  – soweit ersichtlich  – auch nicht den zugrundeliegenden Umständen sowie Materialien des Gesetzgebungsverfahrens zu entnehmen. Jedoch könnte der Zweck der Verweisung einen dynamischen Charakter nahelegen.128 Schließ­ lich erspart eine dynamische Verweisung dem Gesetzgeber ein Tätigwerden, falls der Katalog der Dienstleistungen zukünftig geändert werden sollte. Derartige Änderungen sind in naher Zukunft allerdings kaum zu erwarten.129 Es erscheint sehr unwahrscheinlich, dass der europäische Gesetzgeber vor einer (möglichen) weiteren umfassenden Vergaberechtsreform einzelne Dienstleistungen aus dem Katalog streichen oder andere darin aufnehmen wird. Sind Änderungen des Verweisungsobjektes beim Erlass der Verwei­ sungsnorm aber nicht zu erwarten, begründet dies ein Argument für das Vorliegen einer statischen Verweisung.130 Darüber hinaus spricht auch ein Vergleich mit der soeben behandelten Vorschrift des § 106 Abs. 2 GWB n. F. für eine statische Verweisung. Wäh­ rend der deutsche Gesetzgeber dort ausdrücklich auf die „jeweils geltende[..] Fassung“ der einschlägigen Artikel der Richtlinien verweist, fehlt eine ent­ sprechende Formulierung in § 130 Abs. 1 GWB  n. F.131 Im Ergebnis muss daher von einer statischen Verweisung ausgegangen werden. Verfassungs­ rechtliche Bedenken ergeben sich deshalb an dieser Stelle nicht.132 Weiterhin ist die Verweisung hinreichend bestimmt. Die Rechtsanwender können sich verlässlich und ohne Schwierigkeiten Kenntnis über den Inhalt des Anhangs XIV der VRL verschaffen. Zwar müssen sie dafür die VRL heranziehen, diese ist aber ohne Weiteres im Internet unter „eur-lex.europa. eu“ abrufbar. Nichtsdestotrotz wäre es für die Aspekte der Übersichtlichkeit andere Paragraphen Bezug nimmt […], so dürfte eine gleitende Verweisung vorlie­ gen.“. 127  Vgl. S. 114 ff. BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzesbegründung zum VergRModG). 128  Vgl. zur Auslegung nach dem Zweck allgemein Debus, Verweisungen, S. 70. 129  Ganz im Gegensatz zur regelmäßigen Anpassung der Schwellenwerte. 130  Vgl. Debus, Verweisungen, S. 67 m. w. N. 131  Da bei der Annahme einer dynamischen Verweisung erhebliche verfassungs­ rechtliche Bedenken bestünden, kann für das Vorliegen einer statischen Verweisung zudem die Praxis der verfassungskonformen Auslegung des BVerfG angeführt wer­ den. So hat das Gericht hat in einem ähnlich gelagerten Fall explizit eine statische Verweisung angenommen, weil die von der Verfassung gezogenen Grenzen bei Annahme einer dynamischen Verweisung überschritten gewesen wären, BVerfGE 47, 285 (312–317). 132  Allgemein zu statischen Verweisungen Guckelberger, ZG 2004, 62 (69 ff.), die feststellt, dass die verfassungsrechtlichen Probleme statischer Verweisungen  – auch auf Unionsrecht – regelmäßig als gering eingeschätzt werden (insbes. S. 84, 88); vgl. auch BVerfGE 47, 285 (317).

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

und Klarheit nicht schlecht gewesen, den Inhalt aus Anhang XIV VRL ins deutsche Recht zu übertragen  – entweder als Anhang zum GWB n. F. oder als Anhang zur VgV n. F.133 Ein Rückgriff auf das Unionsrecht wäre damit entbehrlich. 4. §§ 137, 149 GWB n. F.: Besondere Ausnahmen Auffällig sind im Weiteren die vielen Verweisungen in den §§ 137 Abs. 1, 149 GWB n. F. In beiden Vorschriften wird mehrfach auf die verschiedenen Ausnahmetatbestände des § 116 Abs. 1 GWB n. F. verwiesen. Da für ein konkretes Vergabevorhaben aber regelmäßig wohl nur einer der in Bezug genommenen Ausnahmetatbestände in Betracht kommen dürfte, werden die Rechtsanwender praktisch nur einen der Verweise nachvollziehen müssen. Die Erkennbarkeit der Rechtslage wird durch die mehrfache Verweisungs­ verwendung somit nicht entscheidend beeinträchtigt. Ein Verstoß gegen den Klarheitsgrundsatz ist folglich abzulehnen. 5. Zwischenergebnis Verstöße gegen den Klarheitsgrundsatz sind auch durch den Gebrauch von Verweisungen im neuen Vierten Teil  des GWB nicht zu verzeichnen.

IV. Zwischenergebnis Die Ausgestaltung der Vorschriften zum Anwendungsbereich verstößt nicht gegen den verfassungsrechtlichen Klarheitsgrundsatz.

C. Bestimmtheit der neuen Vorschriften zum Anwendungsbereich Möglicherweise liegen aber Verstöße gegen den Bestimmtheitsgrundsatz vor. Im Folgenden sollen daher einige ausgewählte Vorschriften bzw. For­ mulierungen im Hinblick auf ihre hinreichende verfassungsrechtliche Be­ stimmtheit überprüft werden. 133  Für letzteres plädierte im Gesetzgebungsverfahren Gurlit, Gespräche 2015, 67 (70). In die gleiche Richtung wie hier auch S. 9 f. der Stellungnahme des Flughafen­ verbandes ADV (Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen) zum VergR­ ModG v. 12.08.2015, abrufbar im Internet unter http: /  / www.adv.aero / fileadmin /  pdf / Recht / Sektoren-RL / ADV-Stellungnahme_zum_Gesetzentwurf_des_GWB.pdf  – zuletzt abgerufen am 01.02.2016.



C. Bestimmtheit der neuen Vorschriften zum Anwendungsbereich 183

I. Begriff der Betrauung in § 105 Abs. 1 Nr. 1 und 2 sowie § 108 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 Nr. 2 GWB n. F. An der hinreichenden Bestimmtheit könnte im neuen Vierten Teil  des GWB zunächst beim Begriff der Betrauung in § 105 Abs. 1 Nr. 1 und 2 sowie § 108 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 Nr. 2 gezweifelt werden. Der  – aus Art. 5 UAbs. 1 Nr. 1 lit. b) KVR sowie Art. 12 Abs. 1 lit. b) VRL134 stam­ mende  – Begriff sorgte im Gesetzgebungsverfahren jedenfalls für einiges Aufsehen. So wurde in der Literatur bemängelt, dass es an einer Konkreti­ sierung der Voraussetzungen der Betrauung fehle.135 Da die Bedeutung des Begriffs auch außerhalb der KVR nicht geklärt sei, führe das Merkmal der Betrauung in Art. 5 UAbs. 1 Nr. 1 lit. b) KVR zu einer „neue[n] Rechtsun­ sicherheit bei der begrifflichen Bestimmung und Abgrenzung der Dienstleistungskonzession“.136 Zudem wurde ausweislich des Tagungsbe­ richtes137 beim 16.  Düsseldorfer Vergaberechtstag 2015 über die Bedeutung des Begriffs in Art. 12 Abs. 1 lit. b) VRL gestritten; dabei wurden u. a. Pa­ rallelen zum Betrauungsbegriff des Art. 106 Abs. 2 AEUV gezogen.138 Auf den ersten Blick scheint tatsächlich nicht ganz eindeutig, welchen Bedeutungsgehalt der Begriff besitzt. Die bemängelte fehlende Konkretisie­ rung ist angesichts der obigen Vorgaben139 jedoch unbeachtlich, wenn der Bedeutungsgehalt des Begriffs der Betrauung durch Auslegung ermittelt werden kann. Dies ist hier der Fall: Bei genauerer Betrachtung wird deut­ lich, dass es sich nur um ein Synonym bzw. einen Ersatz zum Begriff der Beauftragung handelt und der Begriff der Betrauung aus sprachlogischen (Art. 5 UAbs. 1 lit. b) KVR resp. § 105 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GWB n. F.  – Abgrenzung zum öffentlichen Auftrag)140 bzw. sprachlich-dogmatischen Gründen (Art. 12 Abs. 1 lit. b) VRL resp. § 108 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 Nr. 2 GWB n. F.  – bereits kein Vorliegen eines öffentlichen Auftrages bei Vorliegen der In-House- / In-State-Voraussetzungen) verwendet wurde. 134  Ebenso

in Art. 28 Abs. 1 lit. b) SRL und Art. 17 Abs. 1 lit. b) KVR. NZBau 2014, 395 (396), allerdings noch bezogen auf die Begriffsverwendung in Art. 12 Abs. 1 lit. b) VRL; vgl. auch Knauff, NZBau 2016, 195 (197): „So bleibt ebenso wie in den Vergaberichtlinien undeutlich, was […] unter ‚betrauen‘ (§ 105  I GWB) zu verstehen sein soll.“. 136  Ebd. 137  Ohrtmann, NZBau 2015, 612 ff. 138  Ohrtmann, NZBau 2015, 612 (613); vgl. hierzu nunmehr auch Losch, Verga­ beR 2016, 541 (545 f.). 139  Vgl. oben Kap 1 D. II. 140  Stein, in: Vergaberecht im Umbruch II, S. 101 (107); vgl. auch die Aussage von Krohn beim 16.  Düsseldorfer Vergaberechtstag 2015, dokumentiert bei Ohrtmann, NZBau 2015, 612 (613). 135  Knauff / Badenhausen,

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

Für die Einstufung als Synonym bzw. Ersatz zum Begriff der Beauftra­ gung spricht zunächst die Tatsache, dass der Begriff in Art. 5 UAbs. 1 Nr. 1 KVR lediglich in lit. b) für Dienstleistungskonzessionen gebraucht wird. In lit. a), der Baukonzessionen betrifft, ist er hingegen nicht enthalten; dort ist von „beauftragen“ die Rede. Wäre dem Begriff eine besondere Bedeutung mit eigenen Voraussetzungen zugedacht worden, wäre hier wohl eine ein­ heitliche Ausgestaltung gewählt worden. Weiterhin wird im novellierten GWB inhaltlich und sprachlich zwischen öffentlichen Aufträgen und Konzessionen unterschieden. Dies zeigen sowohl die amtliche Überschrift des Vierten Teils („Vergabe von öffentlichen Auf­ trägen und Konzessionen“) als auch die Aufteilung der entsprechenden Definitionen und Vorgaben auf verschiedene Vorschriften (§ 103 GWB n. F. für öffentliche Aufträge etc., § 105 GWB n. F. für Konzessionen). Um diese Differenzierung auch begrifflich konsequent durchzuhalten, musste in § 105 GWB n. F. auf die Verwendung des Begriffs der Beauftragung verzichtet werden. Schließlich knüpfte dieser zu stark an das Vorliegen eines öffentli­ chen Auftrags an. Inhaltliche Besonderheiten ergeben sich aus der Verwen­ dung des Betrauungsbegriffs in § 105 GWB n. F. damit  – soweit ersicht­ lich  – nicht.141 In Art. 12 Abs. 1 lit. b) VRL resp. § 108 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 4 Nr. 2 GWB n. F. dürfte die Verwendung des Begriffs der Betrauung ebenfalls auf sprachlichen Gründen beruhen und sich mit Blick auf die dogmatischen Grundlagen der In-House- bzw. In-State-Vorschriften erklären. Da die Fälle der In-House- und In-State-Vergaben  – wie oben festgestellt142  – dogma­ tisch auf einer teleologischen Reduktion des Auftragsbegriffs beruhen, mithin begrifflich schon kein öffentlicher Auftrag vorliegt, wäre es auch hier unpassend gewesen, von einer Beauftragung zu sprechen.143 Insgesamt konnte damit durch Auslegung festgestellt werden, dass der Begriff der Betrauung im Vergleich zum Beauftragungsbegriff keinerlei besondere Anforderungen aufstellt, die vom Rechtsanwender zu beachten wären. Der Bedeutungsgehalt der Norm konnte folglich ermittelt werden; ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz ist demnach abzulehnen. 141  Ähnlich Stein, in: Vergaberecht im Umbruch II, S. 101 (107), der feststellt, dass es keinen sachlichen Grund für eine andere Bedeutung gebe. Ähnlich wie hier zudem auch Tugendreich / Heller, in: Müller-Wrede, GWB Vergaberecht (Bundesan­ zeiger Verlag 2016), § 148 Rn. 33–39; vgl. aber auch Braun, in: Müller-Wrede, GWB Vergaberecht (Bundesanzeiger Verlag 2016), § 105 Rn. 29 f. 142  Vgl. Kap. 4 B. II. 2. b) aa). 143  In diese Richtung auch die Aussage von Krohn beim 16.  Düsseldorfer Verga­ berechtstag 2015, dokumentiert bei Ohrtmann, NZBau 2015, 612 (613).



C. Bestimmtheit der neuen Vorschriften zum Anwendungsbereich 185

II. Einfügung eines klarstellenden Abs. 3 in § 105 GWB n. F. Im Teil  zur KVR wurde bereits darauf hingewiesen, dass die in Deutsch­ land bislang nach europäischem Primärrecht i.Vm. §§ 1, 46 EnWG durch­ geführten Vergaben von Strom- und Gaskonzessionen in den Anwendungs­ bereich dieser Richtlinie fallen. Denn zum einen liegen die begrifflichen Merkmale einer Dienstleistungskonzession i. S. d. Art. UAbs. 1 Nr. 1 lit. b) KVR vor. Und zum anderen scheidet eine Ausnahme aufgrund von ­ErwGrd 16 KVR wegen des Bestehens weitreichender Lieferverpflichtungen regel­ mäßig aus.144 Unglücklicherweise lässt sich dies dem Text des neuen GWB jedoch nicht entnehmen. Gerade in § 105 GWB  n. F., in dem der Begriff der ­Konzessionen definiert wird, ist kein diesbezüglicher Hinweis zu finden. In der Gesetzesbegründung des GWB  n. F. wird aber zumindest der ­ErwGrd  16 KVR nachgezeichnet und darauf hingewiesen, dass dessen Ausführungen vor allem Wegenutzungsverträge i. S. d. § 46 EnWG zu Strom- und Gas­leitungen sowie Wegenutzungsverträge zu Fernwärmelei­ tungen beträfen.145 Zwar fehlt damit auch hier eine explizite Klarstellung. Bei aufmerksamer Berücksichtigung der Vorgaben des skizzierten Erwä­ gungsgrundes kann der Rechtsanwender jedoch erkennen, dass die entspre­ chenden Konzessions­vergaben regelmäßig unter den Dienstleistungskonzes­ sionsbegriff des Art. 5 UAbs. 1 Nr. 1 lit. b) KVR resp. § 105 Abs. 1 Nr. 2 GWB  n. F. fallen. Ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz ist inso­ fern abzulehnen. Nichtsdestotrotz wäre es für eine erleichterte Erkennbarkeit sinnvoll ge­ wesen, den neuen § 105 des GWB um einen klarstellenden Abs. 3 zu erwei­ tern. Ein entsprechender Absatz sollte aber nicht nur  – wie vom Bundesrat vorgeschlagen146 – noch einmal den ErwGrd 16 KVR nachzeichnen, sondern explizit darauf hinweisen, dass Vergaben im Strom- und Gasbereich in Deutschland in der Regel dem GWB-Vergaberecht unterfallen. Dies wäre in Anbetracht der angesprochenen Vermeidungstendenzen bzw. zur Schaffung erhöhter Rechtssicherheit sehr positiv.

144  Vgl.

oben Kap. 3 B. I. 4. c) cc). S. 76 BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzesbegründung zum VergRModG). 146  Vgl. S. 1 f. BR-Drs. 367 / 15 (Beschluss). 145  Vgl.

186

Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

III. Begriff der „Zusammenarbeit“ in § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB n. F. In Bezug auf die Schaffung der In-State-Vorgaben wurde bisweilen kriti­ siert, dass der Richtliniengeber es versäumt habe, weitere Konturierungen vorzunehmen und die Vorschriften praktisch handhabbar zu machen.147 Vor diesem Hintergrund sollen nachfolgend sowohl der Begriff der „Zusammen­ arbeit“ in § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB n. F. (jetzt unter III.) als auch die For­ mulierung „Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interes­ se“ aus § 108 Abs. 6 Nr. 2 GWB n. F. (anschließend unter  IV.) hinsichtlich ihrer hinreichenden Bestimmtheit untersucht werden. Zweifel könnten sich zunächst an der hinreichenden Bestimmtheit des Begriffs der „Zusammenarbeit“ ergeben. Da dieser weder im GWB n. F. und dessen Gesetzesbegründung noch in den neuen Vergaberichtlinien (in Art. 12 Abs. 4 lit. a) VRL ist der Begriff ebenfalls enthalten) definiert wird, ist nicht ganz eindeutig, welche Merkmale die Zusammenarbeit zwischen den betei­ ligten Verwaltungsträgern aufweisen muss, damit eine Freistellung vom Vergaberecht in Betracht kommt. Umstritten ist vor allem, ob eine Art „ech­ te Zusammenarbeit“148 erforderlich ist oder auch ein bloß finanzieller Bei­ trag eines Verwaltungsträgers ausreichen kann. Dies ist vom EuGH bislang nicht explizit entschieden worden. Maßgeblich für die hinreichende Be­ stimmtheit ist, ausweislich der oben getroffenen Aussagen, ob der Bedeu­ tungsgehalt des Begriffs durch Auslegung ermittelt werden kann. Der Rechtsanwender muss in der Lage sein, den Regelungsgehalt zu erkennen, um sich nach der Norm richten zu können. 1. Enge Auslegung: „Echte Zusammenarbeit“ erforderlich Zur Frage ob auch eine bloße Geldzahlung für das Vorliegen einer „Zu­ sammenarbeit“ ausreichen kann, äußerte sich kürzlich das OLG Koblenz.149 Im entschiedenen Fall hatten zwei kommunale Gebietskörperschaften die gemeinsame Behandlung und Verwertung von Bioabfällen vereinbart. Wäh­ rend die eine Körperschaft alle dafür erforderlichen Leistungen erbringen 147  Vgl.

bereits oben unter Kap. 3 B. I. 2. a) bb) (2). die Begriffsverwendung von Düsterdiek im Rahmen der Expertenanhö­ rung zum VergRModG im Ausschuss für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages am 09.11.2015, vgl. S. 17 des Protokolls der 54. Sitzung des Aus­ schusses für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages v. 09.11.2015, Protokoll-Nr. 18 / 54, abrufbar im Internet unter https: /  / www.bundestag.de / blob /  396788 / c14c6b4aa4228c44d063dc114ec46d95 / protokoll-data.pdf  – zuletzt abgeru­ fen am 25.01.2016. 149  OLG Koblenz, Beschl. v. 03.12.2014, Verg 8 / 14, ZfBR 2015, 308 ff. 148  Vgl.



C. Bestimmtheit der neuen Vorschriften zum Anwendungsbereich 

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sollte, beschränkte sich der Beitrag der anderen Körperschaft auf die bloße Zahlung eines sog. „Jahresdeckungsbeitrag[es]“. Die Vereinbarung zwischen den Körperschaften enthielt darüber hinaus zwar Detailregelungen zur Durchführung der Leistung, begründete allerdings keine weitergehenden Rechte und Pflichten eines Beteiligten.150 In der Entscheidung stellte das OLG (u. a.) fest, dass im konkreten Fall selbst bei einem Vorgriff auf die in Art. 12 Abs. 4 VRL niedergelegten Grundsätze zur Unanwendbarkeit des Vergaberechts eine öffentliche Aus­ schreibung hätte durchgeführt werden müssen. Die Vereinbarung zwischen den Körperschaften erfülle alle Tatbestandsmerkmale eines ausschreibungs­ pflichtigen öffentlichen Auftrags im Sinne des § 99 GWB (a. F.). Eine „Zu­ sammenarbeit“ sei schon begrifflich mehr als eine bloße Leistung gegen Bezahlung. Sie meine ein bewusstes Zusammenwirken bei der Verrichtung einer Tätigkeit zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels. Wie ErwGrd  33 VRL zeige, liege diese Sichtweise auch dem Unionsrecht zugrunde. Dabei hebt das OLG insbesondere die in ErwGrd  33 VRL enthaltenen Formulie­ rungen hervor, dass die Zusammenarbeit „auf einem kooperativen Konzept“ beruhen sollte und jeder der Beteiligten sich zu verpflichten habe, „einen Beitrag zur gemeinsamen Ausführung der betreffenden öffentlichen Dienst­ leistung“ zu leisten. Angesichts dieser eindeutigen Vorgaben könne aus Abs. 3 S. 2 dieses Erwägungsgrundes („Für die Durchführung der Zusam­ menarbeit einschließlich etwaiger Finanztransfers zwischen den teilnehmen­ den öffentlichen Auftraggebern […]“) nicht geschlossen werden, dass es für eine vergaberechtsfreie Kooperation ausreiche, wenn sich der Beitrag eines Vertragspartners auf die bloße Zahlung beschränke.151 Die Ansicht des OLG Koblenz wird in der vergaberechtlichen Literatur ebenfalls vertreten. Auch dort wird darauf hingewiesen, dass der Beitrag eines Kooperationspartners sich nicht in einer reinen Kostenerstattung er­ schöpfen dürfe. Vielmehr müsse dieser Bestandteil der gemeinsamen Auf­ gabenwahrnehmung sein.152 Eine gemeinsame Aufgabenwahrnehmung sei erst dann gewährleistet, wenn der Vertrag gegenseitige Verpflichtungen vorsehe, die „über ein normales Auftraggeber-Auftragnehmer-Verhältnis“ hinausgingen.153

150  OLG

Koblenz, Beschl. v. 03.12.2014, Verg 8 / 14, ZfBR 2015, 308 (308 f.). Koblenz, Beschl. v. 03.12.2014, Verg 8 / 14, ZfBR 2015, 308 (310)  – gemeint ist allerdings Abs. 3 S. 3 des Erwägungsgrundes. 152  So Brockhoff, VergabeR 2014, 625 (633) sowie Engelhardt / Kaelble, in: Müller-Wrede, GWB Vergaberecht (Bundesanzeiger Verlag 2016), § 108 Rn. 84; vgl. zudem Gröning, NZBau 2015, 690 (693). 153  Gruneberg / Wilden-Beck, VergabeR 2014, 99 (107). 151  OLG

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

2. Weite Auslegung: Zahlung eines Geldbetrages ausreichend Allerdings wird in der Literatur ebenso explizit die gegenteilige Meinung vertreten, wonach die bloße Zahlung eines Geldbetrages für eine „Zusam­ menarbeit“ ausreichen kann.154 Auch diese Ansicht stützt sich im Wesentli­ chen auf den Wortlaut des ErwGrd  33 VRL. Dabei wird zunächst darauf hingewiesen, dass für eine „Zusammenarbeit“ keine Gegenseitigkeit der Leistungserbringung erforderlich sei. Vielmehr reiche es ausweislich von ErwGrd  33 VRL aus, wenn jeder der Beteiligten überhaupt einen Beitrag zur gemeinsamen Ausführung der Dienstleistungen leiste. Notwendig sei insofern ein „kooperatives Konzept“, die Beiträge müssten deshalb nicht identisch sein, könnten sich vielmehr auch ergänzen.155 Zudem verweise ErwGrd  33 VRL für „ ‚etwaige[…] Finanztransfers zwischen den teilneh­ menden öffentlichen Auftraggebern‘ “ auf Erwägungen des öffentlichen In­ teresses, die ausschließlich maßgeblich sein sollten. Mit Blick auf die bis­ herige Rechtsprechung des EuGH könne daraus geschlossen werden, dass ein ausschreibungsfreies In-State-Geschäft auch dann vorliege, wenn die Dienstleistung allein von einem der Kooperationspartner erbracht wird, während der andere lediglich einen finanziellen Beitrag in Form einer ­Kostenerstattung leiste.156 3. Stellungnahmen im Rahmen der Expertenanhörung zum VergRModG im Ausschuss für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages Gegensätzliche Meinungen zur Auslegung des Begriffs der Zusammenar­ beit wurden auch im Rahmen der Expertenanhörung zum Entwurf des VergRModG im Ausschuss für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bun­ destages am 09.11.2015 vorgetragen. Einerseits wurde dort die Ansicht des OLG Koblenz explizit begrüßt. Da Ausnahmen von einer Regel grundsätzlich eng auszulegen seien, könne es für das Vorliegen der Ausnahme nach § 108 Abs. 6 GWB n. F. nicht ausrei­ chen, wenn eine Kommune leistet und die andere lediglich ein Entgelt zahlt.157 Dies finde auch in ErwGrd  33 VRL Beachtung, wonach jeder 154  Ziekow, 155  Ebd.

NZBau 2015, 258 (263).

156  Ebd. mit Verweis auf EuGH, Urt. v. 09.06.2009, Rs. C-480 / 06, Slg. 2009, I-4747  – „Stadtreinigung Hamburg“, Rn. 40, 43. 157  So Mundt (Bundesverband der Deutschen Industrie), vgl. S. 13 f. des Proto­ kolls der 54. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages v. 09.11.2015, Protokoll-Nr. 18 / 54, abrufbar im Internet unter https: / / 



C. Bestimmtheit der neuen Vorschriften zum Anwendungsbereich 189

Beteiligte einen Beitrag zur gemeinsamen Ausführung der betreffenden öf­ fentlichen Dienstleistung leisten müsse. Die bloße Entgeltzahlung sei aber kein Beitrag zur Ausführung der Leistung. Im Übrigen habe sich dahinge­ hend auch die Kommission geäußert.158 Andererseits wurde die vom OLG Koblenz vorgenommene Auslegung strikt abgelehnt. Auch Konstellationen in denen eine Leistung gewährt und bezahlt wird müssten vom Vergaberecht freigestellt sein. Es handele sich dabei nicht um eine Beschaffung am Markt, sondern um einen innerstaatli­ chen Organisationsakt. Dies stelle einen typischen Anwendungsfall dar und sei innerstaatlich aus Effizienzgründen auch gewollt.159 Auf europäischer Ebene habe Einigkeit darüber bestanden, dass das was unter interkommuna­ ler Zusammenarbeit durch landesrechtliche Gesetze abgesichert sei, auch vergaberechtsfrei sein solle.160 Weiterhin wurde darauf hingewiesen, dass die Entscheidung des OLG Koblenz bislang für sich alleine stehe, so dass es sich verbiete, „[d]aran den Gesamtvorgang zu messen“.161 Ein Blick auf die Genese der Regelung auf europäischer Ebene zeige zudem, dass die Kommission zunächst das Vorliegen einer „echte[n] Zusammenarbeit“ zwi­ schen den öffentlichen Stellen vorgeschlagen, darauf im parlamentarischen Verfahren später aber bewusst verzichtet habe. Es sei daher gerade keine „echte Zusammenarbeit“ erforderlich, so dass im Einzelfall auch die Erbrin­ gung einer Leistung gegen Entgelt möglich sei. Mit Blick auf die Sicher­ stellung von Leistungen der Daseinsvorsorge  – insbesondere auch im länd­ lichen Raum  – sei die Ausnahme zu rechtfertigen.162

www.bundestag.de / blob / 396788 / c14c6b4aa4228c44d063dc114ec46d95 / protokolldata.pdf  – zuletzt abgerufen am 25.01.2016. 158  Ebd., S. 13. 159  So die Argumentation von Ruge (Deutscher Landkreistag), vgl. S. 12 des Pro­ tokolls der 54. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages v. 09.11.2015, Protokoll-Nr. 18 / 54, abrufbar im Internet unter https: / /  www.bundestag.de / blob / 396788 / c14c6b4aa4228c44d063dc114ec46d95 / protokolldata.pdf  – zuletzt abgerufen am 25.01.2016; zustimmend Düsterdiek (Deutscher Städte- und Gemeindebund, DStGB), S. 12 f. des soeben zitierten Protokolls. 160  Ruge (Deutscher Landkreistag), vgl. S. 16 f. des zuvor zitierten Protokolls. 161  So Düsterdiek (Deutscher Städte- und Gemeindebund, DStGB), S. 12 f. des zuvor zitierten Protokolls. Noch deutlicher Ruge (Deutscher Landkreistag): „[…] die Rechtsprechung, die hier zitiert worden ist, das OLG Koblenz, ist schlicht falsch“, vgl. S. 17 des zuvor zitierten Protokolls. 162  Düsterdiek (Deutscher Städte- und Gemeindebund, DStGB), S. 17 des zuvor zitierten Protokolls.

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

4. Eigene Stellungnahme Wie die Ausführungen gezeigt haben, wurde der Begriff der Zusammen­ arbeit bereits vor der Verabschiedung des neuen GWB unterschiedlich ausgelegt. a) Entscheidung des OLG Koblenz Mit dem Beschluss des OLG Koblenz liegt zwar bereits eine gerichtliche Entscheidung zum Bedeutungsgehalt des Begriffs in Art. 12 Abs. 4 lit. a) VRL vor.163 Allerdings steht diese seither für sich allein, eine Begriffsaus­ legung durch den EuGH fehlt bislang. Zudem beschränkt sich das OLG in der Entscheidung bedauerlicherweise auf eine Auslegung anhand des Wort­ lauts. Insbesondere die Entstehung des Art. 12 Abs. 4 VRL im europäischen Rechtsetzungsverfahren wird überhaupt nicht angesprochen. Dabei wäre das Gericht unter Einbeziehung dieser Aspekte  – auch wenn man der histori­ schen Auslegung auf europäischer Ebene keine allzu große Bedeutung zu­ messen mag164  – möglicherweise zu einer abweichenden Beurteilung ge­ langt. Denn wie den Aussagen von Düsterdiek im Rahmen der Expertenan­ hörung im Ausschuss für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages zu entnehmen ist, unterlag der Wortlaut des heutigen Art. 12 Abs. 4 lit. a) VRL im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens einem erheblichen Wandel. So hatte die Kommission zunächst einen deutlich restriktiveren Wortlaut vorge­ schlagen. Dieser lautete im Richtlinienentwurf v.  20.12.2011165 wie folgt: „die Vereinbarung begründet eine echte Zusammenarbeit zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern mit dem Ziel, ihre öffentlichen Aufgaben gemeinsam wahrzunehmen, und umfasst wechselseitige Rechte und Pflichten der Parteien“ (Art. 11 Abs. 4 lit. a) VRL-E).166

Während in der Folgezeit vorerst nur sprachliche Veränderungen an der Norm vorgenommen wurden,167 weicht der endgültige Wortlaut der VRL nun erheblich vom ursprünglichen Vorschlag der Kommission ab. Eine 163  Zwar konnte das OLG zum Zeitpunkt der Entscheidung (03.12.2014) naturge­ mäß noch nicht auf den im deutschen Recht geschaffenen Begriff der Zusammenar­ beit in § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB n.F eingehen, angesichts der „1:1“-Umsetzung des nationalen Gesetzgebers kann die Entscheidung für die Bedeutung des dort enthal­ tenen Begriffs aber herangezogen werden. 164  Vgl. hierzu oben unter Kap. 3 B. I. 2. b) bb) (2). 165  KOM(2011) 896 endg., S. 52. 166  Hervorhebung hinzugefügt. 167  Vgl. u.a die Fassungen der Vorschrift auf S. 88 des Kompromisstextes v. 24.07.2012 (2011 / 0438 (COD)  – 12878 / 12) sowie S. 82 des Kompromisstextes v. 30.11.2012 (2011 / 0438 (COD)  – 16725 / 1 / 12 REV  1).



C. Bestimmtheit der neuen Vorschriften zum Anwendungsbereich 191

„echte“ Zusammenarbeit wird darin nicht mehr gefordert und auch das Er­ fordernis des Vorliegens wechselseitiger Rechte und Pflichten der Parteien ist entfallen. Konkret heißt es jetzt: „Der Vertrag begründet oder erfüllt eine Zusammenarbeit zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern mit dem Ziel sicherzustellen, dass von ihnen zu erbrin­ gende öffentliche Dienstleistungen im Hinblick auf die Erreichung gemeinsamer Ziele ausgeführt werden“ (Art. 12 Abs. 4 lit. a) VRL).

Angesichts dieser Unterschiede ist auf das Vorliegen einer „echten Zu­ sammenarbeit“ und das Bestehen wechselseitiger Rechte und Pflichten of­ fenbar bewusst verzichtet worden. Beides könnte daher für die Annahme einer „Zusammenarbeit“ entbehrlich sein. Es liegt vor diesem Hintergrund im Bereich des Möglichen, dass das OLG Koblenz bei einer umfassenden Auslegung zu einer anderen Beurteilung gelangt wäre und auch die Leis­ tungserbringung gegen eine bloße Geldzahlung als vergaberechtsfrei einge­ stuft hätte. Hinzu kommt, dass die Bedeutung der Entscheidung schon deshalb begrenzt ist, weil über die Auslegung des Unionsrechts und damit den genauen Inhalt des Art. 12 Abs. 4 VRL letztlich der EuGH entscheiden muss.168 Zudem fehlt bislang – verständlicherweise – eine Gerichtsentschei­ dung, die sich mit dem Begriff der Zusammenarbeit in § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB n. F. auseinandersetzt. Die Bedeutung des Beschlusses des OLG Ko­ blenz sollte mithin nicht allzu hoch angesetzt werden.169 b) Auslegungsfähigkeit des Begriffs Weder der Wortlaut von § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB n. F. noch der Wortlaut von Art. 12 Abs. 4 lit. a) VRL enthalten letztlich klare Hinweise zur Ausle­ gung des Begriffs der Zusammenarbeit. Zudem spricht auch die Fassung des ErwGrd  33 VRL nicht eindeutig für die eine oder andere Sichtweise: Zwar setzt die Zusammenarbeit ausweislich von UAbs. 3 S. 2 des Erwägungs­ grundes nicht voraus, dass „alle teilnehmenden Stellen die Ausführung wesentlicher vertraglicher Pflichten übernehmen“. Die Stellen müssen sich aber verpflichtet haben, „einen Beitrag zur gemeinsamen Ausführung der betreffenden Dienstleistung zu leisten“. Ob angesichts dessen eine bloße Geldzahlung als Beitrag ausreicht, ergibt sich nicht. Das sieht das OLG 168  Zur Auslegung von Unionsrecht durch den EuGH vgl. z. B. Wegener, in: Cal­ liess / Ruffert, EUV / AEUV, Art. 19 EUV Rn. 12. 169  Hierfür spricht im Übrigen auch das Verhalten des dt. Gesetzgebers: Obwohl mit dem Beschluss des OLG Koblenz bereits eine richterliche Entscheidung zum Begriff der Zusammenarbeit vorlag, konnte der Gesetzgeber sich nicht dazu durch­ ringen, dieser zu folgen und eine eindeutige Regelung zu schaffen. Dies deutet da­ rauf hin, dass der dt. Gesetzgeber von der Entscheidung ebenfalls nicht vollends überzeugt war / ist.

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

Koblenz zwar anders und stuft diesen Fall als für das Vorliegen einer Zu­ sammenarbeit nicht ausreichend ein. Allerdings vernachlässigt das OLG wie dargelegt die Entstehung des Art. 12 Abs. 4 VRL auf europäischer Ebene, dessen Umstände eher in Richtung einer weiten Auslegung des Begriffs weisen170. Weiterhelfen könnte damit eventuell eine Auslegung anhand der systemati­ schen Stellung sowie dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Aus der systema­ tischen Stellung des Begriffs der Zusammenarbeit in § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB n. F. bzw. in Art. 12 Abs. 4 VRL sind allerdings keine weiteren Erkenntnisse zu gewinnen. Und auch eine Auslegung nach Sinn und Zweck bringt nur wenig Neues. Denn das Vergaberecht soll zwar einerseits weiterhin einen umfassenden Wettbewerb ermöglichen (vgl. S. 67 f. BT-Drs. 18 / 6281 (Geset­ zesbegründung zum VergRModG)), andererseits sollen jedoch die kommuna­ len Handlungsspielräume ausgebaut werden (S. 2 BT-Drs. 18 / 6281 (Geset­ zesbegründung zum VergRModG)). Eindeutige Hinweise auf die genaue Weite des Begriffs der Zusammenarbeit sind aus den Erwägungen zu Sinn und Zweck damit letzten Endes nicht abzuleiten. Festzuhalten bleibt dem­ nach, dass der Begriff der Zusammenarbeit aus § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB n. F. tatsächlich in verschiedener Weise ausgelegt werden kann – welcher Variante der Vorzug zu geben ist, bleibt dabei indes offen. aa) Behandlung des Begriffs der Zusammenarbeit im nationalen Gesetzgebungsverfahren Die Problematik unterschiedlicher Auslegungsvarianten war dem deut­ schen Gesetzgeber bekannt. Im Rahmen der Expertenanhörung im Ausschuss für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages wurde der der Be­ griff der Zusammenarbeit ausführlich besprochen. Ausweislich der Aussagen des Abgeordneten Held war es dabei das Ziel des Gesetzgebers, im Interes­ se der Kommunen eine rechtssichere Regelung zu schaffen.171 Dieses Ziel hat der Gesetzgeber allerdings klar verfehlt. § 108 Abs. 6 Nr. 1 des GWBRegierungsentwurfs aus Juli 2015172 wurde im weiteren Gesetzgebungsver­ hingegen Gruneberg / Wilden-Beck, VergabeR 2014, 99 (107). S. 16 des Protokolls der 54. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages v. 09.11.2015, Protokoll-Nr. 18 / 54, abrufbar im Internet unter https: /  / www.bundestag.de / blob / 396788 / c14c6b4aa4228c44d063dc11 4ec46d95 / protokoll-data.pdf  – zuletzt abgerufen am 25.01.2016. 172  Regierungsentwurf des VergRModG v. 08.07.2015, abrufbar im Internet unter https: /  / www.bmwi.de / BMWi / Redaktion / PDF / E / entwurf-gesetz-modernisierungvergaberecht,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf  – zuletzt ab­ gerufen am 21.03.2016. 170  A. A. 171  Vgl.



C. Bestimmtheit der neuen Vorschriften zum Anwendungsbereich 193

fahren nicht mehr geändert. Im Ausschussbericht (Protokollnotiz) findet sich zur Thematik lediglich folgende Erklärung: „Die Koalitionsfraktionen weisen darauf hin, dass weder die Richtlinie 2014 / 24 / EU (Artikel 12 sowie Erwägungsgrund 33) noch der Regierungsentwurf zur Moderni­ sierung des Vergaberechts eine explizite Definition des Begriffes „Zusammenar­ beit“ enthalten. So weist der Erwägungsgrund 33 der Richtlinie 2014 / 24 / EU da­ rauf hin, dass die von den verschiedenen teilnehmenden Stellen erbrachten Dienstleistungen nicht notwendigerweise identisch sein müssen, sondern sich auch ergänzen können. Allerdings sollte die Zusammenarbeit auf einem kooperativen Konzept beruhen, in dem sich die Teilnehmer verpflichtet haben, einen Beitrag zur gemeinsamen Ausführung der öffentlichen Dienstleistung zu leisten; dazu kann als Teil auch ein etwaiger Finanztransfer zwischen den teilnehmenden öffentlichen Auftraggebern gehören. Die Koalitionsfraktionen stellen fest, dass zur abschließenden Definition der Begriffsinhalte ein Urteil des EuGH im kommenden Jahr zu erwarten ist.“173

Zwar könnte die Formulierung, dass „als Teil  [eines Beitrags] auch ein etwaiger Finanztransfer“ gehören kann dahingehend verstanden werden, dass ein bloßer Finanztransfer allein nicht ausreichend ist. Da im folgenden Satz jedoch direkt darauf hingewiesen wird, dass zur abschließenden Defi­ nition ein Urteil des EuGH zu erwarten sei, erscheint eine solche Interpre­ tation zu weitgehend. Vielmehr soll durch die Formulierung wohl lediglich der Inhalt des ErwGrd  33 VRL nachgezeichnet werden. Dies gilt umso mehr, als dem Gesetzgeber die spezielle Problematik genauestens bekannt war und er sich durch einen kurzen (aber deutlich(er)en) Zusatz in § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB n. F. einfach für die eine oder andere Sichtweise hätte entscheiden können. Ein solches Vorgehen wäre dem deutschen Gesetzeber im Übrigen auch möglich sowie rechtlich zulässig gewesen, ein Fall des problematischen echten gold platings läge in einer solchen Klarstellung / Konkretisierung nicht. Denn echtes gold plating liegt nach den obigen Ausführungen nur vor, wenn der nationale Gesetzgeber von einer Richtlinie erfasste Bereiche verändert und weitergehende, d. h. insbesondere verschärfende oder strenge­ re Anforderungen schafft.174 Die Anforderungen an Vergabeverfahren wür­ den durch eine Klarstellung des Begriffs der Zusammenarbeit in § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB n. F. seitens des deutschen Gesetzgebers jedoch nicht verändert oder verschärft. Vielmehr würde der deutsche Gesetzgeber durch eine Präzisierung des Begriffs  – je nachdem, für welche Sichtweise er sich entschiede  – ggf. (nur) eine Erweiterung oder Einschränkung des Anwen­ dungsbereichs bewirken. 173  S. 13 174  Vgl.

BT-Drs. 18 / 7086 [Hervorhebung hinzugefügt]. oben Kap. 4 A. I. 2. a).

194

Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

Eine Erweiterung wäre insofern möglicherweise175 dann gegeben, wenn der deutsche Gesetzgeber sich auf den Standpunkt stellte, dass für eine Zusammenarbeit mehr als nur die bloße Zahlung eines Geldbetrages von einem der Beteiligten erforderlich ist. Da hierdurch die Fälle einer bloßen Geldzahlung nicht mehr von den In-State-Vorgaben umfasst wären, würde der Anwendungsbereich des Vergaberechts um eben diese Konstellationen erweitert. Es läge ein Fall des sog. unechten gold platings vor, der hier aber als unproblematisch einzustufen wäre, da insbesondere kein Widerspruch zu den Vorgaben und Zielen der Richtlinien vorläge. Eine Beschränkung des Anwendungsbereichs läge demgegenüber (mög­ licherweise, s. o.) dann vor, wenn der Gesetzgeber festlegen würde, dass eine Geldzahlung eines der Beteiligten für die Annahme eines In-StateGeschäfts ausreicht. Eine Pflicht zur öffentlichen Ausschreibung entfiele demnach für die Konstellationen, in denen zwei Körperschaften eine Zu­ sammenarbeit vereinbaren, der Beitrag einer Körperschaft sich jedoch auf die bloße Zahlung eines Geldbetrages beschränkt. Jene Konstellation könn­ te nur dann problematisch werden, falls der EuGH in einem künftigen Urteil die gegenteilige Ansicht vertritt und die bloße Geldzahlung als nicht ausrei­ chend für das Vorliegen eines In-State-Geschäfts einstuft. Die deutsche Rechtslage würde dann in Bezug auf die Weite des Anwendungsbereichs hinter den Vorgaben der EU zurückbleiben. Der deutsche Gesetzgeber wäre folglich aufgefordert, diesen Missstand zu beheben. bb) Fazit Im Ergebnis muss festgestellt werden, dass der Begriff der Zusammenar­ beit in § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB n. F. durch die herkömmlichen Auslegungs­ methoden nicht hinreichend konkretisierbar ist. Es lässt sich nicht ermitteln, ob für das Vorliegen einer Zusammenarbeit auch die bloße Zahlung eines Geldbetrages seitens eines Beteiligten ausreichend ist oder nicht. Die Rechtsunterworfenen  – und dies meint explizit nicht nur die Vertreter der öffentlichen Hand, die letztlich entscheiden müssen, ob ein öffentlicher Auftrag vorliegt oder nicht, sondern gerade auch die Vertreter der Privat­ wirtschaft, die ein Interesse haben können, gegen Fehlentscheidungen der Verwaltung im Wege des Nachprüfungsverfahrens vorzugehen  – werden durch die gewählte Ausgestaltung gerade nicht befähigt, die Rechtslage anhand der gesetzlichen Regelung zu erkennen, damit sie ihr Verhalten 175  Eine Abweichung vom Unionsrecht läge grundsätzlich nur dann vor, falls der EuGH den Begriff der Zusammenarbeit im Nachgang anders auslegen sollte als der deutsche Gesetzgeber. Schlösse sich der EuGH einer ggf. getroffenen Entscheidung des deutschen Gesetzgebers an, wäre eine Abweichung zu verneinen.



C. Bestimmtheit der neuen Vorschriften zum Anwendungsbereich 195

daran ausrichten können.176 Anderes ergäbe sich im Übrigen auch dann nicht, wenn man ausschließlich auf den Verständnishorizont eines Juristen abstellen würde. Die Auslegungsfähigkeit des Begriffs der Zusammenarbeit in § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB n. F. ist daher zu verneinen. Der Gesetzgeber hat es versäumt, den Begriff der Zusammenarbeit im GWB n. F. zu konkre­ tisieren. Dabei wäre dies im Umsetzungsprozess seine Aufgabe gewesen. Unabhängig vom inhaltlichen Standpunkt besteht eine Pflicht des Gesetzge­ bers, europäisch geprägte Normen, die nach innerstaatlichen Maßstäben zu unbestimmt sind, hinreichend zu konkretisieren. Denn der verfassungsrecht­ liche Bestimmtheitsgrundsatz gilt ebenfalls für Normen, die europäische Vorgaben innerstaatlich umsetzen  – auch hier ist der Gesetzgeber an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden, Art. 20 Abs. 3 GG.177 Man könnte darüber hinaus sogar argumentieren, dass diese Verpflichtung im vorliegen­ den Fall in besonderer Weise bestand: Schließlich zeigte sich spätestens in der Expertenanhörung im Ausschuss für Wirtschaft und Energie des Deut­ schen Bundestages am 09.11.2015, dass der Begriff unterschiedlich ausge­ legt werden kann und insofern Handlungs- und Konkretisierungsbedarf be­ steht. Dem Gesetzgeber musste klar sein, dass eine rechtssichere Anwendung ohne eine Konkretisierung des Begriffs in der Praxis nicht möglich sein würde. Das Problem war dem Gesetzgeber also konkret bekannt, er hat sich aber dennoch entschieden, den Wortlaut des § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB n. F. nicht zu verändern und sich auf einen – für die Auslegung völlig unbrauch­ baren  – Hinweis im Ausschussbericht beschränkt. (1) Keine Notwendigkeit der Schaffung eines „offenen“ Rechtsbegriffs Weiterhin kann der Gesetzgeber in der vorliegenden Konstellation gerade nicht darauf verweisen, dass die Schaffung eines „offenen“ Rechtsbegriffs notwendig oder geboten gewesen wäre.178 Ein derartiges Vorgehen kommt insbesondere bei einer hohen Komplexität des zugrundeliegenden Rechtsge­ biets oder bei Normen in Betracht, bei denen andernfalls Regelungslücken, Schlupflöcher oder Möglichkeiten zur Umgehung entstünden, wie beispiels­ weise im Bereich des Steuerrechts.179 Zwar kann der Begriff der Zusam­ 176  So

aber die Forderung in BVerfGE 114, 1 (53). bereits näher oben unter Kap. 4 A. I. 3 a). 178  Grundsätzlich muss der Gesetzgeber Normen derart bestimmt fassen, wie ihm dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte möglich ist. Auch im Wirtschaftsrecht ist ein genereller Verweis auf herabgesetzte Bestimmtheitsanforde­ rungen nicht ausreichend, vgl. oben unter Kap. 1 D. II. 2. b) cc) sowie den dort nachfolgenden Punkt c). 179  Vgl. hierzu Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 241 f., der die erhöhte Offenheit des Begriffs „ähnliche Modelle“ im damaligen § 2b EstG durch 177  Hierzu

196

Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

menarbeit nicht vollumfänglich definiert werden; schließlich können nicht alle denkbaren Formen einer gemeinsamen Tätigkeit positiv benannt wer­ den, so dass eine gewisse Offenheit zur Vermeidung von Regelungslücken unvermeidbar ist. Allerdings bezieht sich die bemängelte Unbestimmtheit vorliegend nur auf einen Teilaspekt des Begriffs, namentlich die Frage, ob für das Vorliegen einer Zusammenarbeit die bloße Geldzahlung eines Betei­ ligten ausreichen soll oder nicht. Es geht also um die Festlegung eines Mindestmaßes des Beitrages im Rahmen der Zusammenarbeit. Ein solches Mindestmaß hätte der Gesetzgeber ohne Weiteres festlegen können, ohne damit Gefahr zu laufen Regelungslücken o. ä. zu schaffen. Gründe, die ihn daran gehindert hätten, sind nicht ersichtlich. (2) Keine Abwartefrist für den Gesetzgeber Allerdings hätte der Gesetzgeber möglicherweise abwarten dürfen, wie der Begriff der Zusammenarbeit nach der Verabschiedung des GWB in der Praxis ausgelegt wird. Denn bevor das BVerfG die Verfassungswidrigkeit einer Norm annimmt, räumt es dem Gesetzgeber bisweilen eine Frist ein, innerhalb derer die Vorschrift bzw. Formulierung durch die Rechtsprechung konkretisiert werden kann.180 Oben wurde jedoch bereits auf die Problema­ tik hingewiesen, dass die in Rede stehenden Normen in derartigen Fällen so lange unbestimmt bleiben, bis sich eine einheitliche Rechtsprechungslinie etabliert hat bzw. die Frage höchstrichterlich entschieden wird. Zudem er­ scheint ein Abwarten des Gesetzgebers auch aus Gründen der Gewaltentei­ lung und des Vorbehalts des Gesetzes äußerst fraglich. Darüber hinaus müssen hier die besonderen Umstände des abgeschlosse­ nen Gesetzgebungsverfahrens Berücksichtigung finden, in dem der deutsche Gesetzgeber bereits vor dem Erlass der Norm wusste, dass der Begriff der Zusammenarbeit unterschiedlich ausgelegt werden kann und wird. Wie schon erwähnt, musste dem Gesetzgeber klar sein, dass eine rechtssichere Anwendung ohne eine Konkretisierung des Begriffs in der Praxis nicht möglich sein würde. Gerade in einem solchen Fall erscheint es unange­ bracht, abzuwarten und lediglich darauf zu hoffen, dass der Begriff mehr­ heitlich in der einen oder anderen Weise ausgelegt bzw. durch die Recht­ sprechung konkretisiert wird.

eine „reduzierte ‚Regelungsfähigkeit des Sachbereichs‘ “ rechtfertigt, um „ ‚Vermei­ dungsstrategien der Branche‘ “ verhindern zu können. 180  Hierzu oben unter Kap. 1 D. II. 2 c).



C. Bestimmtheit der neuen Vorschriften zum Anwendungsbereich 

197

(3) Ergebnis Im Ergebnis muss die ausgebliebene Konkretisierung als Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz gewertet werden. Im Interesse einer rechts­ sicheren Rechtsanwendung ist der Gesetzgeber dementsprechend aufgerufen, den Begriff schnellstmöglich zu präzisieren. Auf ein mögliches Urteil des EuGH kann wegen der hohen Bedeutung des Begriffs im Rahmen der ­In-State-Vergabe jedenfalls nicht gewartet werden.

IV. Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse in § 108 Abs. 6 Nr. 2 GWB n. F. Problematisch erscheint unter Bestimmtheitsaspekten auch die in § 108 Abs. 6 Nr. 2 GWB n. F. enthaltene Formulierung, die Durchführung der Zusammenarbeit müsse „ausschließlich durch Überlegungen im Zusammen­ hang mit dem öffentlichen Interesse bestimmt“ werden. In der Literatur wurde jedenfalls bereits an der hinreichenden Bestimmtheit dieser Formu­ lierung – und insbesondere des Begriffs der „Überlegungen“ – gezweifelt.181 1. Begriff der „Überlegungen“ Die genannte Formulierung ist vom deutschen Gesetzgeber ohne Verän­ derungen aus Art. 12 Abs. 4 lit. b) VRL182 übernommen worden und geht letztlich zurück auf die Aussagen des EuGH in Rn. 47 der Rs.  C-480 / 06, „Stadtreinigung Hamburg“183 („[…] solange die Umsetzung dieser Zusam­ menarbeit nur durch Überlegungen und Erfordernisse bestimmt wird, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusam­ menhängen“). Nähere Erläuterungen zu Art. 12 Abs. 4 VRL finden sich in ErwGrd 33 VRL. Die dortigen Ausführungen weichen jedoch etwas von der Fassung des Art. 12 Abs. 4 VRL ab. So heißt es in UAbs. 2 des Erwägungs­ grundes, die Zusammenarbeit müsse „ausschließlich von Erwägungen des öffentlichen Interesse[s]“ bestimmt sein.184 An die Stelle der Formulierung „durch Überlegungen im Zusammenhang mit dem“ aus Art. 12 Abs. 4 lit. b) 181  Siegel,

VergabeR 2015, 265 (269). Art. 28 Abs. 4 lit. b) SRL sowie Art. 17 Abs. 4 lit. b) KVR. 183  EuGH, Urt. v. 09.06.2009, Rs. C-480 / 06, Slg. 2009, I-4747 – „Stadtreinigung Hamburg“; vgl. Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (356). 184  Sehr ähnlich außerdem in UAbs. 3: „[…] sollten im Übrigen ausschließlich Erwägungen des öffentlichen Interesses maßgeblich sein“. Ähnlich ebenfalls in Er­ wGrd  47 UAbs. 1 und  2 KVR: „ausschließlich Erwägungen im Hinblick auf das öffentliche Interesse“. 182  Bzw.

198

Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

VRL tritt also die Formulierung „von Erwägungen des“ öffentlichen Interesse(s). Nähere Erläuterungen zum Begriff der „Überlegungen“ oder der „Erwägungen“ finden sich in ErwGrd  33 VRL nicht. Daneben ist auch die Gesetzesbegründung des GWB n. F. uneinheitlich: Während in den all­ gemeinen Anmerkungen zu § 108 Abs. 6 GWB n. F. zunächst der Inhalt des ErwGrd  33 VRL nachgezeichnet und von „Erwägungen des öffentlichen Interesses“ gesprochen wird,185 ist anschließend bei der speziell(er)en Erläu­ terung des § 108 Abs. 6 Nr. 2 GWB n. F. die Rede von „Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse“186. Die unterschiedliche Begriffsverwendung bzw. Formulierung legt nahe, dass dem Begriff der „Überlegungen“ in § 108 Abs. 6 Nr. 2 GWB n. F. keine eigenständige Bedeutung zukommt, die besonders zu berücksichtigen wäre. Maßgeblich dürfte lediglich sein, ob die Zusammenarbeit ausschließ­ lich von öffentlichen Interessen geleitet wird187 oder nicht. Wäre dem Be­ griff eine besondere Bedeutung mit eigenen Voraussetzungen zugedacht worden, wäre wohl eine einheitliche Ausgestaltung gewählt worden. Der Begriff der „Überlegungen“ ist daher für die Auslegung des § 108 Abs. 6 Nr. 2 GWB n. F. nicht entscheidend; Bestimmtheitsdefizite ergeben sich demzufolge nicht. 2. Begriff des „öffentlichen Interesse[s]“ Zu klären bleibt indes, inwieweit der Begriff des „öffentlichen Interesse[s]“ auslegungsfähig ist, d. h. dessen Inhalt durch Auslegung ermittelt werden kann. Der Rechtsanwender muss auch hier in der Lage sein, den Regelungs­ gehalt zu erkennen, um sich nach der Norm richten zu können. Das Erfordernis eines „öffentlichen“ Interesses macht zunächst deutlich, dass die Verfolgung privater Interessen nicht zu einer Vergaberechtsfreiheit führen kann. Interessen Einzelner sowie privatwirtschaftliche / kommerzielle Interessen sind nicht ausreichend.188 Darüber hinaus ist nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH erforderlich, dass mit der Zusammenarbeit eine allen Beteiligten gemeinsam obliegende „Gemeinwohlaufgabe“ erfüllt wird.189 Bloße Hilfsgeschäfte (z. B. Reinigungs- und IT-Dienstleistungen) 185  S. 82 186  Ebd.

BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzesbegründung zum VergRModG).

Soudry, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 23. in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 23; Schellenberg, in: Verga­ berecht im Umbruch II, S. 5 (17). Das Vorliegen eines „öffentlichen Interesse[s]“ ist daher z. B. auch dann abzulehnen, wenn die Kooperation eine Konkurrenz zu priva­ ten Anbietern darstellt, so Soudry, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 23 mit Verweis auf Ziekow, in: Ziekow / Völlink, Vergaberecht, § 99 GWB Rn. 144. 187  Vgl.

188  Soudry,



C. Bestimmtheit der neuen Vorschriften zum Anwendungsbereich 199

oder sonstige Dienstleistungen ohne Gemeinwohlbezug sind demnach nicht erfasst.190 Da Hinweise, die gegen eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf die neue Rechtslage sprechen (insbesondere eine abweichende Auffas­ sung des Richtliniengebers in den Erwägungsgründen) nicht ersichtlich sind, dürfte dieses Kriterium aufgrund der angestrebten „1:1“-Umsetzung des deutschen Gesetzgebers auch im novellierten GWB zu berücksichtigen sein. Der Begriff des „öffentlichen Interesse[s]“ mag somit nach den obigen Ausführungen191 zwar als „unbestimmter Rechtsbegriff“ eingestuft werden, er ist jedoch durch die Rechtsprechung des EuGH mittlerweile hinreichend konkretisiert worden. Unsicherheiten dürften sich lediglich in Ausnahme­ fällen ergeben und könnten dann  – unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls  – von der Rechtsprechung gelöst werden.192 Im Allgemeinen kann der Rechtsanwender den Regelungsgehalt der Norm aber erkennen und sich hiernach richten. Die Auslegungsfähigkeit des Be­ griffs des „öffentlichen Interesse[s]“ ist daher im Ergebnis zu bejahen. Ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz liegt demzufolge nicht vor.

V. Zwischenergebnis Im Ergebnis muss festgestellt werden, dass der Begriff der Zusammenar­ beit in § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB  n. F. nicht hinreichend konkretisierbar ist. Durch Auslegung lässt sich nicht ermitteln, ob für das Vorliegen einer Zu­ sammenarbeit eine Art „echte Zusammenarbeit“ erforderlich ist oder auch eine bloße Geldzahlung seitens eines Beteiligten ausreichen kann. Die Rechtsunterworfenen werden mithin nicht befähigt, die Rechtslage anhand der gesetzlichen Regelung zu erkennen, damit sie ihr Verhalten daran aus­ richten können. Mit der Verwendung des Begriffs trotz fehlender Konkreti­ sierung verstößt der deutsche Gesetzgeber daher gegen den verfassungs­ rechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz.

189  EuGH, Urt. v. 13.06.2013, Rs. C-386 / 11, NZBau 2013, 522 – „Piepenbrock“, Rn. 36 ff.; vgl. auch die Anmerkung zu diesem Urteil von Brakalova, EuZW 2013, 593 (593). 190  Dreher, in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, § 99 GWB Rn. 145, 148; Brakalova, EuZW 2013, 593 (593 f.); EuGH, Urt. v. 13.06.2013, Rs. C-386 / 11, NZBau 2013, 522  – „Piepenbrock“, Rn. 36 ff. 191  Kap. 1 D. II. 2. c). 192  Dass Unsicherheiten im Einzelfall nicht zu einer Unbestimmtheit der Vor­ schrift als solche führen, zeigt sich auch bei Jehke, Bestimmtheit und Klarheit im Steuerrecht, S. 242.

200

Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

D. Systemgerechtigkeit Im Rahmen der Prüfung der Systemgerechtigkeit stellt sich die Frage, ob die Ausgestaltung und Weite des Anwendungsbereichs stimmig und ange­ sichts der angestrebten Ziele konsistent ist. Dem soll im Folgenden nachge­ gangen werden. Wie gezeigt, entsprechen die nationalen Regelungen zum Anwendungsbe­ reich sehr weitgehend „1:1“ den europarechtlichen Vorgaben. Vor der Über­ prüfung der nationalen Vorschriften sollte daher geklärt werden, ob schon die Ausgestaltung der sekundärrechtlichen Anwendungsregelungen als  – nach dem allgemeinen Sprachgebrauch  – stimmig und konsistent eingestuft werden kann, wobei naturgemäß die Besonderheiten des europäischen Rechtsetzungsprozesses zu beachten sind. Das Ergebnis hiervon kann im Weiteren  – zwar nicht als Präjudiz  – aber doch als eine Art Indiz für die nachgelagerte Prüfung der Systemgerechtigkeit im deutschen Kontext ver­ wendet werden. Auf eine eigenständige verfassungsrechtliche Prüfung kann später freilich nicht verzichtet werden; sollte sich jedoch zeigen, dass auf europäischer Ebene ein stimmiges / konsistentes Konzept vorliegt, könnte dies durchaus für eine gelungene deutsche Regelung sprechen. In diesem Fall wäre die „1:1“-Umsetzung des deutschen Gesetzgebers  – zumindest hinsichtlich der Systemgerechtigkeit  – durchaus zu begrüßen. Stellt sich jedoch heraus, dass die europarechtliche Ausgestaltung zahlreiche Inkon­ sistenzen und Systembrüche enthält oder das Verhältnis von Regel und Ausnahme erheblich gestört ist, bliebe zu klären, warum der deutsche Ge­ setzgeber bei der Umsetzung der Richtlinien nicht versucht hat, ein stimmig(er)es System zu schaffen. Schließlich hätte der deutsche Gesetzge­ ber im Gesetzgebungsprozess die Möglichkeit gehabt, neben den in der Richtlinie vorgesehen noch weitere Bereiche dem neuen GWB-Vergaberecht zu unterwerfen.193 In einem ersten Schritt soll daher zunächst auf die neuen Richtlinien eingegangen werden (unter I.), bevor anschließend die neuen deutschen Regelungen auf ihre verfassungsrechtliche Systemgerechtigkeit geprüft wer­ den (unter II.).

193  Vgl. Neun / Otting, EuZW 2014, 446 (448) sowie Höfer / Nolte, NZS 2015, 441 (445); zu vergaberechtlichen Handlungsspielräumen der Mitgliedstaaten vgl. auch Hertwig, NZBau 2015, 129 f.; vgl. zudem bereits oben Kap. 4 A.



D. Systemgerechtigkeit201

I. Neue Vergaberichtlinien Bei der Überprüfung des Anwendungsbereichs hinsichtlich Stimmigkeit und Konsistenz ist entscheidend, vor welchem Hintergrund und mit wel­ chem Ziel die Vergaberichtlinien erlassen wurden.194 Eines der zentralen Ziele der Europäischen Union ist gem. Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 EUV die Errichtung eines Binnenmarktes. Diesem Ziel wird eine herausragende Bedeutung zugemessen,195 weshalb es durch die in Art. 26 ff. AEUV normierten Grundfreiheiten umfassend gestützt und konkretisiert wird. An diese Grundfreiheiten knüpft ErwGrd 1 VRL an: Die Vergabe öffentlicher Aufträge habe im Einklang mit den im AEUV niedergelegten Grundsätzen zu erfolgen, insbesondere den Grundsätzen des freien Waren­ verkehrs, der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit. Aufträ­ ge ab einem gewissen (Schwellen-)Wert sollen daher bestimmten Regeln unterfallen, die gewährleisten, dass die Grundsätze praktische Anwendung finden und das öffentliche Auftragswesen für den Wettbewerb geöffnet wird. Zentrales Ziel der Vergaberichtlinien ist somit die Förderung des Bin­ nenmarktes und die Schaffung (möglichst) umfassenden Wettbewerbs.196 Der Begriff des Wettbewerbs wird deshalb mitunter als „Schlüsselbegriff“ der vergaberechtlichen Trias aus „Wettbewerb, Gleichbehandlung und Transparenz“ bezeichnet.197 Darüber hinaus sieht auch der EuGH den freien Dienstleistungsverkehr und die Öffnung für einen unverfälschten Wettbe­ werb in den Mitgliedstaaten als das Hauptziel der Gemeinschaftsvorschrif­ ten über das öffentliche Auftragswesen an.198 Ferner sollen mithilfe der Vergaberichtlinien zunehmend auch Aspekte des Umweltschutzes sowie soziale Aspekte gefördert werden (sog. strategische Beschaffung).199 Ein möglichst weitreichender Wettbewerb  – und damit eine optimale Förderung des Binnenmarktes  – wird grundsätzlich durch die Einbeziehung möglichst vieler Sachbereiche und Vergabekonstellationen in die Richtlinien an dieser Stelle Burgi, NZBau 2012, 601 (602). in: Streinz, EUV / AEUV, Art. 3 EUV Rn. 7 stellt fest, der Binnen­ markt sei „das wirtschaftliche Herzstück der Integration“; Ruffert, in: Calliess / Ruf­ fert, EUV / AEUV, Art. 3 EUV Rn. 22 spricht von einem „zentrale[n] Pfeiler der Unionsverfassung“. 196  Vgl. auch Braun, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 178 sowie Dreher, in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Vor §§ 97 ff. GWB Rn. 6 und 52 und EuGH, Urt. v. 11.01.2005, Rs. C-26 / 03, Slg. 2005, I-0001  – „Stadt Halle“, Rn. 44. 197  So Dreher, NZBau 2015, 1; vgl. zur Bedeutung dieser drei Grundsätze auch Burgi, NZBau 2008, 29 ff. 198  EuGH, Urt. v. 14.02.2008, Rs. C-450 / 06, Slg. 2008, I-0581 – „Varec“, Rn. 34 m. w. N.  – jetzt freilich die Unionsvorschriften. 199  Zur strategischen Beschaffung Gröning, VergabeR 2014, 339 (340 f.; 345 ff.). 194  Vgl.

195  Pechstein,

202

Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

erreicht. Das bedeutet umgekehrt: Je höher die Zahl der Ausnahmen, desto weniger Wettbewerb entsteht.200 Unter dieser Prämisse wäre der Anwen­ dungsbereich der Vergaberichtlinien durchaus weit zu ziehen und wären Ausnahmen auf das absolut Notwendige zu begrenzen. Allerdings darf freilich nicht verkannt werden, dass Ausnahmen und Sonderregelungen beim Bestehen gewichtiger Gründe möglich bleiben müssen.201 Schließlich ist die Schaffung des Binnenmarktes nicht das einzige Ziel der EU. Schon unter Beachtung der weiteren Ziele aus Art. 3 EUV muss dem europäischen Gesetzgeber ein recht weiter Gestaltungsspielraum zugestanden werden, der die Schaffung sachlich gerechtfertigter Ausnahmeregelungen erlaubt. Eine strenge Verpflichtung, möglichst viele Bereiche den Vergaberegeln zu unter­ werfen, muss daher abgelehnt werden. Zudem dürfen auch die tatsächlichen politischen Gegebenheiten nicht verkannt werden: Aufgrund der Vielzahl widerstreitender Partikularinteres­ sen im europäischen Rechtsetzungsprozess ist es in der Praxis oft gar nicht möglich, umfassende Regelwerke ohne Ausnahme- bzw. Sondervorschriften und Kompromisse zu erlassen.202 1. Notwendigkeit einer eigenständigen Regelung betreffend Konzessionen Die wohl am weitesten reichende Frage hinsichtlich des Anwendungsbe­ reichs ist die, ob auch (Dienstleistungs-)Konzessionen dem sekundärrechtli­ chen Vergaberegime unterworfen werden sollten und für diesen Bereich eine eigenständige Richtlinie notwendig ist. Wie schon angedeutet,203 gingen die Meinungen hierüber im Gesetzgebungsprozess weit auseinander. Die Kommission bejahte die Notwendigkeit einer eigenen Richtlinie und be­ gründete dies in ihrem Richtlinienentwurf204 mit den nur spärlich vorhande­ nen Vorschriften zu Baukonzessionen und der alleinigen Geltung des Pri­ märrechts für Dienstleistungskonzessionen. Die demnach bestehende Rege­ lungslücke habe schwerwiegende Verzerrungen des Binnenmarktes zur Folge205 und beschränke insbesondere den Zugang europäischer Unterneh­ men (v. a. KMU) zu den mit Konzessionen verbundenen wirtschaftlichen 200  So auch Braun, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 178 und bereits ders., EuZW 2012, 451 (455). 201  In diese Richtung auch Braun, EuZW 2012, 451 (455). 202  Insofern sei hier auf die bereits oben (Kap. 2 A.) beschriebene Problematik der sog. „package deals“ verwiesen. 203  Vgl. Kap. 3 B. I. 4. a). 204  KOM(2011) 897 endg. 205  So auch explizit Braun, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 176.



D. Systemgerechtigkeit203

Möglichkeiten. Zudem beeinträchtige die angeblich mangelnde Rechts­ sicherheit die Effizienz. Ein angemessener Rechtsrahmen könne demgegen­ über öffentliche und private Investitionen in Infrastrukturen und strategische Dienstleistungen bei einem optimalen Preis-Leistungs-Verhältnis fördern.206 Hauptziel einer eigenständigen Richtlinie sei es daher, den für Konzessio­ nen geltenden Rechtsrahmen zu klären.207 Die Kodifizierungsgegner betonten u. a., die Vergabe von Baukonzessio­ nen sei bereits ausreichend im sekundärrechtlichen Vergaberecht geregelt und auch für Dienstleistungskonzessionen seien Gleichbehandlung, Nicht­ diskriminierung und Transparenz bereits hinreichend gewährleistet.208 In Verbindung mit der Rechtsprechung des EuGH gäben die europäischen Vorgaben zwingend, detailliert und präzise die Kriterien vor, nach denen eine Dienstleistungskonzession vorliegt und vergeben werden darf.209 Die bisherigen Regelungen seien deswegen für den Bereich der Konzessionen völlig ausreichend (gewesen). Eine weitere europäische Regelung berge die Gefahr zusätzlicher bürokratischer Vorgaben zulasten von Flexibilität sowie Attraktivität der Konzessionsvergabe210 und führe letztlich zu höheren Kos­ ten für die Verbraucher.211 Auch im Hinblick auf die Besonderheiten der verschiedenen betroffenen Branchen verböten sich daher zusätzliche forma­ le Regelungen.212 Weiterhin seien entsprechende Verzerrungen des Binnen­ marktes nicht festgestellt worden und es sei nicht ersichtlich, inwieweit durch eine eigenständige Regelung zusätzliche Wettbewerbsanreize geschaf­ fen werden könnten.213 Den Kritikern der KVR ist zuzugestehen, dass durch die Schaffung einer eigenständigen Konzessionsrichtlinie ein weiterer Bereich umfassend „ver­ rechtlicht“ und somit die Flexibilität der öffentlichen Auftraggeber merk­ lich eingeschränkt wird. Schließlich ist die neue Regelung mit 88 Erwä­ gungsgründen, 55 Artikeln und elf Anhängen auf insgesamt 64 Seiten doch recht umfangreich geraten.214 Allerdings sind letztlich keine Gründe er­ 206  KOM(2011)

897 endgültig, S. 2. 897 endgültig, S. 6. 208  Bundesrat, Beschl. v. 11.02.2011, BR-Drs. 698 / 10, S. 8 (Nr. 17). 209  Prieß / Marx / Hölzl, NVwZ 2011, 65 (72). 210  Bundesrat, Beschl. v. 11.02.2011, BR-Drs. 698 / 10, S. 8. 211  Ausschuss für Wirtschaft und Technologie des Deutschen Bundestages, Be­ schl. v. 21.03.2012, BT-Drs. 17 / 9069, S. 2. 212  Prieß / Marx / Hölzl, NVwZ 2011, 65 (71). 213  Bundesrat, Beschl. v. 11.02.2011, BR-Drs. 698 / 10, S. 8 f.; Europäisches Par­ lament, Entschließung vom 25.10.2011, 2011 / 2048(INI), Nr. 7; Europäischer Wirt­ schafts- und Sozialausschuss, ABl. EU Nr. C 191 / 84 v. 29.06.2012, Punkte 1.17 und 5.2; Prieß / Marx / Hölzl, NVwZ 2011, 65 (71). 214  Vgl. Siegel, VergabeR 2015, 265 (266). 207  KOM(2011)

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

sichtlich, warum der Bereich der Konzessionsvergaben grundlegend anders behandelt werden sollte als der der klassischen Auftragsvergabe.215 Denn der Unterschied zwischen Aufträgen und Konzessionen besteht im Wesent­ lichen nur darin, auf wessen Seite das Betriebsrisiko liegt.216 Wird das Betriebsrisiko vom (öffentlichen) Auftraggeber getragen, liegt ein Auftrag vor, andernfalls  – nach hier vertretener Auffassung aber erst beim Über­ gang eines wirklich beträchtlichen (wesentlichen) Risikos auf den Auftrag­ nehmer217  – eine Konzession. Allein dieser Umstand vermag keine im Grundsatz unterschiedliche Behandlung zu rechtfertigen.218 Am Beschaf­ fungsvolumen und der Möglichkeit zur Gewinnerzielung für den Auftrag­ nehmer ändert die Form der Ausgestaltung nämlich wenig. Zwar werden dem Auftragnehmer im Falle einer Konzession ggf. recht weitreichende Risiken auferlegt. Bei Zugrundelegung einer kaufmännisch vernünftigen Kalkulation (einschließlich einer Absicherung gegen eventuelle Risiken) kann der Auftragnehmer aber trotzdem einen angemessen Betrag als Ge­ winn erwirtschaften. Für eine sekundärrechtliche Regelung betreffend Konzessionen spricht zudem auch die Schaffung erhöhter Rechtssicherheit.219 Freilich mögen die bisherigen primärrechtlichen Regelungen angesichts der Rechtsprechung des EuGH relativ weit konkretisiert gewesen sein. Gewisse Rechtsunsi­ cherheiten für die betroffenen Unternehmen und Auftraggeber bestanden aber gerade im Bereich der Dienstleistungskonzessionen dennoch: Neben dem Fehlen klar und eindeutig festgeschriebener Verfahrensregelungen auf europäischer Ebene hatten auch die meisten Mitgliedstaaten keine diesbe­ züglichen Vorschriften erlassen.220 Durch unterschiedliche Interpretationen 215  In diesem Sinne auch Fritz / Seidler, EuZW 2010, 933 (938), die feststellen, dass die Ausnahme der Dienstleistungskonzessionen aus den Vergaberichtlinien „sich juristisch […] nicht begründen“ lässt. 216  Vgl. Stein, in: Vergaberecht im Umbruch II, S. 101 (108): „Gemeinsames Abgrenzungskriterium ist der Übergang des Betriebsrisikos auf den Konzessionsneh­ mer […].“ 217  Vgl. oben unter Kap. 3 B. I. 4. b) bb) (2). 218  Vgl. bereits die Ausführungen bei Burgi, NZBau 2005, 610 (610), der fest­ stellt, dass der Bereich der Dienstleistungskonzessionen (damals) „merkwürdiger­ weise […] unreguliert“ war. Hattig / Ruhland, NZBau 2005, 626 (630) stellen zudem aus deutscher Perspektive fest, dass „[a]us verfassungsrechtlicher Sicht kein Grund [bestehe], die Vergabe einer Dienstleistungskonzession anders als die Vergabe eines klassischen öffentlichen Auftrags zu behandeln“. Ähnlich argumentiert auch Vavra, VergabeR 2010, 351 (358 ff.). 219  In diesem Sinne auch Hattig / Ruhland, NZBau 2005, 626 (630) sowie Braun, EuZW 2012, 451 (453). 220  Fritz / Seidler, EuZW 2010, 933 (934); Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (363); vgl. auch Burgi, NZBau 2005, 610 (614). Vgl. zudem auch Knauff, Ver­



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der (naturgemäß einzelfallbezogenen) Rechtsprechung des EuGH wurden die primärrechtlichen Anforderungen daher uneinheitlich angewandt,221 wo­ durch insbesondere KMU der Marktzugang erheblich erschwert worden sein dürfte.222 Hinzu kommt, dass Verfahrensfehler aufgrund der Nichtan­ wendbarkeit der Rechtsmittelrichtlinien223 nicht immer effektiv geltend ge­ macht werden konnten224 und teils absurde Konstellationen entstehen konnten  – beispielsweise dann, wenn (wegen noch nicht vorhersehbarer Ausgestaltung der Angebote) noch nicht einmal der Auftraggeber wusste, ob letztlich ein Dienstleistungsauftrag oder eine Dienstleistungskonzession vergeben wird225. Entgegen den Behauptungen der Kodifizierungsgegner waren Gleichbe­ handlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz daher zumindest für den Bereich der Dienstleistungskonzessionen bislang nicht hinreichend gewähr­ leistet. Die Schaffung einer eigenen Richtlinie für die Konzessionsvergabe stellt nun einen sinnvollen Versuch dar, dies zu ändern und Rechtssicherheit zu schaffen;226 eindeutig festgeschriebene Verfahrensanforderungen führen zudem zu einem Mehr an Wettbewerb, da Unternehmen einfacher planen und Risiken besser abschätzen können.227 Zu begrüßen ist dies umso mehr vor dem Hintergrund, dass mittlerweile in vielen Bereichen Konzessionsmodelle verwendet werden228 und die Bedeutung der Konzession als Beschaffungs­ gabeR 2008, 312 (313), der feststellt: „Völlige Unsicherheit lässt sich im Hinblick auf die Anforderungen für die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen feststellen. Insoweit besteht überhaupt keine ausdrückliche Regelung […]“. 221  Fritz / Seidler, EuZW 2010, 933 (934); vgl. auch Schwab / Giesemann, Ver­ gabeR 2014, 351 (363). 222  Knauff / Badenhausen, NZBau 2014, 395 (395). 223  Richtlinie 89 / 665 / EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvor­ schriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge v. 21.12.1989 (ABl. EU Nr. L 395 / 33 v. 30.12.1989) sowie Richtlinie 92 / 13 / EWG zur Koordinierung der Rechts- und Ver­ waltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrs­ versorgung sowie im Telekommunikationssektor v. 25.02.1992 (ABl. EU Nr. L 76 / 14 v. 23.03.1992). 224  Knauff / Badenhausen, NZBau 2014, 395 (395); Fritz / Seidler, EuZW 2010, 933 (934); vgl. auch Ruhland, Dienstleistungskonzession, S. 262 ff. sowie Vavra, VergabeR 2010, 351 (360 f.). 225  Vgl. das Beispiel bei Vavra, VergabeR 2010, 351 (359 f.). 226  Für die Schaffung eines klaren Rechtsrahmens für die Vergabe von Dienstleis­ tungskonzessionen bereits Hattig / Ruhland, NZBau 2005, 626 (627). 227  Ähnlich Braun, EuZW 2012, 451 (453). 228  Vgl. die Aufzählung bei Braun, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 157 sowie die Erwägungen von Opitz, NVwZ 2014, 753 (754 mit zugehöriger Fn. 16).

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

modell zukünftig wohl noch deutlich steigen wird.229 Möglichen Verzerrun­ gen des Binnenmarktes230 wird somit effektiv entgegengewirkt. Im Ergebnis ist mit dem Erlass der KVR eine weitreichende Regelungs­ lücke im sekundärrechtlichen europäischen Vergaberecht zurecht geschlos­ sen worden.231 Die KVR vervollständigt das System des europäischen Vergaberechts232 und fördert den unionsweiten Wettbewerb. Zweckmäßig ist dabei auch, dass Bau- und Dienstleistungskonzessionen nun gleich zu be­ handeln sind und die Vorschriften in einem Regelwerk zusammengefasst wurden. 2. Allgemeiner Anwendungsbereich Der allgemeine Anwendungsbereich von VRL und SRL ist nicht grundle­ gend geändert worden, was zu begrüßen ist. Die in der SRL vorgenommene Unterscheidung zwischen „Auftraggebern“ und „öffentlichen Auftraggebern“ ist lediglich begrifflicher Natur und hat dort keine tiefgreifenden Konse­ quenzen. Ein Anlass für umfassende Änderungen der vergaberechtlichen Grunddefinitionen (öffentlicher) „Auftrag“, „Auftraggeber“ etc. ergab sich im Gesetzgebungsverfahren für SRL und VRL nicht und ist auch aktuell nicht ersichtlich. Die grundlegenden Definitionen sind entsprechend auch in der KVR wiederzufinden. Die auch dort angelegte Unterscheidung zwischen „Auf­ traggebern“ und „öffentlichen Auftraggebern“ hat allerdings zur Folge, dass fortan auch für die meisten233 Sektorenauftraggeber die sekundärrechtlichen Regeln der Konzessionsvergabe gelten.234 Da auch im Sektorenbereich kei­ ne grundlegenden Unterschiede zwischen öffentlichen Aufträgen und Kon­ zessionen herrschen, erscheint diese Regelung nur konsequent und ist vor dem Hintergrund eines weitreichenden Wettbewerbs und erhöhter Rechts­ sicherheit zu begrüßen.235 229  Opitz, NVwZ 2014, 753 (754) spricht im Anschluss an Burgi, NZBau 2005, 610 (611) von einem „boomende[n] Zukunftsmodell“; ähnlich auch Braun, EuZW 2012, 451 (455). 230  Dass derartige Verzerrungen tatsächlich bestanden, erläutert Braun, EuZW 2012, 451 (454). 231  So ebenfalls Burgi, ZHR 2014, 2 (2 f.); vgl. auch Ruthig, NZBau 2016, 3 (3), der die Einbeziehung der Dienstleistungskonzessionen ebenfalls begrüßt. 232  So Knauff / Badenhausen, NZBau 2014, 395 (401). 233  Wegen Art. 12 KVR jedoch nicht im Bereich der Trinkwasserversorgung. 234  Hierzu bereits oben Kap. 3 B. I. 4. b). 235  Kritisch hingegen Schäfer, in: Vergaberecht im Umbruch II, S. 149 (169), der auf die größere Wirtschaftsnähe der Sektorenauftraggeber verweist, die eine Rege­ lung überflüssig mache.



D. Systemgerechtigkeit

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3. Sonderregime für soziale und andere besondere Dienstleistungen Zu einer gewissen inhaltlichen Erweiterung des Anwendungsbereichs ha­ ben auch die jeweiligen Sonderregime für soziale und andere besondere Dienstleistungen in den drei Richtlinien geführt. In Anbetracht weitgehen­ den Wettbewerbs ist dies grundsätzlich zu begrüßen. Zwar hätten die ent­ sprechenden Dienstleistungen auch dem allgemeinen (strengeren) Anwen­ dungsbereich der Richtlinien unterworfen werden können. Die Tatsache, dass für die entsprechenden Dienstleistungen aufgrund ihrer speziellen Ei­ genart und der unterschiedlichen kulturellen Traditionen in den einzelnen Mitgliedstaaten236 weniger strenge Sonderregeln geschaffen wurden, ist jedoch durchaus nachvollziehbar.237 Schließlich würde z. B. eine weitge­ hende Ökonomisierung und Wettbewerbsorientierung insbesondere sozialer Dienstleistungen den Anforderungen aus der Praxis nicht immer gerecht werden.238 Zudem ist die Binnenmarktrelevanz derartiger Dienstleistungen aufgrund dessen Personengebundenheit regelmäßig eingeschränkt, vgl. ­ErwGrd 114 VRL. Zu respektieren sind daher auch die etwas erhöhten Schwellenwerte in VRL (€  750.000,–) und SRL (€  1.000.000,–), dessen genaue Höhen letztlich das Ergebnis eines politischen Kompromisses sind.239 Kritisiert wird jedoch mitunter die Auswahl der von den Sonderregimen erfassten Dienstleistungen. Diese wirke willkürlich und sei anders als in den Erwägungsgründen dargelegt240 wohl nicht am Maßstab der Binnenmarktre­ levanz vorgenommen worden.241 Und tatsächlich erschließt sich nicht ganz, warum z. B. die „Reifenrunderneuerung“, oder die Organisation von „Mo­ denschauen“, „Festivals“ und „Parties“ in den Anwendungsbereich der Sonderregeln fällt, während beispielsweise der Bereich der Wirtschaftsprü­ 236  Vgl.

ErwGrd 114 VRL. Lau, Gespräche 2013, S. 43 (45). 238  Vgl. in diesem Zusammenhang beispielsweise das Positionspapier „Eckpunk­ te für eine qualitätsorientierte und sozial ausgewogene Vergabe von Arbeitsmarkt­ dienstleistungen“ mehrerer Gewerkschaften und Verbände v. 01.10.2014, abrufbar im Internet unter http: /  / www.bagarbeit.de / themen / key@1128  – zuletzt abgerufen am 25.08.2015; a. A.: Braun, EuZW 2012, 451 (455). 239  Die Höhe des Schwellenwertes war im Rechtsetzungsverfahren umstritten. Während die Kommission für die VRL ursprünglich € 500.000,– vorgesehen hatte, hielt das Parlament zwischenzeitlich € 1.000.000,– für sinnvoll, vgl. Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (358). In der KVR existiert hingegen nur ein einheit­ licher Schwellenwert (ursprünglich € 5.186.000,–, jetzt (2016 / 17) € 5.225.000,–). 240  Vgl. ErwGrd 114 VRL, ErwGrd 120 SRL und ErwGrd 53 KVR. 241  So bei Opitz, VergabeR 2014, 369 (371) hinsichtlich Anhang XVII der SRL. Dies dürfte sich aber auch auf die beiden anderen Richtlinien übertragen lassen. 237  A. A.

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

fung  – der mit den erfassten Dienstleistungen im juristischen Bereich zu­ mindest vergleichbar ist  – nicht erfasst wird.242 4. Öffentliche Aufträge zwischen Einrichtungen des öffentlichen Sektors a) Freistellung als solche und einzelne Tatbestandsmerkmale Im Bereich der In-House- und In-State-Geschäfte muss sinnvollerweise zwischen der Rechtfertigung der Freistellung243 als solcher und ihrer spezi­ fischen Reichweite differenziert werden. Die Freistellung als solche war bereits vor Erlass der neuen Richtlinien in der Rechtsprechung des EuGH und der vergaberechtlichen Literatur fest verankert. Es ist daher wenig ver­ wunderlich, dass der europäische Gesetzgeber sich entschlossen hat, diese nun ausdrücklich in die Richtlinien aufzunehmen. Dies ist sachlich gut vertretbar, wenn man bedenkt, dass es den öffentlichen Auftraggebern im Grundsatz freistehen muss, ihre Aufgaben mit eigenen Mitteln oder in Zu­ sammenarbeit mit anderen öffentlichen Stellen zu erfüllen („make or buy“ oder „Grundsatz der Ausschreibungsfreiheit der Eigenerledigung“).244 Eine ausnahmslose Pflicht zur Beauftragung Externer kann nicht bestehen und wird auch im nationalen deutschen Recht von § 7 BHO nicht gefordert. Vor diesem Hintergrund kann es keinen Unterschied machen, ob die Vergabe an eine  – im Wege der Privatisierung entstandene  – rechtlich selbstständige, aber vom Auftraggeber beherrschte Gesellschaft oder an eine eigene Dienst­ stelle erfolgt.245 In beiden Fällen wird  – bei Einhaltung der speziellen Kri­ terien von In-House- bzw. In-State-Vergabe  – der Hauptzweck des sekun­ därrechtlichen Vergaberechts (Förderung des Binnenmarktes und Schaffung weitreichenden Wettbewerbs, s. o.) nicht berührt, so dass die Anwendung der Vergaberegeln nicht geboten erscheint.246 242  Opitz, VergabeR 2014, 369 (371) ist somit uneingeschränkt zuzustimmen. Ähnliches gilt zudem auch für den Bereich der „Schmiedearbeiten“, siehe hierzu Pünder, Gespräche 2015, S. 77 (82), welcher Anhang XIV VRL als einen „sehr heterogenen Katalog“ bezeichnet und formuliert: „Erfasst werden auch  – man kann es kaum glauben  – die ‚Reifenrunderneuerung‘ und ‚Schmiedearbeiten‘ “. 243  Da dogmatisch in diesen Konstellationen bereits kein öffentlicher Auftrag vorliegt, soll hier der Begriff „Freistellung“ verwendet werden. Die Bezeichnung als In-House- oder In-State-„Ausnahme“ wäre insofern irreführend. 244  U. a. EuGH, Urt. v. 13.11.2008, Rs. C-324 / 07, Slg. 2008, I-8457  – „Coditel Brabant“, Rn. 48; Burgi, NZBau 2012, 601 (604); Ziekow, in: Ziekow / Völlink, Ver­ gaberecht, § 99 GWB Rn. 92 ff., 143. 245  Ziekow, in: Ziekow / Völlink, Vergaberecht, § 99 GWB Rn. 3; vgl. auch Dreher, NZBau 2004, 14 (18) sowie Raabe, VergabeR 2012, 697 (701). 246  Ebd.; ähnlich auch Soudry, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 13.



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Umstritten war im Gesetzgebungsverfahren hingegen die genaue Reich­ weite der Ausnahmeregelungen. Zu nennen ist dabei insbesondere das We­ sentlichkeitskriterium aus Art. 12 Abs. 1 UAbs. 1 lit. b) VRL. Wie bereits festgestellt, ist die  – im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage weniger strenge – Tätigkeitsquote von 80 % das Ergebnis eines politischen Kompro­ misses. Allerdings wird diese Absenkung mitunter als sehr weitgehend an­ gesehen.247 Der Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien wird hierdurch deutlich eingeschränkt. Dies ist aus Sicht der Industrie248 und im Hinblick auf die Wettbewerbsausrichtung des Vergaberechts wenig erfreulich. Zwar wurde mit der Änderung eine Angleichung an die 80 %-Regelung für die Auftragsvergabe an ein verbundenes Unternehmen (bislang Art. 23 Abs. 3 SKR, nunmehr Art. 29 Abs. 4 SRL) erreicht249. Über den bloßen Wunsch nach einer erhöhten Flexibilität für bestimmte nationale Institutionen250 hi­ nausgehende, zwingende Gründe für die Herabsetzung sind jedoch nicht ersichtlich. Interessant wird zukünftig insbesondere sein, wie der EuGH mit dieser Änderung umgehen wird.251 Ähnliches gilt zudem für das 20 %-Kri­ terium des Art. 12 Abs. 4 lit. c) VRL, das dem Wesentlichkeitskriterium spiegelbildlich entspricht. Darüber hinaus erlangte auch Art. 12 Abs. 1 UAbs. 1 lit. c) VRL (keine direkte Kapitalbeteiligung an der kontrollierten juristischen Person) im Ge­ setzgebungsverfahren besondere Beachtung. Aufgrund dessen – oben darge­ legter252 – lediglich geringer Auswirkungen auf den Anwendungsbereich des Vergaberechts wäre es hier aber überzogen, von einem „Sündenfall“253 zu sprechen und den europäischen Gesetzgeber eingehend zu kritisieren. Aus­ weislich ErwGrd 32 VRL wurde die Ausnahme für den Fall privater Zwangsmitgliedschaften in öffentlichen Einrichtungen geschaffen, eine (weitreichende) Einschränkung des Wettbewerbs ergibt sich hieraus nicht. b) Neu geregelte In-House-Konstellation: Schwesternbeauftragung (sog. horizontales In-House-Geschäft) Hervorzuheben ist weiterhin die nach Art. 12 Abs. 2, 2.  Fall VRL nun ebenfalls explizit vergaberechtsfreie Beauftragung von Schwestergesell­ 247  Müller / Klostermann,

ZfBR 2014, 347 (350). Gespräche 2013, S. 43 (45 und 48); Schäfer, in: Vergaberecht im Um­ bruch II, S. 149 (161 f.). 249  Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (354). 250  Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (354). 251  Vgl. Müller / Klostermann, ZfBR 2014, 347 (350). 252  Vgl. Kap. 3 B. I. 2. a) bb) (1). 253  So Gröning, Gespräche 2013, S. 40. 248  Lau,

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

schaften. Diese Konstellation wurde vom EuGH bislang nicht entschieden, sondern konnte erst jüngst in einem Urteil vom 8.  Mai 2014 ausdrücklich offengelassen werden.254 In der Literatur war die Zulässigkeit dieser Kons­ tellation hingegen stark umstritten.255 Aus dogmatischer Sicht stellt sich insbesondere256 die Frage, ob in dieser Konstellation sowohl das Kontrollals auch das Wesentlichkeitskriterium erfüllt sind: aa) Kontrollkriterium Im Zusammenhang mit dem Kontrollkriterium wird gegen eine vergabe­ rechtsfreie Schwesternbeauftragung vorgebracht, dass es an der charakteristi­ schen Einbeziehung der kontrollierenden Muttergesellschaft und folglich an der Vergleichbarkeit mit der klassischen In-House-Vergabe fehle.257 Zumin­ dest vom Wortsinn liege das Kontrollkriterium daher nicht vor.258 Die beiden Schwestergesellschaften unterlägen nicht der gegenseitigen unmittelbaren oder mittelbaren Kontrolle, so dass eine direkte Anwendung der In-HouseGrundsätze ausscheide.259 Aber auch eine indirekte Anwendung sei nicht möglich, da Ausnahmen vom Anwendungsbereich des Vergaberechts nur in eng begrenzten Fällen möglich seien und der EuGH klargestellt habe, dass für die Anwendung der europäischen Vergaberichtlinien grundsätzlich bereits das Vorliegen eines Vertrages zwischen zwei rechtlich verschiedenen Perso­ nen ausreiche. Der Gerichtshof habe das In-House-Geschäft bewusst nur auf die unmittelbar am vertraglichen Austauschgeschäft beteiligten Rechtsträger bezogen.260 Von anderer Seite wird zudem angemerkt, der EuGH261 gehe ex­ 254  EuGH, Urt. v. 08.05.2014, Rs. C-15 / 13  – „TU Hamburg-Harburg“, Rn. 33; vgl. auch Dreher, in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, § 99 GWB Rn. 135. Gegen eine vergaberechtsfreie Schwesternbeauftragung hingegen VK Hamburg, Be­ schl. v. 30.11.2011  – VgK FB 7 / 11, Rn. 53. 255  Aufgrund einer fehlenden Entscheidung des EuGH fanden sich in der Litera­ tur naturgemäß auch Mutmaßungen darüber, wie die bisherige Rechtsprechung zu verstehen sei und wie der Gerichtshof die vorliegende Konstellation entscheiden würde. Mangels zukünftiger Relevanz sollen derartige Spekulationen hier jedoch nicht besonders ausführlich gewürdigt werden. Entscheidend ist in erster Linie, ob die Erstreckung der In-House-Freistellung auf die Beauftragung von Schwesterge­ sellschaften sachlich gerechtfertigt erscheint oder nicht. 256  Zum Beteiligungskriterium vgl. ErwGrd 32 VRL sowie Dabringhausen, Ver­ gabeR 2014, 512 (520). 257  Brockhoff, VergabeR 2014, 625 (631). 258  Schröder, NZBau 2005, 127 (129). 259  Ebd. 260  Schröder, NZBau 2005, 127 (129 f.). 261  Gemeint ist EuGH, Urt. v. 10.11.1998, Rs. C-360 / 96, Slg. 1998, I-6821  – „Gemeente Arnhem“, Rn. 56 f.



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plizit von einer vergaberechtlichen Unabhängigkeit von Unternehmen inner­ halb eines Konzerns aus;262 „Infizierungen“ durch die Auftraggebereigen­ schaft anderer konzernverbundener Unternehmen erfolgten nicht.263 Nach dieser Argumentation wäre das Kontrollkriterium im Falle der Schwesternbe­ auftragung nicht erfüllt, so dass die Konstellation nicht unter die In-HouseFreistellung fiele. Gegen diese Argumentation spricht jedoch, dass es mit Blick auf den Sinn und Zweck des Vergaberechts keinen Unterschied machen kann, ob die Konzernstruktur (nur) vertikal oder (auch) horizontal ausgestaltet ist.264 Die Vergaberichtlinien sollen erst dann greifen, wenn der staatliche Bereich verlassen wird265  – und dies ist hier eben nicht der Fall. Es erscheint wi­ dersprüchlich, wenn es der Muttergesellschaft zwar möglich sein soll, Auf­ träge vergaberechtsfrei an ihre Tochtergesellschaften zu vergeben, Aufträge zwischen den einzelnen  – von der Muttergesellschaft kontrollierten  – Ge­ sellschaften jedoch in den Anwendungsbereich des Vergaberechts fielen.266 Insofern ist hier eine eher funktionale Sichtweise geboten.267 Unzulässige Wettbewerbsverzerrungen liegen im Falle der Schwesternbe­ auftragung nicht vor, schließlich steht es der Muttergesellschaft kraft ihrer Kontrolle jederzeit frei, eine der beiden Schwester- / Tochtergesellschaften (ohne Beachtung des Vergaberechts) anzuweisen, einen Auftrag für die je­ weils andere Gesellschaft auszuführen.268 Fehl geht daher das von Schrö­ der269 zusätzlich vorgetragene Argument, die rechtlich selbstständigen Schwestergesellschaften handelten im Innenverhältnis eigenständig und sei­ en deshalb als unabhängige operative „Unternehmenseinheiten“ des ge­ meinsamen Muttergesellschafters zu bewerten.270 Ähnliches gilt auch für die aufgezeigte Argumentation Ziekows271, wonach der EuGH explizit von 262  So explizit Ziekow, VergabeR 2006, 608 (613) mit Verweis auf ders., NZBau 2004, 181 ff.; ähnlich wiederum Schröder, NZBau 2005, 127 (130). 263  Ziekow, VergabeR 2006, 608 (613) mit Verweis auf ders., NZBau 2004, 181 (185 ff.). 264  Dreher, NZBau 2004, 14 (18). 265  Dabringhausen, NZBau 2009, 616 (617) mit Verweis auf Michaels, NZBau 2004, 27 (28); in die gleiche Richtung Dreher, NZBau 2004, 14 (18). 266  Orlowski, NZBau 2007, 80 (87). 267  Vgl. Hardraht, In-house-Geschäfte, S. 175; Dreher, NZBau 2004, 14 (18 f.). 268  So Krajewski / Wethkamp, DVBl. 2008, 355 (359); dies übernehmend auch Dabringhausen, NZBau 2009, 616 (617). 269  NZBau 2005, 127 (130). 270  So ebenfalls  – mit etwas näheren Erläuterungen  – Dabringhausen, NZBau 2009, 616 (618). 271  VergabeR 2006, 608 (613).

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

einer vergaberechtlichen Unabhängigkeit von Unternehmen innerhalb eines Konzerns ausgehe.272 Der Charakter des In-House-Geschäfts wird demnach durch eine Schwes­ ternbeauftragung nicht per se beeinträchtigt; es handelt sich lediglich um die praktischen Auswirkungen einer speziellen Unternehmensorganisation.273 Die von der auftraggebenden Schwestergesellschaft vergebenen Aufträge sind deswegen der Muttergesellschaft zuzurechnen.274 Im Ergebnis ist es ausreichend, wenn die Muttergesellschaft über beide Schwester- / Tochterge­ sellschaften eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausübt bzw. ausüben kann.275 bb) Wesentlichkeitskriterium Für die Zulässigkeit der In-House-Vergabe müssen grundsätzlich mehr als 80 % der Tätigkeiten der kontrollierten juristischen Person der Ausführung der Aufgaben dienen, mit denen sie von dem die Kontrolle ausübenden öffentlichen Auftraggeber oder von anderen von diesem kontrollierten juris­ tischen Personen betraut wurden, Art. 12 Abs. 1 lit. b) VRL. In der Literatur wird allerdings vertreten, dass es sich bei dem einleitenden Wortlaut des Art. 12 Abs. 2 VRL („Absatz  1 gilt auch, wenn…“) um eine Rechtsfolgenverweisung handele, so dass die dort geregelte Konstellation der Schwes­ ternbeauftragung vom Wesentlichkeitskriterium befreit sei.276 Eine Rechts­ grundverweisung sei nämlich schwerlich anzunehmen, wenn der Gesetzge­ ber sich die Mühe mache, Kontroll- und Beteiligungskriterium mit vollem, kompliziertem, Wortlaut auszuformulieren.277 Dagegen spricht jedoch schon, 272  Dabringhausen, NZBau 2009, 616 (618) weist hinsichtlich der Argumentation Ziekows zudem darauf hin, dass der EuGH (Urt. v. 10.11.1998, Rs. C-360 / 96, Slg. 1998, I-6821  – „Gemeente Arnhem“, Rn. 56 f.) lediglich entschieden habe, dass die Tatsache, dass ein Unternehmen, welches zu einer Gruppe oder einem Konzern ge­ hört und öffentlicher Auftraggeber ist, nicht bewirkt, dass auch alle weiteren Kon­ zernunternehmen als öffentliche Auftragnehmer anzusehen seien. Aus der Entschei­ dung des EuGH lasse sich lediglich folgern, dass bei der Beurteilung eines InHouse-Geschäfts der Status jedes daran beteiligten Unternehmens einzeln geprüft werden müsse. Gegen die Ansicht Ziekows  – unter Heranziehung weiterer EuGHRechtsprechung  – explizit auch Elbel, VergabeR 2011, 185 (192). 273  Dreher, NZBau 2004, 18 (19); Dabringhausen, NZBau 2009, 616 (617). Zu veränderter Verwaltungsorganisation vgl. näher Elbel, VergabeR 2011, 185 (192 f.). 274  Dreher, NZBau 2004, 18 (19). 275  Orlowski, NZBau 2007, 80 (87); Soudry, in: Hettich / Soudry, Vergabericht­ linien, S. 19. 276  So Dabringhausen, VergabeR 2014, 512 (521). 277  Ebd.



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dass das Kontrollkriterium in Art. 12 Abs. 2 VRL nur verkürzt dargestellt ist und die Schwestergesellschaften bei einem Wegfall des Wesentlichkeitskri­ teriums ohne jegliche Beschränkung am Markt agieren könnten.278 Letzteres widerspräche in grundlegender Weise der bisherigen Rechtsprechung des EuGH, in der für die In-House-Vergabe stets ein wesentliches Tätigwerden für den öffentlichen Auftraggeber gefordert wurde.279 Es dürfte sich daher – auch angesichts des Wortlautes von ErwGrd  31 VRL („präzisieren“)  – le­ diglich um eine gesetzgeberische Unschärfe und damit im Ergebnis um eine Rehtsgrundverweisung handeln.280 Weiterhin stellt sich jedoch die Frage, ob die im konkreten Fall beauf­ tragte (Schwester-)Gesellschaft für die kontrollierende Muttergesellschaft oder aber für die beauftragende Schwestergesellschaft tätig werden muss. Dies war bislang in der Literatur umstritten281 und wird auch durch die VRL und das novellierte GWB nicht explizit beantwortet.282 Zieht man ei­ nen Vergleich zur Vorschrift des Art. 12 Abs. 3 UAbs. 1 lit. b) VRL, der die Erfüllung des Wesentlichkeitskriteriums im Fall mehrerer öffentlicher Auf­ traggeber vorgibt, dürfte es jedoch nicht entscheidend darauf ankommen, für wen die entsprechenden Tätigkeiten erbracht werden.283 Und selbst wenn man im Grundsatz eine Leistungserbringung gegenüber der Mutterge­ sellschaft fordert, führt dies zu keinem anderen Ergebnis, da die Mutterge­ sellschaft sich eine Leistungserbringung gegenüber der den Auftrag verge­ benden Schwestergesellschaft  – in Fortführung der soeben beim Kontroll­ kriterium vertretenen Ansicht – zurechnen lassen müsste.284 Das Wesentlich­ keitskriterium steht somit einer Schwesternbeauftragung ebenfalls nicht im Wege.

278  Greb,

VergabeR 2015, 289 (293); Ziekow, NZBau 2015, 258 (262). VergabeR 2015, 289 (293); st. Rspr. seit EuGH, Urt. v. 18.11.1999, Rs. C-107 / 98, Slg. 1999, I-8121  – „Teckal“, Rn. 50, vgl. die weiteren Nachweise bei Schotten / Hüttinger, in: Dreher / Motzke, Vergaberecht, § 99 GWB Rn. 48. 280  So Greb, VergabeR 2015, 289 (293), der gegen das Vorliegen einer Rechtsfolgenverweisung zudem eine analoge Betrachtung des Konzernprivilegs der SRL vorbringt: Auch dort setzten horizontale Aufträge stets voraus, dass der Auftragneh­ mer als mit dem Auftraggeber verbundenes Unternehmen in bestimmtem Umfang für den Auftraggeber tätig war. Für das Vorliegen einer Rechtsgrundverweisung spricht auch S. 81 BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzesbegründung zum VergRModG). 281  Für eine Tätigkeit für die auftraggebende Schwestergesellschaft z. B. Dreher, NZBau 2004, 14 (18 f.); a. A., d. h. für eine Leistungserbringung im Wesentlichen für die Muttergesellschaft Schröder, NZBau 2005, 127 (130). 282  Für die VRL vgl. Soudry, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 19 f. 283  Soudry, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 20. 284  Orlowski, NZBau 2007, 80 (87). 279  Greb,

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

cc) Zwischenergebnis Weder das Kontroll- noch das Wesentlichkeitskriterium stehen im Ergeb­ nis einer Schwesternbeauftragung entgegen. Die Zulässigkeit der Schwes­ ternbeauftragung im Rahmen der In-House-Vergabe stellt sich vielmehr als konsequente und folgerichtige Fortführung der In-House-Rechtsprechung des EuGH dar. Die Aufnahme in die neuen Richtlinien ist mithin zu be­ grüßen. 5. Schwellenwerte Zentrale Bedeutung für die Weite des Anwendungsbereichs kommt auch den Schwellenwerten zu. Im Bereich von VRL und SRL hat sich jedoch nicht viel geändert  – aufgrund der Bindung an das GPA waren dem euro­ päischen Gesetzgeber große Änderungen bzw. Erhöhungen verwehrt. Und auch der Schwellenwert der KVR ist an die Vorgaben des GPA zu Beschaf­ fungen im Baubereich angelehnt; eine diskutierte Erhöhung war aufgrund der Vorgaben des Übereinkommens nicht möglich.285 Allerdings erscheint bei der KVR fraglich, warum nicht zwischen Bau- und Dienstleistungskon­ zessionen differenziert, sondern ein einheitlicher Schwellenwert gewählt wurde. Schließlich unterscheiden die anderen Richtlinien – unter Beachtung der Vorgaben des GPA  – explizit zwischen den verschiedenen Leistungsar­ ten und sehen erheblich unterschiedliche Schwellenwerte vor (bei der VRL in ihrer ursprünglichen286 Fassung: € 134.000,– bzw. € 207.000,– bei Lieferund Dienstleistungsaufträgen im Gegensatz zu € 5.186.000,– bei Bauaufträ­ gen; bei der SRL in ihrer ursprünglichen Fassung: € 414.000,– im Gegensatz zu € 5.186.000,–). Es stellt sich angesichts dessen die Frage, warum bei der KVR für Dienstleistungskonzessionen nicht ebenfalls ein deutlich niedrige­ rer Schwellenwert festgelegt wurde. Eine erste Antwort hierauf enthält ­ErwGrd 23 KVR, der darauf hinweist, dass „beide Verträge [Bau- und Dienstleistungskonzession] oftmals Aspekte von Bau- und Dienstleistungen erfassen“.287 Aufgrund der (wohl) häufig vorliegenden Überschneidungen 285  Schwab / Giesemann,

VergabeR 2014, 351 (363). (2016 / 17) gelten bereits abweichende Schwellenwerte, diese betragen für die VRL: €  135.000,– / 209.000,– / 5.225.000,–; für die SRL: €  418.000,– /  5.225.000,–; für die KVR: €  5.225.000,–. 287  Bei strikter Orientierung am Wortlaut der deutschen sowie englischen Sprach­ fassung ergibt sich zwar nur, dass die Methode zur Berechnung des geschätzten Werts für Bau- und Dienstleistungskonzessionen identisch sein soll. Die Argumen­ tation kann bzw. muss sinnvollerweise aber auch auf die Geltung unterschiedlicher Schwellenwerte als solches übertragen werden. Wie hier  – d. h. bezogen auf die Schwellwerte als solche – auch Opitz, NVwZ 2014, 753 (757). 286  Aktuell



D. Systemgerechtigkeit215

wurde somit offensichtlich auf einen separaten Schwellenwert für Dienst­ leistungskonzessionen verzichtet. Die unterschiedslose Behandlung erscheint bei Verträgen, die tatsächlich Elemente beider Vertragsarten erfassen, verständlich. Allerdings fallen damit Verträge, die eindeutig als (reine) Dienstleistungskonzession einzustufen sind, erst dann in den Anwendungsbereich der KVR, wenn der ursprünglich für Bauleistungen konzipierte Schwellenwert erreicht oder überschritten wird. Für Dienstleistungskonzessionen erscheint dieser Schwellwert jedoch außerordentlich hoch. Praktisch wird somit nur ein recht kleiner Teil  der (Dienstleistungs-)Konzessionsvergaben vom Anwendungsbereich der KVR erfasst.288 Für eine weitere Wettbewerbsöffnung wäre es sicherlich sinnvol­ ler gewesen, den Schwellenwert für Dienstleistungskonzessionen deutlich niedriger anzusetzen oder  – ähnlich Art. 5 Abs. 2 des ursprünglichen Kom­ missionsvorschlags zur KVR289  – bereits ab einem erheblich niedrigeren Vertragswert die Beachtung einiger Grundvorschriften vorzusehen. Schwer­ wiegende sachliche Gründe, Dienstleistungskonzessionen erst ab einem deutlich höheren Schwellenwert dem sekundärrechtlichen Vergaberecht zu unterwerfen als Dienstleistungsaufträge sind  – auch wenn Dienstleistungs­ konzessionen in der Regel auf eine längere Zeit angelegt sind  – jedenfalls nicht ersichtlich. Zudem ist zweifelhaft, ob die Festsetzung eines derart hohen Schwellen­ wertes überhaupt mit den Vorgaben des Agreement on Government Procu­ rement (GPA) vereinbar ist. Denn falls das Übereinkommen nicht nur Dienstleistungsaufträge, sondern auch Dienstleistungskonzessionen umfasst, hätte die EU bei der Ausgestaltung der Richtlinien die darin für Dienstleis­ tungen vorgesehenen, deutlich niedrigeren Schwellenwerte290 berücksichti­ 288  Braun, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 171 (mit Fn. 74) prognosti­ ziert, dass „allenfalls ein niedriger einstelliger Prozentsatz aller Dienstleistungskon­ zessionen in den Anwendungsbereich der neuen Regelungen fallen“ dürfte; ähnlich, aber allgemeiner, Opitz, NVwZ 2014, 753 (760). 289  Art. 5 Abs. 2 des ursprünglichen Vorschlags der Kommission (vgl. KOM(2011) 897 endg., S. 31) sah vor, dass bei Dienstleistungskonzessionen, deren Vertragswert mindestens € 2.500.000,–, aber weniger als €  5.000.000,– beträgt und die keine sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen betreffen eine Vergabebekanntma­ chung gem. den Bestimmungen der Richtlinie zu veröffentlichen ist, vgl. hierzu auch Knauff / Badenhausen, NZBau 2014, 395 (396 mit Fn. 16). 290  Im bisherigen GPA 1994 sowie in der überarbeiteten Fassung des GPA aus 2012 sind für die EG / EU folgende Werte für Dienstleistungen festgelegt: € 130.000,– für zentrale Vergabestellen, €  200.000,– für dezentrale Vergabestellen sowie €  400.000,– bei Dienstleistungen im Sektorenbereich, vgl. den bisherigen Art. 1 (4) GPA 1994 sowie den neuen Art. II (1) c) i. V. m. Appendix  1 (EU), Annex  1–6 GPA 2012 (S. 79 ff.). Unter Berücksichtigung der geltenden Umrechnungskurse (vgl. hier­ zu Prieß, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, B. IV. Rn. 46) belaufen sich die

216

Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

gen müssen. Die Frage, ob das GPA auch Dienstleistungskonzessionen umfasst oder nicht, ist zwar aktuell noch nicht abschließend geklärt, es sprechen aber einige gute Gründe dafür: Betrachtet man zunächst das ursprüngliche GPA aus dem Jahr 1994, fällt auf, dass im – verbindlichen englischen – Wortlaut des Übereinkommens291 nicht zwischen Aufträgen und Konzessionen unterschieden wird. Vielmehr wird in Art. I (1) GPA 1994 auf „any procurement“, d. h. jede Form der Beschaffung abgestellt.292 Eine ausdrückliche Begrenzung auf Beschaf­ fungsaufträge (z. B. durch die Formulierung „procurement contracts“) bzw. entgeltliche Leistungen liegt nicht vor.293 Ähnliches gilt für Art. I (2) GPA 1994, der den Anwendungsbereich des Übereinkommens auf „procurement by any contractual means“ (Beschaffungen jeglicher vertraglicher Ausge­ staltung) bezieht294 und beispielhaft einige Formen wie Kauf, Miete oder Leasing aufzählt. Da ein abschließender Charakter dieser Aufzählung nicht erkennbar ist295 und im weiteren Text auch keine ausdrückliche Ausnahme für (Dienstleistungs-)konzessionen vorgesehen wurde,296 sind vom Wortlaut des Übereinkommens alle Vertragstypen / -konstellationen und somit auch (Dienstleistungs-)konzessionen erfasst.297 Werte aktuell (2016 / 17) auf € 135.000,– für zentrale Vergabestellen, € 209.000,– für dezentrale Stellen sowie €  418.000,– bei Dienstleistungen im Sektorenbereich, vgl. Delegierte Verordnung (EU) 2015 / 2170 der Kommission v. 24.11.2015 zur Ände­ rung der Richtlinie 2014 / 24 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für Auftragsvergabeverfahren; Delegierte Verord­ nung (EU) 2015 / 2171 der Kommission v. 24.11.2015 zur Änderung der Richtlinie 2014 / 25 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für Auftragsvergabeverfahren. 291  Bungenberg, Vergaberecht, S. 106; ders., in: Loewenheim / Meessen / Riesen­ kampff, Kartellrecht, § 99 GWB Rn. 63. 292  Vollständig lautet Art. I (1) GPA 1994: „This Agreement applies to any law, regulation, procedure or practice regarding any procurement by entities covered by this Agreement, as specified in Appendix I.“. 293  Bungenberg, Vergaberecht, S. 106; ders., in: Loewenheim / Meessen / Riesen­ kampff, Kartellrecht, § 99 GWB Rn. 63; Pünder, in: Müller-Wrede, Kompendium, Kap. 6 Rn. 51, Kap. 1 Rn. 21. 294  Vollständig lautet Art. I (2) GPA 1994: „This Agreement applies to procure­ ment by any contractual means, including through such methods as purchase or as lease, rental or hire purchase, with or without an option to buy, including any com­ bination of products and services.“. 295  Ebenso Pünder, in: Müller-Wrede, Kompendium, Kap. 1 Rn. 21. 296  Bungenberg, in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kartellrecht, § 99 GWB Rn. 63 weist darauf hin, dass die Schaffung von Ausnahmen vom Anwen­ dungsbereich bei der Schaffung des GPA möglich gewesen wäre, davon jedoch seitens der EG kein Gebrauch gemacht wurde. Ebenso bereits ders., Vergaberecht, S. 106 sowie – sogar explizit bezogen auf Dienstleistungskonzessionen – Pünder, in: Müller-Wrede, Kompendium, Kap. 1 Rn. 21 und Kap. 6 Rn. 51.



D. Systemgerechtigkeit

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Gleiches gilt hinsichtlich des Wortlauts des neuen, überarbeiteten GPA aus dem Jahr 2012.298 Die entsprechenden Ausführungen sind darin nun  – textlich etwas abgeändert  – in Art. II (1) und (2)  lit. b. enthalten;299 die Umgestaltungen bzw. Straffungen haben jedoch keine inhaltlichen Änderun­ gen zur Folge. Da überdies auch bei der Überarbeitung darauf verzichtet wurde, Dienstleistungskonzessionen explizit vom Anwendungsbereich des GPA auszunehmen,300 ist eine Begrenzung des Übereinkommens auf Dienst­ leistungsaufträge ebenfalls nicht festzustellen. Ein Ausschluss der Dienstleistungskonzessionen würde zudem die Haupt­ zwecke des GPA (Eingrenzung protektionistischen Verhaltens und Stärkung des weltweiten Wettbewerbs durch Schaffung von transparenten und nicht­ diskriminierenden Verfahren)301 konterkarieren.302 Hinzu kommt, dass bei einem Ausschluss die bloße Art der Bezahlung für die öffentliche Dienst­ leistung  – entweder direkt durch den Auftraggeber (Auftrag) oder indirekt durch die Erlaubnis zur Gebührenerhebung von Dritten (Konzession)  – da­ rüber entscheiden würde, ob eine Beschaffung vom GPA erfasst wird oder nicht.303 Für eine Umfassung auch der Dienstleistungskonzessionen spricht im Übrigen auch ein Entscheid der eidgenössischen Rekurskommission für das öffentliche Beschaffungswesen. Die Rekurskommission hatte bereits vor einigen Jahren festgestellt, dass das GPA keinen generellen Ausschluss von Dienstleistungskonzessionen aus seinem Geltungsbereich vorsehe.304 Zur 297  Büsing, Das WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen, S. 145 stellt ausdrücklich fest, die Vorschrift des Art. I (2) GPA gewährleiste, dass „auch zukünftige innovative Vertragsgestaltungen im Bereich des öffentlichen Auf­ tragswesens vom Regelungsbereich des GPA 1994 erfaßt werden“. 298  GPA / 113 v. 02.04.2012, abrufbar unter www.wto.org. 299  Vollständig lautet Art. II (1) GPA 2012: „This Agreement applies to any measure regarding covered procurement, whether or not it is conducted exclusively or partially by electronic means.“ – wobei der Begriff „measure“ bereits in Art. I lit. i. GPA 2012 in Anlehnung an Art. I (1) GPA 1994 definiert wird. Art. II (2) lit. b. GPA 2012 lautet: „For the purposes of this Agreement, covered procurement means pro­ curement for governmental purposes: […] b. by any contractual means, including: purchase;  lease; and rental or hire purchase, with or without an option to buy“. 300  Reich, J.I. E.L. 2009, 989 (1006 f.); Pünder, in: Müller-Wrede, Kompendium, Kap. 6 Rn. 51. 301  Vgl. ErwGrde 1–4 GPA 1994 sowie ErwGrde 1, 2 und 6 GPA 2012. 302  Vgl. Pünder, in: Müller-Wrede, Kompendium, Kap. 1 Rn. 21 sowie Kap. 6 Rn. 51; Bungenberg, in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kartellrecht, § 99 GWB Rn. 63. 303  Vgl. Reich, J.I. E.L. 2009, 989 (1007). 304  Entscheid der Eidgenössischen Rekurskommission für das öffentliche Be­ schaffungswesen v. 03.09.1999 (BRK 1999–006), abrufbar im Internet unter http: / / 

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

Begründung wurde darauf verwiesen, dass das GPA ohne weitere Differen­ zierung auf „jede ‚Beschaffung durch vertragliche Methoden‘ “ Anwendung finde,305 da betroffene Bieter andernfalls gänzlich des Rechtsschutzes ver­ lustig gingen.306 Zwar kann der Entscheid der Rekurskommission naturge­ mäß keine allgemeinverbindliche Auslegung des GPA-Wortlauts begründen; das Abstellen auf den Rechtsschutz betroffener Bieter stellt jedoch zumin­ dest einen weiteren Grund gegen die Ausklammerung der Dienstleis­ tungskonzes­sionen aus dem Anwendungsbereich des GPA dar. Im Zusam­ menspiel mit den anderen Aspekten ist deshalb von einer Erfassung der Dienstleistungskonzessionen durch das GPA auszugehen. Bei konsequenter Beachtung des Übereinkommens hätte der EU-Gesetzgeber somit in der KVR zumindest für den Bereich der reinen Dienstleistungskonzessionen den deutlich niedrigeren Schwellenwert des GPA für Dienstleistungen vor­ sehen müssen. Der EU-Gesetzgeber scheint hingegen anderer Auffassung zu sein. In dem entsprechenden Appendix  1 des überarbeiteten GPA307 bezieht die EU nämlich nunmehr Baukonzessionen für einzelne Staaten und Auftraggeber ausdrücklich in den Anwendungsbereich des Übereinkommens mit ein. Wie Pünder308 zutreffend anmerkt, könnte hieraus der Schluss gezogen werden, dass die EU nicht von einer generellen Einbeziehung der Konzessionen in das GPA ausgeht, sondern jeweils eine explizite Aufnahme für erforderlich hält. Diese Ansicht ist jedoch aus den genannten Gründen abzulehnen, Wortlaut und Zweck des GPA sprechen eindeutig für eine generelle Erfas­ sung auch der Dienstleistungskonzessionen. 6. Ausnahmen a) Rechtsdienstleistungen Im Gesetzgebungsverfahren hatte die Kommission vorgeschlagen, auch Rechtsdienstleistungen umfassend den Vergaberichtlinien zu unterwerfen. So war die heutige Ausnahmevorschrift des Art. 10 lit. d) VRL im ursprüng­ lichen Kommissionsentwurf nicht enthalten; vielmehr sah dessen ErwGrd 10 vor, auch Rechtsdienstleistungen  – wegen ihres angeblich besonders hohen Prozentsatzes an grenzüberschreitenden Geschäften  – der vollständi­ www.vpb.admin.ch / deutsch / doc / 64 / 64.30.html – zuletzt abgerufen am 10.04.2016 – hierauf hinweisend auch schon Bungenberg, Vergaberecht, S. 107 f. 305  Punkt E. 1. e. 306  Punkt E. 1. f. 307  Appendix  1 (EU), Annex  6 GPA 2012 (S. 79 (250)). 308  Pünder, in: Müller-Wrede, Kompendium, Kap. 6 Rn. 51.



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gen Anwendung der Richtlinie zu unterwerfen.309 Das Europäische Parla­ ment war hingegen der Ansicht, Rechtsdienstleistungen sollten vollständig vom Geltungsbereich der Richtlinien ausgenommen werden.310 Der gefun­ dene Kompromiss besteht nun darin, einige Rechtsdienstleistungen komplett vom Anwendungsbereich der Richtlinien auszunehmen, während andere den Sonderregimen für soziale und andere besondere Dienstleistungen – mit den jeweils erhöhten Schwellenwerten  – unterliegen.311 Bei näherer Betrachtung kann hier  – in allgemeiner Hinsicht  – zunächst den Ausführungen in ErwGrd 116 VRL beigepflichtet werden: In der Tat betrifft eine Vielzahl der Rechtsdienstleistungen Fragen des nationalen Rechts, die nur von Kanzleien oder Unternehmen in dem betreffenden Mit­ gliedstaat angeboten werden (können).312 Eine grenzüberschreitende Be­ deutung wird in diesen Fällen nur selten vorliegen  – beispielsweise aber dann, wenn umfangreiche Fragen des Unionsrechts Gegenstand der rechtli­ chen Beratung sind.313 Die generelle Zuordnung von Rechtsdienstleistun­ gen zum Sonderregime für soziale und andere besondere Dienstleistungen ist daher durchaus erfreulich.314 Daneben sind die nach Art. 10 lit. d) VRL ausgeschlossenen Rechtsdienst­ leistungen zu beachten. Hierzu zählen insbesondere die forensische Rechts­ beratung bzw. -vertretung (lit. d)  i) und ii)). Dazu kommen Beglaubigungsund Beurkundungsdienstleistungen, die von Notaren zu erbringen sind (lit. d) iii)), von Treuhändern oder bestellten Vormunden erbrachte Rechts­ dienstleistungen oder sonstige Rechtsdienstleistungen, deren Erbringer durch ein Gericht oder ein Gesetz bestimmt werden, bestimmte Aufgaben wahrzu­ 309  Siehe

KOM(2011) 896 endg., S. 19, 50. VergabeR 2014, 351 (357). 311  Siehe bereits oben Kap. 3 B. I. 2. a) aa) sowie Kap. 3 B. I. 2 b) bb) (1); vgl. auch die Darstellung und den Vergleich zur bisherigen Rechtslage bei Otting, AnwBl 2014, 304 (304 f.); zur bisherigen Rechtslage auch Holz / Pape, AnwBl 2010, 700 ff. 312  Oft dürften auch sprachliche Aspekte eine Rolle spielen, beispielsweise bei der Beauftragung zur Erstellung von Gutachten. So wird ein deutscher öffentlicher Auftraggeber wohl vorwiegend deutschsprachige Gutachten bevorzugen, dessen Er­ stellung ausländischen Kanzleien aber zumindest schwer(er) fallen dürfte. 313  Die Möglichkeit des Vorliegens eines grenzüberschreitenden Interesses bei Rechtsberatung zu europarechtlichen Fragestellungen sehen auch Terwiesche / Lompa, KommJur 2015, 407 (408). 314  A. A. hingegen S. 11 der Stellungnahme der BRAK zum Referentenentwurf des VergRModG aus Juni 2015, in der alle Arten von Rechtsberatungsleistungen als „nicht derart binnenmarktrelevant“ angesehen werden, als „dass eine Gleichstellung mit klassischen Dienstleistungsaufträgen und eine Unterwerfung unter das Vergabe­ recht geboten wäre“, Stellungnahme abrufbar im Internet unter http: /  / www.brak. de / zur-rechtspolitik / stellungnahmen-pdf / stellungnahmen-europa / 2015 / juni / stel lungnahme-der-brak-2015-23.pdf  – zuletzt abgerufen am 29.01.2016. 310  Schwab / Giesemann,

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

nehmen (lit. d) iv)), sowie sonstige Rechtsdienstleistungen, die in dem be­ treffenden Mitgliedstaat  – wenn auch nur gelegentlich  – mit der Ausübung von hoheitlichen Befugnissen verbunden sind (lit. d) v)). Große praktische Relevanz entfaltet davon insbesondere die Ausnahme für forensische Rechtsberatung / -vertretung, die vorwiegend mit der anwalt­ lichen Vertraulichkeit respektive der Art der zu vergebenden Aufträge be­ gründet wurde.315 Diese Begründung überzeugt, denn bei manchen Manda­ ten kann nicht nur der Gegenstand der Beratung, sondern schon der Um­ stand, dass eine Beratung überhaupt erfolgt, vertraulich sein.316 Wie der Bundesrat während des Gesetzgebungsverfahrens zutreffend festgestellt hat,317 besteht zwischen öffentlichem Auftraggeber und Rechtsanwalt regel­ mäßig ein besonderes Vertrauensverhältnis. Hinzu kommt, dass die Vergü­ tung des Rechtsanwalts aufgrund nationaler Vorschriften nicht immer frei verhandelt werden kann und eine eindeutige und erschöpfende Leistungsbe­ schreibung der beauftragten Tätigkeit im Vorfeld mitunter nicht möglich ist.318 Die Ausnahme dieser Dienstleistungen aus dem Anwendungsbereich und somit die Befreiung von Verfahrensvorgaben ist daher positiv zu bewer­ ten. Es stellt sich jedoch die Frage, warum nicht auch eine Art „Auffang­ klausel“, welche Rechtsdienstleistungen mit vertraulichem Gegenstand aus­ drücklich vom Anwendungsbereich ausschließt, in die Richtlinie(n) aufge­ nommen worden ist. Schließlich kann es neben den in Art. 10 lit. d) Ge­ nannten noch weitere Rechtsdienstleistungen geben, die einer besonderen Geheimhaltung bedürfen und deshalb nicht den sekundärrechtlichen Verga­ beregeln unterfallen sollten.319 b) Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr Nach den obigen Ausführungen320 ist der Bereich der Rettungsdienstleis­ tungen nicht von den Ausnahmen in Art. 10 lit. h) VRL bzw. Art. 10 Abs. 8 lit. g) KVR321 erfasst. Er unterliegt jeweils den erleichterten Sonderregimen 315  Schwab / Giesemann, VergabeR 2014, 351 (357). Zur Begründung der Aus­ nahme der anderen Tätigkeiten vgl. z. B. BR-Drs. 15 / 12 v. 30.03.2012, Nr. 11 und 13. 316  So zutreffend Schriever, AnwBl. 11 / 2013, M 368. 317  BR-Drs. 15 / 12 v. 30.03.2012, Nr. 12. 318  Ebd. 319  In diese Richtung auch Otting, AnwBl 2014, 304 (305 f.). 320  Kap. 3 B. I. 2. b) bb) (2). 321  Ebenso ist die Ausnahme auch in Art. 21 lit. h) SRL geregelt – sie dürfte dort aber keinerlei Bedeutung erlangen.



D. Systemgerechtigkeit221

für soziale und andere besondere Dienstleistungen. Gerade durch die Schaf­ fung der KVR, nach der nun auch Vergaben im Konzessionsmodell erfasst werden, liegt hierin (jedenfalls bezogen auf die Situation in Deutschland) eine Erweiterung des Anwendungsbereichs, die zu einem Mehr an Wettbe­ werb führen dürfte  – jedenfalls soweit die Gerichte der hier vertretenen Meinung folgen und die Rettungsdienste nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausnehmen. Andernfalls entstünde, gerade vor dem Hintergrund, dass Rettungsdienstleistungen ganz überwiegend nicht vom Staat selbst, sondern von externen Organisationen und Unternehmen erbracht werden,322 eine erhebliche Lücke im Regelungssystem. Ein Bereich mit erheblichen Wettbewerbsverzerrungen und Marktabschottungstendenzen323 wäre dann nicht den sekundärrechtlichen Verpflichtungen unterworfen, die diesen Zu­ stand – wenn auch nur durch die weniger strengen Vorschriften der Sonder­ regime  – beheben könnten. c) Wasser Im Bereich der KVR war die erste erfolgreiche europäische Bürgerinitia­ tive maßgeblich dafür verantwortlich, dass der Bereich der Trinkwasserver­ sorgung aus dem Anwendungsbereich der KVR ausgeschlossen wurde (Art. 12 KVR). Wie oben dargestellt, entstand die Bürgerinitiative aufgrund der vermeintlichen Gefahr einer Privatisierung und Kommerzialisierung des Bereichs der Wasserwirtschaft mit möglicherweise negativen Folgen für Zugänglichkeit und Qualität des Wassers.324 Unter dem Slogan „Wasser und Sanitäre Grundversorgung sind ein Menschenrecht  – Wasser ist ein Öffentliches Gut, keine Handelsware“, forderten die Unterstützer der Initia­ tive die EU-Kommission auf, einen Gesetzesvorschlag vorzulegen, der „das Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung entsprechend der Resolution der Vereinten Nationen durchsetzt und eine funktionierende Was­ ser- und Abwasserwirtschaft als existenzsichernde öffentliche Dienstleistung für alle Menschen fördert.“ Dabei sollten die Vorschriften die Regierungen dazu verpflichten, „für alle Bürger und Bürgerinnen eine ausreichende Ver­ sorgung mit sauberem Trinkwasser sowie eine sanitäre Grundversorgung sicherzustellen.“ Eine der drei Kernforderungen der Initiative bestand vor diesem Hintergrund darin, die Versorgung mit Trinkwasser und die Bewirt­ schaftung der Wasserressourcen nicht den Binnenmarktregeln zu unterwer­ 322  Vgl. BGH, NVwZ 2009, 605 (607); Kus, in: Kulartz / Kus / Portz, GWB-Ver­ gaberecht, § 102 GWB Rn. 5. 323  Braun, EuZW 2012, 451 (454); ebenso ders., in: Hettich / Soudry, Vergabe­ richtlinien, S. 177 f. 324  Kap. 3 B. I. 4. c) bb).

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

fen. Die Wasserwirtschaft sollte vielmehr von der Liberalisierungsagenda ausgeschlossen werden.325 Betrachtet man die bisherigen (häufig negativen) Erfahrungen bei der Privatisierung der Wasserversorgung,326 ist das Anliegen der Bürgerinitiati­ ve grundsätzlich nachvollziehbar, schließlich ist der Zugang zu sauberem und bezahlbarem Trinkwasser für alle Menschen von grundlegender Bedeu­ tung. Darüber hinaus war es für die EU-Kommission aufgrund des enormen öffentlichen Drucks wohl auch politisch nahezu unausweichlich, eine Aus­ nahme für den Bereich der Wasserversorgung zu schaffen. Bei nüchterner Betrachtung ergibt sich jedoch ein anderes Bild. Tatsäch­ lich wären die Kommunen auch ohne die Ausnahme des Trinkwasserbe­ reichs nicht gezwungen gewesen, die Wasserversorgung zu privatisieren.327 Eine Privatisierungspflicht würde vielmehr in unzulässiger Weise in die Eigentumsordnung der Mitgliedstaaten eingreifen und so einen Verstoß ge­ gen Art. 345 AEUV begründen.328 Falls eine Kommune sich dazu entschei­ 325  Die Darstellung der zentralen Ziele der Bürgerinitiative ist zu finden unter: http: /  / www.right2water.eu / de  – zuletzt abgerufen am 01.07.2015. 326  Vgl. hierzu beispielsweise Wolf, „Wie aus Wasser Geld wird“, in: SWR On­ line, abrufbar im Internet unter http: /  / www.swr.de / odysso / wie-aus-wasser-geldwird / - / id=1046894 / did=15037312 / nid=1046894 / glelc3 /  – zuletzt abgerufen am 01.07.2015; Terbrack / Schadendorf, „Privatisierungsproteste und die Bürgerinitiative right2water  – EU-Vergaberecht als Gefahr für die Trinkwasserversorgung?“, in: Junge Wissenschaft im Öffentlichen Recht v. 25.01.2013, abrufbar im Internet ­unter ­https: / / www.juwiss.de / privatisierungsproteste-und-die-burgerinitiative-right2 water-eu-vergaberecht-als-gefahr-fur-die-deutsche-trinkwasserversorgung / #more4011  – zu­letzt abgerufen am 01.07.2015; Biswas, „Leck geschlagen“, in: The Eu­ ropean v. 27.09.2013, abrufbar im Internet unter http: /  / www.theeuropean.de /  asit-biswas / 7483-negative-folgen-der-wasserprivatisierung  – zuletzt abgerufen am 01.07.2015. 327  So oder ähnlich auch Lau, Gespräche 2013, S. 43 (48); Knauff / Badenhausen, NZBau 2014, 395 (401); Terbrack / Schadendorf, „Privatisierungsproteste und die Bürgerinitiative right2water  – EU-Vergaberecht als Gefahr für die Trinkwasserver­ sorgung?“, in: Junge Wissenschaft im Öffentlichen Recht v. 25.01.2013, abrufbar im Internet unter https: /  / www.juwiss.de / privatisierungsproteste-und-die-burgerinitiati ve-right2water-eu-vergaberecht-als-gefahr-fur-die-deutsche-trinkwasserversor­ gung / #more-4011  – zuletzt abgerufen am 01.07.2015; Tatje, „Die Wasserlüge“, in: Zeit Online v. 21.02.2013, abrufbar im Internet unter http: /  / www.zeit.de / wirt schaft / 2013-02 / wasser-stadtwerke-privatisierung-eu-kommission / komplettansicht  – zuletzt abgerufen am 02.07.2015; Siedenberg, „Änderungen im Vergaberecht: ‚Ver­ einfachung‘ auf über 1.000 Seiten“, in: Legal Tribune Online v. 12.03.2014, abrufbar im Internet unter http: /  / www.lto.de / recht / hintergruende / h / vergaberecht-reform-eu ropaparlament-richtlinien /   – zuletzt abgerufen am 02.07.2015; Schäfer, in: Vergabe­ recht im Umbruch II, S. 149 (152 f.). Vgl. zudem auch Pietzcker, NVwZ 2007, 1225 (1229): „Das Vergaberecht übt keinen Zwang zur Privatisierung aus.“ 328  So Laskowski, ZUR 2013, 385 (386).



D. Systemgerechtigkeit223

det, die Trinkwasserversorgung selbst zu erbringen, kann sie dies  – unab­ hängig davon, ob die Trinkwasserversorgung in den Anwendungsbereich der KVR miteinbezogen ist oder nicht  – tun: Die Regeln zur In-House- und In-State-Vergabe sorgen auch nach der neuen Rechtslage dafür, dass das sekundärrechtliche Vergaberecht bei der Konzessionsvergabe an Einrichtun­ gen innerhalb der eigenen Organisationsstruktur nicht anwendbar ist. In beiden Fällen können Konzessionen unter Einhaltung der jeweiligen Krite­ rien vergaberechtsfrei an kommunale Unternehmen vergeben werden. Vor­ schriften, die eine Privatisierung fordern, sind in der KVR sowie der neuen VRL und SRL nicht enthalten. Eine Pflicht zur Privatisierung durch die Vorgaben des europäischen Vergaberechts ist folglich abzulehnen. Dieses Nichtbestehen einer Privatisierungspflicht wird in der endgültigen Fassung der Richtlinie durch die  – wohl aufgrund der Bürgerinitiative ein­ geführten, letztlich aber rein deklaratorischen329  – Art. 2 und 4 KVR bestä­ tigt. In Art. 2 KVR wird der Grundsatz der Verwaltungsautonomie betont (Abs. 1) und explizit festgestellt, dass die Richtlinie keinerlei Forderung nach Privatisierung öffentlicher Unternehmen, die öffentliche Dienstleistun­ gen erbringen, enthält (Abs. 2). Darüber hinaus stellt Art. 4 KVR klar, dass die Richtlinie nicht das Recht der Mitgliedstaaten berührt, festzulegen, was sie als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (vgl. Art. 14 und 106 Abs. 2 AEUV) erachten.330 Im Falle der Einbeziehung des Wassersektors könnte allerdings zumindest ein mittelbarer Privatisierungsdruck entstehen.331 In einigen Fällen werden die Voraussetzungen für eine In-House oder In-State-Vergabe des zu beauf­ tragenden öffentlichen Unternehmens (oft organisiert in Form einer Stadt­ werke GmbH) nicht vorliegen. Denn häufig sind kommunale Unternehmen auch im umsatzstarken Strom- und Gasgeschäft tätig, in dessen Folge das Wesentlichkeitskriterium nicht erfüllt ist.332 Falls die Kommunen die Trink­ wasserversorgung dennoch (weiterhin) vergaberechtsfrei an „ihre“ Unter­ nehmen vergeben wollen, wären teils recht umfassende gesellschaftsrechtli­ che Umschichtungen und Veränderungen notwendig. So müsste die Wasser­ sparte von den anderen Geschäftsbereichen organisatorisch komplett abge­ 329  Knauff / Badenhausen, NZBau 2014, 395 (401); Braun, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 166. 330  Vgl. zudem auch Art. 1 Abs. 4 KVR, hierzu Braun, in: Hettich / Soudry, Ver­ gaberichtlinien, S. 166 f. 331  Semple, Public Procurement, Rn. 1.48 stellt hingegen sogar fest: „Although it formed part of their [the supporters of the initiative „right2water“] demands, exclusion from the Concessions Directive does not in itself make it any less likely that supply of water will be privatized or subject to competition.“ [Hervorhebung hinzu­ gefügt]. 332  Vgl. Laskowski, ZUR 2013, 385 (386).

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

trennt werden, wodurch mutmaßlich Synergieeffekte entfielen und die Wirtschaftlichkeit sinken würde.333 Die Kommunen wären also zum Handeln gezwungen und in ihrer kommunalen Gestaltungsfreiheit zumindest teilwei­ se eingeschränkt. Mangels Bereitschaft zu derart weitreichenden Änderun­ gen könnte somit von ihnen der vermeintlich einfachere Weg der öffent­ lichen Ausschreibung und Vergabe an ein privates Unternehmen gewählt werden. Falls ein kommunales Unternehmen die In-House- bzw. In-State-Kriterien nicht erfüllt und eine Vergabe im Wettbewerb nach den sekundärrechtlichen Vorschriften stattfindet, bedeutet dies jedoch noch nicht, dass das kommu­ nale Unternehmen bei der Ausschreibung zwangsläufig leer ausgeht und sich immer ein rein privates Unternehmen durchsetzt.334 Vielmehr kann das kommunale Unternehmen sich ebenfalls erfolgreich bewerben; es dürfte wegen möglicher Erfahrungen aus der Vergangenheit sogar einen gewissen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Mitbewerbern besitzen. Zumal der öffentliche Auftraggeber nicht gezwungen ist, einen reinen Preiswettbewerb durchzuführen. Der Zuschlag kann vielmehr auch auf das wirtschaftlichste Angebot fallen, welches durchaus vom qualitätsorientierten kommunalen Unternehmen stammen kann.335 Darüber hinaus  – d. h. unabhängig von einem möglichen mittelbaren Pri­ vatisierungsdruck  – kann den von den Bürgerinitiative kritisierten, einer Vergabe an ein privates Unternehmen immanenten Risiken für Qualität und Zugänglichkeit (das bedeutet ebenfalls: Bezahlbarkeit) auch durch eine in­ telligente Leistungsbeschreibung und Festlegung der Auswahlkriterien ent­ gegengewirkt werden. Beispielsweise können bestimmte Qualitätsmerkmale wie die Wasserqualität, Versorgungssicherheit etc. vorgegeben sowie Um­ welt- oder Sozialaspekte berücksichtigt werden.336 Zudem wurde bereits überlegt, ob auch ein niedriges Preisniveau für den Verbraucher als Krite­ 333  Laskowski, ZUR 2013, 385 (386); Terbrack / Schadendorf, „Privatisierungs­ proteste und die Bürgerinitiative right2water  – EU-Vergaberecht als Gefahr für die Trinkwasserversorgung?“, in: Junge Wissenschaft im Öffentlichen Recht v. 25.01.2013, abrufbar im Internet unter https: /  / www.juwiss.de / privatisierungsprotes­ te-und-die-burgerinitiative-right2water-eu-vergaberecht-als-gefahr-fur-die-deutschetrinkwasserversorgung / #more-4011  – zuletzt abgerufen am 01.07.2015. 334  Terbrack / Schadendorf, „Privatisierungsproteste und die Bürgerinitiative right­ 2water  – EU-Vergaberecht als Gefahr für die Trinkwasserversorgung?“, in: Junge Wissenschaft im Öffentlichen Recht v. 25.01.2013, abrufbar im Internet unter ­https: /  / www.juwiss.de / privatisierungsproteste-und-die-burgerinitiative-right2watereu-vergaberecht-als-gefahr-fur-die-deutsche-trinkwasserversorgung / #more-4011  – zuletzt abgerufen am 01.07.2015. 335  Vgl. ebd. 336  Ebd.



D. Systemgerechtigkeit225

rium herangezogen werden kann. Entsprechende unternehmerische Risiken könnten dann durch etwaige Zahlungen des Konzessionsgebers ausgeglichen werden.337 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Einbeziehung des Wassersek­ tors in die KVR bei vielen Kommunen ein wesentliches Tätigwerden erfor­ dern würde, sofern im Trinkwasserbereich eine vergaberechtsfreie In-Houseoder In-State-Vergabe stattfinden soll. Allerdings ist es auch nicht ausge­ schlossen, dass ein öffentliches Unternehmen im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung nach den sekundärrechtlichen Vorgaben den Zuschlag erhält. Sofern kein reiner Preiswettbewerb durchgeführt wird, können öffentliche Unternehmen sich ohne weiteres im Wettbewerb mit den privaten Unterneh­ men durchsetzen. Der (mittelbare) Privatisierungsdruck ist somit begrenzt. Aktuell ist jedenfalls durch die Ausnahme des Wassersektors im Bereich der Konzessionen ein ganzer  – und sehr weitreichender  – Wirtschaftsbereich von den europäischen Vergaberegeln ausgenommen. Es besteht deshalb die Gefahr erheblicher Wettbewerbsverzerrungen; zudem werden auch Transpa­ renz und Gleichbehandlung / Nichtdiskriminierung nicht optimal gewährleis­ tet.338 Vor diesem Hintergrund sollte die KVR zeitnah geändert und der Bereich der Trinkwasserversorgung in den Anwendungsbereich aufgenom­ men werden.339 Der für die Kommunen dadurch ggf. entstehende gesell­ schaftsrechtliche Aufwand muss zur Förderung des Binnenmarktes und zur Schaffung umfassenden Wettbewerbs in Kauf genommen werden. Die Kommunen müssen in diesem Fall eben selbst entscheiden, ob sie (weiter­ hin) in den Genuss der Vorteile einer In-House- bzw. In-State-Vergabe kommen wollen oder nicht – die dafür notwendigen Änderungen sind ihnen zuzumuten. Entscheiden sie sich dagegen, würde die geänderte Richtlinie sie lediglich dazu verpflichten, ein faires und transparentes Verfahren durchzuführen,340 an dessen Ende bei bedachter Ausgestaltung von Leis­ 337  So

ebd.

zur Ausnahme auch Lau, Gespräche 2013, S. 48. zeitnahe Änderung ist indes nicht zu erwarten, vgl. Ziff. 4 f. der Ent­ schließung des Europäischen Parlaments vom 08.09.2015 zu den Folgemaßnahmen zu der Europäischen Bürgerinitiative zum Recht auf Wasser (2014 / 2239(INI)), ­abrufbar im Internet unter http: /  / www.europarl.europa.eu / sides / getDoc.do?pub Ref =- / / EP / / TEXT+TA+P8-TA-2015-0294+0+DOC+XML+V0 /  / DE&language=DE  – zuletzt abgerufen am 23.11.2015; a. A. als hier, d. h. zustimmend zur Ausnahme der Wasserversorgung aus der KVR S. 15 der Stellungnahme des Deutschen Gewerk­ schaftsbundes (DGB) zum Referentenentwurf des Vergaberechtsmodernisierungsge­ setz v. 22.05.2015, abrufbar im Internet unter http: /  / www.dgb.de / themen /++co++ dada66ba-1370-11e5-9af4-52540023ef1a  – zuletzt abgerufen am 28.07.2015. 340  Vgl. die Stellungnahme vom damaligen EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier v. 24.01.2013: „In Wirklichkeit tut die Richtlinie genau das Gegenteil: Sie verpflichtet Gebietskörperschaften, ein faires und transparentes Verfahren durchzu­ 338  Kritisch 339  Eine

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

tungsbeschreibung und Auswahlkriterien ebenfalls ein qualitativ hochwerti­ ges und bezahlbares Angebot den Zuschlag erhalten kann. 7. Fazit Die bisherigen Ausführungen haben die bedeutendsten Neuerungen im Bereich der Anwendungs- und Ausnahmeregelungen der drei Richtlinien dargestellt und einer Analyse unterzogen. In diesem Rahmen hat sich ge­ zeigt, dass der Anwendungsbereich des europäischen Vergaberechts insbe­ sondere durch die Schaffung der KVR erheblich erweitert wurde. Eine weitreichende Regelungslücke ist hierdurch zurecht geschlossen worden. Dabei war es konsequent, auch Sektorenauftraggeber den Vorgaben der KVR zu unterwerfen. Dem Ziel der Wettbewerbsförderung und Verwirkli­ chung des Binnenmarktes ist der Gesetzgeber damit erfreulicherweise einen Schritt näher gekommen. Geschmälert wird dies allerdings durch die beschriebenen Ausnahmen. Diese schränken den Anwendungsbereich stellenweise erheblich ein, hem­ men dadurch die Effektivität der Richtlinien341 und wecken Zweifel am Bestehen einer konsistenten und stimmigen (wettbewerbsorientierten) Ge­ samtregelung.342 Zu nennen sind hier insbesondere die neue 80 %-Grenze beim Wesentlichkeitskriterium der In-House Vergabe (sowie das entspre­ chende 20 %-Kriterium bei den In-State-Geschäften), der mit (ursprüng­ lich343) € 5.186.000,– recht hohe Schwellenwert der KVR sowie die Aus­ nahme des Trinkwasserbereichs aus der KVR. Hinzu kommen die Ausnah­ men für Rechtsdienstleistungen und den – falls der hier vertretenen Ansicht nicht gefolgt wird  – Bereich der Rettungsdienste. In Verbindung mit den schon aus den alten Richtlinien bekannten, umfangreichen Ausnahmen und Sonderregeln wird der Anwendungsbereich somit wieder merklich einge­ schränkt. Gerade der Rechtsrahmen zur Konzessionsvergabe wurde daher bereits als „löchrig und inkohärent“ bezeichnet344. Das Zusammenwirken führen, wenn sie im Rahmen ihrer Autonomie die Entscheidung getroffen haben, die Wasserversorgung am Markt zu vergeben oder zu privatisieren.“, abrufbar im Inter­ net unter http: /  / ec.europa.eu / deutschland / press / pr_releases / 11118_de.htm – zuletzt abgerufen am 21.07.2015. 341  Knauff / Badenhausen, NZBau 2014, 395 (401). 342  Ähnlich wie hier in Bezug auf die KVR Stein, in: Vergaberecht im Umbruch II, S. 101 (126). 343  Aktuell (2016 / 17) gelten bereits überarbeitete Schwellenwerte. Im Rahmen der KVR wurde der Schwellenwert auf €  5.225.000,– erhöht, vgl. Delegierte Ver­ ordnung (EU) 2015 / 2172 der Kommission v. 24.11.2015 zur Änderung der Richtli­ nie 2015 / 23 / EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für Vergabeverfahren.



D. Systemgerechtigkeit

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aller Ausnahmen, Besonderheiten und Ausschlüsse führe dort zu einer „Um­ kehr des Regel / Ausnahmeverhältnisses“.345 Zu bedenken ist indes  – auch bezüglich der schon vorher vorhandenen Ausnahmen –, dass einige Bereiche aus guten Gründen ausgeschlossen bzw. besonderen Regeln unterworfen sind. Es wäre wenig sinnvoll, beispielswei­ se die in Anhang XIV VRL aufgeführten Dienstleistungen den Gesamtvor­ gaben der Richtlinie zu unterwerfen, jegliche Form der In-House- oder InState-Vergabe abzulehnen, die Schwellenwerte einfach aufzuheben oder Rechtsdienstleistungen komplett in den Anwendungsbereich der Richtlinien aufzunehmen  – nur um den Anwendungsbereich der Richtlinien zum Zwe­ cke vermeintlicher Wettbewerbs- und Binnenmarktförderung weiter auszu­ dehnen. Gewisse Ausnahmeregelungen sind zur Schaffung einer sachange­ messenen Regelung bei fast jeder rechtlichen Regelung notwendig. Zu kri­ tisieren sind jedoch insbesondere die 80 %-Grenze beim Wesentlichkeitskri­ terium der In-House Vergabe (und das entsprechende 20 %-Kriterium bei den In-State-Geschäften), der recht hohe Schwellenwert der KVR sowie die Ausnahme des Trinkwasserbereichs aus der KVR. An diesen Stellen wurde der Anwendungsbereich der Richtlinien jeweils ohne überzeugende Begrün­ dung eingeschränkt. Im Ergebnis weist der Anwendungsbereich des neuen europäischen Ver­ gaberechts – unter Orientierung am Ziel weitgehenden Wettbewerbs – wahr­ nehmbare Inkonsistenzen auf und kann nicht als durchgehend stimmig und konsistent bezeichnet werden. Dass die vielen Ausnahmen zu einer Umkehr des Regel / Ausnahmeverhältnisses der KVR führen, kann hier zwar nicht bestätigt werden, eine gewisse „Störung“ dieses Verhältnisses ist aber durchaus festzustellen. Der europäische Gesetzgeber sollte daher überlegen, speziell die drei kritisierten Punkte in Zukunft zu ändern und den Gebrauch weitreichender Ausnahmen einzuschränken. Zugegebenermaßen dürfte sich dies recht schwierig gestalten. Schließlich ist die Schaffung von Ausnahme­ tatbeständen ein naturgemäß besonders umstrittenes Thema in Gesetzge­ bungsverfahren und gerade die Ausnahmen der KVR waren in hohem Maße kontroversen Diskussionen ausgesetzt. Im Ergebnis sind sie wohl der poli­ tische Preis dafür, dass überhaupt eine einheitliche Konzessionsrichtlinie entstehen konnte.346 Nichtsdestotrotz wäre es sinnvoller gewesen, die Zahl 344  So Braun, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 170, 172, vgl. auch S. 177: „Die jetzigen Ausnahmen sind nicht systematisch strukturiert erklärbar, aber sie sind vom EU-Gesetzgeber jetzt erst einmal vorgegeben.“. Die Existenz derart vieler Ausnahmen wurde zudem auch von anderer Seite kritisiert, vgl. z. B. Knauff / Badenhausen, NZBau 2014, 395 (401); Opitz, NVwZ 2014, 753 (760). 345  Braun, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 172. 346  Zutreffend Knauff / Badenhausen, NZBau 2014, 395 (401).

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

der Ausnahmen zugunsten einer stimmigen, wettbewerbsorientierten Ge­ samtregelung zu reduzieren.

II. Nationale Regeln zum Anwendungsbereich (Umsetzung in Deutschland) 1. System / zugrundeliegende Wertentscheidungen Am Anfang einer Prüfung zur Systemgerechtigkeit stellt sich die Frage, was überhaupt „das System“ ist, das überprüft werden soll. Zur Bestim­ mung eines Systems müssen die Grundprinzipien und -regeln347 des zu überprüfenden Rechtsgebiets beachtet werden.348 Es kommt somit auf den Zweck, die Ziele und die zugrunde liegenden Wertentscheidungen der Re­ gelungen an.349 Dabei sollen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung alle (ggf. widerstreitenden) Prinzipien, Regeln, Zwecke, Ziele und Wertentscheidun­ gen zu berücksichtigen sein.350 Die Bestimmung, ab wann ein System vorliegt und was zu diesem gehört, ist jedoch  – v. a. mangels eindeutiger Erläuterungen in der Rechtsprechung des BVerfG – mit erheblichen Unsicherheiten behaftet und zu einem gewis­ sen Maße willkürlich.351 Bei näherer Betrachtung von Rechtsprechung352 und Literatur zeichnet sich jedoch ein Trend dahingehend ab, dass zum Vorliegen eines Systems nicht lediglich „einfache“ gesetzliche Wertungen oder Prinzi­ pien, sondern solche mit einem bestimmten Gewicht vorliegen müssen.353 Erforderlich ist das Überschreiten eines gewissen „Schwellen­gewicht[es]“.354 347  Vgl.

S. 56.

BVerfGE 12, 151 (164); 24, 75 (100); Dieterich, Systemgerechtigkeit,

348  Payandeh, AöR 136 (2011), 578 (591) spricht von „systemprägenden Grundprinzipi[en]“. 349  Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 74 formuliert: „Das Kernelement des Sys­ tems als Ausgangstatbestand eines Grundsatzes der Systemgerechtigkeit besteht of­ fensichtlich in der legislativen Wertung, wobei deren Identifizierung mitunter die eingehende Analyse verschiedener Gesetzeswerke erfordert.“ [Hervorhebung im Ori­ ginal]. Vgl. zudem u. a. auch BVerfGE 20, 374 (377); 122, 210 (217). 350  Kischel, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 96 formuliert: „Sinnvollerwei­ se ergibt sich ein System […] aus der Gesamtschau aller einschlägigen Normen und der Vielzahl einschlägiger Wertungsgesichtspunkte, die in verschiedener Weise mit­ einander und gegeneinander wirken […].“ 351  Ebd. 352  Beispiele dafür, was das BVerfG als „System“ angesehen hat finden sich bei Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 284 f. 353  Eine detaillierte Untersuchung von Rechtsprechung und Literatur einschließ­ lich einer eigenen Abgrenzung bietet Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 48–159. 354  So Dieterich, Systemgerechtigkeit, S. 74, 79 f.



D. Systemgerechtigkeit229

So liest man in der Literatur im Zusammenhang mit Überlegungen zur Sys­ temgerechtigkeit  – wie Dieterich zusammenfasst355  – u. a. von „Grund­ satzentscheidungen“356, „Fundamentalprinzip[ien]“357, „ordnungs­stiftende[n] Grundwertungen“358, „übergeordneten Wertgesichtspunkten“359 oder „zen­ tralen Grundentscheidung[en]“360. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung soll der Anwendungsbereich des GWB-Vergaberechts geprüft werden. Es geht um die Frage, welche Bereiche erfasst sind bzw. sein sollten – und welche nicht. Im Fokus stehen nicht bestimmte Aspekte oder einzelne Teilbereiche des GWB-Vergaberechts sondern der Anwendungsbereich als Ganzes. Entscheidend sind folglich die allgemeinen und zentralen (grundlegenden) Prinzipien, Zwecke und Wertun­ gen des gesamten GWB-Vergaberechts. Bei einem solchen, generellen An­ satz dürfte das für das Vorliegen eines Systems erforderliche „Schwellenge­ wicht“ überschritten sein. Zu den zentralen Zielen des Vergaberechts gehört einerseits die wettbe­ werbliche Vergabe öffentlicher Aufträge.361 Bei den Ausführungen zu den neuen europäischen Richtlinien wurde bereits gezeigt, dass die Verwirk­ lichung des Binnenmarktes gem. Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 EUV eines der grundlegenden Ziele der EU ist und die EU-Vergaberichtlinien auf die För­ derung des Binnenmarktes und die Schaffung (möglichst) weitreichenden Wettbewerbs abzielen.362 Im Rahmen dessen kommt auch den Grundsätzen der Transparenz und Gleichbehandlung  – die bislang in Art. 2 VKR und nunmehr in ErwGrd 1 VRL enthalten sind  – eine herausragende Bedeutung zu. Zusammen bilden diese die vergaberechtliche Trias „Wettbewerb, Transparenz, Gleichbehandlung“.363 Die europäischen Zielsetzungen und Prinzipien lassen sich dabei auf das nationale GWB-Vergaberecht übertra­ 355  Dieterich,

Systemgerechtigkeit, S. 81 f. StuW 2000, 316 (322) [Hervorhebung hinzugefügt]. 357  Englisch, in: FS Lang, S. 167 (182) [Hervorhebung hinzugefügt]. 358  Vgl. Drüen, in: FS Spindler, S. 29 (30) mit Verweis auf Spindler, Steuerrecht und Verfassungsrecht  – eine Bestandsaufnahme, in: FS Spiegelberger, 2009, S. 471 [Hervorhebung hinzugefügt]. 359  Canaris, Systemdenken und Systembegriff, S. 33 [Hervorhebung hinzuge­ fügt]. 360  Hanebeck, Der Staat 41 (2002), 429 (448) [Hervorhebung hinzugefügt]; vgl. zudem auch Degenhart, Systemgerechtigkeit, S. 3. 361  Vgl. Fehling, in: Pünder / Schellenberg, Vergaberecht, § 97 GWB Rn. 1, 52 ff. 362  Vgl. Kap. 4 D. I. 363  So Dreher, NZBau 2015, 1 (s. o.); vgl. zur Bedeutung dieser Grundsätze auch Burgi, NZBau 2008, 29 ff. und allgemein Weiner, in: Gabriel / Krohn / Neun, Handbuch des Vergaberechts, § 1 Rn. 8 ff.; vgl. auch Müller-Wrede, in: ders., GWBVergaberecht, § 97 Rn. 4 ff. 356  Kirchhof,

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

gen, da hiermit die Vorgaben der Vergaberichtlinien innerstaatlich umge­ setzt werden. Wettbewerb, Transparenz und Gleichbehandlung sind daher auch im nationalen Recht als grundlegende Prinzipien anerkannt und all­ gegenwärtig. Zu den zentralen Zielen und Prinzipien des nationalen Vergaberechts gehört darüber hinaus jedoch auch die Sicherstellung einer möglichst wirt­ schaftlichen und effizienten (d. h. haushaltsschonenden / sparsamen) Beschaf­ fung,364 die letztlich einer möglichst erfolgreichen Erfüllung öffentlicher Verwaltungsaufgaben dient.365 Aus der traditionellen, haushaltsrechtlichen Verankerung des deutschen Vergaberechts366 heraus, sollen die Vergabe­ regeln dazu beitragen, dass Beschaffungsvorhaben möglichst kostengünstig bzw. unter Erzielung eines möglichst optimalen Preis-Leistungs-Verhältnis­ ses durchgeführt werden.367 Weiterhin finden sich im europäischen und nationalen Vergaberecht mitt­ lerweile vermehrt sog. strategische Aspekte (früher bezeichnet als „vergabe­ fremde“ Kriterien), insbesondere umwelt- oder sozialpolitischer Art. Auf­ grund der immensen volkswirtschaftlichen Bedeutung der öffentlichen Auftrags- und Konzessionsvergabe wird das Vergaberecht regelmäßig dazu herangezogen,368 politische Ziele zu erreichen. Von den genannten Zielen und Prinzipien ist für die Untersuchung des Anwendungsbereichs insbesondere das Wettbewerbsprinzip von Bedeutung. Wie schon zuvor bei den europäischen Richtlinien, ergibt sich auch hier die Prämisse, dass für eine weitreichende Erfüllung dieses Prinzips möglichst viele Sachbereiche und Vergabekonstellationen in den Anwendungsbereich miteinzubeziehen sind. Denn je mehr Ausnahmen aufgenommen werden, desto weniger Wettbewerb wird in der Praxis entstehen. Allerdings darf auch im nationalen Recht nicht verkannt werden, dass Ausnahmen und Sonderregelungen beim Bestehen gewichtiger sachlicher Gründe möglich bleiben müssen und gerade die Schaffung von Sachbereichsausnahmen im Rahmen politischer Entscheidungsprozesse oft sehr umstritten ist. 364  Dörr, in: Dreher / Motzke, Vergaberecht, Einleitung Rn. 5 und 9; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Vor §§ 97 ff. GWB Rn. 1; BVerfGE 116, 136 (152 f.). 365  Burgi, NZBau 2009, 609 (611 f.). 366  Weiner, in: Gabriel / Krohn / Neun, Handbuch des Vergaberechts, § 1 Rn. 2. 367  Kirchner, VergabeR 2010, 725 (725). 368  Oftmals wird auch von einer „Instrumentalisierung“ des Vergaberechts zur Erreichung strategischer Aspekte gesprochen, z. B. bei P. Antweiler, Instrumentalisie­ rung staatlicher Auftragsvergabe für politische Zwecke, Hamburg 2003 sowie Fante, Instrumentalisierung des öffentlichen Beschaffungswesens zur Durchsetzung politi­ scher Ziele, Aachen 2004.



D. Systemgerechtigkeit231

Im Ergebnis ist daher der Wettbewerbsgrundsatz für den Anwendungsbe­ reich des GWB-Vergaberechts das zentrale Ziel bzw. Prinzip, an dem sich die nachfolgenden Prüfungen orientieren werden. Bedeutung kommt aller­ dings auch dem Grundsatz der möglichst wirtschaftlichen und sparsamen Beschaffung zu.369 Schließlich ist dieser eng an das Bestehen von Wettbe­ werb gekoppelt: Nur beim Bestehen ausreichenden Wettbewerbs ist es den Auftrags- und Konzessionsgebern möglich, aus mehreren, konkurrierenden Angeboten das günstigste bzw. wirtschaftlichste Angebot auszuwählen. 2. Verstoß gegen verfassungsrechtliche Systemgerechtigkeit? Wie oben gesehen,370 hat sich der deutsche Gesetzgeber bei der Ausge­ staltung des Anwendungsbereichs des GWB-Vergaberechts sehr genau an den Vorgaben der europäischen Richtlinien orientiert; bedeutende Abwei­ chungen sind nicht zu verzeichnen. Es besteht daher die Möglichkeit, das bei der Durchsicht der Richtlinien gefundene Ergebnis als Indiz für die nationale Regelung heranzuziehen. Aufgrund der wahrnehmbaren Inkonsis­ tenzen und der mangelnden Stimmigkeit des Anwendungsbereichs der Richtlinien erscheint die deutsche Umsetzung somit auf den ersten Blick wenig überzeugend. Für die Feststellung einer möglichen Verfassungswid­ rigkeit ist jedoch freilich eine gesonderte Prüfung erforderlich  – die sich aufgrund des begrenzten Umsetzungsspielraums des nationalen Gesetzge­ bers auf die Prüfung reduziert, ob das deutsche Verfassungsrecht eine Ausweitung des Anwendungsbereichs fordert.371 Schließlich können im natio­ nalen Recht noch weitergehende oder andere Gründe für oder gegen die Einbeziehung eines Sachbereichs in den Anwendungsbereich des Vergabe­ rechts sprechen. Zudem müssen die Spezifika der Systemgerechtigkeitsprü­ fung einschließlich möglicher sachlicher Rechtfertigungsgründe sowie die teils vertretene Unanwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG beachtet werden. a) Vorschriften für die Vergabe von Konzessionen Hinsichtlich der neuen Vorschriften für die Vergabe von Konzessionen wurde oben im Teil  zu den Richtlinien festgestellt, dass durch die KVR eine weitreichende Regelungslücke zu Recht geschlossen wurde. Gründe, 369  Bezieht man neben den beiden genannten auch die (noch grundlegendere) Existenz des Vergaberechts zur erfolgreichen Erfüllung öffentlicher Verwaltungsauf­ gaben mit ein, ergeben sich drei Hauptzwecke, vgl. hierzu Burgi, NZBau 2009, 609 (611 ff.) sowie Frister, VergabeR 2011, 295 (295 ff.). 370  Kap. 3 B. II. 371  Vgl. hierzu bereits oben Kap. 4 A. I. 3. c) aa).

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

die eine unterschiedliche Behandlung von Aufträgen und Konzessionen rechtfertig(t)en, waren nicht ersichtlich; vielmehr sorgt eine Regelung be­ treffend Konzessionen für mehr Wettbewerb und Rechtssicherheit.372 Dies lässt sich ohne Einschränkungen auf die nationale Rechtslage übertragen. Die Aufnahme von Vorschriften zur Konzessionsvergabe in das GWB (§§ 148 ff. GWB n. F.) in Verbindung mit der neu geschaffenen Konzessi­ onsverordnung (KonzVgV) bietet den Rechtsanwendern in Deutschland mehr Rechtssicherheit und stärkt den Wettbewerb. Schließlich liegen nun erstmals konkrete Vorschriften vor, die den Konzessionsgebern spezifische Verfahrensregeln vorgeben und auf diese Weise den Anwendungsbereich ausweiten.373 Im Ergebnis werden letztlich sowohl der Wettbewerbsgrund­ satz als auch der Grundsatz der möglichst wirtschaftlichen und sparsamen Beschaffung gefördert. Eine konsistente und folgerichtige, an den grundle­ genden Zielen des GWB-Vergaberechts orientierte Vorgehensweise des Ge­ setzgebers ist daher zu bejahen. Ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Systemgerechtigkeitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG muss folglich abgelehnt werden. b) Allgemeiner Anwendungsbereich Die grundlegenden Definitionen und Vorschriften zum allgemeinen An­ wendungsbereich haben sich im nationalen Recht bei der klassischen Auf­ tragsvergabe und der Sektorenauftragsvergabe nicht geändert. Zudem wur­ den diese entsprechend auch auf den Bereich der Konzessionen übertragen, vgl. §§ 97 ff., 148 ff. GWB n. F. Dies erscheint konsequent, ebenso wie der Umstand, dass die Regeln zur Konzessionsvergabe nicht nur von den klas­ sischen, sondern auch von den Sektorenauftraggebern zu beachten sind, § 101 Abs. 1 Nr. 2 und 3 GWB n. F. Der Wettbewerb und die möglichst wirtschaftliche und sparsame Beschaffung werden damit umfassend sicher­ gestellt, so dass ein Verfassungsverstoß abzulehnen ist. c) Sonderregime für soziale und andere besondere Dienstleistungen Die – gewisse – Erweiterung des Anwendungsbereichs durch die Sonder­ regime für soziale und andere besondere Dienstleistungen (§ 130 GWB n. F., ggf. i. V. m. § 142 oder § 147 GWB n. F., bzw. für Konzessionen § 153 GWB n. F.) ist angesichts der beiden Hauptziele des Vergaberechts grund­ sätzlich zu begrüßen. Möglicherweise hätte der deutsche Gesetzgeber jedoch 372  Vgl.

oben Kap. 4 D. I. 1. Frage, ob nunmehr auch öffentlich-rechtliche Dienstleistungskonzessio­ nen einen Beschaffungsvorgang darstellen vgl. Müller, NVwZ 2016, 266 ff. 373  Zur



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zusätzlich die Möglichkeit gehabt, (a) die sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen gänzlich dem strengeren allgemeinen Vergaberegime zu unterwerfen und / oder (b) die sozialen und anderen besonderen Dienstleis­ tungen (Anhang XIV VRL, Anhang XVII SRL und Anhang IV KVR) anders auszuwählen.374 Hierdurch könnten die beiden Hauptziele möglicherweise noch besser verwirklicht werden. Fraglich ist, wie dies im Rahmen der Systemgerechtigkeit zu bewerten ist. aa) Schaffung der Sonderregime (bzw. Zuordnung der entsprechenden Dienstleistungen zum strengeren allgemeinen Vergaberegime) Möglicherweise wäre der Gesetzgeber im Rahmen der Umsetzung ver­ pflichtet gewesen, auf die Schaffung erleichterter Vergaberegime zu verzich­ ten und die betreffenden Dienstleistungen grundsätzlich dem allgemeinen Vergaberegime zu unterwerfen. Wie bereits angesprochen,375 dürfte bei Bestehen einer solchen Verpflichtung allerdings ein Fall des sog. „echten“ gold plating vorliegen  – schließlich würden in den Anwendungsbereich der Richtlinien fallende Bereiche strengeren Vorschriften unterworfen. Die da­ mit einhergehende Problematik muss an dieser Stelle jedoch nicht vertieft werden, falls im Ergebnis überhaupt keine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Verschärfung bestand / besteht. Ähnliches gilt hinsichtlich der Frage, ob Art. 3 Abs. 1 GG in der vorliegenden Konstellation überhaupt anwendbar ist: Soweit für eine feststellbare Systemwidrigkeit ein sachlich hinreichen­ der / plausibler Rechtfertigungsgrund vorliegt, der diese rechtfertigt, muss die Frage der Anwendbarkeit nicht entschieden werden.376 (1) Vorliegen einer Systemwidrigkeit Für eine Verpflichtung zur Verschärfung müsste zunächst eine Systemwid­ rigkeit bestehen. Bei der Schaffung des Sonderregimes als solches kann aller­ dings schon daran gezweifelt werden, ob eine „Systemwidrigkeit“ tatsächlich vorliegt. Schließlich sind die sozialen und anderen besonderen Dienstleistun­ gen nicht gänzlich vom Vergaberecht ausgenommen, es gelten lediglich eini­ ge – allerdings recht umfangreiche – Verfahrenserleichterungen. Letztendlich dürfte für das Vorliegen einer Systemwidrigkeit jedoch nicht erforderlich sein, dass die abweichend geregelten Bereiche dem jeweiligen Bezugspunkt diametral gegenüberstehen. Nicht gänzlich unerhebliche Unterschiede dürf­ ten ausreichen. Eine Systemwidrigkeit ist daher anzunehmen. an dieser Stelle auch Höfer / Nolte, NZS 2015, 441 (446). Kap. 4 A. I. 2. b). 376  Vgl. hierzu unter Kap. 4 A. I. 3. c) bb). 374  Vgl. 375  Vgl.

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

(2) Rechtfertigung Für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung ist, wie oben beschrieben,377 ein sachlicher Grund erforderlich, der die Abweichung „hinreichend“ bzw. „plausibel“ rechtfertigt. Dabei steigen die Rechtferti­ gungsanforderungen mit der Intensität der Abweichung / Ausnahme („Jedesto-Formel“). Wegen der weitreichenden gesetzgeberischen Freiheit dürfen die Anforderungen an das Vorliegen eines sachlichen Grundes jedoch nicht übersteigert werden, da es zur Erzielung angemessener Ergebnisse in nicht wenigen Fällen notwendig sein kann, von einem System abweichende Re­ gelungen zu schaffen. (a) Intensität der Abweichung von der zugrunde gelegten Ordnung Bei der Intensität der Abweichung ist zu bedenken, dass einige Unter­ schiede zwischen Sonderregime und allgemeinem Vergaberegime bestehen. Hervorzuheben ist zunächst die Geltung unterschiedlicher Schwellenwerte, vgl. z. B. § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB n. F. i. V. m. Art. 4 VRL. Während zudem beim allgemeinen Vergaberegime gem. § 119 GWB n. F. ein Vorrang des offenen sowie nicht offenen Verfahrens besteht und die anderen Verfahrens­ arten nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Gestattung zur Verfügung stehen, kann bei der Vergabe von Aufträgen im Bereich sozialer und anderer beson­ derer Dienstleistungen nach § 130 Abs. 1 GWB n. F. frei zwischen allen fünf Verfahrensarten378 gewählt werden. Darüber hinaus sind Auftragsände­ rungen gem. § 130 Abs. 2 GWB n. F. abweichend von § 132 Abs. 3 GWB n. F. sogar bis zur Grenze von 20 % des ursprünglichen Auftragswertes ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zulässig. Weitere Verfahrens­ erleichterungen ergeben sich ferner auf Verordnungsebene.379 Im Bereich der Konzessionen sind daneben wegen § 153 GWB n. F. nur die §§ 151, 152 GWB n. F. anzuwenden; sämtliche, von den Verweisen in § 154 GWB n. F. erfassten Vorschriften sind bei der Vergabe von Konzessionen über soziale und andere besondere Dienstleistungen nicht zu beachten. Allerdings entsteht hierdurch  – wie angedeutet  – kein diametraler / grund­ legender Widerspruch zu den Zielen der Wettbewerbsförderung und einer möglichst wirtschaftlichen und sparsamen Beschaffung. Auch in dem von den Sonderregimen betroffenen Bereich werden beide Ziele gefördert  – nur eben (etwas) weniger intensiv und mit weniger Verpflichtungen für die 377  Unter

Kap. 2 A. Verfahren, nicht offenes Verfahren, Verhandlungsverfahren, wettbe­ werblicher Dialog und Innovationspartnerschaft, vgl. § 119 Abs. 3 bis 7 GWB n. F. 379  Vgl. §§ 64–66 VgV n. F. 378  Offenes



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Auftraggeber. Hinzu kommt, dass nicht an personen-, sondern an sachbezo­ gene Kriterien380 angeknüpft wird. Im Ergebnis kann daher wohl von einer mittleren oder sogar geringen Intensität der Abweichung ausgegangen wer­ den. Besonders strenge Rechtfertigungsanforderungen scheinen deshalb nicht geboten. (b) Vorliegen sachlich hinreichender / plausibler Gründe Die Schaffung der Sonderregime könnte durch sachlich hinreichen­ de / plausible Gründe gerechtfertigt sein. In der Gesetzesbegründung zur Verankerung der Sonderregime im GWB  n. F. nimmt der deutsche ­Gesetzgeber Bezug auf die entsprechende Begründung der Richtlinien ­(ErwGrde  114 ff. VRL, 53 f. KVR).381 Darin wird darauf hingewiesen, dass die betreffenden, von den Sonderregimen erfassten Dienstleistungen oft personen- und ortsgebunden seien und ihnen daher nur eine eingeschränkte grenzüberschreitende Dimension zukomme. Zudem würden gerade Dienst­ leistungen im Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereich in einem besonde­ ren Kontext erbracht, der sich aufgrund unterschiedlicher kultureller Tradi­ tion in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterscheide. In der Tat sind gerade soziale Dienstleistungen oft personen- und orts­ gebunden. Beispielsweise kann die Erbringung von Dienstleistungen der häuslichen Pflege naturgemäß nur am Wohnort der Betroffenen durchge­ führt werden. Die Attraktivität derartiger Aufträge für ausländische Bieter und somit dessen Binnenmarktrelevanz dürfte daher deutlich reduziert sein. Die eingeschränkte Binnenmarktrelevanz und die unterschiedlichen Traditi­ onen der einzelnen Mitgliedstaaten sind an dieser Stelle jedoch nicht aus­ schlaggebend. Das Kriterium der Binnenmarktrelevanz mag zwar der auf europäischer Ebene entscheidende Faktor für die Schaffung der Sonderre­ gime gewesen sein, im nationalen Recht ist er jedoch für die Rechtferti­ gung einer möglichen Systemwidrigkeit irrelevant. Hier kommt es lediglich darauf an, inwieweit die unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Dienstleistungen aus rein nationaler Perspektive, beschränkt auf die Bun­ desrepublik Deutschland, gerechtfertigt werden kann. Entscheidend ist also, warum die Dienstleistungen im nationalen Recht unterschiedlich behandelt werden. Für eine Rechtfertigung sind folglich andere sachliche Gründe er­ forderlich. 380  Nach Auffassung des BVerfG ist ein strenger(er) Prüfungsmaßstab im Rah­ men des Art. 3 Abs. 1 GG immer dann angezeigt, wenn zwischen Personengruppen und nicht lediglich zwischen Sachverhalten differenziert wird, BVerfGE 116, 135 (160 f. m. w. N.). 381  S. 115, 132 BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzesbegründung zum VergRModG).

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

Ein solcher könnte darin liegen, dass die Anwendung der allgemeinen Vergaberegeln und damit eine recht weitgehende Ökonomisierung und Wett­ bewerbsorientierung bei den sozialen und anderen besonderen Dienstleistun­ gen den Anforderungen aus der Praxis nicht immer gerecht werden, sondern zu einem unerwünschten Preis- und Verdrängungswettbewerb führen wür­ de.382 Gerade soziale Dienstleistungen sind regelmäßig immaterieller Art und erfolgen unter Einbeziehung des Leistungsempfängers.383 Der Erfolg dieser Dienstleistungen hängt damit entscheidend von Qualifikation und Erfahrung des eingesetzten Personals ab.384 Effizienzsteigerungen (beispiels­ weise durch Reduzierung der zur Verfügung stehenden Zeit) gehen oft un­ mittelbar zu Lasten der Qualität. Derartige Dienstleistungen lassen sich daher nicht ausschließlich standardisiert und nach streng wirtschaftlichen Gesichtspunkten kalkulieren, anbieten und einkaufen. Es erscheint folglich angemessen, wenn den Auftrag- und Konzessionsgebern an dieser Stelle eine etwas erhöhte Flexibilität eingeräumt wird, um eine bedarfs- und qua­ litätsorientierte Beschaffung sicherstellen zu können, die sich an den Beson­ derheiten der jeweiligen Dienstleistung orientiert. Damit dürften Preis- und Lohndumping in diesem Bereich (auf Kosten der Qualität) in Zukunft eher vermieden werden können. Ein hinreichender / plausibler sachlicher Grund für die Schaffung der erleichterten Vergaberegime als solche, die insbeson­ dere soziale Dienstleistungen betreffen, liegt daher vor. Die festgestellte Systemwidrigkeit ist deshalb gerechtfertigt. (3) Zwischenergebnis Die Systemwidrigkeit ist wegen Vorliegen eines sachlich hinreichenden Grundes gerechtfertigt. Dies hat zur Folge, dass eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Verschärfung abzulehnen ist. Die Problematik des sog. 382  Vgl.  – hinsichtlich Arbeitsmarktdienstleistungen  – S. 2 des Positionspapiers „Eckpunkte für eine qualitätsorientierte und sozial ausgewogene Vergabe von Ar­ beitsmarktdienstleistungen“ mehrerer Gewerkschaften und Verbände v. 01.10.2014, abrufbar im Internet unter http: /  / www.bagarbeit.de / themen / key@1128  – zuletzt abgerufen am 25.08.2015. 383  Vgl. S. 9 der Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zum Referentenentwurf des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes v. 22.05.2015, abrufbar im Internet unter http: /  / www.dgb.de / themen / ++co++dada66ba-1370-11e59af4-52540023ef1a  – zuletzt abgerufen am 28.07.2015. 384  Vgl. S. 6 f. der Stellungnahme des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zum Referentenentwurf des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes v. 16.06.2015, abrufbar im Internet unter https: /  / www.deutscher-verein.de / de / emp­ fehlungen-stellungnahmen-2015-stellungnahme-des-deutschen-vereins-zum-referen­ tenentwurf-des-bundesministeriums-fuer-wirtschaft-und-energie-fuer-ein-gesetz-zurmodernisierung-des-vergaberechts-umsetzung-der-eu-vergaberichtlinien-2-1859, 545,1000.html  – zuletzt abgerufen am 20.10.2015.



D. Systemgerechtigkeit

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„echten“ gold plating ist daher an dieser Stelle ebenso wenig relevant wie die Frage, ob Art. 3 Abs. 1 GG überhaupt angewendet werden kann. Auf vertiefende Ausführungen kann mithin verzichtet werden. bb) Auswahl der von den Sonderregimen erfassten Dienstleistungen Die Schaffung der Sonderregime im Allgemeinen wurde soeben als durch hinreichende Gründe gerechtfertigt angesehen. Fraglich erscheint jedoch, ob dies durchweg auch für die einzelnen, die Anwendbarkeit der Sonderregime begründenden Dienstleistungen gilt, oder der Gesetzgeber einige dieser Dienstleistungen konsequenterweise dem allgemeinen Vergaberegime hätte unterwerfen müssen. Beim Bestehen einer derartigen Pflicht wäre auch hier ein Fall des sog. „echten“ gold plating anzunehmen. Wie schon zuvor soll auf die zugrunde liegende Problematik aber nur dann eingegangen werden, wenn die Pflicht tatsächlich zu bejahen ist. Entsprechendes gilt zudem auch hier bezüglich der Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG. (1) Vorliegen einer Systemwidrigkeit Bei der Auswahl der für die Sonderregime relevanten Dienstleistungen hat sich der deutsche Gesetzgeber anlässlich der Umsetzung darauf beschränkt, auf die jeweiligen Anhänge der drei Richtlinien zu verweisen, vgl. §§ 130 Abs. 1, 142, 147, 153 GWB n. F. Änderungen bezüglich einzelner Dienstleis­ tungen wurden nicht vorgenommen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob der deutsche Gesetzgeber die Dienstleistungsauswahl – gemessen an den Vorga­ ben des nationalen Rechts – überhaupt unverändert übernehmen durfte. Im europarechtlichen Teil wurden bereits Zweifel an der Auswahl der von den Sonderregimen erfassten Dienstleistungen geäußert.385 Dort wurde im Anschluss an Opitz386 bemängelt, dass die Auswahl auf europarechtlicher Ebene abweichend von den Erwägungsgründen anscheinend nicht am Maß­ stab der Binnenmarktrelevanz vorgenommen wurde. Auch an diesem Punkt kann das Kriterium der Binnenmarktrelevanz jedoch nicht entscheidend sein. Vielmehr sind ausschließlich Erwägungen des nationalen Rechts maßgeblich. Konkrete Zweifel an einer rechtmäßigen Zuordnung ergeben sich insbe­ sondere387 hinsichtlich der Dienstleistungen „Schmiedearbeiten“ sowie der 385  Vgl.

oben Kap. 4 D. I. 3. VergabeR 2014, 369 (371). 387  Eine Prüfung jeder einzelnen Dienstleistung wäre an dieser Stelle zu weitge­ hend. Die Untersuchung konzentriert sich daher auf einige besonders problematische Fälle. 386  Opitz,

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

„Reifenrunderneuerung“, aber auch bezüglich der Organisation von „Mo­ denschauen“, „Festivals“ und „Parties“. Im Gegensatz zu anderen Dienst­ leistungen die ebenfalls keine soziale Komponente aufweisen, sind diese nicht dem allgemeinen Vergaberegime unterworfen, so dass insoweit eine Ausnahme / Abweichung vom grundlegenden Regelungssystem des GWB n. F. vorliegt. Eine Systemwidrigkeit ist demnach zu bejahen. (2) Rechtfertigung Die Abweichungen könnten jedoch durch hinreichende / plausible Gründe gerechtfertigt sein. (a) Intensität der Abweichung von der zugrunde gelegten Ordnung Zur Ermittlung der Intensität der Abweichung(en) von der zugrunde ge­ legten Ordnung kann auf die soeben dargestellten Unterschiede zwischen dem allgemeinen Vergaberegime und den Sonderregimen verwiesen werden. Allerdings ist auch hier festzustellen, dass durch die unterschiedliche Be­ handlung der verschiedenen Dienstleistungen kein grundlegender Wider­ spruch zu den beiden Hauptzielen des GWB-Vergaberechts entsteht und die Differenzierung an sachbezogene Kriterien (Art der Dienstleistung) an­ knüpft.388 Entsprechend kann auch hier von einer mittleren bis geringen Intensität ausgegangen werden. (b) Vorliegen sachlich hinreichender / plausibler Gründe Zweifelhaft ist, ob die zuvor herangezogenen Gründe auch bei der Recht­ fertigung der genannten Dienstleistungen „Schmiedearbeiten“, „Reifenrund­ erneuerung“ sowie der Organisation von „Modenschauen“, „Festivals“ und „Parties“ zum Tragen kommen. Hinsichtlich der Reifenrunderneuerung und Schmiedearbeiten ist zunächst nicht ersichtlich, warum eine weitgehende Ökonomisierung und Wettbe­ werbsorientierung den Anforderungen aus der Praxis nicht gerecht werden sollte. Im Gegensatz zu den sozialen Dienstleistungen der Sonderregime 388  Die Tatsache, dass es sich bei den genannten Dienstleistungen nur um relativ kleine Bereiche des Wirtschaftslebens und nicht um extrem umsatzstarke und weit­ reichende Tätigkeitsfelder handelt, darf bei der Bestimmung der Intensität jedoch nicht berücksichtigt werden. Schließlich geht es nicht um die praktische Reichweite der Ungleichbehandlung, sondern die Intensität der Abweichung von den sonst geltenden Vorschriften. Sähe man dies anders, könnte die bloße Größe einer Branche über die Höhe der Anforderungen an die Rechtfertigung entscheiden.



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gibt es hier keine erkennbaren Besonderheiten, die eine abweichende, flexi­ blere Beschaffungsart erfordern würden. Vielmehr handelt es sich um ge­ wöhnliche industrielle Dienstleistungen, beispielsweise vergleichbar mit der Instandsetzung von Fahrzeugen oder diversen Formen der Produktbe- oder -verarbeitung  – die ihrerseits nicht den Sonderregimen unterworfen sind. Reifenrunderneuerung und Schmiedearbeiten können ohne weiteres nach wirtschaftlichen Kriterien kalkuliert, angeboten und eingekauft werden. Die oben angeführten, insbesondere auf soziale Dienstleistungen bezogenen sachlichen Gründe können an dieser Stelle jedenfalls nicht übernommen werden. Ähnliches gilt für die Organisation von Modenschauen, Festivals und Parties. Auch hier dürfte eine generelle Übertragung der insbesondere auf soziale Dienstleistungen bezogenen Gründe ausscheiden. Da die zuvor angeführten Gründe hinsichtlich der Reifenrunderneuerung, Schmiedearbeiten sowie der Organisation von Modenschauen, Festivals und Parties nicht ausreichen, sind für eine Rechtfertigung andere sachliche Gründe erforderlich. Derartige Gründe könnten in der Gesetzesbegründung zum neuen GWB zu finden sein. In der Begründung zu § 130 und § 153 GWB n. F. werden einige der Dienstleistungen des Anhangs  XIV VRL anhand der einzelnen ErwGrde erläutert.389 Die angesprochenen, problematischen Dienstleistun­ gen werden dort jedoch nicht erwähnt und es wird nicht dargelegt, warum die Dienstleistungsauswahl des europäischen Gesetzgebers ohne Abwei­ chungen übernommen wurde. Eine konkrete, auf die fraglichen Dienstleis­ tungen zugeschnittene Erläuterung fehlt somit. Es bleibt demnach nur der Rückgriff auf allgemeinere Erläuterungen zur Umsetzung der Vergaberichtlinien. So ergibt sich aus den vom Bundeskabi­ nett am 07.01.2015 beschlossenen „Eckpunkte[n] zur Reform des Vergaberechts“,390 dass der deutsche Gesetzgeber die EU-Richtlinien mög­ lichst „eins zu eins“ in das deutsche Recht umsetzen wollte.391 Große inhalt­ liche Änderungen wurden nicht angestrebt. Diese Absicht ist auch bereits bei den obigen Ausführungen zur Regelung des Anwendungsbereichs im neuen GWB deutlich geworden. Fraglich ist jedoch, warum der deutsche Gesetzge­ ber bei der Umsetzung der Vergaberichtlinien diese strikte Vorgehensweise gewählt und auf die Ausnutzung bestehender Spielräume verzichtet hat. 389  S. 115,

132 BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzesbegründung zum VergRModG). im Internet unter http: /  / www.bmwi.de / BMWi / Redaktion / PDF / E /  eckpunkte-zur-reform-des-vergaberechts,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache= de,rwb=true.pdf  – zuletzt abgerufen am 03.09.2015. 391  S. 2, sechster Aufzählungspunkt der Eckpunkte zur Reform des Vergaberechts v. 07.01.2015; vgl. dort zudem Punkt „5.“ (S. 4). 390  Abrufbar

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

Hierzu ist zunächst zu bemerken, dass die Bundesregierung bereits seit mehreren Jahren bestrebt ist, Richtlinienvorgaben grundsätzlich „1:1“ um­ zusetzen und auf den Gebrauch bestehender Gestaltungsmöglichkeiten zu verzichten.392 Der aktuelle Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD sieht vor, „EU-Vorgaben ‚eins zu eins‘ “ umzusetzen.393 Dies sichere Chan­ cengleichheit im europäischen Binnenmarkt. Europäische Gesetzgebung müsse kohärent sein und dürfe sich nicht widersprechen, damit die Rolle Europas im langfristigen Wettbewerb gestärkt werde.394 Gründe, bei der aktuellen Umsetzung der Vergaberichtlinien von diesem Grundsatz abzuweichen wurden im Gesetzgebungsverfahren offensichtlich nicht gesehen. Vielmehr war der Gesetzgeber  – bzw. insbesondere das fe­ derführende BMWi  – wohl darauf bedacht, tatsächlich nur das umzusetzen, was europarechtlich gefordert war, um den Aufwand bei der Umsetzung gering zu halten und so die (knappe) Umsetzungsfrist einhalten zu kön­ nen.395 Schließlich hätte die Schaffung weiterer, von den europäischen Vorgaben abweichender Bestimmungen im Gesetzgebungsverfahren zu um­ fangreichen Diskussionen und damit Verzögerungen bei der Umsetzung führen können. Daneben wäre denkbar, dass dem deutschen Gesetzgeber gerade im Be­ reich des Vergaberechts die Schaffung einer möglichst einheitlichen europä­ ischen Rechtslage wichtig war. Schließlich bietet eine einheitliche europäi­ sche Rechtslage speziell im Bereich der öffentlichen Auftrags- und Konzes­ sionsvergabe Vorteile: Bieter können dann nämlich auch bei im Ausland durchgeführten Vergabeverfahren im Wesentlichen auf die Anwendungsvor­ aussetzungen, Regeln und Verfahrensvorschriften vertrauen, die sie aus der Heimat kennen. Dies vereinfacht die Teilnahme an grenzüberschreitenden Beschaffungsvorhaben besonders für KMU ganz erheblich und führt letzt­ lich zu mehr Wettbewerb innerhalb der Europäischen Union. Geht man davon aus, dass der deutsche Gesetzgeber die Schaffung einer einheitlichen europäischen Rechtslage fördern wollte, stellt sich die Frage, ob dies als sachlich hinreichender / plausibler Grund ausreichend ist. Dage­ Burmeister / Staebe, EuR 2009, 444 (446). auf S. 12 Koalitionsvertrag „Deutschlands Zukunft Gestalten“ zwischen CDU, CSU und SPD vom 27.11.2013, abrufbar z. B. unter https: /  / www.cdu.de / sites /  default / files / media / dokumente / koalitionsvertrag.pdf  – zuletzt abgerufen am 09.10. 2015. 394  Ebd. 395  Dies erscheint insbesondere vor dem Hintergrund plausibel, dass der deut­ sche Gesetzgeber es bei der Umsetzung der VKR und SKR damals nicht geschafft hat, die Umsetzungsfrist einzuhalten, siehe hierzu z. B. Ruthig, NZBau 2006, 137 ff.; Ax / Terschüren, ZfBR 2006, 123 ff. 392  Vgl. 393  So



D. Systemgerechtigkeit241

gen spricht jedoch, dass eine europarechtliche (Zweck-)Erwägung396 in diesem Fall Auswirkungen auf das Vorliegen eines Gleichheitsverstoßes nach nationalem Verfassungsrecht hätte. Für die an Art. 3 Abs. 1 GG an­ knüpfende Prüfung der Systemgerechtigkeit können jedoch allein Erwägun­ gen des nationalen Rechts entscheidend sein. Hinzu kommt, dass der Aspekt der Schaffung einer einheitlichen europä­ ischen Rechtslage in keiner Weise an die Art der betroffenen Dienstleistun­ gen anknüpft. Die unterschiedliche Behandlung wird gerade nicht auf Merkmale gestützt, die in der Natur der Dienstleistungen liegen. Für das Vorliegen eines Sachgrundes im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG fordert das BVerfG jedoch u. a., dass die Unterscheidung „an ein der Art nach sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungskriterium“ anknüpfen müsse. Zudem sei für das Maß der Differenzierung ein „innere[r] Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung“ er­ forderlich, der sich „als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht“ erweise.397 Diese grundlegenden Rechtferti­ gungsanforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG dürften auch im Rahmen der Systemgerechtigkeitsprüfung gelten, selbst wenn die Anforderungen an den nationalen Gesetzgeber aus Gründen der Innovationshemmung und unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Freiheit nicht übersteigert werden dürfen. Schließlich kann es dem Gesetzgeber nicht erlaubt sein, beliebige Konstellationen willkürlich unterschiedlich zu regeln und mit einem bloß pauschalen (z. B. europarechtlichen) Hinweis zu rechtfertigen. Erforderlich sind sachliche Gründe, die an die Unterschiede zwischen den jeweiligen Vergleichsgruppen anknüpfen. Hinsichtlich der Reifenrunderneuerung und Schmiedearbeiten sind derar­ tige Gründe jedoch nicht ersichtlich. Gravierende Unterschiede zu anderen industriellen Dienstleistungen, die für eine erleichterte Auftragsvergabe sprechen, sind nicht zu erkennen. Eine unterschiedliche Behandlung ist zur Erzielung (sach-)gerechter Ergebnisse daher nicht geboten. Ähnliches gilt wiederum für die Organisation von Modenschauen, Festi­ vals und Parties. Auch hier fehlt der soziale Bezug der Dienstleistungen, der für eine flexiblere Art der Auftragsvergabe sprechen kann. Gewichtige Un­ terschiede zu anderen Arten von Dienstleistungen, die ihrerseits dem allge­ meinen Vergaberegime unterliegen, bestehen ebenfalls nicht. Das Vorliegen 396  Eine Pflicht zur Herstellung einer möglichst einheitlichen europäischen Rechtslage besteht aufgrund der Umsetzungsspielräume der Mitgliedstaaten  – wie gesehen  – gerade nicht. 397  BVerfGE 133, 1 (Rn. 44) [Hervorhebung hinzugefügt]; BVerfGE 124, 199 (220); 129, 49 (68 f.); Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 18.

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

sachlicher Gründe, die an bestehende Unterschiede anknüpfen und eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen, ist daher abzulehnen. Die Zuordnung der Dienstleistungen der Reifenrunderneuerung, der Schmiedearbeiten und der Organisation von Modenschauen, Festivals und Parties zum erleichterten Vergaberegime ist mangels sachlich hinreichen­ der / plausibler Gründe nicht gerechtfertigt. (3) Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG Da eine bestehende Systemgerechtigkeit vorliegend nicht gerechtfertigt werden konnte, muss entschieden werden, ob Art. 3 Abs. 1 GG überhaupt anwendbar ist. Oben398 wurde bereits angesprochen, dass die Anwendbar­ keit des Art. 3 Abs. 1 GG den Umsetzungs- und Gestaltungspielraum des nationalen Gesetzgebers empfindlich einschränken könnte (Art. 3 Abs. 1 als „Harmonisierungshebel“399). Schon diese – schwerwiegenden – Konsequen­ zen lassen an der Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 in der hier vorliegenden, bzw. ähnlichen Konstellationen zweifeln. (a) Dogmatische Begründung der Unanwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG Darüber hinaus wird für eine dogmatische Begründung der Unanwend­ barkeit des Gleichheitssatzes auf die generellen Grenzen des Art. 3 Abs. 1 GG abgestellt. Grundsätzlich gilt im deutschen Verfassungsrecht, dass eine Ungleichbehandlung im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG nur bei Vergleichs­ fällen desselben Trägers öffentlicher Gewalt vorliegen kann.400 Allein bei Regelungen, die vom selben Gesetzgeber erlassen wurden, ist deshalb ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG möglich. Das ist in der verfassungsgericht­ lichen Rechtsprechung sowie der einschlägigen Literatur durchweg aner­ kannt.401 Dieser Gesichtspunkt wird sodann auch auf das Verhältnis zwi­ schen Mitgliedstaat und EU erstreckt,402 jedenfalls dann, wenn das Europa­ 398  Kap. 4

A. I. 3. c) bb). Teil  wird auch von einer „kalten Harmonisierung“ gesprochen, so Boysen, in: v. Münch / Kunig, GG, Bd. 1, Art. 3 Rn. 98. 400  BVerfGE 79, 127 (158) m. w. N.; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 9; Jarass, AöR 126 (2001), 588 (588); ausführlich Kohl, Widerspruchsfreie Normge­ bung, S. 173 ff. 401  Vgl. beispielsweise Bergmann, in: Hömig, GG, Art. 3 Rn. 8; näher Heintzen, EWS 1990, 82 (87); BVerfGE 93, 319 (351). 402  Fastenrath, JZ 1987, 170 (175 ff.); Heintzen, EWS 1990, 82 (87); Frenz, JZ 2007, 343 (347); Kischel, in: Epping / Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 138; vgl. auch Albers, JZ 2008, 708 (713) und Michaels, Anerkennungspflichten, S. 304 f. sowie die Streitdarstellung bei Bösch, Jura 2009, 91 (93 f.). 399  Zum



D. Systemgerechtigkeit243

recht zwingende Vorgaben enthält, die der nationale Gesetzgeber zu beach­ ten hat.403 Denn in diesem Fall verfüge der nationale Gesetzgeber nicht über die materielle Gestaltungsfreiheit, die für eine Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG erforderlich sei;404 er könne nur eine der beiden Vergleichsgruppen „behandeln“.405 Da die Ungleichbehandlung in diesen Fällen folglich durch zwei nebeneinander stehende Rechtsordnungen bedingt sei,406 dürfe Art. 3 Abs. 1 GG nicht angewandt werden. Andernfalls käme es zu einer umfas­ senden Bindung an eine fremde Rechtsetzungsinstanz.407 Eine Besonderheit ergibt sich bei der Umsetzung von Richtlinien in nati­ onales Recht. Hier könnte man auf den ersten Blick eine materielle Gestal­ tungsfreiheit des nationalen Gesetzgebers annehmen, da ausschließlich die­ ser die nationalen Vorschriften erlässt. Soweit die Richtlinie allerdings zwingende Vorgaben enthält, kann dies im Vergleich zu Verordnungen408 aufgrund der Umsetzungsverpflichtung des nationalen Gesetzgebers keinen Unterschied machen.409 (b) Einwände gegen die Unanwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG (aa) M  itgliedstaatliche Mitwirkungsmöglichkeiten an der nationalen Gesetzgebung Zum Teil  wird die Auffassung, Art. 3 Abs. 1 GG sei nicht anwendbar, indes mit Verweis auf die mitgliedstaatlichen Mitwirkungsmöglichkeiten an der europäischen Gesetzgebung abgelehnt. Durch die Ratifizierung der Gründungsverträge und die Zustimmung zu den einzelnen Gesetzgebungs­ akten hätten die Vertreter der Mitgliedstaaten eine Mitverantwortung für die Gestaltung des Gemeinschaftsrechts übernommen. Somit sei ihnen eine 403  Fastenrath,

JZ 1987, 170 (177). JZ 2008, 708 (714). 405  Weis, NJW 1983, 2721 (2725); Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 427. 406  Fastenrath, JZ 1987, 170 (175, 178); Lackhoff / Raczinski, EWS 1997, 109 (116); Bösch, Jura 2009, 91 (94). 407  Vgl. Lackhoff / Raczinski, EWS 1997, 109 (117); Heintzen, EWS 1990, 82 (87); Dreher, NZBau 2002, 421 (424). Zum Teil wird auch darauf hingewiesen, dass im Falle der Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG die Gefahr der Nivellierung von Schutzstandards bestehe, hierzu näher Heintzen, EWS 1990, 82 (87); dagegen aller­ dings Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 429. 408  Art. 288 Abs. 2 AEUV. 409  Vgl. hierzu Heintzen, EWS 1990, 82 (88); Weis, NJW 1983, 2721 (2725); Fastenrath, JZ 1987, 170 (177); Albers, JZ 2008, 708 (713); VGH Mannheim, NJW 1996, 72 (74). 404  Albers,

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Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

Einflussnahme nicht völlig verwehrt.410 Die Mitgliedstaaten treffe demnach eine (gewisse) Verantwortung411 für die Entstehung etwaiger Ungleichbe­ handlungen im nationalen Recht. Dies entspricht der an anderer Stelle vorgetragenen Auffassung, die Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft /  Union seien den Mitgliedstaaten zuzurechnen.412 Da der nationale Gesetz­ geber die Einflüsse supranationalen Rechts billige, müsse er für die Konsis­ tenz des nationalen und supranationalen Rechts einstehen.413 Gegen eine solche Argumentation spricht jedoch, dass die Mitgliedstaa­ ten im Rahmen des europäischen Rechtsetzungsprozesses nicht als Vertre­ ter der jeweiligen mitgliedstaatlichen Regierung, sondern als Teile des Ge­ meinschafts- / Unionsorgans und somit als Organwalter agieren.414 Eine di­ rekte Verantwortlichkeit der jeweiligen Mitgliedstaaten ist deswegen abwe­ gig. Im Weiteren hat die BRD zwar gem. Art. 23, 24 GG Befugnisse an die Europäische Union übertragen. Es erscheint allerdings widersprüchlich, wenn die BRD einerseits Hoheitsrechte auf eine andere Institution übertra­ gen kann, für die entstehenden rechtlichen Regeln dann aber andererseits direkt verantwortlich sein und sich diese zurechnen lassen soll.415 Die Übertragung von Hoheitsrechten ermöglicht vielmehr die Schaffung einer eigenständigen und autonomen Rechtsordnung, für die im Ergebnis allein die jeweiligen rechtsetzenden Organe der EU verantwortlich zeichnen.416 Etwaige Ungleichbehandlungen auf nationaler Ebene sind daher im Ergeb­ nis durch die Existenz zweier, autonom nebeneinander stehender Rechts­ ordnungen bedingt.

410  So Weis, NJW 1983, 2721 (2725); in dieselbe Richtung auch Schilling, JZ 1994, 8 (10). 411  Von einer „Verantwortung“ des nationalen Gesetzgebers spricht auch Hammerl, Inländerdiskriminierung, S. 180. Eine Verantwortung des deutschen Gesetzge­ bers für die Ungleichbehandlung sieht zudem Heun, in: Dreier, GG, Bd. 1, Art. 3 Rn. 11. 412  Riese / Noll, NVwZ 2007, 516 (520 f.); Schilling, JZ 1994, 8 (10). 413  Riese / Noll, NVwZ 2007, 516 (520 f.); in diese Richtung auch Hammerl, In­ länderdiskriminierung, S. 180. 414  Fastenrath, JZ 1987, 170 (175); näher Heintzen, EWS 1990, 82 (87); Lackhoff / Raczinski, EWS 1997, 109 (116); Bösch, Jura 2009, 91 (94); Epiney, Umge­ kehrte Diskriminierungen, S. 428 f. weist zudem darauf hin, dass beim Erlass von Sekundärrecht mittlerweile auch Mehrheitsentscheidungen möglich sind. Dies spricht deutlich gegen eine Zurechnung. 415  Ähnlich Bösch, Jura 2009, 91 (94). Gegen eine Zurechnung auch Lackhoff / Raczinski, EWS 1997, 109 (116 f.). 416  VGH Mannheim, NJW 1996, 72 (74); Bösch, Jura 2009, 91 (95); ähnlich Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 428. Eine autonome Rechtsordnung sieht zudem auch Heintzen, EWS 1990, 82 (88).



D. Systemgerechtigkeit245

Hinzu kommt, dass die Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU nicht in Form einer uneingeschränkten Generalermächtigung erfolgt. Vielmehr werden Ermächtigungen nur in inhaltlich begrenzter Weise übertragen, so dass den Handlungsmöglichkeiten der EU deutliche Grenzen gesetzt sind (Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigungen; keine „KompetenzKompetenz“).417 Wendete man Art. 3 Abs. 1 GG an, würde dies mittelbar dazu führen, dass die EU-Gesetzgebung auch Bereiche beeinflusst418, für die keine EU-Kompetenz besteht. Dies wäre mit Art. 23 Abs. 1 Satz  2 GG (und Art. 38  GG) unvereinbar.419 (bb) Differenzierung innerhalb des Hoheitsgebietes eines Staates Des Weiteren wird mitunter eingewandt, eine Übertragung der Begren­ zung des Art. 3 Abs. 1  GG auf Vorschriften desselben Trägers öffentlicher Gewalt sei im Verhältnis Mitgliedstaat-EU nicht möglich, da es hier um Differenzierungen innerhalb des Hoheitsgebietes eines Staates gehe.420 Dies mag zwar formal zutreffend sein, ändert aber nichts daran, dass die unter­ schiedliche Behandlung eben durch zwei autonome, nebeneinanderstehende Rechtsetzungsinstitutionen bedingt ist.421 Es bleibt dabei, dass dem nationa­ len Gesetzgeber die weitgehende materielle Gestaltungsfreiheit entzogen ist, weil das (autonome) Gemeinschafts- / Unionsrecht verbindliche Vorgaben für die nationalen Gesetzgeber statuiert.422 Der Grund für die Differenzierung innerhalb nur eines staatlichen Hoheitsgebietes liegt zudem in der Natur der europäischen Rechtsordnung: Diese gilt nicht für einen abgrenzbaren, eigen­ ständigen Personenkreis von „Unionsbürgern“ (die von sonstigen Bürgern der EU zu unterscheiden wären), sondern – im Wege eines Anwendungsvor­ ranges  – innerhalb der einzelnen Mitgliedstaaten, die jeweils über eigene Rechtsordnungen verfügen.

417  Schmahl, in: Sodan, GG, Art. 23 Rn. 18; BVerfGE 89, 155 (187 f.); 123, 267 (349 ff.). 418  D. h., den nationalen Gesetzgeber zur Angleichung zwingt. 419  VGH Mannheim, NJW 1996, 72 (74); in dieselbe Richtung Ruthig / Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rn. 156; Albers, JZ 2008, 708 (713); Bösch, Jura 2009, 91 (94); vgl. auch Gundel, DVBl. 2007, 269 (272). 420  So wörtlich Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 431; ähnlich auch Weis, NJW 1983, 2721 (2725). 421  A. A. (konsequenterweise) wiederum Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, S. 430, die der Auffassung ist, dass das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten gerade nicht vorschreibe, wie sie den von ihm erfassten Bereich regeln sollen. 422  Ähnlich wie hier auch Heintzen, EWS 1990, 82 (87).

246

Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

(c) Fazit Im Ergebnis ist eine Übertragung der Unanwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG auch auf das Verhältnis zwischen Mitgliedstaat und EU mög­lich.423 Um eine umfassende, „mechanische“424 Bindung des Gesetzgebers und ­eine faktisch EU-kompetenzerweiternde Praxis zu vermeiden, ist die Anwendung des Gleichheitssatzes  – und somit eine hieran orientierte Prüfung der Sys­ temgerechtigkeit – in der vorliegenden Konstellation abzulehnen.425 Bei der Auswahl der von den Sonderregimen erfassten Dienstleistungen kann dem deutschen Gesetzgeber folglich kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG bzw. den Grundsatz der Systemgerechtigkeit zur Last gelegt werden.426 Eine verfassungsrechtliche Pflicht, einige der den Sonderregimen zugeordneten Dienstleistungen dem allgemeinen Vergaberegime zu unterwerfen, besteht demzufolge nicht. Dadurch stellt sich auch die einleitend angesprochene Problematik des sog. „echten“ gold plating an dieser Stelle nicht. d) Öffentliche Aufträge zwischen Einrichtungen des öffentlichen Sektors, Schwellenwerte und Ausnahmen Angesichts der Unanwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG erübrigt sich eine Prüfung der Systemgerechtigkeit auch im Bereich der In-House- bzw. InState-Vergabe, der Schwellenwerte, sowie der Ausnahmen vom Vergabe­ recht (insbesondere Rechtsdienstleistungen, Dienstleistungen des Katastro­ phenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr sowie Trinkwas­ ser). Ein Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Pflicht zur systemgerech­ ten Ausgestaltung des nationalen Rechts muss auch in diesen Bereichen aufgrund der Besonderheiten der vorliegenden Konstellation abgelehnt werden.

423  Zu

(88).

weiteren dogmatischen Unstimmigkeiten vgl. Heintzen, EWS 1990, 82

424  Gundel,

DVBl. 2007, 269 (272). Ergebnis gegen eine Anwendung des Gleichheitssatzes (u. a.) Fastenrath, JZ 1987, 175 ff.); Heintzen, EWS 1990, 82 (87 f., 91 f.); König, AöR 118 (1993), 591 (599 f.); Dreher, NZBau 2002, 421 (424 f.); Albers, JZ 2008, 708 (713 f.); Bösch, Jura 2009, 91 (93 ff.); wohl auch Siegel, Europäisierung, Rn. 34; Kischel, in: Ep­ ping / Hillgruber, GG, Art. 3 Rn. 138; Stelkens, in: Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, EU-Verwaltungsrecht u. a., Rn. 68. 426  Erwägenswert wäre theoretisch ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG  – diese Problematik soll im Rahmen der vorliegenden Untersuchung jedoch ausgeklammert bleiben. 425  Im



D. Systemgerechtigkeit

247

3. Rechtspolitische Dimension Unabhängig von den verfassungsrechtlichen Aspekten – und somit fernab von strengen gesetzgeberischen Pflichten – verbleibt indes Raum für rechts­ politische Erwägungen. Vor dem Hintergrund möglichst gelungener (d. h. auch: stimmiger und konsistenter), an den zentralen Regelungszielen orien­ tierter Gesetzgebung kann diskutiert werden, ob die getroffenen Regeln zum Anwendungsbereich sinnvoll sind oder sie zur besseren Erreichung der Normzwecke oder erleichterter Verständlichkeit nicht hätten anders ausge­ staltet werden sollen. Neben die verfassungsrechtliche Prüfung tritt somit im Folgenden eine rechtspolitische Betrachtung, die sich ebenfalls an den zentralen Zielen und Zwecken des Vergaberechts orientiert und überprüft, ob der nationale Gesetzgeber diese in konsequenter Weise umgesetzt hat. Allerdings müssen selbstverständlich auch hier ggf. vorliegende sachliche Gründe berücksichtigt werden, die möglicherweise gegen eine strikte Aus­ richtung an den (Haupt-)Regelungszielen sprechen. a) Vorschriften für die Vergabe von Konzessionen Die Schaffung eigenständiger Regeln zur Konzessionsvergabe wurde be­ reits im europarechtlichen Teil  als sinnvoll angesehen und nachfolgend bei der Systemgerechtigkeitsprüfung nach deutschem Recht als systemkonform bewertet. Dabei dürften die erheblichen Vorzüge einer eigenständigen Rege­ lung betreffend die Vergabe von Konzessionen deutlich geworden sein, so dass an dieser Stelle auf die obigen Ausführungen verwiesen werden kann.427 Zusammenfassend sei lediglich erwähnt, dass es im Rahmen der groß angelegten Reform unumgänglich war, fortan auch den Bereich der Konzessionen vergaberechtlichen Regeln zu unterwerfen. Überzeugende Motive für eine grundlegend verschiedene Behandlung von Aufträgen und Konzessionen waren und sind nicht ersichtlich. Unabhängig von der Umset­ zungspflicht ist es daher zu begrüßen, dass der deutsche Gesetzgeber die Vergabe von Konzessionen ebenfalls in das GWB n. F. integriert hat. b) Allgemeiner Anwendungsbereich Hinsichtlich des allgemeinen Anwendungsbereichs kann ebenfalls auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.428 Gründe für eine umfassende Überarbeitung und Veränderung der fundamentalen Anwendungsvorausset­ zungen des Vergaberechts waren und sind nicht ersichtlich. Es war daher 427  Siehe

Kap. 4 D. I. 1. und Kap. 4 D. II. 2. a). D. I. 2. und Kap. 4 D. II. 2. b).

428  Kap. 4

248

Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

opportun, dass der deutsche Gesetzgeber die Vorgaben der Richtlinien an dieser Stelle nicht verändert hat. c) Sonderregime für soziale und andere besondere Dienstleistungen aa) Schaffung der Sonderregime Bei den Sonderregimen für soziale und andere besondere Dienstleistun­ gen muss wiederum differenziert werden: Zwischen der allgemeinen Schaf­ fung der Regime als solcher sowie der Auswahl der einzelnen Dienstleis­ tungen. Für ersteres können die sachlichen Rechtfertigungsgründe der Sys­ temgerechtigkeitsprüfung429 übernommen werden. Zwar mag man hier anführen, dass es auch im Bereich der sozialen Dienste um Steuergelder geht, die einen fairen Wettbewerb und Transparenz erfordern.430 Allerdings wäre eine weitreichende Ökonomisierung und Wettbewerbsorientierung bei sozialen Dienstleistungen, wie beschrieben, wenig sinnvoll und könnte zu einem erheblich nachteiligen Preis- bzw. Verdrängungswettbewerb füh­ ren431. Die tatsächlichen Anforderungen der Praxis erfordern deshalb einen etwas flexibleren und an den konkreten Bedürfnissen ausgerichteten Be­ schaffungsvorgang. Die Einführung erleichterter Vorschriften sowie die Geltung etwas erhöhter Schwellenwerte sind daher für diesen Bereich zu begrüßen.432 bb) Auswahl der von den Sonderregimen erfassten Dienstleistungen Im Hinblick auf die Auswahl einzelner Dienstleistungen wurde soeben eine Systemwidrigkeit festgestellt, die nicht durch sachlich hinreichen­ 429  Kap. 4

D. II. 2. c) aa) (2). Lau, Gespräche 2013, S. 43 (45). 431  Vgl.  – hinsichtlich Arbeitsmarktdienstleistungen  – S. 2 des Positionspapiers „Eckpunkte für eine qualitätsorientierte und sozial ausgewogene Vergabe von Ar­ beitsmarktdienstleistungen“ mehrerer Gewerkschaften und Verbände v. 01.10.2014, abrufbar im Internet unter http: /  / www.bagarbeit.de / themen / key@1128  – zuletzt abgerufen am 25.08.2015. 432  Zu weitgehend  – und thematisch nicht mehr unmittelbar auf den Anwen­ dungsbereich bezogen  – wäre vorliegend jedoch eine Klärung der (umstrittenen) Frage, wie die Sonderregime im Einzelnen im nationalen Recht ausgestaltet werden sollen, d. h. wie weit die Erleichterungen gehen sollen. Vgl. in diesem Zusammen­ hang beispielsweise die im Gesetzgebungsverfahren erhobene Kritik in der Stellung­ nahme der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände zum VergRModG v. 26.05.2015, S. 7 f., abrufbar im Internet unter http: /  / www.dstgb.de / dstgb / Home page / Aktuelles / 2015 / Stellungnahme %3A %20Vergabe %20vereinfachen /   – zuletzt abgerufen am 20.10.2015. 430  So



D. Systemgerechtigkeit249

de / plausible Gründe gerechtfertigt werden konnte. Lediglich die Unan­ wendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG führte dazu, dass eine Anpassungspflicht des deutschen Gesetzgebers abzulehnen war. Dabei scheiterte die Rechtfer­ tigung daran, dass keine Rechtfertigungsgründe ersichtlich waren, die an die Unterschiede der jeweiligen Dienstleistungen anknüpf(t)en. Unabhängig von den spezifischen Anforderungen der verfassungsrechtli­ chen Prüfung, dürfte es im Rahmen bloßer rechtspolitischer Erwägungen jedoch möglich sein, auch solche Aspekte miteinzubeziehen, die keinen ganz konkreten Bezug zu den Unterschieden der betroffenen Dienstleistun­ gen haben. Daher müsste hier auch der Gesichtspunkt einer einheitlichen Umsetzung der Vergaberichtlinien innerhalb der EU-Mitgliedstaaten sowie das grundsätzliche Anliegen der Koalitionäre, EU-Richtlinien „1:1“ umzu­ setzen, berücksichtigt werden können. Ein bloß pauschaler Verweis auf die mit einer „1:1“-Umsetzung verbun­ denen Vorteile wäre jedoch für eine Stellungnahme nicht ausreichend. Viel­ mehr ist eine Abwägung zwischen den Vor- und Nachteilen der jeweiligen Umsetzungsvarianten geboten: (1) Unveränderte Dienstleistungsauswahl Im Falle unveränderter Dienstleistungsauswahl werden die Dienstleistun­ gen der Reifenrunderneuerung, der Schmiedearbeiten sowie der Organisa­ tion von Modenschauen, Festivals und Parties im nationalen Recht gem. § 130 GWB n. F. (i. V. m. den Verfahrenserleichterungen auf Verordnungs­ ebene) vergeben, obwohl vergleichbare Dienstleistungen dem strengeren allgemeinen Vergaberegime unterliegen und danach zu vergeben sind. In den genannten Bereichen kann es daher zu Wettbewerbsverzerrungen kom­ men, die nicht durch einen an die Art der Dienstleistungen anknüpfenden sachlichen Grund gerechtfertigt sind. Demgegenüber wird in diesem Fall aber die Schaffung einer möglichst einheitlichen europäischen Rechtslage gefördert. Dies ist  – wie schon angesprochen433  – gerade im Bereich der öffentlichen Auftrags- und Konzessionsvergabe als sehr positiv einzustu­ fen, da gleichartige Normen die grenzüberschreitende Teilnahme an öffent­ lichen Ausschreibungen signifikant erleichtern und somit den inneruniona­ len Wettbewerb fördern. In der Konsequenz wird hierdurch die im Koali­ tionsvertrag angesprochene Chancengleichheit im europäischen Binnen­ markt begünstigt.

433  Kap. 4

D. II. 2. c) bb) (2).

250

Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

(2) Anpassung durch den deutschen Gesetzgeber Umgekehrt würde eine Zuordnung der entsprechenden Dienstleistungen zum allgemeinen Vergaberegime zu einer Gleichbehandlung der entspre­ chenden Wirtschaftsteilnehmer und einer systemgerechten Ausgestaltung des nationalen Rechts führen. Vergleichbare Dienstleistungen würden dem­ zufolge innerstaatlich nach identischen Vorschriften vergeben. Allerdings müssten die Wettbewerber / Bieter in diesem Fall unterschiedliche Regelun­ gen zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten beachten, was  – insbeson­ dere für KMU die nur in einem Mitgliedstaat ansässig sind  – mit nicht unerheblichen Zusatzbelastungen verbunden wäre. (3) Bewertung Betrachtet man diese zwei Möglichkeiten, erscheint die erste angesichts der deutlichen Vereinfachungen für ausländische Bieter vorzugswürdig. Zwar unterlägen sachlich vergleichbare Dienstleistungen in diesem Fall unterschiedlichen Vergabevorschriften; die öffentlichen Auftraggeber und die Anbieter der jeweiligen Dienstleistungen könnten sich allerdings leicht auf diese Rechtslage einstellen. Unternehmen wären in der Lage, die Kennt­ nisse aus ihrer Heimat  – jedenfalls soweit die anderen Mitgliedstaaten die Richtlinien ebenfalls „1:1“ umsetzen  – im Wesentlichen auch bei Vergaben im Ausland zu nutzen. Zwar verfügen die Mitgliedstaaten gerade im Be­ reich der sog. sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen über eine recht weitgehende Gestaltungsfreiheit bei der Umsetzung der Richtlinien, so dass hier trotzdem unterschiedliche nationale Regeln entstehen können.434 Die Unterschiede dürften jedoch noch weitaus größer ausfallen, wenn ein Mitgliedstaat – im Gegensatz zu den anderen – für den betreffenden Bereich die Regeln und Verfahrensvorschriften des „normalen“ Regelungsregimes für anwendbar erklärt. Gerade für Anbieter innerhalb einer Branche (eben beispielsweise der Reifenrunderneuerung) wäre es misslich und mit einem erheblichen Mehr­ aufwand verbunden, wenn bei Ausschreibungen ein und derselben Dienst­ leistung im Ausland grundlegend andere Vorschriften gelten würden als im Inland. Eine unveränderte Dienstleistungsauswahl erscheint daher auch vor dem Hintergrund des bislang sehr niedrigen Niveaus direkter oder indirekter grenzüberschreitender Auftragsvergaben435 sinnvoll und dürfte letztlich ei­ 434  Entsprechendes gilt für den Fall, dass die EU-Schwellenwerte in den betrof­ fenen Mitgliedstaaten nicht erreicht sind. In diesem Fall sind die Mitgliedstaaten überhaupt nicht an die europäischen Vorgaben gebunden und sehen eigene Regelun­ gen vor.



D. Systemgerechtigkeit251

nen positiven Effekt auf den Wettbewerb innerhalb der gesamten Union haben. Abweichende Regelungen einzelner Mitgliedstaaten führten im Be­ reich der Auftragsvergabe zu einer Art „Flickenteppich“ aus vielen unter­ schiedlichen Vorschriften, was insbesondere KMU, die regelmäßig nicht mit allen europäischen Jurisdiktionen vertraut sind, benachteiligten und im Zweifel von der Teilnahme an Vergabeverfahren abhalten würde. Dies wi­ derspräche nicht nur dem Ziel des Unionsgesetzgebers, die Vergaberegeln stärker zu vereinheitlichen und die Teilnahme von KMU an Vergabeverfah­ ren zu erleichtern436 sondern auch dem Ziel des nationalen deutschen Ge­ setzgebers, die Auftragsvergabe zu vereinfachen und zu entbürokratisieren437 sowie für die Vollendung des Binnenmarktes grenzüberschreitende Infra­ strukturen zu schaffen438. d) Öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit Die Sinnhaftigkeit der Freistellung von In-House bzw. In-State-Vergaben als solche wurde bereits oben sachlich begründet.439 Demnach ist die grundsätzliche Übernahme ins deutsche Recht (§ 108 GWB n. F.) positiv zu bewerten. Diskutieren lässt sich jedoch zum Teil  über das genaue Ausmaß der Vorschriften.

435  Hierzu Pünder, Gespräche 2015, S. 77 (77): „Während im privaten Sektor europaweit ca. 19 % aller Aufträge grenzüberschreitend vergeben werden, liegt der Importanteil bei öffentlichen Aufträgen bei nur 7,5 %. Dabei sind bloß 1,6 % aller öffentlichen Aufträge ‚direkt grenzüberschreitend‘, der Rest erfolgt ‚indirekt grenz­ überschreitend‘ über Niederlassungen der Großhändler.“ Zur geringen Zahl grenz­ überschreitender Auftragsvergaben auch Dicks, in: „ ‚Die mehreren nationalen Rechtsebenen des Vergaberechts gehören bereinigt‘  – Interview mit Heinz-Peter Dicks, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht, Vorsitzender des Vergabesenats und des 2. Kartellsenats des OLG Düsseldorf“, in: Vergabeblog.de v. 18.09.2011, Nr. 10774, abrufbar im Internet unter: http: /  / www.vergabeblog.de / 2011-09-18 / diemehreren-nationalen-rechtsebenen-des-vergaberechts-gehoren-bereinigt-interviewmit-heinz-peter-dicks-vorsitzender-richter-am-oberlandesgericht-vorsitzender-desvergabesenats-und-des-2-kar /   – zuletzt abgerufen am 29.11.2013. 436  Vgl. ErwGrde 2, 121 VRL sowie S. 1 BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzesbegründung zum VergRModG). 437  Vgl. S. 2, 57 BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzesbegründung zum VergRModG) so­ wie Braun, in: Hettich / Soudry, Vergaberichtlinien, S. 159 f. 438  S. 12 Koalitionsvertrag „Deutschlands Zukunft Gestalten“ zwischen CDU, CSU und SPD vom 27.11.2013, abrufbar z. B. unter https: /  / www.cdu.de / sites /  default / files / media / dokumente / koalitionsvertrag.pdf  – zuletzt abgerufen am 09.10. 2015. 439  Vgl. unter Kap. 4 D. I. 4. a).

252

Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

aa) Wesentlichkeitskriterium, § 108 Abs. 1 Nr. 2 GWB n. F. Besonders umstritten war im europäischen Rechtsetzungsprozess die Fest­ legung der Prozentgrenze des Wesentlichkeitskriteriums. Im Ergebnis einig­ te man sich darauf, dass nunmehr 80 % der Tätigkeiten der kontrollierten juristischen Personen der Ausführung der Aufgaben dienen muss, mit denen sie von dem die Kontrolle ausübenden öffentlichen Auftraggeber betraut wurde.440 Diese Grenze wurde jedoch teils als deutlich zu niedrig angesehen,441 insbesondere bei Berücksichtigung der bisherigen Rechtspre­ chung des EuGH und der noch strengeren deutschen Rechtsprechung.442 Im Rahmen der innerstaatlichen Umsetzung wurde der deutsche Gesetzgeber demgemäß seitens des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) aufgefordert, die Grenze – abweichend von den europäischen Vorgaben und angelehnt an die bisherige Rechtsprechung des EuGH  – zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen im nationalen Recht bereits bei 90 % zu zie­ hen.443 Denn, so der ZDH, in den letzten Jahren habe es eine massive Ausbreitung der Tätigkeit von öffentlichen Gesellschaften auf genuin hand­ werkliche Tätigkeiten gegeben. Weitere Wettbewerbsverzerrungen durch wirtschaftliche Betätigungen der Kommunen gingen aber zu Lasten des ansässigen Mittelstandes und schadeten so der kommunalen Wirtschaft und den kommunalen Haushalten insgesamt. Die vergaberechtsfreie Betätigung eigener Gesellschaften der Kommunen und anderer öffentlicher Stellen sei daher strikt auf hoheitliche Tätigkeiten zu beschränken.444 Hinsichtlich der Wettbewerbsausrichtung des Vergaberechts wäre eine Grenzziehung bei 90 % einerseits zu begrüßen. Schließlich würde der inner­ staatliche Anwendungsbereich des Vergaberechts damit erweitert und es könnte (v. a. auf nationaler Ebene) mehr Wettbewerb entstehen. Die vom ZDH geschilderte Problemlage würde dadurch möglicherweise entschärft. Andererseits wiche der deutsche Gesetzgeber in diesem Fall augenschein­ lich von den europäischen Vorgaben ab, so dass auch hier die Nachteile einer uneinheitlichen europäischen Regelung zum Tragen kämen. Wie so­ z. B. Lau, Gespräche 2013, S. 43 (45). ZfBR 2014, 347 (350). 442  Vgl. nur EuGH, Urt. v. 19.04.2007, Rs. C-295 / 05, Slg. 2007, I-2999  – „Asemfo“, Rn. 62 ff.; OLG Celle, Beschl. v. 29.10.2009, 13 Verg 8 / 09, NZBau 2010, 194 (197) und bereits Beschl. v. 14.09.2006, 13 Verg 2 / 06, NZBau 2007, 126. 443  So auf S. 5 der Stellungnahme des ZDH zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts v. 26.05.2015, abrufbar im Internet unter http: / / www.forum-vergabe.de / fileadmin / user_upload / Stellungnahmen / 20150526_ ZDH_Stellungnahme_Vergaberechstreform.pdf  – zuletzt abgerufen am 19.06.2015. 444  Ebd., S. 4 f. 440  Kritisch

441  Müller / Klostermann,



D. Systemgerechtigkeit253

eben gesehen,445 wiegen diese  – wie die bislang nur sehr gering vorhande­ nen Fälle grenzüberschreitender Auftragsvergaben zeigen – durchaus schwer. Soll in Zukunft die Zahl grenzüberschreitender Auftragsvergaben bzw. sich bewerbender ausländischer Unternehmen (zur Stärkung des gesamten Wett­ bewerbs innerhalb der EU) erhöht und das Vergaberecht insgesamt verein­ facht446 sowie Bürokratie abgebaut447 werden, muss eine möglichst einheit­ liche europäische Rechtslage geschaffen werden. Obwohl oben darauf hin­ gewiesen wurde, dass über den Wunsch nach einer erhöhten Flexibilität für bestimmte nationale Institutionen hinausgehende, zwingende Gründe für die Herabsetzung auf 80 % im europäischen Rechtsetzungsverfahren nicht er­ sichtlich waren,448 sollte die Begrenzung des Wesentlichkeitskriteriums auf 80 % im nationalen Recht (§ 108 Abs. 1 Nr. 2 GWB n. F.) daher hingenom­ men werden. Entsprechendes gilt für das 20 %-Kriterium des § 108 Abs. 6 Nr. 3 GWB n. F.: Bei dieser, dem Wesentlichkeitskriterium spiegelbildlich entsprechen­ den Regelung, forderte der ZDH den Gesetzgeber ebenfalls auf, den maxi­ malen Anteil der am Markt angebotenen Tätigkeiten auf 10 % zu begren­ zen.449 Aus identischen Gründen ist diese Forderung aber ebenso abzuleh­ nen. bb) Keine direkte private Kapitalbeteiligung, § 108 Abs. 1 Nr. 3 GWB n. F. Durch § 108 Abs. 1 Nr. 3 GWB n. F. wird  – wie oben erläutert450 – dem Umstand nationaler Zwangsmitgliedschaften in öffentlichen Einrichtungen Rechnung getragen. Da dieser Fall gerade in Deutschland relevant wird, ist leicht verständlich, warum der deutsche Gesetzgeber die europäischen Vor­ gaben ohne Abweichungen übernommen hat. Aber auch inhaltlich ist die Vorgehensweise des Gesetzgebers gerechtfertigt, da letztlich nur ein sehr kleiner Bereich betroffen ist und die Wettbewerbsneutralität der In-HouseVergabe in Fällen zwingender Vorgaben gewahrt bleibt451. Wird hingegen 445  Vgl.

soeben unter Kap. 4 D. II. 3. c) bb) (3). S. 57 BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzesbegründung zum VergRModG). 447  Vgl. S. 2 BT-Drs. 18 / 6281 (Gesetzesbegründung zum VergRModG). 448  So unter Kap. 4 D. I. 4. a). 449  Ebenfalls S. 5 der Stellungnahme des ZDH zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts v. 26.05.2015, abrufbar im Internet unter http: / / www.forum-vergabe.de / fileadmin / user_upload / Stellungnahmen / 20150526_ ZDH_Stellungnahme_Vergaberechstreform.pdf  – zuletzt abgerufen am 19.06.2015. 450  Vgl. Kap. 3 B. I. 2. a) bb) (1) und Kap. 4 D. I. 4. a). 451  Knauff, EuZW 2014, 487 (487); vgl. auch Burgi, in: Lichère / Caranta / Treu­ mer, Modernising Public Procurement, S. 58. 446  Vgl.

254

Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

von der bloßen Möglichkeit Gebrauch gemacht, Private in Zweckverbände aufzunehmen ist bei einer Vergabe an die entsprechenden Zweckverbände keine Vergaberechtsfreiheit anzunehmen.452 cc) Neu geregelte In-House-Konstellationen Im Rahmen der neu geregelten In-House-Konstellationen wurde oben453 bereits über Zweifel an der In-House-Fähigkeit der sog. Schwesternbeauf­ tragung (horizontales In-House-Geschäft) berichtet. Im Ergebnis wurde die In-House-Fähigkeit jedoch bejaht und die Freistellung dieser Konstellation in der VRL begrüßt. Vor diesem Hintergrund ist auch das Vorgehen des deutschen Gesetzgebers, diese Ausnahme in das deutsche Recht zu übertra­ gen, lobenswert. e) Schwellenwerte aa) Dienstleistungskonzessionen Im europarechtlichen Teil454 wurde bereits der einheitliche Schwellenwert der KVR (ursprünglich €  5.186.000,–; jetzt (2016 / 17) €  5.225.000,–) kriti­ siert. In Bezug auf Dienstleistungskonzessionen wurde festgestellt, dass der EU-Gesetzgeber aufgrund der Einbeziehung der Dienstleistungskonzessio­ nen in das GPA verpflichtet gewesen wäre, den dort geregelten, deutlich niedrigeren Schwellenwert für Dienstleistungen in die KVR zu integrieren. Da der EU-Gesetzgeber dem jedoch bekanntlich nicht nachgekommen ist, stellt sich die Frage, ob eine entsprechende Verpflichtung durch das GPA bei der Umsetzung der Vergaberichtlinien auch für den deutschen Gesetzge­ ber bestand. Hierzu ist anzumerken, dass das GPA nach weit verbreiteter Meinung we­ der auf europäischer noch auf nationaler deutscher Ebene unmittelbar anzu­ wenden ist,455 d. h., Unternehmen ist es nicht möglich, sich direkt auf konkre­ te Bestimmungen des Übereinkommens zu berufen.456 Das GPA kann ledig­ lich zu einer völkerrechtskonformen Auslegung des Vergaberechts verpflich­ ten. Eine solche Obligation muss in der Bundesrepublik Deutschland jedoch 452  Gurlit,

Gespräche 2015, S. 67 (73). D. I. 4. b). 454  S. o. Kap. 4 D. I. 5. 455  Fehling, in: Pünder / Schellenberg, Vergaberecht, § 97 GWB Rn. 26; EuGH, Urt. v. 23.11.1999, Rs. C-149 / 96, Slg. 1999, I-8395  – „Portugal / Rat“, Rn. 46 f.; Bungenberg, in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kartellrecht, Vor §§ 97 GWB Rn. 111 f. 456  Vgl. Prieß, EuZW 1997, 391 (393). 453  Kap. 4



D. Systemgerechtigkeit255

abgelehnt werden.457 Deutschland hatte das Übereinkommen seinerzeit zwar mit verhandelt und auch unterzeichnet, auf eine eigenständige Ratifizierung (neben der EG / EU) jedoch letztlich verzichtet.458 Verpflichtungen bestehen daher für Deutschland nur mittelbar über das Unionsrecht.459 Da eine GPAkonforme Umsetzung hinsichtlich des Schwellenwertes für Dienstleistungs­ konzessionen im europäischen Recht aber gerade fehlt, ist eine entsprechende Verpflichtung für den deutschen Gesetzgeber abzulehnen. Nichtsdestotrotz hätte der Gesetzgeber freilich die Möglichkeit gehabt, einen niedrigeren Schwellenwert vorzusehen, als von den Richtlinien gefor­ dert.460 Dies wäre  – innerstaatlich betrachtet  – zur weiteren Wettbewerbs­ öffnung sowie Schaffung von Rechtssicherheit durch die umfassendere Anwendung sekundärrechtlich geprägter Normen durchaus sinnvoll gewe­ sen. Allerdings sind auch an dieser Stelle wieder die Nachteile einer unein­ heitlichen europäischen Regelung zu bedenken. Würde jeder einzelne Mit­ gliedstaat gesonderte Schwellenwerte vorgeben, entstünde eine sehr unüber­ schaubare gesamteuropäische Rechtslage. Abhängig von den unterschiedli­ chen Schwellenwerten würden dann für (volumenmäßig) vergleichbare Beschaffungsgegenstände wesentlich unterschiedliche Vergabevorschriften gelten. Insbesondere KMU könnten dadurch davon abgehalten werden, an im Ausland durchgeführten Vergabeverfahren teilzunehmen. Darüber hinaus dürfen gerade an dieser Stelle politische Gegebenheiten nicht verkannt werden: So wäre es in Deutschland wohl kaum politisch durchsetzbar gewesen, neben der Einführung von Regeln zur Konzessions­ vergabe als solches auch noch einen Schwellenwert festzusetzen, der (deut­ lich) niedriger ausfällt als von den europäischen Regeln vorgesehen. bb) Bauleistungen Hinsichtlich der nationalen Ausgestaltung der Schwellenwerte kam darü­ ber hinaus von anwaltlicher Seite zuletzt die Forderung auf, den Schwellen­ 457  Fehling, in: Pünder / Schellenberg, Vergaberecht, § 97 GWB Rn. 26; Bungenberg, in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kartellrecht, Vor §§ 97 GWB Rn. 111; Dörr, in: Dreher / Motzke, Vergaberecht, Einleitung Rn. 189. 458  Hobe / Heinrich / Kerner / Froehlich, Weltraumagentur, S. 166; Dörr, in: Dre­ her / Motzke, Vergaberecht, Einleitung Rn. 189 m. w. N.; Bungenberg, Vergaberecht, S. 131. 459  Hobe / Heinrich / Kerner / Froehlich, Weltraumagentur, S. 166; Dörr, in: Dre­ her / Motzke, Vergaberecht, Einleitung Rn. 189. 460  Die Einführung niedrigerer als in den Richtlinien vorgesehenen Schwellen­ werte – und somit eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs – ist den Mitgliedstaa­ ten jedenfalls gestattet, so bereits explizit Rechten, NZBau 2004, 366 (368); ebenso Masing, in: Dreher / Motzke, Vergaberecht, § 2 VgV Rn. 2.

256

Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

wert für Bauleistungen generell auf €  1.000.000,– abzusenken,461 wobei sich dieser Vorschlag wohl lediglich auf Bauaufträge, nicht jedoch auf Baukonzessionen bezog. Zur Begründung wurde Rechtsprechung des EuG, des EuGH und des BGH herangezogen,462 wonach aufgrund der geographi­ schen Lage der BRD in der Regel davon ausgegangen werden müsse, dass öffentlichen Bauaufträgen (schon) ab einem Auftragswert von einer Million Euro (netto) Binnenmarktrelevanz zukomme.463 Es würde nach Ansicht des Vorschlagenden in erheblichem Maße zur Rechtssicherheit beitragen, wenn diese Aufträge, die den Grundprinzipien des AEUV und damit auch dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes unterlägen, dem gleichen Vergabere­ gime unterworfen würden, wie Bauaufträge oberhalb der (bisherigen) Schwellenwerte. Damit könne sichergestellt werden, dass den europarecht­ lichen Anforderungen an die Vergabe derartiger Aufträge entsprochen wird.464 Für die Bieter als auch für die Auftraggeber bestehe  – gerade hinsichtlich der fünfwöchigen Entscheidungsfrist465 – ein praktisches Be­ dürfnis dafür, dass Bauaufträge bereits ab einer Million Euro dem vergabe­ spezifischen Rechtsschutz vor den Vergabenachprüfungsinstanzen und nicht den einstweiligen Rechtsschutzverfahren bei den Zivilgerichten unterlä­ gen.466 Zudem könne durch eine Herabsetzung der Anteil europaweit aus­ geschriebener Aufträge am BIP und somit die Anzahl der europaweiten Ausschreibungen insgesamt deutlich erhöht werden.467 Es fällt auf, dass die Argumentation zur Begründung des Vorschlags in etwa dem entspricht, was soeben schon bei den Dienstleistungskonzessionen zur Absenkung des Schwellenwertes erörtert wurde. Insofern kann wieder­ um verzeichnet werden, dass eine zusätzliche innerstaatliche Wettbewerbs­ öffnung sowie die Schaffung von effektivem Rechtsschutz und Rechtssi­ cherheit durch die umfassendere Anwendung sekundärrechtlich geprägter Normen durchaus positiv zu bewerten wäre. Darüber hinaus würde  – wie vorgetragen – durch eine Herabsetzung des Schwellenwertes sicherlich auch Stolz, Gespräche 2015, S. 163 (163 f.). Urt. v. 29.05.2013, Rs. T-384 / 10  – „Königreich Spanien / Kommission“; EuGH, Urt. v. 21.07.2005, Rs. C-231 / 03, Slg. 2005, I-7287 – „Coname“; EuGH, Urt. v. 15.05.2008, verb. Rs. C-147 / 06 und C-148 / 06, Slg. 2008, I-3565  – „SECAP“; BGH, Urt. v. 30.08.2011 – X ZR 55 / 10, NZBau 2012, 46 – „Regenentlastung“. 463  Stolz, Gespräche 2015, S. 163 (163). 464  Ebd. mit Verweis auf die „Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen“, ABl. EU Nr. C 179 / 2 v. 01.08.2006. 465  Vgl. bislang § 121 Abs. 3 Satz  1 GWB a. F. sowie nunmehr § 167 Abs. 1 Satz  1 GWB n. F. 466  Stolz, Gespräche 2015, S. 163 (163 f.). 467  Stolz, Gespräche 2015, S. 163 (164). 461  So

462  EuG,



D. Systemgerechtigkeit

257

der Anteil europaweit ausgeschriebener Aufträge steigen. Ob hiermit aller­ dings automatisch auch eine Stärkung des gesamteuropäischen Wettbewerbs einhergeht, kann bezweifelt werden. Schließlich müssen hier ebenfalls die Nachteile einer uneinheitlichen europäischen Regelung berücksichtigt wer­ den. Gerade KMU können – mangels genauer Rechtskenntnis ausländischer Vorgaben und aus Angst vor Fehlern und erhöhtem Aufwand – bereits durch unterschiedliche Vorgaben praktisch davon abgehalten werden, an einem Vergabeverfahren im Ausland teilzunehmen. Weitreichender grenzüber­ schreitender Wettbewerb würde somit wohl nicht entstehen. Folglich sollte der Schaffung einer möglichst einheitlichen europäischen Rechtslage der Vorrang vor einer weiteren Absenkung der Schwellenwerte auf nationaler Ebene eingeräumt werden. Im Ergebnis war es deshalb die richtige Ent­ scheidung des deutschen Gesetzgebers, den Schwellenwert für Bauleistun­ gen unverändert und entsprechend den Richtlinien auszugestalten. f) Ausnahmen aa) Rechtsdienstleistungen Im Bereich der Rechtsdienstleistungen wurde im europarechtlichen Teil468 bereits zwischen der generellen Zuordnung zum Sonderregime für soziale und andere besondere Dienstleistungen sowie dem Ausschluss einzelner Tätigkeiten unterschieden. Beides wurde dort positiv bewertet. Da der deut­ sche Gesetzgeber die Vorgaben der Richtlinien an dieser Stelle ohne Abwei­ chungen und sogar fast wortgleich umgesetzt hat, kann folglich auch die Ausgestaltung der nationalen Rechtslage überzeugen. Allerdings hat auch der deutsche Gesetzgeber – unglücklicherweise – darauf verzichtet, eine Art „Auffangklausel“ in das GWB aufzunehmen, wonach Rechtsdienstleistun­ gen mit vertraulichem Gegenstand grundsätzlich vom GWB-Vergaberecht ausgeschlossen sind. bb) Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr Wie bereits erläutert469 ist der deutsche Gesetzgeber der Ansicht, dass klassische (Regel-)Rettungsdienstleistungen unter die Ausnahme für Dienst­ leistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenab­ wehr fallen. Im Abschnitt zu den Richtlinien470 wurde aber bereits festge­ 468  Kap. 4

D. I. 6. a). Kap. 3 B. II. 2. b) dd) (1). 470  Kap. 3 B. I. 2. b) bb) (2). 469  Unter

258

Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

stellt, dass die entsprechende Ausnahmevorschrift so weit reduziert werden muss, dass Rettungsdienstleistungen, die an gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen vergeben werden davon eben nicht umfasst sind. An­ dernfalls wäre auf europäischer Ebene bei Einhaltung des Primärrechts ein Verstoß gegen Sekundärrecht möglich. Unter nochmaligem Verweis auf die europarechtlichen Implikationen kann der Gesetzgeber daher nur dazu auf­ gefordert werden, diesen Missstand schnellstmöglich zu beseitigen und entweder im Text des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB n. F. oder zumindest in der Gesetzesbegründung klarzustellen, dass derartige Dienstleistungen nicht vom Anwendungsbereich des GWB ausgeschlossen sind. Dies mag zwar politisch unerwünscht und mit beträchtlichen Widerständen verbunden sein, ist europarechtlich jedoch zwingend.471 Fraglich ist in nationaler Hinsicht zudem, ob es verfassungsrechtlich überhaupt möglich ist, gemeinnützige und private Organisationen unterschiedlich zu behandeln. Mit Blick auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichthofs472 bestehen hier zumindest erhebliche Zweifel.473 Der BayVerfGH hatte nämlich unlängst die private Anbieter von Rettungsdienstleistungen benachteiligende Rege­ lung des alten Art. 13 Abs. 1 Satz  1 und Abs. 2 BayRDG wegen Verstoßes gegen die landesverfassungsrechtlich verankerte Berufsfreiheit (Art. 101 Bay. Verf.) für nichtig erklärt. cc) Wasser Die Ausnahme des Trinkwassersektors aus der KVR wurde oben474 be­ reits eingehend kritisiert. Gefordert wurde, den Bereich künftig in die KVR miteinzubeziehen. Im Rahmen der innerstaatlichen Umsetzung hat der deut­ sche Gesetzgeber indes ebenfalls darauf verzichtet, den Trinkwassersektor in das GWB n. F. aufzunehmen, obwohl dies zur Schaffung von mehr Wett­ bewerb und Transparenz durchaus sinnvoll gewesen wäre – insbesondere da es sich um einen recht umfangreichen und umsatzstarken Bereich handelt. Dennoch soll die Vorgehensweise des deutschen Gesetzgebers an dieser Stelle nicht kritisiert werden. Denn wie in den anderen besprochenen Berei­ chen dürften die Vorteile einer einheitlichen europäischen Rechtslage auch 471  Dass der Gesetzgeber Rettungsdienstleistungen anscheinend insgesamt vom Anwendungsbereich des Vergaberechts freistellen will, erkennen auch Amelung / Janson (NZBau 2016, 23 (26)), die diese Auffassung jedoch richtigerweise als „zwei­ felhaft“ und „angreifbar“ einstufen. 472  BayVerfGH, Urt. v. 24.05.2012, Az. Vf. 1-VII-10, DÖV 2012, 734 (Leitsatz), BeckRS 2012, 51350 (Volltext). 473  Vgl. Gröning, NZBau 2015, 690 (693); Braun, in: Hettich / Soudry, Vergabe­ richtlinien, S. 176 f. 474  Kap. 4 D. I. 6. c).



E. Kohärenz259

im Trinkwasserbereich Bestand haben und die Vorteile einer Einbeziehung des Sektors letztlich überwiegen. Zudem wäre es wohl auch politisch kaum möglich gewesen, den Bereich auf nationaler Ebene entgegen den europa­ rechtlichen Vorgaben den Vergabevorschriften des GWB zu unterwerfen. Konsequenterweise war es die richtige Entscheidung des deutschen Gesetz­ gebers, den Trinkwasserbereich durch § 149 Nr. 9 GWB n. F. aus dem Gel­ tungsbereich des GWB auszuklammern.

III. Zwischenergebnis Verstöße gegen die aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Pflicht zur system­ gerechten (folgerichtigen) Ausgestaltung des Rechts konnten bei den natio­ nalen Regeln zum Anwendungsbereich des GWB-Vergaberechts nicht ver­ zeichnet werden. Sofern Abweichungen von der zugrunde gelegten Ordnung festgestellt und sachlich nicht gerechtfertigt werden konnten, scheiterte ein Verstoß an der Unanwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG. Denn zur Vermei­ dung einer umfassenden Bindung des nationalen Gesetzgebers und einer Kompetenzen der EU erweiternden Praxis war die Anwendung des Gleich­ heitssatzes in der vorliegenden Konstellation abzulehnen. Im Rahmen der verbleibenden rechtspolitischen Betrachtung wurde so­ dann die „1:1“-Umsetzung des deutschen Gesetzgebers untersucht und zum Teil  ausdrücklich gelobt. Stellenweise zeigte sich zwar, dass eine Erweite­ rung des Anwendungsbereichs durch den deutschen Gesetzgeber zur Schaf­ fung von mehr Wettbewerb und Transparenz sinnvoll gewesen wäre. Auf­ grund der Nachteile einer uneinheitlichen europäischen Rechtslage war die streng an den europäischen Vorgaben orientierte Umsetzung im Ergebnis jedoch angebracht. Einen Sonderfall stellt hingegen die Ausnahmevorschrift für Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr in § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB n. F. dar, mit der der deutsche Gesetzgeber Rettungsdienstleistungen an gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen vom GWB n. F. ausnehmen möchte. Da dies zu einem Widerspruch zwischen europäischem Primär- und Sekundärrecht führen würde, muss die Ausnahmevorschrift so weit reduziert werden, dass auch Rettungsdienst-Vergaben an gemeinnützige Organisationen oder Vereinigun­ gen keinen Ausnahmefall begründen. Die Vergabe von Rettungsdienstleis­ tungen ist daher nur im Rahmen des GWB n. F. denkbar.

E. Kohärenz In den recht umfangreichen Ausnahmeregelungen des neuen GWB-Verga­ berechts könnte eine unzulässige mitgliedstaatliche Beschränkung von

260

Kap. 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen

Grundfreiheiten liegen. Schließlich könnte man darauf kommen, dass der Binnenmarkt bzw. der Wettbewerb durch umfassende Ausnahmeregelungen weitreichend beschränkt wird. Um dies zu rechtfertigen wäre angesichts der oben skizzierten Glücksspiel-Rechtsprechung des EuGH475 eine kohärente und systematische Ausgestaltung der Beschränkungen erforderlich. Zunächst müsste überhaupt eine mitgliedstaatliche Beschränkung von Grundfreiheiten vorliegen. Eine solche ist gem. Art. 34, 35 AEUV bei men­ genmäßigen Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung zu bejahen. Maßnahme gleicher Wirkung ist nach der Dassonville-Formel des EuGH „jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innerge­ meinschaftlichen [jetzt innerunionalen] Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern“.476 Wie bereits beschrieben, ist der Zweck des gesamten Vergaberechts in erster Linie die wettbewerbliche Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen.477 Um für öffentliche Beschaffungsfälle weitreichenden Wettbewerb zu schaffen und eine mög­ lichst wirtschaftliche und effiziente Beschaffung sicherzustellen, müssen die (öffentlichen) Auftrag- und Konzessionsgeber bestimmte (Verfahrens-)Re­ geln befolgen.478 Dabei zielen insbesondere die unionsrechtlich geprägten Beschaffungsregeln darauf ab, den in der EU ansässigen Unternehmen umfassenden Zugang zu öffentlichen Aufträgen und Konzessionen zu ge­ währen.479 Das GWB-Vergaberecht, das diese unionsrechtlichen Vorgaben innerstaatlich umsetzt, fördert somit den innerunionalen Wettbewerb und Binnenmarkt. Eine auch nur mittelbare oder potentielle Beschränkung des innerunionalen Handels und der Grundfreiheiten durch das Vergaberecht ist nicht zu erkennen. Auch wäre es zu weitgehend, die bloße Schaffung von Ausnahmeregelungen als Grundfreiheitsbeschränkung anzusehen: Zwar wird der von einer Ausnahmeregelung betroffene Bereich gerade nicht umfassend wettbewerblich gefördert; er wird jedoch durch die Vergaberegeln als solche auch in keiner Weise beschränkt. Eine Maßnahme gleicher Wirkung und demzufolge eine Beschränkung von Grundfreiheiten durch das (GWB-) Vergaberecht liegt daher insgesamt nicht vor. Ein Verstoß gegen das Kohä­ renzgebot des EuGH scheidet daher schon mangels Grundfreiheitsbeschrän­ kung aus. 475  Vgl.

oben Kap. 2 C. II. Urt. v. 11.07.1974, Rs. 8 / 74, Slg. 1974, 0837  – „Dassonville“, Rn. 5; Kotzur, in: Geiger / Khan / Kotzur, EUV / AEUV, Art. 34 AEUV Rn. 8. 477  Fehling, in: Pünder / Schellenberg, Vergaberecht, § 97 GWB Rn. 1, 52 ff. 478  Vgl. Dörr, in: Dreher / Motzke, Vergaberecht, Einleitung Rn. 5 und 9. 479  Dörr, in: Dreher / Motzke, Vergaberecht, Einleitung Rn. 7a; vgl. auch Dreher, in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Vor §§ 97 ff. GWB Rn. 6 und 52 sowie EuGH, Urt. v. 11.01.2005, Rs. C-26 / 03, Slg. 2005, I-0001  – „Stadt Halle“, Rn. 44. 476  EuGH,



E. Kohärenz261

Darüber hinaus wäre auch fraglich, ob ein Kohärenzverstoß im vorliegen­ den Fall überhaupt denkbar wäre. Denn mit dem GWB-Vergaberecht setzt der deutsche Gesetzgeber  – insbesondere im Bereich der Anwendungsvor­ schriften  – lediglich europäische Richtlinienvorgaben nahezu überall in­ haltsgleich („1:1“) ins nationale Recht um. Es wäre widersinnig, einem nationalen Gesetzgeber einen Verstoß gegen das europarechtliche Kohärenz­ gebot anzulasten, wenn dieser lediglich seiner  – ebenfalls europarechtlich begründeten  – Umsetzungspflicht ohne Abweichungen nachkommt.

Kapitel 5

Aufbau des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte Nachdem im vorherigen Kapitel recht detailliert die Vorschriften zum Anwendungsbereich des Vergaberechts untersucht wurden, erscheint es an­ lässlich der aktuellen Reform  – und damit einhergehender Stellungnahmen und Diskussionen  – zur Vollständigkeit geboten, auch den allgemeinen Aufbau des Vergaberechts etwas zu beleuchten. Schließlich ist auch ein genereller Überblick über die Rechtsquellen des Vergaberechts für eine fehlerfreie Rechtsanwendung unabdingbar. Der folgende Abschnitt enthält deshalb einige  – insbesondere rechtspolitische  – Anmerkungen zu Aufbau und Systematik des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte.1 Dabei soll zunächst der bisherige Aufbau des Vergaberechts (unter A.) sowie die ver­ fassungs- und europarechtliche Kritik an der deutschen Umsetzung in Form des Kaskadensystems (unter  B.) skizziert werden, bevor anschließend der neue Aufbau des Vergaberechts beleuchtet wird (unter  C. und  D.).

A. Bisheriger Aufbau des Vergaberechts Die Rechtsquellen des Vergaberechts erstrecken sich über mehrere Rege­ lungsebenen. Zunächst ist auf internationaler Ebene das Agreement on Government Procurement2 (GPA) zu beachten, welches ursprünglich am 01.  Januar 1996 in Kraft trat und mit Wirkung zum 01.  Januar 2014 durch eine überarbeitete Fassung ersetzt wurde. Dabei handelt es sich um ein sog. plurilaterales Übereinkommen, d. h. es gilt nur für die jeweiligen Vertrags­ 1  Zum Vergaberecht unterhalb der Schwellenwerte und der grundsätzlichen Zweiteilung des deutschen Vergaberechts vgl. z. B. Glahs, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, Einleitung Rn. 13 ff.; Siegel, VerwArch 2016, 1 ff.; Siegel, Europäisie­ rung, Rn. 383 ff.; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Vor §§ 97 ff. GWB Rn. 75 ff.; ausführlich Pietzcker, Zweiteilung; vgl. zudem die Ausführungen in BVerfGE 116, 135 (136  ff). 2  Agreement on Government Procurement v. 15.04.1994, in Kraft getreten am 01.01.1996, abrufbar unter www.wto.org. Ebenfalls abrufbar ist dort die überarbei­ tete Fassung des GPA v. 02.04.2012, die am 06.04.2014 in Kraft trat, GPA / 113 v. 02.04.2012.



A. Bisheriger Aufbau des Vergaberechts263

staaten und nicht per se für alle WTO-Mitglieder.3 Die Hauptzwecke des GPA liegen in der Eingrenzung protektionistischen Verhaltens und der Stär­ kung des weltweiten Wettbewerbs.4 Inhaltlich sieht das GPA beim Erreichen bestimmter Schwellenwerte grundlegende Vorschriften für die öffent­liche Vergabe von Gütern, Dienstleistungen und Bauaufträgen vor,5 wobei sich das Übereinkommen an den Grundsätzen der Nichtdiskriminierung, Gleich­ behandlung und Transparenz sowie der Schaffung von Rechtsschutz orien­ tiert.6 Vergleichbar ist das GPA deshalb mit den Vergabevorschriften der EU; letztere sind jedoch deutlich weitgehender und wesentlich detaillierter ausgestaltet.7 Im Weiteren ist das GPA – wie bereits festgestellt – weder auf europäischer noch auf deutscher Ebene unmittelbar anzuwenden.8 Das Übereinkommen kann lediglich zu einer völkerrechtskonformen Auslegung verpflichten; mangels eigenständiger Ratifizierung ist dies in Deutschland jedoch abzulehnen.9 Auf europäischer Ebene galten bislang neben EUV und AEUV die Ver­ gabekoordinierungsrichtlinie (2004 / 18 / EG, VKR), die Sektorenkoordinie­ rungsrichtlinie (2004 / 17 / EG, SKR), die Verteidigungsrichtlinie (2009 / 81 /  EG, VSVKR), die Verordnung (EG) Nr. 1370 / 2007 für öffentliche Per­ sonenverkehrsdienste sowie die Energieeffizienzrichtlinie 2009 / 33 / EG10. Hinzu kamen die Rechtsmittelrichtlinien, d. h. die RL 89 / 665 / EWG11 und die RL 92 / 13 / EWG12, jeweils in der Fassung der RL 2007 / 66 / EG13. Die 3  Pünder, in: Müller-Wrede, Kompendium, Kap. 1 Rn. 6; Fehling, in: Pünder /  Schellenberg, § 97 GWB Rn. 24; eine Liste der Vertragsstaaten ist abrufbar unter https: /  / www.wto.org / english / tratop_e / gproc_e / memobs_e.htm. 4  Vgl. ErwGrde 1–4 GPA 1994 sowie ErwGrde 1, 2 und 6 GPA 2012. 5  Bungenberg, in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kartellrecht, Vor §§ 97 ff. Rn. 110. 6  Dreher, in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Vor §§ 97 ff. GWB Rn. 207; Bungenberg, in: Loewenheim / Meessen / Riesenkampff, Kartellrecht, Vor §§ 97 ff. Rn. 110. 7  Fehling, in: Pünder / Schellenberg, § 97 GWB Rn. 25; näher zur Konvergenz von GPA und europäischem Vergaberecht Bungenberg, Pluralität, S. 261 f. 8  Vgl. oben Kap. 4 D. II. 3. e) aa). 9  Ebd. 10  Richtlinie 2009 / 33 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge, ABl. EU Nr. L 120 / 1 v. 15.05.2009. 11  Richtlinie 89 / 665 / EWG des Rates vom 21.  Dezember 1989 zur Koordinie­ rung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprü­ fungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge, ABl. EU Nr. L 395 / 33 v. 30.12.1989. 12  Richtlinie 92 / 13 / EWG des Rates vom 25.  Februar 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvor­ schriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-,

264

Kap. 5: Aufbau des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte

Richtlinien galten allerdings  – anders als das Primärrecht  – erst, wenn be­ stimmte Schwellenwerte erreicht oder überschritten wurden. Zudem waren sie wegen ihrer in Art. 288 Abs. 3 AEUV festgelegten Rechtsnatur inner­ staatlich grundsätzlich nicht unmittelbar anzuwenden – nur in Ausnahmefäl­ len war nach der Rechtsprechung des EuGH eine direkte Anwendung gebo­ ten.14 Allerdings mussten nationale Rechtsvorschriften ggf. richtlinienkon­ form ausgelegt werden.15 Die Verordnung (EG) Nr. 1370 / 2007 galt demge­ genüber gem. Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Das deutsche Recht enthielt zunächst im Vierten Teil  des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) grundlegende Vorschriften zur Vergabe öffentlicher Aufträge. Diese umfassten im ersten Abschnitt einige wenige Vorschriften zum Vergabeverfahren, im zweiten Abschnitt einige Vorschrif­ ten zu den speziell vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren und im drit­ ten Abschnitt einige sonstige Regelungen. Ergänzt wurden die Vorschriften des GWB a. F. durch verschiedene Verordnungen. Zu nennen ist dabei an erster Stelle die Vergabeverordnung (VgV), welche allerdings keine um­ fangreiche Regelung des Vergabeverfahrens enthielt, sondern dessen zentra­ le Funktion darin bestand, auf die sog. Vergabe- und Vertragsordnungen (namentlich VOL, VOB und VOF) zu verweisen,16 in denen dann die wesentlichen Vorschriften zum Vergabeverfahren geregelt waren. Die VgV fungierte somit lediglich als „rechtstechnisches Scharnier“,17 welches die von den Vergabe- und Vertragsausschüssen ausgearbeiteten bzw. unter Be­ teiligung von Vertretern aus Wirtschaft und Verwaltung entstandenen Regel­ werke18 in den Rang von Rechtsverordnungen erhob.19 Dieser dreistufige Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor, ABl. EU Nr. L 76 / 14 v. 23.03.1992. 13  Richtlinie 2007 / 66 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.  Dezember 2007 zur Änderung der Richtlinien 89 / 665 / EWG und 92 / 13 / EWG des Rates im Hinblick auf die Verbesserung der Wirksamkeit der Nachprüfungsver­ fahren bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge, ABl. EU Nr. L 335 / 31 v. 20.12.2007. 14  Vgl. zu den Fällen einer unmittelbaren Anwendung Ziekow, in: Ziekow / Völ­ link, Vergaberecht, Einleitung GWB Rn. 6; Ruffert, in: Calliess / Ruffert, EUV / AEUV, Art. 288 AEUV Rn. 47 ff. 15  Ziekow, in: Ziekow / Völlink, Vergaberecht, Einleitung GWB Rn. 7. 16  Hölzl, NZBau 2014, 665 (665) stellte daher zur bisherigen VgV fest: „Die VgV ist ‚entkernt‘, es gibt sie aber immer noch. Wohl um ihr eine gewisse Daseins­ berechtigung zu geben, hat man hier die wichtigen Regelungen zur Energieeffizienz ‚versteckt‘.“ 17  Vgl. Kratzenberg, NZBau 2004, 141 (142); teilweise wird auch von einer „Relaisfunktion“ gesprochen, so Jasper / Marx, Textausgabe Vergaberecht, S. XIV; Knauff, NZBau 2010, 657 (660) sieht eine „Brückenfunktion“. 18  Vgl. Seidel / Mertens, in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, H. IV. Öffentliches Auftragswesen Rn. 368.



A. Bisheriger Aufbau des Vergaberechts265

Aufbau (Gesetz  – Verordnung  – Vergabe- und Vertragsordnung) wurde all­ gemein als „Kaskadensystem“ bezeichnet.20 Neben der VgV und den einzelnen Vergabe- und Vertragsordnungen wa­ ren weiterhin die Sektorenverordnung (SektVO)21 sowie die Vergabever­ ordnung für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit (VSVgV)22 zu be­ achten. Während die SektVO eine abschließende Regelung für Auftragsver­ gaben im Sektorenbereich schuf, verwies die VSVgV für sicherheits- und verteidigungsrelevante Bauaufträge ergänzend auf den dritten Abschnitt der VOB / A, vgl. § 2 Abs. 2 Satz  2 VSVgV.23 Darüber hinaus enthielt § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB a. F. eine Öffnungsklau­ sel für Bundes- und Landesgesetze,24 die von vielen Bundesländern ge­ nutzt wurde. Bis auf den Freistaat Bayern existierten damit bislang in allen Bundesländern vergabespezifische Gesetze.25 Diese Gesetze sahen insbe­ sondere Vorschriften zur Tariftreue, zum Mindestlohn, zur umweltorientier­ ten Beschaffung sowie zur Berücksichtigung von sozialen oder arbeits­ marktpolitischen Anforderungen vor.26 Im Ergebnis mussten die Rechtsan­ wender folglich nicht nur bundes- sondern auch landesrechtliche Normen bei der öffentlichen Auftragsvergabe beachten. 19  Fuchs,

in: Kirchhof / Korte / Magen, Öffentliches Wettbewerbsrecht, § 15 Rn. 28. z. B. Knauff, NZBau 2010, 657 ff.; Dreher, in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Vor §§ 97 ff. GWB Rn. 59; Ruthig / Storr, Öffentliches Wirt­ schaftsrecht, Rn. 1015. Zum Kaskadensystem vgl. auch die Darstellung bei Klein, Kommunale Kooperationen, S. 51 ff. 21  Verordnung über die Vergabe von Aufträgen im Bereich des Verkehrs, der Trinkwasserversorgung und der Energieversorgung (Sektorenverordnung  – SektVO) v. 23.09.2009, BGBl. I S. 3110. 22  Vergabeverordnung für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit zur Umset­ zung der Richtlinie 2009 / 81 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.  Juli 2009 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit und zur Änderung der Richtlinien 2004 / 17 / EG und 2004 / 18 / EG (Vergabeverord­ nung Verteidigung und Sicherheit  – VSVgV) v. 12.07.2012, BGBl. I S. 1509. 23  Des Weiteren enthielten auch andere bundesrechtliche Normen Regelungen, die bei der Auftragsvergabe zu beachten waren, vgl. z. B. § 21 SchwarzArbG, § 21 AEntG, § 19 MiLoG und § 141 SGB IX. 24  Inhalt und genaue Reichweite dieser Vorschrift war bislang umstritten, vgl. zur Thematik beispielsweise Ziekow, in: Ziekow / Völlink, Vergaberecht, § 97 GWB Rn. 102 ff., 150 ff.; Opitz, in: Dreher / Motzke, Vergaberecht, § 97 Abs. 4 GWB Rn. 96 ff.; Fehling, in: Pünder / Schellenberg, § 97 GWB Rn. 166 ff.; Hailbronner, in: Byok / Jaeger, Vergaberecht, § 97 GWB Rn. 113 ff.; Mohr, VergabeR 2009, 543 (548). 25  Ein Überblick über die wichtigsten landesrechtlichen Regelungen findet sich bei Wagner / Pfohl, VergabeR 2015, 389 (391 ff.). 26  Kulartz, in: Kulartz / Kus / Portz, GWB-Vergaberecht, § 97 GWB Rn. 123; Wagner / Pfohl, VergabeR 2015, 389 (390 f.). 20  Vgl.

Abb. 1: Bisheriger Aufbau des Vergaberechts

Nationales Landesrecht

Nationales Bundesrecht

Europäisches Recht

Internationales Recht

VOL

div. landesrechtl. Vorgaben

VOF

VgV

VOB

SektVO

GWB, Vierter Teil, §§ 97 ff.

VSVgV

• EUV & AEUV • Vergaberichtlinien: VKR, SKR, VSVKR & Energieeffizienz-RL • Rechtsmittelrichtlinien: RL 89/665/EWG und RL 92/13/EWG i.d.F. der RL 2007/66/EG

Agreement on Government Procurement (GPA)

VO (EG) Nr. 1370/2007

266 Kap. 5: Aufbau des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte

Nach dem Gesagten ergibt sich folgender Aufbau des Vergaberechts im Oberschwellenbereich (Abb. 1):



B. Kritik am bisherigen Aufbau

267

B. Kritik am bisherigen Aufbau Der bisherige Aufbau des deutschen Vergaberechts und insbesondere das Kaskadensystem sind in der Vergangenheit oft kritisiert worden. So wurde mehrfach eine erhebliche Unübersichtlichkeit des Vergaberechts beklagt.27 Das Kaskadensystem sei „kaum durchschaubar“ und daher „rechtspolitisch äußerst unglücklich“28 bzw. „undurchsichtig“29. Es führe zu einer „Rechts­ zersplitterung“ und widerspreche den „Grundsätzen der Transparenz und Rechtssicherheit“.30 Neben umfassender rechtspolitischer Kritik existierten zudem Zweifel in verfassungs- und europarechtlicher Hinsicht.

I. Verfassungsrechtliche Zweifel 1. Kritik der Literatur und Klarheit des Kaskadensystems In verfassungsrechtlicher Hinsicht waren vor allem folgende Punkte frag­ lich: Einerseits wurde daran gezweifelt, ob das Kaskadensystem dem Vorbehalt des Gesetzes in Form der Wesentlichkeitstheorie des BVerfG31 entsprach. Schließlich waren auf der gesetzlichen Ebene des GWB nur recht wenige Vorschriften enthalten: Während dort insbesondere die allgemeinen Grund­ sätze, der Anwendungsbereich und die Vergabearten geregelt waren, war die Normierung des wesentlichen Ablaufs des Vergabeverfahrens den einzelnen Vergabeordnungen vorbehalten.32 Darüber hinaus wurde die Verweisung der VgV auf die von Privaten er­ arbeiteten Vergabeordnungen aus demokratietheoretischen Gründen kritisch gesehen. Zwar seien Verweisungen auf Regelwerke Privater auch in anderen Rechtsgebieten üblich, allerdings beträfen diese in der Regel technische Spezifikationen, die in Form von allgemeinen Verwaltungsvorschriften aus­ 27  Z. B. Fehling, in: Pünder / Schellenberg, Vergaberecht, § 97 GWB Rn. 28; BTDrs. 16 / 10117, S. 13; vgl. auch Kau, EuZW 2005, 492 (492). 28  Dörr, in: Dreher / Motzke, Vergaberecht, Einleitung Rn. 15. 29  Knauff, NZBau 2010, 657 (659). 30  Hailbronner, in: Grabitz / Hilf / Nettesheim / Wolf / Hailbronner, Recht der EU, Bd. IV, Öffentliches Auftragswesen, B3, Rn. 35; Dreher, NVwZ 1999, 1265 (1268, 1271); ders., in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Vor §§ 97 ff. GWB Rn. 59; zur mangelnden Transparenz auch Fehling, in: Pünder / Schellenberg, Verga­ berecht, § 97 GWB Rn. 28. 31  Vgl. hierzu nur Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 47; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 116 f.; BVerfGE 83, 130 (142); 98, 218 (251); 116, 24 (58). 32  Vgl. zur Problematik beispielsweise Buhr, Richtlinie, S. 208 ff.; vgl. auch Pache, DVBl. 2001, 1781 (1791).

268

Kap. 5: Aufbau des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte

gestaltet seien.33 Bei den Vergabeordnungen gehe es hingegen nicht um den Erlass von allgemeinen Verwaltungsvorschriften, sondern um bloße Verweise in einer Rechtsordnung auf Regelwerke privater Institutionen.34 Die Vergabeordnungen enthielten weiterhin nicht nur technische Spezifika­ tionen, sondern vielmehr die wesentlichen materiellen Regelungen des Vergaberechts. Mit technischen Regelwerken seien sie daher von vornherein nicht vergleichbar.35 Die Schaffung und Ausgestaltung eines Systems durch Private habe auch eine andere Qualität als die Einbeziehung rein technischer Regelungen.36 Schließlich fungierten Private bei der Regelbil­ dung nur als Vertreter ihrer Partikularinteressen und seien nicht ausschließ­ lich dem Gesamtinteresse verpflichtet.37 Die Schaffung des Vergaberechts sei indes eine staatliche Aufgabe, die vom Gesetz- und Verordnungsgeber unter Wahrnehmung der Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit selbst zu erfüllen sei. Ein Rückgriff auf Regelwerke Privater sei deshalb weder erforderlich noch geeignet.38 Ausreichend sei insofern eine Anhörung der interessierten Kreise.39 Darüber hinaus bestünden rechtliche Bedenken (u. a.) auch hinsichtlich der Vereinbarkeit mit Art. 80 Abs. 1 Satz  4 und Abs. 2 GG.40 Schließlich konnte auch an der notwendigen Klarheit des Kaskadensys­ tems gezweifelt werden. Der Klarheitsgrundsatz verlangt, wie oben beschrieben,41 dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und sich hiernach richten können. Dabei gilt dieser Grundsatz nicht nur intra-, son­ dern auch internormativ bzw. „intergesetzlich“: Er bezieht sich also auch auf das Zusammenwirken mehrerer Normen innerhalb eines Gesetzes und das Zusammenwirken mehrerer Gesetze oder Rechtsakte  – und fordert in­ sofern einen möglichst verständlichen, übersichtlichen und widerspruchs­ freien Aufbau. Auch die Ausgestaltung des Vergaberechts darf demnach nicht so schwer überschaubar oder komplex sein, dass die Rechtslage für Auftraggeber und -nehmer nicht mehr nachvollzogen werden kann. Ein Verstoß gegen den Klarheitsgrundsatz könnte hier an die oben getrof­ fene Aussage, dass Vorschriften für einen Lebensbereich – mehr oder weni­ 33  Dreher,

NVwZ 1999, 1265 (1266 f.). NVwZ 1999, 1265 (1267). 35  Ebd; vgl. zudem auch ders., in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Vor §§ 97 ff. GWB Rn. 74 sowie Buhr, Richtlinie, S. 211. 36  Dreher, NVwZ 1999, 1265 (1267). 37  Ebd.; zustimmend Buhr, Richtlinie, S. 213 f. 38  Dreher, NVwZ 1999, 1265 (1268). 39  Dreher, NVwZ 1999, 1265 (1267). 40  Dreher, NVwZ 1999, 1265 (1268 f.). 41  Vgl. Kap. 1 D. III. 34  Dreher,



B. Kritik am bisherigen Aufbau269

ger  – einheitlich an einer Stelle kodifiziert werden sollten, anknüpfen.42 Dem Erkennen der Rechtslage ist es jedenfalls in höchstem Maße abträglich, wenn relevante Vorschriften über mehrere Gesetze und / oder Verordnungen und sonstige Rechtsakte (mehrere Regelungsebenen) verteilt sind oder an unerwarteten Stellen auftreten. Im bisherigen deutschen Vergaberecht waren gerade mehrere Gesetze und Verordnungen zum Erkennen der Rechtslage erforderlich. Neben den Grundvorschriften des GWB waren gleich drei verschiedene Verordnungen (VgV, SektVO und VSVgV) sowie drei Verga­ beordnungen (VOL / A, VOB / A und VOF) zu berücksichtigen. Hinzu ka­ men – auch wenn dies nicht dem Kaskadensystem geschuldet war / ist – noch die unmittelbar geltende VO (EG) Nr. 1370 / 2007 sowie die Vielzahl der Landesgesetze. 2. Rechtsprechung des BVerfG und eigene Stellungnahme Das BVerfG hat eine Verfassungswidrigkeit des Kaskadensystems trotz der genannten Kritik bislang nicht festgestellt. Vielmehr geht es offensicht­ lich von der Zulässigkeit dieser Gestaltungsform aus, wie der – schon oben erwähnte43  – Beschluss des Gerichts vom 13.  Juni 2006 (BVerfGE 116, 135)44 gezeigt hat. Wie beschrieben, ging es darin um die Frage, ob die Beschränkung des vergabespezifischen Rechtsschutzes auf Auftragsvergaben oberhalb der Schwellenwerte mit dem Grundgesetz zu vereinbaren ist. Dies bejahte das BVerfG, da insbesondere eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG nicht vorliege (Rn. 83 ff.)45. Im vorliegenden Zusammenhang sind indes die Ausführungen in Rn. 65 des Urteils entscheidend. Darin stellte das BVerfG fest, dass die tatsächliche Vergabepraxis zu einer Selbstbindung der Verwal­ tung nach Art. 3 Abs. 1 GG führen könne. Aufgrund dieser Selbstbindung könne den Verdingungsordnungen als den verwaltungsinternen Regelungen über Verfahren und Kriterien der Vergabe eine mittelbare Außenwirkung zukommen.46 Bedenken gegen die Ausgestaltung des Vergaberechts und das Bestehen der einzelnen Verdingungsordnungen machte das Gericht bei die­ ser Gelegenheit nicht geltend. Es darf bzw. muss daher davon ausgegangen werden, dass das BVerfG die bisherige Regelungskaskade als verfassungs­ mäßig einstuft(e).47 42  Siehe

Kap. 1 D. III. d). A. I. 3. c) bb). 44  BVerfG, Beschl. v. 13.06.2006, 1 BvR 1160 / 03, BVerfGE 116, 135. 45  Zit. nach juris. 46  Vgl. auch Dörr, DÖV 2001, 1014 (1017). 47  Dörr, in: Dreher / Motzke, Vergaberecht, Einleitung Rn. 15; ähnlich auch Knauff, NZBau 2010, 657 (660). 43  Kap. 4

270

Kap. 5: Aufbau des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte

Der Auffassung des BVerfG dürfte  – hinsichtlich der zuvor angesproche­ nen Aspekte48  – zuzustimmen sein. Zwar waren im GWB  a. F. nur wenige Aspekte geregelt, allerdings handelte es sich dabei um die für die Geltung des Vergaberechts grundlegendsten und zentralsten Aspekte, also zumindest um das „ ‚Allerwesentlichste‘ “49. Weiterhin war der Inhalt der einzelnen Vergabeordnungen dem Gesetzge­ ber bei der Schaffung der VgV bekannt. Hätte der Gesetzgeber die darin enthaltenen Regelungen als unangemessen erachtet, hätte er die Möglichkeit gehabt, Änderungen zu erwirken oder eigene Vergabeordnungen zu schaf­ fen.50 Zudem enthielten die §§ 4–6 VgV  a. F. keine dynamischen, sondern statische Verweisungen51 auf die einzelnen  – im Bundesanzeiger amtlich bekannt gemachten52  – Vergabeordnungen. Es war somit ausgeschlossen, dass der Inhalt der Verweisungsnormen (also der §§ 4–6 VgV) sich ohne explizites Zutun des Gesetzgebers änderte. Der Inhalt von VOL / A, VOB / A und VOF war vom Gesetzgeber in seinen Willen aufgenommen worden53 und damit ausreichend demokratisch legitimiert. Entsprechende Bedenken verfassungsrechtlicher Art waren deshalb zurückzuweisen.54 Hinsichtlich der in Bezug auf den Klarheitsgrundsatz angesprochenen Zweifel ist zunächst zu bedenken, dass dem Gesetzgeber bei der Ausgestal­ tung des Systems ein weiter Spielraum zuzumessen ist. Konkrete Vorgaben hinsichtlich Wahl und Ausgestaltung des Systems lassen sich dem Klarheits­ grundsatz prinzipiell nicht entnehmen. Eine verfassungsrechtliche Kontrolle von Aufbau, Systematik und Übersichtlichkeit ist daher nur begrenzt mög­ lich.55 48  Über die Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung des vergaberechtlichen Primärrechtschutzes auf Vergaben oberhalb der Schwellenwerte soll hier nicht ent­ schieden werden. Kritisch hierzu u. a. Niestedt / Hölzl, NJW 2006, 3680 ff. sowie Sauer / Hollands, NZBau 2006, 763 ff.; vgl. auch Dörr, DÖV 2001, 1014 (1023 f.) sowie aktuell Pünder, VergabeR 2016, 693 ff.; für eine Ausdehnung des Rechtsschut­ zes Jansen / Geitel, VergabeR 2015, 117 ff. 49  So die Formulierung von Knauff, NZBau 2010, 657 (660). 50  Vgl. hierzu Pietzcker, NZBau 2000, 64 (66) mit Verweis auf BVerfGE 28, 66 (84) und BVerfGE 55, 144; a.A: Gröning, VergabeR 2010, 762 (770). 51  Zur Abgrenzung von statischen und dynamischen Verweisungen oben Kap. 1 D. III. 1. e). 52  Knauff, NZBau 2010, 657 (659 f.); Diehr, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergabe­ recht, § 97 GWB Rn. 126; zur Vereinbarkeit der Veröffentlichung im Bundesanzei­ ger mit Art. 82 GG vgl. Pietzcker, NZBau 2000, 64 (65). 53  Voppel, in: Voppel / Osenbrück / Bubert, VOF, Einleitung Rn. 30. 54  Diehr, in: Reidt / Stickler / Glahs, Vergaberecht, § 97 GWB Rn. 126; Knauff, NZBau 2010, 657 (659 f.); Voppel, in: Voppel / Osenbrück / Bubert, VOF, Einleitung Rn. 30; Pietzcker, NZBau 2000, 64 ff.; Dörr, in: Dreher / Motzke, Vergaberecht, Ein­ leitung Rn. 15. 55  Vgl. Kap. 1 D. III. 1. d).



B. Kritik am bisherigen Aufbau

271

Zudem regelten die Verordnungen und Vergabeordnungen jeweils eigene Teilbereiche der Vergabe. Deshalb war beispielsweise bei Vergaben im Sek­ torenbereich ergänzend zu den Vorschriften des GWB nur die SektVO her­ anzuziehen; ein Rückgriff auf die anderen Verordnungen und Vergabeord­ nungen war in diesem Fall nicht erforderlich. Die für einen konkreten Vergabevorgang relevanten Normen mussten daher nicht immer in vielen verschiedenen Regelwerken gesucht werden. Möglich war maximal eine Verteilung auf drei verschiedene Regelwerke, wie beispielsweise bei der Vergabe von Bauleistungen: Dort waren das GWB, die VgV und die VOB / A zu beachten. Da das GWB  a. F. zudem eine ausdrückliche Verordnungser­ mächtigung enthielt (§ 97 Abs. 6 GWB a. F.) und die VgV  a. F. explizit auf die VOB / A verwies (§ 6 Abs. 1 VgV), konnte der Rechtsanwender sich anhand des Wortlauts der Vorschriften einen Überblick verschaffen und er­ kennen, welche Vorschriften für „seine Vergabe“ relevant waren. Dies mag zwar mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden gewesen sein. Da der Klarheitsgrundsatz aber keine „Erkennbarkeit des Gesollten auf den ersten Blick“ fordert,56 ist ein Verstoß hiergegen letztlich abzulehnen. Dies gilt umso mehr auch vor dem Hintergrund, dass Art. 80 GG dem Gesetzge­ ber ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet, einen Sachbereich auf mehrere Regelungsebenen zu erstrecken.57 Etwas anderes könnte sich noch aus einem Beschluss des BVerfG v. 03. März 200458 ergeben. Darin hatte das BVerfG in Bezug auf die Verwen­ dung weitreichender Verweisungsketten im Außenwirtschaftsgesetz (AWG) einen Verstoß gegen die Anforderungen der Normenbestimmtheit und Nor­ menklarheit59 festgestellt und an entsprechender Stelle formuliert: „Erreicht der Gesetzgeber die Festlegung des Normeninhalts aber – wie hier – nur mit Hilfe zum Teil langer, über mehrere Ebenen gestaffelter, unterschiedlich va­ riabler Verweisungsketten, die bei gleichzeitiger Verzweigung in die Breite den Charakter von Kaskaden annehmen, leidet die praktische Erkennbarkeit der maßgebenden Rechtsgrundlage.“60 Gerade der Hinweis auf den Kaska­ dencharakter der Verweisungen könnte an der Verfassungsmäßigkeit des bis­ herigen vergaberechtlichen Kaskadensystems zweifeln lassen. Stellt man je­ doch die Verweisungen, die zum dreistufigen Aufbau des Vergaberechts füh­ ren und die dem Beschluss zugrunde liegenden Verweisungen des AWG ne­ beneinander, wird schnell deutlich, dass zwischen beiden Konstellationen erhebliche Unterschiede bestehen, die eine Übertragung des Inhalts des Be­ 56  Knauff,

NZBau 2010, 657 (660). ebd. 58  Beschl. v. 03.03.2004, 1 BvF 3 / 92, BVerfGE 110, 33 ff. 59  Gemeint ist nach hier verwendeter Begriffsbestimmung allerdings (nur) die Rechtsklarheit. 60  Näher zu den einzelnen Verweisen BVerfGE 110, 33 (63 f.). 57  Vgl.

272

Kap. 5: Aufbau des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte

schlusses auf die bisherige Ausgestaltung des GWB-Vergaberechts verbieten. Während im Vergaberecht durch die Verordnungsermächtigung in §§ 97 Abs. 6, 127 GWB a. F. und die allgemein gehaltenen (pauschalen) Verwei­ sungen der §§ 4–6 VgV a. F. bzw. § 2 Abs. 2 Satz 2 VSVgV a. F. drei Rege­ lungsebenen entstanden, die recht eindeutig identifizierbar waren,61 verwies der im Beschluss des BVerfG angegriffene § 39 Abs. 2 AWG a. F. auf mehre­ re Vorschriften des Außenwirtschaftsgesetzes und des Gesetzes über die Kon­ trolle von Kriegswaffen, die wiederum ihrerseits auf weitere Strafnormen und Ordnungswidrigkeitentatbestände sowie auf Anlagen, Genehmigungstat­ bestände und EG-Verordnungen Bezug nahmen.62 Beide Sachverhalte sind damit schon kaum vergleichbar: Bei den Verweisungen des Vergaberechts ging es darum, die allgemein für das Vergaberecht zu beachtenden Vorschrif­ ten festzulegen, die Konstellation im Beschluss des BVerfG betraf hingegen die Bestimmung des materiellen Gehalts einer einzigen Norm (§ 39 Abs. 2 AWG a. F.). Zudem erscheinen die Verweisungsketten des AWG – im Gegen­ satz zu denen des Vergaberechts a. F. – sehr komplex und verzweigt, so dass es für die Rechtsanwender deutlich schwieriger gewesen sein dürfte, den In­ halt des § 39 Abs. 2 AWG a. F. fehlerfrei zu erkennen, als den allgemeinen dreistufigen Aufbau des Vergaberechts. Ein Verstoß des bisherigen Kaska­ densystems gegen Verfassungsrecht ist demnach auch vor dem Hintergrund der genannten Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2004 (BVerfGE 110, 33) abzulehnen. Dies wird gleichsam durch die eingangs erwähnte Ent­ scheidung des BVerfG aus dem Jahr 2006 (BVerfGE 116, 135) bestätigt, in welcher die  – mehr als zwei Jahre früher ergangene  – Entscheidung aus März 2004 gerade nicht ­herangezogen und auf das vergaberechtliche Kaska­ densystem übertragen wurde.63

II. Europarechtliche Zweifel 1. Kritik der Literatur Oben64 wurde bereits festgestellt, dass bei der Umsetzung von Richtlinien diejenigen Formen und Mittel zu wählen sind, die für die Wirksamkeit der Richtlinie am besten geeignet sind (effet utile). Nach der Rechtsprechung 61  Vgl. Knauff, NZBau 2010, 657 (659 f.); Dörr, in: Dreher / Motzke, Vergabe­ recht, Einleitung Rn. 15. 62  BVerfGE 110, 33 (62 f.). 63  Vgl. an dieser Stelle auch Schäfer, in: Vergaberecht im Umbruch II, S. 149 (175 f.), der darauf hinweist, dass das Kaskadensystem in den vielen Jahren seiner Geltung von keinem deutschen oder europäischen Gericht als verfassungs- oder europarechtswidrig eingestuft worden ist. 64  Kap. 4 A. I. 3. a) und b).



B. Kritik am bisherigen Aufbau

273

des EuGH muss dabei die vollständige Anwendung der Richtlinie „in so klarer und bestimmter Weise gewährleistet“ sein, dass „die Begünstigten in der Lage sind, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen“ (Transparenzgebot65).66 Im Hinblick auf diese Rechtsprechung wurde in der Literatur an der Europarechtskonformität des vormaligen vergaberechtlichen Kaskadensystems gezweifelt. So wurde u. a. vorgetragen, dass ein eindeuti­ ger rechtlicher Rahmen durch den Erlass der Normenkaskade nicht begrün­ det worden sei und dass vor allem die Pflicht zur klaren und transparenten Umsetzung angesichts der für ausländische, aber auch für inländische Bieter auftretenden gravierenden Schwierigkeiten bei der Normfeststellung keines­ falls erfüllt sei.67 Es erscheine zweifelhaft, ob die beteiligten Bieter und Bewerber durch die bisherige Normenkaskade des deutschen Vergaberechts tatsächlich in den Stand gesetzt worden seien, alle ihnen zukommenden subjektiven Rechte festzustellen.68 Zudem erschwere auch die Existenz lan­ desrechtlicher Regelungen es dem einzelnen Bewerber, die gesetzlichen Anforderungen für eine Ausschreibung festzustellen und  – im Falle einer späteren Nichtberücksichtigung  – die ihm zustehenden subjektiven Rechte zu ermitteln.69 Im Ergebnis verstoße die Kaskadenstruktur des deutschen Vergaberechts daher gegen die aus Art. 249 Abs. 3 EG (jetzt Art. 288 Abs. 3 AEUV) abzuleitende Pflicht zur effektiven Umsetzung von Gemeinschafts­ richtlinien.70 Dies entspricht im Wesentlichen der an anderer Stelle vorge­ tragenen Auffassung, dass der Kaskadenlösung des deutschen Vergaberechts das europarechtliche Transparenzgebot entgegenstehe, weil ein überzeugen­ der Sachgrund für die Aufspaltung der Normtexte auf ein Gesetz, eine Verordnung und drei Verdingungsordnungen nicht ersichtlich sei.71 Das deutsche Vergaberecht komme zudem auch hinsichtlich des Rechtsschutzes den europarechtlichen Bestimmtheitsanforderungen nicht nach.72 Ebenso Heiderhoff, Gemeinschaftsprivatrecht, S. 113. Urt. v. 30.05.1991, Rs. C-361 / 88, Slg. 1991, I-2567  – „Kommissi­ on / Bundesrepublik Deutschland“, Rn. 15; vgl. auch EuGH, Urt. v. 08.10.1996, verb. Rs. C-178 / 94, C-179 / 94, C-188 / 94, C-189 / 94 und C-190 / 94, Slg. 1996, I-4848  – „Dillenkofer“, Rn. 48; EuGH, Urt. v. 10.05.2001, Rs. C-144 / 99, Slg. 2001 I-3541  – „Kommission / Niederlande“; vgl. zudem Stuby, Unlautere Praktiken, S. 106. 67  Kau, EuZW 2005, 492 (494). 68  Ebd. 69  Kau, EuZW 2005, 492 (495). 70  Ebd.; zustimmend zu dieser Argumentation Scheid, VergabeR 2007, 410 (411 f.); ebenso Buhr, Richtlinie, S. 214 f.; vgl. zudem auch die Darstellung von Voppel, in: Voppel / Osenbrück / Bubert, VOF, Einleitung Rn. 31. 71  So Dreher, NVwZ 1999, 1265 (1270); kritisch hinsichtlich der Erfüllung des europarechtlichen Transparenzgebots auch Pache, DVBl. 2001, 1781 (1791 m. w. N.). 72  Dreher, NVwZ 1999, 1265 (1271). 65  Vgl.

66  EuGH,

274

Kap. 5: Aufbau des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte

wird geltend gemacht, dass die Ausgestaltung von VOL / A und VOB / A in Form des sog. Schubladenprinzips hinsichtlich der Transparenz der geschaf­ fenen Regeln bedenklich sei.73 Darüber hinaus wurde in der Literatur vorgetragen, die Normstruktur des (bisherigen) Kaskadensystems verstoße gegen die europäischen Grundfrei­ heiten.74 Zwar gälten die deutschen Vorschriften zur Auftragsvergabe glei­ chermaßen für inländische wie für ausländische Bieter, eine unübersichtliche und komplizierte Rechtslage werde aber insbesondere von Bietern aus ande­ ren EU-Mitgliedstaaten als abschreckend empfunden.75 Diese Bieter hätten große / größere Schwierigkeiten, die einschlägigen und unmittelbar geltenden Rechtsnormen zu ermitteln und dementsprechende Angebote abzugeben.76 Auf das Gemeinschaftsziel des grenzüberschreitenden Wettbewerbs bei der öffentlichen Auftragsvergabe wirke sich das Kaskadensystem insofern hem­ mend aus und stelle ein „gravierendes strukturelles Hemmnis für die grenz­ überschreitende Auftragsvergabe“ dar.77 Dies belegten rechtstatsächliche Un­ tersuchungen, die gezeigt hätten, dass die grenzüberschreitende Auftragsver­ gabe in Deutschland im europäischen Vergleich weit unterdurchschnittlich ausgeprägt sei.78 Die Existenz des Kaskadensystems sei deshalb als mittelba­ re Diskriminierung im Sinne des Gemeinschaftsrechts (jetzt: Unionsrecht) einzustufen und verstoße mangels Rechtfertigung gegen die Grundfreihei­ ten.79 2. Stellungnahme Ob die bisherige Kaskadenlösung des deutschen Vergaberechts tatsächlich in Widerspruch mit der Rechtsprechung des EuGH bzw. dem Unionsrecht steht, ist indes fragwürdig: Zweifelsohne war der Aufbau unter Transparenzgesichtspunkten nicht ideal, sondern erforderte ein solides Maß an Systemverständnis, Überblick und Rechercheaufwand. Rechtspolitisch ist der Aufbau daher ungünstig.80 Regelmäßig richtet sich das Vergaberecht allerdings nicht an Privatleute, 73  Dreher, in: Immenga / Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, Vor §§ 97 ff. GWB Rn. 74, § 97 GWB Rn. 370. 74  So Kau, EuZW 2005, 492 (495 f.). 75  Ebd. 76  Kau, EuZW 2005, 492 (496). 77  Ebd. 78  Kau, EuZW 2005, 492 (495 f.). 79  Kau, EuZW 2005, 492 (496). 80  Ebenso Dörr, in: Dreher / Motzke, Vergaberecht, Einleitung Rn. 15; vgl. auch Fehling, in: Dreher / Motzke, Vergaberecht, § 97 GWB Rn. 28: „rechtspolitisch äu­ ßerst unglücklich“; Knauff, NZBau 2010, 657 (660).



B. Kritik am bisherigen Aufbau

275

sondern an beruflich mit dem Vergaberecht befasste Personen bzw. Unter­ nehmen und (öffentliche) Auftraggeber. Diesen darf  – auch wenn unter den Betroffenen eine hohe Zahl an Nichtjuristen ist  – ein gewisser Re­ chercheaufwand ebenso zugemutet werden,81 wie von ihnen ein gewisses Maß an Rechts- und Sachkenntnis verlangt werden kann.82 Hinzu kommt, dass die Vergabeordnungen mittlerweile seit mehreren Jahren existieren und die darin enthaltene Aufteilung anhand der einzelnen Vergabekonstel­ lationen die Klarheit auch positiv beeinflussen kann83  – denn Auftraggeber und -nehmer müssen nach der Ermittlung der relevanten Vorschriften nur noch die Vorschriften des einschlägigen Abschnitts beachten. Berücksich­ tigt man diese Umstände, kann von einer Erkennbarkeit der Rechtslage für die Betroffenen / Begünstigten ausgegangen werden. Trotz der Besonderhei­ ten des Kaskadensystems und der verschiedenen Landesgesetze war es möglich zu ermitteln, welche Vorschriften im Fall einer konkreten Auf­ tragsvergabe anwendbar sind und was dabei im Einzelnen zu beachten ist. Ein Verstoß gegen das europarechtliche Transparenzgebot ist / war deshalb abzulehnen.84 Zudem liegt auch ein Verstoß gegen die europäischen Grundfreiheiten nicht vor.85 Zwar ist der bisherige vergaberechtliche Aufbau in Form des Kaskadensystems insbesondere für ausländische Bewerber / Bieter schwer zu verstehen. Neben den damit einhergehenden rechtspolitischen Bedenken ist ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten aber abzulehnen. Denn für in- und ausländische Bewerber / Bieter gelten dieselben Vorschriften. Eine auch nur mittelbare Diskriminierung erscheint daher abwegig. Das Vergaberecht ist in den einzelnen Mitgliedsstaaten unterschiedlich aufgebaut, so dass in umge­ kehrter Richtung auch deutsche Bewerber / Bieter gewisse Schwierigkeiten bei Auftragsvergaben im Ausland haben dürften, weil sie sich mit den dor­ tigen Eigenheiten vertraut machen müssen.86 Hätte der EU-Gesetzgeber einen einheitlichen Aufbau des Vergaberechts in den Mitgliedsstaaten als absolut notwendig erachtet, hätte er gem. Art. 288 Abs. 2 AEUV eine Ver­ ordnung erlassen müssen.87 Fraglich erscheint auch, ob die niedrige Quote grenzüberschreitenden Wettbewerbs in der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich nur auf das Kaskadensystem zurückzuführen ist, oder nicht auch 81  Knauff,

NZBau 2010, 657 (659). zum Erkennbarkeitsmaßstab im Vergaberecht bereits oben Kap. 1 F. II. 83  Voppel, in: Voppel / Osenbrück / Bubert, VOF, Einleitung Rn. 31. 84  Ebenso Knauff, NZBau 2010, 657 (659); Voppel, in: Voppel / Osenbrück / Bu­ bert, VOF, Einleitung Rn. 31; Pietzcker, NZBau 2000, 64 (66); Dörr, in: Dreher /  Motzke, Vergaberecht, Einleitung Rn. 16. 85  Ebenso Knauff, NZBau 2010, 657 (659). 86  Ähnlich Knauff, NZBau 2010, 657 (659). 87  Knauff, NZBau 2010, 657 (659). 82  Vgl.

276

Kap. 5: Aufbau des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte

andere Gründe ausschlaggebend gewesen sein könnten.88 Schließlich dürf­ ten im Rahmen einer Entscheidung für die Teilnahme an einer öffentlichen Ausschreibung im Ausland sehr viele  – gerade auch wirtschaftliche  – As­ pekte maßgeblich sein.

III. Zwischenergebnis Der bisherige Aufbau des deutschen Vergaberechts verstieß weder gegen Verfassungs- noch gegen Unionsrecht. Allerdings war er wegen seiner Un­ übersichtlichkeit aus rechtspolitischer Sicht als ungünstig einzustufen.

C. Neuer Aufbau des Vergaberechts Am grundlegenden Aufbau des Vergaberechts hat sich durch die aktuelle Reform recht wenig verändert. So gilt auf internationaler Ebene weiterhin das GPA. Im europäischen Bereich wurden die VKR und die SKR durch die VRL und die SRL ersetzt, neu hinzugekommen ist die KVR. Die sons­ tigen Richtlinien und die VO (EG) Nr. 1370 / 2007 bleiben bestehen. Im nationalen Bereich89 sind gesetzliche Vorschriften zum Vergaberecht weiterhin im Vierten Teil des GWB zu finden. Die Regelungen dort wurden allerdings erheblich ausgeweitet und zeichnen nun den Ablauf des Vergabe­ verfahrens nach. Neben den zentralen Grundsätzen des Vergaberechts und ausführlichen Bestimmungen zum Anwendungsbereich sind nunmehr u. a. auch Vorgaben zu den Verfahrensarten, zur Leistungsbeschreibung, zur Eig­ nung, zu den Ausschlussgründen, zum Zuschlag sowie zu Auftragsänderun­ gen während der Vertragslaufzeit und zur Kündigung in besonderen Fällen enthalten. Auf der Ebene unterhalb des Gesetzes wurden die Vorschriften aus den zweiten Abschnitten von VOL / A und VOF überarbeitet und in der VgV zusammengeführt.90 Die VgV hat damit eine deutliche Aufwertung erfah­ ren: Sie bildet nicht mehr nur das „rechtstechnische Scharnier“ zu den Vergabe- und Vertragsordnungen sondern enthält nun selbst die wesentlichen untergesetzlichen Vorschriften zur Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen sowie freiberuflichen Leistungen. In den genannten Bereichen sind demnach 88  Ebd.

89  Allgemein zu Aufbau und Struktur des neuen deutschen Vergaberechts v. Wietersheim, VergabeR 2016, 269 ff. sowie aktuell Müller, in: Kulartz / Kus / Portz / Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl.  2016, Einl. Rn. 21 ff. und 42 ff. 90  Eine Zusammenführung war auch bereits im Rahmen der Reform in den Jahren 2004 / 2005 angedacht worden, hierzu Siegel, VergabeR 2009, 240 (240 f.).



C. Neuer Aufbau des Vergaberechts

277

nicht mehr drei, sondern fortan nur noch zwei Regelungsebenen zu beach­ ten. Gänzlich abgeschafft wurde das Kaskadensystem indes nicht. Um den Besonderheiten der Bauleistungen bei öffentlichen Aufträgen Rechnung zu tragen,91 entschied der deutsche Gesetzgeber sich dafür, die VOB beizu­ behalten. Für Bauvergaben verweist § 2 VgV n. F. daher weiterhin ergänzend auf den zweiten Abschnitt der VOB / A. Zudem verweist die fortbestehende VSVgV auch nach neuer Rechtslage auf den dritten Abschnitt der VOB / A, vgl. § 2 Abs. 2 Satz  2 VSVgV n. F. Im Baubereich existieren also noch immer drei Regelungsebenen. Darüber hinaus wurden die nationalen Vorschriften um die Konzessions­ verordnung (KonzVgV) ergänzt. Diese setzt die Vorgaben der KVR um und enthält folglich Regelungen zu Dienstleistungs- und Baukonzessionen (ein­ schließlich Konzessionsvergaben im Sektorenbereich). Daneben sind die untergesetzlichen Vorschriften zur Auftragsvergabe im Sektorenbereich auch fortan in der SektVO zu finden. Die bislang in § 97 Abs. 4 Satz  3 GWB a. F. enthaltene Öffnungsklausel für Landesrecht wurde im Gesetzgebungsverfahren modifiziert und ist nun  – in deutlich eingeschränkter Form  – in § 129 GWB n. F. zu finden. Danach dürfen aufgrund eines Bundes- oder Landesgesetzes nur noch Ausführungsbedingungen festgelegt werden, die der öffentliche Auftraggeber dem beauftragten Unternehmen verbindlich vorzugeben hat.92 Versuche, den Umfang der Norm auf Zuschlagsbedingungen auszuweiten, konnten sich im Gesetzgebungsverfahren nicht durchsetzen.93 Nach der Reform stellt sich der Aufbau des Vergaberechts wie in Abb. 2 gezeigt dar. Um die Unterschiede zum bisherigen Aufbau deutlich werden zu lassen, wird zudem noch einmal der bisherige Aufbau (Abb. 1) wieder­ holt.

91  Vgl. S. 2 der vom Bundeskabinett am 07.01.2015 beschlossenen „Eckpunkte zur Reform des Vergaberechts“, abrufbar im Internet unter http: /  / www.bmwi. de / BMWi / Redaktion / PDF / E / eckpunkte-zur-reform-des-vergaberechts,property= pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf  – zuletzt abgerufen am 03.09.2015. 92  § 129 GWB n. F. ist im Zusammenhang mit § 128 Abs. 2 GWB n. F. zu lesen, welcher nicht den Bundes- oder Landesgesetzgeber, sondern den öffentlichen Auf­ traggeber selbst unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt, Ausführungsbedin­ gungen festzulegen, vgl. hierzu näher Burgi, NZBau 2015, 597 (600 f.). 93  Näher zu dieser Öffnungsklausel und den einhergehenden Konsequenzen unten bei Kap. 5 D. III. 4.

Abb. 1: Bisheriger Aufbau des Vergaberechts

Nationales Landesrecht

Nationales Bundesrecht

Europäisches Recht

Internationales Recht

VOL

div. landesrechtl. Vorgaben

VOF

VgV

VOB

SektVO

GWB, Vierter Teil, §§ 97 ff.

VSVgV

• EUV & AEUV • Vergaberichtlinien: VKR, SKR, VSVKR & Energieeffizienz-RL • Rechtsmittelrichtlinien: RL 89/665/EWG und RL 92/13/EWG i.d.F. der RL 2007/66/EG

Agreement on Government Procurement (GPA)

VO (EG) Nr. 1370/2007

278 Kap. 5: Aufbau des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte

Abb. 2: Neuer Aufbau des Vergaberechts

Nationales Landesrecht

Nationales Bundesrecht

Europäisches Recht

Internationales Recht

VOL

div. landesrechtl. Vorgaben

VOF

VgV

VOB

SektVO

GWB, Vierter Teil, §§ 97 ff.

KonzVgV

VSVgV

• EUV & AEUV • Vergaberichtlinien: VRL, SRL, KVR, VSVKR & Energieeffizienz-RL • Rechtsmittelrichtlinien: RL 89/665/EWG und RL 92/13/EWG i.d.F. der RL 2007/66/EG

Agreement on Government Procurement (GPA)

VO (EG) Nr. 1370/2007

C. Neuer Aufbau des Vergaberechts 279

280

Kap. 5: Aufbau des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte

D. Stellungnahme Vor dem Hintergrund der bisherigen Kritik am Kaskadensystem soll nachfolgend der neue Aufbau des Vergaberechts kritisch gewürdigt werden.

I. Verfassungsrechtliche Aspekte Wie dargelegt, hat sich der Aufbau des deutschen Vergaberechts nicht grundlegend  – im Sinne einer fundamentalen Neuordnung  – geändert. Be­ merkenswert ist jedoch einerseits die deutliche Erweiterung des Vierten Teils des GWB. Die bisherige Kritik am Kaskadensystem hinsichtlich des Vorbehalts des Gesetzes in Form der Wesentlichkeitstheorie des BVerfG94 dürfte dadurch überholt sein. Schließlich enthält das GWB nunmehr nicht nur die zentralen Vergabegrundsätze und detaillierte Regeln zum Anwen­ dungsbereich, sondern zeichnet auch den wesentlichen Ablauf des Vergabe­ verfahrens nach. Ebenfalls bemerkenswert ist die Aufhebung von VOL / A und VOF. Im Bereich der Liefer- und Dienstleistungen sowie der freiberuflichen Leistun­ gen bestehen dadurch nur noch zwei Regelungsebenen, was angesichts der oben skizzierten demokratietheoretischen Kritik am bisherigen System er­ freulich erscheint. Unter Klarheitsgesichtspunkten ist das Vorgehen jedoch nur eingeschränkt zu begrüßen. Zwar müssen im VOL / A- und VOF-Bereich nunmehr nur noch zwei Regelungsebenen beachtet werden, im Baubereich hingegen bleibt die Regelungskaskade bestehen. Je nach Sachmaterie ist folglich ein unterschiedlicher Regelungsaufbau zu beachten. Von einer wirk­ lich übersichtlichen und konsequenten Systematik kann somit kaum gespro­ chen werden. Die Schwelle zur Verfassungswidrigkeit des Regelungssystems dürfte durch die Neugestaltung indes nicht überschritten sein.95 Schließlich regeln die VgV und die übrigen Verordnungen noch immer abgrenzbare Teilbereiche des Vergaberechts während die Anzahl der Regelungsebenen sich nicht erhöht hat. Eine verfassungsrechtlich unzulässige Verteilung von Vorschriften auf sehr viele Gesetze und / oder Rechtsakte liegt hierin nicht. Entsprechendes gilt für die Schaffung der neuen KonzVgV, die auf der Ebene der Verordnungen neben VgV, SektVO und VSVgV tritt. Zwar be­ stehen nun vier, statt bisher drei Verordnungen, eine Verfassungswidrigkeit wegen mangelnder Klarheit dürfte dies aber ebenfalls nicht begründen. 94  Vgl.

Kap. 5 B. I. auch allgemein Knauff, NZBau 2016, 195 (196): „[…] ist die teilweise Beibehaltung des Kaskadensystems auch weiterhin als […] verfassungskonform zu qualifizieren.“ Zu rechtspolitischen Bedenken hierzu vgl. sogleich Kap. 5 D. III. 95  Vgl.



D. Stellungnahme281

II. Europarechtliche Aspekte Die Änderungen an der Systematik des deutschen Vergaberechts führen darüber hinaus nicht zu einem Verstoß gegen europäisches Recht.96 Den typischen Rechtsanwendern ist es auch nach der Reform  – zugegeben mit etwas Aufwand  – noch möglich, zu ermitteln, welche Vorschriften jeweils anwendbar sind und was im Einzelnen zu beachten ist. Zudem gelten die Vorschriften gleichermaßen für inländische und ausländische Bewerber / Bie­ ter. Ein Verstoß gegen das europarechtliche Transparenzgebot und die Grundfreiheiten ist daher abzulehnen.

III. Rechtspolitische Aspekte Fraglich ist, ob das gewählte Vorgehen auch rechtspolitisch sinnvoll war. Zwar liegen Verstöße gegen Verfassungs- und Europarecht nicht vor, viel­ leicht hätte der Aufbau aber dennoch etwas übersichtlicher und klarer, d. h. anwenderfreundlicher gestaltet werden können. Im Einzelnen: 1. Erweiterung des Vierten Teils des GWB Zunächst soll die Erweiterung des Vierten Teils des GWB betrachtet werden. Wie soeben festgestellt, enthält das GWB nicht mehr nur die zen­ tralen Vergabegrundsätze und detaillierte Regeln zum Anwendungsbereich, sondern zeichnet nun auch den Ablauf des Vergabeverfahrens nach. Die grundlegenden und allgemein geltenden Aspekte der Auftragsvergabe ober­ halb der Schwellenwerte sind dadurch fortan im Gesetz geregelt, was Auf­ traggebern und -nehmern die Orientierung etwas erleichtern dürfte.97 Allerdings ist das Regelungskonzept weiterhin darauf angelegt, im GWB n. F. nur die Grundzüge des Vergabeverfahrens zu regeln, während das Nä­ here den Verordnungen bzw. der VOB / A vorbehalten bleibt. Die Regelun­ Knauff, NZBau 2016, 195 (196). diesem Sinne auch S. 1 der Stellungnahme des DIHK zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts v. 30.10.2015, abrufbar im Inter­ net unter http: /  / www.dihk.de / themenfelder / recht-steuern / rechtspolitik / nationale-stel lungnahmen / dihk-positionen-zu-nationalen-gesetzesvorhaben – zuletzt abgerufen am 18.12.2015; ähnlich auch S. 13 f. der Stellungnahme des Nationalen Normenkontroll­ rates (NKR) zum VergRModG v. 29.06.2015, abrufbar im Internet unter https: /  / www. normenkontrollrat.bund.de / Webs / NKR / Content / DE / Download / 2015-08-17_down­ load_vergaberechtsmodernisierung.pdf;jsessionid=12B901C0C21AAAAE00F5F0AD 44418C0F.s3t2?__blob=publicationFile&v=2 – zuletzt abgerufen am 01.02.2016; po­ sitiv zur Ausweitung des GWB auch Portz, Gespräche 2015, S. 51 (51) sowie Summa, NZBau 2015, 320 (329). 96  Ebenso 97  In

282

Kap. 5: Aufbau des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte

gen des GWB n. F. stehen somit regelmäßig nicht für sich allein, sondern werden durch Vorschriften der einzelnen Verordnungen bzw. der VOB / A konkretisiert.98 So enthält beispielsweise § 119 GWB n. F. eine Regelung zu den Verfahrensarten, die dann durch die §§ 14–20 VgV n. F. näher aus­ gestaltet wird. Ähnlich ist es u. a.99 bei § 97 Abs. 4 GWB n. F. und § 30 VgV n. F. (Aufteilung in Lose), bei § 121 GWB n. F. und § 31 VgV n. F. (Leistungsbeschreibung), bei §§ 122–126 GWB n. F. und §§ 42–51 VgV n. F. (Eignung, Ausschlussgründe etc.) sowie bei § 127 GWB n. F. und § 58 VgV n. F. (Zuschlag). Erst durch die Konkretisierungen auf Verordnungs­ ebene werden die exakten inhaltlichen Anforderungen deutlich. Die Rechts­ anwender müssen daher stets mehrere Normen heranziehen, um Einzelfragen klären und gänzlich verstehen zu können  – zumal dies im Einzelfall mögli­ cherweise durch Wiederholungen, Lücken oder gar Widersprüche zwischen den einzelnen Normen noch erschwert werden kann.100 Diese Problematik bestand, jedenfalls in diesem Ausmaß, bislang nicht.101 Beachtenswert ist zudem die Auswahl dessen, was im GWB n. F. zum Vergabeverfahren (in Grundzügen) geregelt wird, bzw. worauf dort verzich­ tet wurde. Schließlich hätte der deutsche Gesetzgeber auch noch andere, recht zentrale Verfahrensaspekte in Kapitel  1, Abschnitt  2, Unterabschnitt  2 des Vierten Teils des GWB n. F. (§§ 119 ff.) aufnehmen können: Beispiels­ weise die Prüfung und Wertung von Angeboten, Grundlegendes zu den einzuhaltenden Fristen, eine Vorschrift zur Dokumentation im Vergabever­ fahren102 oder die Regeln zur Laufzeitbegrenzung von Konzessionen. Nach­ vollziehbare, objektive Gründe, die strikt gegen eine Einbeziehung auch dieser wichtigen Aspekte in das GWB sprechen, sind jedenfalls nicht er­ kennbar.103 98  S. 1 der Stellungnahme des BDI zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts v. 16.09.2015, abrufbar im Internet unter https: / /  www.bundestag.de / blob / 394240 / 89fdaebfb43c968bcac124eea885e0e0 / mundt_bdidata.pdf  – zuletzt abgerufen am 17.12.2015. 99  Beispielhaft sind hier nur einige Beispiele aus dem Verhältnis GWB  – VgV angegeben. 100  Vgl. die Kritik auf S. 2 f., 10 f., 14 der Stellungnahme des Flughafenverban­ des ADV (Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen) zum VergRModG v. 12.08.2015, abrufbar im Internet unter http: /  / www.adv.aero / fileadmin / pdf / Recht / Sek toren-RL / ADV-Stellungnahme_zum_Gesetzentwurf_des_GWB.pdf  – zuletzt abgeru­ fen am 01.02.2016. 101  Ebenso kritisch S. 1 f. der Stellungnahme des BDI zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts v. 16.09.2015, abrufbar im Internet unter https: /  / www.bundestag.de / blob / 394240 / 89fdaebfb43c968bcac124ee a885e0e0 / mundt_bdi-data.pdf  – zuletzt abgerufen am 17.12.2015. 102  Vgl. ebd., S. 1. 103  Ähnlich Knauff, NZBau 2016, 195 (196 f.).



D. Stellungnahme283

Insgesamt ist die Erweiterung des Vierten Teils des GWB aus Klarheits­ gesichtspunkten zu begrüßen. Die Vorzeichnung des Vergabeverfahrens vereinfacht die Erkennbarkeit der Rechtslage. Gleichwohl bringt der Aufbau auch Mehrfachregelungen mit sich, die zulasten der Klarheit und Anwen­ derfreundlichkeit gehen. Die genaue Auswahl der im GWB enthaltenen Aspekte dürfte hingegen in der Praxis nur von untergeordneter Bedeutung sein. 2. Fortbestand der VOB / A Im Gegensatz zu VOL / A und VOF, die in die VgV integriert wurden, bleibt die VOB / A auch in Zukunft erhalten. Dies war vom BMWi zwar ursprünglich anders vorgesehen, scheiterte aber am Widerstand des BMUB.104 Als Begründung für diesen Schritt wurde vom Gesetzgeber da­ rauf hingewiesen, dass man durch den Fortbestand der VOB / A den Beson­ derheiten der Bauleistungen bei öffentlichen Aufträgen Rechnung tragen wolle.105 Weiterhin hätten sich die Strukturen im Baubereich bewährt.106 In Bezug auf Klarheitsgrundsatz und Übersichtlichkeit, d. h. Anwender­ freundlichkeit ist es jedoch ungünstig, dass BMWi und BMUB sich nicht auf eine einheitliche Ausgestaltung mitsamt Abschaffung der VOB / A ver­ ständigen konnten. Von einer wirklich übersichtlichen und konsequenten Systematik kann insofern kaum gesprochen werden. Die VOB / A erscheint nunmehr als „Außenseiter“ und stellt das einzig verbliebene Normenwerk der dritten Regelungsebene dar; außerhalb des Baubereichs müssen nur noch zwei Regelungsebenen beachtet werden. Das dreistufige Kaskadensys­ tem ist damit künftig nicht mehr der Regelfall, sondern die Ausnahme.107 Entsprechend wurde der Fortbestand der VOB / A im Rahmen des Gesetzge­ bungsverfahrens von Verbandsseite als „Systembruch“ bezeichnet, der einer umfassenden Vereinheitlichung entgegenstehe.108 104  Vgl. Dobler, Gespräche 2015, S. 29 (32); Schäfer, in: Vergaberecht im Um­ bruch  II, S. 149 (175). 105  Vgl. S. 2 der vom Bundeskabinett am 07.01.2015 beschlossenen „Eckpunkte zur Reform des Vergaberechts“, abrufbar im Internet unter http: / / www.bmwi.de / BMWi / Redaktion / PDF / E / eckpunkte-zur-reform-des-vergaberechts,propertty= pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf  – zuletzt abgerufen am 03.09.2015. 106  So MdB Held anlässlich der ersten Lesung des VergRModG im Deutschen Bundestag am 16.10.2015, vgl. Plenarprotokoll 18 / 131 des Deutschen Bundestages v. 16.10.2015, S. 12806; vgl. zudem bereits BT-Drs. 16 / 10117, S. 14. 107  Ebenso Knauff, NZBau 2016, 195 (195). 108  S. 2 der Stellungnahme der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenver­ bände v. 27.04.2015, abrufbar im Internet unter http: /  / www.dstgb-vis.de / dstgb_ vis / Aktuelles / Vergabe %20vereinfachen / Bereichsausnahme %20f %C3 %BCr %20

284

Kap. 5: Aufbau des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte

a) Rechtfertigung durch Besonderheiten des Baubereichs? Die Fortführung der VOB / A wäre jedoch hinzunehmen, wenn im Bereich der Bauleistungen tatsächlich gewichtige Besonderheiten bestünden, die die gewählte Sonderbehandlung erforderten. aa) Ansicht einiger Verbände Von (anderen) Verbänden wurde vorgetragen, dass im Baubereich „grund­ sätzlich andere Rahmenbedingungen“ bestünden als bei Lieferungen und Dienstleistungen, so dass eine separate Regelung in einer Vergabe- und Vertragsordnung gerechtfertigt sei.109 In der Praxis könnten die einzelnen Teile (A, B und C) der VOB darüber hinaus nicht separat betrachtet wer­ den.110 Es sei vielmehr von großer praktischer Bedeutung, dass mit der VOB ein „in sich verzahntes Gesamtsystem aus Vergabe-, Vertrags- und technischen Vertragsbedingungen“ für Bauleistungen existiere, das in der Praxis angewendet wird.111 Weiterhin leiste der DVA112 eine „sehr erfolg­ reiche, fachkundige und flexible“ Arbeit, die den Gesetzgeber entlaste und dessen Ergebnisse als sehr anwenderfreundlich empfunden würden.113 Eine stetige und unmittelbare Mitwirkung von Experten sei zudem „deutlich ef­ fektiver“ als die nur gelegentliche Beteiligung im Rahmen von Anhörun­ gen.114 Zu rechtfertigen sei sie auch durch die außerordentlich hohe volks­ wirtschaftliche Bedeutung des öffentlichen Auftragswesens.115 Darüber hi­ die %20Vergabe %20von %20Rettungsdienstleistungen  – zuletzt abgerufen am 13.11. 2015; Portz, Gespräche 2015, S. 51 (51); kritisch zum „Sonderweg“ der VOB / A auch Scheller, Gespräche 2015, S. 13 (16). 109  S. 2 der Stellungnahme des ZDH zum Entwurf eines Gesetzes zur Moderni­ sierung des Vergaberechts v. 26.05.2015, abrufbar im Internet unter http: / / www. forum-vergabe.de / fileadmin / user_upload / Stellungnahmen / 20150526_ZDH_Stel lungnahme_Vergaberechstreform.pdf  – zuletzt abgerufen am 19.06.2015. 110  Loewenstein (Zentralverband Deutsches Baugewerbe), Gespräche 2015, S. 55 (56). 111  Ebd. 112  Deutscher Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen. Für Lieferun­ gen und Dienstleistungen ist hingegen der Deutsche Vergabe- und Vertragsausschuss für Lieferungen und Dienstleistungen (DVAL) zuständig. 113  S. 2 der Stellungnahme des ZDH zum Entwurf eines Gesetzes zur Moderni­ sierung des Vergaberechts v. 26.05.2015, abrufbar im Internet unter http: / / www. forum-vergabe.de / fileadmin / user_upload / Stellungnahmen / 20150526_ZDH_Stel lungnahme_Vergaberechstreform.pdf  – zuletzt abgerufen am 19.06.2015. 114  Schäfer (Bundesverband der Deutschen Industrie), in: Vergaberecht im Um­ bruch II, S. 149 (176). 115  Ebd.



D. Stellungnahme285

naus werde – wie ein Vertreter des BMUB während des Gesetzgebungspro­ zesses anmerkte116  – die gemeinsame Arbeit in den Vergabeausschüssen nicht nur fortgesetzt, um die Unternehmerseite zu beteiligen, sondern ebenfalls, um die öffentlichen Auftraggeber aus Bund, Ländern und Kom­ munen einzubeziehen. Zudem solle die VOB / A auch im Unterschwellenbe­ reich erhalten bleiben. Im Sinne der Anwender sei nämlich eine „vielleicht nicht perfekte, aber einheitliche VOB“ besser, als 16 völlig unterschiedliche Landesgesetze.117 bb) Stellungnahme (1) Besonderheiten des Baubereichs Betrachtet man diese Standpunkte, fällt zunächst auf, dass  – soweit er­ sichtlich  – lediglich behauptet wurde, dass im Baubereich gewichtige Be­ sonderheiten bzw. andere Rahmenbedingungen bestünden, als im Liefer- und Dienstleistungsbereich. Weder die Bundesregierung noch die Verbände ha­ ben jedenfalls detailliert dargelegt, worin die Unterschiede im Einzelnen bestehen und aus welchem Grund deshalb die Fortführung der VOB geboten gewesen wäre. Sachlich gewichtige Unterschiede zwischen Liefer- und Dienstleistungs- sowie Baubereich, d. h. die angeblichen Besonderheiten oder veränderten Rahmenbedingungen, sind so nicht recht erkennbar.118 Weiterhin mag es im Baubereich zwar tatsächlich vorteilhaft sein, auf ein in sich verzahntes Gesamtsystem aus den Teilen A, B und C der VOB zu­ rückgreifen zu können. Aufeinander abgestimmte Regelungen hätten jedoch ebenso gut bei einer Integration der VOB / A in die VgV n. F. geschaffen werden können. Schließlich wäre eine Berücksichtigung der Vorschriften aus den Teilen B und C der VOB auch in diesem Fall möglich gewesen. Dass dies möglich gewesen wäre, belegt die Existenz des neuen § 29 Abs. 2 VgV n. F., wonach die allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen (VOL / B) auch künftig regelmäßig zum Vertragsgegenstand zu machen sind. Es wäre leicht möglich gewesen, im Baubereich ähnlich vorzugehen und in sich verzahnte und aufeinander abgestimmte Regeln zu schaffen. Darüber hinaus ist die Rolle der Vergabeausschüsse zu berücksichtigen. Hier ist schon zweifelhaft, warum deren Tätigkeit durch die sehr hohe volkswirtschaftliche Bedeutung des öffentlichen Auftragswesens gerechtfer­ 116  Janssen,

Gespräche 2015, S. 41 (42 f.).

118  Ähnlich

Pünder, Gespräche 2015, S. 77 (85).

117  Ebd.

286

Kap. 5: Aufbau des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte

tigt sein soll. Dieser Umstand legt vielmehr nahe, dass auch die Einzelhei­ ten vom Gesetzgeber selbst zu normieren sind. Im Weiteren mag die Tätig­ keit der Ausschüsse zwar von Teilen als recht anwenderfreundlich empfun­ den werden und mit Blick auf den Regelungsgegenstand des Vergaberechts (Vorschriften für das Einkaufsverhalten des Staates) zu einer hohen Akzep­ tanz der Regelungen führen119. Ob die Ausarbeitung durch den Staat jedoch zwangsläufig wesentlich weniger effektiv ist und zu Akzeptanzproblemen führt, ist fragwürdig. Schließlich können die bisherigen Ausschussmitglieder den Gesetzgeber während eines gesamten Gesetzgebungsprozesses (und nicht nur gelegentlich) unterstützen und beratend tätig werden, wie dies auch in anderen Rechtsbereichen üblich ist.120 Die unbestrittene Fachkunde der Gremien könnte somit weiterhin genutzt werden. Erforderlich wäre da­ für allerdings, dass den Beteiligten  – anders als im gerade abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahren  – hinreichend lange Stellungnahmefristen einge­ räumt werden121 und v. a. in den Ausschüssen genügend (Rede-)Zeit für Expertenanhörungen bleibt. Daneben ist zu bedenken, dass im Vergaberecht oberhalb der Schwellenwerte wegen der umfangreichen Vorgaben der euro­ päischen Richtlinien ohnehin nur wenig Umsetzungsspielraum bleibt.122 Eine vollständige Ausarbeitung durch die Vergabeausschüsse erscheint daher im Ergebnis entbehrlich; die Umsetzung dürfte ebenso gut vom Gesetzgeber selbst vorgenommen werden können.123 Dies wäre auch insofern vorteilhaft, als sich dadurch die oft beklagten Inkongruenzen zwischen den einzelnen Vergabeordnungen124  – bzw. nun zwischen VgV  n. F. und VOB / A  n. F.125 – leicht vermeiden ließen.

119  Knauff,

NZBau 2010, 657 (661). hierzu auch Dreher, NVwZ 1999, 1265 (1267 und 1272) sowie Pünder / Schellenberg, in: Pünder / Schellenberg, Vergaberecht, Vorwort (S. 5 f.); zu ein­ zelnen Formen einer Beteiligung vgl. Knauff, NZBau 2016, 195 (196). 121  Die den Stakeholdern im vergangenen Gesetzgebungsprozess zugestandenen Zeiträume zur Stellungnahme waren sehr gering und betrugen weniger als drei Wo­ chen, was von den Verbänden auch deutlich kritisiert wurde, vgl. S. 1 der Stellung­ nahme der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände zum VergRModG v. 26.05.2015, S. 7 f., abrufbar im Internet unter http: /  / www.dstgb.de / dstgb / Home page / Aktuelles / 2015 / Stellungnahme %3A %20Vergabe %20vereinfachen /   – zuletzt abgerufen am 20.10.2015. 122  Knauff, NZBau 2010, 657 (661); vgl. auch ders. NZBau 2016, 195 (195 f.). 123  Vgl. Knauff, NZBau 2010, 657 (661); vgl. Kratzenberg, NZBau 2004, 141 (142); vgl. auch Dreher, NVwZ 1999, 1265 (1267 f.). 124  Vgl. nur Byok, NJW 2011, 975 (980). 125  Vgl. z. B. die unterschiedlichen Vorgaben zur Nachforderung von Unterlagen in § 56 Abs. 2 VgV n. F. einerseits und § 16a EU VOB / A n. F. andererseits. Kritisch hierzu auch S. 2 f. der Entschließung des Bundesrats in BR-Drs. 87 / 16 (Beschluss). 120  Vgl.



D. Stellungnahme

287

Diese Erwägungen lassen sich zudem auf den Liefer- und Dienstleis­ tungsbereich (in welchem auf die VOL verzichtet wurde) übertragen. Hier ist bei einer Ausarbeitung durch den Gesetzgeber ebenfalls eine Einbezie­ hung der bisherigen Ausschussmitglieder möglich. Gravierende Unterschie­ de zwischen beiden Sachgebieten sind jedenfalls hinsichtlich der Rolle der Vergabe- und Vertragsausschüsse nicht zu erkennen. Sachliche Besonderhei­ ten des Baubereichs, die dazu zwingen, die VOB weiterzuführen, liegen damit auch in dieser Hinsicht nicht vor. Insgesamt dürfte es vor diesem Hintergrund  – anders als der ZDH annimmt  – anwenderfreundlicher sein, einen einheitlichen Aufbau zu wählen und durchgehend auf die Vergabeord­ nungen zu verzichten. Der Rechtsanwender hätte dann einen klaren Aufbau, an dem er sich leicht orientieren kann. (2) Auswirkungen auf den Bereich unterhalb der Schwellenwerte Eine einheitliche Ausgestaltung samt ausnahmsloser Abschaffung der Vergabeordnungen hätte jedoch merkliche Auswirkungen auf den Bereich unterhalb der Schwellenwerte. Denn in diesem Fall hätten Bund und Länder nicht mehr die (einfache) Möglichkeit, per Gesetz oder Verwaltungsvor­ schrift auf die aktuellen Grundregeln der ersten Abschnitte von VOL / A und VOB / A zu verweisen; vielmehr müssten für den gesamten Unterschwellen­ bereich eigenständige Regeln erlassen werden. Geschieht dies aber ohne weitreichende Koordinationsmaßnahmen zwischen dem Bund und den ein­ zelnen Ländern, besteht hierbei die Gefahr, dass  – über die schon bislang bestehenden unterschiedlichen landesrechtlichen Vergabegesetze hinaus  – inhaltlich divergierende Regeln geschaffen werden.126 Zudem könnten im unterschwelligen Bereich weitere Differenzen zu den Regeln oberhalb der Schwellenwerte entstehen (weitere inhaltliche Vertiefung der Zweiteilung des Vergaberechts).127 Am besten wäre es daher gewesen, Ober- und Unter­ schwellenbereich gleichzeitig und in enger Kooperation zwischen dem Bund und den einzelnen Ländern zu reformieren. Da dies aber mittlerweile aus­ scheidet, sollte zeitnah nun zumindest versucht werden, möglichst einheitli­ che Regelungen für den Unterschwellenbereich aufzustellen.128 Ideal wäre es, wenn Bund und Länder es schafften, ein einziges, bundesweit geltendes 126  Vgl. 127  Vgl.

Janssen, Gespräche 2015, S. 41 (42 f.). Knauff, NZBau 2010, 657 (662) sowie Dreher, NVwZ 1999, 1265

(1271 f.). 128  Inzwischen – Stand: April 2017 – wurde auf Bundesebene unter Einbeziehung der Länder eine Verfahrensordnung für die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienst­ leistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte (Unterschwellenvergabeord­ nung  – UVgO  – BAnz AT 07.02.2017 B1) geschaffen. Sie ersetzt die Bekanntma­ chung der VOL / A vom 20.11.2009.

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Kap. 5: Aufbau des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte

Regelwerk für den Unterschwellenbereich vorzulegen. Andernfalls müssten Bewerber und Bieter noch deutlich mehr als bislang landesspezifische Be­ sonderheiten berücksichtigen. Dass dies mit einem hohen Aufwand verbun­ den wäre und insbesondere zulasten von KMU ginge, muss wohl nicht näher erläutert werden. Zugunsten höherer Anwenderfreundlichkeit sollte bei der Ausarbeitung überlegt werden, die Regeln zum Unterschwellenbereich stark an den Re­ geln des Oberschwellenbereichs (und insbesondere den dort enthaltenen „light-Vorschriften“ für Konzessionen sowie sozialen und anderen besonde­ ren Dienstleistungen)129 auszurichten und etwaige Unterschiede textlich deutlich hervortreten zu lassen. So kann eine weitere inhaltliche Vertiefung der vergaberechtlichen Zweiteilung vermieden und hierdurch entstehenden Unsicherheiten bei der Rechtsanwendung vorgebeugt werden.130 Die kom­ plette Abschaffung der Trennung anhand der europäischen Schwellenwerte wäre indes wohl politisch kaum durchsetzbar.131 In der Übergangszeit bis zum Abschluss der Unterschwellenreform kann weiterhin auf die bisherigen, d. h. alten ersten Abschnitte der VOL / A und VOB / A verwiesen werden. b) Fazit Insgesamt stellen auch die auf den Unterschwellenbereich bezogenen Überlegungen keinen zwingenden Grund zur Aufrechterhaltung der VOB / A dar. Gewichtige Besonderheiten des Baubereichs, die die Fortführung der VOB / A erforderten waren bzw. sind nicht erkennbar.132 Im Ergebnis wäre es im Sinne der Anwenderfreundlichkeit deshalb besser gewesen, wenn 129  Vgl. die Aussagen von Burgi im Rahmen der am 06.11.2014 gehaltenen Veranstaltung „Vergaberecht im Umbruch II“, abgedruckt in der Zusammenfassung der Diskussion von Burshille / Gerlach, Vergaberecht im Umbruch II, S. 179 (180); ebenso Burgi, Gespräche 2015, 61 (64). 130  Möglich wäre in diesem Zusammenhang auch, flächendeckend einen effekti­ ven Primärrechtsschutz im Bereich unterhalb der Schwellenwerte einzuführen, vgl. hierzu Jansen / Geitel, VergabeR 2015, 117 ff.; zum teilweise bestehenden Rechts­ schutz auf landesrechtlicher Grundlage Conrad, ZfBR 2016, 124 ff. 131  Rechtlich möglich dürfte ein solches Vorgehen indes sein, Kleinstvergaben könnte jedenfalls mit De  minimis-Regelungen begegnet werden, so Dreher, NvwZ 1999, 1265 (1272). 132  Ebenso der Bundesrat auf S. 2 seiner Entschließung in BR-Drs. 87 / 16 (Be­ schluss): „Insbesondere die Aufrechterhaltung eines eigenen Regelwerks für bauspe­ zifische Vergabeverfahren in Gestalt der VOB / A-EU  – Ausgabe 2016  – muss […] kritisch geprüft werden. Der Bundesrat hat Bedenken hinsichtlich divergierender Regelungen zur Nachforderung von Unterlagen […]. Er ist der Auffassung, dass die unterschiedliche Ausgestaltung nicht durch bauleistungsspezifische Anforderungen gerechtfertigt ist.“ [Hervorhebung hinzugefügt].



D. Stellungnahme289

BMWi und BMUB sich auf die Abschaffung der VOB / A und eine Integra­ tion auch der bauspezifischen Vorgaben in die VgV n. F. geeinigt hätten.133 Die Klarheit und Übersichtlichkeit des oberschwelligen Vergaberechts wäre dadurch erheblich verbessert worden. 3. Zusammenführung der Vergabeverordnungen oder Schaffung eines einheitlichen Bundesvergabegesetzes? Eine weitere Vereinfachung hätte darüber hinaus womöglich durch die Zu­ sammenführung der nunmehr vier Verordnungen in eine einzige Vergabever­ ordnung oder die Schaffung eines einheitlichen Bundesvergabegesetzes – wie dies z. B. in Österreich existiert134 – erreicht werden können. Da beides, ins­ besondere die Schaffung eines Bundesvergabegesetzes, in der Literatur je­ doch bereits wiederholt diskutiert wurde und grundlegend neue Erkenntnisse aktuell nicht zu erwarten sind, soll hier auf eine eingehende Stellungnahme verzichtet werden. Insofern sei lediglich beispielhaft auf relevante Literatur verwiesen.135 Nachdem bei der aktuell abgeschlossenen Reform auf die Schaffung eines umfassenden Bundesvergabegesetzes verzichtet wurde, ist dessen Realisierung in naher Zukunft ohnehin nicht zu erwarten.136 Sinnvoll und politisch durchsetzbar erscheint jedoch der Vorschlag, zu­ mindest den Namen des GWB zu ändern.137 Für einen einfachen Einstieg in das Rechtsgebiet wäre es nicht verkehrt, das „Gesetz gegen Wettbewerbs­ beschränkungen (GWB)“ künftig in „Gesetz gegen Wettbewerbsbeschrän­ 133  Für eine umfassenden Systemwechsel auch MdB Gundelach (CDU / CSU) im Rahmen der Zweiten Lesung des VergRModG im Deutschen Bundestag, vgl. Plen­ arprotokoll 18 / 146 v. 17.12.2015, S. 14423: „Ich hoffe, dass die nächste Novellie­ rung des Vergaberechts den Systemwechsel dann vielleicht in Gänze vollziehen wird.“ 134  Vgl. hierzu Kropik / Mille / Sachs, Das Vergaberecht in Österreich, Wien 2013. 135  Vgl. zur Zusammenfassung der einzelnen Verordnungen Dreher, NVwZ 1999, 1265 (1271) sowie Braun, EuZW 2012, 451 (454). Zur Schaffung eines einheitlichen Bundesvergabegesetzes vgl. u. a. Rittner, NVwZ 1995, 313 (314 f.); v. Meibom / Byok, EuZW 1995, 629 ff.; Dreher, NVwZ 1997, 343 (344 f.); Kratzenberg, NZBau 2004, 141 (142); Knauff, VergabeR 2004, 287 (301 f.); Prieß, Handbuch des europäischen Vergaberechts, S. 102 ff.; Seidel / Mertens, in: Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, H. IV. Öffentliches Auftragswesen Rn. 354 ff.; Buhr, Richtlinie, S. 216 ff.; Dörr, in: Dre­ her / Motzke, Vergaberecht, Einleitung Rn. 15; Braun, in: Hettich / Soudry, Vergabe­ richtlinien, S. 159 f.; Burgi, Gespräche 2013, S. 63 (66 f.); ders., ZHR 2014, 2 (8 f.); Müller, in: Kulartz / Kus / Portz / Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl. 2016, Einl. Rn. 81. 136  Es wäre allerdings  – zugegebenermaßen  – innerhalb der knappen Umset­ zungsfrist von 24 Monaten auch sehr ambitioniert gewesen, derart große Struktur­ veränderungen vorzunehmen. 137  So Burgi, Gespräche 2015, 61 (62).

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Kap. 5: Aufbau des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte

kungen und über das Vergabewesen (GWBV)“ oder „[…] über das Beschaf­ fungswesen (GWBB)“ umzubenennen.138 Dies gilt umso mehr, als die Vorschriften zum Vergaberecht nunmehr ca. die Hälfte des gesamten GWB n. F. ausmachen.139 4. Vergaberechtliche Landesgesetze Bislang räumte § 97 Abs. 4 Satz  3 GWB a. F. den Bundesländern die Möglichkeit ein, durch Gesetz „[a]ndere oder weitergehende Anforderun­ gen“ an Auftragnehmer zu stellen. Von dieser recht umfassenden140 Mög­ lichkeit hatten in der Vergangenheit die meisten Länder Gebrauch ge­ macht.141 Im neuen GWB ist die entsprechende Öffnungsklausel nun in § 129 zu finden. Allerdings dürfen danach aufgrund eines Bundes- oder Landesgesetzes nur Ausführungsbedingungen festgelegt werden, die der öffentliche Auftraggeber dem beauftragten Unternehmen verbindlich vorzu­ geben hat.142 Der Versuch des Bundesrates143 sowie der Bundestagsfrak­ tionen der Linken144 und der Grünen145, den Umfang der Norm auf Zu­ schlagsbedingungen auszuweiten und so die Gestaltungsspielräume der Länder zu wahren, ist im Gesetzgebungsverfahren gescheitert.146

138  Burgi, Gespräche 2015, 61 (62); ähnlich Drey, Gespräche 2015, S. 141 (142): „Gesetz für Wettbewerb und Beschaffung“. 139  Darauf verweist ebenfalls Burgi, Gespräche 2015, 61 (62). 140  Vgl. Burgi, NZBau 2015, 597 (599); Wollenschläger, Gespräche 2015, S. 87 (90); Deling, Gespräche 2015, S. 45 (46). Der genaue Inhalt und Umfang dieser Klausel war indes nicht abschließend geklärt, vgl. Ziekow, in: Ziekow / Völlink, Ver­ gaberecht, § 97 GWB Rn. 102 ff., 150 ff. 141  Bis auf den Freistaat Bayern existierten bislang in allen Bundesländern ver­ gabespezifische Gesetze, vgl. den Überblick bei Wagner / Pfohl, VergabeR 2015, 389 (391 ff.); Meißner, ZfBR 2014, 453 ff.; ausführlich Mertens, in: Gabriel / Krohn / Neun, Handbuch des Vergaberechts, § 79. 142  § 129 GWB n. F. ist zudem im Zusammenhang mit § 128 Abs. 2 GWB n. F. zu lesen, welcher nicht den Bundes- oder Landesgesetzgeber, sondern den öffentli­ chen Auftraggeber selbst unter bestimmten Voraussetzungen berechtigt, Ausfüh­ rungsbedingungen festzulegen, vgl. hierzu näher Burgi, NZBau 2015, 597 (600 f.). 143  BR-Drs. 367 / 15 (Beschluss), S. 6 (Nr. 6). 144  Vgl. S. 11 f. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirt­ schaft und Energie, BT-Drs. 18 / 7086. 145  Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen, BT-Drs. 18 / 7092, S. 3 und 6; vgl. zudem die Äußerung von MdB Dröge (Grüne) im Rahmen der Zweiten Lesung des VergRModG im Deutschen Bundestag, s. Plenarprotokoll 18 / 146, S. 14423 f. 146  Vgl. die ablehnende Haltung des Bundestages in BT-Drs. 18 / 6281, S. 158 f. (Anlage 3 und 4).



D. Stellungnahme291

Mit der Vorschrift des § 127 GWB n. F. hat der (Bundes-)Gesetzgeber zudem eine abschließende Regelung in Bezug auf die Zuschlagskriterien und die dabei zu berücksichtigenden strategischen Aspekte getroffen.147 Die Landesgesetzgeber haben deshalb ab sofort keine Möglichkeit mehr, eigene Regeln zu den Zuschlagskriterien (insbesondere zu strategischen Aspekten) aufzustellen.148 Abweichende sowie bloß wiederholende Normen sind also auf Landesebene verboten.149 Im Ergebnis kann damit die durch die zahl­ reichen landesrechtlichen Regelungen entstehende Unübersichtlichkeit des Vergaberechts etwas reduziert werden.150 a) Kritik im Gesetzgebungsverfahren Von verschiedenen Interessenvertretern wurde dieses Vorgehen jedoch als unzureichend eingestuft. So wurde im Gesetzgebungsverfahren gefordert, die Landesvergabegesetze zur Schaffung einer einfacheren Struktur komplett abzuschaffen. Deutlich war insofern die Stellungnahme des BDI, in der darauf hingewiesen wurde, dass eine „echte Strukturreform des Vergabe­ rechts“ darauf abzielen müsse, die Landesvergabegesetze zumindest im Bereich ab den EU-Schwellenwerten abzuschaffen.151 Jedes der vergabe­ rechtlichen Landesgesetze fördere die Zersplitterung des Vergaberechts und führe nicht zu einem vereinfachten und rechtssicheren Vergabeverfahren.152 Vielmehr bedingten die Gesetze einen großen bürokratischen Aufwand, der vor allem zulasten von KMU ginge und bereits zu einer deutlichen Verrin­ gerung der Zahl der Angebote geführt habe.153 Ebenso wurde die Zersplit­ 147  Burgi,

NZBau 2015, 597 (602, 599) sowie ders., VergabeR 2016, 261 (269). Unzutreffend ist daher die Interpretation von § 129 GWB n. F. durch den Thüringischen Minister für Kultur-, Bundes- und Europaangelegenheiten, Hoff, wonach der Handlungsspielraum der Länder zum Erlass ihrer Landesvergabegesetze nicht eingeschränkt werde, vgl. Anlage 14 (S. 537) des Plenarprotokolls der 940. Sitzung des Bundesrates v. 18.12.2015. 149  Burgi, NZBau 2015, 597 (599, 602) mit Verweis auf BVerfGE 37, 191 (200) und BVerfGE 102, 99 (115). 150  In die gleiche Richtung Burgi, NZBau 2015, 597 (599) sowie ders., Ver­gabeR 2016, 261 (269). 151  S. 1, 11 der Stellungnahme des BDI zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts v. 16.09.2015, abrufbar im Internet unter https: / / www.bundestag.de / blob / 394240 / 89fdaebfb43c968bcac124eea885e0e0 / mundt_bdi-data.pdf  – zuletzt abgerufen am 17.12.2015. 152  Ebd. 153  Ebd. Dass die Vielzahl der Landesgesetze zu weniger Angeboten führt, sieht ebenfalls Meißner, ZfBR 2014, 453 (459); in die gleiche Richtung auch S. 7 f. der Stellungnahme der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) v. 27.10.2015, abrufbar im Internet unter http: / / www.arbeitgeber.de / www / arbeitgeber. 148  Ebd.

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Kap. 5: Aufbau des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte

terung des Vergaberechts durch die Landesgesetze auch vom DIHK als grundlegendes Hindernis für Unternehmen, die Bundeslandgrenzen über­ schreitend tätig sein wollen, eingestuft.154 Ähnliche Einschätzungen sind in der Literatur zu finden: Leinemann spricht insofern von einem „regelrechte[n] Krieg der Formulare“ in den Bundesländern und fordert ebenfalls, die „unseligen Landesvergabegesetze ersatzlos abzuschaffen“.155 Durch die Geltung des bundesweiten Mindest­ lohns hätten die Gesetze ohnehin jegliche Existenzberechtigung verloren.156 Wagner / Pfohl und Tegeler weisen – ähnlich der Stellungnahme des DIHK – darauf hin, dass die verschiedenen Landesgesetze für Unternehmen, die sich in unterschiedlichen Bundesländern für öffentliche Aufträge bewerben „kaum noch überschaubar“ seien bzw. die zunehmende Zersplitterung des Vergaberechts eine „Erschwernis“ bedeute.157 Kau bezeichnete die Fortfüh­ rung der verschiedenen Landesgesetze bereits im Jahr 2005 als einen „wesentliche[n] Fehler“ des deutschen Vergaberechts.158 nsf / res / Stn-Vergaberecht-fuer-soziale-Dienstleistungen.pdf / $file / Stn-Vergaberechtfuer-soziale-Dienstleistungen.pdf  – zuletzt abgerufen am 01.02.2016. 154  S. 9 der Stellungnahme des DIHK zum Entwurf eines Gesetzes zur Moder­ nisierung des Vergaberechts v. 30.10.2015, abrufbar im Internet unter http: /  / www. dihk.de / themenfelder / recht-steuern / rechtspolitik / nationale-stellungnahmen / dihk-po­ sitionen-zu-nationalen-gesetzesvorhaben  – zuletzt abgerufen am 18.12.2015; vgl. zudem die Aussagen der Sachverständigen Karstedt-Meierrieks im Rahmen der Expertenanhörung im Ausschuss für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundes­ tages, vgl. hierzu S. 10 des Protokolls der 54. Sitzung des Ausschusses für Wirt­ schaft und Energie des Deutschen Bundestages v. 09.11.2015, Protokoll-Nr. 18 / 54, abrufbar im Internet unter https: / / www.bundestag.de / blob / 396788 / c14c6b4aa4228c 44d063dc114ec46d95 / protokoll-data.pdf – zuletzt abgerufen am 25.01.2016. Für die Abschaffung der Landesvergabegesetze zudem beispielsweise auch Portz, Gespräche 2015, S. 51 (52); vgl. zudem Ott, Gespräche 2015, S. 169 (173) sowie Brohm, Ge­ spräche 2015, S. 187 (191). 155  Leinemann, „Weniger Wettbewerb, mehr Formulare“, in: Legal Tribune Online v. 26.10.2015, abrufbar im Internet unter http: / / www.lto.de / recht / hintergruende /  h / vergaberecht-reform-gesetzentwurf-weniger-wettbewerb-mehr-formulare-kommen tar /   – zuletzt abgerufen am 14.01.2016. 156  Ebd.; ähnlich, aber deutlich zurückhaltender Mager / Ganschow, NZBau 2015, 79 (82); a.A: hingegen ausdrücklich Tugendreich, NZBau 2015, 395 (395), die das Nebeneinander von bundes- und landesrechtlichen Regelungen als „grundsätzlich sinnvoll“ erachtet, da „die Reichweite der Bindung, die Berechtigten und Verpflich­ teten, die Durchsetzungsmechanismen und letztlich auch die Höhe der Mindestent­ gelte unterschiedlich“ sei. Vgl. allgemein zur Mindestlohnproblematik im Vergabe­ recht aktuell z. B. Siegel, EuZW 2016, 101 ff. 157  Wagner / Pfohl, VergabeR 2015, 389 (401); Tegeler, VergabeR 2015, 402 (408); ähnlich auch Pünder / Klafki, NJW 2014, 429 (433), die in der Fragmentierung durch die Landesgesetze einen Transparenzmangel sehen; vgl. zudem Summa, ­NZBau 2015, 329 (329). 158  Kau, EuZW 2005, 492 (493 f.; 496).



D. Stellungnahme293

Andererseits wurden im aktuellen Gesetzgebungsverfahren auch gegentei­ lige Einschätzungen vorgetragen, die darauf zielten, die umfangreichen Spielräume der Landesgesetzgeber zu erhalten, um den Erlass weiterer so­ zialer und ökologischer Verpflichtungen zu ermöglichen. So trat neben dem Bundesrat, den Linken und den Grünen insbesondere der DGB gegen eine Beschränkung der Öffnungsklausel ein und forderte, dass es den Ländern möglich bleiben müsse, strategische Ziele in jedem Stadium des Vergabe­ verfahrens zwingend vorzugeben.159 Ebenso wurde im Rahmen der Exper­ tenanhörung im Ausschuss für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bun­ destages von Seiten des „WEED – Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e. V.“ explizit gefordert, die Spielräume der Länder nicht einzuschränken.160 b) Stellungnahme Aus der Warte der Übersichtlichkeit und Klarheit ist dringend anzuraten, umgehend auf die Fortführung der Landesvergabegesetze zu verzichten. Der sich aus der Vielzahl der unterschiedlichen Landesvergabegesetze ergeben­ de, immense bürokratische Aufwand für die Auftragnehmer ist mittlerweile nicht mehr zu rechtfertigen161  – insbesondere wenn man bedenkt, dass die Zahl der vergabespezifischen Länderregelungen in Zukunft sogar noch stei­ gen könnte162. Dies soll nicht bedeuten, dass fortan generell auf strategi­ 159  Vgl. S. 8 der Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zum Referentenentwurf des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes v. 22.05.2015, abrufbar im Internet unter http: / / www.dgb.de / themen / ++co++dada66ba-1370-11e59af4-52540023ef1a  – zuletzt abgerufen am 28.07.2015. 160  Vgl. S. 18 des Protokolls der 54. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages v. 09.11.2015, Protokoll-Nr. 18 / 54, abrufbar im Internet unter https: /  / www.bundestag.de / blob / 396788 / c14c6b4aa4228c44d063dc11 4ec46d95 / protokoll-data.pdf  – zuletzt abgerufen am 25.01.2016. 161  Vgl. an dieser Stelle die Aussagen von RA Finke im Rahmen der Experten­ anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages, der  – ähnlich wie die oben angesprochenen Verbände  – darauf hinweist, dass die Zersplitterung des Vergaberechts in einzelne Landesregelungen gerade für kleine und mittlere Unternehmen hohes Unsicherheitspotential schaffe, s. S. 10 des Protokolls der 54. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundes­ tages v. 09.11.2015, Protokoll-Nr. 18 / 54, abrufbar im Internet unter https: / / www. bundestag.de / blob / 396788 / c14c6b4aa4228c44d063dc114ec46d95 / protokoll-data. pdf  – zuletzt abgerufen am 25.01.2016. Vgl. zudem auch die Erläuterungen zum Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG in der Gesetzesbegründung des VergRModG, BT-Drs. 18 / 6281, S. 56 („unzumutbare Behinderung für Unterneh­ men“). 162  So liegt es nahe, dass die Bundesländer z. B. für den Bereich der Konzes­ sionen künftig eigene (Ausführungs-)Bedingungen festsetzen werden, vgl. Stolz, VergabeR 2015, Heft  3, S. I (Editorial).

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Kap. 5: Aufbau des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte

sche Aspekte wie z. B. einen vergabespezifischen Mindestlohn (soweit eu­ roparechtlich zulässig) verzichtet werden sollte.163 Die aktuelle Ausgestal­ tung mittels unterschiedlicher ergänzender landesrechtlicher Vorschriften ist allerdings hinsichtlich der Anwenderfreundlichkeit denkbar ungünstig.164 Darüber hinaus erscheint die Abschaffung der Landesvergabegesetze auch mit Blick auf die EU-Vergaberichtlinien als geboten. Die Vergaberichtlinien führen aufgrund der Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten zu einer – recht weitgehenden  – Vereinheitlichung der Rechtsregeln zur öffentlichen Auftragsvergabe. Die mit der europaweiten Harmonisierung verbundenen Vorteile werden aber durch die vielen Landesvergabegesetze bereits im in­ nerstaatlichen Bereich der Bundesrepublik Deutschland praktisch wieder zunichte gemacht.165 Denn Auftragnehmer sind gezwungen, bereits bei Vergaben in mehreren Bundesländern unterschiedliche gesetzliche Vorgaben zu berücksichtigen. Die Gesetzgebung der deutschen Bundesländer gefähr­ det dadurch faktisch das europäische Ziel der Verwirklichung eines einheit­ lichen europäischen Binnenmarktes gem. Art. 26 AEUV.166 Gleichsam wird durch die unterschiedlichen Landesgesetze die auf Bundesebene praktizierte „1:1“-Umsetzung der Richtlinien ernsthaft in Frage gestellt. Vergleichbar mit der Schaffung eines einheitlichen Bundesvergabegeset­ zes wäre aber wohl auch der ausnahmslose Verzicht auf Landesgesetze im Rahmen der nun abgeschlossenen Reform politisch nicht zu erreichen ge­ wesen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wäre ein solches Vorgehen am Zu­ stimmungserfordernis des Bundesrates, also dem Einverständnis der Bun­ desländer gescheitert.167 Der Bundesrat hatte nämlich, wie eingangs erwähnt, bereits der Beschränkung der Öffnungsklausel auf Ausführungsbedingungen 163  Es soll hier ausdrücklich nicht über Sinn und Unsinn, die konkrete Ausge­ staltung oder die Zulässigkeit von (vergabespezifischen) Mindestlöhnen oder sonsti­ gen strategischen Aspekten entschieden werden. Es geht lediglich darum, wie die entsprechenden Regelungen (unabhängig vom Inhalt) möglichst anwenderfreundlich ausgestaltet werden können. 164  So beginnt die Rechtszersplitterung durch die Landesvergabegesetze bereits beim Begriff des Auftraggebers, vgl. hierzu Siegel, VerwArch 2016, 1 (10 f.), der im Ergebnis eine „Dreiteilung des Vergaberechts“ sieht. 165  So die Kritik von Summa bei den Speyerer Vergaberechtstagen 2015, ähnlich auch in dem hierzu erstellten Manuskript des Vortragenden in VergabeR 2016, 147 (149): „Luxus einer vergaberechtlichen Kleinstaaterei“ sowie „mittelstandsfeindlich[er] Zustand“ sowie nun in Heiermann / Zeiss / Summa, jurisPK-Vergaberecht, Einleitung Vergaberecht Rn. 58–61. 166  Stolz, VergabeR 2015, Heft  3, S. I (Editorial) ist ebenfalls der Ansicht, dass man im Vergaberecht von einem einheitlichen Wirtschaftsraum momentan weit ent­ fernt ist. 167  Vgl. hierzu auch Wagner / Pfohl, VergabeR 2015, 389 (401 f.) sowie  – zur gleichen Frage im Rahmen der Umsetzung der VKR  – Buhr, Richtlinie, S. 216 f.



D. Stellungnahme295

kritisch gegenüberstanden. Dass er einer gänzlichen Abschaffung der verga­ bespezifischen Landesgesetze zugestimmt hätte, erscheint daher äußerst unwahrscheinlich. Im Bundestag wurde dementsprechend lediglich die Hoffnung geäußert, dass „irgendwann“ eine Vereinheitlichung realisiert werden könne.168 Vor diesem Hintergrund kann hier nur nochmals an die Vertreter der Bundesländer appelliert werden, ihre Haltung in Zukunft zu überdenken und auf spezifische Eigenregeln zur öffentlichen Auftrags- bzw. Konzessionsvergabe fortan zu verzichten.169 Erforderlich dürfte dafür je­ doch sein, dass der Bund den Ländern in dieser Frage deutlich entgegen­ kommt und versucht, mit ihnen gemeinsam  – auf Augenhöhe  – einheitliche Regeln zu den strategischen Aspekten zu erarbeiten. Denn nur eine einheit­ liche, bundesweit geltende Regelung führt zu einem wirklich anwender­ freundlichen Aufbau, durch den unnötiger bürokratischer Aufwand bei künftigen Auftrags- und Konzessionsvergaben vermieden werden kann. In der Folge dürfte dies zu einem „Mehr“ an Wettbewerb führen.

IV. Zwischenergebnis Zusammenfassend ist festzustellen, dass der neue Aufbau des deutschen Vergaberechts weder gegen Verfassungs- noch Unionsrecht verstößt. In rechtspolitischer Hinsicht ergibt sich allerdings ein nur durchwachsenes Bild: Während die Erweiterung des Vierten Teils des GWB zu begrüßen ist, erscheint der Fortbestand der VOB / A ebenso wie die weiterhin bestehende Möglichkeit zur Schaffung vergaberechtlicher Landesgesetze für die Rechts­ anwender misslich. Zudem wäre es sinnvoll gewesen, wenigstens den Na­ men des GWB zu ändern.

168  Vgl. die Äußerung von MdB Gundelach (CDU / CSU) im Rahmen der Zwei­ ten Lesung des VergRModG im Deutschen Bundestag, vgl. Plenarprotokoll 18 / 146 v. 17.12.2015, S. 14423: „Im Hinblick auf mehr Anwenderfreundlichkeit und weni­ ger Bürokratie wäre es schön, irgendwann nur noch ein Vergabegesetz zu haben, an dem sich Bund und Länder gemeinsam orientieren […].“ Ähnlich auch die Aussage von MdB Held im Rahmen dieser Zweiten Lesung, vgl. Plenarprotokoll 18 / 146 v. 17.12.2015, S. 14419. 169  Ähnlich bereits während des laufenden Gesetzgebungsverfahrens Summa, NZBau 2015, 329 (329).

Zusammenfassung in Thesen Im Folgenden sollen die wichtigsten Erkenntnisse und Resultate der Ar­ beit in Thesen zusammengefasst werden. Kapitel 1: Die Grundsätze der „Bestimmtheit“ und „Klarheit“ 1.  Die Begriffe der Bestimmtheit und Klarheit werden in Rechtsprechung und Literatur uneinheitlich verwandt. Im Rahmen der vorliegenden Unter­ suchung wurde unter „Bestimmtheit“ die Notwendigkeit hinreichend präzi­ ser und eindeutiger Formulierungen bzw. Begriffe verstanden. Bei der Be­ stimmtheit eines Gesetzes ging es also um die Frage, wie genau oder aus­ führlich und spezifiziert einzelne Sachverhalte im Gesetz inhaltlich geregelt sein müssen. „Klarheit“ beschrieb hingegen das Bedürfnis nach möglichst verständlichen, übersichtlichen und widerspruchsfreien Normen, Normenge­ fügen und Gesetzen. 2.  Die Grundsätze der Bestimmtheit und Klarheit werden ganz überwie­ gend aus dem  – insbesondere in Art. 20 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 1 GG verankerten  – Rechtsstaatsprinzip abgeleitet. Mitunter werden aber auch andere verfassungsrechtliche Prinzipien und grundgesetzliche Normen sowie die Grundrechte herangezogen, um die Geltung der Grundsätze der Klarheit und Bestimmtheit zu belegen. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Veran­ kerung der Gebote der Bestimmtheit und Klarheit gelten die Gebote in allen Rechtsgebieten; sie erfassen materielle und formelle Gesetze sowie Rechts­ verordnungen. 3.  Ein höchstmöglicher Grad an Gesetzesbestimmtheit ist in der Praxis weder erreichbar noch verfassungsrechtlich geboten. Vielmehr ist grundsätz­ lich auch ein Rückgriff auf „unbestimmte Rechtsbegriffe“ und Generalklau­ seln möglich. Rechtsnormen dürfen zwar auslegungsbedürftig, müssen im Gegenzug aber auslegungsfähig sein. Der Regelungsgehalt einer Norm muss anhand der anerkannten Auslegungsregeln (und ggf. jahrzehntelanger Recht­ sprechung) hinreichend sicher ermittelt werden können, damit der Rechts­ anwender sich nach ihr richten kann. Gefordert wird damit keine absolute Bestimmtheit, sondern lediglich eine Bestimmbarkeit. Der konkret erforder­ liche Bestimmtheitsgrad kann in verschiedenen Bereichen des Rechts oder beim Vorliegen besonderer Situationen unterschiedlich sein.



Zusammenfassung in Thesen

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4.  Der Klarheitsgrundsatz gilt sowohl intra-, als auch internormativ bzw. „intergesetzlich“. Gesetzliche Regelungen dürfen nach diesem Grundsatz aufgrund ihrer Art und Weise nicht so schwer überschaubar bzw. komplex sein, dass die Rechtslage (gar) nicht mehr nachvollzogen werden kann. Sie müssen daher insbesondere widerspruchsfrei sein und ein Mindestmaß an Übersichtlichkeit und Transparenz aufweisen. Gerade der Gebrauch von Verweisungen kann dieser Übersichtlichkeit und Transparenz jedoch entge­ genstehen. 5.  Der Maßstab, anhand dessen geprüft wird, ob die Rechtslage hinrei­ chend bestimmt und klar ist, richtet sich im Grundsatz nach den von einem Gesetz typischerweise Betroffenen. Eine ausnahmslose Verständlichkeit für alle Betroffenen wird allerdings nicht in allen Fällen gewährleistet werden können, teilweise muss auch auf den Verständnishorizont von Juristen ab­ gestellt werden dürfen. 6.  Vom Vergaberecht sind in vielen Fällen auch Nicht-Juristen betroffen. Allerdings findet die Auseinandersetzung mit dem Vergaberecht regelmäßig in der beruflichen Sphäre der Betroffenen statt. Ein gewisses Maß an Sachund Rechtskenntnissen kann und muss von den Rechtsanwendern des Ver­ gaberechts daher erwartet werden. Kapitel 2: Systemgerechtigkeit, Einheit der Rechtsordnung und Kohärenz 7.  Systemgerechtigkeit beschreibt die Pflicht des Gesetzgebers, Sachver­ halte in sich konsistent und folgerichtig zu regeln. Normen und Normen­ komplexe sollen inhaltlich und sprachlich aufeinander abgestimmt, d. h. stimmig und konsistent sein. Im Gegensatz zur Bestimmtheit und Klarheit entfaltet der Gedanke der Systemgerechtigkeit allerdings nur im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG Relevanz, seine Reichweite ist (auch daher) letztlich begrenzt. 8.  Der durch die sog. Glücksspiel-Rechtsprechung des EuGH geprägte Begriff der Kohärenz erfordert, dass mitgliedstaatliche Beschränkungen der primärrechtlichen Grundfreiheiten „kohärent und systematisch“ ausgestaltet sein müssen, um gerechtfertigt werden zu können. Die nationale Maßnahme muss daher in konsequenter Art und Weise das vom Gesetzgeber vorgege­ bene Ziel tatsächlich verfolgen. Dogmatisch stellt das Kohärenzerfordernis damit einen zusätzlichen Prüfungspunkt innerhalb der Rechtfertigungsprü­ fung bei den Grundfreiheiten dar.

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Zusammenfassung in Thesen

Kapitel 3: Anwendungsbereich des neuen Vergaberechts 9.  Die drei neuen Vergaberichtlinien zeichnen sich dadurch aus, dass in weiten Teilen Rechtsprechung des EuGH übernommen und kodifiziert wird. Stellenweise weichen die Regelungen allerdings von den Vorgaben des ­EuGH ab bzw. modifizieren oder präzisieren diese. 10.  Durch die drei neuen Richtlinien wird der bisherige Anwendungsbe­ reich des sekundärrechtlichen Vergaberechts stellenweise erweitert, stellen­ weise aber auch eingeschränkt. Zu den Einschränkungen gehört u. a. die für In-House-Vergaben vorgenommene Absenkung des Wesentlichkeitskriteri­ ums auf 80 %; bei den Erweiterungen ist insbesondere die Einbeziehung von Dienstleistungskonzessionen durch die KVR zu nennen. Eine umfassen­ de Regelung des Konzessionsbereichs ist durch die Aufnahme zahlreicher Ausnahmen und den recht hohen Schwellenwert der KVR jedoch verhindert worden. 11.  Das deutsche Vergaberecht ist auch nach der Umsetzung des europä­ ischen Richtlinienpakets noch immer zweigeteilt. Die bundesrechtlichen Regelungen für Vergaben, welche die Schwellenwerte mindestens erreichen, finden sich nun im Vierten Teil  des GWB, der VgV, der SektVO, der KonzVgV, der VSVgV sowie den Abschnitten  2 und  3 der VOB / A. 12.  Der deutsche Gesetzgeber hat die Vorgaben der Richtlinien zum An­ wendungsbereich nahezu überall „1:1“ in das deutsche Recht überführt. Im Zuge der Reform wurde der Vierte Teil  des GWB grundlegend überarbeitet und deutlich erweitert. Er besteht nun aus zwei Kapiteln mit jeweils drei Abschnitten und enthält u. a. die wesentlichen Normen zum Anwendungsbe­ reich des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte. Kapitel 4: Verfassungsrechtliche Prüfungen 13.  Im Hinblick auf Bestimmtheit, Klarheit und Systemgerechtigkeit kommt dem deutschen Gesetzgeber jeweils ein Spielraum bei der Umset­ zung des Richtlinienrechts zu. Fälle des sog. echten gold platings liegen grundsätzlich nicht vor. Eine Prüfung anhand der Vorgaben des Grundgeset­ zes ist daher möglich. 14.  Die Ausgestaltung der Vorschriften zum Anwendungsbereich verstößt nicht gegen den verfassungsrechtlichen Klarheitsgrundsatz. a)  Echte Normwidersprüche liegen nicht vor. Hinsichtlich des Gebots der Widerspruchsfreiheit ist ein Verstoß gegen den Klarheitsgrundsatz daher abzulehnen.



Zusammenfassung in Thesen299

b)  Zudem ist ein Verstoß gegen den Klarheitsgrundsatz auch im Rahmen von Aufbau und Systematik bzw. Übersichtlichkeit nicht zu erkennen. In intergesetzlicher Hinsicht ist zunächst zu begrüßen, dass die wesentlichen Regeln zum Anwendungsbereich sich auf gesetzlicher Ebene im GWB  n. F. befinden. Weiterhin verstoßen weder der allgemeine Aufbau des neuen Vier­ ten Teils noch einzelne Aspekte hiervon gegen den internormativen Teil des Klarheitsgrundsatzes. Zwar mag sich der Aufbau in Bezug auf den Anwen­ dungsbereich nicht auf den „allerersten“ Blick erschließen. Bei etwas ge­ nauerer Betrachtung ist jedoch eine Regelungssystematik erkennbar, anhand derer sich der Rechtsanwender unter Beachtung der gebotenen Sorgfalt fehlerfrei zurechtfinden kann. Darüber hinaus liegen Verstöße auch in intra­ normativer Hinsicht nicht vor. Vielmehr sind die Vorschriften klar struktu­ riert und nachvollziehbar gegliedert. c)  Schließlich sind Verstöße gegen den Klarheitsgrundsatz auch durch den Gebrauch von Verweisungen im neuen Vierten Teil  des GWB nicht zu verzeichnen. 15.  Der Begriff der Zusammenarbeit in § 108 Abs. 6 Nr. 1 GWB  n. F. ist nicht hinreichend konkretisierbar. Durch Auslegung lässt sich nicht ermit­ teln, ob für das Vorliegen einer Zusammenarbeit eine Art „echte Zusammen­ arbeit“ erforderlich ist oder auch eine bloße Geldzahlung seitens eines Be­ teiligten ausreichen kann. Die Rechtsunterworfenen werden mithin gerade nicht befähigt, die Rechtslage anhand der gesetzlichen Regelung zu erken­ nen, damit sie ihr Verhalten daran ausrichten können. Mit der Verwendung des Begriffs trotz fehlender Konkretisierung verstößt der deutsche Gesetz­ geber damit gegen den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz. Weitere Bestimmtheitsverstöße sind bei den Vorschriften zum Anwendungs­ bereich im neuen GWB indes nicht zu erkennen. 16.  Der Anwendungsbereich des europäischen Vergaberechts ist durch die Schaffung der KVR erheblich erweitert worden. Eine weitreichende Regelungslücke ist hiermit zurecht geschlossen worden. Dabei war es kon­ sequent, auch Sektorenauftraggeber den Vorgaben der KVR zu unterwerfen. Dem Ziel der Wettbewerbsförderung und Verwirklichung des Binnenmarktes ist der Gesetzgeber damit erfreulicherweise einen Schritt näher gekommen. Geschmälert wird dies allerdings durch einige Ausnahmen. Zu kritisieren sind insbesondere die 80 %-Grenze beim Wesentlichkeitskriterium der InHouse-Vergabe, der recht hohe und einheitliche Schwellenwert der KVR so­ wie die Ausnahme des Trinkwasserbereichs aus der KVR. An diesen Stellen wurde der Anwendungsbereich der Richtlinien jeweils ohne überzeugende Begründung eingeschränkt. Der Anwendungsbereich des neuen europäischen Vergaberechts weist insofern wahrnehmbare Inkonsistenzen auf und kann folglich nicht als durchgehend stimmig und konsistent bezeichnet werden.

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Zusammenfassung in Thesen

17.  Verstöße gegen die verfassungsrechtliche Systemgerechtigkeit liegen bei den Vorschriften zum Anwendungsbereich des Vergaberechts jedoch nicht vor. a)  Durch die Übernahme der Vorschriften zur Konzessionsvergabe ins deutsche Recht werden sowohl der Wettbewerbsgrundsatz als auch der Grundsatz der möglichst wirtschaftlichen und sparsamen Beschaffung geför­ dert. Es liegt eine konsistente und folgerichtige, an den grundlegenden Zielen des GWB-Vergaberechts orientierte Vorgehensweise des deutschen Gesetzgebers vor. b)  Der allgemeine Anwendungsbereich wurde vom deutschen Gesetzge­ ber nicht grundlegend verändert. Zudem sind die Regeln zur Konzessions­ vergabe nicht nur von klassischen, sondern auch von Sektorenauftraggebern zu beachten. Dies erscheint angesichts der Hauptziele des GWB-Vergabe­ rechts ebenfalls als ein konsistentes und folgerichtiges Vorgehen. c)  Die Schaffung der Sonderregime für soziale und andere besondere Dienstleistungen stellt angesichts der Hauptziele des GWB-Vergaberechts eine Systemwidrigkeit dar. Diese ist aber durch sachliche Gründe hinrei­ chend gerechtfertigt. Nicht gerechtfertigt ist jedoch die konkrete Auswahl der von den Sonder­ regimen erfassten Dienstleistungen. Da Art. 3 Abs. 1 GG in der vorliegenden Konstellation jedoch nicht anwendbar ist (Gefahr eines „Harmonisierungs­ hebels“) scheidet ein Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Systemge­ rechtigkeit im Ergebnis aus. d)  Aufgrund der Unanwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 GG erübrigt sich eine Prüfung der Systemgerechtigkeit auch im Bereich der In-House- bzw. In-State-Vergabe, der Schwellenwerte sowie der Ausnahmen vom Vergabe­ recht. 18.  Im Rahmen der verbleibenden rechtspolitischen Betrachtung ist die „1:1“-Umsetzung des deutschen Gesetzgebers zum Teil  ausdrücklich zu loben. Stellenweise wäre eine Erweiterung des Anwendungsbereichs durch den deutschen Gesetzgeber zur Schaffung von mehr Wettbewerb und Trans­ parenz zwar sinnvoll gewesen. Angesichts der Nachteile einer uneinheitli­ chen europäischen Rechtslage war die streng an den europäischen Vorgaben orientierte Umsetzung im Ergebnis jedoch angebracht. Einen Sonderfall stellt die Ausnahmevorschrift für Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr in § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB  n. F. dar, mit der der deutsche Gesetzgeber Rettungs­ dienstleistungen an gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen vom GWB n. F. ausnehmen möchte. Da dies zu einem Widerspruch zwischen europäischem Primär- und Sekundärrecht führen würde, muss die Ausnah­



Zusammenfassung in Thesen301

mevorschrift so weit reduziert werden, dass auch Rettungsdienst-Vergaben an gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen keinen Ausnahmefall begründen. Die Vergabe von Rettungsdienstleistungen ist daher nur im Rah­ men des GWB n. F. denkbar. 19.  Ein Verstoß gegen das Kohärenzgebot des EuGH scheidet bereits mangels Grundfreiheitsbeschränkung aus. Darüber hinaus wäre auch frag­ lich, ob ein Kohärenzverstoß in der vorliegenden Konstellation überhaupt denkbar wäre. Denn mit dem GWB-Vergaberecht setzt der deutsche Gesetz­ geber ohne große Abweichungen europäische Richtlinienvorgaben um. Kapitel 5: Aufbau des Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte 20.  Der grundlegende Aufbau des deutschen Vergaberechts hat sich stel­ lenweise geändert. Neben einer deutlichen Erweiterung des Vierten Teils des GWB sind insbesondere die Zusammenführung von VOL / A und VOF in der VgV sowie die Einführung einer neuen KonzVgV zu nennen. 21.  Der bisherige Aufbau des deutschen Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte einschließlich des Kaskadensystems wurde in der Vergan­ genheit oft kritisiert. Verstöße gegen Verfassungs- und Europarecht lagen zwar nicht vor. Allerdings erschien der Aufbau in rechtspolitischer Hinsicht ungünstig. 22.  Verstöße gegen Verfassungs- und Europarecht liegen auch beim neu­ en Aufbau des nationalen Vergaberechts oberhalb der Schwellenwerte nicht vor. In rechtspolitischer Hinsicht ergibt sich aktuell ein durchwachsenes Bild: Während die Erweiterung des Vierten Teils des GWB zu begrüßen ist, erscheint der Fortbestand der VOB / A ebenso wie die weiterhin bestehende Möglichkeit zur Schaffung vergaberechtlicher Landesgesetze für die Rechts­ anwender misslich. Zudem wäre es sinnvoll gewesen, zumindest den Namen des GWB zu ändern.

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Sachwortverzeichnis Agreement on Government Procurement (GPA)  93, 214 ff., 254 f., 262 f. Allgemeiner Gleichheitssatz (Art. 3 GG)  69 ff., 242 ff., 259, 269 Änderung der Schwellenwerte  131 Aufbau des Vergaberechts  262 ff. Auftraggeber  116 f., 128 f., 172 f., 175 ff. Ausnahmen  93 ff., 114 f., 121 ff., 131 ff., 137 f., 141 ff., 144, 164, 171 f., 174, 182, 182 ff., 226 ff., 246, 257 ff. Bauauftrag  130 Baukonzession  115, 130 Begriff der „Betrauung“  183 f. Begriff der „Zusammenarbeit“  186 ff. Bestimmtheit  22 ff., 31 ff., 153 f., 182 ff. –– Abgrenzung zur Klarheit  25, 57 f. –– erforderlicher Bestimmtheitsgrad  33 ff. Bestimmtheit und Klarheit im Recht der EU  65 ff. Betriebsrisiko  118 ff., 130 Bürgerinitiative  123, 221 f. Dienstleistungen des Katastrophenschut­ zes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr  95 ff., 132 f., 220 f., 257 f. Dienstleistungsauftrag  130 Dienstleistungskonzession  115 ff., 130, 144 ff., 202 ff., 231 f., 247, 254 f. Einheit der Rechtsordnung  74 Einheitliches Bundesvergabegesetz  289 f. Erweiterung des Vierten Teils des GWB  281 ff.

Europäisches Primärrecht  100 Folgerichtigkeit  68 Fortbestand der VOB/A  283 ff. Gaskonzession  123 f. Gefahrenabwehr  98 f. Gelungene Gesetzgebung  166 ff., 247 ff., 281 ff. Gemischte Aufträge  135 f. Generalklauseln  39 ff. Gold Plating  149 ff. Grundfreiheiten  274 ff. Grundrechte  28 GWB  127, 147, 264 Horizontale In-House-Vergabe  91, 134, 209 ff., 254 In-House-Vergaben  88 ff., 133 f. In-State-Vergaben  91 f., 134 Interkommunale Zusammenarbeit  91 f., 134 Inverse In-House-Vergabe  91, 134 Joint-Venture-Privileg  112, 142, 146 Kaskadensystem  264 f., 267 ff. Katastrophenschutz  97 f. Klarheit  22 ff., 43 ff., 154 f., 158 ff. –– Abgrenzung zur Bestimmtheit  25, 57 f. –– Aufbau und Systematik sowie Übersichtlichkeit  50 ff., 160 ff. –– Verständlichkeit  44 –– Verweisungen  53 ff., 175 ff., 270 ff. –– Widerspruchsfreiheit  45 ff., 159 f. –– Zusammenwirken von Normen  44 f.



Sachwortverzeichnis329

Kohärenz  75 ff., 259 ff. –– im Sinne des Art. 7 AEUV  75 f. –– in der Glücksspiel-Rechtsprechung des EuGH  76 ff., 259 ff. Kontrollkriterium  210 ff. Konzernprivileg  112, 141 f., 145 Konzessionsgeber  129, 173, 175 ff. Konzessionsmodell  95 KVR (RL 2014/23/EU)  115 ff. Landesgesetze  265, 290 ff. Lieferauftrag  130 Öffentliche Aufträge zwischen Einrich­ tungen des öffentlichen Sektors  87 ff., 111 f., 120, 133 ff., 168 ff., 174, 208 ff., 246, 251 ff. Öffentliche Auftraggeber  116 f., 128 f., 172 f., 175 ff. Öffnungsklausel  265, 277 Package deals  73 Parlamentsvorbehalt  136 Preiswettbewerb  224 Privatisierungspflicht  223 Rechtsdienstleistungen  94, 218 ff., 257 Rechtsfolgen von Verstößen  64 f. Rechtssicherheit  27, 159, 204 f. Rechtsstaatsprinzip  26 f., 154, 179 Rettungsdienste  95 ff., 132 f., 220 f., 257 f. Schwellenwerte  93, 113, 120 f., 126, 131, 177 ff., 214 ff., 227, 246, 254 ff. Sektorenauftraggeber  129, 173, 175 ff. Sektorentätigkeit  113 f., 129 f. Sonderregime für soziale und andere besondere Dienstleistungen  86 f., 111, 120, 139 f., 145, 152, 180 ff., 207 f., 232 ff., 248 ff. Sperrwirkung des Sekundärrechts  101 SRL (RL 2014/25/EU)  110 ff. Stromkonzession  123 f. Submissionsmodell  95 System  228 ff.

Systemgerechtigkeit  68 ff., 155 ff., 200 ff. Trinkwasser  122 ff., 221, 258 f. Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse  197 ff. Überschießende Richtlinienumsetzung  149 ff. Umsetzung von EU-Richtlinien  149 Umsetzungsfrist  84 Umsetzungsspielraum  148 ff. Unbestimmte Rechtsbegriffe  39 ff. Verbot einer direkten privaten Kapital­ beteiligung  89 f., 253 f. Vergabe- und Vertragsordnungen  264 f., 267 f., 276 f. Vergaberichtlinien  83 ff., 201 ff., 263 f. Vermeidungstendenzen  19 Verweisungen  53 ff., 175 ff. –– dynamische Verweisungen  54 f., 177 ff. –– Mehrfachverweisungen  56, 180 –– statische Verweisungen  54 f., 180 f. Vorbehaltene Konzessionen  124 f. VRL (RL 2014/24/EU)  86 ff. Wesentlichkeitsgrundsatz  160, 267 Wesentlichkeitskriterium  89, 92, 134, 209, 212 ff., 227, 252 f. Wettbewerbsklausel  142, 146 Widerspruch zwischen europäischem Primär- und Sekundärrecht  107 ff. Wirtschaftlichstes Angebot  224 Ziele der neuen Vergaberichtlinien  84 f., 208 Ziele des nationalen Vergaberechts  229 ff. Zivilschutz  98 Zusammenfassung in Thesen  296 ff. Zusammenführung der Vergabeverord­ nungen  289 f. Zweiteilung des deutschen Vergabe­ rechts  125 f.