Prähistorische Pfahlbauten im Alpenraum: Erschließung und Vermittlung eines Welterbes 9783110418699, 9783110416701

Since 2011, the more than 100 registered pile dwelling sites in the Alpine region have been declared a UNESCO World Heri

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German Pages 247 [248] Year 2018

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Table of contents :
INHALTSVERZEICHNIS
GRUSSWORT I
GRUSSWORT II
EINLEITUNG
WELTERBE
DIE KULTURPOLITISCHE BEDEUTUNG DES WELTERBES PFAHLBAUTEN
KULTUR, NATUR, ÖKOLOGIE
PRÄHISTORISCHE PFAHLBAUTEN: UNSICHTBARES WELTERBE
PRÄHISTORISCHE PFAHLBAUTEN IN SÜDWESTDEUTSCHLAND
SICHTBARMACHUNG UND VERMITTLUNG DES WELTERBES
DIE SERIELLE UND TRANSNATIONALE WELTERBESTÄTTE PFAHLBAUTEN
SERIELLE WELTERBESTÄTTEN: LIMES UND LOIRETAL
GRENZEN DER VERMITTLUNG AM WELTERBE OBERGERMANISCH-RAETISCHER LIMES
THE CULTURAL LANDSCAPE OF THE LOIRE VALLEY
VERMITTLUNG: MUSEUM, FILM, TOURISMUS
„DIE PERLE VORGESCHICHTLICHER SAMMLUNGEN DEUTSCHLANDS“
EXPERIMENTELLE ARCHÄOLOGIE IM MUSEUM
ARCHÄOLOGEN UND FILMEMACHER
WELTERBE-TOURISMUS
ANHANG
AUTORENVERZEICHNIS
ABBILDUNGSNACHWEISE
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Prähistorische Pfahlbauten im Alpenraum: Erschließung und Vermittlung eines Welterbes
 9783110418699, 9783110416701

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Prähistorische Pfahlbauten im Alpenraum

Band 3 Reflexe der immateriellen und materiellen Kultur  Herausgegeben von

Eva-Maria Seng und Frank Göttmann

Eva-Maria Seng, Helmut Schlichtherle, Claus Wolf, C. Sebastian Sommer (Hrsg.) in Zusammenarbeit mit Frank Göttmann

Prähistorische Pfahlbauten im Alpenraum Erschließung und Vermittlung eines Welterbes

De Gruyter

Gedruckt mit großzügiger Unterstützung des Landesamtes für Denkmalpflege Baden-Württemberg

ISBN 978-3-11-041670-1 e-ISBN (PDF) 978-3-11-041869-9 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-041882-8 Library of Congress Control Number: 2018018721 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Walter de Gruyter GmbH Berlin/Boston Einbandabbildung: Lehrstuhl für Materielles und Immaterielles Kulturerbe, Universität Paderborn Satz: SatzBild, Sabine Taube, Kieve Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen www.degruyter.com

INHALTSVERZEICHNIS

Claus Wolf Grußwort I   VII Dieter Offenhäußer Grußwort II   IX Eva-Maria Seng Einleitung  XVII WELTERBE

Daniel Gutscher Die kulturpolitische Bedeutung des Welterbes Pfahlbauten   3 Eva-Maria Seng Kultur, Natur, Ökologie Die Pfahlbauten als Ausgangspunkt einer integralen Sicht auf Weltkulturerbestätten   10 PRÄHISTORISCHE PFAHLBAUTEN: UNSICHTBARES WELTERBE

Helmut Schlichtherle Prähistorische Pfahlbauten in Südwestdeutschland Unsichtbares Welterbe – faszinierende Forschung   33 Klaus-Dieter Schnell Sichtbarmachung und Vermittlung des Welterbes Prähistorische Pfahlbauten am Bodensee und Zürichsee als internationale Aufgabe   66 Anna Michel Die serielle und transnationale Welterbestätte Pfahlbauten Eine empirische Untersuchung der Vermittlungsarbeit   77

VI

|     Inhaltsverzeichnis

SERIELLE WELTERBESTÄTTEN: LIMES UND LOIRETAL

Jürgen Obmann und Christof Flügel Grenzen der Vermittlung am Welterbe Obergermanisch-Raetischer Limes Was bleibt außer Blechrömern und Limestorte?   99 Nadine Vivier The Cultural Landscape of the Loire Valley   118 VERMITTLUNG: MUSEUM, FILM, TOURISMUS

Tobias Engelsing „Die Perle vorgeschichtlicher Sammlungen Deutschlands“ Ludwig Leiner, das Konstanzer Rosgartenmuseum und seine Pfahlbauer-Sammlung   133 Michael Herdick Experimentelle Archäologie im Museum Chancen und Risiken für Wissenschaft und Tourismus   161 Elisabeth Milin Archäologen und Filmemacher In der Zwickmühle gegenseitiger Erwartungen   177 Kurt Luger Welterbe-Tourismus Vermittlungsaufgabe und Inwertsetzung des kulturellen Erbes   187 ANHANG

Autorenverzeichnis   207 Abbildungsnachweise   214 Personen-, Orts- und Sachregister   217

GRUSSWORT I „Erschließung und Vermittlung des Welterbes Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“ 30. Mai bis 1. Juni 2014, Universität Konstanz

Seit 2011 sind die „Prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen“ als grenzüberschreitende serielle Stätte Teil des UNESCO-Welterbes. Die UNESCO hat damit erstmals Kulturgut unter Wasser in die Welterbeliste aufgenommen. Unter Federführung des Schweizerischen Bundesamtes für Kultur wurde der Antrag von den sechs Alpenanrainerstaaten Schweiz, Frankreich, Deutschland, Österreich, Slowenien und Italien erarbeitet. Stellvertretend für die gesamte Serie von rund 1.000 bekannten Feuchtbodensiedlungen sind 111 Seeufer- und Moorsiedlungen nominell auf der Welterbeliste verzeichnet. In Deutschland liegen 18 Fundstätten: drei in Bayern, 15 in Baden-Württemberg. Einzigartige Erhaltungsbedingungen organischer Materialien machen den außergewöhnlichen Wert der „Prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen“ aus. Unter Luft­ abschluss in ständig nassem Milieu sind neben zahlreichen anderen Funden Architekturelemente und Konstruktionshölzer, Speisereste und Vorräte, Textilien ebenso wie Alltagsgegenstände und Objekte aus rituellem Kontext erhalten. Dies bietet ausgezeichnete Voraussetzungen für moderne interdisziplinäre Forschungen, die Einblicke in die Ökonomie und Ökologie der frühen Bauern Europas, in ihren Alltag, in Landwirtschaft, Viehzucht und technische Innovationen vom 5. bis zum 1. Jahrtausend v. Chr. erlauben. Die Vermittlung des Wissens über die Welterbestätten an die Öffentlichkeit ist neben deren Schutz und Erhalt für nachfolgende Generationen ein zentraler Auftrag der ­U NESCO. Die Pfahlbaufundstätten der Welterbestätte „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“ liegen verborgen unter Moorbedeckung oder in der Flachwasserzone der zirkum­a lpinen Seen. Sie sind obertägig nicht sichtbar, häufig liegen sie in Naturschutzgebieten und können nicht erreicht werden. Sie sind nach außen ausgesprochen unauffällig. So wird der Reichtum dieser Welterbestätte erst durch interdisziplinäre Forschungen und die Darstellung und Vermittlung der Forschungsergebnisse sichtbar. Die Tagung „Erschließung und Vermittlung des Welterbes Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“, die vom 30. Mai bis 1. Juni 2014 in den Räumen der Universität Konstanz stattfand, widmete sich der Frage der Vermittlung transnationaler und seriel­ ler Welterbestätten ebenso wie der Vermittlung obertägig nicht sichtbarer Denkmale vor dem Hintergrund der Frage nach den Möglichkeiten touristischer Vermarktungs­

VIII |     Grußwort I

strategien. Ausgerichtet wurde die Tagung vom Landesamt für Denkmalpflege BadenWürttem­berg und vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege in Zusammenarbeit mit den Universitäten Konstanz und Paderborn, Lehrstuhl für Materielles und Immaterielles Kulturerbe. Herzlicher Dank gilt den Mitveranstaltern der Internationalen Bodenseekonferenz, der Deutschen UNESCO-Kommission, der International Coordination Group World Heritage around the Alps, der Swiss Coordination Group und der Arbeitsgemeinschaft Prähistorische Pfahlbauten. Ohne die Referenten und die Berichte aus ihren Arbeitsgebieten wäre die Tagung nicht möglich gewesen. Ihnen gilt unser Dank für ihre Beiträge zum Tagungsband. Prof. Dr. Claus Wolf Präsident des Landesamtes für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart

GRUSSWORT II

Am 14. Februar 1887 erschien in der Zeitschrift „Le Temps” ein „Protest der Künstler”: Wir leidenschaftlichen Liebhaber der bisher unangetasteten Schönheit von Paris protestieren mit aller Kraft gegen die Errichtung des unnötigen und ungeheuerlichen Eiffelturms. Wird die Stadt Paris sich wirklich den überspannten, den geschäftstüchtigen Phantastereien einer Maschinenkonstruktion anschließen, um sich für immer zu schänden und zu entehren? Um zu begreifen, was wir kommen sehen, muss man sich für einen Augenblick einen schwindel­ erregenden, lächerlichen Turm vorstellen, der wie ein riesiger, düsterer Fabrikschlot Paris überragt, muss sich vorstellen, wie alle unsere Monumente gedemütigt, alle unsere Bauten verkleinert werden, bis sie in diesem Albtraum verschwinden.

Wenn es also damals schon das Welterbe-Programm der UNESCO gegeben hätte …!? Wir müssen aber gar nicht so weit in der Zeit zurückgehen. Schon ein kürzerer Zeitsprung nach 1972 zeigt den immensen Erfolg des Welterbe-Programms der UNESCO: Wer hätte damals gedacht, was aus dieser Initiative 40 Jahre später geworden ist? Unter den ersten Stätten, die 1978 zum ersten Mal in die Liste des Weltkultur- und -naturerbes der UNESCO aufgenommen wurden, war auch eine deutsche: der Aachener Dom. Das Nominierungsdossier zu dieser ersten deutschen Welterbestätte umfasst gerade einmal sechs, nur teilweise beschriftete Schreibmaschinenseiten. Was waren das noch für Zeiten, als ein Nominierungsdossier gerade einmal sechs halb beschriebene Seiten umfasste! 1978 gab es insgesamt zwölf Kultur- und Naturdenkmäler weltweit, u.a. die Galapagos Inseln, den Yellowstone Nationalpark und weitere drei Natur- und sieben Kulturerbe­ stätten (u. a. die Altstadt von Krakau und die Insel Gorée im Senegal), heute sind es fast 1.000. Und ein Nominierungsdossier umfasst heute gerne einmal 1.000 oder auch 2.000  Seiten! Es ist also einiges geschehen in den bald 40 Jahren seither! Heute sind 981 Kultur- und Naturerbestätten aus 160 Staaten aller Kontinente auf der berühmten UNESCO-Liste verzeichnet. Wichtiger noch: 191 Staaten haben inzwischen das „Internationale Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“ („Convention for the Protection of the World Cultural and Natural Heritage“) der UNESCO von 1972 unterzeichnet.

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|     Grußwort II

Das Welterbe-Programm ist eine Erfolgsgeschichte der friedlichen Zusammen­ arbeit der Staaten dieser Welt ohnegleichen – in einem der sensibelsten und für Ausund Abgrenzungen und auch für gewalttätige Konflikte anfälligsten Bereiche – dem der Kultur­politik. Ein ­erster Ansatz von Weltkulturpolitik also! Und dank der Naturerbestätten auch eine „Welt-­Natur­schutz-Politik“. In der ganzen Welt ist Kultur noch immer auch ein Vehikel nationaler Selbstbehauptung. Kultur hat oft eine chauvinistische Dimension und diente oft eher der Abgrenzung und Überbietung als der Öffnung und dem Dialog. Seit ihrem Inkrafttreten 1976 trägt die Welterbe-Konvention dazu bei, Kultur aus dem Kontext der nationalen Chauvinismen herauszulösen. Sie trennt den Begriff der Kultur von dem der Nation. Das ist angesichts der Probleme, mit denen wir zur Zeit weltweit konfrontiert sind – denken wir an Syrien, an Mali, an Afghanistan –, nicht hoch genug zu schätzen. Und der Erfolg hält an: Mehr als 60 Prozent der medialen Aufmerksamkeit in Deutschland zum Stichpunkt UNESCO entfällt auf das Welterbe-Programm. Es ist erfolgreich, populär und sichtbar, gibt aber immer wieder auch Anlass für kontroverse Debatten und Konflikte. Dresden und Köln sind nur die bekanntesten Beispiele. Das Welterbe liegt zunehmend – neben der Wahrnehmung durch Denkmalschützer und Kulturpolitiker – auch im Fokus der Aufmerksamkeit von Parlamentariern und Politikern unterschiedlicher Ressorts. Allein sieben Bundesministerien befassen sich mit dem Welterbe-Programm (AA, BMU, BKM, BMVBS, BMZ, BMBF, BMW), hinzu kommen die Landesressorts, die Kultusministerkonferenz, die kommunale Ebene, Stadtund Landschaftsplaner, Naturschützer, Bildungs- und Forschungsinitiativen, Universitäten und Schulen, Unternehmer und Touristiker. Auch dank der Nominierung deutscher Naturerbestätten ist das Welterbe nicht mehr alleinige kulturpolitische oder Denkmalschutzdomäne. Das Welterbe-Programm der UNESCO ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen! Und dies nicht nur in Deutschland! Weltweit warten derzeit noch einmal 1623 Stätten aus 171 Ländern auf ihre Nominierung! Auch in Deutschland wird derzeit die Tentativliste aktualisiert. Zahlreiche Nominierungswünsche werden teils auf lokaler, teils nationaler Ebene geäußert und debattiert. Warum also wollen alle auf diese berühmte Liste? Der erste und wichtigste Grund liegt sicherlich im Prestigegewinn, den die Adelung durch den Welterbtitel bringt. Es geht eine gewisse Magie von diesem Titel aus (verschwiegen sei nicht: auch Eitelkeiten lassen sich gerne mit dem UNESCO-Titel umschmeicheln). Prof. Dr. Bernd Freiherr von Droste zu Hülshoff, Gründungsdirektor des Welterbezentrums in Paris, erinnert an die sagenhaften Sieben Weltwunder der Antike, deren magische Wirkung auf die Zeitgenossen und die Nachwelt bis heute anhält: „Heraus­ ragende Zeugnisse der Vergangenheit haben oft ein bewegtes Leben. Die ihnen entgegen­ gebrachte Wertschätzung macht sie begehrt.“

Grußwort II     |

Aber, fährt er fort: So geraten sie immer wieder zwischen die Fronten von exzessiver Nutzung auf der einen und Schutz und Erhaltung auf der anderen Seite. Ihr Schicksal aber darf uns nicht gleichgültig sein […] Von den sieben Weltwundern der Antike ist heute nur mehr (ein einziges) das Älteste zu bestaunen […],

nämlich die Pyramiden von Giseh. Verschollen, umgestürzt, abgetragen oder eingeäschert sind alle anderen Weltwunder. Dem unbestrittenen Prestigegewinn stehen daher auch zahlreiche Aufgaben und Pflichten gegenüber. Ich spreche daher gerne von den „drei Säulen“ des Welterbe-Programms der UNESCO: 1. Schutz (konservatorischer Denkmalschutz, beziehungsweise Naturschutz); 2. Tourismus als nachhaltiger Tourismus (Zugang und Nutzung); Welterbe-Bildung: Welterbestätten als Orte des interkulturellen Lernens und der interkulturellen Begegnung. Diese dritte Säule des UNESCO-Welterbe-Programms, die Welterbe-Bildung, wird angesichts der Konflikte in dieser Welt immer wichtiger. Durch sie soll der Blick auf die Zukunft gerichtet werden! Betrachten wir die einzelnen Säulen: 1. Säule: Schutz Dieses Programm war Folge einer konkreten internationalen Hilfsaktion: Als nämlich die Tempelanlagen von Abu Simbel in Nubien durch den geplanten Assuan-­Staudamm von Überflutung bedroht waren, rief der Generaldirektor der ­U NESCO am 8. März 1960 zu einer einmaligen Unterstützungsaktion auf. Fünfzig Länder beteiligten sich mit 80 Millionen US-Dollar an den Rettungsaktionen, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland und die DDR, und die riesigen Monumente konnten in einer aufwändigen Aktion zerlegt und an höherer Stelle wieder aufgebaut werden. Am Anfang stand also eine beispiellose Solidaritätsaktion. Daraus resultierte ein – manchmal schmerzhafter, aber letztlich friedensstiftender – partieller Souveränitätsverzicht: Herausragende Kultur- und Naturstätten dieser Erde sind Schätze, so kostbar und wichtig für das Menschheitsgedächtnis, dass sie nicht allein dem Staat oder der Nation gehören, auf deren Territorium sie sich befinden oder denen sie aufgrund ihrer Geschichte zugefallen sind. Die herausragenden Kulturstätten und die großartigen Naturlandschaften dieser Erde sind ideeller Besitz der gesamten Menschheit, der gegenwärtigen und der künftigen Generationen. Die Veranstaltung hier an der Universität Konstanz soll sensibilisieren für den Schutz und die Bewahrung herausragender Kultur- und Naturgüter, nicht nur die auf der berühmten UNESCO-Liste des Weltkultur und Naturerbes. Die Verantwortung für ihren Schutz fällt unter die Obhut der gesamten Menschheit. Hier liegt der eigentliche Kern der UNESCO-Welterbe-Konvention: Je bedeutender ein Gut ist, umso universeller

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|     Grußwort II

ist seine Gültigkeit. Auf der Grundlage eines universellen Erbebegriffes sind die kooperierenden Staaten bereit, das Eigene in eine Reihe zu stellen mit dem Fremden und diesem die Anerkennung zukommen zu lassen, aus der sich letztlich auch der Stolz auf das Eigene nährt. 2. Säule: Nachhaltiger Tourismus Der Kulturbegriff der Welterbe-Konvention bezieht sich auf kulturelle Vielfalt und kulturellen Pluralismus. Die Liste des Welterbes ist daher auch eine faszinierende Landkarte der kulturellen Unterschiede, der historischen und regionalen Eigenheiten, der geistigen und physischen Schöpferkraft der Menschheit, kurzum: eine Landkarte der Vielfalt der Kulturen und der Schönheit und Einzigartigkeit dieses Planeten. Alle diese Stätten zeigen uns die Schwäche und Zerbrechlichkeit, die Schönheit und den Glanz unserer Welt vor der dunklen Unendlichkeit des Universums. Als Objekte des Weltinteresses erfahren Welterbestätten große nationale und internationale Aufmerksamkeit in den Medien, und dies nicht nur anlässlich von besonders medial wirksamen Konflikten (Dresden, Köln etc.). Wenn ich von einer „Landkarte (der kulturellen Vielfalt)” spreche, dann meine ich das durchaus wörtlich – also auch im Sinne der geographischen und touristisch nutzbaren Landkarte. Welterbestätten sind in allen Reiseführern dieser Welt verzeichnet. Wie aber verhalten sich Tourismus und Welterbe-Status zueinander? Um es vorwegzunehmen: Tourismus und Welterbe-Status können sich im Idealfall gegenseitig ergänzen und einander nützen: Das Prädikat „Welterbe“ ist zweifellos als Marketinginstrument international wirksam. Studien zeigen, dass die UNESCO ein durchweg positives Image hat und mit kultureller Einzigartigkeit gleichgesetzt wird; keine andere Kulturmarke kann sich mit der internationalen Präsenz, Bekanntheit und Akzeptanz der UNESCO vergleichen. Das UNESCO-Label hat einen weltweit unbestrittenen Markenwert, der sich für den Touris­ mus auszahlt – ideell und finanziell. Der UNESCO-Titel bringt nicht nur zusätzliche Gäste aus dem Inland, sondern auch solche aus zum Teil sehr fernen Regionen der Erde. Es steht außer Frage, dass der Welterbe-Titel einen positiven Einfluss auf die lokale Wirtschaft hat. Zwar lässt er sich nur schwer in Heller, Pfennig oder Cent berechnen und ist von Stätte zu Stätte unterschiedlich. Der Zugewinn an touristischem Prestige kann sich aber als positiver ökonomischer Anreiz auswirken, übrigens auch zur Verbesserung der Lebensqualität der Anwohner. Niemand sollte jedoch die UNESCO-Auszeichnung ausschließlich als Marketing-­ Instrument missverstehen: Ungelenkter und ausufernder Tourismus hat negative Auswirkungen auf die natürliche Umwelt und auf die von ihr lebenden Gemeinschaften. Venedig mit seinen weniger als 100.000 Einwohnern, die alljährlich von 18 Millionen Besuchern heimgesucht werden, ist dafür ein beredtes Beispiel. Tourismus kann zu einem erheblichen Belastungsfaktor werden, der auch den Welterbe-Status gefährden kann. Denn bei aller Freude über den Erfolg der Welterbe-Konvention sind es doch oft

Grußwort II     | XIII

die ganz besondere Atmosphäre, die Aura und der Zauber der Welterbestätten, die durch zu viel Tourismus als erstes gefährdet sind. Auf der Chinesischen Mauer, in Machu ­Picchu, in Angkor Wat, aber auch an manchen Tagen im Kölner Dom kann man erleben, was ich damit meine. So hat auch das beste Programm zum Schutz unseres Kultur- und Naturerbes seinen unvermeidlichen Preis. Daher sollte die Tourismusbranche zusammen mit den vor Ort Verantwortlichen wirksame Mechanismen und Verhaltenskodizes entwickeln, um Welterbestätten vor unkontrollierter touristischer Nutzung zu bewahren. Es geht um Partnerschaftsmodelle, die über den kurzfristigen Gewinn hinaus den langfristigen Schutz einer Stätte gewährleisten und irreparable Schäden von vorneherein vermeiden helfen. Ich wiederhole: Es geht über den kurzfristigen Gewinn hinaus zuerst und zuvörderst immer um den langfristigen Schutz einer Stätte. Außerdem sollte Welterbe-Tourismus den Ansprüchen nachhaltiger Entwicklung, wie von der Welttourismusorganisation (WTO) definiert, gerecht werden: Er sollte also im Umgang mit den Ressourcen ökologisch verantwortlich sein und der Völkerverständigung dienen. Alle Maßnahmen sollten unter Mitwirkung der einheimischen Bevölkerung geschehen. Der Respekt vor den heute dort lebenden Menschen sollte genau so groß sein wie die Bewunderung für künstlerische Leistungen der Vergangenheit oder die Freude an der eigenen Neugier. Wenn also der ökonomische Nutzen des Welterbe-­ Status für die Tourismusbranche erheblich ist, dann ist es umgekehrt auch ein legitimes Anliegen, vor Ort einen Teil der durch den Tourismus erwirtschafteten Mittel in den Schutz der Welterbestätten zu investieren. Neben den finanziellen und ökonomischen Aspekten gibt es aber auch andere Ansprüche, die an den Welterbe-Tourismus geknüpft werden müssen: Der Tourismus an Welterbestätten muss Nachhaltigkeit in ihrer sozialen, ökonomischen und ökologischen Dimension berücksichtigen. Dies bedeutet etwa Rücksichtnahme auf die lokale Bevölkerung, ein umfassendes Angebot an Regionalprodukten in Gastronomie und Hotellerie wie auch der nachhaltige Umgang mit begrenzten Ressourcen. Es gilt, die Bedürfnisse der Gäste und der lokalen Bevölkerung mit denen des Natur- und Umweltschutzes zu verbinden und dabei eine langfristig wirtschaftliche sowie sozial verträgliche Entwicklung anzustreben. Auf diese Weise trägt nachhaltiger Tourismus erheblich zu einer dauer­haften Wertschöpfung und zum Wohlstand der Bevölkerung bei. Konkret bedeutet nachhaltiger Tourismus, dass er die heutigen Bedürfnisse der Touristen und Gastregionen befriedigt, während er die Zukunftschancen wahrt und erhöht. Die Bedürfnisse der Touristen, künstlerische Leistungen der Vergangenheit am Welterbe zu erleben, und die der lokalen Bevölkerung, in einer Welterbe-Altstadt zum Beispiel ihren Alltag zu gestalten, müssen in keinem Widerspruch stehen. Voraussetzung dafür ist, dass die lokale Bevölkerung eingebunden wird in die Gestaltung des Tourismus. Zu den häufigsten Umweltbelastungen gehört der Straßen- und Luftverkehr. Neben einer erheblichen Lärmbelästigung für die Bürger hinterlässt er auch seine Spuren an

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Kultur- und Naturerbestätten – man denke nur an die verrußten Häuserfronten in Großstädten. Fahrradrouten statt Hop-on-hop-off-Busse sind ein guter Anfang, ebenso ein umfassendes Angebot für umweltschonende Anreisewege. Die Stätten ihrerseits sollten Weltoffenheit signalisieren und mit Partnern in anderen Kontinenten kooperieren. Denn Tourismus ist auch eine Möglichkeit, das Weltkulturund Weltnaturerbe in seiner Authentizität für viele Menschen erfahrbar zu machen und sie für die Werte des Welterbes und der UNESCO zu sensibilisieren. Der klassische Zielkonflikt zwischen touristischer Nutzung und Naturschutz oder Denkmalpflege tritt bei den Welterbestätten oft in verschärfter Form auf. Der Konflikt mag notorisch sein, unvereinbar oder unüberbrückbar sind die Interessenslagen nicht. Tourismus ist vielmehr eine Möglichkeit, das Kultur- und Naturerbe der Welt für viele Menschen sichtbar und erlebbar zu machen. Die Verwirklichung eines nachhaltigen Tourismus ist ein kontinuierlicher Prozess. Er sollte ein hohes Maß an Zufriedenheit und sinnvolle Erlebnisse für Touristen gewährleisten und sie gleichzeitig für Fragen der Nachhaltigkeit sensibilisieren. In diesem Sinne arbeitet die UNESCO derzeit an einem neuen internationalen Instrument, dem „World Heritage and Sustainable Tourism Program”. Bislang wurde noch nichts von der Generalkonferenz beschlossen, aber es ist sicher, dass in wenigen Jahren die „guidelines”, die Richtlinien für das Welterbe, ergänzt werden um die neuen Aspekte des nachhaltigen Tourismus. In einem der Entwurfsdokumente heißt es, dass der Tourismus if unplanned or not properly managed, […] can be socially, culturally and economically disruptive, and have a devastating effect on fragile environments and local communities. [...] Inadequately managed tourism can have severe consequences compromising the OUV of the proper­ ties, depriving the local communities of benefits and potentially degrading the destination itself.

In diesem Entwurfsdokument für das „new and inclusive World Heritage and Sustainable Tourism Program” heißt es aber auch: „If undertaken responsibly, tourism can be a driver for preservation and conservation of cultural and natural heritage and a vehicle for sustainable development.” 3. Säule: Welterbe-Bildung Die Befassung mit dem Welterbe-Programm der UNESCO kann sich nicht mehr beschränken auf den konservatorischen denkmal- oder naturschützenden Aspekt der Welterbe-Konvention, geschweige denn auf den Tourismus. Als Teil des berühmten „Dialogs zwischen den Kulturen“ sind Welterbestätten auch Orte des interkulturel­ len ­Lernens und der interkulturellen Begegnung und Partnerschaft. Angesichts der Konflikte in dieser Welt wird diese dritte Säule des Welterbe-Programms der UNESCO, die Welterbe-Bildung, immer wichtiger. Welterbestätten sind Lernorte für ein zivilisiertes Miteinander. In ihnen wird beziehungsweise soll der Gedanke internationaler Partnerschaft sichtbar und erlebbar werden. Artikel 27 der Welterbe-Konvention ruft die Vertragsstaaten dazu auf, „unter Einsatz aller geeigneten Mittel, besonders durch Bildungs-

Grußwort II     |

und Informa­tionsprogramme, die Würdigung und Achtung des in den Artikeln 1 und 2 bezeichneten Kultur- und Naturerbes durch ihre Völker zu stärken.“ Demnach sind wir alle aufgefordert, die Welterbestätten für alle Menschen zugänglich zu machen und das Wissen darüber weiterzugeben. Der „außergewöhnlich universelle Wert“, der Welterbestätten auszeichnet, ist oft nicht auf den ersten Blick für alle Menschen ersichtlich. Friedrich Nietzsche hat zwischen drei Formen der Geschichtsbetrachtung unterschieden: (1) einer antiquarischen, in der er nur „eine blinde Sammelwut, ein rastloses Zusammen­ scharren alles einmal Dagewesenen“ sieht. Diese Form der Geschichtsbetrachtung können wir hier außer Acht lassen. (2) einer monumentalischen, für die die „großen Momente, die Sternstunden“ der Geschichte stehen. Beispiele dafür aus der Liste des Welterbes sind die Chinesische Mauer, die Pyramiden von Gizeh, das Tadsch Mahal, Machu Picchu, die Naturerbestätten Grand Canyon, das Great Barrier Reef und andere. (3) einer kritischen Geschichtsbetrachtung, die die Vergangenheit „vor Gericht zieht, sie peinlich inquiriert und endlich verurteilt“ (zit. nach Harald Weinrich, „Lethe“). Stark vereinfachend können wir die Geschichte der Welterbe-Konvention als auf dem Weg von der zweiten Kategorie, der „monumentalischen“ zur dritten, der kritischen, zukunftsfähigen betrachten. Die jüngeren deutschen Welterbestätten – wie die Siedlungen der Berliner Moderne, die Zeche Zollverein und andere, sicherlich auch Hiro­shima und Ausschwitz – gehören zweifelsfrei in diese dritte Kategorie. Was können wir hier vor Gericht ziehen, inquirieren, verurteilen? Historische städtische Landschaften, wie sie die UNESCO sieht, sind zum Beispiel keine Ansammlung bedeutsamer Monumente, für die allein der Denkmalschutz zuständig wäre. Nein, sie sind lebende Organismen und lebendige Lebensräume für ihre Bewohner. In diesem Sinne sind Welterbestätten – wie zum Beispiel, aber nicht nur die historischen Städte und Landschaften – mit ihrer Schönheit, mit ihrem Geschichts- und Identifikationspotenzial, aber auch mit ihrer menschenfreundlichen Textur in Zukunft auch Lernorte für ein zivilisiertes Miteinander, für eine nachhaltige, das heißt generationenübergreifende Verantwortung unseren Mitmenschen und unserem Planeten gegenüber. Aber kann es auch ein Geschichtsbewusstsein geben für Stätten wie zum Beispiel die Pfahlbauten, die von Zeiten künden, in denen es schriftliche Zeugnisse noch gar nicht gab? Einfacher gefragt: Was also können und sollten wir lernen an dieser „unsichtbaren“ Welterbestätte Pfahlbauten? Dies ist das Kernthema unserer Veranstaltung: Die Vermittlung eines „unsichtbaren“ Welterbes. Bei dieser Vermittlungsarbeit spielen im Rahmen einer Museums- und Erlebnispädagogik Ausstellungen und Führungen, Videos und Interviews eine zentrale Rolle, über die Emotionen und Eindrücke transportiert werden.

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XVI |     Grußwort II

Welterbe-Bildung sollte in ihrer Konzeption jedoch auch den Kerngedanken des Welterbes beinhalten: die interkulturelle Begegnung. Welterbestätten als Lernorte interkultureller Begegnung spiegeln verschiedenste internationale Einflüsse wider. Im Er­­leben des Welterbes werden die Grenzen aufgehoben. Als Teilhaber am Welterbe üben wir Education for global citizenship ein, Bildung zum Weltbürgertum. Das Programm dieser Veranstaltung bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte für das bisher Gesagte. Hinzuweisen ist etwa auf den Vortrag über „Prähistorische Pfahl­bauten – Unsichtbares Welterbe” (Helmut Schlichtherle) oder einen weiteren über „Sichtbar­ machung und Vermittlung des Welterbes” (Klaus-Dieter Schnell), beide der dritten Säule zuzurechnen. „Den Welterbe-Tourismus in die Pflicht nehmen“ lautete der ursprüng­liche Titel des Festvortrags von Kurt Luger (zweite Säule). Der Gedanke dahinter erinnert an einen Slogan, den ich am Wattenmeer oft gehört habe: „Das Watt ist event genug”. Es geht also um die Inwertsetzung des „Outstanding Universal Value“ statt um die schlichte ökonomische Verwertung des Welterbetitels. Auch Fragen der „seriellen Welterbestätten“ und der Zusammenarbeit über politische Grenzen hinweg werden auf der Tagung behandelt und Initiativen, die auf ein globales Netzwerk in der Welterbe-Bildung abzielen. Die letzte Generalkonferenz der UNESCO hat sich in einer Resolution zur Welterbe-­ Bildung geäußert: Culture can be misused as a political divider and a pretext to fuel violence among communities and nations. Such risk of politicization call for individual as well as collective vigilance. World heritage cultural sites should be used to teach both about the universality of human creativity and the diversity of cultures, in line with the principles formulated in the 2001 UNESCO Universal Declaration on Cultural Diversity [...] UNESCO should also make an effort to promote an open and tolerant understanding of world history, bearing in mind the relevance of its pedagogical use. If culture has the power to reinforce identities, it can also be a means to foster cooperation among nations, communities, and civilizations. UNESCO should spare no efforts in opening these doors between nations and in helping countries and communities to break free from stereotypical challenges.

Welterbe-Bildung fördert das Bewusstsein für Identität, den gegenseitigen Respekt, den Dialog, die Gemeinsamkeit in der Vielfalt, das Gefühl der Solidarität und den positiven Austausch zwischen den Kulturen. Lassen Sie mich noch etwas hinzufügen: Das Welterbe-Programm zieht Eitelkeiten und Begehrlichkeiten an wie das Licht die Motten. Wir sollten daher auch etwas lernen, das im Deutschen mit einer etwas altmodischen Vokabel bezeichnet wird: Demut – Demut vor den Meisterwerken der menschlichen Schöpferkraft, Demut vor den bau­lichen Zeugen der Geschichte und vor der Verletzlichkeit unseres Planeten. Zu wünschen wäre Demut aber auch angesichts der Fehlbarkeit menschlichen Urteils – denken Sie an den eingangs zitierten „Protest der Künstler“ gegen den Eiffelturm in Paris. Ich wünsche Ihnen und uns allen eine interessante und spannende Tagung. Dieter Offenhäußer Stv. Generalsekretär und Pressesprecher der Deutschen UNESCO-­Kommission

Eva-Maria Seng

EINLEITUNG

Ein besonders niedriger Wasserstand im Zürichsee im Winter 1853/54 führte zur Entdeckung der Pfahlbauten. Weitere Fundstätten wurden nach intensiver Suche in anderen Alpenrandseen auch im Bodensee aufgetan. Badische und württembergische Altertumsforscher bargen damals zahlreiche Funde aus dem Schlamm des Bodensees und weiterer Seen und Moore des Voralpenlandes und Oberschwabens. Ein wahres Pfahlbaufieber erfasste die Schweiz und den deutschen Südwesten und führte zu zahlreichen Grabungen, der Sammlung von Pfahlbaufunden in den damals neu aufkommenden Urund Frühgeschichtlichen Museen und Sammlungen bis hin zur Präsentation von Pfahlbaufunden und Rekonstruktionsmodellen auf den Weltausstellungen in Paris 1867 und Wien 1873. Das Phänomen der Pfahlbauten war auch eine der Initialzündungen zur Einrichtung Ur- und Frühgeschichtlicher Forschungsinstitute an Universitäten des deutschen Südwestens wie auch der staatlichen archäologischen Denkmalpflege in Baden und Württemberg. Die sehr guten Erhaltungsbedingungen im Moor und unter Wasser unter Sauerstoffabschluss, konservierten organische Materialien wie Holz, Textilien etc. auf einzigartige Weise und ermöglichen damit einzigartige Erkenntnisse über die neolithischen und bronzezeitlichen Kulturen vom 5. bis 1. Jahrtausend vor Christus. Die Funde und Realien dieser frühen Kulturen ohne schriftliche Überlieferung lassen Aussagen zu Wirtschaftsweise, Hausbau, Ernährung, Kleidung, Landwirtschaft und Alltag zu. Trotz aller Faszination, welche die Funde dieser Pfahlbau- und Feuchtbodensiedlungen auslösten, war von Beginn an ein Problem deren Erschließung und Vermittlung an eine interessierte Öffentlichkeit. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert beschäftigte die Forschung insbesondere die Bauweise und Konstruktion der Häuser und die Anlage der Siedlungen. Dies führte zu Rekonstruktionszeichnungen und zur Erstellung von Modellen wie schon kurz nach der Entdeckung der Funde nach Vorlagen des Schweizer Altertumsforschers und Nestors der Pfahlbauforschung Ferdinand Keller, der maßgeblich die Theorie über die Entstehung und das Alter der Funde bis hin zur Namensgebung „Pfahlbauten“ prägte. Im 20. Jahrhundert entstanden Nachbauten wie im 1922 eröffneten Pfahlbaumuseum in Unteruhldingen. Nach einer ideologischen Vereinnahmung der ­­Ur-

XVIII |     Eva-Maria Seng

und Frühgeschichte wie auch insbesondere der Pfahlbauforschung durch die Nationalsozialisten im Rahmen des Reichsbundes für Deutsche Vorgeschichte wurde erst in den 1970er Jahren wieder eine eigentliche Pfahlbauforschung oder Feuchtbodenarchäologie durch das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg initiiert und mit der Einrichtung der Arbeitsstelle für das feuchte Kulturgut 1981 in Hemmenhofen am Bodensee auch administrativ verankert. Neue Forschungsergebnisse ermöglichten die interdisziplinäre Zusammenarbeit von naturwissenschaftlichen Spezialisten mit Archäologen. In den Forschungsstellen in Hemmenhofen und der Schweiz sind Archäobotaniker, Archäozoologen, Geologen und Dendrologen mit Feuchtboden- und Unterwasserarchäologen in einer Forschergruppe verbunden, die neue umwelt- und klimageschichtliche Fragestellungen in Verbindung mit sozialen und kulturellen Gesellschaft- und Wirtschaftsentwicklungen einerseits und deren Langzeitstrukturen andererseits erlauben. Auf Initiative der Schweiz wurde anläßlich des 150-jährigen Jubiläums der Ent­ deckung der Pfahlbauten seit 2004 ein Antrag für 111 prähistorische Stätten in der Schweiz, Deutschland, Italien, Österreich, Frankreich und Slowenien erarbeitet, die 2011 Aufnahme in die UNESCO-Welterbeliste fanden. Die beteiligten Stätten und ­Staaten verpflichteten sich damit auch zum Austausch und zur Abstimmung ihrer Aktivitäten sowie zur regelmäßigen Abhaltung von Konferenzen. Nach Tagungen über Archäologie und Erosion trat insbesondere das Thema des Transfers wissenschaftlicher Ergebnisse an die Öffentlichkeit und damit die Vermittlung des unsichtbaren Welterbes in den Mittel­punkt des Interesses der neuen Welterbestätten. Im Jahr 2014 wurde deshalb in Konstanz vom Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg und dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Materielles und Immaterielles Kulturerbe der Universität Paderborn eine dreitägige Tagung der Internationalen Koordinierungsgruppe World Heritage Prehistoric Pile Dwellings around the Alps zum Thema „Erschließung und Vermittlung des Welterbes ‚Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen’“ abgehalten. Die Veranstalter kooperierten mit der Universität Konstanz, der Internationalen Bodenseekonferenz, der Deutschen UNESCO-Kommission, der Swiss Coordination Group und der Arbeitsgemeinschaft Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen Baden-Württemberg. Im Mittelpunkt der Fragestellung standen auf der Tagung neben den Pfahlbauten als unsichtbares Welterbe auch der Vergleich mit anderen seriellen transnationalen Welterbestätten wie dem Limes, dem Wattenmeer, dem Loire -Tal und die dort gemachten Erfahrungen mit Kulturtourismus und den unterschiedlichen Formen der Vermittlung wie der experimentellen Archäologie, der Welterbebildung in den UNESCO-Projektschulen oder durch Filme und öffentliche Medien. Der vorliegende Band gibt die Beiträge der Tagung wieder, ergänzt um eine Schilderung der Entstehungsgeschichte der Pfahlbausammlung im Rosgartenmuseum in Konstanz durch dessen heutigen Direktor Tobias Engelsing. Daniel Gutscher entwickelt in seinem Beitrag aus dem UNESCO-Gründungsdokument von 1945 und der darin formulierten bildungspolitischen Ziele wie auch der UNESCO-Konvention zum Schutz des

Einleitung     | XIX

Kultur- und Naturerbes von 1972 einen Bildungsauftrag für Welterbestätten im einzelnen und damit auch für die Pfahlbaustätten im besonderen. Als Instrumente eines solchen Bildungsauftrages benennt er die Möglichkeiten der Experimentalarchäologie als niederschwelligen Zugang für Kinder und Jugendliche wie insbesondere den Archäologiekoffer mit originalen Objekten, Grabungsbesuche durch Schulklassen und das experimentelle Bauen mit prähistorischen Werkzeugen. Eva-Maria Seng schildert die Entstehung und Wandlung der Welterbeliste seit den ersten Eintragungen von 1978 und deren anfänglichem Fokus auf Monumentalität und Ästhetik bis hin zu den heutigen Eintragungen unter dem Vorzeichen einer ausbalancierten, repräsentativen, glaubwürdigen Welterbeliste, die zur Berücksichtigung bis dahin unterrepräsentierter Stätten wie Industrielandschaften oder archäologische Stätten führte. Die Erweiterung und Weiterentwicklung umfasste auch das Konzept von seriel­len transnationalen Stätten, deren Eigenschaften vor dem Hintergrund der Eintragung der Pfahlbauten ihr besonderes Augenmerk gilt. Die Chance solcherart serieller und transnationaler Stätten sieht sie in der Überwindung heutiger künstlich gesetzter Staatsgrenzen und damit in der Möglichkeit eines Kulturtransfers und Kulturaus­tausches. Das große Potential der Pfahlbauten liege jedoch nicht mehr in einer additiven Sammlung von Einzelphänomenen, sondern durch die ökologische Zusammenschau von Natur und Kultur unter dem Vorzeichen der Umwelt in einer integralen Sicht auf das Welterbe, das die Verbindung von naturwissenschaftlichen Technologien mit archäologischen, geologischen, geographischen und historischen Methoden zu umwelt- und klimageschichtlichen Erkenntnissen führen könne. Dies gelte es zu vermitteln. Der Aufsatz von Helmut Schlichtherle widmet sich sowohl der Geschichte der Pfahlbauforschung seit ihren Anfängen, der damit einhergehenden Herausbildung der universitären Wissenschaft der Ur- und Frühgeschichte im Zusammenhang mit den Grabungskampagnen am Bodensee als auch dem Konflikt zwischen Landwirtschaft, Tourismus und Siedlungspolitik aufgrund der daraus resultierenden Trockenlegung von Mooren, Anlage von Jachthäfen und damit der Erosion der Fundstellen. Eindrücklich beschreibt er die Einrichtung der Forschungsstelle in Hemmenhofen am Bodensee mit den dort versammelten Wissenschaftlern und Laboren aus den unterschiedlichsten Disziplinen. Der Autor stellt daraufhin aufgrund der neueren dendrochronologischen, botanischen und textilkundlichen Untersuchungen die Ergebnisse auf dem Gebiet Siedlungsanlagen und Häuser, Wald- und Landwirtschaft der Pfahlbauern, ihrer Ernährung, Krankheiten und Bekleidung vor. Ebenfalls konnten neue Erkenntnisse zur Einführung technischer Innovationen wie dem Rad, dem frühen Fahrzeugbau oder dem Einbaum gewonnen werden. Schließlich können Aussagen über die Dynamik des Siedlungsbaus und der Siedlungsverlagerung wie auch des Kulturpflanzensortiments oder des Kulturtransfers gemacht werden. Nach diesen drei methodisch-theoretischen Beiträgen zu Bildung, Genese und Verortung der Pfahlbaustätten, deren Potentialen und den Ergebnissen der neueren Pfahl-

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bauforschung folgt mit dem Beitrag Klaus-Dieter Schnells zur Internationalen Bodenseekonferenz die Schilderung der Zusammenarbeit in der Vierländerregion Bodensee im Bereich Umwelt- und Gewässerschutz, Bildung, Kultur, Wirtschaft und Tourismus. Der neuerliche Welterbestatus der Pfahlbauten habe den grenzüberschreitenden Austausch nochmals intensiviert und in eine gemeinsame Strategie zur Vermittlung des Welterbes durch zentrale Anlaufpunkte als Informationszentren zu Pfahlbauten, Schwerpunktmuseen und der Vorstellung von einem Science Center münden lassen. Der empiriegesättigte Beitrag Anna Michels zu den Potentialen von seriellen und transnationalen Welterbestätten bei der Vermittlungsarbeit kommt in weiten Teilen zu ernüchternden Resultaten hinsichtlich der grenzüberschreitenden Abstimmung, der Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure, der unterschiedlichen fachlichen Herkunft der Experten und der damit verbundenen gegenläufigen Ansichten bei zentralen Fragen didaktischer Möglichkeiten und deren Anwendung bei der Vermittlung. Die Heterogenität der Akteure führe zu Interessenkonflikten und verhindere häufig strategische Überlegungen zur Vermittlung. So macht sie gerade an der von der UNESCO propagierten transnationalen Welterbeeintragung und der damit verbundenen Völkerverständigung aufgrund der Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit häufig nur schwer handhabbare Probleme fest. Die folgenden zwei Beiträge werfen einen Blick auf in einer oder mehrerer Hinsicht vergleichbare serielle Welterbestätten. Jürgen Obmann und Christof Flügel stellen den Obergermanisch-Raetischen Limes vor, die ehemalige römische Reichsgrenze, eine in der Antike durch Wege, Palisaden, Mauern, Wachtürme und Kleinkastelle markierte Zone. Auch der Limes ist heute als archäologische Stätte von Laien nicht leicht wahrzunehmen und damit nur schwer vermittelbar. Der Ruf der Touristiker nach Nach- und Neubauten zur wirtschaftlichen Erschließung, Nutzung und Inwertsetzung führte zu zahlreichen Limes-Turmneubauten, Kastell-Teil-Neubauten und der Errichtung neuer Palisaden, Wall/Graben- und Mauerstücke in höchst unterschiedlicher Form und Ausführung. In den vergangenen Jahren wurden diese Visualisierungsmaßnahmen noch durch spektakuläre Aussichtsplattformen ergänzt wie auch durch Schattenrissfiguren in Stahl oder Kinderspielplätze in Limesanmutung, die so der gewissen Monotonie eines 550 km langen Denkmals begegnen sollen. Die Alternative dieser problematischen Visualisierungen des Bodendenkmals mit der Errichtung von Museen führe stattdessen häufig zur Verschiebung der Aufmerksamkeit der Besucher hin zum Museum und weg vom Bodendenkmal. Zwar brachte die Eintragung als Welterbe dem Obergermanisch-Raetischen-Limes eine verstärkte Aufmerksamkeit und Auseinandersetzung, jedoch oft nur punktuell auf Einzelelemente reduziert, die einer Sicht auf das gesamte Denkmal entgegenwirken. Demgegenüber führte – so der Beitrag von Nadine Vivier – die Nominierung und Eintragung des Loire-Tales in Frankreich im Jahr 2000 nach Dammbauten gegen Überschwemmungen und großteils ungeregelten Baumaßnahmen aufgrund der Bevölkerungszunahme in den 1980er Jahren zu einem Neun-Punkte-Managment-Plan von

Einleitung     | XXI

2012. Er umfasste Schutz und Entwicklung des Welterbes, die Bewahrung der Landschaft und freie Sicht auf den Fluss, Maßnahmen gegen weitere Zersiedelung, Organisation der Entwicklung der Städte, Integration neuer Einrichtungen, Regelung des Zugangs zu den Stätten des Loiretals, die Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus in Einklang mit der Kulturlandschaft, die Stärkung der Werte der Einschreibung und eine Unterstützung und Hilfe für die Verantwortlichen. Zahlreiche Maßnahmen in diesem Sinne wurden mit staatlicher Hilfe und durch EU-Programme umgesetzt. Ebenso wurden entsprechende Vermittlungsprogramme der kulturellen Werte des Loiretals an ­K inder, Jugendliche und Erwachsene initiiert und schließlich an den Universitäten der Loire-Region interdisziplinäre Forschungsprogramme zum Kulturerbe und zur Natur und Biodiversität der Flußlandschaft unterstützt. Die serielle UNESCO-Nominierung und Eintragung des Loiretales als positiver und dynamischer Faktor für die Bewahrung der Kulturlandschaft und des Kulturerbes, die Entwicklung der Region unter Einbeziehung der Bevölkerung und der damit verbundenen Bewusstwerdung der Bewohner ihres sie umgebenden Kulturerbes bewertet Vivier abschließend als Erfolg. Den Bogen zurück zur Vermittlung kulturellen Erbes in unterschiedlichen Institutio­ nen und mit Hilfe unterschiedlicher Medien spannt der nächste Beitrag Tobias ­Engelsings zur vielbeachteten Präsentation der prähistorischen Objekte in Konstanz im 19. Jahrhundert. Die Geschichte um den Altertumsforscher, Botaniker und Museumsgründer Ludwig Leiner schildert die Anfangszeit der Pfahlbaufunde am Bodensee und damit das einsetzende Pfahlbaufieber. Die Pfahlbausammlungen bildeten denn auch die Haupt­ attraktion des Museums für Wissenschaftler, Forscher, hochgestellte Persönlichkeiten und Museumsfachleute wie für den Gründer des Germanischen Nationalmuseums Hans Freiherr von und zu Aufseß oder den Pathologen, Prähistoriker und Gründer des Berliner Völkerkundemuseums Rudolf Virchow. Den Mittelpunkt des Rosgartenmuseums in Konstanz und damit auch des Museumsbesuchs bildet der bis heute original erhaltene „Leinersaal“ mit den damals angefertigten Vitrinen, mit der bis heute erhaltenen Präsentation der Fundstücke durch Leiner sowie den Ölgemälden Anton Seders von 1876. Michael Herdeck widmet sich dann den unterschiedlichen Formen der experimentellen Archäologie, ausgehend vom Pfahlbaumuseum in Unteruhldingen, wie auch des weiteren der Reenactment-Bewegung insbesondere im angelsächsischen und skandinavischen Raum und den damit verbundenen Gefahren und Chancen. Anhand zahl­reicher Beispiele werden Potentiale und Nachteile für Vermittlung und wissenschaftliches Experiment vorgestellt sowie insbesondere die Notwendigkeit schriftlicher Überlieferung, die jedoch bei den Pfahlbauten nicht gegeben ist. Hier plädiert Herdeck stattdessen für archäotechnische Demonstrationen. Dem Verhältnis von Archäologen und Filmemachern zur Vermittlung von wissenschaftlichen Erkenntnissen an ein breites Publikum ist der Beitrag von Elisabeth Milin geschuldet. Sie beschreibt und analysiert den Paradigmenwechsel des öffentlich-recht­ lichen Fernsehens unter dem Druck der privaten Sender, und zwar weg vom Auftrag des öffentlichen Fernsehens als Instrument der Aufklärung hin zu einem Dienstleister der

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Zuschauer. Damit einher ging der Wandel des Dokumentarfilms vom Informieren zum Erzählen, in dessen Verlauf der Archäologe häufig zum Helden und seine Grabung zur Kriminalstory mutiert. Das Buch beschließt ein Beitrag zum Welterbe-Tourismus von Kurt Luger. Er analysiert und diskutiert darin an einschlägigen Fällen den Zielkonflikt zwischen kulturellem Erbe und touristischer Vermarktung, dessen Lösung er in einem qualitätsorientierten Kulturtourismus unter Beachtung und Einbindung von Nachhaltigkeitskriterien sieht. Der Tagungsband zum unsichtbaren Welterbe der Prähistorischen Pfahlbauten im Alpenraum und deren Erschließung und Vermittlung versucht ausgehend von Geschichte, Erforschung, Präsentation und Vermittlung der Pfahlbauten sowohl die unterschiedlichen Strategien, Probleme und Möglichkeiten des komplexen Welterbes aufzuzeigen als auch mit weiteren seriellen Welterbestätten zu vergleichen. Die unterschiedlichen methodischen, theoretischen und empirischen Ansätze der versammelten Beiträge sollen zum weiteren Diskurs um die Transmission von kulturellem Erbe an eine interessierte Öffentlichkeit beitragen.

WELTERBE

Daniel Gutscher

DIE KULTURPOLITISCHE BEDEUTUNG DES WELTERBES PFAHLBAUTEN

1.  Von ungebrochener Aktualität – die Voraussetzungen Auf dem Scherbenhaufen des Zweiten Weltkriegs und mit dem Willen zum „nie wieder“ haben sich unsere Väter und Vorväter 1945 in London zur UNESCO (United nations for education, science and culture organization) und zu einer Verfassung durchgerungen. In deren erstem Artikel heisst es: Ziel der UNESCO ist es, durch Förderung der internationalen Zusammenarbeit in Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation zur Erhaltung des Friedens und der Sicherheit beizutragen, um in der ganzen Welt die Achtung vor Recht und Gerechtigkeit, vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten zu stärken, die den Völkern der Welt ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder Religion durch die Charta der Vereinten Nationen bestätigt worden sind.1

Wie wollten sie dies angehen? Ihr Weg war Vertrauensbildung durch friedliche Zusammenarbeit. Das Wesentliche steht im bereits zitierten Artikel 1 der Verfassung. Die Gründer­ väter wollten in allen Massenmedien bei der Förderung der Verständigung und der gegenseitigen Kenntnis der Völker mitwirken […], der Volksbildung […] neuen Auftrieb geben durch Mitarbeit am Aufbau des Bildungswesens derjenigen Mitgliedstaaten, die dies wünschen, durch […] Vorbereitung der Jugend der ganzen Welt auf die Verantwortlichkeiten freier Menschen, Wissen bewahren, erweitern und verbreiten durch Erhaltung und Schutz des Welterbes an Büchern, Kunstwerken und Denkmälern [...], durch Förderung der internationalen Zusammenarbeit in allen Bereichen des geistigen Lebens [... sowie dadurch, dass alle] Veröffentlichungen [...] weltweit frei zugänglich […]

gemacht werden sollten.2

1 Art. I, 1 UNESCO-Verfassung; http://www.unesco.de/infothek/dokumente/unesco-verfassung. html (03.02.2018). 2 Ebd., Art. I, 2.

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Das waren ja hehre Ziele. Aber wie ist die Wirklichkeit? Waren dies nicht schon von Anfang an zu hohe kultur- und bildungspolitische Ziele? Schon in der Verfassung der UNESCO gibt es Relativierungen. Ich zitierte schon: Mitarbeit am Aufbau des Bildungswesens der Mitgliedstaaten – „sofern sie dies wünschen“. Und der Artikel 3 streicht die Autonomie aufs deutlichste heraus, wenn er einschränkt: „Die Unabhängigkeit, Unverletzlichkeit und schöpferische Vielfalt der Kulturen und Bildungssysteme der Mitgliedstaaten sind zu wahren. Die UNESCO darf deshalb nicht in Angelegenheiten eingreifen, die im Wesentlichen in die innerstaatliche Zuständigkeit fallen.” Kurz, an der Souveränität der Signatarstaaten wird 1945 nicht gerührt. Unsere Gründerväter wollten ein In­­strument des Friedens, der Bildung schaffen und nahmen wohl bewusst von harten Tönen Abstand. Also ein kulturpolitischer Papiertiger? Nein! 1972 kam die Konvention zum Schutz des Welterbes hinzu als das „Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt”. Ziel war dasselbe, jetzt aber präzisiert auf das Kultur- und Naturerbe von außergewöhnlicher, universeller Bedeutung (outstanding universal value). Leitidee der Welterbekonvention ist die „Erwägung, dass Teile des Kultur- oder Naturerbes von außergewöhnlicher Bedeutung sind und daher in die Obhut der gesamten Menschheit gestellt werden müssen.”3 Mit der Unterzeichnung verpflichten sich die Staaten, die innerhalb ihrer Grenzen gelegenen Welterbestätten zu schützen und für zukünftige Generationen zu erhalten – und dies ohne Paragraphendrohung, völlig ohne Gewalt- und Machtmittel. Die Konvention von 1972 ist ein Erfolgsmodell, und zwar ist so erfolgreich, dass heute viele Bürgerinnen und Bürger den Namen UNESCO automatisch mit Welterbe verbinden – und die beiden anderen Tätigkeitsfelder dieser Organisation der Vereinten Nationen vergessen, nämlich Bildung und Wissenschaft. Unfälle wie Dresden (Wald­ schlösschen­brücke) sind eher Bestätigung als eine In-Frage-Stellung des Erfolgsmodells. Aber was ist dessen Geheimnis? Vielleicht wohnt der Zauber darin, dass der Welterbegedanke unseren Geist zu mobilisieren imstande ist und ein bisschen an der Souveränität oder – sagen wir es offen – am Egoismus der Einzelnen kratzt. Vielleicht liegt die geheimnisvolle Kraft darin, dass tatsächlich in dem Globus-umspannenden Wort Welt­ erbe dieses „Achtung, dieses Ensemble, dieses Kulturgut ist Eigentum der Menschheit” gleichsam ein Wachstumskeim steckt, der ans Licht drängt. Die unterzeichnenden Staaten waren und sind noch immer bereit zu kommunizieren: „Komm zu mir, ich habe Dir etwas Besonderes zu zeigen, das so wichtig ist, dass ich es allen zeigen möchte!“ Oder sind wir etwa in der kindlichen Entwicklungsphase stecken­geblieben? Wir kennen alle den Spruch vom Kinderspielplatz: „Ich habe etwas ganz Besonderes, aber Du darfst es nicht sehen!” Das gilt für Welterbestätten gewiss nicht. Welterbestätten sind eine Einladung an uns alle. Sie sind ein Stück freiwilliger Souveränitätsverzicht. Weltkulturerbe verpflichtet zur Öffnung. Dies sage ich gerne in 3 http://www.unesco.de/infothek/dokumente/uebereinkommen/welterbe-konvention.html (03.02.2018).

Die kulturpolitische Bedeutung des Welterbes Pfahlbauten     |

der ­a ktuellen politischen Situation auch meinen Landsleuten in der Schweiz: Welterbe ist ein Elixier gegen Abschottung! Was kann getan werden für diese Öffnung, gegen die Abschottung, die allenfalls auf dem Kinderspielplatz noch erklärbar ist? Die Welterbekonvention beantwortet diese Frage bereits unmissverständlich deutlich: Erziehung, Bildung, Information sind die Schlüsselwörter. Artikel 27 bezieht sich auf die Erziehungsprogramme und formuliert: „Die Vertragsstaaten bemühen sich unter Einsatz aller geeigneten Mittel, insbesondere durch Erziehungs- und Informationsprogramme, die Würdigung und Achtung des in den Artikeln 1 und 2 bezeichneten Kultur- und Naturerbes durch ihre Völker zu ­stärken.“4

2.  Bildungsprogramme – exklusiv oder für alle? Nun könnte man die Formel „durch ihre Völker“ in Artikel 27 durchaus wörtlich nehmen und folgern: Es geht ja nur um die Bildungsprogramme des jeweils eigenen Volkes. Das käme erst noch viel billiger. Diesen Kräften wäre ins Stammbuch zu schreiben: Wenn wir als Staat „ja“ gesagt haben zu einer Eintragung einer Stätte auf die Liste des Welterbes, dann hat das Bedeutung! Es entspricht einem nationalen Willen. Daraus darf gefolgert werden, dass wir zumindest allen Leuten aus den 190 Staaten, die zur ­U NESCO-Familie gehören, mitgeteilt haben, dass wir viele Orte haben, an denen wir alle herzlich willkommen heissen. In der Schweiz wäre dies immerhin an nicht weniger als an elf Stätten. Ich bin jetzt bescheiden und zähle die Pfahlbauer bloss als eine einzige Stätte. Eigentlich sind mit der Eintragung der „Prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen“ 56 Stätten in 15 Schweizer Kantonen dazugekommen. Das bedeutet: 15 von 26 Kantonen haben ebenfalls „ja“ gesagt und sind damit in der Pflicht, sich dieser kultur- und bildungspolitischen Herausforderung zu stellen.

3.  Bildungsauftrag stellvertretend auch für Dritte Ich gehe in der Auslegung von Artikel 27 noch einen Schritt weiter: Ich lege die Aufforderung zum „Einsatz aller geeigneten Mittel“ so aus, dass ich erwarten darf, dass Schweizerinnen und Schweizern, wenn sie in einem der 190 anderen Länder Welterbestätten besuchen, ebenso in den Genuss dieser kulturellen Bildung kommen. Art. 27 gilt ja im In- wie im Ausland. Einfach gesagt: Was immer wir hier an Bildung für Besucher aufwenden, dürfen wir auch von anderen erwarten. Ein simples Beispiel: Manche Schweizerin, mancher Schweizer hat seine Begeisterung für archäologische Stätten aus dem Ausland mitgebracht. Seien wir doch ehrlich: Wir sind im Ausland doch auch viel empfänglicher für Kultur als zu Hause, wo viele von 4 Ebd.

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uns im Korsett der sogenannten Sachzwänge stecken. Daher danke ich jedem qualifizierten Touristenführer im Ausland von Herzen, der meine Landsleute für Anliegen der Denkmäler der Architektur und Archäologie sowie der Natur zu begeistern vermag! Es ist dann meine Aufgabe, ihnen klar zu machen, dass es bei uns zu Hause Ähnliches gibt. Diese Auffassung muss aber eine Konsequenz haben: Ich muss mit demselben „Feu sacré“ auch Touristen bei mir begeistern – und darf nicht sagen, wie dies leider viele ­meiner Kolleginnen und Kollegen tun: „Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, d. h. unsere Bevölkerung informieren ist klar unsere Aufgabe, aber doch nicht die Touristen.“ Anders gesagt: Ich muss auch an meinem Kulturgut aktiv werden. Die Bernische Kantons­archäologie macht dies zum Beispiel so, dass sie regelmässig die Touristenführerinnen und -führer an den wichtigsten Orten archäologischer Denkmäler ausbildet. Was für uns die Umsetzung dieses kulturpolitischen Auftrages erleichtert, ist die schlichte Tatsache: Die Archäologie gehört im Kanton Bern zur Erziehungsdirektion, d. h. zur Bildungs- und Kulturdirektion. Somit braucht man seine Vorgesetzten nicht erst über diese Notwendigkeit aufzuklären. Jener weit gefasste kulturpolitische Auftrag betrifft uns auf der Ebene der „Site Manager”, er gilt aber genauso für die Tätigkeit der nationalen ­U NESCO-Kommissionen.

4.  Politische Aufträge der Welterbestätte Pfahlbauten Kommen wir noch ganz konkret zu unserem Tagungsthema, den Pfahlbauern. In welcher Richtung könnten hier die politischen Aufträge gehen? Ich sehe drei Komplexe:

4.1.  Wissenschaftspolitischer Auftrag Im Bereich des wissenschaftspolitischen Auftrages wird es in erster Linie um den Austausch und um die Zusammenarbeit gehen. Dieser Auftrag funktioniert bereits recht gut. Wir haben in kaum einer archäologischen Teildisziplin – vielleicht mit Ausnahme des Limes – so viel gute Zusammenarbeit aufbauen können. Bereits im Rahmen der Kandidatur um die Eintragung der Pfahlbauten als Welterbe erfolgte dieser Austausch, und die Kooperation hat sich hervorragend vertieft und bewährt. Ich denke nicht allein an unsere Datenbank, sondern auch an den Austausch im Umgang mit Problemen, zum Beispiel im Bereich der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen. Da zeigen sich bereits Früchte; es muss nicht immer alles vor Ort neu erfunden, umgesetzt und evaluiert werden. Auch Forschung bringt Menschen einander näher.

4.2.  Kulturpolitischer Auftrag Im Bereich des kulturpolitischen Auftrages geht es um das Erkennen von Gemeinsamkeiten über die Landesgrenzen hinweg. Hier stoßen die Archäologinnen und Archäologen an ihre Grenzen. Politik und Ökonomie sind hier gefragt, wenn es um intelligente

Die kulturpolitische Bedeutung des Welterbes Pfahlbauten     |

Projekte der Zusammenarbeit und der wirkungsvollen Erschließung und nachhaltigen Vermittlung geht. Ich nenne als Beispiele die Programme von „Interreg IV” oder „­U NESCO Destination Switzerland”, seit 2015 unter dem Namen „World Heritage Experience Switzerland” als touristische Organisation.5 Die große Herausforderung wird aber sein, das Bezugsnetz von Slowenien bis Frankreich zu spannen. Erste Schritte sind mit dem demnächst für alle Signatarstaaten nutzbaren Pfahlbau-App getan, der uns fast bei jedem Klick an das gemeinsame grenzüberschreitende Erbe erinnert.6

4.3.  Bildungspolitischer Auftrag Ein dritter Auftrag geht in Richtung Bildungspolitik. Dabei geht es darum, breite Bevölkerungsschichten zu sensibilisieren für wenig Sichtbares, für Vergangenes, für Zeit, für Originales. Dies kann auf unterschiedlichste Weise geschehen. Dazu seien vier Beispiele genannt: Experimentalarchäologie Experimentalarchäologie bietet niederschwellig Zugang zum Kennenlernen einfachster handwerklicher Innovationen. Eine gute Möglichkeit dazu bilden die Orte wissenschaftlicher und pädagogischer Vermittlung, denken wir an die Workshops in experimenteller Archäologie für Schüler und Jugendliche, wie sie in der Schweiz zum Beispiel bereits in Gletterens FR, Wauwil LU oder Neuchâtel NE angeboten werden. Ausstellungen Ausstellungen wie die bis 11.01.2015 im Bernischen Historischen Museum gezeigte grosse Ausstellung „Die Pfahlbauer – Am Wasser und über die Alpen” sind hervor­ ragende Orte der Umsetzung eines bildungspolitischen Auftrages. Sie sind fast immer begleitet von einem experimentalarchäologischen Park: In Bern können Kinder und Schulklassen ein Haus bauen und werden mit verschiedenen anderen prähistorischen Techniken vertraut gemacht. Lehrerinnen und Lehrer haben sich immer beklagt, die Archäologen würden spannende Grabungsbesichtigungen oder Ausstellungsführungen anbieten, aber sie bräuchten viel mehr Vorlauf – von Monaten war die Rede, um entsprechende Stoffe sinnbringend in ihren Unterricht einbauen zu können.

5 www.whes.ch (03.02.2018). 6 https://itunes.apple.com/ch/app/palafittes-guide/id433162169?mt=8.

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Publikation für Pädagoginnen, Pädagogen und das breite Publikum Derartigen Wünschen verschafft man zunehmend Gehör! So publizierten wir bereits auf September 2013 den Begleitband zur erst im April 2014 eröffneten Pfahlbauerausstellung im Bernischen Historischen Museum.7 Archäologiekoffer Ergänzend zur Publikation produzierten wir acht Ausgaben des Archäologiekoffers „Die Pfahlbauer – archäologische Objekte aus der Jungsteinzeit.”8 Sie befinden sich seit Oktober 2013 in der Ausleihe und haben sich in kurzer Zeit zu einem wahren Renner entwickelt. Der Koffer ist als Kooperation mit mehr als einem Dutzend Lehrkräften, dem Institut für Medienbildung der Pädagogischen Hochschule Bern und dem Schulverlag entstanden. Mit Blick auf den Postversand auf 9,5 kg beschränkt bietet er einen einfachen Zugang zur Geschichte aus dem Boden. Die Behälter umfassen 13 originale Fundobjekte (mehrheitlich aus Beständen des Archäologischen Dienstes) und sind auf den Unterricht im Fach „Natur-Mensch-Mitwelt” der 2.−4. Klasse ausgerichtet. Das didaktische Begleitmaterial umfasst die Pfahlbauerpublikation, 13 zweiseitige Objektblätter mit archäologischen und didaktischen Hinweisen für die Lehrperson, Arbeitsblätter sowie einen Zeitstrahl, den die Schulkinder für das interaktive, dialogische Zusammenführen und Repetieren gewonnener Erkenntnisse verwenden können. Die Lehrerschaft hat begeistert reagiert. Bereits wenige Tage nach Freigabe waren die Archäologiekoffer auf Monate hin ausgebucht. Mittlerweile sind sechs weitere Koffer entstanden – auch diese sind weitgehend ausgebucht. Was besonders gut ankommt, sind die Originale! In unserer digitalen Zeit, wo am Bildschirm bald jedes Objekt als 3-D-Animation hochgeladen und in alle Richtungen gedreht werden kann, hat das Objekt, welches in die Hand genommen werden kann, eine neue Bedeutung bekommen. „Viertausend Jahre in meinen Händen!” – das macht selbst jene andächtig, die vor fast nichts mehr Respekt haben. Spielen wir doch diese Trumpfkarte in unserer Bildungsund Öffentlichkeitsarbeit aus! Lektionen auf der Tauchbasis am Bielersee „Vergangenheit erkunden, erforschen und begreifen“: An dieser Leitidee orientieren sich die Vermittlungsformate des ADB (Archäologischer Dienst des Kantons Bern), zu denen 7 Erziehungsdirektion des Kantons Bern, Archäologischer Dienst des Kantons Bern (Hg.), Grünig, Martin/ Felber, Christine (Red.): Die Pfahlbauer – Am Wasser und über die Alpen / Les lacustres – au bord du lac et à travers les alpes, Bern 2013; http://www.erz.be.ch/erz/de/index/kultur/archaeologie/publikationen.html (03.02.2018). 8 Die Pfahlbauer – archäologische Objekte aus der Jungsteinzeit, zusammengestellt von Martin ­Grünig, Archäologischer Dienst des Kantons Bern und der Fachgruppe Geschichte des Instituts für Medienbildung, Bern 2013.

Die kulturpolitische Bedeutung des Welterbes Pfahlbauten     |

auch Besuchsangebote für Schulklassen in unserer Tauchbasis am Bielersee gehören. Der Besuch einer laufenden Ausgrabung ist für Schulkinder ein unmittelbares und intensives Erlebnis, welches historisches und wissenschaftlich-methodisches Lernen beinhaltet und zur weiteren Auseinandersetzung mit alten Sachen motiviert.

5. Fazit Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Rechtsgrundlagen für eine kultur- und bildungspolitische Umsetzung des Auftrages, der uns zusammen mit dem Welterbe­status erteilt wurde, sind vorhanden. Es ist an uns Sitemanagern und Wissenschaftern, unsere Politiker auf diesen wunderbaren Auftrag aufmerksam zu machen, – nicht einmal, sondern immer wieder. UNESCO-Welterbe ist ein eingängiger Einstieg in nachhaltige Bildungsarbeit, letztlich auch der Einstieg auf einen Weg in eine friedlichere Welt der gegen­ seitigen Achtung.

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Eva-Maria Seng

KULTUR, NATUR, ÖKOLOGIE Die Pfahlbauten als Ausgangspunkt einer integralen Sicht auf Weltkulturerbestätten

Im Jahr 2011 wurden 111 Stätten in sechs Ländern in die Welterbeliste eingetragen. Dabei handelt es sich um Stätten, bei denen Funde großteils nicht sichtbar in der Erde beziehungsweise in den Flachwasserzonen und Verlandungsgebieten der Seen und Moore entlang der Alpen verborgen liegen. Gemeint sind die prähistorischen Pfahlbauten rund um die Alpen, die als archäologische serielle, transnationale Eintragung auf der Welterbeliste erfasst sind. Von den rund 900 bekannten Fundstellen wurde eine Auswahl von 111 getroffen.1 Aufgrund der Kriterien IV und V für die Aufnahme der

1  Fundstellen von Pfahlbauten

1 https://whc.unesco.org/archive/2011/whc11-35com-20e.pdf (28.06.2018), Decision 35Com 8B. 35, S. 225–227.

Kultur, Natur, Ökologie     |

2  Alleshausen-Grundwiesen: Leinstängel und Leinschäben – hier in Fundlage – weisen auf die Verarbeitung von Flachs hin (29. Jh. v. Chr.)

3  Olzreute-Enzisholz: Insgesamt drei Scheibenräder wurden während der Grabungs­kampagne 2009 geborgen

4  Rekonstruktion eines Dreieckswagens

UNESCO-Welt­erbe­liste wurden die Pfahlbauten gewürdigt als „ein hervorragendes Beispiel eines Typus von Gebäuden, architektonischen oder technologischen Ensembles oder Land­schaften […], die einen oder mehrere bedeutsame Abschnitte der Geschichte der Menschheit versinnbildlichen“ (Kriterium IV), sowie als Stätten, die „ein hervor­ ragendes Beispiel einer überlieferten menschlichen Siedlungsform, Boden- oder Meeresnutzung darstellen, die für eine oder mehrere bestimmte Kulturen typisch ist, oder der

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5  Überreste einer Pfahlbau­ siedlung bei Unteruhldingen im Bodensee

Wechselwirkung zwischen Mensch und Umwelt [geschuldet sind], insbesondere wenn deren Erhalt unter dem Druck unaufhaltsamen Wandels vom Untergang bedroht ist“ (Kriterium V).2 Die Pfahlbauten gelten als wichtigste archäologische Quellen zur Erforschung der ersten Agrargesellschaften zwischen 5000 v. Chr. und 500 v. Chr. (Abb. 1). Die Erhaltungsbedingungen im Moor und unter Wasser, unter Sauerstoffausschluss, hätten, wie die Begründung der Einschreibung auf die Welterbeliste lautet, viele organische Materialien einzigartig konserviert (Abb. 2–4), welche die Rekonstruktion des historischen Wandels vom Neolithikum bis zur Bronzezeit in Europa und den Austausch der Zivilisationen rund um die Alpen erlauben. Die Serie der Pfahlbauten ermögliche einen außerordentlich detaillierten Einblick in die Entstehung der unterschiedlichsten 2 http://whc.unesco.org/en/guidelines/document-57-11.pdf (28.06.2018), Operational Guidelines for the Implementationof the World Heritage Convention, 2017, IID, Criteria for the assessment of Outstanding Universal Value, S. 25f.

Kultur, Natur, Ökologie     |

6  Verlauf des Obergermanisch-Rätischen Limes

Siedlungs­formen der prähistorischen Gemeinschaften von den ersten Agrargesellschaften nördlich und südlich der Alpen über einen Zeitraum von nahezu fünf Jahrtausenden (Abb. 5). Die archäologischen Zeugnisse vermittelten einen einzigartigen Einblick, wie diese Zivilisationen mit ihrer Umwelt interagierten, und erlauben aufgrund der neuen naturwissenschaftlichen Technologien auch Aussagen zum Klimawandel.3 Wir haben es also bei dieser Eintragung nicht nur mit einer sehr großen Anzahl von Stätten an verschiedenen Orten, sondern auch in verschiedenen Ländern zu tun, 3 https://whc.unesco.org/archive/2011/whc11-35com-20e.pdf (28.06.2018), Decision 35Com 8B. 35, S. 226.

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7  Muskauer Park als transnationales Kulturerbe in Deutschland und Polen

von Stätten, die einen sehr langen Zeitraum abdecken und für den Besucher, der nach ästhetisch, optisch und baulich beeindruckenden materiellen Welterbezeugnissen sucht, zunächst meist verborgen im Schlamm und Wasser liegen und die nach ihrer Bergung zahlreicher Erklärungen bedürfen. Ein Blick auf die Welterbeliste zeigt, dass erst in jüngster Zeit verstärkt nicht nur archäologische Stätten eingeschrieben wurden, abgesehen von schon im Altertum bekannten Bauwerken oder außereuropäischen archäologischen Stätten, sondern neuerdings auch zahlreiche transnationale serielle Einschreibungen zu verzeichnen sind wie zum Beispiel die Grenzen des römischen Reiches: Hadrianswall, Antoniuswall, Obergermanisch-raetischer Limes (Abb. 6), die Seidenstrasse, die Silberstrasse, der Muskauer Park (Abb. 7), die Berglandschaft des Mont Perdu in den Pyrenäen oder das Wattenmeer als Weltnaturerbe.4 4 Seng, Eva-Maria: Die Welterbeliste – zwischen Kanonbildung und Kanonverschiebung; Vortrag auf dem XXX. Kunsthistorikertag in Marburg, elektronische Veröffentlichung Paderborn 2009, S. 1–14, hier S. 8–10, http://digital.ub.uni-paderborn.de/ubpb/urn/urn:nbn:de:hbz:466:2-7468

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Insgesamt lässt sich bei der großen Zahl der Aufnahmen in den vergangenen Jahren eine Verschiebung von den „iconic sites“, den „best of the best“ am Anfang hin zu „the representative of the best“ oder sogar „best of the representative“ feststellen; also vom „outstanding unversal value” einer einzelnen Stätte hin zu einer Reihe von Stätten, die denselben Typ Erbestätte repräsentieren.5 Wie lässt sich solch ein Wandel hinsichtlich der Einschreibungen in ein und dieselbe Liste des UNESCO-Welterbes erklären? Spielen hierbei internationale, also globale Entwicklungen eine Rolle? Folgen die Kriterien für die Einschreibung nicht etwa starren Regeln, sondern unterliegen vielmehr dynamischen Entwicklungen, und wenn ja, welchen? Wer schreibt die Kriterien gegebenenfalls fort und warum? Wer nominiert Kandidaten für die Welterbeliste und wie, nach welchen Kriterien? Welche regionalen, nationalen und internationalen Vorraussetzungen haben Stätten zu erfüllen? Solchen sowohl lokalen und regionalen als auch nationalen und globalen Erscheinungen und Vorgängen auf dem Gebiet der Listung kulturellen Erbes möchte ich im folgenden unter vier Aspekten nachgehen: 1. Entstehung, Festschreibung und Weiterentwicklung der Welterbekonvention und die daraus hervorgegangene Liste der Natur- und Kulturerbestätten und deren Repräsentativität; 2. die Einführung der Kategorie Kulturlandschaften auf der Liste des materiellen Kulturerbes; 3. die Einführung von transnatio­ nalen seriellen Welterbestätten; 4. möchte ich anhand der Pfahlbauten die Möglichkeit einer Zusammenschau von Natur und Kultur und damit einer integralen Sicht auf Welt­ erbestätten reflektieren.

1.  E  ntstehung, Festschreibung und Weiterentwicklung der Welterbekonvention und die Liste der Natur- und Kulturerbestätten und deren Repräsentativität Nach Vorläufern in den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts im Zuge der Völkerbunddiskussionen, wo Überlegungen eines Schutzes des gemeinsamen Kultur­ erbes der Menschheit diskutiert wurden, kam es unter dem Dach der Vereinten Natio­ nen (gegründet 1945) zur Gründung der Unterorganisation UNESCO, zuständig für die Förderung von Erziehung, Wissenschaft und Kultur. Dort wurde schon im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Haager Abkommens für den Schutz von Kultur­g ut bei bewaffneten Konflikten (1954) zu Beginn der 1950er Jahre eine Denkmalkommission eingerichtet, die den Generaldirektor der UNESCO in Fragen des Schutzes von künstle(29.06.2018); Seng, Eva-Maria: Kulturerbe zwischen Globalisierung und Lokalisierung, in: Speitkamp, Winfried (Hg.), Europäisches Kulturerbe – Bilder, Traditionen, Konfigurationen (Arbeitshefte des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen, Bd. 23), Stuttgart 2013, S. 69–82, hier S. 75–78. 5 Seng, Die Welterbeliste – zwischen Kanonbildung und Kanonverschiebung, S. 9; siehe hierzu auch Lowenthal, David: The Heritage Crusade and the Spoils of History, Cambridge 1998, S. 14; Braun, Nikola: Globales Erbe und regionales Ungleichgewicht. Die Repräsentativitätsprobleme der UNESCO-­Welterbeliste, Hamburg 2007, S. 111.

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rischen, historischen und archäologischen Stätten beriet. Diese Kommission ent­sandte auch schon bald Experten zur Beratung bei technischen Fragen, insbesondere auch bei Grabungen und beim Aufbau eines nationalen Denkmalschutzes in den neu gebildeten Staaten, v.a. den Entwicklungsländern. Eine dieser Missionen war denn auch die Rettungsaktion und Translozierung der Tempel in Abu Simbel, notwendig geworden durch den Bau des Assuan-Staudamms beziehungsweise die Aufstauung des Nils. Unter dem Eindruck dieses technischen Großprojekts in einem Entwicklungsland, das sowohl das kulturelle Erbe als auch die Natur nachhaltig beeinflusste, erarbeitete die Denkmalpflegekommission der UNESCO gemeinsam mit der Weltnaturschutzunion (IUCN = International Union for Conservation of Nature and Natural Resources) eine Resolution, die Schutzstandards und Erhaltungsmaßnahmen schon bei der Planung ­solcher Großprojekte einforderte. Im weiteren initiierte besagte Denkmalpflegekommission auch die Gründung einer Nichtregierungsorganisation für Denkmalpflege als Beratungskomitee der UNESCO, den internationalen Rat für Denkmalpflege (ICOMOS = International Council on Monuments and Sites). Bei der seit Ende der 60er Jahre von der UNESCO-­ Generalversammlung angestrebten Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt waren Vertreter von ICOMOS, des Internationalen Museumsbundes (ICOM = International Council of Museums), das Internationale Studienzentrum für die Erhaltung und Restaurierung von Kulturgut (ICCROM = International Centre for the Study of the Preservation and Restoration of Cultural Property), führende Denkmal­pfleger der UNESCO-Mitgliedstaaten und die Weltnaturschutzunion (IUCN) eingebunden. Am Ende einigte man sich 1972 darauf, dass man einerseits den Schutz auf die immobilen Kultur- und Naturgüter beschränkte und andererseits zwei Listen einrichtete, nämlich eine von der Kulturabteilung geforderte Liste der hilfebedürftigen Stätten, die sogenannte Rote Liste, und eine von der Weltnaturschutzunion angestrebte exklusive Liste der Kultur- und Naturerbestätten der Menschheit. Alle Seiten verständigten sich darauf, den Schutz auf die immobilen Güter zu beschränken, um nicht eine Vorentscheidung über das europäische Erbe zu treffen. Dies dürfte auch angesichts der gerade erfolgten Unabhängigkeit ehemaliger Kolonien und angesichts der damit aufkommenden Diskussionen um Beutekunst, der Frage nach dem Besitz von Kunstwerken und der Rückforderung von Kulturgut aus europäischen oder amerikanischen Museen erfolgt sein.6 Zielte also die Hilfeliste, die Rote Liste, eher auf eine zeitlich gebundene, diskursive Konzeption eines Schutzes, so hatte das Inventar (Welterbeliste) eher ein auf empirischer wissenschaftlicher Basis erstelltes eindeutiges und endgültiges Verzeichnis vor Augen. Damit stand die Konvention unter dem Vor­zeichen der europäischen und amerikanischen Wissenschaftstraditionen, die den 6 Rehling, Andrea: Universalismen und Partikularismen im Widerstreit: Zur Genese des UNESCO-­ Welterbes, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe 8 (2011), H. 3, S. 414–436, hier S. 415 u. S. 417–422, http://www.zeithistorische-forschungen.de/­ 16126041-Rehling-3-2011 (19.07.2018).

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Kultur­erbe- beziehungsweise Denkmalschutzbestimmungen einerseits und den Naturschutzbestimmungen andererseits zugrunde lagen.7 Die seit den 1950er Jahren insbesondere von dem Anthropologen Claude-Levi Strauss in zahlreichen Reden vor der UNESCO vertretenen Vorstellungen von Mensch-Umwelt-Beziehungen jenseits reiner Naturschutzvorstellungen wurden damit zurückgestellt.8 Die Welterbekonvention ging seit ihrer Verabschiedung grundsätzlich von einer Gleichrangigkeit aller Kulturen der Welt aus. Voraussetzung für eine Aufnahme sowohl im Bereich des Natur- als auch Kulturerbes war „the outstanding universal value“, also der „außergewöhnliche universelle Wert“ des Gutes. Dies legt auch eine inhaltliche Ausgewogenheit der Welterbeliste sowohl zwischen Natur- und Kulturerbe als auch der Regionen der Welt an sich nahe.9 Schon nach den ersten Listungen 1980 wurde vom Welterbekomitee zunächst ein Gleichgewicht zwischen Natur- und Kulturerbestätten angemahnt sowie 1987 und 1989 eine globale Referenzliste von kulturellen Stätten, auch der ­Nichtvertragsstaaten, eingefordert. Diese Forderung mündete 1994 in die Bildung einer Expertengruppe für die Erarbeitung einer „globalen Strategie für eine ausbalancierte, repräsentative und glaubwürdige Welterbeliste“ (Abb. 8). Im Bereich des Naturerbes war dies der Weltnaturschutz­ union schon 1982 gelungen, nämlich mit einer Liste zur potentiellen Aufnahme von 219 Stätten in allen acht sogenannten biogeographischen Regionen der Welt. Darüber hinaus waren weitere 50 Stätten auch mit kultureller Bedeutung aufgeführt (Abb. 9).10 Im Bereich des Kulturerbes fasste die Expertenkommission des Internationalen Rats für Denkmalpflege (ICOMOS) 1993 in einer Global Study die Defizite der Weltkulturerbeliste zusammen: Europa war demnach gegenüber dem Rest der Welt allein schon quantitativ überrepräsentiert: Historische Städte, christliche Monumente, insbesondere aus der Gotik oder überhaupt dem Mittelalter waren gegenüber Objekten aus anderen Epochen zu stark vertreten. Das galt auch für die elitäre Architektur. Überhaupt standen die Zeugnisse des Christentums gegenüber denen anderer Religionen und Glaubensrichtungen zahlenmäßig weit im Vordergrund. Kaum vertreten waren dagegen Denkmäler des 20. Jahrhunderts, Zeugnisse noch lebender Kulturen, regionale Kulturtraditionen oder archäologische Stätten (Abb. 10). Eine solche bislang in erster Linie historisch und ästhetisch orientierte Typologisierung zur Aufnahme in die Welterbeliste werde freilich laut ICOMOS der Vielfalt des Kulturerbes der Welt nicht gerecht. Vielmehr müsse die Welterbeliste die kulturelle Vielfalt der Menschheit widerspiegeln.11 Hintergrund die  7 Ebd., S. 415 u. S. 423.   8 Levi-Strauss, Claude: Remembers … Interview by Georges Kutudjian, in: The UNESCO Courier 5 (2008), S. 49–52; siehe auch die wiederabgedruckten Artikel von Claude Levi-Strauss, die er in diesem Organ seit 1951 veröffentlicht hat, bzw. Reden vor der UNESCO in diesem Zusammenhang, die langfristige Wirkungen zeitigten.   9 Braun, Globales Erbe, S. 108–113. 10 Ebd., S. 249–251. 11 Ebd. S. 265f.

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8  Verteilung der Welterbestätten auf Regionen (Stand Juli 2006)

9  Das UNESCO-Welterbe: Aufteilung nach Kultur- und Naturerbestätten und gemischtem Erbe (Stand Juli 2006)

10  Das Weltkulturerbe in Kategorien

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11  Deutschland, Essen: Zeche und Kokerei Zollverein

ser Forderung ist der immer wieder kritisierte Eurozentrismus der Welterbeliste. Dieser habe nicht zuletzt seine Ursachen in den Aufnahmekriterien, die den abendländischen Vorstellungen von Kunst- und Denkmalpflege entsprängen und anthropologische Gesichtspunkte nicht beachteten.12 Wie schon erwähnt, setzte sich dann seit 1994 eine von der UNESCO eingesetzte Expertengruppe mit der Ausarbeitung einer „Globalen Strategie für eine ausbalancierte, repräsentative und glaubwürdige Welterbeliste“ auseinander. Thematische und vergleichende Studien über Denkmäler der Erdgeschichte (also Fossilien-Fund­stätten, ­fossil geprägte Landschaften, geologisches Erbe), über Monumente der Technikgeschichte (historische Kanäle, Brücken, Eisenbahnen) (Abb. 11), Industrielandschaften, Vergleichs­studien über bestimmte Naturlandschaften wurden erstellt, und Kategorien zur Beschreibung von Kulturlandschaften wurden entwickelt.13

12 Ebd., S. 52–62. 13 Seng, Kulturerbe zwischen Globalisierung und Lokalisierung, S. 76f.

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2. Die Einführung der Kategorie Kulturlandschaften auf der Liste des materiellen Kulturerbes Einigte man sich bei der Definition, was kulturelles Welterbe sein könne, auf eine traditionelle Vorstellung des immobilen Denkmalbestandes mit einer Ausblendung immaterieller Aspekte, so findet sich in den Durchführungsbestimmungen für die Aufnahme eines kulturellen Welterbes unter Kriterium V, dass ein Kulturgut „ein hervorragendes Beispiel […] der Boden- oder Meeresnutzung“ darstellen solle, das für die „Wechselwirkung zwischen Mensch und Umwelt“ typisch sei.14 Nicht von ungefähr wurde dann auch genau dieses Kriterium bei der Eintragung der Pfahlbauten angeführt. Vor allem in Kriterium VI sind immaterielle Aspekte formuliert, nämlich, dass ein Gut „in unmittel­ barer oder erkennbarer Weise mit Ereignissen oder überlieferten Lebensformen, mit Ideen oder Glaubensbekenntnissen oder künstlerischen oder literarischen Werken von außergewöhnlicher universeller Bedeutung verknüpft sei“.15 Die Definition dieses Kriteriums VI wurde im Laufe der Jahre mehrfach modifiziert, da offensichtlich befürchtet wurde, dass die dort assoziativ angesprochenen Kulturphänomene unübersehbar zahlreiche Anträge auf Eintragung evozieren könnten. So findet sich in den Guidelines von 1977 noch der Hinweis, dass immaterielle Werte und Phänomene der Stätte durch Personen oder historischen Sachverhalten begründet werden könnten16, was 1980 nur noch in Ausnahmefällen oder in Verbindung mit anderen Kriterien zugelassen wurde.17 Stattdessen sollte der in der Stätte implizite Wert internationalen Anforderungen ent­ sprechen, und schließlich sollte das fragliche Kriterium VI seit 2005 nur noch in Verbindung mit einem weiteren Kriterium Anwendung finden.18 Dennoch wurden Stätten auch allein aufgrund von Kriterium VI eingetragen: 1978 L’A nse aux Meadow National Historic Site, der Landeplatz der Wikinger in Neufundland, als erste belegbare Anwesenheit von Europäern in Nordamerika (Kanada) (Abb. 12); die Insel Gorée in Senegal als Zentrum des Sklavenhandels vom 15. bis 19. Jahrhundert ebenfalls 1978; das Konzentrations- und Vernichtungslager Ausschwitz-Birkenau in 14 http://whc.unesco.org/en/guidelines/document-57-11.pdf (28.06.2018), Operational Guidelines for the Implementation of the World Heritage Convention 2017, IID, Criteria for the assessment of Outstanding Universal Value, S. 26. 15 Ebd. 16 http://whc.unesco.org/en/guidelines/CC-77/Conf.001/8Rev (19.07.2018), Operational Guidelines for the Implementation of the World Heritage Convention (1), Paris 20. Oct. 1977, B Criteria, 7, VI, S. 3. 17 http://whc.unesco.org/en/guidelines/ (19.07.2018) WHC/Revised,Oct. 1980, Operational Guidelines for the Implementationof the World Heritage Convention, C Criteria 18, VI, S. 5. 18 http://whc.unesco.org/archive/opguide05-en.pdf (19.07.2018) WHC.05/2, 2Febr. 2005, Operational Guidelines for the Implementationof the World Heritage Convention, II D Criteria 77, VI, S. 20; Strasser, Peter: Wo das Immaterielle das Materielle berührt. Immaterielle Aspekte der UNESCO-­ Welterbeliste, in: Berger, Karl C./Schindler, Margot/Schneider, Ingo (Hg.), Erb.gut? Kulturelles Erbe in Wissenschaft und Gesellschaft. Referate der 25. Österreichischen Volkskundetagung vom 14.–17.11.2007 in Innsbruck, Wien 2009, S. 427–435, hier S. 428ff.

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12  L’A nse aux Meadows, Rekonstruktion der Wikingersiedlung

Polen 1979 (Abb. 13) oder 2005 die Altstadt und Brücke von Mostar (Bosnien und Herzegowina) als Ausdruck der kulturellen Diversität und des jahrhundertelangen friedvollen Zusammenlebens (Abb. 14). Aber auch bei den sonstigen Aufnahmen von Stätten in die Liste des Weltkulturerbes wurden zunehmend immaterielle Aspekte geltend gemacht.19 Noch einen Schritt weiter hinsichtlich der Einbeziehung immaterieller Elemente ging das Welterbekomitee 1992 mit der Aufnahme von Kulturlandschaften. Damit erstreckte sich das Kriterium eines außergewöhnlichen universellen Wertes nun auch auf Gebiete, die ihre Entstehung der Wechselwirkung zwischen Mensch und Natur verdanken.20 Das Konzept beziehungsweise der Begriff „Kulturlandschaft“ stammt aus der Geographie, die sich seit langem mit den Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Kultur einerseits und Räumen und Orten der „natürlichen“ Umwelt andererseits auseinandersetzt. Auch über Lucien Febvre, bald nach dem zweiten Weltkrieg UNESCO-Delegierter der französischen Republik und Haupt der französischen Historikerschule der „­A nnales“, 19 Ebd., S. 431f.; Seng, Die Welterbeliste – zwischen Kanonbildung und Kanonverschiebung, S. 7f.; Seng, Eva-Maria: Kulturlandschaften. Die Rückgewinnung des immateriellen Kulturerbes in die Landschaft, in: Klevesath, Lino/Zapf, Holger (Hg.), Demokratie – Kultur – Moderne. Perspektiven der politischen Theorie, München 2011, S. 201–220, hier S. 213ff. 20 Rössler, Mechthild: Welterbe Kulturlandschaften. Eine globale Perspektive, in: Albert, MarieTheres/Gauer-Lietz, Sieglinde (Hg.), Perspektiven des Welterbes. Constructing World Heritage, Frankfurt a. M. 2006, S. 142-151, v. a. S. 144.

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13  Auschwitz – Birkenau, Einfahrtsgebäude des KZ Birkenau

flossen Mensch-Umwelt-Beziehungen über eine Art historische Geographie, die die Bedeutung des Raumes für die Geschichte, die Bedeutung des Klimas, der Nahrung, die sozialen und kulturellen Schwankungen einerseits und insbesondere die Langzeitstrukturen andererseits ins Blickfeld rückten, in die Überlegungen der UNESCO-Kommission ein.21 Lucien Febvre wie auch der Anthropologe Claude Levi-Strauss, zeitweilig Kommissionsmitglied bei den Beratungen des UNESCO-Welterbezentrums, vertraten in den Diskussionen der internationalen Gemeinschaft Vorstellungen von Mensch-Umwelt-Beziehungen jenseits reiner Naturschutzvorstellungen.22 In der allgemeinen Hinwendung zu kulturwissenschaftlichen und kulturtheoretischen Fragestellungen in den wissenschaftlichen Diskursen seit den 1980er Jahren, dem sogenannten „cultural turn“ 21 Burke, Peter: Die Geschichte der „Annales“. Die Entstehung der neuen Geschichtsschreibung, Berlin 2004, S. 19ff. u. S. 44ff. Braudel, Fernand: La Méditteranée et le Monde méditerranéen à l`époque de Philippe II, Paris 1949. Zu den „géohistoire“ siehe insbesondere den Schlussteil des 1. Bandes, der in die dt. Ausgabe von 1990 nicht übernommen wurde. 22 Levi-Strauss, Claude: Remembers … Interview by Georges Kutudjian,

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14  Bosnien-Herzegowina, Mostar: Stari Most Brücke (1993 zerstört, 1998–2003 wiederaufgebaut)

erschien dann insbesondere die Ethnologie als impulsgebende Wissenschaft hinsichtlich der Auseinandersetzung mit dem Fremden, dem Vergangenen, der eurozentrischen Interpretation und Zugangsweise zu kulturellen, gesellschaftlichen und nicht zuletzt auch das Mensch-Umwelt-Verhältnis tangierenden Fragestellungen. Schon 1984 und damit zwölf Jahre nach Verabschiedung der Welterbekonvention tauchte das Problem der Einbeziehung von Agrarlandschaften auf, die weder unter die Kategorie der Naturgüter noch die Kategorie der Kulturobjekte passen wollten.23 Aufgrund der 1992 erfolgten Gründung des Welterbezentrums arbeiteten dann erstmals Experten der ökölogischen Wissenschaften und der Kulturarbteilung der UNESCO in einer Abteilung zusammen, was sich für die zusätzliche Aufnahme der Kulturlandschaften in die Konvention als entscheidende Weichenstellung und Vorraussetzung erweisen sollte. Drei Ausprägungen der Genese von Kulturlandschaften werden dabei unterschieden, nämlich 1. von Menschen bewusst gestaltete Landschaften wie Parks und ­Gärten, 23 Joachim Ritter dagegen betonte in seiner Abhandlung zur Landschaft, dass Landschaft Natur sei. Nicht die Felder, Wege, Steppen etc. seien für sich schon Landschaft, sondern sie werde es erst, wenn der Mensch sich ihr in freier genießender Anschauung zuwende. Landschaft sei Abkömmling der philosophischen Theorie in dem Sinne, dass sie Gegenwart der ganzen Natur sei. Vgl. Ritter, Joachim: Landschaft. Zur Funktion des Ästhetischen in der modernen Gesellschaft, in: Ders., Subjektivität, Frankfurt a.M. 1974, S. 141–191, v.a. S.150f.

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15  Australien, Uluru – Kata Tjuta National Park: Die Felsen der Olgas

2. Landschaften, die ihren unverwechselbaren Charakter der Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur verdanken, wobei lebende und fossile Kulturlandschaften unterschieden werden, und 3. Landschaften, deren Wert in der Assoziation religiöser, spiritueller, künstlerischer und geschichtlicher Elemente mit Naturelementen liegt. Insbesondere die dritte Kategorie ermöglichte den Schutz zahlreicher indigener Kulturen, deren Stätten bis dahin kaum auf der Liste zu finden waren. Beispiele hierfür sind Uluru Kata Tjuta in Australien (Abb. 15), Sukur in Nigeria (Abb. 16) und der Nationalpark Tongariro in Neuseeland. Ebenso berücksichtigt wurden unter dem Begriff Kulturlandschaft auch Orte kultureller Begegnung, die das Zusammenwirken unterschiedlicher Kulturen oder Handelsbeziehungen (Kulturrouten) umfassen.24 Allerdings soll hier nicht unerwähnt bleiben, dass die begriffliche Differenzierung zwischen Naturerbe und Kulturlandschaft problematisch ist, da sie eine Unterscheidung zwischen Naturlandschaft und Kulturlandschaft nahelegt. Vielmehr ist „Natur sowohl die Gesamtheit aller vom Menschen unabhängigen Gegebenheiten als auch eine soziale Konstruktion“.25 Der Mensch selbst als Lebewesen ist dabei auch Teil der Natur. Im Eigentlichen greift so die Vorstellung eines Ursachen-Wirkungs-Verhältnisses zwischen Natur und Kultur zu kurz. Im Grunde handelt es sich nämlich bei aller Art von Landschaften um Kulturlandschaften. Der Diskurs-Praktikabilität halber soll aus Gründen der Analyse die Unterscheidung jedoch beibehalten werden.26

24 Rössler, Welterbe Kulturlandschaften, 2006, S. 144ff.; Rössler, Mechthild: Neue Perspektiven für den Schutz von Kulturlandschaften. Kultur und Natur im Rahmen der Welterbekonvention, in: Geographische Rundschau H. 6 (1995), S. 343–347; Braun, Globales Erbe, S. 244–249. 25 Knox, Paul L./Marston, Sallie A.: Humangeographie, Heidelberg 2001, S. 181. 26 Mitchell, Nora/Rössler, Mechthild/Tricaud, Pierre-Marie: World Heritage Cultural Landscapes. A Handbook for Conservation und Management, Paris 2009, S. 19f.; Howard, Peter: Partizipation und Wahrnehmung in Kulturlandschaften, in: Albert, Marie-Theres/Gauer-Litz, Sieglinde (Hg.), Perspektiven des Welterbes, Frankfurt a.M.2006, S. 153–161, v.a. S. 154f.

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16  Nigeria, Sukur: alte Kulturlandschaft Westafrikas

Mit der Aufnahme des Konzepts der Kulturlandschaften in die Welterkonvention reagierte das Welterbekomitee einerseits auf die Forderung, eine ausbalancierte, repräsentative und glaubwürdige Welterbeliste zu schaffen. Anderseits schuf es so ein Instrumentarium, Stätten indigener Kulturen, die bis dahin kaum auf der Liste vertreten waren, zu berücksichtigen. Überdies aber, und dies scheinen mir die beiden wichtigsten Punkte, reagierte das Komitee auf wissenschaftliche Erkenntnisse, die sich im 20. Jahrhundert in den historischen, geographischen, soziologischen, anthropologischen und ethnologischen Wissenschaften herausgebildet hatten, nämlich dass eine umfassende Betrachtung des Verhältnisses zwischen Mensch, Kultur und Natur nur unter der Perspektive der Wechselbeziehung zwischen Mensch und Raum erfolgen kann – letztlich eine von der Ökologie inspirierte Wahrnehmungsweise. Damit öffnete sich die Konvention einem weiten Kulturbegriff, wie er in der modernen Kulturanthropologie und in den Kulturwissenschaften verwendet wird. Kultur umfasst hier „jenes komplexe Ganze, das Wissen, Glauben, Kunst, Moral, Recht, Sitte, Brauch und andere Fähigkeiten, die der Mensch als Mitglied einer Gesellschaft erworben hat“ (Edward Tylor).27 Man sieht: Aufgrund des skizzierten Diskurses wurde der enge, ursprüngliche eurozentrische Denkmalbegriff nicht zuletzt aufgrund der Wechselwirkung zwischen Politik und neuerer 27 Tylor, Edward Burnett: Primitive Culture, London 1871, S. 1.

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wissenschaftlicher Theoriebildung überwunden. Damit einher ging die Aufdeckung der vielfältigen immateriellen Faktoren eines jeden Objekts, die nun produktiv erfasst und vermittelt werden können. Überdies wird so einem Auseinanderdriften des materiellen und des immateriellen Kulturerbes entgegengearbeitet beziehungsweise werden diese allererst wieder aufeinander zugeführt. Das Konzept der Kulturlandschaft hat so die Welterbkonvention erweitert und weiterentwickelt, auch und insbesondere durch die Berücksichtigung der immateriellen Werte von Kulturdenkmalen und Landschaften. Kurz, die je einzelne, additive Registrierung von Welterbestätten ist zu einer integrativen Betrachtungsweise genetisch komplexen Welterbes transformiert worden.28

3.  Die Einführung von transnationalen seriellen Welterbestätten Über die genannten empirischen Studien und die Konzeption der Kulturlandschaften hinaus wurden als weiteres Regelungswerk für eine ausgewogenere regionale Verteilung der Kulturerbestätten sogenannte Tentativlisten durch die Vertragsstaaten erstellt, also Vorschlagslisten der Kulturerbestätten im Wartestand, die durch ICOMOS evaluiert werden. Ein scheinbar gegenläufiges Instrument zur Reduzierung der Anträge ist die Einführung von seriellen grenzüberschreitenden Welterbestätten, die jedoch einerseits dem Grundgedanken der Welterbeliste, nämlich einer übernationalen Zusammenarbeit der Länder entspricht und andererseits im Bereich der Kulturlandschaften dem „Zusammenwirken unterschiedlicher Kulturen oder Handelsbeziehungen (Kulturrouten)“ und Räume Rechnung trägt und damit erneut im Sinne einer globalen Strategie für eine ausbalancierte, repräsentative und glaubwürdige Welterbeliste zu werten ist.29 Um den übernationalen Charakter der Idee des Welterbes als Besitz der gesamten Menschheit zu etablieren, wurden insbesondere grenzüberschreitende Anträge im Jahre 2001 vom Kontingent der Vertragsstaaten (damals ein materielles Weltkulturerbe und ein Natur­erbe pro Jahr) ausgenommen. So konnte 2004 der Muskauer Park des Fürsten P ­ ückler zusätz28 Meyer-Rath, Anne: Zeit-nah, Welt-fern? Paradoxien in der Prädikatisierung von immateriellem Kulturerbe, in: Hemme, Dorothee/Tauschek, Markus/Bendix, Regina (Hg.), Prädikat „Heritage“. Wertschöpfungen aus kulturellen Ressourcen (Studien zur Kulturanthropologie/Europäischen Ethno­ logie, Bd. 1), Berlin 2007, S. 147–176, v.a. S. 174; El Alfy Hundsnurscher, Eva-­Marie: Materiel­les und immaterielles Erbe – zwei Teile eines Ganzen? in: Albert, Marie-Theres/Gauer-Lietz, ­Sieglinde (Hg.), Perspektiven des Welterbes, Frankfurt a.M. 2006, S. 131–139, v.a. S. 134ff.; First Proclamation of Masterpieces of the Oral and Intangible Heritage of Humanity, UNESCO, o.O. 2001; Second Proclamation of Masterpieces of the Oral and Intangible Heritage of Humanity, Paris 2004. Auf der 34. Sitzung des Welterbekomittees in Brasilia 2010 wurde in einem Bericht des Direktors des World Heritage Centers, Francesco Bandarin, insbesondere die Verbindung zwischen der Liste des immateriellen Weltkulturerbes und des materiellen Weltkulturerbes betont, vgl. WHC-10/34.Com/5E p. 7–11; Eva-Maria: Kulturlandschaften, S. 220. 29 Schlünkes, Kurt, Die Globale Strategie für eine ausgewogene Welterbeliste, in: Deutsche UNESCO Kommission e.V. (Hg.), Welterbe-Manual. Handbuch zur Umsetzung der Welterbekonvention in Deutschland, Luxemburg, Österreich und der Schweiz, Bonn 2009, S.104–112, hier S. 110f.

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17  Muskau: Partie am Eichsee

lich zu der sonstigen deutschen Nominierung als polnisch-deutscher Antrag eingebracht und eingetragen werden (Abb. 17). Ebenso wurde der Eintrag des obergermanisch-raetischen Limes als Grenze des römischen Reiches im Jahr 2005 als Erweiterungsantrag zur Aufnahme des Hadrianswalls in England und Nordirland von 1987 gewertet. Seit 2005 werden grenzüberschreitende Anträge dem federführenden Vertragsstaat angerechnet – so zum Beispiel im Falle der Bauten Le Corbusiers, wo Frankreich die Eintragung forcierte. Ein neueres Projekt transnationaler Nominierung sind die Seidenstrasse und das kulturelle Erbe entlang der Strasse, die China und Länder Zentralasiens erfasst.30 Im Falle der Pfahlbauten des Alpenraumes ging die Initiative des Antrags von der Schweiz aus, die diese Stätten schon 2004 im Sinne der globalen Strategie „Filling the gaps“ (Schließung der Lücken) auf ihre Tentativliste gesetzt hatte und damit die anderen Staaten quasi huckepack auf ihrem Ticket in die Welterbeliste mitnahm. Für die Bundesrepublik beziehungsweise für die anderen Stätten auf der bundesrepublikanischen Tentativ­liste war die Eintragung damit neutral beziehungsweise wurde nicht auf deren Deputat angerechnet. Damit wurden Stätten in einer Serie nominiert, was der globalen Strategie der Welterbelistung geschuldet ist. Im Ergebnis zeitigten also die Problematisierung des Eurozentrismus und die Reflexion der theoretisch-methodischen Grundlagen zur Verleihung der Welterbe-Titel prak30 Ebd. S. 107.

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tische Folgen: zum einen empirische Studien, zum anderen die Neukonzeptionierung des Begriffes der Kulturlandschaften, zum dritten die Tentativlisten. Die Globalisierung und Internationalisierung führten durch die Aufnahme der Kulturlandschaften und die Einbeziehung immaterieller Elemente zu moderneren, offeneren Formulierungen der Aufnahmebedingungen. Die Weiterentwicklung dieser räumlichen Kategorie der Kulturlandschaften durch die Einführung serieller und transnationaler Welterbestätten trägt nicht nur den Vorstellungen von Kulturtransfer und Kulturaustausch Rechnung, sondern überwindet insbesondere im Bereich von archäologischen oder zeitlich weit zurückliegenden Stätten und Trassen die heutigen künstlich gesetzten Staatsgrenzen und lässt alte Humanregionen wieder sichtbar werden.

4. Die Pfahlbauten als Möglichkeit einer Zusammenschau von Natur und ­Kultur und damit einer integralen Sicht auf das Erbe der Menschheit Die Pfahlbauten ermöglichen in mehrfacher Hinsicht eine Überwindung der im 20. Jahrhundert eingeführten Denktraditionen und Trennung zwischen Natur- und Kultur- oder Geisteswissenschaften. So werden Natur und Kultur vor ihren theoretischen, methodischen und empirischen Analogien als künstliche Setzungen deutlich, wenn man in Langzeitstudien, und das ermöglicht im Falle der Pfahlbauten ein Zeitraum von nahezu fünf Jahrtausenden, den Naturraum in Verbindung mit der Gesellschafts- und Wirtschaftsentwicklung des Menschen untersucht, wenn man die Bedeutung des Klimas, der Nahrung, die sozialen und kulturellen Schwankungen einerseits und deren Langzeitstrukturen andererseits beleuchtet. Hierbei kann keine additive Sammlung von Einzelphänomenen das Ziel sein, sondern vielmehr eine ökologische Zusammenschau von Natur und Kultur unter dem Vorzeichen der Umwelt. Die Pfahlbauten und die Ur- und Frühgeschichtliche Pfahlbauforschung mit ihren Funden, Spekulationen und Rekonstrukt­ionen kann durch die neuen naturwissenschaftlichen Technologien in Verbindung mit archäologischen, geologischen, geographischen und historischen Erkenntnissen in neue umwelt- und klimageschichtliche Fragestellungen eingebunden werden, die durch eine interdisziplinäre Zusammenschau, wie sie in den Forschungsstellen in Hemmenhofen und in der Schweiz seit Jahren verfolgt wird, zu neuen Antworten führen können. Dazu bedarf es jedoch neuer Wege der Kommunikation. Die Anfänge hierzu sind jedoch gemacht, die interdisziplinäre wissenschaftliche Arbeit ist erprobt, die politische transnationale Zusammenarbeit ebenfalls, die Eintragung ist erfolgt. Nun fehlt der letzte Schritt, nämlich der Transmission an die interessierte Öffentlichkeit. Dieser Art grenzüberschreitender serieller Welterbestätte besäße dann nicht nur die schon sichtbar gewordene Aktualität und gesellschaftliche Relevanz, sondern wäre geeignet, Geschichte, Kultur und Natur im Alpenraum einer integralen Zusammenschau zu unterziehen.

Kultur, Natur, Ökologie     |

Literatur Braudel, Fernand: La Méditteranée et le Monde méditerranéen à l`époque de Philippe II, Paris 1949. Braun, Nikola: Globales Erbe und regionales Ungleichgewicht. Die Repräsentativitätsprobleme der UNESCO-Welterbeliste, Hamburg 2007. Burke, Peter: Die Geschichte der „Annales“. Die Entstehung der neuen Geschichtsschreibung, Berlin 2004. El Alfy Hundsnurscher, Eva-Marie: Materielles und immaterielles Erbe – zwei Teile eines Ganzen? in: Albert, Marie-Theres/Gauer-Lietz, Sieglinde (Hg.), Perspektiven des Welterbes, Frankfurt a. M. 2006, S. 131–139. First Proclamation of Masterpieces of the Oral and Intangible Heritage of Humanity, UNESCO, o.O. 2001. Howard, Peter: Partizipation und Wahrnehmung in Kulturlandschaften, in: Albert, Marie-Theres/­GauerLitz, Sieglinde (Hg.), Perspektiven des Welterbes, Frankfurt a. M. 2006, S. 153–161. Knox, Paul L./Marston, Sallie A.: Humangeographie, Heidelberg 2001, S. 181. Levi-Strauss, Claude: Remembers … Interview by Georges Kutudjian, in: The UNESCO Courier 5 (2008), S. 49–52. Lowenthal, David: The Heritage Crusade and the Spoils of History, Cambridge 1998. Meyer-Rath, Anne: Zeit-nah, Welt-fern? Paradoxien in der Prädikatisierung von immateriellem Kulturerbe, in: Hemme, Dorothee/Tauschek, Markus/Bendix, Regina (Hg.), Prädikat „Heritage“. Wertschöpfungen aus kulturellen Ressourcen (Studien zur Kulturanthropologie/Europäischen Ethnologie Bd. 1), Berlin 2007, S. 147–176. Mitchell, Nora/Rössler, Mechthild/Tricaud, Pierre-Marie: World Heritage Cultural Landscapes. A Handbook for Conservation und Management, Paris 2009. Rehling, Andrea: Universalismen und Partikularismen im Widerstreit. Zur Genese des UNESCO-Welterbes, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe 8 H. 3 (2011), S. 414–436, http://www.zeithistorische-forschungen.de/16126041-Rehling-3-2011. Ritter, Joachim: Landschaft. Zur Funktion des Ästhetischen in der modernen Gesellschaft, in: Ders., Subjektivität, Frankfurt a.M. 1974, S. 141–191. Rössler, Mechthild: Neue Perspektiven für den Schutz von Kulturlandschaften. Kultur und Natur im Rahmen der Welterbekonvention, in: Geographische Rundschau 6 (1995), S. 343–347. Rössler, Mechthild: Welterbe Kulturlandschaften. Eine globale Perspektive, in: Albert, Marie-Theres/ Gauer-­Lietz, Sieglinde (Hg.), Perspektiven des Welterbes. Constructing World Heritage, Frankfurt a. M. 2006. Schlünkes, Kurt, Die Globale Strategie für eine ausgewogene Welterbeliste, in: Deutsche UNESCO Kommission e.V. (Hg.), Welterbe-Manual. Handbuch zur Umsetzung der Welterbekonvention in Deutschland, Luxemburg, Österreich und der Schweiz, Bonn 2009, S.104–112. Second Proclamation of Masterpieces of the Oral and Intangible Heritage of Humanity, Paris 2004. Seng, Eva-Maria: Die Welterbeliste – zwischen Kanonbildung und Kanonverschiebung; Vortrag auf dem XXX. Kunsthistorikertag in Marburg, elektronische Veröffentlichung Paderborn 2009, http://digital. ub.uni-paderborn.de/ubpb/urn/urn:nbn:de:hbz:466:2-7468. Seng, Eva-Maria: Kulturerbe zwischen Globalisierung und Lokalisierung, in: Speitkamp, Winfried (Hg.), Europäisches Kulturerbe – Bilder, Traditionen, Konfigurationen (Arbeitshefte des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen, Bd. 23), Stuttgart 2013. Seng, Eva-Maria: Kulturlandschaften. Die Rückgewinnung des immateriellen Kulturerbes in die Landschaft, in: Klevesath, Lino/Zapf, Holger (Hg.), Demokratie – Kultur – Moderne. Perspektiven der politischen Theorie, München 2011, S. 201–220. Strasser, Peter: Wo das Immaterielle das Materielle berührt. Immaterielle Aspekte der UNESCO-Welterbeliste, in: Berger, Karl C./Schindler, Margot/Schneider, Ingo (Hg.), Erb.gut? Kulturelles Erbe in Wissenschaft und Gesellschaft. Referate der 25. Österreichischen Volkskundetagung vom 14.–17.11.2007 in Innsbruck, Wien 2009. Tylor, Edward Burnett: Primitive Culture, London 1871.

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PRÄHISTORISCHE PFAHLBAUTEN: UNSICHTBARES WELTERBE

Helmut Schlichtherle

PRÄHISTORISCHE PFAHLBAUTEN IN SÜDWESTDEUTSCHLAND Unsichtbares Welterbe – faszinierende Forschung

Die Seen und Moore des zirkumalpinen Raumes enthalten einzigartige archäologische Fundstätten: sogenannte „Pfahlbauten“. Es sind dies untergegangene Siedlungen der Jungsteinzeit, der Bronzezeit und vereinzelt auch der frühen Eisenzeit, die vom 5. bis 1. Jahrtausend v. Chr. im Randsaum von Gewässern, teilweise auch im flachen Wasser und auf Inseln oder Halbinseln erbaut waren. Bei ihrer Entdeckung im 19. Jahrhundert dachte man sich die Pfahlhäuser auf gemeinsamer Plattform errichtet. Heute wissen wir, dass es eine große Vielfalt an Baukonstruktionen gab, mit denen man auf nassem und schwankendem Grund, in hochwassergefährdeter Uferlage, im periodisch überfluteten Wasserwechselbereich oder im Flachwasser zu siedeln verstand. Die Fundstätten liegen heute im Grund der Seen oder in den moorigen Ablagerungen verlandeter Gewässer, in seltenen Fällen auch in vermoorten Talauen.1 Diese Ufer- und Moorsiedlungen bieten einzigartige Einblicke in das Leben vorgeschichtlicher Bevölkerungsgruppen. Nirgends sonst in der Welt kann die Entwicklung früher Zivilisationen, ihrer Technik, Wirtschaft und Umwelt so genau verfolgt werden wie an den Seen des Alpenvorlandes, wo in der Schweiz, in Ostfrankreich, Ober­italien, Slowenien, Österreich, in Süd- und Südwestdeutschland insgesamt etwa 1.000  Fundstätten bekannt geworden sind. In Seesedimente und Torf eingebettet und vom Luftsauerstoff abgeschlossen, erhielten sich hier neben Steingeräten und Keramikfunden organische Materialien über die Jahrtausende, dabei vor allem  – im prähistorischen Fundmaterial sonst so seltene – Holzgeräte, Textilien und Nahrungsvorräte. Die Funde liegen oft in umfangreichen, aus Siedlungsabfällen und Bauschutt bestehenden „Kulturschichten“ eingebettet. Viele Fundstätten umfassen riesige Mengen botanischer Reste 1 Eine Übersicht zum Phänomen Pfahlbauten bieten: Menotti, Francesco (Hg.): Living on the Lake in Prehistoric Europe, London 2004; Ders.: The End of the Lake-Dwellings in the Circum-Alpine Region, Oxford 2015. – Populäre Einführungen in das Thema: Suter, Peter/Schlichtherle, Helmut (Hg.): Pfahlbauten, UNESCO-Welterbekandidatur „Prähistorische Pfahlbauten rund um die Alpen“, Bern 2009; Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg/Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart (Hg.): 4000 Jahre Pfahlbauten, Ostfildern 2016; Corboud, Pierre/Schaeren, Gishan F.: Die Pfahlbauten der Schweiz, Bern 2017.

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und zigtausende von Pfählen. Die Hölzer lassen die Standorte einzelner Gebäude und die Baustrukturen ganzer Siedlungsanlagen erschließen. In besonderen Fällen sind vollständige Hausgrundrisse mit substantiell erhaltenen Holzfußböden und Feuer­stellen erhalten. Gleitet man mit dem Boot über die Wasserfläche oder wandert man in den Moorlandschaften, so bleiben die Monumente unsichtbar im Grund verborgen. Im Schlamm der Seen versunken oder von Moor überlagert, können sie von der Oberfläche äußerst schwer oder gar nicht wahrgenommen werden. Nur wenn sie durch Erosion oder Baumaßnahmen freigelegt werden, treten sie für kurze Zeit an die Oberfläche. Die organischen Materialien unterliegen dann einer schnellen Zersetzung. Wo immer die Strukturen von Pfahlbauten sichtbar werden, ist dies ein Zeichen fortschreitender Zerstörung. Tiefere Einblicke ergeben sich erst durch eingehende archäologische Untersuchungen. Vor allem für moderne naturwissenschaftlich-archäologische Forschungs­methoden bieten die Pfahlbauten vielfältige Ansatzpunkte. Die interessierte Öffentlichkeit kann meist nur für die kurze Dauer einer Ausgrabungssaison oder eines „Tages der offenen Grabung“ einen authentischen Eindruck von den Befunden gewinnen. Aber auch dann bleibt vieles unsichtbar in der schwarzbraunen Masse der Kulturschichten verborgen, was erst durch systematische Bergung und anschließende Untersuchungen im Labor seine Geheimnisse preisgeben kann. Die Monumente können im Gelände weder in ihren Makro- noch in ihren Mikrostrukturen wirklich erfahren und überblickt werden. Forschungserkenntnisse setzen sich erst aus zahlreichen Einzelbeobachtungen zusammen, und die Archäologen und Naturwissenschaftler haben hier als Mediatoren eine besondere Bedeutung für die Vermittlung. Die Nomination und Ausweisung der „Pfahlbauten“ als UNESCO-Welterbe trägt diesen besonderen Bedingungen Rechnung, sowohl der großen wissenschaftlichen Bedeutung für die frühe Geschichte der Menschheit als auch der großen Vulnerabilität und Schutzwürdigkeit der Fundstätten und der damit verbundenen Erfordernis einer angemessenen Dokumentation und Vermittlung im Gelände nicht sichtbarer Monumente.

1.  Pfahlbauten in Baden-Württemberg Baden-Württemberg umfasst mit etwa 70 Stationen entlang des deutschen Bodensee­ ufers, etwa 35 Stationen in den Kleinseen und Mooren Oberschwabens und des Westtallgäus und zwei Stationen in einem Flusstal an der oberen Donau die nördlichste Gruppe des zirkumalpinen Pfahlbauphänomens (Abb. 1). Hier ist in unterschiedlichen Gewässern und unter verschiedenen geographischen und geologischen Bedingungen eine große Vielfalt an Siedlungsanlagen erhalten. Im Folgenden soll am Beispiel dieser Siedlungen der Gang ihrer Erkundung, ihre wissenschaftliche Bedeutung und die besondere denkmalpflegerische Problematik der „Pfahlbauten“ aufgezeigt werden, deren Kenntnis für den Umgang mit dem UNESCO-Welterbe von Bedeutung ist.

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1  Kartierung der prähistorischen Pfahlbaufundstätten in Baden-Württemberg und in den benach­ barten Gebieten der Schweizer Kantone Thurgau und Schaffhausen. Namentlich gelistete Stationen des UNESCO-Welterbes „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“ mit schwarzer Signatur: 1 Wangen-Hinterhorn, Öhningen; 2 Hornstaad-Hörnle, Gaienhofen; 3 Allensbach-Strandbad, Allensbach; 4 Wollmatingen-Langenrain, Konstanz; 5 Konstanz-Hinterhausen, Konstanz; 6 Litzelstetten-­K rähenhorn, Konstanz; 7 Bodman-Schachen, Bodman-Ludwigshafen; 8 Sipplingen-­ Osthafen, Sipplingen; 9 Unteruhldingen-Stollenwiesen, Uhldingen-Mühlhofen; 10 Schreckensee, Wolpertswende; 11 Olzreute-Enzisholz, Bad Schussenried; 12 Siedlung Forschner, Bad Buchau; 13 Alleshausen-­Grundwiesen, Alleshausen; 14 Ödenahlen, Alleshausen/ Seekirch; 15 Ehrenstein, Blaustein; 16 Thayngen-Weier, Thayngen; 17 Insel Werd, Eschenz; 18 Nussbaumer See, Hüttwilen; 19 Egelsee, Gachnang; 20 Bleiche, Arbon

1.1  Forschungspioniere und erste Wissenschaftler Die Entdeckung prähistorischer Pfahlbauten am Zürichsee im Winter 1853/54 führte zu einer fieberhaften Suche nach weiteren Fundstätten in den Alpenrandseen, an der sich schon bald auch badische und württembergische Forscher erfolgreich beteiligten. Zunächst waren es ortsansässige Amateure2, ab 1875/76 kamen professionelle Alter2 Zur frühen Forschungsgeschichte Keefer, Erwin (Hg.): Die Suche nach der Vergangenheit. 120 Jahre Archäologie am Federsee, Stuttgart 1992; Schöbel, Gunter: Die Spätbronzezeit am nordwestlichen

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tumskundler hinzu.3 Ihnen verdanken wir erste verlässliche Grabungsdokumente. Die Forschungspioniere entdeckten bereits eine Vielzahl an Siedlungsplätzen und hoben zahlreiche Funde, die in die Museen – auch des europäischen und amerikanischen Auslandes – gelangten. Zudem bargen sie Pflanzenreste und Tierknochen und führten sie einer naturwissenschaftlichen Analyse zu. Geeignete Ausgrabungsmethoden waren jedoch noch nicht entwickelt. Nur in besonderen Fällen gelang es, Hausgrundrisse und Palisaden zu erkennen. Die Auflösung der meist mehrphasigen Siedlungsanlagen in ihre einzelnen, aufeinanderfolgenden Bauhorizonte und die chronologische Einordnung des Fundmaterials waren somit noch nicht möglich. In den 1920er Jahren kam es am Federsee bei Bad Buchau zu ersten groß angelegten Forschungsgrabungen, mit denen sich das neu gegründete Urgeschichtliche Forschungsinstitut der Universität Tübingen an die Spitze der internationalen Pfahlbauforschung setzte. Damit befassten sich zum ersten Mal professionelle Prähistoriker mit den Pfahlbausiedlungen.4 Die Absenkungen des Federsee-Wasserspiegels seit 1787, die Entwässerung weiter Moorflächen und die Gewinnung von Brenntorf führten zur Entdeckung neuer Fundstätten. Es gelang die Freilegung ganzer Siedlungsanlagen, teils mit zugehörigen Palisadensystemen. Dabei ergaben sich erstmals vollständige Siedlungspläne, die wirkungsvoll in zeichnerische Rekonstruktionen und Modelle umgesetzt wurden. Die zeitliche Einordnung der Siedlungen und die Auflösung der Befunde in einzelne Siedlungsphasen gelang aber nur unvollständig und ließ viele Fragen offen. Die Ausgrabungen wurden von naturwissenschaftlichen Untersuchungen begleitet. Durch moorgeologische, botanische und zoologische Analysen entstand im Verbund mit archäo­logischen Ergebnissen ein dynamisches Bild des Siedlungs- und Landschaftswandels von der Jungsteinzeit bis in die Eisenzeit.5 Die beeindruckenden Ergebnisse waren indessen revisionsbedürftig. Am Bodensee folgte 1929/30 eine Ausgrabung in einem leergepumpten Caisson im Flachwasser von Sipplingen.6 Die Forschungen fanden hier aufgrund des hohen technischen Aufwandes zunächst keine Fortsetzung. Am Federsee führten sie indessen zur totalen Zerstörung wichtiger Fundplätze und gerieten in eine ideologische Sackgasse. Die letzten großen Ausgrabungen am Federsee waren 1937 mit umfangreicher Propa-

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Bodensee. Taucharchäologische Untersuchungen in Hagnau und Unteruhldingen 1982–1989 (Siedlungsarchäologie im Alpenvorland, Bd. 4), Stuttgart 1996, S. 15ff. Es waren dies am Federsee Eduard Paulus und Oscar Fraas von den königlichen Sammlungen in Stuttgart und am Bodensee ab 1897/98 Karl Schumacher von der Großherzoglich Badischen Altertümersammlung in Karlsruhe. Vor allem der Institutsgründer Robert Rudolf Schmidt und sein Schüler Hans Reinerth, der die Ausgrabungen in zunehmendem Maße selbst in die Hand nahm. Schmidt, Robert Rudolf: Jungsteinzeit-Siedlungen im Federseemoor, Augsburg 1930–37; Reinerth, Hans: Das Federseemoor als Siedlungsland des Vorzeitmenschen, Leipzig 1936; Bertsch, Karl: Paläo­botanische Monographie des Federseerieds, Stuttgart 1931. Reinerth, Hans: Das Pfahlbaudorf Sipplingen, Augsburg 1932.

Prähistorische Pfahlbauten in Südwestdeutschland      |

ganda der NSADAP verbunden und im Rahmen des Reichbundes für Deutsche Vor­ geschichte ideologisch ausgerichtet.7

1.2  Forschung und Denkmalpflege im Konflikt Die großen Ausgrabungen erfassten die Siedlungen total und überließen freigelegte Feuchtbodenbefunde nach der Untersuchung ungeschützt der Austrocknung und dem Frost. Die Denkmalpflege suchte dies zu verhindern, hatte damals aber nur ungenügende rechtliche Grundlagen. Die Stuttgarter Denkmalpfleger und ihre ehrenamtlichen Mitarbeiter vor Ort versuchten deshalb Siedlungsareale oder Teilbereiche von Siedlungen durch Flächenerwerb vor der Zerstörung durch das Forschungsunternehmen zu bewahren. Damit wollte man die einzigartigen Befunde zumindest teilweise für künftige Nachforschungen erhalten.8 Parallel zu den Erfolgen der großen Flächengrabungen entstand somit die denkmalpflegerische Forderung nach Bewahrung und verantwortungsvollem Umgang mit den einzigartigen Feuchtbodensiedlungen. Eine weitere, große Gefahr für den Bestand der Moorsiedlungen am Federsee konnte man indessen in ihrer Dynamik noch nicht richtig einschätzen. Die Austrocknung des Federseemoores entlang des südlichen Hauptentwässerungskanales war in den 1920er  Jahren zwar offenkundig und bereits ein Argument, in „Riedschachen“ mit Rettungs­g rabungen anzusetzen9, doch war die Mineralisierung und Sackung des ­Moores in zentraleren Bereichen erst wenig fortgeschritten. Als akute Bedrohung des gesamten, damals zudem noch ungenügend bekannten Denkmalbestandes konnte sie noch nicht empfunden werden.

7 Hans Reinerth war inzwischen zu einem hochrangigen Funktionär des Amtes Rosenberg avanciert, betrieb die Gleichschaltung der Altertumsverbände und nutzte die Pfahlbaugrabungen und ihre vermeintlichen Ergebnisse zur Untermauerung nationalsozialistischen Gedankengutes. Hierzu Strobel, Michael: Die Ausgrabungen des Reichsbundes für Deutsche Vorgeschichte, in: Leube, Achim/­Hegewisch, Morten (Hg.), Prähistorie und Nationalsozialismus, Heidelberg 2002, S. 277– 287. Zur Verbindung der Schweizer Pfahlbauforschung zu nationalistischem Gedankengut bereits im 19. Jahrhundert siehe: Kaeser, Marc-Antoine: Les Lacustres – Archéologie et mythe national, Lausanne 2004. 8 Strobel, Michael: Die Schussenrieder Siedlung Taubried I (Bad Buchau, Kr. Biberach). Ein Beitrag zu den Siedlungsstrukturen und zur Chronologie des frühen und mittleren Jungneolithikums in Oberschwaben, Stuttgart 2000, S. 43f.; Kimmig, Wolfgang: Die Wasserburg Buchau – eine spätbronzezeitliche Siedlung, Stuttgart 1992, S. 20ff.; Schlichtherle, Helmut, Die archäologische Fundlandschaft des Federseebeckens und die Siedlung Forschner, in: Billamboz, André/Köninger, Joachim/­Schlichtherle, Helmut/Torke, Wolfgang, Die früh-und mittelbronzezeitliche „Siedlung Forschner“ im Federseemoor, Befunde und Dendrochronologie (Siedlungsarchäologie im Alpenvorland, Bd. 11/Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, Bd. 113), Stuttgart 2009, S. 9–70, hier S. 50f. 9 Schmidt, Jungsteinzeit-Siedlungen, S. 8.

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1.3  Schwierige Zeiten nach dem Weltkrieg Im Gegensatz zur Schweizer Nachbarschaft, in der die Pfahlbauuntersuchungen nach dem Zweiten Weltkrieg weitergingen und zum Beispiel in „Burgäschisee-Süd“ und in „Niederwil“ methodisch weiterentwickelt wurden10, stagnierte die südwestdeutsche Pfahlbauforschung nach dem ideologischen Missbrauch im „Dritten Reich“ noch lange Zeit und damit auch die denkmalpflegerische Betreuung der schwer zugänglichen Fundstätten unter Wasser und im Moor. Große Mengen freigespülter Funde wurden am Bodensee nur zögerlich als Alarmsignale fortschreitender Erosion von Siedlungsarealen erkannt. Auch der Baggerung von Jachthäfen und der damit verbundenen Vernichtung bedeutender Fundstellen ab 1960 wusste die baden-württembergische Denkmalpflege in den Zeiten des Wirtschaftswunders noch nichts entgegenzusetzen Die Kenntnis der Fundstätten war zu ungenügend, Wasserbauverfahren gingen nicht über den Schreibtisch der Denkmalpfleger, und geeignete taucharchäologische Methoden waren noch nicht entwickelt. In den Mooren Oberschwabens schritt die Entwässerung und damit die Austrocknung der prähistorischen Fundstätten voran. Einzig in Ehrenstein bei Ulm, wo in der Talaue der Blau 1952 ein hervorragend erhaltenes Steinzeitdorf durch Baggerungen zum Vorschein kam, ging es mit einer Rettungsgrabung der Denkmalpflege weiter.11 Ihr folgte 1960 eine für ihre Zeit vorbildliche Forschungsgrabung. Hier lagen vier Bauhorizonte in einem 1 m mächtigen Kulturschichtpaket übereinander. Die Siedlung zeigte ähnlich wie die frühen Dörfer am Federsee eine regelmäßige Bebauung mit mehreren Häuserzeilen.12 Am Federsee versuchte in den 1950er Jahren eine Gruppe von Naturwissenschaftlern, mit neuen Methoden kritisch an die Vorkriegsuntersuchungen anzuknüpfen.13 Der nun evidenten Zerstörung großer Teile des Moores und darin enthaltener archäologischer Stätten durch Entwässerung, Landwirtschaft und Aufforstung konnte sie jedoch nicht entgegenwirken. 10 Müller-Beck, Hansjürgen: Seeberg Burgäschisee-Süd, Topographie und Stratigraphie (Acta Bernensia II), Bern 2005; Waterbolk, Harm Tjalling/van Zeist, Willem (Hg.): Niederwil, eine Siedlung der Pfyner Kultur, Band I: Die Grabung (Academica Helvetica 1), Bern 1978. 11 Die Untersuchungen lagen in den Händen der Stuttgarter Landeskonservatoren Oskar Paret und Hartwig Zürn, die Grabungstechnik bei Fritz Maurer. 12 Zürn, Hartwig: Das Jungsteinzeitliche Dorf Ehrenstein (Kreis Ulm). Ausgrabung 196, Stuttgart 1965. 13 Zur Arbeitsgruppe um Ernst Wall gehörten vor allem der Moorkundler Karlheinz Göttlich, die Pollenenalytiker Gerhard Gronbach und Walter Blank, später auch die Archäologen Peter und Rudolfine Schröder; vgl. Wall, Ernst: Der Federsee von der Eiszeit bis zur Gegenwart, in: Zimmermann, Walter (Hg.), Der Federsee. Die Natur- und Landschaftsgebiete Baden-Württembergs 2, Stuttgart 1961, S. 228–315; Ders.: Archäologische Federseestudien, in: Siedlungsarchäologie im Alpenvorland V (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, Bd. 67), Stuttgart 1998, S. 11–76; Schröter, Rudolfine: Die Ausgrabungen des Urgeschichtlichen Forschungsinstituts der Universität Tübingen (UFI) in Aichbühl und Riedschachen (1919–1930). Berichte zu Ufer und Moorsiedlungen Südwestdeutschlands IV, Stuttgart 2009.

Prähistorische Pfahlbauten in Südwestdeutschland      |

2.  Mit neuem Elan Es war deshalb höchste Zeit, als 1979 das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg sein „Projekt Bodensee-Oberschwaben“ begründete, das den Denkmalbestand im Flachwasser des Bodensees und in den Feuchtgebieten Oberschwabens erhob.14 Durch Be­­gehungen, Bohrungen und Sondagen wurden die Pfahlbaufundstätten im Gelände wieder identifiziert und neue Entdeckungen gemacht. Die Untersuchungen nutzten winterliche Niederwasserstände des Bodensees, bei denen Teile der Flachwasserzone trockenfallen. Im tieferen Wasser kamen Taucharchäologen zum Einsatz.15 In Oberschwaben konnte vor allem in den trockenen Sommermonaten mit moorarchäologischen Methoden gearbeitet werden. Oft nur wenige Quadratmeter umfassende Grabungsschnitte dienten der exemplarischen Entnahme archäologischer Funde sowie der Bergung naturwissenschaftlichen Probenmaterials. Ziel war die Datierung und kulturelle Zuordnung der Fundstätten und eine erste Einschätzung zum Erhaltungszustand der einzelnen Stationen. Damit konnte eine gute Übersicht des Denkmalbestandes in den Seen und Mooren Baden-Württembergs gewonnen werden, die sich durch neue Entdeckungen zunehmend ausbauen ließ. Die gewonnenen Erkenntnisse lagen nicht zuletzt der Auswahl von Stationen für die Welterbeliste zugrunde.

2.1  Eine Arbeitsstelle für das feuchte Kulturgut Es war ein entscheidender Schritt des damaligen Landesdenkmalamtes Baden-Württem­ berg, am Bodensee eine Arbeitsstelle vor Ort zu begründen, die wir ab 1981 in Hemmen­ 14 Die Initiative ging vom damaligen Landesarchäologen Dieter Planck sowie von Edward Sangmeister und Christian Strahm von der Universität Freiburg aus. Die Arbeitsgruppe unter Leitung des Verfassers bestand aus der Pollenanalytikerin Helga Liese-Kleiber, dem Archäologen André ­Billamboz und dem Archäobotaniker Manfred Rösch. Hinzu kamen im technischen Bereich Eckehard Liese, Karl Probst und Franz Herzig, später Arno Harwath. – Zu den Unternehmungen vgl. die Beiträge im Band: Berichte zu Ufer- und Moorsiedlungen Südwestdeutschlands 1, Materialhefte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, Bd. 7, Stuttgart 1985 und im Band: Siedlungsarchäologie im Alpenvorland II, Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in BadenWürttem­berg, Bd. 37, Stuttgart 1990. Eine populäre Übersicht zu Methoden und Fragestellungen bieten Schlichtherle, Helmut/Wahlster, Barbara: Archäologie in Seen und Mooren, den Pfahlbauten auf der Spur, Stuttgart 1986. 15 Ulrich Ruoff und seine Mitarbeiter von der Stadtarchäologie Zürich leisteten durch erste Taucheinsatze am Bodensee Entwicklungshilfe für den Aufbau einer eigenen Taucharchäologie. Ab 1981 gingen Fachstudenten der Universität Freiburg unter Wasser. Es waren dies vor allem Michael ­K insky, Joachim Köninger, Martin Kolb, Martin Mainberger, Adalbert Müller und Gunter ­Schöbel. Martin Mainberger, Adalbert Müller und Joachim Köninger haben sich in der Folge als Tauch­ archäologen professionalisiert und viele Einsätze für die Denkmalpflege durchgeführt. Martin Mainberger und Adalbert Müller unternahmen den Aufbau einer Ausbildung von Unterwasser­ archäologen, zunächst in Kooperation mit der Universität Konstanz, heute im Rahmen des“ Hemmenhofen Training Center for Inland Water Archaeology“ als Teil des „UNITWIN Network for Underwater Archaeology“.

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2  Das Zentrum der neuen Pfahlbauforschung und Denkmalpflege am Bodensee, die 1981 begründete Dienststelle des Landesamtes für Denkmalpflege in Hemmenhofen. Sie umfasst Einrichtungen für die Unterwasser- und Moorarchäologie, Laboratorien für Pollenanalyse und Archäobotanik, Pedologie, Dendrochronologie und Anthrakologie

3 Dendrochronologisches Labor Hemmenhofen, ­Vermessung von Jahrringserien an Pfahlbauhölzern

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hofen installieren konnten.16 Der Umgang mit feucht konservierten Geschichtsquellen erfordert ein hohes Maß an Spezialisierung, den sicheren Umgang mit Techniken der Unterwasserarchäologie und eine intensive Zusammenarbeit von Archäologen und Naturwissenschaftlern. Die Arbeitsstelle (Abb. 2) vereinigte deshalb Arbeitsplätze für Archäologen und spezielle Ausstattungen für Tauch- und Moorarchäologie mit naturwissenschaftlichen Laboratorien für Dendrochronologie (Abb. 3), Archäobotanik und Sedimentologie/Pedologie. In eine Dauereinrichtung des Landes überführt, setzen die Laboratorien in Hemmenhofen heute als Dienststelle des Landesamtes für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart ihre Arbeit fort. Mit dem Monitoring und Management der UNESCO-Fundstätten ist ihr eine weitere Aufgabe zugewachsen.

2.2  Denkmalpflege unter Wasser Die Arbeitsstelle bot zugleich die Basis, eine auf die Moore und Seen ausgerichtete Denkmalpflege aufzubauen. Es gehörte zu ihren ersten Aufgaben, das Kulturgut unter Wasser in der Regionalplanung zu verankern, die mit dem „Bodenseeuferplan“ 1983/84 Bestandskraft erhielt. Massive Eingriffe in Pfahlbausiedlungen konnten am Bodensee seitdem weitgehend verhindert werden. Zudem gelang es im Verbund mit Wasserbehörden und Kommunen, Bojenfelder und Slipanlagen zu verlegen sowie Veränderungen der Ufer und Hafenerneuerungsarbeiten archäologieverträglich zu gestalten. Im Bemühen um die Erhaltung der Unterwasserdenkmale entwickelte sich eine fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Amt für Archäologie des Kantons Thurgau, das für die Pfahlbaufundstätten am Südufer des Bodensees zuständig ist.17 Damit ließ sich die erforderliche öffentliche Aufmerksamkeit für das bedrohte Kulturerbe im internationalen Gewässer besser gewinnen, und in grenzüberschreitenden Projekten konnten denkmalpolitische wie forschungsstrategische Ziele erreicht werden, zum Beispiel eine Kooperation mit dem Limnologischen Institut der Universität Konstanz und dem Institut für Seen­ forschung in Langenargen, die für eine Bewahrung der Pfahlbaufundstätten im Flachwasser des deutschen wie schweizerischen Ufers von anhaltender Bedeutung ist.18

16 Planck, Dieter, Siedlungsarchäologische Untersuchungen im Alpenvorland. Einleitung, in: Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 71 (1990), S. 26–37; Billamboz, André/Planck, Dieter/ Schlichtherle, Helmut/Strahm, Christian: L’occupation palafittique dans le sud-ouest de l’Allemagne: Le programme de recherche „Siedlungsarchäologische Untersuchungen im Alpenvorland“, in: Les Nouvelles de l’Archéologie 2 (1987), S. 56–63. 17 Brem, Hansjörg/Schlichtherle, Helmut: „Nasse Denkmäler“, Chancen und Probleme des Kulturgutes unter Wasser, in: Landesdenkmalamt Baden-Württemberg (Hg.), Was haben wir aus dem See gemacht? Kulturlandschaft Bodensee, Arbeitsh. 10, Stuttgart 2001, S. 19–30. 18 Brem, Hansjörg/Eberschweiler, Beat/Grabher, Gerhard et al. (Hg.): Erosion und Denkmalschutz am Bodensee. Ein internationales Projekt im Rahmen des Interreg IV-Programms „Alpenrhein-­ Bodensee-Hochrhein“ zur Entwicklung von Handlungsoptionen zum Schutz des Kulturgutes unter Wasser (Vorarlberg Museum Schrift 1), Bregenz 2013.

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2.3  Projekte zum nachhaltigen Schutz von Pfahlbausiedlungen Schnell wurde klar, dass der Denkmalbestand in den Seen und Mooren heute in besonderer Weise gefährdet ist. Erosionsvorgänge in der Flachwasserzone des Bodensees legen Pfahlfelder und Kulturschichten frei, Wasserbaumaßnahmen greifen in die Denkmale ein, und bestehende Hafenanlagen zeitigen nicht selten weitere Erosionsfolgen. In den Mooren Oberschwabens sind die Fundhorizonte durch Grundwasserabsenkung von der Austrocknung bedroht. Die beobachteten Zerstörungsvorgänge machten es notwendig, Methoden des nachhaltigen Schutzes von Fundstätten im Gelände zu entwickeln. Ab 1980 konnten in Abstimmung mit dem Naturschutz „Landesmittel zum Erwerb archäologisch bedeutsamer Flächen“ im Federseegebiet konzentriert werden. Zahlreiche Parzellen des Moorgebietes ließen sich erwerben, doch erst die Ausweisung neuer Schutzgebiete und die Durchführung beschleunigter Flächenumlegungsverfahren ermöglichte schließlich die Wiedervernässung bedeutender Areale. Die Maßnahmen wurden im Rahmen von EU-LIFE-Projekten vom Naturschutzreferat des Regierungspräsidiums Tübingen in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege durchgeführt.19 Im Flachwasser des Bodensees wurde in Zusammenarbeit mit den Wasserbehörden 1986 begonnen, Geotextil und Kiesabdeckungen auf erosionsgefährdeten Siedlungs­ flächen auszubreiten. Fragen des Erosionsschutzes ließen sich im Rahmen eines von der EU und den Schweizer Kantonen geförderten INTERREG IV-Projektes 2008–2011 auf­g reifen20 und werden in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten ReWaM-Projekt seit 2015 weiter verfolgt. Eine vorläufige Bilanz der am deutschen Uferabschnitt durchgeführten Maßnahmen lässt die ökologische Verträglichkeit und anhaltende Wirksamkeit des Erosionsschutzes erkennen.21 Die Projekte legten vor allem auch wesentliche Grundlagen für das schwierige Monitoring der Fundstätten unter Wasser.22

19 Schlichtherle, Helmut/Strobel, Michael (Red.): Archäologie und Naturschutz am Federsee, Begleitheft zur Ausstellung im Europarat Straßburg, Stuttgart 1999; Kracht, Volker/Schlichtherle, ­Helmut: Restaurierung von Habitaten und Wiedervernässung prähistorischer Feuchtbodensiedlungen im nördlichen Federseeried, in: Brem, Hansjörg/Ramseyer, Denis/Roulière-Lambert, Marie-Jeanne et al. (Hg.), Archéologie et Èrosion 3. Actes de la troisième Rencontre Internationale Arenenberg et Hemmenhofen 8.–10. Okt. 2014, Lons-le-Saunier 2015, S. 43–51. 20 Brem et al, Interreg, S. 113–126. 21 Ostendorp, Wolfgang/Köninger, Joachim/Schlichtherle, Helmut: Schutzmaßnahmen für Pfahlbausiedlungen am baden-württembergischen Bodenseeufer, Verfahrenstechniken, Bestand, Erfahrungen, ebd., S.113–126; Ostendorp, Wolfgang: Ökologische Begleituntersuchungen an drei denkmalpflegerischen Erosionssicherungsmaßnahmen am deutschen und schweizerischen Bodenseeufer, ebd., S. 149–169. 22 Köninger, Joachim/Mainberger, Martin: Erosionsschutz und Monitoring des Kulturgutes unter Wasser am Baden-Württembergischen Bodenseeufer, in: Brem et al., Archéologie et èrosion 3, S. 53–62; Brem et al., Interreg, S. 183ff.

Prähistorische Pfahlbauten in Südwestdeutschland      |

2.4  Denkmalpflege und Forschung Im Prinzip gilt heute für die archäologische Denkmalpflege: Die Fundstätten sind im Gelände zu erhalten, und allfällige Gefahren ihrer Zerstörung sind abzuwenden. Unabweisbare Baumaßnahmen, nicht reparable Erosionsschäden oder nicht beherrschbare Austrocknungsprozesse machen jedoch Eingriffe und Rettungsgrabungen notwendig. Solche Maßnahmen bringen umfangreiche archäologische und naturwissenschaft­ liche Auswertungsarbeiten mit sich, die in der Regel die Möglichkeiten der Denkmalpflege überschreiten. Für die Forschung bieten sie jedoch einmalige Quellen. Deshalb war und ist es erforderlich, Fördermittel für Projekte einzuwerben, die eingehende archäo­logische Auswertungsarbeiten und naturwissenschaftliche Begleitunter­ suchungen ermöglichen. Zudem ist es wichtig, neuentdeckte oder unzureichend bekannte Siedlungs­areale zu erkunden. Was unter Wasser oder unter der Vegetationsdecke der Feucht­gebiete verborgen liegt, kann ohne eingehende Untersuchung und Kartierung im Gelände, ohne lokale Kenntnis der archäologischen, hydrologischen, sedimentologischen und moorstratigraphischen Verhältnisse und ohne Einblicke in den aktuellen Erhaltungszustand weder einem erfolgreichen Monitoring zugeführt werden noch effektiv geschützt werden. Auch in solche Erkundungsmaßnahmen können sich Forschungsprojekte ein­k linken. Eine wesentliche Aufgabe der Arbeitsstelle in Hemmenhofen war und ist es deshalb, Drittmittel für entsprechende Untersuchungen einzuwerben. Mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Fritz Thyssen Stiftung und der EU sowie im Verbund mit den Universitäten sind bereits zahlreiche Projekte durchgeführt worden.

3.    Neue Ergebnisse 3.1 Ausgrabungsstätten Die Fülle der gewonnenen Informationen und Ergebnisse übersteigt alle Erwartungen. Das gilt nicht nur für die südwestdeutschen Unternehmungen, sondern in gleichem Maße auch für die umfangreichen Pfahlbauuntersuchungen in den anderen Alpen­ ländern, allen voran der Schweiz, deren kantonale Denkmalbehörden und Universitäten seit den 1970er Jahren große Anstrengungen unternommen haben. Im Folgenden sollen wichtige Forschungsprojekte und Ergebnisse im Raum Bodensee-Oberschwaben-West­ allgäu kurz vorgestellt werden. Dies ist im vorliegenden Rahmen nur skizzenhaft möglich. Es wird jedoch deutlicher werden, wie tief man durch moderne Grabungs- und Auswertungsmethoden in das Leben der Pfahlbausiedlungen und in ihre Umwelt eindringen kann und worin die aktuellen Forschungsfelder bestehen.

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4  Ausgrabungen bei winterlichem Niederwasser in den jungsteinzeitlichen Siedlungen Hornstaad am Untersee 1984

Im Rahmen eines DFG-Schwerpunktprogrammes gelang es 1983, die Erforschung der südwestdeutschen Pfahlbauten wieder zu beleben.23 Hier sind am Bodensee vor allem die Ausgrabungen in den jungsteinzeitlichen Pfahlbausiedlungen von Hornstaad am Untersee zu nennen (Abb. 4). Sie wurden in einem stark erodierten Uferbereich durchgeführt, um der endgültigen Zerstörung archäologischer Substanz im Wellenschlag des Sees zuvorzukommen. Die Untersuchungen brachten tiefgreifende Einsichten in große Siedlungsausschnitte und eine Weiterentwicklung der Untersuchungsmethoden. Erstmals ließen sich am Bodensee klare Befunde für Pfahlhäuser mit individuell vom Grund abgehobenen Fußböden beobachten24 (Abb. 5). Dendrochronologische Untersuchungen 23 Zu den Wissenschaftlern des Schwerpunktprogramms gehörten nun auf Antrag der Universität Freiburg: Helga Liese-Kleiber, Manfred Rösch und Ursula Maier als Botaniker, Mostefa Kokabi als Archäozoologe, Richard Vogt als Pedologe, Wolfgang Ostendorp als Sedimentologe, auf Antrag des Landesdenkmalamtes: Bodo Dieckmann und der Verfasser als Archäologen, André Billamboz als Dendrochronologe, auf Antrag des Württembergischen Landesmuseums: Erwin Keefer und Wolfgang Torke als Archäologen. Die Grabungstechnik hatten Arno Harwath und Friedel Könnel inne, naturwissenschaftlich-technische Aufgaben übernahmen Franz Herzig und Karl Probst. 24 Dieckmann, Bodo/Harwath, Arno/Hoffstadt, Jutta: Hornstaad-Hörnle IA. Die Befunde einer jungneolithischen Pfahlbausiedlung am westlichen Bodensee, in: Siedlungsarchäologie im Alpenvorland IX (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, Bd. 98), Stuttgart 2006.

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5  Rekonstruktion eines Pfahl­ hauses von Hornstaad-­Hörnle IA, um 3910 v. Chr.

erbrachten jahrgenaue Datierungen. Besonders aufschlussreich war die Untersuchung der ältesten Siedlungsanlage: Hier wurden um 3917 v. Chr. die ersten Häuser errichtet, und in den nächsten Jahren erfolgte Zug um Zug der Aufbau eines etwa 60–80 Haushalte umfassenden Haufendorfes. Ein Siedlungsbrand im Jahre 3909 v. Chr. gab die Möglichkeit, genauer zu erkunden, was sich an Hausrat, Nahrungsvorräten und Küchenab­f ällen, aber auch an Geräten für die Wald- und Landwirtschaft, Fischerei und Jagd in einzelnen Gebäuden befand.25 Im Dorf gab es zudem Teilzeitspezialisten zur Fertigung von Perlenschmuck.26 Wesentliche Erkenntnisse brachte die detaillierte feinstratigraphische Ausgrabung, die Einzeleinmessung der Funde, die systematische Siebung der Abtra25 Dieckmann, Bodo: Zum Stand der archäologischen Untersuchungen in Hornstaad, in: Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 71 (1990), S. 84–109; Dieckmann, Bodo/Harwath, Arno/Heumüller, Marion et al.: Eine kurze Dorfgeschichte. Hornstaad-Hörnle IA am Bodensee, in: Archäo­logisches Landesmuseum/Landesamt für Denkmalpflege, Pfahlbauten, S. 80–92; ­Matuschik, Irenäus: Die Keramikfunde von Hornstaad-Hörnle I-VI. Siedlungsarchäologie im Alpenvorland XII (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, Bd. 122), Stuttgart 2011, S. 11–342; Hoffstadt, Jutta: Die Untersuchung der Silexartefakte aus der Ufersiedlung Hornstaad-Hörnle IA. Siedlungsarchäologie im Alpenvorland VII, (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, Bd. 90), Stuttgart 2005. 26 Heumüller, Marion: Der Schmuck der jungneolithischen Seeufersiedlung Hornstaad-Hörnle IA im Rahmen des mitteleuropäischen Jungneolithikums. Siedlungsarchäologie im Alpenvorland X

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gungseinheiten auf der Suche nach kleinen Funden wie Fischknochen oder Produktionsabfällen der Perlenindustrie und die erstmals durchgeführte systematische Verprobung für botanische und insektenkundliche Untersuchungen in einem Quadratmeterraster.27 Botanische Untersuchungen, unter anderem an vollständig erhaltenen Getreide­ ähren (Abb. 6a), brachten detaillierte Kenntnisse zum Kulturpflanzenanbau, zum Sammeln wilder Pflanzen und zur Einlagerung der Erntevorräte in den Häusern.28 Mit Hilfe von Isotopenanalysen an Getreidevorräten ließ sich zeigen, dass die Haushalte jeweils Betriebseinheiten mit eigenen Landwirtschaftsflächen darstellten.29 Insektenkundliche Untersuchungen belegten, dass die Erntevorräte – ganz im Gegensatz zu neolithischen Mineralbodensiedlungen – kaum von Vorratsschädlingen heimgesucht wurden. In diesem Punkt boten Pfahlbausiedlungen offenbar die besseren Lagerungsbedingungen.30 Botanische und textilkundliche Untersuchungen gewährten Einblick in die große Bedeutung von Netzen und geflochtener Behälter, in Raumtextilien und Kleidungsstücke aus pflanzlichen Fasern (Abb. 6b).31 Die genaue Beobachtung der Fundverteilungen im Dorf gab näheren Aufschluß über die Siedlungs- und Sozialstruktur. Vor allem gelang hier erstmals der Nachweis, dass die Dorfgemeinschaft nicht homogen war. Vielmehr ließen sich deutliche Unterschiede in der Ausstattung einzelner Haushalte ausmachen. Darüber hinaus konnten einzelne Quartiere umschrieben werden, die ökonomische Spezialisierungen erkennen lassen. Botanische, zoologische und bodenkundliche Untersuchungen erlaubten eine detaillierte Rekonstruktion des Naturraumes und der Wirtschaftsflächen im Siedlungsumland. Hier sind vor allem auch pollenanalytische „off site“- Untersuchungen zu nennen.32

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(­Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, Bd. 112), Stuttgart 2009. Zur Bedeutung systematischer Probennahmestrategien: Maier, Ursula/Harwath, Arno: Detecting intra-site patterns with systematic sampling strategies. Archaeobotanical grid sampling of lakeshore settlement Bad Buchau-Torwiesen II, Vegetation History and Archaeobotany, Onlineversion: doi 10.1007/s00344-011-0295-1 Maier, Ursula/Vogt, Richard: Botanische und pedologische Untersuchungen zur Ufersiedlung Hornstaad-Hörnle IA, Siedlungsarchäologie im Alpenvorland VI (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, Bd. 74), Stuttgart 2001. Styring, Amy/Maier, Ursula/Stephan, Elisabeth at al.: Cultivation of choice: new insights into farming practices at Neolithic lakeshore sites, in: Antiquity 90 vol. 349 (2016), S. 95–110. Schmidt, Edith: Viele Käfer, aber keine Vorratsschädlinge, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 45 H. 3 (2016), S. 208–212. Körber-Grohne, Udelgard/Feldtkeller, Annemarie: Pflanzliche Rohmaterialien und Herstellungstechniken der Gewebe, Netze, Geflechte sowie anderer Produkte aus den neolithischen Siedlungen Hornstaad, Wangen, Allensbach und Sipplingen am Bodensee, in: Siedlungsarchäologie im Alpenvorland V, (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, Bd. 68), Stuttgart 1998, S. 131–242. Rösch, Manfred: Prehistoric land use as recorded in a lake-shore core at Lake Constance, in: Vegetation History and Archaeobotany 2 (1993), S. 214–232. Durch eigenständige Forschungsprojekte am westlichen Bodensee und im Hegau ist das dendrochronologische Datennetz erheblich v­ erdichtet worden: Rösch, Manfred/Lechterbeck, Jutta: Seven Millenia of human impact in a high resolu-

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a b

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6 a. b, c  Beispiele der hervorragenden Erhaltung organischer Materialien: Getreideähre, Textil, Holz mit Jahrringfolge. Alle Fund aus Hornstaad

Die taxonomische Untersuchung aller geborgenen Feuchthölzer nach holzanatomischen Eigenschaften (Abb. 6c) und die dendrochronologische und dendrotypologische Untersuchung der Bauhölzer erbrachten tiefe Einblicke in die Holznutzung der Siedler, in die Auswahl des Baumaterials, in den Zustand der siedlungsumgebenden Wälder und in deren Transformation durch die menschlichen Eingriffe. Zudem ließen sich durch dendrochronologische Untersuchung der Bauhölzer später erbaute Siedlungsan­lagen und damit der Fortgang der Besiedlung in Hornstaad erschließen.33 Erstmals wurde die große Mobilität der Siedlungsgemeinschaften und auch eine gewisse Rhythmik der Siedlungserneuerung erkennbar. In Sipplingen am Bodensee ließen sich seit 1982 im Umfeld des Osthafens laufende Bergungsmaßnahmen und Einzeluntersuchungen der Taucharchäologie durch Forschungsgrabungen ergänzen (Abb. 7) und die mehr als 16 Pfahlbausiedlungen umfassende Geschichte der Bucht nachzeichnen. Hier sind vor allem auch Siedlungen des Endneolithikums zwischen 3316–2855 v. Chr. erhalten. Die umfangreiche Schichtabfolge

tion pollen profile from the profundal sediments of Litzelsee, Lake Constance region, in: Vegetation History and Archaeobotany, Onlineversion 2016, doi:10.1007/s00334-015-0552-9 33 Billamboz, André: Dendroarchäologische Untersuchungen in den neolithischen Ufersiedlungen von Hornstaad-Hörnle, ebd., S. 297–418.

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7  Taucharchäologische Untersuchungen in den Pfahlbausiedlungen von Sipplingen-Osthafen am Überlinger See im Winter 2010

von Sipplingen stellt das chronologischen Rückgrat der Kulturentwicklung am Bodensee dar.34 Im Strandbad von Bodman-Ludwigshafen und beim Osthafen von Sipplingen wurden im Zuge von Tauchuntersuchungen 1990–1994 zahlreiche Fragmente jungsteinzeitlicher Wandmalereien geborgen. Sie gehören zu besonders ausgestatteten Kult­häusern in jungsteinzeitlichen Siedlungsanlagen um 3860–3830 v. Chr. Die monumentalen Malereien lassen sich rekonstruieren (Abb. 8) und geben einen einzigartigen Einblick in die rituelle Sphäre der Siedler.35

34 Matuschik, Irenäus/Müller, Adalbert: Ein „Hotspot“ am Bodensee, in: Archäologisches Landesmuseum/Denkmalpflege, Pfahlbauten, S. 93–102. 35 Schlichtherle, Helmut: Wandbilder in neolithischen Pfahlbausiedlungen des Bodensees. Überlegungen zur Deutung von Bildern und Zeichen des südwestdeutschen Neolithikums, in: Bosinski, Gerhard/Strohm, Harald (Hg.), Höhlen, Kultplätze, sakrale Kunst, Paderborn 2016, S. 207–243, Ders.: Mitten im Leben. Kulthäuser und Ahnenreihen, in: Archäologisches Landesmuseum/Landesamt für Denkmalpflege, Pfahlbauten, S. 178–187.

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8  Rekonstruktion der jungsteinzeitlichen Wandmalereien aus einem um 3860 v. Chr. zu datierenden Kulthaus der Pfahlbausiedlung Ludwigshafen-Seehalde am Überlinger See

Im nördlichen Federseemoor gelang in den 1980–90er Jahren die Entdeckung einer neuen Siedlungslandschaft mit sechs gut erhaltenen, jungsteinzeitlichen Siedlungen.36 Hier ließ sich erstmals in Oberschwaben ein neues Siedlungsschema erkennen, das wir heute als „endneolithisches Straßendorf vom Typ Seekirch“ bezeichnen (Abb. 9). Für ­solche ab etwa 3300 v. Chr. erstellte Dorfanlagen mit relativ langen Häusern beidseits einer Erschließungsachse haben sich seitdem weitere Beispiele von Oberschwaben bis in die Westschweiz beibringen lassen. Vor allem aber gelang der Nachweis gleich­zeitig existierender Haufendörfer mit Kleinhäusern, die wirtschaftlich spezialisiert waren. Mit diesem Siedlungsdimorphismus eröffnen sich neue Fragen zur wirtschaftlichen und sozialen Differenzierung der Gesellschaften im Endneolithikum. Auch im westlichen Federseeried entdeckten wir durch die archäologische Begleitung von Baumaßnahmen eine Gruppe von sechs Siedlungsanlagen. Rettungsgrabungen brachten größere Siedlungsausschnitte zum Vorschein. Die Siedlung Torwiesen II ließ sich vollständig er­­

36 Schlichtherle, Helmut/Feldtkeller, Annemarie/Maier, Ursula et al.: Ökonomischer und ökologischer Wandel am vorgeschichtlichen Federsee (Hemmenhofener Skripte 5), Freiburg i. Br. 2004.

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9  Zeichnerische Rekonstruktion der Siedlung Seekirch-Stockwiesen, eines endneolithischen Straßendorfes um 2900 v. Chr. am nördlichen Federsee

fassen (Abb. 10). Sie stellt heute die bestuntersuchte Pfahlbausiedlung Südwestdeutschlands dar.37 In oberschwäbischen Kleinseen wurden jungsteinzeitliche Siedlungen auf Inseln und Halbinseln erkundet. Sie lagen zu verschiedenen Zeiten am Schreckensee, im Steeger See bei Aulendorf, im Olzreuter See und im Königsegger See, aber auch in den verlandeten Seen des Schorrenriedes bei Bad Waldsee-Reute, des Musbacher Riedes und des Oggelshauser Riedes. Es wurden vor allem kleinere Siedlungsausschnitte untersucht.38 Die Ergebnisse erweitern am Federsee gewonnene Erkenntnisse und lassen die räumliche Ausdehnung oberschwäbischer Kulturgruppen und ihre Verbindungen zum Boden37 Schlichtherle, Helmut/Vogt, Richard/Maier, Ursula et al.: Die endneolithische Moorsiedlung Bad Buchau-Torwiesen II am Federsee (Hemmenhofener Skripte 9), Freiburg i. Br. 2011. 38 Köninger, Joachim: Pfyn-Altheim  – Michelsberg  – Schussenried. Tauchsondagen in einer neuentdeckten Pfahlbausiedlung im Steeger See bei Aulendorf, in: Biel, Jörg/Schlichtherle, Helmut/­ Strobel, Michael et al., Die Michelsberger Kultur und ihre Randgebiete. Kolloquium Hemmen­hofen 21.–23.2.1997 (Materialhefte zur Archäologie in Baden-Württemberg, Bd. 43), Stuttgart 1998, S. 191–200; siehe zudem die Beiträge in: Berichte zu Ufer- und Moorsiedlungen Südwestdeutschlands III (Materialhefte zur Archäologie in Baden-Württemberg 52), Stuttgart 2000.

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10  Freilegung eines endneolithischen Hauses in der Moorsiedlung Bad Buchau-Torwiesen II am westlichen Federsee im Sommer 2004. Der Hausfußboden datiert auf 3279 v. Chr.

seeraum in das Alpenrheintal und in das bayerische Alpenvorland erkennen. Jeder See hat seine Eigenheiten, die Erhaltungsbedingungen und damit die denkmalpflegerischen Erfordernisse sind in den Kleingewässern sehr unterschiedlich. Am Degersee kamen jungsteinzeitliche Pfahlbausiedlungen erstmals im Westallgäu zum Vorschein und wurden ab 2008 sondiert.39 Hier brachte vor allem der Vergleich mit hochauflösenden, pollenanalytischen und sedimentkundlichen Untersuchungen aus mehr als 10 m langen Bohrkernen aus der Seemitte wesentliche Erkenntnisse zur Zyklizität der menschlichen Landschaftseingriffe. Darüber hinaus ergaben sich an diesem Kleinsee aufschlußreiche Zusammenhänge der Seeuferbesiedlung mit Phasen wärmeren Klimas und sinkenden Seespiegelständen. Im Rahmen eines 2014 begonnenen internationalen D-A-CH-Forschungsprojektes können die Untersuchungen weitergeführt

39 Mainberger, Martin/Merkt, Josef/Kleinmann, Angelika: Pfahlbausiedlungen am Degersee. Archäologische und naturwissenschaftliche Untersuchungen, Berichte zu Ufer- und Moorsiedlungen Südwestdeutschlands VI (Materialhefte zur Archäologie in Baden-Württemberg 102), Stuttgart 2015.

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11  Durch Erosion freigespülte Pfähle der späten Bronzezeit in Unteruhldingen-Stollenwiesen am Überlinger See. Die Hölzer gehören zu mehreren Siedlungen zwischen 973–850 v. Chr.

und neue Erkenntnisse zur Siedlungs-, Vegetations- und Seengeschichte des Westallgäus gewonnen werden. Hier erschließt sich eine bislang unbekannte Fundlandschaft.40 Am Federsee wurde im Rahmen des bereits genannten DFG-Schwerpunktprogramms und im Verbund mit dem Landesmuseum Württemberg ab 1983 die sogenannte „Siedlung Forschner“ ausgegraben. Ihre Holzbefunde ragten bereits durch die Grasnarbe der austrocknenden Riedwiesen. Es ließ sich eine zwischen 1767–1481 v. Chr. mehrfach erneuerte Anlage der frühen und mittleren Bronzezeit erschließen. Sie war durch Palisaden und eine Holzwehrmauer stark befestigt.41 Bei Oggelshausen am Federsee gelang 40 Mainberger, Martin/Baum, Tilman/Ebersbach, Renate et al.: New perspectives on archaeological landscapes in the south-western German alpine foreland – first results of the BeLaVi Westallgäu project, in: Dolbunova, Ekaterina/Hafner, Albert/Mazurkevich, Andrey/Pranckénaité, Elena (Hg.), Settling waterscapes in Europe: Neolithic and Bronze Age pile-dwellings. EAA Contemporary Themes in Archaeology (im Druck). 41 Billamboz, André/Köninger, Joachim/Schlichtherle, Helmut/Torke, Wolfgang: Die früh-und mittelbronzezeitliche „Siedlung Forschner“ im Federseemoor, Befunde und Dendrochronologie. Siedlungsarchäologie im Alpenvorland XI (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, Bd. 113), Stuttgart 2009; Günther, Daniel/Heumüller, Marion/Karg, Sabine et al.: Die früh- und mittelbronzezeitliche „Siedlung Forschner“ im Federseemoor. Naturwissenschaftliche Untersuchungen, Siedlungsarchäologie im Alpenvorland XIII (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, Bd. 128), Stuttgart 2016.

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schließlich der Nachweis letzter Pfahlhäuser in der frühen Eisenzeit. Sie standen im Zusammenhang mit stationären Fischfanganlagen und waren saisonal in Betrieb.42 Am Bodensee erkundeten taucharchäologische Unternehmungen in Bodman-­ Schachen, Konstanz-Frauenpfahl, Konstanz-Egg, Öhningen-Orkopf und Unteruhldingen-­ Stollenwiesen (Abb. 11) bronzezeitliche Siedlungsgrundrisse und sammelten naturwissenschaftliches Probenmaterial.43 In der Bronzezeit hatten sich mit der endgültigen Durchsetzung des Pflugackerbaus die landwirtschaftlichen Verhältnisse grundlegend verändert, und die Landschaft wurde nachhaltig geöffnet. Nun bestanden kleinere, meist offene Siedlungen neben stark mit Palisaden und auch Holzwehrmauern befestigten Siedlungsanlagen. Für letztere zeichnet sich eine strategische Positionierung nach verkehrsgeographischen Gesichtspunkten ab.

3.2  Bohlenwege, Räder, Einbäume und andere Verkehrsmittel Mit der Erkundung der Siedlungen verband sich am Federsee die Entdeckung zugehöriger Bohlenwege und Zugangsbrücken. Zudem konnten mehrere hölzerne Wege nach Bad Buchau festgestellt und datiert werden, die hier von der Jungsteinzeit bis in die Eisenzeit die ehemalige Insel über das Moor erreichten.44 Damit erschlossen sich älteste Straßenbauwerke des Landes. Mit der Entdeckung von jungsteinzeitlichen Holz-Scheibenrädern im Federseemoor und im Olzreuter Ried kamen zudem wertvolle Zeugnisse des frühen Fahrzeugbaues zum Vorschein. Sie gehörten zu einachsigen Wagen mit rotierender Achse und mit ihrer Datierung um 2900 v. Chr. zu der noch immer kleinen Gruppe weltweit ältester Radfunde. Die Bedeutung der Verkehrsmittel für die prähistorischen Siedler wird auch durch zahlreiche Einbaumfunde am Federsee greifbar. Zehn seit 1984 entdeckte Boote gaben Auskunft über ihre unterschiedliche Konstruktion und Datierung.45 Über die Alpen waren die Pfahlbausiedler zu Fuß unterwegs. Funde von Schuhen aus Gehölzbast in den Pfahlbausiedlungen von Allensbach und Sipplingen lassen erkennen, wie Fußbekleidungen in der Steinzeit aussahen.46 Auch die Funde von Tragegestellen in

42 Köninger, Joachim: Oggelshausen-Bruckgraben  – Funde und Befunde aus einer eisenzeitlichen Fischfanganlage im südlichen Federseeried, in: Jahrbuch Heimat- und Altertumsverein Heidenheim a. d. Brenz 2001/2002, S. 34–56. 43 Köninger, Joachim: Die frühbronzezeitlichen Ufersiedlungen von Bodman-Schachen I, Siedlungsarchäologie im Alpenvorland VIII (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, Bd. 85), Stuttgart 2006; Schöbel, Spätbronzezeit, S. 24ff.; Benguerel, Simone/ Dieckmann, Bodo/Mainberger, Martin et al.: Zum vorläufigen Abschluss der Rettungsgrabungen in der Stiegener Enge. Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2015, S. 100–103. 44 Heumüller, Marion: Die vorgeschichtlichen Wege des Federseemoores, in: Günther/Heumüller/ Karg, Siedlung Forschner, S. 361–488. 45 Mainberger, Martin: Die Einbäume der „Siedlung Forschner“ und des Federseeriedes, in: Günther/ Hemüller/Karg, Siedlung Forschner, S. 321–360. 46 Feldtkeller, Annemarie/Schlichtherle, Helmut: Jungsteinzeitliche Kleidungsstücke aus Ufersiedlungen des Bodensees, in: Archäologische Nachrichten aus Baden 38/39 (1987), S. 74–84;

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Hornstaad und Sipplingen geben heute ein genaueres Bild davon, wie man im Siedlungsumland und auf Fernverbindungsrouten mit „Rucksäcken“ unterwegs war.47

3.3  Chronologie und Kulturentwicklung Im Zuge der zahlreichen Geländeaktivitäten kamen mehr als 100.000 Holzproben in das Dendrochronologische Labor in Hemmenhofen. Auf dieser Grundlage gelang es, Bauhölzer aus zahlreichen Siedlungen jahrgenau zu datieren. Zusammen mit stratigraphischen Beobachtungen konnte so erstmals eine präzis datierte Kultur- und Siedlungsabfolge in den südwestdeutschen Seen erarbeitet werden (Abb. 12).48 Sie ermöglicht direkte chronologische Vergleiche mit den umfangreichen Ergebnissen der schweizerischen und ostfranzösischen Pfahlbauforschung sowie neuerdings auch mit oberitalienischen und slowenischen Siedlungen.49 Die archäologischen Funde führten zudem zu einer klareren Umschreibung der in den südwestdeutschen Pfahlbauten vertretenen Kulturgruppen sowie zur Entdeckung und Beschreibung neuer Regionalgruppen, von deren Existenz man bisher nichts wusste.50 Die zeitlich präzisen, vielfach jahrgenauen Informationen zu den zirkumalpinen Pfahlbausiedlungen stellen ein weltweit einmaliges archäologisches Korpus dar. Es umfasst insgesamt mehr als 30 verschiedene archäologische Kulturen, von denen allein zwölf auch in den baden-württembergischen Pfahlbauten vertreten sind. Die erhobenen Daten sind für die relative und absolute Chronologie der Jungsteinzeit und Bronzezeit in Europa von grundlegender Bedeutung.

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Banck-Burgess, Johanna: Mehr als nur Leder. Kleidung in den Pfahlbausiedlungen, in: Archäologisches Landesmuseum/Landesamt für Denkmalpflege, Pfahlbauten, S. 152–155. Schlichtherle, Helmut: Rucksack à la Pfahlbau. Ergonomisch und leicht, in: Archäologisches Landesmuseum/Landesamt für Denkmalpflege, Pfahlbau, S. 401f. Billamboz, André: Tree rings and pile-dwellings in southern Germany: Following in the footsteps of Bruno Huber, in: Dean, Jeff/Meko, David/Swetnam, Thomas (Hg.), Tree Rings, Environment and Humanity. Proceedings oft the international conference, Tucson, Arizona 17–21 May 1994, Tucson 1986, S. 471–483; Ders.: Jahrringuntersuchungen in der Siedlung Forschner und weiteren bronze- und eisenzeitlichen Feuchtbodensiedlungen Südwestdeutschlands, in: Siedlungsarchäologie im Alpenvorland XI (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, Bd. 113), Stuttgart 2009, S. 399–555. Cufar, Katarina/Tegel, Willy/Merela, Maks et al.: Eneolithic pile dwellings south of the Alps precisely dated with tree-ring chronologies from the north, in: Dendrochronologia 35 (2015), S. 91–98; Billamboz, Andrè/Martinelli, Nicoletta: Dendrochronology and Bronze Age pile-dwellings on both sides of the Alps: from chronology to dendrotypology, highlighting settlement developments and structural woodland changes, in Menotti, The End, S. 68–84. Matuschik, Keramikfunde, S. 39ff.; Schlichtherle, Helmut, Ödenahlen – eine jungneolithische Siedlung der „Pfyn-Altheimer Gruppe Oberschwabens“ im nördlichen Federseeried, in Siedlungsarchäologie im Alpenvorland III (Forschungen zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, Bd. 46), Stuttgart 1995, S. 9–128; Ders.: Die Goldberg III Gruppe in Oberschwaben, in: Schlichtherle, Helmut/Strobel, Michael (Hg.), Horgen  – Cham  –Goldberg III. Schnurkeramik in Süddeutschland. Rundgespräch Hemmenhofen 26. Juni 1998 (Hemmenhofener Skripte 1), Freiburg i.Br. 1999, S. 35–48.

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12  Chronologische Übersicht zu Häusern, Siedlungsplänen und Kulturgruppen am Bodensee und in den Seen und Feuchtgebieten Oberschwabens

3.4  Häuser und Siedlungsformen Mit der Dendrochronologie gelingt es vor allem, die vielphasigen Pfahlfelder am Bodensee zu analysieren und in einzelne Siedlungs- und Bauphasen aufzulösen. So können im Gewirr der Pfähle geichzeitig geschlagene Hölzer erkannt und einzelnen Häusern zugewiesen werden.51 Auch in den oberschwäbischen Moorsiedlungen lassen sich Hausfußböden und andere Bauhölzer chronologisch ordnen. Damit ergeben sich die Grundrisse zahlreicher Häuser und ganzer Siedlungsanlagen. Es wird für die Jungsteinzeit am Bodensee eine Entwicklung von relativ regellos errichteten Siedlungen zu Reihenhaussiedlungen und schließlich Strassendörfern sichtbar (Abb 12). In Oberschwaben spielten von Anfang an Zeilendörfer eine große Rolle, die sich bis zur Einführung des Strassen­ dorf-Schemas behaupten konnten.52 Die stark befestigten Siedlungen der Bronzezeit 51 Z.B. Billamboz, Hornstaad, S. 316ff.; Ders., Siedlung Forschner, S. 423ff.; Bleicher, Niels: Altes Holz in neuem Licht. Berichte zu Ufer und Moorsiedlungen Südwestdeutschlands V (Materialhefte zur Archäologie in Baden-Württemberg, Bd. 83), Stuttgart 2009, S. 53ff. 52 Schlichtherle, Helmut: Die archäologische Fundlandschaft des Federseebeckens und die Siedlung Forschner, S. 12ff.; Ders.: Histoire des occupations palustres du bassin du Federsee, in: Honegger, Matthieu/Mordant, Claude (Hg.), L’Homme au bord de l’eau. Archéologie des zones littorales du

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z­ eigen am Federsee in Tradition des Donauraumes eine wenig gegliederte, haufenartige Bebauung, während die Häuser am Bodensee in strikter Weise in Reihen oder Zeilen errichtet wurden. Damit ähneln sie bronzezeitlichen Pfahlbausiedlungen der Schweiz und Oberitaliens.53 Eine vergleichende Analyse der Häuser und Haushalte sowie die soziologische Interpretation der Pfahlbausiedlungen steckt noch in den Anfängen.54

3.5 Siedlungsdynamik Die Dendrochronologie erschließt die Baugeschichte einzelner Siedlungen in großer Detailgenauigkeit. Die Errichtung, die Reparatur und der Neubau von Gebäuden und Siedlungsumwehrungen kann jahrgenau verfolgt werden. Zudem ergeben sich aus den Jahresringen wertvolle Informationen zu den Wäldern des Siedlungsumlandes, die als Bauholzquellen dienten. Dies gibt tiefe Einsichten in die Dynamik des Siedlungsbaues und der Siedlungsverlagerung. Häufige Siedlungsverlagerung war an der Tagesordnung. Einzelne Dörfer waren nur etwa zehn Jahre in Betrieb, mehr als achtzig Jahre blieb man nicht an Ort und Stelle.55 Die große Siedlungsdynamik gehört zu den erstaunlichsten Ergebnissen der neuen Forschung. So bewegt und pulsierend hatte man sich das Leben der jungsteinzeitlichen und metallzeitlichen Bevölkerungsgruppen nicht vorgestellt. Wie weit diese in familiären Einheiten relativ autonom und wie weit im Kollektiv ganzer Siedlungsgemeinschaften mobil waren, kann in einzelnen Fällen bereits genauer nachvollzogen werden. Die Frage, ob innerhalb eines Siedlungsterritoriums mehrfach nur der Siedlungsstandort gewechselt wurde oder ob sich die Gemeinschaften auch über ­g rößere geographische Distanzen bewegten, ist erst in wenigen Fällen gelöst. Neuerdings kann gezeigt werden, dass es in einigen Zeitabschnitten zu einer koordinierten

Néolithique à la Protohistoire, Actes 135e congrès sociétés historiques et scientifiques du CTHS a Neuchâtel 6–11. Avril 2010, Lausanne/Paris 2012, S. 285-298. 53 Köninger, Joachim: Bronze Age lacustrine settlements in the Circum-Alpine region: chronology, architectural styles, occupation patterns, and much more, in: Menotti, Lake-Dwellings, S. 15–67. 54 Schlichtherle, Helmut/Billamboz, André: Architecturale, sociale, èconomique: Les trois dimensions de la maison palafittique dans les villages lacustres et palustres Néolithiques du sud-ouest de l’­­Allemagne, in: Rey, Pierre-Jérôme/Dumont, Annie (Hg.), L’homme et son environnement: des lacs, des montagnes et des rivières, in: Revue Archéologique de l’Est, supplément 40 (2015), S. 99–114; Ebersbach, Renate: Vom Entstehen und Vergehen. Überlegungen zur Dynamik von Feuchtbodenhäusern und  –siedlungen, in: Matuschik, Irenäus/Strahm, Christian/Eberschweiler, Beat (Hg.), Vernetzungen. Aspekte siedlungsarchäologischer Forschung, Freiburg i.Br. 2010, S. 41–50; Dies.: Seeufersiedlungen und Architektursoziologie  – ein Anwendungsversuch, in: Trebsche, Peter/ Müller-­Scheeßel, Nils/Reinhold, Sabine (Hg.), Der gebaute Raum. Bausteine einer Architektursoziologie vormoderner Gesellschaften (Tübinger Archäologische Taschenbücher 7), Münster 2010, S. 193–212. 55 Billamboz, Hornstaad, S. 316ff.; Ders., Regional patterns of settlement and woodland developments: Dendroarchaeology in the Neolithic pile-dwellings on Lake Constance, in: The Holocene 24, 10 (2014), S. 1278–1287, hier S. 1279ff.; Bleicher, Altes Holz, S. 164ff.

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Verlagerung ganzer Siedlungsgruppen kam.56 Der dendrochronologische Datensatz erlaubt im Zusammenhang mit pollenanalytischen Untersuchungen zudem eine Einschätzung von Schwankungen in der Bevölkerungsdichte. So zeichnet sich zum Beispiel um 3500–3400 v. Chr. ein Siedlungsrückgang und eine Regeneration der Wälder ab.57

3.6  Landwirtschaft, Viehzucht, Jagd und Sammelwirtschaft Die Ergebnisse botanischer und zoologischer Untersuchungen sind so zahlreich, dass sie sich hier in ihrer Vielfalt nur schwer zusammenfassen lassen. Ein mehrfacher Wandel des Kulturpflanzensortimentes58, unterschiedliche Konzepte der Haustierhaltung59, wechselnde Intensität zusätzlicher Jagdaktivitäten, umfangreiche Fischerei und Sammel­ tätigkeiten sind nachgewiesen und ergeben zusammen mit den Etappen des Kulturwandels, klimatischen Veränderungen und Hinweisen auf wechselnde Besiedlungsdichte ein Informationsgeflecht zum Verhältnis von Mensch und Umwelt, das die Forschung anhaltend beschäftigt. Zur Erklärung der Phänomene werden verschiedene Modelle zum jungsteinzeitlichen und bronzezeitlichen Landmanagement diskutiert: Extensiver Wald-Feldbau mit Brandrodung (shifting cultivation) und intensive, gartenbau­artige Anbautechniken auf anhaltend geöffneten Flächen mit Düngung (intensive gardening) kennzeichnen die Extreme der Diskussion.60 Pollenanalysen, Untersuchungen zur Feuer­geschichte der Landschaft, bodenkundliche Forschungen61, die Untersuchung von Stickstoffisotopen in Getreidekörnern und Tierknochen62, die ökologische Auswertung

56 Z. B. die Verlagerung der Siedlungen in der späten Pfyner Kultur an den Untersee, wo sie eine große Siedlungsdichte erreichen; Billamboz, Regional patterns, S. 1281, Fig. 2. 57 Billamboz, André: Beitrag der Dendrochronologie zur Frage der Besiedlungsdynamik und Bevölkerungsdichte am Beispiel der Pfahlbausiedlungen Südwestdeutschlands, in: Lippert, Andreas/ Schultz, Michael/Shennan, Stephen/Teschler-Nicola, Maria (Hg.), Mensch und Umwelt während des Neolithikums und der Frühbronzezeit in Mitteleuropa, Rahden 2001, S. 53–60.; Billamboz, Regional patterns, S. 1285f. 58 Jacomet, Stephanie/Maier, Ursula: Breit gefächert. Nahrungspflanzen zwischen Feld und Wald, in: Archäologisches Landesmuseum/Landesamt für Denkmalpflege, Pfahlbauten, S. 320–327; Herbig, Christoph: Archäobotanische Untersuchungen in neolithischen Feuchtbodensiedlungen am westlichen Bodensee und in Oberschwaben (Frankfurter Archäologische Schriften 10), Bonn 2009. 59 Stephan, Elisabeth/Steppan, Karlheinz: Tierhaltung und Jagd. Vom Umgang mit tierischen Ressourcen, in: Archäologisches Landesmuseum/Landesamt für Denkmalpflege, Pfahlbauten, S. 332– 338. 60 Jacomet, Stefanie/Ebersbach, Renate/Akeret, Örni et al.: On-site data cast doubts on the hypothesis of shifting cultivation in the late Neolithic (c. 4300–2400 cal. BC). Landscape management as an alternative paradigm, in: The Holocene 26, 11 (2016), S. 1858–1874. 61 Vogt, Richard: Kolluvien als Archive für anthropogene Landschaftsveränderungen an Beispielen aus der westlichen Bodenseeregion (Materialhefte zur Archäologie in Baden-Württemberg 99), Darmstadt 2014. 62 Styring et al., Cultivation, S. 97ff.

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von Unkrautspektren63 und minutiöse Untersuchungen an Tierdung64 bringen die Argumente voran. Gleichzeitig zeigen derart verfeinerte und neue Analysetechniken, wie weit man mit den einzigartig erhaltenen organischen Resten der Pfahlbauten in paläo­ ökologische und -ökonomische Fragestellungen eindringen kann.

3.7  Technische Innovationen, europaweite Kontakte Im Verlauf der Pfahlbaubesiedlung kam es zu bedeutenden technischen Innovationen. Die Einführung der Kupfermetallurgie im Raum um die Alpen ab etwa 3850 v. Chr.65, die Entwicklung von Rad und Wagen ab ca. 3200 v. Chr. und – damit vermutlich gekoppelt – die Einführung von Pflug-Ackerbautechniken, die Erfindung der Zinnbronze um etwa 2.000 v. Chr.66, das Auftauchen erster Perlen aus Glas ab etwa 1600 v. Chr. und der Beginn der Eisenmetallurgie am Ende der Bronzezeit um 850 v. Chr. lassen sich hier genau verfolgen. Aber auch kleinere Erfindungen wie das Erscheinen erster Spinn­w irtel und die Entwicklung von Hirschgeweihzwischenfuttern für die Beiltechnologie können in den Pfahlbauten anhand aussagekräftiger Funde nachvollzogen und technologisch erforscht werden. Die Fundmaterialien erlauben vor allem auch die Rekonstruktion von Fernbeziehungen und Handelskontakten. Feuersteine kamen unter anderem vom Baltikum, aus Westfrankreich, Süd- und Oberitalien an den Bodensee67, Jadebeile aus den Westalpen68, Beile aus Pelitquarz aus Steinbrüchen im Elsaß, Schmuckschnecken aus dem Mittelmeer und Atlantik, in fossiler Form auch aus dem Pariser Becken. Kupfer aus der Slowakei und den Alpen. Hier kann mit Rohstoffanalysen gezeigt werden, wie Europa bereits in der Steinzeit über unterschiedlichste Kulturräume vernetzt war. 63 Mayer, Ursula: Untersuchungen in der neolithischen Ufersiedlung Hornstaad-Hörnle IA am Bodensee, in: Siedlungsarchäologie im Alpenvorland VI (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, Bd. 74), Stuttgart 2001, S.78ff.; Jacomet et al., On-site data, S. 1860ff. 64 Kühn, Marlu/Maier, Ursula/Herbig, Christoph et al.: Methods for the examination of cattle, sheep and goat dung in prehistoric wetland settlements with examples of the sites Alleshausen-Täschenwiesen and Alleshausen-Grundwiesen, in: Journal of Environmental Archaeology 18,1 (2013), S. 43–57. 65 Matuschik, Irenäus/Merkl, Matthias/Strahm, Christian: Von großer Tragweite. Neuer Werkstoff Kupfer, in: Archäologisches Landesmuseum/Landesamt für Denkmalpflege, Pfahlbauten, S. 379– 383. 66 Bartelheim, Martin: Die Mischung machts. Innovation Bronze, in: Archäologisches Landesmuseum/Landesamt für Denkmalpflege, Pfahlbauten, S. 384–387. 67 Kaiser, Michael: Schneiden, Schaben, Hauen, Stechen. Werkzeuge aus Silex und Felsgestein, in: Archäologisches Landesmuseum/Landesamt für Denkmalpflege, Pfahlbauten, S. 366–370. – Zum transalpinen Warenaustausch: Borrello, Maria/Mottes, Elisabetta/Schlichtherle, Helmut: Traverser les Alpes au Néolithique, in: Borrello, Maria (Hg.), Les hommes préhistoriques et les Alpes (­British Archaeological Reports, Internat. Series 2476), Oxford 2013, S. 27–40. 68 Pétrequin, Pierre/Cassen, Serge/Errera, Michel (Hg.): Jade. Grandes haches alpines du Néolithique européen, Tome 1, Besancon 2012.

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4. Perspektiven Das wissenschaftliche Potential der Pfahlbau- und Moorsiedlungen ist groß. Erst etwa 5 % ihrer archäologischen Substanz wurde in Baden-Württemberg mit modernen Methoden erforscht. Die archäologischen und naturwissenschaftlichen „Stichproben­ serien“ sind angesichts einer nachweislich mehr als 3.500 Jahre umfassenden Siedlungsgeschichte noch immer lückenhaft. Viele Fragen zur Siedlungs-und Baugeschichte, der Umwelt-, Wirtschafts- und Klimageschichte der Pfahlbaubesiedlung, aber auch zur Kultur- und Sozialgeschichte in den einzelnen Fundregionen, vor allem aber zur Interaktion der Siedelgebiete um die Alpen sind noch immer offen. Sie lassen sich durch methodisch verfeinerte und apparativ-analytisch verbesserte Untersuchungen am bereits geborgenen Fundmaterial angehen. Darüber hinaus werden sich Pfahlbausiedlungen in zunehmendem Maße mit minimalinvasiven und noninvasiven Methoden erforschen lassen. So brachten Georadaruntersuchungen im Olzreuter Ried 2015 die Strukturen von zwei im Moor verborgenen, endneolithischen Dorfan­ lagen zum Vorschein.69 Archäologische Bodeneingriffe konnten sich auf Bohrungen und kleinflächige Sondagen beschränken. Hier kann also Forschung weitergehen, ohne die Substanz im Boden durch Grabungen aus dem Verband zu lösen und zu zerstören. Auch unter Wasser wird man künftig mit hydroakustischen Methoden im Verbund mit einer Probenentnahmestrategie Pfahlbaukulturschichten weitgehend berührungsfrei untersuchen können. Durch die Entwicklung entsprechender Methoden kann es gelingen, die Forschung in den Stationen des UNESCO-Welterbes voranzubringen und gleichzeitig die Unversehrtheit der Fundstellen zu sichern.70 Wie wir aus der Denkmalpflegepraxis der letzten Jahrzehnte wissen, wird sich unter den Zwängen von Erosion und Austrocknung, Schiffahrt, Landwirtschaft und Baumaßnahmen auch künftig nicht jede Pfahlbausiedlung unversehrt im Gelände erhalten lassen. Wissenschaftliche Ausgrabung und Dokumentation sind dann die letzte Option. Umso wichtiger ist es, dass hervorragende Fundplätze, insbesondere die 111 namentlich gelisteten Stationen des seriellen ­U NESCO-Welterbes vollständig und integral in ihrer natürlichen Umwelt konserviert bleiben. Der 2011 verliehene UNESCO-Titel bietet gute Ansatzpunkte, um die Anstrengungen zum nachhaltigen Schutz der Pfahlbausiedlungen zu begünstigen, das Management der Fundstätten in gesicherte Bahnen zu lenken, die Denkmalpflege und Forschung im Bereich der Pfahlbauten in neue Projekte der internationalen Zusammenarbeit zu ­f ühren 69 Schlichtherle, Helmut/von der Osten-Woldenburg, Harald: Zwei endneolithische Straßendörfer im Olzreuter Ried. Georadar, Pegelmessung, neue Funde zu Rad und Wagen, in: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2015, S. 94–97. 70 Gowen, Margaret: The key roles of active research and monitoring in the co-management of serial World Heritage sites, in: Brem et al., archéologie et érosion 3, S. 15–24; Corboud/Schaeren, Pfahlbauten, S. 38.

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und die notwendige Vermittlung des unsichtbaren Welterbes für ein breites Publikum fördern.

Literatur Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg/Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart (Hg.): 4000 Jahre Pfahlbauten, Ostfildern 2016. Banck-Burgess, Johanna: Mehr als nur Leder. Kleidung in den Pfahlbausiedlungen, in: Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg/Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart (Hg.), 4000 Jahre Pfahlbauten, Ostfildern 2016, S. 152–155. Bartelheim, Martin: Die Mischung machts. Innovation Bronze, in: Archäologisches Landesmuseum Baden-­ Württemberg/Landesamt für Denkmalpflege im RP Stuttgart (Hg.), 4000 Jahre Pfahlbauten, Ostfildern 2016, S. 384–387. Benguerel, Simone/Dieckmann, Bodo/Mainberger, Martin et al.: Zum vorläufigen Abschluss der Rettungsgrabungen in der Stiegener Enge. Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 2015. Bertsch, Karl: Paläobotanische Monographie des Federseerieds, Stuttgart 1931. Billamboz, André/Czarnowski, Eckhard et al. (Hg.): Siedlungsarchäologie im Alpenvorland II, (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, Bd. 37), Stuttgart 1990. Billamboz, André: Tree rings and pile-dwellings in southern Germany: Following in the footsteps of Bruno Huber, in: Dean, Jeff/Meko, David/Swetnam, Thomas (Hg.), Tree Rings, Environment and Humanity. Proceedings of the international conference, Tucson, Arizona 17–21 May 1994, Tucson 1986, S. 471– 483. Billamboz, André/Planck, Dieter/Schlichtherle, Helmut/Strahm, Christian: L’occupation palafittique dans le sud-ouest de l’Allemagne: Le programme de recherche „Siedlungsarchäologische Untersuchungen im Alpenvorland“, in: Les Nouvelles de l’Archéologie 2 (1987), S. 56–63. Billamboz, André: Beitrag der Dendrochronologie zur Frage der Besiedlungsdynamik und Bevölkerungsdichte am Beispiel der Pfahlbausiedlungen Südwestdeutschlands, in: Lippert, Andreas/Schultz, Michael/­Shennan, Stephen/Teschler-Nicola, Maria (Hg.), Mensch und Umwelt während des Neolithikums und der Frühbronzezeit in Mitteleuropa, Rahden 2001, S. 53–60. Billamboz, André: Dendroarchäologische Untersuchungen in den neolithischen Ufersiedlungen von Hornstaad-Hörnle, in: Siedlungsarchäologie im Alpenvorland IX (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, Bd. 98), Stuttgart 2006, S. 297–418. Billamboz, André/Köninger, Joachim/Schlichtherle, Helmut/Torke, Wolfgang: Die früh-und mittelbronze­ zeitliche „Siedlung Forschner“ im Federseemoor, Befunde und Dendrochronologie. Siedlungsarchäologie im Alpenvorland XI (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg 113), Stuttgart 2009. Billamboz, André: Jahrringuntersuchungen in der Siedlung Forschner und weiteren bronze- und eisenzeitlichen Feuchtbodensiedlungen Südwestdeutschlands, in: Siedlungsarchäologie im Alpenvorland XI (Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg, Bd. 113), Stuttgart 2009, S. 399–555. Billamboz, André: Regional patterns of settlement and woodland developments: Dendroarchaeology in the Neolithic pile-dwellings on Lake Constance, in: The Holocene 24, 10 (2014), S. 1278–1287. Billamboz, Andrè/Martinelli, Nicoletta: Dendrochronology and Bronze Age pile-dwellings on both sides of the Alps: from chronology to dendrotypology, highlighting settlement developments and structural woodland changes, in: Menotti, Francesco (Hg.), The End of the Lake-Dwellings in the Circum-Alpine Region, Oxford 2015, S. 68–84. Bleicher, Niels: Altes Holz in neuem Licht. Berichte zu Ufer und Moorsiedlungen Südwestdeutschlands V (Materialhefte zur Archäologie in Baden-Württemberg 83), Stuttgart 2009. Borrello, Maria/Mottes, Elisabetta/Schlichtherle, Helmut: Traverser les Alpes au Néolithique, in: Borrello, Maria (Hg.), Les hommes préhistoriques et les Alpes (British Archaeological Reports, Internat. Series 2476), Oxford 2013, S. 27–40.

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Prähistorische Pfahlbauten in Südwestdeutschland      |

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Klaus-Dieter Schnell

SICHTBARMACHUNG UND VERMITTLUNG DES WELTERBES Prähistorische Pfahlbauten am Bodensee und Zürichsee als internationale Aufgabe

1.  Die Bodenseeregion – ein europäischer Verflechtungsraum In der Internationalen Bodensee-Konferenz (IBK) arbeiten die Regierungen der zehn Länder und Kantone Baden-Württemberg, Bayern, Vorarlberg, St.Gallen, Thurgau, Schaffhausen, Zürich, Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden und Liechtenstein zusammen. Das Mandatsgebiet der IBK bildet den Rahmen für die internationale Bodenseeregion, die auch als „Vierländerregion Bodensee“ bekannt ist (Abb. 1). Die IBK ist die Plattform, auf der sich die Regierungen und Verwaltungen der Länder und Kantone rings um den See austauschen, gemäß dem Anspruch: „grenzenlos, kreativ, vernetzt“. Das ergibt Sinn in einer Region, in der es  – wie die Einheimischen sagen – „viel Hag und wenig Garte“ gibt, also viele Zäune und wenig Garten. Die IBK funktioniert dabei trotz aller zwischenstaatlicher Diplomatie so, wie man das aus der Nachbarschaft kennt: Man kennt sich gut hüben und drüben vom See. Der kleine Dienstweg lässt die Grenzen, notabene eine EU-Außengrenze, manchmal vergessen. Die Gesprächskultur am Konferenztisch ist ausgezeichnet. Berlin, Bern und Wien scheinen weit entfernt. Dabei wird nicht nur der Austausch gepflegt, sondern es werden auch Strategien entwickelt und gemeinsame Anstrengungen für die Entwicklung und Zukunft der wertvollen Kulturlandschaft im Herzen Europas unternommen – ein Kulturraum, der auch durch die gemeinsame Sprache, Geschichte und Mentalität zusammengehalten wird. Insbesondere eint die IBK-Länder das gemeinsame Anliegen, die hohe Lebensqualität der Region auch für zukünftige Generationen zu erhalten. Die IBK will dies auch für die zukünftigen Generationen gewährleisten und begibt sich dafür gern in einen beachtlichen Spagat, um die nachhaltige Wirtschaftsentwicklung mit dem Schutz von Umwelt und Natur in Einklang zu bringen. Zur Gründung der IBK im Jahr 1972 standen noch drängende Fragen des Umweltund Gewässerschutzes im Vordergrund. Der Bodensee drohte zu „kippen“. Seither wurden Milliarden Euro in die Abwasserreinigung investiert, wodurch die Qualität des Wassers heute so gut ist wie nie zuvor. Heute ist die IBK thematisch breit aufgestellt mit Handlungsfeldern von der Bildung und Kultur über Wirtschaft und Tourismus bis

Sichtbarmachung und Vermittlung des Welterbes     |

1  Die internationale Bodenseeregion

hin zu Gesundheit und Raumentwicklung. Die Grundlage der Zusammenarbeit bilden die gemeinsam festgelegten Ziele im Leitbild der IBK für die Bodenseeregion (2017), ergänzt durch einige strategische Schwerpunkte und Maßnahmen. Diese sind Grundlage für die Arbeit der insgesamt sieben IBK-Kommissionen für Kultur, Wirtschaft, Bildung, Umwelt, Verkehr, Gesundheit und Soziales und Öffentlichkeitsarbeit sowie für die Zusammenarbeit der IBK mit weiteren internationalen Gremien, etwa im Gewässer­ schutz, in der Raumentwicklung oder in der Städtezusammenarbeit. Daneben greift die IBK Themen mit grenzüberschreitendem Handlungsbedarf im Rahmen von Projektgruppen auf. Auch solche, die nicht eindeutig einem Handlungsfeld zugeordnet werden können. Ein solches Thema ist seit einiger Zeit die Zusammenarbeit mit Bezug auf das „verborgene“ Welterbe der prähistorischen Pfahlbauten im Raum Bodensee und Zürichsee.

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2. Welterbe Pfahlbauten als internationale Aufgabe – auch auf regionaler Ebene Der internationalen Komponente des Welterbes Pfahlbauten im Alpenraum wurde bereits im Rahmen der Bewerbung um den Welterbestatus Rechnung getragen. Dazu wurde die „International Coordination Group“ (ICG) ins Leben gerufen, in welcher die zuständigen Behörden aller sieben beteiligten Nationalstaaten fachlich zusammenarbeiten und in der gewisse administrative Aufgaben gegenüber der UNESCO wahrgenommen werden. Überall dort, wo die Welterbe-Fundstellen gehäuft auftreten, begannen bereits früh Diskussionen darüber, wie man dem internationalen Charakter des Welt­ erbes auch auf regionaler Ebene entsprechen könnte  – so auch am Bodensee und am Zürichsee. Schließlich endet die Kulturhoheit der Länder und Kantone an der jeweiligen Grenze. Zudem ist das Welterbe im Raum verteilt, genauso wie die bestehenden Vermittlungsinstitutionen, welche versuchen, das im Wasser verborgene Welterbe sichtbar und begreifbar zu machen. Für die Regierungschefs der IBK gab es einige sehr gute Gründe, sich mit dem Welt­ erbe der Pfahlbauten auseinanderzusetzen und eine gemeinsame Sicht zu entwickeln: So liegt sich über ein Viertel aller Fundstellen des Welterbes Pfahlbauten im Wirkungsbereich der IBK. Einige Fundstellen befinden sich in unmittelbarer Grenzlage, was die Zusammenarbeit der Länder in diesem Bereich sicher deutlich befeuert hat. Der Obersee des Bodensees gilt immerhin als das einzige Gebiet in Europa ist, dessen Grenzen von den Anrainern nie einheitlich festgelegt wurden. An manchen Fundstellen im Untersee des Bodensees oder im Zürichsee laufen Landes- oder Kantonsgrenzen direkt durch die Untersuchungsfelder. Eine Rolle spielte der im Bewerbungsdossier nachgewiesene Stellen­wert der Pfahlbaufunde als besonderes Zeugnis für die Entwicklung von Technologie und Wirtschaft im Zuge der Sesshaftwerdung sowie der bäuerlichen Kulturentwicklung, als ein in Vollständigkeit und Erhaltung einzigartiger Bestand an Sachquellen zur menschlichen Kultur zwischen 4.000 und 800 v. Chr. Die Fundstellen spiegeln als historische Quellen beispielhaft den hohen Wert des Lebensraumes über Jahrtausende und schlagen damit eine Brücke zu den heutigen gemeinsamen Anliegen der IBK-Mitgliedsländer. Auch bringen es die Pfahlbauten als Alleinstellungsmerkmal mit sich, dass sie seltene Beispiele für ein „Unterwassererbe“ und für ein serielles internationales Welt­ erbe sind. Nicht hoch genug gewichtet werden kann der Umstand, dass in den IBK-Ländern hervorragende Vorleistungen in wissenschaftlicher Hinsicht vorliegen. Denn erst die wissenschaftliche Forschung macht das unsichtbare Welterbe und die darin verborgene Faszination der Pfahlbauten sichtbar. Die Befassung mit den prähistorischen Pfahlbauten verbindet die Fachstellen der Länder und Kantone an Bodensee und Zürichsee seit langem. Die Erforschung der Pfahlbauten bildet seit mehr als 150 Jahren eine gemeinsame Konstante. Auch verfügt die internationale Bodenseeregion über mehrere starke Institutionen, welche seit vielen Jahren zur Vermittlung des unsichtbaren Welt­ erbes beitragen.

Sichtbarmachung und Vermittlung des Welterbes     |

Mit diesen Voraussetzungen treten die Pfahlbauten an die Seite der Klosterlandschaft des Mittelalters, die mit dem Klosterbezirk St. Gallen und der Klosterinsel Reichenau ebenfalls auf der Liste des Welterbes zu finden ist. Auch sind in allen IBK-Mitgliedsländern bereits beste Voraussetzungen für den Schutz des Welterbes auf gesetzgeberischer Seite gegeben. Dies bietet viele Möglichkeiten, das Welterbe in wissenschaft­licher, didaktischer und touristischer Hinsicht für die einheimische Bevölkerung und die zahlreichen Gäste zu nutzen. Von Vorteil für eine gemeinsame Bearbeitung durch die IBK-Mitglieder ist sicherlich, dass mit dem Welterbe Pfahlbauten keine Interessenverstrickungen in laufende politische und kulturelle Spannungsfelder verbunden sind. Im April 2011, also noch vor der Eintragung in der Welterbeliste, haben sich die IBK-Regierungschefs mit der Frage befasst, was man gemeinsam tun könne, wenn die UNESCO die Bewerbung annehme. Die Initiative wurde vom Konstanzer Landrat Hämmerle angeregt und von der Regierung des Kantons Thurgau in die IBK eingebracht. Die Regierungschefs begrüßten dabei auch den Verstoß der IBK zum Welterbe Pfahlbauten einmütig, das heißt explizit auch mit Unterstützung derjenigen Länder, welche selbst über keine Fundstellen im Welterbe verfügen. Es sollten Diskussionsvorschläge erarbeitet werden, ohne den Eindruck zu erwecken, die IBK könne direkt Investitionen tätigen. Mit der so ausgelösten Vorarbeit durch die Experten der Fachstellen der Länder und Kantone haben die IBK-Regierungschefs bereits drei Tage nach dem positiven Entscheid der UNESCO am 30.6.2011 beschlossen, eine Studie in Auftrag zu geben, um die gemeinsamen Möglichkeiten auszuleuchten, um die Sichtbarkeit und die Vermittlung des neuen UNESCO-Welterbes Pfahlbauten im Raum Bodensee und Zürichsee zu stärken. Zur Begleitung der Studie wurde ein Gremium unter Einbezug von Fachgremien der Denkmalpflege sowie Spezialistinnen und Spezialisten aus Tourismus, Wirtschaft und Politik gebildet.

3.   Machbarkeitsstudie zur Sichtbarmachung und Vermittlung des Welterbes Pfahlbauten 3.1 Auftrag Im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung wurde der Auftrag für die Machbarkeitsstudie zur „Vermittlung und Sichtbarmachung des UNESCO-Welterbes Pfahlbauten im Einzugsbereich der IBK“ an das Kulturberatungsunternehmen Actori GmbH aus ­München vergeben.1 Als Fokus der Studie wurde vorab der Themenbereich Koordination, Vernetzung und Vermittlung definiert, da hier der größte Handlungsbedarf ge­­ sehen wurde. Viele andere Funktionen werden bereits verantwortlich durch die ­Länder 1 Actori GmbH München: Vermittlungsstudie Pfahlbauten, Abschlussbericht und Zusammenfassung, Oktober 2012; http://www.bodenseekonferenz.org/41433/Home/Welterbe-Pfahlbauten/ Machbarkeitsstudie/index_v2.aspx (11.01.2018).

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Kantone/ Länder

Bund

NGO

Monotoring

XXXX

X

X

Wiss. Betreuung

XXXX

X

X

XX

XXX

XX

XX

X

X

XXX

X

XXX

XX

Studie Actori

Thema

Raum­planung

Private

X

Gemeinden

XX

Grundlagen­ forschung Tour. Nutzung

XXXX

X

X

Koordination/ Vernetzung/ Vermittlung

X

X

X

X

Andere

2  Funktionsschema serieller Objekte zum Welterbe

und Kantone oder andere Akteure bearbeitet, wie ein Blick auf das Funktionsschema serieller Objekte zum Welterbe zeigt (Abb. 2). Die Übersicht macht nochmals deutlich, dass es sich beim Welterbe Pfahlbauten nicht nur um eine grenzüberschreitende, sondern auch um eine ebenen- und sektorübergreifende Aufgabe handelt. Der Auftrag der Machbarkeitsstudie war es: – eine Bestandsaufnahme der Angebote, Potenziale und Akteurssysteme zu liefern; – den Mehrwert aufzuzeigen, der durch eine (bessere) Vermittlung des Welterbes in der Region entstehen kann; – eine gemeinsame Vision für die Vermittlung des Welterbes Pfahlbauten zu ent­ wickeln und herauszuarbeiten, welche Voraussetzungen bereits vorhanden sind und welche Segmente fehlen  – unter besonderer Berücksichtigung der Merkmale der Universalität und der Internationalität des Welterbes; – Eckpunkte für eine gemeinsame Strategie zum Welterbe zu formulieren; – Vorschläge zu entwickeln, wie sich die bislang nicht existierende Funktion eines „Meeting points“ für das Welterbe realisieren lässt; – mögliche weitere Schritte zu skizzieren, um ein Markenzeichen für den IBK-Raum zu schaffen und um Impulse für den künftigen Auftritt des Welterbes, seine Vermarktung und die Vernetzung der Akteure. Die Grundlagenarbeiten der Machbarkeitsstudie wurden im Zeitraum von März bis August 2012 durchgeführt. Es fanden vier Sitzungen der international besetzten Begleitgruppe statt. Von den Bearbeitern der Actori GmbH wurden 35 Experten­gespräche geführt und 25 schriftliche Befragungen bei allen Beteiligten durchgeführt, ­darunter

Sichtbarmachung und Vermittlung des Welterbes     |

Fachstellen Archäologie, Tourismus, Kultur und Wirtschaft aus allen IBK-Ländern, sämtliche Museen mit Bezug zu Pfahlbauten sowie weitere Akteure. Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie wurden im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung am 13.4.2013 vorgestellt. Der Bericht und sämtliche Unterlagen und Vorträge der Präsentationsveranstaltung sind dokumentiert auf einer speziellen Webseite (www.bodenseekonferenz.org/pfahlbauten) und können daher von allen beteiligten und interessierten Akteuren genutzt werden.

3.2  Ausgangslage – Angebot und Potenziale Gemäß Studie zeichnet sich das Welterbe Pfahlbauten in der Internationalen Bodenseeregion durch eine Vielzahl an Angeboten aus (29 Fundstellen, 23 Museen, 3 Archäoparks/Pfade; Abb. 3). Es zeigen sich klare Vorstellungen der befragten Akteure über künftige Themen und Einzelaktivitäten. Demnach besteht die wesentliche Herausforderung in der Schaffung von verbindenden Elementen zwischen diesen bestehenden Elementen und Vorhaben.

3  Fundorte, Museen und Lehrpfade zum Welterbe Pfahlbauten im IBK-Raum

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Die Region ist mit Angeboten zu den vier Themenbereichen „Entwicklung der Menschheit“, „Lebensweise der Menschen“, „Fundstücke aus der Region“ und „Methoden der Archäologie“ breit aufgestellt, wobei die Methoden der Archäologie gemäß Befragung noch ausbaufähig sind. Die Vermittlungsangebote zum Welterbe Pfahlbauten sind zum Zeitpunkt der Befragung stark rezeptiv geprägt, interaktive Angebote werden meist nur für geschlossene Gruppen, zum Beispiel Schulklassen, angeboten. Auch dominieren klassische Vermittlungsmethoden wie etwa Führungen. Das Angebot an Medien und Lern-Objekten ist begrenzt, somit erscheint ein Ausbau empfehlenswert. Die Vermittlungsangebote sind jedoch kaum vernetzt. Die Pfahlbauten stellen zudem vielfach nur einen Teilbereich in einem großen archäologischen und kulturhistorischen Angebot dar. Die konstatierte Nichtsichtbarkeit des Welterbes ist eine Herausforderung, für die bislang nur wenige Lösungsansätze festgestellt werden können. Hilfreich sind freilich die große Bekanntheit der Thematik Pfahlbauten in der Region und die offensichtliche Attraktivität für den Tourismus. Jedoch müssen Besucher einen hohen Aufwand treiben, um die verschiedenen Facetten des Welterbes zu finden und zu erfahren. Eine einheit­ liche Vermarktung fehlt, die Vielfalt dominiert auch im Erscheinungsbild. Zudem ist die Konnotation mit dem Welterbegedanken auf sehr wenige Institutionen fokussiert, die Vielfalt und der Reichtum an Wissen werden bislang nur in Ansätzen vermittelt. Grundsätzlich werden die Potenziale des Welterbes Pfahlbauten insbesondere darin gesehen, dass seine strategische Nutzung durch Bezugnahme auf ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des IBK-Raumes das regionale Profil schärfen würde. Durch eine Verwertung der Inhalte für zielgruppengerechte Angebote könnten laut Studie attraktive Angebote für Einwohner sowie Touristen geschaffen werden. Es bietet sich insofern an, attraktive Angebotspakete zu schaffen und eine gemeinsame Vermarktung und ­Kommunikation des Welterbes auf Basis eines übergreifenden und gemeinsamen Themas aufzubauen. Durch die Nutzung bereits bestehender Strukturen und die Bündelung der Angebote können Synergien erschlossen werden.

3.3  Vision für die Vermittlung des Welterbes Pfahlbauten Die Studie formuliert vier Eckpfeiler und fünf Leitlinien für die künftige Vermittlung des Welterbes Pfahlbauten (Abb. 4): Die Vermittlungsarbeit des Welterbes soll sich verstärkt an den Bedürfnissen der Besucher orientieren. Das Welterbe Pfahlbauten wie auch die Vermittlungsaktivitäten müssen für die Öffentlichkeit sichtbar und greifbar werden. Um das vorhandene Potenzial voll auszuschöpfen, müssen Netzwerke und Verbindungen zwischen Angeboten, Leistungsträgern und Interessensgruppen entwickelt werden. Dabei soll die gesamte Region vom Potenzial des UNESCO-Welterbes Pfahlbauten profitieren. Insbesondere gilt es, die hohe wissenschaftliche Kompetenz hinsichtlich des Themas Pfahlbauten gewinnbringend zu nutzen, aber gleichzeitig auch Sachverhalte und Erkenntnisse zeitgemäß zu vermitteln.

Sichtbarmachung und Vermittlung des Welterbes     |

4  Vision zur Vermittlung des Welterbes Pfahlbauten

5  Themenwelten der Vermittlung des Welterbes Pfahlbauten

Als logischer Überbau für die Vermittlung des Welterbes Pfahlbauten wurden in der Studie drei Themenwelten definiert, worin sich die verschiedenen Eigenschaften und Besonderheiten des Welterbes bündeln lassen (Abb. 5). Diese Themenbereiche befassen sich mit der eigentlichen kulturhistorischen Bedeutung im Sinne der UNESCO, mit der Faszination des Lebens der Menschen in den Pfahlbauten sowie mit der Forschungsgeschichte und den wissenschaftlichen Methoden der Archäologie, welche die Einblicke in das damalige Leben ermöglichen und uns die kulturelle Bedeutung der Pfahlbauten erst erschließen.

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Bei der Vermittlung sollte unterschieden werden zwischen: – Zentrale Anlaufpunkte als Informationszentren zu Pfahlbauten. Diese wären neu zu schaffen mit der Funktion als Verteiler, Vermittler, Attraktion und Vernetzer. Davon profitieren sollen alle bestehenden Vermittlungsorte. Als Standorte empfiehlt die Studie je einen zentralen Ort am Bodensee und am Zürichsee. – Schwerpunktmuseen mit großen Pfahlbau-Ausstellungen: Hierbei geht es um Vermittlung der einzelnen Themenwelten. Dazu sind Absprachen zwischen den be­­ stehenden Vermittlungsorten über die Darstellung der einzelnen Themenwelten und die Vermeidung von inhaltlich starken Überschneidungen notwendig. – Vermittlungsorte mit regionalem Schwerpunkt zur Vermittlung der regionalen Pfahlbauten: Schwerpunkte sind regionale Inhalte, Ausbildung regionaler Guides, lokale Ausschilderungen zu Fundstellen/Museen  – und nicht die übergreifenden Themen. Für ein Handlungsprogramm zur Realisierung der Konzeption formuliert die Studie neun Handlungsfelder mit 35 Einzelprojekten. Ein erster Schritt wäre die Schaffung einer gemeinsamen Klammer wie etwa in Form eines Überblicks über das bestehende Angebot oder eines einheitlichen Logos. Die umfangreichsten Vorschläge erstrecken sich zum einen auf den Neubau einer zentralen Anlaufstelle, zunächst am Bodensee im Raum Konstanz-Kreuzlingen, die über alle Fundstellen, Museen und Aktionen informieren soll, sowie zum andern auf die Einrichtung einer neuen Organisation als Träger für die Maßnahmen.

4.  Diskussion und weitere Bearbeitung der Vorschläge Die IBK-Regierungschefkonferenz hat die Ergebnisse der Studie Ende 2012 zur Kenntnis genommen und zur öffentlichen Präsentation freigegeben. Zugleich wurde beschlossen, eine Projektgruppe der IBK einzurichten, welche die Sichtbarmachung des Welt­ erbes und die mögliche Rolle der IBK in diesem Prozess weiter ausarbeiten sollte. Die Actori-Studie wurde am 11. April 2013 im Konzilsaal in Konstanz öffentlich vorgestellt. An der Veranstaltung haben rund 70 Personen teilgenommen. Darunter je ein Viertel Vertreterinnen und Vertreter von Kultur und Museen, Fachstellen Denkmalpflege und Archäologie sowie Tourismus. Weiter waren Standortgemeinden der Welterbestätten sowie Experten anderer Verbände, Vereine, Beratungsfirmen oder Mandatsträger vertreten. In dieser ersten öffentlichen Diskussion stieß die Kernbotschaft der Studie grundsätzlich auf Zustimmung, nämlich dass es einer besseren Vernetzung und Kooperation bestehender Angebote zur Vermittlung des Welterbes bedarf. Auch die Notwendigkeit der Bildung eines themenspezifischen Netzwerks wurde anerkannt. Kontroverse Auffassungen wurden hingegen über Idee der Studie zur Schaffung zweier zentraler Informations- und Anlaufpunkte in Zürich und Konstanz/Kreuzlingen geäußert. Von einigen Teilnehmern wurde stattdessen eine stärkere Förderung bestehender musealer Einrich-

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tungen gefordert, etwa des Pfahlbaumuseums Unteruhldingen. Mehrheitlich wurde dies jedoch abgelehnt, da man befürchtete, dass dieser große Akteur weiterhin das Thema Pfahlbauten und Welterbe zu monopolisieren trachten könnte. Es wurde als eine Herausforderung anerkannt, sehr unterschiedliche Akteure wie Museen, Standortgemeinden oder Tourismusverbände zielgerichtet zu einer engeren Zusammenarbeit zu bewegen. Im Verlauf der folgenden 18 Monate hat die IBK-Projektgruppe auf Basis der von Actori vorgeschlagenen Maßnahmen ein Handlungsprogramm entworfen, dessen fünf Stoßrichtungen von der IBK-Regierungschefkonferenz am 12.12.2014 begrüßt wurden: Service-Center auf der Grenze Infozentren an Bodensee und Zürichsee Klar und erkennbar L  eitlinien für eine übergreifende Kennzeichnung und ein einheitliches Erscheinungsbild – Verschiedene Kundinnen und Kunden Aufbau von dezentralen Vermittlungskonzepten – Innovative Ideen Visualisierung verborgener Welten – Vernetzung regelmäßiger Austausch aller Interessierten am Welterbe. – –

Zur detaillierten Ausarbeitung der Ziele und Maßnahmen wurde vorgeschlagen, ein Interreg-Projekt zu lancieren. Anschließend hat die IBK zu einer ersten Akteurskonferenz zum Welterbe Pfahlbauten im IBK-Raum am 21. Januar 2015 nach Friedrichshafen eingeladen, um die Stoßrichtungen mit den beteiligten Institutionen und Personen zu diskutieren.2 Dabei sind die vorgeschlagenen strategischen Ziele und Maßnahmen auf allgemeine Zustimmung gestoßen. Alle Protagonisten standen hinter dem Vorschlag für ein Infozentrum/ Science Center auf der Grenze im Raum Konstanz-Kreuzlingen als bisher fehlendes Element und für eine Fortsetzung der Vernetzung. Im Zuge der Vorprüfungen für ein Science-Center auf der Grenze als Leuchtturm für die Vermittlung und Sichtbarmachung und Vernetzung des gesamten Welterbes Pfahlbauten im IBK-Raum musste allerdings festgestellt werden, dass die Oberste Denkmalschutzbehörde Baden-Württemberg derzeit die aus Sicht der Projektgruppe unabdingbare Verlagerung bestehender Ressourcen der jetzigen Träger der wissenschaftlichen Arbeit (wie etwa Laboreinrichtungen der Dendrochronologie) nicht als möglich ansieht. Daher sei eine Initialzündung für den Aufbau eines solchen Projektes derzeit nicht in Sicht. Das – allerdings anders gelagerte – Projekt am Zürichsee werde indes von lokalen Initiatoren unter Begleitung durch kantonale Stellen weiterverfolgt. Dennoch solle das 2 Beiträge und Memo unter: www.bodenseekonferenz.org/pfahlbauten.

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Thema Sichtbarmachung und Vermittlung des Welterbes der prähistorischen Pfahlbauten im Rahmen der IBK fortgeführt werden. Auch die Funktionen „Infozentrum für alle Aspekte des Welterbes und alle bestehenden Vermittlungseinrichtungen“ sowie „Vermittlung der Faszination Pfahlbauforschung“ müssten neu überdacht werden. Der Ständige Ausschuss der IBK hat unter diesen Prämissen eine neue Projektgruppe eingesetzt, die beauftragt ist, in den Jahren 2016–2019 konkrete Projekte umzusetzen. Grundlage dafür sind die oben beschriebenen 2014 festgelegten fünf Stoßrichtungen sowie die Grundlagen aus der Actori-Studie. Die IBK-Regierungschefkonferenz hat am 10.12.2015 die Einrichtung der Projektgruppe begrüßt und folgende Empfehlungen beschlossen: – Es werden regelmäßige Vernetzungstreffen unter der Schirmherrschaft der IBK vorgesehen (2016 in Bad Buchau; 2018 in Arbon). – Die betreffenden Fachstellen im IBK-Raum sind gehalten, eine einheitliche Verwendung von Logos und Erscheinungsbildern anzustreben. – Für die weitere Vermittlung im IBK-Raum dienen die Resultate der Studie von Actori als gemeinsame Grundlage; Beitragsgesuche beziehungsweise Beteiligungen der IBK für die Vermittlung des Welterbes sind daraufhin zu überprüfen. Unter diesen Voraussetzungen sollte es gelingen, Unterhalt und Vermittlung der Welterbestätten Pfahlbauten auf eine zukunftsfähige Grundlage zu stellen. Spannend war und ist bei diesem Projekt die Beziehung zwischen der Politik und einem sehr engen fach­ lichen Thema.

Literatur Actori GmbH München: Vermittlungsstudie Pfahlbauten, Abschlussbericht und Zusammenfassung, Oktober 2012 http://www.bodenseekonferenz.org/41433/Home/Welterbe-Pfahlbauten/Machbarkeitsstudie/index_v2.aspx (11.01.2018).

Anna Michel

DIE SERIELLE UND TRANSNATIONALE WELTERBESTÄTTE PFAHLBAUTEN Eine empirische Untersuchung der Vermittlungsarbeit

1. Einleitung Am 26. Juni 2011 wurden die vorgeschichtlichen Fundstätten der Pfahlbauten auf der 35. Sitzung des Welterbekomitees in Paris von der UNESCO-Generalkonferenz unter Anerkennung der Kriterien iv) und v) auf die Welterbeliste aufgenommen. Eingetragen wurden die Pfahlbauten als eine serielle und grenzüberschreitende Welterbestätte. Aus der Aufnahme auf die internationale Welterbeliste resultiert neben der Pflicht zum Schutz und Erhalt auch die Forderung der UNESCO, weitreichende Aktivitäten zur öffentlichkeitswirksamen Vermittlung der Welterbestätte durchzuführen. Durch Resolutionen, überarbeitete Richtlinien und neue Programme hat gerade diese Forderung seit Mitte der 90er Jahre stetig an Bedeutung gewonnen. Dabei ist die Aufgabe der zielgerichteten Vermittlung von Informationen an ein breites Publikum bei seriellen Stätten aufgrund ihrer dezentralen Anlage besonders anspruchsvoll und bedarf einer durchdachten, intensiven Form der multilateralen Koordinierung. Neben der Herausforderung, die aus der Serialität der Welterbestätte Pfahlbauten folgt, liegt deren weitere Problematik in der eingeschränkten Sichtbarkeit: Viele Fundstätten befinden sich in den Flachwasserzonen von Binnenseen, in Moor- und Sumpfgebieten, und ihre Zeugnisse liegen unter Wasser- und Erdbedeckung dem Blick verborgen. Aufgrund dieser Besonderheiten wird im folgenden Artikel das Handlungsfeld der Vermittlungsarbeit mit der spezifischen Konfiguration einer transnationalen und seriel­len Welterbestätte in Bezug gesetzt. Problematisiert werden die unterschied­ lichen Akteursgruppen mit ihren divergierenden Motiven, die in die Vermittlungsarbeit involviert sind, sowie die im Wesen eines archäologischen Welterbes begründete eingeschränkte Sicht- und Zugänglichkeit. Es wird ferner untersucht, inwiefern die Nutzung von Rekonstruktionen sinnvoll sein kann, um Wissen über die Pfahlbauten zu ver­ mitteln.1 1 Der Beitrag basiert auf einer im Dezember 2013 am Lehrstuhl für Materielles und Immaterielles Kulturerbe an der Universität Paderborn unter dem Titel „Vermittlung als Aufgabe – Die trans-

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2.  Die Pfahlbauten – Eine Welterbestätte mit Sonderstatus Die Welterbestätte „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“ stellt in der Gesamtbetrachtung der 802 (Stand Juli 2015) Kulturerbstätten der UNESCO-Welterbeliste einen Sonderling dar: Mit ihrer transnationalen und seriellen Konfiguration vereint die Stätte gleich zwei Besonderheiten in Bezug auf ihre räumliche Anlage. Dieses Welterbe repräsentiert nicht ein einzelnes Objekt, sondern fasst 111 Fundorte von den insgesamt 937 in der Forschung bekannten Stätten unter einem übergreifenden Welterbetitel zusammen.2 Dies lässt die Pfahlbauten zu der Gruppe der seriellen Welterbestätten treten, die im Sinne des deutschsprachigen UNESCO-Welterbe-Manuals auch als „Sammelgüter“ bezeichnet werden: „Ein Sammelgut besteht aus einzelnen Bestandteilen, zwischen denen ein Zusammenhang besteht, weil sie demselben historisch-kulturellen Bereich angehören, und sofern das Gut als Ganzes – und nicht unbedingt seine einzelnen Bestandteile – den außergewöhnlichen universellen Wert ausmacht.“3 Die 111 Fundstätten befinden sich zudem nicht auf dem Hoheitsgebiet einer einzelnen Nation, sondern verteilen sich auf sechs Nationen, nämlich die Schweiz, Deutschland, Italien, Frankreich, Österreich und Slowenien. Daher handelt es sich nach der Klassifikation der UNESCO um ein sogenanntes „transnationales Sammelgut“: Ein angemeldetes Sammelgut kann sich a)  in dem Hoheitsgebiet eines einzigen Vertragsstaats befinden (nationales Sammelgut) b) innerhalb des Hoheitsgebiets verschiedener Vertragsstaaten, die nicht aneinander angrenzen müssen, befinden und wird dann mit Zustimmung aller betroffenen Vertragsstaaten angemeldet (transnationales Sammelgut).4

Von den insgesamt 1031 Kultur- und Naturerbestätten der Welterbeliste gehören 31 zu den transnationalen Stätten (Stand 2015), was lediglich 3 % der Gesamtanzahl an Stätten der Welterbeliste entspricht. Neben der Klassifizierung als transnationales Sammelgut zählen die Pfahlbauten zu den auf der Welterbeliste unterrepräsentierten archäologischen Stätten. Als Bodendenkmal aus der Zeit zwischen 5.000 und 500 v. Chr. befinden sich die Fundstätten in

nationale und serielle Welterbestätte „Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen“ angenommenen Masterarbeit (masch.). Dort sind auch die unten als Zitate nachgewiesenen Transkripte („Transkript…“) dokumentiert, die aus Experteninterviews resultieren, die im Rahmen der Arbeit durchgeführt wurden. – Hintergrund der Arbeit war eine zweimonatige Hospitation am Pfahlbauinformationszentrum bei der Arbeitsstelle für Feuchtbodenarchäologie der Landesdenkmalpflege Baden-Württemberg in Hemmenhofen. 2 Vgl. Rapport périodique. Sites palafittiques préhistoriques autour des Alpes, 2014, S. 3 ; online verfügbar unter: http://whc.unesco.org/archive/periodicreporting/EUR/cycle02/section2/­g roupb/ ­1363.pdf (01.02.2016). 3 Deutsche UNESCO-Kommission (Hg.): Welterbe-Manual. Handbuch zur Umsetzung der Welterbekonvention in Deutschland Luxemburg, Österreich und der Schweiz, 2. erw. Aufl. Bonn 2009, S. 235. 4 Ebd.

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den Uferzonen der Voralpenseen, in Verlandungsgebieten oder in vergleichbaren sogenannten Feuchtbodengebieten wie trockengefallenen Mooren. Das feuchte Milieu trägt dazu bei, organische Materialien wie Nahrungsreste, Holz und Textilien, die sich im Mineralboden längst zersetzt hätten, über Jahrtausende zu erhalten.5 Da die im sogenannten Feuchtbodenmilieu befindlichen Überreste jungsteinzeitlicher und bronzezeitlicher Siedlungen jedoch von Wasser und Erde bedeckt sind, sind sie für den Betrachter in der Regel unsichtbar – eine Hürde für die Vermittlung. Im Gegensatz dazu steht der Umstand, dass durch den erlangten Welterbetitel die Aufmerksamkeit für die Stätten und der Informationsbedarf zum Welterbe stark zugenommen haben.

3.  Vermittlung der Welterbestätte: Herausforderungen und Chancen Die besondere räumliche Konfiguration der Welterbestätte und ihr Status als archäologisches Welterbe wirken sich auf die Vermittlungsarbeit aus. Aus der Serialität der Stätte folgt die Notwendigkeit, den Interessierten zu verdeutlichen, dass es sich bei den Pfahlbauten um ein prähistorisches Siedlungsphänomen handelt, dessen Überreste noch heute an verschiedenen Orten in unterschiedlicher Ausprägung aufgefunden werden können. Wie in der Definition von Sammelgütern aufgezeigt, erschöpft sich der außergewöhnliche „universelle Wert“ der Stätte (Outstanding Universal Value – OUV) nicht in der Betrachtung von gelisteten Einzelstätten, sondern wird erst in der Zusammenschau der Stätten in ihrer räumlichen und zeitlichen Disparität sichtbar. Das Gebiet der ge­­ listeten Pfahlbaufundstätten erstreckt sich vom Laibacher Moor in der Nähe der slowenischen Hauptstadt Ljubljana bis zu den 900 km entfernten Seen der Savoyischen Alpen in Frankreich und vereint dabei Pfahlbaufunde aus der Zeit der Jungsteinzeit ebenso wie aus der Bronzezeit. Zum anderen bedingt die grenzüberschreitende Anlage besondere Anforderungen an die Koordination und das Management der Vermittlungsarbeit. Rein zahlenmäßig sind an seriellen Stätten deutlich mehr Akteure mit den aus der UNESCO-Konvention resultierenden Aufgaben betraut als dies an Einzelstätten der Fall ist. Jedes Land verfügt über eigene administrative Strukturen, rechtliche und politische Gegebenheiten. Analog zu der höheren Zahl an Akteuren erweitert sich auch das Spektrum der jeweiligen Interessen und Motive. Innerhalb der Projektphase am Pfahlbauinformationszentrum konnte in Bezug auf die 18 deutschen Fundstellen die Erfahrung gemacht werden, dass von jeder Gemeinde, auf deren Gemarkung sich Pfahlbaufunde befinden, eigene kulturpolitische und touristische Ziele verfolgt werden. Dies führt zu einem erhöhten Bedarf, die verschiedenen Interessen zu koordinieren, gegeneinander abzuwägen und fachliches Wissen über die jeweiligen Fundstätten an die lokalen Akteure zu vermitteln.

5 Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (Hg.): UNESCO-Welterbe Prä­ historische Pfahlbauten um die Alpen in Baden-Württemberg, Stuttgart 2011, S. 6.

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Neben der Serialität und Transnationalität besteht eine dritte Herausforderung in der schwierigen Sichtbarkeit und Zugänglichkeit der Welterbestätte. Als Bodendenkmal, dessen Zeugnisse in der Regel verdeckt sind, scheint eine Besichtigung der Stätten auf den ersten Blick wenig sinnvoll. Die häufige Lage in Naturschutzgebieten erschwert zusätzlich den Zugang zu den Stätten. Jeglicher Kontakt mit der Fundstätte – ob als Spaziergänger am Ufer oder als Taucher unter Wasser – bedroht die Integrität des fragilen Welterbes. Folglich kann die Vermittlung von Wissen über die Welt­erbestätte zumeist nicht an der authentischen Fundstelle selbst erfolgen.6 Es werden daher in manchen Fällen Nachbauten von Pfahlhäusern genutzt, um Be­­suchern überhaupt etwas zeigen zu können, und Funde aus Ausgrabungen in musealen Ausstellungen präsentiert. Dies steht im Konflikt zu der Tatsache, dass durch die UNESCO ausschließlich die 111 originalen Fundstätten „in situ“ als Welterbe anerkannt sind und nicht etwa die in Ausgrabungen geborgenen Funde. Die „mobilen Kultur­g üter“ wie Steinbeile, Keramikscherben oder Überreste von Textilien, die in Ausstellungen präsentiert werden können, gehören streng genommen nicht zum Welterbe. Die Anlage als transnationale serielle Welterbestätte sowie die eingeschränkte Sichtbarkeit der im Feuchtboden befindlichen Artefakte stellen daher die Kernprobleme der Vermittlungsarbeit dar. Um diesen bereits im Zuge der Welterbebewerbung konsta­ tierten Schwierigkeiten zu begegnen, wurde als nationale Ergänzung zu der Internationalen Koordinierungsgruppe auf deutscher Seite das „Pfahlbauten-Informationszentrum Baden-Württemberg“ als zentrale Stelle geschaffen.7 Das Informationszentrum erarbeitet Informationsmaterial und stellt aufbereitetes Fachwissen für Interessierte zur Verfügung. Es koordiniert eigene Vermittlungsmaßnahmen wie Vorträge, Wanderausstellungen und Workshops und berät als zentraler Ansprechpartner die baden-württembergischen und bayerischen Kommunen in allen das Welterbe betreffenden Belangen.

4.  Kulturvermittlung an Welterbestätten Den festgestellten Schwierigkeiten, das Interesse einer breiten Öffentlichkeit an den Pfahlbauten zu wecken, steht der stetige Bedeutungsgewinn der sogenannten Welterbe­ vermittlung gegenüber, der die Weitergabe von Wissen an Welterbestätten seit der Welt­ erbekonvention von 1972 auf internationaler und nationaler Ebene immer stärker in das Zentrum der Aufmerksamkeit rücken lässt. Bereits in der Urkonvention stand neben dem Schutz der Kulturgüter gleichermaßen die öffentlichkeitswirksame Vermittlung des Welterbes im Fokus. In Artikel 4 der Konvention wird neben der Pflicht zum Schutz 6 Vgl. die Diskussion zu dem Aspekt “Kommunikation” des Managementplans im Vorfeld der Welt­ erbe­bewerbung auf dem ersten Treffen der Internationalen Koordinierungsgruppe im Mai 2010 in Slowenien, in: Prehistoric Pile Dwellings around the Alps. Management Plan, Version 2.0, Februar 2011, S. 116; online verfügbar unter: http://www.palafittes.org/de/produkte-downloads/managementplan-20-2011/index.html (10.02.2016). 7 Ebd., S. 56.

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und der Konservierung des Welterbes ebenso dessen Präsentation und Vermittlung an zukünftige Generationen festgeschrieben: Each State Party to this Convention recognizes that the duty of ensuring the identification, protection, conservation, presentation and transmission to future generations of the cultural and natural heritage referred to in Articles 1 and 2 and situated on its territory, belongs primarily to that State.8

Zur Realisierung dieser Pflicht werden in Artikel 27 und 28 sogenannte Bildungspro­ gramme genannt, die die Wertschätzung und den Respekt der Menschen vor dem Welt­ erbe stärken und Informationen über die Bedrohungsfaktoren und Schutzmaßnahmen vermitteln sollten: 1. The States Parties to this Convention shall endeavor by all appropriate means, and in particular by educational and information programmes, to strengthen appreciation and respect by their peoples of the cultural and natural heritage defined in Articles 1 and 2 of the Convention. 2. They shall undertake to keep the public broadly informed of the dangers threatening this heritage and of the activities carried on in pursuance of this Convention.9

Bis heute werden diese frühen Forderungen nach Vermittlungsaktivtäten durch zahlreiche Programme, Empfehlungen und Resolutionen ergänzt, die das Thema der Vermittlung an Welterbestätten stetig ausweiten. In diesem Zusammenhang wurde auch der Begriff der Welterbebildung (engl. World Heritage Education) geprägt. Der Begriff wird seit Anfang der 1990er Jahre seitens des UNESCO World Heritage Centre sowie der Deutschen UNESCO-Kommission verwendet10 und beschreibt ein Handlungsfeld, das sich von einem pädagogischen Standpunkt aus mit der Vermittlung von Wissen über Welterbestätten vor allem an Schulklassen auseinandersetzt. Zur Intensivierung der Vermittlungsarbeit an Welterbestätten gibt die UNESCO im Rahmen des 1994 begründeten „World Heritage Education Programme“ auch eigene Welterbe-Produkte heraus. Hierzu gehören die Zeitschrift „World Heritage Review“, ein Bildkalender, ein Lehrerbehelf „World Heritage in Young Hands Education Kit“, DVDs sowie ein Online-Newsletter.11 Ziel des World Heritage Educations Programmes ist es, durch Jugendforen, Ausbildungsworkshops und Unterrichtsmaterialen die Welterbe-Thematik international

  8 UNESCO (Hg.): Recommendation concerning the Protection at National Level, of the Cultural and Natural Heritage, November 1972; online verfügbar unter: http://whc.unesco.org/en/convention­ text/ (08.01.2016).   9 Ebd. 10 Seit 1994 existiert von der UNESCO ein eigenes Programm unter dem Namen „World Heritage Education Programme“, das darauf zielt, die Bildung von Kindern und Jugendlichen im Bereich des Welterbes mit unterschiedlichen Maßnahmen zu stärken; vgl. http://whc.unesco.org/en/ wheducation (10.01.2016). 11 Strasser, Peter: Welt-Erbe? Thesen über das Flaggschiffprogramm der UNESCO, in: Hemme, Dorothee/­Tauschek, Markus/Bendix, Regina (Hg.), Prädikat Heritage. Wertschöpfungen aus kulturellen Ressourcen, Münster 2007, S. 101–128, hier S. 125.

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verstärkt in den Schulunterricht einzubinden.12 Auch in den Erziehungswissenschaften hat sich im deutschsprachigen Raum um das Thema World Heritage Education ein eigener wissenschaftlicher Diskurs mit Tagungen, Publikationen und Arbeitsgruppen entwickelt.13 Auf nationaler Ebene hat die Deutsche UNESCO-Kommission (DUK) der Welterbevermittlung unter dem Stichwort „Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit“ eine noch stärkere Kontur gegeben. So wurde auf der jährlich stattfindenden Hauptversammlung der DUK 2006 in Hildesheim die „Hildesheimer Erklärung“ verabschiedet, in der beschlossen wurde „[…] die Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit sowie das bürgerschaftliche Engagement für die Welterbestätten zu intensivieren“. Die Erklärung empfiehlt, die Kooperation mit Schulen weiterzuentwickeln und mit geeigneten Institutionen zusammenzuarbeiten, um Entscheidungsträger, Gästeführer und andere Multiplikatoren zu informieren und weiterzubilden. Ebenso wird das bürgerschaftliche Engagement betont und seitens der DUK gefordert, mit Hilfe von Freundeskreisen und Bürgerstiftungen die Identifikation mit dem Welterbe vor Ort zu stärken.14 Mit dem Schulprogramm „denkmal aktiv – Kulturerbe macht Schule“ engagiert sich seit 2003 auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz gemeinsam mit der DUK für die stärkere Einbindung des Welterbethemas im Unterricht.15 Pro Schuljahr werden Projekte mit 2.000 € gefördert, in denen Schüler sich mit Welterbestätten beschäftigen. Neben der finanziellen Förderung werden auch bereits erarbeitete Arbeitsblätter für die Sekundarstufen I und II zur Verfügung gestellt. Festzustellen ist, dass der Vermittlungs- und Öffentlichkeitsarbeit in den Dokumenten der UNESCO sowie den Initiativen der nationalen UNESCO-Kommission seit der Urkonvention von 1972 eine immer bedeutsamere Rolle im Welterbemanagement zugewiesen wird. Die Bildung hat sich neben dem originären Schutzmotiv allmählich zum Kernanliegen der Welterbekonvention entwickelt. Der Autor Peter Dippon hat diese Entwicklung mit der treffenden Formel „Von der Schutzkonvention zum Bildungsprogramm“16 auf den Punkt gebracht. 12 Ein Produkt des Schulprogramms “Welterbe für junge Menschen” ist die gleichnamige Unterrichtsmappe, die 2003 in Zusammenarbeit mit der Deutschen UNESCO-Kommission, der Österreichischen UNESCO-Kommission sowie der Deutschen Stiftung Denkmalschutz herausgegeben wurde und über die Deutsche Stiftung Denkmalschutz bezogen werden kann. 13 Vgl. Ströter-Bender, Jutta (Hg.): World Heritage Education. Positionen und Diskurse zur Vermittlung des UNESCO-Welterbes, Marburg 2010. 14 Vgl. Deutsche UNESCO-Kommission: Resolution der 66. Hauptversammlung der Deutschen UNESCO-Kommission, Hildesheim 2006; online verfügbar unter: https://www.unesco.de/infothek/ dokumente/resolutionen-duk/reshv66.html (08.01.2016). 15 Mehr Informationen zu dem Programm unter: http://www.denkmal-aktiv.de (08.01.2016). 16 Titel eines Vortrags, den Peter Dippon 2013 in dem Studiengang Naturraum und Regionalentwicklung an der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg gehalten hat. Dippon verfasste seine Dissertation zu dem Thema: Lernort UNESCO-Welterbe. Eine akteurs- und institutionsbasierte Analyse des Bildungsanspruchs im Spannungsfeld von Postulat und Praxis (Heidelberger Geographische Arbeiten, Bd. 132), Heidelberg 2012.

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5.   Eigene Datenerhebung: Fragestellung und Methode Aus der im Rahmen der Hospitation am Pfahlbauinformationszentrum gemachten Beobachtung, dass im Alltag der Vermittlungsarbeit häufig dieselben Konflikte auftreten, entstand die Idee, sich bewusst mit der Struktur der Welterbestätte auseinanderzusetzen und empirische Daten im Hinblick auf die „Vermittelbarkeit“ zu erheben. Zwei Hypothesen lagen der sich daraus entwickelnden Arbeit zugrunde: 1. Die archäologische Welterbestätte Pfahlbauten bedarf aufgrund ihrer spezifischen räumlichen Konfiguration besonderer Vermittlungsformen, die objektgerecht entworfen werden müssen. 2. Der Reichtum und die Komplexität archäologischer Forschungsergebnisse zu den Pfahlbauten muss publikumsgerecht aufgearbeitet werden, um erfolgreich vermittelt werden zu können. Auf der Suche nach Informationen und Erfahrungswerten zum Thema „Vermittlung an seriellen und/oder transnationalen Welterbestätten“ in Monografien, Sammelbänden, Managementplänen, Machbarkeitsstudien und anderen Dokumenten konnten nur spärliche Informationen gewonnen werden. Daher wurde ein empirisches Vorgehen gewählt, das mit Interviews und einer Online-Umfrage neues Wissen zu dem Themenfeld „Vermittlungsarbeit an der seriellen und transnationalen Welterbestätte Pfahlbauten“ generieren und zusammenfassend darstellen sollte. Die folgenden Leitfragen wurden zur Überprüfung der beiden Hypothesen in das Zentrum des Forschungsprojekts gestellt: 1. Wie beeinflusst die Serialität mit 111 gelisteten Stätten die Vermittlungsarbeit der Welterbestätte? 2. Wie beeinflusst die Heterogenität der Akteure – deren Motive und Ziele – die praktische Vermittlungsarbeit vor Ort? 3. Welche Methoden und Strategien könnten geeignet sein, das nur eingeschränkt sichtbare Welterbe erfahrbar- und begreifbar zu machen? Welche Bedeutung kommt der Nutzung von Rekonstruktionen zu?17 Um Lösungsansätze für die skizzierten Schwierigkeiten herauszuarbeiten und dafür „bottom up“ die Ideen und Haltungen der involvierten Akteure zu ermitteln, wurden von 17 In der Masterarbeit der Vfn. wurden außerdem noch drei weitere Leitfragen zu den Problemfeldern „Attraktivität eines vorgeschichtlichen Themas“, „Bedeutung der Forschungsgeschichte für die Vermittlung“ und „Potentiale und Chancen eines Science Center“ untersucht. Da die Darstellung der Ergebnisse zu allen Untersuchungsaspekten zu umfangreich wäre, wurde der Aufsatz auf die Darstellung der drei Problemfelder begrenzt. – Der Nachweis „Transkript…“ bezieht sich auf die Dokumentation der Befragung in der Masterarbeit.

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März bis August 2013 neun qualitative Experteninterviews geführt, transkribiert und ausgewertet. Der Begriff „Experte“ beschreibt im Zusammenhang der Untersuchung die „[…] spezifische Rolle des Interviewpartners als Quelle von Spezialwissen über den zu erforschenden Sachverhalt.“18 So waren alle Gesprächspartner durch ihre Ausbildung, ihren Beruf und/oder ihr Interesse eng mit dem Thema Pfahlbauten vertraut und verfügten über einen tiefergehenden Einblick in die Probleme der Vermittlung. Um nicht nur die Meinungen einer Akteursgruppe pauschal, sondern die spezifischen Meinungen der Personen aus den verschiedenen Akteursgruppen abbilden und miteinander vergleichen zu können, wurden die Interviewpartner aus fünf unterschiedlichen Bereichen ausgewählt: Archäologie, Touristik, UNESCO, Vermittlung und Museum (Tabelle 1). Tabelle 1  Auswahl von Interviewpartnern als Repräsentanten verschiedener Berufsfelder im Vermittlungs-Kontext Akteursgruppe

Expertenwissen für:

Institution

Archäologie

Wissenschaftliche ­Pfahlbauforschung

Landesdenkmalpflege Baden-­Württemberg; Arbeitsstelle für Feuchtbodenarchäologie ­Hemmenhofen Kantonsarchäologie Thurgau

Touristik

Vermarktung und Bewerben

Tourismus Welterbeinsel Reichenau Tourismus Bodman-Ludwigshafen Deutsche Welterbestätten e.V.

UNESCO

Wahrung der UNESCO-­Konvention

Deutsche UNESCO-Kommission Bonn

Vermittlung

Präsentation und Gestaltung von Inhalten

3sat Filmproduktion Schätze der Welt – ­ Erbe der Menschheit

Museum

Ausstellen und Vermitteln

Heimatmuseum Allensbach

Die Interviews sollten ermitteln, wie die Akteure über die Bedeutung der Serialität und Transnationalität der Welterbestätte denken und wie die Interviewpartner zu den identisch gestellten Fragen der Vermittlung, insbesondere im Bezug zu Rekonstruktionen und der Bedeutung von Authentizität, stehen. Ein Interviewleitfaden strukturierte die Interviews und machte sie vergleichbar. Die Auswertung der Interviews erfolgte nach Maßgabe der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring19 mit Hilfe der Software MAXQDA. Ergänzt wurden die qualitativen Experteninterviews durch eine quantita18 Gläser, Jochen/Laudel, Grit (Hg.): Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse, Wiesbaden 2009, S. 12. 19 Vgl. Mayring, Philipp: Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken, 9. überarb. Aufl. Weinheim 2007.

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tive Online-Umfrage, an der 112 Personen teilnahmen. Die Umfrage nahm die Fragen der Leitfaden-Interviews auf und passte sie an die Beantwortung mittels einer Zustimmungsskala an. Bildeten die Experteninterviews einen komplexen reflexiven Einblick in Argumentationen und Meinungen von Einzelsubjekten ab, so erhob die Online-Umfrage die Nennhäufigkeit einfacher, vorgegebener Antworten. In der Zusammenschau der Ergebnisse beider Untersuchungsmethoden ließen sich – wenn auch nicht repräsentativ – Ergebnisse verallgemeinern und absichern. Die Auswertung der beiden Datenquellen wurde zur Entwicklung von strategischen Handlungsempfehlungen und Leitlinien für eine zukünftige Vermittlungsarbeit genutzt – für die Pfahlbauten genauso wie für andere serielle Welterbestätten. Denn als verhältnismäßig junge Stätte, die erst seit 2011 zum Kanon der internationalen Welterbestätten gehört, eignen sich die Pfahlbauten auf Grund ihrer komplexen Gesamtstruktur in besonderer Weise, ein sogenanntes „Best Practice“-Beispiel für ähnlich konfigurierte Stätten darzustellen. Dies gilt umso mehr, da Deutschland von Birgitta Ringbeck, Delegierter der Kultusministerkonferenz beim Welterbekomitee, bescheinigt wird, mit der Nominierung serieller Stätten bereits gewisse „[…] Standards gesetzt […]“ 20 zu haben.

6. Ergebnisse der empirischen Untersuchung: Problemfeld Serialität und Vermittlung In den Experteninterviews wurde zunächst erhoben, wie die Akteure den allgemeinen Zusammenhang zwischen einer seriellen transnationalen Welterbestätte und der Forderung der UNESCO nach einer qualitativ hochwertigen Vermittlungsarbeit sehen. In den Interviews bewerteten alle neun Befragten die Serialität der Welterbestätte als hinderlich für die Vermittlung. Kein Akteur äußerte sich positiv über die serielle Anlage. Vor allem die notwendige Zusammenarbeit wurde als negativ bewertet, da diese sich in der Praxis mit den vielen verschiedenen Akteuren bisher als ausgesprochen mühsam erwiesen habe. Außerdem wurde die räumliche Ausdehnung des zu repräsentierenden Phänomens als zu groß beschrieben. Dies führe in der Gesamtheit dazu, dass das Welterbe, wie ein Archäologe feststellte, „[…] auf nicht besonders geeignete Strukturen trifft.“ 21 Insbesondere die Zusammenarbeit im Kulturbereich wurde von einem Archäologen als problematisch eingeschätzt. Es fehle gerade hier an Disziplin, da man sich von lockeren Strukturen vermeintlich mehr Kreativität erhoffe. Fraglich sei allerdings, ob man sich im Bereich der Archäologie und des Welterbemanagements in einem solchen kreativen Bereich befände und ob es nicht eventuell sinnvoll sei, eine Zusammenarbeit zu befehlen und klare, einheitliche Strukturen zugunsten eines effektiveren Managements 20 Ringbeck, Birgitta: Die Welterbekonvention 1972–2012. Rückblick und Ausblick zum 40. Geburtstag eines Erfolgsmodells, in: Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (Hg.), Die SchUM-Gemeinden Speyer – Worms – Mainz. Auf dem Weg zum Welterbe, Regensburg 2013, S. 11–14, hier S. 14. 21 TranskriptArchaeoB, Zeile 207–208.

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vorzugeben: „Ob es nicht einfach auch so geht, dass wir sagen: Wir machen es jetzt mal so! Und haben damit 80% der Probleme gelöst und für die restlichen 20% reicht es jetzt einfach nicht.“ 22 Zudem wurde die Beamtenhierarchie kritisiert, die eine Zusammenarbeit behindere und nicht immer zu den sinnvollsten Entscheidungen führe: Ein großes Problem, und das sage ich offen, ist die Hierarchisierung der deutschsprachigen Forschung. Die funktioniert ganz stark über: Der Herr Professor sagt, was durchgeht, auch wenn er es eigentlich nicht weiß. Und da muss man sich wahrscheinlich schon an Wirtschaftsmodellen oder an verwaltungstechnischen Modellen des 21. Jahrhunderts orientieren. Nicht nach der Preußischen Beamtenverordnung.23

Die zentralen Aussagen der Experteninterviews zu der Auswertungskategorie „Serialität“ beziehen sich auf ganz unterschiedliche Bereiche: Das Serielle ist im Hinblick auf die Vermittlung eine Herausforderung, weil:

– es erhöhte Anforderungen an die Kooperationsbereitschaft und Kooperations­ fähigkeit stellt – der Kulturbereich bei der Zusammenarbeit wenig Disziplin besitzt – jede kleinere Gemeinde eigene Vorstellungen hat – das Welterbe nicht fokussiert an einem Ort auftritt – verschiedene Amtssprachen und Kulturen effektiv zusammengespannt werden müssen – das Serielle der Welterbstätte den Besuchern weithin gleichgültig ist – nicht nur ein Objekt, sondern mehrere Stätten in ihrer Ausbreitung vermittelt werden müssen Die Aussage des Vermittlungsexperten, dass nach seiner Erfahrung den Besuchern die serielle Anlage der Stätte „[…] fast egal […]“ sei24, wirft die Frage auf, ob die Tatsache der weiten räumlichen Ausdehnung der Pfahlbaufundstätten bislang ausreichend vermittelt werden konnte. Die Wahrnehmung des Welterbes wird somit nicht nur durch die eingeschränkte Sichtbarkeit als Bodendenkmal erschwert, sondern ebenso durch ihr fragmentiertes Vorkommen an unterschiedlichen Orten. In der quantitativen Fragebogen-Umfrage äußerten sich 100 Teilnehmer zu der Frage: „Wird durch die Serialität der Welterbestätte (Sechs Länder, 111 Fundstätten) die Vermittlungsarbeit erschwert oder erleichtert?“. 28 Teilnehmer machten „keine Angabe“ (Diagramm 1). 32 Befragten, die in der Serialität eine Chance für die Vermittlung sahen, standen 40 Befragte gegenüber, welche die Serialität eher als erschwerende Hürde bewerteten. Dieses recht ausgewogene Meinungsbild aus der Außenperspektive weicht die konsequent kritische Einschätzung aus den Experteninterviews auf. Es ist 22 TranskriptArchaeoB, Zeile 201–202. 23 TranskriptArchaeoB, Zeile 203–207. 24 TranskriptVermittlung, Zeile 96.

Die serielle und transnationale Welterbestätte Pfahlbauten     |

Serialität und Koordinierung

30 25 20 15

0

sehr erschwert

erschwert

28

1

12

19

18

5

16

10 6

Anzahl der Antworten

Frage: Wird durch die Serialität der Welterbestätte die Vermittlungsarbeit erschwert oder erleichtert?

eher eher erleichtert sehr erschwert erleichtert erleichtert

keine Angabe

Diagramm 1  Auswirkungen der Serialität der Welterbestätte Pfahlbauten auf die Vermittlungs­ arbeit (N = 100)  

anzu­nehmen, dass aus der Innensicht des Welterbemanagements die befragten Experten aufgrund einschlägiger Erfahrungen die serielle Anlage der Stätte deutlich problematischer sehen, als dies bei den übrigen Befragten aus der Online-Umfrage der Fall ist.

7.  Problemfeld: Pluralität von beteiligten Akteuren und ihren Motiven Die räumliche Ausdehnung des Welterbes über Staats-, Kreis- und Gemeindegrenzen hinweg führt zu einer Vielzahl von Akteuren, die sich mit dem Welterbe und seiner Vermittlung unmittelbar oder mittelbar befassen. In den Interviews wurden recht unterschiedliche Einzelpersonen und Gruppen genannt. Akteure im unmittelbaren oder mittelbaren Welterbemanagement sind:

– – – – – – – – – – –

die nationalen Regierungen der sechs Länder die Landkreise die Bundesländer und Kantone die Gemeinden und Bürgermeister die Archäologen die Vereine die Touristikorganisationen [DZT, TMBW, IBT, DBT] der Naturschutz die Arbeitsgemeinschaften die UNESCO-Kommission die Bevölkerung und Ehrenamtliche

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  Eine große Anzahl von Akteuren ist dabei nicht per se ein Problem für das Management und die damit zusammenhängende Vermittlung, doch liegt das Konfliktpotential im Welterbemanagement gerade bei den Pfahlbauten in der großen Varianz der beteiligten Einzelpersonen und Gruppen. Den Aussagen der Experten war zu entnehmen, dass sich die verschiedenen Akteure hinsichtlich – der politischen Anbindung – der Kommunikationsweise [formell/informell] – der Motiven und Interessen – der allgemeinen Aufgeschlossenheit gegenüber dem Welterbe sowie – der fachlichen Kompetenz stark unterscheiden. Insbesondere die unterschiedlichen Motive und Interessen führen in der Vermittlungspraxis zu Spannungen. Naturschützer, Archäologen und Denkmalpfleger möchten die Fundstätten in erster Linie schützen. Touristiker, Vermittler und Museumsleute sind hingegen daran interessiert, das Thema stärker zu vermarkten, um Aufmerksamkeit und letztlich Besucher zu gewinnen. Ein Experte benannte diese stärker ökonomisch-orientierte Motivation ganz konkret: Der reine Touristiker … ich bin ja kein reiner Touristiker, weil ich ja auch das Museum und die Kultur mache. Also ich bin eine Mischform. Der reine Touristiker würde sagen: So viel wie möglich! Also jetzt nicht auf Teufel komm raus, aber so viel wie möglich. Gleich wirtschaftlicher Erfolg.25

Die divergierenden Motive führen zu einer starken Abgrenzung der unterschiedlichen Akteursgruppen untereinander. Insbesondere die Archäologen und Denkmalpfleger grenzen sich von den als zu unterhaltend und kommerziell empfundenen Vermittlungsmaßnahmen aus dem Museums- und Tourismusbereich ab. Ein Befragter beschrieb dieses Verhalten gar als Kampf gegeneinander und rief zu einer undogmatischeren Zusammenarbeit auf: Da findet so viel Abgrenzung statt, dass sich die Leute alle verbandeln sollten. Also wenn die mehr lernen würden, wie zum Beispiel Disney denkt. Die denken ja nicht in solchen Bereichen: Okay, hier ist dann die Wissenschaft und hier ist das und das und dann werden sauber die Zäune gebaut zwischen allen Bereichen. Sondern das eine profitiert da immer von dem anderen.26

Zur Überwindung dieser Abgrenzung sollte an einer Öffnung beider Gruppen zueinander und einer Intensivierung des Austauschs gearbeitet werden. Es gilt für Denkmalpfleger und Archäologen zu akzeptieren, dass ein Erbe, das keiner kennt, auch niemand schützt.27 Ebenso sollte den Touristikern bewusst sein, dass die Welterbekonvention in

25 TranskriptTouristikWe, Zeile 663–667. 26 TanskriptVermittlung, Zeile 399–404. 27 Vgl. Mayerhofer, Brigitte: Die Welterbekonvention von 1972, in: Hüfner, Klaus/Reuther, Wolfgang (Hg.), UNESCO-Handbuch, Berlin 1996, S. 54–60, hier 54.

Die serielle und transnationale Welterbestätte Pfahlbauten     |

erster Linie eine Schutzkonvention und kein Titel zum „Touristenfang“ 28 darstellt. Dem Pfahlbauinformationszentrum als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Vermittlung kommt hier eine besondere Bedeutung in der Mediation zu. Ein weiterer Konflikt besteht zwischen dem Schutz der Welterbestätte und dem Anliegen der Vermittler, etwas zeigen zu können. Aus Sorge vor Beschädigungen der Stätten sind viele Pfahlbaufundstätten beispielsweise nicht mit Schildern ausgewiesen – auch weil diese zum Teil in Naturschutzgebieten liegen und Naturschützer und Denkmalpfleger nicht daran interessiert sind, die Fundstellen offensiv bekannt zu machen. Im Interview beschrieb diesen Konflikt der Experte aus der Vermittlung: „Das ist so eine richtig widerstreitende Geschichte, dass man eigentlich einerseits dafür Werbung machen will, aber andererseits möchte man nicht, dass Leute ins Wasser gehen und sich die Sachen holen.“29 Um diesen polarisierenden und zum Teil entgegengesetzten Interessen effektiv zu begegnen, gaben die Experten in den Interviews zu bedenken, von der „eigenen Kirchturmpolitik“ Abstand zu nehmen und vermehrt über „Staaten- und Gemeindegrenzen hinweg zu denken“. Denn gerade bei einer seriellen Stätte sei es notwendig, dass sich die Einzelnen als Teil eines großen Ganzen begreifen und nicht nur eigene An­­ sprüche an den erworbenen Titel stellen.

7.  Problemfeld: Eingeschränkte Sichtbarkeit und Rekonstruktionen Die beschriebene Unsichtbarkeit des eigentlichen Welterbes stellt für die Vermittlung die Frage nach der sinnvollen Nutzung von Rekonstruktionen und deren Erkenntnis­ potential für Welterbe-Interessierte. Bislang nehmen Nachbauten in der Vermittlung von Inhalten rund um die Pfahlbauthematik insbesondere durch das Pfahlbaumuseum in Unteruhldingen eine prominente Rolle ein. Das überdurchschnittlich gut am Markt positionierte Museum zieht jedes Jahr knapp 300.000 Besucher an und führt diese durch eine nachempfundene Pfahlbausiedlung mit Rekonstruktionen aus unterschiedlichen Zeitstufen der Vorgeschichte. Aufgrund der Geschichte des Museums, das bereits in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts gegründet wurde, haben die Unteruhldinger Pfahlbaurekonstruktionen sich in besonderem Maße im kollektiven Gedächtnis verankern können. In den Experteninterviews wurde nun die Frage gestellt, welche Bedeutung den Rekonstruktionen in der Vermittlung zukommt. Außerdem wurde dem Problemfeld „Rekonstruktion“ eine Frage nach der Bedeutung von Authentizität in der Vermittlung zugeordnet. Alle Befragten bewerteten Rekonstruktionen als wichtig für die Vermitt28 Strasser, Peter: Welt-Erbe? Thesen über das Flaggschiffprogramm der UNESCO, in: Hemme, ­Dorothee/Tauschek, Markus/Bendix, Regina (Hg.), Prädikat „Heritage“. Wertschöpfungen aus kulturellen Ressourcen, Münster 2007, S. 101. 29 TranskriptVermittlung, Zeile 74–78.

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lung. Wegen des Fehlens von sichtbaren Originalen an den Fundstätten müsse eine Visualisierung des Phänomens vorgenommen werden. Auch die drei befragten Archäologen erachteten die Nutzung von Nachbauten als eine Notwendigkeit. Daher sollten sie auch „[…] gut gemacht sein […]“, und ein weiterer Befragter merkte an, dass man manchmal „[…] sehr verschwommene Bilder zeigen müsste, wenn man ehrlich sein wollte.“30 Kurz, der Einsatz von Rekonstruktionen lässt sich im Wesentlichen vierfach begründen: Rekonstruktionen spielen für die Vermittlung eine wichtige Rolle, weil:

– – – –

außer den Funden selbst nichts Greifbares zu zeigen ist die Besucher sich fragen: „Wie hat das mal ausgesehen?“ Rekonstruktionen in der Vermittlung gut funktionieren die Pfahlfelder unter Wasser für Laien nicht zu deuten sind

Allerdings gaben sechs der neun befragten Experten zu bedenken, dass ganz bewusst dem Problem begegnet werden müsse, dass die Nachbauten in Unteruhldingen immer wieder mit dem Welterbe verwechselt würden. Dies sei ein fataler Kurzschluss, der sich bereits bei lokalen und internationalen Besuchern etabliert habe. Dem sei entschieden durch Hinweise und Erklärungen entgegenzuwirken. Zudem sprach sich ein Archäologe ganz allgemein dafür aus, die Nachbauten ephemerer zu behandeln und sie sozusagen dem Zahn der Zeit auszusetzen, damit auch der Prozess des Verfalls authentischerweise dargestellt werden könne. Denn: „Einen zwanzigjährigen Pfahlbau gibt es gar nicht, der ist schon lange abgebrannt.“31 Es wurde also deutlich, dass mit dem Mittel der Rekon­ struktion behutsamt und reflektiert umgegangen werden müsse. Rekonstruktionen sollten in der Vermittlung so genutzt werden, dass:

– sie nicht als Welterbe betrachtet und mit dem Original verwechselt werden – auf bestehende Erkenntnislücken in der archäologischen Wissenschaft ­hingewiesen wird – sie ephemer behandelt werden und der dynamischen Prozess des Verfalls ­deutlich wird – sie in Verbindung mit seriöser Forschung genutzt werden – nicht an jeder gelisteten Fundstätte ein neuer Nachbau errichtet wird Im skizzierten Kontext wurde auch eine Frage nach der Bedeutung von Authentizität aufgeworfen. Die Sicherung von Authentizität wurde im Zusammenhang mit der Vermittlung der Pfahlbauten von den Befragten als Gegenmaßnahme zur sogenannten „Disney­ 30 TranskriptArcheoS, Zeile 409–410. 31 TranskriptArchaeoB, Zeile 461–462.

Die serielle und transnationale Welterbestätte Pfahlbauten     |

isierung“ beschrieben, die freilich mittlerweile „out“, überholt, sei. Auch der ‚Uhldi’ – eine als Steinzeitmann kostümierte Person des Pfahlbaumuseums Unteruhldingen, die bei Führungen durch die Nachbauten Handwerkstechniken vorführt – wurde als Gegensatz zu authentischer Vermittlung angesehen. Ebenso wurden inszenierte Grabungen für Kinder im Sandkasten, „[…] wo eine halbe Stunde vorher eine Museumspädagogin eine Scherbe und einen Knochen verbuddelt hat.“ 32 als wenig akzeptabel bewertet. Der Kunsthistoriker und Denkmalpfleger Helmut-Eberhard Paulus etwa erkennt in derart inszenierten Vermittlungsangeboten eine Nostalgiesucht und konstatiert: Nostalgie ersehnt sich ein anderes Leben als das reale, verflüchtigt sich in traumhaft inszenierten Räumlichkeiten, schafft Kulissen für eine Traumfabrik mit falschen Erwartungen. Viel zu oft nährt sie – etwa im Pauschaltourismus und in der Eventkultur – das Missverständnis von leicht konsumierbarer Geschichte, das ohne entsprechende Aufklärung die Menschen über­fordert oder enttäuscht, insbesondere, wenn Produkte angeboten werden, die außen wie Geschichte aussehen, im Kern aber eine Fälschung sind. 33

Im Gegenzug zu einem derart oberflächlichen und falschen Vermittlungsmodus wurde in den Interviews die Bedeutung der Originale und der Originalfundstätten betont und authentische Vermittlung mit seriöser Forschung und Ehrlichkeit gegenüber dem Be­­ sucher in Verbindung gebracht: Wichtig sei es, dem Besucher ehrlich zu vermitteln, was er anschaut, und dabei auch auf die Schwierigkeit der archäologischen Forschung hinzuweisen, zu überprüfbaren Ergebnissen zu gelangen.34 Fallübergreifend waren alle Akteure der Ansicht, dass Authentizität in der Vermittlung archäologischer Inhalte besonders wichtig sei. Das belegen repräsentative Antworten von Experten (Tabelle 2). Die Experten hoben in ihren Aussagen neben dem Bedürfnis der Besucher, das Original zu sehen, auch die authentische Fundstelle und damit die Anmutungsqualität des Ortes hervor, an dem Jahrtausende vor unserer Zeit Menschen gesiedelt haben. Zusammenfassend lassen sich aus den Interviews mehrere unterschiedliche Argumente herauslesen, die für die Bedeutung von Authentizität sprechen.

32 Transkript ArcheoS, Zeile 213–214. 33 Paulus, Helmut-Eberhard: Vorwort zur Jahrbuchreihe der Thüringer Stiftung Schlösser und Gärten, in: Paulus, Helmut-Eberhard (Hg.), Tourismus und Denkmalpflege. Modelle im Kulturtourismus, Regensburg 2008, S. 8. 34 Vgl. TranskriptUNESCO, Zeile 348–351.

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Tabelle 2  Expertenantworten: Die Bedeutung von Authentizität bei der Vermittlung von archäologischen Inhalten Interview Untersuchungsgruppe

Originalzitate zum Thema: Bedeutung von Authentizität

TranskriptUNESCO

„Ja und zwar eine besonders komplexe Bedeutung. […] Das halte ich für einen generellen Trend, dass einem irgendwann auch schwindelig wird von der ganzen Alltags­hektik und dass Ferien, Urlaub, Tourismus auch immer etwas mit einem Gegenbild zu tun haben von dem, was man im beruflichen Alltag erlebt. Von daher hat das sicherlich auch eine Bedeutung und Konsequenzen für die Vermittlungsarbeit an den Welterbestätten.“

TranskriptArchaeoL

„Ja das merke ich immer wieder. Die Leute möchten das Original sehen. Und möchten am Originalort sein. […] Das reicht schon. Nur der genius loci, das Gefühl, dass man am Ort ist.“

TranskriptArcheoS

„Ich denke, je mehr die Menschheit mit Medien, also letztlich mit Surrogaten arbeitet, umso bedeutsamer wird der Umgang mit den Originalen. Die Aura des Originals wird vielleicht sogar größer werden. Und in gewisser Weise würde ich sogar sagen, dass im pädagogischen Bereich das Original existenziell wichtig ist.“

TranskriptArcheoB

„Ja, auf jeden Fall. Authentizität hat im Bereich archäologischer Objekte eine besondere Bedeutung.“

TranskriptTouristikK

„Ja. Also es ist ganz klar der Trend im Tourismus, dass es zurück zur Basis läuft. Also die Disneyisierung ist mittlerweile out. Die Menschen suchen auch wieder das Authentische und wollen eigentlich nicht diese… wie soll ich sagen? Also die wollen wieder die echten Werte. Man kann auch sagen: Zurück zur Basis.“

TranskriptTouristikWe

„Absolut. Jaja. Eindeutig. Davon profitiert ja auch das Heimat­museum in Unteruhldingen im Grunde genommen. Dass dieses Museum einiger­ maßen, sage ich jetzt mal, auch diese romantische Vorstellung von dem Leben in ­Häusern auf Pfählen präsentiert. […]Darum sage ich ja, dass es so einen Glaskasten geben sollte. Am authentischen Ort. Vielleicht sogar in der gleichen Wasserhöhe, so wie der damals stand und wie man aus seiner Hütte geguckt hat.“

TranskriptTouristikW

„Aber vor Ort, das ist das Wichtige, da müssten Rekonstruktionen und Beschreibungen erfolgen, damit vor Ort genau erkannt wird: Hier hat es vor 3000 oder 5000 ­Jahren Menschen gegeben, die so und so gelebt haben. […] der Besucher steht am Ufer des Bodensees, möglicherweise in einem landschaftsgeschützten Gebiet, wo man nichts sieht, aber durch die Tafel wird dann nachgeholfen.“

TranskriptVermittlung

„Richtig. Da haben wir im Team auch schon drüber ge­­sprochen. Wenn man jetzt Filme macht, dann denkt man an solche Variationen, dass aus dem Wasser ein Dorf aufsteigt, sich zusammenbaut und dann wieder zusammen­sinkt. All das ist technisch zu machen“

TranskriptMuseum

„Ja. Die Originalfunde schon. Da werde ich häufig gefragt: Wo ist denn der Dolch? Und dann muss ich sagen: Nein, der ist eingeschlossen in der Kühlkammer. Da fragen die Leute schon danach, wo die Originale sind!“

Die serielle und transnationale Welterbestätte Pfahlbauten     |

Authentizität ist für die Vermittlung ein wichtiger Wert, weil:

– sie der Gegentrend zur Disneyisierung ist – sie für eine Form von Ehrlichkeit gegenüber dem Besucher steht – die Sehnsucht nach Authentizität der Archäologie Auftrieb gegeben hat – die Menschen das Original sehen möchten und keine Repliken – der genius loci des authentischen Ortes eine besondere Aura besitzt – Menschen immer mehr mit Medien, d.h. Surrogaten, arbeiten Für die Vermittlung bedeutet dieser Trend, den Besucher und sein Interesse ernst zu nehmen und auch Erkenntnislücken aus der Forschung sowie offene Fragen zur konkreten Gestaltung einer Pfahlbau-Rekonstruktion zu thematisieren. Darüber hinaus wurden von mehreren Experten die Aura und die Faszination der authentischen Fundstätten angesprochen. Die daraus abgeleiteten Postulate äußern sich in einer Reihe von Handlungsanweisungen: Authentizität bedeutet für die Vermittlung konkret:

– auch die Grenzen der archäologischen Forschung aufzuzeigen – auf Repliken ehrlich hinzuweisen – seriöses Reenactment zu zeigen anstatt eines „Uhldi“ – den authentischen Ort stärker in der Vermittlungsarbeit zu nutzen und ihn ­gegebenenfalls medial aufzuwerten – neue innovative Vermittlungswege zu nutzen Indes sei gerade auch der lokale Ort der Fundstätte für die Vermittlung von besonderem Interesse, worauf ausdrücklich hingewiesen wurde, selbst wenn vor Ort nichts mehr von den Pfahlbauten zu sehen sei: „Das reicht schon. Nur der genius loci. Das Gefühl, dass man am Ort ist.“35 Diese Auffassung spiegelte sich auch in der Online-Umfrage wider, in der sich eine große Mehrheit für eine „hohe“ bis „sehr hohe“ Bedeutung der authentischen Orte für die Vermittlung aussprach. Bei 97 Befragten verteilten sich 84 der Antworten auf die Einschätzungen „sehr hoch“, „hoch“ oder „eher hoch“. Dies entspricht einem prozentualen Anteil von 81 % aller Befragten (Diagramm 2).

35 TranskriptArchaeoL, Zeile 227–228.

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Frage: Welchen Stellenwert hat Ihrer Meinung nach der unmittelbare Kontakt mit dem lokalen Ort der authentischen Fundstelle für die Vermittlung? Anzahl der Antworten

94

50 40

40 27

30

17

20

12

10 0

sehr hoch

hoch

eher hoch

eher niedrig

1

0

niedrig

sehr niedrig

Diagramm 2  Bedeutung des authentischen Ortes für die Vermittlung (N = 97)

Außer dem Pfahlbaumuseum und einem Info-Pavillon in Unteruhldingen nutzen bislang nur wenige Vermittlungsorte die Faszination der lokalen Fundstelle. Dies ist aus Natur- und Denkmalschutzgründen gewiss nicht immer möglich. Dennoch stellen die reizvolle Ufersituation und Wasserlage des Welterbes ein Vermittlungspotential dar. Deshalb sollte der genius loci der gelisteten Welterbestätten in Zukunft stärker genutzt und fruchtbar gemacht werden.

8. Fazit Das Welterbekomitee hat die bevorzugte Aufnahme von seriellen Stätten beschlossen und stellt parallel immer ausdifferenziertere Anforderungen an die Welterbevermittlung. Anhand der empirisch erhobenen Daten lässt sich jedoch feststellen, dass serielle Stätten in der Vermittlungsarbeit sowie im allgemeinen Welterbemanagement einen erhöhten Aufwand in Entscheidungs- und Abstimmungsprozessen verursachen. Die komplexe heterogene räumliche und politische Anlage stellt besondere Anforderungen an die Zusammenarbeit und Kooperation und erschwert damit die Arbeit im Vergleich zu lokal begrenzten Einzelobjekten. In der Folge sind auch die vielfältigen Forderungen der UNESCO im Bereich der Welterbevermittlung nur unzureichend zu realisieren. Die Frage, inwiefern die Heterogenität der Akteure die Vermittlungsarbeit beeinflusst, kann im Hinblick auf die qualitativen Interviews eindeutig beantwortet werden: Die Heterogenität der Akteure führt zu Interessenskonflikten und beeinflusst strategische Überlegungen zur Vermittlung negativ. Probleme, die bereits bei Einzelobjekten der Welterbeliste durch Interessenvertreter unterschiedlicher Gruppen auftreten, potenzieren sich an seriellen Stätten noch einmal. Dies tritt in besonderer Weise bei den Untersuchungsgruppen Archäologie/Denkmalpflege und Touristik zutage. Die Schwierigkeit, gerade diese beiden Bereiche im Sinne einer adäquaten Welterbevermitt-

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lung auf einen Nenner zu bringen, beschreibt auch der Denkmalpfleger Hartmut-Eberhard Paulus in seinem Aufsatz „Tourismus und Denkmalpflege – vom Nebeneinander zum Miteinander“ und stellt ein festgefahrenes, bereits seit Jahrzehnten bestehendes Kommunika­tions­problem zwischen beiden Gruppen fest: „Nur in wenigen Fällen verlassen Touristiker und Denkmalpfleger ihre angestammten Denkschemata, und nur im Rahmen enger Fragestellungen erkennen sie ihr gemeinsames Interesse oder ihre trennenden Wissensdefizite.“ Paulus empfiehlt, eine gemeinsame Sprache zu finden, unvoreingenommen den Austausch zu suchen und anstatt der Interessenskollisionen die Vorteile einer gemeinsamen Strategie zu sehen.36 Verschärft wird der Konflikt durch die jahrelange Ansiedlung des Pfahlbau-Themas im wissenschaftlichen Bereich. Pfahlbaufundstätten sind hochgradig komplexe und verschlüsselte Bedeutungsträger, deren Verständnis Expertenwissen benötigt. Bei einem solchen Spezialthema sind die Archäologen es jedoch nicht gewohnt, dass sich eine breite Öffentlichkeit und unterschiedliche Berufsgruppen für ihr Thema interessieren. Erst durch den Welterbetitel ist das Pfahlbau-Thema in den Fokus von Touristikern, Gewerbevereinen, Filmschaffenden und Studierenden geraten, die sich des Themas annehmen, es verfremden und gemäß ihren eigenen Vorstellungen darstellen – dies führt unweigerlich zu Konflikten. Die Frage nach der Bedeutung von Rekonstruktionen in der Vermittlung ergab ebenfalls eindeutige Ergebnisse: Als „notwendiges Übel“ werden Nachbauten von allen Experten dennoch als unerlässlich für die Vermittlung eingeschätzt. Zwar werden viele Bedenken formuliert, die im Umgang mit Nachbauten zu berücksichtigen sind, gleichwohl wird eine visuelle Darstellung des Phänomens als unumgänglich angesehen. In der Kontextualisierung und Bespielung der Nachbauten wird die sogenannte „Disneyisierung“ abgelehnt und eher ein Gegentrend beschrieben, der das Original, den authentischen Ort und eine Ehrlichkeit im Umgang mit Forschungslücken betont. Festgehalten werden muss, dass archäologische Bodendenkmale als Welterbe sehr viel schwieriger öffentlichkeitswirksam zu vermitteln sind, als dies bei den gängigen sichtbaren Kulturdenkmälern der Welterbeliste der Fall ist. Bei künftigen Anträgen auf Aufnahmen serieller Stätten sollte den geschilderten Problemfeldern im Managementplan mit geeigneten Maßnahmen begegnet werden. Denn obwohl transnationale Welterbeanträge beispielhaft den Friedens- und Kooperationsgedanken der UNESCO symbolisieren, ist das Management der Stätten realistischerweise nicht immer adäquat handhabbar.

36 Vgl. Paulus, Helmut-Eberhard: Tourismus und Denkmalpflege – vom Nebeneinander zum Mit­ einander, in: Paulus, Helmut-Eberhard (Hg.), Tourismus und Denkmalpflege. Modelle im Kulturtourismus, Regensburg 2008, S. 11.

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Literatur Deutsche UNESCO-Kommission (Hg.): Welterbe-Manual. Handbuch zur Umsetzung der Welterbekonvention in Deutschland Luxemburg, Österreich und der Schweiz, 2. erw. Aufl. Bonn 2009. Dippon, Peter: Lernort UNESCO-Welterbe – Eine akteurs- und institutionsbasierte Analyse des Bildungsanspruchs im Spannungsfeld von Postulat und Praxis, Heidelberg 2012. Hemme, Dorothee/Tauschek, Markus/Bendix, Regina (Hg.): Prädikat Heritage. Wertschöpfungen aus kulturellen Ressourcen, Münster 2007. Hüfner, Klaus/Reuther, Wolfgang (Hg.): UNESCO-Handbuch, Berlin 1996. Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (Hg.): UNESCO-Welterbe Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen in Baden-Württemberg, Stuttgart 2011. Mayerhofer, Brigitte: Die Welterbekonvention von 1972, in: Hüfner, Klaus/Reuther, Wolfgang (Hg.), UNESCO-Handbuch, Berlin 1996, S. 54–60. Mayring, Philipp: Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken, 9. überarb. Aufl. Weinheim 2007. Paulus, Helmut-Eberhard (Hg.): Tourismus und Denkmalpflege. Modelle im Kulturtourismus (Jahrbuch der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, Bd. 11), Regensburg 2008. Rapport périodique. Sites palafittiques préhistoriques autour des Alpes, 2014, S. 3; online verfügbar unter: http://whc.unesco.org/archive/periodicreporting/EUR/cycle02/section2/groupb/1363.pdf (01.02.2016). Ringbeck, Birgitta: Die Welterbekonvention 1972–2012. Rückblick und Ausblick zum 40. Geburtstag eines Erfolgsmodells, in: Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (Hg.), Die SchUM-Gemeinden Speyer – Worms – Mainz. Auf dem Weg zum Welterbe, Regensburg 2013, S. 11–14. Strasser, Peter: Welt-Erbe? Thesen über das Flaggschiffprogramm der UNESCO, in: Hemme, Dorothee/ Tauschek, Markus/Bendix, Regina (Hg.), Prädikat „Heritage“. Wertschöpfungen aus kulturellen Ressourcen, Münster 2007, S. 101–128. Ströter-Bender, Jutta: World Heritage Education. Positionen und Diskurse zur Vermittlung des UNESCO-Welterbes, Marburg 2010. UNESCO (Hg.): Recommendation concerning the Protection at National Level, of the Cultural and Natural Heritage, November 1972, online verfügbar unter: http://whc.unesco.org/en/conventiontext/ (08.01.2016).

SERIELLE WELTERBESTÄTTEN: LIMES UND LOIRETAL

Jürgen Obmann und Christof Flügel

GRENZEN DER VERMITTLUNG AM WELTERBE OBERGERMANISCH-RAETISCHER LIMES Was bleibt außer Blechrömern und Limestorte?*

Der strategischen Vermittlung einer transnationalen seriellen Welterbestätte sind durchaus Grenzen gesetzt. Unterschiedliche limitierende Faktoren sowie die populäre Rezeption werden in diesem Beitrag angerissen. Die geschilderten Erfahrungen be­­ruhen zum großen Teil auf der Tätigkeit an archäologischen Welterbestätten in Bayern.

1.  Das Welterbe Obergermanisch-Raetischer Limes (ORL) Über 550 km lang zieht sich die ehemalige römische Reichsgrenze von Rheinbrohl am Rhein durch Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg nach Bayern an die Donau bei Eining. Nur zwischen Großkrotzenburg und Miltenberg war der Main die überinterpretierte „Völkerscheide“, die übrige Strecke wurde nach und nach als physische Grenze errichtet: in der antiken Provinz Obergermanien als Linie aus Weg und Palisade, später als Graben und Wall; in der antiken Provinz Raetien zuerst ebenfalls als Weg und Palisade, danach als Mauer. Elemente der gesamten Zone waren die Wachttürme (ca. 900) und Kleinkastelle in deren unmittelbaren Bereich sowie die Kastelle (ca. 120) im nahen Hinterland (Abb. 1).1 Der Obergermanisch-Raetische Limes (ORL) ist ein Modul des transnationalen Welt­erbes „Grenzen des Römischen Reiches – Frontiers of the Roman Empire“ zusammen mit dem Hadrianswall in England und dem Antoninuswall in Schottland. Angesichts einer Welterbefläche von 36 km2, verteilt auf 550 km Länge in vier Bundesländern *

Dieser Beitrag ist eine Zusammenführung der gehaltenen Referate mit den Titeln „Grenzen des Römischen Reiches – der Limes als serielle Welterbestätte“ (Jürgen Obmann) und „Qualitätssicherung im Tourismus: Konflikt oder Chance für die Vermittlung“ (Christof Flügel). 1 Einführungen zur Archäologie des Welterbes Limes bieten die folgenden Publikationen (Auswahl): Matešic, Suzana/Sommer, C. Sebastian (Hg.): Am Rande des Römischen Reiches. Ausflüge zum Limes in Süddeutschland (Beiträge Welterbe Limes, Sonderbd). 3, Bad Homburg v.d.H. 2015; Fischer, Thomas/Riedmeier-Fischer, Erika: Der römische Limes in Bayern. Geschichte und Schauplätze entlang des UNESCO-Welterbes, Regensburg 2008; Kemkes, Martin/Scheuerbrandt, Jörg/ Willburger, Nina: Am Rande des Imperiums. Der Limes. Grenze Roms zu den Barbaren, Stuttgart 2002; Jost, Cliff A.: Der römische Limes in Rheinland-Pfalz, Koblenz 2006.

100 |     Jürgen Obmann und Christof Flügel

1  Verlauf der Obergemanisch-Raetischen Limes durch Deutschland

mit unterschiedlichen Denkmalschutzgesetzen, 22 Landkreisen und 159  Kommunen sollte es einsichtig sein, dass die Wahrnehmung und Erhaltung des Denkmals vollkommen anders sein müssen, als dies bei einer Einzelstätte der Fall ist. Schon die schiere Ausdehnung macht deutlich, dass hier Denkmalverwaltung und -management vor erhebliche logistische und kommunikative Probleme gestellt werden. Hilfreich dabei ist eine unterstützende Einheit zur Abstimmung von Belangen, die das gesamte Denkmal in Deutschland betreffen. Dies ist die Deutsche Limeskommission und als internationaler Zusammenschluss aller drei Module die Management-Group, die sich mit dem praktischen Umgang beschäftigt.2 Drei Gegensätze sind es, die die tägliche Arbeit an einer linearen Welterbestätte wie dem ORL bestimmen:

2 Young, Christopher/Dietrich, Reinhard/Henrich, Peter: The Management and Administration of the Transnational Serial World Heritage Property ,Frontiers of the Roman Empire`, in: Vajalinski, Ljudmil Ferdinandov/Sharankov, Nikolaj (Hg.), Limes XXII. Proceedings of the 22nd International Congress of Roman Frontier Studies Ruse, Bulgaria, September 2012, Sofia 2015, S. 949–954.

Grenzen der Vermittlung am Welterbe Obergermanisch-Raetischer Limes      | 101

2  Neubau eines Wachtturmfundamentes in Kleinlellenfeld, Lkr. Ansbach, Bayern

3  Hadrianswall in Nordengland als Nachbau des 19. Jahrhunderts

4  Neubau eines vorgeschicht­ lichen Hauses in Pestenacker, Lkr. Landsberg am Lech, Bayern

102 |     Jürgen Obmann und Christof Flügel

5  Limes bei Kipfenberg, Lkr. Eichstätt, Bayern

6  Hadrianswall in Nordengland, nicht nachgebaut

7  Wiese bei Pestenacker, Lkr. Landsberg am Lech, Bayern, mit darunter liegendem Welterbe „Pfahl­bauten“

1. Archäologische Denkmäler haben es nicht leicht in der Wahrnehmung, ihre sogenannte „Inwertsetzung“ dagegen schon. 2. Archäologische Denkmäler als öffentliches Schutzgut zu vermitteln und anzuerkennen, ist anstrengend und schwierig; einen Neubau, eine Installation zu betrachten, ist einfach.

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3. Archäologische Denkmäler zu bewahren, ist zeit- und kostenaufwendig; ihr „Potential zu wecken und abzuschöpfen“, ist vermeintlich einfach und schnell zu erreichen. Wie kommt man nun zu dieser Einschätzung? Nicht zu leugnen ist die Diskrepanz zwischen der deutlichen Sichtbarkeit obertägiger archäologischer Substanz und ihrem unterirdischen tatsächlichen Vorhandensein. Drei Bildbeispiele sollen dies verdeutlichen. Die Abbildungen zeigen eine Konservierung am Limes (Abb. 2), eine Ansicht des Hadrianswalles (Abb. 3) und einen Neubau des zweiten eingetragenen archäologischen Welterbes in Deutschland, der prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen (Abb. 4). Sie illustrieren die mindeste allgemeine Erwartung an die physische Präsenz eines Denkmals. Die tatsächlichen Überlieferungszustände am Ort zeigen eine wenig spektakuläre Realität (Abb. 5–7). Hier greift unmittelbar die fachliche Vermittlung zur Darstellung und Erläuterung des Denkmals, manchmal auch der Zwang zum Beweis, dass tatsächlich eine archäologische Substanz vorhanden ist.

2.  Eine Annäherung Gehen wir dazu auf eine kleine Reise entlang des Welterbes Obergermanisch-Raetischer Limes, um einen Eindruck zu bekommen, was von den hochgestimmten Texten und Definitionen der UNESCO selbst und ihrer Länderkommission in Deutschland denn eigentlich rezipiert wird. Unser Weg zur Erstinformation führt dabei über die Publikation „UNESCO-Welterbe. Eine Deutschlandreise“, die 2013 anlässlich der gleichnamigen Ausstellung in Frankfurt a. M. erschien.3 Darin soll das segensreiche Wirken der damaligen Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Investitionsprogramm des Bundes für nationale UNESCO-Welterbestätten vorgestellt werden. Man darf festhalten, dass dieses im Grundsatz positiv wirkende Programm in der öffentlichen Darstellung zumindest für das archäologische Denkmal ORL leider misslungen ist. Die eigentlichen geförderten Projekte werden ganz am Schluss stichpunktartig aufgezählt, während der Großteil des Buches einer Reiseanleitung zu den schönsten Stätten Deutschlands gleicht.4 Auch der Obergermanisch-Raetische Limes findet darin ­seinen Platz5. Der Text dazu, der von keiner Kenntnis des Denkmals getrübt scheint, gibt gleichsam stellvertretend Auskunft über die Wahrnehmung des größten Boden-

3 Paul, Andreas (Hg.): UNESCO Welterbe: Eine Deutschlandreise (anlässlich der Ausstellung ,­U NESCO-Welterbe: eine Deutschlandreise‘ im Deutschen Architekturmuseum DAM, Frankfurt a. M. vom 06. Februar 2013 bis zum 26. Mai 2013), Heidelberg 2013. 4 Eine Buchwerbung dazu schreibt: „Architektonische Reiseberichte und feuilletonistische Beiträge von Fachautoren porträtieren alle 36 Standorte nach eigenem sinnlichen Erleben.“; https://www. kehrerverlag.com/de/deutsches-architekturmuseum-unesco-welterbe-eine-deutschlandreise-­ deutsche-ausgabe-978-3-86828-329-7 (31.01.2018). 5 Förster, Yorck: Limitierte Präsenz. Grenzen des Römischen Reiches: Obergermanisch-Raetischer Limes, in: Paul, UNESCO Welterbe: Eine Deutschlandreise, S. 207–211.

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denkmals Deutschlands, wie sie allen am Limes Tätigen hinreichend bekannt sind. Der Wirkungsort des Autors, nämlich Frankfurt, limitiert gleichzeitig seine Denkmalwahrnehmung auf eine Entfernung von maximal einer Autofahrtstunde in klassische Nah­ erholungsregionen wie den Hochtaunus und den Odenwald, einer Tourismus-Isochrone gleich. Es wird einerseits auf die „präsente Abwesenheit“ hingewiesen, was nachvollziehbar erscheint, wenn man ein Bauwerk erwartet mit dreidimensionaler raumwirksamer Architektur, jedoch ein archäologisches Denkmal vorfindet: eine obertägig unspektakuläre Erhebung, erodiert und zerpflügt, oder ein überwachsener Schuttwall, durch mittel­a lterlich-neuzeitlichen Steinraub reduziert; oder wie häufig, obertägig unsichtbar, untertägig aber weitgehend vorhanden.

3.  Der neu gebaute Limes Im Text wird schwadroniert, das Denkmal bedürfe einer „wohldosierten Reanimation“, um wirklich geschätzt zu werden. Was soll dies bedeuten? Um erhofften Besuchern der Welterbestätte vermeintlich Attraktives bieten zu können, wird damit einer baulichen „Inwertsetzung“ das Wort geredet. Dieser Prozess hat seit längerer Zeit Denkmale selbst und umgebende Denkmalflächen erfasst. Der Vorgang bezeichnet die Aneignung, Veränderung durch wirtschaftliche Erschließung und Nutzung eines bisher nicht oder kaum genutzten Raumes oder Objektes für die Tourismusindustrie. Dies setzt meist den vorherigen Aufbau einer nutz- und kommerzialisierbaren Infrastruktur voraus. Eine gerne unterstellte, markante Unsichtbarkeit prädestiniert das Denkmal dazu, mit Neubauten vermeintlich römischer Architektur sowie abstrakten Installationen ausgestattet zu werden. Diese Maßnahmen werden mit umfangreichem materiellem und finanziellem Aufwand durchgeführt, und zwar unter der Maßgabe, später touristische und damit wirtschaftliche Bedeutung zu erlangen.6 Dabei wird besonders von Touristikern fast immer fälschlich der Begriff „Rekonstruktion“ statt „Nachbau“ oder „Neubau“ verwendet.7

6 Grundsätzlich zum ORL als nicht massentourismus-tauglicher touristischer Linienattraktor siehe Letzner, Volker: Materielles und immaterielles Kulturerbe. Herausforderungen für die touristische Attraktorentheorie am Beispiel Limes, in: Weinlich, Edgar (Hg.), Welterbe Limes und Tourismus (Geschichte und Kultur in Mittelfranken 2), Würzburg 2013, S. 68–73. 7 Zu den Definitionen siehe Deutsche Limeskommission: Richtlinien zur Konservierung, Restaurierung, Rekonstruktion, zum Nachbau und der konservatorischen Überdeckung archäologischer Denkmäler des Obergermanisch-Raetischen Limes als Teil des UNESCO-Welterbes ,Frontiers oft he Roman Empire‘, in: Dies. (Hg.), Obergermanisch-Raetischer Limes. Management Plan 2010– 2015. Beiträge Welterbe Limes, Sonderband 1, Bad Homburg v.d.H. 2010, S. 29–32 (Anhang 1); http://www.deutsche-limeskommission.de/fileadmin/dlk/images/dlk/pdfs/Management-­ Plan-­2010-2015.pdf (03.02.2016); Becker, Thomas/Obmann, Jürgen: Neubauten am Limes. In: Bericht der Bayerischen Bodendenkmalpflege 56 (2015), S. 409–434, hier S. 409f.

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8  Neubau eines Wachtturmes mit Gerüst­ löchern in Limeshain, Wetteraukreis, Hessen

9  Neubau eines Wachtturmes in Osterburken, Neckar-Odenwald-Kreis, Baden-Württemberg

10  Neubau eines Wachtturmes bei Hienheim, Lkr. Kelheim, Bayern

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Jene Neubauten sind bereits seit rund 130 Jahren elementarer Bestandteil des Bildwissens zum Limes und zur römischen Militärarchitektur.8 Seit dem ersten Limesturm-Neubau 1874 auf dem Wintersberg bei Bad Ems in Rheinland-Pfalz sind am Obergermanisch-Raetischen Limes und am Odenwaldlimes inzwischen 31 Türme sowie 11 Kastell-Teil-Neubauten errichtet worden. Für die Gestaltung solcher Bauten kommen unterschiedliche Arten in Frage: – das handwerklich ausgeführte Mauerwerk inklusive unverputzter Oberflächen mit Naturstein oder mit Putz und rotem Fugenstrich (Abb. 8); – die antikisierende Kulisse, die mit modernen Materialien (Beton und Strukturma­ tri­ze) den derzeitigen Forschungsstand unter der Berücksichtigung moderner Bauvorschriften inklusive behindertengerechter Erschließung kombiniert (Abb. 9); – die abstrakte Visualisierung zur Vermittlung der antiken Höhenentwicklung und Kubatur ebenfalls unter der Berücksichtigung moderner Bauvorschriften (Abb. 10). Dazu kommen noch mindestens 52 Palisaden-, Wall/Graben- und Mauerstücke. Diese Architekturen sind wichtiger Bestandteil der touristischen Vermarktung, dienen als wiedererkennbare Motive, stellen aber bei einer Länge des Denkmals von 550 km dennoch nur punktuelle Anlaufstellen dar. Der Präsentation und Erläuterung tatsächlicher Denkmalsubstanz muss dabei ein eindeutiges Schwergewicht zufallen. Ergänzend können bestehende Neubauten und andere Installationen zur Vermittlung genutzt werden. Diese haben bestenfalls Verweischarakter auf das Original.

4.  Das nicht Sichtbare kenntlich machen Um die lineare Struktur des Limes, seinen Verlauf in der Landschaft oder eine besondere topografische Situation heute überhaupt wahrnehmen zu können, wurden in den letzten Jahren unterschiedliche Visualisierungsmaßnahmen ergriffen. Am mittelfränkischen Abschnitt des ORL in Bayern wurden vereinzelt Fahnen aus 6 m hohen Aluminiumstangen mit 1,5 m langen signalroten Wimpeln errichtet, die den Limesverlauf deutlich werden lassen sollen – mit sehr magerem Ergebnis (Abb. 11). Aussichtsplattformen wurden in die Landschaft gestellt. Dies sind Imitate von spektakulären Installationen an herausragenden Stellen in den Alpen (Zugspitze) oder am Grand Canyon. Während dort der Nervenkitzel von vielen hundert Metern Abgrund durch gläserne Fußböden erzeugt wird, ist bei den Limes-Beispielen nach drei oder vier Metern der Boden erreicht. Sie wären an den fraglichen Stellen auch nicht zwingend erforderlich, da die topografische Situation es bereits erlaubt, einen Blick in die Landschaft  – ohne Erlebnis-Architektur mit Denkmalversatzstücken  – vorzunehmen (Abb. 12, 13). 8 Becker/Obmann: Neubauten am Limes.

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11  Limesfahne bei ­T heilenhofen, Lkr. Weißenburg-­ Gunzenhausen, Bayern

12  Aussichtsplattform im Kastell Eining, Lkr. Kelheim, Bayern

13  Aussichtsplattform bei Pfedelbach, Hohenlohekreis, Baden-Württemberg

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14  Bodenmarkierung des Limesverlaufs in ­Gunzenhausen, Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen, Bayern

Die spezielle Problematik des ORL als lineares Denkmal ist seine obertägig häufig nicht sichtbare Existenz. Zur Verdeutlichung seines Vorhandenseins besonders im städtischen Umfeld wird gern auf Bodenmarkierungen in Form unterschiedlicher Pflasterarten oder linienhaften Elementen zurückgegriffen. Diese Maßnahmen mögen einen kurzzeitigen Aufmerksamkeitseffekt der Bevölkerung erzielen, wenn sie mit einer aufwendigen Didaktik verbunden werden, können jedoch letztlich nicht mit dem Aufmerksamkeitspotential einer Innenstadt konkurrieren (Abb. 14). Die in der „Deutschlandreise“ genannte Gleichförmigkeit der Denkmalerfahrung – „Dieses immer gleiche Ensemble erweckt insgesamt den Eindruck einer gewissen Monotonie“9 – dürfte schon jeder Besucher gemacht haben – eine Feststellung, die richtig und dem wenig erlebnisorientierten Charakter einer antiken militärischen Einrichtung geschuldet ist. Verstärkt wird dieses Empfinden auch durch die Gestaltung der Denkmalumgebung am Ort und die verwendeten Materialien. Zum einen sind dies das touristi­sche Dreigestirn „Erläuterungstafel, Sitzmöglichkeit und Abfalleimer“, die ­h­äufig nicht zur Hebung der Aufenthaltsqualität an einer Denkmalstelle beitragen10, zumal wenn sie direkt in das Denkmal gesetzt werden, wie am Limesende in Eining (­Bayern). Zum anderen sind es Schattenrissfiguren in der Mehrzahl römischer Soldaten und ­seltener Zivilisten, alle jedoch gerne in Edelrost-Cortenstahl (Abb. 15–17). Mit diesem beliebten Material werden gleich zwei Assoziationsebenen bedient. Zum einen

  9 Förster, Limitierte Präsenz, S. 208. 10 Obmann, Jürgen: Vom Welterbe zur touristischen Kunstwelt. Das archäologische Denkmal Obergermanisch-Raetischer Limes wird besichtigt, in: Weinlich, Welterbe Limes und Tourismus, S. 15–58, hier 36f.

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15  Corten-Figuren auf dem Kastellareal in Weißenburg, Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen, Bayern

16  Corten-Figuren in Burgsalach, Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen, Bayern

17  Corten-Figur auf dem Kastell­ areal in Pförring, ­Lkr. Eichstätt, Bayern

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18  Römer- und Alamannenspielplatz bei Gunzenhausen, Lkr. Weißenburg-­ Gunzenhausen, Bayern

die unspezifische Altersdimension, die durch Rost symbolisiert wird11, sowie die Farb­ konnotation „Römer gleich pompeianisch-rot“.12 Einen weiteren low-level-Einstieg in die Erfahrbarkeit des Limes, unbelastet von der historischen und archäologischen Realität, bieten Kinderspielplätze in Limesnähe, die auf die plakative Schwarz-Weiß-Darstellung „zivilisierte Römer – barbarische Germanen“ rekurrieren. Das Besondere des Raetischen Limes indessen ist sein eher innenpolitisch motivierter Grenzzonencharakter.13 Es handelt sich um eine „Grenze für Rom“ und nicht eine gegen das unbesiedelte Barbarengebiet im Vorfeld. Diese historische Realität wird durch die vereinfachte Spielplatzinszenierung ignoriert14 (Abb. 18) und setzt auf den Entertainment-Aspekt als Element passiver Rezeption.15 Auch Besucherführungen durch verkleidete Römer, die allgemein als „römisch“ empfundene Versatzstücke und Klischees bedienen, tragen wenig zu einem vertieften Ver11 Weber, Jutta: Rost in Kunst und Alltag des 20. Jahrhunderts, Berlin 2008, S. 156–160. 12 Obmann, Vom Welterbe zur touristischen Kunstwelt, S. 43f. Bei dem Farbton „pompeianisch-rot“ handelt es sich um einen Auftrag für Innenräume, der nach den Angaben des römischen Architekten Vitruv auf Grund der hohen Kosten vor Beginn der Malerarbeiten vom Bauherrn selbst beschafft werden musste. Dieser Auftrag oxidiert sehr leicht bei Außenauftrag und wird dann schwarz. Aus diesem Grund ist die Farbchiffre „pompeianisch-rot = römisch“, wie sie besonders bei Touristikern und in der Filmindustrie Verwendung findet, ungeeignet. Siehe dazu Welter, Nele/Kiefer, Wolfgang/Flügel, Christof: Pigmentanalyse römischer Fresken vom Magdalensberg (Kärnten) mittels Mikro-Ramanspektroskopie, in: Rudolfinum  – Jahrbuch des Landesmuseums für Kärnten 2005 (2007), S. 131–142. 13 Flügel, Christof: Eine Grenze für Rom: Der mittelfränkische Limes im Imperium, in: Weinlich, Edgar (Hg.), Der Limes als antike Grenze des Imperium Romanum. Grenzen im Laufe der Jahrhunderte (Geschichte und Kultur in Mittelfranken 3), Würzburg 2014, S. 49–62. 14 http://www.altmuehlsee.de/index.php/erlebnisspielplatz (27.01.2016). 15 Kagermeier, Andreas: Zeitreise zu den Römern  – Erlebnisorientierung als Erfolgsfaktor für die Besucheransprache, in: Blickpunkt Archäologie 4 (2014), S. 4–9, hier S. 5.

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ständnis des Welterbes bei. Beispielhaft dafür sei der „Zenturio auf Zeitreise“ in der Erlebnisführung „Das Geheimnis der Porta Nigra“ genannt, der, inspiriert vom Muskelpanzer der bekannten Augustusstatue von Prima Porta in den Vatikanischen Museen in Kombination mit dem schon zitierten Rot der Kleidung als Chiffre für „Römisch“, in vollkommen unhistorischer Ausrüstung das Bild eines „römischen Soldaten“ beim Besucher evoziert.16 Gleichermaßen muss die immer wieder vorgebrachte Forderung, den ORL für Touristen den Limes im Rahmen von „dirty-fingernail“-tourism17 als Ausgrabungsevent zu nutzen, strikt abgelehnt werden. Dies wäre eine verbrauchende Pädagogik und kann bei einer endlichen Anzahl von Denkmalen nicht in Betracht gezogen werden. Dagegen sprechen auch die Denkmalschutzgesetze der Länder, die fachliche Qualifikation und wissenschaftliche Fragestellung voraussetzen. Deutlich wird dabei auch, dass der langfristige Schutz der Denkmale am besten unter staatlicher oder kommunaler Fürsorge gewährleistet werden kann.

5.  Das Denkmal verstehen lernen Andere Wege, besonders die einer denkmalschonenden Vermittlung sind möglich, aber nicht so öffentlichkeitswirksam. Erfolg erzielt eine Landesdenkmalpflege immer dann, wenn Denkmalflächen, meist im Zuge von Flurneuordnungsverfahren, aus landwirtschaftlicher Bewirtschaftung genommen werden.18 Dies ist die Voraussetzung für Landschafts- und Denkmalgestaltung durch Bepflanzungen, wie sie im Römerpark Ruffenhofen (Abb. 19) durchgeführt wurden, die in der intensiv landwirtschaftlich genutzten Region naturschutzfachlich sehr wertvoll geworden ist.19 Gleichzeitig ist im Römerpark Ruffenhofen aber auch eine Verschiebung des öffentlichen Interesses zu beobachten: Nach der Einweihung des LIMESEUMS Ruffenhofen, Landkreis Ansbach20, im Jahr 2012 steht das zeichenhafte spiralförmige Museumsgebäude im Mittelpunkt des Interesses, während die Aufmerksamkeit für das durch Pflanzen visualisierte Bodendenkmal, das im Musuem thematisiert wird, schwindet. Vor Bestehen des LIMESEUMs war das Hauptmotiv vieler Besucher im Archäologischen Park die „Erfahrbarkeit des Genius Loci“ eines römischen Kastells direkt vor der Haus16 Ebd., S. 6 mit Abb. Zur Ausrüstung der römischen Soldaten ausführlich Fischer, Thomas: Armee der Caesaren. Archäologie und Geschichte, Regensburg 2012. 17 Letzner, Materielles und immaterielles Kulturerbe, S. 75. 18 Jahrbuch der Bayerischen Denkmalpflege 66/67, (2012/2013), S. 325; Thiel, Andreas: Flurneuordnung an der Teufelsmauer im Remstal, in: Der Limes 7, 1 (2013), S. 28–31. 19 Pausch, Matthias: Visualisierung von Kastell und vicus Ruffenhofen: Abwechselnde Eindrücke einer Welterbestätte – Beispiele aus der Praxis, in: Henrich, Peters (Hg.), Visualisierung von Bodendenkmälern. Vorschläge und Diskussionen am Beispiel des Obergermanisch-Raetischen Limes (Beiträge zum Welterbe Limes 7), Stuttgart 2013, S. 41–50. 20 Pausch, Matthias: LIMESEUM Ruffenhofen. An den Grenzen des Römischen Reiches. Ein Mu­­ seumsführer, Rednitzhembach 2013.

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19  Luftbild von Römerpark und LIMESEUM Ruffenhofen, Lkr. Ansbach, Bayern

tür. Der Prozess der Wahrnehmung hat sich jetzt vom Denkmal ins Museum verschoben. Dieses ist zur zentralen Anlaufstelle für die interessierte Öffentlichkeit geworden und steuert das Denkmalverständnis. Diese zentrale vermittelnde Rolle der Museen wird auch in der UNESCO-Deklaration „Recommendation concerning the protection and promotion of museums and collections, their diversity and their role in society” betont.21 Besonders in den Anfangsjahren nach Eintragung des ORL war zu beobachten, dass die Museen ein gesteigertes Besucher­interesse erfuhren und Anlaufstelle für Erstinformationen wurden. Leider waren die Museen im Welterbeantrag und im Managementplan für den ORL nur marginal berücksichtigt worden22, weil beim Welterbeantrag das Bodendenkmal und nicht dessen Vermittlung im Vordergrund gestanden hatte. Aus diesen Erfahrungen wurde bei den Arbeiten zur Eintragung des Donaulimes in Bayern, Österreich, der Slowakei und Ungarn das sogenannte ,interpretation framework‘ für Österreich und Bayern als integra­ler und nicht additiver Teil des Management-Plans berücksichtigt.

21 http://unesdoc.unesco.org/images/0023/002338/233892e.pdf (02.02.2016). 22 Und zwar nur als Annex 2: Museums- und Vermittlungsplan, in: Deutsche Limeskommission (Hg.), Obergermanisch-Raetischer Limes. Management Plan 2010–2015 (Beiträge Welterbe Limes, Sonder­­bd 1), Bad Homburg v.d.H. 2010, S. 33–65 (Anhang 2).

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Die akademische Trennung der UNESCO zwischen dem Denkmal als Welterbe und den zugehörigen Funden, die nicht zum Welterbe zählen, ist realitätsfremd: Deutlich wird dies zum Beispiel bei Bauinschriften, die einst integraler Bestandteil des Denkmals waren und jetzt als disloziertes archäologisches Artefakt im Museum zeitgenössische Informationen (zum Beispiel zu Bauzeit, errichtender Truppe) zum als Welterbe eingetragenem Denkmal liefern. Die Lösung dieses Konfliktes liegt in der Entwicklung hochqualitativer digitaler Medien, die vor Ort durch virtuelle Idealrekonstruktionen23 eine Erfahrbarkeit des Denkmals in Zusammenhang mit den Funden ermöglichen. Exemplarisch seien hier die Applikationen „Mainlimes Mobil“ und „Limes Mittelfranken Mobil“ genannt.24 Die inhaltliche Entwicklung dieser Apps ist zeit- und personalintensiv: Für den 10-minütigen Film „Am Rande des Imperiums“ in Ruffenhofen war ein Beratungsteam von zehn provinzial­römischen Archäologen tätig, um größtmögliche Genauigkeit zu gewährleisten. Dies entspricht den internationalen Vorgaben der Sevilla Charter.25 Grundgedanke der Vermittlung in den genannten Applikationen und im „interpratation framework“ sind die Prinzipien „one site-one lead theme“ und „personal engagement“ durch „story-telling“-­Technik. Die besonders bei Antragstellung zur Welterbeeintragung des Limes noch weit verbreitete Annahme, 550 km Denkmal gleichbleibend intensiv vermitteln zu können, ist illusorisch, was ursächlich mit der unterirdischen Erhaltung, der Linearität sowie den durch lokale Interessen geprägten Vermittlungseinrichtungen vor Ort zusammenhängt. So führt die Entwicklung letztendlich zu einer Schwerpunktbildung mit Vermittlungsregionen/-zonen.26 Der Tatsache der linearen Struktur wurde mit einem einheitlichen „Corporate Identity“ (CI) der Deutschen Limeskommission gerecht zu werden versucht; im Vergleich zu anderen Abschnitten der „Frontiers of the Roman Empire“, insbesondere dem Hadrians­ wall, wo unterschiedliche CIs auf unterschiedliche Zuständigkeiten zurückgehen, hat 23 Flügel, Christof: Bilder vom Rande des Imperiums – der Limes virtuell, in: Der Limes 8, 2 (2014), S. 32–37. 24 http://www.museen-in-bayern.de/die-landesstelle/veroeffentlichungen/multimedia-welterbe-­ limes.html, (03.02.2016); https://www.academia.edu/6961493/Mainlimes_Mobil_Presenting_Archaeology_and_Museums_ with_the_Help_of_Smartphones; https://www.academia.edu/­7171672/­Auf_neuen_Wegen_ unterwegs_am_Limes_-_Die_Smartphone-App_Limes_Mittelfranken_Mobil (03.03.2016). 25 Lopez-Menchero, Victor Manuel/Grande, Alfredo: The Principles of the Seville Charter; http://uclm.academia.edu/VictorManuelLopezMencheroBendicho; https://www.academia.edu/20123993/The_Principles_of_the_Seville_Charter (1.02.2018). 26 Kemkes, Martin: Entwicklung der Museen und der Vermittlungsarbeit am UNESCO-Welterbe Limes, in: Obmann, Jürgen/Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (Hg.), Limesentwicklungsplan Baden-Württemberg, Esslingen 2007, S. 60 f.; Becker, Thomas/Bender, Stephan/ Flügel, Christof/Obmann, Jürgen: Bundesländer- und landkreisübergreifendes ,Limes Interpretation Framework‘. Der raetische Limes in Baden-Württemberg und Bayern, in: Museum Heute 44 (2013), S. 18–21; http://www.museen-in-bayern.de/uploads/media/Mh_44_2013.pdf; Flügel, Christof: Interpretation Frameworks. Besucherorientierte strategische Vermittlungsarbeit am Limes in Deutschland und Österreich, in: Sonius 18 (2016), S. 19–22.

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sich ein einheitliches Bild zur Wiedererkennung bewährt. Da jedoch keine generelle inhaltliche Steuerung realisierbar war, ist die inhaltliche Redundanz unvermeidbar. Bei allen Vermittlungsanstrengungen bedarf es eines sehr schmerzhaften Prozesses, dem sich die Denkmalverantwortlichen unterwerfen müssen: der Reduktion einer ungeheuren Wissensfülle auf die Ebene der allgemeinen Verständlichkeit. Dies ist einer der zentralen Punkte, wenn es um die vielbeschworene Qualität sowohl in der Vermittlung wie im Tourismus geht. Von Seiten der Bundesländer werden erhebliche Summen für die Antragstellung, die wissenschaftliche Expertise und den Schutz von Denkmalflächen aufgewendet. Werden aber nach Aufnahme in die Welterbeliste die ursprünglichen, grundlegenden Ziele der Erhaltung und Vermittlung aufgegriffen, wird schnell deutlich, dass die durch das UNESCO-Label geadelten Stätten vornehmlich als touristische Gestaltungsmasse angesehen werden und die dafür erforderliche wissenschaftliche Grundlagenarbeit als unnütz gilt.27 Vielmehr aber sind vielgestaltige und langwierige wissenschaftliche Untersuchungen und komplexe Auswertungsverfahren notwendig, um jene verlorenen historischen Welten erneut entstehen zu lassen und zu vergegenwärtigen. Dabei ist Fachwissen ohne jeden Zweifel von Nöten, wenn die spezielle Sprache einer Disziplin aus touristischen oder vermittlungstechnischen Gründen auf unterschied­ liche Inhaltsebenen übertragen werden soll. Es herrscht im touristischen Bereich aber ein weit verbreiteter Mangel beziehungsweise sogar die völlige Absenz von fachlichem Hintergrund und geschichtlicher Kenntnis. Dies führt zu einem Abirren in die historische Spekulation, die in ihrer gedanklichen Schlichtheit eine weitere inhaltliche und formale Reduktion von Inhalten verhindert. Es gilt deshalb, die Lücke zwischen archäologischer Erkenntnis und populärer Vermittlung zu schließen: Niedrigschwellige Vermittlung muss, wie die oben genannten medialen Beispiele zeigen, nicht falsch sein. Auf Seiten der Archäologie allerdings scheint es geboten, die Deutungshoheit über Denkmale und die Kernkompetenz zur historischen Interpretation sowie die Analyse des damit verbundenen Vermittlungspotentials nicht aus der Hand zu geben. Die weitverbreitete Annahme „Römer kann jeder“ hängt mit der enormen Popularisierung des Themas durch Geschichtsmagazine und Filme28 zusammen, die wiederum in großen Teilen auf Bildmotive des ausgehenden 19. Jahrhunderts zurückgreifen.

6. Fazit Grundsätzlich brachte die Ernennung des Obergermanisch-Raetischen Limes zum Welt­ erbe eine verstärkte archäologische Auseinandersetzung mit dem Denkmalbestand und dessen Interpretation. Aus Sicht der Tourismuswirtschaft und der Gestaltung öffent­ 27 Schmitt, Thomas: 40 Jahre UNESCO-Welterbekonvention, in: Weinlich, Welterbe Limes und Tourismus, S. 77–81. 28 Junkelmann, Markus: Hollywoods Traum von Rom, Mainz 2004.

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lichen Raums wird aber das Denkmal auf ikonische Einzelelemente reduziert, ohne auf inhaltliche und kontextuelle Korrektheit zu achten. Gleichzeitig erbrachte der Welterbestatus eine historisch nicht immer nachvollziehbare, aber kreative individuelle Auseinandersetzung mit dem Welterbe direkt vor der Haustüre, wie ein Marzipan-Limes­modell illustriert (Abb. 20). Freilich zeigt die Produktion von Bildern und Texten deutlich die unterschiedlichen Sichtweisen von archäologisch-denkmalpflegerischen und touristischen Ansprüchen.

20  Limestorte aus Marzipan

Literatur Albert, Marie-Theres/Ringbeck, Birgitta: 40 Jahre Welterbekonvention. Zur Popularisierung eines Schutzkonzeptes für Kultur- und Naturgüter, Berlin 2015. Becker, Thomas/Bender, Stephan/Flügel, Christof/Obmann, Jürgen: Bundesländer- und landkreisübergreifendes ‚Limes Interpretation Framework‘. Der raetische Limes in Baden-Württemberg und Bayern, in: Museum Heute 44 (2013), S. 18–21. Becker, Thomas/Obmann, Jürgen: Neubauten am Limes, in: Bericht der Bayerischen Bodendenkmalpflege 56 (2015), S. 409–443. Deutsche Limeskommission: Richtlinien zur Konservierung, Restaurierung, Rekonstruktion, zum Nachbau und der konservatorischen Überdeckung archäologischer Denkmäler des Obergermanisch-Raetischen Limes als Teil des UNESCO-Welterbes ‚Frontiers oft he Roman Empire‘, in: Dies. (Hg.), Obergermanisch-Raetischer Limes. Management Plan 2010–2015 (Beiträge Welterbe Limes, Sonderbd. 1), Bad Homburg v. d. H. 2010, S. 29–32 (Anhang 1). Deutsche Limeskommission: Museums- und Vermittlungsplan, in: Dies. (Hg.), Obergermanisch-Raetischer Limes. Management Plan 2010–2015 (Beiträge Welterbe Limes, Sonderbd. 1), Bad Homburg v.d.H. 2010, S. 33–65 (Anhang 2). Fischer, Thomas/Riedmeier-Fischer, Erika: Der römische Limes in Bayern. Geschichte und Schauplätze entlang des UNESCO-Welterbes, Regensburg 2008. Fischer, Thomas: Die Armee der Caesaren. Archäologie und Geschichte, Regensburg 2012. Flügel, Christof: Eine Grenze für Rom: Der mittelfränkische Limes im Imperium, in: Weinlich, Der Limes als antike Grenze, S. 49–62.

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Grenzen der Vermittlung am Welterbe Obergermanisch-Raetischer Limes      | 117

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Nadine Vivier

THE CULTURAL LANDSCAPE OF THE LOIRE VALLEY

In November 2000, the UNESCO World Heritage Committee recognized the outstanding universal value of the Loire valley. It was expressed in these words: The Loire Valley is an outstanding cultural landscape along a major river which bears witness to an interchange of human values and to a harmonious development of interactions between human beings and their environment over two millennia. The landscape and its cultural monuments illustrate to an exceptional degree the ideals of the Renaissance and the Age of Enlightenment on western European thought and design.

The meaning of this nomination has first to be explained, and then it will be focused on the structures and actors of the management of the cultural landscape and their principles. Lastly, the events of those previous years and the current projects show how principles have been and are implemented.

1.  The meaning of the nomination Val de Loire World Heritage site 1.1  A definition The inscribed area runs from Sully-sur-Loire to Chalonnes, about 260 km of the valley (fig. 1); it covers 745 square kilometres, with a buffer zone of about half that size. One part of the site is also protected inside the Regional Natural Park Loire-Anjou-Touraine. The total area includes over one million inhabitants, living in 160 municipalities. The site seems to be very wide and nonetheless it has been nominated because of its strong unity, in its physical aspects as well as in its cultural values. Why, in regards with geography, was this section of the Loire Valley chosen? The link of the regions included is basically the river Loire: Orléans, Blois, Tours and Chinon, Authion valley and Angers (fig. 2). Physically, this is the section where the Loire runs westward through the sedimentary basin (Bassin Parisien), down to the beginning of the schistose massif of Anjou. This area is also characterised but the mildness of the climate and a soft light. Historically and humanly, those regions can only be understood through their strong link with the river. Downstream of Chalonnes, geology is different and above all Nantes

The Cultural Landscape of the Loire Valley     | 119

1  Map of the inscribed area “Val de Loire” (Buffer zone inscribed on the UNESCO World Heritage list – Regional Natural Park Loire-Anjou-Touraine – «Val de Loire» inscribed on the UNESCO World Heritage list)

2  The river Loire in Tours (cathedral, 13–15th c., completed in 1547, and Library, 1957)

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looks towards the Atlantic much more than to its hinterland. The same can be said of the portion of the Loire valley upstream of Sully-sur-Loire, oriented northward: a granitic soil, a harsher climate opposed to the mildness of the central Loire valley and much less commercial activities on the river.

1.2  An Outstanding Universal Value  The Loire Valley was inscribed by Unesco as an evolving and alive cultural landscape, for its gradual and continued formation of the cultural heritage and of the preservation of the natural environment. It answers UNESCO criteria 1, 2 and 4: The first element (criterion 1) of the outstanding universal value is the quality of the architectural heritage, with its historical towns (Orleans, Blois, Tours, Chinon and ­Saumur), and particularly for its world famous castles, such as Chambord inscribed on the World Heritage list in 1983. Some of the others, less famous, can be mentioned: Chaumont, Langeais, Luynes, Villandry, Azay-le-Rideau, Chenonceaux, etc. and several religious monuments: the Carolingian oratory of Germigny, the abbey in ­Fontevrault, etc. The second criterion (criterion 2) focuses on the outstanding cultural landscape along a major river. It bears witness to an interchange of human values and to a harmonious development of interactions between human beings and their environment over two millennia. Loire landscapes are part of a great cultural area, the one where the Mediterranean countries – particularly Italy and Spain – came into contact with Northern Europe, primarily Flanders. The Loire valley never was fossilized in a dream of the past. It proved to be innovative and was a cradle of civilization. As far back as Roman time, a paved road was built along the river, avoiding the spates of the river: That was, in this time, a technological feat. Then Benedictine abbeys (Marmoutier in Tours and Fleury near Saint Benoît-sur-Loire) were intellectual centres whose influence spread throughout the Carolingian Empire and beyond, to England and Italy. During the period of the twelfth and thirteenth centuries, the Plantagenet, whose memory is preserved in Fontevrault abbey, undertook the systematic colonization of the valley, they introduced a general arrangement of the landscape with the garden near the house, the fields in the valley below and woods on the hill. From this time onwards, the levées or embankments were built in order to contain the spates, and to make the river navigable. During the Hundred years War, King Charles VII settled in the Loire ­Valley: In consequence, this region acquired a great importance in the political and cultural spheres. The two centuries 15th and 16th were an acme for the building of c­ astles and their ornament gardens, under the Italian influence. It was the emergence of the idea of landscape as an organisation of space and nature by human intervention. Artistic ­representation raised landscape to the level of an aesthetic model.

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3  Amboise, Renaissance Castle

The river contributed to economic prosperity, the Loire Navy was very active all through modern time and afforded the prosperity of the harbours along the river. The enriched bourgeoisie of the eighteenth century, as well as the lords, built opulent mansions in towns, and castles in a green case. The Loire Valley enjoyed in the period from the fifteenth to the eighteenth century the wealth to achieve the ideals of Renaissance and Enlightenment and this answers the criterion 4. The spirit of the Renaissance first entered in France with the Italian wars, and afterwards the Loire valley played an important part. King Francis the first invited ­Leonardo da Vinci and settled him in the Clos Lucé, a castle in Amboise, next to the Royal Castle. His presence in France from 1516 to his death in 1519 was an important step for the influence of the Renaissance ideas. Leonardo studied all living beings, men and animals; he was an engineer, he designed flying machines, he invented machines for the army. Answering the King’s demand, he could also prepare a project for a canal linking the Loire and the Saône, and a project of a new castle. Leonardo’s method was rationality: the search of knowledge through observation and experiments, in order to attain general knowledge. This key influence radiated from its core – Amboise, around the court and reached the neighbouring province of Anjou where lived many families related to the King, including King René (fig. 3). The finest spirits of the time attached themselves to this area, place of delight and knowledge. It was also the time when appeared

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4  Tours, Hôtel Gouin, detail of the façade, Renaissance

the notion of landscape, a new form of aesthetic for the environment. Castles and gardens stretched along the river still give evidence of it. Moreover, landscapes were enhanced by tidy fields required by wealthy bourgeois consumers. This cultural landscape assumed a value of example. The ideals of Enlightenment also marked the Loire valley, mainly through urbanism and mastery over nature. During the eighteenth century, navy and commercial harbours developed. The Loire Navy used sails to go upstream and had to transport goods produced throughout the valley. Shipping on the river had to adapt to new requirements, a higher speed and regularity. In spite of ancient works, the river was very irregular. Huge works were undertaken in the eighteenth century to canalize it, and the levées were achieved, i.e. embankments along the river on both sides. The important business on the river attracted an important population in the main towns which launched extensive renovation (fig. 4). New bridges were built (Blois in 1716, Saumur in 1756, Tours in 1765, etc. ) and in the wake entrances of towns were renewed. Passion for nature had a revival. Gardens acclimatized new tree species and exotic flowers. The Duke of Choiseul managed a beautiful park in Chanteloup (near Amboise). This passion affected many people, beyond aristocracy. Small pavilions facing the Loire multiplied; they showed the ­aesthetic fineness which linked the beauties of the river and the garden. Very few of those elements, considered for themselves, are outstanding. But the river is outstanding with its changing beauty, its unique light. It is the combination, the accumulation of those elements that gives the site an outstanding universal value.

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1.3 The nomination of the Loire Valley by UNESCO was the result of decades of efforts During the nineteenth century, the development of railways led to a major rupture, a gradual decline of navigation and trade. In twentieth century the Loire was no more a navigable river. Infrastructure was no more maintained, the river bed was cluttered with weeds, all the more that the flood meadows were abandoned by cattle, sometimes becoming a constructible zone, or a poplar plantation which closed the horizon. The landscape deteriorated also because of the increase of population in this attractive area. The beauty of the architectural fronts, linear compositions between the slope and the river, were threatened by the proliferation of new buildings and the reduction of rural land. In the 1980s a huge project of construction of dams to avoid floods in the traditional floodplain provoked fierce ecological conflicts. The opponents advocated an ecological management and the implementation of non-building area in the flooding plain. This was the triggering element for a new management. In 1994 the French government decided to implement a master plan for the coherent planning and management of the Loire Valley: the “Plan Loire Grandeur Nature”. It aimed at a regional planning of sustainable development for the Loire basin: a protection of the landscape together with an economic development. Its main objectives were: protection of the inhabitants from flooding, specific planning measures for the Middle and Lower Loire, measures to ensure that water demands can be met, and restoration of ecological diversity. In 1997, a landscape section was added, which envisaged, among other features, increasing the number of individually protected historic monuments. This top-down approach evolved after some time towards a stakeholders’ involvement which is now effective.

2.  The management of a living cultural landscape Conservation of diverse elements that made up the area has been in progress at varying rates over a long period. Different natural areas have been protected under the 1930 law on site protection. Most of the châteaux and historic buildings have been protected as historic monuments or sites for many years, some for over a century. With the enactment of the 1962 law, a number of urban centres were protected as “secteurs sauvegardés”, and zones for the protection of the architectural, urban and landscape heritage (ZPPAUP) were declared in several villages after 1983. These actions have been followed by conservation programmes. After the nomination, new structures were created in order to ­manage the site and to meet the UNESCO requirements.

2.1  The administrative structures One of the main challenges was to obtain the cooperation of all the communities of the vast area of the UNESCO list: two regions (Centre and Pays de la Loire), four departments

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(Loiret, Loir-et-Cher, Indre-et-Loire and Maine-et-Loire), six conurbations (Orléans, Blois, Tours, Chinon, Saumur and Angers), one Regional Natural Park (Loire-Anjou-­ Touraine), and 164 towns and villages. This territorial stack of administrative structures is a major French issue. The French State as well as local communities were aware of the challenges and wanted to meet the UNESCO requirements for a good management. Split into three structures, the management created in November 2001 involved the different levels of stakeholders. The State and the territorial communities (elected mayors) first define the guidance. ­ entre, is A territorial conference of the Val de Loire, chaired by the prefect of the region C composed of government and regional representatives, four delegates of municipal councils and the president of the Regional Natural Park Loire-Anjou-Touraine. The conference is appointed to take decisions, published in the form of a Management Plan that sticks to the guidelines of UNESCO (the first one was issued in 2002; the second in 2012). Then a second structure provides consultation: a development committee formulates proposals and encourages research; it provides a forum for discussion in the Rendez-­ vous du Val de Loire (every 18 or 24 months). Thirdly, an executive structure: Mission Val de Loire, created in March 2002, is the management steering committee. The Mission is ruled by nine regional representatives who meet three to five times per year. A scientific and professional committee has been created in 2012 to assist the Mission, gathering 17 members from different disciplines and from universities or professional structures. The funding comes from the two regions Centre and Pays de la Loire, and the State. This interregional joint association provides local authorities with advice and support in the field of territorial development. Mission Val de Loire ensures that local decision-makers contribute to operational implementation of the charter of commitment signed by the representatives of the State, the regions and municipalities.

2.2  The Principles The objectives were formulated by Dominique Tremblay, head of the Mission Patrimoine in 2009: To preserve is not to fossilize through prohibitions, it is to go forward helping the necessary transformations of today with a strong environmental concern and in respect with History. Imagination, creativity and participation of the stakeholders, dwellers and tourists, will be indispensable to meet the challenges on the long term […] To address these issues, knowledge is undoubtedly the primary universal value to promote.1

The charter of the Mission Val de Loire aims at contributing to the enhancement of the area in the respect of the integrity of the cultural landscape, to strengthen its attractiveness by greater exigency for quality in the preservation, to develop programs respectful of a sustainable development, in a process involving all the communities. 1 In Le Patrimoine est-il fréquentable ?, PU Angers, 2009, p. 10

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Nine orientations of the management programme 2012: – preserve and promote heritage – maintain open landscape and views on the river – master urban sprawl – organize urban development – successfully integrate new equipment – enhance the entrances and discovery lines of the site – organise a sustainable tourism retaining the values of the cultural landscape – foster the endorsement of the UNESCO inscription values by the territorial actors – provide an help – advice and animation- to the decision makers governance This management plan takes the full extent of the extensive determination of the Outstanding Universal Value (OUV) in the scope of Heritage protection. The only question is that the OUV still struggles to be a juridical concept. It is through the Loire Valley world heritage charter of commitment that all the key players in the Loire area can make a public commitment to the values implied by inclusion on the list of World Heritage sites. The aim of this is to keep in mind the basis for inclusion and its implications.2

It is obvious that the governance is shaped through dialogue and agreement among key stakeholders. The time of a top-down process, used in France in the 1950–70, has passed. Over 90 % of local communities include in the inscribed site committed themselves to follow the Management Plan in their planning project. For example, the displayed projects of Agglopolys (Blois and surrounding municipalities) are in keeping with the management plan of the Loire Valley. Nonetheless, if this cooperation has made considerable progress, resistances remain, since some small municipalities are still reluctant. The principles of cooperation are not limited to a French interregional cooperation. International projects are developed. VITOUR can be mentioned as an example. In this programme European World Heritage Vineyards, the Mission had the initiative. The network brought together seven vineyards included in the UNESCO list: The VITOUR project aims to create new standards for sustainable development in UNESCO World Heritage sites by combining landscape management and a development of innovative tourist offers.

3.  Main projects and events The actions undertaken are abundant. In order to simplify, they can be roughly grouped into three themes: enhancement of the river banks, protection of buildings overlooking the river, appropriation of the values underlying World Heritage listing.

2 Mission Val de Loire.

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3.1  Enhancement of the river banks and the great landscape The appetite of the inhabitants for the river was renewed. The Plan Loire grandeur nature played an important part. From 2007 to 2013, its budget amounted to 400 M €; it could rely on two interregional legal and financial instruments, and a European Union Operational Programme with ERDF funding (Electricité Réseau Distribution France). The plans Loire since 1994 have led to a coherent policy being carried out in the Loire basin in terms of flood risk prevention, preservation of aquatic environments and highlighting heritage. A new plan, 2014–2020, carries on those guidelines and also wants to develop, promote and share knowledge on the basin. The local collectivities have been active for restoration, maintenance and enhancement of river banks. One kind of actions addresses the physical environment: development of meadows along the river in order to find agricultural uses of the flood plain, up keeping of the natural areas and the wild life (birds, fishes, beaver). The dikes along the river are restored and devoted to pedestrians, or cycling. A cycling route, “the Loire by bike”, provides infrastructures to help tourists discover the Loire valley. Another longterm objective was to bring back to life navigation and ports. Around ten ports have been rehabilitated and the collectivities help recreating a Loire fleet, imitation of traditional ship for leisure navigation.

3.2  Buildings overlooking the Loire The Mission planning stresses on the linear composition of the buildings overlooking the Loire: quays and town are parallel to the river, with the castle directly above, on the slope. Efforts led to stop the urban sprawl, the dreadful and unsustainable constructions (commercial areas, warehouses) whose impact was a loss of identity of the site. Preservation of the valley did not fossilize it. In the preparation of the inscription of the Loire valley, lively debates arose about plants and particularly nuclear plants. ICOMOS (International Council on Monuments and Sites) accepted that a continuing cultural landscape would evolve over time, that it could contain modern elements; IUCN /WCPA (International Union for Conservation of Nature/World Commission on Protected Areas), on the other hand, did not accept that World Heritage Sites could appropriately include large industrial developments. In consequence, the inscribed landscape boundaries omitted the nuclear power plant. The degree to which new elements will be permitted is the continuing task of the steering committee. Today urban projects do care for the adoption of local materials (white tufa and black slates) in new houses and for rehabilitation of old ones. The land use planning seeks preserving green belts between towns. All major towns are eager to develop a beautiful entrance from the river, in respect with the historical heritage. Tours redesigns the squares on each side of the main bridge, the stone bridge built in 1765–78. Saumur and Orléans launch a national contest for a project of the ‘front de Loire’ (fig. 5).

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5  Saumur, Notre-Dame des Ardilliers, 17th c.

One of the best examples of rehabilitation of an old town is Chinon. Its protected area (listed by the French Historic Monuments) was renewed and extended, combining heritage charms and vital adaptation. Of course, public and private castles benefit of a good management. They are united in a network for a better offer to tourists: With the joint efforts of all the managers of the main tourist sites in the Loire Valley, the ambition is to turn the Loire Valley into an exceptional destination worthy of UNESCO international recognition by making the utmost of its inclusion in the World Heritage list. 3 (Mission)

3.3 Fostering appropriation of the values underlying World Heritage listing among local inhabitants through educational and promotional actions and communication In order to fulfill this objective, varied means are used. To appropriate the cultural values of the site, people have to understand how men conceived regional development, yesterday and today. Education of children is important for the training of citizens-to-be. Play 3 Mission Val de Loire.

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workshops are created for young children and teenagers. For adults, Guides are edited; smartphone applications explain the sights on the Loire Valley (Val de Loire by train). Photographs competitions aim to make people attentive to the site: ex. ‘Loire in fur and feathers’ or ‘My Agglopolys and its landscape’, opened to individuals and to school children. This emphasis on education goes along with research programs. The universities of the two regions (Centre: Orléans, Tours; and Pays de la Loire: Angers, Le Mans, Nantes), encouraged by the regional councils, focus their research programs on the ­Heritage issues, programs in biology (studies of the river, its populations and the environment), programs in History or interdisciplinary research.4 And the Loire Valley is applying to a chair UNESCO that would “associate biology and social sciences to promote cross-sectional studies and training on rivers and river landscapes as heritage for humanity, reservoirs of biodiversity and places of cultural convergence”. Exhibitions are organized: local exhibitions in the monuments like a Chinese year in the Loire chateaux, and large itinerant exhibitions like “La remontée du sel” in 2007 (Salt goes upriver). It is impossible not to mention the development of oenotourism in the areas of famous ‘appellations’: Chinon, Bourgueil, Saumur and Touraine. A project was launched in 2013 to improve conditions in which tourists are welcomed in wine cellars, sometimes in the stone cellars carved out of the hillsides. This is part of a way of life which is closely linked to the French gastronomy, listed as UNESCO intangible heritage.

4. Conclusion What was the impact of the UNESCO serial nomination of the Loire Valley? Definitely, it has strengthened the former initiative of the “Plan Loire grandeur nature” to preserve the landscape and the cultural heritage with the objectives of a touristic development. It ensured its success because it resulted in dynamics in a global management: cooperation of the different levels of stakeholders, and international cooperation with other sites of World Heritage. Dynamics also for the universities of the two regions: They built their research programs mainly on these issues, in an international comparative perspective. After 13 years, the inhabitants are largely aware of and involved in the program. This is encouraged by the general context of a growing concern for the quality of life and sustainable environment. Inhabitants are proud of this recognition of the outstanding universal value of the site, and they praise having tourism revenue. They are aware of the necessity to follow the UNESCO requirements; private associations spontaneously work for it and this helps really a common policy of municipalities. 4 A program about the new forms of Heritage funded by the region Pays de la Loire gathered professionals of the heritage sector and scholars from social sciences. (2009–2012). A book was published: Les nouveaux patrimoines en Pays de la Loire, Rennes, PUR, 2013.

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  The Loire Valley provides an example of a successful serial nomination. It resulted in dynamics in a global management involving people in the project and it helped preserve the heritage.

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VERMITTLUNG: MUSEUM, FILM, TOURISMUS

Tobias Engelsing

„DIE PERLE VORGESCHICHTLICHER SAMMLUNGEN DEUTSCHLANDS“ Ludwig Leiner, das Konstanzer Rosgartenmuseum und seine Pfahlbauer-Sammlung

1.  Die Stadt Konstanz an der Zeitwende zur Moderne Die Eisenbahn erreichte Konstanz: Endlich schöpfte die größte Stadt am Bodensee wieder Hoffnung. Seit dem Verlust der reichsstädtischen Freiheiten 1548, in der Zeit der beginnenden katholischen Reform und der Konfessionalisierung im Reich, während der zweieinhalb Jahrhunderte unter österreichischer Herrschaft und auch nach dem Übergang an das neu geschaffene Großherzogtum Baden im Jahr 1806 hatte die noch immer spät­ mittel­alter­lich geprägte Landstadt nur wenige Fortschrittsimpulse erhalten. Mit dem 1863 erfolgten Anschluss an die zwischen Waldshut und Konstanz verlaufende „Hochrheinbahn“ begannen Jahre des Aufbruchs und rosiger Zukunftsperspektiven. Nach einer langen Zeit des Stillstands und der politisch repressiven Stimmung seit der gescheiterten bürgerlichen Revolution von 1848/49 schien sich die rund 10.000 Einwohner zählende Stadt unter dem Einfluss junger liberal gesinnter Köpfe von der mittel­ alterlichen Beengtheit auch städtebaulich befreien zu wollen: Die militärisch überflüssig gewordenen Stadttore und Umfassungsmauern wurden abgerissen, Wehrgräben zugeschüttet und zu baumbestandenen Chausseen ausgebaut, die Straßen der Innenstadt gepflastert. Bald beleuchteten nachts sogar einige Gaslaternen die Hauptgassen der Stadt. Bereits 1847 hatte die württembergische Eisenbahn den Bodensee erreicht. Mit den Dampfschiffen kamen erstmals auch Sommergäste von Friedrichshafen und Romans­ horn her über den See gefahren, um die alte Reichsstadt und ihre Sehenswürdig­keiten zu bestaunen. Innerhalb eines Jahrzehnts vervielfachte sich die Zahl der Handelsgeschäfte, Gasthäuser und Hotels sowie der Massengüter herstellenden Gewerbebetriebe. Aus der beengten und heruntergekommenen, nur mehr auf den lokalen Markt bezogenen Stadt wurde eine ansehnliche regionale, vom Einzelhandel geprägte Metropole, die auch zunehmend Gewerbe- und Industriebetriebe anziehen konnte. Der liberale Geist des Aufbruchs, der das noch relativ junge Großherzogtum Baden unter seinem neuen, konstitutionell gesinnten Großherzog Friedrich I. nach 1860 erfasst hatte, löste auch in der bis dahin fast vollständig ummauerten und von 27 Toren und Türmen bewachten Stadt einen Modernisierungsschub aus (Abb. 1).

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1  Eine Stadt an der Schwelle zur städtebaulichen Modernisierung: Die Silhouette der alten Bischofsund Reichsstadt Konstanz am Bodensee um 1860

Nach den Jahren der Unterdrückung jeder freiheitlichen Äußerung fanden kommunalpolitisch interessierte Bürger nun auch Zugang zu den bedeutsamen Ange­ legenheiten der Kommune und erhielten Gelegenheit mitzureden. Ihre Stimmen zählten jedoch wenig, denn das geltende Wahlrecht begünstigte die begüterten Bürger. Von den 10.000 Einwohnern besaßen nur 685 als Inhaber des Bürgerrechts das aktive und passive Wahlrecht zu den Gremien der kommunalen Selbstverwaltung.1 Die liberale Elite warb für ein neues Verständnis von Arbeit, für den technischen Fortschritt und für bürgerliche Freiheiten. Ihre führenden Köpfe waren junge Verwaltungsbeamte und einige alte Anhänger der Freiheitsbewegung von 1848. Ihr politischer Kopf wurde der 1866 zum Bürgermeister gewählte Stiftungsverwalter Max Stromeyer, ein politisches Naturtalent, überaus streitbar, mit enormer Energie gesegnet und wegen seiner Durchsetzungsfähigkeit gefürchtet.

1 Zang, Gert: Konstanz in der großherzoglichen Zeit. Aufschwung im Kaiserreich (Geschichte der Stadt Konstanz, T. 4, Bd. 2), Konstanz 1993, S. 11.

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2  Der Pionier der musealen Pfahlbau-­ Präsentation am Bodensee, aufgenommen in seinen letzten Lebensjahren. Ludwig Leiner starb 71-jährig im Frühjahr 1901

In diesen Jahren wurde aus den Reihen des alteingesessenen stadtbürgerlichen Patriziats auch ein vielfach begabter junger Mann in den damals 16-köpfigen Gemeinderat gewählt: Ludwig Leiner (1830–1901; Abb. 2), damals 34 Jahre alter Spross einer in der frühen Neuzeit aus St. Gallen nach Konstanz eingewanderten Leinwandhändlerfamilie. Seit Generationen dienten die Leiners ihrer Heimat, versahen städtische Ämter, drei waren sogar Bürgermeister des damals vorderösterreichischen Städtchens geworden. Seit 1827 saß die Familie auch topografisch im Herzen der alten Stadt: Am Obermarkt, dort wo 1183 Kaiser Barbarossa den Frieden mit den lombardischen Städten geschlossen hatte und 1417, während des Konstanzer Kirchenkonzils, Burggraf Friedrich von Nürnberg von König Sigismund mit der Mark Brandenburg belehnt wurde, steht bis heute das mächtige „Malhaus“. Diesen repräsentativen Bau hatte Ludwig Leiners Großvater erworben und eine im Erdgeschoss befindliche Apotheke weiterbetrieben. Der künstlerisch überdurchschnittlich begabte und zugleich naturkundlich und historisch interessierte Ludwig hatte zunächst vier Jahre lang das von Jesuiten begründete Lyceum besucht, dann aber die Schule auf eigenen Wunsch verlassen. In diesem plötzlichen Abbruch der höheren Schullaufbahn zeigte sich früh ein markanter Wesenszug

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Ludwig Leiners: Vater und Familie sprachen sich entschieden dagegen aus, wollten dem erkennbar begabten Sohn eine andere Laufbahn als die des Apothekers in der Heimatstadt ermöglichen. Doch der 14-Jährige setzte sich durch. In einer später niedergeschriebenen Skizze seines Lebenswegs hält Leiner fest: „Als ich das Lyceum in Konstanz verlassen hatte, trat ich bei meinem Vater in die Lehre. Ich ergriff die Pharmacie mit Freuden und ließ mich nicht abschrecken, wennschon mein theurer Vater mir die Schattenseiten der selben mit den dunkelsten Tinten vormalete.“ 2 Die Tätigkeit hinter dem Ladentisch und in den Laboren der Apotheke empfand er anfangs als „freieres Leben“, doch mit Zunahme der Pflichten schwanden die freien Stunden für das Botanisieren auf Riedwiesen, in den Wäldern und an den Hängen des Bodenseeufers. Ludwig Leiner zeichnete und malte lieber, nahm auch Malunterricht beim bekannten Landschaftsmaler Johann Jakob Biedermann. Es schien plötzlich so, als wäre der Eintritt in die väterliche Apotheke eine Fehlentscheidung gewesen. Jahre später notierte er: „Ich sah nur die Furien der Pharmacie um mich und die Muse der Malerkunst schwebte als ein junger schöner Genius vor mir; sie war bald das endliche Ziel meiner Wünsche.“3 In dieser pubertären Orientierungsphase erkrankte der Vater schwer, der noch nicht 16 Jahre alte Ludwig sah sich plötzlich vor die Notwendigkeit gestellt, dessen Rolle zu übernehmen. Der ernsthafte Jüngling meisterte die Aufgabe: Im Büro des Vaters sitzend, lernte er die „widerlichen Rechnungssachen meines Standes“ kennen, paukte in Nachhilfestunden Versäumtes in Chemie, Mathematik, Physik und Buchhaltung nach und besuchte als Gastschüler auch wieder das Lyceum. Der schwärmerische junge Mann, der eben noch Künstler werden wollte, entschied sich in diesem Augenblick klaglos und mit auffallend ausgeprägtem Pflichtbewusstsein für die bürgerliche Existenz seiner Vorväter. Als der Vater bald darauf, 1846, starb, legte Ludwig zielstrebig die Gehilfenprüfung ab, absolvierte drei Gesellenjahre in Apotheken in Ichenheim und Karlsruhe und belegte, offenbar ohne Abitur, zwei Semester lang Pharmazie an der Ludwig-Maximilians-­ Universität in München. Danach kehrte er als Nachfolger in die väterliche Apotheke nach Konstanz zurück. Aus Ichenheim hatte er auch gleich noch die Tochter seines Lehrmeisters, Thekla Baur, als Braut mitgebracht. Das Paar heiratete 1853 und lebte, folgt man der Familienüberlieferung, bis zu Theklas Tod 1896 über 40 Jahre lang in einer harmonischen Ehe zusammen. Ludwigs patriarchalische Vorrangstellung wurde, soweit die heutige Quellenlage ein Urteil erlaubt, allerdings von Ehefrau Thekla auch kaum in Frage gestellt. Das Paar bekam vier Kinder, Anna, Otto, der einst Nachfolger des Vaters werden sollte, Emma und Ida.

2 Zit. nach Zang, Gert: Eine turbulente Jugendzeit in Konstanz: Ludwig Leiner 1846 – 1849, in: Botanische Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutschland (Hg.), Restaurierung und Katalogisierung des Herbariums Leiner Herbariums Leiner in Konstanz (Berichte der Botanischen Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutschland, Beih. 1), Karlsruhe 2004, S. 25-40, hier S. 27. 3 Ebd., S. 31.

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2.  Mit der Botanisiertrommel unterwegs Im kalten Winter des Leinerschen Hochzeitsjahres 1853/54 entdeckte der Lehrer Johannes Aeppli im Schlick des brachliegenden Grundes am Zürichsee merkwürdige Gerätschaften aus Stein, Knochen, Holz und Bronze sowie schwarze Holzpfähle. Der Vorsitzende der Antiquarischen Gesellschaft Zürich, der Archäologe Ferdinand Keller, nahm Fundort und Ausgrabungsobjekte einige Monate später in Augenschein und gab, gestützt auf Schilderungen des altgriechischen Geschichtsschreibers Herodot, den vorzeitlichen Siedlungsresten und ihren Erbauern den seither gebräuchlichen Namen: Er nannte sie Pfahlbauer. Diese zwischen 4300 und 850 vor Christus in Mitteleuropa verbreitete Kultur beflügelte die Phantasie mehrerer Forschergenerationen. Auch an anderen Voralpenseen in der Schweiz und in Süddeutschland lösten die Funde ein wahres „Pfahlbaufieber“ aus. Geschichtsinteressierte Lehrer und Pfarrer, Bauern und Fischer der anliegenden Dörfer, aber auch geschäftstüchtige Antiquitätenhändler griffen zu Schaufel und Sieb oder ließen Tagelöhner an Uferstücken, an denen häufig schon früher merkwürdige Objekte gefunden worden waren, für sich tätig werden. Bis 1858 wurden am Neuenburger See 26 Siedlungen entdeckt, am Genfersee waren es 24, am Bodensee 16. Die ersten Entdeckungen wurden in Wangen, Bodman, Allensbach, Unteruhldingen, Wallhausen, Litzelstetten, in Mammern und Eschenz gemacht. Vor allem die jungsteinzeitlichen Funde von 1856 am Wangener Horn auf der Halbinsel Höri wurden wegen des Reichtums an geborgenen Gerätschaften überregional stark beachtet. Diese Fundstelle ist auch deshalb besonders bemerkenswert, weil ihr Entdecker, der 1799 geborene, vielseitig interessierte Rebbauer und Gemeinderechner, Kaspar Löhle, diese Pfahlbausiedlung bereits Jahrzehnte zuvor als 11-jähriger Knabe gefunden und Steinbeile geborgen hatte, als zur Neuanlage der Dorfstraße Sand und Kies vom Seeufer entnommen worden war. Damals hatte ihm ein jüdischer Bücher-Tandler eine Ausgabe von Caesars „Der gallische Krieg“ verkauft. Die darin enthaltene Schilderung der gallischen Steinwaffen habe ihm in Bezug auf seine Funde „ein Licht aufgesteckt“, wie er später berichtete.4 Löhle, als überzeugter Demokrat, Teilnehmer an der Revolution von 1848 und literarisch gebildeter Rebbauer von seinen Dorfnachbarn als Sonderling angesehen, hatte auch bei Fachleuten lange Zeit nur Spott für seine vermeintlich banalen „Bügelsteine“ geerntet. Mit Beginn des europäischen „Pfahlbaufiebers“ aber wurde Löhle als Pionier der Grabungsgeschichte am Bodensee von Fachleuten geschätzt und konsultiert. Als Händler der Funde erwarb er sich allerdings zweifelhaften Ruf, er lieferte freimütig, doch seine Preise waren gesalzen. Der junge Apotheker und Familienvater Ludwig Leiner verfolgte die spektakulären Nachrichten über die Seebewohner der Jungsteinzeit und der folgenden Epochen mit allgemeinem Interesse. Vom „Pfahlbaufieber“ erfasst wurde er damals jedoch noch nicht. 4 Arx, Bernhard von: Die versunkenen Dörfer. Ferdinand Keller und die Erfindung der Pfahlbauer, Zürich 2004, S. 47f.

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Zwar sammelte er auf langen Spaziergängen gelegentlich Pfeilspitzen und kleinere Fäustlinge, die sich im Umfeld der bekannt gewordenen Pfahlbaureste am winterlichen Ufer des Konstanzer Stadtteils Neuhausen fanden. Zu dieser Zeit galt Leiners Leidenschaft noch ganz den naturkundlichen Studien. Auch diese Leidenschaft war ein Erbe seiner Väter: Sein Großvater Johannes Evangelista Leiner hatte Schmetterlinge gesammelt, Ludwig führte diese Sammlung fort, sie wuchs auf 2500 Exemplare an. Vater Franz Xaver August war botanisch interessiert gewesen: Er hatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts damit begonnen, ein Herbarium anzulegen, das Farn- und Blütenpflanzen aus Süddeutschland, speziell aus dem Bodenseegebiet enthielt. Daneben hatte auch er Käfer und Schmetterlinge der Gegend zusammengetragen, bestimmt und seinem Sohn in einer sorgfältig geordneten Sammlung hinterlassen. In seinen Mußestunden schnallte nun auch der junge Ludwig Leiner die grüne Botanisiertrommel um und setzte das Sammelwerk der Familie fort: Er trug Farne, Blütenpflanzen, Käfer und Schmetterlinge nach Hause und er sammelte auch Versteinerungen. Zu Hause im Malhaus trocknete oder präparierte und ordnete er die Funde. In späteren Jahrzehnten gestand er, zuweilen kaum mehr durch sein Büro in der Apotheke gekommen zu sein, weil überall naturkundliche Funde und gerettete „Alterthümer“ umher­lagen. Die Funde seiner Vorfahren, seine eigene Sammeltätigkeit und die seiner Nachfahren fügten sich zu einem gewaltigen Werk: Das 2001 in den Depots des Konstanzer Rosgartenmuseums wiederentdeckte, mit finanzieller Hilfe des Landes Baden-Württemberg umfassend restaurierte und katalogisierte Leiner-Herbar umfasst fast 20.000 Bögen mit bis zu 200 Jahre alten, inzwischen teils ausgestorbenen Pflanzen der Bodenseeregion.5 Bevor Ludwig Leiner Museumsgründer und einer der ersten professionellen Vermittler der Pfahlbaufunde vom Bodensee wurde, machte er in Fachkreisen als Botaniker von sich reden. So lieferte er Beiträge zu der von Johann Christoph Döll redigierten und 1857 erschienenen „Flora des Großherzogtums Baden“ und gab selbst gemeinsam mit dem Salemer Apothekerkollegen Joseph Bernhard Jack und dem demokratisch gesinnten Konstanzer Arzt Dr. Ernst Stitzenberger ab 1857 bis 1880 die Sammlung der „Kryptogamen Badens“ (Farnpflanzen, Moose, Algen, Pilze) heraus. Seit Beginn der 1860er Jahre wurde der fleißige und kundige Sammler denn auch mit Ehrenmitgliedschaften in verschiedenen naturwissenschaftlichen Vereinigungen Süddeutschlands ausgezeichnet.6

5 Sfedu, Tatjana: Ein Konstanzer Bürgerwerk. Das Rosgartenmuseum seit Ludwig Leiner, Konstanz 2007, S. 168. 6 Beyerle, Conrad: Nekrolog des Herrn Hofrat Ludwig Leiner von Konstanz, in: Schriften des Vereins für die Geschichte des Bodensees 30 (1901), S. V-XIII, hier S. VI.

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3.  Schulreformer und Kulturkämpfer Dieser nüchterne Naturwissenschaftler und beruflich erfolgreiche Pharmazeut ­Ludwig Leiner war auch ein politisch interessierter Kopf. Als Jüngling hatte er 1848/49 die Revolution in seiner Heimatstadt und später in Karlsruhe erlebt, aber wenig Sympathie für die radikalen Kräfte empfunden. Sein eigenes politisches Weltbild orientierte sich seither am konstitutionellen Liberalismus der gemäßigten Kräfte, deren Ziele die weitere Parlamentarisierung der Monarchie und der Ausbau der bürgerlichen Grundrechte waren. Kurz bevor der Mannheimer Abgeordnete Friedrich Hecker im April 1848 von Konstanz aus zu seinem berühmten, aber erfolglosen Freischarenzug Richtung Karls­r uhe aufbrach, hatte Ludwig Leiner kurzzeitig in der örtlichen „Bürgerwehr“ dienen müssen. Dabei war er in direkte Berührung mit den Akteuren der Revolution auf der Straße gekommen: Die politischen und ökonomischen Forderungen des radikal­demokratischen Redakteurs der in Konstanz erscheinenden „Seeblätter“, Josef Fickler, die lautstarken Zusammenrottungen aufgebrachter Handwerksgesellen und Arbeiter, „der Fackelschein, das ewige Rufen ,Es lebe die Republik‘ die rothen Jakobinermützen […] und die von betrunkenen Musikanten gespielte Marseillaise“ schreckten den Sohn wohlhabender Bürger ab. „Das Gesindel bekömmt immer mehr Gewalt und endlich muss der ordentliche Bürger unterliegen“, schrieb er besorgt im Frühjahr 1848 in sein Tagebuch.7 Randalierende Arbeitslose und musikalische Adepten der Französischen Revolution machten Leiner Angst. Seine Vorstellung von Politik war evolutorisch geprägt: Der Fortschritt der Gesellschaft sollte sich im Sinne allmählicher, friedlicher Weiterentwicklung vollziehen, gesteuert von verläss­ lichen Mächten und angestammten Herrscherhäusern. Als der konstitutionelle Liberalismus schließlich 1860 im Großherzogtum Baden zur regierenden Partei wurde, war der junge Ludwig Leiner bereit, deren umfassendes Reformprogramm auch auf der lokalen Ebene mit durchzusetzen. Von 1864 bis zu ­seinem Tod 1901 gehörte er ohne Unterbrechung dem über viele Jahre überwiegend liberal geprägten Ratskollegium seiner Heimatstadt an. Hatte er als junger Mann den revolutionären Pöbel noch verachtet, vertrat er nun das Modell einer bildungspolitischen Integration: Die unteren sozialen Schichten sollten für das liberale Programm gewonnen werden, denn zur Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft gehörte nun auch die Einführung neuer Wertorientierungen, wobei einer verbesserten Schulbildung entscheidende Bedeutung zukam.8 So wurde Leiner einer der engagiertesten Schulreformer ­seiner Heimatstadt, der die öffentlich kontrollierte Simultanschule, die Kinder aller Bevölkerungsschichten und Konfessionen vereinte, gegen die bisher dominierende katholische Konfessionsschule mit durchsetzte. 7 Zang, Jugendzeit, S. 32; Zitate ebd. 8 Trapp, Werner: Volksschulreform und liberales Bürgertum in Konstanz. Die Durchsetzung des Schulzwangs als Voraussetzung der Massendisziplinierung und -qualifikation, in: Zang, Gert (Hg.), Provinzialisierung einer Region. Zur Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft in der Provinz, Frankfurt a.M. 1978, S. 375-434, hier S. 377.

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Als 28-Jähriger hatte er schon zum Kreis der Initianten zur Gründung eines ört­ lichen Kunstvereins gehört, dessen Absicht es war, mindestens einmal jährlich eine große Ausstellung für Einheimische und Fremde zu organisieren. Im Gemeinderat war Ludwig Leiner nun auch in den Kommissionen anzutreffen, in denen über Fremdenverkehr, Restaurierungsprojekte und die bauliche Zukunft der Stadt beraten wurde. Im Sinne des liberalen Arbeitsethos beteiligte er sich an der Neuordnung des Armenwesens, betrieb den Ausbau öffentlicher Bäder und der See-Badeanstalten und setzte während des badischen Kulturkampfes gegen den massiven Widerstand katholischer Kreise die Umbenennung zahlreicher Straßen durch, die bisher nach Heiligen oder nach alten Kloster- und Kirchenbauten benannt waren. Leiners Einstellung zur katholischen Kirche war seit dem Kampf um die Simultanschule von tiefem Misstrauen geprägt. Nachdem auf dem Ersten Vatikanischen Konzil am 18. Juli 1870 das Dogma vom Jurisdiktionsprimat und der päpstlichen Unfehlbarkeit verkündet worden war, kam es auch in Konstanz zu Protesten liberaler Kreise gegen diese absolutistischen Tendenzen in der katholischen Kirche. Im April 1872 formierte sich in Konstanz eine Initiative zur Gründung eines eigenen alt-katholischen Vereins. Ludwig Leiner gehörte zu den Urhebern dieser Bewegung, aus der 1873 eine eigene altkatholische Gemeinde hervorging, der neben dem bereits früher exkommunizierten Bürgermeister Max Stromeyer andere maßgebliche Köpfe der Stadtverwaltung und des liberalen Bürgertums angehörten. Die altkatholische Gemeinde besteht in Konstanz bis heute.9

4.  Eine „Alterthumshalle“ für Pfahlbaufunde und Naturalien Ludwig Leiner teilte die meisten Positionen des liberalen Fortschrittsprogramms. Auch den Abbruch alter Bausubstanz befürwortete er, wenn dadurch bessere Verhältnisse für die Stadtbewohner seiner Zeit geschaffen werden konnten. Auch begrüßte er, dass in die vormals als Lagerstätte genutzten Erdgeschosse der spätmittelalterlichen Stadthäuser zwischenzeitlich moderne Ladengeschäfte und Schaufenster eingebaut worden waren. Zugleich war ihm bewusst: Viele der Fremden, um die man nun so buhlte, wollten gerade deshalb die alte Reichsstadt am Bodensee besuchen, weil dort eindrucksvolle spätmittelalterliche Bausubstanz zu bestaunen war. Als die besonders Fortschrittlichen in Verwaltung und Gemeinderat auch an die letzten noch stehen gebliebenen Türme und Stadttore Hand anlegen wollten, verteidigte Leiner das Alte jedoch gegen die radikalen Modernisierer: Der Apotheker, Botaniker und liberale Reformer wurde nun auch noch zum einflussreichsten Denkmalpfleger seiner Heimatstadt. In einem 1866 veröffentlichten Aufruf appellierte Leiner an die Bevölkerung, die „da und dort in unserer Stadt noch stehen gebliebenen Baudenkmale aus alter Zeit“ zu ret9 Laible, Joseph: Chronik der altkatholischen Gemeinde zu Konstanz 1873 – 1898, Konstanz 1898, S. 12.

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ten, wertvolle Spolien zu erhalten, Erker aus abzubrechenden Häusern zu versetzen und überhaupt bewegliche „Alterthümer“ zusammenzutragen und zu bewahren. Die Stadt mit ihren neuen „Anlagen und Ruheplätzen“ könne durch den „Contrast des Alten vom Neuen“ nur an Reiz gewinnen, glaubte der Autor. Ein ungewöhnlich romantischer Leiner war da zu hören: „Schon von Jugend auf hab’ ich mit Vorliebe die Geschichte meiner Heimath erzählen hören, hab’ mich hineingedacht, geträumt in das Leben unserer Vor­ eltern und es blieb mir eine unvertilgbare Liebe zu dem Kernigen, Markigen, Einfachbürgerlichen der schönen Jahre unserer Vorzeit.“10 Dieser Appell enthält beiläufig die Ur-Idee zur späteren Gründung des Rosgarten­ museums: Leiner schlägt vor, all die gesammelten Antiquitäten, Pfahlbau-Relikte, Naturalien und Kunstwerke in einer „Kunst- und Alterthumssammlung“ zu vereinen. Dazu geeignet sei das alte Zunfthaus „Zum Rosgarten“, einst Versammlungsort der Konstan­ zer Metzger, Krämer, Apotheker, Säckler, Seiler und Gürtler. Den Autor trieb nicht nur der herrschende Bauboom zu diesem Appell, auch ärgerte ihn, dass schon mehrfach Sammlungen, Bodenfunde oder Spolien aus der Stadt und Umgebung an auswärtige Interessenten verkauft und „verschleppt“ worden waren. Schließlich dürften den manischen Sammler auch schiere Platzprobleme bedrängt haben: Zu Hause wuchs die Zahl der Kinder, die Apotheke florierte und benötigte Lagerraum, doch jeder freie Raum war vollgestellt mit Leiners antiquarischer oder botanischer Beute. Wohin mit den tausenden Fundstücken, Pfeilspitzen, Beilen, Käfer-Vitrinen und gepressten Trockenpflanzen? In der politischen Öffentlichkeit von Rat und Stadtspitze zündete der Funke noch nicht so recht. Zwar blieben die alten Tore stehen, doch die Stadt wollte das gewerblich genutzte Zunfthaus nicht freimachen. Zwei Jahre später musste Leiner die Forderung nach einer „Alterthumshalle“ erneut auf die Tagesordnung des Gemeinderats setzen lassen. In einer Denkschrift trug er Stadtoberhaupt und Rat in dramatischer Tonlage vor, durch „Unverständige“ gehe Wertvolles „fort und fort verloren“ oder wandere durch „Schacherer und Schummler in die Hände von Wucherern“. Nun bat er, ihm einen der drei übrig gebliebenen Türme, das hoch aufragende Schnetztor, in der Nähe der mutmaßlichen Behausung des 1415 als Ketzer hingerichteten böhmischen Reformators Johannes Hus gelegen, als Museumsbau zu überlassen.11 Die Stimmung für Leiners Anliegen war jetzt deutlich günstiger, denn in Überlingen und Lindau waren ebenfalls Bestrebungen zur Gründung von Museen im Gange, außerdem stand eine den Bodensee umspannende Initiative von Honoratioren kurz davor, den Bodensee-Geschichtsverein aus der Taufe zu heben. Der Konstanzer Gemeinderat beschloss: Vorhandene Altertümer sollten sofort gesammelt, angekauft oder als Stiftung entgegengenommen werden. Ludwig ­Leiner wurde ersucht, sich der Sache anzunehmen. Zum Ankauf von Objek-

10 KONSTANZER ZEITUNG, 28.1.1866. 11 Stadtarchiv Konstanz (Abk. StAKN) S II 5919, 30.03.1868.

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ten wurde ihm ein Etat von 100 Gulden bewilligt – damals etwa das halbe Jahresgehalt eines ­Lehrers.12 Aus der Turm-Idee wurde nichts, der Umbau wäre zu teuer geworden, und erhoffte Landeszuschüsse waren nicht zu bekommen. Im August 1868 machte Leiner erneut Vorschläge zur Raumfrage, vor allem aber entwarf er seinen Ratskollegen ein Museumskonzept, das den Prinzipien liberaler, beinah demokratischer Bildungspolitik entsprach: Es fehle nicht nur eine Halle „zur Aufstellung denkwürdiger Stücke für Alterthumsforschung“, es fehlten auch „fürs Allgemeine aufgestellte Sammlungen belehrender Naturalien“. Solche Kenntnisse müssten „allen Schichten der Bevölkerung“ nahegebracht werden. Andere Städte der weiteren Umgebung, behauptete Leiner, hätten Konstanz in dieser Hinsicht längst überholt. Geduldig wies er die Ratskollegen drauf hin, welche bedeutenden Sammlungen in Stadt und Region vorhanden seien, diese hätten jedoch bisher nicht zusammengeführt und an einem gut eingerichteten Ort gezeigt werden können.13 Da gab es die Sammlung griechischer und römischer Münzen des Geheimrats Friedrich Wilhelm Frölich, die Münzensammlung des Sparkassenrechners Heinrich Poinsignon, das von Joseph Kastell 1824 im Konzilgebäude eröffnete „Kunst- und Alterthumskabinett“ und die Kunstsammlung des 1860 gestorbenen letzten Generalvikars des Bistums Konstanz, Ignaz Heinrich von Wessenberg. Verstärkt brachte Leiner nun auch die Aufnahme von Naturaliensammlungen in die Altertumshalle ins Gespräch: So nannte er eine bedeutende Schmetterling-Sammlung der Industriellenfamilie Macaire-Zeppelin und die 500 ausgestopfte Vögel der Bodenseeregion umfassende Sammlung des Malers Karl Spachholz, die zu dieser Zeit gerade in das benachbarte Städtchen Radolfzell „verschleppt“ worden war. Auf eine private Kollektion richtete sich sein Augenmerk besonders, weil sie ganz dem augenblicklichen Interesse des Publikums entsprach: Es handelte sich um ein größe­res Konvolut von Pfahlbaufunden, die ein badischer Staatsbeamter, der 1817 ge­ borene Domänenverwalter Alexander Walter, seit Beginn der 1860er Jahre am Ufer bei Konstanz selbst gefunden, teils von Freizeitgräbern am Untersee gekauft und an seinem Wohnort Konstanz zusammengetragen hatte. Diese aus zahlreichen Steinbeilen, Topfscherben, Gefäßen, Spinnwirteln, Knochengeräten, Tierzähnen und Holzrelikten bestehende Sammlung war seit Kurzem im Wohnhaus des verstorbenen Generalvikars Wessenberg in einigen Vitrinen ausgestellt. Dieses bereits in geregelten Öffnungs­zeiten zugängliche Sammelsurium von Fundstücken markiert noch vor Leiners Museumsgründung den Beginn quasi-musealer Präsentation der noch jungen Pfahlbau-Kunde am Bodensee. Diesen fetten Brocken, die attraktive Walter-Sammlung, warf Ludwig Leiner seinen Ratskollegen als Köder hin, denn Pfahlbau-Funde zogen damals mehr als fromme Stifterbilder, Hostiendöschen oder bemalte Decken aus Patrizierstuben: „Domänenverwal12 Ebd., Beschluss des Gemeinderats vom 2.04.1868. 13 Ebd., August 1868, Bericht über die Aufstellung der Sammlung.

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ter Walter hat das Versprechen sodann gegeben, seine reichliche Sammlung von Funden heimischer Pfahlbauten nicht zu veräußern, vielmehr sie um einen mäßigen, von einem sachverständigen Freunden zu bestimmenden Preis der Gemeinde zu überlassen.“14 Freilich, so Leiner in einer weiteren Stellungnahme, die Pfahlbau-Präsentation des Domänenverwalters Walter sei doch noch sehr mangelhaft, wenig übersichtlich und „ohne die speziellen mündlichen Belehrungen des Konservators nicht sehr belehrend.“ Diese Mängel könnten wohl erst behoben werden, wenn diese Sammlung städtisches Eigentum geworden, mit anderen Worten: Leiners Obhut unterstellt worden sei. Walter wollte allerdings, räumte Leiner kurz darauf ein, inzwischen nichts mehr von einem „mäßigen Preis“ wissen. Gleichwohl müsse man mit ihm den Kauf bald abschließen, andernfalls werde der Preis angesichts der enormen Nachfrage nach Pfahlbau-Objekten ins Unermessliche steigen.

5.  „Dem Volke aller Stände“: Ein Zunfthaus als Museum Die Strategie des Ideengebers war schließlich aufgegangen: Geschickt hatte er Argumente aus der Fremdenverkehrswerbung mit allgemeinen Appellen an die Heimatliebe der Sammler und programmatischen Überlegungen zum liberalen Bildungsprogramm verknüpft und ganz nebenbei noch die Angst vor der Abwanderung von prägendem Kultur­g ut in andere Städte oder gar ins Ausland geschürt. Im November 1869 jedenfalls war es beschlossene Sache: Der rührige Altertums-Beauftragte sollte einige Räume des aus dem 15. Jahrhundert stammenden Zunfthauses „Zum Rosgarten“ zur Nutzung als Museum erhalten (Abb. 3). Noch stand das Haus nicht vollständig zur Verfügung. Seit der Entmachtung der Zünfte als Verfassungsorgan der spätmittelalterlichen Reichsstadt im Zuge des Übergangs der Stadt an Habsburg im Jahr 1548 war der imposante Komplex aus zwei zusammengefügten Zunftgebäuden als städtische Trinkstube, Probenraum für Gesangvereine, Auktionssaal, Militärbäckerei, Kaserne und als Beschäftigungsanstalt für arbeitslose Frauen genutzt worden. Nach der Gleichstellung der Juden in Baden zogen um 1864 erste jüdische Familien vom Umland in die Stadt Konstanz. Ihnen wurde ausgerechnet jener Saal im Erdgeschoss des Zunfthauses als Betraum überlassen, der zuvor von den Metzgern als Schlachtraum genutzt worden war (Abb. 4). Teile des Hauses wurden nun saniert, das absehbar nötige Mobiliar wurde auf städtische Kosten beschafft. Leiner selbst entwarf später die heute denkmalgeschützten neo-gotischen Holz-Glas-Vitrinen, die das Rosgartenmuseum in ihrem historistischen Pathos optisch prägten und teils bis heute an ihrem angestammten Platz stehen. Die wohlhabenden Mitbürger seiner Heimatstadt forderte er auf, dem geplanten Museum Kunstwerke, aber auch historische Gerätschaften, Waffen, Schlösser, Münzen, Siegel, Handschriften und Urkunden zu überlassen. So brachte der Zeitgeist dieser entschiedenen Modernisierungsphase der Stadt auch die Musealisierung der lokalen 14 StAKN S II 5919, Bericht an den Gemeinderat, August 1868.

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3  Das einstige Zunfthaus „Zum Rosgarten“ beheimatet seit 1871 das Rosgartenmuseum. Ansicht der heutigen Straßenfront

4  Blick in einen der 1870/71 eingerichteten Säle des Zunfthauses: Der Mittelaltersaal, im Hintergrund die Steinpforte zum großen Zunftsaal

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Geschichte hervor: Das fortschrittsgestimmte Bürgertum ließ sich, nachdem der Großteil der mittelalterlichen Stadtbefestigung klaglos beseitigt worden war, plötzlich anstecken von der Idee, etwas zu einer öffentlich zugänglichen Einrichtung namens Museum beizutragen, um dort an die Geschichte von Stadt und Heimat zu erinnern. Was er kaufen musste, bestritt der wohlhabende Patriziersohn und erfolgreiche Apotheker zunächst aus eigenen Mitteln. Schon in diesen Gründungsjahren bürgerte sich eine Praxis ein, die bis zu seinem Tod 1901 üblich blieb: Leiner streckte vor und rechnete viel später, ohne je Zinsen zu berechnen, mit dem Gemeinderat ab. Daraufhin erstattete die Stadtkasse seine Auslagen, häufig aus den Mitteln verschiedener Fonds und Stiftungen und aus einem bewilligten Landeszuschuss. Diese Praxis illustriert, dass die liberale Ratsmehrheit das Museum und die Förderung der Kultur relativ früh schon als öffentliche Aufgabe begriffen hat. Noch bevor das Rosgartenmuseum, im Volksmund lange „Leiner-Museum“ genannt, eine etablierte öffentliche Einrichtung war, hatte es sogar einen Ankaufsetat: Im städtischen Haushaltsansatz wurden nach 1875 jeweils pauschal 1.000 Mark zur Anschaffung von Kunst- und Sammlungsgegenständen vorgesehen. Das entsprach, nach Einführung der Mark im geeinten Deutschland, etwa dem Jahresgehalt eines gehobenen Verwaltungsbeamten. Über diese Summe konnte Leiner ohne vorherige Genehmigung durch die Stadtspitze verfügen. Allerdings konnten sich Bürgermeister und Gemeinderat auch blind auf ihn verlassen: Alljährlich unterbreitete der penible Buchhalter dem Rat in seiner winzigen, aber gestochen scharfen Handschrift minutiöse Abrechnungen, wobei er nicht selten privat Erworbenes der Stadt und ihrer neuen Museumssammlung großzügig zum Geschenk machte.15 Bedauerlicherweise kennen wir die Sicht seiner Frau Thekla nicht, der Mutter von vier Kindern und Vorsteherin eines großen Haushalts: Ob sie die 35 Jahre währende Sammelwut ihres Mannes, seinen grenzenlosen Platzbedarf im „Malhaus“ und den Einsatz erheblicher privater Mittel immer begrüßte, darf zumindest in Frage gestellt werden. Nach 1872 zweckentfremdete Vater Leiner sogar Gelder aus einem städtischen Leistungsstipendium, das seinem Sohn Otto zuerkannt worden war, um Ankäufe vorzufinanzieren. Er könne die Ausbildung seines Sohnes schließlich selbst bezahlen: So wies er mögliche Nachfragen der Ratskollegen nach dieser Umwidmung öffentlicher Gelder vorsorglich ab.16 Als das Museum 1870 endlich Gestalt annahm, definierte der Museumsgründer und „Ehrenkonservator“ ohne Besoldung, die programmatische Richtung und fixierte, was das Haus leisten müsse: Eine „chorographische Sammlung“ solle entstehen, in der die Natur- und Siedlungsgeschichte der Gegend mit ihren Naturerscheinungen und Zeugnissen der menschlichen Kulturen chronologisch durch alle Epochen dargestellt und an „sprechenden“ Objekten anschaulich werden müsse. Das Museum, so erklärte er seinen Ratskollegen, diene der Aufnahme 15 StAKN S II 5919 u. 5920, Jahresberichte mit Abrechnungen und Voranschlägen, 1872ff. 16 SFEDU, Bürgerwerk, S. 72 sowie StAKN S II 5919, Jahresbericht 1872.

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unserer begonnenen Sammlung von Sehenswürdigkeiten aus Geschichte und Naturgeschichte […], welche die Liebe zur Heimath heben, die Kenntnis dessen, was um uns lebt, verallgemeinern, Pietät für Denkwürdigkeiten unserer Voreltern wecken, ebenso zur Belehrung für unsere Jugend als zur Unterhaltung für Fremde dienen soll.17

Dabei strebte der penible Gründer und vorausschauende Vermittler nichts weniger als chronologische Lückenlosigkeit durch Exponate aus allen Epochen, innere Ordnung, leicht verständliche Aufstellung und publikumsnahe Beschriftung der Objekte an. Die Reichsgründung unter Preußens Führung begrüßte Ludwig Leiner, aber seinen Liberalismus süddeutscher Prägung verriet er nicht – er wurde im neuen Kaiserreich weder zum Nationalisten noch zum Verächter der unteren Bevölkerungsschichten. Nie hat er das Museum als kulturelle Kadettenanstalt zur Hervorbringung des wilhelminischen Untertanengeists verstanden. In seinen grundlegenden Äußerungen zur Aufgabe des Museums zeigt sich vielmehr sein aufklärerisches, fast demokratisch grundiertes Bildungsethos: „Populär“ solle das Haus werden, schreib er. „Dem Volke aller Stände“ sei zu ermöglichen, „sich darin durch Anschauung und Studium zu belehren, alte Vorurtheile zu verbannen“, außerdem solle „dem Fremden Unterhaltung unter der leicht möglichsten Zugänglichkeit“ geboten werden.18 Früh sorgte er dafür, dass Schulklassen freier Eintritt gewährt wurde und interessierte Schüler selbst in ihrer Freizeit die Sammlung kostenlos besuchen durften. Er plädierte gegenüber dem auf Einnahmen bedachten Gemeinderat dafür, regelmäßig Tage des freien Eintritts zu ermöglichen, damit alle Bevölkerungsschichten Zugang zur Natur- und Entwicklungsgeschichte der Umgebung fänden. Jede Gemeinde habe die Pflicht, sich für „Kultur der Kunst und Wissenschaft in Schule und Haus“ einzusetzen, schrieb er in der „Konstanzer Zeitung“ im Vorfeld der Eröffnung des Museums.19

6.  Ein Krieg kommt dazwischen Seit Anfang 1870 war damit begonnen worden, den holzgetäfelten Zunftsaal und weitere Räume des spätmittelalterlichen Zunfthauses für die Museumsnutzung zu renovieren und einzurichten. Da begann der Französisch-Preußische Krieg. Aus Furcht vor einer „Überrumpelung des badischen Landes durch französische und algierische Truppen“, wie Leiner schrieb, wurden die meisten öffentlichen Arbeiten unterbrochen.20 Der Museumsgründer hätte wütend sein können, fürchtete er doch, dass benachbarte Bodensee-Städte wie Überlingen, Lindau oder Friedrichshafen mit ihren Museumsprojekten schneller vorankommen könnten. Doch als er sah, dass der Krieg „für die deutschen Waffen so siegreich auf die gallischen Gauen getragen“ wurde und „so unerwar17 18 19 20

StAKN S II 5919, Zur Renovation des Rosgarten, Nov. 1869. StAKN S II 5919, 3.2.1873. KONSTANZER ZEITUNG, 23.9.1871. StAKN S II 5919, 14.9.1870.

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tet schnell sich schon bis ins Herz von Frankreich gewälzt“ hatte, beschloss er, dieses historische Ereignis auch in seinen Sammlungen abzubilden: Der Mann, der sich einst vom Dienst in der Bürgerwehr hatte freistellen lassen, war schon im Januar in Kontakt mit dem Zeughaus in Karlsruhe getreten. Dort hatte er nach dem Verbleib der nach der Revolution von 1848/49 beschlagnahmten Konstanzer Waffen und Kanonen gefragt, mit dem Ziel, diese nach Konstanz zurückzuholen. Dort fand man jedoch nur noch Restbestände. Nun verhandelte Leiner um die Abgabe von Beutewaffen aus dem aktuellen Krieg. Anfang 1871 erhielt er aus Karlsruhe als Kompensation eine beträchtliche Sendung von französischen Gewehren, Bajonetten, Säbeln, einen Kürass mit Helm, rote Keppis der Kolonialtruppen, Uniformen und sogar scharfe Granaten und Geschützmunition. Später fanden einige Stücke dieser makabren Kriegsbeute Platz in der Dauerausstellung des Museums.21 Im Herbst 1871, das neue deutsche Kaiserreich war gegründet und im Mai ein für Frankreich bitterer Frieden geschlossen, machte sich die Euphorie der beginnenden „Gründerjahre“ breit. In dieser Aufbruchsstimmung der Siegernation konnte am 24. September 1871 endlich auch das lange projektierte Konstanzer Museum eröffnet werden. Das ursprüngliche Konzept war aus Platzmangel nur ansatzweise realisiert worden: Im Erdgeschoss wurden geologische Schaustücke und Petrefakte sowie römische Münzfunde und, unter dem Titel „Bild aus der keltisch-germanischen Zeit“, einige Objekte aus den Pfahlbaufunden gezeigt. Im Zunftsaal, er war der „Späteren Zeit“ gewidmet, waren das Alltagsleben und die Wohnkultur des Spätmittelalters mit Münzen, Möbeln, Stickereien, Waffen, Schmuck und „Antiquitäten verschiedenster Art“ zu sehen. In zwei weiteren, „Unsere Zeit“ betitelten Räumen, präsentierte Leiner die ausgestopften Vögel der Spachholzschen Sammlung sowie Fische, Insekten und Schnecken der Bodenseelandschaft. Im letzten Raum boten „Möbel der beßern Zopfzeit“ Beispiele der Kleidung und Wohnkultur des 18. Jahrhunderts.22

7.  Pfahlbaufunde machen Karriere Bald erwies sich, dass das Haus zu klein dimensioniert war. Vor allem die Pfahlbau-Funde, deren Bestand sich durch Ankauf von ganzen Fundzusammenhängen aus den relevanten Grabungen am Bodensee in diesen Jahren stark erweiterte, wollte Ludwig Leiner wesentlich prominenter zeigen. Die neuerdings reich illustrierten Blätter der Zeit druckten spannende Reportagen über die wilden Vorfahren der Jungsteinzeit und Bronze­zeit und sie verglichen die Pfahlbaukultur mit ähnlichen Siedlungen, beispielsweise in Neuguinea und in Neuseeland. Immer häufiger erkundigten sich Reisende nach Schaustücken aus der Pfahlbau-Kultur. Als engagierter Kommunalpolitiker erkannte 21 StAKN S II 5919, 15.2.1871. 22 StAKN S II 5919, Leiners Aufstellung, KZtg. 23.5.1871 sowie ausführlich Sfedu, Bürgerwerk, S. 81f.

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Leiner das Potenzial des Pfahlbau-Themas für den Fremdenverkehr und damit für die überregionale Attraktivität seines Museums. Vor diesem Hintergrund waren ihm die verbliebenen Mitbewohner des alten Zunfthauses ein Dorn im Auge: Der Museumschef wollte die Juden loswerden, die im Erdgeschoss noch immer einen Saal als Betraum nutzten. In einem Raum des Zwischengeschosses unterrichtete der Rabbiner die Kinder der Gemeinde. Der weltoffene und religiös tolerante Leiner war kein Antisemit, die Israeliten waren lediglich seinem Expansionsdrang im Weg. Die Stadt gab seinem Drängen schließlich nach und kündigte den Mietvertrag mit der jüdischen Gemeinde. Im Frühjahr 1873 hatte es Leiner plötzlich sehr eilig. Er drängte die Stadtverwaltung, Renovierung und Umbau rasch in Angriff zu nehmen. Der neue Saal werde, so kündigte er an, „den Boden unserer Heimath, die Mineralien und Petrefakten, und die ersten Ansiedlungen am See, die Pfahlbaufunde und Überreste aus der Eiszeit bergen.“ 23 Die Eile des Museumsgründers hatte mit einem internationalen Ereignis zu tun, von dem er sich positive Nebeneffekte erhoffte: Im Mai 1873 wurde in Wien die erste Welt­ ausstellung auf deutschsprachigem Boden eröffnet. Leiner war davon überzeugt, dass Reisende, „welche heuer die Weltausstellung in Wien besuchen, auch noch andere Orte auf dieser Reise berühren und etliche Wanderer auch Konstanz besuchen.“ 24 In Wien wurde im Pavillon, der die Leistung zeitgenössischer Gewerbemuseen demonstrierte, auch ein Pfahlbau­modell gezeigt, das nach Vorlagen des Nestors der Pfahlbau-Forschung, ­Ferdinand ­Keller, gebaut worden war. Sechs Jahre zuvor schon hatte auf der Welt­ ausstellung in Paris die Schweiz ihre Funde vom Zürichsee präsentiert. Der Schweizer ­Grabungspionier Jakob Messikommer, mit dem Leiner in fachlichem Austausch stand, war auf persönliche Einladung Kaiser Napoleons III. beauftragt worden, ein Pfahlbaumodell zu bauen und in Paris auszustellen. Der als französischer Exilant in Konstanz und am Schweizer Bodenseeufer aufgewachsene letzte Kaiser der Franzosen hatte an den Pfahlbaufunden vom Zürichsee und vom Bodensee nicht nur sentimentalen Anteil genommen: Regelmäßig und ausführlich ließ er sich über den Fortgang der Grabungen und der Forschung in seiner einstigen deutsch-schweizerischen Heimat unterrichten.25 Das Pfahlbau-Thema hatte ersichtlich eine große europäische Karriere gemacht. Leiner glaubte, mit dem neuen Prähistorischen Saal dem Museum noch größere Aufmerksamkeit zu sichern und mehr Besucher anzuziehen (Abb. 5). Im Übrigen war der Kon­ stan­zer Apotheker auch in Fragen der Pfahlbau-Forschung längst kein dilettierender Laie mehr. Werkzeuge, Schmuck und Waffen aus Knochen, Stein, Kupfer und Bronze, textile Reste, Geflechte, ornamentierte Gefäße und zahllose Abfallprodukte der verschiedenen Herstellungsprozesse hatte er aus den Grabungen am Bodensee zusammengetragen: In seinem Wohnhaus lagerten Kisten voller Beile, Splitter, Scherben, Werkzeuge 23 StAKN S II 5919, Bericht an den Gemeinderat 28.8.1871. 24 StAKN S II 5919, 3.2.1878. 25 Arx, Versunkene Dörfer, S. 147f.

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5  Der heutige „Leinersaal“ mit dem Bildnis des Gründers Ludwig Leiner. Im Vordergrund eine der 1873 mit Pfahlbaufunden bestückten, eigens für den Saal entworfenen Vitrinen

und Knochen aus Bodman, Wangen am Untersee, Litzelstetten, Wallhausen, Maurach, Sipplingen, Unteruhldingen, Immenstaad, aus Hagnau, von der Haltnau, Schaffhausen und aus dem heute stellvertretend für die Pfahlbau-Funde am Bodensee stehenden Unteruhldingen. Im Winter 1871/72 ging die Stadt Konstanz daran, den alten Hafen in Richtung der Schweizer Grenze zu erweitern. Im dortigen Sumpfgelände, der ­Rauenegg, stießen die Arbeiter im Schlick auf Tongefäße. Als Leiner davon erfuhr und ans Ufer eilte, beobachtete er, wie ein Arbeiter ein Töpfchen achtlos gegen einen Hafenpfahl warf und zerschmetterte. Fortan stand er hinter den Spaten der städtischen Arbeiter „wie die Saatkrähe hinter dem Pflug“.26 Die Ausbeute war ergiebig: Der Museumsleiter barg zahlreiche, teils ornamentierte Tongefäße, Bronzeringe und Bronzenadeln und ein Webstuhlgewicht. An weiteren Grabungen war Leiner selbst nicht direkt beteiligt. Seine Disziplin war die Analyse danach, das Ringen um korrekte Zuordnung, naturwissenschaftliche und zeitliche Bestimmung, Typisierung und Materialprüfung: „Soweit dies durch Autopsie, mit Lupe, Lötrohr und chemischen Reaktionen bei der beschränkten Zeit möglich war“, schrieb er später, habe er tausende Fundstücke überprüft und geordnet. Mit seinen auch materialwissenschaftlich fundierten Untersuchungen trug er in seiner Zeit maßgeblich zur Verwissenschaftlichung der Erforschung der Vor- und Frühgeschichte im Boden26 Leiner, Ludwig: Die Entwicklung von Konstanz, in: Schriften des Vereins für die Geschichte des Bodensees 11 (1882), S. 73–92 sowie Sfedu, Bürgerwerk, S. 88.

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6  In der Präsentation verrät sich der Apotheker: Fundreste diverser Lebensmittel aus Pfahlbau­ grabungen konservierte der Museumsgründer um 1873 in abgesägten Reagenzgläsern seiner Apotheke

seeraum bei.27 Ganz nebenbei war er auch zum Fachmann für Konservierung geworden: Er experimentierte mit Wasserglas zur „Verkieselung“ der zerfallsbedrohten Hölzer, band schwammiges Holz mit Leimwasser oder mit Zuckerlösung und stellte in großen Apothekengläsern Feuchtpräparate in Glycerin her. In seinem Apotheken-Labor mischte er neue Mixturen zur Reinigung und Oberflächenfestigung von Funden aus organischen und anorganischen Materialien (Abb. 6). Andererseits war der inzwischen 43-jährige Allrounder auch ein gewiefter und trickreicher Akteur auf dem florierenden und skrupellos betriebenen Markt des Handels mit Pfahlbaufunden geworden. Die personalen Netzwerke, die sich aus dem 1869 gegründeten, see-umspannenden Verein für die Geschichte des Bodensees entwickelten, lieferten Nachrichten und Kontakte über neue Funde und die Namen der Gräber. Leiner und sein väterlicher Freund, der 1804 geborene Konstanzer Arzt und Stadtarchivar Johann ­Marmor, gehörten dem Verein an, sie waren über die „Szene“ der Forscher und Fund-­ Jäger am Bodensee genau im Bilde. Doch aus den Reihen des Vereins erwuchs auch einflussreiche Konkurrenz: Vereinsmitglieder wie Freiherr Hans von und zu Aufseß, Gründer des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg, oder König Karl I. von Württemberg und die Kuratoren mehrerer herrschaftlicher Sammlungen der angrenzenden Länder wetteiferten miteinander, möglichst bedeutende Funde in ihre Sammlungen zu ziehen. Diese in öffentlichem Interesse und meist auch öffentlich agierenden Honoratioren bewegten sich auf dem 27 Sfedu, Bürgerwerk, S. 86.

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s­ elben Markt wie einschlägig interessierte, zahlungskräftige Privatsammler, deren Er­­ werbungen der Forschung aber häufig entzogen blieben. In den Jahren von 1860 bis 1880 scheint, wenn man nur die Verschleuderung wertvoller Bodenfunde rund um den Bodensee überblickt, in Südwestdeutschland eine gewisse Goldgräberstimmung geherrscht zu haben. Bis staatliche Instanzen und integre Wissenschaftler selbst Grabungen initiierten und private Schatzgräber verdrängten, blieb einmaliges Kulturgut eine nach Marktgesetzten zu verteilende Handelsware. Das Großherzogtum Baden reagierte erst 1905 mit einem gesetzlichen Verbot weiterer wilder Grabungen an badischen Gewässern.

8.  Das Prunkstück: Der „Leinersaal“ Mit reichhaltigen Beständen ausgerüstet, richtete der Museumsgründer in einer zweiten Phase das Prunkstück seines Museums ein. Über der Eingangstür des heute nach seinem Gründer benannten „Leinersaals“ wurde das in Stein gehauene Motto angebracht. „Der Heimath Boden und dessen Urbewohner“ steht da in goldunterlegten Lettern geschrieben. Diese Devise umschreibt das Raumprogramm: Der Saal wurde in einen geologisch-­ paläontologischen und in einen archäologischen Bereich unterteilt.28 Die erste Abteilung beginnt mit dem „Urgestein“, durchstreift die geologischen Zeitalter und endet mit der Glazialzeit. In streng chronologischer Ordnung sind zahllose Handstücke verschiedener geologischer Formationen, Geröllbildungen, Tuffsteine und Moostorfe zu sehen. In einer zweiten Reihe wird die Gesteinsbildung der Triaszeit mit den dort vorkommenden versteinerten Fossilien in allen nur denkbaren Varianten präsentiert. Fundstücke des Jurazeitalters tauchen in einem eigenen Schrank auf. Die Anordnung der Objekte erfolgte chronologisch, aber auch Fundorte wurden bezeichnet. „Viel hilft viel“, schien Leiners leitender Gedanke bei der Bestückung der Vitrinen gewesen zu sein: Da türmten sich Beile über Beilen und Pfahlreste neben Pfahlresten. Doch aus Leiners wiederkehrenden Klagen wissen wir auch: Kaum hatte er einen Saal bestückt, wurde der Platz schon wieder zu eng und er überfüllte seine Vitrinen, nur um die Objekte gesichert unterzubringen. Riesige Versteinerungen, darunter beeindruckende Fischsaurier, gefangen im 180 Millionen Jahre alten Posidonienschiefer, prägen die hohen Wände des Saals. In der späten Eiszeit erschienen im Bodenseeraum erstmals Rentierjäger. Diese Epoche der Magdalénien-Kultur ist mit den überaus spektakulären Funden aus der in der Nähe des schweizerischen Schaffhausen gelegenen Höhle „Kesslerloch“ repräsentiert: Jagdwerkzeuge, Gerätschaften aus Horn und früheste Zeugnisse künstlerischer Tätigkeit sind hier zu sehen. Es sind Knochenstücke mit Ritzzeichnungen, darunter der berühmte Lochstab (ein Gerät aus Rentierhorn zur Streckung von Geschoss-Schäften) mit der Darstellung eines weidenden Rentiers. Hier platzierte Leiner auch zahl­reiche Tierknochen, unter anderem vom Alpenschneehuhn, Schneehasen, dem Auerorchsen, Braunbär, Vielfraß, Luchs und Wolf, Wollnashorn, Höhlenlöwe, Steppenwisent und 28 Ausführlich hierzu Sfedu, Bürgerwerk, S. 100ff.

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7  Blick auf Schmuck und Kleinwerkzeuge aus diversen Pfahlbaufunden vom Bodensee. Während der umfassenden Sanierung des Saals 2009 wurde versucht, die Originalanordnung des Gründers zu rekonstruieren

Rentier. Weil einige der Funde des Kesslerlochs vom Sohn eines Mitarbeiters des Grabungsleiters Konrad Merk nach Vorbildern aus einem damals geläufigen Kinderbuch gefälscht worden waren, wurde auch Leiner 1876 in die reichsweit beachtete Auseinandersetzung um diesen Fall mit hineingezogen. Dies umso mehr, als er sich öffentlich entschieden für die Integrität Merks aussprach, dem er Teile der Sammlung 1875 abgekauft hatte. Der archäologische Bereich des Saals ist fast vollständig den Pfahlbaufunden gewidmet. Leiner ließ für diesen Saal nach eigenen Entwürfen prächtige Holz-Glas-Vitrinen bauen (Abb. 5 und 7). Die neo-gotischen Möbel haben die Aura von Schneewittchen-­ Särgen: Als hochaufragende, feierlich im Raum stehende Gehäuse bergen sie ihren wertvollen Inhalt. Auch hier ordnete der Museumsgründer die Objekte chronologisch und nach Materialgruppen an. Topographische Fundzusammenhänge vom Ort der einzelnen Grabungen oder Angaben zur Stratigraphie konnten kaum beachtet werden, weil Leiners fachfremde „Zulieferer“ in den Jahren vor 1870 weder die Fundsituation noch die Objekte dokumentiert hatten und Funde einfach nach Bestellungseingang verpackt und abgerechnet worden waren. So wird dem Betrachter die Welt der Pfahlbauer gewissermaßen summarisch anhand ihrer Tätigkeiten, Alltagsgegenstände und Herstellungsprozesse vorgestellt. In zahlrei-

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chen Reagenzgläsern und formschönen Glasglocken finden sich die Spuren des Ackerbaus: Fundreste von verkohltem Getreide, Himbeersamen oder Haselnussreste (Abb. 6). Im Kapitel „Jagd und Viehzucht“ präsentierte Leiner etliche Knochen- und Schädelfunde von Ziege, Torfschwein, Hund und Fuchs. Eine weitere Vitrine ist den „Steinbeilen und ihrer Herstellung“ gewidmet: Rohlinge, Halb- und Fertigfabrikate, Hammeräxte, Bohrkerne aus Serpentin und Klingen in Hornfassung illustrieren die Werkzeugproduktion des Neolithikums. Unter den „Feuersteingeräten“ finden sich zahlreiche Kleinwerkzeuge aus Nephrit, deren Herkunft sich Leiner mit schon damals ausgedehnten europäischen Handelsbeziehungen der Pfahlbauer erklärte (Abb. 7). Die „Knüpferei und Weberei“ illustriert Leiner an selbst präparierten Bodenfunden: Schnüre, Webschiffchen mit Fadenresten, Matten und Textilgewebe, ein geflochtenes Schüsselchen, Fadenwickler und Tonwirtel, verkohlte Fadenknäuel und unter Glas gelegte Netzfragmente aus Flachsfasern und Leinen sind hier zu sehen. Steinzeitlicher Halsschmuck, Anhänger aus Hirschhorn, zarte Knochenringe, angebohrte Schnecken und Muscheln und eine Kette mit Tierzähnen berühren als fragile und besonders unmittelbare Zeugnisse des Lebensalltags der Pfahlbauer die Betrachter bis auf den heutigen Tag. In der bronzezeitlichen Vitrine hat der Museumsgründer einen martialischeren Ton angeschlagen: Hier liegen Lanzenspitzen, zahlreiche Beile und ein Bronzeschwert aus dem Fund von Eschenz. Radnadeln, Angelhaken, Messerklingen und Bronzesicheln als Grabbeigaben aus einem Fund von 1882 ergänzen den Bestand. In einer weiteren Vitrine, die dem menschlichen Leben zwischen 4400 und 850 v. Chr. am Bodensee gewidmet ist, stehen Krüge, spitzbodige Kochtöpfe, Tonschalen, Vorratsbehälter und andere Töpfergeräte der Pfahlbauer neben konservierten Brettern und Pfahlresten der seenah gebauten Siedlungen. Im Sinne der damals herrschenden Auffassung von der Funktion der Kunst als Mittel der Volkserziehung und zur Heranbildung patriotischer Gefühle beauftragte Ludwig Leiner 1876 den Kunstmaler Anton Seder, die jeweilige Epoche der ausgestellten Exponate in großen Ölgemälden anschaulich zu machen. In diesen Jahren fand die „Geschichtsmalerei“ des Historismus auch in Konstanz Verbreitung. Anton Seder, damals ein 26-jähriger Lehrer am Technikum Winterthur, machte später als Direktor der Kunstgewerbeschule Straßburg und als Künstler des Jugendstils Karriere. Der Konstanzer Bilderzyklus war eine große Chance und, angesichts der 1.000 Mark Honorar für sechs Werke, auch ein lohnender Auftrag für den jungen Künstler. Mit „viel künstlerischem Geschick und dekorativer Wirkung“, wie der auf Publikumsresonanz bedachte Leiner formulierte, schuf Seder vier großformatige Bilder, die thematisch der Steinkohlenzeit, der Liaszeit, dem Jura und der Molasse-Zeit gewidmet sind und die Pflanzen- und Tierwelt zwischen Bodensee und Hegau darstellen. Dem Untersee mit einem abschmelzenden Gletscher war ein weiteres Bild gewidmet. Das letzte Gemälde der Serie zeigt die 1871/72 ausgegrabene Pfahlbausiedlung im Konstanzer Gewann Rauenegg zur Zeit ihrer Blüte: Pittoresk-wohnliche Hütten, bewohnt von glücklichen Urmenschen vor dem

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8  Anton Seder: Die Pfahlbausiedlung beim Rauenegg in Konstanz. Eines der vier großformatigen Ölgemälde, die Ludwig Leiner beim damals jungen Historienmaler Seder für den Pfahlbausaal bestellte

atemberaubenden Panorama des nahen Alpsteins.29 Vor allem dieses Bild regte in den kommenden Jahren die Phantasie zahlreicher Besucherinnen und Besucher an und galt in seinem romantisch überhöhten Realismus als eine der Hauptattraktionen der Pfahlbau-Abteilung des Museums (Abb. 8).30 Bis auf eine oktogonale, um die zentrale Holzsäule des Saales gebaute Vitrine, die später entfernt wurde, sind die Vitrinen und Wandschränke noch so im Saal gruppiert, wie Ludwig Leiner sie 1874/75 hat aufstellen lassen. Nach eigenen Angaben hatte er für sein Museum bis dahin rund 27.000 handschriftlich beschriebene Karton- und Blechschilder angefertigt (Abb. 9). Auch von diesem Bestand ist Vieles erhalten, trotz der Feuchtigkeit, die mit dem berüchtigten Bodensee-Nebel abends über die Stadt zieht. Im Leinersaal sind Hunderte dieser „Etiketten“ noch immer zu bestaunen. Leiners Nachfolger im Museum, Sohn Otto und Enkel Bruno, veränderten, auch bedingt durch Auslagerungen während zweier Weltkriege, die schon zu Ludwig Leiners Zeit übervolle Bestückung der Vitrinen mehrfach, aber nicht grundlegend. Anfang der 1970er Jahre wurden zudem etliche der Petrefakte für die Dauer von rund 25 Jahren in das damals neu gegründete Bodensee-Naturmuseum ausgelagert, bevor sie wieder an ihre angestammten Plätze zurückkehrten. Seit der Einrichtung des „Leinersaals“ kämpfte das Museum auch mit der durch den lockeren Seegrund aufsteigenden Feuchtigkeit. Das führte zu einer weitgehenden Vermorschung des Dielenbodens und zur bedrohlichen Aushöhlung der tragenden, tonnenschweren Eichensäule. Im Zuge einer umfassenden, den Belangen des Denkmalschutzes Rechnung tragenden und deshalb schonenden Restaurierung des als museales ­Ensemble 29 StAKN S II 5919, Leiners Bericht an den Stadtrat 8.8.1877 sowie Sfedu, Bürgerwerk, S. 110. 30 StAKN S II 5919, 8.8.1877.

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9  Während seiner Laufbahn beschriftete Leiner nach eigenen Angaben rund 30 000 „Eitketten“, wie er seine handgeschriebenen Objekttexte nannte

längst denkmalgeschützten Saals im Jahr 2009 wurde der Dielenboden erneuert. Bei dieser Gelegenheit dokumentierte der langjährige Archäologe des Rosgartenmuseums, Peter Wollkopf, den Inhalt aller Vitrinen, restaurierte oder ergänzte die handgeschriebenen Originalbeschriftungen aus Leiners Zeit und bemühte sich, gemeinsam mit Museumstechniker Lothar Hund, bei der Wiederbestückung die Originalbelegung der Vitrinen aus Leiners hinterlassenen Inventaren und Notaten sorgfältig zu rekonstruieren.31

9.  Begeisterte Fachwelt, zögerliche Besucher Nach den ersten Aufbaujahren berichtete der inzwischen 45-jährige Museumsgründer an die Konstanzer Stadtverwaltung: „Ich habe kaum einen Tag verstreichen lassen, ohne für die städtische Sammlung thätig zu sein.“32 Die Mühe hatte sich gelohnt: Fachzeitschriften, Tageszeitungen und Illustrierte Blätter aus dem In- und Ausland berichteten seit der Eröffnung immer wieder über das neue Rosgartenmuseum und seinen engagierten Gründer. Renommierte Archäologen, Vor- und Frühgeschichtler, Botaniker, Paläon­ tologen, Delegationen von Altertumsvereinen und Museumsfachleute besuchten Ludwig Leiner und sein Haus, erbaten sich besondere Stücke zur näheren Erforschung oder standen mit dem vom Autodidakten zum Fachmann mutierten Gründer in wissenschaftlichem Austausch. Auch höchste Herrschaften hatten das Haus mit Besuchen beehrt: Zur Eröffnung 1871 war bereits der badische Landesherr Großherzog Friedrich  I. mit seiner Frau Luise, einer geborenen Prinzessin von Preußen, erschienen. Der eben zum Deutschen Kaiser proklamierte Wilhelm I. verbrachte regelmäßig einige Sommertage 31 Peter Wollkopf verstarb nur 59-jährig kurz nach der Wiederherstellung des Leinersaals. 32 StAKN S II 5919, Leiners Bericht an den Stadtrat 30.10.1875.

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auf der Insel Mainau, wo seine Tochter Luise und sein Schwiegersohn Friedrich von Baden residierten. Im Spätsommer 1871 erschien er im Rosgartenmuseum, eine Auszeichnung, die Leiners Ruhm beträchtlich mehrte. Auch sein Sohn, Kronprinz Friedrich, und Enkel Wilhelm II., Deutschlands letzter Kaiser, kamen auf Besuch. Der damals den Majestäten zum Ehrentrunk gereichte silberne Pokal der Stadt ist längst Teil der Museums­sammlung geworden. Heute wird er engagierten Demokraten zum Trunke gereicht, wenn sie das Rosgartenmuseum besuchen. Zu Beginn der 1870er Jahre florierte der Fremdenverkehr am Bodensee. An den Ufern entstanden prächtige Hotelbauten – Paläste des aufstrebenden, zahlungskräftigen Bürgertums und des Adels, der sich im Dunstkreis der am Bodensee urlaubenden Majestäten aufhielt. Leiner hätte auf großen Zulauf hoffen dürfen. Doch die Besuche des breiteren Publikums erreichten offenbar nicht die erwarteten Zahlen. Wie viele Menschen das Museum besuchten, rapportierte Leiner in seinen Rechenschaftsberichten nie. Er spricht in seinen Jahresberichten von Schulklassen und besonders gerne über prominente Forscher, die zu Gast waren. Die breiten Schichten, denen Leiner Bildung und Unter­haltung versprochen hatte, fühlten sich von der noch neuartigen Einrichtung eines natur- und kulturhistorischen Museums aber offenbar noch nicht sehr angesprochen. Umso energischer beharrte der Gründer auf dem grundsätzlichen Bildungsauftrag: Das Rosgartenmuseum sei ein Haus, das „die Fremden anzieht, sie an regnerischen Tagen hier unterhält“, es komme aber auch dem Bedürfnis nach „wissenschaftlicher Bildung“ nach, befördere „die Schulausbildung, Heimathkenntnis und die Heimathliebe.“33 Dabei waren Öffnungszeiten und Eintrittspreise, wie man heute sagen würde, publikumsfreundlich gestaltet: An allen Wochentagen war das Haus von 10 bis 12 Uhr und von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Von Anfang an wurde ein Jahresabonnement angeboten. Als Leihgeber für andere Häuser war der Museumsgründer ein eher schwieriger Zeitgenosse. Als beispielsweise 1880 in Berlin unter Leitung des Pathologen, Prähisto­ rikers und liberalen Politikers Rudolf Virchow eine Ausstellung anthropologischer und vorgeschichtlicher Funde geplant wurde, sollte auch das Konstanzer Museum einige bedeutende Stücke seiner Pfahlbausammlung zur Verfügung stellen. Leiner lehnte die ehrenvolle Anfrage ohne Konsultation des Gemeinderats rundweg ab: Während der Hauptreisezeit wollte er sich von seinen Spitzenstücken nicht trennen, auch fürchtete er um deren Unversehrtheit durch die Gefahren einer Bahnreise. Rudolf Virchow persönlich musste dem Museumsgründer in der süddeutschen Provinz um den Bart gehen: „Wer kann sich mit Ihnen vergleichen?“, rief der berühmte Forscher aus und appellierte an Leiners Eitelkeit: „Wie sollte diese Lücke ausgefüllt werden!“ Der berühmte Berliner Historiker Leopold von Ranke pries in seinem Brief an Leiner das Rosgartenmuseum gar als „die Perle vorgeschichtlicher Sammlungen Deutschlands“.34 Erst nach dieser über-

33 StAKN S II 5920, Jahresbericht vom 17.12.1878. 34 StAKN S II 5920, SFEDU, Bürgerwerk, S. 114f.

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10  Der Museumsgründer Ludwig Leiner in späteren Jahren. Mit Bedacht pflegte er sein Selbstbild als Spross einer alten Patrizierfamilie und als liberaler Reform­ politiker

schwänglichen Charme-Offensive gab der Museums-Nestor vom Bodensee nach, missmutig verpackte er die gewünschten Exponate und schickte sie nach Berlin. Dieses Beispiel beleuchtet einen in der bisherigen Forschung noch kaum behandelten Aspekt: Die Persönlichkeit dieses überaus verdienstvollen Museumsgründers. In einem 1888 verfassten Bericht über das finanzielle Engagement der gemeinnützigen Herren-Gesellschaft „Salamandra“ für das Rosgartenmuseum hat Ludwig Leiner ein knappes Selbstbild gezeichnet: „ICH behalte mir Arrangement und specielle Disposition über die Sammlungen vor, denn das Museum gedeiht am Besten, wenn EIN sachkundiger Kopf demselben vorsteht.“35 Dieses Postulat entspricht der Realität: Zu keinem Zeitpunkt seiner 30jährigen Aufbau- und Leitungsarbeit des Rosgartenmuseums hatte sich Leiner mit einem Stiftungsrat, einem wissenschaftlichen Beirat oder einer Fördergesellschaft zu arrangieren. Niemand hätte es gewagt, ein solches Gremium vorzuschlagen. Neben kurzzeitig für das Haus tätigen Handwerkern oder Tagelöhnern, die er zu anstrengenden Konservierungsarbeiten beizog, hatte das städtische Rosgartenmuseum in den ersten drei Jahrzehnten seines Bestehens nur zwei Mitarbeiter: den ehrenamtlich tätigen Museumsgründer und den von ihm mehr geduldeten als geschätzten ­Kustos, der nur die Aufsicht führte. Der unermüdlich sammelnde, ohne Unterlass ordnende, beschriftende, Listen anfertigende Autodidakt und Einzelkämpfer Leiner war eifersüch35 StAKN S II 5920, Schreiben an den Stadtrat 15. 12. 1888.

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tig darauf bedacht, dieses Werk nicht durch abweichende Meinungen, Richtungskorrekturen oder gar Mitspracherechte Dritter beeinflussen oder verfälschen zu lassen. Ohne die Leistung dieser Gründerpersönlichkeit schmälern zu wollen: Die bisher ausgewerteten Quellen legen den Verdacht nahe, dass der ruhelose Wohltäter sowohl in seinem Museum als auch im häuslichen Umfeld ein kleiner Diktator und ein Pedant von hohen Graden gewesen sein dürfte. Zugleich wird er als liebenswerter und ungemein hilfsbereiter Mitbürger beschrieben.36 Zum Persönlichkeitsbild Leiners gehört auch sein sorgsam gepflegter Nonkonformismus als Gegner der katholischen Kirche, Freigeist und linker Liberaler mit dem Habitus der Künstlernatur: Dem Zeitgeist gemäß trug er seit seinen jungen Mannesjahren einen wilden Vollbart, der sich im Alter weiß färbte, dazu langes wallendes Haar und eine dünne goldene Brille auf der markanten Nase. In späteren Jahren fiel er durch ausladende Calabreser-Hüte auf, die damals, in Erinnerung an die revolutionären Hecker-Hüte von 1848, vor allem bei Künstlern sehr beliebt waren. Dieser Gestus der Widersetzlichkeit wurde abgeschwächt durch Leiners überaus patrizischen Familienstolz: Im pelzbesetzten Mantel, die behandschuhte Rechte in den bürgerlichen Gehrock geschoben, setzte er sich beispielsweise um 1890 zur Anfertigung eines offiziellen Foto-Portraits im Atelier von German Wolf wirkungsvoll in Szene (Abb. 10). So war dieser stolze Charakterkopf beides: gemäßigter Rebell und hochrangiger Repräsentant des Bürgertums einer Kleinstadt, die aufbrach ins Industriezeitalter und sich doch noch etwas im Glanz vergangener reichsstädtischer Größe sonnen wollte.

10.  Eine Büste zu Lebzeiten Die 1876 ausgetragene Kontroverse um einige in das British Museum nach London gelangte gefälschte Funde aus der Kesslerloch-Höhle blieben Leiners einzige wissenschaftliche Anfechtung als Museumfachmann. Die Liste seiner botanischen Publikationen ist beachtlich, als Vor- und Frühgeschichtler beschränkte er sich hingegen auf gelegentliche Fund-Beschreibungen und lokalhistorische Betrachtungen. Seine Publikationen lösten keine Kontroversen aus: Ludwig Leiner war vor allem Jäger und Sammler, Retter und Bewahrer von Altertümern. Als Autodidakt im noch jungen Fach Geschichte leistete er mit seiner bis zuletzt wachsenden chorographischen Sammlung bedeutende Grundlagenarbeit, die publizistische Auswertung war jedoch nicht seine Disziplin. In seiner Heimatstadt nannte man ihn früh das „historische Gewissen von ­Konstanz“. Je länger er das Museum leitete, desto bedeutender fielen die Ehrungen aus für den inzwischen reichsweit bekannten Museumsgründer: In seinem letzten Lebensjahrzehnt wurde er Ehrenmitglied mehrerer anthropologischer und naturforschender Gesellschaften des Reichs und der Schweiz. Der von ihm verehrte badische Großherzog verlieh Ludwig Leiner das begehrte Ritterkreuz vom Zähringer Löwen erster Klasse und weitere

36 Beyerle, Nekrolog.

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Auszeichnungen. An Weihnachten 1899 wurde der fast 70-Jährige mit dem Titel eines Hofrats geehrt. Einige Jahre zuvor hatte der Bildhauer Hans Baur eine Büste Leiners modelliert. 1890 bot der Künstler das Werk der Stadt zum Geschenk an, mit dem Vorschlag, es im Rosgartenmuseum aufzustellen. Leiner, um eine Äußerung gebeten, zierte sich etwas, zog dann aber in einem Brief an den Bürgermeister den Schluss: „Ich finde nichts Aussergewöhnliches, Unbescheidenes, in der Aufstellung eigner Bildnisse.“37 Selbst seine Feinde, schob der Geschmeichelte nach, nähmen ihm ab, dass er das eigene Bildnis allerdings nicht an einem „exponierten Platze“ aufstellen würde. So geschah es: Die Büste kam ins Museum. Zehn Jahre später, zum 70. Geburtstag Leiners, wurde eine Fassung in Marmor gefertigt. Ein Jahr später, am 2. April 1901 starb Ludwig Leiner in Konstanz an einer Lungenentzündung. Nach seinem Tod blieb das Rosgartenmuseum, obwohl es immer eine städtische Einrichtung war, drei Generationen lang ein ehrenamtlich geführter Familienbetrieb der Apothekerfamilie Leiner: Auf den wenig markanten Sohn Otto folgten der kunstsinnige Enkel Bruno und schließlich die energische Urenkelin Sigrid, verheiratete von Blanckenhagen, in der Leitung. Erst Sigrid, die das Museum bis 1983 führte und die Kunstsammlung bedeutend erweiterte, wurde einige Jahre nach ihrer Amtsübernahme städtische Angestellte und erhielt ein Gehalt. Ludwig Leiners Büste steht seit Jahrzehnten in dem nach ihm benannten Saal (Abb. 5). Diese Urzelle des Museums war nach Leiners Tod etwas in Vergessenheit geraten und in einen mehrere Jahrzehnte dauernden Dornröschenschlaf gefallen. Aus ­Pietät dem Gründer gegenüber wagten seine Nachfolger nicht, Saal und Bestückung grund­legend anzugreifen oder gar auszuräumen und einer zeitgemäßeren Inszenierung Platz zu machen. So aber überdauerte dieser stille Raum als museale „Zeitkapsel“ alle Um­brüche. Seit der umsichtigen Restaurierung von 2009 erlebt der „Leinersaal“ eine wahre Wiedergeburt: Die gegenüber heutiger szenografischer Praxis heillos überfüllten und antiquierten Vitrinen regen insbesondere die Phantasie der jüngsten Besucherinnen und Besuchern an. Die Pfahlbauer sind für Kinder ohnehin ein unerschöpfliches Thema. Der würdevolle Saal nimmt mit seinem historischen Pathos aber auch erwachsene Gäste aus aller Welt für sich ein, bezaubert als „Museum im Museum“ und erlebt – neben der Dauer­ ausstellung zum Nationalsozialismus – die längste Verweildauer ausländischer Gäste.

37 StAKN S II 5920, Leiners Brief an Bürgermeister Rothenhäusler, 30.4.1890.

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Literatur Albrecht, Gerd/Wollkopf, Peter: Rentierjäger und frühe Bauern. Steinzeitliche Besiedelung zwischen dem Bodensee und der Schwäbischen Alb, Konstanz 1990. Arx, Bernhard von: Die versunkenen Dörfer. Ferdinand Keller und die Erfindung der Pfahlbauer, Zürich 2004. Beyerle, Conrad: Nekrolog des Herrn Hofrat Ludwig Leiner von Konstanz, in: Schriften des Vereins für die Geschichte des Bodensees 30 (1901), S. V–XIII. Buck, Thomas Martin: Das „Kunst- und Alterthumskabinett“ Joseph Kastells (1770 – 1844) im Konstanzer Kaufhaus. Das Konzil in der Geschichts- und Erinnerungskultur des 19. Jahrhunderts, in: Braun, KarlHeinz/Buck, Thomas Martin (Hg.), Über die ganze Erde erging der Name von Konstanz. Rahmen­ bedingungen und Rezeption des Konstanzer Konzils, Stuttgart 2017, S. 137–167. Engelsing, Tobias: „Einer der Todfeinde der Religion“. Reformwerk, Scheitern und soziales Wirken des letzten Konstanzer Generalvikars Ignaz Heinrich von Wessenberg, in: Stark, Barbara (Hg.), Ignaz Heinrich von Wessenberg 1774–1860. Kirchenfürst und Kunstfreund, Konstanz 2010, S. 9–19. Hecht, Josef: Zur Geschichte des Konstanzer Sammlungswesens im 19. Jahrhundert, in: Oberrheinische Kunst 9 (1940), S. 1–15. Klüber, Karlwerner: Ein alemannischer Bauer als Entdecker der ersten Pfahlbauten am Bodensee. Auf Grund der jüngst aufgefundenen persönlichen Aufzeichnungen Kaspar Löhles, in: Mein Heimatland. Badische Blätter für Volkskunde, Heimat- und Naturschutz, Denkmalpflege, Familienforschung und Kunst, 27 (1940), S. 311–326. Laible, Joseph: Chronik der altkatholischen Gemeinde zu Konstanz von 1878 bis 1898, Konstanz 1898. Leiner, Ludwig: Die Entwicklung von Konstanz, in: Schriften des Vereins für die Geschichte des Bodensees 11 (1882), S. 73–92. Merk, Conrad: Excavations at the Kesslerloch near Thayngen Switzerland. A Cave of the Reindeer Period, London 1876. Rosgartenmuseum Konstanz (Hg.): Die Kultur der Eiszeitjäger aus dem Kesslerloch und die Diskussion über ihre Kunst auf dem Anthropologen-Kongress in Konstanz 1877, Konstanz 1977. Schulz-Weddigen, Ingo/Wollkopf, Peter: Ludwig Leiner, Museumsgründer und Schöpfer des Leiner-­ Herbars in Konstanz, in: Botanische Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutschland (Hg.), Restaurierung und Katalogisierung des Herbariums Leiner in Konstanz (Berichte der Botanischen Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutschland, Beih. 1), Karlsruhe 2004, S. 15–24. Sfedu, Tatjana: Ein Konstanzer Bürgerwerk. Das Rosgartenmuseum seit Ludwig Leiner, Konstanz 2007. Steudel, Albert: Vortrag über die Pfahlbauten, in: Schriften des Vereins für die Geschichte des Bodensees 3 (1872), S. 66–88. Trapp, Werner: Volksschulreform und liberales Bürgertum in Konstanz. Die Durchsetzung des Schulzwangs als Voraussetzung der Massendisziplinierung und -qualifikation, in: Zang, Gert (Hg.), Provinzialisierung einer Region. Zur Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft in der Provinz, Frankfurt a. M. 1978, S. 375–434. Zang, Gert: Konstanz in der großherzoglichen Zeit: Restauration, Revolution, Liberale Ära, 1806–1870 (Geschichte der Stadt Konstanz, T. 4, Bd. 1), Konstanz 1994. Zang, Gert: Konstanz in der großherzoglichen Zeit: Aufschwung im Kaiserreich (Geschichte der Stadt Konstanz, T. 4, Bd. 2), Konstanz 1993. Zang, Gert: Eine turbulente Jugendzeit in Konstanz: Ludwig Leiner 1846 – 1849, in: Botanische Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutschland (Hg.), Restaurierung und Katalogisierung des Herbariums Leiner in Konstanz (Berichte der Botanischen Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutschland, Beih. 1), Karlsruhe 2004, 25–40. Zimmermann, Josef: Kaspar Löhle von Wangen (1799–1878) und die Pfahlbauten am Untersee, in: Hegau 11/12 (1961), S. 136–152.

Michael Herdick

EXPERIMENTELLE ARCHÄOLOGIE IM MUSEUM Chancen und Risiken für Wissenschaft und Tourismus

„Experimentelle Archäologie“ kann im Museumskontext in ganz unterschiedlichen Bereichen in Erscheinung treten: So wird etwa im Pfahlbaumuseum Unteruhldingen mit der Bezeichnung „Archae-X-Tage der Experimentellen Archäologie“ eine wiederkehrende Veranstaltung mit Sondervorführungen für Museumsbesucher beworben. Ferner war das Museum auch maßgeblich an der erfolgreichen SWR-Produktion „Steinzeit – Das Experiment. Leben wie vor 5000 Jahren“ beteiligt.1 Im Mittelpunkt standen 13 Personen, die zwei Monate lang in einem rekonstruierten Pfahlbaudorf zeitgenössische Techniken erprobten. Darüber hinaus ist das Pfahlbaumuseum aktiv in der experimentalarchäologischen Forschung engagiert. So werden hier zum Beispiel in einem Langzeitexperiment Haltbarkeit und Verfall eines rekonstruierten Hornstaad-Hauses beobachtet und dokumentiert.2 Schließlich und endlich hat in Unteruhldingen auch die Europäische Vereinigung zur Förderung der Experimentellen Archäologie e. V. ihren Sitz. Besucherzahlen von über 200.000 Besuchern pro Jahr scheinen dafür zu sprechen, dass ein Museumsbetrieb durch Vermittlungs- und Forschungselemente, die im Alltagsgebrauch unter dem Begriff der Experimentellen Archäologie subsumiert werden, nur gewinnen kann. Insbesondere unter den Freilichtmuseen und Archäoparks findet sich tatsächlich eine ganze Anzahl weiterer Einrichtungen, in denen Experimentelle Archäologie mit ihren Vermittlungs- und Forschungsaspekten auf hohem und höchstem Niveau zur Anwendung kommt. Für den Bereich des „Weltkulturerbes Pfahlbauten“ in Deutschland ist in diesem Zusammenhang vor allem das Federseemuseum Bad Buchau zu nennen. Weitere experimentalarchäologisch profilierte Freilichtmuseen wären zum Beispiel – mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten und ohne Anspruch auf Vollständigkeit  – das Archäologische Zentrum Hitzacker/Elbe, das Freilichtmuseum

1 Buchholz, Martin/Woetzel, Harold: Steinzeit – Das Experiment. Leben wie vor 5.000 Jahren, DVD, Grünwald 2007. 2 Schöbel, Gunter: Das Hornstaadhaus – Ein Archäologisches Langzeitexperiment 1996–?, in: Experimentelle Archäologie in Europa, Bilanz 2010, 9 (2010), S. 85–103.

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Schwarzenbach/Niederösterreich oder das Archäologisch-Ökologische Zentrum in Albersdorf/Schleswig-Holstein. Der Einsatz experimentalarchäologischer Elemente ist jedoch kein Garant für zufriedenstellende Besucherzahlen. Zunächst einmal lassen sich Erfolgsmodelle wie in Unter­ uhldingen, die sich ja nicht allein auf die Experimentalarchäologie stützen, sondern ganz maßgeblich von lokalen und regionalen Faktoren profitieren, nicht einfach kopieren. Darüber hinaus kann ein unreflektierter und inflationärer Einsatz der Experimentellen Archäologie im musealen Kontext Wissenschaft und Tourismus sogar schaden. Es ist daher empfehlenswert, verschiedene Elemente der Experimentellen Archäologie im musealen Kontext mit Blick auf die beteiligten Akteure und Konsumenten näher zu betrachten. Experimentalarchäologische Darbietungen, in deren Mittelpunkt die Erprobung archäologischer Vorstellungen und Rekonstruktionen steht, finden bei Besuchern und Medienvertretern gleichermaßen große Beachtung. Für die Beobachter besteht der Reiz darin, dass ihnen scheinbar ein direkter und unmittelbarer Einblick in die laufende Forschungsarbeit sowie ein gesichertes Bild der Vergangenheit geboten werden. Damit ist ebenso eine große Chance wie eine Gefahr für die Wissenschaftspädagogik verbunden. Zunächst einmal kann so offensichtlich große Aufmerksamkeit auf die wissenschaftliche Arbeit der Archäologen gelenkt werden. Die Regeln der Medienproduktion und Eventinszenierung sowie für deren Konsum bedingen gleichermaßen, dass man die Darstellung der Forschungsarbeit auf Kernaussagen hin verdichten muss. Gerade die entscheidenden Grundlagen- und Routinearbeiten im Hintergrund bleiben dabei ausgeblendet. Das ist in etwa so, als wolle man die Arbeit von Flugzeugkonstrukteuren angemessen darstellen, indem man lediglich Bilder vom ersten Testflug eines neuen Flugzeugtyps zeigt, während die vorangegangene Entwicklungsarbeit verschwiegen wird. Für geistes- und kulturwissenschaftliche Einrichtungen ist die medial bedingte Ver­ engung der Wahrnehmung ihrer Arbeit ein besonders kritischer Punkt, denn damit liegen ausgerechnet jene Infrastrukturbereiche im Schatten der Aufmerksamkeit, die einerseits für die Produktivität Voraussetzung und andererseits besonders kostenintensiv sind.3 Dazu gehören an erster Stelle die Archäologische Restaurierung/Konservierung4 und Archäometrie5, also jene Forschungsfelder, die für die Erschließung und 3 Siehe zu diesem grundsätzlichen Problem auch Herdick, Michael: Überlegungen zum wissenschaftlichen Nutzen archäologischer Jahrbücher nach der Veröffentlichung. Eine Literaturdatenbank für die Landesarchäologie im Internet, in: Concilium Medii Aevi 8 (2005), S. 1021–1043, bes. S. 1013. 4 Einführend zur Forschungsgeschichte: Caldararo, Niccolo Leo: An Outline History of Conservation in Archaeology and Anthropology as Presented through Its Publications, in: Journal of the American Institute for Conservation 26 (1987), S. 85–104; Gilberg, Mark: Friedrich Rathgen – The Father of Modern Archaeological Conservation, in: Journal of the American Institute for Conservation 26, 2 (1987), S. 105–120; Sease, Catherine: A Short History of Archaeological Conservation, in: Studies in Conservation 41 (1996), S. 157–161. 5 Forschungsrückblick zur Archäometrie im musealen Kontext: Guerra, M. F.: Archaeometry and Museums. Fifty Years of Curiosity and Wonder, in: Archaeometry 50, 6 (2008), S. 951–967.

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Sicherung der in den archäologischen Artefakten enthaltenen, historisch relevanten Informationen zuständig sind und manches Mal erst die Voraussetzungen für archäologische Experimente schaffen. Auf Seiten des Tourismus sollte man sich nicht der Vorstellung hingeben, dass dies ein rein akademisches Problem sei. Das Weltkulturerbe Pfahlbauten wird am Bodensee nicht allein durch große Freilichtmuseen sowie Forschungs- und Denkmalpflegeinstitutionen repräsentiert, sondern auch und gerade durch viele mittlere und kleinere Museen, die auf Funde und Befunde lokaler Fundstätten fokussieren. Es mag nun sehr verführerisch erscheinen, durch Veranstaltungen mit experimentalarchäologischen Elementen, etwa im Rahmen von Museumsfesten, die Attraktivität für Besucher und Medien zu erhöhen. Genau darin liegt jedoch eine grundlegende Gefahr – insbesondere für klassische Vitrinenmuseen. Aus Platzgründen wie auch aus Angst vor Beschädigungen finden experimental­ archäologische Veranstaltungen in der Regel außerhalb der eigentlichen Ausstellungsflächen statt. Damit wird nicht nur räumlich, sondern auch inhaltlich eine Trennung zwischen archäologischen Quellen und ihrer musealen Interpretation sowie deren Erprobung im Rahmen der Experimentellen Archäologie vollzogen. Besuchern und Medienvertretern wird damit die Wahrnehmung aufgedrängt, dass das eigentlich Relevante die Inszenierung der Quelleninterpretation sei und nicht die Sicherung und Analyse der originalen archäologischen Funde und Befunde. Das ist zunächst einmal für die Vitrinenmuseen ein Problem, denn ihre Sammlungen – gleich, ob aus Originalen oder Kopien bestehend – haben keinen nachhaltigen Nutzen von den Sonderveranstaltungen. Kurzfristig kann so eine zusätzliche Besuchernachfrage erzeugt werden, langfristig steigt aber auch der Druck, vermehrt Sonderveranstaltungen anzubieten, deren Kosten einen erheblichen Teil des Programmbudgets kommunaler Museen ausmachen können. Auch für das Weltkulturerbe Pfahlbauten wäre eine solche Entwicklung fatal, denn Welt­erbe sind die Überreste der Pfahlbausiedlungen – nicht deren wie auch immer geartete museale Inszenierung  –, und mit der Verleihung des Welterbe-Status ist die Verpflichtung verbunden, deren kulturelle Bedeutung für die Menschheit zu vermitteln und die Aufwendungen für ihren Erhalt zu legitimieren. Sowohl aus der Perspektive klassischer Sammlungsmuseen als auch mit Blick auf die Vermittlungsverpflichtungen des Weltkulturerbes Pfahlbauten erscheint der Einsatz experimentalarchäologischer Elemente also nur dann sinnvoll, wenn sie Verständnis für die Bedeutung, die Erforschung, den Erhalt und/oder die Präsentation der originalen archäologischen Funde und Befunde wecken. Würde man stattdessen vorrangig auf (experimental-)archäologische Inszenierungen setzen, geriete man über kurz oder lang in einen Wettbewerb mit privatwirtschaftlichen Anbietern archäologisch-historischer Events. Diese müssen keine Rücksicht auf Vermittlungsaufträge öffentlicher Forschungs- und Kultureinrichtungen nehmen. Teilt man diese Lageeinschätzung, empfiehlt es sich zwangsläufig, den Akteuren (experimental-)archäologischer Inszenierungen gesteigerte Aufmerksamkeit zuzuwen-

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den. Diese Feststellung ist von weitreichender Bedeutung, weil kaum ein Museum im deutschsprachigen Raum über einen festen Stamm von Spezialisten verfügt, um allein aus eigener Kraft die praktische Umsetzung und Erprobung archäologischer Rekon­ struktionen technischer Prozesse im Rahmen von Sonderveranstaltungen realisieren, erproben und vorführen zu können. Zwangsläufig wird daher auf externe Fachdienstleister zurückgegriffen. In den seltensten Fällen  – so das Ergebnis zahlreicher Interviews  – wird jedoch versucht, diese in ein existierendes experimentalarchäologisches Konzept zur Inwertsetzung der jeweiligen Quellensammlungen zu integrieren. Anwendungsorientierte Untersuchungen zum Einsatz experimentalarchäologischer Techniken in der Museumsarbeit stellen im deutschsprachigen Raum generell ein Forschungsdesiderat dar.6 In keinem Fall sollte man versuchen, die im Vorangegangenen sichtbar gewordene Event-Problematik als eine singuläre Folge der Entstehung der heutigen Informationsund Mediengesellschaft mit ihren kommerziellen Begleiterscheinungen zu interpretieren. Eine Medialisierung der Wissenschaft auf breiterer Ebene lässt sich nämlich bereits im 19. Jahrhundert nachweisen.7 Was sich grundlegend geändert hat, sind die Wahrnehmungsgewohnheiten historisch interessierter Publikumsgruppen und die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wissenschaftlicher Arbeit. Die Nationalsozialisten hatten sich mit ihrem Gespür für die Macht der Bilder das Potenzial von Rekonstruktionen und Freilichtmuseen als Propagandamittel zunutze gemacht8, um ihre Ideologie im historischen 6 Allein in den jährlich erscheinenden Tagungsbänden der Europäischen Vereinigung zur Förderung der Experimentellen Archäologie in Europa e.V. finden sich eine Vielzahl von Berichten über Experimentalarchäologie in (Freilicht-)Museen. Es fehlen jedoch insgesamt archäologiedidaktische Studien, welche Ziele und Konzepte des Einsatzes von experimentalarchäologischen Elementen für Außenstehende nachvollziehbar evaluieren. – Grundlegend zur Problematik der Experimentellen Archäologie in der Museumsarbeit: Schmidt, Martin: Museumspädagogik ist keine Experimentelle Archäologie. Einige kurze Anmerkungen zu 14 Jahren museumspädagogischer Arbeit im Archäologischen Freilichtmuseum Oerlinghausen, in: Staatl. Museum für Naturkunde und Vorgeschichte (Hg.), Experimentelle Archäologie und Museumspädagogik (Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland, Beih. 29), Oldenburg 2000, S. 81–88; Schmidt, Martin/Wunderli, Marlise: Museum experimentell. Experimentelle Archäologie und museale Vermittlung, Schwalbach/Ts. 2008. – Zur Bedeutung und Notwendigkeit einer Archäologiedidaktik: Samida, Stefanie: Didaktik in den Altertumswissenschaften. Zur Struktur und Bedeutung einer Archäologiedidaktik, in: Verbovsek, Alexandra/Backes, Burkhard/Jones, Catherine (Hg.), Methodik und Didaktik in der Ägyptologie. Herausforderungen eines kulturwissenschaftlichen Paradigmenwechsels in den Altertumswissenschaften (Ägyptologie und Kulturwissenschaft, Bd. 4), München 2011, S. 153–172. 7 Samida, Stefanie: Inszenierte Wissenschaft. Zur Popularisierung von Wissen im 19. Jahrhundert, Bielefeld 2011. 8 Schöbel, Gunter: Von Unteruhldingen bis Groß Raden, Konzepte zur Rekonstruktion frühgeschichtlicher Denkmäler im 20. Jahrhundert, in: Schmitt, Karen (Red.), Das Denkmal als Fragment  – Das Fragment als Denkmal  – Denkmale als Attraktionen, Stuttgart 2008, S. 85–109.  – Schöbel Gunter: Hans Reinerth. Forscher – NS-Funktionär – Museumsleiter, in: Leube, Achim/ Hegewisch, Morton (Hg.), Prähistorie und Nationalsozialismus. Die Mittel- und Osteuropäische

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Bewusstsein der Gesellschaft Wurzeln schlagen zu lassen. Als Folge davon führte nach dem Zweiten Weltkrieg in der akademischen Wissenschaft die Umsetzung historischer Vorstellungen in Lebensbilder und Rekonstruktionen ein Schattendasein. Erst in den achtziger Jahren kam es im deutschsprachigen Raum zu einer Renaissance von wissenschaftlichen Ansätzen, die sich dem Begriff der Experimentellen Archäologie zuordnen lassen.9 Mehr oder weniger zeitgleich breitete sich die Reenactment-Bewegung aus, die im anglophonen und skandinavischen Raum auf lange Traditionslinien zurückblicken kann. Ihre Akteure haben sich der möglichst „authentischen“ Inszenierung von Alltagsverhältnissen und Ereignissen historischer Epochen verschrieben. Bestimmte Gruppen sind dabei insbesondere an historischer Vermittlungsarbeit und auch Forschung interessiert. Idealerweise verfügen sie über eine langjährige Erfahrung in der Ausübung der Techniken alter Handwerke und/oder im regelmäßigen Umgang mit deren rekonstruierter Bekleidung und Ausrüstung. Das Auftreten dieser Vertreter bei Museumsveranstaltungen wird meistens unter dem Begriff „Living History“ subsumiert.10 Nur die wenigsten Einrichtungen sind in der Lage, solche Spezialisten dauerhaft in ihrem Personalstand zu halten. Die erfolgreichsten Gruppen werden auch immer wieder als Darsteller für Geschichtsdokumentationen im Fernsehen gebucht. Ihre Vorführungen dürfte inzwischen mehr Einfluss auf die konkreten Geschichtsbilder einer breiten Öffentlichkeit haben als die begleitenden Expertenkommentare. Die kürzlich ausgestrahlte ZDF-Fern-

Ur- und Frühgeschichtsforschung in den Jahren 1933–1945 (Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte, Bd. 2), Heidelberg 2002, S. 321–396.   9 Vorlauf, Dirk: Experimentelle Archäologie. Eine Gratwanderung zwischen Wissenschaft und Kommerz, Oldenburg 2011, S. 9–10 (umfassende Literaturhinweise zur Forschungsgeschichte). 10 Einführend Anderson, Jay: Time Machines – The World of Living History, Nashville/Tenn. 1984; Brandt-Schwarz, Ulrich: ‚Living History‘ als Beitrag zur musealen Vermittlung – Möglichkeiten, Grenzen und Risiken, in: Experimentelle Archäologie in Europa, Bilanz 2010 9 (2010), S. 23–26; Beyer, Angharad/Sturm, Andreas: Die Qualität von Living History in Deutschland – Eine kritische Standortbestimmung, in: Duisberg, Heike (Hg.), Living History in Freilichtmuseen. Neue Wege Der Geschichtsvermittlung (Schriften der Stiftung Freilichtmuseum Am Kiekeberg 59), ­Ehestorf 2008, S. 151–161; Carstensen, Jan/Meiners, Uwe/Mohrmann, Ruth-Elisabeth (Hg.), Living History im Museum. Möglichkeiten und Grenzen einer populären Vermittlungsform (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Bd. 111), Münster 2008; Sturm, Andreas: Quo Vadis Living History? Von der Suche nach dem richtigen Umgang mit Geschichte als Erlebniswelt, in: Dachverband Archäologischer Studierendenvertretungen (DASV) (Hg.), Vermittlung von Vergangenheit. Gelebte Geschichte als Dialog von Wissenschaft, Darstellung und Rezeption, Tagung vom 03. – 05. Juli 2009 in Bonn, Weinstadt 2009, S. 41–54; Samida, Stefanie: Inszenierte Authentizität. Zum Umgang mit Vergangenheit im Kontext der Living History, in: Fitzenreiter, Martin (Hg.), Authentizität. Artefakt und Versprechen in der Archäologie (IBAES – Internet-Beiträge zur Ägyptologie und Sudanarchäologie 15), London 2014, S. 139–150; Sénécheau, Miriam/Samida, Stefanie: Living history im kompetenzorientierten Geschichtsunterricht. Begriffe – Problemfelder – Materialien, Stuttgart 2015; Sturm, Andreas: Im Dialog mit der Vergangenheit. Geschichte Lernen und Erleben durch Living History, Aachen 2013 (http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0295-opus-1197); Willmy, Andreas: Experimentelle Archäologie und Living History – Ein schwieriges Verhältnis? in: Experimentelle Archäologie in Europa, Bilanz, 2010, 9 (2010), S. 27–30.

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sehserie „Frauen, die Geschichte machten“11 verzichtete explizit auf die Interpretationen von Fachleuten und setzte bewusst ausschließlich auf fiktionale Darstellung durch Profi-Schauspieler. Ein vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung. Ob bejahend oder ablehnend: Sowohl Vertreter der traditionellen akademischen Wissenschaft wie Kulturtouristiker können den Einfluss von Living History und Geschichtstheater auf die historische Deutungshoheit und die Erwartungshaltung im Hinblick auf die Vermittlung historischer Inhalte nicht (mehr) ignorieren. An dieser Stelle bleibt als vorläufiges Fazit festzuhalten, dass unter dem weiten Oberbegriff „Experimentelle Archäologie“ die Grenzen zwischen Forschung, Vermittlung und Vermarktung weitaus fließender sind als im Kontext klassischer Forschungspraktiken in den Geisteswissenschaften. In der experimentalarchäologischen Community wurde in der Vergangenheit immer wieder die prinzipielle Notwendigkeit einer strikten Trennung zwischen wissenschaftlichem Experiment und Vermittlung betont.12 Der praktische Nachvollzug anerkannter und erfolgreicher experimentalarchäologischer Forschungsprojekte relativiert dieses Bild jedoch und hat in der Praxis auch zu einem pragmatische11 Holst, Christian: Frauengeschichten. So geht Edutainment heute. Mit der Reihe ‚Frauen, die Geschichte machten‘ (SO, 8.12.: ‚Elisabeth I.‘), setzt das ZDF Maßstäbe, in: TV Spielfilm 2013 (http:// www.tvspielfilm.de/news-und-specials/interviewsundstories/frauen-die-geschichte-­m achten-­­ frauengeschichten,5836526,ApplicationArticle.html).  – Professionelle Living-History Akteure würden sich freilich mit Vehemenz von einem Konzept distanzieren, das den sozial­h istorischen Rahmenbedingungen der Frauenbiografien geradezu demonstrativ nicht gerecht werden will. Siehe Lahmann-Lammert, Silke: Frauen, die Geschichte machten. Kritiker von ZDF-Dokuserie wenig begeistert, Köln 2013 (http://www.deutschlandfunk.de/frauen-die-geschichte-machten-kritiker-von-zdf-dokuserie.807.de.html?dram:article_id=270543). 12 Dahinter steckt vielfach ein unzureichend reflektiertes Verständnis des Experiments in der Archäologie. Die Einsatzmöglichkeiten der Experimentellen Archäologie umfassen so unterschiedliche Bereiche wie Landwirtschaft, Ernährung, Handwerks- und Kriegstechnik oder Musik. Je nach Frage­stellung muss ein Experimentaldesign entwickelt und entschieden werden, welche Elemente Bestandteile des Versuchs sein sollen oder können und welche Faktoren unbedingt draußen gehalten werden müssen. Pauschale Aussagen lassen sich hier nicht treffen: Wer etwa die Hörbarkeit von Musikinstrumenten in einem Amphitheater testen möchte, hat z. B. überhaupt keine Wahl bei der überlegten (!) Beteiligung von Zuschauern. – Experimentalarchäologie ist keine naturwissenschaftliche Methode, die auf die Offenlegung der Wirkungsweise von Naturgesetzen im archäologisch-historischen Bereich setzt. Ihr einzig sinnvoller Zweck kann es nur sein, Vorstellungen, Hypothesen und Theorien über die Anwendung von Kulturtechniken zur Umweltaneignung und  -anpassung auf ihre Praktikabilität und Plausibilität hin zu evaluieren und ihre Bewertung durch Archäologen und Historiker auf eine transparente Grundlage zu stellen. In historischer Perspektive fokussiert sie auf den Menschen mit der Variabilität seiner Verhaltensmöglichkeiten bei der Alltags- und Umweltbewältigung durch archäologisch zumindest fragmentarisch nachweisbare Kulturtechniken. – Zur Bandbreite und auch zum inflationären Gebrauch des Begriffs „Experiment“ siehe Berg, Gunhild: Zur Konjunktur des Begriffs ´Experiment´ in den Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften, in: Eggers, Michael/Rothe, Matthias (Hg.), Wissenschaftsgeschichte als Begriffsgeschichte. Terminologische Umbrüche im Entstehungsprozess, Bielefeld 2009, S. 51–82. – Ebenso prägnant wie unaufgeregt zum Experiment-Begriff in der Archäologie: Richter, Pascale B.: Experimentelle Archäologie. Ziele, Methoden und Aussage-Möglichkeiten, in: Experimentelle Archäo­ logie in Deutschland, Bilanz 1991, S. 19–49; Lüning, Jens: Bemerkungen zur Experimentellen Archäo­logie, ebd., S. 15–18.

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ren Selbstverständnis geführt: Unsere wissenschaftlichen Kenntnisse über das vor- und frühgeschichtliche Holzhandwerk wären zum Beispiel weitaus geringer, wenn nicht der Bedarf archäologischer Museen die Finanzierung und Realisierung von 1:1-Rekonstruktionen möglich machen würde.13 Ebenso wäre der Nachbau und die notwendige Langzeiterprobung römischer Schiffe14 ohne die Unterstützung wissenschaftsfremder Sponsoren aus der Wirtschaft und den Medien nicht realisierbar. Diese erwarten dafür eine erkennbare Öffentlichkeitswirksamkeit der wissenschaftlichen Arbeit. Die unmittelbar anschauliche, direkte Verbindung von Forschung, Vermittlung und Vermarktung – die doch in deutlichem Gegensatz zur Praxis- und Anwendungsferne der Forschungsmentalität in den deutschsprachigen Geisteswissenschaften steht  – hat mutmaßlich sehr dazu beigetragen, dass die Experimentelle Archäologie bis zu Anfang dieses Jahrtausends keine institutionelle Etablierung in den archäologischen Disziplinen erfuhr. Ratio­nal lässt sich das nicht erklären, denn der Druck öffentlichen Interesses sowie Vermarktungsinteressen sind keine singulären Begleiterscheinungen der Experimentellen Archäologie. Sie sind beständige Begleiterscheinungen spektakulärer archäologischer Entdeckungen von Tut-ench-Amun über die Himmelsscheibe von Nebra bis hin zum Ötzi.15 Die Ausblendung oder sogar Leugnung der Einflussmacht dieser Faktoren auf die wissenschaftliche Arbeit in der methodischen Fundierung der Archäologie hat Auswirkungen, die über das Fach hinausgreifen. Die praktische Inwertsetzung archäologischer Forschungsergebnisse wird damit aus der Wissenschaft verbannt und fachfremden Akteuren überlassen. Man stelle sich einmal vor, die Geologie würde die Nutzungsmöglichkeiten mineralischer Lagerstätten in ähnlicher Weise aus ihrem Arbeitsbereich ausgliedern. Eine weitere Besonderheit der Aktivitäten unter dem Label „Experimentelle Archäologie“ stellt die Beteiligung von Akteuren mit höchst unterschiedlichem fachlichen, sozialen und wirtschaftlichen Hintergrund dar. Wer die Auswirkungen prähistorischer Fischereitechniken auf Gewässer untersuchen möchte, wird ebenso von Anfang an (!) mit Fischereiwirten und Gewässerökologen reden müssen, wie der Archäologe die Autorität eines erfahrenen Schiffsführers zu berücksichtigen hat, wenn er mit einem histo13 Siehe etwa Lobisser, Wolfgang/Neubauer, Wolfgang: Rekonstruktion der jüngerlatènezeitlichen Befestigungsanlage auf der Höhensiedlung ´Burg´ bei Schwarzenbach, in: Archaeologia Austriaca 81 (1997), S. 211–219; Lobisser, Wolfgang: Experimentalarchäologische Versuche zur spätbronzezeitlichen Holztechnologie im Rahmen des Projekts ARCHAEOLIVE, in: Experimentelle Archäo­ logie in Europa, Bilanz, 2 (2003), S. 57–64; Lobisser, Wolfgang F. A.: Spätbronzezeitliche Holzbearbeitungswerkzeuge und Ihre praktische Verwendung bei der Errichtung von Blockbauten am Salzberg in Hallstatt, in: Experimentelle Archäologie in Europa, Bilanz, 3 (2004), S. 137–143. 14 Ferkel, Hans/Konen, Heinrich/Schäfer, Christoph: Navis lusoria  – ein Römerschiff in Regensburg, St. Katharinen 2004; Schäfer, Christoph/Günther, Hans Moritz/Wawrzyn, Alexander ­C hristopher: Lusoria: ein Römerschiff im Experiment, Hamburg 2008. 15 Grundlegend zur Thematik Kühberger, Christoph/Pudlat, Andreas (Hg.): Vergangenheitsbewirtschaftung. Public History zwischen Wirtschaft und Wissenschaft, Innsbruck 2012; exemplarisch Vallazza, Elisabeth: Wirtschaftsfaktor Ötzi, in: Fleckinger, Angelika (Hg.), Ötzi 2.0. Eine Mumie zwischen Wissenschaft, Kult und Mythos, Darmstadt 2011, S. 112ff.

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rischen Nachbau den Atlantik überqueren will. Dabei kommt den fachfremden, vielfach nicht-akademischen Akteuren im praktischen Forschungsvorhaben von Anfang an eine größere Bedeutung zu als bei jeder anderen wissenschaftlichen Untersuchungsform. Wenn in diesem komplexen Beziehungsgefüge Probleme entstehen, drohen diese aufgrund der hohen medialen Aufmerksamkeit für die Experimentelle Archäologie schnell der Kontrolle betroffener Institutionen und Individuen zu entgleiten. So entblößte 2008 ein Akteur der auf Frühmittelalterdarstellungen spezialisierten Reenactment-Gruppe Ulfhednar anlässlich einer Ausstellungspräsentation in Paderborn seinen Bauch, auf dem die Tätowierung der SS-Parole „Meine Ehre heißt Treue“ zu sehen war. Der „Bauch des Anstoßes“ fand ein breites mediales Echo16, dem ein detailreicher Diskurs folgte, der insbesondere den unkritischen Umgang staatlicher Museen mit Reenact­ ment-Anbietern thematisierte. Ein qualifizierter und zukunftsweisender Diskurs über den fachlich und menschlich angemessenen Umgang mit Reenactment-Darstellern in der Museums- und Forschungsarbeit unterblieb jedoch. Einen völlig anders gelagerten Fall stellt der Campus Galli in Meßkirch dar.17 Hier soll der Klosterplan von St. Gallen unter historischen Bedingungen realisiert werden. Dementsprechend wurde in frühen medialen Darstellungen des Projektes vor allem der Charakter eines Living-History-Museums und experimentalarchäologischen Projekts betont. Dementsprechend sollten auf der Baustelle weder moderne Regenjacken zu finden sein, noch Kaffee getrunken werden.18 Ferner wurde darauf hingewiesen, dass die im Projekt engagierten Handwerker während der Saison nur ein Wochenende pro Monat frei hätten. Mittelalterlichen Handwerkern erging es da mit Blick auf die vielen kirch­ lichen Feiertage wohl deutlich besser. Der anfänglich postulierte Anspruch geriet offensichtlich sehr bald in Konflikt mit ökonomischen Gegebenheiten und sozialen Ansprüchen der Gegenwart. Umfassende historische Authentizität bleibt weder für die Living History noch für die forschende Experimentalarchäologie sinnvoll und wünschenswert. Im ersten Fall besteht die Herausforderung darin, vermittlungsrelevante Aspekte auszuwählen und nach aktuellem Forschungsstand möglichst optimal darzustellen und den Betrachtern zu erklären. Die

16 Speit, Andreas/Selders, Beate: Rechte Symbole bei Mittelaltergruppen. Der Nazi im Kettenhemd, in: die tageszeitung, Berlin 16.07.2007 (http://www.taz.de/!20168/); Meinhardt, Silke/Berkel, Lukas: Von Runen und Hakenkreuzen. Nazi-Symbole bei der Living-History-Gruppe ‚­U lfhednar‘, in: 3sat-Kulturzeit, Mainz 21.01.2008 (http://www.3sat.de/page/?source=/kulturzeit/themen/­­ 130221/index.html). 17 www.campus-galli.de/ 18 Franz, Angelika: Bauen wie vor 1200 Jahren. Meßkirch meißelt sich ins Mittelalter, in: Spiegel Online, March 19, 2012 (http://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/mittelalterliche-klosterstadt-entsteht-in-baden-wuerttemberg-a-821764.html); Sturm, Andreas: Der Campus Galli. Experimentelle Archäologie – Living History – Tourismus, in: Experimentelle Archäologie in Europa, Bilanz, 12 (2013), S. 209–216; Storath, Susanne: Karolingische Klosterstadt für Meßkirch. Ochsengespanne und Muskelkraft, in: Naturstein 9 (2011), S. 34–36.

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Experimentelle Archäologie unterzieht Theorien und Hypothesen einem Praxis­test.19 Dazu sind die Formulierung einer klaren Fragestellung notwendig sowie die Entwicklung eines angemessenen Experimentaldesigns, das auf die untersuchungsrelevanten Variablen fokussiert. Das bedeutet etwa praktisch: Bei einem Experiment zu den technologischen Leistungsdaten eines mittelalterlichen Töpferofens ist die authentische Bekleidung der Experimentatoren nicht nur wissenschaftlich irrelevant, sondern unter Arbeitsschutzaspekten auch verboten. Kaffeekonsum dürfte bei einem mehrtägigen Brand wohl eher einen positiven Einfluss auf den Versuchsverlauf haben. Diese konzeptionelle Unschärfe hat handfeste betriebswirtschaftliche Konsequenzen. Historisches Handwerk ohne moderne Hilfsmittel ist zeitaufwendig und personal­ intensiv. Eingesetzt in einem Langzeitprojekt, bedarf es zumindest in Kernbereichen der personellen Kontinuität, um bestimmte Qualitätsstandards entwickeln und behaupten zu können. Für den kulturtouristischen Erfolg ist es aber auch notwendig, dass die Be­­sucher in überschaubaren Zeiträumen für sie attraktive Entwicklungsschübe sehen können und vermittelt bekommen. Diesem grundlegenden Problem kann man nicht auf Dauer mit dem Einsatz großer Freiwilligenkontingente begegnen, so wichtig deren Unterstützung auch ist. Die Diskussionen um den Zuschussbedarf des Projekts von ­Seiten der öffentlichen Hand sowie um die konzeptionelle Ausrichtung dürften auch in der skizzierten Problemlage ihre Wurzeln haben.20 Aktuellen Medienverlautbarungen zufolge wird inzwischen ein Vorrang touristischer gegenüber wissenschaftlichen Belangen auf dem Campus Galli betont, wobei u. a. auch Praktikabilitätsaspekte im Hinblick auf den Besucherverkehr eine Rolle spielten.21 Damit tritt man offensichtlich die Flucht nach vorne an gegenüber der Kritik, die 19 Macdonald, William: Introduction, in: Ingersoll, Daniel/Yellen, John E./Macdonald, William (Hg.), Experimental Archaeology, New York 1977, S. xi–xvii, bes. S. xii: „Experimental archaeology [...], seeks to test, evaluate, and eplicate method, technique, assumptions, hypotheses, and theories at any and all levels of archaeological research.” 20 Feuerbach, Leonie: Holpriger Start Für Mittelalter-Projekt in Meßkirch, in: Südwest Presse Online, December 18, 2013 (http://www.swp.de/ulm/nachrichten/suedwestumschau/Holpriger-Startfuer-­M ittelalter-Projekt-in-Messkirch;art4319,2363175); Weible, Raimund: Tourismusprojekt Klosterstadt kommt Meßkirch teurer als erwartet, in: Südwest Presse Online, July 23, 2014, (http:// www.swp.de/ulm/nachrichten/suedwestumschau/Tourismusprojekt-Klosterstadt-kommt-Messkirch-teurer-als-erwartet;art4319,2716748); Heftige Kritik an Meßkircher Projekt. Finanzdesaster für Kloster-Nachbau befürchtet, in: Landesschau aktuell Baden-Württemberg, SWR, January 9, 2014 (http://www.swr.de/landesschau-aktuell/bw/steuerzahlerbund-klosterstadt-messkirch/-/ id=1622/nid=1622/did=12668374/pb5s0v/); Sturm, Andreas: Die ´Causa Galli´  – Eine Endliche Geschichte? Eine inoffizielle Bilanz der ersten Saison, in: Karfunkel 110 (2014), S. 108–110; Sturm, Andreas: Konzeptionelle Mängel in der Umsetzung des Projektes ‚Campus Galli – Karolingische Klosterstadt Messkirch‘, March 26, 2013 (https://docs.google.com/file/d/0B_WFuuxB5nojOU81aWFtNHJpMFE/edit?pli=1). 21 Schalla, Katja: Die Mittelalterliche Klosterstadt Campus Galli, in: Kunscht!, SWR (Meßkirch, September 6, 2014) (http://youtu.be/Dr03NcvOYZk); Klein, Winfried: Probleme auf Campus Galli. Gaststätte erfüllt Vorschriften nicht, in: Südkurier Online, November 24, 2014 (http:// www.suedkurier.de/region/linzgau-zollern-alb/messkirch/Probleme-auf-Campus-Galli-Gast-

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mit übersteigerten Ansprüchen auf historische Authentizität in der Frühphase geweckt wurden. Die Distanzierung von wissenschaftlichen Ansprüchen als Befreiungsschlag für eine erfolgsversprechende touristische Entwicklung ist jedoch trügerisch. Wissenschaft kann hochwertige Angebote für einen Kulturtourismus legitimieren, dessen Konsumenten auch bereit sind, ein qualitätsvolles Angebot angemessen finanziell zu honorieren. Mittel- und langfristig wäre es zu wünschen, dass unter ökonomischen und kultur­touristischen Gesichtspunkten eine nachhaltige Sicherung des Projektes gelingen würde, in dem zum beiderseitigen Nutzen auch wissenschaftliche Vorhaben zur archäologisch-historischen Forschung und Vermittlung ihren Raum haben sollten.22 Ein Kulturtourismus der bei der Vermittlung des archäologischen Erbes allein auf die Ansprache eines Massenpublikums fokussiert, wird sich über kurz oder lang mit den Regeln der privatwirtschaftlichen Kulturökonomie konfrontiert sehen. Mit Mitteln der öffentlichen Hand finanzierte Forschungs- und Kultureinrichtungen können und sollten damit nicht konkurrieren. Mit dieser Feststellung soll nicht etwa ein unüberbrückbarer Gegensatz zementiert, sondern die Frage nach einer sinnvollen Arbeitsteilung aufgeworfen werden. Kulturtouristische Angebote in den Bereichen Literatur, Kunst, Musik oder Natur können wichtige Brücken in den archäologischen Sektor schlagen  – auch für jene Teilnehmer die diesbezügliche noch über keine Konsumentenerfahrungen ver­ fügen. Was lässt sich aus diesen allgemeinen Überlegungen im Hinblick auf die Experimentelle Archäologie und das Weltkulturerbe Pfahlbauten an pragmatischen Vorschlägen ableiten? Angesichts der Vielfalt der Orte und Einrichtungen, die hier involviert sind, lassen sich natürlich keine allgemeinen Vorschläge und Empfehlungen formulieren. Bei den folgenden Anmerkungen orientiere ich mich deshalb nicht an Einrichtungen wie dem Federseemuseum in Bad Buchau oder dem Pfahlbaumuseum in Unteruhldingen, sondern vorrangig an kleinen Gemeinden, die vielleicht eine wichtige Fundstätte auf ihrer Gemarkung haben, von der freilich nicht (mehr) viel zu sehen ist als ein paar zugehörige Objekte im Heimatmuseum und/oder deren Ortsgeschichte einen frühen Pfahlbauforscher aufweist. Wenn Elemente aus dem Bereich der Experimentellen Archäologie im Kulturtourismus eingesetzt werden, sollten – wie bei jedem seriösen Projektmanagement – klare Zieldefinitionen formuliert werden. Dabei muss eindeutig festgelegt werden, inwieweit Besucherattraktivität aus der Vermittlung von Forschungsarbeit oder aus dem Transstaette-erfuellt-Vorschriften-nicht;art372566,7407113); Klein, Winfried: Campus Galli soll eine größere Küche bekommen, in: Südkurier Online, December 4, 2014 (http://www.suedkurier. de/region/linzgau-zollern-alb/messkirch/Campus-Galli-soll-eine-groessere-Kueche-bekommen;art372566,7460081). 22 Dabei sollte man sich frühzeitig der Tatsache stellen, dass solche und vergleichbare Vorhaben sich kaum jemals selbständig refinanzieren können. Wirtschaftlichkeit dürfte hier langfristig nur über Umwegrentabilität zu erreichen sein, etwa durch Mehreinnahmen im Tourismus- und Gastronomiebereich.

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fer von Forschungsergebnissen generiert werden soll. In diesem Zusammenhang geht es nicht um Entweder-oder-Entscheidungen, sondern um die Formulierung eindeutiger Arbeitsaufträge, die durchaus auch Aspekte von Forschung und Vermittlung umfassen können. Gerade weil forschende Experimentalarchäologie und Living History sich so nah beieinander vollziehen können, ist es wichtig, zwischen ihnen im Hinblick auf erreichbare Ziele und notwendige Ressourcen deutlich zu unterscheiden. Klarheit sollte auch darüber bestehen, was weder Experimentelle Archäologie noch Living History erreichen können: die Reproduktion authentischer historischer Verhältnisse. Während man etwa für das Mittelalter und die Römerzeit noch eine vergleichsweise gute Quellenlage hat, die Aufschluss darüber gibt, welchen Verhaltensnormen Angehörige bestimmter gesellschaftlicher Gruppen folgten beziehungsweise deren Befolgung für sie als maßgeblich erachtet wurde, ist eine vergleichbare schriftliche Überlieferung für die Pfahlbaukulturen nicht vorhanden. Bei musealen Darbietungen empfiehlt sich daher die Konzentration auf archäotechnische Demonstrationen, welche die notwendigen technischen Prozesse bei der Produktion bestimmter Aspekte der materiellen Kultur in den Vordergrund stellen.23 Dazu gehört auch die Darlegung des aktuellen archäologischen Wissensstandes wie der Forschungsdesiderata. Das kann im Widerspruch zum Anspruch von Museumsleuten und Marketingleuten stehen, dem Besucher eindeutige und verlässliche Informationen an die Hand geben zu w ­ ollen. Wirkliche Zuverlässigkeit kann dem Besucher jedoch nur vermittelt werden, wenn die Entstehung und Entwicklung wissenschaftlicher Vorstellungen transparent gemacht wird. Es gehört geradezu zur Eigenart erfolgreicher archäologischer Rekonstruktionen, dass sie dem Betrachter als alternativlose Konsequenz der Auswertung des archäologischen Befundkomplexes erscheinen. Leider macht sie das auch ziemlich langweilig – viel schlimmer noch: Ihre vermeintliche Selbstverständlichkeit verstellt auch den Blick auf die Forschungsleistung, die der Rekonstruktion zugrunde liegt. Es erscheint daher wünschenswert, dominierenden Rekonstruktionen auch Alternativen gegenüberzustellen, um den Arbeitsprozess hin zu einer seriösen wissenschaftlichen Rekonstruktion anschaulich und nachvollziehbar zu machen. Der Rekonstruktion des Ötzi-Mantels, wie sie im Südtiroler Archäologiemuseums präsentiert wird24, ließen sich etwa die Ergebnisse der Archäotechnikerin Anne Reichert gegenüberstellen25, die über umfangreiche Expertise im Umgang mit organischen Fasern im prähistorischen Textilhandwerk verfügt. Ziel ist dabei nicht ein endgültiges Urteil über das Rekonstruktionsergebnis, sondern die Sichtbarmachung der 23 Zum in Deutschland noch ungeklärten Berufsprofil des Archäotechnikers siehe Vorlauf, Gratwanderung zwischen Wissenschaft und Kommerz, S. 21–22. 24 Zum Befund Egg, Markus/Spindler, Konrad: Kleidung und Ausrüstung der kupferzeitlichen ­Gletschermumie aus den Ötztaler Alpen (Monographien des Römisch-Germanischen Zentralmuseums, Bd. 77), Mainz 2009. 25 Reichert, Anne: Umhang oder Matte? Versuche zur Rekonstruktion des Grasgeflechts des ‚Mannes aus dem Eis‘, in: Waffen- und Kostümkunde – Zeitschrift für Waffen- und Kleidungsgeschichte 1 (2006), S. 1–16.

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jeweiligen Rekonstruktionsprozesse. Neben der technischen Dimension archäologischer Forschung könnte auch die forschungsgeschichtliche Perspektive in den Fokus des Inter­ esses gerückt werden. Präsentationen von Pfahlbauten, die in verschiedenen Epochen rekonstruiert wurden, ließen sich für die Betrachter nachvollziehbar mit den Befunden verbinden, die den jeweiligen Rekonstruktionen zugrunde liegen. Dazu würde es aber auch gehören zu zeigen, welche Überlieferungslücken durch Analogieschlüsse geschlossen wurden. In der zeitgeschichtlichen Einbindung der Pfahlbauforschung liegt schließlich für kleine Museen eine große Chance, die durch gelungene Inszenierungen auch neuzeitliche Elemente der jeweiligen Ortsgeschichte in die Erzählung des Weltkulturerbes für das Publikum einbinden können. Konkret könnte das etwa so aussehen, dass ein Living History-Akteur in die Rolle des Landwirts schlüpft, der im 19. Jahrhundert Pfahlbauforschung betrieb und nun moderne Besucher durch seinen Ort führt. Bei diesem Rundgang könnte er nicht nur thematisieren, wie die Beschäftigung mit den Pfahlbauten unter welchen gesellschaftlichen Bedingungen begann, sondern er könnte die Entwicklung seines Ortes thematisieren und dabei auf andere historische Denkmäler und Ereignisse Bezug nehmen. Ein solches Geschichtstheater kann man modulartig weiterentwickeln: So könnten der oder die frühen Forscher auf ihren Rundgängen etwa einem Fischer, Bauern oder Handwerker des 19. Jahrhunderts sowie eines Denkmalpflegers der Moderne, einem Kulturtouristiker oder dem Leiter eines Freilichtmuseums begegnen und die unterschiedlichen Aspekte in der Beschäftigung mit den Seen und Gewässern und ihrem archäologischen Erbe thematisieren. Welche Akteure dazu praktischen Beiträge zur Rollenentwicklung leisten können, sollten sie aus ihrer Lebenspraxis heraus entscheiden. Egal, wo für Sie sich entscheiden: Machen Sie im Hinblick auf Living History und Archäotechnik wenig, aber das auf höchstem Niveau und so, dass sie es nachhaltig qualitätsvoll präsentieren können und nicht nur zweimal im Jahr als Event. Schließlich und endlich möchte ich Politikern und Touristikern noch Mut machen, sich nicht nur auf anwendungsorientierte Forschung einzulassen, sondern diese sogar einzufordern. Seien wir zunächst einmal ehrlich: Nicht selten halten Wissenschaftler parallel zu ihrer Arbeit existierende touristische Vermarktungsinteressen eher für eine Behinderung seriöser Forschung, und Touristiker sehen Forderungen aus der Wissenschaft nach Einhaltung bestimmter Standards vor allem als Entwicklungshindernisse an. Und zweifelsfrei gibt es für die Berechtigung beider Sehweisen Belege. Die Integration anwendungsorientierter Forschung kann aber auch einen Beitrag für den Erhalt lebendiger und aktueller kulturtouristischer Angebote sein. Die größte Heraus­forderung im Kulturtourismus ist nicht der Projektbeginn, sondern der nachhaltig erfolgreiche Betrieb bei einem gleichbleibend hohen Qualitätsniveau. Forschungseinrichtungen, zu denen ich ausdrücklich auch Museen und Denkmalämter zähle, die in der Region engagiert sind, liefern durch ihre Arbeit den Stoff für neue Events durch Buchvorstellungen, Ausstellungen, Grabungsführungen, nationale und internationale

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Tagungen usw., mit denen gleichermaßen Besucher und wichtige Multiplikatoren aus dem Fachgebiet erreicht werden. Nicht als Vorbild, sondern schlicht als Beispiel dafür, dass so etwas in der Praxis tatsächlich funktionieren kann, möchte ich auf den Vulkanpark Osteifel verweisen.26 Er ist von seiner Größe, die annähernd deckungsgleich mit dem Gebiet des Kreises Mayen-­ Koblenz ist, sowie von seiner Struktur her nicht mit der Weltkulturerbe-Region Pfahlbauten vergleichbar. Immerhin besuchen jährlich rund 200.000 zahlende Besucher die Stationen des Parks. Er entstand, als Ende des 20. Jahrhunderts die Basalt- und Tuffstein­ industrie in der Osteifel infolge der Globalisierung ihren Niedergang erlebte und sich für die Politiker die Frage nach dem Umgang mit den Zeugnissen der Industriegeschichte stellte. Das Römisch-Germanische Zentralmuseum in Mainz errichtete schließlich den Forschungsbereich Vulkanologie, Archäologie und Technikgeschichte in Mayen. Man sah in der Entwicklung die Chance, die Denkmaler der Steinindustrie von der Römerzeit bis zur Neuzeit zu erforschen und gemeinsam mit den regionalen Gebietskörperschaften kulturtouristisch zu vermarkten. Die Wissenschaft galt dabei zunächst nur als notwendige Voraussetzung. Im Laufe der Zeit lernte man jedoch die Vorteile des regionalen Engagements wissenschaftlich potenter Einrichtungen für den Kulturtourismus zu schätzen. Das über die Jahre aufgebaute Vertrauen gipfelte schließlich darin, dass der Landkreis Mayen-Koblenz im Rahmen des Konjunkturpaketes II nur einen Antrag stellte, und zwar für die Einrichtung des Labors für Experimentelle Archäologie.27 Das Zusammenwirken von wissenschaftlichen und touristischen Interessen geht nicht ohne Konflikte ab und muss immer wieder neu ausgehandelt werden. Entscheidend ist, dass sich alle Akteure immer wieder neu an einen Tisch setzen, in dem Wissen und mit der Erfahrung, dass sie zusammen für ihre Bereiche einen Mehrwert gewinnen können.

26 Schaaff, Holger: Der Vulkanpark Osteifel  – Wissenschaft Und Tourismus in einem alten Steinbruch- und Bergwerksrevier, in: Belmont, Alain/Mangartz, Fritz (Hg.), Mühlsteinbrüche. Erforschung, Schutz und Inwertsetzung eines Kulturerbes Europäischer Industrie (Antike  – 21. Jahrhundert), Internationales Kolloquium, Grenoble 22. bis 25. September 2005, RGZM-Tagungen 2, Mainz 2006, S. 215–224; Hunold, Angelika: Das Erbe des Vulkan. Eine Reise in die Erd- und Technikgeschichte zwischen Eifel und Rhein, Regensburg 2011. 27 Herdick, Michael: Das Labor Für Experimentelle Archäologie in Mayen (LEA), in: Plattform. Zeitschrift des Vereins für Pfahlbau und Heimatkunde e.V. 2010/11, S. 77–81; Herdick, Michael: Das Labor für Experimentelle Archäologie in Mayen (Lkr. Mayen-Koblenz), in: Experimentelle Archäologie in Europa, Bilanz, 9 (2010), S. 15–22.

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Fernsehbeiträge Meinhardt, Silke/Berkel, Lukas: Von Runen und Hakenkreuzen. Nazi-Symbole bei der Living-History-­ Gruppe ‚Ulfhednar‘, in: 3sat-Kulturzeit, Mainz 21.01.2008 (http://www.3sat.de/page/?source=/ kultur­zeit/themen/130221/index.html). Schalla, Katja: Die Mittelalterliche Klosterstadt Campus Galli, in: Kunscht!, SWR (Meßkirch, September 6, 2014) (http://youtu.be/Dr03NcvOYZk).

Elisabeth Milin

ARCHÄOLOGEN UND FILMEMACHER In der Zwickmühle gegenseitiger Erwartungen

Wenn gegenseitige Erwartungen in eine Zwickmühle geraten, dann heißt das in der Regel für Beziehungen, dass sie irgendwie auf der Kippe stehen. Es ist die Vorstufe zum gegenseitigen Missverständnis, zur Enttäuschung. Brauchen sie also eine Art Paarberatung, die Archäologen einerseits und die Filmemacher des Fernsehens andererseits, wenn sie aufeinandertreffen? Und wenn sie eine Paarberatung brauchen, kann es vielleicht daran liegen, dass im Grunde keine Zweierbeziehung, sondern vielmehr ein Dreiecksverhältnis vorliegt? Denn da gibt es ja noch den Zuschauer. Dreiecksverhältnisse sind für eine lovestory bekanntermaßen besonders heikel! Und was bedeutet das alles für den Archäologie-Film? Die Erwartung des Archäologen an einen Film, vor allem wenn er selbst in irgendeiner Weise an der Produktion beteiligt ist, bedeutet: Er möchte eine möglichst genaue, präzise und an den Tatsachen orientierte Darstellung. In der Archäologie, wie generell in wissenschaftlichen Disziplinen, spielt die Detailgenauigkeit in der Faktensammlung und der Dokumentation eine ganz primäre Rolle. Geht es an die Interpretation der Funde, so ist genau zu unterscheiden zwischen belegbaren Fakten und bloßen Vermutungen, auch wenn diese naheliegen. Dann kommt der Filmemacher und lässt – in den Augen des Archäologen – wichtige Details weg, verkürzt Zusammenhänge, gibt Nebensächlichkeiten breiten Raum, stellt Interpretationen als Tatsachen dar, spitzt zu, bauscht nüchterne Fakten zu Superlativen auf, legt bombastische Musik unter. Und womöglich fragt er bei den Dreharbeiten gar nicht danach, was der Archäologe weiß und erarbeitet hat, sondern: „Wie haben Sie sich dabei gefühlt?“

Zumutung Fernsehen Das Fernsehen kann für Archäologen schon eine ziemliche Zumutung sein. Diese Aussage erscheint zwar zugespitzt, aber wie ich bei Treffen zwischen Filmemachern und Archäologen und auch als Jurymitglied bei diversen Archäologie-Film-Festivals fest­

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stellen konnte: Häufig beherrscht eine Art Grundrauschen die Beziehung zwischen Archäologen und Filmemachern. Der Archäologe, der Filmemacher, der Zuschauer – diese Spezies sind in ihrer Reinform selten anzutreffen (und natürlich ist auch immer die Archäologin, die Filmemacherin und die Zuschauerin gemeint – nur der einfachen Lesbarkeit halber bleibe ich im Folgenden bei der männlichen Form). Immer in dem Bewusstsein, dass Pauschalierungen Unrecht tun können, beziehe ich mich im Folgenden vor allem auf den Archäologen, der auf einen Filmemacher im Auftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens trifft. Die Archäologie, wie auch viele andere universitäre Disziplinen, hat sich in den rund letzten zehn bis 15 Jahren wesentlich mehr einer Popularisierung geöffnet. Der Wille, auch Laien und damit einem breiten Publikum Dinge verständlich zu vermitteln, ist stärker geworden. Und wenn es wie bei den Pfahlbauten um die Erhaltung und Erforschung eines Weltkulturerbes geht, wird diese Art der Öffnung sogar zu einer Notwendigkeit. Aber auch wenn Filmemacher und Archäologen das gleiche Ziel verfolgen, nämlich etwas bekannt zu machen, eine Öffentlichkeit zu interessieren, so gibt es unterschiedliche Vorstellungen über den Weg dahin. Der Archäologe möchte die Deutungshoheit über sein Thema nicht verlieren und er erwartet, dass es seinem wissenschaftlichen Anspruch gemäß vom Filmemacher aufbereitet wird. Der Filmemacher seinerseits reklamiert die Deutungshoheit über seinen Film, indem er für sich in Anspruch nimmt zu entscheiden, welche Fakten und vor allem in welcher Form diese Fakten dargestellt werden sollen, um einen in seinem Sinne guten Film daraus zu machen. Der Archäologe geht davon aus, dass die Fakten seines Metiers an sich schon sehr spannend sind, und der Filmemacher geht davon aus, dass er diese Fakten für ihre Verbreitung erst noch mal richtig spannend machen muss. Das Fernsehen ist ein wichtiger Verbreitungsweg für Dokumentationen über Archäologie. Was ich im Folgenden darüber ausführen will, gilt für die Entwicklungen in Deutschland. In unseren Nachbarländern sieht die Situation zum Teil zwar anders aus, aber wenn es später noch um Macharten des Filmischen geht, gibt es einen generellen, internationalen Trend. In der Diskussion darum, wie Fakten, wie Information am besten vermittelt werden, hat in den öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Seitdem sich dieser Paradigmenwechsel vollzieht, wird er begleitet von einer Art Anstandsdame: der Qualitätsdiskussion.

Qualität im Fernsehen Es gibt ganz eindeutig Standards für ein qualitätsvolles journalistisches Arbeiten wie saubere, gründliche Recherche, Wahrhaftigkeit in der Wiedergabe, Trennung zwischen Information und Kommentar etc. Auch wenn diese Grundstandards bedauerlicher Weise in der Praxis nicht ausnahmslos eingehalten werden, herrscht Einigkeit in der Theorie darüber, was geht – und was nicht. Lügen und Fälschen zum Beispiel sind inakzeptabel. Aber wenn von Qualität im Fernsehen geredet wird, handelt es sich ja häufig nicht

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um solche klaren Fälle, sondern meist um viel weniger eindeutig fassbare Dinge. Es geht letztlich um ein Zusammenspiel ganz unterschiedlicher Kriterien, etwa um Sichtweisen, um sprachliches Niveau, um Musikgeschmack, um Schnitt-Tempo etc. Anstatt in diese Qualitätsdiskussion einzusteigen, möchte ich lieber über den vorher angesprochenen Paradigmenwechsel reden, denn er beeinflusst, wie Filmemacher heute in der Regel an Themen herangehen, und das gilt in hohem Maße auch für archäologische Themen. Deswegen wird in den nächsten Zeilen weniger von Archäologie und wissenschaftlicher Akribie, von journalistischer Recherche und filmischer Kreativität die Rede sein als vielmehr von Würmern, Sinusmilieus, Heldenreisen und Verlaufskurven. Die letzteren verkörpern das Beziehungsbarometer zwischen Programm und Zuschauer, eingerichtet von der Medienforschung. Und diese konstatierte vor geraumer Zeit: Die sonnigen Zeiten für die klassischen öffentlich-rechtlichen Programme sind vorbei! Daher stellt sich nun die Frage: Ist es sinnvoll, die Schlechtwetterfront einfach zu ignorieren? Und wenn nicht: wie sollten in diesem Fall gewissermaßen nicht die Regen-, sondern die Sonnentänze aussehen, damit das Barometer wieder ein Hoch anzeigt? Aber wie ist es überhaupt zu diesem Wetterwechsel gekommen? Vielfach wird behauptet, der Zeitpunkt ließe sich genau datieren, und zwar auf den 1.1.1984. Damals ging die erste Privatfernsehsendung on air und – um mit dem damaligen RTL-Chef zu sprechen – die Privaten entdeckten den Zuschauer – ein Mauerblümchen, das vorher vom öffentlich-rechtlichen Redakteur schlichtweg übersehen worden sei. Ich glaube nicht, dass es so einfach war. Der öffentlich-rechtliche Redakteur hatte seinen Zuschauer sehr wohl im Blick – nur, dass er dafür nicht aus dem Fenster, nicht auf die Straße geschaut hat. Sondern er hat für diesen Blick am liebsten in den Spiegel geschaut. Um noch einmal auf das historische Datum 1984 zurückzukommen: Zu diesem Zeitpunkt gab es nicht nur ARD und ZDF, sondern auch die diversen dritten Programme. Sie hatten gerade ihre Ausbauphase hinter sich und waren zum Voll­ programmen aufgestiegen. Es herrschte viel Idealismus, die 68er Generation hatte in vielen Sendern den sogenannten Marsch durch die Institutionen angetreten – ein Grund auch dafür, warum das Privatfernsehen als Gegenmittel etabliert werden sollte. Und der öffentlich-recht­liche Redakteur hegte ziemlich hohe Erwartungen an seine Zuschauer. Er erwartete von ihm, dass er das Fernsehen als Medium der Aufklärung und Bildung nutzt, dass den Zuschauer die gleichen kulturellen und politischen Themen fesseln wie den Redakteur. Dabei wurde stillschweigend vorausgesetzt, dass beide gleich sozialisiert seien und also dieselben Interessensgebiete teilten, dass der Zuschauer selbstverständlich das gleiche Bildungs- und Sprachniveau wie der Redakteur mitbringe und sich auch nichts sehnlicher wünschen könne, als vom Redakteur informiert und belehrt zu werden.

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Ein historisches Beispiel Ich habe zu diesem komplexen Bündel von Annahmen und Erwartungen in unserem SWR-Archiv ein Beispiel gesucht, das sich mit dem Thema der Bodensee-Pfahlbauten beschäftigt. So habe ich Ihnen einen Film mitgebracht, der aus dem Jahr 1976 stammt, also den Monopolzeiten von ARD und ZDF. Der Beitrag1 „Bodensee-Pfahlbauten“ setzt sich mit einer damals jahrzehntealten Streitfrage auseinander, die Tübinger Archäologen zu der Zeit mit Untersuchungen am Bodensee erneut aufgriffen – nämlich: Standen die Pfahlbauten ursprünglich im Wasser oder nicht? Der Beitrag ist heute, fast 40 Jahre später, ein historisches Dokument. Was an dem Beitrag bemerkenswert scheint, ist die Art und Weise, die filmische Haltung, mit der das Thema damals vermittelt wurde. Der Beitrag setzt im Detail auseinander, wie der Streit um die Frage – Pfähle im Wasser: ja oder nein – begann, welcher Wissenschaftler welches Buch dazu geschrieben hat und wie und unter welchen Begründungen die einzelnen Phasen dieser wissenschaftlichen Streitfrage abliefen. Der Filmemacher lässt die beteiligten Wissenschaftler direkt in die Kamera referieren, wie im Vortragssaal oder – mit einer gehängten geographischen Karte im Hintergrund – wie im Frontal-Unterricht. Ein Schlüsselutensil in diesem Film ist für mich das Zeigestöckchen, das die Referierenden benutzen. Es zeigt mir, dem Zuschauer, wo ich mich befinde: nämlich auf der Schulbank. Ich soll hier Fakten ­lernen, mich von den Wissenden belehren lassen. Das ist genretypisch für Filme dieser Zeit, die mit wissenschaftlichen oder kulturellen Inhalten zu tun hatten: Das Ausbreiten von Fakten stand an absolut erster Stelle. Fakten sammeln und belegen, das war das Anliegen. Und es besteht eine Fallhöhe zwischen den allwissenden Leuten hinter der Kamera und denen, zu denen sie sprechen, den Zuschauern. Die meisten Redakteure und Autoren kamen nicht von Filmhochschulen, sondern von der Uni oder von der Zeitung, sie waren von ihrer Ausbildung her eher sprach- als bildgeprägt. Also spielte auch oft der Text eine herausragende Rolle. In ihm wurden die Fakten vermittelt. Die Bildebene wurde häufig nur dazu benutzt, um die im Text behaupteten Fakten zu belegen. Ähnlich wurden Interviews eingesetzt – die Aussage des Fachmanns, des Wissenschaftlers sollte die Glaubwürdigkeit und Kompetenz des Films beweisen oder, wie in einem wissenschaftlichen Aufsatz das Zitat, dazu dienen, die Textaussage zu stützen oder zu belegen. Die filmischen Mittel, die Bilder dienten als Belege für die im Text ausgebreiteten Tatsachen, sie besaßen fast keinen Eigenwert. Ergebnis war eine Faktensammlung, die irgendwie fatal gleichsam an Schulstoff erinnerte. Der Gestus des Filmemachers war in einem gewissen Sinn vergleichbar einer Haltung, die man als universitär bezeichnen könnte, und damit trafen sich damals seine Ziele und die des Archäologen. Und dann tauchte als neuer Akteur das Privatfernsehen auf, scherte sich einen Teufel um alle hohen und hehren Ziele der Volksbildung, machte stattdessen einen bunten Laden 1 Bodensee-Pfahlbauten, in: Abendjournal SWF 8.06.1976, 5‘23.

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auf nach der Devise: Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem ­A ngler – das Motto des ehemaligen Chefs von RTL. Da es keinen Bildungsanspruch hatte, nutzte das Privatfernsehen das unterhaltende und emotionale Potential von Themen. Hier lag und liegt einer der wesentlichen Punkte der Attraktivität dieser Programme. Nicht nur wurden neue Formen des Unterhaltungsfernsehens gefunden, und ein ganzes Genre bekam ein umstrittenes Gesicht, sondern vor allem wurde das Bild nicht mehr nur als Beigabe zur als wesentlich empfundenen Sprachinformation interpretiert, sondern gezielt als Emotionsträger eingesetzt. Da sich das private Programm im wahrsten Sinne des Wortes verkaufen musste, das Programm also Ware war, lag es nahe, dass es sich in ganz anderer Weise als das öffentlich-rechtliche Fernsehen mit Marktgesetzen und Marktstrategien auseinandersetzen musste und dass es die Mittel der Marketing-Psychologie einsetzte, zu deren wichtigem Instrumentarium die Strategien der Emotionalisierung gehören. Und erstaunt musste das öffentlich-rechtliche Fernsehen zur Kenntnis nehmen, dass seine Zuschauer zunehmend den Unterricht schwänzten.

Der Zuschauer – das (un)bekannte Wesen Immer wieder wird als Argument angeführt: ARD und ZDF sind gebührenfinanziert, also hat die Frage, wie viele Zuschauer einschalten, überhaupt keine Bedeutung. Dieses Argument lässt außer Acht, dass eine Institution, die hinein in die Gesellschaft wirken soll – und das ist der Auftrag – ihre Relevanz verliert, wenn sie nicht mehr von denen wahrgenommen wird, für die sie eigentlich existiert. Und mit diesem Relevanz-Verlust droht eine Legitimitätsdiskussion, die sich vor allem an der Gebührenfinanzierung festmacht. Ohne eine gesamtgesellschaftliche Verankerung lässt sich eine Haushaltsabgabe durch alle Gebührenzahler beziehungsweise Nutzer nur noch schwer begründen. Mit der Konkurrenz der privaten Sender schlug auch in den öffentlich-rechtlichen Medien die Stunde der Medienforschung. Der erste Schritt war zu messen, wie viele Zuschauer überhaupt zuschauen. Dabei spielt bis heute die rein quantitative Messung nur eine untergeordnete Rolle. Es ist die relative Messung, die unter dem Schlagwort der Quote diskussionsbestimmend ist. D.h. es wird zwar auch die absolute Zahl der Zuschauer gemessen, aber die eigentliche Richtzahl, die als bestimmend eingestuft wird, ist der anteilige Prozentsatz derjenigen, die überhaupt den Fernseher anschalten. Wir haben es also immer mit einer Wettbewerbsmessung zu tun: Von den 100 Prozent, die den Fernseher eingeschaltet haben, haben zum Beispiel 12 % eine bestimmte Sendung geschaut. Dieser Anteil wird als Referenzwert angesehen – dahinter können sich dann 60.000, 600.000 oder auch 1 Million Zuschauer verbergen. Die Feststellung der quantitativen Verluste setzte ab Ende der 80er Jahre die öffentlich-rechtlichen Anstalten unter Druck. Aber das war nur der Anfang. Inzwischen hat sich die Zuschauerforschung zu einem präzisen Instrument entwickelt. Dabei wird minutengenau die Zuschauerpräsenz bei sämtlichen Programmen aufgezeichnet und als Verlaufskurve miteinander verglichen. Außerdem werden Zuschauerbefragungen

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am Telefon durchgeführt oder auch gezielte Befragungen von repräsentativen Gruppen organisiert, um deren Meinung und Einschätzung zu erfahren. Nicht nur wird inzwischen gemessen, wie hoch der Anteil der Zuschauer ist, sondern auch, wer zuschaut: Alter, Bildungsgrad, Milieu. Eine Methode besteht zum Beispiel darin, sich an den sogenannten Sinusmilieus zu orientieren, die auf einem 1980 von dem Sozialwissenschaftler Jörg Ueltzhöffer und dem Marktpsychologen Berthold Flaig entwickeltem Zielgruppenmodell basieren. Dargestellt wird dieses Modell in der sogenannten Kartoffel-Grafik, die in regelmäßigen Abständen ausdifferenziert und den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen angepasst wird. Früher in gesellschaftliche Schichten – Unterschicht/Mittelschicht/Oberschicht  – klassifizierte Personengruppen werden hier in Milieus sortiert, und zwar werden diese nach Lebensstilen geordnet. Ihre Lebensauffassungen und ihre Lebensweise werden analysiert, ihre Einstellungen zur Arbeit, zur Familie, zu Freizeit, zu Geld und zu Konsum werden ermittelt und daraus ihre grundlegenden Wertorientierungen abge­ leitet. Auf Fernsehnutzer bezogen, kann dann zum Beispiel untersucht werden: ­Welche ­Milieus haben Vorlieben für welche Themen, und von welchen Milieus wird welches Programm vorwiegend genutzt? Wenn ein Programm nur noch an gesellschaftlichen Rändern wahrgenommen wird, verliert es eine wichtige Berechtigung und Grundlage. Aus solchen Befunden ergab sich nun für die öffentlich-rechtlichen Medien die Frage: Was muss ein Programm tun, nicht nur, um quantitativ bestehen zu können, sondern auch um von wesentlichen Gruppen in der Gesellschaft beachtet und genutzt zu werden? Mit dieser Frage begann eine neue Ära der Beschäftigung mit der Zuschauer-­ Erwartung. Und es fand ein Paradigmenwechsel statt: Das Fernsehen hatte nicht länger allein als Aufklärer zu dienen, sondern auch als Dienstleister. Man hoffte, mit Hilfe der Medienforschung aus dem Zuschauer eine erwartbare Größe zu machen. Die Haltung ihm gegenüber änderte sich vollkommen – und entsprechend auch das Vokabular. Als ein wichtiges Schlagwort etablierte sich Mitte der 90er Jahre das Postulat, mit dem Zuschauer auf Augenhöhe zu gehen, also weg von der Haltung des belehrenden all­ wissenden Redakteurs, oder auch den Zuschauer dort abzuholen, wo er stehe, und vor allem: ihn mitzunehmen, ihn miterleben zu lassen. Und ein weiterer Begriff tauchte auf, mit dem heute landläufig die Interview-Partner oder Hauptpersonen in Reportagen oder Dokumentationen bezeichnet werden: der Prota­gonist. Der Protagonist ist eigentlich ein Terminus aus der klassischen Dramentheorie: Er bezeichnet in der griechischen Tragödie den Hauptdarsteller. Was aber haben heutige Fernsehreportagen- und Dokumentationen mit griechischen Tragödien zu tun? Es gibt eine ganze Industrie, die darauf abzielt, Zuschauererwartungen berechenbar zu machen: die Spielfilm-Industrie. Wie muss ein Film gebaut sein, damit er zum Kassen­schlager wird? In den USA geben darauf ganze Scharen von professionellen Drehbuch-Entwicklern eine Antwort, die nicht nur für Filme, sondern auch für Fernseh-­ Serien arbeiten. Nur von einer Antwort zu sprechen, wäre verfehlt, denn es wurden viele Theorien und Antworten gegeben, von denen sich einige allerdings mehr als die ande-

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ren durchsetzen. Auf zwei Ideenrichtungen will ich hier eingehen, die sich auch ergänzen lassen: Die eine wurde angestoßen von Joseph Campbell, einem Anthropologen und amerikanischem Mythenforscher, dessen Forschungen von Christopher Vogler, einer Hollywood- Drehbuch-Ikone, aufgegriffen wurden. Campbell hat die sogenannte Helden­ reise als Erzählstruktur von Mythen und Sagen als Muster herausdestilliert, als ein allen Kulturen gemeinsames, anscheinend universelles Muster erfolgreicher Geschichten. Grob zusammengefasst geht es um den Helden, der seine gewohnte Umgebung verlässt, um im unbekannten Draußen eine Aufgabe zu bestehen, und der – gewandelt, geläutert, gestärkt – zu seinem Clan zurückkehrt. Eine Variante besteht darin, dass er einen wichtigen, von ihm unter Lebensgefahr erkämpften Gegenstand mitbringt. Damit rettet der Rückkehrer seine Ursprungsgemeinschaft oder verhilft ihr zu mehr Macht und Ansehen.

Informieren verso Erzählen Eine weitere Richtung ist die Umdeutung der aristotelischen Poetik, also der klassischen Dramenanalyse, für den Film. Hier geht es vor allem um die Strukturierung der Handlung in unterschiedliche Etappen, wobei es verschiedene Baupläne gibt, wie die 3-Akt-Theorie und die die 5-Akt-Theorie (Syd Field, Gustav Freytag). Allen gemeinsam ist, dass es darum geht, beim Zuschauer eine bestimmte Reaktion hervorzurufen. Sie erinnern sich vielleicht, dass es bei Aristoteles um Furcht und Mitleid geht, die der Zuschauer des griechischen Dramas erleiden soll, um von ihnen dann in der Katharsis gereinigt zu werden. Dieses Modell wird für den Film neu formuliert, es geht also um Wirkungsfunktionen, die durch eine bestimmte Handlungsstruktur hervorgerufen werden. Furcht und Mitleid werden interpretiert als Empathie, Identifikation und Spannung, die Katharsis als psychische Befreiung von dieser Spannung, als Erleichterung, etwa wenn eine erwartete Katastrophe abgewendet werden kann. Um die Spannung aufzubauen, werden Mittel wie Wendepunkte, Verzögerungen etc. eingesetzt. Wir haben es bei den skizzierten Filmtheorien sozusagen mit einem Werkzeug­ kasten für fiktionale Stoffe zu tun – und wenn es solche funktionierenden Rezepte fürs Fiktio­nale gibt, warum soll das nicht auch für Dokumentarfilme gelten? Auch hier gibt es Menschen, die Ziele und Absichten haben. Und auch der Dokumentarfilmer ordnet seinen Stoff, verdichtet, er filmt ja nicht die Realität, sondern die Kamera erfasst ein allein schon durch das gewählte Kameraobjektiv und durch den Bildausschnitt gestaltetes, also subjektives Realitäts-Bruchstück, das dann auch noch im Film-Schnitt nach subjektiven Vorstellungen angeordnet wird. Und so hat die Auseinandersetzung mit den Zuschauer-Erwartungen die Herangehensweise an Filmthemen im Dokumentarischen auf eine interessante Weise verändert: Das Credo heißt jetzt nicht mehr informieren, sondern tell the news, erzähle die Neuigkeiten, mach aus ihnen eine Geschichte, um emotional zu fesseln. Suche die Protagonisten einer Geschichte, stelle handelnde Menschen mit ihren Zielen und Absichten vor.

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Die Ebene der Informationsvermittlung wird sozusagen überlagert vom story-­telling, der Personalisierung, und der daraus folgenden Filmdramaturgie, also davon, wie die inhaltlichen Stränge im Film verlaufen, die sich an den Erzähltheorien fiktionaler Stoffe orientieren.

Folgen für den Archäologie-Film Auf den ersten Blick scheinen Themen aus dem Bereich der Archäologie für eine filmische Aufbereitung denkbar ungeeignet. Man sieht ja nicht immer Aufregendes, allenfalls Löcher im Boden, Scherben, im Falle der Pfahlbauten: Holzpfähle im trüben Wasser. Eine Hand voll Leute buddelt im Schlamm. Im Labor sind ein paar Maschinen, Reagenzgläser, Mikroskope zu sehen, im Archiv unkenntliche Bruchstücke in Plastikbeuteln, womöglich auch noch karbonisiert, schwarz. Derartige Bilder scheinen weit entfernt von filmischen Leckerbissen wie grandiosen Landschaften, Sonnenuntergängen oder blühenden Wiesen mit wilden Orchideen. Dennoch: gerade die Archäologie bietet für Filme eine ganz eigene Spielwiese. Die Fragen um unsere Ursprünge, unser kulturelles Herkommen, die in der Archäologie behandelt werden, sind Fragen nach den Wurzeln, also quasi archetypische Fragen, die emotional berühren. Kurz, daher eignet sich gerade das Genre Archäologie-Film perfekt fürs Geschichten-Erzählen! Vor allem haben wir dabei mit handelnden Personen zu tun, den Archäologen-­ Protagonisten. Die Tätigkeit des Archäologen fordert im besonderen Maße dazu heraus, an das Heldenreise-Schema zu denken. Zunächst hat er eine Aufgabe, bei der wichtige, ja existentielle Fragen – zum Beispiel nach dem Untergang einer Kultur – gelöst sein wollen. Um diese zu enträtseln, muss er zu einer Grabungskampagne, vielleicht sogar in ferne Länder reisen, in denen Beschwernisse oder selbst Gefahren lauern. Oder er bleibt im Land, muss aber unter widrigen Umständen – unter Wasser – zu seinen Ergebnissen kommen. Es gibt eine Reihe von Dokumentationen, die dieses Muster einsetzen. Wir finden es zum Teil meisterhaft gehandhabt in Produktionen der BBC oder auch bei Dokumentationen der französischen Produktionsfirma Gedeon. Die Filme begleiten Grabungskampagnen, bei denen die Archäologen nach anfänglichen Erfolgen dann plötzlich auf ein Problem stoßen, ja, sogar kurz vor dem Aufgeben stehen und dann doch in den letzten Tagen vor Beendigung der Kampagne endlich ans ersehnte Ziel gelangen, den entscheidenden Fund machen und mit dieser Trophäe die Heimreise antreten können. Die Tätigkeit des Archäologen ist aber auch im besonderen Maße dazu geeignet, dem Schema der Kriminalstory zu entsprechen. Hier wird die Poetik des Aristoteles unmittel­ bar faßbar, etwa bei der Tragödie des Ödipus, dem ersten bekannten Krimi-Bühnenstück, da es bekanntlich um die Aufklärung von Verbrechen geht. Der Archäologe ist ebenfalls auf der Suche nach etwas, das im weitesten Sinn die Ordnung stört: ein wissenschaftliches Rätsel, ein missing link, oder – bei Gräber- oder Knochenfunden – sogar tatsächlich ein vermutetes Verbrechen. Dann wird der Archäologe zum Detektiv, und wir

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begleiten ihn auf seiner Odyssee, seiner Heldenreise durch die verschiedenen Arbeitsstadien und Labors, wo er schließlich seinen Gral entdeckt beziehugsweise das Puzzle kriminalistisch zusammensetzt. Die Archäologie besteht freilich nicht aus Heldenreisen und schon gar nicht aus dem Auffinden von Trophäen, werden Fachleute einwenden. Aber wenn es darum geht, eine Wissenschaft für Außenstehende spannend zu machen, ist gerade die Archäologie ein dankbares Gebiet. Es ist kein Wunder, wenn Filme über Archäologie fast zu einem eigenen Genre geworden und eine ganze Reihe eigener Filmfestivals in ganz Europa entstanden sind. Auch wenn es nicht jeder Film einlöst: vom story-telling her liegen sozusagen die Goldfunde vor den Füßen.

Bodensee-Pfahlbauten im Fernsehen heute Im Vergleich zu der oben erwähnten Sendung von 1976 lässt sich an Hand einer jüngeren Reportage von 20122 gerade am Filmanfang die Veränderung in der Herangehensweise gut veranschaulichen. Der Film gibt mir, dem Zuschauer, gleich am Anfang ein wichtiges Versprechen ab: Ich werde etwas erleben – und zwar das Ein­tauchen in die Unterwasserwelt. Und ich werde Menschen kennenlernen, die ein gemeinsames Ziel haben, eine gemeinsame Leidenschaft: die Begeisterung für die Pfahlbauten! Ich werde nicht belehrt, mir werden keine Ergebnisse vorgesetzt, sondern ich werde eingeladen, einen Forscher zu bei seiner Suche zu begleiten. Zitat: „Vom See-Ufer aus fährt ein einsamer Mann hinaus, zum Forschungsschiff, mit einem für ihn faszinierenden Auftrag“. Da ist sie: die Heldenreise – der Zuschauer darf also gespannt sein, was er da draußen zusammen mit dem Forscher noch alles erleben wird. Dahinter steckt noch ein anderes, wichtiges Element des Spannungsaufbaus: das Miterleben. Der Anfang verheißt, dass ich als Zuschauer authentisch dabei sein werde – ein Angebot, das selbst dann etwas Ver­ lockendes haben kann, wenn mir das Thema Pfahlbauten bisher eher einerlei war. Gutes emotionales Erzählen hat nichts damit zu tun, irgendjemandem im Film künstlich Gefühle zu unterstellen oder anzudichten, sondern es geht darum, einen Sachverhalt so zu vermitteln, dass der Zuschauer mit Emotionen dabei ist. Der Weg dahin mag unterschiedlich sein, es gibt aber Methoden, die sich als erfolgreich erwiesen haben. Wenn ich also eine Botschaft, ein Anliegen, einen Inhalt im Fernsehen vermitteln will, wähle ich vernünftiger Weise eine gestalterische Form, die für eine möglichst große Gruppe von Zuschauern zugänglich ist und die vielleicht auch diejenigen zum Zuschauen verführt, die mit dem eigentlichen Thema zunächst gar nichts anfangen können. Dabei haben sich Erzählweisen bewährt, die emotional ansprechen. In diesem Sinne braucht Wirklichkeit im Fernsehen gekonnte Gestaltung, wenn sie den Zuschauer ­ arüber, ansprechen soll. Aber deswegen braucht sie auch immer wieder die Diskussion d 2 Ströhle, Ralph: Archäologie unter Wasser – Pfahlbauschätze vom Bodensee, in: SWR 19.11.2012, 28’59.

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was ein ­dramaturgisch gerechtfertigter Kniff ist und wo Verfälschung und Effekthascherei beginnen. Der Zuschauer erwartet, unterhalten zu werden, aber er will nicht be­­logen werden. Zu Beginn meines Vortrags habe ich davon gesprochen, welche Erwartungen Archäologen – aus meiner Erfahrung – an Filme und Filmemacher haben: Faktenorientierung, Detailgenauigkeit. Umgekehrt hat der Filmemacher die Erwartung, dass sich Archäologen auf die dramaturgischen Bedürfnisse eines Films einlassen und auf die Diskussion darum, wie Emotionalisierung im Film erreicht werden kann, ohne Glaubwürdigkeit und Authentizität zu verlieren. Der Archäologe ist aufgefordert mitzuhelfen, die Geschichten, die sich hinter den Faktenbergen verstecken, auszugraben. Der Filme­ macher wiederum hofft, dass der Archäologie akzeptiert, dass es sich eigentlich um eine Dreiecksgeschichte handelt, bei der der Zuschauer umworben werden will. – Und dann kann aus der Dreiecksgeschichte eine richtige lovestory werden.

Literatur Bodensee-Pfahlbauten, in: Abendjournal SWF 8.06.1976, 5‘23. Cambell, Joseph: The Hero with a thousand Faces, 1. Aufl. New York 1949. Field, Syd: Screenplay. The Foundations of Screenwritng, 1. Aufl. New York 1979. Flaig, Berthold Bodo / Meyer, Thomas / Ueltzhöffer, Jörg: Alltagsästhetik und politische Kultur. Zur ­ästhetischen Dimension politischer Bildung und politischer Kommunikation, 2. durchges. Aufl. Bonn 1994. Freytag, Gustav: Die Technik des Dramas, Leipzig 1863, unveränderte Neuaufl. Darmstadt 1969. Sinus Markt- und Sozialforschung GmbH Berlin; www.sinus-institut.de (31.01.2018). Ströhle, Ralph: Archäologie unter Wasser – Pfahlbauschätze vom Bodensee, in: SWR 19.11.2012, 28’59. Vogler, Christopher: The Writer’s Journey. Mythic Structure for Storytellers and Screenwriters, 1. Aufl. Studio City, USA 1992 / Die Odyssee der Drehbuchschreiber, Romanautoren und Dramatiker. Mythologische Grundmuster für Schriftsteller, deutsch von Frank Kuhnke, Berlin 2018.

Kurt Luger

WELTERBE-TOURISMUS Vermittlungsaufgabe und Inwertsetzung des kulturellen Erbes

„… so dass sich wohl sagen lässt, dass die Reisen für jede Art des Lebens keineswegs unwichtig sind“ Theodor Zwinger, Methodus apodemica, 1577

1.  Kulturelles Gedächtnis, Welterbe und Tourismus Kulturelles Erbe, lieux de mémoire, mémoire collective, invented traditions, kulturelles Gedächtnis, cultural memory – der Bereich der Erinnerungskulturen beschäftigt die Kulturwissenschaften seit Jahren, und ähnlich intensiv setzt sich die Tourismusbranche damit auseinander. Im weiten Feld des Kulturtourismus eröffnet sich mit dem Erinne­ rungstourismus eine Vielfalt von Möglichkeiten zur Rückkehr in historische Räume.1 Mit dem Besuch einer solchen historischen Stätte betreten die Touristen einen Raum, der einer anderen Zeitrechnung unterliegt. Es sind darin vergangene Ereignisse verbunden, die sich durch die Auseinandersetzung mit seiner symbolischen Ordnung verorten, deuten und erinnern lassen. Es wird damit ein sozialer Rahmen rekonstruiert, der kollektives Gedächtnis und Geschichte, Generationengedächtnis und Erinnerung im Sinne einer Konfiguration zur Identitätsbildung zusammenführt.2 Kulturelle Artefakte vergangener Zeiten und Generationen wie Riten, Gestalten, Gebäude, Denk- und Mahnmäler, Ereignisse, Kunstwerke und Lebensweisen vermitteln das kulturelle Gedächtnis. Sie halten die kulturelle Erinnerung wach beziehungsweise schreiben sie über die Gegenwart hinaus in die Zukunft fort. Die touristische Aufbereitung solcher Erinnerungsorte im Sinne des UNESCO-Welterbes – eine neue

1 Vgl. Fasching, Gerhard: Erinnerungstourismus, in: Egger, Roman/Luger, Kurt (Hg.), Tourismus und mobile Freizeit. Lebensformen, Trends, Herausforderungen, Norderstedt 2015, S. 439–458. 2 Vgl. Ertl, Astrid: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen, in: Nünning, Ansgar/­Nünning, Vera (Hg.), Konzepte der Kulturwissenschaften, Stuttgart 2003, S. 156–183.

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Form des kulturellen Gedächtnisses3 – macht Höhepunkte kulturellen Schaffens g ­ lobal zugänglich, der Tourismus übernimmt sogar eine Vermittlerrolle. Was mit dem Welt­ erbe erinnert wird und welche kulturellen Phänomene vergangener Wirklichkeiten in das kulturelle Gedächtnis gelangen, hängt demzufolge einerseits von den gegenwärtigen Verfasstheiten von Gesellschaften und andererseits von den darin gelagerten medien­geformten Aktualisierungen ab. Dadurch erfährt das Erbe eine Neu- und/oder Umbewertung, eine neue Verankerung, allenfalls auch eine Rekontextualisierung. Insofern enthält es neue Wirklichkeiten, die es für die Gegenwart anschlussfähig, erleb- und erfahrbar, dadurch gegebenenfalls wiederholbar und somit überlebensfähig machen.4 Im Falle von historischen Altstädten zeigt sich dies auch an Interessenskonflikten. Die „Sakralisierung“ der historischen Substanz, die als Erbe der Menschheit unter Schutz gestellt wird, verhängt eine Art von zeitlichem Ausnahmezustand über diesen Schatz. Das Einfrieren der baulichen Ensembles heizt den Disput zwischen Bewahrern und Erneuerern an, führt zu spannungsgeladenen Auseinandersetzungen, wobei auch die Frage der touristischen Vermarktung lokaler Geschichte und Kultur eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Historische Stadtlandschaften bilden eine Antithese zur modernen Stadt, die sich dem Verkehr anpasst beziehungsweise unterordnet. Am Beispiel des Welterbes Dresdner Elbtal wurde dieser Konflikt sogar vor der Weltöffentlichkeit ausgetragen und endete mit der Streichung des Dresdner Welterbes von der UNESCO-Liste im Jahr 2009, weil der Stadt der Bau der Waldschlößchenbrücke offenbar wichtiger war als die Auszeichnung „Welterbe“.5 Altstädte eröffnen geradezu eine zukunftsgewandte Sichtweise des nachhaltigen Wirtschaftens und Zusammenlebens, die sich dem Diktat der entfesselten Mobilität, aber auch dem ökonomischen Nützlichkeitsdenken und dem Profitkalkül in gewisser Weise widersetzt. Sie bilden Heterotope, die Kontemplation wie Unterhaltung in größtem Maße ermöglichen, oder werden zu einem Lebensraum, der Beruf und Freizeit in fußläufiger Reichweite vereint. Altstadterhaltung hat somit auch im sozialen Denken eine Berechtigung und reicht in seiner Wichtigkeit über den schönen Schein etwa einer authentischen Fassadengestaltung oder der touristisch motivierten Bewahrung einer historischen Erlebniswelt weit hinaus.6 Die jeweilige „Erinnerungsmacht der Dinge“ löst die Dialektik von Vergessen und Erinnern sowie von Zerstören und Bewahren insofern auf, als eine touristische Nutzung der erblichen „Dinge“, Karlheinz Wöhler nennt das „Heritagefication“, zugleich

3 Assmann, Aleida: Das Welterbe als neue Form des kulturellen Gedächtnisses, in: Ferch, Christoph/ Luger, Kurt (Hg.), Die bedrohte Stadt. Strategien für menschengerechtes Bauen in Salzburg, Innsbruck 2014, S. 19–25. 4 Vgl. Luger, Kurt/Wöhler, Karlheinz (Hg.): Welterbe und Tourismus. Schützen und Nützen aus einer Perspektive der Nachhaltigkeit, Innsbruck 2008. 5 Für eine detaillierte Darstellung dieses Konfliktes vgl. insbesondere: http://www.unesco.de/ kultur/­welterbe/welterbe-deutschland/beschluss-zu-dresden.html (30.3.2015). 6 Vgl. Ferch, Christoph/Luger, Kurt: Resümee und Empfehlungen für menschengerechtes Bauen im Welterbe, in: Luger/Ferch, Die bedrohte Stadt, S. 359–366.

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deren Schutz bedeutet. Auf dieses Weise nobilitiert sich der Tourismus als sozial- und umweltverträglich, ohne allerdings genauer zu hinterfragen, ob das dargestellte und zum Konsum freigegebene Memorialangebot mit dem gelebten Raum übereinstimmt, weil Erinnerungsprozesse ja immer zutiefst sozial geprägt sind.7 Die dem Welterbe oder dem kulturellen Erbe grundsätzlich zugeschriebene Gedächtnisleistung bricht sich an der zeitlichen Diskontinuität des Bewusstseins. Die Gestaltungsmodi dieser erb­lichen „Dinge“ haben das Problem zu lösen, wie Zeit überdauernde Vermittlungsformen des Gedächtnisses zu etablieren sind. Der Kulturtourismus wird so zu einem mächtigen, weil vom postmodernen Menschen nachgefragtes Medium, und zugleich zu einem attraktiven memorialen Gestaltungsmittel.8 Im Erinnerungstourismus werden somit Orte besucht, die für das kulturelle Gedächtnis von Bedeutung sind. Das können Plätze sein, an denen die Sehnsucht nach der „guten alten Zeit“ im Sinne einer glorifizierenden Vergangenheit gestillt wird, Orte des Gedenkens an Kampfhandlungen, Kriegsgräberstätten, Orte, an denen sich große Naturkatastrophen ereigneten und durch die Besucher eine Form der Aufarbeitung mensch­licher Tragödien erfolgen. Mit dem Gedenktourismus wird der Besuch von Gedenkstätten bezeichnet, Gefängnisse wie Robben Island, wo Nelson Mandela zehn Jahre seines Lebens verbrachte, das heute ein Museum beherbergt, in dem die Geschichte der Apartheit und Südafrikas aufgearbeitet wird. Wie das Konzentrationslager Auschwitz gehört es zu den UNESCO-Welterbestätten. Es sind traumatische Orte und Orte der Besinnung auf ungeheure Ereignisse der Menschheitsgeschichte. Eine bedeutende Gedenkstätte und zentraler politischer Ort in Österreich, der in keiner Wiener Stadtrundfahrt fehlen darf, ist der „Heldenplatz“. Seit der Monarchie ist er Schauplatz politischer Inszenierungen und wie kaum ein anderer kann er mit Odo Marquard als eine „Bewahrens-Deponie“ von österreichischer Geschichte bezeichnet werden.9 Als eine solche dezentrale Bewahrens-Deponie der Menschheitsgeschichte sind auch die prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen zu verstehen. Sie sind einzigartig, weil nirgendwo sonst auf der Welt ein lebendigerer Einblick in die Entwicklung jungsteinzeitlicher und metallzeitlicher Siedlungsgemeinschaften und damit prähistorischer Lebenswelten möglich ist.

7 Moller, Sabine: Erinnerung und Gedächtnis, Version 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 12.02.2010. 8 Vgl. Wöhler, Karlheinz: Heritagefication. Zur Vergegenwärtigung des Kulturerbes, in: Luger/­ Wöhler, Welterbe und Tourismus, S. 45–58. 9 Vgl. Luger, Kurt: Das Leben vergeht so schnell wie ein Urlaub. Zeitempfinden im Tourismus des Beschleunigungszeitalters, in: Braun, Bernhard/Neumaier, Otto (Hg.), Eile mit Weile. Aspekte der Be- und Entschleunigung in Wissenschaft und Kunst, Wien 2015, S. 51–68.

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2.  Zielkonflikt Kulturelles Erbe und touristische Vermarktung Seit der Verabschiedung der Welterbekonvention im Jahr 1972 wurden über 1.000 Erben der Menschheit aus 161 Staaten weltweit in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen. Die Kriterien für die Aufnahme in diese Liste zielen auf die Einzigartigkeit, die Authentizität (historische Echtheit) und die Integrität (Unversehrtheit) der einzelnen Objekte ab. Um in die Liste aufgenommen zu werden, müssen insbesondere eines oder mehrere der folgenden Kriterien erfüllt sein. Die potenzielle Welterbestätte muss i) ein Meisterwerk der menschlichen Schöpferkraft darstellen; ii) über einen Zeitraum oder in einem Kulturgebiet der Erde einen bedeutenden Schnittpunkt menschlicher Werte in Bezug auf Entwicklung der Architektur oder Technik, der Groß­ plastik, des Städtebaus oder der Landschaftsgestaltung aufzeigen; iii) ein einzigartiges oder zumindest außergewöhnliches Zeugnis von einer kulturellen Tradition oder einer bestehenden oder untergegangenen Kultur darstellen; iv) ein hervorragendes Beispiel eines Typus von Gebäuden, architektonischen oder technologischen Ensembles oder Landschaften darstellen, die einen oder mehrere bedeutsame Abschnitte der Menschheitsgeschichte versinnbildlichen; v) ein hervorragendes Beispiel einer überlieferten menschlichen Siedlungsform, Boden- oder Meeresnutzung darstellen, die für eine oder mehrere bestimmte Kulturen typisch ist, oder der Wechselwirkung zwischen Mensch und Umwelt, insbesondere wenn diese unter dem Druck unaufhaltsamen Wandels vom Untergang bedroht wird; vi) in unmittelbarer oder erkennbarer Weise mit Ereignissen oder überlieferten Lebensformen, mit Ideen oder Glaubensbekenntnissen oder mit künstlerischen oder literarischen Werken von außergewöhnlicher universeller Bedeutung verknüpft sein; vii) überragende Naturerscheinungen oder Gebiete von außergewöhnlicher Naturschönheit und ästhetischer Bedeutung aufweisen; viii) außergewöhnliche Beispiele der Hauptstufen der Erdgeschichte darstellen, einschließlich der Entwicklung des Lebens, wesentlicher im Gang befindlicher geologischer Prozesse bei der Entwicklung von Landschaftsformen oder wesentlicher geomorphologischer oder physiographischer Merkmale; ix) außergewöhnliche Beispiele bedeutender im Gang befindlicher ökologischer und biologischer Prozesse in der Evolution und Entwicklung von Land-, Süßwasser-, Küsten- und Meeres-Ökosystemen sowie Pflanzen- und Tiergemeinschaften darstellen; x) die für die In-situ-Erhaltung der biologischen Vielfalt bedeutendsten und typischsten Lebensräume enthalten, einschließlich solcher, die bedrohte Arten enthalten, welche aus wissenschaftlichen Gründen oder ihrer Erhaltung wegen von außergewöhnlichem universellem Wert sind.10

Sämtliche Indikatoren auf dieser Liste weisen darauf hin, dass damit auch Rohstoffe für touristische Produkte genannt werden – Außergewöhnlichkeit, Schönheit, Exklusivität und Einzigartigkeit verweisen auf „Sternstunden der Menschheit“ und bilden Qualitäten ab, auf denen attraktiver und damit wirtschaftlich erfolgreicher Tourismus beruht.

10 Richtlinien für die Durchführung des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, Endfassung vom 02.06.2017, S. 25f.; https://www.unesco.de/fileadmin/medien/Bilder/ Welterbe/Welterbe-Richtlinien/UNESCO_WHC_Richtlinien_2015_Amtliche_Uebersetzung_ AA_Juni_2017.pdf (29.01.2018).

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Gleichzeitig wird damit aber auch ein Konfliktpotenzial angesprochen. Mit Heri­ tage – kulturelles Erbe beziehungsweise Welterbe – ist eine fragile, nicht erneuerbare Ressource gemeint. Sie bedarf des Schutzes, um ihren außergewöhnlichen Charakter auch für kommende Generationen zu erhalten. Die Gefährdung betrifft materielle wie immaterielle Schätze gleichermaßen, es stehen aber die materiellen, im Wesent­ lichen Bauwerke oder Kulturlandschaften, im Vordergrund der Betrachtung. Am meisten bedroht ist das kulturelle Erbe in Entwicklungsgesellschaften.11 Die Ursachen für Gefährdungen sind vielfältig, und auch durch den Tourismus kann es zu erheblichen Störungen im kulturellen Gefüge kommen. Die unkontrollierte Tourismusentwicklung ist ein Faktor der Bedrohung unter vielen anderen.12 Der fundamentale Zielkonflikt liegt wohl darin, dass Heritage als System vom zugrundeliegenden Prinzip der Erhaltung und Tradierung dessen, was von Generation zu Generation weitergegeben werden soll, gesteuert wird. Welterbe bezieht sich auf die größtmögliche Bezugsgruppe – die gesamte Menschheit – und ist gemeinwohlorientiert. Tourismus als System wird gesteuert vom zugrundeliegenden Prinzip Verbrauch beziehungsweise Konsum von Landschaft und Ressourcen und ist profitorientiert.13 Es folgt einem postmodernen Konzept von mobiler Freizeit, individueller Bedürfnisbefriedigung und erlebnisorientierter Vereinnahmung der Welt.14 Eine weitgehende Versöhnung der Ziele und Prinzipien – so zeigt die Praxis – lässt sich im qualitätsorientierten Kulturtourismus erreichen. Sie erfolgt dann, wenn es ­erstens zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Welterbe kommt, der Tourismus eine Sinnstiftung oder Bedeutung zuweisende Erfahrung, „meaningful ­experience“15 ermöglicht, und zweitens, wenn eine auf Nachhaltigkeitskriterien und die Bewahrung des Erbes bezogene Tourismuspolitik in der Praxis umsetzt wird. Im Kulturtourismus wird grundlegend unterschieden zwischen allgemeinem und spezifischem kulturellen Interesse.16 Ein „general cultural tourist“ konsumiert Kultur 11 Vgl. Timothy, Dallen J./Nyaupane, Gyan: Cultural Heritage and Tourism in the Developing World. A Regional Perspective, London 2009. 12 Vgl. Hoivik, Susan: Locale Culture: Is Tourism the Enemy? Some Oberservations from Nepal Himalaya, in: Luger, Kurt/Wöhler, Karlheinz (Hg.), Kulturelles Erbe und Tourismus. Rituale, Tradition, Inszenierung, Innsbruck 2010, S. 395–414; Unakul, Mointira Horayangura: Trading Culture: Living Heritage, Cultural Relativism and Tourism in Market Towns in Thailand, in: Luger/ Wöhler, Kulturelles Erbe und Tourismus, S. 383–394. 13 Vgl. Luger, Kurt: Welterbe-Tourismus. Ökonomie, Ökologie und Kultur in weltgesellschaftlicher Verantwortung, in: Luger/Wöhler, Welterbe und Tourismus, S. 17–41. 14 Vgl. Egger/Luger, Tourismus und mobile Freizeit; Kagelmann, Jürgen/Bachleitner, Reinhard/Rieder, Max (Hg.): Erlebniswelten. Zum Erlebnisboom in der Postmoderne, München 2004; Rössel, Jörg: Die Erlebnisgesellschaft zwischen Zeitdiagnosen und Sozialstrukturanalyse, in: Österreichische Zeitschrift für Soziologie, 28, 2 (2003), S. 182–201. 15 Prentice, Richard: Revisiting Heritage. A Key Sector of the (then) ‘New’ Tourism – Out with the ‘New’ and out with ‘Heritage’? in: Cooper, Chris (Hg.), Classic Reviews in Tourism, Clevedon 2003, S. 164–191. 16 Vgl. McKercher, Bob/du Cros, Hilary: Cultural Tourism. Partnership between Tourism and Cultural Heritage Management, Binghampton, NY 2002.

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im Sinne von inszenierter Aufführungskultur oder bestaunt Kulturbauten als einen Bestandteil des gesamttouristischen Angebots. Attraktionen im Rahmen einer „heritage industry“ bestehen etwa in Form von Ausstellungen, historisierten Produkten oder Themeninszenierungen. Event- und Erlebnisorientierung werden dabei vorausgesetzt, denn ohne populäre Vermittlungsformen nimmt das Publikum die Produkte nicht an.17 In der „ernsthaften Freizeit“, wo das tiefe persönliche Interesse an kulturellen Artefakten die innere Motivation ausmacht und die antipodische Form zum „tourism gaze“, zum Sehenswürdigkeiten bestaunenden und abhakenden Tourismus bildet, formt die Suche nach Einsichten und Originalität den speziellen Kulturtourismus.18 Der „special cultural tourist“ unternimmt die Reise aus spezifischen Gründen, das Kulturerbe selbst bildet die Attraktion und steht im Zentrum des touristischen Interesses.19 In jedem Fall besteht die Herausforderung für die Tourismusanbieter in der Gratwanderung zwischen Bildungsvermittlung und der Befriedigung von Unterhaltungsbedürfnissen, wobei das Erlebnis in der Synthese von Dienstleistungs- und Vermittlungsqualität liegt und sich mit den neuen Informationstechnologien ein erhebliches Steigerungspotenzial an­ bietet.20

3.  Profane Pilgerschaft und sakramentale Erfahrung Durch die Erhebung zum Welterbe und die damit verbundene kulturelle Bedeutungszuweisung wird ein profaner Ort oder ein für eine Glaubensgemeinschaft religöser Raum zu einem quasi-sakralisierten Raum für die gesamte Menschheit. Im Welterbe-­ Tourismus erfahren, studieren und konsumieren die Besucher grundlegende Elemente einer Kultur beziehungsweise die Ikonen nationaler Identität. Materielles Kulturerbe basiert auf einem tiefer liegenden Konzept, dessen Verständnis ein gewisses Wissen voraussetzt. Es handelt sich um verschwundene Welten, die Aufschluss geben können über die Geschichte der Menschheit. Welterbe-Erfahrung ermöglicht es daher, sich als Teil der Geschichte zu erleben, sich als Teil eines größeren Ganzen zu sehen, weil die Besucher mit zeitübergreifenden Ordnungen in Berührung kommen. Wöhler spricht sogar von einer „sakramentalen Erfahrung“.21 Darin offenbart sich Transzendentes. Es geht also um den angemessenen Respekt vor bestimmten Plätzen, Gedächtnisstätten, Naturdenkmälern etc., denn sie werden in der profanen Welt durch die Erhebung zum Welterbe sakralisiert, und Profanes wird über die kulturelle Bedeutungszuweisung zu etwas Heiligem. 17 Vgl. Wöhler, Karlheinz: Erlebniswelten. Herstellung und Nutzen touristischer Welten, Münster 2005. 18 Vgl. Prentice, Revisiting Heritage. 19 Vgl. Richards, Greg: Production and Consumption of European Cultural Tourism, in: Annals of Tourism Research 23 (1996), S. 261–283. 20 Vgl. Egger, Roman: Die Welt wird phygital. Metamorphosen touristischer Räume, in: Egger/Luger, Tourismus und mobile Freizeit, S. 27–46. 21 Wöhler, Heritagefication (s. Fußnote 8).

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In der Hierophanie zeigt sich das Heilige, „eine Realität die nicht von dieser Welt ist“, schreibt Mircea Eliade. Die Geschichte des menschlichen Geistes und die Manifestationen seiner Kunstfertigkeit werden als „kulturell wertvoll“ klassifiziert, gewissermaßen „sakralisiert“ – als Kontrast zum nahezu gänzlich entsakralisierten Kosmos. Damit wird ihnen ein Wert zugebilligt, der für die gesamte Menschheit Gültigkeit beanspruchen kann. Das Welterbe schafft auf diese Weise einen „festen Punkt“, ein Zentrum oder eine Weltachse, die Orientierung gibt. Es ist wichtig zu begreifen, betont Eliade weiter, „dass die Kosmisierung unbekannter Gebiete immer eine Weihe ist: Wer einen Raum ordnet, wiederholt das exemplarische Werk der Götter.“ 22 Wöhler bezeichnet dies zu Recht als „Kanonisierung“ von Räumen. Es wird dadurch das kulturelle Gedächtnis formiert, weil aus der Vielfalt kultureller Artefakte bestimmte als erinnerungswürdig deklariert werden. Einem Ort, einer Region, einer Stätte wird ein dauerhafter Code gegeben und auf diese Weise ihre überzeitliche Bedeutung festgeschrieben. Diese Erfahrung des Bedeutsamen macht auch die Einzigartigkeit aus, man wird sich gewissermaßen dadurch dieses außergewöhnlichen und universalen Wertes gewahr. Darin liegt eben auch das große touristische Potenzial, denn es gibt eine große Sehnsucht nach Emotionalität und Ganzheitserleben mit dem Wunsch, sich eins oder im Einverständnis mit der Welt zu empfinden. Welterbetouristen begeben sich somit gewissermaßen auf eine profane Pilgerschaft. Die als Welterbe sakralisierten Orte mit eigenen Sinnen zu erfahren, ist der Hauptgrund, weshalb Touristen tausende Meilen reisen und hunderte von Stufen erklimmen.

4.  Touristische Wertschöpfung aus kulturellem Erbe In den Statistiken der UN-Welttourismusorganisation werden Kultur und Natur seit Jahren als vielversprechende Wachstumsmärkte gesehen. Derzeit wächst der Kulturtourismus jährlich um ca. 4 %, der naturnahe Tourismus expandiert in manchen Regionen in noch größerem Ausmaß. Heute enthält jede dritte Reise eine Kulturkomponente. Für den Tourismus bilden die Schätze der Kulturen und der Natur den Rohstoff für hochwertige Produkte. Ohne sie wäre der Tourismus nicht zu der weltweit am schnellsten wachsenden Wirtschaftsbranche geworden. Diese Dynamik kann positive wie negative Auswirkungen auf Welterbestätten haben. Die dem Tourismus innewohnende Widersprüchlichkeit hat das UNESCO-Welt­ erbezentrum in Paris dazu bewogen, diesem Thema im Welterbe-Management eine größere Bedeutung zu widmen. Es geht letztlich um die Beantwortung von zwei entscheidenden Fragen: Erstens – wie viele Touristen kann eine Welterbestätte vertragen, ohne der Qualität des Erlebnisses oder der Einrichtung selbst zu schaden? Zweitens – wie viele Besucher benötigt sie, um wirtschaftlichen Nutzen für die Stakeholder des Welterbes zu stiften? 22 Eliade, Mircea: Das Heilige und Profane. Vom Wesen des Religiösen, Frankfurt a. M. 1998, S. 33.

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Die enorme touristische Wertschöpfung wird im Folgenden illustrierend an einem Beispiel – der Welterbe- und Festspielstadt Salzburg – dargestellt. Wenige Tourismusstädte verfügen über ein Image wie Salzburg, das virtuell wie manifest so eng mit Kultur assoziiert wird. Wolfgang Amadeus Mozart und die 1920 gegründeten Salzburger Festspiele prägten ihren Ruf als eine „Musikhauptstadt der Welt“. Im populären Genre hat der Hollywood-Film „The Sound of Music“ – 1966 ein mehrfacher Oscar- und Golden Globe-Winner – das Musikimage der Stadt unterstrichen und die Schönheit der Stadt sowie der umliegenden Region weltweit berühmt gemacht. Seit 1997 ist die Historische Altstadt geschütztes Welterbe. Kultur oder vielmehr die Verzahnung von Kultur und Tourismus wird auf vielfältige Weise sichtbar. Salzburg ist das Zentrum der klassischen Musik und eine führende Destination des wertschöpfenden Qualitätstourismus. Ihr ausgeprägtes Markenimage im populären Genre der Unterhaltungsindustrie verdankt sie dem „location placement“ durch den „Sound of Music“, dem jährlichen Adventsingen, dem Weihnachtsmarkt und den Heimatfilmen. Die dramatische wie eindrucksvolle Stadtlandschaft, die sakrale Architektur des einstigen Bischofssitzes sowie Mozart und die Festspiele sind auch die Elemente, auf denen die Eintragung in die UNESCO-Welterbeliste beruht. Dieser Architektur, den Festspielen und dem Genius loci Wolfgang Amadé verdankt die Stadt auch ihr kulturelles Ambiente. Millionen von Touristen zieht es in Mozarts Geburtsstadt, um die „Stadt der Musik“ zu erleben und sein Geburtshaus zu besuchen. Der durch diese „Marke“ erzielte Bekanntheitsgrad der Stadt reicht weit über ihre kleinstädtische Bedeutsamkeit hinaus. Für die Stadt ist Mozart in Verbindung mit den Festspielen der wichtigste Image- und Werbe­träger, ein Stück „Weltkultur“. Vermarktet und konsumiert, wurde er zu einem Teil der Populär- und Massenkultur. Sein Konterfei prangt auf dem wohl berühmtesten Souvenirprodukt Salzburgs: der „Mozart-Kugel“. Der Süßwarenhersteller Mirabell verkaufte allein im Mozartjahr 1991 rd. 100 Mio. dieser Schokokugeln.23 2014 zählte Salzburg 1,5 Mio Touristenankünfte und 2,6 Mio Nächtigungen in rund 11.200 Betten, fast 60 % davon in Vier- und Fünfsternhotels. Die durchschnitt­ liche Auslastung betrug über das Jahr 56 % bei einer Aufenthaltsdauer von 1,7 Tagen.24 Die Attraktivität als Reiseziel unterstreichen jährlich rund 6 Mio Tagesgäste. 70 % aller Salzburg-Touristen kommen aus dem Ausland und sie konsumieren ein Gesamtprodukt, komponiert aus Elementen der Hoch- und Populärkultur, der Architektur des Barock, der Kulinarik und des immateriellen Kulturerbes in der Performation einer Zeitreise.

23 Vgl. Luger, Kurt: Salzburg als Bühne und Kulisse, in: Haas, Hans/Hoffmann, Robert/Luger, Kurt (Hg.), Weltbühne und Naturkulisse. Zwei Jahrhunderte Salzburger Tourismus, Salzburg 1994, S. 176–187. 24 Salzburger Statistik 2014: Der Tourismus im Jahr 2014; www.stadt-salzburg.at/pdf/der_tourismus_im_jahr_2014__broschuere_.pdf (1.04.2015).

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Rezente Untersuchungen geben einen Eindruck von der Wertschöpfung und der Umwegrentabiltität, die aus dem Kulturtourismus resultieren:25 –– Umsatz Einzelhandel in der Welterbezone (2009) € 236 Mio; Catering/Gastronomie € 79 Mio; Creative Industries inkl. Museen € 93 Mio –– Wertschöpfung Tagestourismus Bruttoumsatz € 162 Mio (bei 5,5 Mio Besucher 008); Steuereinnahmen für 4.500 Arbeitsplätze € 3,5 Mio; –– Gesamtwirtschaftlicher Effekte der Salzburger Festspiele € 275 Mio (2011); Adventsingen € 19 Mio (2008) –– Ausgaben: Budget für Altstadtschutz 1 Mio € p.a. (Altstadtfonds); Altstadt-Marketing ca. 2 Mio € p.a.; Salzburg Tourismus-Marketing rd. 3–4 Mio € p.a. Von den Motiven der Touristen her (sowohl bildlich wie auch kognitiv) ist das als Welt­ erbe geschützte Ensemble ein entscheidendes Motiv für den Besuch der Stadt. Die Besucher kommen in erster Linie wegen dieser kulturellen Mischung aus einzigartiger Architektur, dem „Spirit of Mozart“ sowie dem „Sound of Music“ und somit aus Gründen, die mit dem Welterbe eng in Verbindung stehen. Durch Kultur profiliert sich Salzburg gegenüber anderen Städten. Das kulturelle Angebot als der pivotale Standortfaktor dieser Stadt trägt in Kombination mit der städtebaulichen Schönheit und Einzigartigkeit des Welterbes zum touristischen Erfolg bei. Mit dem Gebotenen sind die Besucher laut Umfragen auch hoch zufrieden, wenngleich während der Sommermonate und in der Adventzeit die Tragfähigkeit des Gebietes (carrying capacity) ausgereizt wird. Die Zahl der Menschen in den engen Altstadtgassen erzeugt ein Gefühl von Dichte (crowding), das an die Grenzen des Tolerierbaren stößt. Effektvolle Konzepte für eine Besucherstromlenkung in historischen Altstädten beziehungsweise für Welterbestätten, die nicht wie Schlösser oder Tempelanlagen auf quasi natürliche Weise von Mauern, Felsen oder wasserführenden Gräben eingegrenzt und deren Zutritt somit kontrolliert werden kann, sind bislang noch nicht entwickelt worden.26 Das Problem liegt darin, dass zu Stoßzeiten alle Touristen offenbar gleichzeitig das finden wollen, wonach sie suchen, und es damit tendenziell zerstören. Der Massentourismus bringt das Gleichgewicht zum Kippen, und die schönen Städte – mehr noch als Salzburg sind etwa Florenz und Venedig davon betroffen – laufen Gefahr, von ihren Liebhabern buchstäblich erdrückt zu werden.27

25 Vgl. UNESCO ‚Lehrstuhl Kulturelles Erbe und Tourismus‘ Universität Salzburg: Welterbe und Tourismus. Eine Fallstudie zum Welterbe Salzburg, Salzburg 2012. 26 Vgl. Arnberger, Arne: Lenkung von Besucherströmen aus Sicht der Erholungsplanung, in: Egger/ Luger, Tourismus und mobile Freizeit, S. 281–298. 27 Salzburger Nachrichten vom 28.3. 2015: Kultur wird ein immer stärkeres Reisemotiv; Wiener Journal vom 1.08.2014: Wann ist genug zu viel?

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5.  Bewahrung des Erbes der Menschheit Welterbe als zentraler Bestandteil eines Tourismuskonzepts setzt für beide Seiten positive Akzente. Es verlangt aber eine Ausrichtung an Qualitätsmaßstäben, die dem Erbe der Menschheit angemessen sind, d.h. es besteht ein großer Bedarf an gesetz­lichen Rahmenbedingungen, um Zerstörung oder Missbrauch des Erbes zu vermeiden. Die UNESCO verlangt vom Management einer Welterbestätte Leitbilder, Managementpläne und deren kontrollierbare Umsetzung sowie klare Vorstellungen und Strategien für die Tourismusentwicklung. Gesetze zum Schutz – wie in Salzburg das Altstadterhaltungsgesetz – gelten als Voraussetzung für den verantwortungsbewussten Umgang mit dem architektonischen Erbe, aber sie geben keine Garantie, dass diese auch entsprechend befolgt werden. Altstädte sind begehrte Räume für Wertanlage und Spekulation in Immobilien. In etlichen Welterbestätten zeigt sich, dass der legistische Schutz des Erbes nicht ausreicht. In Italien verfallen die wertvollsten Zeugnisse des Altertums und der Renaissance, in Frankreich stehen etliche zum Verkauf an und im Vereinigten Königreich sollen sie in „heritage cash cows“ und in „charity objects“ aufgeteilt werden.28 Konflikte gibt es nahezu überall – auch in Salzburg. Trotz des Altstadterhaltungsgesetzes, eines strikten Denkmalschutzes und des UNESCO-Titels Welterbe gelingt es Investoren, der Stadt aufzuzwingen, wie und was sie selbst in der Kernzone des Welt­ erbes bauen wollen. Weder Bürokratie noch Politik verfügen über Mittel oder nutzen ihre amtliche Autorität, um das Maß zu finden zwischen behutsamer Entwicklung und verantwortungsbewusster Erhaltung des Wertvollsten, was die Stadt besitzt. Erst ein starker Bürgerprotest, ausgelöst von einigen im geschützten Altstadtensemble geplanten Bauvorhaben beziehungsweise deren ästhetisch herausfordernder, das Welterbe kompromittierender Architektur, brachte das Thema auf die städtische Tagesordnung (Abb. 1).29 Um derartige Probleme in den Griff zu bekommen, bedarf es einer Stadtplanung auf lange Sicht, die über den Welterbe-Perimeter und die Pufferzone hinausreicht. Eine geschützte Altstadt muss mit ihrem Umfeld kommunizieren, nur so lassen sich Stadtteile zu einem größeren funktionierende Ganzen zusammenführen. Auch der Tourismus ist in einem breiteren Kontext zu sehen. Eingebunden in eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Regionalentwicklung, kann sich verträglicher Kultur- und Naturtourismus entfalten und damit auch einen wesentlichen Beitrag zum Schutz des Welterbes leisten. Dem übergeordneten Ziel der Nachhaltigkeit verpflichtet, sind daher Indikatoren für angemessenes touristisches Handeln aller Beteiligten in Welterberegionen zu entwickeln. Was für den Tourismus allgemein Gültigkeit hat, gilt für den sensiblen Welt­ 28 Vgl. van Oers, Ron: The Economic Feasibility of Heritage Preservation, in: Logan, William/Craith, Máiréad Nic/Kockel, Ullrich (Hg.), Blackwell Companion to the New Heritage Studies, Chichester 2015, S. 309–321. 29 Vgl. Luger/Ferch, Die bedrohte Stadt, Zeichnung: Thomas Wizany, Salzburger Nachrichten.

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1  Protest gegen das Weltkulturerbe kompromittierende Bauen in der Altstadt Salzburg

erbe- und Kulturtourismus in ganz besonderer Weise, denn die langfristige Sicherung des bestehenden Erbes steht im Vordergrund aller Überlegungen. Nachhaltig ist der Tourismus dann, wenn er –– langfristig möglich ist, weil Entwicklung aller Ressourcen schonend betrieben wird; –– kulturell verträglich ist, weil Respekt gegenüber den lokalen Konventionen und Riten ausgedrückt wird, ein Verzicht auf ausbeutende Kommerzialisierung und eine Anpassung an ortsübliche Standards erfolgt; –– sozial ausgewogen ist, weil die Nutzen und Nachteile gleichermaßen gestreut werden, regionale Disparitäten vermieden werden und Einheimische in die Entscheidungen eingebunden sind; –– ökologisch tragfähig ist, weil möglichst geringer Druck auf Umwelt, Vermeidung von Schädigungen der Biodiversität und eine Förderung von Umweltbewusstsein erfolgt; –– wirtschaftlich sinnvoll und ergiebig ist, weil er profitables Geschäft für die lokale beziehungsweise nationale Ökonomie ist, zur Schaffung von Einkommen für die einheimische Bevölkerung maßgeblich beiträgt.30 30 Luger, Kurt: Welterbe-Tourismus, S. 35f.

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  Die UN WTO hat zusammen mit dem UNESCO-Welterbezentrum diesen Nachhaltigkeitsgedanken zu einem Programm ausgearbeitet. Es sieht Zielsetzungen in den folgenden fünf Sektoren vor: –– „Integrate sustainable tourism principles into the mechanisms of the World Heritage Convention. –– Strengthen the enabling environment by advocating policies, strategies, frameworks and tools that support sustainable tourism as an important vehicle for protecting and managing cultural and natural heritage of Outstanding Universal Value. –– Promote broad stakeholder engagement in the planning, development and management of sustainable tourism that follows a destination approach to heritage conservation and focuses on empowering local communities. –– Provide World Heritage stakeholders with the capacity and the tools to manage tourism efficiently, responsibly and sustainably based on the local context and needs. –– Promote quality tourism products and services that encourage responsible behaviour among all stakeholders and foster understanding and appreciation of the concept of Outstanding Universal Value and protection of World Heritage.”31 Tourismus und Welterbe miteinander zu verbinden und positive Synergien im Sinne von benchmarks zu entwickeln, war eine Zielsetzung der Pilotstudie, die der Autor dieses Artikels mit dem World Nature Forum/Swiss Alps Jungfrau-Aletsch durchführte. In einem Vergleich mit anderen Welterbestätten, die im Rahmen dieser Benchmark-­Studie untersucht wurden, schneidet Salzburg bezüglich Erhaltung des Welterbes und hinsichtlich der touristischen Inwertsetzung beziehungsweise Tourismusmanagement gut ab, hinsichtlich seiner Kommunikationleistungen bleibt es hinter den anderen zurück (Abb. 2). Ein Welterbe-Besucherzentrum wie in anderen Welterbestätten gibt es in Salzburg nicht. Zumal auch kein Besucherleitsystem vorhanden ist, könnte man kritisch anmerken, dass sich die größte Schwäche des Welterbes Salzburg in der fehlenden Kommunikation mit Einheimischen und Besuchern beziehungsweise Touristen ausdrückt. Bis zur Eskalation des Konflikts über die neuen Bauvorhaben und deren auftrumpfender, das Welterbe nicht respektierender Architektur war das Thema Welterbe in der Öffentlichkeit überhaupt nicht präsent. Auch die Unterstützung seitens der Politik ist andernorts deutlich größer, was darauf verweist, dass dem Welterbetitel in Salzburg von Seiten der dafür verantwortlichen Stadtverwaltung lange Zeit geringe Bedeutung beigemessen wurde. Erst kürzlich – 17 Jahre, nachdem Salzburg als Erbe der Menschheit von der UNESCO ausgezeichnet worden war – bestellte der Salzburger Gemeinderat einen Mitarbeiter des Stadtbauamtes zum „weisungsungebundenen“ Welterbe-Beauftragten. Zu seinen ersten Aufgaben gehört die von der UNESCO mehrfach eingeforderte Revision des Managementplans. Angesichts des enormen Nutzens für das Image und die Wirt31 UNESCO World Heritage and Sustainable Tourism Programme; http://whc.unesco.org/uploads/ activities/documents/activity-669-7.pdf (29.01.2018).

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2  Vereinbarkeit von Welterbe und Tourismus – Weltweiter Vergleich von fünf Welterbestätten

schaft, den der Welterbe- und Kulturtourismus der Stadt bringt, ist dies ein in jeder Hinsicht erstaunlicher Befund.

6.  Das touristifizierte Welterbe als interkulturelles Medium Die Zielsetzung des Welterbe-Tourismus besteht zum einen im Erhalt der Welterbestätte, zum anderen aber im Bereisen beziehungsweise im Zugänglichmachen des kulturellen Erbes. Die in der Welterbekonvention formulierte kulturelle Aufgabe der umfassenden Information schließt auch die Förderung des Verständnisses für andere kulturelle Ordnungen, Denkweisen und Lebensformen mit ein. Dialogfähigkeit und Verständnis für die andere Kultur werden allerdings nicht alleine schon durch das Aufsuchen einer touristisch aufbereiteten Kulturstätte entwickelt. Gleichwohl bedeutet interkulturelle Begegnung mehr als das bloße Betreten und neugierige Anstaunen (Sightseeing) eines fremden Raumes.32 32 Vgl. Rössler, Mechthild: Weltkulturerbe und Globalisierung, in: Schröder, Iris/Höhler, Sabine (Hg.), Welt-Räume. Geschichte, Geographie und Globalisierung seit 1900, Frankfurt a. M. 2005, S. 235–257.

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Der Welterbe-Tourismus kann ein hervorragendes interkulturelles Medium sein.33 Der ganze Ort beziehungsweise eine ganze Region wird zur Weltbühne, zu einem Open air-Hörsaal, jede Welterbestätte zu einer riesigen Bildungsplattform! Der Kulturtourismus ermöglicht Einsichten und Verständnis, reduziert kulturelle Konfusion34 und ermöglicht interkulturelles Lernen beziehungsweise Fremdverstehen, ohne dass eine pädagogische Situation hergestellt werden muss. Aber das verlangt ein Eintauchen in die komplexen Bedeutungssysteme und Sinnwelten, anders lässt sich ein kulturelles System nicht verstehen oder begreifen. Erleben, das heißt zuerst Sehen, dann sinnhaft deuten und erschließen. Die kulturelle Vermittlungsaufgabe führt den Bewohnern einer Region ihre Herkunft vor Augen und macht den Besuchern von auswärts klar, was die Besonderheit der Lebensformen und der vergangenen Lebenswelten prägte und vielleicht bis heute ausmacht. Im Kulturund Welterbetourismus kommt es daher auf die Qualität der Vermittlung an, die mit der außerordentlichen Bedeutung des Welterbes mithalten muss. Dabei liegt die Qualität in der Präsentation beziehungsweise in der Geschichte, die erzählt wird – im „story telling“, im atmosphärischen Erlebnischarakter und damit auch im „overall tourism product“. Denn letztlich entscheidet das Gefüge von Dienstleistung und Preis, von Bedeutung und Wertschätzung darüber, ob die Besucher eine positive Erlebniserfahrung mitnehmen wie eine Trophäe von einem erfolgreichen Aufenthalt in einer für sie vorher unbekannten Konfiguration aus Raum und Zeit.35 Die profane Pilgerschaft zu den Stätten des Welterbes entspricht somit einem kollektiven Prozess der emotionalen Aneignung eines Raumes. Dieses place making kann man als Ausdruck höchster Wertschätzung für die außerordentlichen Leistungen und das kulturelle Erbe eines Ortes interpretieren. Wahrnehmung, Emotionalität und Inszenierung sind wesentliche Komponenten in der Konstruktion touristischer Erlebnisse. Touristen verfügen über innere Bilder und Vorstellungen von der Destination, die sie im Sinne einer „imaginären Geographie“ erworben haben und auf Erzählungen, Mythen, aber auch Sehnsüchten beruhen, die Erwartungen schaffen.36 Diese Imaginationen werden stark von den audiovisuellen Medien geprägt, die sich am Sensationellen, Aktionistischen, am Außergewöhn­lichen wie an der Einmaligkeit der Inszenierung orientieren. Touristen wie die Be­­sucher eines Welt­erbes sind in ihren Erlebnisansprüchen verwöhnt von den Angeboten dieser medialen Unterhaltungsindustrie, von Computeranimation und 3 D-Spektakel. Sie verlangen

33 Vgl. Saretzki, Anja/May, Carola: Welterbetourismus – ein interkulturelles Medium? in: tw – Zeitschrift für Tourismuswissenschaft 4, 2 (2012), S. 151–166. 34 Vgl. Hottola, Petri: Culture Confusion. Intercultural Adaption in Tourism, in: Annals of Tourism Research 31, 2 (2004), S. 447–466. 35 Vgl. Pfister, Dieter: Atmospheric Design. Zur Bedeutung von Atmosphäre und Design für eine sozial nachhaltige Raumgestaltung, Basel 2013. 36 Vgl. Lehnert, Gertrud: Raum und Gefühl: Der Spatial Turn und die neue Emotionsforschung, Bielefeld 2011; Csaky, Moritz/Leitgeb, Christoph (Hg.): Kommunikation – Gedächtnis – Raum. Kulturwissenschaften nach dem ‚Spatial Turn‘, Bielefeld 2009.

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auch von der szenographischen Präsentation des Kulturerbes eine Intensivierung des Er­­ lebens. Durch die kommunikationstechnologischen Innovationen er­­geben sich auch völlig neue Dimensionen qualitätsvoller Vermittlung. Hostessenmedien wie Smart­phones und Social Media bringen nicht nur Komfort und ad hoc-Informationen in die Hand, sondern können auch den Reiz und Erlebnischarakter multiplizieren. Die Gedächtnis­ institutionen – Stichwort Digitales Museum – nutzen diese Chancen in ­g roßem Ausmaß. Augmented Reality-Applikationen verbinden Realwelt mit künst­lichen Wirklichkeiten und können so die Vorstellungen in markante Bilder transformieren – die Welt wird „phygital“, virtuelle Ebenen legen sich über den Realraum, Informationen über­ tragen sich auf physische Objekte.37 Dieser Herausforderung stellen sich in ganz spezieller Weise die Szenographen der prähistorischen Unterwasserwelt, denn sie müssen auch die verborgene Ebene des zu Präsentierenden eindrucksvoll vermitteln. Aber grundsätzlich muss jeder Besucher vom Bekannten und Vorgestellten zum noch Unbekannten beziehungsweise zum Unsicht­ baren geleitet werden, damit auch das nicht Wahrgenommene in das Sichtfeld gerät und seine Wirkmächtigkeit erschlossen werden kann. Touristen, insbesondere Kulturtouristen, suchen zumeist jene Teilausschnitte der Realität in Form eines konsumierbaren Angebots, das „authentische Züge“ trägt und nicht zu sehr nach „von der Stange“ wirkt. Im Welterbetourismus sind aber auch die Qualitätserwartungen an das touristische Produkt deutlich höher. Für die Erlebnisqualität entscheidend ist die Begegnung mit der Sehenswürdigkeit, der sinnliche Direktkontakt, die Berührungsmagie. Letztlich sind alle Tourismushabitate ein Produkt sozialer Konstruktionen, die mit bestimmten Vorstellungen, Werten und Gefühlen aufgeladen werden. Sie entgrenzen den territorialen Alltag als Heterotope, und indem sie mit Erlebnishaftem inszeniert und mit positiven Bedeutungen versehen werden, kann man sie auch als „Orte des Glücks“ bezeichnen. Dieser Begehrensraum wird sinnlich erschlossen und emotional angeeignet als etwas Außerordentliches, als ein glücklich machender Fern- beziehungsweise Anders-Raum.38 Für Kulturtouristen wird das Kulturerbe zu einem kreativen und kommunikativen Lernort in der Freizeit. Mit einer nicht-schulischen Didaktik vermittelt, kommen die Besucher dem näher, was sie oft unspezifisch als „Erweiterung des Horizonts“ bezeichnen.39 Sie erreichen auf diese Weise als individuelle Schatzsucher jenes Ziel, von dem schon im 16. Jahrhundert Theodor Zwinger in seinem „Methodus apodemica“ spricht, wenn er von den Schatzhäusern des Wissens verlangt, dass sie die über die Welt ver-

37 Egger, Die Welt wird phygital, S. 33. 38 Vgl. Wöhler, Karlheinz: Touristifizierung von Räumen, Wiesbaden 2011. 39 Vgl. Lauterbach, Burkhart: ‘Horizont erweitern, etwas für Kultur und Bildung tun´. Eine kultur­ wissenschaftliche Annäherung an touristische Begegnungen mit dem Erfahrungsraum Großstadt, in: tw – Zeitschrift für Tourismuswissenschaft 3, 1 (2011), S. 5–24.

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streuten „Schätze der Weisheit und der Tugend“ einsammeln und mittels klaren Denkens zu Anweisungen für das tägliche Leben aufbereiten.40

7. Zusammenfassung Welterbe beziehungsweise immaterielles Kulturerbe verfügt über ein enormes touristisches Potenzial. Ökonomische Wertschöpfung und interkulturelle Kommunikation durch bedeutungserschließende Vermittlung sind zwei Zielsetzungen, die mit der Bewahrung des Welterbes als zentrale Managementaufgabe zu sehen sind. Der Zielkonflikt zwischen touristischer Nutzung und bewahrender Pflege des Erbes lässt sich durch Einbindung des Kulturtourismus in eine regionale Nachhaltigkeitsperspektive lösen. Auf diese Weise leistet dieser einen wesentlichen Beitrag zur Erhaltung des Welterbes.

Literatur Arnberger, Arne: Lenkung von Besucherströmen aus Sicht der Erholungsplanung, in: Egger/Luger, Tourismus und mobile Freizeit, S. 281–298. Assmann, Aleida: Das Welterbe als neue Form des kulturellen Gedächtnisses, in: Luger/Ferch, Die bedrohte Stadt, S. 19–25. Csaky, Moritz/Leitgeb, Christoph (Hg.): Kommunikation – Gedächtnis – Raum. Kulturwissenschaften nach dem ‚Spatial Turn‘, Bielefeld 2009. Egger, Roman/Luger, Kurt (Hg.): Tourismus und mobile Freizeit. Lebensformen, Trends, Herausforderungen, Norderstedt 2015. Egger, Roman: Die Welt wird phygital. Metamorphosen touristischer Räume, in: Egger/Luger, Tourismus und mobile Freizeit, S. 27–46. Eliade, Mircea: Das Heilige und das Profane. Vom Wesen des Religiösen, Frankfurt a.M. 1998. Ertl, Astrid: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen, in: Nünning, Ansgar/Nünning, Vera (Hg.), Konzepte der Kulturwissenschaften, Stuttgart 2003, S. 156–183. Fasching, Gerhard: Erinnerungstourismus, in: Egger/Luger, Tourismus und mobile Freizeit, S. 439–458. Ferch, Christoph/Luger, Kurt: Resümee und Empfehlungen für menschengerechtes Bauen im Welterbe, in: Luger/Ferch, Die bedrohte Stadt, S. 359–366. Hoivik, Susan: Local Culture: Is Tourism the Enemy? Some Observations from the Nepal Himalaya, in: Luger/Wöhler, Kulturelles Erbe und Tourismus, S. 395–414. Hottola, Petri: Culture Confusion. Intercultural Adaptation in Tourism, in: Annals of Tourism Research 31, 2 (2004), S. 447–466 (doi:10.1016/j.annals.2004.01.003). Kagelmann, Jürgen/Bachleitner, Reinhard/Rieder, Max (Hg.): Erlebniswelten. Zum Erlebnisboom in der Postmoderne, München 2004. Lauterbach, Burkhart: ‚Horizont erweitern, etwas für Kultur und Bildung tun.‘ Eine kulturwissenschaftliche Annäherung an touristische Begegnungen mit dem Erfahrungsraum Großstadt, in: tw – Zeitschrift für Tourismuswissenschaft, 3, 1 (2011), S. 5–24. Lehnert, Gertrud: Raum und Gefühl. Der Spatial Turn und die neue Emotionsforschung, Bielefeld 2011. Luger, Kurt: Das Leben vergeht so schnell wie ein Urlaub. Zeitempfinden im Tourismus des Beschleunigungszeitalters, in: Braun, Bernhard/Neumaier, Otto (Hg.), Eile mit Weile. Aspekte der Be- und Entschleunigung in Wissenschaft und Kunst (Schnittstellen. Wissenschaft und Kunst im Dialog, Bd. 4), Wien 2015, S. 51–68.

40 Stagl, Justin: Eine Geschichte der Neugier. Die Kunst des Reisens 1550–1800, Wien 2002, S. 158.

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Luger, Kurt: Welterbe-Tourismus. Ökonomie, Ökologie und Kultur in weltgesellschaftlicher Verantwortung, in: Luger/Wöhler, Welterbe und Tourismus, S. 17–41. Luger, Kurt: Salzburg als Bühne und Kulisse, in: Haas, Hans/ Hoffmann, Robert/Luger, Kurt (Hg.), Weltbühne und Naturkulisse. Zwei Jahrhunderte Salzburg-Tourismus, Salzburg 1994, S. 176–187. Luger, Kurt/Ferch, Christoph (Hg.): Die bedrohte Stadt. Strategien für menschengerechtes Bauen in Salzburg, Innsbruck 2014. Luger, Kurt/Wöhler, Karlheinz (Hg.): Welterbe und Tourismus. Schützen und Nützen aus einer Perspektive der Nachhaltigkeit, Innsbruck 2008. Luger, Kurt/Wöhler, Karlheinz (Hg.): Kulturelles Erbe und Tourismus. Rituale, Tradition, Inszenierungen, Innsbruck 2010. McKercher, Bob/du Cros, Hilary: Cultural Tourism. Partnership between Tourism and Cultural Heritage Management, Binghampton, NY 2002. Moller, Sabine: Erinnerung und Gedächtnis, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 12.2.2010; http:// docupedia.de/zg/Erinnerung_und_Ged.C3.A4chtnis?oldid=84601 (30.11.2014). Pfister, Dieter: Atmospheric Design. Zur Bedeutung von Atmosphäre und Design für eine sozial nachhaltige Raumgestaltung, Basel 2013. Prentice, Richard: Revisiting Heritage. A Key Sector of the (then) ‚New‘ Tourism – Out with the ‚New‘ and out with ‚Heritage‘? in: Cooper, Chris (Hg.), Classic Reviews in Tourism, Clevedon 2003, S. 164–191. Richards, Greg: Production and Consumption of European Cultural Tourism, in: Annals of Tourism Research 23 (1996), S. 261–283. Richtlinien für die Durchführung des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, Endfassung vom 02.06.2017, S. 25f.; https://www.unesco.de/fileadmin/medien/Bilder/Welterbe/ Welterbe-Richtlinien/UNESCO_WHC_Richtlinien_2015_Amtliche_Uebersetzung_AA_Juni_2017. pdf (29.01.2018). Rössel, Jörg: Die Erlebnisgesellschaft zwischen Zeitdiagnose und Sozialstrukturanalyse, in: Österreichische Zeitschrift für Soziologie 28, 2 (2003), S. 182–201. Rössler, Mechthild: Weltkulturerbe und Globalisierung, in: Schröder, Iris/ Höhler, Sabine (Hg.), Welt-­ Räume. Geschichte, Geographie und Globalisierung seit 1900, Frankfurt a.M. 2005, S. 235–257. Salzburger Nachrichten vom 28.3.2015: Kultur wird ein immer stärkeres Reisemotiv. Salzburg Statistik 2014: Der Tourismus im Jahr 2014; www.stadt-salzburg.at/pdf/der_tourismus_im_ jahr_2014__broschuere_.pdf (1.4.2015). Saretzki, Anja/May, Carola: Welterbetourismus – ein interkulturelles Medium? in: tw – Zeitschrift für Tourismuswissenschaft 4, 2 (2012), S. 151–166. Stagl, Justin: Eine Geschichte der Neugier. Die Kunst des Reisens 1550–1800, Wien 2002. Timothy, Dallen J./ Nyaupane, Gyan P.: Cultural Heritage and Tourism in the Developing World. A Regional Perspective, London 2009. Unakul, Montira Horayangura: Trading Culture: Living Heritage, Cultural Relativism and Tourism in Market Towns in Thailand, in: Luger/Wöhler, Kulturelles Erbe und Tourismus, S. 383–394. UNESCO Lehrstuhl ‚Kulturelles Erbe und Tourismus‘ Universität Salzburg: Welterbe und Tourismus. Eine Fallstudie zum Welterbe Salzburg, Salzburg 2012. UNESCO World Heritage and Sustainable Tourism Programme; http://whc.unesco.org/uploads/activities/documents/activity-669-7.pdf (29.01.2018). van Oers, Ron: The Economic Feasibility of Heritage Preservation, in: Logan, William/Craith, Máiréad Nic/Kockel, Ullrich (Hg.), Blackwell Companion to the New Heritage Studies, Chichester 2015, S. 309– 321. Wiener Journal vom 1.8.2014: Wann ist genug zu viel? Wöhler, Karlheinz: Erlebniswelten. Herstellung und Nutzung touristischer Welten, Münster 2005. Wöhler, Karlheinz: Heritagefication. Zur Vergegenwärtigung des Kulturerbes, in: Luger/Wöhler, Welterbe und Tourismus, S. 45–58. Wöhler, Karlheinz: Touristifizierung von Räumen, Wiesbaden 2011. World Nature Forum Switzerland – Interner Schlussbericht Machbarkeitsstudie ‚Benchmarking World Heritage & Tourism‘, Naters 2011.

ANHANG

AUTORENVERZEICHNIS

Engelsing, Tobias, Dr. phil. Direktor der Städtischen Museen Konstanz (Rosgartenmuseum, Städtische Wessenberg-­ Galerie, Bodensee-Naturmuseum, Hus-Haus) seit 2007; zuvor Redaktionsleiter bei der Tageszeitung Südkurier; Lehrbeauftragter der Universität Konstanz, Fachbereich Geschichte; Gründung und Aufbau des Weiterbildungsinstituts „Lake Constanze Business School“ an der HTWG Konstanz; Freie Mitarbeit bei deutschen und schweizerischen Zeitungen und Fernsehsendern, u. a. DIE ZEIT und SWR; Mitglied verschiedener Stiftungsräte und gemeinnütziger Gesellschaften. – Studium der Rechtswissenschaft, Geschichte und Politik an der Universität Konstanz; ebd. Promotion mit einer Arbeit zur Sozialgeschichte der Freiwilligen Feuerwehren in Deutschland. – Forschungsschwerpunkte u. a.: Biografien, Geschichte des 19. und 20. Jh. – Veröffentlichungen und Heraus­geberschaften: Die Grenze im Krieg. Der Erste Weltkrieg am Bodensee, 2014; Das jüdische Konstanz. Blütezeit und Vernichtung. 22015; Heimat Alpstein. Appenzeller und Toggenburger Bauernmalerei, 2017. Flügel, Christof, Dr. phil. Oberkonservator an der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern, München, Referent für Archäologische Museen; 1996–2000 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Archäologischen Staatssammlung München zur Konzeption der Bayerischen Landesausstellung „Die Römer zwischen Alpen und Nordmeer“. – Studium der Provinzialrömischen Archäologie, Klassischen Archäologie, Alten Geschichte und Epigraphik in Wien und München. – Korrespondierendes Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts. – Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Vermittlung des transnationalen seriellen Welterbes „Grenzen des Römischen Reiches“ (Interpretation Frameworks und virtuelle Idealrekonstruktionen); punisches und römisches Nordafrika (Grabungsleitung Karthago); limeszeitliche Militaria und Kleinfunde; römische Militärarchitektur. – Veröffentlichungen: zus. mit Eva Kuttner: Danube Limes Interpretation Framework for Austria and Bavaria (https://www.museen-in-bayern.de/fileadmin/Daten/Landesstelle/161021_Donaulimes_komplett_klein.pdf); zus. mit Heimo Dolenz: Karthago IV.

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Die Deutschen Ausgrabungen in Karthago. Römische und byzantinische Großbauten am Decumanus Maximus, Mainz 2012); zus. mit Martina Meyr: „… ihr habt die ­Mauern … um euer Reich herumgeführt, nicht um eure Stadt“. Rom und die Grenzen des Imperiums auf einem stadtrömischen Relief severischer Zeit, in: Römische Mitteilungen 123 (2017), S. 199–254. Göttmann, Frank, Prof. em. Dr. phil. Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit (1994–2011), Senior-Professor an der Universität Paderborn (2011–2015). – Studium der Geschichte, Germanistik und Erziehungswissenschaften an der Universität Frankfurt; Erstes Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien 1973; Promotion 1976; Zweites Staatsexamen 1977; Habilitation in Mittlerer und Neuerer Geschichte an der Universität Konstanz 1985. – Prodekan und Dekan der Fakultät für Kulturwissenschaften (2002–2006); Sprecher des Senats der Universität Paderborn (2009–2013); Ordentliches Mitglied der Historischen Kommission für Westfalen; Stv. Vorsitzender des Fördervereins Kreismuseum Wewelsburg. – Arbeitsund Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Spät­mittel­a lters und der Frühen Neuzeit, Bevölkerungsgeschichte, Geschichte der Reichspolitik und Reichsverfassung, Geschichte der Geistlichen Staaten, jüdische Geschichte. – Veröffentlichungen: Handwerk und Bündnispolitik. Die Handwerkerbünde am Mittelrhein vom 14. bis zum 17. Jh., 1976; Getreidemarkt am Bodensee. Raum – Wirtschaft – Politik – Gesellschaft (1650–1810), 1991; Paderborn. Geschichte der Stadt in ihrer Region, Bd. 2, 1999; zus. mit Andreas Nutz (Hg. u. Bearb.): Die Firma Felix und Jakob ­Grimmel zu Konstanz und Memmingen. Quellen und Materialien zu einer oberdeutschen Handels­ gesellschaft aus der Mitte des 16. Jh., 1999; Identität – Überlegungen zu einem kultur­ wissenschaftlichen Leitbegriff, in: J. Langenbacher-Liebgott/D. Avon (Hg.), ­Facteur d’Indentité/Faktoren der Identität, 2012, S. 7–25 u. 357; Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Arnsberg, 2016. Gutscher, Daniel, Dr. phil. Kantonsarchäologe Bern (bis 2014); Mitglied Schweizerischen Kommission für die UNESCO, Präsident der Swiss Coordination Group UNESCO Palafittes (bis 2014). – Studium der Kunstgeschichte, Archäologie und Kirchengeschichte an der Universität Zürich. – Veröffentlichungen: zus. mit Jürg Schneider/Hansueli Etter/Jürg ­Hanser: Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters, Bd. 9 und 10, 1982; Das Grossmünster in Zürich. Beiträge zur Kunstgeschichte der Schweiz. Eine baugeschichtliche Monographie, 1983; Welterbe in der Schweiz, in: Welterbe-Manual. Handbuch zur Umsetzung der Welterbekonvention in Deutschland, Luxemburg, Österreich und der Schweiz, 2009, S. 170–175; Die Pfahlbauten am Bielersee – Welterbe der UNESCO, in: D. Gaberell (Hg.), Bielersee, Bern 2014, S. 60 – 65; zus. mit Albert Hafner:

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Berner Archäologie zwischen Seen und Gipfeln, in: Die Pfahlbauer – Am Wasser und über die Alpen, Bern, 2013, S. 6–13. Herdick, Michael, Dr. phil. Leiter des Kompetenzbereiches Experimentelle Archäologie und des Arbeitsbereiches Labor für Experimentelle Archäologie am Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz, Leibniz-Forschungsinstitut für Archäologie. – Studium der Vor- und Frühgeschichte, Kulturmanagements, Klassischen Archäologie, Geologie in Freiburg, Marburg und Hagen. – Arbeitsgebiete: Technikarchäologie und –geschichte, Experimentelle Archäologie, Wissenschaftsmanagement. – Veröffentlichungen: Überlegungen zu einem europäischen Projektdesign. Die Forschungen des RGZM auf der Krim (2006– 2008), in: F. Daim/S. Albrecht/M. Herdick (Hg.), Die Höhensiedlungen im Bergland der Krim. Umwelt, Kulturaustausch und Transformation am Nordrand des Byzantinischen Reiches, 2013, S. 1–23; Ökonomie der Eliten. Eine Studie zur Interpretation wirtschaftsarchäologischer Funde und Befunde von mittelalterlichen Herrschaftssitzen, 2015; Experimentelle Archäologie, in: T. Otten/J. Kunow/M.M. Rind (Hg.), Archäologie in Nordrhein-Westfalen 2010–2015. Forschungen – Funde – Methoden, 2015, S. 231–232; Experimentelle Archäologie – Industriearchäologie – Technikgeschichte, in: B. Scholkmann/H. Kenzler/R. Schreg (Hg.), Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit: Grundwissen, 2016, S. 29–31, 127–129, 224–230. Luger, Kurt, Prof. Dr. Professor für Transkulturelle Kommunikation der Universität Salzburg, seit 2011 Inhaber des UNESCO-Lehrstuhls „Kulturelles Erbe und Tourismus“; seit 1980 Univ.-­Dozent an der Universität Salzburg; Gastprofessuren in Malibu, Kathmandu, Zürich und Basel.  – Studium der Kommunikationswissenschaft und Volkswirtschaft an den Universitäten Salzburg und München. – Veröffentlichungen: zus. mit Franz Rest (Hg.), Der Alpentourismus im Spannungsfeld von Kultur, Ökonomie und Ökologie, 2002; zus. mit. Karlheinz Wöhler (Hg.): Welterbe und Tourismus. Schützen und Nützen aus einer Perspektive der Nachhaltigkeit, 2008; Auf der Suche nach dem Ort des ewigen Glücks – Kultur, Tourismus und Entwicklung im Himalaya, 22014; zus. mit Roman Egger (Hg.): Tourismus und mobile Freizeit, 2015. Michel, Anna, M.A. Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Materielles und Immaterielles Kultur­erbe der Universität Paderborn. – Studium der Kunstgeschichte und Kultur- und Sozial­anthropologie an der Universität Münster (BA) sowie Kulturerbe an der Universität Paderborn (MA; Thema: Vermittlung als Aufgabe – Die serielle und transnationale Welterbestätte Pfahlbauten); Auslandssemester an der Université du Maine, Le Mans (FR); Projektphase am Pfahlbauten-Informationszentrum Baden-Württemberg der Arbeitsstelle für Feuchtbodenarchäologie in Hemmenhofen; Realisation der virtuellen

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Ausstellung „Nova Corbeia“ (http://nova-corbeia.uni-paderborn.de/index.php?id=62); Promotionsprojekt zur Bauhütte des Ulmer Münsters im 19. Jh. – Forschungsinteressen: Immaterielles Kulturerbe und dessen Vermittlung, Bauhüttenwesen, Digital Humanities. – Veröffentlichungen: Blättern im Kulturerbe – Zur Ausstellbarkeit immaterieller Aspekte im virtuellen Raum, in: Paderborner Historische Mitteilungen 28 (2015), S. 74–84; Matériel et immatériel: interdépendances entre deux catégories du patrimoine mondial et le défi de leur transmission. L’exemple des sites palafittiques préhistoriques autour des Alpes, in: Centre français du patrimoine culturel immatériel (Hg.), Le patrimoine culturel immatériel. Regards croisés de France et de l’A llemagne, 2015, S. 35–46. Milin, Elisabeth, Dr. phil. Redakteurin für Dokumentationen und Reportagen beim Fernsehen Landesprogramm des SWR in Stuttgart, vorwiegend aus dem Bereich Kultur und Geschichte (seit 1995). – Studium der Theaterwissenschaften, Germanistik und Philosophie in München; journalistisches Volontariat SWR Baden-Baden. – Arbeitsschwerpunkte: Arbeit als Regieassistentin am Theater, als Lektorin beim Hörspiel und ab 1989 als Autorin und Regisseurin für Fernseh-Dokumentationen, u. a. auch zu archäologischen Themen; zahlreiche, auch preisgekrönte Archäologie-Dokumentationen; Jury-Mitglied bei Archäologie-Filmfestivals in Kiel, Bordeaux, Brüssel und Nyon. Obmann, Jürgen, Dr. phil. Stellvertretender Referatsleiter BVI Lineare Projekte, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, München; Koordinator für archäologische Welterbestätten in Baden-Württemberg und Bayern als Koordinator, 2005 bis 2016. – Studium der Provinzialrömischen Archäologie, der Klassischen Archäologie, der Vor- und Frühgeschichte sowie Mittleren und Neueren Geschichte in München, Exeter und Köln. – Forschungsschwerpunkte: Antikenrezeption, historische Grabungsberichte und -technik, römisches Militär und seine Architektur. – Veröffentlichungen: Limesentwicklungsplan Baden-Württemberg. Schutz, Erschließung und Erforschung des Welterbes, 2007; zus. mit Christof Flügel (Bearb.): Römische Wehrbauten, Befund und Rekonstruktion – Kolloquiumsband, Arbeitsgespräch excelsae turres quater divisae am 5. Juli 2010 in der Landesstelle für nichtstaat­liche Museen im Alten Hof München, 2013; zus. mit Derk Wirtz/Philipp Groß: „Ruinirt euch, um Ruinen zu machen˝. Antikisierende Ruinenarchitekturen in deutschen Gärten des 18. und frühen 19. Jh., 2016. Offenhäußer, Dieter Stellvertretender Generalsekretär der Deutschen UNESCO-Kommission (2004–2014), deren Pressesprecher (1993–2014), Referent für Internationale Medienpolitik 1993– 1998). – Studium der Geschichte und Romanistik in Freiburg und Aix-en-Provence. – Arbeitsfelder: Gymnasiallehrer, Verlagslektor, Hörfunkjournalist, Dozent und Autor zahlreicher Veröffentlichungen zu Literatur, Kultur, Portugal und UNESCO-­T hemen. –

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Veröffentlichungen: Lernziel Weltoffenheit: 50 Jahre deutsche Mitarbeit in der UNESCO, 2001; Kulturelle Bildung für alle. Von Lissabon 2006 nach Seoul 2010, 2008; Welterbe-­ Manual – Handbuch zur Umsetzung der Welterbekonvention in Deutschland, Luxemburg, Österreich und der Schweiz, 2009. Schlichtherle, Helmut, Dr. phil. Leiter des Referates „Unterwasser- und Feuchtbodenarchäologie“ im Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, Arbeitsstelle Hemmenhofen (bis 2016). – Studium der Ur- und Frühgeschichte, Paläontologie und Botanik an den Universitäten Tübingen, Göttingen und Freiburg i.Br.; dort 1979 Promotion mit einem Thema zu neolithischen Ufersiedlungen am Bodensee. – Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Projekte zur Erkundung der Pfahlbausiedlungen, Ausgrabungen am Bodensee und in der oberschwäbischen Seenplatte; Siedlungsarchäologie; Aufbau der Arbeitsstelle Hemmenhofen für Unterwasserarchäologie am Bodensee und der Moorarchäologie in Oberschwaben; Beteiligung an der Arbeitsgruppe zur Nomination der Pfahlbauten als UNESCO-Welterbe. – Veröffentlichungen: zus. mit Barbara Wahlster: Archäologie in Seen und Mooren, Stuttgart 1986; Pfahlbauten rund um die Alpen, 1997; zus. mit ­Irenäus Matuschik: Zeitgenossen des Gletschermannes am mittleren Neckar. Die Siedlungen von Stuttgart-Stammheim und Stuttgart-Mühlhausen, 2009. Schnell, Klaus-Dieter, M.A. Geschäftsführer der Internationalen Bodensee Konferenz (IBK) und Leiter der IBK-Geschäftsstelle mit Sitz in Konstanz (seit Mai 2007). – Studium der Politikwissenschaft und der Psychologie an der Universität Konstanz (M.A.) sowie Nachdiplomstudium Raumplanung an der ETH Zürich (Dipl.-NDS ETHZ in Raumplanung). – Arbeitsgebiete: Forschungs- und Beratungsprojekte zu Raum- und Regionalentwicklung, Wirtschaftsförderung und Tourismus (ab 1991); Forschungsassistent am Schweizerischen Institut für Aussenwirtschafts-, Struktur- und Regionalforschung an der Hochschule St. ­Gallen (1996–1998); Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Senior Consultant im Kompetenzzentrum Regionalwirtschaft am Institut für Öffentliche Dienstleistungen und Tourismus (IDT-HSG) der Universität St. Gallen (1998–2007); Geschäftsführender Partner bei SSWP Beratung für Kommunal- und Regionalentwicklung in Ravensburg und Konstanz (1998–2007). Seng, Eva-Maria, Prof. Dr. phil. Lehrstuhl für Materielles und Immaterielles Kulturerbe an der Universität Paderborn (seit 2006); 2009/2010 Chaire Alfred Grosser an der Sciences Po, Paris. – Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Empirischen Kulturwissenschaft/Europäischen Ethnologie in Tübingen und München; 1992 Promotion an der Universität Tübingen; 2000 Habilitation an der Universität Halle-Wittenberg; Mitglied in Kulturinstitutionen; Gutachterin in der Wissenschaftsförderung. – Forschungsschwerpunkte: Kirchenbau 17. bis

212 |     Autorenverzeichnis

21. Jh., Architekturgeschichte, -theorie und Städtebau des 16. bis 21. Jh., Kulturelles Erbe; nationale und internationale Forschungsprojekte. – Veröffentlichungen: Der evangelische Kirchenbau im 19. Jh., die Eisenacher Bewegung und der Architekt Christian Friedrich von Leins, 1995; Stadt – Idee und Planung. Neue Ansätze im Städtebau des 16. und 17. Jh., 2003; Das Haus als Exponat und sein Stellenwert für die Forschungsund Vermittlungsarbeit im Freilichtmuseum (dt. u. engl.), in: M. Kania-Schütz/H. May (Hg.), Conference Report/Tagungsbericht der 26. Konferenz des Verbandes Europäischer Freilichtmuseen August 2013, Bad Windsheim 2015, S. 62–83; Materiell gleich im­mate­ riell/immateriell gleich materiell. Die zwei Seiten einer Medaille, in: B. Franz/G. ­Vinken (Hg.), Denkmale – Werte – Bewertung. Monuments – Values – Assessment. Denkmalpflege im Spannungsfeld von Fachsituation und bürgerschaftlichem Engagement, 2014, S. 48–55. Sommer, C. Sebastian, Prof. Dr. phil. Landeskonservator am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege München, Abteilungsleiter Praktische Denkmalpflege, Bodendenkmäler; Vorsitzender der Deutschen Limeskommission. – Studium der Provinzialrömischen Archäologie, Vor- und Frühgeschichte, Alten Geschichte, Numismatik in München, Freiburg, Oxford. – Forschungsund Arbeitsschwerpunkte: Verhältnis römisches Militär zu Zivilisten, Raetischer Limes, Archäologisches Welterbe, Bodendenkmalpflege. – Veröffentlichungen: Military vici in Roman Britain revisited, in: R. J. A. Wilson (Hg.), Romanitas. Essays on Roman archaeology in honour of Sheppard Frere on the occasion of his ninetieth birthday, Oxford 2006, S. 95–145; Schwerpunktbildung oder flächendeckender Ansatz in der Bodendenkmalpflege: (k)ein Widerspruch? in: J. Biel/J. Heiligmann/D. Krausse (Hg.), Landes­ archäologie. Festschrift für Dieter Planck zum 65. Geburtstag, 2009, S. 695–706; Hat der Auerberg sein Geheimnis gelüftet? – Überlegungen zur Funktion des Auerberg in (der Provinz) Raetien, in: G. Ulbert (Hg.), Der Auerberg, T. 4: Die Kleinfunde mit Ausnahme der Gefäßkeramik sowie die Grabungen von 2001 und 2008, 2015, S. 487–526. Vivier, Nadine, Prof. em. Dr. phil. Professor für Sozialgeschichte an der Université du Maine (Le Mans). – Promotion und Habilitation im Fach Geschichte an der Université de Paris-Sorbonne; u. a. Mitglied der Académie d’Acriculture de France. – Forschungsinteressen und Arbeitsschwerpunkte: die ländlichen Gesellschaften in Frankreich und in Europa in vergleichender Perspektive 1750–2000; Koordinatorin des französischen Forschungsprogramms über das ‚Neue Erbe‘ (‚nouveaux patrimoines‘, 2009–2014); Betreuerin des Masterstudiengangs ‚Kultur­erbe‘. – Veröffentlichungen: Patrimoine et identité, in: J. Langenbacher-­ Liebgott/D. Avon (Hg.), Facteurs d’identité, Faktoren der Identität, 2012, S. 27–38; zus. mit J.-R. Morice/G. Saupin (Hg.), Les nouveaux patrimoines des Pays de la Loire, ­Rennes 2013; The Golden Age of State Enquiries. Rural enquiries in the nineteenth century, 2014.

Autorenverzeichnis     | 213

Wolf, Claus, Prof. Dr. phil. Präsident des Landesamtes für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, Esslingen; Honorarprofessor für Ur- und Frühgeschichte an der Universität Freiburg i. Br.; zuvor Kantonsarchäologe Kt. Fribourg/Schweiz, Direktor Musée Romain Vallon/ Schweiz; Titularprofessor für Archäologie an der Universität Fribourg/Schweiz; Lehrbeauftragter an der Universität Freiburg i. Br. – Studium der Ur- und Frühgeschichte, Klassischen Archäologie, Alten Geschichte, Ägyptologie, Geografie an der Universität Freiburg i.Br. – Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte: Seeufer-, Pfahlbau- und Feuchtbodenarchäologie; Jungsteinzeit und Kupferzeit. – Veröffentlichungen: Die Seeufersiedlung Yverdon, Avenue des Sports (Kanton Waadt). Eine kulturgeschichtliche und chronologische Studie zum Endneolithikum der Westschweiz und angrenzender Gebiete, 1993; Die Siedlungsstrukturen des westschweizerischen Jung- und Endneolithikums und ihre sozialhistorische Interpretation, in: J. Müller (Hg.), Vom Endneolithikum zur Frühbronzezeit. Muster sozialen Wandels? Tagung Bamberg 2001, 2002, S. 61–70.

ABBILDUNGSNACHWEISE

Seng Abb. 1, 3–5: Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg; Abb. 2: Landesamt für  Denkmalpflege Baden-Württemberg, Fotograf: U. Maier; Abb. 6: CC BY-SA 3.0 ziegel­brenner, https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Upper_German_ Limes?­uselang­=­de#/media/File:Limes2.png; Abb. 7: UNESCO, http://whc.unesco.org/ en/list/1127/multiple=1&unique_number=1307; Abb. 8, 9: Lehrstuhl für Kultur­erbe, Paderborn; Abb. 10: Lehrstuhl für Kulturerbe, Paderborn, Quelle: ICOMO, 2005; Abb. 11: CC BY-SA 3.0, Foto: Tuxyso, https://de.wikipedia.org/wiki/Zeche_Zollverein#/­ media/File:Zeche_Zollverein_Schacht_12_Luftaufnahme_2014.jpg; Abb. 12: CC BY 2.0, Foto: Dylan Kereluk from White Rock, Canada, https://upload.wikimedia.org/ wikipedia/­commons/6/68/Authentic_Viking_recreation.jpg; Abb. 13: CC BY-SA 4.0, ­Superchilium, Foto: https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Gatehouse_­ Auschwitz_­I I_(Birkenau)­?uselang=de#/media/File:Auschwitz_concentration_camp_ II_04.jpg; Abb. 14: CC BY-SA 2.0, Foto: Dennis Jarvis from Halifax, Canada. https:// commons.­w ikimedia.org/wiki/Category:Stari_Most?uselang=de#/media/File:­ Bosnia_and_­Herzegovina-­­02233_(10481199955).jpg; Abb. 15: CC BY-SA 3.0, Foto: Thomas Schoch, https://upload.wikimedia.­org/wikipedia/commons/1/1a/Uluru_­ Australia%281%29.jpg; Abb. 16: Foto: Nicolas David, https://en.wikipedia.org/wiki/ Sukur#/media/File:Sukur2.jpg; Abb. 17: CC BY-SA 3.0, Foto: Frank Vincentz, https:// commons.wikimedia.org/wiki/Category:Muskau_Park?uselang=de#/media/File:Bad_ Muskau_-_Park_14_ies.jpg. Schlichtherle Abb. 1: Karte: Landesamt für Denkmalpflege BW, Grafik: Almut Kalkowski; Abb. 2 Bild: Landesamt für Denkmalpflege BW; Foto: Otto Braasch; Abb. 3 Foto: Landesamt für Denkmalpflege BW, Foto: Helmut Schlichtherle; Abb. 4 Bild: Landesamt für Denkmalpflege BW, Foto: Arno Harwath; Abb. 5: Zeichnung: Helmut Schlichtherle; Foto: Monika Erne; Abb. 6: Bilder: Landesamt für Denkmalpflege BW, Fotos: Ursula Maier, Monika Erne, André Billamboz; Abb. 7: Bild: Landesamt für Denkmalpflege BW, Foto: Wolf-

Abbildungsnachweise     | 215

gang Hohl; Abb. 8: Bild: Landesamt für Denkmalpflege BW, Foto: Helmut Schlichtherle; Abb. 9: Zeichnung: Helmut Schlichtherle; Abb. 10: Bild: Landesamt für Denkmalpflege BW, Foto: Wolfgang Hohl; Abb. 11: Bild: Landesamt für Denkmalpflege BW, Foto: Otto Braasch; Abb. 12: Bild: Landesamt für Denkmalpflege BW, Grafik: Almut Kalkowski/ Helmut Schlichtherle. Schnell Abb. 1: Internationale Bodenseekonferenz; Quelle: IBK; Abb. 2: erstellt vom Verfasser; Abb. 3: Quelle: Actori 2012, S. 55; Bodenseekonferenz nutzungsberechtigt; Abb. 4 : Quelle: Actori 2012, S. 99 ff.; Bodenseekonferenz nutzungsberechtigt; Abb. 5 : Quelle: Actori 2012, S. 111; Bodenseekonferenz nutzungsberechtigt. Michel Sämtliche Darstellungen von der Autorin. Obmann/Flügel Abb. 1: BLfD/J. Valenta; Abb. 2, 4, 5, 8–10, 12–18: BLfD/J. Obmann; Abb. 3, 6: J. Obmann; Abb. 7: BLfD/Bayern; Abb. 11: BLfD/C.S. Sommer; Abb. 19: ArtTron; Abb. 20: Chr. Flügel. Vivier Figs. 2–4: ©A. Vivier; fig. 5: ©Patrice Giraud, Ville d’art et d’histoire, Saumur. Engelsing Alle Abb. außer Abb. 10: Rosgartenmuseum Konstanz; Abb. 10: Stadtarchiv Konstanz, Sign.: Z 1.wolfH52-6491. Luger Abb. 1: Thomas Wizany: Geldkulturerbe, in: Salzburger Nachrichten, 30.6.2012; Abb. 2: World Nature Forum Switzerland – Interner Schlussbericht Machbarkeitsstudie „Benchmarking World Heritage & Tourism“, Naters 2011.

REGISTER

Seitennennung: nf. = Seite und folgende Seite; nff. = Seite und die beiden folgende Seiten; n–nn = Seiten von bis. – Folgende Namen, Orte und Begriffe wurden aufgrund ihres häufigen Vorkommens in der Regel nicht aufgenommen, gleichfalls nicht die auf der Tagung auftretenden Personen sowie die ­Autoren des Sammelbandes: Archäologie, Bodensee, Limes, Loire, Natur, Pfahlbauten, Tourismus, Umwelt, Unesco, Vermittlung, Welterbe, Welterbestätte. Für zentrale Begriffe, die in speziellen Beiträgen behandelt werden, ist einmalig die erste Seite des betreffenden Beitrages aufgeführt und durch „*“ gekennzeichnet.1

Personenregister Aristoteles  183 Aufseß, Hans Freiherr von und zu   XXI, 150 Baur, Hans  159 Baur, Thekla  136 Biedermann, Johann Jakob  136 Blanckenhagen, Sigrid von, geb. Leiner  159 Campbell, Joseph  183 Da Vinci, Leonardo  121 Döll, Johann Christoph  138 Droste zu Hülshoff, Bernd Freiherr von  X Étienne-François Duc de Choiseul  122 Febvre, Lucien  21f. Field, Syd  183 Flaig, Berthold  182 Franz I., König von Frankreich  121 Freytag, Gustav  183 Friedrich I., Großherzog von Baden  133, 155f., 158 Friedrich, Kronprinz (Kaiser Friedrich III.)  156 Frölich, Friedrich Wilhelm  142 1

Hämmerle, Frank  69 Hecker, Friedrich  139 Herodot 137 Hund, Lothar  155 Jack, Joseph Bernhard  138 Karl I., König von Württemberg  150 Karl VII., König von Frankreich  120 Kastell, Joseph  142 Keller, Ferdinand  XVII, 137, 148 Le Corbusier  27 Leiner, Bruno  154, 159 Leiner, Franz Xaver August  138 Leiner, Johannes Evangelista  138 Leiner, Ludwig  XXI, 133* Leiner, Otto  154, 159 Löhle, Kaspar  137 Luise von Preußen, Großherzogin von Baden  155f. Macaire-Zeppelin, Industriellenfamilie  142 Marmor, Johann  150 Marquard, Odo  189 Mayring, Philipp  84

Wir danken Lena Juliane Elster für ihre Mitarbeit an der Erstellung des Registers.

218 |     Register

Merk, Konrad  152 Messikommer, Jakob  148 Mozart, Wolfgang Amadeus  194

Tremblay, Dominique  124 Tut-ench-Amun  167 Tylor, Edward  25

Napoleon III., Kaiser der Franzosen  148 Nietzsche, Friedrich  XV

Ueltzhöffer, Jörg  182

Ötzi  167 Paulus, Helmut-Eberhard  91, 95 Plantagenet, Herrscherdynastie  120 Poinsignon, Heinrich  142 Pückler-Muskau, Fürst Hermann Ludwig ­Heinrich  26 Reichert, Anne  171 René von Anjou, König von Neapel  121 Ringbeck, Birgitta  85

Virchow, Rudolf  XXI, 156 Vogler, Christopher  183 Walter, Alexander  142f. Wessenberg, Ignaz Heinrich von  142 Wilhelm I., Deutscher Kaiser  155 Wilhelm II., Deutscher Kaiser  156 Wöhler, Karlheinz  188, 192f. Wollkopf, Peter  155 Zwinger, Theodor  201

Seder, Anton  XXI, 153 Spachholz, Karl  142 Stitzenberger, Ernst  138 Strauss, Claude-Levi  17, 22 Stromeyer, Max  134, 140

Ortsregister  Aachen, Dom   IX Abu Simbel   XI, 16 Afghanistan  X Albersdorf, Schleswig-Holstein  162 Allensbach  84, 137 Allensbach-Langenrain  35 Allensbach-Strandbad  35 Alleshausen-Grundwiesen  35 Alleshausen-Ödenahlen  35 Amboise  121f. Angers  118, 128 Angkor Wat  XIII Arbon  76 Arbon, Bleiche  35 Assuan, Staudamm  16 Aulendorf, Steeger See  50 Auschwitz  XV, 20, 189 Authion-Tal  118 Azay-le-Rideau  120 Bad Buchau  36f., 53, 76 Bad Buchau, Federseemuseum  170 Bad Buchau, Siedlung Forschner  35 Bad Ems  106 Bad Schussenried, Olzreute-Enzisholz  35, 50

Bad Waldsee-Reute, Schorrenried  50 Berlin, Siedlungen der Berliner Moderne  XV Bern, Historisches Museum  7 Bern, Institut für Medienbildung  8 Bern, Kanton  6 Bern, Pädagogische Hochschule  8 Bielersee, Tauchbasis  8f. Blaustein-Ehrenstein  35, 38 Blois  118f., 122, 125 Bodensee 12 Bodman  137, 149 Bodman-Ludwigshafen  48, 84 Bodman-Schachen  35 Bosnien-Herzegowina 23 Bourgueil 128 Bozen, Südtiroler Archäologiemuseum  171 Burgäschisee-Süd  38 Burgsalach 109 Chalonnes  118 Chambord  120 Chanteloup  122 Chaumont  120 Chenonceaux  120 Chinon  118, 120, 127f.

Ortsregister     | 219

Degersee  51 Donau, Flusstal  34 Dresden  X Dresden, Waldschlösschenbrücke  4, 188 Eining 99 Eschenz  137, 153 Eschenz, Insel Werd  35 Federsee  36f. Federseemoor 49 Fleury 120 Florenz  195 Fontevrault 120 Friedrichshafen  75, 133, 146 Gachnang, Egelsee  35 Gaienhofen-Hemmenhofen  XVIIIf., 28, 78, 84 Gaienhofen-Horn-Hornstaad  44, 161 Gaienhofen-Hornstaad-Hörnle  35 Galapagos Inseln  IX Genfersee  137 Germigny 120 Gletterens 7 Grand Canyon  106 Großkrotzenburg 99 Gunzenhausen  108, 110 Hagnau 149 Hienheim  105 Hiroshima  XV Hitzacker/Elbe  161 Höri, Halbinsel   137 Hüttwilen, Nussbaumer See  35 Ichenheim 136 Immenstaad 149 Insel Gorée   IX, 20 Karlsruhe  136, 139 Karlsruhe, Zeughaus  147 Kipfenberg   102 Kleinlellenfeld  101 Köln  X, XIII Königsegger See  50 Konstanz  74f., 134 Konstanz, Altkatholiken  140 Konstanz, jüdischer Betraum  143, 148 Konstanz, Kunstverein  140 Konstanz, Malhaus-Apotheke  135, 138, 145, 148 Konstanz, Rosgartenmuseum  XVIII, XXI, 133*, 138, 141

Konstanz, Universität   VII, VIII, XVIII, 41 Konstanz, Zunfthaus zum Rosgarten  144 Konstanz-Hinterhausen  35 Konstanz-Litzelstetten  137, 149 Konstanz-Litzelstetten-Krähenhorn  35 Konstanz-Neuhausen  138 Konstanz-Rauenegg  149, 153, 154 Konstanz-Wallhausen  137, 149 Konstanz-Wollmatingen  35 Krakau, Altstadt  IX Kreuzlingen  74f. L’A nse aux Meadow National Historic Site  20 Laibacher Moor  79 Langeais  120 Langenargen  41 Le Mans  128 Limeshain  105 Lindau  141, 146 Ljubljana  79 Loire-Tal  XVIII, XXf., 118ff. London  3 Luynes  120 Machu Picchu  XIII Mainz, Römisch-Germanisches Zentralmuseum 173 Mali  X Mammern 137 Mayen 173 Meersburg-Haltnau 149 Meßkirch, Campus Galli  168f. Miltenberg 99 Mont Perdu  14 Mostar, Brücke  21 München  136 Musbacher Ried  50 Muskau, Park  14, 26 Nantes  118, 128 Naturpark Loire-Anjou-Touraine  118f. Neuchâtel/Neuenburg  7 Neuenburger See  137 Neufundland  20 Neuseeland, Nationalpark Tongariro  24 Neustadt a.d.D., Kastell Eining  107 Niederwil 38 Nil 16 Oggelshauser Ried  50 Öhningen-Wangen  137, 149 Öhningen-Wangen-Hinterhorn  35 Olzreuter See  50

220 |     Register

Orléans  118, 120, 126, 128 Osterburken  105 Paderborn 168 Paris  X, XVII Paris, Eiffelturm  XVI Pariser Becken  118 Pestenacker  101f. Pfedelbach   107 Pförring  109 Pyrenäen  14 Radolfzell  142 Raetien 99 Reichenau  69, 84 Rheinbrohl 99 Robben Island  189 Romanshorn 133 Ruffenhofen  113 Ruffenhofen, LIMESEUM  111 Ruffenhofen, Römerpark  111 Salzburg  195f., 198 Salzburg, Festspiele  194 Salzburg, Mozart  194 Salzburg, Tourismus  194 Saône  121 Saumur  120, 122, 126ff. Savoyische Alpen  79 Schaffhausen  35, 149 Schaffhausen, Kesslerloch  151, 158 Schottland 99 Schwarzenbach 162 Schweizer Kantone  5 Siedlung Torwiesen II  49 Sipplingen  35, 47f., 149 St. Gallen   69

Stuttgart, Württembergisches Landesmuseum   52 Sukur  24f. Sully-sur Loire  118f. Syrien  X Thayngen-Weier  35 Theilenhofen  107 Tomgariro, Nationalpark  24 Touraine  128 Tours  118, 120, 128 Tübingen, Universität  36 Überlingen  141, 146 Uhldingen-Mühlhofen, Unteruhldingen-Stollenwiesen  35 Uhldingen-Mühlhofen-Maurach  149 Uluru-Kata-Tjuta-Nationalpark  24 Unteruhldingen  12, 75, 89f., 137, 149, 161 Unteruhldingen, Pfahlbaumuseum  XVII, 170 Venedig  195 Villandry 120 Vulkanpark Osteifel  173 Wauwil 7 Weißenburg 109 Wien  XVII, 148 Wien, Heldenplatz  189 Wolpertswende, Schreckensee  35 Yellowstone Nationalpark  IX Zeche Zollverein  XV Zugspitze  106 Zürichsee  XVII, 35, 66*

Sachregister 3-D-Animation  8 Actori GmbH  70, 74ff. Alltag  XVII Antiquarische Gesellschaft Zürich  137 Antoniuswall  14, 99 Arbeitsgemeinschaft Prähistorische Pfahlbauten  VIII, XVIII Arbeitsstelle für Feuchtbodenarchäologie  ­X VIII, 78, 84 Archäobotanik  XVIII, 41 Archäologie-Film  184, 185

Archäologiekoffer  XIX, 8 Archäometrie  162 Archäopark  71 Archäotechnik  XXI, 171 Archäozoologie  XVIII ARD  179 Assuan-Staudamm  XI augmented reality   201 Ausgrabungsevent  111 Ausgrabungsmethoden  36 Außergewöhnlicher universeller Wert/outstanding universal value  XVI, 15,17

Sachregister     | 221

Aussichtsplattform  XX, 106f. Ausstellungen  XV, 80 Austrocknung  43, 52 Authentizität  XIV, 89–94, 170, 185f., 190, 201 Badischer Kulturkampf  140 Bauhölzer  55 Bauinschriften  113 Baumaßnahmen 34 Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege  VIII, XVIII Bedrohungsfaktoren  81 Beiltechnologie  58 Best of the best/best of the representative  15 best practice  85 Bildungsprogramme  81 Biodiversität  XXI Boden- und Meeresnutzung  10, 20 Bodendenkmale  XX, 95, 112 Bodeneingriffe  59 Bodenkunde  57 Bodenmarkierungen 108 Bodensee-Geschichtsverein 141 Bodensee-Naturmuseum  154 Bodenseeuferplan  41 Bohlenwege  53 Bohrungen  59 Botanische Reste  33 Brandrodung  57 Brenntorf  36 Bronzezeit  XVII, 12, 33, 52, 79, 147, 153 Brücken  19 Campus Galli Meßkirch  169 Charta der Vereinten Nationen  3 Chinesische Mauer  XIII Computeranimation  200 Conservation  123 Cortenstahl-Figuren  XX, 108f. D-A-CH-Forschungsprojekt  51 Datierung 39 Dendrochnologie  XVIIIf., 40f., 44, 47, 54f., 57, 75 Denkmalbegriff  25 Denkmalbestand 39 Denkmalpflege  XVII, 69 Denkmalpflegekommission  16 Denkmalschutzbehörde Baden-Württemberg  75 Denkmalschutzgesetz  100, 111 Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)  43f. Deutsche Limeskommission  100, 113

Deutsche Stiftung Denkmalschutz  82 Deutsche UNESCO-Kommission  XVIII, 81f. Digitales Museum  201 Disneyisierung  90, 93, 95 Dokumentarfilm  XXII, 183 Donaulimes 112 Einzeleinmessung  45 Eisenmetallurgie  58 Emotionalisierung  181, 184f., 193 Endneolithikum 47 Erdgeschichte 19 Erhaltungsbedingungen 12 Erhaltungsmaßnahmen 16 Erhaltungszustand 39 Erinnerungsorte 187 Erinnerungstourismus  187, 189 Erlebnisführung  111 Ernährung/Nahrung  XVII, XIX, 22, 28, 33, 45, 79 Erosion  XVIII, 34, 42 Erstes Vatikanisches Konzil  140 Erziehungsprogramme  5 Ethnologie  23, 25 EU-LIFE-Projekte  42 Europäische Vereinigung zur Förderung der Experimentellen Archäologie  161 Eurozentrismus  19, 23, 25 Exkluxive Liste  16 Experimentaldesign  169 Experimentelle Archäologie  XVIIIf., XXI, 7, 161*, 166 Experten  91, 93 Experteninterviews  78, 84ff., 89 Federsee-Wasserspiegel  36 feinstratigraphisch  45 Felsenmalerei 18 Fernsehen  165, 177, 178 Festspiele  194 feucht konserviert  41 Feuchtboden  VII, XVIIf., 37, 79, 80 Feuchtgebiete 43 Feuchthölzer 47 Feuchtpräparate  150 Feuergeschichte  57 Film „Bodensee-Pfahlbauten“  180 Filme  XVIII, 114, 177, 186 Filmemacher  XXI, 177*, 186 Filmtheorien 183 Flächenumlegungsverfahren  42 Flachwasserzone  VII, 10 Flora des Großherzogstums Baden  138

222 |     Register

Flusslandschaft  XXI Forschungsinstitute  XVII, 36 Fossilien-Fundstätten  19 Fragebogen 86 Fremdverstehen 200 Fritz Thyssen Stiftung  43 Frühe Eiszeit  33 frühmenschlich  18 Fundorte, -stätte, -stellen  71, 77f. Fundverteilungen 46 Gedenktourismus 189 Gehölzbast  53 gemischtes Erbe  18 Generalkonferenz  XIV Generationengedächtnis  187 geologisches Erbe  XVIII, 19 Geotextil 42 Geschichtsmagazine 114 Geschichtsmaler des Historismus  153 Geschichtstheater  166, 172 Getreidekörner  57 Global Study  17 Globale Strategie  19 Grabungsdokumente 36 Grabungsschnitte 39 Grundwasserabsenkung 42 Guidelines of UNESCO  124 Guides 74 Haager Abkommen  15 Hadrianswall  14, 27, 99, 101ff., 113 Hafenanlagen  42 Handelsbeziehungen, -kontake  24, 58, 153 Haufendorf  45 Hauptentwässerungskanal  37 Hausbau  XVII, XIX Hausfußböden  55 Hausgrundrisse 36 Heldenreise  183f. Heritagefication  188 Hildesheimer Erklärung  82 Hilfeliste  16 Himmelsscheibe von Nebra  167 Hirschgeweihzwischenfutter  58 Holz  XVII, 79 Holzbefunde  52 Holzwehrmauer  52 Humanregionen 28 hydroakustisch  59 ICCROM  16 ICOMOS  16f., 126

iconic sites  15 Idealkonstruktionen, virtuelle  113 immaterielle Aspekte und Werte  20, 191, 202 immobile Güter  16 immobiler Denkmalbestand  20 indigene Kulturen  25 Industrielandschaft  XIX, 19 Informationstechnologien  192 Informationszentren  XX, 75f. Insektenkunde 46 Institut für Seenforschung Langenargen  41 Inszenierung 172 Integrität  190 Interdisziplinarität  28 Interessenkonflikte  XX Interkulturelle Begegnung  XVI Interkulturelles Lernen  200 International Coordination Group World Heri­ tage around the Alps (ICG)  VIII, XVIII, 68 Internationale Bodensee-Konferenz (IBK)  XVIII, XX, 66ff., 74 Internationalität  70 Interreg-Projekt  75 Inventar 16 Inwertsetzung  XX, 102, 104, 164, 187* Isotopenanalysen  46 IUCN  16, 126 Jadebeile  58 Juden, Gleichstellung in Baden  143 Jungsteinzeit  33, 79, 147 Kanäle  19 Kantonsarchäologie  6 Kastelle  XX, 99 Keramik  80 Kiesabdeckungen  42 Kleidung  XVII, XIX, 46, 53, 111, 147, 165, 169 Klima  XVIII, 13, 22, 28, 51, 57, 59 Klosterlandschaft  69 Klosterplan St. Gallen  168 kollektives Gedächtnis  187 Konservierung  103, 104, 150, 162 Konstanzer Zeitung  146 Konstruktionshölzer   VII Krankheiten  XIX Kriterien UNESCO-Welterbe  20, 120f., 190 Kryptogame  138 Kulthäuser  48 Kulturanthropologie  25 Kulturaustausch  XVI kulturelle Diversität  21 kulturelles Gedächtnis  188f., 193

Sachregister     | 223

Kulturgruppen  50 Kulturgut unter Wasser   VII Kulturlandschaft  18, 21, 24 Kulturpflanzen  46, 57 Kulturrouten  24 Kulturschichten  33 Kulturtransfer  XIX, 28 Kulturtourismus  XVIII, 172f., 187, 189, 191ff., 200,ff. Kultusministerkonferenz  X, 85 Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg  VIII, XVIII, 39 Landwirtschaft  VII, XVII, XIX, 38, 45f., 53, 57, 59, 111 Lebensbilder  165 Lehrpfade  71 Leiner-Herbarium  138 Leinersaal  XXI, 151, 154, 159 Leinschäben  10 Leinstängel  10 Lernorte  XIV, 201 Limes  XVIII, XX, 14, 27, 99*, 103, 110, 114 Limesfahne  107 Limnologisches Institut Universität Konstanz  41 living history  165f., 168, 171f. Loire-Schiffahrt  122 Magdalénien-Kultur  151 Management Group  100 Managementplan  XX, 95, 112, 124f., 198 Marzipan-Limesmodell  115 Masterplan  123 Materielles Kulturerbe  192 Medialisierung 164 Medien  XVIII, 72, 200f. Medienforschung  181f. Mensch-Umwelt-Verhältnis  23 Methoden 42 Mikrostrukturen 34 Militärarchitektur  106 Militärerbe  18 Mineralbodensiedlungen 46 Mineralisierung 37 Modelle   XIII, XVII, 36, 57, 86, 115, 139, 148, 182f. Moor  12, 34 moorarchäologisch  39 Moorsiedlungen  55, 59 Monumentalität  XV, XIX Museen  XX, 71, 112 Museums- und Erlebnispädagogik  XV

Nachbau  XX, 80, 90, 95, 104 nachhaltiger Schutz  42 nachhaltiger Tourismus  XIIf., XXII Nachhaltigkeit   XIII, 191, 196ff., 202 Nahrungsreste 79 Natur- und Denkmalschutz  94, 196 Natur- und Umweltschutz  XIII Naturschutz und Denkmalpflege  XIV Naturschützer  X Neolithikum, neolithisch  XVII, 12, 46f., 49ff., 59, 153 Netzwerke 73 Neubau  104, 106 oberschwäbische Kleinseen  50 Ökologie  10* Palisaden  XX, 36, 52f., 99, 106 Pedologie 41 Perlen  58 Pfahlbaufieber  XVII, XXI, 137 Pfahlbauinformationszentrum  78, 80, 83 Pfahlbaumuseum  XXI, 75, 89, 94 Pflugackerbau  53, 58 Plan Loire Grandeur Nature  123, 126, 128 Pollenanalyse  46, 57 Prähistorische Gemeinschaft  13 Privatfernsehen  XXI, 179f. Probenentnahmestrategie  59 Probenmaterial  53 Pufferzone  196 Pyramiden von Giseh  XI Quadratmeterraster  46 Räder  10, 53 Reenactment  XXI, 93, 165, 168 Regionale Kulturtraditionen  17 Reichsbund für Deutsche Vorgeschichte  XVIII Rekonstruktion  XVII, 77, 83, 89, 92f., 104, 152, 162, 164f. Replik  93 Repräsentativität  15 Resolution 16 Restaurierung  104, 162 Rettungsgrabungen  37, 43 Revolution 1848/49  139 Riedwiesen  52 rituelle Sphäre  48 Rohstoffanalyse  58 Römisches Reich  14 Rote Liste  16 RTL  179, 181

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Sammelgut  78f. Sammelwut  XV Schutz  XI, 16, 81, 191, 196 Schweizerisches Bundesamt für Kultur   VII Sedimentologie 41 Seengeschichte  52 Seespiegelstand  51 Seeuferbesiedlung  51 Seidenstraße 14 Serialität  XIXf., 80, 83ff. serielle, transnationale Eintragung  10, 14, 77*, 128 Service-Center  75 Sevilla Charter  113 shifting cultivation  57 Sichtbarkeit, Unsichtbarkeit  VIf., XVIII, 33*, 66*,77, 80, 89, 103 Sieben Weltwunder der Antike  X Siebung  45 Siedlung Forschner  52 Siedlungs- und Sozialstruktur  46 Siedlungsareale  XIX, 37 Siedlungsbau  56 Siedlungsdimorphismus  49 Siedlungsform  10, 13 Siedlungsgeschichte  XVIII, 52, 59, 145 Siedlungsterritorium  56 Siedlungsumland  56 Siedlungsumwehrung  56 Siedlungsverlagerung  XIX, 56 Silberstraße 14 Sinusmilieu 182 social media  201 Sondagen  59 Speisereste  VII Spinnwirtel  58 spirituell  24 Steinbeile 80 Steinraub 104 Steinzeit 73 Steinzeitdorf  38 Stickstoffisotope  57 story-telling  184f., 200 Straßendorf-Schema  55 Südtiroler Archäologiemuseum  171 Swiss Coordination Group  VIII, XVIII SWR  161, 180 Taucharchäologen  39 Tauchbasis Bielersee  8f. technische Innovationen  58 Tentativliste  X, 26 Textilien  XVII, 79f.

Textilkunde  XIX, 46 Tierdung  58 Tierknochen  57 Translozierung  16 Transnationalität  XIX, 80, 84 Ufer- und Moorsiedlungen  33 UN WTO  198 UNESCO-Gründungsdokument  XVIII UNESCO-Konvention zum Schutz des Kulturund Naturerbes  XVIIIf. UNESCO World Heritage Centre  81 UNESCO-Deklaration  112 Universalität  70 Unkrautspektrum  58 Unterwasserarchäologie  XVIII, 41 Unterwasserwelt  XVII, 185, 201 Urkonvention 82 Vegetationsgeschichte  52 Verein für die Geschichte des Bodensees  150 Verlandungsgebiete 10 vermoorte Talauen  33 Vernetzung  75, 76 Verprobung  46 Visualisierung  XX, 106 Völkerverständigung  XX Wachstumskeim 4 Wachstumsmärkte  193 Wachttürme  XX, 99, 101, 105 Wald-Feldbau  XIX, 57 Wasserbaumaßnahme 42 Wasserbehörden 42 Wasserstand  XVII Wattenmeer  XVI, XVIII, 14 WCPA  126 Weltausstellung Wien  148 Welterbe, Indikatoren, Kriterien  190 Welterbe-Besucherzentrum 198 Welterbebildung, -erziehung  XIV, XVII, 81f. Welterbekomitee  17, 77, 94 Welterbekonvention  15, 80, 82, 190, 199 Welterbeliste  69, 77 Welterbe-Management  193, 196, 202 Welterbe-Manual 78 Welterbe-Tourismus  XIII, XXII, 187*, 199 Welttourismusorganisation  XIII Wikinger 20 Wirtschaftsweise  XVII Workshops  80 World Heritage and Sustainable Tourism ­Program  XIV

Sachregister     | 225

World Heritage Experience Switzerland  7 World Nature Forum/Swiss Alps Jungfrau-Aletsch  198 ZDF  165, 179 Zeilendörfer  55

Zeitschrift „Le Temps“  IX Zielkonflikt  XXII Zinnbronze  58 Zugänglichkeit  80 Zugangsbrücken  53 Zuschauerforschung  181f.