Krieg um die Alpen: Der Erste Weltkrieg im Alpenraum und der bayerische Grenzschutz in Tirol [1 ed.] 9783428528431, 9783428128433

Der Krieg um die Alpen, der in den Jahren 1915 bis 1918 zwischen Italien und Österreich-Ungarn entbrannte, war der umfas

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German Pages 716 Year 2008

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Krieg um die Alpen: Der Erste Weltkrieg im Alpenraum und der bayerische Grenzschutz in Tirol [1 ed.]
 9783428528431, 9783428128433

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Zeitgeschichtliche Forschungen

35

Krieg um die Alpen Der Erste Weltkrieg im Alpenraum und der bayerische Grenzschutz in Tirol

Alexander Jordan

Duncker & Humblot · Berlin

asdfghjk

ALEXANDER JORDAN

Krieg um die Alpen

Zeitgeschichtliche Forschungen Band 35

Krieg um die Alpen Der Erste Weltkrieg im Alpenraum und der bayerische Grenzschutz in Tirol

Von Alexander Jordan

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, Potsdam.

Die Fakultät Geschichts- und Geowissenschaften der Otto-Friedrich-Universität Bamberg hat diese Arbeit im Jahre 2007 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagbild: Die drei Zinnen (Dolomiten) vom Monte Piana aus gesehen (Foto: Alexander Jordan, 2005) Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1438-2326 ISBN 978-3-428-12843-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie, der ich alles verdanke!

Vorbemerkung An dieser Stelle möchte ich zunächst einigen Personen danken, ohne die diese vorliegende Arbeit nicht hätte entstehen können. Allen voran meiner Familie, die mir stets den nötigen Rückhalt gab und mich in jeder Beziehung fortwährend unterstützt hat. Einige ‚Durststrecken‘ während der Entstehung wären ohne ihre immer wieder anspornende Hilfe nicht zu überwinden gewesen. Besonders meinem Großvater Siegfried Stiefenhofer (†) bin ich sehr verpflichtet, da er mir bei der Transkription der Quellen immer hilfreich unter die Arme griff. Meinem Betreuer, Universitätsprofessor Dr. Karl Möckl, gilt mein ganz besonderer Dank. Er weckte in mir die Begeisterung für dieses Thema und ist der Quell meines wissenschaftlichen Könnens. Er stand mir immer beratend zur Seite, hatte allzeit ein offenes Ohr für meine Probleme bei der Abfassung dieser Arbeit und half mir, diese zu überwinden. Ihm bin ich zu größtem Dank verpflichtet. Ebenso meinem Zweitgutachter, Universitätsprofessor Dr. Reinhard Zintl, der mir mit seinen Vorlesungen die Grundlagen an die Hand gab, um mein Thema auf einer politisch-philosophischen Ebene zu durchdringen. Entscheidenden Anteil hat an diesem Werk Dr. Heinz von Lichem (y), der als einer der profundesten Kenner der Materie des Alpenkrieges ein wertvoller Gesprächspartner war. Aus seinem Archiv wurde mir Material zur Verfügung gestellt, das hier teilweise erstmalig wissenschaftlich aufgearbeitet werden konnte. Ohne sein Kartenmaterial wären mir auch viele wunderbare Erlebnisse bei meinen Frontbegehungen in der Natur der Alpenwelt nicht zuteil geworden, die ich unter anderem mit meinem langjährigen Bergkameraden Gerhard Weiß unternehmen durfte. Auch vielen anderen meiner Freunde gebührt Dank, da sie in unzähligen Gesprächen gezwungen waren, sich mit jener Thematik, die mein Leben in den letzten Jahren so entscheidend geprägt hat, zu beschäftigen. Dieser Austausch half mir, meinen Blick für die wesentlichen Fakten zu schärfen, mich nicht im Uferlosen zu verlieren, und so haben meine Freunde – großteils unbewusst – meine Begeisterung und meinen Enthusiasmus für die Sache beständig genährt. Exemplarisch sei hier Magister Thomas Wimmer genannt; ihm und darüber hinaus auch allen jenen Helfern, die mir bei der Korrektur und den fremdsprachlichen Feinheiten beispielsweise aus dem Italienischen behilflich waren, sei herzlich gedankt.

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Vorbemerkung

Weiters bin ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der von mir besuchten Archive, die mir stets mit Rat und Tat zur Seite standen und die sich vorbildlich um meine Wünsche gekümmert haben, zu Dank verpflichtet. Herausragende Exponenten dieses vollendeten Services sind die Abteilung IV-Kriegsarchiv des bayerischen Hauptstaatsarchivs in München sowie das Tiroler Landesarchiv in Innsbruck. Bamberg, im Juni 2008

Alexander Jordan

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fragestellung und Eingrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Methodik und Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Forschungsstand und Quellenkritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17 17 23 32

B. Ausgangsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Mächte und der Kriegseintritt Italiens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Tauziehen um die italienische Neutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Italien und die Bemühungen der Entente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51 51 66 77

österreichisch-ungarische Südwestfront . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Frontverlauf aus topographisch-geographischer Sicht . . . . . . . . . . . . Italienische Kriegsvorbereitungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Defensionsmaßnahmen des K. u. k. Generalstabes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Militär-geographische Prämissen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verteidigung und Angriff in Südtirol – Grundlegende Konzeptionen 3. Österreich-Ungarns Verteidigungsmaßnahmen für den Kriegsfall ‚I‘ 4. Festung Südtirol – Fortifikationswesen im Grenzgebiet . . . . . . . . . . . IV. Von Spionen und Irredentisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87 87 98 108 108 111 120 130 142

Kombattanten – Streitkräfte und Spezialtruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die ‚gesamte bewaffnete Macht‘ Österreich-Ungarns . . . . . . . . . . . . . . . . ‚L’Esercito Italiano‘. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gebirgsspezialisten am Beispiel der deutschen Schneeschuhtruppen und Gebirgsjäger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

152 152 163

Sperr-Riegel im Gebirge – Zur Theorie des Krieges in den Bergen Das Phänomen Gebirgskrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Das Bataillon verteidigte den Berg und der Berg das Bataillon“ . . . . . Angriff und Verteidigung im Gebirgsraum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Probleme des Gebirgskrieges. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

185 185 194 203 208

F. Vom Krieg der Bergführer zur ‚Verdunisierung‘ – Kriegsereignisse bis Ende 1917 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einleitungskämpfe 1915 in Tirol und Kärnten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Krieg der Bergführer – Standschützenoberjäger Sepp Innerkofler . . . . . III. Sommerschlachten und Abwehrkämpfe 1915/1916 . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die österreichisch-ungarische Frühjahrsoffensive 1916 . . . . . . . . . . . . . . 1. Erste Dispositionen mit dem deutschen Verbündeten. . . . . . . . . . . . . . 2. Vorbereitung und Logistik der Operation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

215 215 233 238 251 254 262

C. Die I. II. III.

D. Die I. II. III. E. Der I. II. III. IV.

170

10

Inhaltsverzeichnis 3. Die militärische Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 4. Die Offensive läuft sich fest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

G. Der seltsame Krieg über und unter der Erde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bohrhammer und Dynamit – Der Minenkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Sprengung des Col di Lana . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auf dem Kleinen Lagazuoi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Krieg in Eis und Schnee 1916/1917. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Stadt im Eis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der weiße Tod in den Bergen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. „Der Tod als Maschinist“ – Karsthochfläche und Isonzofront. . . . . . . . . IV. „Auf der Infanterie lastet das schwerste in der Schlacht“ – Zum Wandel der Kampfdoktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

312

‚Wunder‘ von Karfreit – Ausbruch aus dem Gebirge . . . . . . . . . . . . . . Die strategische Lage und der Thronwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die zwölfte Schlacht am Isonzo: Angriffsvorbereitungen . . . . . . . . . . . . . „Der Angriff hat uns vollständig überrascht“ – Italienische Abwehr . . . La Dodicesima Battaglia – Der erste Angriffstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Pinien und Cypressen grüßen die Sieger“ – Der Weg nach Venetien. . Abschließende Bemerkungen zur zwöften Isonzoschlacht . . . . . . . . . . . .

320 320 328 338 346 353 366

I. Dem Ende entgegen – Das letzte Kriegsjahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die gesamt-(militärische) Lage zu Beginn des Jahres 1918 . . . . . . . . . . . II. Exkurs: Der missverstandene Partner – Deutsch-österreichische Rivalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ein letztes Aufbäumen – Die K. u. k. Junioffensive 1918 . . . . . . . . . . . . . IV. Der Zusammenbruch der K. u. k. Front Südwest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die militärische Niederlage und der Waffenstillstand von Villa Giusti. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Heimkehrer – Rückmarsch der Erlösten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

373 373

H. Das I. II. III. IV. V. VI.

J. Grenzschutz Süd – Die Besetzung Tirols durch bayerische Truppen . . . . I. Grundlagen der Landesverteidigung Bayerns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorkriegserfahrungen – Die Generalstabsreise 1914 . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bayerische Gebirgskriegsfertigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Oktober 1918 – Nervosität in Bayern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das II. bayerische Armeekorps und die Organisation des Grenzschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die politische Ebene – Tiroler Nationalrat und Chaos in Tirol . . . . . . . . V. Feder oder Schwert – Aspekte zur Responsibilität der Aktion . . . . . . . . VI. ‚Die Bayern kommen!‘ – Einmarsch in Tirol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Das Gefecht, das nicht stattfand – Unblutige Grenzverteidigung und Rückzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Exkurs: Insel der Seligen? Das Kriegsende am Beispiel der bayerischen Grenzstadt Füssen im Allgäu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

276 276 278 283 287 288 293 300

379 390 406 406 422 430 430 430 437 443 460 471 480 495 509 519

Inhaltsverzeichnis

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K. Epilog – ‚Über die Schwierigkeit Südtiroler zu sein‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 L. Schlussbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 542 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 Abstract . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 Anhang A: Dokumente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555 Anhang B: Karten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 Anhang C: Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 Anhang D: Kurze chronologische Übersicht zum Grenzschutz Süd . . . . . . . . 615 Anhang E: Hinweise zu Stärke und Organisation der Truppenverbände . . . 622 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unveröffentlichte Quellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konsultierte Zeitungen und Periodika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aktenpublikationen, Generalstabswerke und frühe Überblickswerke. . . . . . . Dienstvorschriften, Lehrbehelfe, gedrucktes Aktenmaterial . . . . . . . . . . . . . . . Memoiren und Erinnerungsliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regimentsgeschichten und Einzeldarstellungen von Truppenverbänden. . . . Sonstige gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

630 630 645 646 650 651 654 656

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 667 Sonstige Verzeichnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 693 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 694 Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 705

Abkürzungsverzeichnis AA Abt. AOK AK Art. BA-MA Batl./Btl. Battr., Bttr. bay. BayHStA BayKA BEF b. h. Brig. brit. BWStA C., Ci., Cma. CAN Col d. Div. D. Ö. A. V. DOHL dt. Ehg. Ers. Esk. FA FAB FAR fdl. FM FML

Auswärtiges Amt (Deutschland) Abteilung Armeeoberkommando (i. d. R. das österreichisch-ungarische) Alpenkorps ArtillerieBundesarchiv – Militärarchiv; Freiburg Bataillon/-e (im öst.-ung. Schriftverkehr häufig Baon) Batterie/-en bayerisch/-e/-er/-es Bayerisches Hauptstaatsarchiv (hier: Abteilung II-Neuere Bestände 19./20. Jh.) Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Abteilung Kriegsarchiv British Expeditionary Forces, Streitkräfte des Vereinigten Königreiches in Europa bosnisch-herzegovinisch Brigade/-n britisch/-e/-er/-es Landesarchiv Baden-Württemberg – Hauptstaatsarchiv Stuttgart Cima (ital. Berggipfel) Nachlaß Admiral Wilhelm Canaris; Kitzbühel (ital. Berg) der oder des Division/-en (im öst.-ung. Schriftverkehr häufig Dion.) Deutscher und Österreichischer Alpen Verein Deutsche Oberste Heeresleitung deutsch/-e/-er/-es Erzherzog Ersatz Eskadron Faszikel (K. u. k.) Festungsartillerie-Bataillon Feldartillerieregiment feindlich/-e/-er/-es Feldmarschall Feldmarschalleutnant (im Deutschen Reich: Generalleutnant)

Abkürzungsverzeichnis Frh. FZM Gb./Geb. GbBrig GdA GdI GdK Geb. Art. Gen. Gen. Kdo. II. b. A. K. GFM GKAL GLT GM GO Gr. H. Qu. Grp. Gst. GstKps HA HG., Hgr. HGK HID Hpt./Hptm. HQ HS I. D. i. G., d. G. Inf. IR, I. R. ital. ITD Kav. Kdo. Kdr. kgl. oder k. KJ K. k. k. u. K. u. k.

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Freiherr Feldzeugmeister (entspricht dem Rang des GdA, GdI, GdK) GebirgsGebirgs-Brigade General der Artillerie General der Infanterie General der Kavallerie Gebirgs-Artillerie General Generalkommando des zweiten bayerischen Armeekorps Generalfeldmarschall Gebirgskriegsarchiv Lichem Generalleutnant (deutsch, italienisch) Generalmajor Generaloberst Großes Hauptquartier Gruppe Generalstab Generalstabskorps (öst.-ung. Bezeichnung, entspricht dem deutschen Generalstab) Handakt Heeresgruppe Heeresgruppenkommando Honvéd-Infanteriedivision Hauptmann Hauptquartier Handschriften Infanteriedivision (entspricht den K. u. k. Infanterie-TruppenDivisionen) im Generalstab, des Generalstabskorps (öst.-ung.) InfanterieInfanterieregiment italienisch/-e/-er/-es K. u. k. Infanterie-Truppen-Division Kavallerie Kommando Kommandeur königlich/-e/-er/-es Kaiserjäger kaiserlich – königlich königlich-ungarisch kaiserlich und königlich

14 KM Kmdt., Kdt., Komdt. KROB KSchBrig KTB Lst. LT LVK M MA Mag. MG MHFZ MILAR MilKmdt. Min.Präs. Mjr. MKr MMThO Mob. MobMil Mt., Mte. Mun. NL Krafft OB Offz. OLT ÖStA ÖStA-HHSA ÖStA-KA OTL ö. u., öst.-ung. Ö. U. L. K. o. V.

PAA Pi., Pion. Pta. res.

Abkürzungsverzeichnis Kriegsministerium Kommandant Archiv Kroboth; St. Pölten Kaiserschützen-Brigade Kriegstagebuch Landsturm Leutnant Landesverteidigungskommando Modell (bei Typ-Bezeichnungen für Waffen und Gerät) Akten des bayerischen Ministeriums des königlichen Hauses und des Äußern Malga (ital. Hütte) Maschinengewehr Militärhistorisches Forschungszentrum; München Militärarchiv Lichem; München Militärkommandant (beispielsweise von Tirol) Ministerpräsident Major Akten des bayerischen Kriegsministeriums Militär-Maria-Theresien-Orden MobilmachungsMobile Miliz (Italien) Monte (Berg) Munition Nachlaß Krafft Oberbefehlshaber Offizier/-e Oberleutnant Österreichisches Staatsarchiv; Wien Haus-, Hof- und Staatsarchiv (Abteilung des Österreichischen Staatsarchivs) Kriegsarchiv (Abteilung des Österreichischen Staatsarchivs) Oberstleutnant österreichisch-ungarisch/-e/-er/-es Österreich Ungarns Letzter Krieg ohne Verfasser (tritt in den bibliographischen Angaben auf, wenn der Autor nicht ermittelt werden konnte, häufig bei gedruckten militärischen Quellen) Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes; Berlin Pionier/-e Punta (ital. Bergspitze/Zacken) reservat (öst.-ung. für geheim, unter Verschluß)

Abkürzungsverzeichnis Rgt. russ. Sch. StA StSch. TKJ TLA u., ung. württ. z. b. V.

Regiment russisch/-e/-er/-es Schützen Staatsarchiv Augsburg (Tiroler) Standschützen Tiroler Kaiserjäger Tiroler Landesarchiv; Innsbruck ungarisch württembergisch/-e/-er/-es zur besonderen Verwendung/Verfügung

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Le montagne stanno ferme, Gli uomini cammiano! (Die Menschen kommen und gehen, Aber ewig stehen die Berge! Luis Trenker: Berge in Flammen)

A. Einleitung I. Fragestellung und Eingrenzung Die Alpen sind die am dichtesten besiedelte Bergregion der Welt und waren schon immer Zeugen einer wechselvollen Geschichte. Während sie in der Vergangenheit immer wieder der Schauplatz kleinerer und größerer Heeresdurchzüge und Konfrontationen waren, entspannte sich der größte Konflikt in dieser Region während des Ersten Weltkrieges. Erstmals in der Geschichte waren Hunderttausende in den Hochalpen versammelt, die im Sommer wie im Winter dort oben lebten und kämpften. Zwei Regionen waren hiervon in unterschiedlicher Art und Intensität betroffen und sollen den – geographischen – Kern der Dissertation bilden: Bayern und Tirol. Unzweifelhaft stellt der Erste Weltkrieg, als eine entscheidende Zäsur des 20. Jahrhunderts, für die wissenschaftliche Forschung noch immer ein hohes Attraktivitätspotential dar. Das Jahr 2004 war geprägt durch den neunzigsten Jahrestag des Kriegsausbruches und glänzte mit einer Fülle von Veröffentlichungen, Kongressen und Debatten. Nur ein Jahr später gedachte man des Kriegseintritts des Königreichs Italien. 1915 begann der Krieg um die Alpen.1 Vergleicht man die verschiedenen Fronten des Ersten Weltkrieges, so muss man der Alpenfront zweifellos eine Sonderstellung zugestehen. Nirgends sonst bot sich den Soldaten so schwieriges Gelände, gepaart mit widrigsten Witterungsbedingungen und einem allgegenwärtigen, unbarmherzigen Feind: der Natur. Da sich alle Parteien diesen Gewalten ausgeliefert sahen und man um die Probleme des Gegners wusste, zollte man sich gegenseitig hohen Respekt. Dies trug nicht unerheblich zur Heroisie1 Auch der Krieg in Südtirol wurde in einer großen Wanderausstellung präsentiert: Der Erste Weltkrieg 1914–1918. Die Tiroler Front 1915–1918. Die große Ausstellung zum Krieg in den heimatlichen Bergen (Wanderausstellung in Toblach, Neustift, Lana, Bozen vom 30. April bis 30. Oktober 2005), Ausstellungskatalog, o. O. o. J. Ergänzt durch den bilingualen Kongress: Der Erste Weltkrieg im Alpenraum. Erfahrung – Deutung – Erinnerung/La Grande Guerra nell’arco alpino. Esperienze e memoria, Freie Universität Bozen/Libera Università di Bolzano vom 28.–30. April 2005.

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A. Einleitung

rung, aber auch Romantisierung dieses Kriegsschauplatzes bei. Ein weiterer Grund dürfte darin zu suchen sein, dass der einzelne Mensch ‚mehr zählte‘ als an anderen Fronten. Im Gegensatz zu den Materialschlachten beispielsweise in Frankreich, die von Maschinen und Menschenmassen bestimmt waren, konnte der einzelne Kämpfer in Tirol den Kriegsverlauf wenigstens lokal noch mitentscheiden. Diese Erfahrung wurde speziell für den Raum Tirol als Lehre bereits aus dem Tiroler Volksaufstand von 1809 gezogen. Schon 1892 fasste der bayerische Hauptmann Baumann in einer Veröffentlichung des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins zusammen: „Ein Gebirgskrieg absorbirt [sic] oft ungemein viele Kräfte, da in der Regel ein kleinerer Gegner hinreicht, grösseren [sic] Truppenmassen den Weg zu versperren [. . .] Im innigsten Zusammenhange mit dem Volks- und Insurrektionskriege steht der kleine Krieg, bei welchem die Teilnehmer nicht stark genug sind zu grösseren [sic] Angriffen, aber durch waghalsige Unternehmungen aller Art dem operirenden [sic] Gegner den empfindlichsten Schaden zufügen können. Das Gebirge ist der eigentliche Schauplatz für den kleinen Krieg.“2

In den alpinen Hochgebirgsregionen über 3.000 Höhenmetern gelten diese Aussagen auch noch für den Ersten Weltkrieg. Dieser ‚kleine Krieg‘, der seinen extremsten Ausdruck in der mangelhaften K. u. k. Grenzbesetzung 1915 – mit den bis dahin verschont gebliebenen ganz Jungen und ganz Alten (Milchbärte und Eisbärte) – fand, war trotz des verniedlichenden Ausdruckes ‚Kleiner Krieg‘ unbarmherzig, entbehrungsreich und grausam.3 Am besten kommt dies in den teilweise romanhaften Darstellungen der ehemaligen Kriegsteilnehmer zum Ausdruck, die als historische Quellen angesehen werden können. Um diese zu nutzen, müssen sie kritisch und in ihrem Entstehungskontext betrachtet und bewertet werden. Da die Quellenund Literaturlage zu der Thematik des alpinen Krieges sehr umfangreich ist und der Quellenwert dabei sehr variiert, wird der Quellen- und Literaturkritik in dieser Arbeit ein herausragender Stellenwert beigemessen. Obgleich diese Arbeit zum Ziele hat, das Problem des Alpenkrieges mit historischer Methodik zu durchdringen, spielen gerade bei diesem Thema noch weitere Wissens- und Erfahrungsfelder eine Rolle. Die extreme Topographie und außergewöhnliche Klimabedingungen machen den Gebirgskrieg in mancherlei Bezug einzigartig: Strategie und Taktik müssen sich anpassen, ebenso die Organisation der Truppen als auch die Soldaten selbst. Die Auswirkungen und Reaktionen auf diese Abnormität begleiten die Arbeit 2 Baumann, J.: Das Kriegswesen im Hochgebirge, in: Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd. 23 [im Weiteren D. Ö. A. V.], 1892, S. 45–83, hier: S. 54 und S. 63. 3 Der ‚kleine Krieg‘ wird im heutigen Verständnis meist als Guerillakrieg bezeichnet. Vgl. zur Definition die zeitgenössische Quelle: Meyers Konversation-Lexikon, Band X, Leipzig 1877, S. 361.

I. Fragestellung und Eingrenzung

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durchgängig und werden besonders in den Kapiteln über die Theorie des Gebirgskrieges und über den Wandel der Kampfdoktrin hervorgehoben. Hier wird neben dem Wissensstand der Militärtheoretiker bis 1914 auch der ‚praktische‘ Teil der Gebirgsausbildung und Erfahrung abgebildet. Dies ist unerlässlich, um die Handlungen der verantwortlichen Militärs zu verstehen. Insbesondere die Einschränkungen denen sie im Gegensatz zum Krieg im flachen Lande unterlagen. In fast allen Arbeiten zum alpinen Krieg 1915–1918 liest man von den Erfahrungen und Leiden der Mannschaften, selten jedoch von den Handlungsspielräumen und Determinanten, denen die Befehlshaber an der Front unterlagen. Hier sei hingewiesen auf die Diskrepanz ‚Befehlsgebung vom grünen Tisch‘ im Armeeoberkommando, etwa in Teschen, und den hier angesprochenen Frontbefehlshabern, die in direktem Kontakt mit den Unbilden der Witterung und der Berge standen, welche ihre Befehlsgebung massiv beeinflussten. Gedacht ist an die Ebene etwa vom Landesverteidigungskommando Tirol hinunter zu den Befehlshabern der Rayone und den eigentlichen Frontoffizieren in den Kampfgräben, die sich elementar mit ihrer Umwelt auseinander setzen mussten, ganz anders als die Spitzenmilitärs im rund 600 Kilometer entfernten K. u. k. Armeeoberkommando in Teschen (heute die polnisch-tschechische Grenzstadt Cieszyn).4 Die Arbeit wird also die Besonderheiten und theoretischen Grundlagen des Hochgebirgskrieges verfolgen. Sie stellt die Anforderungen, mit denen die Soldaten in dieser Fels- und Eisregion konfrontiert wurden, heraus. Es wird sich zeigen, dass der Kampf in fast arktischen Klimaregionen ganz andere Formen annimmt und anderen Gesetzmäßigkeiten unterliegt als etwa die Kämpfe auf dem französischen oder russischen Kriegsschauplatz. Anhand einiger Kampfhandlungen wird versucht, die Eigenart des Gebirgskrieges vor Augen zu führen. Dabei soll es sich um einzelne, schlaglichtartige Skizzierungen handeln und nicht um eine universelle beziehungsweise enzyklopädische Arbeit der Gebirgskämpfe. Auch eine zu ausführliche Schilderung der herangezogenen Kampfhandlungen empfiehlt sich nicht. Natürlich müssen militärische Verbände genannt werden, eine reine Auflistung aller beteiligten Truppenteile womöglich bis auf Bataillonsebene ist aber in den seltensten Fällen angebracht. Hierzu können die relevanten Regimentsund Bataillonsgeschichten zu Rate gezogen werden. Vielmehr sollen die erheblichen Schwierigkeiten, die an die obere Führung und an die Truppe immer wieder gestellt wurden, erforscht werden und die Gründe für den guten Ausgang oder das Misslingen von Kampfhandlungen zu erkennen versucht 4 Die direkte Entfernung von Teschen bis Cortina d’Ampezzo beträgt fast genau 600 Kilometer Luftlinie. Die Front am Ortler war demnach noch weiter entfernt. Vgl.: Google Earth – Distanzmessung.

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werden. Im Laufe dieser Betrachtungen wird ein Urteil darüber möglich sein. Die im Gebirge erschwerte einheitliche Führung in Bewegung und Gefecht, die oft ungeheueren Aufmarsch- und Nachschubschwierigkeiten, die Notwendigkeit geeigneter Bewaffnung, von Ausrüstung und von Gebirgserfahrung, aber auch die erhöhte Bedeutung von Umfassungen und Umgehungen sind militärische Aspekte, die von Interesse sein werden. Besonderer Raum wird der zwölften Isonzoschlacht gewidmet. Sie war eine der umfangreichsten Gebirgsoperationen jemals und bereits Gegenstand zahlloser Untersuchungen. Diese Arbeit wird dennoch neues und bisher unveröffentlichtes Material in die Forschung einbringen und erlaubt damit einen neuen Blick auf dieses große Gefecht. Der Titel vorliegender Arbeit weist nicht expressis verbis auf einen festen Zeitrahmen hin. Eine isolierte Betrachtung lediglich der Kriegsereignisse in den Jahren 1915 bis 1918 kann nicht zum Ziel führen. Der Kriegseintritt Italiens im Mai 1915 und dessen Umstände müssen als hinführende Ereignisse und präjudiziell für die anschließende Kriegsentfaltung herangezogen werden. Auch für die Entwicklungen in den Jahren nach dem Krieg sind sie von elementarer Bedeutung, genannt seien hier nur die Stichworte Südtirol und die Anschlussfrage Deutschösterreichs an das Deutsche Reich. Diese Fragestellungen können nicht mehr Teil der Arbeit sein, werden aber in einem kurzen Epilog angedeutet. Die Arbeit wird neben dieser zeitlichen Einordnung vor allem auf folgende, regional begrenzte, lokale Räume Wert legen: auf Tirol mit Nord- und Südtirol sowie Vorarlberg; auf Süddeutschland mit Bayern und Baden-Württemberg und letztlich auf den Kampfraum am Isonzofluss entlang der heutigen italienisch-slowenischen Grenze. Eine Arbeit, die an vielen Stellen und teilweise geradezu grundlegend auf dem Verhältnis der Bündnispartner Deutschland und Österreich-Ungarn aufbaut, sollte dieses Empfinden auch ein wenig ausleuchten. Es zeigt sich, dass sehr differenziert werden muss, da es nicht ‚die‘ Deutschen und nicht ‚die‘ Österreicher gab, sondern dass der für Österreich-Ungarn geltende multiethnische Aspekt im Deutschen Reich seine Entsprechung in der föderalen Unterscheidung in Preußen und süddeutsche Eigenstaatlichkeit fand. In den folgenden Kapiteln treten immer wieder Animositäten zwischen den verbündeten Heerführern auf, die sich bis auf die Rangstufe der einzelnen Soldaten fortsetzten; allerdings mit gravierend unterschiedlichen Auswirkungen. In der Armee des Deutschen Reiches ist eine permanente Zurücksetzung der österreichisch-ungarischen Truppen zu finden, sie scheint geradezu eingeimpft. Sie ist schon während des ganzen Krieges bemerkbar gewesen, besonders aber um die Zeit 1917/1918. Vornehmlich an der Ostfront, wo deutsche und österreichisch-ungarische Truppen schon sehr früh nebeneinander und miteinander kämpften, haben sich die Urteile und

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Vorurteile entwickeln können. Die Zeugnisse für den Kriegsschauplatz Italien sind allerdings spärlich gesät. Ein Grund ist sicher – wie diese Arbeit zeigen wird – das zentrale und sehr gute Verhältnis der süddeutschen Soldaten zu ihren österreichisch-ungarischen Kollegen. Ähnlich stand es mit der Mentalität und Einstellung der Bevölkerung. Die preußische Korrektheit und auch Steifheit verstand sich besonders auf der Ebene der einfachen Soldaten nicht mit dem österreichischen ‚Schmäh‘ und dem Hang zum ‚Durchwursteln und Improvisieren‘. Ähnliche Diskrepanzen waren auch auf dem politischen Parkett zu beobachten, wie sich in der Untersuchung des italienischen Kriegseintritts zeigen wird. Das strategische Wechselspiel zwischen der Südwestfront gegen Italien und der Front gegen Russland, das sich in den Konflikten der Generalstabschefs der Mittelmächte äußert, hatte fundamentale Rückwirkungen auf die Operationen an der Alpenfront. Die Vertreter des österreichisch-ungarischen Armeeoberkommandos (AOK) und der deutschen Obersten Heeresleitung (DOHL) waren sich bei der Bewertung der Aktionen gegen Italien häufig uneins, wie sich am Beispiel der Frühjahrsoffensive 1916 offenbarte. Die nächste große, gemeinsame Operation auf dem italienischen Kriegsschauplatz war die zwölfte Isonzoschlacht. Obwohl der umfassende Erfolg der Verbündeten in dieser Schlacht neben der damit erreichten Frontverkürzung auch die Erbeutung ungeheurer Massen an Kriegsmaterial bedeutete, begann die Monarchie in ihrem fünften Kriegsjahr personell und materiell allmählich auszubluten. Die Versorgungslage des Hinterlandes litt mehr und mehr unter dem gewaltigen, ohnehin kaum zu deckenden Bedarf der Armee. Die Seeblockade der Entente verstärkte diese Effekte. Es herrschte Mangel an allem. Kohle- und Nahrungsmittelknappheit führten im Laufe des Jahres 1918 zu schweren Versorgungskrisen und lösten damit zahlreiche Streiks und Demonstrationen aus. Einem Ende Oktober mit gewaltiger Übermacht geführten alliierten Angriff an der Südwestfront konnte daher kein nachhaltiger Widerstand mehr entgegengesetzt werden. Die Truppen mussten zurückgenommen werden und ganze Einheiten begannen bereits sich aufzulösen. Der Abschluss des Waffenstillstands zwischen dem Kaiserreich Österreich-Ungarn und Italien am 3. November 1918 war unvermeidlich. Daraus ergaben sich für das Deutsche Reich ungeahnte Folgen. Man musste damit rechnen, dass Truppen der Entente von Tirol aus einen Stoßkeil in die bayerische Südflanke trieben. Als Gegenmaßnahme bot sich allein ein Einmarsch in Tirol an. Diese Episode in der Geschichte Bayerns und Tirols ist von der Forschung bisher nur am Rande gewürdigt worden. Diese Forschungslücke zum bayerischen Grenzschutz Süd im Oktober und November 1918 will die vorliegende Darstellung schließen. Leitfragen werden dabei sein: Wie war der Grenzschutz organisiert? Wer dominierte die Entscheidun-

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gen? Waren es primär militärstrategische oder politische Beweggründe, die zum Einmarsch in Tirol bewogen? All dies wird eingebettet in die verworrene und chaotische Situation in Tirol in den letzten Kriegstagen 1918. Über den Ersten Weltkrieg im Alpenraum wurde schon viel geschrieben. Besonders in Italien hat dieses Thema in den letzten Jahren ein besonderes Interesse geweckt. Auch im deutschen Sprachraum erinnert man sich immer häufiger dieser Vergangenheit. Die Präsenz des Themas im Internet nimmt fast täglich zu. Auf neuen Medien sind immer mehr Dokumentationen und Filme zum Thema Alpenkrieg verfügbar.5 Häufig fehlt diesen neuen Darstellungsformen aber der wissenschaftliche Unterbau, der durch diese Arbeit in gewisser Weise nachgeliefert wird. Leider muss sich auch die vorliegende Arbeit einschränken. Ergänzende Themen, die nicht unmittelbaren Einfluss auf das Geschehen hatten werden ausgespart. Hierzu gehören etwa ‚medizinische‘ Fragestellungen zur Sanitätsversorgung im Gebirge oder zur Spanischen Grippe, die das Leben im Europa des Jahres 1918 gravierend beeinflusste.6 Die Militärverwaltung in den besetzten Gebieten (besonders nach der zwölften Isonzoschlacht) kann ebenso wenig Gegenstand dieser Untersuchung sein wie spezielle Entwicklungen in der Waffentechnik. Aktuelle Forschungsrichtungen wie die der ‚Genderforschung‘ finden leider keinen Raum, so wenig wie die Betrachtungen zum Totenkult und zu der vielbesprochenen ‚Männlichkeitskonstruktion‘ im Krieg.7 Nicht betrachtet werden in der Arbeit auch weiter gehende, interessante Aspekte des Alpenkrieges wie etwa die Entwicklung der Militärjustiz in den jeweiligen Gebieten, die Auswirkungen auf den Alpenverein und deren Schutzhütten aber auch die katalytische, durch den Krieg ausgelöste, Entwicklung des Alpinismus.8 Ebenso werden innenpolitische Veränderungen 5 Erinnert sei an die klassischen Verfilmungen Berge in Flammen, (Deutschland/ Frankreich), Erscheinungsjahr: 1931, Regie: Luis Trenker und Karl Hartl. Standschütze Bruggler, (Deutschland), Erscheinungsjahr: 1936, Regie: Werner Klingler. Bataillon der Verlorenen, Originaltitel: Uomini contro, (Herstellungsland: Italien/Jugoslawien), Erscheinungsjahr: 1970, Regie: Francesco Rosi. Als Dokumentationen seien genannt: Front in Eis und Fels. Der Alpenkrieg 1915–1917, (Deutschland), Erscheinungsjahr: 1982, Regie: Ottomar Birth und Otto Guggenbichler. Gloria – La Grande Guerra, (Italien), Erscheinungsjahr 2001, Regie: Roberto Omegna. 6 Vgl. etwa: Müller, Jürgen: Die Spanische Influenza 1918/19. Der Einfluß des Weltkrieges auf Ausbreitung, Krankheitsverlauf und Perzeption einer Pandemie, in: Eckart, Wolfgang U./Gradmann, Christoph (Hg.): Die Medizin und der Erste Weltkrieg (Neuere Medizin- und Wissenschaftsgeschichte. Quellen und Studien Band 3), Pfaffenweiler 1996, S. 299–320. 7 Hierzu etwa der Sammelband: Dülffer, Jost/Krumeich, Gerd (Hg.): Der verlorene Frieden. Politik und Kriegskultur nach 1918 (Schriften der Bibliothek für Zeitgeschichte – Neue Folge Band 15), Essen 2002.

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nur insoweit berührt, als sie in direkter Interdependenz zu den Entwicklungen auf den Kriegsschauplätzen stehen. Die so genannte Heimatfront etwa bildet eine eigene Forschungsrichtung und fließt in dieser Arbeit lediglich in das Kapitel des Grenzschutzes ein.9 Dies heißt natürlich nicht, dass die diplomatische und politische Ebene unbehandelt bleibt. Der Weg Italiens in den Krieg war primär eine politische Entscheidung, ebenso wie der bayerische Einmarsch in Tirol 1918 einer starken politischen Einflussnahme unterlag.

II. Methodik und Aufbau der Arbeit Die methodologische Grundrichtung dieser Arbeit soll nicht mehr nur bestimmt sein von der ‚Eigengeschichte‘ des Militärs oder der Tradition der ‚Generalstabshistorie‘. Auch ist sie nicht im Sinne einer herkömmlichen ‚Traditionspflege‘ geschrieben worden. Intendiert wird vielmehr eine Analyse allgemeiner oder übergreifender gesellschaftlicher Funktionen des Militärs und des Militärischen, der komplexen Beziehungen von Militär, Gesellschaft und Diplomatie. Es interessieren vor allem die Schnittstellen zwischen Politik und Militär. Kritisch wendet sich der Autor daher gegen eventuelle applikatorische und apologetische Ausrichtungen der konventionellen Militärgeschichte. Selbstverständlich wird diese Arbeit aber von militärischen Fragestellungen dominiert. Die klassische Herangehensweise der Operationsgeschichte, die in den letzten Jahren immer seltener in der Forschung anzutreffen war, wird zu einem gewissen Grad einfließen. Die Arbeit wird im Wesentlichen chronologischen Prinzipien folgen. Unverzichtbar ist die Einordnung in den politischen und militärpolitischen Rahmen. Das Problem des Alpenkrieges ist in die Geschichte des Dreibundes zwischen Österreich-Ungarn, Italien und Deutschland als auch in die Kriegsgeschichte des Ersten Weltkrieges eingebunden. Zur politischen Geschichte des Dreibundes sind eingehende Arbeiten erschienen; hier werden fokussiert aber nur jene Ereignisse betrachtet, die zum Kriegsausbruch zwischen Italien und der Donaumonarchie führten.10 Das Gedankengut der Ir8 Vgl. zusätzlich: Schober, Richard: Tirol und der Erste Weltkrieg. Weiße Flecken in der Geschichtsschreibung, in: Eisterer, Klaus/Steininger, Rolf (Hg.): Tirol und der Erste Weltkrieg (Innsbrucker Forschungen zur Zeitgeschichte Bd. 12), Innsbruck/Wien 1995, S. 307–327. 9 Zur Heimatfront Tirol die aktuelle Veröffentlichung: Überegger, Oswald/Rettenwander, Matthias: Leben im Krieg. Die Tiroler „Heimatfront“ im Ersten Weltkrieg, Bozen 2004. 10 Der aktuelle Forschungsstand u. a. in: Afflerbach, Holger: Der Dreibund. Europäische Großmacht- und Allianzpolitik vor dem Ersten Weltkrieg (Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs Bd. 92), Wien/Köln/Weimar 2002. Grundlegend: Fellner, Fritz: Der Dreibund. Europäische Diplomatie vor

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redenta-Bewegung, die eine ‚Befreiung der unerlösten Gebiete‘ anstrebte, war die treibende Kraft in der italienischen Politik dieser Tage. Die italienischen Ansprüche auf jene Gebiete der Donaumonarchie mit Angehörigen der italienischsprachigen Volksgruppe als Ausgleich für eine ‚wohlwollende Neutralität‘ wurden im Laufe der Verhandlungen immer stärker. Die Katastrophe nahm ihren Lauf mit der italienischen Kriegserklärung vom 23. Mai 1915 an Österreich-Ungarn. Die Herauskristallisierung der militärstrategischen und operativen Planungen der Belligerenten begann schon vor dem Krieg. Hier kommen die ‚klassischen‘ Disziplinen der Militärhistoriographie und der Operationsgeschichte zum tragen. Die Vorkriegsideen sind von besonderem Interesse, da sie das Verhalten und die Aktionen während des Krieges determinierten. Sie haben sich aus den militärtheoretischen Betrachtungen zum Gebirgskrieg des ausgehenden 19. Jahrhunderts entwickelt. Mit Beginn der Kampfhandlungen zwischen Italien und Österreich-Ungarn zeigte sich sehr schnell, dass diese theoretischen Fundamente nur mehr bedingt Gültigkeit besaßen. Die Vorkriegstheorien sind für das Verständnis der Entwicklung während des Krieges von großem Interesse, weil die obersten Kommandoführer in ihrer Ausbildung diese Theorien erlernt hatten und sich später nur schwer davon lossagen konnten. Auch der bayerische Grenzschutz 1918 ist eng mit diesen Theorien und Ideen verknüpft. Der Krieg in den Alpen entwickelte sich keineswegs exakt nach den theoretischen Vorgaben und Erwartungen der Armeeführung. Die Arbeit stellt naturgemäß den Gebirgskrieg mit seinen raumgeographischen Spezifika in den Mittelpunkt wobei der Versuch, frühe Theorien des Gebirgskrieges mit der Realität des Ersten Weltkrieges zu konfrontieren einen bisher in der Forschung noch wenig beachteten Gegenstand darstellt. Unverzichtbar scheint ein Überblick über die beteiligten Truppen, der einen klärenden Einblick in die – heute kaum mehr nachvollziehbare – Pluralität der damaligen Heeresorganisation geben soll. Es werden Unterschiede beispielsweise zwischen Kaiserjägern, Landesschützen, Alpinis, Bersaglieris oder Honvéd-Abteilungen verdeutlicht. Der oben angesprochene Mangel einer einheitlichen militärischen Leitung der Mittelmächte, der sich im Lauf des Krieges sehr nachteilig auswirkte, geht auch auf die gegenseitige Ignoranz der Verbündeten zurück, Eigenarten (in) der Armee des Anderen zu tolerieren beziehungsweise überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.11 Die Bedem Ersten Weltkrieg (Schriftenreihe des Arbeitskreises für österreichische Geschichte), München 1960. 11 Wunderbar pointiert findet sich dies in dem Aufsatz von Craig, Gordon A.: Die militärische Kohäsion des österreichisch-deutschen Bündnisses 1914–1918, in: Craig, Gordon A.: Krieg, Politik und Diplomatie, Wien 2001, S. 63–76.

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weggründe, die zur Aufstellung besonders trainierter und ausgerüsteter Gebirgstruppen führten, lassen sich idealerweise und exemplarisch anhand des Deutschen Alpenkorps nachzeichnen. Innerhalb dieser Schilderung wird schon eine Vielzahl von Besonderheiten des Alpenkrieges angesprochen, die in den darauf folgenden Kapiteln anhand ausgewählter militärischer Operationen noch weiter ausgeführt werden. Diese Erlebensebene der Frontsoldaten wird in die Schilderung der Ereignisse an der K. u. k. Südwestfront eingebettet. Die fast vier Kriegsjahre auf dem italienischen Kriegsschauplatz können dabei in mehrere Phasen zerlegt werden. Die ersten Kriegswochen waren geprägt von einem gegenseitigen Abtasten. Aus diesem Krieg der Bergführer und Spähtrupps entstand nach wenigen Wochen eine durchgehende Front, an welcher der Stellungskrieg geführt wurde. Nach blutigen Schlachten am Isonzo beschloss Österreich, eine Offensive aus Südtirol – ausgehend von der Hochfläche von Folgaria–Lavarone – zu starten, um bis an die Adria vorzudringen und somit die italienischen Isonzo-Armeen einzukesseln. Der österreichischen Frühjahrsoffensive (der so genannten ‚Strafexpedition‘) kommt als eine der am größten angelegten Operationen im Alpenraum eine besondere Bedeutung zu. Da die österreichischen Verteidiger durch die andauernden Abwehrschlachten stark belastet waren, entschloss man sich im Frühherbst 1917 zu einer groß angelegten Durchbruchsschlacht zur Entlastung der Südwestfront, die sich schließlich zu einem ‚Blitzkrieg‘ entwickeln sollte: In der Schlacht von Flitsch–Tolmein–Karfreit wurden rasch Durchbrüche erzielt; die Italiener mussten sich zurückziehen, was immer schneller in eine ungeordnete Flucht überging. Mit der zwölften Isonzoschlacht und dem österreichischen Durchbruch wurde die gesamte Hochgebirgsfront der Karnischen und Julischen Alpen als auch der Dolomiten aufgerollt. Die Schlacht war geradezu bahnbrechend, wälzte sie doch die ganze Front um. Oft missverstanden, war es die bis dahin größte – erfolgreiche – Operation im Bergterrain. Das bisherige Bild der Schlacht war vor allem durch die Veröffentlichungen der höheren Kommandanten – wie etwa Alfred Krauß, Krafft von Dellmensingen et cetera – geprägt, die aber lediglich die strategische Ebene ‚von oben‘ schildern. Diese Arbeit soll einen ergänzenden Blick ‚von unten‘ damit kombinieren. Der parallel einhergehende, langsame Zerfall der österreichisch-ungarischen Armee wurde durch eine letzte Offensive des Habsburgerreiches im Juni 1918 nur mehr herausgezögert. Der italienische und alliierte Gegenstoß führte zum Waffenstillstand von Villa Giusti und bedeutete gleichzeitig den Todesstoß für die Donaumonarchie.

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Nach Abschluss des österreichisch-italienischen Waffenstillstandes ergab sich für das Deutsche Reich eine extrem gefährliche militärische Situation: es schien möglich, dass Truppen der Entente von Tirol aus einen Keil in die bayerische Südflanke trieben. In den meisten Gesamtdarstellungen zur Geschichte der beiden Länder Bayern und Tirol wird darauf überhaupt nicht eingegangen. Ausnahmen bilden hier das Werk von Wolfgang Zorn und die detaillierte ‚Geschichte des Landes Tirol‘ von Josef Fontana.12 Die den deutschen Einmarsch initiierende Kraft war der Tiroler Nationalrat. Dieser hatte am 30. Oktober 1918 nach vergeblichen Appellen an die Tschechen, Südslawen und Ungarn eine Anfrage an das Deutsche Reich gerichtet, ob „[. . .] militärische Bundeshilfe zum Schutze Tirols“ gewährt werden könne.13 Die katastrophale Ernährungslage, immer mehr meuternde Truppen auf dem Rückmarsch und das allgemeine Chaos führten in Tirol geradewegs in einen anarchischen Zustand. Die Tiroler Motivation für eine Besetzung – Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung beim Rückzug der aufgelösten K. u. k. Armee – unterschied sich damit von jener der Deutschen Obersten Heeresleitung, welche den Einmarsch von Entente Truppen in Bayern befürchtete. Hastig zusammengestellte deutsche Truppenformationen zogen in den Morgenstunden des 5. November 1918 in Tirol ein. Die Tage und Wochen des Durcheinanders, der Verzweiflung, Anarchie und Ungewissheit – sowohl auf österreichischer wie auf bayerischer Seite – sollen in dieser Dissertation näher beleuchtet werden. Am Ende der Arbeit wird ein kurzer Ausblick auf Folgen und kausale Nachkriegsereignisse in den primär betroffenen Regionen stehen. Die Arbeit verschreibt sich einem transnationalen Ansatz, da der zu behandelnde geographische Raum, verbunden durch gemeinsame Geschichte und Tradition der dort lebenden Menschen nur ‚formal‘ durch Grenzen getrennt ist. Vorbild kann hier das Konzept der Arge Alp sein. Im Jahr 1976 wurde im Rahmen der Kulturkommission der Arbeitsgemeinschaft Alpenländer eine Expertenkonferenz aus den Direktoren der Staats- und Landesarchive eingerichtet mit dem Ziel, das gegenseitige Geschichtsverständnis in den Mitgliedsländern zu fördern. Auf den Verbund der Staats- und Landesarchive der Mitgliedsländer wird die Dissertation verstärkt zurückgreifen.14 12

Vgl.: Zorn, Wolfgang: Bayerns Geschichte im 20. Jahrhundert. Von der Monarchie zum Bundesland, München 1986 und Fontana, Josef et al.: Vom Neubau bis zum Untergang der Habsburger Monarchie 1848–1918 (Geschichte des Landes Tirol, herausgegeben von Josef Fontana, Peter Haider, Walter Leitner u. a., Bd. 3), Bozen/Innsbruck/Wien 1987. 13 Zitiert in: Pinzer, Egon: Tirol von innen am Ende des Ersten Weltkrieges, in: Maislinger, Andreas/Pelinka, Anton (Hg.): Handbuch zur neueren Geschichte Tirols Bd. 2: Zeitgeschichte, Teil 1: Politische Geschichte, Innsbruck 1993, S. 39–94, hier: S. 76.

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Nicht nur der Zugang zu überwiegend deutschsprachigen Quellen und Publikationen ist dafür verantwortlich, dass das Hauptaugenmerk dieser Arbeit auf den Soldaten der österreichisch-ungarischen beziehungsweise der deutschen Armeen liegt. Vielmehr ist die regionale Begrenzung des Untersuchungsgegenstands – wie oben bereits vermerkt – daran schuld. Natürlich wird aber der Grundsatz des audiatur et altera pars (Man muss beide Teile hören) berücksichtigt. Ergänzt wird diese Dissertation durch einige Anhänge. Besonders soll an dieser Stelle auf den Dokumentenanhang hingewiesen werden.15 Die Textstücke werden darin nahezu ungekürzt veröffentlicht. Darin bestand der eigentliche Beweggrund für ihre Aufnahme. Einige der Dokumente erscheinen bereits im laufenden Textkorpus der vorliegenden Arbeit, aber im Empfinden des Autors geht von ihnen als jeweils eigenständiger, kompletter Textkörper ein besonderer Reiz aus. Dieser besteht darin, dass die Sprache der Zeit in ihren Ausdrücken und ihrer grammatikalischen Eigenart als auch die Formulierungskunst und das Schreibgeschick des jeweiligen Autors besser zur Geltung kommen. Großteils stellen sie tiefergehende Informationen zur Verfügung, die in dem Hauptteil der Arbeit aus analytischen oder vornehmlich Platzgründen keine Aufnahme finden können. Der Autor dieser Arbeit trachtet danach, dem Leser durch den Abdruck beziehungsweise die Transkription ausführlicherer Texte die Möglichkeit zu geben, einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn – im Sinne von Denken, Fühlen, Erleben der damaligen Zeit(-genossen) – zu ziehen. Das Wissen sollte, einmal aus den Tiefen der Archive gehoben, einem breiteren Publikum zur Verfügung gestellt werden. Der Dokumentenanhang setzt sich aus unterschiedlichsten Quellen zusammen. Neben politischen Akten – beispielsweise der amtlichen Organe – kommen auch rein militärische Niederschriften zum Tragen, die dem Leser einen Einblick in den zeitgenössischen Apparat und die gängigen Meinungen und Erfahrungen desselben erlauben sollen. Von größtem Interesse sind Papiere der Organisationen, die an den Schnittpunkten dieser beiden genannten Ausrichtungen tätig sind, wie etwa des bayerischen Kriegsministeriums. Hier wird die politische Dimension und Zielsetzung in militärischen Befehlen für die Truppen konkretisiert. Zum Ausdruck kommt dies besonders bei der Frage eines bayerischen Einmarsches in Tirol im November 1918. Unerlässlich sind natürlich persönliche Einsichten, die sich etwa im Rahmen von kurzen Aufsätzen – wie die 14 Vgl. zu den Archiven in der Arge Alp: http://pan.bsz-bw.de/argealp/allgem/ archive.php#_3, am 23.04.2008. Vgl. auch: Riedenauer, Erwin: Die Geschichte des Alpenraums als Feld überregionaler Forschung, in: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte 46, 1983, S. 593–606. 15 Vgl. den Dokumentenanhang dieser Arbeit.

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Erfahrungen des königlich bayerischen Oberstleutnants Karl Schintling – präsentieren. Weitere Anmerkungen zu der in dieser Arbeit gültigen formalen Bearbeitung und Darstellung der Originalquellen und Dokumente – die selbstverständlich den allgemein anerkannten, wissenschaftlichen Regeln folgen – finden sich zu Beginn des Dokumentenanhanges unter dem Stichwort ‚Editorische Notiz‘. Die Gebirgsfronten gegen Italien 1915–1918 lassen sich selbstverständlich durch Original-Kriegskarten erarbeiten. Diese Art der Darstellung der Einsatzfronten ist von größtem Interesse und zeigt viele, militärgeschichtlich wichtige Details. Allerdings wird das Verständnis der Karten und Kriegsschauplätze durch Begutachtung der lokalen topographischen Verhältnisse massiv unterstützt und befördert. Eingezeichnet sind in den Frontkarten beispielsweise die Frontverläufe der eigenen Truppen wie des jeweiligen Gegners; Ausgangslagen und erreichte Endlagen; Angriffsdispositionen, Stellungsnachrichten et cetera. Mit Original-Kriegskarten lassen sich die Einsatzorte spezieller Truppenformationen rekonstruieren. Dieses Quellenmaterial darf als unschätzbar wichtig angesehen werden.16 Leider kann man aus einer Landkarte textlich nicht zitieren. Dies wäre nur als Illustration möglich. Im Verlauf dieser Arbeit soll daher versucht werden, den geschichtlichen Inhalt solcher Landkarten zu erfassen und in die Untersuchung mit einzubeziehen. Einige Übersichtskarten finden sich im Anhang B dieser Arbeit. Eine weitere wichtige Quellenart stellen Fotografien dar. Die Abbildungen geben wertvolle Hinweise über historische Sachverhalte und sind damit historischer ‚Beweis‘ für eine Fragestellung. Im speziellen Fall des Gebirgskrieges umfasst die Fragestellung etwa besondere Frontverläufe, die anhand von Berggipfeln identifiziert werden können, Angaben zu bestimmten Uniformierungs- (in Österreich-Ungarn Adjustierung genannt) Fragen oder aber Belege für spezielle Ereignisse. Besonders das umfassende Bildarchiv Dr. Heinz von Lichems hat in Ergänzung zu anderen Quellen überaus reichhaltige, erweiterte Rekonstruktionsmöglichkeiten geboten. Der Alpenraum entlang der ehemaligen Reichsgrenze zwischen Italien und Österreich-Ungarn wurde vom Verfasser in vielfachen Exkursionen begangen und für diese Arbeit ausgewertet. Die wissenschaftliche Auswertung machte sich hierbei den aus der klassischen Archäologie bekannten Ansatz der Survey-Technik zu Nutze. Ein Survey beinhaltet die Erkundung zum Gewinn eines Überblicks und geht in der Archäologie im Allgemeinen einer Grabung voraus. Im Falle des alpinen Krieges stand die Erfassung der Ge16 Siehe hierzu auch den zeitgenössischen Artikel: o. V.: European War Maps, Geographical Review (published by the American Geographical Society), Vol. 4, No. 1. (Juli 1917), S. 51–54.

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ländeverhältnisse, also der topographischen Gegebenheiten im Vordergrund. Die Frontbegehungen trugen fundamental zum Verständnis strategischer und noch mehr taktischer Aspekte bei. Sie wurden vorbereitet und durchgeführt unter zu Hilfenahme von original Frontkarten des Krieges und Bildmaterial ehemaliger Soldaten. Selbstverständlich kann sich die Not und die Entbehrung der Soldaten, die bei Wind und Wetter, bei Sonne, Regen und Schnee, stets schwer bepackt, in die vordersten Kampfstellungen zogen und dort wochenlang ausharrten, bei einer heutigen Wandertour, mit Hightech Ausrüstung und in strahlendem Sonnenschein nur schwer erschließen. Auch die Gebiete entlang der Flüsse Isonzo (der heutigen Socˇa), Tagliamento, Livenza und Piave wurden vom Verfasser bereist, um ein Gespür für die im letzten Kriegsjahr 1918 so wichtige Frontlinie zu bekommen. In all diesen Regionen wird der interessierte Reisende auf unzählige Relikte des Krieges stoßen, auf Überreste und Tradition im Brandt’schen Sinne:17 Denkmäler, in Marmor gehauene italienische Armeebefehle, verfallene Schützengräben, Felskavernen, Stacheldrahtreste und Granatsplitter sowie Museen aller Art. Zahlreiche Exponate zur Alpenfront finden sich im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien, im Museo Storico Italiano Della Guerra in Rovereto, im Museo Nazionale Storico degli Alpini (Alpinimuseum) in Trient, im Kaiserjäger Museum (Bergisel) in Innsbruck und im Museum 1915/18 in Kötschach-Mauthen. Besonders zu erwähnen ist das mehrfach preisgekrönte Kriegsmuseum in Kobarid (Karfreit/Caporetto). Die ganze ehemalige Kriegsfront wird gesäumt von vielen kleinen, teilweise privaten Ausstellungen und Sammlungen, zu denen man mit etwas Glück Zugang bekommt. Die in dieser Arbeit verwendeten Höhenangaben und Ortsnamen der Gebirgsfront wurden generell nach den jüngsten Landkartengrundlagen angegeben.18 Das hier behandelte, transnationale Thema bringt es mit sich, dass es heute für fast alle der hier genannten Orte und Berge mindestens zwei Namen gibt: einen italienischen und einen deutschen. Für das Gebiet des 17

Oder im Sinne Mikoletzkys ‚Unwillkürliche und Willkürliche Überlieferung.‘ Vgl.: Brandt, Ahasver von: Werkzeug des Historikers. Eine Einführung in die Historischen Hilfswissenschaften, Stuttgart/Berlin/Köln 1998, S. 52 f. 18 Vornehmlich Wanderkarten der Firmen Kompass und Tabacco im Maßstab 1:50.000 bis zu 1:25.000. Als Übersichtskarte für den Raum der Front Julische Alpen und Isonzo empfiehlt sich die Tabacco Karte Friuli–Venezia Giulia im Maßstab 1:150.000. Seit einigen Jahren gibt es auch Karten im Maßstab 1:50.000 in denen die Frontverläufe grob eingezeichnet sind und touristische Hinweise gegeben werden. So etwa: Kompass: Italienisch-österreichische-dolomitische [sic] Front-Karte 1915/17 oder Socˇa Front. Vom Rombon bis Mengore. Historisch-Touristische Landkarte herausgegeben von der Stiftung ‚Wege des Friedens im Socˇa-Tal/Fundacija poti miru v Po socˇju‘ in Kobarid.

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heutigen Slowenien kommt noch ein slowenischer hinzu. In dieser Arbeit wird meist der zeitgenössischen Terminologie gefolgt, da es sich um eine historische Untersuchung handelt und dabei der im betrachteten Zeitraum gültige und offizielle Terminus maßgeblich ist. Dies ist unabdingbar zum Verständnis und für die Einordnung der Originalakten dieser Zeit und auch für die Quellen und die Literatur der Kriegsjahre bis in die Zwischenkriegszeit. Allerdings findet sich in dieser Arbeit meist auch die entsprechende Bezeichnung in der jeweils anderen Sprache.19 Um dem Leser dieser Arbeit den Umgang mit Korps, Divisionen, Regimentern et cetera zu erleichtern wird auf den Anhang E verwiesen, der Hinweise zu Stärke und Organisation einiger Truppenverbände gibt. Diese kurze Darstellung speist sich überwiegend aus Extrakten zeitgenössischer Quellen wie beispielsweise militärischen Informationsschriften über den jeweiligen Gegner. Einige orthographische Maßgaben sollen noch erwähnt werden: Die Schreibweise der häufig gebrauchten Abkürzung kaiserlich-königlich sowie kaiserlich und königlich – deren Bedeutung im Laufe der Arbeit geklärt wird – musste festgelegt werden. In der Literatur und in den Quellen finden sich die folgenden Möglichkeiten bunt durchmischt: K. k., K. K., K. u. k. oder k. u.k. Auf unzähligen Originalarchivalien beispielsweise der Tiroler Landesschützen-/Kaiserschützenregimenter oder auch in den Akten des Wiener Kriegsarchivs mit Stempeln und militärischem Vordruck findet sich sowohl die Schreibweise K. k., ebenso wie K. K. Diese Archivalien beweisen also, dass man diese Abkürzung in Kombination mit dem Regimentsnamen amtlich nicht genormt hatte. Die vorliegende Arbeit orientiert sich daher im Sinne einer einheitlichen Schreibweise an dem grundlegenden Werk ‚Österreich Ungarns letzter Krieg‘ von Edmund Glaise-Horstenau, der in Verbindung mit Regimentsnamen grundsätzlich nur K. k. sowie K. u. k. verwendet. Im nächsten Kapitel wird auf dieses Werk noch näher eingegangen. Zwei weitere Eigenarten der Terminologie des alten Kaiserreiches Österreich-Ungarn sollen noch gestreift werden: In der K. u. k. Armee lautete die offizielle Bezeichnung beispielsweise Infanterie-Truppen19 Zur weiteren Orientierung sei auf die Auflistungen in den nachfolgenden Publikationen verwiesen. Eine Gegenüberstellung der während des Krieges verwendeten deutschsprachigen, ladinischen und italienischen Orts- und Landschaftsbezeichnungen findet sich in: Joly, Wolfgang: Standschützen. Die Tiroler und Vorarlberger K. k. Standschützen-Formationen im Ersten Weltkrieg. Organisation und Einsatz, Innsbruck 1998, S. 681–686. Für den Raum Isonzo auch in: Ammann, Josef/Schullern, Manfred: Begleitheft zur Ausstellung „Die Kämpfe am Isonzo“, Innsbruck 2003, S. 27. Der Dolomitenraum wird abgedeckt mit den verschiedenen Tabellen in: Ebner, Oswald: Kampf um die Sextner Rotwand, Bregenz 1937.

II. Methodik und Aufbau der Arbeit

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Division und nicht Infanterie-Division. In dieser Arbeit wird der heute gängige und verkürzte Begriff der Infanteriedivision verwendet. Der in den Akten sehr häufig gebrauchte Begriff ‚Baon‘ für Bataillon wird hiermit ebenso in die Verwendung eingeführt. Für alle Quellenzitate – speziell des Dokumentenanhangs – dieser Arbeit gilt: Offensichtliche Schreibfehler, Flüchtigkeitsfehler oder kleine stilistische Unebenheiten wurden stillschweigend verbessert. In allen jenen Fällen, in denen auch nur die geringste Möglichkeit bestand, dass dadurch eine Veränderung des Sinnes eintreten konnte, wurde die Form des Originals belassen oder in einer Anmerkung auf diese Form verwiesen. Die in dieser Arbeit angewandte Methode der Transkription ist insofern keine Transliteration im klassischen Sinne (bei der jedes einzelne Zeichen wiederum durch ein einzelnes ersetzt werden würde), als dass einzelne Abkürzungen – im Sinne der Lesbarkeit der Texte – stillschweigend aufgelöst werden. In allen anderen Fällen wird auf das umfangreiche Abkürzungsverzeichnis verwiesen. Seine Ausführlichkeit lässt sich damit begründen, dass in der K. u. k. Armee wie in allen Armeen der Welt ein eigenes ‚wunderbares Universum unbekannter Akronyme‘ gepflegt wurde. Dem Leser kann bei der Vielzahl der Originaldokumente und den Zitaten daraus dieses fremdartige Universum nicht erspart werden. Heute altertümlich anmutende Wortwahl und Fremdwörter wurden in dieser Arbeit beibehalten, da sie dem Text oft einen eigenen ‚Charme‘ verleihen. Im Bedarfsfall wurden sie in einer Anmerkung erklärt. Auf etwaige Berichtigungen wird in den Anmerkungen ebenso hingewiesen wie auf Unsicherheiten bei der Entzifferung einer handschriftlichen Vorlage. Trotz größter Sorgfalt bei der Entzifferung sowie der Hinzuziehung von Spezialisten und mehreren ‚neuen Anläufen‘ konnten einzelne Wörter nicht zweifelsfrei identifiziert und transkribiert werden. Grundsatz war hier, lieber eine Lücke zu lassen, als sich der Raterei hinzugeben. Die Rechtschreibung und die Reform der Rechtschreibung sowie die erneute Reform der Reform schlugen in den letzten Jahren wundersame Kapriolen. Nachdem die zuständigen staatlichen Stellen die Vorschläge des Rates für deutsche Rechtschreibung für eine Modifizierung des amtlichen Regelwerkes angenommen haben, kann die Rechtschreibreform zur Zeit der Drucklegung dieser Arbeit nach langen und heftigen Auseinandersetzungen als abgeschlossen betrachtet werden. Damit wird die neue, seit 1. August 2006 gültige Rechtschreibung verwendet.20

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In Zitaten verbleibt selbstverständlich die originale Form.

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III. Forschungsstand und Quellenkritik Seit den achtziger Jahren ist die Weltkriegsforschung nicht nur im deutschsprachigen Raum merklich in Bewegung geraten. Neue wissenschaftliche Zugänge und die Erweiterung des historischen Methodenspektrums haben zu einem Paradigmenwechsel in der Weltkriegshistoriographie geführt: weg von den klassischen Themen der großen Militärpolitik und der Operationsgeschichte; weg auch von der auf die sozioökonomischen Strukturen konzentrierten Sozialgeschichte der siebziger Jahre; hin zum Kriegserleben, zu den Kriegserfahrungen, zum Kriegsalltag, zur Mentalitäts- und Kulturgeschichte des Krieges.21 Dieser Perspektivenwechsel rückte nun vermehrt jene Akteure in das Zentrum wissenschaftlicher Forschung, die die traditionelle Militärgeschichte und die strukturgeschichtlich orientierte Sozialgeschichte weitgehend vergessen hatten: die einfachen Soldaten und die Zivilbevölkerung an der so genannten Heimatfront. Hand in Hand mit dieser methodischen Erneuerung beziehungsweise inhaltlichen Erweiterung der Weltkriegsforschung und der zunehmenden Historisierung des Krieges, die die Kriegsgeschichte langfristig aus den Händen politischer und militärischer Indienstnahme befreiten, verloren nationale Ressentiments an Bedeutung. Parallel dazu intensivierte sich die internationale Forschungszusammenarbeit, die den Krieg aus komparativer Perspektive betrachtete – tendenziell ohne Vorbehalte und ohne Vorurteile.22 All diese Vorgaben, speziell der Paradigmenwechsel in der Weltkriegshistoriographie, hin zu den Kriegserfahrungen des Einzelnen, zum Alltag im Schützengraben, also zu einer Militärgeschichte ‚von unten‘ scheinen bei der Betrachtung der Alpenfront selbstverständlich zu sein. Eine Anwendung auf das extreme Kriegstheater der Bergwelt und den damit einhergehenden einzigartigen Problemen und Strapazen für die teilnehmenden Soldaten aller Parteien bietet sich geradezu an. Blickt man in die Literatur, zeigt sich, dass diese Prämissen schon früh von einigen Autoren, die sich mit der Alpenfront beschäftigten, beherzigt wurden, noch bevor sich dieser Forschungsansatz weitläufig durchgesetzt hatte.23 21 Vgl. Ulrich, Bernd/Ziemann, Benjamin (Hg.): Frontalltag im Ersten Weltkrieg. Wahn und Wirklichkeit. Quellen und Dokumente, Frankfurt a. M. 1994. 22 Vgl. allgemein: Higham, Robin/Showalter, Dennis E. (Hg.): Researching World War I. A Handbook, Westport/London 2003. 23 Vgl. etwa die Publikation des K. u. k. Offiziers Fröhlich, Eduard: Der Kampf um die Berge Tirols in österreichischer und italienischer Darstellung, Bregenz 1932. In neuerer Zeit die Veröffentlichungen Heinz von Lichems wie: Spielhahnstoß und Edelweiß. Die Friedens- und Kriegsgeschichte der Tiroler Hochgebirgstruppe „Die Kaiserschützen“ von ihren Anfängen bis 1918: K. k. Tiroler Landesschützen-Kaiserschützenregimenter Nr. I–Nr. II–Nr. III, Graz/Stuttgart 1977. Ebenso: ders.: Der einsame Krieg, Bozen 1981.

III. Forschungsstand und Quellenkritik

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In diesem Abschnitt muss ein besonderes Augenmerk auf die hohe Quantität an Veröffentlichungen gelegt werden. Leider sind viele der Publikationen zum Ersten Weltkrieg im Alpenraum von populärwissenschaftlichem Charakter. Diese Arbeit soll helfen, diese Lücke zu füllen, indem eine – den wissenschaftlichen Grundsätzen folgende – Überblicksarbeit vorgelegt wird. Die große Zahl an betrachteten Quellen und Literaturwerken führte zu diesem umfangreichen Kapitel. Kann man diesen Krieg überhaupt verstehen? Es ist schwierig und doch versucht diese Arbeit dazu einen Beitrag zu leisten. Man muss versuchen, die Ebenen der politischen Zielsetzungen und Maßnahmen, der militärischen Theorie und Durchführung sowie das subjektive Erleben der Soldaten zu durchdringen und zu verknüpfen. Eine wahre Flut an Schriften zum Krieg in den Alpen entstand in der Zwischenkriegszeit. Meist von ehemaligen Kriegsteilnehmern verfasst oder auf deren Erinnerungen basierend. Diese Veröffentlichungen variieren in ihrem Quellenwert, der im Folgenden eingehender betrachtet wird. „Den wesentlichen Theil [sic] dessen, was zur Verfassung guter kriegsgeschichtlicher Arbeiten gehört, muß der hiezu Berufene vor Allem in sich selbst tragen. Der tiefe Ernst einer wissenschaftlichen Arbeit, die klare Vorstellung von dem Werthe [sic] historischer Darstellungen für Heer und Staat, die vollkommenste Selbstlosigkeit, die auch auf diesem Gebiete in oft anstrengender und aufopfernder Thätigkeit [sic] nur Pflicht sieht und keinen materiellen Gewinn anstrebt, die männliche Bescheidenheit, welche das Interesse des Allerhöchsten Dienstes Seiner Majestät über Alles setzt und das eigene unbeachtet läßt, der rastlose Fleiß und die Empfindung für die Ehre der Wissenschaft sind ein sittlicher Besitz, der vorhanden oder nicht vorhanden ist, der aber durch eine Vorschrift nicht gegeben oder gewonnen werden kann“24

Dieses, noch aus der Habsburgerzeit stammende, Zitat bringt die Haltung zum Ausdruck, der sich der Großteil der österreichisch-ungarischen Militärhistoriker in der unmittelbaren Nachkriegszeit verpflichtet sahen. In Österreich lag die militärhistorische Forschung zwischen 1918 und 1938 (1945) fast ausschließlich in den Händen ehemaliger K. u. k. Offiziere. Institutionell waren sie unter dem Dach des Wiener Kriegsarchivs vereint.25 Nach der Auflösung der Donaumonarchie dachte man zunächst nicht an eine amtliche Darstellung der Weltkriegsereignisse. Im Vordergrund stand die Abrechnung 24 ‚Über die Verfassung kriegsgeschichtlicher Arbeiten‘, Auszug aus der Dienstvorschrift für das K. u. k. Kriegsarchiv, Wien 1899, zitiert in: Broucek, Peter/Peball, Kurt: Geschichte der österreichischen Militärhistoriographie, Köln/Weimar/Wien 2000, S. 185 Beilage 1. 25 Vgl. auch: Bohmann, Sabine: Quellen zur Militärgeschichte. 200 Jahre Kriegsarchiv. Herausgegeben von der Generaldirektion Österreichisches Staatsarchiv (Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs Bd. 49), Wien 2001.

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A. Einleitung

mit der Monarchie und den verantwortlichen Heerführern. Die ‚Parlamentarische Kommission zur Feststellung und Verfolgung von Pflichtverletzungen militärischer Organe im Kriege‘ sollte das Versagen der österreichisch-ungarischen militärischen Führer aufdecken und die damit einhergegangene Verschwendung von Menschenleben ahnden. Den monarchisch gesinnten, konservativen Offizieren der Kommission gelang es, ihre glücklosen Kameraden vor größerem Schaden zu bewahren.26 In der Hoffnung, das von ihr gewünschte Bild der österreichischen Weltkriegsgeschichte festschreiben zu können, zogen einige ehemalige K. u. k. Generalstabsoffiziere die offizielle Militärhistoriographie an sich. Unter der Leitung von Edmund Glaise von Horstenau und Rudolf Kiszling entstand in der Kriegsgeschichtlichen Abteilung des Wiener Kriegsarchivs das amtliche Kriegswerk ‚Österreich-Ungarns letzter Krieg 1914–1918‘.27 Es wurde vom Österreichischen Bundesministerium für Landesverteidigung in den Jahren 1931 bis 1938 in sieben Bänden herausgegeben, samt zehn Ergänzungsheften, einem Registerband und sieben Beilagenbänden.28 Dieses amtliche Werk bietet detaillierten Einblick in die militärischen Ereignisse, gibt Auskunft über die Planungen so26

Siehe hierzu: Ratzenhofer, Emil: Strafverfolgung höherer Kommandanten in Österreich, in: Wissen und Wehr Nr. 1/1930 (Wien), S. 624–632, sowie Doppelbauer, Wolfgang: Zum Elend noch die Schande. Das altösterreichische Offizierskorps am Beginn der Republik (Militärgeschichtliche Dissertationen österreichischer Universitäten Bd. 9), Wien 1988. Zur Pflichtverletzungskommission und deren Stellungnahme zur Junioffensive 1918: Fiala, Peter: Die letzte Offensive Altösterreichs. Führungsprobleme und Führerverantwortlichkeit bei der öst.-ung. Offensive in Venetien, Juni 1918 (Militärgeschichtliche Studien Bd. 3), Boppard am Rhein 1967, S. 136–141. 27 Glaise-Horstenau wurden wiederholt Unwahrheiten bei der Darstellung vorgeworfen. Eine kritische Edition seiner Erinnerungen findet sich in Broucek, Peter: Ein General im Zwielicht. Die Erinnerungen Edmund Glaises von Horstenau (3 Bde., Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs Nr. 67), Wien/Köln/Graz 1980–1988. Ein darauf basierender, kürzerer Aufsatz: Broucek, Peter: Der Deutsche Bevollmächtigte General in Kroatien Edmund Glaise von Horstenau, in: Militär Geschichte 1/1992, S. 3–9. Rudolf Kiszling (1882–1976) im Ersten Weltkrieg Generalstabschef verschiedener Truppenkörper, 1937 Generalstaatsarchivar und bis 1945 Heeresarchivdirektor, war einer der bedeutendsten österreichischen Militärhistoriker des 20. Jahrhunderts. Er war der maßgebende Redakteur des Werkes. 28 Österreichisches Bundesministerium für Landesverteidigung/Kriegsarchiv (Hg.): Österreich-Ungarns letzter Krieg 1914–1918. Herausgegeben unter der Leitung von Edmund Glaise-Horstenau, Bde. I–VII, Registerband, Ergänzungshefte 1–10, Beilagenbände I–VII, Wien 1931–1938 [wird im Folgenden abgekürzt: Ö. U. L. K.]. Das gesamte Werk – samt Beilagenbände mit Schutzumschlag – wurden dankenswerterweise von Dr. Viktor Kroboth zur Verfügung gestellt. Sie stammen aus dem Nachlaß des langjährigen (1910–1918) K. k. Oberstarztes Dr. med. univ. Kroboth, Offizier des K. k. Tiroler Landeschützen/Kaiserschützenregimentes Nr. III-Innichen.

III. Forschungsstand und Quellenkritik

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wie die beteiligten Befehlshaber und die involvierten Truppenteile bis auf Divisionsebene. Sein Quellencharakter wird dadurch unterstrichen, dass alle Mitarbeiter während des Krieges in mehr oder weniger maßgebenden Stellen tätig waren. Der bekannte britische Militärhistoriker Basil H. Liddell Hart bezeichnet es als „Probably the best and most unbiassed of the general staff histories.“29 Die Ergänzungshefte, die in den Jahren 1930–1937 erschienen, behandeln Einzelprobleme in Aufsatzform.30 Ein Defizit besteht in der Darstellung von Kriegsführung und Politik und in der mangelnden Kritik an Führungsproblemen und Führungsverantwortlichkeit. Zur Darstellung der Sachabläufe und der militärischen Entscheidungen lassen sich auch die Generalstabswerke der anderen beteiligten Staaten heranziehen. Das italienische Generalstabswerk ‚L’esercito italiano nella grande guerra 1915–1918‘ zeichnet sich durch eine Fülle von Originaldokumenten aus.31 Die deutsche Publikation des Reichsarchivs ‚Der Weltkrieg 1914–1918‘ beschäftigt sich mit der Italienfront nur am Rande und bringt dadurch die zeitgenössische Unterschätzung dieses Schauplatzes zur Geltung.32 Im Rahmen der bayerischen Beteiligung am Weltkrieg entstanden die Bände ‚Die Bayern im Großen Kriege 1914–1918‘ und ‚Das Bayern29 Liddell Hart, Basil H.: The World Wars, in: Howe, George/Boyce, Gray/ Broughton, Thomas (Hg.): The American Historical Association’s guide to historical literature, New York 1961, S. 805–810, hier: S. 805. 30 Die für die Alpenfront relevanten Hefte: Aarenau, Theodor Brosch von/Steinitz, Eduard von: Die Reichsbefestigung Österreich-Ungarns zur Zeit Conrads von Hötzendorf, Ergänzungsheft 10, Wien 1937; Ehnl, Maximilian: Die österreichischungarische Landmacht nach Aufbau, Gliederung, Friedensgarnison, Einteilung und nationaler Zusammensetzung im Sommer 1914, Ergänzungsheft 9, Wien 1934; Fabini, Ludwig von: Monte Priaforà. Ein Ruhmesblatt der Tiroler Kaiserjäger aus der Maioffensive 1916. Ergänzungsheft 3, Wien 1932; Franck, Fritz: Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht in den ersten zwei Kriegsjahren, Ergänzungsheft 5, Wien 1933; Frauenholz, Egon von: Weltkriegsliteratur, Ergänzungsheft 7, Wien 1933; Glingenbrunner, Franz: Intendanzdienst im Gebirgskriege, Ergänzungsheft 8, Wien 1933; Ratzenhofer, Emil: Der Waffenstillstand von Villa Giusti und die Gefangennahme Hunderttausender, Ergänzungsheft 2, Wien 1931; Ratzenhofer, Emil: Die Auswertung der inneren Linie im Dreifrontenkrieg Mai–Juli 1915, Ergänzungsheft 6, Wien 1933; Ratzenhofer, Emil: Militärische Bahnauswertung im 1. Halbjahr 1916, Ergänzungsheft 6, Wien 1933; Schäfer, Hugo: Die Kriegspläne Italiens gegen Österreich-Ungarn, Ergänzungsheft 2, Wien 1931. 31 Ministero delle Guerra (Hg.): L’esercito italiano nella grande guerra, 1915–1918 (7 Bde.), Commando del Corpo di Stato Maggiore Ufficio Storico, Roma 1927–1988. 32 Reichsarchiv (Hg.): Der Weltkrieg 1914 bis 1918. Die militärischen Operationen zu Lande. Bearbeitet im Reichsarchiv (14 Bde.), Berlin 1926–1943 (1956). Eine reine Aufstellung der Gefechte und der daraus ablesbaren deutschen Beteiligung bietet: Großer Generalstab (Hg.): Die Schlachten und Gefechte des Großen Krieges 1914–1918, Quellenwerk nach den amtlichen Bezeichnungen zusammengestellt vom Großen Generalstab, Berlin 1919.

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buch vom Weltkriege 1914–1918‘.33 Nicht nur in der bayerischen Armee sind in großer Zahl so genannte Regimentsgeschichten erschienen. Jede Armee brachte solche Werke heraus, deren Inhalt meist die Darstellung der Kriegserlebnisse bildet. Meist beziehen sich spezielle Bände ausschließlich auf die Zeit des Ersten Weltkrieges. Der Wert der Regimentsgeschichten ist zumeist recht hoch, da sie sehr detailliert die Kampfhandlungen der Regimenter und ihrer Suborganisationseinheiten wiedergeben. Da die meisten in der Zwischenkriegszeit erschienen sind, fehlt selten ein gewisses Pathos und ein leicht national gesinntes Odeur.34 Hier sollte nur auf diese Gattungsart aufmerksam gemacht werden, die bibliographischen Angaben zu den verwendeten Werken finden sich an den entsprechenden Stellen in dieser Arbeit. Ebenfalls an dieser Stelle soll ein Sujet erwähnt werden, dass sich mit dem Krieg auf eigene Art beschäftigte: Teilweise romanhafte Darstellungen, die von den Heldentaten vergangener Zeiten kündeten. Ihr Quellenwert ist sehr schwer und nur individuell einzuschätzen. In den Jahren nach dem Krieg sind unzählige dieser Werke entstanden und nur einige wenige sollen hier angeführt werden. Als historische Quelle sind sie insofern kaum anzusehen, als dass aus ihnen wenige Fakten extrahiert werden können. Größeres Interesse könnten sie in der Literatur- oder Mentalitätsgeschichte ernten, da aus ihnen hervorgeht, wie man sich in diesen Tagen ‚präsentierte‘. Auch wie man dachte über den vergangenen Krieg. Deshalb sind sie allzu häufig mit dem oben schon erwähnten Pathos gespickt. Sie legen einen patriotischen Stil an den Tag, der ohne Rücksicht auf die riesigen Menschenverluste äußerst intensiv die Vaterlandsliebe (dulce et decorum est/pro patria mori) propagierte.35 Im Falle Österreich-Ungarns kommt noch der als Verrat Italiens titulierte Umstand des Kriegseintrittes 1915 hinzu. Erinnert sei – als Analogie – an das auf deutscher Seite häufig zitierte ‚perfide Albion‘ Eng33 Bayerisches Kriegsarchiv (Hg.): Die Bayern im Großen Kriege 1914–1918. Auf Grund der Kriegsakten dargestellt, München 1923. Sowie: Krafft von Dellmensingen, Konrad/Feeser, Friedrich Franz: Das Bayernbuch vom Weltkriege 1914– 1918. Ein Volksbuch (2 Bde.), Stuttgart 1930. Zu Kraffts/Feesers Bayernbuch und der bayerischen Militärhistoriographie der zwanziger Jahre: Hackl, Othmar: Der Bayerische Generalstab 1792–1919 (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte Bd. 122), München 1992, S. 387. 34 Vgl. etwa: Ulrich, Bernd: Die umkämpfte Erinnerung. Überlegungen zur Wahrnehmung des Ersten Weltkrieges in der Weimarer Republik, in: Duppler, Jörg/ Groß, Gerhard (Hg.): Kriegsende 1918. Ereignis, Wirkung, Nachwirkung (Beiträge zur Militärgeschichte Bd. 53), München 1999, S. 367–376. 35 Der von Horaz als republikanischer Appell und zur Ehrung der Toten gedachte Aufruf wurde in grober Weise propagandistisch missbraucht. Hierzu auch: Müller, C.W.: Der schöne Tod des Polisbürgers oder ‚Ehrenvoll ist es, für das Vaterland zu sterben‘, in: Gymnasium 96, 1989, S. 317–340, hier S. 318.

III. Forschungsstand und Quellenkritik

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land. Betont sei nochmals, dass der hier genannte, nationalistisch-heldenverehrende Unterton sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Hier seien nur einige der moderateren Werke genannt: Etwa das von Alfred Contag, das durch seine Buchillustration besticht, das Buch Christian Röcks über ‚Das Fähnlein von Trafoi‘ oder das Werk Ginzkeys über die Tiroler Front das noch im Verlauf des Krieges geschrieben wurde.36 Zu Christian Röck bleibt zu bemerken, dass sein Erstlingswerk über ‚Die Festung im Gletscher‘ durchaus Faktenwissen zu diesem sehr speziellen Thema beinhaltet und einen guten Einblick in den Krieg im Gletschereis gibt.37 Bodo Kaltenboeck präsentierte mit seiner ‚Armee im Schatten‘ einen Prototyp der genannten Literatur.38 Episodenhafte Darstellungen werden in Überkapitel gegliedert und beschäftigen sich etwa mit dem Isonzo, dem Untergang 1918 oder sind überschrieben mit dem vieldeutbaren Titel ‚O Land Tirol‘. Kriegsbegleitend erschienen verschiedene Werke, die amtliche Meldungen bündelten und aufgrund ihrer nicht immer einwandfreien Objektivität kritisch zu lesen sind. Genannt seien hier die ‚Amtlichen Kriegs Depeschen‘ nach den Berichten des Wolff’schen Büros oder die von C.H. Baer herausgegebenen Bände zum Kriegsgeschehen.39 Trotz allem finden sich gerade in diesen Werken eine Vielzahl von Details, die dem Historiker eine Verknüpfung zu den rein archivalischen Aktenstücken und deren Einordnung in den Gesamtzusammenhang ermöglichen. Von unschätzbarem Wert für diese Arbeit war eine Vielzahl von Erinnerungen, Tagebüchern und Briefwechseln von Staatsmännern, Soldaten und Politikern. Sie besitzen oftmals einen Aussagewert, der über die offiziellen Aktenpublikationen hinausgeht und machen das Geschehen ‚unmittelbarer‘. Besonderes Interesse verdienen die Memoiren der ehemaligen Generalstabschefs der beteiligten Armeen, da sie die Hauptverantwortung für die militärischen Aktionen trugen und sich an den Nahtstellen zwischen Politik und Militär aufhielten.40 Eine Sonderstellung nimmt der österreichisch-ungari36 Contag, Alfred: Kampf um Tirol, Berlin 1918; Röck, Christian: Das Fähnlein von Trafoi, Leipzig 1937 und Ginzkey, Franz Karl:, Die Front in Tirol, Berlin 1916. 37 Röck, Christian: Die Festung im Gletscher. Vom Heldentum im Alpenkrieg, Berlin 1935. 38 Kaltenboeck, Bodo: Armee im Schatten. Die Tragödie eines Reiches, München 1936. 39 Amtliche Kriegs Depeschen, Nach den Berichten des Wolff’schen Telegr.-Bureaus, Bde. 1–8, o. O. 1915–1918, [im Folgenden abgekürzt A.K.D.]. Baer, C. H. (Hg.): Der Völkerkrieg. Eine Chronik der Ereignisse seit dem 1. Juli 1914, Bde. 1–28, Stuttgart 1914–1920. 40 Für Italien: Cadorna, Luigi: La Guerra alla Fronte Italiana. Fino all’arresto sulla linea della Piave e del Grappa. 24 Maggio 1915–9 Novembre 1917 (2 Bde.), Milano 1923; ders.: Altre pagine sulla grande guerra, Milano 1925; ders.: Lettere famigliari, Milano 1967; ders.: Pagine polemiche, Milano 1950.

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sche Generalstabschef Franz Conrad von Hötzendorf ein, dessen Memoiren in fünf Bänden vorliegen, aber nur die Zeit bis Ende 1914 behandeln.41 In der Zwischenkriegszeit erfuhr Conrad eine fast mythische Verehrung durch seine ehemaligen Untergebenen, die auch in ihren Veröffentlichungen zum Ausdruck kommt.42 Nach dem Zweiten Weltkrieg ist allerdings eine Art ‚Demontierung‘ des Conradmythos zu erkennen.43 Biographisches zu Cadornas Nachfolger: Mangone, Angelo: Diaz, Milano 1987, auch: Fabi Lucio (Hg.), 1918. L’anno della vittoria guerra e dopoguerra nell’Archivio Privato del Generale Armando Diaz (Katalog Musei Provinciali di Gorizia, Museo della Grande Guerra, Borgo Castello, 04.11.1998–28.02.1999), Trieste 1998. Von einem unbekannten Autor: Tenente X.: Il Generale Diaz. Prima e dopo Caporetto. Note di un Testimonio, Florenz 1919. Für Deutschland: Falkenhayn, Erich von: Die Oberste Heeresleitung 1914–1916 in ihren wichtigsten Entschließungen, Berlin 1920. Aufschlussreiche Betrachtungen in der Biographie von: Afflerbach, Holger: Falkenhayn. Politisches Denken und Handeln im Kaiserreich (Beiträge zur Militärgeschichte Bd. 42), München 1994. Für die dritte Oberste Heeresleitung: Hindenburg, Paul von: Aus meinem Leben, Leipzig 1934 und Ludendorff, Erich: Meine Kriegserinnerungen 1914–1918, Berlin 1919; ders.: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18, Berlin 1920; ders.: Kriegführung und Politik, Berlin 1922. Für Österreich (nach der Absetzung Conrads): Arz von Straussenburg, Arthur: Zur Geschichte des Grossen Krieges 1914–1918, Wien/Leipzig/München 1924. Für die Alliierten gesamt: Foch, Ferdinand (Maréchal): Mémoires. Pour servir a l’Histoire de la Guerre de 1914–1918, Paris 1931. 41 Hötzendorf, Franz Conrad von: Aus meiner Dienstzeit 1906–1918 (5 Bde.), Wien/Berlin/Leipzig 1921–1925. Weitere Veröffentlichungen zu seinen Aufzeichnungen: Allmayer-Beck, Johann Christoph: Conrad von Hötzendorf als Briefschreiber, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 25, 1972, S. 483–491; Broucek, Peter: Der Nachlaß Feldmarschall Conrads und das Kriegsarchiv, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 28, 1975, S. 164–182; ders.: Über den Schriftennachlaß des Feldmarschalls Franz Conrad von Hötzendorf im Kriegsarchiv, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 43, 1993, S. 156–167; Peball, Kurt: (Hg.), Conrad von Hötzendorf. Private Aufzeichnungen. Erste Veröffentlichungen aus den Papieren des K. u. k. Generalstabs-Chefs, Wien/München 1977. 42 Vgl.: Ostrymiecz, August Urbanski von: Conrad von Hötzendorf. Soldat und Mensch, Graz/Leipzig/Wien 1939; Regele, Oskar: Feldmarschall Conrad. Auftrag und Erfüllung 1906–1918, Wien/München 1955. Auch die während des Krieges entstandene Biographie: Pastor, Ludwig von: Conrad von Hötzendorf. Ein Lebensbild nach originalen Quellen und persönlichen Erinnerungen entworfen, Wien/Freiburg i. Br. 1916, sollte an dieser Stelle genannt werden. 43 Kritik erfuhr er vor allem im Hinblick auf den ‚flexiblen Aufmarsch‘ von 1914. Vgl.: Stone, Norman: Die Mobilmachung der österreichisch-ungarischen Armee 1914, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 16, 1974, S. 67–95. Auch: Pantenius, Hans J.: Der Angriffsgedanke gegen Italien bei Conrad von Hötzendorf. Ein Beitrag zur Koalitionskriegsführung im Ersten Weltkrieg (2 Bde.), Köln/Wien 1984. Biographisch aufgearbeitet in: Sondhaus, Lawrence: Franz Conrad von Hötzendorf: architect of the apocalypse (Studies in central European histories), Boston/Leiden/Köln 2000.

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Wahrscheinlich haben wir die Entstehung vieler dieser Arbeiten gerade der Niederlage Deutschlands und Österreich-Ungarns zu verdanken. Sie war sicher eine starke Motivation für die verschiedenen Kriegsteilnehmer, sich der Nachwelt und den Nachgeborenen in einer gewissen, selbstbestimmten Art zu präsentieren. Bei der Arbeit mit diesen Quellen muss man sich daher die Problematik von Traditionsquellen beziehungsweise Überresten vergegenwärtigen. Nicht, dass sie bewusst Unwahres kolportieren, aber sie wurden, und dies wird häufig explizit betont, als Rechtfertigung einerseits und Laudatio andererseits geschrieben.44 Pragmatischer hat es ein anderer General des 20. Jahrhunderts formuliert, nämlich General William C. Westmoreland, von 1964 bis 1968 Befehlshabender General im Vietnamkrieg und Generalstabschef der Armee der Vereinigten Staaten (1968–1972): „Serving one’s country as a military man is a rewarding experience. It is nevertheless a life of constraint. A military man serves within carefully prescribed limits, be it as enlisted man, junior officer, battalion commander, division commander, even senior field commander in time of war. The freedom to speak out in the manner of a private citizen, journalist, politician, legislator has no part in the assignment. Perhaps that is one reason why generals who have hung up their uniforms traditionally turn to the pen, seek an opportunity for free expression that they long have properly denied themselves, to report to the people they have served.“45

Das Problem vieler Werke, die sich mit dem Ersten Weltkrieg und im Speziellen mit der österreichisch-italienischen Front beschäftigen, ist, dass ihre Entstehung in eine Zeit fiel, die manchem Zeitgenossen als Epoche der Erniedrigung galt und in der alles daran gesetzt werden sollte, ein als nationales Erbe betrachtetes Gut vor dem Untergang zu bewahren. Die Herausgeber und Autoren waren meist Offiziere, die ihre Dienstzeit unter Monarchen begonnen hatten und sich nach Kriegsende in Demokratien wieder fanden, welche für sie zum Inbegriff von Rebellion und Anarchie wurden. Die Verklärung monarchischer und, in ihren Augen, traditioneller Werte manifestiert sich in ihrer dem 19. Jahrhundert zugewandten Diktion. Während ihr Ton in unseren Ohren heute pathetisch und übertrieben klingt, so erschien er damals angemessen, um vaterländischen Sinn und nationales Fühlen und Empfinden auszudrücken. Begriffe wie Vaterlandsliebe und Waffenruhm wurden fast naiv gebraucht und erlebten erst durch die Erfahrungen späterer Jahre eine Werteverzerrung, die sie in unserer Rezeption als negativ behaftet erscheinen lässt. Mit der gebotenen Vorsicht erschließt sich 44 Ein klassisches Beispiel dieser Art von Apologie und eine Verteidigung des guten Militaristen findet sich auf deutscher Seite beispielsweise in dem unfangreichen Werk des deutschen Oberst Karl Bauer: Der große Krieg in Feld und Heimat. Erinnerungen und Betrachtungen, Tübingen 1922. 45 Westmoreland, William C.: A Soldier Reports, New York 1976, S. VII.

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dem Leser dieser Werke der unersetzliche Augenzeugenbericht derer, die ‚dabei gewesen‘ sind. Sehr aussagekräftig sind also die Veröffentlichungen der kämpfenden Soldaten, die uns direkt und oftmals ungeschönt von dem beschwerlichen täglichen Leben im Gebirge berichten.46 Kurt Tucholsky hat in einer Rezension von Arnold Zweigs ‚Der Streit um den Sergeanten Grischa‘ von 1927 ein weiteres Problem erkannt, auf welches man bei der Durchsicht der Quellen und Literatur stößt: das der Perspektive. Bezug nehmend auf die späte literarische Verarbeitung des Weltkrieges in Deutschland schrieb er:47 „Bei den Deutschen hatten [. . .] die Generäle den Vortritt: die Pension der Republik gab ihnen die Muße, auf ihren Gütern und in den hohen Zimmern alter Wohnungen ihre Lügengeschichten zu erzählen: trockner [sic] Aktenkram, am Schluß mit blechernem Pathos, vertrauliche Briefe oder gestohlene Akten, die ganze Leere dieser Hirne fürchterlich erweisend. Es ist ungemein bezeichnend, dass unter dieser Memoirenliteratur auch nicht ein lesbares Buch ist – sie sind alle gleich schlecht geschrieben. [. . .] Und nun, nachdem alles vorbei ist [. . .] nun kommen die Soldaten, die den Krieg am eigenen Leibe erlebt haben, und wagen sich hervor und sagen die Wahrheit. Es war die höchste Zeit.“48

Zweifellos beurteilt Tucholsky hier vor allem die literarische (Un-)Begabtheit der Autoren, die für den Historiker nicht von dominierender Bedeutung ist. Er zeigt aber auch die Bedeutung derer, die den Krieg ‚von unten‘ betrachten mussten. Jene Objekte, die nur „[. . .] willenlose ‚Befehlsempfänger‘, anonyme Teile einer grauen ‚Verschiebemasse‘ und letztlich – ‚Kanonenfutter‘ “ waren.49 Dieses von dem Historiker Wolfram Wette geprägte Wort fußt allerdings auf einer Entwicklung die – wenn auch nur im Kleinen – bereits nach dem Ersten Weltkrieg zu erkennen war. Es sei nur an den symptomatischen Buchtitel eines Kompanieführers erinnert: ‚Der große Krieg aus der Froschperspektive‘.50 46 Zur Problematik des Umgangs mit diesen Quellen beispielsweise der Artikel von Fellner, Fritz: Der Krieg in Tagebüchern und Briefen. Überlegungen zu einer wenig genützten Quellenart, in: Amann, Klaus/Lengauer, Hubert (Hg.): Österreich und der Große Krieg 1914–1918. Die andere Seite der Geschichte, Wien 1989, S. 205–213. 47 Vgl. zu dieser Thematik auch: Fischer, Jens Malte: Die letzten Tage der Vernunft. Der Erste Weltkrieg und die Intellektuellen, in: Rother, Rainer (Hg.): Die letzten Tage der Menschheit. Bilder des Ersten Weltkrieges (Ausstellungskatalog des Deutschen Historischen Museums, Berlin), Berlin 1994, S. 49–55, hier: S. 53 f. 48 Tucholsky, Kurt: Gesamtausgabe. Herausgegeben von Gisela Enzmann-Kraiker, Ute Maark und Renke Siems, Bd. 9: Texte 1927, Reinbeck 1998, S. 645 f. Vgl. auch den Anhang in: Zweig, Arnold: Der Streit um den Sergeanten Grischa (mit einem Nachwort von Heidrun Loeper), Berlin 1994. 49 Wette, Wolfram (Hg.): Der Krieg des kleinen Mannes. Eine Militärgeschichte von unten, München 1992, S. 9. 50 Dahms, Rudolf: Der große Krieg aus der Froschperspektive. Kriegserinnerungen eines Kompagnieführers der Infanterie, Berlin/Leipzig 1927.

III. Forschungsstand und Quellenkritik

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Unter den Werken führender Militärs und höherer Chargen nehmen die – stark an den offiziellen Akten orientierten – Erinnerungen des Kaiserjägeroffiziers Generalmajor (GM) Viktor Schemfil eine herausragende Stellung ein.51 In dem zweibändigen Werk des Führers des Deutschen Alpenkorps Krafft von Dellmensingen kommt vor allem das Wirken des deutschen Kontingentes am Isonzo zum Tragen. Krafft von Dellmensingen kommt in dieser Arbeit eine besondere Rolle zu, weil er das – zumindest militärische – verknüpfende Element zwischen Bayern und Österreich-Ungarn darstellt. Er war nicht nur Führer des deutschen Alpenkorps in Tirol im Jahre 1915, sondern auch an exponierter Stelle während der zwölften Isonzoschlacht eingesetzt und zu Kriegsende 1918 schließlich mit dem bayerischen Grenzschutz Süd betraut. Eine große Lücke in der Forschung schloss Thomas Müller mit seiner Krafft-Biographie.52 Hier wurde erstmals auch dem bayerischen Grenzschutz Süd 1918 breiterer Raum gewährt, allerdings nur einseitig beleuchtet, da es sich verständlicherweise um eine Biographie und nicht um eine reine Darstellung des Weltkrieges handelte. Eine vertiefte Einsichtnahme in den Nachlaß Krafft von Dellmensingens im Bayerischen Kriegsarchiv hat daher noch eine Menge ergänzendes Material zum Grenzschutz zutage gefördert. Krafft war auch ein bedeutender Militärtheoretiker, dessen Grundsätze für den Kampf im Gebirge nach dem Ersten Weltkrieg, teils mit Übernahme des Wortlautes, Eingang in die deutschen Führungsvorschriften gefunden haben.53 Vergleichbare Bedeutung für die Entwicklung der Infanterietaktik erlangte Erwin Rommels ‚Infanterie greift an‘, das sich weitgehend der zwölften Isonzoschlacht widmet.54 51

Schemfil, Viktor: Die Kämpfe im Drei Zinnen-Gebiet und am Kreuzberg in Sexten 1915–1917. Verfaßt auf Grund österreichischer Kriegsakten, Schilderungen von Mitkämpfern und italienischer kriegsgeschichtlicher Werke, Innsbruck 1986. ders.: Die Kämpfe am Monte Piano und im Cristallo-Gebiet (Südtiroler Dolomiten) 1915–1917 (Untertitel wie oben), Innsbruck 1984. ders.: Col di Lana. Genaue Geschichte der Kämpfe (1915–1917) um den heißestumstrittenen Berg der Dolomiten, verfaßt auf Grund österreichischer Truppenakten und authentischer Berichte sowie italienischer kriegsgeschichtlicher Werke (Schriftenreihe zur Zeitgeschichte Tirols Bd. 3), Nürnberg o. J. (Neudruck der ersten Auflage von 1935). ders.: Das k. und k. dritte Regiment der Tiroler Kaiserjäger im Weltkriege 1914–1918, Nach den Kriegsakten des Regiments bearbeitet, Bregenz 1926. 52 Müller, Thomas: Konrad Krafft von Dellmensingen (1862–1953). Porträt eines bayerischen Offiziers (Materialien zur bayerischen Landesgeschichte, Bd. 16), München 2002. 53 Krafft von Dellmensingen, Konrad: Der Durchbruch am Isonzo, Teil I.: Die Schlacht von Tolmein und Flitsch, Teil II.: Die Verfolgung über den Tagliamento bis zum Piave, (Schlachten des Weltkrieges Bd. 12a und 12b), Oldenburg/Berlin 1926. Siehe hierzu: Pantenius: Angriffsgedanke, II, 1984, S. 1253 Fußnote 3. 54 Rommel, Erwin: Infanterie greift an. Erlebnis und Erfahrung, Salzburg 1995 (Neudruck von 1937).

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A. Einleitung

Neben diesen streng an den militärischen Ereignissen orientierten Werken gibt es auch eine literarische Komponente. Von erschütternder Eindringlichkeit ist beispielsweise Hans Pölzers autobiographisches Dokument ‚Drei Tage am Isonzo‘, geschrieben aus der Perspektive der „[. . .] Generation, die durch den Krieg zerstört wurde, auch wenn sie seinen Granaten entkam.“55 Weltgeltung erlangte neben Hemingways Schilderung des chaotischen italienischen Rückzuges nach der zwölften Isonzoschlacht auch das Antikriegswerk ‚Un anno sull Altipiano‘ von Emilio Lussu.56 Die spitze Feder des Wiener Kritikers Karl Kraus beschäftigt sich wiederholt mit dem Krieg gegen Italien.57 Die Tiroler Warte überblickt Johann Holzner in seinem Aufsatz.58 Verwiesen sei auch auf einige Bibliographien zum Thema. Einer der ersten, sehr frühen, Überblicke entstand im Rahmen der Reihe ‚Bibliographische Vierteljahreshefte der Weltkriegsbücherei‘. Es ist eine sehr ausführliche Darstellung, die besonderes Gewicht auf Autobiographien der Militärs und Staatsmänner der beteiligten Staaten legt und auch schon erste private Kriegstagebücher verzeichnet.59 Einen tiefen Einblick in den Gesamtstand der relevanten neueren Geschichts- und Militärgeschichtsschreibung gibt die ausführliche Publikation von Peter Broucek und Kurt Peball über die österreichische Militärhistoriographie.60 Auch der frühere historiographische Aufsatz von Hofrat Kurt Peball ist unerlässlich um sich ein Bild zu machen.61 55 Pölzer, Hans: Drei Tage am Isonzo (Verfasst 1916 in Rottenmann), Salzburg 1993. Das hier verwendete Zitat gibt das Motto wieder aus: Remarque, Erich Maria: Im Westen nichts Neues, Berlin 1929, S. 7. 56 Hemingway, Ernest: A farewell to arms, London 1975 (deutsch: In einem andern Land, Hamburg 1957); Lussu, Emilio: Un anno sull Altipiano, Torino 1988 (deutsch: Ein Jahr auf der Hochebene, o. O. 1992). 57 Vgl.: Kraus, Karl: Die letzten Tage der Menschheit. Tragödie in fünf Akten mit Vorspiel und Epilog (Karl Kraus Schriften Bd. 10), Frankfurt a. M. 1986; Die Alpenkriegsepisoden aus den letzten Tagen behandeln auch: Scheichl, Sigurd/Wagenknecht, Christian: „Die letzten Tage der Menschheit“ (2). Artikel aus der „Neuen Freien Presse“ von Moritz Benedikt, Alice Schalek u. a., in: Kraus Hefte 6/7, 1978, S. 2–23. 58 Holzner, Johann: Die Tiroler Literatur und der „Große Krieg“, in: Eisterer/ Steininger, Tirol, 1995, S. 211–226. 59 o. V.: Bibliographie zur Geschichte Österreich-Ungarns im Weltkrieg 1914–1918 (Bibliographische Vierteljahreshefte der Weltkriegsbücherei, Doppelheft 2/3, Juli/Oktober 1934), Stuttgart 1934. Einen weiteren frühen Versuch stellt das 7. Ergänzungsheft zu Ö. U. L. K. dar: Frauenholz, Egon von: Weltkriegsliteratur, Ergänzungsheft 7 zum Werke Österreich-Ungarns letzter Krieg, Wien 1933. 60 Broucek/Peball, Militärhistoriographie, 2000. Auch: Jerˇábeck, Rudolf: Die österreichische Weltkriegsforschung, in: Michalka, Wolfgang (Hg.): Der Erste Weltkrieg. Wirkung, Wahrnehmung, Analyse (Serie Piper Bd. 1927), München/Zürich 1994, S. 953–971. 61 Peball, Kurt: Österreichische militärhistorische Forschungen zum Ersten Weltkrieg zwischen 1918 und 1968, in: Schriftenreihe des Österreichischen Ost- und

III. Forschungsstand und Quellenkritik

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Eine der aktuellsten, aber nicht spezifisch-österreichischen Übersichten stammt von Christoph Regulski.62 Albert Monticone verfolgt ähnliche Ziele für Italien.63 Die Werke von Oswald Überegger seien besonders erwähnt, da er sich auch eingehend mit dem Tiroler Raum beschäftigt.64 Der Aufsatz Holger Afflerbachs eignet sich sehr, um „[. . .] die weitverzweigte und schwer überschaubare Forschung zu Italien im Ersten Weltkrieg“ transparenter zu machen.65 Eine sehr gute Zusammenfassung der Ereignisse gibt Manfried Rauchensteiner in dem Werk ‚Der Tod des Doppeladlers‘.66 Auch die Betrachtungen zu den Tiroler Kaiserjägern und den Standschützen eignen sich, detailliert den Kriegsverlauf mit seinen wichtigsten Einzelaktionen zu verfolgen.67 Die italienische Sicht des Konfliktes bietet sich beispielsweise in Piero Südosteuropa-Instituts Bd. 3: Die Auflösung des Habsburgerreiches. Zusammenbruch und Neuorientierung im Donauraum, Wien 1970, S. 308–317. 62 Regulski, Christoph: Bibliographie zum Ersten Weltkrieg, Marburg 2005. 63 Monticone, Alberto: Die italienische Militärhistoriographie und ihre Probleme 1866–1918, in: Gersdorff, Ursula von (Hg.): Geschichte und Militärgeschichte. Wege der Forschung, Frankfurt a. M. 1974, S. 99–123. Auch: Pieri, Piero: La prima guerra mondiale 1914–1918. Problemi di storia militare (Collezione storica Bd. 7), Udine 1999; Rochat, Giorgio: La prima guerra mondiale, in: La storiografia militare italiana hegli ultimi venti anni, herausgegeben vom Centro interuniversitario di studi e ricerche storico-militari, Milano 1985, S. 19–28. Eine aktualisierte Herausgabe dieses Artikels in deutscher Sprache in: Rochat, Giorgio: Die italienische Historiographie zum Ersten Weltkrieg, in: Michalka, Der Erste Weltkrieg, 1994, S. 972–990. Zwei aktuellere Aufsätze in: Cappellano, Filippo: Abriss über die Tätigkeit des Ufficio storico beim Stato maggiore dell’esercito, in: Kuprian, Hermann/MazohlWallnig, Brigitte/Barth-Scalmani, Gunda (Hg.), Ein Krieg – zwei Schützengräben. Österreich – Italien und der Erste Weltkrieg in den Dolomiten 1915–1918, Bozen 2005, S. 53–62. Ebenso: Gibelli, Antonio: Italienische Historiker und internationale Geschichtsschreibung zum Ersten Weltkrieg. Eine Bilanz, in: Kuprian/Mazohl-Wallnig/Barth-Scalmani, Ein Krieg – zwei Schützengräben, 2005, S. 25–38. 64 Der umfassende Sammelband zur Historiographie: Überegger, Oswald: Zwischen Nation und Region. Weltkriegsforschung im interregionalen Vergleich. Ergebnisse und Perspektiven (Tirol im Ersten Weltkrieg: Politik, Wirtschaft und Gesellschaft 4), Innsbruck 2004. Speziell zu Tirol: Überegger, Oswald: Tabuisierung – Instrumentalisierung – verspätete Historisierung. Die Tiroler Historiographie und der Erste Weltkrieg, in: Geschichte und Region/Storia e regione. 11/1 (2002), S. 127–147. 65 Afflerbach, Holger: Italien im Ersten Weltkrieg – Forschungstrends und neuere Literatur, in: Neue Politische Literatur, Jg. 39 1/1994, S. 224–246, hier: S. 241. 66 Rauchensteiner, Manfried: Der Tod des Doppeladlers. Österreich-Ungarn und der Erste Weltkrieg, Graz/Wien/Köln 1997. 67 Joly, Wolfgang: Standschützen. Die Tiroler und Vorarlberger K. k. Standschützen-Formationen im Ersten Weltkrieg. Organisation und Einsatz, Innsbruck 1998; Bossi Fedrigotti, Anton: Kaiserjäger-Ruhm und Ehre. Nach dem Kriegstagebuch des Oberst von Cordier, Graz 1977.

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A. Einleitung

Pieris überschaubarem Buch ‚L’Italia nella Prima Guerra Mondiale (1915–1918)‘, Sticcas ‚L’opera degli alpini‘ oder Tomassinis ‚L’Italia nella Grande Guerra 1915–18‘.68 Regionale Betrachtungen stellen Forrers ‚Führer‘ über die Hochflächen von Folgaria und Lavarone, Tosatos Betrachtungen rund um Cortina d’Ampezzo oder Mattalias Chronik dar.69 Einige herausragende italienische Bildbände helfen, die Vorstellung des Konfliktes plastischer erscheinen zu lassen und sich im wahrsten Sinne ‚ein Bild zu machen‘.70 Den Leistungen und Entbehrungen der Alpini-Jäger sowie der alliierten Kräfte, insbesondere am Ende des Krieges, wird ebenfalls Platz in dieser Arbeit eingeräumt. Zur Beteiligung britischer, amerikanischer und französischer Einheiten finden sich nur wenige umfassende Darstellungen, darunter jene von Cassar und Schindler.71 68 Pieri, Piero: L’Italia nella Prima Guerra Mondiale (1915–1918), Torino 1968. Piero Pieri war während des Ersten Weltkrieges Hauptmann der 77. Alpinikompanie, später Oberst im Generalstab und im Zivilberuf Universitätsprofessor in Turin. Sticca, Giuseppe: L’opera degli alpini, Roma 1928; Tomassini Luigi, L’Italia nella Grande Guerra 1915–18, Milano 1995. 69 Forrer, Aldo: Guida lungo la fronte Austro-Ungarica e Italiana. Degli altipiani di Folgaria (Vielgereuth)–Lavarone (Lafraun)–Luserna (Lusern)–Vezzena (Vesan) e Tonezza del Cimone, Calliano 1990; Mattalia, Umberto: Cronache della grande guerra: 1915–1918. Altipiani, Valsugana, Pasubio, Isonzo, Piave, Valdagno (Vicenza) 1992; Tosato, Giorgio: Zona di guerra. Auronzo, Cortina d’Ampezzo, Monte Piana, Tre Cime di Lavaredo, Comelico, Isonzo, Albania nella prima guerra mondiale (Collana di storia militare), Novale 1997. 70 Barbarò, Michele Falzone del: Vittorio Emanuele III. Album di Guerra 1915/1918, Firenze 1989; Brambilla, Andrea/Caimi, Mauro/Mesturini, Franco: I Due Nemici. 250 Fotografie di italiani e austriaci nella Grande Guerra, Parma 1999; Fabi, Lucio: La prima guerra mondiale 1915–1918 (Storia fotografica della società italiana), Roma 1998; Liber, Tullio/Leitempergher, Ugo/Kozlovic, Andrea: 1914–1918: la Grande Guerra sugli altipiani di Folgaria, Lavarone, Luserna, Vezzena, Sette Comuni, Monte Pasubio, Monte Cimone e sugli altri fronti di guerra. Testi e documenti con 316 fotografie e 10 cartine (Collana di storia militare), Valdagno 1995. 71 Cassar, George H.: The Forgotten Front. The British Campaign in Italy 1917–1918, London/Rio Grande 1998. Schindler, John R.: Isonzo. The Forgotten Sacrifice of the Great War, Westport/London 2001. Auch: Evans, Marix Martin: Forgotten Battlefronts of the First World War, Thrupp-Stroud 2003; ders.: American Voices of World War I. Primary Source Documents 1917–1920, Chicago/London 2001. Ebenso: Kaspi, André: La participation américaine au front italien, in: La France et l’Italie pendant la première Guerre Mondiale, Actes du colloque tenu a l’université des Sciences Sociale de Grenoble les 28, 29 et 30 Septembre 1973, Grenoble 1973, S. 579–593 und Rossini, Daniela: Il mito americano nell’ Italia della grande guerra (Quadrante Bd. 106), Roma 2000. Als Quellen bieten sich die Generalstabswerke an: Edmonds, James E.: Military Operations: France and Belgium (Bde. für 1917/1918), London 1935–48; Ministère de la Guerre (Hg.): Les armées françaises dans la Grande Guerre (Bde. 5–7), Paris 1923–31.

III. Forschungsstand und Quellenkritik

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Bei der Bearbeitung des letzten Kriegsjahres und hier speziell des bayerischen Grenzschutzes stößt der Historiker auf besondere Probleme. Die Aktenlage des Jahres 1918 wird problematischer, je weiter man sich dem Datum des Waffenstillstandes nähert, sowohl auf österreichisch-ungarischer als auch auf deutscher Seite. Befehlsgemäß mussten im Kriegsfall vor einer eventuellen Gefangennahme die jeweils mitgeführten Akten und kriegswichtigen Materialien sofort vernichtet werden, damit sie dem Gegner nicht in die Hände fallen konnten. Dieser bis heute bei fast allen Armeen der Welt anzutreffende Befehl wurde im Chaos der Novembertage 1918 von den zurückflutenden Truppen nur selten befolgt. Meistens wurden die Akten weggeworfen und der Einfachheit halber im Straßengraben entsorgt, um sich auf dem Rückweg in die Heimat nicht noch unnötig zu belasten. Dieser Rückweg war ja ohnehin von Imponderabilien und oft dramatischen Umständen geprägt. Der Übergang vom Kriegszustand zum Frieden war äußerst schwierig. Er fiel in eine Zeit größter wirtschaftlicher Not, die alle Kräfte der Heimkehrer beanspruchte. Der bekannte Militärhistoriker und Schriftsteller Heinz von Lichem schreibt zur Lage in Tirol: „In den großen Städten herrschte Hungersnot, in den ersten Wintern nach dem Krieg gab es kaum Heizmaterial, unzählige Menschen starben damals an relativ harmlosen Erkältungskrankheiten. Über den Verbleib von Feldakten interessierte sich da kaum ein Mensch, wo es doch oft um das Überleben ging.“72 Als Beispiel für die Probleme der historischen Überlieferung sei eine Meldung des 1. Bataillons des 4. Bayerischen Infanterieregimentes angeführt, die symptomatisch ist und sowohl für die Armeeformationen Österreich-Ungarns, des Deutschen Reiches als auch Bayerns gilt. Zum Verbleib der Kriegstagebücher meldete das Bataillon auf die Regimentsanfrage im März 1919: „Die Entwürfe, sowie Beilagen zum Kriegstagebuch für die Monate Juni, Juli mit 8. August 1918 fielen am 8.8.18 infolge Gefangennahme des Bataillons Adjutanten Leutnant Pöhlmann in Feindeshand. Ebenso verschiedene Memoiren, beispielsweise: Buxtorf, A.: En Italie avec la 24e division d’infanterie française (Septembre–Décembre 1918). Dessins de Bernard Naudin, Nancy 1920; Coudray, Honoré: Guerre de 1914–1918. Memoires d’un Troupier. Un cavalier du 9ème hussards chez les chasseurs alpins du 11ème B.C.A., Paris/Bordeaux 1986; Dalton, Hugh: With British Guns in Italy. A tribute to Italian achievement (Neudruck der Ausgabe: London 1919), Uckfield 2005; Price, Julius M.: Six months on the Italian front. From the Stelvio to the Adriatic 1915–1916, London 1917; Reiter, Michael: Maximilian, Balkan Assault. The Diary of an Officer 1914–1918, Perth 1994. 72 Lichem, Heinz von: Die Tiroler Hochgebirgstruppe. Die Friedens- und Kriegsgeschichte der k. k. Tiroler Landesschützen-Regimenter, Kaiserschützen-Regimenter Nr. I, Nr. II und Nr. III von ihren Anfängen bis zum Ende des Ersten Weltkrieges (Univ. Diss.), Innsbruck 1982, S. 5.

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A. Einleitung

Die für die Zeit vom 9.8.18 mit 10.10.18 angefallenen Schriftstücke zum Kriegstagebuch wurden dem Infanteristen Kirch, Hilfsschreiber des Batls., der die Unterlagen in Verwahrung hatte, samt seinem Tornister mit Bekleidung in Innsbruck in der Baracke gestohlen. Verschließbare Aktenkisten waren in Innsbruck nicht vorhanden, nachdem die große Bagage mit den Akten des Geschäfts Zimmers sich in Neubeuern befand. Die sofort angestellten Erhebungen nach dem entwendeten Tornister blieben ergebnislos.“73

Normalerweise hätten also diese Unterlagen den Regimentskanzleien zugeführt werden sollen, wo dann über ihre weitere Verwendung und Deponierung entschieden worden wäre. Zumeist wären sie im Archiv gelandet, wo sie auf eine Aufarbeitung im Rahmen einer Regimentsgeschichte oder einer Darstellung besonderer Schlachtenereignisse gewartet hätten. Schon während des Krieges wurde an eine spätere historische Auswertung gedacht und, sofern die Hektik der Ereignisse dafür Zeit beließ, auch danach gehandelt, was die Konservierung der anfallenden Akten betraf. Nach dem Zusammenbruch an der Front trafen die Heimkehrer zunächst auf ein staatlichpolitisches Vakuum, mit anschließender kompletter Neuordnung. Hätte Österreich-Ungarn nach dem Ersten Weltkrieg weiter bestanden, hätte auch die Historiographie von heute einen leichteren Stand. Ein anderes Problem, welches die Forschungen zur deutschen Militärgeschichte im Ersten Weltkrieg erschwert, ist der Verlust eines Großteils der Akten im Zweiten Weltkrieg. 1919 war ein zentrales Archiv für die Organe und Behörden des Deutschen Reiches in Potsdam eingerichtet worden. Dieses Reichsarchiv übernahm im Laufe der Zeit Unterlagen und Schriftgut von allen obersten Reichsbehörden seit 1867. Das Heeresarchiv wurde 1936 als selbständige Einrichtung aus dem Reichsarchiv ausgegliedert und bei einem Luftangriff im April 1945 nahezu vollständig zerstört. Die Abteilung Kriegstagebücher, Bestände des preußischen Kriegsministeriums und des preußischen Generalstabes wurden Ende 1944 noch ausgelagert, teils in den Harz, nach Bad Reichenhall und Kufstein. Dort wurden die verbliebenen Akten großteils von deutschen Truppen vernichtet.74 Für die Betrachtung des Alpenkrieges ergeben sich daraus zwei Recherchegrundsätze: Einige Materialien sind unwiederbringlich verloren gegangen, die von größtem Interesse wären, so etwa viele Unterlagen der deutschen Verbindungsoffiziere, die zu österreichisch-ungarischen Truppenformationen detachiert wurden. Im Bundesarchiv-Militärarchiv in Freiburg sind die letzten 73 BayKA, Truppenakten 4. bay. Infanterieregiment Bund 12, Meldung des 1. Bataillons an das Regiment vom März 1919. 74 Vgl.: Brühl, R./Charisius, A./Dorst, K.: Wörterbuch zur Deutschen Militärgeschichte (Schriften des Militärgeschichtlichen Instituts der Deutschen Demokratischen Republik, Bd 2: Mi–Z), Artikel Militärarchive, Berlin 1985, S. 534–536, hier: S. 536.

III. Forschungsstand und Quellenkritik

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Reste verwahrt. Der Schriftwechsel des bevollmächtigten deutschen Generals im Österreichisch-Ungarischen Hauptquartier mit dem Chef des Generalstabs des Feldheeres über militärische Ereignisse ist beispielsweise nur rudimentär für das Jahr 1914 überliefert und leistet damit keine Aufklärung für den erst 1915 beginnenden Konflikt mit Italien. Linderung erfährt dieser Umstand durch die erfreuliche Tatsache, dass viele der verantwortlichen Generäle und Armeeführer in der Zwischenkriegszeit ihre Erinnerungen niedergeschrieben haben. Diese bedürfen natürlich einer tiefgehenden quellenkritischen Betrachtung – wie bereits erwähnt – und bieten dabei doch weitere Anhaltspunkte. So hat sich auch der deutsche Bevollmächtigte General beim K. u. k. Armeeoberkommando (AOK) August von Cramon schriftstellerisch betätigt.75 Einige Nachrichten von der italienischen Front sind durch den deutschen Nachrichtenoffizier der Obersten Heeresleitung beim K. u. k. Heeresgruppenkommando des Feldmarschalls Freiherr Conrad von Hötzendorf überliefert. Diese zusammenfassenden Berichte des Hauptmanns Kliewer stellen interessante Berichte über die Kämpfe an der italienischen Front dar, beziehen sich aber rein auf militärische und taktische Informationen. Eine publizierte Quelle von großem Wert stellt auch die Untersuchung des Tübinger Dozenten Hermann Wendt über den italienischen Kriegsschauplatz von 1936 dar.76 Diese Arbeit, die sich nicht nur dem Ersten Weltkrieg widmet, sondern schon beim Spanischen Erbfolgekrieg und der Kriegsführung Prinz Eugens einsetzt, hat neben einem analytischen Teil noch einen umfangreichen Urkundenanhang, in dem viele inzwischen leider verschollene Dokumente der Nachwelt erhalten blieben. Aufgrund des umfassenden Verlustes muss also nach weiteren Ersatzund Ergänzungsüberlieferungen gesucht werden, die eine Rekonstruktion erlauben. Solche Überlieferungen werden im Kriegsarchiv des Bayerischen Hauptstaatsarchivs, im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden und im Hauptstaatsarchiv Stuttgart verwahrt. Die Existenz dieser Ersatzüberlieferungen ist dem staatlichen Aufbau des Kaiserreiches ab 1871 und den damit eingehenden Reservatrechten eigener Armeeformationen zu verdanken. Spe75 Cramon, August von: Unser Österreichisch-Ungarischer Bundesgenosse im Weltkriege. Erinnerungen aus meiner vierjährigen Tätigkeit als bevollmächtigter deutscher General beim K. u. k. Armeeoberkommando von A. von Cramon, Berlin 1920. Dieses Buch wurde sogar ins Französische übersetzt: Cramon, August von: Quatre ans au GQG austro-hongrois pendant la guerre mondiale comme représentent du GQG allemand, Paris 1922. Ebenfalls von Interesse die Schrift: Cramon, August von/Fleck, Paul: Deutschlands Schicksalsbund mit Österreich-Ungarn. Von Conrad von Hötzendorf zu Kaiser Karl, Berlin 1932. 76 Wendt, Hermann: Der italienische Kriegsschauplatz in europäischen Konflikten. Seine Bedeutung für die Kriegführung an Frankreichs Nordostgrenze (Schriften der kriegsgeschichtlichen Abteilung im historischen Seminar der Friedrich-WilhelmsUniversität Berlin Bd. 11), Berlin 1936.

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A. Einleitung

ziell das 1885 gegründete Bayerische Kriegsarchiv in München, heute die Abteilung IV des Bayerischen Hauptstaatsarchives, sowie die Abteilung II: Neuere Bestände 19./20. Jahrhundert bildeten einen archivalischen Grundstock dieser Arbeit, insbesondere für den Themenschwerpunkt Kriegsende 1918. Das Hauptstaatsarchiv Stuttgart verwahrt wichtige Unterlagen zu den württembergischen Gebirgsformationen, die Aufschlüsse über Aufstellung und Ausbildung von Gebirgstruppen sowie über deren Einsatz auf dem italienischen Kriegsschauplatz im Rahmen der zwölften Isonzoschlacht 1917 geben. Die Akten des Sächsischen Kriegsarchivs können für das hier betrachtete Thema Alpenfront 1914–1918 vernachlässigt werden, da keine signifikanten Armeeeinheiten an den Kämpfen auf dem Südwestlichen Kriegsschauplatzes teilgenommen haben. Sehr aufschlussreich sind dafür die Bestände des Politischen Archivs des Auswärtigen Amtes in Berlin. Hier finden sich die Unterlagen des deutschen Militärattachés in Wien. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs war Oberstleutnant Graf Kageneck Militärattaché und Flügeladjutant und fungierte als Verbindungsoffizier zu den K. u. k. Stellen. Er rückte 1914 mit dem K. u. k. Armeekommando nach Galizien ab und der deutsche Botschafter in Wien, von Tschirsky, übertrug dem Hauptmann Prinzen zu Erbach-Schönberg die Vertretung. Als Oberst Graf Kageneck im Januar 1918 in den Truppendienst übernommen wurde und auch formell seinen Posten räumte, ließ der Chef des Generalstabes des Feldheeres seine Stelle nicht neu besetzen. Die Geschäfte des Militärattachés wurden unter Zustimmung des Auswärtigen Amtes dem bevollmächtigten General beim K. u. k. AOK von Cramon übertragen. Er sollte den Kontakt zur Wiener Botschaft durch den dort kommandierten Offizier aufrechterhalten. Weitaus umfangreicher als diese militärischen sind die diplomatischen Quellen zum italienisch-österreichisch-ungarischen Konflikt im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes. Sowohl die relevanten Akten des schon genannten deutschen Botschafters in Wien sind hier zu finden als auch die bedeutsamen Dokumente der kaiserlichen Botschaft in Bern und die Vertretung beim Heiligen Stuhl im Vatikan. Die meisten brauchbaren Akten fanden sich erwartungsgemäß im sogenannten Oxford Repertorium: Akten des Auswärtigen Amtes 1867–1920.77 Neben den diplomatischen, politischen und militärischen Aktenstücken sollten in dieser Arbeit aber auch Zeugnisse der Frontkämpfer erscheinen. Aussagen, die uns erlauben, das Leben der einfachen Menschen an der Front einzuschätzen. Zu diesem Zweck eignen sich alle Formen der persönlichen Schriftlichkeit, wie etwa Briefe. Beeindruckend sind hier die Doku77 The American Historical Association (Hg.): Catalogue of Files and Microfilms of the German Foreign Ministry Archives 1867–1920. Committee for the Study of War Documents, Oxford 1959, (Nachdruck New York 1970).

III. Forschungsstand und Quellenkritik

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mente in Bazzanellas ‚Die Stimme der Illiteraten‘ oder das ambitionierte Projekt der Feldpostbriefe des Peregrin Butzenlechner.78 Noch persönlicher geprägt sind Tagebücher. Allerdings sind Tagebücher aus eben jener Subjektivität heraus ebenso unterschiedlich wie die Menschen, die sie schreiben.79 Auch die äußere Form spiegelt dies schon wieder: Einige Autoren schreiben in abschließbare und in Leder gebundene Bücher, andere benutzen Schulhefte, alte Kalender (in Österreich-Ungarn war Künstners KriegsTaschenkalender sehr beliebt) oder lose Blätter.80 Besonders in Kriegszeiten nahm man, was zur Verfügung stand. Da private Kriegstagebücher nur selten, und wenn dann nur im Rahmen eines größeren Nachlaßes in die öffentlichen Archive eingelagert werden, sind sie nur sehr schwer aufzufinden und zugänglich. Das Militärarchiv Lichem/Militärhistorische Forschungszentrum – München konnte hier eine große Lücke füllen. In ihm sind zahlreiche Kriegstagebücher ehemaliger Frontoffiziere und Mannschaftsdienstgrade aufbewahrt, darüber hinaus auch unzählige Berichte der ehemaligen Kriegsteilnehmer zu besonderen Operationen oder persönlichen Erlebnissen. Diese kurzen Aufsätze umfassen zumeist nur wenige Seiten, können aber auch den Charakter eines Buches haben. Eines dieser Werke soll hier bereits exemplarisch genannt sein: Die von Josef Strohmaier aus Loosdorf bei Melk verfasste Schrift ‚Das K. k. Kaiserschützenregiment Nr. III im Kampfe gegen Russland und Italien‘. Auf 166 engzeilig mit Maschine beschriebenen Seiten hatte Josef Strohmaier, Kaiserschütze des III. Regimentes, im Jahre 1937/1938 den gesamten Kriegseinsatz des III. Kaiserschützenregimentes penibel dargestellt. Diese Aufstellung Josef Strohmaiers entspricht laut dessen Angaben der Reinschrift seiner Feldtagebücher. Nachdem Strohmaier 78 Bazzanella, Angelo: Die Stimme der Illiteraten. Volk und Krieg in Italien 1915–1918, in: Vondung, Klaus (Hg.): Kriegserlebnis. Der Erste Weltkrieg in der literarischen Gestaltung und symbolischen Deutung der Nationen, Göttingen 1980, S. 334–351; Hager, Gerhard: Einer von 9 Millionen. Aus den Feldpostbriefen des Peregrin Butzenlechner; ein kurzer, aber ergreifender Ausschnitt aus der Lebensgeschichte des Bauernsohnes Peregrin Butzenlechner vom Hof Plespitz in der Marktgemeinde Kirchberg a. d. Pielach. Ein Kriegsschicksal, das stellvertretend für 9 Millionen Leidensgenossen des 1. Weltkrieges steht. (Verein für Dorferneuerung, Arbeitsgruppe Heimatforschung), Hofstetten 1995. Auch: Procacci, Giovanna: Soldati e prigionieri italiani nella Grande guerra: con una raccolta di lettere inedite (Gli studi, 68: Storia), o. O. 1993. 79 Zum Umgamg mit Tagebüchern und Erinnerungen vgl. etwa: Pichler, Meinrad: Wackere Soldaten. Quellenkritische Anmerkungen am Beispiel der Kriegsaufzeichnungen (1914–1918) der Brüder Franz, Romedius und Rudolf Wacker, in: Jahrbuch des Vorarlberger Landesmuseumvereins (1989), S. 183–192. Auch: Mertelseder, Bernhard/Wisthaler, Sigrid: Soldat und Offizier in ihren Erinnerungen. Methodische Überlegungen zu österreichischen Kriegstagebüchern, in: Kuprian/ Mazohl-Wallnig/Barth-Scalmani, Ein Krieg – zwei Schützengräben, 2005, S. 63–86. 80 Vgl. z. B.: Künstners Kriegs-Taschen-Kalender. Zum Gebrauche für alle Militärpersonen für das Jahr 1915/1916, o. O. 1915.

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A. Einleitung

den gesamten Krieg an der ganzen österreichisch-ungarischen Südwestfront mitgemacht hatte, entspricht dieses Feldtagebuch einer unerhört wichtigen Quelle, einmal zur Darstellung der Kriegseinsätze des Kaiserschützenregimentes Nr. III. als auch zur Erkenntnis, wie ein Kriegsteilnehmer den Krieg gegen Italien erlebt und erfühlt hat. Josef Strohmaier schrieb sein Tagebuch mit sehr kritischer Distanz, er stellte alle Fronteinsätze sachlich dar und scheute sich nicht, harsche Kritik zu üben. Er musste, wie aus dem Tagebuch ersichtlich, an allen Fronten fürchterliche Dinge erlebt haben, da neben den Fakteninformationen die Kriegsgräuel besonders betont wurden. Seine Motivation und die Hintergründe seiner schriftstellerischen Tätigkeit hat Josef Strohmaier ebenfalls festgehalten. Diese Worte gegen den Krieg sind zeitlos: „So sehr fast Alle, welche diesen furchtbaren Weltkrieg mitgemacht haben, einen neuen Krieg verdammen, zeigt sich in der heutigen Jugend wieder Abenteuerund auch Kriegslust. Leider steht heute [niedergeschrieben 1937/1938, Anm. d. Verf.] weit mehr als damals die ganze Welt in einem Rüstungsrausch, wie ihn die Menschheit wohl nie gesehen hat. Unzählige Milliarden und Billionen aus den Volksvermögen werden zur Rüstung eines noch mehr menschenmordenden Krieges ausgegeben. Alle jene, die sich in blinder Abenteuerlust oder anderen Trieben einen neuen Krieg herbeisehnen, mögen die in diesem Buche nur in bescheidenstem Ausmaße beschriebenen Gräuel, Hunger, Entbehrungen, Kälte, endlose Strapazen, Tod und Verderben und vieles Andere mehr der Soldaten – und andererseits die himmelschreiende Not, die Verzweiflung und das Elend der Bevölkerung und deren Seelenpein in den Kampfgebieten zu Herzen nehmen und sich in die nackte Wirklichkeit hineindenken, wie so viele von Haus und Hof flüchten mussten, alles zurücklassend, mit dem sie immer so innig verbunden waren. [. . .] Derjenige, der alle Details und Schattenseiten eines Krieges wie einen Film in seinem Geiste vorüberziehen lässt, wird wahrlich den Frieden im Vaterlande zu schätzen wissen.“81

81 MILAR/MHFZ, MIL-IBK 14, Strohmaier Josef: ‚Das K. k. Kaiserschützen-Regiment Nr. III im Kampfe gegen Russland und Italien‘, 166 unveröffentlichte, maschinenschriftliche Seiten, hier S. 164.

Der reine Tisch ist das beste Möbelstück in einem redlichen Haus. (Ludwig Ganghofer in den Mund gelegt von Karl Kraus)1

B. Ausgangsbedingungen I. Die Mächte und der Kriegseintritt Italiens Eine Betrachtung des Alpenkrieges sollte zunächst die Ursachen für sein Zustandekommen beleuchten. Das Ereignis Krieg und die stattfindenden Kampfhandlungen müssen in die ihnen zugrunde liegende Dimension der Politik und Diplomatie eingebettet werden. Im Falle des Krieges Italien gegen Österreich-Ungarn sind dabei zwei Kernthemen ausschlaggebend: die Entwicklung des Dreibundes bis 1915 und das Problem des Irredentismus, also das Streben der italienischsprachigen Gebiete des Habsburgerreiches zum Königreich Italien. Das 19. Jahrhundert war geprägt von einem wechselvollen italienisch-österreichischen Zusammenleben. Nach den Erfahrungen der Revolutionen und der Kämpfe in den Jahren 1848 und 1849 leitete die Regierung im Königreich Piemont-Sardinien eine Phase der Reformen ein. Ministerpräsidenten Camillo Benso von Cavour gestaltete maßgeblich die politischen und militärischen Vorbereitungen für einen erneuten italienischen Freiheitskampf mit. Durch die Beteiligung am Krimkrieg gelang es ihm, die italienische Frage auf die politische Agenda der Regierungen Frankreichs und Großbritanniens zu bringen. Beide sah er als unverzichtbare Verbündete im Kampf gegen die damalige europäische Großmacht Österreich an. Im Jahr 1859 eskalierte der italienisch-österreichische Konflikt im Sardinischen Krieg. Dieser zweite von drei italienischen Unabhängigkeitskriegen zwischen dem Kaisertum Österreich und dem Königreich Piemont-Sardinien und dessen Verbündeten Frankreich eröffnete durch die Niederlage der Österreicher den Weg zur Einigung Italiens. Nach den extrem verlustreichen Schlachten von Magenta und Solferino trat Österreich im Frieden von Zürich die Lombardei mit den bedeutenden Festungsstädten Mantua und Peschiera an Napoleon ab, der diese Gebiete Sardinien überließ. Wenige Jahre später, im deutschen Krieg Preußens gegen Österreich 1866, stellte sich Italien wegen der Vorherrschaft Preußens und in der Hoffnung, 1 Von Karl Kraus dem bayerischen Heimatdichter und Kriegsberichterstatter Ludwig Ganghofer in den Mund gelegt, während einer Szene in den ‚Letzten Tagen der Menschheit‘, als Ganghofer auf Kaiser Wilhelm II. trifft. In: Kraus, Die letzten Tage, 1986, Akt II Szene 23, S. 167.

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B. Ausgangsbedingungen

Venetien zu gewinnen, auf die Seite der Hohenzollern und fiel Österreich – durch Eröffnung einer neuen Front – in den Rücken. Trotz bedeutender Siege der österreichischen Kriegsflotte unter Admiral Tegetthoff bei Lissa (dem heutigen Vis) und der Armee unter Erzherzog Albrecht bei Custozza fiel die Entscheidung – vor allem wegen der besseren Bewaffnung und Taktik Preußens – bei Königgrätz zu dessen Gunsten. Kaiser Franz Joseph I. nahm die vermittelnde Tätigkeit Napoleons in Anspruch und erklärte sich zur Abtretung Venetiens bereit. Der preußische Ministerpräsident Fürst Otto von Bismarck drängte auf einen baldigen Friedensschluss um einerseits die Früchte des Sieges nicht zu verspielen und andererseits französischen Kompensationsforderungen zuvor zu kommen. Dem österreichisch-italienischen Frieden ging die Zession des Veneto auf dem Umweg über Napoleon voran, vergleichbar mit der Lombardei 1859.2 Italien erhielt Venetien de facto nur als Folge des preußischen Sieges und der französischen Vermittlung. Verglichen mit den übertriebenen Hoffnungen zu Kriegsbeginn war dies eine empfindliche Demütigung. Diese Episode hinterließ in Italien ein nationales Trauma, ohne das weder die 1914/1915 von Gabriele D’Annunzio und dem damaligen Zeitungsredakteur und Populisten Benito Mussolini geschürte Kriegsbegeisterung noch der kurze Siegesrausch von 1918/1919 richtig interpretiert werden können.3 Diese psychologische Erscheinung durchdrang das Verhältnis Österreichs zu Italien seit 1866 ähnlich, wie das elsass-lothringische Problem das Verhältnis Deutschlands zu Frankreich seit 1871 durchdrang. Trotz vielfacher, meist allerdings nicht sehr konsequenter und halbherziger Versuche, konnte diese so tief gehende Wunde nationaler Eitelkeit nicht geheilt werden. Dieses Moment ist unter den entfernteren Ursachen des österreichisch-ungarisch-italienischen Krieges ab 1915 durchaus nicht zu unterschätzen. Der damalige territoriale Zuwachs erschien den Italienern nur als ein Geschenk Napoleons, zu dem Österreich gezwungen wurde. Österreich verlor 1866 neben Venetien auch Schleswig-Holstein an Preußen und musste 20 Millionen Taler Kriegskosten zahlen. Trotz dieser schmerzlichen Einbußen ließ sich Kaiser Franz Joseph nicht dazu bewegen, im Krieg Preußens mit Frankreich 1870/71 ‚Gleiches mit Gleichem‘ zu vergelten, getreu dem Motto: Revanche pour Sadova. Österreich blieb neutral, Frankreich zog seine Truppen aus dem Vatikan ab und erlaubte somit Italien seine Einheit des Vaterlandes fertig zu stellen. Otto von Bismarck 2 Einen Überblick über die neuere italienische Geschichte bieten beispielsweise: Omodeo, Adolfo: Die Erneuerung Italiens und die Geschichte Europas 1700 bis 1920 (Artemis-Bibliothek: Italienische Reihe), Zürich 1951 oder Reinhardt, Volker: Geschichte Italiens von der Spätantike bis zur Gegenwart (Beck’s historische Bibliothek), München 2003 oder Smith, Denis Mack: Italy. A Modern History, Ann Arbor 1969. 3 Vgl aktuell: O’ Brien, Paul: Mussolini in the First World War: the journalist, the soldier, the fascist, Oxford/New York 2005.

I. Die Mächte und der Kriegseintritt Italiens

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plagte fortan der cauchemar des coalitions. Er sah auf der einen Seite die Revanchegedanken Frankreichs und mannigfache Möglichkeiten, diese in Bündnissen gegen Deutschland auszuspielen. Bismarcks Annäherung an Russland scheiterte und trieb ihn in die Nähe Österreich-Ungarns. Als nach dem Berliner Kongress 1878 die Spannungen zwischen Deutschland und Russland immer stärker wurden, schloss Bismarck ein Jahr später das Zweier Bündnis mit Österreich-Ungarn. Das Schutzbündnis zwischen dem Deutschen Reich und Österreich richtete sich gegen einen möglichen Angriff Russlands auf einen der vertragsschließenden Staaten oder gegen die Unterstützung eines anderen Angreifers – gedacht war hier vornehmlich an Frankreich – durch Russland. Fürst Bismarck wollte einer potentiellen italienischen Unterstützung französischer Angriffspläne entgegenwirken und versuchte, Italien als dritten Partner dem Zweibund hinzuzufügen. Das war kein leichtes Unterfangen. Es gab gravierende Widerstände in Italien, besonders von Seiten der Irredentisten, die lauthals die Einverleibung der unerlösten Brüder forderten. Das neue Verhältnis konnte nur in der allgemeinen Weltlage fußen und war ein rein utilitäres. Das bekannte Wort ‚Italien kann mit der ÖsterreichischUngarischen Monarchie nur verbündet oder deren Feind sein‘ charakterisiert deutlich die Lage der beiden Länder zu einander.4 Es gab, abgesehen von der historischen Überlieferung, viele Reibungsflächen, die schon aus der langen Grenzlinie immer neu erwuchsen. Trotzdem, zur Erhaltung des europäischen Friedens, trat das Königreich Italien am 20. Mai 1882 dem Zweibund bei. Das papierene Bündnis, das dem zunächst beiderseitigen Interesse entsprang, konnte keine Sympathien schaffen. In Wirklichkeit blieb Deutschland der Mittler. Der Dreibund entstand zu einer Zeit, als die Großmacht England abseits stand, mit Russland in weltpolitischem Gegensatz war, und auch Frankreich gegenüber kolonialpolitische Divergenzen hatte. Es war nicht ausgeschlossen, England sogar an diesen defensiven Bund anzunähern. Das altbewährte Freundschaftsverhältnis des jungen Italien zu Großbritannien hätte hier positiv wirken können. Italien war dagegen vornehmlich durch koloniale Beweggründe motiviert. Eine Ausdehnung nach Afrika war für Italien weitaus wichtiger als das Irredenta-Problem und dieses imperiale Streben war nur in einem starken Bündnisverband Erfolg versprechend. Initialzündung der italienischen Annäherung an den Zweiverband war die französische Besetzung von Tunis, welche parallele italienische Pläne durchkreuzt hatte. Die Aussicht, den weitausgreifenden französischen Mittelmeerplänen einen Riegel vorzuschieben, war zu verlockend. Die im Jahre 1881 erfolgte französi4 Zitiert beispielsweise bei: Bülow, Bernhard von: Deutsche Politik, Berlin 1916, S. 58.

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B. Ausgangsbedingungen

sche Besetzung von Tunis und der Ausbau des Kriegshafens von Bizerta, alles Gebiete, auf welche die italienische Kolonialpolitik selbst ein Auge geworfen hatte, ließ Italien auf Mittel und Wege eines Gegengewichtes sinnen. Demgegenüber war es verhängnisvoll, dass auf der anderen Seite das Verbeißen Frankreichs in koloniale Unternehmungen in das Kalkül des deutschen Reichskanzlers passte, der sich erhoffte, es damit von den Revanchegelüsten abziehen zu können. Je mehr aber Italien bei seinen anderen kolonialen Unternehmungen in Massaua und Eritrea von Missgeschick verfolgt war, desto klarer und schmerzlicher erkannte es allmählich, wie wenig seine Mittelmeerpolitik effektive Förderungen seitens seiner neuen Verbündeten erfuhr. Daneben kam das leidige Misstrauen zwischen Österreich-Ungarn und Italien trotz der steten Vermittlungsversuche Deutschlands nie recht zur Ruhe. Kaum war etwas Ruhe hergestellt, genügte ein kleiner Zwischenfall, um alles wieder zunichte zu machen. Die rasch wechselnden italienischen Regierungen spielten aus Opportunismus, aus innenpolitischen Gründen oder auch persönlichen Beweggründen – heute würde man noch wahltaktische Erwägungen hinzuziehen – mit dem Irredentismus. Der österreichischungarische Botschafter in Italien, Carl Freiherr von Macchio, schrieb dazu die treffenden Worte: „Es war gewiss eine Sisyphusarbeit, der mimosenhaften Empfindlichkeit der italienischen Psyche stets gerecht zu werden und über gelegentliche Ausbrüche des Missvergnügens vornehm hinwegzusehen; es ist aber auch nicht zu leugnen, dass die österreichischen Regierungen der Behandlung des zahlenmäßig allerdings geringfügigen, aber kulturell hochstehenden italienischen Elementes der Monarchie oft ratlos gegenüber standen und nicht nur meist eine Differenzierung nach den verschiedenen Provinzen eintreten ließen, sondern sich auch dem Widerspiel der jeweiligen Haltung des Königreiches nicht entzogen. Dadurch entstand Unsicherheit, Inkonsequenz und Unbilligkeit, welche den Rekriminationen fortwährend Nahrung gaben.“5

Zunehmende Rivalitäten und Spannungen unter den Großmächten führten zu einer Gegenbewegung zum Dreibund. Frankreich und Russland gründeten 1894 einen Zweiverband, 1904 fanden sich Frankreich und Großbritannien in der Entente cordiale zusammen und 1907 einigten sich Großbritannien und Russland schließlich über ihre Einflusssphären im persischen Raum. 5 Macchio, Carl Freiherr von: Rückschau auf die Entwicklung der Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn und Italien, in: Heldenwerk (1914–1918). Ein literarisches Monumentalwerk zum ewigen Gedenken an die ruhmvollen Waffentaten der österreichisch-ungarischen Armee und ihrer Helden, Hrsg. zu Gunsten der Kriegsfürsorgezwecke des Kriegshilfsbüros des K. K. Ministerium des Innern, Band 3 (Heldenwerk Verl. -u. Vertr. Ges. m. b. H. 1917), Wien/Innsbruck o. J., S. 316–322, hier: Band 3, S. 318.

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Einer der herausragenden Kritiker des Dreibundes war der Chef des K. u. k. Generalstabes Franz Conrad von Hötzendorf. Bereits kurz nach seiner Ernennung als Generalstabschef im November 1906 bezeichnete er ihn als „[. . .] dreibeinigen Tisch“, der einknickt, wenn eine der Stützen wackelig wird.6 Italien war durchaus ein unsicherer Kantonist, dessen ambivalente Politik immer wieder Unsicherheit und Unwägbarkeiten in den zwischenstaatlichen Konstellationen schürte und damit seine Bündnistreue in Zweifel setzte. In einem Geheimvertrag mit Frankreich von 1902 verpflichtete es sich zur Neutralität im Falle einer Angriffsoperation des Partnerstaates.7 Das gleiche Jahr sah auch die Erneuerung des immer brüchigeren Dreibundes. Im Abkommen von Racconigi (1909) stimmte Italien seine Balkaninteressen mit Russland ab und beide kamen überein, einer weiteren Expansion Österreich-Ungarns auf dem Balkan entgegenzutreten.8 All dies waren Maßnahmen, die auf eine Loslösung Italiens vom Dreibund hindeuteten.9 Durch die italienische Annektion von Tripolis und der Cyrenaica kam es 1911 zum Italienisch-Türkischen Krieg, der 1912 mit dem Frieden von Lausanne beendet werden konnte.10 Der italienische Erfolg des nordafrikanischen Unternehmens führte zu einer Abkühlung der Beziehungen zu Frankreich und bewegte die Italiener zu einer letzten Verlängerung des Dreibundabkommens.11 In einer Denkschrift vom Dezember 1912 äußerte sich der deutsche Generalstabschef Helmut von Moltke zum Zusammenspiel der Dreibund-Partner: „Ebenso ist die Wehrmacht Italiens durch den noch nicht gefestigten Erwerb seiner neuen afrikanischen Besitzungen mehr als bisher in einer Richtung in Anspruch genommen, die nicht in der Linie der großen politischen Ziele des Drei6

Hötzendorf, Franz Conrad von: Aus meiner Dienstzeit 1906–1918 (Bd. 1: Die Zeit der Annexionskrise 1906–1909), Wien/Leipzig/München 1921, S. 57. 7 Zum Barrère-Prinetti-Abkommen vom Juni 1902: Muhr, Josef: Die deutsch-italienischen Beziehungen in der Ära des Ersten Weltkrieges (1914–1922), Göttingen/ Frankfurt/Zürich 1977, S. 23 Fußnote 37. 8 Vgl.: Donnini, Guido: L’accordo italo-russo di Racconigi (Il politico-Quaderni Bd. 19), Milano 1983. 9 Auch der deutsche Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Alfred von Kiderlen Wächter, hatte schon mehrere Jahre vor Kriegsbeginn darauf hingewiesen, daß man von Italien im Ernstfalle nichts „[. . .] anderes als eine verhältnismäßige zeitweilige Neutralität erwarten könnte.“ In: Jäckh, Ernst (Hg.): Kiderlen-Wächter. Der Staatsmann und Mensch. Briefwechsel und Nachlaß (Bd. 2), Berlin/Leipzig 1924, S. 204. 10 Zu den Kolonialen Aspekten in Italien auch: Albrecht-Carrie, Rene: Italian Colonial Policy 1914–1918, in: The Journal of Modern History, Vol. 18, No. 2 (Jun., 1946), S. 123–147. 11 Zur Debatte über die letzte Erneuerung des Dreibundes, in: Urbanitsch, Peter/ Wandruszka, Adam (Hg.): Die Habsburgermonarchie 1848–1918 (Bd. 6/2: Die Habsburgermonarchie im System der Internationalen Beziehungen, Wien 1993, S. 234–237.

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bundes liegt. [. . .] In einem Kriege des Dreibundes gegen die Triple-Entente wird Österreich [. . .] infolge der durch die albanische Frage bewirkten Annäherung an Italien augenblicklich seine Südwestgrenze unbesetzt lassen können. Das ist für die heutige Lage von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit.“12

Die Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand durch eine serbisch-nationalistische Studentengruppe in Sarajewo am 28. Juni 1914 war der Auslöser für eine ‚offensivere‘ Außenpolitik der Donaumonarchie auf dem Balkan. Mit dem Attentat von Sarajewo sah die österreichisch-ungarische Regierung endlich eine Möglichkeit gekommen, gegen Serbien vorzugehen und damit die serbisch-südslawische Bewegung zu zerschlagen. Es war der sehnlichste Wunsch der Wiener Regierung: „Nach einer langen Periode innerer Schwierigkeiten und äußerer Rückschläge [. . .] sich und der Welt [zu] beweisen, dass die Doppelmonarchie noch zu den europäischen Großmächten gehörte.“13 Eine ‚Strafaktion‘ gegen Serbien schien der richtige Weg, um den Prestige- und Ehrverlust wieder wettzumachen und würde den separatistischen Balkanbewegungen vor Augen führen, dass Österreich-Ungarn als supranationaler Staat lebensfähig sei. Das Ziel der Politiker, den Fortbestand des Habsburger Vielvölkerstaates zu garantieren, kollidierte in dieser Region jedoch mit russischen und italienischen Interessen.14 Italien, das am Ostufer der Adria eine Machtposition anstrebte, konnte eine solche Stärkung der K. u. k. Monarchie nicht hinnehmen. Aus italienischer Sicht stand dem bereits der Artikel VII des Dreibundvertrages entgegen. Falls der „[. . .] status quo bezüglich der Balkangebiete oder [. . .] bezüglich der ottomanischen Küsten und Inseln des Adriatischen und des Ägäischen Meeres“ durch eine „[. . .] zeitweilige oder dauernde Besetzung“ durch eine der beiden Mächte geändert werden müsse, so war ein Übereinkommen vorgesehen, das „[. . .] auf dem Prinzipe einer gegenseitigen Kompensation für jeden territorialen oder anderen Vorteil be12 Zitiert in: Ludendorff, Erich: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18, Berlin 1920, S. 52. 13 Lehmann, Hartmut: Österreich-Ungarn und der italienische Kriegseintritt 1914/15, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 49, 1969 S. 340–365, hier: S. 343. 14 Der K. u. k. Außenminister Berchtold sah die Probleme in einem Schreiben an seinen Botschafter Mérey in Rom vom 21. Juli 1914 voraus: „Dessen, daß die Verantwortung bei unserer exponierten Lage, der Unerläßlichkeit und Eifersucht unseres italienischen Verbündeten, der Hostilität der rumänischen öffentlichen Meinung und dem Gewichte des slavophilen Ratgeber [sic] am Zarenhofe keine leichte ist, bin ich mir wohl bewußt. [. . .] Dir wird nun die gewiß nicht leichte Aufgabe zufallen, die italienische Regierung an unserer Seite zu erhalten.“ In: Hölzle, Erwin (Hg.): Quellen zur Entstehung des Ersten Weltkrieges. Internationale Dokumente 1901–1914 (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte der Neuzeit. Freiherr vom Stein Gedächtnisausgabe Bd. 27), Darmstadt 1978, Nr. 171, S. 365 f.

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ruht“ und „[. . .] das den Interessen und wohl begründeten Ansprüchen der beiden Teile Genüge leistet.“15 Die italienische Regierung wies zum ersten Mal nach dem Vorstoß der K. u. k. Armee bis Belgrad darauf hin, „[. . .] dass ihr für die Erhaltung ihrer Neutralität eine Gebietsabtretung von Territorien in Aussicht gestellt werden müsse, welche jetzt zur Monarchie gehören.“16 Die Grundmotivation, die latent bei den meisten politisch Verantwortlichen in Italien vorhanden war und sicher auch alle Kompensationsforderungen vorangetrieben hat, fasste ein italienischer Abgeordneter gegenüber dem deutschen Sonderbotschafter von Bülow zusammen: „Durch diesen Krieg würden die Grenzen der europäischen Länder für mehrere Generationen festgelegt werden und Italien dürfe keinesfalls die Gelegenheit vorübergehen lassen, um sich endlich die Sicherung der Nordost-Grenze zu verschaffen, die alle seine Staatsmänner und alle Patrioten seit einem halben Jahrhundert anstrebten. Die Grenze sei 1866 ganz unvernünftig gezogen worden; der Trentino bilde einen Keil, gegen den sich Italien auch mit den kostspieligsten Festungsbauten nie genügend schützen könne.“17

Der frühere deutsche Reichskanzler Fürst von Bülow war in außerordentlicher Mission nach Rom entsandt worden. Dem mit Staatssekretär von Jagow eng befreundeten deutschen Botschafter in Rom, von Flotow, traute man die schwierigen Verhandlungen kaum zu. Später sollte noch ein dritter deutscher Abgesandter, Mathias Erzberger, an den Verhandlungen teilnehmen. Neben der Kompensationsfrage gab es einen weiteren Reibungspunkt zwischen Italien und der Doppelmonarchie. In der serbischen Frage hatte sich die österreichisch-ungarische Regierung zu einer Geheimpolitik entschlossen, da sie während der Balkankriege die Erfahrung gemacht hatte, dass ihre „[. . .] geheimen Mitteilungen an die italienische Regierung regelmäßig tags darauf durch den Draht nach St. Petersburg weitergeleitet worden waren. Eine vertrauensvolle Eröffnung an diesen Bundesgenossen wäre somit einer bewussten Orientierung unserer Gegner gleichgekommen.“18 Einen weiteren Grund nannte Berchtolds Mitarbeiter Graf Hoyos einem deutschen Diplomaten: „Hätten wir Italien vor unserer Aktion gegen Ser15 In: Auswärtiges Amt (Hg.): Österreichisch-ungarisches Rotbuch. Diplomatische Aktenstücke betreffend die Beziehungen Österreich-Ungarns zu Italien in der Zeit vom 20. Juli 1914 bis 23. Mai 1915 (Diplomatische Aktenstücke Bd. 2), Berlin 1916, S. 213. 16 Dies geschah am 11. Januar 1915, Zitat in: Komjáthy, Miklós (Hg.): Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1914– 1918), Budapest 1966, S. 216. 17 PAA, R 22375: Bericht Fürst von Bülows Nr. 293 vom 3. März 1915. 18 So der österreichisch-ungarische Außenminister Graf Berchtold in: Hantsch, Hugo (Hg.): Leopold Graf Berchtold. Grandseigneur und Staatsmann (Bd. 2), Graz/ Wien/Köln 1963, S. 650.

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bien gefragt, so hätten wir genau denselben Refus bekommen wie im Jahre 1913, oder Italien hätte a priori für seine Neutralität unannehmbare Forderungen gestellt.“19 Diese Geheimhaltung, die vom österreichisch-ungarischen Ministerrat vereinbart worden war, verstieß formell gegen einen weiteren Passus des Artikel VII des Dreibundvertrages, wonach sich Italien und Österreich-Ungarn „[. . .] alle Nachrichten mitteilen [werden], die dem Zwecke dienen können, sich gegenseitig über die eigenen Absichten sowie jene anderer Mächte aufzuklären.“20 Auf Betreiben des ungarischen Ministerpräsidenten Tisza sollte diplomatisch verlautbart werden, dass die Monarchie keine Einverleibung des serbischen Königreiches plane, sondern lediglich ‚Grenzberichtigungen‘.21 Damit sollte bereits eventuellen italienischen Kompensationsforderungen zuvorgekommen werden. In seiner Sitzung vom 31. Juli 1914 beschloss der Ministerrat, den K. u. k. Botschafter in Rom zu beauftragen, auf italienische Anfragen diesbezüglich lediglich „[. . .] mit vagen Phrasen“ zu antworten und nachdrücklich zu betonen, „[. . .] dass der Gedanke an territoriale Erwerbungen der österreichischen Regierung fern liege.“22 Der italienische Außenminister Antonino Marchese di San Giuliano protestierte nach der Kenntnisnahme des österreichisch-ungarischen Ultimatums an Serbien auf das Schärfste bei dem deutschen Botschafter von Flotow, da er nicht darüber informiert worden war.23 In seinen Augen handelte es sich nicht um einen Angriffskrieg und er sah den casus foederis nicht eingetreten. Mit Hinweis auf den Defensivcharakter des Dreibundes lehnte er jede Bündnispflicht ab. Für Italien endete mit dieser Feststellung praktisch die Allianz, auch wenn sie formal noch nicht aufgekündigt war. Der italienische Botschafter in Wien, Giuseppe Avarna, machte in Folge am Ballhausplatz in Wien Ansprüche seines Landes auf Kompensation geltend.24 Am 3. August erklärte Italien seine Neutralität und berief sich dabei auf Artikel III des Dreibundvertrages, der nur bei einem unprovozierten Angriff zum Einschreiten verpflichtete.25 Kaiser Franz Joseph 19

Er spielt dabei an auf den Balkankrieg. Zitiert nach: Zechlin, Egmont: Das „schlesische Angebot“ und die italienische Kriegsgefahr 1915, in: Zechlin, Egmont: Krieg und Kriegsrisiko. Zur deutschen Politik im Ersten Weltkrieg. Aufsätze, Düsseldorf 1979, S. 234–263, hier: S. 234 f. 20 Zitat des Artikel VII: Auswärtiges Amt, Rotbuch, II, 1916, S. 213. 21 Komjáthy, Protokolle des Ministerrates, 1966, S. 154. 22 Komjáthy, Protokolle des Ministerrates, 1966, S. 158. 23 Vgl. dazu: Auswärtiges Amt, Rotbuch, II, 1916, Nr. 16, S. 22 ff. und Nr. 17, S. 25. Der deutsche Botschafter von Flotow wurde Ende November durch den ehemaligen Reichskanzler Bernhard von Bülow abgelöst. 24 Giuseppe Avarna war von Februar 1904 bis Mai 1915 italienischer Botschafter in Wien. Im Mai 1915 nach der Kriegserklärung Italiens an Österreich wurde das Palais Metternich als Sitz der italienischen Gesandtschaft geschlossen. 25 Vgl.: Auswärtiges Amt, Rotbuch, II, 1916, S. 223.

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scheint in seinem Telegramm an den italienischen König Viktor Emanuel III. darüber hinweg zu sehen: „In diesem feierlichen Augenblicke bin ich glücklich, auf die Mithilfe meiner Verbündeten und ihrer tapferen Armeen rechnen zu können, und hege ich die wärmsten Wünsche für den Erfolg unserer Waffen und eine glorreiche Zukunft unserer Länder.“26 In der Antwort versichert ihm Viktor Emanuel, dass Italien „[. . .] gegenüber seinen Verbündeten eine herzlich freundschaftliche Haltung bewahren wird, entsprechend dem Dreibundvertrage und seinen aufrichtigen Gefühlen und den großen Interesse, die es wahren muss.“27 Der Geist des Dreibundvertrages mag darin noch vorhanden sein, aber Italien beharrte auf seiner Neutralitätsbekundung. Militärisch gesehen hatte die Neutralität sowohl für die Mittelmächte wie für die Entente gravierende strategische Folgen. Schon 1882 hatte der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck beim Zustandekommen des Dreibunds die Hoffnung gehegt, dass Italien im Falle eines deutsch-französischen Krieges wenigstens ‚Trommler in die Westalpen stelle‘, um dort französische Kräfte zu binden.28 Die Vereinbarungen des Dreibundvertrages sahen prinzipiell vor, dass im Falle eines Angriffs der Entente eine italienische Armee in die Vogesen entsandt und die italienischen Seestreitkräfte im Mittelmeer unter den Befehl der österreichisch-ungarischen Marineführung gestellt werden sollten. Unter dem italienischen Generalstabschef General Pollio wurden konkrete Vereinbarungen zwischen den Generalstäben der Dreibundmächte getroffen, nach denen die 3. italienische Armee bei Eintritt des Bündnisfalles an den Oberrhein überführt werden sollte.29 Alljährlich wurden die Details der Transporte überarbeitet. Laut Generalstabschef Conrad von Hötzendorf waren für die Verlegung und den Transport direkt vor Kriegsausbruch 1914 bereits „[. . .] fixe, bis zur Ausfertigung der Fahrordnungen gediehene Abmachungen getroffen.“30 Noch unmittelbar vor Kriegsausbruch, Mitte Februar 1914, meldete der deutsche Botschafter von Tschirsky positive Signale nach Berlin: „Wie ich ganz geheim höre, wurden in den letzten Tagen die militärischen Abmachungen zwischen uns, Rom und Wien zum Abschluss gebracht, und haben die Italiener alles konzediert, was wir verlangt haben. Sie werden 26

Auswärtiges Amt, Rotbuch, II, 1916, Nr. 21, S. 28. Baer, C. H. (Hg.): Der Völkerkrieg. Eine Chronik der Ereignisse seit dem 1. Juli 1914, Bd. VI, Stuttgart 1915, S. 272 f. Auch: Auswärtiges Amt, Rotbuch, II, 1916 Nr. 23, S 29. 28 Vgl. etwa: Bülow, Deutsche Politik, 1916, S. 61 f. 29 Siehe hierzu folgendes Elaborat: BA-MA, PH 3 Nr. 125: Grosser Generalstab, Abteilung Fremde Heere (Major Janssen): Denkschriften über die Kriegsrüstungen Deutschlands, Oesterreich-Ungarns und der feindlichen Staaten, verfasst 1919, hier: Denkschrift über Italien. 30 Conrad, Dienstzeit, I, 1921, S. 371. 27

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nicht nur die Kavallerie-Divisionen an den Rhein senden, sondern auch Infanterie-Korps, wogegen sie lange Bedenken gehabt.“31 Diese positiven Nachrichten wurden auch vom kaiserlich deutschen Militärattaché in Rom, von Kleist, geteilt. Er machte vor allem in General Pollio den wahren Förderer der Dreibundverhältnisse aus. Allerdings weist er in einem Schreiben vom April 1914 auch auf ein grundlegendes Problem hin: den effektiven Wert einer italienischen Unterstützung. Er meldete seinen Vorgesetzten: „Mehr loyales Denken im Sinne des Dreibundes und Initiative kann man m. A. [meines Ansehens, Anm. d. Verf.] nach kaum von Pollio verlangen. Er ist wirklich ein kluger Mann und ein Soldat. Was seine Truppen jedoch einmal leisten werden, ist allerdings eine andere Frage, denn die italienische Armee kann m.A. nach, nach unseren Begriffen, um es zum Schluss meines hiesigen Aufenthaltes noch einmal zu betonen: ‚nichts‘.“32 Mit Verkündung der italienischen Neutralität sah man sich vor eine völlig neue Konstellation gestellt. Deren Hauptnutznießer war nun Frankreich. Italien hatte 1914 noch 60.000 Mann in Afrika als Besatzungsmacht stehen. Da ein Konflikt auf dem afrikanischen Kontinent zwischen Frankreich und Italien damit ausgeschlossen war, konnte zumindest Frankreich seine nordafrikanischen Truppen nach Europa verlegen.33 Wesentlich gravierender war allerdings, dass die Schwächung der französischen Hauptarmee an der italienisch-französischen Grenze wegfiel. Auch diese Poilus konnten an die Hauptfront umdirigiert werden. Hierbei handelte es sich „[. . .] in den Sommermonaten um 125.000 Mann Feldtruppen, im Winter (November bis April) um 35.000 Mann (Alpenarmee).“34 Zudem mussten die Deutschen, die sicher „[. . .] auf die Mitwirkung einer durch Tirol nach Süddeutschland zu transportierenden italienischen Armee“ gerechnet hatten, diese Truppen durch eigene ersetzen.35 Helmut von Moltke prophezeite bereits in seiner Dezember-Denkschrift von 1912: „Unter allerlei Vorwänden wird Italien, wie ich festgestellt habe, seine dritte Armee, deren Transport an den oberen 31 PAA, R 2408: Bericht von Tschirskys (A.S.267pr.) vom 19.02.1914. Hervorhebungen wie im Original. 32 BA-MA, PH 3 Nr. 125: Denkschrift Italien, Anlage 1: Militärattaché Rom (J.Nr.159/14geheim) am 15.04.1914. 33 Italien hatte hingegen noch mit Widerständen im kolonialen Binnenland und an den östlichen Küstengebieten Lybiens zu kämpfen, weshalb die Truppen großteils dort verbleiben mussten. Siehe hierzu: BA-MA, PH 3 Nr. 125: Denkschrift Italien. 34 BA-MA, PH 3 Nr. 125: Denkschrift Italien. 35 Conrad, Dienstzeit, I, 1921, S. 202. Kritisch äußert sich Rudolf Wagner, der behauptet, dass eine Mission des deutschen Generalleutnants Georg Graf von Waldersee 1913 nach Italien „[. . .] nicht mehr die geringste Aussicht eines gemeinsamen Vorgehens“ hatte. Wagner, Rudolf: Hinter den Kulissen des Grossen Hauptquartiers, Berlin 1931, S. 11.

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Rhein seit langen Jahren von uns bearbeitet ist, nicht schicken. Damit fallen für Deutschland fünf Armeekorps und zwei Kavallerie-Divisionen aus.“36 Dies hatte Auswirkungen auf die Realisierung des Schlieffen-Plans, der eine Umfassung der französischen Armee vorgesehen hatte.37 Das Zentrum bildete hierbei die Festung Metz, wobei ein starker rechter Flügel über Belgien und Nordfrankreich dem gegnerischen Heer südwestlich von Paris in den Rücken fallen sollte. Die fehlenden italienischen Truppen schwächten den rechten Flügel entscheidend und letztendlich stellte sich die erhoffte rasche Entscheidung im Westen als Illusion heraus. Graf Schlieffen selbst hatte übrigens wenig Zutrauen in die Unterstützung aus dem Süden, er fürchtete, dass die italienische Armee wegen der relativ langsamen Mobilmachung und der wenig leistungsstarken italienischen und österreichischen Bahnnetze zu spät auf dem westlichen Kriegsschauplatz erscheinen würde, um an einer Entscheidung maßgeblich mitzuwirken.38 Nach den in freundschaftlichem Tone geführten Verhandlungen über die Auslegung des Artikels VII des Dreibundvertrages signalisierte ÖsterreichUngarn weiteres Entgegenkommen. Für den Fall temporärer oder definitiver Besitzergreifung eines Gebietes auf dem Balkan wollte die österreichische Regierung mit Italien in Verhandlungen über eine Kompensation eintreten. Außenminister San Giuliano nahm die Erklärung am 25. August 1914 entgegen, hielt es aber für verfrüht, bei der gegebenen Kriegslage über Kompensationen zu verhandeln.39 Somit waren die prinzipiellen Fragen des gegenseitigen Verhältnisses zu einem vorläufigen Abschluss gekommen. Rückblickend wurde diese ‚Ruhe vor dem Sturm‘ von österreichisch-ungarischen Diplomaten natürlich anders betrachtet. In einem Bericht an den K. u. k. Botschafter in Berlin, Prinz Hohenlohe, hieß es mit einem Unterton der Verbitterung: „Schon damals zeigte somit die Haltung Italiens das unerfreuliche und ziemlich vollständige Bild der beabsichtigten Erpressung: das Abrücken von den Verbündeten, die Shylockmäßige Anrufung und Auslegung einer Bestimmung des Dreibundes zur Begründung einer territorialen Forderung und die Unterstützung dieses Petits durch eine militärisch bedrohliche, politisch und wirtschaftlich keineswegs wohlwollende Haltung.“40 36

Ludendorff, Urkunden, 1920, S. 53. Siehe hierzu auch das Grundlagenwerk mit den relevanten Originaltexten: Ritter, Gerhard: Der Schlieffenplan. Kritik eines Mythos, München 1956, S. 183 f. Neue Erkenntnisse und Kontroversen zum Schlieffenplan in: Zuber, Terence: Inventing the Schlieffen Plan. German war planning 1871–1914, Oxford 2002. 38 Vgl.: Kuhl, Hermann von: Der Weltkrieg 1914–1918 (Bd. 1), Berlin 1929, S. 211. 39 Vgl.: Auswärtiges Amt, Rotbuch, II, 1916, Nr. 45, S. 48. 40 ÖStA-HHSA, Gesandtschaft Berlin Karton 204: Elaborat zu Nr. 3625, Wien am 29. Juni 1915. 37

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B. Ausgangsbedingungen

Die italienische Bevölkerung war zu diesem frühen Zeitpunkt der Differenzen beider Länder noch gespalten. Der Zeitgenosse Gottardo Segantini brachte dies in der Neuen Zürcher Zeitung zum Ausdruck: „Hätte Italien seinem Herzen Folge geleistet, so wäre der Krieg gegen die Zentralmächte schon längst erklärt. Hätte [sic] Italien seinen Interessen gefolgt, so wären die Freunde Deutschlands siegreich geworden, und heute stünde drohend eine italienische Armee an der französischen Grenze.“41

In dieser frühen Phase waren vor allem die Nationalisten und Militärs für einen Kriegseintritt auf Seiten der Mittelmächte. Selbst der italienische Generalstabschef Luigi Cadorna war dem Dreibund zugetan und hatte bei Kriegsbeginn sofort gegen Frankreich mobilisieren wollen.42 Für die Nationalisten war es vor allem eine „[. . .] Frage des größeren Nutzeneffektes im Hinblick auf die nationale Größe.“43 Der überwiegende Teil der italienischen Bevölkerung war gegen den Krieg. Allen voran die sozialdemokratische Partei, mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Giovanni Giolitti an der Spitze, setzte sich mit Hilfe der Presse energisch für die Neutralität ein.44 Sie griff in heftigen Artikeln die Politik der Regierung an, die das Land in einen Krieg führen wollte. Alberto Monticone beschäftigt sich in seiner Untersuchung eingehend mit der Frage, warum die Öffentlichkeit keinen Krieg gegen Deutschland eingehen wollte.45 Man kann dafür kaum eine übermäßige Deutschfreundlichkeit im Volke verantwortlich machen. Viel eher war es Respekt vor deutscher Wissenschaft und deutschem Organisationsvermögen. Eine dunkle Furcht vor deutscher Machtentfaltung ergriff die Italiener. Die Klischees von der legendären Disziplin und Unterordnungsbereitschaft der Deutschen ließen bei der italienischen Bevölkerung übertriebene Vorstellungen von der militärischen Widerstandsfähigkeit 41

Baer, Völkerkrieg, VI, 1915, S. 252. Vgl. das Kapitel ‚Circa il progettato invio di un‘ Armata Italiana in Alsazia’ (darin sein entscheidendes Memorandum vom 31.7.1914), in: Cadorna, Altre pagine, 1925, S. 15–23. Auch: Ö. U. L. K., Bd. II, 1931, S. 284, sowie Albertini Luigi, The Origins of the War of 1914 (Bd. 3: The Epilogue of the Crisis of July 1914. The declarations of war and of neutrality), London/New York/Toronto 1957, S. 307 ff. 43 Muhr, Die deutsch-italienischen Beziehungen, 1977, S. 26. Vgl. auch das historische Dokument: Alberti, Mario/Corsi, Carlo/Tolomei, Ettore et al.: Italy’s Great War an her National Aspirations, Milan 1917. 44 Giolitti hatte rund 20 Jahre die Führung des italienischen Staates in Händen, bis er im März 1914 durch Antonio Salandra, einem Vertreter der liberalen Rechten, abgelöst wurde. Vgl.: Giolitti, Giovanni: Denkwürdigkeiten meines Lebens, Stuttgart 1923. 45 Monticone, Alberto: Deutschland und die Neutralität Italiens 1914–1915 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Abteilung Universalgeschichte, Beiheft 12) Wiesbaden 1982. Auch: Schieder, Wolfgang: Italien und Deutschland 1914/15, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 48, 1968, S. 244–259. 42

I. Die Mächte und der Kriegseintritt Italiens

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des Deutschen Reiches aufkommen. Mit dem deutschen Einmarsch in Belgien – der als brutaler Überfall und ungerechtfertigte Neutralitätsverletzung gewertet wurde – ging ein Meinungsumschwung einher und die Front gegen Deutschland wurde immer stärker.46 Die Diplomaten der Verbündeten Mächte Deutschland und Österreich-Ungarn wachten mit Argusaugen über die Stimmung in Italien. Anfang August 1914 machte man sich größte Sorgen um das Stillhalten Italiens im Falle österreichischer Mobilisierungsmaßnahmen. Der italienische Marchese di San Giuliano äußerte sich besorgt etwa am 12. August zum deutschen Botschafter von Flotow dahingehend, dass ihn Nachrichten aus Venedig erreicht hätten, wonach militärische Vorbereitungen an der italienischen Grenze durch Österreich-Ungarn im Gange seien.47 Eine Beunruhigung der Bevölkerung Ober-Italiens suchte man durch Abwiegeln zu verhindern: Es gebe keine Veranlassung dazu, die Monarchie brauche alle ihre Kräfte für die Kämpfe im Norden und im Osten und alle diese Meldungen basierten wohl auf Fehlinterpretationen der landesweiten, allgemeinen Mobilisierung.48 Anfang Oktober 1914 empfing San Giuliano den deutschen Botschafter, um über einen anderen, beunruhigenden Zwischenfall mit Österreich zu sprechen. Italienische Fischerboote waren vor Venedig zerstört worden, als sie auf Minen in der Adria aufgelaufen waren. Wahrscheinlich handelte es sich um italienische Minen, die Anfang des Krieges zum Schutz Venedigs gelegt worden waren. Allerdings wurde öffentlich der Eindruck suggeriert, dass es Minen der österreichischen Marine gewesen seien. San Giuliano berichtete, der Kaiser von Österreich wolle den Hinterbliebenen der auf vermutlich österreichische Minen in der Adria gestoßenen Fischerboote 20.000 Francs schenken. Flotow war sofort klar, dass die österreichische Regierung sich nicht der Folgen bewusst war, nämlich „[. . .] dass solch Almosen von Österreich hier jetzt übelsten Eindruck machen werde.“49 Die italienische Ablehnung des Geldgeschenkes wurde wiederum von Österreich übel genommen. Und so schaukelten sich die Unstimmigkeiten langsam aber kontinuierlich in die Höhe. 46 Zur Causa Belgien: Widrich, Thomas: „. . . soviel Druckerschwärze wie Menschenblut . . .“: Propaganda- und Kriegsliteratur im neutralen Italien. August 1914–Mai 1915 (Europäische Hochschulschriften Bd. 778), Frankfurt a. M./Berlin/ Bern 1998, S. 131–138. 47 ÖStA-HHSTA, Politisches Archiv des Ministeriums des Äußern, I-848: Telegramm an Graf Ambrózy in Rom (Nr.1001) am 12.08.1914. 48 ÖStA-HHSTA, Politisches Archiv des Ministeriums des Äußern, I-848: Telegramm an Graf Ambrózy in Rom (Nr.1001) am 12.08.1914. 49 PAA, R 9120: Bericht Nr. 456 des Botschafters von Flotow nach Berlin am 05.10.1914.

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B. Ausgangsbedingungen

Die negative Stimmung in Italien gegen Deutschland und Österreich-Ungarn äußerte sich ab Anfang 1915 immer konkreter und heftiger. Dies ging von Schmähungen bis zu tätlichen Übergriffen. Am 24. Februar 1915 berichtete ein Leser an die Redaktion des Berliner Tageblattes von Unruhen in den italienischen Straßen. Beispielsweise wurde seine Stammlokal, die Gaststätte Fürstenbräu in Mailand, „[. . .] in welchem die Deutschen abends ihr Bier friedlich trinken, zum Zielpunkt der Pöbelwut gemacht, ohne dass die Polizei auch nur einen Finger rührt.“50 Rund 500 Demonstranten waren vor das Lokal gezogen, zerstörten Fenster und Einrichtung unter Rufen wie ‚Morte al Kaiser‘ und ‚Morte al Tedeschi‘ und trieben die anwesenden Deutschen durch die Hintertür hinaus. Der Geschäftsmann Eisentraeger schrieb diese Episode in einem anderen Brief auch an seinen deutschen Firmenchef, Kommerzienrat Hauptner, und holte dabei etwas weiter aus: „Seit dem 2. August 1914 verdaue ich nicht mehr und kann nicht schlafen. Das kommt durch die niedrige und ekelerregende Hetze des hiesigen Volkes. Ich kann mich mit meinem deutschen Kopfe nicht auf der Straße, [. . .] im Restaurant sehen lassen ohne dass der Pöbel (in Glacehandschuhen) barbaro, maledetto ervato etc hinter mir herruft.“51 Da sich die Polizei bei all den Pöbeleien nicht sehen ließ, nimmt er an, „[. . .] dass der Regierung diese Pöbel-Demonstrationen convenieren, sie kann dann sagen, sie sei zum Krieg vom Volke gedrängt worden. Wir mussten flüchten [aus dem Lokal, Anm. d. Verf.], werden aber heute Abend schwer bewaffnet wieder hingehen und uns lieber die Schädel einschlagen lassen als dem italienischen Pöbel zu weichen.“52 Mit ähnlich markigen Worten und einem Blick in die Zukunft – in dem er auf den Kriegseintritt Italiens als Gegner Deutschlands hofft – fährt er fort: „Ich glaube nicht dass sie uns viel Schaden zufügen können, denn wo wollen sie angreifen? Trento ist ein einziger Berg und eine einzige Kanone, Triest ist so von Unterseebooten und Minen umstellt, dass sie nicht rankommen, die östliche Grenze (Bahn nach Österreich ab Udine) und Dalmatien sind schwer befestigt. [. . .] Durch Montenegro führen keine Straßen, ebenso wenig durch Albanien. Bleibt Frankreich; sie können italienische Korps nach Frankreich senden, und sich da von unseren braven Truppen mitralleusieren lassen, wie es den Garibaldianern ja schon passiert ist.“53 Wes Geistes Kind er war, zeigt sich an folgenden Worten: 50 PAA, R 7938: Brief W. Eisentraegers aus Mailand vom 24. Januar 1915. Zu seiner Glaubwürdigkeit vermerkte Eisenträger, dass er seit 32 Jahren die Firma Hauptner in Italien vertrete und Land und Leute kenne sowie „[. . .] Volksströmungen im Lande auch richtig einzuschätzen“ wisse. Siehe ebd. 51 PAA, R 7938: Brief W. Eisentraegers an Hauptner aus Mailand vom 24. Januar 1915. 52 PAA, R 7938: Brief W. Eisentraegers an Hauptner aus Mailand vom 24. Januar 1915.

I. Die Mächte und der Kriegseintritt Italiens

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Mir tut es immer so furchtbar weh, dass die Kugel nicht fragt, ob sie ein deutsches Edelhirn trifft oder einen elenden Senegalneger. Dass man letztere noch gefangen nimmt, begreife ich nicht. Dass die hiesigen [= die Italiener, Anm. d. Verf.] uns nie helfen würden, war für uns alle hier bomben-sicher [sic], der jüngste deutsche Commis in Mailand wusste es und seit 30 Jahren habe ich es stets gepredigt. Nur unsere Diplomaten wussten es nicht. [. . .] hier regiert der Pöbel und nicht der König.“54

Eine weitere Episode, welche die deutsch-italienischen Beziehungen trübte war der Schmuggel von französischen Gewehren nach Tripolis, die in deutschen Bierfässern versteckt waren. In Venedig flog die Tarnung auf und im italienischen Parlament wurde in vier Interpellationen den Deutschen aufs Schärfste eine Unterstützung der lybischen Rebellen vorgeworfen. Zumindest hätte man die italienische Neutralität gefährdet. Selbst deutschfreundliche Kreise aus dem Umfelde Giolittis und der Zeitung Stampa, die auf eine Verständigung drängten, waren der Meinung, „[. . .] es sei weder loyal noch treu, während Fürst von Bülow hier in friedlicher Mission wirke, eine Revolte in Tripolis zu organisieren und zu bewaffnen.“55 Fürst Bülow sah sich selbst hintergangen und beschwerte sich in einem Schreiben an seine Vorgesetzten im Auswärtigen Amt: „Ich hätte es gern gesehen, dass man mich, ehe man auf abenteuerliche Weise versteckte Gewehre durch das von englischen und französischen Spionen wimmelnde Italien nach Libyen zu schmuggeln versuchte, wegen der Opportunität einer solchen von vornherein zum Misserfolg verurteilten Maßnahme befragt hätte.“56 Die anfänglich recht starke Gruppe der Kriegsgegner im italienischen Volk litt hingegen unter zunehmender innerer Zersplitterung und sah sich mit einer immer mächtiger werdenden Pro-Kriegspartei konfrontiert. Die ressentimentgeladene Spaltung zwischen italienischen Interventisti und Neutralisti konnte schließlich überwunden werden. Obwohl die Neutralisten im Parlament die Mehrheit hatten und mit vernünftigen Argumenten zu überzeugen suchten, mussten sie sich aufgrund der ‚Mobilmachung der Geister‘ in der Öffentlichkeit zunehmend der Position der Interventionisten anschließen.57 Ein zeitgenössisches Werk äußerte etwas polemisch hierzu: „Die Re53 PAA, R 7938: Brief W. Eisentraegers an Hauptner aus Mailand vom 24. Januar 1915. 54 PAA, R 7938: Brief W. Eisentraegers an Hauptner aus Mailand vom 24. Januar 1915. 55 PAA, R 7938: Botschafter Fürst Bülow in seinem Bericht Nr. 346 vom 15.03.1915 nach Berlin. 56 PAA, R 7938: Botschafter Fürst Bülow in seinem Bericht Nr. 346 vom 15.03.1915 nach Berlin. 57 Ein Brief Giolittis in der Tribuna vom 4. Februar, in dem er schrieb, „[. . .] es könnte sein, daß bei der gegenwärtigen europäischen Lage auch ohne Krieg für Italien einiges zu erreichen wäre“, gelangte zu Berühmtheit und trug ihm dann das

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B. Ausgangsbedingungen

gie dieser Mobilisation der Gemüter, mobilitazione degli animi, wie sie Salandra genannt hat, lag in Meisterhänden; sie wurde vom französischen Botschafter Camille Barrère, ‚dem großen Mephisto, der Gretchen Italia verführt hat‘, und seinem englischen Kollegen Rennell Rodd geleitet.“58 Wenn auch sehr subjektiv geprägt und aus der Enttäuschung geboren, haben die Worte eines Berichtes im K. u. k. Ministerium des Äußern nicht ganz Unrecht, wenn es da heißt: „[. . .] die italienische Regierung [hatte] das frevelhafte, nachweislich von ihr selbst inszenierte Spiel mit der Erregung der öffentlichen Meinung, der Aufpeitschung der Leidenschaften und Begehrlichkeiten zu lange und zu intensiv betrieben, als dass sie nicht allmählich selbst die Wirkung dieser von ihr hervorgerufenen Bewegung zu spüren bekam.“59 Die ‚Kriegsbremser‘ in Italien hatten sich vornehmlich traditioneller, vielen antiquiert erscheinender Mitteln bedient, während die Interventionisten mit dem inzwischen seit einem Jahrzehnt erprobten Dynamismus der Straße und der Mobilisierung der Massen agierten. Dem italienischen König Viktor Emanuel wurde von Seiten der extremen Sozialisten unter Mussolini schließlich offen mit der Parole ‚Krieg oder Revolution‘ gedroht.60 Er fügte sich und trat schließlich an die Seite des Ministerpräsidenten Salandra.

II. Das Tauziehen um die italienische Neutralität Schwierig war es, in dem schon stark vergifteten Klima einen Kompromiss zwischen Italien und Österreich-Ungarn zu finden. In Österreich wurden schon die Kinder und Jugendlichen von Propagandisten indoktriniert. Allerdings stand dem Italien in nichts nach. In einem Kriegsbuch für die Jugend Österreich-Ungarns ist in dem Kapitel ‚Die bösen Nachbarn‘ der Konflikt extrem simplifiziert wiedergegeben: „Das Urbild des bösen Nachbarn ist für uns Österreicher allerdings der treulose ‚Bundesgenosse‘ Italien, der zu Hause so viel aufzuräumen hätte und sich dennoch berechtigt glaubt, der Monarchie altererbten Besitz, der ihm geschichtlich niemals gehört hat, der ihm größtenteils auch geographisch und volklich nicht zusteht, zu rauben und der diese Habgier noch als etwas Edles preist (sacro egoismo, heilige Selbstsucht!). Die Schlagworte der Welschen uns gegenüber sind erstens die Italia irredenta (unerlöstes Italien), d.h. die ‚Erlösung‘ aller italienisch sprechenden Österreicher, und zweitens das Mare nostro (unser Meer), d.h. die Schimpfwort für das „parrechio“ (einiges) ein. In: Sandberger, Adolf: Bayern und der Kriegseintritt Italiens 1915. Nach diplomatischen Berichten, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 28, 1965, S. 623–646, hier: S. 630. 58 Baer, Völkerkrieg, VI, 1915, S. 280. 59 ÖStA-HHSA, Gesandtschaft Berlin Karton 204: Elaborat zu Nr. 3625, Wien am 29. Juni 1915. 60 Vgl.: Zechlin, Schlesisches Angebot, 1979, S. 241.

II. Das Tauziehen um die italienische Neutralität

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Alleinherrschaft in der Adria einschließlich des ganzen österreichisch-ungarischen Küstengebietes.“61

Allein der Ausdruck ‚die Welschen‘ oder auch ‚die Wallischen‘ als pejorative Umschreibung der Italiener ist Ausdruck extrem mangelhafter Objektivität. Diese Wörter, ebenso wie ‚Katzelmacher‘ sollten heutzutage beim Lesen zeitgenössischer Texte hellhörig werden lassen und zu strengster Quellenkritik auffordern.62 Mit Beginn der Feindseligkeiten zwischen Österreich-Ungarn und Serbien wurde auf dem italienischen Parkett die Kompensationsfrage zum alles entscheidenden Punkt in den Verhandlungen. Auch die politischen Debatten zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn waren auf dieses Thema reduziert. Während es für Deutschland nur ein kleines Problem im Rahmen einer Neuordnung der europäischen Landkarte war, sah ÖsterreichUngarn darin die Grundfesten seines Staates angegriffen. Es lehnte die Nationalität als Grundlage für territoriale Veränderungen ab, da für den Vielvölkerstaat damit die Weichen für das Auseinanderbrechen der unter Habsburgs Krone vereinten Nationalitäten gestellt schienen. Die Abtretung einer österreichischen Provinz ohne militärische Niederlage würde nicht nur die außenpolitische Glaubwürdigkeit untergraben und andere Nachbarn wie die Rumänen zur Nachahmung animieren, sondern war auch unter dem Aspekt der Staatsräson für den Vielvölkerstaat inakzeptabel. Der österreichische Ministerpräsident Tisza fasste die Haltung seines Staates in einem Brief an Außenminister Berchtold zusammen: „Wir können den Italienern alles andere in Aussicht stellen, es wäre aber eine capitis diminutio der Monarchie, eine freiwillige Amputation auch nur als diskutabel hinzustellen, um die Neutralität Italiens zu sichern, und eine solche Erniedrigung läge gewiss nicht in Deutschlands Interesse.“63 Für Deutschland war hingegen, spätestens seit der Entente Cordiale, die Freundschaft Italiens und damit der Fortbestand des Dreibundes eine Notwendigkeit. Da sich die deutsche Reichsregierung die Auffassung Italiens zu Eigen machte, entwickelte sich das Verhältnis der Donaumonarchie, des Deutschen Reiches und Italiens zu einer ausgesprochen schwierigen Dreiecksverbindung.64 61 Hölder, Alfred: In Eintracht stark. Ein Kriegsbuch für die Jugend ÖsterreichUngarns, Wien 1915, S. 42, [Hervorhebungen wie im Original]. 62 Der Ausdruck Katzelmacher stammt vom italienischen cazza = Rührlöffel oder cazzavuola = Pfanne, Kasserole. Mit solchen Haushaltsgeräten zogen vor allem die Trentiner Italiener in österreichischen Landen umher, um sie zu verkaufen oder zu reparieren. Erst später erweiterte sich die Deutung auf Fremde, die ‚wie streunende Straßenkater‘ umherziehen (geprägt vom vulgär-italienischen cazzo für das männliche Geschlechtsteil). 63 Zitiert in: Lehmann, Der italienische Kriegseintritt 1914/15, 1969, S. 348. 64 Siehe hierzu die Sitzung des gemeinsamen Ministerrates vom 31. Juli 1914 in: Komjáthy, Protokolle des Ministerrates, 1966, S. 154–158, hier: S. 157. Zum deutsch-

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B. Ausgangsbedingungen

Zur Jahreswende 1914/15 begann Italien immer unverhohlener, im Gegenzug für die Neutralität österreichische Gebiete zu fordern: Tirol bis zum Brenner, Görz und Gradisca sowie Teile von Dalmatien. Conditio sine qua non für das Zustandekommen eines Abkommens war die sofortige Abtretung der genannten Gebiete. Deutschland drängte dabei seinen Partner Österreich, auf die italienischen Forderungen einzugehen. Der preußische Kriegsminister Wild von Hohenborn formulierte das weit verbreitete Denken in einem Brief an seine Frau: „An sich könnte es uns ja wurscht sein, ob Italien von dem sterbenden Kamel Österreich ein Stück Schwanz mehr abhackt oder nicht, aber die militärische Lage verschärft sich durch das Eingreifen Italiens doch bedenklich.“65 In Berlin kritisierte man die als hochmütig und verbohrt angesehene Haltung am Ballhausplatz in Wien. Dies lässt allerdings die militärstrategische Bedeutung außer Acht. Generalstabschef Conrad fürchtete, dass Italien die strategisch günstige Situation nach dem Erwerb des Trentino dazu benützen könnte, um Österreich-Ungarn doch noch in den Rücken zu fallen.66 Nicht zu Unrecht trauten die Italiener den Österreichern wiederum zu, die abgegebenen Gebiete später zurückholen zu wollen.67 In der Ministerratssitzung vom 8. August 1914 hatte österreichischen Verhältnis: Shanafelt, Gary W.: The secret enemy: Austria-Hungary and the German Alliance 1914–1918, New York 1985. Die italienische Perspektive zeigt sich in dem Werk: Renzi, William A.: In the Shadow of the Sword. Italy’s Neutrality and the Entrance into the Great War 1914–1915 (American University Studies 26), New York/Bern/Frankfurt a. M. 1987. 65 Hohenborn, Alfred Wild von: Briefe und Tagebuchaufzeichnungen des preußischen Generals als Kriegsminister und Truppenführer im Ersten Weltkrieg (Schriften des Bundesarchivs Bd. 34), herausgegeben von Helmut Reichold und Gerhard Granier, Boppard 1986, S. 60. Ähnlich Fürst Bülow, für den es sich bei der Abtretung des Trentino „[. . .] nur um eine Amputation [handelte], die den gesamten Organismus und seine Lebensfähigkeit nicht gefährde.“ In: Sandberger, Bayern, 1965, S. 638. Siehe auch: Mommsen, W.J.: Die italienische Frage in der Politik des Reichskanzlers von Bethmann Hollweg 1914/15, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 48, 1968, S. 282–308. 66 In der Ministerratssitzung vom 8. März 1915 sagt Conrad dazu: „[. . .] die Abtretung Südtirols würde aber in strategischer Hinsicht besonders schwer empfunden werden. Man verliere einen Keil, der nach Italien hineinragt und der ein Dorn im Fleische Italiens ist, daher auch einen ganz bedeutenden militärischen Wert hat.“ Komjáthy, Protokolle des Ministerrates, 1966, S. 229. Vgl. auch: Hötzendorf, Franz Conrad von: Aus meiner Dienstzeit 1906–1918 (Bd. 4: 24. Juni 1914 bis 30 September 1914. Die politischen und militärischen Vorgänge vom Fürstenmord in Sarajevo bis zum Abschluß der ersten und bis zum Beginn der zweiten Offensive gegen Serbien und Russland), Wien/Leipzig/München 1923, S. 183 und S. 377. 67 Graf Tisza betonte am 8. März, dass Österreich-Ungarn „[. . .] Italien darüber beruhigen [sollte], daß wir das, was wir jetzt versprechen müssen, auch wirklich einhalten wollen und daß wir nicht sofort an eine Vergeltung denken.“ Komjáthy, Protokolle des Ministerrates, 1966, S. 222. Conrad soll im Gespräch mit deutschen

II. Das Tauziehen um die italienische Neutralität

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der österreichische Ministerpräsident Karl Graf Stürgkh beispielsweise vorgeschlagen, Italien durch Geheimverträge zu täuschen. Das Deutsche Reich sollte einen Vertrag mit Italien abschließen, in dem es die italienischen Kompensationsforderungen unterstützte. Ein Vertrag zwischen Berlin und Wien sollte währenddessen die politischen Interessen und die territoriale Integrität der Donaumonarchie garantieren. Beide Verträge hätten sich inhaltlich ausgehebelt, aber Wien Zeit verschafft. Für Stürgkh war „[. . .] gegen Briganten, wie es die Italiener jetzt seien, [. . .] kein diplomatischer Winkelzug zu schlecht.“ Es bestanden „[. . .] daher auch gar keine moralischen Bedenken, die Italiener jetzt zu hintergehen.“68 Die österreichische Politik dieser Tage ist gekennzeichnet durch einen Hang zur Verschleppung. Nach starkem deutschem Druck riet Berchtold am 9. Januar 1915 dem Kaiser zu einer Abtretung des Trentino. Franz Joseph lehnte dies ab und Berchtolds Versuch, die Ministerpräsidenten Stürgkh und Tisza zu überzeugen, gipfelte im Rücktritt Berchtolds.69 Sein Nachfolger wurde am 11. Januar der Ungar István (Stefan) Graf Burián, der im Gegensatz zu Berchtold durch Hartnäckigkeit und übergroßes Selbstvertrauen auffiel.70 Der Kriegsverlauf im Januar führte zu einem Umdenken bei Burián und Tisza. Die Festung Przemys´l (Peremyšl’), das Rückgrat der österreichisch-ungarischen Südostfront, stand kurz vor der Eroberung durch die Russen und eine alliierte Dardanellenexpedition bedrohte die Türkei.71 Als außenpolitischen Vorteil führten die Befürworter eines Abkommens mit Italien ins Feld, dass dies eine IsoMilitärs die Erwartung ausgesprochen haben, dass „[. . .] Deutschland mithelfen müßte, die Zugeständnisse bei sich bietender Gelegenheit als erpreßt zurückzunehmen.“ So der deutsche Bevollmächtigte General beim K. u. k. Armeeoberkommando (AOK) August von Cramon (1861–1940), in: Cramon, August von/Fleck, Paul: Deutschlands Schicksalsbund mit Österreich-Ungarn. Von Conrad von Hötzendorf zu Kaiser Karl, Berlin 1932, S. 95. Vgl. auch: Ö. U. L. K., Bd. II, 1931, S. 283. 68 Komjáthy, Protokolle des Ministerrates, 1966, S. 163. Zum erwähnten Aktionsplan: ibid., S. 164 f. 69 Kaiser Franz Joseph lehnte die Abtretung des Trentino mit den Worten ab: „Er lasse sich nicht wie eine Artischocke zerpflücken“. Zitiert in: Janssen, Karl-Heinz: Der Kanzler und der General. Die Führungskrise um Bethmann Hollweg und Falkenhayn (1914–1916), Göttingen/Berlin/Frankfurt 1967, S. 73 Fußnote 5. 70 Der italienische Botschafter in Wien, Herzog Avarna, empfand es als schwer, mit ihm zu verhandeln, und sprach ihm die „[. . .] mentality more of an argumentative and domineering lawyer than of a diplomat“ zu. In: Valiani, Leo: The End of Austria Hungary, London 1973, S. 59. Zur Demission Berchtolds: Hantsch, Leopold Graf Berchtold, II, 1963, S. 709–730. 71 Die endgültige Kapitulation von Przemys ´l am 22. März 1915 war ein empfindlicher militärischer Schlag und „[. . .] eine gefährliche Einbuße an militärischem Prestige für Österreich-Ungarn. [. . .] Die psychologische Auswirkung dieser Niederlage war katastrophal, und nicht zu Unrecht ist Przemysl später mit der Niederlage der 6. Armee in Stalingrad verglichen worden.“ Afflerbach, Falkenhayn, 1994, S. 275.

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B. Ausgangsbedingungen

lation Rumäniens zur Folge hätte und eventuell eine Hinwendung des noch neutralen Staates zu den Mittelmächten beschleunigen könnte. Rumänien war in einer ähnlichen Lage wie Italien. Die nationalistischen Strömungen suchten die von Rumänen besiedelten Gebiete Siebenbürgens und der Bukowina in ein Großrumänisches Reich einzugliedern und sahen in der Parteinahme der Feinde der Mittelmächte ein probates Mittel dazu. Schon im September 1914 hatten Rumänien und Italien einen Vertrag unterzeichnet, der die Partner verpflichtete, sich gegenseitig zu konsultieren und die Neutralität nicht ohne achttägige Vorankündigung aufzugeben.72 Die deutschen Diplomaten erachteten zumindest eine Nachkriegszusammenarbeit mit Italien gegen das Slawentum für möglich. Die österreichischen Minister waren anderer Ansicht, vor allem, weil es sich bei der eventuellen Zession um österreichisches und nicht um ungarisches Gebiet handelte. In den Monaten Januar und Februar 1915 mehrten sich auch die Hinweise auf einen italienischen Kriegseintritt. Die Meldungen, die in diesem Sinne im Auswärtigen Amt in Berlin einlangten, ließen zumindest diesen Eindruck entstehen: Aus der deutschen Botschaft in Griechenland kam die Information, „[. . .] dass in Italien alle staatlichen Schulen durch vertraulichen Runderlass Anweisung erhalten hätten, Ihre Räume bis zum Ende des Monats als Lazarette für den Fall einer Kriegserklärung herzurichten.“73 Der Gesandte Fürst Bülow teilte aus Rom dem Kriegsminister und Generalstab mit: „Durch königliche Verordnung vom 29. Januar werden verschiedene Klassen leichter und schwerer Feldartillerie und Alpinis zu Waffenübungen einberufen. Die Maßnahme bedeutet Beginn der Aufstellung der Formationen dritter Linie. Sie ist bezeichnend für die systematische Vorbereitung der Mobilmachung, und der österreichische Militärattaché bezeichnet sie als sehr ernst.“74 Der kaiserliche Generalkonsul in Neapel informierte im Januar den deutschen Botschafter in Rom, dass die neapolitanische Universität den Befehl erhalten habe, alle Studenten des letzten Jahrgangs in Krankenpflege auszubilden.75 Vom Generalstab des kaiserlich deutschen Feldheeres wurde an das Auswärtige Amt berichtet, dass die an italienischen Militäranstalten als Lehrer wirkenden Offiziere durch „[. . .] zum Waffendienst untaugliche Offiziere und Zivilpersonen“ zu ersetzen seien.76 Einem Berliner Geschäftsmann wurde im Februar 1915 in Savona mitgeteilt, dass die dortigen Dynamitfabriken sowie die Geschoßfabriken Tag und Nacht tätig seien. Er leitete diese Informationen sofort an das 72

Vgl.: Rauchensteiner, Doppeladler, 1997, S. 220 f. PAA, R 7811: Kaiserlich Deutsche Gesandtschaft in Athen, Bericht Nr. 16 am 12.01.1915. 74 PAA, R 7811: Bericht Nr. 133 des Fürsten Bülow am 30.01.1915. 75 PAA, R 7811: Bericht Nr. 27 des Fürsten Bülow am 24.01.1915. 76 PAA, R 7811: Großes Hauptquartier (A.H. 685/15) am 05.02.1915. 73

II. Das Tauziehen um die italienische Neutralität

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preußische Kriegsministerium weiter, von wo aus die weiteren relevanten Stellen wie das Auswärtige Amt benachrichtigt wurden. Der Informant konnte allerdings nicht feststellen, ob die Produktion „[. . .] im Wege der Kontrabande nach Frankreich verschifft wurde“, oder ob sie für die italienische Regierung direkt bestimmt war.77 Alle Zeichen standen auf Sturm, doch die Verantwortlichen in ÖsterreichUngarn konnten sich nicht dazu entschließen, auf italienische Gebietsforderungen einzugehen. Besonders obstinat war die Armee. Ohne die Not einer militärischen Niederlage hatte sie kein Verständnis für territoriale Abtretungen. Der kompromisslose Meinungsführer war Generalstabschef Conrad. Er ließ seinen deutschen Kollegen, den Chef des Generalstabes General Erich von Falkenhayn, wissen: „An Befriedigung der Wünsche Italiens in so weitgehendem Maße ist nicht zu denken. Viel wirksamer erscheint mir Befriedigung Frankreichs für Sprengung feindlichen Bündnisses.“78 Damit folgte er dem populären Denken österreichischer Politiker, welche auf die deutsche Forderung nach einer Abtretung des Trentino mit der deutschen Abtretung Elsass-Lothringens an Frankreich konterten.79 Militärisch befand sich die Doppelmonarchie in einer aussichtslosen Lage und Conrad war sich bewusst, dass man den Italienern kaum etwas entgegenzusetzen hatte.80 Conrad stand in der Italienfrage in schroffem Gegensatz zu Falkenhayn und der deutschen Politik. In einer Mitteilung an das österreichisch-ungarische Armeeoberkommando (AOK) in Teschen umriss der deutsche Generalstabschef die Folgen einer Blockadehaltung und damit die Ängste der deutschen Führung: „Durch den etwaigen Übertritt Italiens und noch mehr Rumäniens zu unseren Feinden wird uns die sichere Aussicht, den Krieg auf der ganzen Linie siegreich zu beenden, entzogen. Die Folgen einer Niederlage aber sind klar: die Groß77 PAA, R 7811: Gebrüder Lamm GmbH (Abschrift zu Nr. 371.2.15.B5) am 05.02.1915. 78 Zitiert in: Lehmann, Der italienische Kriegseintritt 1914/15, 1969, S. 346. 79 Während Lothringen erst ab 1870 zum Deutschen Reich zu zählen ist, handelt es sich beim Trentino beziehungsweise Triest um Gebiete, die bereits 500 und 600 Jahre zum Habsburgerreich gehörten. Hierzu auch: Rauchensteiner, Doppeladler, 1997, S. 222. Vgl. auch eine Tagebucheintragung Wilhelm Groeners vom 8.2.1915 über eine Unterhaltung Conrads mit dem ehemaligen Generalstabschef Moltke, in: Groener, Wilhelm: Lebenserinnerungen. Jugend, Generalstab, Weltkrieg (Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts Bd. 41), herausgegeben von Friedrich Frhr. Hiller von Gaertringen, Göttingen 1957, S. 219. 80 Conrad, der Italien hasste, befand sich in einer Zwickmühle. „Dem Widerwillen gegen das Gefeilsche um österreichischen Boden trat die Erkenntnis entgegen, daß das Heer dem gesteigerten Druck kaum noch gewachsen sein würde.“ Cramon/ Fleck, Schicksalsbund, 1932, S. 94. Zur Verteidigung standen kaum Truppenmassen zur Verfügung, wie Conrad am 8. März dem Ministerrat mitteilte. Vgl.: Komjáthy, Protokolle des Ministerrates, 1966, S. 231.

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B. Ausgangsbedingungen

machtstellung sowohl Deutschlands als auch der Donaumonarchie würde gebrochen werden, ja, es ist zu befürchten, dass es in Verbindung mit der italienischen und der rumänischen Irredenta dann dem Panslawismus gelingen möchte, den Verband der Monarchie ganz zu sprengen. Diese Übel abzuwenden, ist kein Opfer zu groß, das nicht den Bestand unserer Reiche gefährdet.“81

Im Angesicht der angespannten Lage übte man deutscherseits erheblichen Druck auf Österreich aus und ging sogar so weit, Österreich als Kompensation für die Abtretung des Trentino das Kohlengebiet Sosnovice im polnisch-oberschlesischen Grenzraum anzubieten.82 Der württembergische Gesandte in Berlin, Theodor Axel von Varnbühler, hinterließ eine große Zahl an aufschlussreichen Berichten zu den Monaten März–April–Mai 1915. Sie spiegeln vor allem die Verhandlungen und die Überzeugungsarbeit wider, die sich zwischen den deutschen und österreichisch-ungarischen Diplomaten entfalteten. Am 2. März berichtete er nach Stuttgart an den Minister des Äußeren Dr. von Weizsäcker, dass man in Österreich zu erkennen beginne, „[. . .] dass die Gefahr doch ernster und imminenter [ist] als man bisher wähnte.“83 Man überlege in Wien sogar, auf die deutschen Ratschläge einzugehen und mit Italien direkt über österreichische Zugeständnisse als Verhandlungsmasse in Gespräche zu treten. Hier kam das deutsche Kompensationsobjekt zur Sprache: „Zum Ausgleich haben wir unsererseits Oesterreich versprochen, ihm das sehr wertvolle und auch uns sehr gelegene, an Oberschlesien bei Sosnowice angrenzende Kohlenrevier in Russisch-Polen zu überlassen. Dieses Entgegenkommen wird in Wien sehr anerkannt.“84 Auch der deutsche Reichskanzler von Bethmann-Hohlweg machte sich in einem Telegramm nach Wien dafür stark, „[. . .] Oesterreich-Ungarn das unleugbar schwere und schmerzliche Opfer [. . .] zu erleichtern“ und daher das Kohlengebiet Sosnowice abzugeben.85 Nur zögernd erklärte sich Wien zu Konzessionen bereit. In der entscheidenden Ministerratssitzung vom 8. März unter 81 Brief vom 8. Februar 1915, in: Reichsarchiv (Hg.): Der Weltkrieg 1914 bis 1918. Die militärischen Operationen zu Lande. (Bd. 7: Die Operationen des Jahres 1915. Die Ereignisse im Winter und Frühjahr), Berlin 1931, S. 325. Irredento = unerlöst, unfrei. 82 Zum „schlesischen Angebot“ und speziell der innenpolitischen Debatte im Deutschen Reiche siehe den gleichnamigen Artikel von Egmont Zechlin: Schlesisches Angebot, 1979. Eine genaue Beschreibung des Steinkohlereviers findet sich in den Aufzeichnungen des bayerischen Gesandten in Wien, Heinrich Freiherr von Tucher, teilweise veröffentlicht in: Sandberger, Bayern, 1965, S. 632. Auch: Monticone, Deutschland, 1982, S. 96, sowie Afflerbach, Falkenhayn, 1994, S. 269–273. In den Originalquellen finden sich die Schreibweisen Sosnovice und Sosnowice, sie werden folglich wie im Originaltext verwendet. 83 BWHStA, E 50/03 Büschel 215 Schuber II: Bericht Nr. 645 vom 2. März 1915. 84 BWHStA, E 50/03 Büschel 215 Schuber II: Bericht Nr. 645 vom 2. März 1915. 85 PAA, R 22375: Bethmann-Hohlweg an die deutsche Botschaft in Wien, Nr. 692 vom 28.02.1915.

II. Das Tauziehen um die italienische Neutralität

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dem Vorsitz Kaiser Franz Josephs wurde die question préalable, also die Abtretung des Trentino an Italien, akzeptiert.86 Österreich-Ungarn akzeptierte „[. . .] angesichts der von Deutschland selbst vorgebrachten Idee der Beteiligung an den zu bringenden Opfern [. . .].“87 Damit wurde die Frage des Tauschobjektes Sosnovice immer konkreter. Im Bericht des Stuttgarter Gesandten in Berlin vom 8. März heißt es weiter, dass das Deutsche Reich gewillt sei das zur Zeit „[. . .] occupierte russisch-polnische Kohlenrevier um Sosnowice – ohne Garantie für seine definitive Annexion und unbeschadet anderer etwaiger territorialer Erwerbungen oder Veränderungen in RusslandOesterreich nicht streitig zu machen wollen.“88 Allerdings müsse Österreich bei Einverleibung des Territoriums beziehungsweise der Gruben in das Staatseigentum die dortigen Privateigentümer entschädigen. Man spricht im Weiteren meist von deutschen Eigentümern wie Friedländer-Fuld und Henckel-Donnersmarck. Außerdem bat Graf Burián offenbar Deutschland um eine Goldanleihe von rund 200 Millionen Reichsmark.89 In der fast schon verzweifelten Lage, in der sich die deutschen Diplomaten befanden, wurde auch über eher skurrile Ideen im Umfeld des Auswärtigen Amtes debattiert, beispielsweise über die Idee eines österreichisch-ungarischen Nordseehafens. In den Akten der deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl in Rom findet sich eine Denkschrift zu einer ‚Monarchenbegegnung mit Compensationsvorschlag (eigener Nordsee-Hafen) für Oesterreich-Ungarn.‘90 Als Beweggrund hatte man durchaus richtig festgestellt, dass die österreichisch-ungarische Regierung „[. . .] irgend ein eigenes Opfer des Deutschen Reiches und einen Compensationsvorschlag desselben für seine Völker und für die öffentliche Meinung dringend notwendig hat, um die Abtretung des Trentinogebietes zu motivieren.“91 En detail hatte man sich folgendes erdacht: „In der Nähe von Hamburg, auf preußischem Gebiet, vielleicht bei Flottbeck, könnte Oesterreich-Ungarn einen größeren Länderstrich für Anlegung eines eigenen Freihafens an der Nordsee, eigener großer Kohlenlager, Werften, größerer Handelsniederlassungen etc. zur Verfügung gestellt werden. Hierdurch würde Oesterreich-Ungarn für seinen Großhandel nicht nur einen Weg zur Adria, sondern auch zur Nordsee und zu den Weltmeeren mit eigenem Hafen, ähnlich wie Triest, besitzen.“92 86

Siehe: Komjáthy, Protokolle des Ministerrates, 1966, S. 215–233. BWHStA, E 50/03 Büschel 215 Schuber II: Bericht Nr. 709 vom 8. März 1915. 88 BWHStA, E 50/03 Büschel 215 Schuber II: Bericht Nr. 709 vom 8. März 1915. 89 BWHStA, E 50/03 Büschel 215 Schuber II: Bericht Nr. 709 vom 8. März 1915. 90 PAA, Vatikan 747: Compensationsvorschlag eigener Nordseehafen. 91 PAA, Vatikan 747. 92 PAA, Vatikan 747. 87

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B. Ausgangsbedingungen

Erneut zeigt sich die völlige Fehleinschätzung deutscher Diplomaten, wenn sie von der „[. . .] Abtretung des wirtschaftlich fast wertlosen Trentinogebietes“ sprechen und sogar annehmen, dass ein solcher Nordsee-Hafen „[. . .] seitens der Völker Oesterreich-Ungarns [. . .] als ein wirtschaftlich weit wertvollerer Besitz wie das Trentinogebiet angesehen würde.“93 Es sollte bei diesen rudimentären Gedanken eines Nordseehafen-Planes bleiben. Ein anderes Gerücht beunruhigte den Süden Deutschlands. In den Verhandlungen um den Kriegseintritt Italiens tauchte im Berchtesgadener Land das Gerücht auf, Österreich solle für seine etwaigen Abtretungen an Italien mit Berchtesgaden und der Grafschaft Glatz entschädigt werden.94 Bayern sollte indessen „[. . .] durch Zuteilung eines Teiles vom Elsass schadlos gehalten werden.“95 König Ludwig III. von Bayern hatte bereits wenige Tage nach Kriegsausbruch im Falle eines deutschen Sieges territoriale Zuwächse für Bayern gefordert, um preußische Arrondierungen kompensieren zu können. Als Anhänger eines ‚Siegfriedens‘ begründete er solche Forderungen damit, dass Bismarck 1871 die – in seinen Augen gerechtfertigte – Forderung König Ludwigs II. nach der rechtsrheinischen Pfalz oder Teilen des Elsass nicht erfüllt habe.96 Die Hoffnung, dass Bayern das Reichsland Elsass-Lothringen oder auch Belgien als Entschädigung erhalten würde, gab König Ludwig III. bis zum Kriegsende nicht auf. Eine wichtige Frage im Kompensationspoker um das Berchtesgadener Land wurde aber umgehend noch 1915 positiv für das Hause Wittelsbach entschieden: „[. . .] dem bayerischen Hofe würden die Jagden im Bezirke Berchtesgaden, das königliche Schloss und die Königliche Villa in Berchtesgaden vorbehalten.“97 Indes blieb die Gefahr, dass sich Italien vom Dreiverband abwenden werde, deutlich bestehen. Der scharfsinnige Militärattaché in der deutschen Botschaft in Rom, Major von Schweinitz, berichtete seine Sicht der Dinge am 4. März nach Berlin. Er sah die größte Problematik darin, wenn Italien 93

PAA, Vatikan 747. Hierzu auch: Ay, Karl-Ludwig: Volksstimmung und Volksmeinung als Voraussetzung der Münchener Revolution von 1918, in: Bosl, Karl/Möckl, Karl/Linse, Ulrich: Bayern im Umbruch. Die Revolution von 1918, ihre Voraussetzungen, ihr Verlauf und ihre Folgen, München/Wien 1969, S. 345–386, hier: S. 374. 95 BayHStA, Minn 66326: Bezirksamt Berchtesgaden an die Regierung von Oberbayern, 20. März 1915. 96 Vgl. hierzu: Baumann, Kurt: Die bayerische Oberrheinpolitik vom Wiener Kongreß bis zum Ersten Weltkrieg, in: Andermann, Kurt (Hg.): Von Geschichte und Menschen der Pfalz. Ausgewählte Aufsätze von Kurt Baumann, Speyer 1984, S. 215–225, hier S. 222 f. 97 BayHStA, Minn 66326, Bezirksamt Berchtesgaden an die Regierung von Oberbayern, 20. März 1915. 94

II. Das Tauziehen um die italienische Neutralität

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nicht „[. . .] mit Oesterreich verglichen“ werde, also kein Ausgleich durch eine gewisse Kompensation zustande kommen würde.98 Von Schweinitz schrieb weiter: „König, Ministerium und Giolitti sind im Grunde Triplicisten, weil sie wissen, dass ein Sieg des Dreiverbandes Italien um seine Mittelmeerzukunft bringt. Ihre Hoffnung, durch uns mit Oesterreich verglichen zu werden, ist aber im Schwinden. Mir wurde kürzlich ein Wort kolportiert, das sich zwar schlecht anhört, die Ansicht der betreffenden Kreise aber kennzeichnet: „A Vienne on est bête et à Berlin on est faible.“ Widerlegen wir den Schlusssatz [sic] innerhalb der nächsten Tage, ist die italienische Neutralität vermutlich noch für den Preis des Trentino zu haben. Gelingt uns dies nicht, wird Italien unter gleichzeitiger Mobilmachung erhöhte und vielleicht mit Absicht nicht erfüllbare Forderungen stellen. Die Herren Generalstabschefs der Feldheere von Deutschland und Oesterreich-Ungarn haben in Teschen erklärt, dass der Eintritt Italiens in den Krieg gegen uns für die Zentralmächte den Verlust des Feldzuges bedeutet. Trotz dieses Votums ist Oesterreich intransigent geblieben. Lassen wir ihm seinen Willen, so verwickelt es uns in einen aussichtslosen Kampf, in den es schlapp machen und uns im Stich lassen wird. Wir haben eine Menge gefährlicher Feinde, der gefährlichste ist aber zur Zeit Baron Burián. Erledigen wir den nicht innerhalb von Tagen, wird Deutschland den Weltkrieg, in dem es sich für uns um Sein oder Nichtsein handelt, verlieren.“

Währenddessen versuchte der deutsche Sondergesandte in Rom von Bülow, die italienische Seite zu beruhigen und hinzuhalten. In einem Gespräch mit dem italienischen Außenminister Sonnino setzte er ihm ausführlich auseinander, warum Österreich-Ungarn nicht so kurzfristig auf die italienischen Forderungen eingehen könne. Sein Gespräch gipfelte in dem offenherzigen Argument: „Jetzt und während des Krieges die Festungen zu übergeben und die Fahnen herabzuholen, erscheine mir nicht nur als eine insulte gratuite, sondern als positiv unannehmbar. Ich sei auch gar nicht sicher, ob hierdurch nicht eine Revolution in Wien hervorgerufen werden könne, die mindestens ebenso ernst sein würde, als die Revolution, mit der man in Italien immer drohe; oder auch ein Bürgerkrieg in Tyrol, der noch weniger im italienischen als im österreichischen Interesse liege.“99

In einem Gespräch des österreichisch-ungarischen Außenministers Burián mit dem preußischen Botschafter wurde bereits am 9. März 1915 auf eben das Problem der österreichischen ‚Verhandlungsbasis‘ beziehungsweise ‚Verhandlungsmasse‘ beim Entgegenkommen gegenüber Italien eingegangen. Es wurde geklärt, dass Österreich-Ungarn die italienische Sprachgrenze im Trentino soweit akzeptieren werde, „[. . .] als strategische Rücksichten es irgend gestatten.“100 Aufgrund dieser strategischen Rücksichtnahmen könne 98 PAA, 7811: Militär-Bericht Nr. 14 (Schreiben J.N.423) des deutschen Militärattachés in Rom am 04.03.1915. 99 PAA, R 22375: Bericht von Bülows Nr. 347 am 16. März 1915.

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B. Ausgangsbedingungen

man aber einer Abtretung eines Küstenstriches bei Triest keinesfalls zustimmen. Als Gegenleistung erwarte man von Italien freie Hand im Balkan (in der serbischen Frage) und „[. . .] wohlwollende Neutralität besonders auch in wirtschaftlicher Beziehung.“101 Zu diesem Zeitpunkt, am 9. März, zweifelte im deutschen Auswärtigen Amt niemand an der Zustimmung Italiens. Aber Italien ergriff die Chance nicht sofort. Einige Tage später, am 17. März, berichtete der deutsche Botschafter in Rom beschwichtigend, dass es ja begreiflich sei, dass das „[. . .] noch andauernde feindselige Misstrauen in Wien Anstoß errege“ in Italien. Der Botschafter machte es sich relativ leicht, indem er den schwarzen Peter wieder der österreichisch-ungarischen Politik und natürlich Italien zuschob: „Italien schließe eben aus der Scrupellosigkeit [sic] und Doppelzüngigkeit seiner eigenen Politik auch auf andere und die anfangs schroff ablehnende Haltung Buriáns, seine noch immer zögernde und dilatorische Tactik [sic] bestärke das Misstrauen [. . .].“102 Trotzdem schien die Krise zu diesem Zeitpunkt ihrem Ende zuzugehen, auch wenn Botschafter Wedel in Wien prophezeite, man sei „[. . .] noch nicht über dem Berge.“103 Am 27. März und nochmals am 2. April 1915 bot Österreich-Ungarn Italien schließlich die Bezirke von Trient, Rovereto, Riva und Tione sowie die Umgebung von Borgo an.104 Italien schien am Ziel angekommen zu sein. Zum besseren Verständnis sei hier der erste österreichische Verhandlungsvorschlag vom 27. März 1915 zitiert. In ihm kommen vor allem die Hoffnungen zum Ausdruck, die Österreich-Ungarn hegte: „Italien würde sich verpflichten, bis zum Ende des gegenwärtigen Krieges Österreich-Ungarn und seinen Verbündeten gegenüber eine wohlwollende Neutralität in politischer, militärischer und wirtschaftlicher Hinsicht zu beobachten. In diesem Sinne würde es sich überdies verpflichten, Österreich-Ungarn während der ganzen Dauer des gegenwärtigen Krieges volle und ganze Aktionsfreiheit auf dem Balkan zu gewähren und im voraus auf jede neue Kompensation für territoriale oder andere Vorteile zu verzichten, die sich für Österreich-Ungarn allenfalls aus dieser Aktionsfreiheit ergeben würden. Diese Abmachung würde sich aber nicht auf Albanien erstrecken, hinsichtlich dessen das zwischen Österreich-Ungarn und Italien bestehende Übereinkommen sowie die Beschlüsse der Londoner Botschafter-Réunion in Kraft bleiben würden. Österreich-Ungarn seinerseits wäre zu einer Ge100

BWHStA, E 50/03 Büschel 215 Schuber II: Bericht Nr. 719 vom 9. März

1915. 101 Hervorhebung wie im Original. BWHStA, E 50/03 Büschel 215 Schuber II: Bericht Nr. 719 vom 9. März 1915. 102 BWHStA, E 50/03 Büschel 215 Schuber II: Bericht Nr. 788 vom 17. März 1915. Ebenso voriges Zitat. 103 BWHStA, E 50/03 Büschel 215 Schuber II: Bericht Nr. 788 vom 17. März 1915. 104 Vgl.: Baer, Völkerkrieg, VI, 1915, S. 274. Auch der Bericht des deutschen Staatssekretärs von Jagow Nr. 219 vom 29.03.1915 in: PAA, R 22375.

III. Italien und die Bemühungen der Entente

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bietsabtretung in Südtirol – die Stadt Trient inbegriffen – bereit. Die detaillierte Abgrenzung würde in der Weise festgestellt werden, dass die strategischen Erfordernisse, die sich aus einer neuen Grenze ergeben, sowie die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Bevölkerung berücksichtigt seien.“105

Die italienischen Gegenvorschläge vom 10. April waren für Wien allerdings unannehmbar. Man forderte nicht nur italienisches Sprachgebiet, sondern auch deutsche Gebiete um Bozen.106 In dieser für die Mittelmächte heiklen Situation trat Italien in sehr konkrete Verhandlungen mit der Entente in London, die es bereits parallel begonnen hatte.

III. Italien und die Bemühungen der Entente Kurz nach Kriegsbeginn war es zu ersten Kontakten zwischen Italien und den Ententemächten gekommen, deren Initiator hauptsächlich die zaristische Regierung war. Der russische Außenminister Sasonov schrieb an den russischen Botschafter in Rom, Krupenski, bereits am 7. August 1914, „[. . .] dass Russland, Frankreich und England geneigt sind, Italien den Erwerb des Trentino, Triests und Valonas nebst einer Vormachtstellung im Adriatischen Meere einzuräumen [. . .] unter der Bedingung, dass Italien seinerseits unverzüglich unter einem beliebigen Vorwande Österreich den Krieg erkläre und, indem es seine Flotte zur Versperrung der Adria aussende, mit seinen Truppen das Trentino besetze.“107 In der Mitteilung an den russischen Botschafter in Paris, Iswolski, ergänzte er den obigen Inhalt: „Nach Ansicht Greys [Sir Edward Grey, britischer Außenminister, Anm. d. Verf.] müssen die Verhandlungen mit Italien durch Vermittlung Russlands geführt werden.“108 Insgesamt gingen die Angebote der Entente zwar weit über das hinaus, was die Mittelmächte bei äußerstem Entgegenkommen zu bieten bereit waren, erschienen den italienischen Verantwortlichen aber zu vage und so entschied man sich zunächst für eine abwartende Position. Vor allem der an105

Gruner, Ferdinand: Der Treubruch Italiens – unter Benützung amtlicher Quellen, München 1916, S. 27. 106 Die italienischen Forderungen konkret in: Bernstein, Eduard (Hg.): Dokumente zum Weltkrieg 1914. Bd. 10: Das Grünbuch Italiens (2. Teil: vom 4. März 1915 bis zur Kriegserklärung), Berlin 1915, Nr. 60, S. 32–34. 107 In: Zentralstelle für Erforschung der Kriegsursachen (Hg.): Das zaristische Russland im Weltkriege. Neue Dokumente aus den Russischen Staatsarchiven über den Eintritt der Türkei, Bulgariens, Rumäniens und Italiens in den Weltkrieg (Beiträge zur Schuldfrage, Heft 6), Berlin 1927, Nr. 6, S. 265 f. 108 In: Deutsches Auswärtiges Amt (Hg.): Iswolski im Weltkriege. Der Diplomatische Schriftwechsel Iswolskis aus den Jahren 1914–1917. Neue Dokumente aus den Geheimakten der russischen Staatsarchive, Bd. 6, Berlin 1926, Nr. 45, S. 26 f. Zu Grey siehe auch seine Memoiren: Grey Edward, Twenty-Five Years 1892–1916 (2 Bde.), London 1925.

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B. Ausgangsbedingungen

fänglich für Deutschland positive Kriegsverlauf ließ Rom zögern, das sich nicht auf der Seite der Verlierer finden wollte. Anfang März 1915 kam es zu einer Wiederaufnahme der Gespräche in London. Die italienischen Rüstungen waren vorangeschritten und Italien war, speziell durch die Zusammenarbeit mit Rumänien und durch den Verlauf des Krieges, zu einem begehrten Machtfaktor geworden.109 Prägnant fasste der Chef des Generalstabes von Falkenhayn die (militärische) Lage zusammen: „Sowohl der oesterreichisch-ungarische Vorstoß über die Karpathen und in der Bukowina als auch der deutsche aus Ostpreußen haben zwar bedeutende taktische Erfolge erzielt. Die erhofften strategischen Ergebnisse sind aber bisher in beiden Fällen ausgeblieben, und es kann zur Stunde kein Urteil darüber abgegeben werden, ob überhaupt und wann sie noch erwartet werden dürfen. Verzögern sie sich noch längere Zeit – und diese Möglichkeit liegt vor – so ist einmal der Fall von [der Festung] Przemys´l mit seinen unabsehbaren Folgen für das Ansehen Oesterreich-Ungarns im Balkangebiet zu befürchten und andererseits zu besorgen, dass Deutschland, da es dann nicht in der Lage ist, Truppen von Ost nach West zu verschieben, in ernste Schwierigkeiten an der Westfront kommt. Die Lage ist also gewiss nicht hoffnungslos aber sie ist so ernst, dass es eine Katastrophe wäre, wenn man nicht alles täte, um neue Feinde am Eintritt in den Kampf gegen uns zu hindern.“110

Dies zeichnete sich aber zum Schrecken Falkenhayns hinter den Kulissen ab. Ein 16 Punkte-Programm, das zur Grundlage des Londoner Vertrages werden sollte, listete die italienischen Forderungen auf und wurde am 4. März von Italien den alliierten Mächten überreicht. Es beinhaltete die Verpflichtung der Entente Staaten, keinen Sonderfrieden mit den Mittelmächten zu schließen, sowie die Auflage, dass die britische und französische Flotte zusammen mit den Italienern bis zur Vernichtung der österreichisch-ungarischen Flotte im Mittelmeer kämpfen sollte. Dies war ein zentraler Punkt. Italiens Hauptfeind war Österreich, die Entente sah in Deutschland den primären Gegner. Die herausragende Stärke der Mittelmächte war ihr Heer, wohingegen bei den Ententemächten zunächst die Seestreitkräfte dominierten. Ein überwältigender Schlag gegen die K. u. k. Marine garantierte Italien, dass seine neu gewonnenen Alliierten mit ihm gegen den gleichen Feind kämpften und effektive Entlastung brachten.111 Natürlich wurde die 109 Rumänien hatte am 6. Februar 1915 ein Defensivbündnis mit dem Königreich Italien geschlossen. 110 PAA, R 22375, Von Falkenhayn, A.S.802pr. am 1. März 1915. Hervorhebungen wie im Original. 111 Schon San Giuliano verstand „[. . .] the crucial psychological necessity of having Italy and its allies fighting the same enemy.“ In: Bosworth, Richard: Italy and the Approach of the First World War, London/Basingstoke 1983, S. 133. Die Entente war sich der Bedeutung der maritimen Frage bewusst und Sasonov wies Iswolski im August 1914 an: „Richten Sie die Aufmerksamkeit der Regierung,

III. Italien und die Bemühungen der Entente

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Abtretung des Trentino und des cisalpinen Teils von Tirol gefordert, darüber hinaus die Grafschaften Görz, Gradisca und ganz Istrien bis zum Quarnero einschließlich Voloscas.112 Um seine Interessen im Mittelmeer wahren zu können, verlangte Italien die dalmatinische Küste und wichtige Punkte an der albanischen Riviera. Dies ermöglichte eine Schließung der Adria und damit die völlige Kontrolle. In weiteren Punkten wurden eine umfangreiche Kriegsentschädigung, sowie Kompensationsansprüche zur Vergrößerung der afrikanischen Besitzungen im Falle englischer und französischer Neuerwerbungen festgeschrieben. Die Verhandlungen fanden unter strengster Geheimhaltung statt. Angesichts des für die Entente ungünstigen Kriegsverlaufs an der Westfront und des sich abzeichnenden Debakels der Landungsoperationen auf der Gallipoli Halbinsel, war Großbritannien bereit, für einen Kriegseintritt Italiens alle eventuellen Bedenken zurückzustellen. Die hohen Gebietsforderungen an der westbalkanischen Küste erregten aber massiven Widerstand Russlands, das als Protektor der slawischen Nationalisten serbische Interessen ins Spiel brachte. Der italienische Wunsch nach Dalmatien stand der Errichtung eines Großserbischen Reiches entgegen. Die Lage spitze sich zu und der russische Außenminister Sasonov neigte schließlich dazu, den Kriegseintritt überhaupt nicht mehr zu unterstützen.113 In einem Memorandum des russischen Außenministeriums, das am 7. Februar 1918 im Manchester Guardian erschien, wurde zu den italienischen Forderungen Stellung genommen: „France and Russia considered Italy’s demands to be exorbitant, the former with regard especially to the question of the south-eastern shores of the Adriatic, and the latter with regard to the north-east of this sea. Six weeks were spent deciding the details of the future territorial disposition of Albania and Dalmatia. The Russian Ministry of Foreign Affairs persistently defended the interests of the Southern Slavs, and maintained that an outlet to the sea should be permanently assured to Serbia, step by step repelling Italy’s desires for the extensions of her sea-shores and for the neutralisation of the regions intended for Serbia.“114 bei der Sie beglaubigt sind, auf folgendes: Je schneller der österreichischen Flotte ein Schlag versetzt wird, um so schneller wird sich das Verhalten Italiens und Rumäniens zum Kriege offenbaren.“ In: Deutsches Auswärtiges Amt (Hg.), Iswolski (Bd. 6), 1926, Nr. 47, S. 28. 112 Dies deckt sich mit Artikel vier des Londoner Vertrages. Der Vertragstext in: Ministero degli Affari Esteri (Hg.): I documenti diplomatici italiani, Ministero degli Affari Esteri-Commissione per la Pubblicazione dei Documenti Diplomatici, Quinta serie: 1914–1918 (Bd. 3: 3 marzo–24 maggio 1915), Roma 1985, Nr. 470, S. 369–375. Eine deutsche Übersetzung in: Deutsches Auswärtiges Amt (Hg.), Iswolski (Bd. 6), 1926, Nr. 292, S. 191–195. 113 Vgl.: Valiani, The End,1973, S. 110. 114 Cocks Seymour F. (Hg.): The secret treaties and understandings. Text of the available documents with introductory comments, London 1918, S. 80, Appendix A.

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B. Ausgangsbedingungen

In den weiteren Verhandlungen ging es für die Ententemächte nicht um die ursprünglichen, für Österreich-Ungarn existentiellen Kernfragen der Abtretung des Trentino oder des Triestiner Gebietes, sondern lediglich um eine Einigung bezüglich Dalmatiens, die Mitte April zustande kam. Am 26. April 1915 wurde der Londoner Vertrag unterzeichnet. Es ist dabei nicht zu übersehen, dass der grundlegende russisch-italienische Gegensatz auf dem Balkan bereits den Keim weiterer Konflikte in sich trug, die sich später in jugoslawisch-italienischen Spannungen entladen sollten. Italien hatte sich in London verpflichtet, dass es in möglichst naher Zukunft, keinesfalls aber später als einen Monat nach Unterzeichnung des Vertrages, aktiv am Krieg teilnehmen werde.115 Winston Churchill wies in seinen Erinnerungen zum Ersten Weltkrieg auf die Bedeutung des Vertrages für die Ententemächte hin: „The terms of the secret treaty which resulted in the entry of Italy into the war have long since been made public. They reveal with painful clearness the desperate need of the three Allies at this juncture. Locked in the deadly struggle, with the danger of the Russian collapse staring them in the face, and with their own very existence at stake, neither Britain nor France was inclined to be particular about the price they would pay or promise to pay for the accession to the alliance of a new first-class power.“116

Währenddessen verhandelte Italien auch mit den Mittelmächten weiter und ließ Österreich-Ungarn wie Deutschland in dem Glauben, dass eine Einigung noch möglich wäre. Der italienische Ministerpräsident hatte am 16. März seinem Außenminister die Richtung vorgegeben: Man sollte Wien „[. . .] glauben [. . .] lassen, dass wir eine freundschaftliche Lösung für möglich halten. Dies um so mehr, je weniger wir daran glauben. Diese Haltung, wieviel Verstellungskraft sie Dich auch kosten mag, scheint mir gegenwärtig im Interesse des Landes unentbehrlich zu sein.“117 An den Fürsten Bülow erging kurz zuvor eine Einschätzung der deutschen Diplomaten beim Heiligen Stuhl in Rom. Der Text zeugt von sehr realistischer Bewertung der Dinge. Die extremen italienischen Rüstungen lassen, laut den Diplomaten in Rom, eine für Österreich-Ungarn bedrohliche Situation annehmen. Zahlreiche Truppenverschiebungen und Materialtransporte nach Norditalien lassen an der „[. . .] bona fides des Ministers Sonnino“ zweifeln.118 Weiter hieß es: 115 Vgl. die Memoiren des amerikanischen Botschafters in Italien, Thomas Nelson Page (1853–1922), der von Oktober 1913 bis Juli 1919 in Rom arbeitete: Page, Thomas Nelson: Italy and the World War, 1920, S. 412. 116 Churchill, Winston S.: The World Crisis 1915, London 1923, S. 330. 117 Antonio Salandra (1853–1931) an Sidney Sonnino (1847–1922) am 16. März 1915, in: Zechlin, Schlesisches Angebot, 1979, S. 262. 118 PAA Vatikan 747: Bericht aus Rom an Fürst Bülow vom 31.03.1915.

III. Italien und die Bemühungen der Entente

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„Dieser Herr weiss genau, dass er mit unserer Vermittlung die Befriedigung seiner Forderungen an Oesterreich in vernünftigem Umfang erlangen kann. Er weiss auch, dass wir ausserstande sind, unsere Vermittlerrolle weiter zu spielen, wenn den Oesterreichern durch einen Aufmarsch an ihrer Grenze die Pistole auf die Brust gesetzt wird. Dass er ein zweites Eisen im Feuer hat und neben den Trentino-Verhandlungen solche mit der Entente herlaufen lässt, wurde schon immer von uns angenommen. Unser Misstrauen ging bereits soweit, anzunehmen, dass er die Verhandlungen mit uns verschleppe, um die weitere Entwicklung der Ereignisse auf den Kriegsschauplätzen abzuwarten und sie, wenn es uns schlecht ginge, abzubrechen.“119

Ähnlich sah man die Sache wohl auch in Österreich-Ungarn. In einem Bericht des K. u. k. Ministeriums des Äußern der kurz nach Kriegsausbruch mit Italien angefertigt wurde, findet sich eine Charakterisierung des italienischen Vorgehens. Man kann aus diesen Worten bittere Enttäuschung über ein als nahezu unsittlich angesehenes Verhalten herauslesen: „Die italienischerseits gewählte Erpressungsmethode ist jene eines Faktors, welcher in der Befürchtung, die Gelegenheit nicht voll auszunützen, sich nicht auf bestimmte Objekte beschränkt, sondern den Konflikt will, daher zuerst prinzipiell schwer akzeptable Forderungen aufstellt, dann dieselben in unerhörtem Ausmaße konkretisiert und schließlich, obgleich neun zehntel seiner Wünsche erfüllt sind, doch losschlägt.“120

Für den preußischen General Wild von Hohenborn, einen Freund direkter Worte, gestaltete sich die Situation Anfang April 1915 folgendermaßen: „Ich habe fast den Glauben verloren, dass Italiens Neutralität überhaupt zu erkaufen ist, und fürchte, die Nudelfresser rechnen so: Wir lassen uns zunächst von Österreich versprechen, was zu erlangen ist, fordern dann noch mehr, schwenken dann ab und verkaufen unsere Waffenhilfe der Entente gegen weitere Zugeständnisse.“121 Wild von Hohenborns Vorgesetzter, der Chef des Generalstabes des Feldheeres von Falkenhayn, musste derweil versuchen, die Österreicher zu einem Einlenken zu bewegen. Bei einem Treffen konnte er Conrad von Hötzendorf soweit überzeugen, dass dieser sich in einem Telegramm an das Ministerium des Äußern in Wien für eine nahezu bedingungslose Unterordnung unter italienische Forderungen einsetzte.122 119

PAA Vatikan 747: Bericht aus Rom an Fürst Bülow vom 31.03.1915. ÖStA-HHSA, Gesandtschaft Berlin Karton 204: Elaborat zu Nr. 3625, Wien am 29. Juni 1915. Ein wenig erinnern diese Worte allerdings auch an das österreichisch-ungarische Vorgehen gegen Serbien 1914, als in dem an Serbien gestellten Ultimatum zur Verfolgung und Bestrafung der Mörder des Erzherzogs Franz Ferdinand ähnliche ‚schwer akzeptable Forderungen‘ gestellt worden waren. Vgl. hierzu etwa die Überblicksdarstellung: Brook-Shepherd Gordon, Österreich. Eine tausendjährige Geschichte, Wien 1998, S. 228 ff. 121 Hohenborn, Briefe, 1986, S. 54. 122 „[. . .] nach Maßgabe der im übrigen z. Zt. nicht ungünstigen militärischen Lage unter allen Umständen ein Eingreifen Italiens in diesen Krieg verhütet werden 120

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B. Ausgangsbedingungen

Wenige Tage später allerdings wandelte sich Conrads Ansicht wieder, weil er anscheinend von einem falschen Kenntnisstand beeinflusst worden war und nun, da er alle italienischen Forderungen kannte, wieder seine bekannte, anti-italienische Haltung an den Tag legte.123 Um seinen österreichisch-ungarischen Partner aufzurütteln, sandte General von Falkenhayn Ende April erneut ein Telegramm an Conrad von Hötzendorf: „Meiner Ansicht nach müssen für unser Handeln die einfachen Tatsachen maßgebend bleiben, dass das Eingreifen Italiens mit Genossen den Krieg nach menschlichem Ermessen ungünstig für uns entscheidet, dass wir ohne das Eingreifen den endgültigen Sieg mit großer Zuversicht erhoffen dürfen, dass der Sieger über das Bild Europas entscheiden wird und damit in der Lage ist, jedes Opfer für den Sieg wieder einzubringen, dass endlich der Geschlagene nicht nur etwa so gebrachte Opfer, sondern auch sein ganzes Reich verliert.“124

Am Ballhausplatz in Wien begann man tatsächlich, seine Haltung gegenüber Italien langsam zu revidieren, während das Deutsche Reich Anfang Mai Matthias Erzberger, mit besonderen Verhandlungsvollmachten ausgestattet, nach Rom entsandte.125 Auch er konnte nicht verhindern, dass Italien am 3. Mai 1915 den Dreibundvertrag kündigte.126 In der Begründung bemerkte die italienische Regierung, dass Italien „[. . .] reprend dès ce moment son entière liberté d’action [. . .]“.127 Ein Krieg schien damit unausweichlich. Aus Wien trafen immer neue Vorschläge und Konzessionsangebote ein.128 In einem letzten Versuch, Italien zur Neutralität zu bewegen, erklärte sich schließlich Kaiser Franz Joseph zur Abtretung Tirols (soweit es italienisch war) und der italienischen Städte in der Gradisca bereit, mit einem Sonderstatus (Universität und Freihafen) für Triest. Weitere Punkte müsse, keinesfalls aber dürfe Italien vor 4 Wochen losschlagen. Um dies zu erreichen, sei jedes Opfer gerechtfertigt, umsomehr als er diese Opfer, bei der dadurch erreichten Gewinnchance eines guten Kriegsausgangs, als provisorisch gebracht ansehe.“ PAA, R 22375: Großes Hauptquartier am 16.04.1915. 123 Vgl.: PAA, R 22375. 124 PAA, R 22375: Von Falkenhayn an Conrad, Abschrift des Telegramms zur Vorlage beim Deutschen Reichskanzler, Berlin am 30.04.1915. 125 Erzberger war schon im April 1915 in Verhandlungen sowohl mit Italien als auch mit Österreich-Ungarn eingetreten. Sein „Bericht über meine Reise nach Rom und Wien. Anfang April 1915“ findet sich in: PAA, R 22375. 126 Die Erklärung Sonninos an Avarna in: Bernstein, Grünbuch (2. Teil), 1915, Nr. 76, S. 50–52. Die Übergabe fand erst am 4. Mai statt, daher gibt es in der Literatur widersprüchliche Angaben. Vgl. hierzu: Monticone, Deutschland, 1982, S. 205. 127 Ministero degli Affari Esteri (Hg.), Documenti, Quinta serie, III, 1985, Nr. 551 S. 436. 128 Zum Gang der Verhandlungen zwischen Italien und Österreich-Ungarn: Auswärtiges Amt, Rotbuch, II, 1916, Nr. 170, S. 169 (4. Mai) bis Nr. 204, S. 211 f. (Kriegserklärung). Eine chronologische Schilderung der Ereignisse vom 2. bis 24 Mai bei: Erzberger, Matthias: Erlebnisse im Weltkrieg, Stuttgart/Berlin 1920, S. 30–41.

III. Italien und die Bemühungen der Entente

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umfassten das Desinteresse Österreich-Ungarns an Albanien, Schutz der nationalen Interessen der italienischen Untertanen Österreich-Ungarns sowie Garantien des Deutschen Reiches für die loyale Durchführung eines zwischen Italien und Österreich-Ungarn zu schließenden Vertrags.129 Nach dessen Unterzeichnung sollten diejenigen Soldaten der K. u. k. Armee, die aus den abgetretenen Gebieten stammten, nicht mehr an den Kämpfen teilnehmen.130 Das Angebot kam zu spät, so urteilte jedenfalls der deutsche Sondergesandte Erzberger.131 In einem Elaborat des K. u. k. Ministeriums des Äußern an den Botschafter in Berlin, den Prinzen zu Hohenlohe, kam man natürlich zu einem anderen Schluss: „Die Monarchie hat nicht zu spät geboten, sondern sie ist überboten worden und darauf kam es an.“132 Der deutsche Botschafter von Bülow meldete noch unmittelbar vor Kriegsbeginn am 22. Mai an seine Vorgesetzten in Berlin: „Der österreichische Botschafter sagte mir, man wünsche in Wien den Ausbruch des Krieges so lange als möglich hinauszuschieben. Jeder Tag, um den sich der Kriegsausbruch verzögere, sei für Österreich ein Gewinn. Wenn das darauf hindeutet, daß Österreich auf den Zusammenstoß mit italienischer Politik oder gar militärisch noch nicht völlig vorbereitet ist, so erscheint es allerdings um so unfaßlicher, warum es nicht rechtzeitig einlenkte.“133 Bülow betonte in diesem Gespräch mit dem österreichischen Botschafter auch, dass er gleichzeitig mit ihm abreisen würde, um die Solidarität der Bundesgenossen zum Ausdruck zu bringen, auf die er in seinen vorangegangenen Verhandlungen so viel Wert gelegt hatte.134 Fürst von Bülow, der für seine Verhandlungsaktionen nicht nur Lob erhalten hatte, schrieb im Juni 1915, sozusagen abschließend, an seinen ‚Kollegen‘ Mathias Erzberger: 129

Das Angebot basierte auf einem Entwurf des österreichischen Botschafters in Italien, Carl Freiherr von Macchio (1849–1945) vom 15. Mai 1915. Siehe: Auswärtiges Amt, Rotbuch, II, 1916, Nr. 185 S. 185–191. Vgl. auch Buriáns Antwort in: ebd., Nr. 188, S. 192–195. 130 Das Problem der aus den abzutretenden Ländern stammenden Soldaten war einer der Faktoren, der eine Zession aus österreichischer Sicht erst nach dem Friedensschluss hätte ermöglichen können. Vgl. auch: Hohenborn, Briefe, 1986, S. 54. 131 Erzberger, Erlebnisse, 1920, S. 35 ff. 132 ÖStA-HHSA, Gesandtschaft Berlin Karton 204: Elaborat zu Nr. 3625, Wien am 29. Juni 1915. Hierzu auch der verärgerte Artikel des österreichischen Doktors Leopold Sprenger, Altösterreich und Italiens Eintritt in den Weltkrieg, in: Schönere Zukunft, Nr. 32/10.05.1931, S. 746–747. 133 PAA, R 19983: Telegramm von Bülow an Auswärtiges Amt (Nr. 604) am 23.05.1915. 134 Zum endgültigen Verlassen der deutschen Botschaft siehe: PAA, R 2141: Die Botschaft in Rom 1906–1920.

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B. Ausgangsbedingungen

„Es ist geradezu grotesk, wenn dieselben Leute, die nach meinem Eintreffen in Rom während Monaten behaupteten, ich sei ein Schwarzmaler, jetzt verbreiten, die italienische Regierung sei von Anfang an entschlossen gewesen, unter allen Umständen, was man ihr auch bieten möge, den Kriegspfad zu beschreiten. Wie sie vortrefflich ausführen, ist das eine so falsch wie das andere, und die Wahrheit, dass bei mehr Einsicht in Wien und mehr Entschlossenheit und Energie in der Wilhelmstraße der Friede sehr wohl zu erhalten war.“135

Immer näher kam man dem Abgrunde. Einen Tag vor der italienischen Kriegserklärung hatte der deutsche Kanzler von Bethmann Hollweg an Bülow gedrahtet, dass im Falle eines Abbruches der Beziehungen und im Extremfall bei Ausbruch eines Krieges dem italienischen Außenminister Sonnino klar gemacht werden müsse, dass überall die österreichischen Heeresverbände mit deutschen Truppen gemischt wären. Ein Angriff gegen österreichisch-ungarische Truppen würde sich also zugleich gegen deutsche Truppen richten. Der klar formulierte Hintergedanke dieser vertraulichen Orientierung war: „[. . .] wir würden auf diese Weise automatisch in den Krieg eintreten, und vermeiden, denselben formell an Italien zu erklären.“136 Von Bülow tat wie ihm geheißen, worauf das italienische Außenministerium antwortete, dass es sich um eine sehr ernste und höchst bedauerliche Nachricht handele.137 Man warnte vor einem dadurch hervorgerufenen Hass gegen Deutschland, von dem zu diesem Zeitpunkt noch keine Rede sein konnte. „Wenn Deutschland sich nicht darauf beschränke Österreich zu unterstützen, sondern dem Kampf von vornherein den Charakter eines deutsch-italienischen Duells zu geben, so würde das hier einen vollkommenen Umschwung der Stimmung hervorrufen.“138 135

Erzberger, Erlebnisse, 1920, S. 40. Der K. u. k. General und ab Mai 1915 Militärkommandant in Innsbruck, Viktor Graf Dankl, schrieb retrospektiv zu einer Abtretung des Trentino ganz aus der Sicht eines Tirolers: „Hatten Bülow und Erzberger überhaupt eine Ahnung von der Existenz der Ladiner? Hätten die mitten im Kriege mit großem Spektakel in Trient einziehenden Italiener nicht auch sofort die Ladiner für ihre Volksgenossen erklärt und auch deren Heimstätten bis hinauf ins Pustertal für sich reklamiert? Was hätte das übrige Tirol dazu gesagt? Wäre unsere Verteidigung Italien gegenüber nicht völlig lahmgelegt, wäre eine administrative Übergabe möglich gewesen? Nein, die Abtretung im Jahre 1914 oder 1915 wäre, wie Kaiser Franz Joseph erklärte, zum Selbstmord Österreichs geworden.“ Dankl, Viktor von: Zwei Episoden aus dem Weltkriege, in: Bator, Hans/Bartl, Georg (Hg.): Jahrbuch 1925 der Kaiserschützen, Tiroler Standschützen und Tiroler Landstürmer. Herausgegeben von der Bundesleitung des Kaiserschützenbundes, Innsbruck 1924, S. 27–38, hier: S. 35. 136 PAA, R 19983: Telegramm von Bethmann Hollweg an von Bülow in Rom (Nr. 824/I.Nr.16389) am 22.05.1915. 137 PAA, R 19983: Telegramm von Bülow an Auswärtiges Amt (Nr. 816) am 24.05.1915. 138 PAA, R 19983: Telegramm von Bülow an Auswärtiges Amt (Nr. 816) am 24.05.1915.

III. Italien und die Bemühungen der Entente

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Trotz aller Diskussionen erklärte Italien formell am Pfingstsonntag, dem 23. Mai 1915, der Doppelmonarchie den Krieg.139 Die Note war von entwaffnender Ehrlichkeit: „[. . .] Fest entschlossen, mit allen Mitteln, über die sie verfügt, für die Wahrung der italienischen Rechte und Interessen Sorge zu tragen, kann die königliche Regierung sich nicht ihrer Pflicht entziehen, gegen jede gegenwärtige und zukünftige Bedrohung zum Zwecke der nationalen Aspiration jene Maßnahmen zu ergreifen, die ihr die Ereignisse auferlegen. Seine Majestät der König erklärt, dass er sich von morgen ab als im Kriegszustande mit Österreich-Ungarn befindlich betrachtet.“140

Daran schlossen sich die italienischen Kriegserklärungen an die Türkei (20. August 1915) und an Bulgarien (19. Oktober 1915) an. Die Kriegserklärung an das Deutsche Reich erfolgte erst ein Jahr später, am 28. August 1916. Kaiser Franz Joseph antwortete auf die italienische Note mit einem kaiserlichen Manifest ‚An Meine Völker‘ das symptomatisch für die Stimmung in der Monarchie war: „Der König von Italien hat Mir den Krieg erklärt. Ein Treuebruch, dessen die Geschichte nicht kennt, ist von dem Königreiche Italien an seinen Verbündeten begangen worden. [. . .] Wir haben Italien nicht bedroht, sein Ansehen nicht geschmälert, seine Ehre und seine Interessen nicht angetastet, [. . .].“141

Trotz aller militärischer Rückschläge, die Österreich-Ungarn bis dahin an der Ostfront erlitten hatte, war nun ein Wiederaufleben der Stimmung der Julikrise und des Augusts 1914 zu beobachten. Während der langwierigen Verhandlungen hatte man sich in Österreich stark zurückgenommen, um Italien in keiner Weise zu provozieren. Diese zurückgestauten Gefühle entluden sich und führten zum Wiederaufflammen einer – zumindest temporären – Kriegsbegeisterung. Der Umstand, dass Italien Kernlande der Monarchie forderte und damit den Weiterbestand des Reiches gefährdete, wirkte vor allem auf die Bewohner der terre irredente mobilisierend. Nicht nur die Tiroler, sondern auch die Südslawen vereinte das Schicksal, in bedrohten Gebieten zu leben. Der Wunsch, den als Verrat empfundenen Kriegseintritt Italiens zu strafen, erzeugte eine Kriegsbegeisterung, die diejenige gegen 139 In der Vergangenheit bezog man sich häufig auf kontrafaktische Szenarien, um in der Frage ‚was wäre, wenn das Angebot früher gekommen wäre‘ einschätzen zu können, ob die optimalen Entscheidungen gefällt wurden. Eine für den Historiker nur sehr bedingt geeignete Möglichkeit der Aufarbeitung. Vgl. hierzu: Afflerbach, Falkenhayn, 1994, S. 285. Auch: Ferguson, Niall: Der falsche Krieg. Der Erste Weltkrieg und das 20. Jahrhundert, München 2001, S. 33 f. 140 Vgl.: Amtliche Kriegs Depeschen, Nach den Berichten des Wolff’schen Telegr.-Bureaus., Bd. 2, o. O. 1915, S. 633 f. Original in: Documenti diplomatici italiani, Quinta serie, III, 1985, Nr. 756, S. 597. 141 Baer, Völkerkrieg, VIII, 1916, S. 3.

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B. Ausgangsbedingungen

Russland noch übertraf.142 Die kaiserlichen Worte wurden der Truppe natürlich auch mit einer die Euphorie fördernden Wirkung vorgetragen. In dem Armeebefehl des Feldzeugmeisters Krobatin ist etwa zu lesen: „Das von Sr. Majestät dem Allerhöchsten Kriegsherrn erlassene Manifest ist der ausgerückten Mannschaft durch einen ihrer Sprache vollkommen mächtigen Offizier vorzulesen und volkstümlich zu erklären. In dieser Erklärung ist auszuführen, dass durch das heimtückische und hinterhältige Verhalten Italiens der Monarchie wohl ein neuer Gegner erwachsen ist, dass aber auch dieser Gegner erfolgreich bekämpft werden wird, so wie es bisher geglückt ist, alle Anstrengungen der vereinigten Feinde zunichte zu machen. Schon oft stand die Monarchie vielen und mächtigen Feinden gegenüber und immer hat sie den Kampf mit Erfolg und in Ehren bestanden. Italiens Heere und Flotten wurden noch jedes Mal von Österreichs tapferen Truppen und Marine besiegt. [. . .] Diese Ansprache hat mit einem dreimaligen Hoch der ausgerückten Truppen auf Se. Majestät auszuklingen.“143

142 Das Motiv des Verrates ist in vielen Publikationen der Nachkriegszeit unterschiedlich stark propgiert worden, teilweise in purer Polemik bar jeder Objektivität oder Wissenschaftlichkeit. Ein moderates Beispiel ist etwa: Scala, Rudolf von: Der Eintritt Italiens in den Weltkrieg, in: Bator, Hans/Bartl, Georg (Hg.): Jahrbuch 1924 der Kaiserschützen, Tiroler Standschützen und Tiroler Landstürmer. Herausgegeben von der Bundesleitung des Kaiserschützenbundes, Innsbruck 1923, S. 23–30. Ähnlich folgender Aufsatz, der allerdings von italienischer „Banditenpolitik“ spricht: Naumann, Viktor: Italien und die Zentralmächte. Von der Begründung der Freundschaft bis zur Vollendung des Verrats, in: o. V.: Die Große Zeit. Illustrierte Kriegsgeschichte (Heft 1–22), Berlin 1915, S. 149–155, hier: S. 154. 143 BayKA, NL Krafft 300: K. u. k. Kriegsministerium, Abt. 5, Nr. 7515 am 25.05.1915.

Der Grenzpfahl steht, wo immer er stand. Am Isonzo, am Tonale und nicht an der Brennerwand! (Joseph Christian Freiherr von Zedlitz)1

C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront I. Der Frontverlauf aus topographisch-geographischer Sicht Neben der bereits bestehenden österreichisch-ungarischen Südfront auf dem Balkan und der Ostfront kam nun eine dritte Front hinzu: die so genannte Südwestfront gegen Italien. Zum Zeitpunkt des italienischen Kriegseintrittes am 23. Mai ließ die militärische Situation der Mittelmächte auf Erfolge hoffen. Noch einige Monate vorher, im Frühjahr 1915, war die Donaumonarchie mit den größten Problemen seit ihrem Bestehen konfrontiert gewesen. Die militärische Führung musste, genau wie Deutschland, mit dem Albtraum eines Zweifrontenkrieges zurechtkommen. Österreichische Soldaten kämpften an der Ostfront gegen Russland und auf dem Balkan gegen Serbien. Besonders negativ auf die Moral wirkte sich die gescheiterte Offensive gegen Serbien zu Beginn des Krieges aus. Eine Wiederaufnahme kam für Deutschland und Österreich-Ungarn erst Ende 1915 wieder in Frage, mit dem Ziel die Donau zu öffnen und die Isolierung der verbündeten Türkei zu beenden.2 Die kritische Lage änderte sich erst mit der deutsch-österreichisch-ungarischen Offensive gegen Russland ab dem 2. Mai 1915. Nach dem Durchbruch bei Gorlice und den anschließenden Erfolgen – unter anderem die Rückeroberung der Festung Przemys´l – stabilisierte sich die Position der Zentralmächte. Die Mittelmächte hatten also ihren Tiefpunkt im Mai 1915 schon überwunden. Dafür gab es für ÖsterreichUngarn ein weit größeres Problem an der neuen Front. Als Italien den Krieg erklärte, hatte die Habsburgermonarchie an seiner Alpengrenze keine ernst zu nehmenden Kräfte. Sogar die artilleristische Ausrüstung und der normale Stand der Besatzung der Grenzforts waren vermindert, weil alle Kräfte an der russischen Front gebraucht wurden. Nur Landsturmformationen und Arbeiterabteilungen standen an der Grenze. Der Ausbau der Stellungen im Süden verbot die Errichtung einer Verteidigungs1 Zitiert in: Stern-Braunberg, Anni: In deinem Lager ist Österreich! Geschichte und Anekdoten um Feldmarschall Radetzky, Graz/Stuttgart 2000, S. 93. Freiherr von Zedlitz (1790–1862) war österreichischer Offizier und Schriftsteller. 2 Siehe: Ö. U. L. K., Bd. II, 1931, S. 276 f.

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C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront

linie nahe der Grenze und insbesondere Sprengungen und große Erdbewegungen zur Herstellung von Befestigungsanlagen mussten unterlassen werden, um keinen Anlass zur Provokation zu geben und um das einvernehmliche Verhältnis mit Italien, zumindest bis Mai 1915, nicht zu gefährden.3 So ist zu erklären, dass zum Zeitpunkt der Kriegserklärung nur eine notdürftig ausgebaute Verteidigungslinie vorhanden war. Die neue Front der Donaumonarchie hatte auf der Landkarte eine Ausdehnung von rund 775 Kilometern.4 Der britische Botschafter in Rom, Sir James Rennell Rodd, äußerte sich in seinen Erinnerungen zu ihrer Beschaffenheit: „Owing to the geographical conditions on the Alpine frontier with its long diverging valleys separated by impassable ridges, each of which required its own service of communications and supplies, the line which had to be occupied was far longer than a cursory glance at the map would suggest. It extended over more than 600 kilometres (375 miles) or 800 if some vigilance were also to be maintained on the Swiss frontier. The King of Italy told me that owing to the length of this line, of which only about 100 kilometres were really impenetrable, it had been necessary in the summer of 1915 to keep men in the front line trenches for 114 days on end, because there were no others available to relieve them.“5

Resultierend aus den Geländeformen und den extremen Höhenunterschieden errechneten österreichisch-ungarische Generalstabsoffiziere eine tatsächliche Länge der Stellungslinie von etwa 3.500 Kilometern (ohne Einschluss der Isonzofront).6 Die neue Front gliederte sich topographisch in höchst unterschiedliche Abschnitte. Etwa 90 Prozent verliefen im Gebirge und konfrontierten die Kämpfer auch mit extremen Hochgebirgsabschnitten, die eigentlich nur geübten Alpinisten zugänglich waren.7 Eine treffende und allgemein gültige Aussage zur militärischen Topographie von Gebirgsgegenden und der davon abhängigen Operationsgestaltung lieferte der Generalleutnant a.D. Karl Wilhelm Thilo, ehemaliger Komman3 Laut einem Befehl Kaiser Franz Josephs an GdK Rohr am 26. August 1914, in: Ö. U. L. K., Bd. II, 1931, S. 295. 4 Nach: Schaumann, Walther/Schubert, Peter: Süd-West-Front. Österreich-Ungarn und Italien 1914–1918, Klosterneuburg/Wien o. J., S. 21. Dieses Kapitel wird durch die Karten im Anhang dieser Arbeit unterstützt. 5 Rodd, James Rennell: Social and diplomatic memories. Vol. 3: Stockholm/ Rome 1902–1919, London 1925, S. 326. Rodd (1858–1941) war von Dezember 1908 bis Oktober 1919 Botschafter in Rom. Obiges Zitat deutet gleichzeitig auf italienische Probleme beim Truppenersatz hin. 6 Vgl.: Golowitsch, Helmut: „Und kommt der Feind ins Land herein . . .“ Schützen verteidigen Tirol und Kärnten 1915–1918 (Schriftenreihe zur Zeitgeschichte Südtirols Bd. 6), Nürnberg 1985, S. 14. 7 Der italienische Generalstabschef Cadorna geht in seinen Erinnerungen auch auf die topographischen Probleme der italienischen Front ein. Vgl.: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 85 ff.

I. Der Frontverlauf aus topographisch-geographischer Sicht

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deur der 1. Gebirgsdivision und Kommandierender General des II. Korps der Bundeswehr, in seiner Studie ‚Der Gebirgskrieg im neuzeitlichen Kriegsbild‘: „Gebirge sind schlechthin Barrieren. Sie begrenzen oder umschließen Ebenen und Becken; Flusstäler durchschneiden und öffnen sie auf natürliche Weise; Straßen und Eisenbahnen machen sich dies zunutze. Abseits der großen Verkehrswege bieten sich Pässe zur Überschreitung an. Mittelgebirge sind meist stark bewaldet und auch dadurch bewegungshemmend, Hochgebirge erheben sich darüber zur Felsund Eisregion. Gebirge begünstigen die Abwehr. Der Angreifer muss sich bei operativem Ansatz seiner Kräfte an Täler und Pässe halten, der Verteidiger kann beiderseits derselben aus überhöhenden Stellungen durch Feuer sperren.“8

Von der Schweiz bis zu den Julischen Alpen bei Tarvis lief die österreichisch-(ungarisch-)italienische Grenze durch eine gebirgige Zone, in der die durchschnittliche Kammhöhe zwischen 2.700 und 3.200 Meter schwankte, wobei die Hauptübergänge immer tiefer lagen.9 Die oberen Regionen der Gebirge waren meist kahl und zerklüftet, über 2.500 Meter hohe Erhebungen trugen Gletscher und ewigen Schnee. Die geringe Ausdehnung des kultivierbaren Bodens hatte eine geringe Besiedelung zur Folge, die sich zumeist auf die tieferen Lagen beschränkte. In vielen Gebieten herrschte daher Mangel an Unterkunftsmöglichkeiten und Lebensmitteln. Die Gangbarkeit war äußerst eingeschränkt und selbst für Infanterie war das Abweichen von den Wegen mancherorts erschwert oder ganz unmöglich. Sehr zerklüftetes und unwegsames Gebiet trennte die Grenze in einer Breite von über 50 Kilometern von der lombardischen und venezianischen Tiefebene. Von den Julischen Alpen bis zum Meerbusen von Triest wurden die Berge niedriger. Doch auch hier war die Besiedelung dünn und das Klima oft rau. Zwischen Görz und Laibach betragen die höchsten Erhebungen nur wenig über 1.000 Meter. In der Gegend von Villach, Klagenfurt und Laibach verbreitern sich die Täler zu weiten Becken. Das mittlere und untere Isonzotal, Görz und Triest, ist durch vielfach durchfurchtes Hügelland getrennt, das in das venezianische Hügelland übergeht. Für die Verteidigung Tirols und deren Organisation war die Beschaffenheit und Gliederung des Landes sowie dessen Bahn- und Straßennetz von 8 Zitiert in: Kaltenegger, Roland: Die Geschichte der deutschen Gebirgstruppe 1915 bis heute. Vom Deutschen Alpenkorps des Ersten Weltkrieges zur 1. Gebirgsdivision der Bundeswehr, Stuttgart 1980, S. 197. 9 Einer der ganz seltenen, zeitgenössischen Artikel zum Frontverlauf vornehmlich aus topographischer Sicht in: Filippi, Filippo de: The Geography of the Italian Front, in: The Geographical Journal (herausgegeben von The Royal Geographical Society), Vol. 51, No. 2. (Februar 1918), S. 65–75. Die dazugehörige Diskussionsrunde: Freshfield, Douglas/Planches, Baron Mayor des: The Geography of the Italian Front: Discussion, in: The Geographical Journal, Vol. 51, No. 2. (Februar 1918), S. 75–77.

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C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront

entscheidender Bedeutung. Durch den Alpenhauptkamm in Nord- und Südtirol geteilt, sind diese zwei Teile nur am Brenner (Straße und Schiene) und am Reschenscheideck (Straße) zu jeder Jahreszeit fahrbar verbunden gewesen. Die tiefe Eisack- und Mitteletschfurche teilt Südtirol scharf in einen West- und Ostteil, die Brentagruppe und der Westteil der Fassaner (Kadorischen) Alpen scheiden das italienischsprachige Welschtirol (Gebiet um Trient) von Deutschsüdtirol. Der westliche Tiroler Abschnitt war der längste, ununterbrochene hochalpine Frontabschnitt der Geschichte, mit einer Durchschnittshöhe von circa 2.980 Metern. Die Tiroler Front war entsprechend den geographischen Gegebenheiten und den daraus resultierenden Einbruchsmöglichkeiten in fünf Rayone und diese in Unterabschnitte eingeteilt: I Ortler, II Tonale, III Südtirol, IV Fleimstal, V Pustertal. Zum Verständnis der weiteren Arbeit ist es unerlässlich, die Frontlinie etwas detaillierter zu schildern10. Die Karten im Anhang dieser Arbeit werden hierfür hilfreich sein.11 In diesem Zusammenhang wird zu großen Teilen der Verlauf der Reichsgrenze Österreich-Ungarns gegen Italien geschildert, da diese während der Kampfhandlungen nur an ausgewählten Stellen größere Veränderungen erfuhr. Speziell der Westteil vom Stilfserjoch bis ins Etschtal blieb nahezu statisch. Eine umwälzende Änderung trat erst mit der für Österreich-Ungarn siegreichen zwölften Isonzoschlacht ein. Die dann neue Front konnte vom Isonzo bis an die Piave vorverlegt werden.12 10 Die folgenden Ausführungen orientieren sich an der Schilderung zweier Werke: 1. Hoen, Maximilian von/Woinovich, Emil von/Veltzé, Alois: Unteilbar und Untrennbar. Die Geschichte des grossen Weltkrieges mit besonderer Berücksichtigung Österreich-Ungarns. Unter Leitung des Generals der Infanterie Emil Freiherr Woinovich von Belobreska und des Generalmajors Max Ritter von Hoen, hrsg. und redigiert von Alois Veltzé, Band 2, Wien 1919, S. 203–208. 2. Die Beschreibung des Generalstabschefs des Landesverteidigungskommandos Tirol, Cletus von Pichler (1864–1928). Nach seiner Beförderung zum Feldmarschallleutnant (1916) war er Kommandant der Infanteriedivision Pustertal. Im März 1917 wurde er krankheitshalber enthoben und Militär-Stations-Kommandant in Salzburg. Vgl: Pichler, Cletus: Der Krieg in Tirol 1915/1916 (Geschichte Tirols 1848–1916, Bd. 1), Innsbruck 1924, S. 20–32. Darüber hinaus wurden in dieser geographisch-topographischen Schilderung Erfahrungen des Verfassers von zahlreichen Exkursionen zu den ehemaligen Frontabschnitten verarbeitet. 11 Es sei an dieser Stelle auf einen hervorragenden Aufsatz verwiesen, der aus der Sicht des unmittelbaren Kriegsausbruchs, vier Monate nach Beginn der Kämpfe an der Italienfront, die verschiedensten Perspektiven beleuchtet. Der Präsident der Royal Geographic Society, Douglas Freshfield, referierte nicht nur über die Problematik der italienischen Gebietsforderungen und die damit einhergehenden Grenzverschiebungen, sondern auch über die Topographie und Kultur der Region und die Ergebnisse der ersten Kämpfe. Freshfield, Douglas W.: The Southern Frontiers of Austria, The Geographical Journal, Vol. 46, No. 6. (Dezember 1915), S. 414–433.

I. Der Frontverlauf aus topographisch-geographischer Sicht

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Die Grenze der österreichisch-ungarischen Monarchie gegen Italien begann im Nordwesten am Stilfserjoch, wo bei der Dreisprachenspitze drei Länder, nämlich Tirol, die Schweiz und Italien, aufeinander stießen. Von dort zog sich die Grenze zunächst in Richtung Süden, meist über die höchsten Gebirgskämme der Ortler- und Adamellogruppe bis zum Idrosee, und wandte sich dann gegen Ost, um das nördliche Ende des Gardasees zu überqueren.13 Diese Grenzstrecke – die Westfront Südtirols – wurde von drei in die Lombardei führenden großen Straßen durchbrochen: derjenigen über das Stilfserjoch, einer über den Tonalepass und von der Straße durch Judicarien, welche bei Storo die ehemalige Reichsgrenze erreichte. Zwischen diesen Straßen lag fast ausschließlich unwegsames Hochgebirge.14 Die Passstraßen, als potentielle Einbruchslinien eines italienischen Angriffs, sollen nun noch näher erläutert werden, da sie für die folgenden Kapitel und für das Verständnis der militärischen Aktionen von großer Bedeutung sind. Die Straße zum Stilfserjoch zweigte bei Spondinig nahe der ehemaligen Vintschgaubahn Richtung Südwesten ab und führte über das Sperrfort Gomagoi nach Trafoi, von wo sie auch heute noch in spitzen Kehren, stets den riesigen Ortlerblock gegenüber, zum Joch emporsteigt. Mit den 2.758 Metern, die sie dort erreicht, war sie damals die höchste befahrbare Straße Europas. Nur wenige Wochen im Hochsommer war und ist sie ganz schneefrei. Die Passhöhe wurde im Norden durch die schweizerische Grenze gedeckt, ein Faktum, das im Laufe des Konfliktes noch zum Tragen kommen sollte. Vom Joch abfallend überschritt die Straße die italienische Grenze in zahlreichen Schlangenwindungen nach Bormio, um hier das Tal der Adda und diesem Flusse folgend Tirano zu erreichen (damals Endpunkt der vom Comer See und von Mailand kommenden Bahnlinie). Für Italien bedeutete die Straße über das Stilfserjoch den direktesten Weg nach Meran und weiter nach Bozen. 12 Der veränderte Frontverlauf an der Piave und des Jahres 1918 wird in den Kapiteln H und I.III dieser Arbeit thematisiert. 13 Der Besuch des Adamello Gebietes durch den Autor wurde vorbereitet mit dem Führer von: Lichem, Heinz von: Führer durch die Adamello-Presanella-Baitone-Gruppe. Täler, Hütten, Bivacchi, Übergänge, Gipfelbesteigungen, Sentieri und alle Skitouren, München 1978. 14 Zur Überprüfung der Frontverläufe, der Topographie und der militärischen Beurteilung (Befestigungen der damaligen Zeit, Ausbau der Straßen, Infrastruktur) war die Kartensammlung des MILAR/MHFZ von entscheidender Bedeutung. Dort finden sich zwei Karteneditionen, die vom österreichisch-ungarischen Militär herausgegeben wurden und all diese Fragestellungen klären helfen. Es ist dies die Reihe: Zur Militärgeographie des südwestlichen Kriegsschauplatzes, also verschiedene Karten aus den Beständen des „K. k. Landesschützenregiments Nr. III, 4. Feldbataillon“ (alle original gestempelt) und die verschiedenen Karten der Wegweiser Südtirol und dessen italienisches Gebirgsland.

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C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront

Südlich des Joches zog die österreichisch-italienische Grenze quer durch die Ortlergruppe, entlang des höchsten und am stärksten vergletscherten Grates und über Höhen, die mit Ausnahme der 2.617 Meter hohen Forcellina di Montozzo alle über 3.000 Meter lagen und erst am Tonalepass die 2.000 Meter Grenze unterschritten. Nur sehr wenige Gebirgspfade führten durch diese Fels- und Gletscherwelt: von italienischer Seite durch das Val Zebru und Val Cedeh zum Sulden-Ferner und von dort, die Stellung am Stilfserjoch umgehend, ins Sulden- und Mortelltal. Hier bot sich die Gelegenheit, nach Pejo und Cogolo zu gelangen, und damit den Rücken der Tonalestellungen auszuhebeln.15 Der italienische Nachschub zu den Stellungen um den Tonalepass ging mit der Bahn durch das Val Camonica bis Edolo; von dort mit anderen Transportmitteln nach Ponte di Legno und die restlichen neun Kilometer meist zu Fuß in steilem Anstieg bis zur Passhöhe auf 1.884 Metern. Auf der anderen Seite der Grenze wurden die Truppen und der Nachschub über das Nonstal und das Val di Sole herangebracht. Auch in ihrem weiteren Verlauf Richtung Süden durchschnitt die Grenze mächtige und ausgedehnte Gebirge, wie den Adamellostock, dessen nordöstlichster Gletscher, der Presanella Ferner, die obere Tonalestraße überblickte.16 Die österreichischen Zugangswege führten hier durch die Täler Val Nambrone und vor allem durch das Val di Genova. Auf ihrem Weg zur Judicarienstraße, der dritten Grenzstraße, nahmen die Höhen der Gebirge etwas ab. Sich ostwärts wendend strebte die Grenze dem Gardasee mit dem Hauptort Riva zu. Riva, am Nordende des Sees, liegt zwischen zwei befestigten Höhen, der 1.527 Meter hohen Rochetta und dem 377 Meter hohen Monte Brione. Von Westen her wird es auf der von Storo von der Judicarienstraße abzweigenden Ponalestraße erreicht. Südlich von dieser verlief die ehemalige Grenze vom Nordufer des Idrosees zum westlichen des Gardasees bei Pregasina. Am Ostufer des Lago di Garda erstieg sie den von Nord nach Süd ziehenden Rücken des Monte Baldo, folgte ihm, um sich dann ostwärts zur Etsch zu wenden, welche sie bei Borghetto erreichte.17 Beim Gardasee hatte sich bereits das relativ weite Tal der Sarca geöffnet und jenseits des Monte 15 Zu dieser Region der Überblicksaufsatz: Schaumann, Walther: Die Tiroler Westfront. Ortler-, Presanella- und Adamellogruppe, in: Südtirol. In Wort und Bild, Nr. 4/November 1969, S. 3–10. 16 Hier wie an vielen anderen Stellen der Front wurde bei den Exkursionen des Verfassers mit großem Bedauern festgestellt, daß die Gletscher in erschreckender Schnelligkeit abschmelzen. Ein Vergleich mit originalen Frontfotografien aus den Jahren 1915–1918 während einer Forschungsreise ins Val di Sole/Tonale im Juli 2006 hat dies in beeindruckendem Umfang bewiesen.

I. Der Frontverlauf aus topographisch-geographischer Sicht

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Baldo lag das fruchtbare Tal der Etsch, das weit hinein in das Innerste von Tirol führte.18 Der Hauptnerv von Südtirol war eben jenes Etschtal. Im Vintschgau etwa einen Kilometer breit, von Meran ab dann cirka drei Kilometer breit verschmälerte es sich unterhalb von Trient zwischen ziemlich steilen Höhen mit seiner engsten Stelle an der Chiusa veneta (di Verona), der Berner Klause, wo die Etsch das Gebirge verlässt. Östlich der Etsch verlief die Grenze in nordöstlicher Richtung über die leichter gangbaren, in den Oberteilen flach gewölbten, mit zahlreichen Alpenweiden bedeckten Lessinischen Alpen. Der nördliche Teil der Hochfläche der Monti Lessini Veronesi war in Folge seines rauen Klimas und wegen des Mangels an Unterkünften kaum geeignet für größere Truppenversammlungen, auch wenn einige gute Straßen von Verona aus weit hinaufführten. An der nordöstlichen Ecke des Plateaus, beim Monte Zevola, bog die Grenze nach Norden ab und überquerte zwei von Rovereto herkommende Talschluchten: auf dem Piano delle Fugazze die Vallarsa und beim Borcolapasse das Teragnolotal. Durch die erste der Schluchten zieht mit starkem Gefälle und in vielen Serpentinen die Straße von Rovereto nach Schio. Durch das Teragnolotal ging lediglich ein Karrenweg über Piazza und Posina nach Arsiero. Von der Straße zweigte bei Chiesa ein Saumweg ab, der über den Col Campogrosso in den Rücken der die Straße sperrenden italienischen Befestigung Val Leogra führte. Bei Schio wiederum bildete die hier weit ins Gebirge vorspringende Bucht des venezianischen Tieflandes einen für die Italiener sehr günstigen Versammlungsraum. Jenseits des Val Teragnolo lagen auf der Tiroler Seite der Grenze die von vielen Kuppen und Bergrücken durchzogenen Hochflächen von Folgaria und Lavarone (deutsch: Vielgereuth-Lafraun) in 1.000 bis 1.300 Metern Seehöhe. Sie waren zum Teil bebaut, besiedelt und wegsam, zum Teil stark bewaldet.19 Die Grenze wurde außer von mehreren Saumwegen von zwei Straßen durchkreuzt, eine von Folgaria beziehungsweise San Sebastiano 17 Die Grenze im Etschtal war natürlich von beiden Seiten intensiv befestigt worden. Auf italienischer Seite gab es hier etwa die starken Festungsplätze von Rivoli-Ceraino auf dem Plateau von Rivoli. Die Befestigungen als Teil der K. u. k. Defensionsstrategie werden in einem späteren Kapitel noch genauer beleuchtet. Sehr aufschlussreich hierfür ist die Karte: Beilage 9 des „Wegweiser ‚Südtirol und dessen italienisches Gebirgsland‘, Abschnitt B ‚Das Trienter Gebiet‘. Bahnen, Telegraph, politische Einteilung, Ortsdaten, Grenzdienst.“ In: MILAR/MHFZ: Kartensammlung. 18 Hierzu wird folgender Aufsatz empfohlen, der sich am Rande auch mit den Kriegsereignissen beschäftigt: Gschliesser Oswald von, Historisches Vademecum für Gardaseereisende, in: Gschliesser, Oswald von (Hg.): Tirol-Österreich. Aufsätze Oswald von Gschliesser (Schlern 238), Innsbruck 1965, S. 151–155. 19 Darauf deutet bereits die Etymologie des Wortes Vielgereuth hin, das verwandt ist mit Rodung, abstammend von roden und reuten.

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durch das Tal des Astico nach Arsiero, die andere von Lavarone durch das Val d’Assa nach Asiago. Nördlich und westlich dieser Orte waren diese Straßen durch zahlreiche italienische Befestigungen gesperrt, welche auch die aus Tirol kommenden Saumwege auffangen sollten. Die vorderste Reihe derselben umfasste die Fortifikationen Monte Verena, Campolongo, Tonezza und Campomolon und Toraro, denen sich im südlichen Teil als zweiter Gürtel noch Rovegno, Cogolo, Sant’Antonio anschlossen.20 Die meisten dieser Forts lagen auf Berggipfeln, von wo aus sie die österreichisch-ungarische Grenze beherrschten, und meist wurden sie noch von Geschützstellungen außerhalb der Werke im Rahmen von Feldbefestigungen unterstützt. Außerdem hatten die Italiener auf allen Grenzhöhen massive Alpenhäuser und Touristenstationen gebaut, die immer mit der Fensterrichtung gegen die Grenze zu Österreich erbaut worden waren und deshalb auch als (Beobachtungs-)Stützpunkte für die Artillerie genutzt werden konnten oder zumindest so intendiert waren. Diese weitläufigen Befestigungssysteme deckten die Zugänge zu der ausgedehnten Hochfläche der Sieben Gemeinden/Sette Comuni, deren nördliche Steilränder, denen auch die Grenze folgte, steil zu der durch das Val Sugana fließenden Brenta abfielen. An der Brenta entlang führte die aus der Ebene von Bassano kommende Straße auf dem kürzesten Weg nach Trient.21 In einem weiten Bogen schlängelte sich die Grenze dann um das italienische Friaul herum, zunächst nach Norden und Osten zum Kreuzbergpass und Plöckenpass, dann nach Süden über die historischen Grenzfestungen Malborghet und Predil dem Isonzo zu, dessen westliches Ufer sie – beginnend von Flitsch – mehr oder weniger begleitete. Jenseits der Brenta beginnt das Gebiet der Fassaner Alpen, durch welches die Dolomitenstraße von Fiera di Primiero auf den Rollepass und dann abwärts nach Predazzo führt. Hier vereinigt sie sich mit der zweiten Route, die von Cortina d’Ampezzo über das Pordoijoch und Canazei kommt. Zwischen den beiden Straßen führten noch zwei Karrenwege ins Avisiotal: einer über San Pellegrino nach Moena und ein anderer über den Fedajapass nach Canazei. Die Straße Cortina–Canazei war von erheblicher Bedeutung, 20 Ein hervorragender Bildband mit Textbeiträgen zum Ersten Weltkrieg auf den Hochflächen ist: Lichem, Heinz von: Lusern und die Hochebenen im Ersten Weltkrieg. Fotos und Dokumente der Sammlung Lichem und des Dokumentationszentrums Lusern, Grafrath/Lusern 2004. Ein weiteres, zweisprachiges Überblickswerk: Baratter, Lorenzo: Dagli Altopiano a Caporetto. Von den Hochebenen nach Karfreit (Katalog zur gleichnamigen Ausstellung in Lusern), Lusern 2007. 21 Hierzu auch der militärhistorische Führer: Di Martino, Basilio: Trincee-reticolati e colpi di mano nella Grande Guerra. Val Posina – Altopiano di Asiago-Piave, Novale 2000.

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weil von ihr bei Arraba noch eine Straße durch das Gadertal nach St. Lorenzen/Brunneck im Pustertal führte. Der direkte Weg ins Pustertal bei Schluderbach und Toblach war den Italienern auf zwei Routen möglich: von Westen über Cortina und Peutelstein oder aber von Süden über Misurina und das Val Popena. Ein Brennpunkt sollte auch der Karrenweg über den Kreuzberg werden, der die Verbindung zwischen einer von den Italienern aus dem obersten Piavetal heraufgeführten Straße und dem bei Innichen ins Pustertal mündenden Sextental herstellte. Östlich von Sexten beginnen bereits die Karnischen Alpen, deren hohe und nur von wenigen Fußsteigen überquerten Kämme sich wie ein Schutzschild vor das kärntnerische Gailtal legten. Über den Karnischen Kamm führten zwei befahrbare Wege: Über den Plöckenpass (1.300 Meter) oder aber bei Pontebba über den Naßfeldpass hätten die Italiener die Straße Villach–Oberdrauburg erreichen können. Je weiter man gegen Südosten der Grenze folgte, desto dichtere Straßennetze boten sich dem Angreifer wie dem Verteidiger. Vom Kreuzbergsattel bis Tarvis bildeten die zwischen 2.000 und 2.500 Meter hohen Karnischen Alpen ein schwer zu überschreitendes Hindernis. Mit Ausnahme des Plöckenpasses war dies eine relativ ruhige Front. Der Alpinist Aichinger schrieb dazu in der Zeitschrift des D. Ö. A. V.: „Wie die Karte lehrt, verläuft die Grenze zum großen Teil keineswegs natürlich, sondern höchst verwickelt. Man kann behaupten, dass der Verlauf der Grenze vielfach den Italienern Vorteile einräumte, deren wir entbehren mussten. Zu diesen Vorteilen gehört vor allem der Besitz vieler Höhen, die die zu Füßen liegenden, reich besiedelten und mit Eisenbahnen und wichtigen Verkehrsstraßen versehenen Täler beherrschen und unter Feuer halten konnten. Dazu kam noch der natürliche Vorteil, dass fast sämtliche Berge der Julischen und Karnischen Alpen von Süden her verhältnismäßig leicht zugänglich sind, während sie nach Norden mit schroffen Felswänden abfallen.“22

Im Süden der Pässe von Tarvis und Predil verlaufen die Höhen des Isonzotales nahe der Grenze, ohne eine Höhe von 1.500 Metern zu unterschreiten. Erst von Tolmein an werden sie rasch niedriger. Südlich schließt sich an die Julischen Alpen ein breites Kalkgebirge an. Die Karst genannte Geländeformation bedeckt die südlichen Teile Krains (heute der westliche Teil Sloweniens) und das relevante Küstenland. Im Karst wird die Gangbarkeit 22 Aichinger, J.: Die Julischen und Karnischen Alpen im Kriege, in: Zeitschrift des D. Ö. A. V. Bd. 49, 1918, S. 178–204, hier: S. 180 f. Der Autor berichtet in diesem Artikel von seiner Frontbegehung im Sommer 1918, als er sich „[. . .] in der Lage eines Mannes [. . .]“ wiederfand, „[. . .] der ein großes Theater am Tage nach der Vorstellung besucht.“ Ebd., S. 181. Er spielt auf die verlassenen italienischen Stellungen an, da sich Italien in der zwölften Isonzoschlacht bis hinter den Piave zurückgezogen hatte.

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C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront

durch den steinigen, zerrissenen und vielfach mit Dorngestrüpp bedeckten Boden erschwert. Zu den Eigenheiten des Karstes als Kriegsschauplatz sei hier die etwas blumige aber umso eindrucksvollere Schilderung eines Literaten angeführt: „Was aber den Kampf in jener Gegend erst zu einer unvorstellbaren Hölle macht, das ist der Felsen, der unbarmherzige Stein. Er wurde zur furchtbarsten, erbarmungslosesten Geißel des Soldaten. Denn dieser Boden aus glashartem Muschelkalk ist mit den feldmäßigen Werkzeugen des Frontsoldaten, ist mit Spaten und Beilpike unangreifbar. Nur der Bohrmaschine, der Sprengpatrone erschließt er widerwillig seine Tiefen. Unter dem Einschlag der feindlichen Granaten öffnet er sich nicht zu harmlosen Trichtern; er spritzt zersplittert in Schottergarben hoch, wird zu messerscharfen Gesteinstrümmern und verhundertfacht so die Wirkung des feindlichen Feuers. Er lässt den Tau, das Wasser des Himmels, in seinen unterirdischen Spalten und Klüften versickern und gibt keinen Tropfen davon wieder her. Er glüht wie eine Herdplatte unter den Strahlen der Sonne und bietet keinen Schutz gegen das Wüten der Bora, des eisigen Windes der Berge. Er verwehrt dem Kämpfer den letzten Trost, die Zuflucht in den Schoß der Erde, und verschließt sich selbst der Bestattung erloschenen Lebens.“23

Im Friaul und in der venetianischen Ebene wurden einige Flussläufe als Rückhaltlinien vorbereitet, vor allem der Tagliamento, die Livenza und der Piave. Hier wurden die Übersetzungspunkte der Bahnen und Straßen mit provisorischen Brückenköpfen versehen und im Gebiet der Oberläufe Befestigungen gegen flankierende Angriffe aus Tirol und Kärnten angelegt. Alle genannten Flüsse hatten die Eigenart, dass sie bei Trockenheit kein großes Hindernis darstellten. Wie bereits mehrfach betont sprang Südtirol wie eine riesige, von Gebirgen umschlossene Bastion ins italienische Gebiet vor, trennte Venetien und die Lombardei und hing wie ein Damoklesschwert über einer eventuell gegen den Isonzo in Stellung gehenden italienischen Armee und bedrohte diese in Flanke und Rücken. Dies ist der Hauptgrund, warum die italienischen Militärstrategen schon Jahre vor dem Großen Krieg alle aus Tirol herausführenden Täler, Passstraßen und Wege befestigt hatten. Überall in den an Tirol grenzenden Gebieten waren neue Sperrwerke entstanden. Als Rückhalt für diese Befestigungen diente Verona, das zugleich einen Stützpunkt für eine gegen Tirol operierende Armee geboten hätte und nebenbei das Etschtal sperrte. Während des Krieges wurde sogar die schon aufgegebene alte Festung Peschiera an der Südspitze des Gardasees wiederhergestellt und erweitert.24 Die Fortifikationslinie von Verona erstreckte sich 23 Czermak, Wilhelm: Krieg im Stein. Die Menschenmühle am Isonzo, Berlin 1936, S. 18 f. 24 Siehe hierzu auch die italienische Militärkarte in MILAR/MHFZ: Carta d’Italia e regioni limitrofe – Serie A/F. 48 – Peschiera (Reihe: Guerra Italo-Austriaca 1915–16–17), Maßstab 1:100.000, gedruckt: Mai 1917.

I. Der Frontverlauf aus topographisch-geographischer Sicht

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im Osten circa acht bis elf Kilometer, im Norden elf bis siebzehn Kilometer weit um die Stadt herum. Im Nordwesten schloss sie unmittelbar an die schon erwähnte Etschtalsperre von Rivoli-Ceraino an. Die Südwestseite Veronas hatte gleichfalls neue, weit vorgeschobene Forts erhalten. An der westlichen Tiroler Grenze wurden das Addatal und die Tonalestraße durch Batteriestellungen für Geschütze schwerster Art bei Bormio und Edolo und durch ein schwer armiertes Fort bei Ponte di Legno abgesperrt. Ebenso die aus den Judicarien herabkommende Straße entlang dem Lago d’Idro. Die Gardasee Straße wurde durch die Befestigung einer Insel (Trimelone) gesichert, von welcher beide Uferhänge artilleristisch zu bestreichen waren. Die wichtigste Einbruchlinie, das Etschtal, wurde am stärksten mit Sperren bedacht und daran reihte sich eine ganze Kette von Forts längs der Ostgrenze Tirols, namentlich in den Räumen von Arsiero, Asiago und Fonzaso, um das feindliche Vorbrechen auf den Straßen von Rovereto und durch das Suganatal zu verhindern. Der besonders sorgfältige Schutz dieses Raumes ist auch damit zu erklären, dass sich zwischen Feltre und Belluno ein großes Truppensammellager befand. In den Monaten vor Kriegsbeginn, in denen die Italiener ihre Kriegsvorbereitungen betrieben, wurden hier auch zahlreiche feldmäßige Befestigungen für Infanterie und Artillerie hergestellt. Die Italiener lösten sich gedanklich von ihren permanenten Befestigungen und bauten vermehrt flexible Feldbefestigungen, da sie Bedenken hinsichtlich der extrem starken österreichisch-ungarischen Festungs- beziehungsweise Belagerungsartillerie hatten. Die Decken der italienischen Forts waren nur bis zu 24 cm bombensicher, die Panzerkuppeln nur bis 15 cm. Die österreichisch-ungarische Artillerie hat es dann aber häufig vermocht, schwere Mörser von 30,5 bis zu 42 cm zur Zerstörung der italienischen Fortifikationen heranzuführen. Als Lebensadern der damaligen Front galten die Eisenbahnen, die Truppen, Verpflegung und allen sonstigen Nachschub an die Front brachten. Für die italienische Seite lässt sich aus den relevanten Karten leicht herauslesen, dass durch das vornehmlich flache Terrain, besonders in der venetianischen Tiefebene, eine Vielzahl an Bahnverbindungen gebaut worden waren. Diese dienten vor dem Krieg den ausgeprägten wirtschaftlichen Zwecken des inneritalienischen Handels wie auch dem Handel mit Österreich-Ungarn. Schon im Frieden waren aber die strategischen Interessen für einen eventuellen Kriegsfall einkalkuliert worden. Die große Zahl an Bahnstrecken erübrigt es, näher auf ihren Verlauf einzugehen, da man schnell feststellt, dass an alle italienische Frontabschnitte Bahnlinien relativ nahe heranführten. Anders sah dies im stark gebirgigen Teil Österreich-Ungarns aus. Die in das Grenzgebiet führenden Eisenbahnen wiesen vier Linien auf, die in nordsüdlicher Richtung über die Alpen führten:

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C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront

1. die Brennerbahn: Innsbruck–Franzensfeste–Trient–Ala gegen Verona, 2. die Tauernbahn: Salzburg–Schwarzach–St. Veit–Spital i. K.–Villach–Rosenbach–Görz–Triest; 3. St. Michael–St. Veit a. d. Glan–Villach–Tarvis–Pontafel gegen Udine und St. Veit–Klagenfurt und Villach–Rosenbach; 4. Bruck a. d. Mur–Graz–Marburg–Laibach–Nabresina. Eine fünfte Linie führte von Budapest nach Pragerhof, eine sechste von Budapest über Agram mit Verbindung nach Laibach. Die Linien eins bis vier waren durch eine Querlinie im Norden verbunden: Enns–Salzach–Inntal sowie durch eine im Süden der Hohen Tauern: Drau–Pustertal. Die erstere bildete wegen ihrer absoluten Sicherheit die Hauptnachschublinie für Tirol, während die Pustertalbahn stellenweise sehr knapp bis auf sieben Kilometer an der italienischen Grenze entlangführte. Störungen durch feindliche Einwirkung waren folglich besonders im Abschnitt Sextental mit Beschuss des Bahnhofes in Innichen sehr häufig. Wichtig waren die Verbindungsstrecke Laibach–Assling–Tarvis und die beiden an die Grenze führenden Strecken Görz–Cormons und Monfalcone–Cervignano. Dies vor allem im Zusammenhang mit der in dieser Arbeit später geschilderten zwölften Isonzoschlacht.25 Einige für den Nachschub bedeutende Lokalbahnen in Tirol waren: Bozen–Mals, Trient–Male, Mori–Riva und von Trient ins Val Sugana Richtung Bassano. Für die Habsburgermonarchie waren dies also die Lebensnerven, über die alle Transporte an und für die Front rollten. Für die italienischen Militärs waren sie natürlich Angriffsziele. Über die weiteren italienischen Kriegsvorbereitungen, auch militärstrategischer Art, soll der folgende Abschnitt unterrichten.

II. Italienische Kriegsvorbereitungen Die Situation des italienischen Generalstabes unterschied sich 1914/15 grundlegend von dem der Generalstäbe der beiden Mittelmächte. Während die Kampfkraft Deutschlands und Österreich-Ungarns sehr angespannt war und beide mit dem Eintritt neuer Kriegsteilnehmer auf der Seite der Entente rechnen mussten, konnte sich Italien im Schutz der Neutralität darauf vorbereiten, sein Heer zur Kriegsbereitschaft zu führen. Die italienischen Ge25 Eine aufschlussreiche Karte über die Aufmarschlinien und Bahnverbindungen findet sich in dem Operationsheft zur Schlacht: MILAR/MHFZ Schriftensammlung: K. u. k. Armeeoberkommando, Die 12. Isonzoschlacht. Die Offensive gegen Italien. Ein Heft, Eine Karte, Eine Skizze (= Op.Geh.Nr. 700). Herausgegeben vom K. u. k. Armeeoberkommando und dem K. u. k. Chef des Generalstabes, Druckerei des K. u. k. AOK 1918.

II. Italienische Kriegsvorbereitungen

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neralstabsplanungen der Vorkriegszeit waren noch auf den Dreibund hin orientiert. Erst nach dem 1. August 1914 fand ein Umdenken statt.26 Am 27. Juli 1914, einen Tag vor der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien, hatte General Luigi Graf Cadorna das Amt des Generalstabschefs von dem verstorbenen General Pollio übernommen.27 Pollio war sehr deutschfreundlich gestimmt und hatte die deutschen Militärs stets der italienischen Unterstützung am Schlieffen Plan versichert. 1913 wurde Pollio von Kaiser Wilhelm zu Manövern in Deutschland eingeladen und er äußerte sich hierzu dahingehend, dass er es als besondere Auszeichnung erachte, „die deutsche Armee ‚la première armée du monde et l’armée modèle‘ kennen lernen zu dürfen.“28 Bei General Cadorna lagen die Sympathien etwas anders. Er stammte aus einer militärischen Familie. Sein Großvater hatte bereits 1849 gegen Feldmarschall Radetzky gekämpft. Aufschluss über seinen Charakter gibt unter anderem ein Bericht eines seiner Freunde an das Berliner Auswärtige Amt. Der Mannheimer Philologe F.E. Werner hatte Cadorna 1905 in der Schweiz kennen gelernt und bis 1914 hatte sich in mehreren Treffen eine herzliche Freundschaft zwischen Werner, Luigi Cadorna und Cadornas Sohn Raffaele – der in Florenz bei den Lancieri (Lanzenreitern) diente – ergeben. Mit Cadornas Antritt als neuer Generalstabschef der italienischen Armee verfasste Werner einige Aufzeichnungen für das badische Staatsministerium. Er beurteilte General Cadorna als „[. . .] eine von den zähen und in allen Wissensgebieten“ bewanderte Natur, „die mit einem großen Blick auf das Ganze die Fähigkeit verbindet, die Masse ihrer Erfahrung vom Ballaste des Unwesentlichen zu befreien. Sein Verstand absorbiert nur diejenigen Dinge vollständig, welche direkt sein militärisches Interesse fördern können.“29 Dies lässt auf eine starke Fixierung auf militärische Themen schließen. Häufige Urlaube in Deutschland, seine Fähigkeit, ein wenig Deutsch zu sprechen, und seine Kenntnis deutscher Kultur und Literatur – „[. . .] eine Seltenheit unter italienischem Militär“ – lassen Werner eine Sympathie für Deutschland vermuten.30 Wenn hingegen bei Cadorna Sym26 Hierzu: Brettner-Messler, Horst: Die militärischen Absprachen zwischen den Generalstäben Österreich-Ungarns und Italiens vom Dezember 1912 bis Juni 1914, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 23, 1970, S. 225–249. 27 Siehe: Gooch, John: Army, State and Society in Italy 1870–1915, Houndmills/ Basingstoke/London 1989, S. 156 ff. 28 PAA, R 8004: Aus einem Bericht von Kleists, des späteren Flügeladjutanten Kaiser Wilhelms, damals noch Militärattaché, an das Auswärtige Amt, I.Nr.213/13 vom 26. Juli 1913. 29 PAA, R 8004: Bericht F.E. Werners mit einem Begleitbrief des Staatsministers und Ministers des Großherzoglichen Hauses Baden, Karlsruhe am 31. Oktober 1914. 30 PAA, R 8004, Werner.

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C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront

pathien für Frankreich zum Ausdruck kamen, so schienen sie für Werner „[. . .] immer nur mehr eine Begleiterscheinung der Abneigung gegen Österreich zu sein, obwohl diese letztere sich mehr auf das ungeschickte Verhalten der Regierungsorgane in Triest und im Trentino als auf unausrottbare politische Aspirationen in Bezug auf diese Gebiete gründeten.“31 Vorausschauend urteilte Werner: „Wenn man einen Mann wie Cadorna, der schon halb in der Versenkung stand und eigentlich immer zu den ungekannten Männern in Italien gehört hat, zum Chef des Grossen Generalstabs machte, ihm den Kriegsminister opferte, und schließlich an dessen Stelle in der Person des Generals Zupelli seine Kreatur hob, so hat dies in mancher Hinsicht Bedeutung.“32 Einmal sah Werner darin einen weiteren Beleg seiner These, dass in Italien zu dieser Zeit nur die „[. . .] unbedingt Tüchtigsten zu den Bedienungsstellen der Staatsmaschine“ streben, zum anderen sei es ein Zeichen der „größeren Aktivität Italiens.“ Wenn es auch nur ein Indiz der höheren Bereitschaft sei, so zweifelte Werner nicht am „Verzicht auf eine Aktion.“33 Die Aktion sollte nicht lange auf sich warten lassen. Cadornas Onkel Raffaele war am 1. September 1870 durch die Porta Pia in das befreite Rom einmarschiert – eine legendäre Tat. Nun lag es an ihm, die richtige Entscheidung zu treffen. Er knüpfte zunächst an die dreibundfreundliche Linie seines Vorgängers an. Bei Kriegsausbruch war Italien kaum auf eine bewaffnete Auseinandersetzung vorbereitet. Vor allem an modernen Gewehren und Handfeuerwaffen sowie Maschinengewehren herrschte akuter Mangel. Man nutzte immer noch das aus den 1870er Jahren stammende Gewehr System Vetterli. Auch das dann eingeführte Gewehr Mannlicher Carcano Modell 1891, das die Standardwaffe der italienischen Armee im Ersten Weltkrieg wurde, war eigentlich schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts hoffnungslos veraltet (vor allem die dafür entwickelte Patrone). Dennoch bestellte die italienische Regierung laut dem deutschen Militärattaché in Washington im April 1915 noch 120 Millionen Patronen für ihre alten Vetterli Gewehre.34 Noch bis 1916 konnte diesen Mangelerscheinungen nicht beigekommen werden. Ein italienischer Deserteur verriet damals an einen deutschen Vertrauensmann, „[. . .] dass in der italienischen Armee zur Zeit großer Waffenmangel herrscht. Der Mann stand in Bologna 31

PAA, R 8004, Werner. PAA, R 8004, Werner. Der italienische König hatte das Entlassungsgesuch des Kriegsministers Grandi angenommen und am 11. Oktober 1914 den Generalmajor Zupelli zum Kriegsminister ernannt. 33 PAA, R 8004, Werner. 34 PAA, R 7811: Telegramm via Deutscher Botschafter in Stockholm Nr. 462 am 09.04.1915. 32

II. Italienische Kriegsvorbereitungen

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und erzählte, im Rekrutendepot seien die Gewehre weggenommen und an die Front gesandt worden. In seiner Kompagnie seien zum Exerzieren 30 alte Wetterley [sic] Gewehre verteilt worden, die sie abwechselnd hätten benutzen müssen.“35 Graf Cadorna hatte dies vorhergesehen und vor Kriegsbeginn immer wieder auf den schlechten Zustand des Heeres hingewiesen. Aus diesem Grunde plädierte er sogar für die Neutralität.36 Er war sich der Gefahr eines österreichisch-ungarischen Angriffes, als Reaktion auf die Neutralitätserklärung, bewusst: „Alles in allem war unser militärischer Apparat nicht vorbereitet, einen Verteidigungskrieg auszuhalten. [. . .] Ohne Übertreibung kann man versichern, dass wir beinahe wehrlos gewesen wären, wenn uns Österreich gleich nach unserer Neutralitätserklärung angegriffen hätte.“37 Zur Prävention verlangte Cadorna die sofortige Generalmobilmachung. Die italienischen Politiker hatten aus den Erfahrungen Ende Juli beziehungsweise Anfang August 1914 gelernt, als das Räderwerk der gegenseitigen Mobilmachungen der Großmächte den Krieg in Gang brachte. Der Vorschlag Cadornas wurde abgelehnt und anstelle der schnellen Kriegsvorbereitung wurde der langsamere, schrittweise Weg zur Erlangung der Kriegsbereitschaft gewählt, der zudem noch in möglichst großer Geheimhaltung stattfinden musste.38 Um nicht wehrlos einem eventuellen österreichisch-ungarischen Überfall begegnen zu müssen, richtete Cadorna nahe der österreichischen Grenze eine ‚vorgeschobene Besetzung‘ (occupazione avanzata) ein.39 Das hieß, dass Truppen aus den südlichen Garnisonen und speziell Gebirgsformationen, die bisher an der französischen Grenze stationiert gewesen waren, in 35 PAA, R 7811: Nadolny, Referent in der Sektion Politik des Generalstabes an das Auswärtige Amt am 11. Juni 1916 (Pol. 7960). 36 Einen Bericht über den Zustand der Armee Ende Juli 1914 in: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 9 ff. 37 Cadorna, Altre pagine, 1925, S. 23. Übersetzung zitiert in: Hillgruber, Andreas: Die Erwägungen der Generalstäbe für den Fall eines Kriegseintritts Italiens 1914/15, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 48, 1968, S. 346–364, hier: S. 357. Auch Salandra wusste um das Wagnis: „It is no exaggeration to say that if as soon as our neutrality was declared Austria had attacked us we should have been virtually defenceless.“ Albertini, The Origins, III, 1957, S. 351. 38 Vgl.: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 32 ff. 39 „Questa riserva doveva ivi rimanere fino a che la conquista di una linea più avanzata, più forte e più ristretta nel territorio tridentino non ci avesse conferito maggior sicurezza contro il pericolo di un tentativo nemico di sbocco in pianura.“ Cadorna, Luigi: La Guerra alla Fronte Italiana. Fino all’ arresto sulla linea della Piave e del Grappa. 24 Maggio 1915–9 Novembre 1917, Bd. I, Milano 1923, S. 93. Vgl. auch: Ö. U. L. K., Bd. II, 1931, S. 287.

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C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront

die zu besetzenden Stellungen an der Grenze zu Österreich verlegt wurden. Ende August folgten zusätzliche Verstärkungen der Grenzsicherung im Friaul und Anfang November eine Aufstockung der Besatzungen der Grenzbefestigungen. Auch die Effizienz der Armee sollte gesteigert werden. Aufgrund der schlechten Bekleidungslage des Heeres und des Mangels an großkalibrigen Geschützen, Maschinengewehren und Lastkraftwagen sowie des unerfreulichen disziplinären Zustandes vieler Regimenter fasste Cadorna eine Heeresreform ins Auge.40 Die Grundlage für die Reorganisation des Heeres war ein Rüstungsprogramm, das am 11. Oktober 1914 von Kriegsminister Zupelli aufgelegt wurde.41 Das Sanierungs- und Ausbauprogramm sah die endgültige Kriegsbereitschaft ab 1. April 1915 vor.42 Diese Frist hatte der italienischen Heeresleitung schwere Sorgen bereitet. Sie war ständig über mögliche Angriffsabsichten der österreichisch-ungarischen Armee beunruhigt. Für General Cadorna bestand sozusagen jederzeit die Möglichkeit, dass die K. u. k. Armee plötzlich zu einem Angriff übergehen würde. Auch die oft ungünstigen Lagen, in denen sich die österreichisch-ungarische Armee – bis zu den Siegen von Limanowa und – Gorlice befand änderte nichts an dieser Psychose. Dies ist umso merkwürdiger, als ja Italien schon vor dem Kriegsausbruch über ein vorzügliches Kundschaftsnetz in den österreichischen Grenzgebieten verfügte, das über die ständig zunehmende Entblößung dieser grenznahen Gebiete durch die K. u. k. Truppen berichten musste. Eine andere Stütze der italienischen Kriegsvorbereitungen waren die internationalen Abkommen. Das wichtigste war die Marinekonvention zwischen der Entente und Italien vom 4. Mai 1915. Sie sah vor, dass „unter dem Kommando des Oberstkommandierenden der italienischen Armee [. . .] eine erste alliierte Flotte aufgestellt“ werden sollte, bestehend aus italienischen und französischen Flottenverbänden.43 Auch Großbritannien sollte, nach Beendigung der Operationen gegen die Türkei, vier Kreuzer beisteuern. Das Hauptziel war die Ausschaltung der K. u. k. Kriegsmarine, die in Artikel VI des Vertrages explizit geregelt war: „Solange sich feindliche Seestreitkräfte in der Adria befinden, verpflichten sich die Alliierten, den italienischen Seestreitkräften ihre Unterstützung in der Weise 40 Ausschlaggebend war ein Bericht über den schlechten Zustand des Heeres in Folge des Libyschen Feldzuges, den Cadorna am 24. September 1914 erhalten hatte. Vgl.: Cadorna, La Guerra, I, 1923, S. 47 f. Hierzu auch: Urbanski, Conrad, 1939, S. 210, auch: Pantenius, Angriffsgedanke, I, 1984, S. 598. 41 Vgl.: Gooch, State and Society, 1989, S. 164 und Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 37–40. 42 Hierzu: Cadorna, La Guerra, I, 1923, S. 49 ff.; Ö. U. L. K., Bd. II, 1931, S. 287, sowie Pantenius, Angriffsgedanke, Bd. I, 1984, S. 601 f. 43 Deutsches Auswärtiges Amt (Hg.), Iswolski (Bd. 6), 1926, Nr. 295, S. 198.

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zu sichern, dass die alliierten Seestreitkräfte denen des Feindes soviel wie möglich unbestreitbar überlegen bleiben.“44

Eine weitere vorbereitende Maßnahme auf strategischem Gebiet war das Militärabkommen mit Russland, das am 21. Mai 1915 in Baranovicˇi abgeschlossen worden war und dem auch die Ententemächte beitraten. Sie verpflichteten sich darin, die deutschen und österreichisch-ungarischen Truppen an ihren Frontabschnitten zu binden, um damit eine Verlegung von überschüssigen Reservedivisionen der Mittelmächte an die italienische Front zu verhindern. Konkret hieß es, die alliierten Armeen würden „[. . .] energische Kriegsmaßregeln [. . .] ergreifen, um den Feind zu hindern, an der italienischen Grenze erdrückende Kräfte zu konzentrieren“ und sie würden helfen, „[. . .] so viel wie möglich den [eventuell zuvorgekommenen, Anm. d. Verf.] Angriff des Feindes auf die italienische Armee zu paralysieren, um der letzteren die Möglichkeit zu geben, ihre Konzentrierung zu vollenden.“45 Das Dokument sah den spätesten Zeitpunkt eines italienischen Kriegseintritts für den 26. Mai 1915 vor. Eine Offensive der Alliierten auf dem Balkan als zusätzliche Entlastung der italienischen Front war geplant, ließ sich allerdings nicht verwirklichen. Der italienische General Cadorna äußerte in seinen Memoiren: „Il était donc de toute importance non seulement de choisir opportunément le moment de notre intervention, mais encore que, la décision une fois prise, le Gouvernement agit sans hésitations qui seraient de nature à causer le moindre arrêt dans le déroulement des opérations prévues; toute perte de temps de notre part constituerait, pour nos adversaires, un gain considérable.“46

Gerade wegen dieser Sätze ist es erstaunlich, dass Cadorna nach dem Kriegseintritt so lange mit seiner Offensive zögert, eine, wie sich zeigen wird, fatale Entscheidung. Schon vor Beginn des Krieges hatte sich der italienische Generalstab mit einem Operationsplan für den Fall eines Krieges mit Österreich-Ungarn beschäftigt. Der Operationsplan gegen die Donaumonarchie war durch nationalpolitische Ziele bestimmt. Er sah die Besitzergreifung von Tirol bis zum Brenner, von Görz und Triest sowie von Dalmatien vor. Diesen vielfältigen Zielen musste die italienische Heeresleitung Rechnung tragen. 44 Deutsches Auswärtiges Amt (Hg.), Iswolski (Bd. 6), 1926, Nr. 295, S. 199. Winston Churchill hatte am 5. März 1915 die Bedeutung in einem Brief an Edward Grey formuliert: „The attitude of Italy is remarkable. If she can be induced to join with us, the Austrian Fleet would be powerless and the Mediterranean as safe as an English lake.“ In: Churchill, World Crisis, 1923, S. 200. 45 Zentralstelle, Das zaristische Russland, 1927, Nr. 103, S. 329. 46 Cadorna Luigi, Mémoires du Général Cadorna. La Guerre sur le front italien jusqu’à l’arrêt sur la ligne de la Piave et du Grappa: 24 mai 1915–9 novembre 1917 (Französische Übersetzung, 1 Bd.), Limoges 1924, S. 43.

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Bei der Notwendigkeit, möglichst schnelle Angriffserfolge zu erzielen, ergaben sich aus italienischer Sicht im Südtiroler Raum deshalb Schwierigkeiten, weil die dortigen Befestigungstruppen – wie man annahm unterstützt durch starke Truppenverbände – erhöhte italienische Angriffskräfte erfordern und letztlich binden würden. Dagegen war der Raum am Isonzo befestigungsfrei und hätte die Möglichkeit eines raschen Durchbruchs bieten können. Der italienische Generalstab ging also von einem duellartigen Krieg zwischen Italien und der Donaumonarchie aus und verschrieb sich einem vornehmlich defensiven Charakter in der Operationsplanung. Der Großteil der italienischen Armee von 37 Divisionen hätte sich rund 40 K. u. k. Divisionen gegenüber gesehen. Die Hauptverteidigungsstellung in Venetien sollte sich laut den Planungen an der Piave-Linie befinden.47 General Cadorna übernahm zunächst diese Idee der ‚Flussverteidigungsstellung‘, verlegte aber die Verteidigungslinie an den Tagliamento vor.48 Im Auftrag des Ministerpräsidenten Salandra hatte Cadorna bis zum August 1914 einen zentralen Plan entwickelt, der sich einer offensiveren Zielsetzung verschrieb.49 Es gab drei Varianten für einen italienischen Vorstoß: über das Trentino nach Tirol, über die Laibacher Senke und das Grazer Becken nach Wien oder über den Isonzo. Der italienische Operationsplan sah eine Angriffsarmee mit 14 Infanteriedivisionen zwischen den Julischen Alpen und dem Meer vor, während zwei Armeen die Südtiroler Bastion umfassen sollten. Diese hatten einen als möglich erachteten österreichischen Vorstoß gegen Venetien abzuwehren, gleichzeitig aber auch durch einen Angriff im Raum Kreuzbergpass–Toblach durch das Drautal Tarvis zu erreichen und dadurch die linke Flanke der Isonzoarmeen zu unterstützen. In weiterer Folge war ein Durchstoß über Laibach in den kroatischen Raum gedacht, wo man sich mit dem serbischen Heer vereinigen wollte. Dieser Operationsplan trat mit 1. September 1914 in Kraft und sollte auch die Grundlage für die ersten Operationen 1915 abgeben. 47

Zum Operationsgebiet siehe Karte 1 dieser Arbeit. Feldmarschalleutnant (FML) Urbanski wies seinen „[. . .] auf das höchste überraschten Chef“ Conrad auf die Vorverlegung hin. Urbanski war Mitarbeiter von Conrad und zu dieser Zeit Chef des Evidenzbüros, welches für militärische Aufklärung und Geheimdiensttätigkeit zuständig war. In: Urbanski, Conrad, 1939, S. 208. Vgl.: Auch: Hillgruber, Erwägungen der Generalstäbe, 1968, S. 358. 49 ‚Direttive del 1. settembre 1914‘, In: Cadorna, La Guerra, I, 1923, S. 94–97. Auch: Ö. U. L. K., Bd. II, 1931, S. 286. Zu Cadornas ‚Varianten zu den Anweisungen vom 1. September 1914‘ auch: Ritter, Rudolf: Cadorna, in: Cochenhausen von (Hg.): Heerführer des Weltkrieges. Der jüngere Moltke/Joffre/Falkenhayn/Conrad von Hötzendorf/Alexejew/Enver Pascha/Cadorna/Haig/Foch/Die Feldherrneinheit Hindenburg-Ludendorff, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaft, Berlin 1939, S. 170–192, hier: S. 177 f. 48

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Mit der Entscheidung, den Hauptstoß über den Isonzo und die Julischen Alpen zu führen, legte Cadorna die Hauptzielrichtung für den ganzen weiteren Kriegsverlauf fest.50 Der große Vorteil dieser Lösung lag in der eventuellen Möglichkeit, operativ mit Serben und Russen zusammenzuarbeiten, sofern alle politischen und militärischen Grundlagen hierfür geschaffen werden konnten.51 Die konkreten Nahziele waren dabei Triest, Laibach und Marburg: erstens, weil sich Italien als zentrales Kriegsziel die ‚Befreiung‘ der italienischen Stadt Triest gesetzt hatte, und zweitens, weil mit einem Vorstoß am Isonzo in der Gegend des Görzer Beckens eine nachhaltige Störung der wichtigsten Verkehrsadern der Monarchie erfolgen konnte. Die Verbindung von Wien zur Adria und zum dalmatinischen Kriegshafen Pola führte über Laibach und eine Unterbindung hätte eine wesentliche Abschnürung Österreich-Ungarns bedeutet. Den Erfolgsaussichten einer Offensive am Isonzo stand aber auch ein hohes Risiko gegenüber: die Flanken- und Rückenbedrohung durch Österreich. Ein Vorstoß der Habsburgermonarchie aus Südtirol hinaus auf Venedig konnte das Gros der italienischen Truppen in Ostvenetien und Istrien abschneiden. Dies war nur durch starke italienische Sicherungskräfte an der Tiroler Grenze zu umgehen, die einen Austritt der K. u. k. Armee aus dem Gebirge in die Venezianische Tiefebene verhindern sollten. Die Alternative eines italienischen Einfalls in Südtirol klammerte Cadorna aus, da sie keine attraktiven Ziele bot und zudem das Operieren in den Hoch- und Mittelgebirgen nur unter großen Schwierigkeiten möglich war. Zudem schien ein Angriff gegen Südtirol wegen der österreichischen Sperrwerke und der Festung Trient, „[. . .] zu deren rascher Niederkämpfung die italienische Belagerungsartillerie zu schwach war“, nicht aussichtsreich.52 In seinen Erinnerungen legte Cadorna die Gründe für seine Entscheidung dar: „Trente [Trient, Anm. d. Verf.] était un objectif bien moins important que ceux, plus rapprochés, de Trieste et Lubiana, centres vitaux de la double monarchie, qu’on atteignait par l’attaque sur le front julien [die Front in den Julischen Alpen, Anm. d. Verf.]; Il ne s’agissait pas d’un conflit localisé entre l’Italie et l’Autriche-Hongrie, mais d’une guerre générale à laquelle la Russie et la Serbie prenaient part; [. . .] Agir en Trentin n’était pas commode; cela exigeait beaucoup de temps, soit à cause de la nature tourmentée du terrain, soit parce qu’il s’agissait d’une région frontière où abondaient les fortifications permanentes, encore accrues pendant 50

Cadorna, La Guerra, I, 1923, S. 85 f. In den Ausführungen zum Militärabkommen von Baranovicˇi wurde die Operationsrichtung über den Isonzo Richtung Triest in letzter Minute und endgültig festgelegt. 51 Zur Zusammenarbeit mit der serbischen Armee vgl.: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 83. 52 Ö. U. L. K., Bd. II, 1931, S. 286.

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notre neutralité par des ouvrages improvisés établis sur les principales lignes de défense.“53

Eine Offensive „[. . .] vers les bases du Trentin par le Stelvio et le Tonale d’une part, le Cadore d’autre part [. . .]“ schied für Cadorna völlig aus: „Il convient d’y ajouter, à l’encontre de cette offensive, les immenses difficultés auxquelles on se serait heurté pour le ravitaillement en vivres et munitions des gros effectifs qu’eût exigé une opération exécutée à si grande distance de nos dépôts, sans aucune voie ferrée.“54 Die ‚vorgeschobenen Deckungsdetachements‘ (occupazione avanzata) wurden weiter verstärkt und erreichten in den Apriltagen 1915 eine Stärke von 142.000 Mann.55 In den grenznahen Gebieten wurden alle örtlichen Vorbereitungen getroffen, um einer eventuellen Offensive von Seiten der K. u. k. Armee vorzubeugen. In der Neuen Zürcher Zeitung berichtet der Graf von Voltolini darüber: „In der von den Lagunen bei San Giorgio di Nogaro bis zu den ersten Voralpen bei Gemona sich ausdehnenden westfriauler Ebene wurden alle Bäume gefällt, mehrfache Reihen von Schützengräben angelegt und das Vorgelände mit Drahtverhauen und Wolfsgruben versehen. Das gleiche war an der Tiroler Grenze im Etsch- und Brentatal notwendig. In den Karnischen Dolomitalpen, auf denen die Grenze von der Pontafel-Linie bis gegen das Trentino läuft, wie in den Ortlerund Adamello-Alpen, wurde jeder Saumpfad befestigt und auf einsamen Höhen Schneeschanzen und Blockhäuser angelegt.“56

Der endgültige Operationsplan Cadornas vom 1. April sah folgende Kräfteverteilungen vor:57 Die 2. und 3. Armee unter Generalleutnant (GLT) Pietro Frugoni und GLT Emanuele Filiberto di Savoia, Herzog von Aosta, sollten über den Isonzo in Richtung Laibach–Krainburg den Hauptstoß führen, die sogenannte Karnische Gruppe (Zona Carnia unter GLT Clemente Lequio) sollte den Aufmarsch dieser Armeen decken und weiter gegen Tarvis vorgehen, „[. . .] um sich einen Ausgang nach Kärnten zu öffnen.“58 Die 4. Armee (GLT Luigi Nava) hatte ihren Schwerpunkt auf Zentraltirol zu richten und sollte an den Sperren bei Sexten und Landro vorbei in den 53 Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 69. Vgl. auch sein Memorandum vom 21. August 1914, in: ebd., S. 72 ff. 54 Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 69. 55 Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 288. 56 Baer, Völkerkrieg, VI, 1916, S. 305. 57 Vgl.: Cadorna, La Guerra, I, 1923, S. 92 f. Auch der Artikel von Generalmajor d.R. Hugo Schäfer: ‚Die Kriegspläne Italiens gegen Österreich-Ungarn‘ in: Ergänzungsheft 2 zum Werke Ö. U. L. K. (Sonderabdruck der Militärwissenschaftlichen Mitteilungen), Wien 1931, S. 1–8 beschäftigt sich damit. 58 Schäfer, Kriegspläne, 1931, S. 4.

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Raum von Toblach vorstoßen. Nach Inbesitznahme der für die Österreicher so wichtigen Eisenbahn (die einzige Verbindung vom Brenner nach Trient) sollte sie dem rechten Flügel zu Hilfe kommen. Generalleutnant Roberto Brusati, dem Befehlshaber der 1. Armee, fiel die Aufgabe zu, Südtirol fest zu umklammern. Er hatte seine Truppen vom Stilfserjoch über den Gardasee bis zum Cismontal zu verteilen und „[. . .] in strategischer Defensive zu verharren“.59 Die vollständige Mobilisation der italienischen Streitkräfte wurde, nachdem das Heer im Wesentlichen schon seit dem 5. Mai 1915 mobilisiert war, in den drei Tagen des 23., 24. und 25. Mai durchgeführt. Es handelte sich praktisch jedoch nur um Ergänzungen, da die Kriegsvorbereitungen eigentlich schon im August 1914 begonnen hatten und seitdem fortgeführt worden waren. Seit Januar 1915 waren die Landwehrtruppen aufgestellt und Ende April waren Brigade- und Divisionsstäbe gebildet worden. Bis Juni 1915 waren bereits 31.000 Offiziere und 1.058.000 Unteroffiziere und Mannschaften eingerückt.60 Die Italiener waren damit „[. . .] bereits am Tag nach der Mobilmachung operationsbereit.“61Die Mobilisierung fand im Gebiet zwischen Bologna–Modena und dem südlichen Venetien statt. Der Aufmarsch begann folgerichtig am linken Flügel, um rasch die verlangte Rücken- und Seitendeckung zu schaffen und wurde in Staffeln vom Stilfserjoch bis zum Isonzo fortgesetzt. Mit Übernahme des Oberkommandos zu Wasser und zu Lande erließ König Viktor Emanuel von Italien folgenden Tagesbefehl zu Beginn der Kampfhandlungen am 24. Mai 1915: „Soldaten zu Wasser und zu Lande! Die feierliche Stunde der nationalen Forderungen hat geschlagen. [. . .] Der Feind, den zu bekämpfen ihr euch anschickt, ist kriegerisch und euerer würdig. Von der Natur und künstlichen Bauten unterstützt, wird er euch hartnäckigen Widerstand leisten. Aber euer unbezwungener Elan wird ihn sicherlich überwinden.“62

59

Ö. U. L. K., Bd. II, 1931, S. 510. Die Kriegsgliederung der italienischen Armeen beziehungsweise der Reserven in: Ministero delle Guerra (Hg.), L’esercito, II, Textband, 1927, S. 49. In Cadornas eigenen Worten vertrat der plan d’opérations zusammengefasst folgende Idee: „[. . .] offensive sur le front julien; défensive stratégique sur le front tridentin, combinée avec des offensives tactiques partielles tendant à améliorer notre situation défensiv; offensive en Cadore en vue d’occuper l’important croisement de routes de Toblach et de déboucher dans les vallées de la Rienza et de la Drave; offensive en Carnia pour déboucher en Carinthie.“ Cadorna, La Guerra, I, 1923, S. 70. 60 Vgl.: Rauchensteiner, Doppeladler, 1997, S. 242. 61 Rauchensteiner, Doppeladler, 1997, S. 234. 62 Baer, Völkerkrieg, VIII, 1916, S. 7.

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III. Defensionsmaßnahmen des K. u. k. Generalstabes 1. Militär-geographische Prämissen Der K. u. k. Generalstab musste sich auf dem italienischen Schauplatz den geographischen Gegebenheiten unterordnen. Diese ließen kaum Spielraum für strategische Ideen. Das bastionsartig vorspringende Trentino war zwar ein günstiger Ausgangspunkt für eine österreichische Offensive, ließ aber, trotz der zahlreichen natürlichen und künstlichen Hindernisse, nur eine erschwerte Verteidigung zu. Die keilförmige Gestalt setzte es einem konzentrischen Angriff von drei Seiten aus und die einzige Rückzugslinie durch das Etsch- und Eisacktal konnte durch Flankenangriffe, auf der einen Seite vom Stilfserjoch und vom Tonale, auf der anderen Seite von den Dolomitenpässen abgeschnitten werden. Truppenverschiebungen innerhalb der vordersten Front nach den Seiten waren nicht möglich, weil diese Front – fast durchgehend im Hochgebirge, also um 2.000 Meter hoch liegend – keine Querverbindungen aufweist. Ein Vorstoß zur Unterstützung eines vom Isonzo aus geführten Angriffes konnte sich also erst nach Überwindung des Hochgebirges entfalten. In seinen Betrachtungen zum Gebirgskrieg hat der K. u. k. Offizier Freiherr von Kuhn schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Trentino als Beispiel für ein Gebirgsland angeführt, das „[. . .] bastionartig in der strategischen Front [. . .]“ vorspringt.63 „Derlei bastionartig vorspringende Gebirgsländer, sind im Allgemeinen wie grosse Festungen zu betrachten, deren Aufgabe nicht blos [sic] dahin geht, den strategischen Punkt auf dem sie erbaut sind zu behaupten, sondern deren Besatzung die noch wichtigere Bestimmung hat, den vordringenden Gegner durch Ausfälle in Rücken und Flanke zu beunruhigen, ihn mithin zur Detachierung von Kräften behufs Cernirung oder gar Belagerung einer solchen Festung zu nöthigen [sic], wozu eine grössere Truppenmacht als in der Festung steckt, verwendet werden muss, der Angreifer somit in höherem Grade als der Vertheidiger [sic] geschwächt wird.“64

Die Bedeutung Tirols wird damit klar. Das Gebirgsland Tirol war für das Kaiserreich Österreich-Ungarn, speziell in einem Krieg gegen Italien, von nicht zu unterschätzendem Wert. Gegen Süden hin flankierte es die durch Venetien in Richtung Isonzo führende Operationslinie der Italiener. Dies 63

Kuhn, Franz von: Der Gebirgskrieg, Wien 1870, S. 6. Franz Freiherr Kuhn von Kuhnfelden (1817–1896) verteidigte 1866 als GM und Brigadier Südtirol und war von 1868–1874 Reichskriegsminister. 64 Kuhn, Gebirgskrieg, 1870, S. 15 f. Cernirung: von französisch cerner = umzingeln. Laut Meyers Konversation-Lexikon, Bd. IV, Leipzig 1875, S. 284 bedeutet Cernirung „[. . .] die Umschließung einer vom Feinde besetzten Oertlichkeit [sic], insbesondere einer Festung mit Truppen und die damit bewirkte Absperrung derselben von der Außenwelt“.

III. Defensionsmaßnahmen des K. u. k. Generalstabes

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führte dazu, dass die italienischen Truppen im Eventualfall dazu gezwungen waren, „[. . .] Süd-Tirol bis zum Brenner zu erobern oder doch bedeutende Kräfte zur Paralisirung [sic] der dort befindlichen Kräfte des Vertheidigers [sic] aufzustellen, wenn sie mit Sicherheit die Vertheidgung [sic] Veneziens gegen einen Angriff vom Isonzo her anbahnen und wenn siegreich, ihre Operationen gegen Kärnthen [sic] und Krain unbekümmert um ihre Verbindungen fortsetzen wollten.“65 Diese Erkenntnisse des Militärtheoretikers von Kuhn wurden auch in der Armee zur Kenntnis genommen und verarbeitet. Als konkretes Beispiel sei im Folgenden ein Lehrbehelf besprochen, der von dem österreichisch-ungarischen Armeeoffizier Leutnant Catty Ende des 19. Jahrhunderts verfasst worden war. Auch er sah die Bedeutung Südtirols in der durch seine vorspringende Lage ermöglichten, flankierenden Wirkung des Kriegsschauplatzes.66 „Nicht nur während des Vormarsches durch Venetien, sondern schon während des Aufmarsches, der wahrscheinlich im Festungsviereck erfolgen dürfte, äußert sich diese flankierende Wirkung, welche eine Angriff von Seite Italiens zur Paralysierung dieser Flankenwirkung erfordert. Gelingt dieser Angriff, so gelangt Italien in den Besitz der Drau, unserer wichtigsten und letzten Vertheidigungslinie [sic] auf dem österreichisch-italienischen Hauptkriegsschauplatz. Isonzo und Save sind tourniert.“67

Catty kam einleitend bereits zu dem Ergebnis, dass Südtirol durch seine weit vorspringende Lage wohl als guter Ausgangspunkt für eine österreichische Offensive erscheinen mag, dies jedoch durch den negativen physischen Charakter des Landes konterkariert wird. Vor allem der Mangel an Entwicklungs- und Sammelräumen sowie an Unterkünften, Ressourcen und ausreichenden Straßenverbindungen erschwere eine Verwendung großer Armeen. Auch die Verbindungen mit dem Hinterlande seien unzureichend und nicht genügend gesichert. Folglich würden hier nur untergeordnete Kräfte eingesetzt, die sich auf Nebenoperationen konzentrieren würden, mit unterschiedlichen Auswirkungen auf den Hauptkriegsschauplatz. Auch die Boden-Konfiguration und das Wassernetz in Nordtirol spielten für ihn eine Rolle: „Der nördliche Zug der Alpen charakterisiert sich durch parallele Längsketten mit schroffen felsigen Rücken, mehreren Stellen von tiefen Querspalten durchbrochen, durch welche die zur bayerischen Hochebene abfließenden Gewässer ziehen.“68 Durch das Etschtal und die Valsu65

Kuhn, Gebirgskrieg, 1870, S. 6. Vgl.: CAN, C-6 WKI, Handschriftlicher Lehrbehelf „Militär-Geografie“, gez. Leutnant Catty, unveröffentlichtes Manuskript, Kapitel Südtirol: sieben eng beschriebene Seiten. 67 CAN, C-6 WKI, Catty. 68 CAN, C-6 WKI, Catty. 66

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gana wird Südtirol in drei große Gruppen zerlegt, „[. . .] welche sich mit langgestreckten Füßen zur lombardisch-venetianischen Tiefebene absenken. In dem Teile westlich der Etsch, ist die Zerspaltung in Gruppen durch drei ausgesprochene Längs- und Querthäler [sic] noch mehr ausgesprochen.“69 Gemeint sind hier die wichtigen Täler Val di Sole, Val Judicarie/Val di Rendena und Val Sarca. Catty kommt zu dem richtigen Schluss, dass die Anordnung der Gebirge – parallele Gebirgsketten in Nordtirol und gruppenförmige Anordnung mit durchziehenden Wasserläufen in Südtirol – die Verteidigung bestimmten. In Nordtirol würde man folglich abschnittsweise verteidigen müssen, in Südtirol aus einer Zentralstellung heraus, die sich nur mit Trient bot. Der Gedanke der abschnittsweisen Verteidigung fand sich auch zu Kriegsende 1918 wieder, als die bayerischen Truppen in Nord- und Südtirol auf jenen Verteidigungsabschnitten disloziert wurden, welche die Alpentransversalen beherrschten. Die Basis des Verteidigers in Südtirol, im Sinne seines Entfaltungsraumes, würde in Cattys Augen durch folgende Täler bestimmt: Pustertal–Eisacktal–Vintschgau und das Etschtal bis Trient. Für die italienischen Angreifer böten sich sodann zwei wichtige Operationsobjekte: Trient als Verkehrsknotenpunkt und zentraler Punkt der Verteidigung und in zweiter Linie Innichen, weil dort in unmittelbarer Nähe der Grenze durch Blockierung des Pustertales die Verbindung zwischen Haupt- und Nebenkriegsschauplatz unterbunden werden könnte. Welche Einbruchslinien nach Südtirol würden sich anbieten? Die Stilfserjochstraße kaum, weil sie zu abseits gelegen ist. Auch nicht die Tonalestraße, die zwar einen leichten Einbruch erlauben würde, aber dann am Nonsberg sehr gute Verteidigungsmöglichkeiten böte. Bedeutend kürzer im Anmarsch auf Trient wäre die Judicarienstraße, die aber auf die starke Talsperre von Lardaro trifft. Die Straßen am Gardasee entlang führen durch eine Reihe von Engstellen und werden letztlich durch Riva gesperrt. Zudem waren sie unterminiert, also mit präparierten Zerstörungsladungen versehen. Allerdings hätte eine Bezwingung von Riva den Vorteil gehabt, dass ein Großteil des Nachschubs auf dem Gardasee hätte erfolgen können. Dennoch haben alle diese vier Einbruchslinien wegen ihrer „[. . .] exzentrischen Richtung und der mangelhaften Verbindung mit der Hauptarmee wenig Wahrscheinlichkeit benützt zu werden.“70 Es böten sich demnach eigentlich nur drei plausible Möglichkeiten: die Etschtalstraße, die Straße durch die Val Sugana und die Strada d’Allemagna.71 All diese Un69

CAN, C-6 WKI, Catty. CAN, C-6 WKI, Catty. 71 „Die Operationslinie im Etschthale bietet den Vortheil, daß man auf die Befestigungen günstig basiert ist in kürzester Richtung auf das Hauptoperationsobject führt und von einem Fahrwege auf der Höhe begleitet ist. Nachtheilig erscheint, daß ihre Benützung einen frontalen Angriff involviert; daß sie fast bis Trient in enger 70

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tersuchungsergebnisse lassen sich bei der Betrachtung der Kriegsereignisse 1915 bis 1917 im Tiroler Raum nachvollziehen. 2. Verteidigung und Angriff in Südtirol – Grundlegende Konzeptionen An dieser Stelle sei nochmals auf Leutnant Cattys Lehrbehelf eingegangen. Er beschäftigte sich eingehend mit den Möglichkeiten, Südtirol zu verteidigen. Er kam zu folgendem Ergebnis, das hier in seiner ganzen Länge zitiert wird, da es die auch 1915 noch gültigen Grundlagen der Landesverteidigung umreißt: „Die Vortheile für eine Vertheidigung sind: Die ausspringende Form der Landesgrenze, welche das operieren auf der inneren Linie gestattet; die radienförmig gegen die Grenze führenden Communicationen und Thäler welche das Verschieben der Reserven in der entscheidenden Richtung gewähren; Das Vorhandensein eines Centralpunktes welcher die meisten Communicationen auffängt – Trient; die Möglichkeit des Anlegens von Sperren an den Communicationen; endlich das unter Mitwirkung des Landsturmes des Gegners – Verbindungen sobald er eingedrungen leicht bedroht werden können, wodurch er gezwungen wird, starke Kräfte zurückzulassen, sich zu schwächen. Diesen Vortheilen stehen aber die Nachtheile gegenüber, dass das Rokiren [sic] in den engen Hochgebirgsthälern erschwert ist, während dem Gegner zu diesem Zwecke die communicationsreiche oberitalienische Tiefebene günstige Verhältnisse bietet; dass bei einem Theile der Communicationen die zur Anlegung von Befestigungen günstigen Thalengen auf italienischem Gebiete liegen; dass dem Gegner viele Angriffsrichtungen zu Gebote stehen, und dass die Verbindungen mit dem Haupt-Kriegsschauplatze und Hinterlande ungenügend, erstere überdies leicht unterbrochen werden kann. Die Verteidigung Südtirols wird demnach derart durchgeführt werden müssen, dass die Einbruchswege durch Befestigungen und Detachements gesichert werden hinter welchen in den einzelnen Abschnitten taktische Reserven aufgestellt sind, während die Hauptkraft als strategische Reserve in den Centralpunkt Trient aufgestellt ist um den im Anrücken gemeldeten Gegner entgegen zu gehen. Defilée führt welches bei Chizzola und Serravalle [nördlich von Ala, Anm. d. Verf.] leicht zu sperren; die Val Sugana bietet für Italien die größte Gefahr, welcher durch eine Offensive am besten begegnet werden kann. Da dieses Thal sehr breit begünstigt es die Vorrückung und ein Geltendmachen der Überlegenheit. Die Strada d’Allemagna bietet auch die Möglichkeit der Unterbrechung der Verbindung im Pusterthale sehr große Vortheile, doch postirt [sic] sie widerstandsfähige Punkte, welche aber durch Benützung des Weges durch das Sextenthal umgangen werden.“ CAN, C-6 WKI, Catty. Die Schreibweise des Originaltextes wurde bewusst übernommen, Anm. d. Verf.

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Um aber die früher erwähnten Nachtheile möglichst zu paralysieren wird es günstig sein die Vertheidigung möglichst offensiv zu führen, die jenseits der Grenze gelegenen günstigen Sperrpunkte in Besitz zu nehmen und zu befestigen. Da einem Vorgehen gegen das Pusterthal von Trient aus nicht begegnet werden kann, mußdie Vertheidigung dieses Theiles einer eigenen Gruppe übertragen werden. Annähernd dürfte angenommen werden, dass zur Vertheidigung Südtirols eine durch die Landes-Vertheidigungs-Truppen verstärkte Infanterie-Truppen-Division genügen würde, welche dem Charakter des Landes entsprechend gebirgsmäßig ausgerüstet sein müßte.“72

Trotz der Schwierigkeiten, die eine Offensive aus Südtirol mit sich brachte, war im Aufmarschentwurf ‚I‘ [Italien] von 1879/80, der sich gegen Italien allein richtete, ein starker Flankenstoß aus Südtirol eingeplant. Nach dem Ausbau der italienischen Grenzbefestigungen gegen Tirol und Kärnten, wurde diese Idee 1884 zugunsten zweier gleich starker Armeen in Kärnten und am Isonzo aufgegeben. Die Angriffsplanungen des österreichisch-ungarischen Generalstabes für einen Kriegsfall Italien wurden grundlegend von seinem langjährigen Chef, Conrad von Hötzendorf, beeinflusst. Er wurde von der Angst eines schleichenden Verfalles des Vielvölkerstaates getrieben, dem nur mit einer ‚energischen Aktion‘ begegnet werden könnte. Für ihn gab es nur ein probates Mittel, und zwar einen militärischen Kraftbeweis, eine Abrechnung mit den offenen und heimlichen Gegnern der Monarchie. Diese militärische Aktion sollte in der Form eines jähen Überfalles, also eines Präventivkrieges, stattfinden. Für Conrad war der Krieg ein unentbehrliches Mittel der Politik. Er wollte der politischen Führung einen Kurswechsel aufzwingen, kollidierte hierbei aber mit dem Außenminister Baron Aehrenthal. Dieser versuchte vergeblich, Conrad und damit den Generalstab auf militärtechnische Fragen zu beschränken. Aehrenthal sah sich in der Clausewitz’schen Tradition, wonach der Krieg die Fortführung der Politik mit anderen Mitteln sei. Conrad entgegnete darauf: „Bei dem innigen Zusammenhang der Führung des Krieges mit seiner Vorbereitung, und zwar auch auf Grund der politischen Lage, fällt diese Verantwortung auch auf den Chef des Generalstabs als Rath [sic; der Krone, Anm. d. Verf.] – er trägt in dieser Hinsicht, wie die Geschichte lehrt, eine viel größere als der Minister des Äußeren. Clausewitz ist hier falsch zitiert. In der Anwendung des Mittels „Krieg“ liegt eben die Politik.“73

Für ihn war letztlich das militärische Kräfteverhältnis bestimmend für die Politik, „[. . .] weil diese sofort den Boden verliert, wenn sie mit dem militä72

CAN, C-6 WKI, Catty. Schreibweise wie im Original, Anm. d. Verf. Ritter, Gerhard: Staatskunst und Kriegshandwerk (Bd. 2: Die Hauptmächte Europas und das wilhelminische Reich 1890–1914), München 1960, S. 284, vgl. auch: Conrad, Dienstzeit, II, 1922, S. 90. 73

III. Defensionsmaßnahmen des K. u. k. Generalstabes

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rischen Kraftverhältnis nicht im Einklang steht.“74 Besonderes Augenmerk richtete Conrad auf das militärische Potential des österreichischen Nachbars Italien. Die intensive Beschäftigung damit begann im Herbst 1903, als er seinen damaligen Posten als Kommandant der 8. Infanteriedivision in Innsbruck antrat.75 Die 8. Division war ein Eliteverband der Armee, ihr Einzugsbereich erstreckte sich über ganz Tirol, Salzburg, Vorarlberg und Oberösterreich. Ihr waren auch die vier Tiroler Kaiserjägerregimenter eingegliedert. In diesen Jahren eignete sich Conrad eine gründliche Kenntnis des Landes in allen Einzelheiten an und beschäftigte sich mit den Problemen des Gebirgskrieges, mit der Grenzsicherung und Befestigung Tirols und dessen strategischer Bedeutung.76 Die politischen Verhältnisse in Welschtirol (Trentino) bestärkten ihn in der Auffassung, dass Italien auf die Lostrennung der italienisch besiedelten Landesteile hinarbeite. All diese Faktoren ließen ihn schließlich die mangelhafte militärische Vorsorge gegen einen eventuellen italienischen Einfall in Südtirol erkennen. Er legte seine Auffassung zur Verteidigung Tirols in vier Denkschriften nieder, die zwischen Herbst 1905 und Februar 1906 entstanden und die den höheren Kommandostellen zur Kenntnis gebracht wurden.77 Als wesentliche Mängel hat er darin erkannt: „a) Das Ungenügende der Stände unserer Truppen für die Zeitspanne der ersten Tage der Mobilisierung und des Aufmarsches. b) Das Fehlen eines organisierten Grenzschutzes. c) Die Mangelhaftigkeit der Befestigungen und das ganz Verfehlte der leitenden Idee, die ihnen zu Grunde gelegt war.“78

Diese Studien wurden zur Basis für Conrads spätere Aufmarschpläne gegen Italien. Während der Kaisermanöver, die 1905 in Tirol stattfanden, erregte Conrad die Aufmerksamkeit des Kaisers, der persönlich anwesend war, und besonders die des Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand. Dieser setzte Conrad als Nachfolger des Grafen Beck durch und am 18. November 1906 wurde Conrad von Kaiser Franz Joseph zum Chef des Generalstabes ernannt.79 Kurz darauf, im Frühjahr 1907, forderte er bereits einen Präven74

Conrad, Dienstzeit, III, 1922, S. 420. Zu diesem Lebensabschnitt: Sondhaus, Franz Conrad-Architect, 2000, S. 71 ff. 76 Bei Pastor findet sich das Zitat eines Schweizer Offiziers, der den, aus diesen Tagen herrührenden, Einfluss Conrads auf die Gebirgsformationen aufzeigt: „Conrad war es, der zum erstenmal die Schulung der Truppen für die speziellen Anforderungen eines Gebirgskrieges in Angriff nahm, und er war es, der die für die Gebirgstruppen aller Länder beispielgebende Art des Geschütztransportes sowie des Munitions- und Verpflegungsnachschubes im Hochgebirge einführte.“ Pastor, Conrad, 1916, S. 38. 77 Vgl. seine vier Denkschriften, in: Conrad, Dienstzeit, I, 1921, S. 457–502. 78 Conrad, Dienstzeit, I, 1921, S. 31. 79 Friedrich Graf Beck-Rzikowsky (1830–1920) war 1874 kaiserlicher Generaladjutant und von 1881 bis 1906 Chef des Generalstabes. 75

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C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront

tivkrieg gegen Italien. Die Begründung die er dafür anführt, ähnelt den später folgenden: Italien sei der wahre Feind, nicht der Bundesgenosse Österreichs; es lege zwar äußerlich eine dreibundfreundliche Haltung an den Tag, „[. . .] aber nicht nur, dass ein Wechsel der Persönlichkeiten jederzeit einen Umschlag möglich erscheinen lässt, ist diese Richtung insolange ganz plausibel, als Italien Zeit braucht, seine militärische Bereitstellung, an der es eifrig arbeitet, zu beenden.“80 Für Conrad stellte Italien den klassischen Wolf im Schafspelz dar, „[. . .]der in einem ihm passenden Moment die Maske abwerfen und in offener Feindschaft handeln wird.“81 In seinem Anhang zur Denkschrift vom April 1907 umreißt er die österreichfeindlichen Ziele, die Italien anstrebe: „Eine Besitznahme von Südtirol, eine Besitznahme von Triest respektive des Küstengebietes, die Vorherrschaft in der Adria und, was damit gleichbedeutend ist, die Abdrängung der Monarchie nicht nur vom Mittelmeer, sondern vom Seeverkehr überhaupt, einen vorwiegenden Einfluss am westlichen Balkan, also zumindest die kommerzielle Verdrängung der Monarchie von diesem.“82

Immer wieder verweist er auf den Umstand, dass sich „mit jedem Tag [. . .] das Verhältnis zu Ungunsten der Monarchie“ verschlechtere, und dass es „[. . .] je eher, je besser [sei] gegen Italien loszuschlagen.“83 In Folge der außenpolitischen Situation und der geographischen Lage erschwerten sich die Kriegsvorbereitungen. Die meisten europäischen Staaten verfügten über starre Aufmarschpläne, wohingegen in ÖsterreichUngarn Pläne für drei potentielle Kriegsfälle, nämlich R(ussland), B(alkan) und I(talien) und alle daraus denkbaren Kombinationen ausgearbeitet wurden. Das Resultat war eine intensive Beschäftigung des Generalstabes mit der Ausarbeitung größerer Truppentransporte zwischen den einzelnen Kriegsschauplätzen. Entsprechende Schulungen fanden für das hierfür verantwortliche Operations- und das Eisenbahnbüro des Generalstabes 80 Conrad, Dienstzeit, I, 1921, S. 257. Die ‚Früchte‘ eines Präventivkrieges fasst Conrad beispielsweise in einer Denkschrift an den Kaiser im November 1911 zusammen. Er spricht hier von der „Unschädlichmachung eines Gegners“, der einem ansonsten „in den Rücken fallen würde“, von der „Freiheit des Handelns, [. . .] Wiedergewinnung Venetiens, [. . .] Regulierung der höchst ungünstigen [. . .] Grenzen zu Gunsten der Monarchie, [. . .], Hebung des Prestiges der Monarchie [. . .] und des Geistes der Armee [. . .].“ In: Conrad, Dienstzeit, II, 1922, S. 449 f. 81 Conrad, Dienstzeit, II, 1922, S. 75. 82 Conrad, Dienstzeit, I, 1921, S. 509 f. 83 Conrad, Dienstzeit, I, 1921, S. 510. Vgl. zu Conrads Präventivkriegsideen auch die Beurteilung des K. u. k. Delegierten im Deutschen Großen Hauptquartier: Broucek, Peter: Chef des Generalstabes und oberster Kriegsherr. Aus den Erinnerungen des Feldmarschalleutnants Alois Klepsch-Kloth von Roden, k. u.k. Delegierten im Deutschen Großen Hauptquartier, 1915/18, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 27, 1974, S. 385–401, hier: S. 394 f.

III. Defensionsmaßnahmen des K. u. k. Generalstabes

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statt.84 Trotz des flexibilisierten Aufmarsches veränderten sich die Grundideen kaum.85 Die vordringliche Aufgabe war die Kontrolle über die Austritte aus den Engen der Sieben Gemeinden (Sette Comuni), des Cadore und des Oberlaufs des Tagliamento.86 Für den Fall eines Krieges gegen Italien allein, sahen die Planungen des K. u. k. Generalstabes eine Hauptoperation aus Südtirol über die Lessinischen Alpen in den Raum Bassano– Streló in der Po-Ebene vor. Zur Flankensicherung sollte ein Nebenangriff an der Kärntner Front stattfinden, während am Isonzo und im Küstengebiet die Verteidigung der Grenzstellungen im Vordergrund stand.87 Die Vorverlegung des italienischen Aufmarsches an die Tagliamento Linie und der dortige Ausbau der Grenzbefestigungen wirkten sich störend auf den österreichischen Aufmarsch am Isonzo aus und gaben der Kärntner Front eine besondere Bedeutung.88 Für Conrad war der Entscheidungskampf um die Zukunft der Donaumonarchie über kurz oder lang unausweichlich. Nicht ob, sondern wann war die Frage. Je länger man warte, um so schlechter stünden die Chancen der K. u. k. Armee auf einen Sieg, und Conrads Schluss war regelmäßig, dass man jetzt zuschlagen müsse, auch wenn die Mächtekonstellation nicht mehr so günstig sei wie 1907 oder 1909. „Im Jahre 1908/09 wäre es ein Spiel mit aufgelegten Karten gewesen, 1912/13 noch ein Spiel mit Chancen, jetzt ist es ein va banque-Spiel.“89 Er musste seine bellizistischen Tendenzen schließlich mit seiner zeitweisen Entlassung aus dem Generalstab 84 Siehe: Kiszling, Rudolf: Conrad von Hötzendorf, in: Cochenhausen, Heerführer, 1939, S. 102–120, hier: S. 109. 85 Zu den allgemeinen Aufmarsch- beziehungsweise Mobilisierungsplänen die Studien von Norman Stone: Moltke and Conrad: Relations between the Austro-Hungarian and German General Staffs 1909–1914, in: Kennedy, Paul M. (Hg.): The War Plans of the Great Powers 1880–1914, London/Boston/Sydney 1979, S. 222–251, sowie Stone, Norman: Die Mobilmachung der österreichisch-ungarischen Armee 1914, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 16, 1974, S. 67–95. 86 Die Sieben Gemeinden umfassen die im 13. Jahrhundert überwiegend von deutschsprachigen Bauern besiedelten Ortschaften Asiago, Gallio, Foza, Enego, Luisana, Roana, Rotzo. Das Cadore ist das Gebiet zwischen der alten Reichsgrenze und dem oberen Piave mit den Hauptorten Auronzo und Pieve di Cadore. Hauptorte am Oberlauf des Tagliamento sind Ampezzo und Tolmezzo. Das Gebiet der Sette Comuni zeigt die Karte 7 dieser Arbeit. 87 Vgl.: Peball, Kurt: Führungsfragen der österreichisch-ungarischen Südtiroloffensive im Jahre 1916, in: Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs (31), Festschrift Richard Blaas 1978, S. 418–433, hier: S. 418. 88 Vgl.: ‚Direktiven für die Aufmarscharbeiten gegen Italien‘ vom 21.10.1910, in: Conrad, Dienstzeit, II, 1922, S. 64 ff. 89 Conrad im Juli 1914 zu seinem Freund Baron Chlumecky, in: Conrad, Dienstzeit, IV, 1923, S. 72. Siehe hierzu auch Conrads Aussage in: Peball, Conrad – Private Aufzeichnungen, 1977, S. 238.

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C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront

bezahlen. Ständige Zusammenstöße mit Außenminister Aehrenthal sowohl über die Frage des Präventivkrieges gegen Italien, als auch über die Rüstungsproblematik und Conrads permanente Einmischung in den Apparat des Außenministeriums, führten 1911 zur Verabschiedung.90 Der kaiserlich deutsche Militärattaché in Wien, Major Graf von Kageneck, besuchte Conrad direkt nach seiner Entlassung und verfasste einen Bericht für das Auswärtige Amt in Berlin: „Wie ein Blitz aus heiterem Himmel hat die Nachricht eingeschlagen von der Enthebung des Generalstabschefs Baron Conrad von dem Posten, den er als Nachfolger des Grafen Beck genau vor 5 Jahren angetreten hatte. Diese Lösung der, wie ich öfters berichtet habe, seit Frühjahr 1911 bestehenden Krise, hatte niemand für jetzt erwartet.“91 Wieder predigte Conrad seine Abneigung gegen Italien, es sei ein absolut unsicherer Bundesgenosse. „Man müsse wieder mit Russland auf guten Fuß gelangen. Dann könne man Italien einen Fußtritt geben.“92 Von Kageneck sah dem Abgang Conrads sehr kritisch entgegen. Er war von dessen Kompetenz tief beeindruckt, wie aus seinen abschließenden Worten klingt: „Einen Nachruf für Conrads Verdienste um die Armee zu schreiben, erübrigt sich. Der seit 1908/09 eingesetzte moderne Ausbau der K. u. k. Wehrmacht ist sein alleiniges Verdienst. Ein Mann von Conrads Temperament tat der langsam arbeitenden Heeresmaschine dringend not. [. . .] Auf seine Bundestreue und Zuverlässigkeit in ernster Zeit konnte man felsenfest bauen.“93 Conrads Nachfolger General Schemua blieb nur ein Jahr im Amt. Die kriegerischen Ereignisse auf dem Balkan Ende 1912 ließen die Rufe nach dem energischen Conrad wieder lauter werden. Vor allem der Erzherzog Thronfolger Franz Ferdinand drängte auf die Rückkehr Conrads.94 Der deutsche Botschafter von Tschirsky schrieb nach einem Gespräch mit dem Grafen Berchtold nach Berlin: „General von Conrad sei jedenfalls genialer als General Schemua und stehe als Militär in bezug [sic] auf die Auffassung der großen Fragen auf einer höheren 90 Conrad hatte durch das von ihm geforderte Recht des direkten Briefwechsels mit den Verteidigungsministern Österreichs und Ungarns (zuständig für die Agenden der Landwehr und Hinvéd, nicht die gemeinsame Verteidigungspolitik) die Ministerpräsidenten der beiden Reichshälften umgangen. Über die Militärattachés in den ausländischen Hauptstädten hebelte er das Außen- und Kriegsminsterium aus. Vgl. hierzu: Sondhaus, Conrad Architekt, 2003, S. 96. 91 PAA, R 8778: Militärbericht Nr. 65, Major von Kageneck an das Auswärtige Amt, ad.A19855IIpr., vom 02.12.1911. 92 PAA, R 8778: von Kageneck 1911. 93 PAA, R 8778: von Kageneck 1911. 94 „Der Erzherzog-Thronfolger wollte seinen Conrad wieder haben, der Kaiser gab diesem Verlangen nach unter der Bedingung, daß der von ihm nie sehr geschätzte Kriegsminister zurücktrat.“ In: PAA, R 8778: Militärbericht Nr. 87, Major von Kageneck an das Auswärtige Amt (I.Nr.217/12), vom 11.12.1911.

III. Defensionsmaßnahmen des K. u. k. Generalstabes

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Stufe als dieser. Wenn seine Majestät der Kaiser bisher sich noch nicht entschließen konnte, den Wunsch des Erzherzogs zu erfüllen, so habe dies darin seinen Grund, dass General von Conrad infolge der Lebhaftigkeit seines Geistes und seines etwas impetuosen Charakters leicht dazu neige, sich auch um Sachen zu kümmern, die außerhalb seines eigentlichen Ressorts liegen.“95

Kurz nach diesem Schreiben – und da Graf Aehrenthal bereits verstorben war – bekam Conrad seine alte Stellung zurück.96 Botschafter Tschirsky versäumte es aber nicht, in seinem Bericht bereits eine präventive Haltung gegenüber Italien anzumahnen. Er forderte von Berchtold, noch vor Conrads endgültiger Wieder-Ernennung nach Rom beruhigende Signale auszuschicken, „[. . .] damit man dort aus der Tatsache dieser Ernennungen – bei der bekannten Haltung, die der General während der [bosnischen, Anm. d. Verf.] Annexionskrise Italien gegenüber eingenommen habe, – nicht etwa falsche Schlüsse ziehe.“97 Berchtold hatte mit seinen Befürchtungen Recht, wie die Berichte des Deutschen Botschafters in Rom widerspiegeln.98 Unter dem neuen Außenminister Graf Berchtold dehnte Conrad seine außermilitärischen Aktivitäten weiter aus und bediente sich dabei der österreichischen Militärattachés speziell in London, Petersburg und Bukarest. Die geführte Korrespondenz erweckt nach Ritter „[. . .] den Eindruck einer vollständigen, von den Botschaftern unkontrollierten Nebendiplomatie des Generalstabes.“99 Mit Ausbruch des Krieges begann eine intensive Zusammenarbeit der Generalstäbe des Deutschen Reiches und Österreich-Ungarns. Während das Verhältnis von Conrad und Helmut von Moltke noch als ‚vertraut und freundschaftlich‘ bezeichnet werden kann, präsentieren sich mit Conrad und Moltkes Nachfolger, Erich von Falkenhayn, zwei Kontrahenten, die auch eine persönliche Abneigung entfremdete. Dies wird besonders in den entscheidenden Wochen des Aprils und Mai 1915 deutlich. Das Verhältnis der Generalstäbe war geprägt von tiefem, gegenseitigem Misstrauen ihrer Chefs, die ganz unterschiedliche Ansichten vertraten. Für Conrad schien es Anfang April endgültig klar, dass der Krieg mit Italien unausweichlich war. Er betonte Falkenhayn gegenüber, dass ein Misserfolg an der Ostfront das 95

PAA, R 8778: Bericht von Tschirschkys Nr. 418 vom 09.12.1912. Zur Übergabe des Neuen/Alten Kommandos auch der Militärbericht Kagenecks Nr. 91 (I.Nr.224/12) vom 17.12.1912, in: PAA, R 8778. 97 PAA, R 8778: Tschirschky Nr. 418 vom 09.12.1912. 98 Vgl. etwa die Berichte Jagows Nr. 474 und 477 vom 13. und 16.12.1912. Darin: „[. . .] und besonders befürchtet man, dass mit der Rückberufung des Generals Conrad von Hötzendorf, wenn auch vielleicht nicht gleich, so doch später sich wieder eine stärkere antiitalienische Strömung in Wien geltend machen wird. Marquis San Giuliano bestätigt mir dies.“ In: PAA, R 8778. 99 Ritter, Staatskunst, II, 1960, S. 288. 96

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C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront

Signal für Italien und Rumänien sein könnte, an der Seite der Entente in den Krieg einzutreten.100 Für diesen Fall wollte er vom galizischen Schauplatz sieben Divisionen nach Italien schicken und drei nach Rumänien während er auf Ersatz dieser Verbände durch deutsche Truppen hoffte. Die Deutsche Oberste Heeresleitung (DOHL) hatte zu diesem Zeitpunkt wieder eine beschränkte Anzahl an Reserve-Verbänden gewonnen, wollte diese aber zu einem Teilschlag im Westen einsetzen. Falkenhayn erachtete „[. . .] die Abzweigung von Kräften gegen Italien, ehe im Westen oder gegen Russland eine Entscheidung gefallen ist, die uns Handlungsfreiheit verschafft, für einen Fehler [. . .].“101 Trotz Falkenhayns Schwerpunktsetzung im Westen sollte der entscheidende Schlag im Osten stattfinden.102 Das Motiv, Italien und Rumänien durch eine erfolgreiche Offensive der Mittelmächte in Galizien vom Kriegseintritt abzuhalten, spielte eine entscheidende Rolle. Conrad und Falkenhayn stimmten darin überein, dass ein Kriegseintritt Italiens und Rumäniens gleichbedeutend mit dem „Verlust des Krieges“ wäre.103 Auf eine deutsche Anfrage antwortete Conrad, dass die italienische Armee nach Eröffnung der Feindseligkeiten in fünf Wochen bis Wien gelangen könnte.104 Nach dem erfolgreichen Durchbruch der 11. deutschen Armee bei Gorlice am 2. Mai und der sich langsam entspannenden Situation auf dem östlichen Kriegsschauplatz beurteilte Falkenhayn die Lage nicht mehr ganz so pessimistisch. Den Vormarsch der Italiener kalkulierte er für Anfang Juni und die ersten, bedrohlichen Auswirkungen auf Österreich-Ungarn für etwa Anfang Juli ein.105 Über die endgültige Operationsführung auf dem neuen Kriegsschauplatz einigte man sich erst kurz vor Italiens Eintritt in den Krieg.106 Dem ging eine mehrtägige Diskussion voraus, in der Conrad folgenden Standpunkt vertrat: Das Vorgehen der Italiener werde zwei Stoßrichtungen haben, über Laibach–Marburg gegen die Donau-Strecke Budapest–Raab und über Villach–Leoben auf Wien. Die wenigen zur Verfügung stehenden Kräfte sollten 100

Vgl.: Conrad an Falkenhayn am 6.4.1915, Urkunde abgedruckt in: Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, Urkunde Nr. 29, S. 420. 101 Falkenhayn an Conrad am 8.4.1915, Urkunde in: Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, Nr. 35, S. 425. 102 Vgl.: Janßen, Kanzler und General, 1967, S. 105. 103 Bei einer Zusammenkunft am 24. April in Berlin. Janßen, Kanzler und General, 1967, S. 109. 104 Siehe: Hillgruber, Erwägungen der Generalstäbe, 1968, S. 356. 105 Vgl.: Reichsarchiv (Hg.): Der Weltkrieg 1914 bis 1918. Die militärischen Operationen zu Lande. (Bd. 8: Die Operationen des Jahres 1915. Die Ereignisse im Westen im Frühjahr und Sommer, im Osten vom Frühjahr bis zum Jahresschluß), Berlin 1932, S. 8, auch: Janßen, Kanzler und General, 1967, S. 117 ff. 106 Vgl.: Schriftwechsel Falkenhayn-Conrad vom 14.5.–23.5.1915, Urkunden abgedruckt in: Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, S. 434–456.

III. Defensionsmaßnahmen des K. u. k. Generalstabes

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den linken italienischen Flügel an der Grenze aufhalten.107 Hierbei sollte das zur Verteidigung hervorragend geeignete Alpenvorland genutzt werden. Conrad rechnete damit, dass die schwachen Grenzschutztruppen den italienischen Vormarsch nur kurzzeitig bremsen könnten, und erwartete die ersten italienischen Truppen des rechten Flügels nach drei bis vier Wochen im Bereich Marburg-Agram. Dort sollten sie von acht K. u. k. Divisionen in einer Bewegungsschlacht gestellt und geschlagen werden. Die dortigen österreichisch-ungarischen Aufmarschräume hatten den Vorteil, „[. . .] den Feind, der in durch das Gebirge getrennten Kolonnen vorgeht, beim Austritt aus dem Gebirge zu fassen und gegen ihn einen kurzen Schlag zu führen, ehe er in die Lage kommt, seine Überlegenheit an Zahl zur Geltung zu bringen.“108 Falkenhayn äußerte Bedenken und begab sich am 21. Mai zu einem Gedankenaustausch ins AOK nach Teschen. Er schätzte die Offensivkraft der Italiener als weit geringer ein und berechnete seinerseits die Zeit bis zum Wirksamwerden des italienischen Angriffes auf sieben Wochen. Die schwachen Deckungskräfte sollten nicht rückwärts der Alpen eingesetzt werden, sondern, da keine Reserve-Truppen für einen österreichisch-ungarischen Gegenstoß bereit standen, die Italiener „[. . .] in vorderster Linie“ und „[. . .] in reiner Abwehr“ aufhalten.109 Falkenhayn gelang es, General Conrad trotz nachdrücklicher Bedenken für diesen Plan zu gewinnen.110 Die grundsätzlichen Erwägungen zum Zusammenspiel der Kräfte auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen formuliert Conrad am 23. Mai: 1. Ausreichend starke Kräfte zur Abwehr einer serbischen Offensive. 2. Abwehr und notfalls Verzögern italienischer Angriffe, um ein „[. . .] italienisches Vordringen in die vitale Zone der Monarchie[. . .]“ zu verhindern. Gleichzeitig eine Weiterverfolgung der in Russland angestrebten Operationsziele. 3. Bei einem weiteren Vordringen der Italiener müssten die Operationen in Russland verringert beziehungsweise eingestellt werden und „[. . .] eine ausreichende Kraft gegen die Italiener geführt werden.“ 107

Vgl.: Reichsarchiv, Weltkrieg 1914 bis 1918, VIII, 1932, S. 9. Conrad an Falkenhayn am 20.5.1915, Urkunde in: Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, Nr. 63, S. 450. 109 Reichsarchiv, Weltkrieg 1914 bis 1918, VIII, 1932, S. 10. 110 Am 22.5. meldet Conrad die Durchführung an die DOHL in Pleß: „Der momentan verringerten Truppenstärke gegen Italien entsprechend, habe ich nach eingehender Erwägung aller Verhältnisse beschlossen, gegen Italien vorläufig ein verteidigungsweises Vorgehen zu beobachten und hierzu die Versammlung des vom Balkankriegsschauplatz heranbefohlenen Gros der 5. Armee sowie der nach Kärnten anrollenden Kräfte möglichst vorwärts, also die ersten Ausladungen an den Isonzo und nach Villach zu verlegen.“ Abgedruckt in: Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, Nr. 65, S. 452, und: Reichsarchiv, Weltkrieg 1914 bis 1918, VIII, 1932, S. 10. 108

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C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront

4. In diesem Fall müsse versucht werden, „[. . .] den Italienern einen ausgesprochenen Schlag zu versetzen, weil bei dem italienischen Wesen ein solcher von kriegsentscheidender Bedeutung werden kann.“111 Conrad verfolgte also immer noch seinen Angriffsgedanken gegen Italien, ohne die realen Verhältnisse zu berücksichtigen. Zu diesem Zeitpunkt waren nicht einmal die Mindestvoraussetzungen für seine Verwirklichung gegeben.112 Dennoch hatten sich die Generalstabschefs endlich auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können. Man hatte eine Grundlage für das Verhalten in den zu erwartenden Kämpfen mit Italien geschaffen und die Frage der Weiterführung des Mehrfrontenkrieges gelöst: Fortführung der erfolgreichen Offensive an der galizischen Front, aber Defensive auf allen übrigen Kriegsschauplätzen.113 3. Österreich-Ungarns Verteidigungsmaßnahmen für den Kriegsfall ‚I‘ Neben den gerade behandelten grundsätzlichen Verteidigungskonzeptionen und Doktrinen stellt sich aber auch die Frage der Umsetzung. In diesem Kapitel soll diese Frage auf vornehmlich taktischer Ebene erörtert werden, wobei die Region um das Pustertal als Beispiel herangezogen wird. Wie wurden diese recht theoretisch anmutenden Verteidigungskonzeptionen in die Praxis umgesetzt? Wie war die Abwehr organisiert? Auf diese zweite Frage wird auch das Kapitel über Die ‚gesamte bewaffnete Macht‘ Österreich-Ungarns weitere Aufschlüsse geben. Die militärischen Abläufe und nachrichtendienstlichen Erkundungen der direkten Vorkriegszeit spielen für die Beantwortung beider Fragen eine gewichtige Rolle. Im August 1914 leitete das K. u. k. Armeeoberkommando erste Maßnahmen zur Abwehr eines möglichen Angriffs durch das damals noch verbündete Königreich Italien ein. Die treibende Kraft war der stets misstrauische Generalstabschef Conrad von Hötzendorf. In seinen Memoiren schreibt er zu den Ereignissen im August: „Auch lag es ganz im Geiste italienischer Mentalität, jetzt, da Österreich-Ungarn im Nordosten und am Balkan schwer bedroht war, den bisherigen, klug getäuschten Bundesgenossen skrupellos von rückwärts anzufallen.“114 Die Bildung einer Verteidigungsfront an der Südgrenze des Reiches erwies sich daher als zwingende Notwendigkeit. Am 13. August 1914 erließ 111 Alle Zitate aus Conrads Denkschrift an Falkenhayn, Urkunde in: Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, Nr. 67, S. 456. 112 Vgl.: Pantenius, Angriffsgedanke, I, 1984, S. 584. 113 Vgl.: Reichsarchiv, Weltkrieg 1914 bis 1918, VIII, 1932, S. 10. 114 Conrad, Dienstzeit, IV, 1923, S. 377.

III. Defensionsmaßnahmen des K. u. k. Generalstabes

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das K. u. k. Armee Oberkommando einen Befehl zur Aufstellung einer höheren militärischen Befehlsstelle, die die Vorbereitungen zur Abwehr eines kommenden beziehungsweise zu erwartenden italienischen Angriffs zu treffen hatte. Dieser Befehl erging an den Kommandanten der geplanten Führungsstelle, den General der Kavallerie Franz Freiherr von Rohr, von dem zuständigen Armeeoberkommandanten Erzherzog Friedrich. Der Auftrag lautete unter anderem: „Mehrfache Anzeichen deuten darauf hin, dass Italien sich vorbereitet um die gegenwärtige Lage, die unsere ganze Feldarmee auf andere Kriegsschauplätze bindet, zur Verwirklichung längst geplanter Erwerbungen in unseren Grenzprovinzen auszunützen. Ob ein solcher Anschlag gegen die Monarchie tatsächlich erfolgen wird, mag noch von der weiteren Entwicklung der politischen und militärischen Situation abhängen. Wann und in welcher Art feindliche Unternehmungen einsetzen können, lässt sich gegenwärtig nicht abschätzen. Jedenfalls besteht unsererseits der Entschluss ihnen mit großer Entschiedenheit entgegenzutreten.“115

Für die konkrete Durchführung der Maßnahmen war das Grenzgebiet in den Hauptrayon (Hauptabschnitt) Innsbruck, der ganz Tirol und Vorarlberg umfasste, und in den Hauptrayon Graz, für das übrige Gebiet, aufgeteilt. Das militärische Kommando in den bedrohten Territorialbereichen hatten Feldmarschalleutnant (FML) Ludwig von Können-Horák und Generalmajor (GM) von Mattanovich.116 Besonderes Augenmerk sollten sie auf irredentistische Unruhen haben, die einen casus belli provozieren könnten. Im Armeebefehl hieß dies: „Nach verschiedenen Nachrichten können zunächst in Südtirol und im Görzischen ein Einfall irregulärer (Freiwilliger, Garibaldiner) oder auch nur die Aufwiegelung einer Erhebung dieser Gebiete hervorrufen und so Ansprüche für militärische Aktionen schaffen. Es ist somit höchste Wachsamkeit und gegebenenfalls äußerste Energie geboten um jede Bewegung im Keime zu ersticken und den Gedanken, dass wir vielleicht unter den jetzigen Verhältnissen nicht zur unbedingten Verteidigung unseres Rechtes und Besitzes entschlossen sind, aufkommen zu lassen. Im Falle eines Krieges Italiens gegen die Monarchie wird es sich darum handeln.“117

Kam es zum Krieg gegen Italien, sollte Rohr den auf Wien vordringenden Feind solange aufhalten, bis ausreichende Kräfte von anderen Kriegs115 AOK Befehl Op.Nr. 560 vom 13. August 1914, abgedruckt in: Conrad, Dienstzeit, IV, 1923, S. 378–382, hier: S. 379. Siehe auch CAN, C-12: Unveröffentlichtes Manuskript Heinrich von Masts: Die Verteidigungsmaßnahmen in Italienisch Südtirol von August 1914 bis zur Kriegserklärung Italiens am 23. Mai 1915 und der Anteil an denselben durch die Italienisch Südtiroler Standschützen. Maschinenschriftlich, 14 Seiten. 116 Als Gruppenkommandanten waren eingesetzt: Generalmajor Ignaz v. Verdroß (für Südtirol) und Generalmajor Oskar Schiesser (für den Raum von FranzensfesteBruneck). 117 AOK Befehl Op.Nr. 560 vom 13. August 1914, abgedruckt in: Conrad, Dienstzeit, IV, 1923, S. 378–382, hier: S. 379. Siehe auch CAN, C-12.

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C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront

schauplätzen herangeführt waren. Allerdings wurde ihm auf Zuschub von Truppen der Feldarmee keine große Hoffnung gemacht. Zur Durchführung dieser Aufgabe wurden ihm „ [. . .] alle im Territorialbereich Innsbruck [bzw. Graz, Anm. d. Verf.] nach dem Abtransport der Feldarmee zurückbleibenden militärischen Formationen“ unterstellt.118 Dies entsprach einem bunt zusammengewürfelten und unorganisierten Haufen. Darunter befanden sich „[. . .] Marschbataillone, Ersatzkörper, Eisenbahnsicherungen, Küstenschutz- und Grenzfinanzwachabteilungen, Gendarmerieposten mit Landsturmassistenzen, Marinesignalstations- und Kabelwachen.“119 Dazu kamen noch nicht aufgebotene Landsturmpflichtige und in Tirol und Vorarlberg die Standschützen, von denen noch die Rede sein wird. Der Befehl des AOK ergab lediglich die Durchführung organisatorischer Vorbereitungen zur Landesverteidigung und machte die Verwirklichung derselben noch von einem besonderen Befehl abhängig. Inzwischen waren weitere Nachrichten über die anschwellende Tätigkeit der italienischen Presse gegen Österreich-Ungarn dazugekommen, die bedeutende Subventionen, besonders von Seiten Frankreichs erhielt. Dies und die Zunahme der Möglichkeiten, mit einem Einfall italienischer Freiwilligenverbände in das österreichische Reichsgebiet rechnen zu müssen, ergab die Notwendigkeit mit der organisatorischen Durchführung der Reichsverteidigung gegen Italien zu beginnen. In diesem Sinne genehmigte Kaiser Franz Joseph den diesbezüglichen Antrag des Armeekommandos am 27. August 1914 mit vorläufiger Ausnahme einer offiziellen Volksbewaffnung, das heißt der Aufbietung von Freiwilligenverbänden. Diese Einschränkung geschah über Antrag des Ministeriums des Äußeren, das – wie in den vorangegangenen Kapiteln geschildert wurde – immer noch hoffte, dass Italien neutral bleiben werde. Mit dieser Genehmigung begann die planmäßige militärische Abwehrvorbereitung an der gesamten Südfront. Währenddessen hatte Italien seine Kriegsvorbereitungen getroffen. Am 2. August 1914 wurde die ‚leichte Mobilmachung‘ der italienischen Armee angeordnet und am 21. August 1914 wurden die ersten Weisungen für die Kriegsvorbereitungen während der Dauer der Neutralität herausgegeben. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass seit August 1914 die italienische Armee an Stärke laufend zunahm und so an der Südgrenze der Donaumonarchie aufmarschierte. Aus dieser Warte gesehen war die Lage der beiden K. u. k. Militärkommandanten von Graz und Innsbruck wohl mehr als ungünstig. Für eine erfolgreiche Abwehr verfügten sie nur über eine minimale Anzahl aktiver Truppen (erster Linie), da diese laufend auf den nördlichen Kriegsschauplatz abgezogen wurden. Was blieb, waren zahlen118 119

Conrad, IV, 1923, S. 380. Ö. U. L. K., Bd. II, 1931, S. 289.

III. Defensionsmaßnahmen des K. u. k. Generalstabes

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mäßig schwache Landsturmformationen und die Rekruten bei den Ersatzkörpern, die aber meistens nach ihrer Ausbildung an die Front abgingen. Beide Militärkommandanten waren daher gezwungen, Freiwilligenverbände anzustellen, um die vorhandenen Lücken notdürftig zu schließen. In Tirol waren die aktiven Truppen im August vollzählig an die Nordfront abgegangen Zurück blieb daher nur mehr die so genannte Sicherheitsbesatzung, in diesem Fall die K. u. k. Marsch-Brigade unter Oberst von Wieden, deren acht Landsturmbataillone unter anderem in Riva, Trient, Predazzo, Bruneck standen und die dazu gehörenden vier Artillerie Batterien in Fucine, Predazzo und Riva. Zu diesen Truppenkörpern kamen noch Landsturmsicherungsabteilungen für die Bahnen, Gendarmerieposten und Finanzwachabteilungen sowie die Besatzungen der Sperrwerke. Das waren 20 Kompanien Festungsartillerie mit 21 Kaiserschützen Abteilungen. Sicherlich befanden sich zu diesem Zeitpunkt noch eine Reihe militärische Verbände in Tirol. Es waren dies die zwei Ersatzabteilungen der insgesamt vier Kaiserjäger und drei Kaiserschützenregimenter, zwei Ersatz Batterien der Gebirgs-Artillerieregimenter 8 und 14 und das Feldhaubitzenregiment 14.120 Sie setzten sich aber aus eingerückten Reservisten für die Marschformationen der Nordfront und Rekruten zusammen, die gleichfalls nach ihrer Ausbildung in den Norden abgehen mussten. Auf alle diese Formationen konnte und durfte das Militärkommando Innsbruck nicht rechnen. Dass daher mit den vorhandenen, geringen aktiven Truppen kein ernstlicher Widerstand geleistet werden konnte, erschien klar. Allenfalls eine Gegenwehr gegen möglicherweise einfallende Freischaren schien eine geringe Aussicht auf Erfolg zu haben, aber niemals gegen reguläre Truppen. Die Truppenmacht des Generals Rohr schmolz durch Abberufungen und Verlegungen kontinuierlich dahin, und so wurde im September 1914 der Auftrag der Gruppe sogar formell dahingehend eingeschränkt, lediglich das „[. . .] Gebiet gegen Einfälle Irregulärer unbedingt zu sichern.“121 Das Militärkommando sollte sich bei einem Einbruch regulärer Truppen auf die Befestigungen konzentrieren, von denen erwartet wurde, dass sie bis zum Äußersten gehalten werden konnten. Mit der Übernahme der Aufgaben der Landesverteidigung in einem Kriegsfall mit Italien durch das K. u. k. Militärkommando Innsbruck als Nachfolger des K. u. k. Korpskommandos und damit als Landesverteidigungskommando ergaben sich auch organisatorische Besonderheiten. In erster Linie die Aufstellung eines Hauptrayonskommandos Tirol, welches personell mit dem Militärkommando Innsbruck verbunden blieb. Das Haupt120

CAN, C-12: Manuskript Heinrich von Mast. Befehl Op.Nr. 2278 vom 20. September 1914, abgedruckt in: Conrad, Dienstzeit, IV, 1923, S. 816. 121

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C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront

rayonskommando Tirol gliederte sich in zwei Gruppenkommandos: Nordtirol und Bozen. Das Gruppenkommando Bozen setzte sich organisatorisch aus der Gruppe Bozen und fünf Subrayonskommanden mit zehn Verteidigungsbezirken zusammen. Da diese Organisation für den Verlauf der weiteren Arbeit und für das Verständnis fast aller relevanter (Front-)Karten unerlässlich ist, soll sie hier genannt sein:122 Gruppe Bozen: Raum: Etschtal von Naturns bis Salurn, Eisacktal ab Brixen, Grödnerjoch und Welschnofen Subrayon I:

Raum: Oberes Etschtal bis Mals (entspricht Verteidigungsabschnitt 1)

Subrayon II:

Raum: Nonstal und Sulztal Verteidigungsabschnitt 2: Monte Cevedale–Passo Tonale

Subrayon III:

Raum: Ledrotal, Judicarien, Val di Rendena, Sarca Tal bis Riva Verteidigungsabschnitt 3: Raum: Pinzolo–Tione–Lardaro Verteidigungsabschnitt Festung Riva Verteidigungsabschnitt 4: Raum: Rovereto–Monte Baldo–Pasubio–Monte Maggio

Subrayon IV:

Raum: Valsugana–Fleimstal–Fassatal. Fiera di Primiero, Pieve di Tesino-Hochflächen von Folgaria und Lavarone, Casotto Verteidigungsabschnitt 5 Raum: Hochplateau von Lavarone und Folgaria Verteidigungsabschnitt 6 Raum: Panarotta–Schwarzkofel Verteidigungsabschnitt 7 Raum: Fleimstal (Ziolera–Monte Coppolo–Lusia) Verteidigungsabschnitt 8 Raum: Fassatal (Cimone della Pala-Marmolata–Padon Kamm)

Subrayon V:

Raum: Pustertal, Gadertal, Tofane–Landro–Sexten Verteidigungsabschnitt 9: Monte Padon–Monte Cristallo Verteidigungsabschnitt 10 Monte Cristallo–Sexten–Kreuzbergsattel–Karnischer Kamm.

122 Dieser Schilderung liegt die Karte des österreichischen Generalstabswerkes zugrunde: Beilage Nr. 27 ‚Die Kämpfe in Tirol im Mai und Juni 1915: in: Band II Ö. U. L. K., Wien 1931. Daneben wurden verschiedene Karten des Archivs Canaris und des MILAR/MHFZ ausgewertet. Sie hierzu auch: Lichem, Heinz von: Die Tiroler Hochgebirgstruppe. Die Friedens- und Kriegsgeschichte der k. k. Tiroler Landesschützen-Regimenter, Kaiserschützen-Regimenter Nr. I, Nr. II und Nr. III von ihren Anfängen bis zum Ende des Ersten Weltkrieges (Univ. Diss.), Innsbruck 1982, S. 101 f.

III. Defensionsmaßnahmen des K. u. k. Generalstabes

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Diese Aufgliederung entsprach, historisch gesehen, jener, die im Kriege 1866 gegen Italien bereits erfolgreich angewendet worden war. Feldmarschalleutnant von Können-Horák, Militärkommandant des Hauptrayons Tirol, wie Landesverteidigungskommandant von Tirol waren sich klar, dass mit den vorhandenen militärischen Kräften eine erfolgreiche Verteidigung der Südtiroler Grenze kaum möglich sein würde.123 In Zusammenarbeit mit GdK Rohr entwickelte man daher bis 18. August 1914 folgende Lösung: Gegenüber einem Angriff der Italiener wollte man das Land Tirol bis zum äußersten halten, gestützt auf die Befestigungen und das mobilisierte Volksaufgebot. Die von Villach durch das obere Murtal zum Semmering führende Vormarschlinie sollte unter Ausnützung der Befestigungen von Malborghet, Predil und Flitsch gesperrt werden und östlich der Linie Görz–Triest den Italienern den Einbruch in das Karstgebirge verwehren. An einen Entscheidungskampf gegen die hier angesetzte, wohl stärkste italienische Heeresmasse war erst auf Höhe der Save zu denken. Selbst hierzu müssten dann aber ausreichende Verstärkungen zugeschoben worden sein.124 Eine außerordentlich informative Quelle, welche die Verteidigungskonzeptionen bis zum italienischen Kriegseintritt aus erster Hand schildert, ist das Gesuch des Generals von Können-Horák um die Verleihung des Militär Maria Theresienordens.125 Können-Horák war für die Verteidigung Tirols in diesen Monaten der wohl wichtigsten Mann. Auch wenn man sein Ordensgesuch sehr kritisch lesen muss – weil der Antragsteller natürlich seine Taten hervorhebt – ist es als historische Quelle zulässig. 123 Ludwig von Können-Horák, Edler von Höhenkampf (1861–1931), Geheimer Rat des Kaisers von Österreich, K. u. k. General der Infanterie. Landesverteidigungs Kommandant in Tirol und Vorarlberg und Kommandant des K. u. k. Militärkommandos Innsbruck von August 1914 bis 23. Mai 1915. Damit war er Hauptorganisator der Tiroler Landesverteidigung gegen Italien bis zum Kriegsausbruch an der Südwestfront. Vom 23. Mai 1915 bis 3. August 1917 war er Rayons Kommandant an der Südtiroler Front vom Adamello bis zu den Fassaner Alpen. Vergleiche hierzu: CAN, C-6, CV Können-Horák. 124 Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. II, 1931, S. 290. 125 Diese besondere Auszeichnung des Militär Maria Theresienordens der K. u. k. Monarchie wurde verliehen für aus eigener Initiative unternommene, erfolgreiche und einen Feldzug wesentlich beeinflussende Waffentaten. Es kam bei der Verleihung des Ordens nicht auf Rang, Religion oder Abkunft, sondern nur auf militärisches Verdienst an. Das Ordenskapitel prüfte die Taten der Kandidaten. Die Verleihung erfolgte sehr zurückhaltend. Der Orden war mit einer Pension verbunden, wobei die Witwen der Ordensträger auf Lebenszeit die Hälfte des ursprünglichen Betrages erhielten. Vgl.: Hofmann, Oskar von/Hubka, Gustav von: Der Militär-Maria Theresien Orden. Die Auszeichnungen im Weltkrieg 1914–1918 (unter Leitung des GdI Carl von Bardolff), Wien 1944.

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C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront

„In dieser äußerst kritischen Lage [zum Jahreswechsel 1914/1915, Anm. d. Verf.], wo Italien jeden Tag losschlagen konnte, das AOK aber jeden Mann und jede Kanone auf anderen Kriegsschauplätzen dringend brauchte und auch abdisponierte, schritt ich, unbeschadet der sonstigen mir als Milkmdt. in Innsbruck zu kommenden Dienstgeschäfte, mit Genehmigung des inzwischen errichteten Kommandos GdK Franz Rohr, zur Selbsthilfe. Unter tatkräftiger Mitarbeit meines besonders energischen und hervorragenden Generalstabschefs, des damaligen Hptm. des Gstbkps. Rudolf Pfersmann von Eichtal wurden nunmehr aus eigenem Antrieb, zum großen Teil auf eigene Verantwortung, nur auf allgemeinen Weisungen fußend, eine Anzahl sehr weit gehender Verteidigungseinrichtungen geschaffen, die in ihrer Gesamtheit den Erfolg hatten, dass Italien fast ein Jahr den allseits erwarteten Putsch auf Tirol nicht wagte, sondern erst im Mai 1915 zum Angriff schritt.“126

Die von ihm angesprochenen Maßnahmen umfassten beispielsweise die Schaffung zweckmäßiger Alarmweisungen, durch welche die vom Frieden her bestehende Subrayons- und Grenzabschnittseinteilung der Lage angepasst und zugehörige Kommandos ernannt wurden. Laut eigener Aussage wurde für den Fall eines italienischen Putsches „[. . .] ein gewaltiges Volksaufgebot im Stile Andreas Hofer 1809 organisiert.“127 Im Bewusstsein, dass die Sperren und Werke der Landesverteidigung einen Angriff wahrscheinlich nur kurz würden aufhalten können und einem groß angelegten feindlichen Einbruch nur an befestigten Linien standgehalten werden könnte, „[. . .] wurde sogleich eine neue geschlossene Verteidigungslinie projektiert und ausgemittelt, die beim Stilfserjoch begann und um ganz Tirol bis zur Kärntner Grenze führte. Wer Tirol und den Tiroler Winter kennt, wird die Schwierigkeiten einzuschätzen wissen, unter denen eine solche Linie festgelegt und im Gelände ausgemittelt wurde.“128 Der Winter 1914 auf 1915 verstrich, ohne dass Italien angriff. Die Verteidigungsdoktrin hielt sich weiterhin an den im September 1914 ausgegebenen Befehl und seine Aufgabenstellung.129 Selbst im April 1915 wich man davon nicht ab. In der Order des Militärkommandos Innsbruck vom 10. April 1915 wird der September Befehl lediglich konkretisiert: Nach erfolgter Einnahme der Sommerstationen der Truppen, zeitlich bedingt durch die Schneeschmelze, mussten folgende Punkte gewährleistet sein „Ein kraftvolles Zurückwerfen eindringender Banden muss unter allen Umständen gewährleistet sein. Hierzu wird sich eine scharfe Grenzbeobachtung und ein offen126 MILAR/MHFZ, MIL-IBK 9: Abschrift des Ordensgesuchs des Generals der Infanterie Ludwig von Können-Horák um Verleihung des Militär Maria Theresienordens (im Folgenden abgekürzt: Können-MMThO). 127 MILAR/MHFZ, MIL-IBK 9: Können-MMThO. 128 MILAR/MHFZ, MIL-IBK 9: Können-MMThO. 129 AOK Befehl Op.Nr.2278 vom 20. September 1914, abgedruckt in: Conrad, Dienstzeit, IV, 1923, S. 816. Dieser Befehl wurde transformiert auf Ebene der Tiroler Landesverteidigung durch General Rohr in Op.Nr.255 vom 23.09.1914.

III. Defensionsmaßnahmen des K. u. k. Generalstabes

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sives Einsetzen der Grenzabschnitts- und Subrayonsreserven empfehlen. Wenn an Kraft überlegen, müssen die Banden zum mindesten an der Widerstandslinie [die hinter der Landesgrenze verlief, Anm. d. Verf.] verlässlich aufgehalten werden. Volkreiche Orte, in denen innere Unruhen entstehen können, müssen nach wie vor mit entsprechender Besatzung versehen werden.“130

Das dominante Ziel war es, möglichst wenig vom „[. . .] geheiligten Tiroler Boden freiwillig“ aufzugeben.131 Deshalb hatte man schon in Friedenszeiten danach getrachtet, eine kurze, schon im Gelände starke Front zu haben. Dass diese Widerstandslinie nicht überall genau mit der Reichsgrenze zusammenfiel, ergab sich vor allem aus dem Bestreben, die Arbeiten der Beobachtung eines potentiellen, künftigen Gegners zu entziehen. Außerdem verboten strenge Befehle alle Arbeiten an und in der Nähe der Grenze. Selbstverständlich wurde aber die Notwendigkeit berücksichtigt, die Stellungen an die für die Verteidigung günstigsten Punkte zu verlegen, auch wenn dadurch kleinere Gebietsteile dem Angreifer (vorläufig) überlassen werden mussten. Aus diesen taktischen Gründen hatte das Militärkommando bereits bei Kriegsbeginn schwer haltbare Talabschnitte von vornherein aufgegeben. Im Tiroler Grenzgebiet zählten hierzu der südliche Teil des Judicarientals, der ausspringende Winkel des österreichischen Berglandes zwischen dem Idrosee und dem Gardasee, das Etschtal südlich von Rovereto (Eisenbahngrenzstation Ala), der östlich von Borgo liegende Teil der Valsugana und in den Dolomiten die Berglandschaft von Cortina d’Ampezzo und das nur im Sommer zugängliche Primiero. Neben befestigungstechnischen und verkehrsgeographischen Vorteilen konnte durch diese Maßnahmen die Front um 100 Kilometer (von circa 450 auf 350 Kilometer) verkürzt werden.132 Vor allem aber räumte man die Gebiete kampflos, weil sie nicht mit Aussicht auf Erfolg zu verteidigen gewesen wären. Die hier genannte Widerstandslinie folgte in ihrem Verlauf den bereits im Kapitel TopographischGeographische Aspekte des Frontverlaufs gemachten Angaben sowie der in diesem Kapitel aufgeführten Abschnitts- und Rayonseinteilung. Können-Horák zur Ausführung dieser Verteidigungslinie: 130 MILAR/MHFZ, MIL-IBK 9: K. u. k. Militärkommando Innsbruck, Sommergruppierung-Sommer 1915 (Präs.Nr.7000) vom 10.04.1915. 131 MILAR/MHFZ, MIL-IBK 9: Können-MMThO. 132 Eine detaillierte Übersicht über die Widerstandslinie in: MILAR/MHFZ, MILIBK 9: K. u. k. Militärkommando Innsbruck, Sommergruppierung-Sommer 1915 (Präs.Nr.7000) vom 10.04.1915. Vgl. auch: Pichler, Krieg, 1924, S. 23 f. Auch an der Isonzofront musste sich die K. u. k. Armee aufgrund ihrer geringen Stärke auf verteidigungsgünstiges Gelände zurückziehen. Zum Frontverlauf am Isonzo: Ammann/Schullern, Kämpfe am Isonzo, 2003, S. 6 f. Auch: Simcˇicˇ, Miro: Die Schlachten am Isonzo. 888 Tage Krieg im Karst in Fotos, Karten und Berichten, Graz/Stuttgart 2003, S. 27.

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C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront

„Es ist klar, dass das geplante Riesenwerk in einem Winter mit den sehr beschränkten Mitteln nicht vollkommen fertig gestellt werden konnte. Es mussten zuerst die wichtigsten Linien durch feldmäßige Anlagen gesperrt, die im Hochgebirge liegenden Teile wenigstens zur Beobachtung eingerichtet werden. Immerhin hatten die sehr energisch betriebenen Arbeiten den Erfolg, dass die Italiener den Wert unserer Befestigungsarbeiten weit überschätzend einen Handstreich nicht wagten und sich erst dann loszuschlagen trauten, als sie mit ihren Vorbereitungen vollkommen fertig waren.“133

Gleichzeitig mit dieser ersten Linie wurden dahinter noch mehrere Stellungen (Nauders, Val Nambrone, St. Lugano, Canazei, Karerpass, Fassatal, Sella- und Grödnerjoch, Jaufen, Klausen, Franzensfeste und Hollbruck) vorbereitet, die für den Fall eines Misserfolges die Tiroler Verteidiger hätten aufnehmen müssen. Neben der Organisation der Widerstandslinie und deren Befestigung lagen in den Schubladen der Militärs schon seit längerem die Dokumente, die den Kriegsfall genau regelten. Extrahiert man aus den in bestem Beamtenund Juristendeutsch geschriebenen Befehlen die wichtigsten Passagen, so ergibt sich folgendes: Es wurden je nach Bedrohung verschiedene ‚Lagen‘ unterschieden. Diese umfassten: – den Fall der ‚Bedrohlichen Lage‘ vor einer Alarmierung oder Mobilisierung – den Fall einer Alarmierung ‚Kriegsfall I‘ – den Fall einer Mobilisierung ‚Kriegsfall I‘. Für eine ‚Bedrohliche Lage‘ galt als Aufgabenstellung: „Erhöhter Grenzbeobachtungs- und Sicherungsdienst nach fallweise ergehenden Anordnungen des Baonskommandos. [. . .] Falls die Sommerstationen nicht bezogen sein sollten, so müssen diese spätestens 6 Stunden nach Verlautbarung des Befehles mit dem vollkommen kriegsmäßig ausgerüsteten Präsenzstande bezogen werden.“134 Gleich nach der Verlautbarung des Befehles musste mit dem Schärfen und Entglänzen der blanken Waffen (mit Hilfe von Salpetersäure) begonnen werden. Da man sich in den Bergen befand, war die alpine Ausrüstung, also Bergstöcke, Eispickel, Steigeisen, Seil und Schneebrillen stets in die Sommerstationen mitzunehmen. Die Winterausrüstung (Skier und Schneereifen) musste nur in der Zeit von 1. September bis Ende Mai – je nach den Schneeverhältnissen – mitgenommen werden.135 Dies zeigt auch den kurzen Zeitraum, praktisch nur vier Monate, der im Hochgebirge 133

MILAR/MHFZ, MIL-IBK 9: Können-MMThO. KROB, Faszikel: Kaiserschützen Mob-Pläne bis 1914, hier: „Weisungen für die Unterabteilungen im Falle der Annahme der Kriegsstände und einer Standeserhöhung“ Nr.200res.mob.ex1913, ausgegeben beim K. k. Landesschützebataillon Innichen 4/III. 135 Vgl.: KROB, Faszikel: Kaiserschützen Mob-Pläne bis 1914. 134

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als Sommer bezeichnet werden kann. Im Falle der Mobilisierung für den Kriegsfall Italien erhielt jeder Unterabteilungskommandant eine Skizze mit der Detailgruppierung und einen vorbereiteten, schriftlichen Auftrag. Dazu kam die strikte Bestimmung: „Vor angeordnetem Kriegsbeginn darf die Grenze nur über speziellen Befehl des Hauptrayons (Korps)-Kommandanten überschritten werden oder wenn seitens des Gegners die Feindseligkeiten eröffnet werden die mit vollster Intensivität zu erwidern sind !!!!“136 Hinzu kamen die Anweisungen: „[. . .] Automobile, die die Grenze passieren wollen, sind dem Subabschnittskommandanten zu übergeben. Ebenso alle italienischen Deserteure, Gefangenen, im Grenzbereich aufgegriffenen Zivilisten und angeblichen Kundschafter. Eigene Kundschafter legitimieren sich mit einem vom K. [undschafts-] Offizier unterschriebenen, die Personenbeschreibung und den Ort des Grenzübertrittes enthaltenden Passierscheine und einem Pass, der K. k. Bezirkshauptmannschaft Lienz. Die Passierscheine sind den Kundschaftern abzunehmen, mit Orts- und Zeitangabe des Grenzübertrittes zu versehen und ehestens an die K. [undschafter] Stelle einzusenden.“137

Aus diesen Anordnungen wird klar ersichtlich, dass der Zustand einer Mobilisierung zwar dem formalen Kriegseintritt vorausging, der Krieg aber nahezu unvermeidlich war. So sind auch die Mobilmachungen der europäischen Mächte zu sehen, die 1914 wie das berühmte Räderwerk abliefen. Eine Mobilmachung war ein glasklares Signal an einen anderen Staat, dass der Krieg naht. Sie unterschied sich organisatorisch kaum vom Kriegsfall, außer dass dann die Munitionsvorräte weiter aufgestockt wurden und die Soldaten den Befehl ‚Feuer frei‘ erhielten. Für den speziellen Konfliktfall Österreich-Ungarn versus Italien muss festgestellt werden, dass der Kriegszustand überraschend und nahezu über Nacht eintrat. Am 18. Mai wurde lediglich auf Seiten Österreichs ein „schärferer Bereitschaftszustand“ angeordnet.138 Die Kriegserklärung durch Italien erfolgte, ohne dass ein Alarmbefehl für die Tiroler Grenzformationen ausgegeben worden war. Der verantwortliche Kommandierende in Innsbruck, General Können-Horák listete die wichtigen Daten in einem Aufsatz auf: – 03. Mai – Kündigung des Bündnisvertrages durch Italien, – 11. Mai – die unumschränkte Ausrüstung wurde verfügt, eingestellt am 15. Mai und wieder aufgenommen am 17. Mai, – 18. Mai – Aufstellung der Standschützen.139 136

KROB, Faszikel: Kaiserschützen Mob-Pläne bis 1914. Hervorhebung exakt wie im Original. 137 KROB, Faszikel: Kaiserschützen Mob-Pläne bis 1914. 138 BA-MA, PH 3 Nr. 72: Memoire über die Irredenta in Tirol und ihre Bekämpfung vor Beginn und während des Weltkrieges, verfasst vermutlich 1918 von Hauptmann Kliewer.

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C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront

Diese formal und spitzfindig anmutenden Fragen hatten ganz gravierende praktische Folgen. Da dem Militärkommando in Tirol die Anweisung erteilt wurde, dass der verschärfte Bereitschaftszustand nicht die im Alarmbefehl vorgesehenen Maßnahmen auszulösen habe, konnten alle auf dem Alarmbefehl basierten Vorkehrungen erst nach Eintritt des realen Kriegszustandes eingeleitet werden.140 Kostbare Zeit war dadurch insofern verschenkt worden, als dass der Ausbau der Grenzbefestigungen, die Aufstellung von Truppen, die Vorkehrungen bezüglich Versorgung und Nachschub der Armee und vieles mehr nicht vorbereitet waren und erst ad hoc in Gang gesetzt werden mussten. 4. Festung Südtirol – Fortifikationswesen im Grenzgebiet Die bereits in den vorhergehenden Kapiteln angesprochenen Befestigungsanlagen sind in ein Gesamtbild einzuordnen. Weil den Festungen so zentrale Bedeutung zukam, vor allem in der kritischen Phase bis zum Kriegsausbruch und direkt danach, sollen sie Gegenstand dieses Kapitels sein. Bis Mai 1915 ging von ihnen vor allem ein Drohpotential aus, welches den italienischen Generalstab massiv in seinen Entscheidungen beeinflusste.141 Nach Kriegsausbruch 1915 wirkten die Festungswerke entweder in ihrer ursprünglichen Aufgabe, nämlich der Sperrung der Einbruchslinien, oder aber sie wurden desarmiert, während sie dem italienischen Gegner noch immer eine Besetzung vorgaukelten. Das österreichisch-ungarische Befestigungssystem gegen Italien bildete bei der defensiven Position der Doppelmonarchie das Rückgrat der Gebirgsfront.142 Die gut ausgebildeten Besatzungen der Landesschützenregimenter boten den – zumeist milizartigen – Truppen der Verteidigungsabschnitte einen festen Rückhalt. Das Gros der Werke befand sich an der Tiroler Front, wo sie die nach Italien hineinragende Landesgrenze umschlossen.143 Im Gebirge nahmen vor allem die Geländeform und Höhenlage einen überragenden, teilweise sogar zwingenden Einfluss auf den Verlauf der Widerstandslinie. Auch die bauliche Gestaltung von Befestigungen hatte sich 139 Vgl.: Können-Horák, Ludwig von: Ein Rückblick 1511–1918, in: Bator/Bartl, Jahrbuch 1924 der Kaiserschützen, 1923, S. 30–37, hier: S. 35. 140 BA-MA, PH 3 Nr. 72: Memoire über die Irredenta. 141 Cadornas Gedanken zu den Fortifikationen in: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 96 ff. 142 Speziell zu taktisch-technischen Problemstellungen sowie zur Architektur: Paula, Kurt Mörz de: Der österreichisch-ungarische Befestigungsbau 1820–1914 (Österreichische Militärgeschichte, Sonderband 1995), Wien 1995. 143 Vgl. auch: Rosner Willibald, Die fortifikatorische Sicherung der Ostgrenze Südtirols, in: Kuprian/Mazohl-Wallnig/Barth-Scalmani, Ein Krieg – zwei Schützengräben, 2005, S. 267–280.

III. Defensionsmaßnahmen des K. u. k. Generalstabes

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daran zu orientieren. Die charakteristischen Eigenschaften des Gebirges führten schließlich sogar zu einem eigenen Typ der ‚Gebirgsbefestigung‘ als Sonderarchitektur bei der Fortifikation. Ausgesprochen gebirgige Landesteile stellten ein sehr dankbares Gebiet für die Anlage ständiger Befestigungen dar. Hier konnte man nämlich mit einem verhältnismäßig bescheidenen Aufwand an kostbaren Baustoffen bauen. Andererseits waren Gebirgsländer arm an Verkehrslinien und Hilfsquellen. Der Grad der Technisierung beziehungsweise einer ‚technischen Kultur‘ war ebenfalls oft sehr gering. Die Schwierigkeiten, die durch die Bodengestaltung größeren militärischen Unternehmungen erwuchsen, werden in den nachfolgenden Kapiteln noch eingehend erläutert, für die Errichtung von Festungen ist ein Umstand aber bereits hier zu nennen: der Mangel an Straßen und Wegbündeln, die für einen Aufmarsch in breiter Front unerlässlich waren. Gute Straßen führten im Allgemeinen nur durch die Täler und über die zwischen diesen liegenden Pässe. Der Verkehr abseits der Straßen musste sich auf schmalen, meist steilen Fahr- und Saumwegen oder Fußsteigen abspielen. Dies erforderte einen erhöhten Kraft- und Zeitaufwand und bedurfte einer diesen Verhältnissen angepassten Gebirgsausrüstung der Truppe. Bewegungen im Bereiche der Fels- und Gletscherregionen gestalteten sich besonders schwierig und zeitraubend. In Höhenlagen erschwerten die schüttere Besiedlung und die dann verhältnismäßig bescheidene Lebensform der Bewohner sowie der Wassermangel die Unterbringung und Versorgung der Truppen. Oberhalb der Baumgrenze fehlte auch Brennholz. Die Witterungsverhältnisse des Hochgebirges sind durch lang anhaltende und außerordentlich hohe Schneelagen sowie durch starke Nebel, heftige Stürme und große Temperaturunterschiede gekennzeichnet. Schnee- und Erdlawinen, Steinschlag, Schneestürme und erhöhte Blitzgefahr treten hinzu. Aus diesen Überlegungen kann leicht abgeleitet werden, weshalb militärischen Operationen im Gebirge lange Zeit hindurch eine beträchtliche Scheu entgegengebracht worden war. Erst die Bedrohung Österreichs durch die Franzosen unter Napoleon I. führte zum Bau einzelner Sperrwerke an fahrbaren Tälern und Pässen. So waren die Blockhäuser von Predil und Malborgeth im Jahre 1809 dazu bestimmt, den Vormarsch der französischen Heeresmassen zu verzögern. In den späteren Jahrzehnten war man aber daran gegangen, vor allem die über die Tiroler Grenzen führenden Einbruchswege planmäßig durch ständige Befestigungen zu sperren. Hinter diesen Sperrwerken und Sperrgruppen am Zusammenlauf der einzelnen Täler entstand als Rückhalt ein so genannter Zentral-Waffenplatz, der die Möglichkeit bot, eine oder mehrere durch die Sperren gewaltsam eingebrochene feindliche Kolonnen mit überlegener Kraft anzufallen und zu vernichten, bevor ihnen von den weit

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C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront

entfernt stehenden Truppen Entsatz zugeführt werden konnte. Der zentrale befestigte Platz in Tirol (Place du moment) war die Festung Trient, die im Feldzug 1866 als solcher benutzt wurde.144 Im Laufe der Zeit änderten sich – wie später des näheren ausgeführt werden wird – die Ansichten über die Eignung des Gebirges als Kampfraum und für Operationen erheblich. Die Konzeption des Zentralen-Waffenplatzes und der Sperrung der Einbruchslinien wurde allerdings nicht angepasst.145 Daher ist es von Interesse, zunächst die Festungswerke zu betrachten, wie vor der Jahrhundertwende entstanden waren. Der Zweck dieser Befestigungsanlagen lag nicht allein in der Sperrfunktion der in das Kaiserreich hineinführenden Verbindungswege – die ja zugleich die Anmarschwege des jeweiligen Gegners waren – sondern sie sollten auch die zahlenmäßige Unterlegenheit der im alten Österreich chronisch schwachen Heereskräfte (I. Linie) durch ihr aktives Abwehrpotential möglichst ausgleichen.146 Im Sinne der einfachen Sperranlagen, welche die großen Einbruchslinien in das Reichsinnere blockieren sollten entstanden in den Jahren 1835/38 die Sperrwerke in Franzensfeste und Nauders.147 Letzteres sollte zur Absperrung des Oberinntales gegen Einbrüche aus der Schweiz dienen. Hiezu kamen gleichfalls noch in den Jahren 1834 bis 1835 die Sperre am Predilpass und der weitere Ausbau der Sperre Malborgeth in den fünfziger Jahren. Für Brixen und Trient hatte bereits Erzherzog Johann deren Ausbau zu Festungen erster Klasse gefordert, doch kamen diese Pläne damals nicht zur Durchführung.148 Der Grund war sicherlich das zu dieser Zeit und später bis 1859/1866 im venezianischen Raum vorhandene berühmte Festungsviereck von Verona–Peschiera–Mantua und Legnago, welches besonders nach 1848 verstärkt ausgebaut worden war.149 Der damaligen Fes144 Zusätzlich zu Trient war als Zentralwaffenplatz das Gebiet nächst Franzensfeste ausersehen, umfassend den Talknoten Eisack-, Wipp- und Pustertal. 145 Siehe etwa die Reichsbefestigungskommission 1868 und die Bauzeiten bis 1907. Hierzu auch: MILAR/MHFZ, Karton MIL-IBK 8: Denkschrift über die Reichsbefestigung der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie, Autor nicht ermittelbar, verfasst vermutlich 1944, 438 Seiten maschinenschriftlich mit zahlreichen Anlagen, S. 66 ff. 146 Vgl. hierzu den hervorragenden Aufsatz: Mast, Heinrich von: Die alten österreichischen Befestigungen in Südtirol und Kärnten. Ihre Entstehung und ihre Tätigkeit im Ersten Weltkrieg, in: Der Schlern, Jhg. 45/1971, S. 55–66. 147 Zum befestigten Platz Franzensfeste die Monographie: Hackelsberger, Christoph: Die k.[aiserlich-] k.[önigliche] Franzensfeste. Ein Monumentalwerk der Befestigungskunst des 19. Jahrhunderts, München/Berlin 1986. Ebenso: Facchinelli, Laura/Schimenti, Flavio: Fortezza. La fortificazione, la ferrovia, il paese, Fortezza-Bolzano 1998. 148 Vgl.: MILAR/MHFZ, Karton MIL-IBK 8: Denkschrift über die Reichsbefestigung, S. 56.

III. Defensionsmaßnahmen des K. u. k. Generalstabes

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tungsbauarchitektur entsprechend waren dies hoch aufgezogene Steinbauten, in denen sich Kasematten befanden, die die Geschütze beherbergten. Diese hatten im direkten Schuss das vorliegende Gelände unter Feuer zu halten. Mit dem Verlust von Lombardo-Venetien in den Jahren 1859 und 1866 gewann die alpine Südgrenze der Donaumonarchie in militärischer Beziehung wieder an erhöhter Bedeutung. Seit dem Jahr 1860/61 begann man daher in diesen Räumen den Bau von Sperrwerken. Es waren dies die Werke:150

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Standort/ Festungssystem

Name

Standort/ Festungssystem

Gomagoi

Stilfserjoch

Buco di Vela

Trient

Strino

Tonale

Dos di Sponde

Trient

Larino

Lardaro

Rocchetta

Nonstal

Danzolino

Lardaro

Rocchetta

Riva

Revegler

Lardaro

Batt. S. Nicolo

Riva

Nago

Riva

Hensel

Malborgeth

In dieser Bauperiode war es immer noch üblich, den vorher erwähnten Stil mit Mauerwerk und ohne Panzerschutz der Artilleriegeschütze zu verwenden. Erst in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts begann im Festungsbau die Interdependenz zwischen Panzerung und Feuerkraft. Mit zunehmender technischer Entwicklung der Feuerwaffen und der Artillerie musste die Verteidigungsarchitektur versuchen Schritt zu halten. Für die Befestigungen im Gebirge entstand zu dieser Zeit das schon benannte Gebirgsfort. Der damalige K. u. k. Feldmarschalleutnant Vogl, Befestigungsbaudirektor in Tirol, hatte diesen Typus erstmals entworfen. Nach ihm wurden die in den Jahren 1885 bis 1890 gebauten Werke ‚Bauart (FML) Vogl‘ benannt. Er drückte dieser ganzen Fortifikationsperiode seinen Stempel und auch seinen Namen auf. Die Bauten des Typs Vogel waren zwar noch hoch gefügte Werke, besaßen aber schon Panzerkasematten für die eingebauten Geschütze. Hinzu kamen drehbare Panzerkuppeln für Mörser und Beobachtungsstände. Da in den Gebirgsregionen allerdings oft kein hinreichend großer Bauplatz vorhanden war – man musste sich verständlicherweise primär 149 Hierzu auch: Hackelsberger, Christoph: Das K. k. österreichische Festungsviereck in Lombardo-Venetien. Ein Beitrag zur Wiederentdeckung der Zweckarchitektur des 19. Jahrhunderts (Dissertation), München 1979, S. 18 ff. 150 Diese wie die folgende Tabelle gefertigt durch den Verfasser, orientiert an: Mast, Befestigungen, 1971, S. 55 f.

134

C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront

an den strategisch sinnvollsten Platz halten –, fielen die Gebirgsforts eher klein aus. Beispielsweise waren die Unterkunftsräume für die Werksbesatzungen, sowie die Magazine eng mit den Geschützkasematten und Panzertürmen verbunden. Dies führte dazu, dass bei einer Beschießung ein möglicher Volltreffer Teile des gesamten Werkes oder auch das ganze Werk selbst außer Gefecht setzen konnte.151 Die schon genannte Denkschrift definiert die Vogel’schen Gebirgsfestungen folgendermaßen: „Der grundlegende Gedanke beim Bau dieser Sperren war ursprünglich die Schaffung von Einheitswerken, um an Kosten und Besatzung möglichst zu sparen. Da aber die Fern- und Nahkampfaufgaben im Hochgebirge nur selten von einer Örtlichkeit aus gelöst werden können, außerdem die Objekte zur unmittelbaren Absperrung der Talwege dem feindlichen Artilleriebeschuss tunlichst entzogen werden sollen, entstand in den meisten Fällen zwangsläufig das, was als Muster für Hochgebirgssperren bezeichnet werden kann: Die Sperre, bestehend aus dem Fernkampfwerk in einer höheren Lage und aus einer dazugehörigen unmittelbaren Straßensperre. Der Bau der für die Fernkampfartillerie notwendigen äußeren HöhenBeobachtungsposten wurde in der Regel dem Ausrüstungsfall vorbehalten.“152

Die von 1884 bis 1900 in diesem Sinne entstandenen Werke der Bauart „Feldmarschalleutnant Vogel‘ finden sich in der Tabelle auf S. 135. Eine neue Bausystematik zeichnete sich im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts ab. Die Beurteilung des Hochgebirges als Bewegungs- und Kampfraum für die Artillerie änderte sich. Dies war hauptsächlich durch die sprunghafte Entwicklung der alpinen Touristik veranlasst. Damit einher ging der beachtliche Ausbau des Wegenetzes, der fundamental für die Fortbewegung von Geschützen ist. Hinzu kamen noch erfolgreiche Versuche zur Fortbringung von Geschützen auf Schleifen, Karren und Schmalspurlafetten. Durch die größere Beweglichkeit der Artillerie im Gebirge mussten auch die Pläne für neue Befestigungen angepasst werden. Ab sofort schien eine Umgehung von Sperren oder eine Beschießung derselben mit Feldoder mittleren Geschützen aus bisher nicht beachteten Stellungen möglich und sogar wahrscheinlich. Einziger Ausweg war meistens eine Ergänzung der Sperren auf den früher für ungangbar gehaltenen Höhen. Charakteristisch für die Baumaßnahmen der Jahre ab 1900 wurde „das Streben nach 151

In dem grundlegenden Aufsatz in Ergänzung zum österreichisch-ungarischen Generalstabswerk heißt es dazu: „Die Zusammendrängung, hie und da auch die Übereinanderstellung der Nah- und Fernkampfmittel, ebenso der unmittelbare Anschluß der Bereitschafts- und Unterkunftsräume an jene begünstigte die feindliche Artilleriewirkung, bzw. erhöhte die Trefferzahl auf die lebenswichtigen Teile. Gelang es, den mittleren Treffpunkt in die Werkmitte zu bringen, dann lagen Kampf-, Bereitschafts- und etwaige Traditoren innerhalb der 50%igen Längenstreuung schwerster Wurfgeschütze. Das Schicksal eines solchen Werkes wäre besiegelt gewesen!“ In: Aarenau/Steinitz, Reichsbefestigung, 1937, S. 24. 152 MILAR/MHFZ, Karton MIL-IBK 8: Denkschrift über die Reichsbefestigung, S. 73.

III. Defensionsmaßnahmen des K. u. k. Generalstabes

135

Name

Standort/ Festungssystem

Name

Standort/ Festungssystem

Pejo

Tonale

Moena

Fleimstal

Tonale (heute Saccarana)

Tonale

Ruaz

Dolomiten

Corno

Lardaro

Corte

Dolomiten

Tombio

Riva

Plätzwiese

Dolomiten

Garda

Riva

Tre Sassi

Dolomiten

3 Battr. M. Brione

Riva

Landro

Dolomiten

Matarello

Trient

Mitterberg

Sexten

Tenna

Trient

Haideck

Sexten

Colle delle Belle

Trient

Flitscher Klause

Romagnano

Trient

Fort Hermann

Kärnten

Albuso–Paneveggio

Fleimstal

Batterie Predilsattel

Kärnten

Dosaccio

Fleimstal

Seebach Talsperre

Kärnten

Höhe, höher als der Feind, verstärkt durch jenes nach Sicherung der günstigsten Beobachtungspunkte, bei gleichzeitiger Berücksichtigung der stetig größer werdenden Reichweiten der Angriffsartillerie [. . .].“153 Im Endeffekt führte dies zu einem Befestigungssystem, welches der spätere Generalmajor der Pioniere und Ingenieur Max Stiotta folgendermaßen definierte: „Die Hochgebirgsbefestigungen an der Tiroler und Kärntner Grenze waren Kommunikationssperren. Ein in sich geschlossenes, mit Kanonen, Haubitzen oder Mörsern armiertes Werk beherrschte die wenigen Anmarschwege; ein solches Werk war unmittelbar durch eine kleine, in zurückgezogener Lage erbaute Sperre an der Straße und durch Blockhäuser auf den Umgehungswegen gesichert.“154

Mit der Ernennung des damals im Rang eines Feldmarschalleutnants stehenden Conrad von Hötzendorf zum Generalstabschef des K. u. k. Heeres im Jahre 1906 kam ein aktiver Zug in die Wehrpolitik Österreich-Ungarns. General Conrad war ein großer Förderer des Befestigungswesens gewesen und 153

MILAR/MHFZ, Karton MIL-IBK 8: Denkschrift über die Reichsbefestigung,

S. 76. 154 Stiotta, Max: Befestigungen. Geschichtliche Entwicklungen, strategische, operative und taktische Probleme, technische Gestaltung (Sonderheft Österreichische Militärische Zeitschrift), Wien o. J., S. 18.

136

C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront

sein Dienst als Divisionär in Innsbruck hatte ihn auch diesbezüglich geprägt. Nach seiner Berufung in den Generalstab machte er sich umgehend an den Ausbau und die Neugestaltung der Grenzbefestigungen.155 Er brachte auch hierbei den Gedanken einer Offensive aus Tirol gegen Italien ein. In einem Memoire vom Januar 1907 bezeichnet er als vordringliche Aufgabe der Befestigungen die Sicherung einer im Etschtale, nördlich von Trient zu versammelnden Tiroler Armeegruppe im Umfang von zwei bis drei Korps.156 Diese sollte den Stoß nach Venetien führen, wobei den Höhenkomplexen „[. . .] beiderseits von Grigno für den Vorstoß in der Valsugana, dann den Plateaus von Lavarone und Folgaria, Pasubio und [. . .] [den] von dort bis zum Altissimo reichenden Höhen“ eine besondere Bedeutung zukam.157 Für den Fall, dass die Italiener vor Komplettierung der Aufmarschbewegungen in das Land einbrechen sollten, beabsichtigte er, ihre Kolonnen möglichst einzeln zu schlagen, wofür ein großer unbeengter Manöverraum geschaffen werden musste. Dies machte es notwendig, die Befestigungen möglichst nahe an die Grenze heranzuschieben. Conrads strategische Idee, den Angriff gegen Italien nicht allein aus dem Raume des Unterlaufes des Isonzo zu führen – weshalb auch dort vor 1914 keine Befestigungen gebaut worden waren – sondern auch zwischen der Brenta und der Etsch, sollte durch die Anlage von Befestigungen auf den Hochflächen von Folgaria und Lavarone gesichert werden. Zugleich sollte ein eventueller italienischer Angriff über die Hochflächen mit der Stoßrichtung auf Trient durch diese Befestigungsanlagen abgewehrt werden können. Darüber hinaus wollte Conrad aber auch die schon bestehenden Befestigungen in Südtirol – besonders jene westlich der Etsch bis zum Stilfserjoch – modernisieren und durch den Bau fortschrittlicher Werke ergänzen. Eine Ausnahme bildete lediglich die Festung Trient, welche in ihrem Zustand belassen werden sollte, da der innere Sektor des Befestigungsringes für den Aufmarsch mehrerer moderner Divisionen zu klein dimensioniert war.158 Dafür beantragte Conrad den Bau einer Sperrlinie zwischen Etsch- und Arsatal, wobei auch auf die Festhaltung des Pasubio-Plateaus Wert gelegt wurde, eine – wie sich zeigen wird – für den Verlauf des Alpenkrieges wichtige und vorausschauende Maßnahme.159 Für den Raum von Kärnten und Flitsch, also in den Julischen Alpen, war an eine Verstärkung der dortigen Befestigungen zur Deckung des Aufmarsches der österreichisch-ungarischen Armee am 155 Seine Gedanken zum Fortifikationswesen in: Conrad, Dienstzeit, I, 1921, S. 424–440. 156 Vgl.: Aarenau/Steinitz, Reichsbefestigung, 1937, S. 25. 157 Conrad, Dienstzeit, I, 1921, S. 430. Zu den Hochflächen auch die Karte 7 dieser Arbeit. 158 Vgl.: MILAR/MHFZ, Karton MIL-IBK 8: Denkschrift über die Reichsbefestigung, S. 82. 159 Vgl.: Aarenau/Steinitz, Reichsbefestigung, 1937, S. 27.

III. Defensionsmaßnahmen des K. u. k. Generalstabes

137

Isonzo gedacht.160 Conrad hatte bei seinen Bemühungen mit erheblichem Widerstand zu kämpfen, der nicht nur die Finanzierung betraf: „Von Ansichtsgegnern wurde geltend gemacht, man könne Werke nicht in große Höhen (2000 m) legen, weil diese meist in Nebel gehüllt seien, könne auch nicht Werke nahe der Grenze bauen, da sie vom Feinde zusammengeschossen würden und dergleichen mehr. Es kostete nicht nur Mühe, diese in der Folge durch den Weltkrieg eklatant widerlegten Einwürfe abzuweisen, sondern es verzögert sich dadurch die Ausführung selbst [. . .].“161

Als Resultat dieser Probleme war bei Kriegsbeginn, im Raum von der Valsugana bis zum Gardasee, höchstens ein Drittel des von Conrad Geforderten fertig gestellt, darunter allerdings die überaus wichtigen Werke auf den Plateaus von Lavarone und Folgaria. Im Überblick waren es folgende Werke, die zwischen 1907 und 1914 in Südtirol entstanden:162 Name

Standort/Festungssystem

Presanella (heute Pozzi Alti)

Tonale

Mero

163

Carriola

Tonale Lardaro

Serrada (Sperre Folgaria) Sebastiano (heute Cherle) Sommo Gschwent (heute Forte Belvedere)164

Hochfläche von Folgaria und Lavarone

Lusern Verle Cima di Vezzena (Artillerie-Beobachtungsposten) Valmorbia

160

Vallarsa, bei Kriegsbeginn 1915 noch unvollendet

Hierzu auch: Schaumann, Walther: Kärntner Grenzbefestigungen, Przasnysz

2003. 161

Conrad, Dienstzeit, I, 1921, S. 431. Conrad, Dienstzeit, I, 1921, S. 432. Zu diesen Befestigungen das detaillierte Werk von Hentzschel, Rolf: Österreichische Gebirgsfestungen im Ersten Weltkrieg. Die Hochebenen von Folgaria und Lavarone, Bozen 1999. 163 Zwischenwerk zur Absperrung des alten Weges 1910 errichtet. Vgl.: MILAR/ MHFZ, Karton MIL-IBK 8: Denkschrift über die Reichsbefestigung, S. 82. Bei von Mast zeitlich anders eingeordnet: Mast, Befestigungen, 1971, S. 57. 164 Zur Festung Gschwent sei auf den Ausstellungskatalog verwiesen: Fabi, Lucio: Forte Belvedere – Werk Gschwent. Katalog des Museums, Cremona 2002. 162

138

C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront

Auf der Hochfläche wich man von der traditionellen Aufgabenstellung für Gebirgsforts ab, die darin bestand, als autarke Verteidigungseinheit eine Engstelle wie ein Flusstal oder einen Gebirgspass zu sichern. Conrad wollte eine ineinandergreifende Verteidigung von operativ wichtigen Verteidigungsräumen, so dass diese befestigte Verteidigungslinie einen offensiven Charakter bekam. Hinzu kam die Grenznähe von ein bis drei Kilometern, welche die Fernkampfartillerie der Werke in die Lage versetzte, die italienischen Aufmarschbewegungen schon auf gegnerischem Gebiet unter Beschuss zu nehmen und empfindlich zu stören. Neben der Feuerunterstützung eigener Kräfte boten die grenznahen Befestigungen den zusätzlichen Vorteil vorgeschobener Versorgungsbasen.165 In diesen Werken wurden die damals modernsten Ansichten über den Festungsbau verarbeitet. Die große Sprengwirkung der modernen Festungsund Belagerungsgeschütze erzwang eine Reihe baulicher Verbesserungen gegenüber der Bauart der bis dato gültigen Gebirgsforts. Bisher hohe, kaum gedeckte Werke wurden nun gegenüber der Feindseite in den Felsboden versenkt. Rund drei Meter Eisenbeton, von 0,5 Meter dicken Stahlträgern gestützt, schützten die Kasematten. Die passive Widerstandskraft des Werkes wurde vergrößert, indem die Fernkampfgeschütze mit dem Beobachtungsstand in einem in sich abgeschlossenen Betonblock, dem so genannten Batterieblock, angeordnet wurden. Bei Kriegsausbruch gegen Russland und Serbien im Jahre 1914 wurden auch die Befestigungen an der Südgrenze der Donaumonarchie in den Verteidigungszustand versetzt. An der Tiroler Ostfront sollten vor allem folgende Werke den erwarteten italienischen Ansturm auffangen: bei Landro und Sexten (Werke Haideck und Mitterberg), bei Paneveggio, Moena, Buchenstein (Sperren Ruaz und Corte), Tre Sassi (östlich von Arabba) und Plätzwiese (westlich von Landro). In Westtirol, nahe der Schweizer Grenze, lagen die Befestigungen von Nauders und Gomagoi, die aber aufgrund ihrer Entfernung vom Schauplatz der Kämpfe keine Rolle spielten. Zum Verteidigungszustand gehörte auch der Bau von Erdund Feldbefestigungen, die teils an Punkten errichtet wurden, wo sich keine permanenten oder nur projektierte Werke befanden, teils aber auch dort, wo die schon bestehenden Werke in ihrer Abwehrkraft verstärkt werden sollten. Erwähnenswert bleibt, dass Feldbefestigungen im Gebirge, zumal in Hochregionen, durch geschickte Ausnutzung des Felsbodens für beschusssichere Einbauten aller Art eine enorme passive Stärke zu erreichen vermögen.166 165 Zu den Offensivsperren der Bauperiode 1900–1914: Paula, Befestigungsbau, 1995, S. 108 ff.

III. Defensionsmaßnahmen des K. u. k. Generalstabes

139

Unerlässlich für das wirksame Arbeiten der Werke war der ungehinderte Überblick über das Gefechtsfeld. Schon sehr frühzeitig, im August 1914, zeichnete sich für die direkt betroffenen Exekutivorgane deswegen ein Problem ab. In einem Chiffretelegramm des K. k. Statthalters von Tirol und Vorarlberg, Friedrich Graf von Toggenburg, an das Ministerium des Äußern und das Kriegsministerium wurde am 25. August 1914 auf die damit einher gehenden Missstände hingewiesen. Man war von der vertraulichen Mitteilung, dass das Armeeoberkommando erwog, die festen Plätze – also die Befestigungswerke und -systeme – für einen Kriegsfall Italien voll auszurüsten aufgeschreckt worden. Die in diesem Fall „[. . .] notwendige Evakuierung [der] Städte Trient, Riva, vorgesehene Verhaftungen, Häuserdemolierungen [etc.] würden Bevölkerung verbittern, Lage unhaltbar verschärfen und da schon jetzt in Italien täglich auf österreichische Offensivabsichten verwiesen wird, nach meiner festen Ueberzeugung für Italien sofort casus belli bilden.“167 Unter Demolierungen ist in diesem Fall die Niederlegung der im militärischen Schussbereich liegenden Behausungen, Wälder und landwirtschaftlichen Kulturen zu verstehen. Das zuständige Militärkommando teilte die Ansicht, nicht vorschnell zu reagieren und bat darum, nur die wirklich notwendigen Fortifikationserweiterungen durchzuführen. „Aber auch diese würden, wenn mit Demolierungen verbunden, solche Erregungen bisher musterhafter Bevölkerung zeitigen, dass Einwirkung über die Grenzen und dadurch unmittelbarer Konflikt droht.“168 Schließlich versuchte man, die militärischen Vorbereitungen so schonend als möglich durchzuführen. Wenig Hoffnungen machte man sich allerdings über den realen Kampfwert selbst der permanenten Fortifikationen. Diesbezüglich lag unter anderem für die Südtiroler Befestigungen ein Gutachten der Befestigungsbaudirektion des K. u. k. XIV. Korpskommandos in Innsbruck vom 14.09.1914 vor, in dem cirka 70 Prozent der Befestigungswerke an der Südfront als bautechnisch überaltert dargestellt wurden.169 Es wurde erwartet, dass sie dem Feuer der schweren und überschweren italienischen Belagerungsartillerie auf längere Dauer nicht gewachsen waren. Ähnlich pessimistisch äu166 Während man unter ‚Beständigen Befestigungen‘ Festungsanlagen verstand, die im Massivbau errichtet waren, eine ständige Besatzung hatten und über einen langen Zeitraum hinweg Bestand haben sollten, waren ‚Feldbefestigungen‘ kurzfristig in Erde und Holz errichtete Anlagen, die nach der jeweiligen Zweckerfüllung nicht mehr genutzt und dem Verfall überlassen wurden. Vgl.: Paula, Befestigungsbau, 1995, S. 13 Fußnote 7. 167 ÖStA-HHSTA, Politisches Archiv des Ministeriums des Äußern, I-848: Telegramm der Statthalterei Innsbruck an das Ministerium des Äußern am 25.08.1914. 168 ÖStA-HHSTA, Politisches Archiv des Ministeriums des Äußern, I-848: Telegramm der Statthalterei am 25.08.1914. 169 Die sehr instruktiven Ergebnisse der Studie sind publiziert in: Mast, Befestigungen, 1971, S. 58 f.

140

C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront

ßerte sich ein absoluter Spezialist des K. u. k. Festungsbaues, der Generalmajor Ingenieur Ellison Freiherr von Nidlef: „Im Jahre 1914 stand fest, dass 1. unsere vor dem Jahre 1873 erbauten Blockhäuser wertlos geworden waren, 2. die aus den [18]80er Jahren stammenden Panzerwerke den italienischen 15 cm Belagerungskanonen und der 21 cm Belagerungshaubitze nur kurze Zeit, 3. die um die Jahrhundertwende gebauten Werke den genannten Geschützen nicht auf die Dauer würden widerstehen können, 4. die Werke am Tonalepass, Carriola bei Lardaro und die Werke auf der Hochfläche Lavarone–Folgaria dagegen auch schwerster Artillerie dauernd Widerstand leisten werden.“170

Die österreichisch-ungarische Heeresleitung sah sich demnach veranlasst, auch eine etwaige Desarmierung dieser Werke ins Auge zu fassen. Man war sich vermutlich lange vor dem Kriegsausbruch 1914 darüber im Klaren, dass die vor 1900 errichteten Tiroler Forts lediglich als Scheinbauten zu verwenden wären. Die wertvollen Werksgeschütze sollten besser ins freie Nebengelände gestellt werden. Mit Recht erwartete man, ihre Feuerkraft dort länger erhalten zu können als in den Werken selbst. Darüber hinaus wurde auch bekannt, dass die Italiener schwere Angriffsartillerie bereitstellten, die vernichtend gewirkt hätte. Die Desarmierung der Werke erfolgte nicht plötzlich, sondern nach und nach im Lauf des Jahres 1915, bei einigen Werken erst 1916. Grund waren die zeitaufwändige Errichtung der entsprechenden neuen Geschützemplacements, der Bau von Unterkünften und Munitionsmagazinen et cetera. Die strenge Geheimhaltung und geschickte Verschleierung der Desarmierung bei den einzelnen Werken ließ die Italiener im Glauben, dass die Werke noch artilleristisch besetzt waren. Wer könnte besser als der Generalstabschef des italienischen Heeres, Marschall Cadorna, die Kampfkraft und den Widerstandswert der österreichisch-ungarischen Befestigungen vor und bei Kriegsbeginn 1915 beurteilen. Er schreibt darüber in seinen Erinnerungen: „Von der Festung Trient ganz abgesehen, zog sich eine ununterbrochene Reihe von Befestigungen (Riva, Gomagoi, Stilfser Joch, Tonale, Lardaro, Lavarone, Sexten, Landro, Malborgeth, Raibl, Predil) entlang der ganzen Grenze und wo ständige Befestigungen, wie an der Julischen Front fehlten, da war eine mächtige 170 Zitiert in: MILAR/MHFZ, Karton MIL-IBK 8: Denkschrift über die Reichsbefestigung, S. 109. General Ellison von Nidlef absolvierte die Technische Militärakademie, wurde 1889 Genie-Leutnant und wurde Lehrer an der Kriegsschule. Er führte Befestigungsarbeiten in Triest, Brixen, Riva und Cattaro aus, wurde 1917 Kommandant der Sperrgruppe Vezzano–Lavarone, dann Brigadier am Monte Pasubio und zuletzt Chef des K. u. k. Luftfahrtwesens. Er wirkte besonders auf dem Gebiet moderner Panzergeschütze im Gebirge und bei der Konstruktion der schweren österreichischen Mörser.

III. Defensionsmaßnahmen des K. u. k. Generalstabes

141

Linie östlich des Isonzo mit offensivem Charakter durch die Brückenköpfe Tolmein und Görz. Überall mehrere Linien, zumeist eingesprengt und betoniert, stärkste Hindernisse, Minenfelder und alle Hilfen der Fortifikation. Kavernenbatterien, kavernierte Maschinengewehre, bestes Straßennetz, Telefonleitungen – in dieser Art war an der ganzen Front vom Stilfser Joch bis zum Meer eine ununterbrochene, unübersteigbare Barriere entstanden, die die Ausführung unseres strategischen Manövers verhinderte und uns zum frontalen Angriff zwang“171

Diese extreme Überschätzung der österreichisch-ungarischen Verteidigungsanlagen an der Südwestfront bewirkte, dass die italienische Heeresleitung in ihren Angriffsbefehlen in erster Linie die Bezwingung der österreichisch-ungarischen Sperrwerke und Befestigungsanlagen forderte. Erst dann sollte mit den militärischen Angriffsoperationen begonnen werden. Der österreichische Erzherzog Carl (1771–1847), der im zweiten antifranzösischen Koalitionskrieg als Oberkommandierender der kaiserlich-königlichen Feldarmee fungiert hatte, hatte bereits in seinem ‚Vorschlag zur Verteidigung Tyrols‘ von 1805 die strategischen Probleme erkannt, mit denen dann die Landesverteidigungskommandanten Feldmarschalleutnant von Können-Horák, Generaloberst Viktor Graf Dankl und Generalstabschef Conrad von Hötzendorf konfrontiert wurden:172 „Mit Gewissheit kann man behaupten, dass die Situation in Tyrol wohl nie eine andere Operationslinie gestatten wird, als jene der Hauptstraßen, mithin kann man hier alles Dasjenige, was die Befestigung des Landes betrifft, vornehmen und zweckmäßig ausführen. [. . .] Es ist zwar gar keiner Schwierigkeit unterworfen, in Friedenszeiten in den angrenzenden Provinzen die Truppen so zu dislociren, dass bei dem Ausbruche eines jeden Krieges die nöthige [sic] Verstärkung auf jeden Punkt noch zur rechten Zeit hingebracht werden kann; allein die Vertheidigung [sic] dieses Landes ist so individuell und einzig in ihrer Art, dass selbst die besten Truppen, besonders im Anfang, ehe sie sich an diesen Gebirgskrieg gewöhnt haben, den Erwartungen nicht entsprechen werden. Zu diesem Ende ist es unbedingt nothwendig [sic], die Mannschaft schon im Voraus zu bilden.“173 171

Zitiert in: Mast, Befestigungen, 1971, S. 60. Viktor von Dankl (1854–1941) war als österreichischer General 1914 Führer der 1. Armee in Galizien. Er siegte in der 2. Schlacht bei Krasnik (23.–25.8.1914). Am 23.05.1915 übernahm er von FML Können-Korák die Verteidigung Tirols. Dann ab März 1916 Oberbefehlshaber der K. u. k. 11. Armee bei Vielgereuth und Lafraun und damit federführend bei der Mai Offensive 1916. Ende 1916 Rücktritt wegen Krankheit und Ehrenposten des Kommandanten sämtlicher Leibgarden. Siehe auch: Pastor, Ludwig von: Generaloberst Victor Dankl, der Sieger von Krasnik und Verteidiger Tirols. Beiträge zur Kenntnis seiner Persönlichkeit, Wien 1916. 173 Zachar, Jozsef: Theorie und Praxis des Gebirgskrieges bei Erzherzog Carl am Beispiel des Feldzuges von 1799, in: Roulet, Louis-Eduard/Engelberts, Derck (Hg.): La guerre et la montagne (XVII. Kongress der Internationalen Kommission für Militärgeschichte, Bd. 1), Bern 1993, S. 161–176, hier: S. 168. Zu Erzherzog Carl und der Entwicklung im österreichische Heerwesen: Ottmer, Hans-Martin: Militär172

142

C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront

IV. Von Spionen und Irredentisten Nach der Gründung des italienischen Nationalstaates und dem allmählichen Erwerb von Kolonien ging mit dem Risorgimento der Versuch einher, die italienischsprachigen Gebiete des Trentino/Südtirol, Julisch-Venetiens, Triests, Istriens und Fiumes (heute Rijeka) dem italienischen Königreich anzuschließen. Diese primär gegen Österreich-Ungarn gerichteten Bestrebungen waren der Kern des irredentistischen Gedankens: Anschluss abgetrennter und unerlöster Gebiete an Italien.174 Der Irredentismus war aber auch eine Stimmung, die in den Menschen verhaftet war.175 Noch vor dem Krieg brachte ein Redakteur der Danzer’schen Armeezeitung – die für damalige Verhältnisse ausgesprochen objektiv und kritisch ausgerichtet war – die Lage auf den Punkt: „Stimmungen ganzer Völker lassen sich nicht kommandieren, sie wollen erzogen werden. Die Italiener haben ihren Irredentismus dank jahrzehntelanger systematischer Schulung in Familie, in der Presse, in der Politik und in der Armee. Man kann sich keine gewaltigre Organisation vorstellen als die Irredenta, die ein ganzes Volk umschließt. Wie unvollkommen lässt sich da das Urteil des Korrespondenten des ‚Pester Lloyd‘ an, wenn es besagt, ‚die Tatsache, dass es dem Irredentismus bisher nicht gelungen ist, eine festgeschlossene Organisation zu schaffen, weist darauf hin, dass die Macht der Idee nicht kräftig genug ist, um sich durchzusetzen . . .‘ Die Macht ist schon da, der Zeitpunkt noch nicht!“176

Im Angesicht dessen, dass wenig später der Krieg eintreten sollte, waren dies sehr vorausschauende Worte. In allen Konflikten, die Österreich im 19. Jahrhundert mit Italien ausgetragen hatte, gingen die militärischen Auseinandersetzungen der feindlichen Armeen einher mit Aufständen der italienischen Bevölkerung in den von den Italienern bewohnten Gebieten des jeweiligen Operations- und Etappenraumes. Es waren Ausschreitungen, die von kleinen Aktionen wie der Informationsbeschaffung bis zu größeren insurgentischen Aktionen reichen konnten. Während die Landbevölkerung und der Adel zum größten Teil österreichisch-patriotisch eingestellt waren, hatten die bürgerlichen geschichte zwischen Französischer Revolution und Freiheitskriegen 1789 bis 1815, in: Neugebauer, Karl-Volker (Hg.): Grundzüge der deutschen Militärgeschichte (Bd. 1: Historischer Überblick), Freiburg 1993, S. 77–127, hier: S. 92 ff. 174 Vgl. auch: Romano, Sergio: Der Irredentismus in der italienischen Außenpolitik, in: Ara Angelo/Kolb Eberhard (Hg.), Grenzregionen im Zeitalter der Nationalismen: Elsaß-Lothringen/Trient–Triest, 1870–1914 (Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient, Bd. 12), Berlin 1998, S. 13–24. 175 Vergleiche auch die Schrift des späteren österreichischen Bundeskanzlers: Mayr, Michael: Der italienische Irredentismus. Sein Entstehen und seine Entwicklung vornehmlich in Tirol, Innsbruck 1916. 176 Danzer’s Armee-Zeitung Nr. 15 vom 11. April 1912.

IV. Von Spionen und Irredentisten

143

Kreise einen Hang zum Irredentismus. Auch im klerikalen Bereich und bei der Beamtenschaft gab es erstaunlicherweise viele Anhänger der irredentistischen Ideen. Irredentismus war und ist – wie schon erwähnt – ein Ausdruck für die panitalienische Bewegung, die im Zuge der 1861 vollzogenen Einigung Italiens nach dem Risorgimento darauf abzielte, alle ganz oder teilweise italienischsprachigen Gebiete in den neuen italienischen Staat einzugliedern. Insbesondere galt dies für das Trentino, aber auch Dalmatien und Istrien. Das Trentino hatte die größte deutschsprachige Minderheit aufzuweisen. Istrien und Dalmatien wurden vor allem auf dem Land mehrheitlich von Kroaten besiedelt und befanden sich auch unter österreichisch-ungarischer Herrschaft. Von den 697.000 Italienern, die in Österreich-Ungarn lebten, wohnten 22.000 im Gebiet von Fiume (heute Rijeka), 16.000 in Dalmatien, 294.000 im Küstenlande und 362.000 in Südtirol.177 Im Küstenlande bildeten die Italiener hauptsächlich die Bevölkerung der Städte, in Tirol bewohnten sie vornehmlich den Süden des Landes. Ausgangspunkt für die Organisation aufständischer Maßnahmen waren die im Lande vertretenen öffentlichen und geheimen Vereine. Ein zusammenfassendes Memorandum über die ‚Irredenta in Tirol und ihre Bekämpfung vor Beginn und während des Weltkrieges‘, das vermutlich im Sommer 1918 vom deutschen Nachrichtenoffizier der DOHL bei der K. u. k. 11. Armee, Hauptmann Kliewer, verfasst wurde, vermerkt hierzu: „Im krassen Widerspruch zu den genehmigten Statuten, welche meist nur humanitäre Motive zur Grundlage hatten, stand jedoch die Tätigkeit der Vereine. Die durch das Vereinswesen bedingten zahlreichen Zusammenkünfte gaben willkommenen Anlass zu politischen Demonstrationen, aus denen anfänglich nur hie und da wie ein greller Blitz eine antistaatliche Kundgebung hervorleuchtete. Obwohl die militärischen Behörden auf diese Umtriebe sofort aufmerksam machten, bewerteten die politischen Behörden sie stets nur als Ausfluss des überströmenden südlichen Temperaments.“178

Als Konsequenz mussten die österreichischen Militärbehörden handeln. Das potentielle Aufmarschgebiet im Falle eines Krieges mit Italien, also die 177 Zu den Zahlen: Urbanski, von Ostrymiecz August: Spionage gegen Österreich-Ungarn, in: Lettow-Vorbeck von et al.: Die Weltkriegsspionage. Authentische Enthüllungen über Entstehung, Art, Arbeit, Technik, Schliche, Handlungen, Wirkungen und Geheimnisse der Spionage vor, während und nach dem Kriege auf Grund amtlichen Materials aus Kriegs-, Militär-, Gerichts und Reichs-Archiven. Vom Leben und Sterben, von den Taten und Abenteuern der bedeutendsten Agenten bei Freund und Feind, München 1931, S. 240–255, hier: S. 245. 178 BA-MA, PH 3 Nr. 72: Memoire über die Irredenta in Tirol und ihre Bekämpfung vor Beginn und während des Weltkrieges, verfasst vermutlich 1918 von Hauptmann Kliewer. Das Dokument ist nicht unterschrieben, findet sich aber in den persönlichen Akten des Hauptmannes und ist dem Stile nach auch eindeutig ihm zuzuordnen.

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C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront

in Betracht kommenden Grenzgebiete Südtirols, wurden einer sorgfältig organisierten Überwachung unterworfen. Diese militärische Praxis kollidierte zumeist mit politischen Konventionen. Die österreichisch-ungarische Regierung legte – wie bereits gezeigt wurde – eine große Rücksichtnahme an den Tag, um den Bundesgenossen Italien nicht zu vergraulen. Die politischen Behörden Tirols, Kärntens und des Küstenlandes waren angewiesen, Zwischenfälle möglichst klein zu halten und in „[. . .] ihren Berichten an die Zentralstellen alle unerquicklichen Tatsachen möglichst abzuschwächen und zu beschönigen.“179 Folglich gab es gravierende Diskrepanzen in der Darstellung der irredentistischen Frage innerhalb der politischen und militärischen Kreise. Gestärkt wurde die militärische Position erst durch das Interesse des Thronfolgers, Erzherzog Franz Ferdinand, das dieser den militärischen Beobachtungen entgegenbrachte. Der Italienforscher Rudolf Lill hat ihm eine Verachtung des italienischen Staates attestiert, denn dieser hatte seine Vorfahren – Franz Ferdinand war Spross einer Tochter des letzten Königs von Neapel und Erbe der Modeneser Habsburger (daher Erzherzog von Österreich-Este) – und den Papst entthront. Dem konservativ-katholischen Franz Ferdinand war dies ein Dorn im Auge.180 Ziel der italienischen Irredentisten und der österreichischen Militärs im österreichisch-italienischen Grenzgebiet war es, Informationen zu sammeln. In der Terminologie der K. u. k. Armee ist auch nicht die Rede vom Spionage-, sondern vom Kundschaftsdienst. Wie fand aber die Ausspähung konkret statt? Im Rahmen der gesamtitalienischen Nationalismusbestrebungen wurden nicht nur im italienischsprachigen Teil Österreichs sondern vor allem in Italien selbst verschiedene Vereine und Verbände gegründet. 1910 fand beispielsweise in Florenz der erste gesamtitalienische Nationalistenkongress statt, auf dem die Associazione Nazionalista Italiana gegründet wurde. Weitere nationalistische Suborganisationen waren die Società Dante Alighieri, die Lega Navale, der Club Alpino Italiano oder die Societa geografica.181 All diese Organisationen waren mit Dependancen oder direkten Vertretern im österreichischen Trentino präsent. Für den attachierten Hauptmann Kliewer war es eine erwiesene Tatsache, „[. . .] dass der Verein ‚Dante Aleghieri‘ [sic] Berichte über seine Tätigkeit dem italienischen Generalstab vorlegte und dass der ‚Touring Club Italiano‘ im Jahre 1914 aus dem Geheimfond des italienischen Generalstabes 25.000 Lire für Spionagezwecke 179

BA-MA, PH 3 Nr. 72: Memoire über die Irredenta. Vgl.: Lill, Rudolf: Geschichte Italiens in der Neuzeit, Darmstadt 1988, S. 252. 181 Vgl. hierzu etwa: Grand, Alexander J. De: The Italian Nationalist Association in the Period of Italian Neutrality, August 1914–May 1915, in: The Journal of Modern History, Vol. 43, No. 3./Sept. 1971, S. 394–412. Der Artikel legt weniger Wert auf die Probleme der terre irredente als auf die intervetionistischen Zielsetzungen der Associazione Nazionalista Italiana. 180

IV. Von Spionen und Irredentisten

145

erhielt.“182 Vor allem die italienischen Alpenvereinssektionen eigneten sich ausgezeichnet für die Aufdeckung von Geheimnissen. Für den Club Alpino Trientino war es ein Leichtes, mit Sachverstand und hervorragendem Detailwissen seiner Mitglieder, die alles erfahrene Bergsteiger waren, an der Bearbeitung der speziellen Karten des österreichisch-italienischen Grenzgebiets mitzuarbeiten. Auch war es den Zivilisten relativ leicht möglich, die vom italienischen Militär vorgenommenen Wegmarkierungen im Grenzgebiet auf österreichischer Seite fortzusetzen oder an militärstrategisch wichtigen Punkten des Grenzgebietes Schutzhütten zu errichten. Auch auf italienischer Seite machte man sich stets Gedanken über die Gefahr einer Ausspähung. In der Hoch-Zeit der gegenseitigen Auskundschaftung Anfang 1915 wurde vom Kommando der Militärdivision Verona auf einige Missstände hingewiesen. Die unterstellten Kommanden sollten für die Erkennung von Spionage in ihren Bezirken sensibilisiert werden. Man sollte sich bewusst werden, dass nicht nur die klassischen Agenten nachrichtendienstliche Erkenntnisse sammelten, sondern auch und speziell „[. . .] falsche Flüchtlinge, Deserteure, Halbweltdämchen, Geschäftsreisende und namentlich Hotelpersonal.“183 Bemerkenswert fand man die Tatsache, dass viele Ausländer kurz nach Ausbruch des Krieges 1914 in ihr Vaterland zurückgereist waren, bald darauf aber nach Italien zurückkehrten, um dort eine unauffälliges Leben zu führen. Auch von dreisten Täuschungsmanövern war die Rede: Spione und Sendlinge hatten sich italienischer Uniformen bemächtigt, um ungestört die Grenzregionen auszukundschaften. Viele dieser Uniformstücke stammten von früheren Deserteuren. Die italienische Armee belegt hiermit ganz nebenbei, dass es im tiefsten Frieden bereits Deserteure in ihren Reihen gab. Für heutige Generationen, die sich an die schnelle Kommunikation mit Telefon und Internet gewöhnt haben, scheint der Aufruf des Militärkommandos „[. . .] nach rühriger Betätigung der Gegen-Spionage“ auf dem Gebiete der Brieftauben Überwachung im besten Falle anachronistisch.184 Gerade die Bedeutung der fliegenden Boten darf aber im Ersten Weltkrieg keinesfalls unterschätz werden. Dies ist auch der Grund, warum in dem Rundschreiben die Überwachung auf Möwen ausgedehnt wurde, da man festgestellt hatte, dass sie wie Brieftauben abgerichtet wurden. Mit Ausbruch des Weltkrieges 1914 begann sich zunächst in Südtirol die Irredenta verstärkt zu regen.185 Angesichts der strengen Bestimmungen 182

BA-MA, PH 3 Nr. 72: Memoire über die Irredenta. BA-MA, PH 3 Nr. 72 Rundschreiben Nr. 2 des Kommandos der Militärdivision in Verona vom 04.01.1915. 184 BA-MA, PH 3 Nr. 72 Rundschreiben Nr. 2 des Kommandos der Militärdivision in Verona vom 04.01.1915. 185 Zu dieser Zeit auch: Gschliesser, Oswald von: Tirol im Kriegssommer 1914, in: ders.: Tirol-Österreich., 1965, S. 156–160. 183

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C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront

aber mit größter Vorsicht, da die militärischen Behörden auf alle Vorgänge im südlichen Teil des Landes ein wachsames Auge hatten. Das MilitärKommando in Innsbruck ging zielbewusst daran, alle negativen Bestrebungen energisch zu unterdrücken, argwöhnisch beobachtet in seinem Bestreben von den zivilen Zentralbehörden des Reiches. Über allem schwebte das Damoklesschwert einer Provokation des benachbarten Königreiches und damit eines militärischen Eingreifens gegen Österreich. Selbst das offizielle Geschichtswerk der österreichisch-ungarischen Gendarmerie stellte fest: „Alle Berichte der Gendarmeriedienststellen über die bedrohliche Ausbreitung des ‚Irredentismus‘ in den Grenzländern fruchtete nichts, da unsere Diplomatie wirksame Gegenmaßnahmen nicht zuließ in der Besorgnis, den empfindlichen Bundesgenossen zu reizen.“186 Das Bestreben des Tiroler Militärkommandos ging zunächst dahin, ‚Elemente‘ aus dem italienischen Königreich fernzuhalten, die zum „[. . .] Zwecke agitatorischer Wühlarbeit dem Lande zuströmten. Ebenso musste verhindert werden, dass die als Führer der irredentistischen Strömung des eigenen Landes bekannten Personen sich zum Zwecke der Fühlungnahme mit reichsitalienischen Elementen nach Italien begaben.“187 Probates Mittel wäre hierzu in erster Linie die sofortige Einführung des Passzwanges gegen Italien gewesen, was von den Behörden aber versäumt wurde. Der Autor der Denkschrift, Hauptmann Kliewer, mokiert sich darüber besonders, weil dieser Passzwang „[. . .] umso leichter einzuführen gewesen wäre, als in Italien gleich nach Ausbruch des Weltkrieges unter dem Vorwande der Möglichkeit der Seucheneinschleppung aus den kriegführenden Ländern der Passzwang gegen Österreich eingeführt worden war.“188 Mit der Nichteinführung des Passzwanges ging auch die Problematik von Stellungsflucht und Desertion von Südtirolern Richtung Italien einher.189 Im Februar 1915 entschloss man sich auch in Österreich – nach massiver Intervention der deutschen Behörden –, den Passzwang allgemein einzuführen. Bis dahin hatte aber bereits eine große Zahl von Deserteuren und Stellungsflüchtlingen die italienische Grenze passiert. In seinem Memoire kommt Hauptmann Kliewer auf eine Höhe von circa 20.000 Personen bis zu diesem Zeitpunkt. Diese Personen, die formal Staatsbürger des Kaiserreichs Österreich-Ungarn waren, kämpften teilweise auch in der italienischen Armee ge186 Neubauer, Franz: Die Gendarmerie in Österreich 1849–1924, Wien 1925, S. 136. 187 BA-MA, PH 3 Nr. 72: Memoire über die Irredenta. 188 BA-MA, PH 3 Nr. 72: Memoire über die Irredenta. 189 In einem Aufsatz neueren Datums beleuchtet von: Überegger, Oswald: Auf der Flucht vor dem Krieg. Trentiner und Tiroler Deserteure im Ersten Weltkrieg, in: Militärgeschichtliche Zeitschrift, Heft 2/2003, S. 356–393.

IV. Von Spionen und Irredentisten

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gen ihre ehemaligen Landsleute. Der bekannteste Fall ist sicher jener des Trientiner Journalisten und Politikers Cesare Battisti.190 Er war 1911 als Abgeordneter ins Wiener Parlament eingezogen und noch 1914 in den Tiroler Landtag in Innsbruck. Kurz nach Kriegsausbruch ging er nach Italien und warb in Städten, Zeitungen und Zeitschriften für einen italienischen Kriegseintritt, um dadurch einen Anschluss des Trentino an Italien zu erreichen. Er war „[. . .] einer der Männer im Spannungsfeld von sozialistischem Internationalismus und nationalem Patriotismus.“191 Mit Italiens Kriegseintritt meldete er sich als Freiwilliger zum italienischen Heer und diente zunächst im Alpini-Bataillon Edolo.192 Nach schweren Gefechten südlich von Rovereto wurde er am 11. Juli 1916 von österreichischen Soldaten am Monte Corno (heute Monte Corno di Battisti) gefangengenommen.193 Als formal österreichischen Staatsbürger stellte man ihn umgehend vor ein Kriegsgericht, das ihn (und seinen Gefährten Fabio Filzi) zum Tode verurteilte.194 Die Hinrichtung im Burggraben des Castel del Buonconsiglio in Trient ist unter anderem durch die Fotografien der Zurschaustellung des Toten bekannt und berüchtigt geworden.195 Karl Kraus hat in seinen ‚Letzten Tagen der Menschheit‘ diese propagandistischen Maßnahmen sehr verurteilt. Um dies in der Folge zu verhindern, erließ das italienische Heer einen besonderen Passus, dass Kriegsfreiwillige aus den österreichischen Landen ihren Namen und die Herkunft offiziell verschleiern durften. In dem Befehl des italienischen Oberkommandos hieß es: 190

Zu Battisti und die Kriegsfreiwilligkeit folgende einführende Literatur: Gatterer, Claus: Unter seinem Galgen stand Österreich. Cesare Battisti, Porträt eines ‚Hochverräters‘, Wien/Bozen 1997. Auch: Überegger, Oswald: Der andere Krieg. Die Tiroler Militärgerichtsbarkeit im Ersten Weltkrieg (Tirol im Ersten Weltkrieg Band 3), Innsbruck 2002. 191 Lill, Geschichte, 1988, S. 259. Zum politischen Denken auch: Hazon, de Saint-Firmin Jane: Cesar Battisti et la fin de l’Autriche. Pref. de M. Stephen Pichon et Mme Ernesta Battisti. Paris 1927. 192 Für Hauptmann Kliewer war Battisti ein Exempel für die laxe Umsetzung des Passzwanges, wie ihn die Österreicher durchführten. Er vermerkte: „So hat z. B. der damalige Leiter des Polizeikommissariates in Trient, Hofrat Dr. Wildauer, den bekannten Irredentistenführer Caesar Battisti [sic] gegen Abgabe des Ehrenwortes, dass er nach Österreich zurückkehren werde, die Ausreisebewilligung nach Italien erteilt. Battisti kam natürlich nicht wieder, begann aber dafür in Italien mit jener hetzerischen Agitation, die viel zum Ausbruch des Krieges beitrug.“ In: BA-MA, PH 3 Nr. 72: Memoire über die Irredenta. 193 Vgl. auch: Maltauro, Marcello: Corno Battisti. ‚Occhio‘ del pasubio sulla Vallarsa; la cattura di Cesare Battisti e Fabio Filzi, Novale 1996. 194 Zu Filzi auch: Pagnacco, F.: Il caso di Fabio. Trieste 1934. 195 Selbst in Amerika brachte man Broschüren zu diesem Thema heraus. Vgl.: Lorenzoni, G.: Cesare Battisti and the Trentino (4. Febr. 1875–12. July 1916). A Sketch of his life, character an Ideals (Italian Bureau of Public Information), New York 1919.

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C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront

„Besorgt um die peinliche Lage, in welche die in unseren Reihen dienenden Freiwilligen aus den unerlösten oder den erlösten Gebieten Oesterreich-Ungarns und ihre Familien durch die Kriegsereignisse kommen können, bevollmächtigt dieses Kommando, [. . .] diejenigen von ihnen – Offiziere und Mannschaft – welche bei ihrem bezüglichen Truppenkörper oder Anstalt darum bitten, ein Pseudonym oder einen ‚Kriegsnamen‘ an Stelle ihres gesetzlichen Namens anzunehmen.“196

Als Richtlinien galt für die Annahme eines nom de guerre: Beschränkung auf die Dauer des Krieges, meist nur Ersetzung des Nachnamens durch ein Pseudonym, Änderung des Geburtsdatums und Geburtsortes. Bei der Abänderung des Geburtsortes sollte der Aussprache des Betreffenden große Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die neuen Daten waren für den gesamten Schriftverkehr und Umgang mit den Personen gültig. Der erste Passus dieser Richtlinien sollte allerdings den Überläufern zum Verhängnis werden. Darin war geregelt, dass die Annahme eines Kriegsnamens keine „[. . .] gesetzliche Anerkennung oder eine Veränderung des bürgerlichen Personalstandes nach sich zieht.“ Das Wolff’sche Telegraphen-Bureau notierte zur Hinrichtung Cesare Battistis spitzfindig: „Wenn die italienische Presse behauptet, dass die Hochverräter [Battisti und Filzi, Anm. d. Verf.] nicht bestraft werden dürfen, weil sie in italienischer Uniform ergriffen wurden, so befinden sie sich in offenem Gegensatz zu der italienischen Obersten Heeresleitung, die in ihrem Geheimerlaß Nr. 4609 [. . .] ausdrücklich betont, dass der Eintritt in das italienische Heer keinen Wechsel in der Staatsbürgerschaft zur Folge hat, daher die irredenten Kriegsfreiwilligen zu ihrer Sicherheit unter falschem Namen (nome di guerra) zu dienen haben.“197

Die Aussprache und ein besonderer Dialekt waren stets verräterische Merkmale. Die K. u. k. Behörden machten sich dies auch zunutze. Kurz nach Einführung des Passzwanges hatte man festgestellt, dass es in Südtirol eine eigene Organisation gab, die sich auf falsche Pässe und deren Verkauf spezialisiert hatte. Gefälschte Pässe italienischer Herkunft traten bei Kontrollen immer häufiger auf. Die Grenzwachbehörden verfielen bei der Überwachung der beiden Bahnlinien auf eine ganz besondere Methode, um illegale Flüchtlinge aufzuspüren, indem „[. . .] zur Überwachung der Eisenbahnzüge Polizeiagenten angestellt wurden, die alle Südtiroler Dialekte beherrschten. Diese Agenten hatten die Aufgabe, alle Personen, die sich durch Vorweisung italienischer Pässe legitimierten, in unauffälliger Weise in ein Gespräch zu verwickeln, um aus dem Dialekt die eventuelle Zuständigkeit nach Südtirol festzustellen. Ergab dieser Vorgang einen bestimmten Verdacht gegen eine Person, so wurde diese Person in der Grenzstation auswaggoniert und in Gewahrsam genommen, während gleichzeitig die von der betreffen196 BA-MA, PH 3 Nr. 72: Übersetzung des streng geheimen Rundschreibens Nr. 4609 vom 09.12.1915. 197 PAA, R 7783: Bericht Wollf’s Telegraphisches Bureau, Nr. 2138 vom 01.08.1916.

IV. Von Spionen und Irredentisten

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den Person gemachten Angaben durch telegrafische Anfragen genauestens überprüft wurden.“198

Aber auch nach Einführung des Passzwanges waren die Grenzüberwachungsverhältnisse mangelhaft, da eine lückenlose militärische Grenzabsperrung österreichischerseits infolge des großen Mangels an Truppen nicht gewährleistet werden konnte. Die mit der Grenzüberwachung betrauten Gendarmerie- und Grenzfinanzwach-Assistenzmannschaften konnten an der personellen Unterbesetzung nichts ändern und konnten lediglich daraus Vorteile ziehen, dass sie als Einheimische oft die nötigen Orts- und Sprachkenntnisse hatten.199 Das Kriegsministerium ging derweil daran, alle Vorbereitungen zu treffen, um die ‚unverlässlichen Bevölkerungsteile‘ abzutransportieren. Die betreffenden Bezirkshauptmannschaften sollten hierzu die erforderlichen Maßnahmen vorbereiten. Die militärischen Stellen gingen so weit, dass alle Staatsangehörigen Italiens im Alarmfall – ob verdächtig oder nicht – abzuschieben, zu internieren oder zumindest zu verhaften seien. Auch eine Verhängung des Standrechtes war vorgesehen, kam aber auf Intervention des Ministers Burián beim Kaiser nicht zustande.200 Außerdem ordnete das Militärkommando in Innsbruck an, „[. . .] dass in allen als Sitz der irredentistischen Agitation bekannten Orten alle angesehenen Personen, die im Verdacht irredentistischer Gesinnung standen, als Geiseln auszuheben sind, und dass endlich jeder Sabotageversuch sofort mit den schärfsten Mitteln zu ahnden ist.“201 Die Internierungsmaßnahmen wurden letztendlich aber nur in gravierenden Fällen umgesetzt, in denen man für die Illoyalität einigermaßen handfeste Beweise hatte.202 Auch die militärische Komponente war hier beeinflussend, da eine Vielzahl Italiener treu und loyal in der K. u. k. Armee dienten. Sie wollte man nicht vor den Kopf stoßen.203 Zur Verhinderung der Spionage in Südtirol wurden vom Landesverteidigungskommando Tirol (LVK) mit Ausbruch des Krieges gegen Italien letzte Maßnahmen ergriffen:204 Das Glockenleuten wurde verboten, ebenso wie das Beflaggen und die Ausübung des bergsteigerischen Verkehrs. Von 198

BA-MA, PH 3 Nr. 72: Memoire über die Irredenta. Vgl Neubauer, Gendarmerie, 1925, S. 28 ff. Ebenso MILAR/MHFZ, Karton MIL-IBK 9, Faszikel Gendarmerie (verschiedene Unterlagen zur Entwicklung der Grenzsicherungsdienste gegen Italien bis 1915). 200 Vgl. Rauchensteiner, Doppeladler, 1997, S. 237. 201 BA-MA, PH 3 Nr. 72: Memoire über die Irredenta. 202 Eigentler, Ernst: Tirol im Inneren während des Ersten Weltkrieges von 1914–1918 (Univ. Diss.), Innsbruck 1954, S. 195. 203 Vgl. besonders: Sondhaus, Lawrence: In the service of the emperor. Italians in the Austrian armed forces 1814–1918, New York 1990, S. 104. Darauf beziehend auch: Rauchensteiner, Doppeladler, 1997, S. 238. 199

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C. Die österreichisch-ungarische Südwestfront

den politischen Behörden wurden einige der als irredentistisch bekannten Vereine Südtirols aufgelöst. In der Folge wurde vom LVK die Auflösung faktisch aller italienischen Vereine Südtirols angeordnet inklusive Hausdurchsuchungen bei diesen aufgelösten Vereinen. Das Memorandum Kliewers ist eine herausragende Quelle dieses Zeitraumes, da es zwar aus der kritischen Sicht des deutschen Beobachters geschrieben ist, aber sehr faktenbasiert und kenntnisreich einen selten betrachteten Vorgang beleuchtet: Die konkreten Maßnahmen gegen die von Österreich-Ungarn so sehr gefürchteten irredentisischen Strömungen an ihrem Kulminationspunkt kurz vor Ausbruch der Feindseligkeiten. Die Denkschrift wird mit einer Anlage beendet, die hier in voller Länge wiedergegeben werden soll. In ihr sind ganz genaue Anweisungen aufgeführt für eine „[. . .] Fortführung der während des Krieges eingeleiteten Irredentabekämpfung.“205 Im Falle eines – erwarteten – siegreichen Ausgangs des Weltkrieges sollte man mit diesem Programm gleich nach Beendigung des Krieges die Irredenta „[. . .] vollständig ausrotten.“206 1.) „Gründliche Säuberung der Beamtenschaft des Landes von allen nicht vollkommen einwandfreien Elementen. 2.) Gründliche Sanierung der Verhältnisse in der Geistlichkeit Südtirols. Hiezu gehört in erster Linie die Besetzung des Trientiner Bischofssitzes mit einem loyal gesinnten Kirchenfürsten. 3.) Säuberung des Lehrpersonals von allen unpatriotischen Elementen. Einflussnahme auf eine patriotische Kindererziehung. 4.) Ausbau der deutschen Schulen im Trient. 5.) Ausbau des „Risveglio Austriaco“ als österreichisch fühlende italienische Zeitung Südtirols, sowie Sanierung der Verhältnisse in der italienischen Presse des Landes. 6.) Entsprechende wirtschaftliche Fürsorge für das Grenzgebiet, damit ein Vergleich der Verhältnisse in unserem Lande mit jenem im benachbarten Königreich nicht zu unseren Ungunsten ausfalle und die Grenzbewohner nicht aus wirtschaftlichen Gründen die Zugehörigkeit zu Italien begehrenswert finden. 7.) Ansiedlung deutscher oder sonst staatstreuer Colonisten im Grenzgebiet. 8.) Förderung des deutschen Schulwesens in ganz Südtirol. 9.) Einbürgerung des Unterrichtes in der deutschen Sprache auch in den italienischen Gebieten, eine Maßnahme, die vom Grossteil der Bevölkerung niederen Standes beifällig aufgenommen werden wird. 204

Vgl. hierzu auch: Gschliesser, Oswald von: Tirol bei Ausbruch des Krieges mit Italien im Mai 1915, in: ders., Tirol-Österreich, 1965, S. 161–164. 205 BA-MA, PH 3 Nr. 72: Memoire über die Irredenta. 206 BA-MA, PH 3 Nr. 72: Memoire über die Irredenta.

IV. Von Spionen und Irredentisten

151

10.) Energischer Schutz aller dieser Maßnahmen gegen die zu gewärtigende irredentistische Gegen-Aktion 11.) Förderung des deutschen Hotelwesens, sowie aller sonstigen in deutschen oder sonstigen staatstreuen Händen liegenden Unternehmungen. 12.) Gründliche, systematische Verdrängung aller Reichsitaliener insbesonders aller Grundbesitzer aus dem Gebiet der Monarchie.“207

„Nur bei kraftvoller Durchführung aller dieser Maßnahmen [. . .]“ erhoffte man sich, eine staatliche Ordnung herstellen zu können, die sich gänzlich von den „[. . .] der Vernunft Hohn sprechenden Verhältnisse[n]“ wie sie vor dem Kriege bestanden hatten, unterschied.208 Die Auflistung des Hauptmanns Kliewer liest sich wie eine Bedienungsanleitung, die dann allerdings – nach der österreichisch-ungarischen Niederlage – mit umgekehrten Vorzeichen von der italienischen Besatzungsmacht in Tirol umgesetzt wurde. Die Italianisierungskampagne Südtirols, die maßgeblich von Ettore Tolomei geplant worden war und 1918 in die Wege geleitet wurde, bediente sich großteils dieser Elemente. Zunächst standen sich allerdings erst noch für fast vier Jahre italienische, österreichische, ungarische und deutsche Truppen im Kampf an der Italienfront gegenüber.

207 208

BA-MA, PH 3 Nr. 72: Memoire über die Irredenta. BA-MA, PH 3 Nr. 72: Memoire über die Irredenta.

„Sieg oder Tod im Alpenrot“ (Wahlspruch des K. k. Tiroler Landesschützen/ Kaiserschützenregimentes Nr. I – Trient)1

D. Die Kombattanten – Streitkräfte und Spezialtruppen I. Die ‚gesamte bewaffnete Macht‘ Österreich-Ungarns Bevor auf die weiteren militärischen Ereignisse direkt eingegangen wird, soll an dieser Stelle ein Überblick über die am Kampf beteiligten Streitkräfte gegeben werden. Dies scheint insofern geboten, als sich die Struktur beziehungsweise Organisation damaliger Armeen stark von dem heutigen Gefüge unterschied.2 Die Armee des Habsburgerreiches bekam ihre Gestalt durch den sogenannten Ausgleich zwischen Österreich und Ungarn im Jahre 1867.3 Die hier geschaffene Struktur ließ das gemeinsame Reich zwar zweigeteilt erscheinen, bot aber einen Grundkonsens an Einheit und Interessenausgleich. Nichtsdestotrotz war das System des K. u. k. Kondominiums kompliziert und unübersichtlich. Jede der Reichshälften besaß einen Ministerpräsidenten mit den zugehörigen Ministern und nur die Bereiche Heerwesen, Außenpolitik und Währungsangelegenheiten wurden gemeinsam administriert. Zudem bestand der eigentliche Geburtsfehler dieses Ausgleiches darin, dass den Slawen der Monarchie, welche zum größten Teil in der cisleithanischen Reichshälfte siedelten, eine ähnliche Berücksichtigung ihrer Interessen sowie ihrer nationalen Aspirationen verwehrt wurde. Allen voran 1 Auch die Losung des II. Regimentes klingt in unseren heutigen Ohren martialisch: „Auf Felsenhöhen, wo der Adler kreist, Sieg oder Tod unsere Losung heißt.“ Das III. Regiment schrieb sich auf die Fahnen: „Allzeit wachsam und kampflustig.“ Quelle: Faltblatt Was jeder Mann unseres Bataillons von den Kaiserschützen wissen muß! Ausgegeben (laut Stempel) vom Tiroler Feldjägerbataillon zu Rad No. 6 (früher Kaiserschützen) in: MILAR/MHFZ, Schriftensammlung. 2 Hierzu: Urbanitsch, Peter/Wandruszka, Adam (Hg.): Die Habsburgermonarchie 1848–1918, Bd. 5: Die Bewaffnete Macht, Wien 1987. Ausgezeichnet das Werk: Rothenberg, Gunther E.: The Army of Francis Joseph, West Lafayette 1976. Ein kurzer Überblick in: Heeresgeschichtliches Museum Wien (Hg.): 1914/1918 Sachzeugen zur militärischen Geschichte des Ersten Weltkriegs, Wien 1988, S. 54–61. Eine Zeitgenössische Quelle zum Aufbau der österreichisch-ungarischen Armee: The Times: History of the War, Vol. II., London 1915, Kap. 37, S. 221–236. Auch: Schwarte, Max (Hg.): Der große Krieg 1914–1918. Band 5: Der österreichisch-ungarische Krieg, Leipzig/Stuttgart/München 1922. 3 Speziell zur Entwicklung der K. u. k. gemeinsamen Armee aber auch zum schwierigen – und für diese Arbeit von besonderem Interesse – Verhältnis zu Italien vgl.: Duruy, Victor: Österreich-Ungarn und Italien. Von Kapitän Duruy, im Vereine mit Hans Theisz, Kurt v. Schmedes und Emerich v. Suhay, Wien 1910.

I. Die ‚gesamte bewaffnete Macht‘ Österreich-Ungarns

153

den Kroaten, welche nun der magyarischen Reichshälfte zugeschlagen worden waren und dieses Schicksal als Diskriminierung betrachteten. Sie hatten über Jahrhunderte zu den treuesten Untertanen der Monarchie gehört, aus deren Reihen die ‚Grenzer‘ stammten, also jene Söhne der Wehrbauern, die stets die so genannte Militärgrenze in Richtung Südosten verteidigt hatten und den Habsburgern in den Türken- und Franzosenkriegen beigestanden hatten. Noch 1848 hatten sie unter dem Banus Joseph Jelacˇic´ dem jungen Franz Joseph in Wien auf den Thron verholfen. Offensichtliche Probleme mit dem Ausgleich hatten natürlich die Serben aber auch die Rumänen und Slowaken Der Ausgleich schuf ein gesamtimperiales Heer aus Armee und Kriegsmarine, die so bezeichnete ‚Gesamte Bewaffnete Macht‘. Die Landstreitkräfte unterlagen einer Dreiteilung. Das gemeinsame ‚kaiserliche und königliche‘ (K. u. k.) Heer wurde ab 1868 von beiden Reichshälften beschickt. Dabei gab es in der österreichischen Reichshälfte die ‚kaiserlich-königliche‘ (K. k.) Landwehr und entsprechend in der transleithanischen Reichshälfte die ‚königlich-ungarische‘ (K.u.) Honvéd. Diese Heimwehr entsprach der österreichischen Landwehr. Bis zur Wehrrechtsreform von 1912 galt eine zwölfjährige Dienstzeit, von der drei Jahre aktiv und neun Jahre in der Reserve abzuleisten waren. Für die Absolventen von Mittelschulen wurde 1868 das Institut der Einjährig-Freiwilligen geschaffen. Man eröffnete damit die Laufbahn des Reserveoffiziers und ermöglichte eine Dienstzeitverkürzung mit dem Ziel, das Reserveheer zu vermehren.4 Der bekannte Maler Alfons Clary-Aldringen schrieb in seiner Biographie dazu: „Damals galt in Österreich-Ungarn die allgemeine Wehrpflicht für drei Jahre; wer aber ein Gymnasium oder eine Realschule beendet hatte, brauchte nur ein Jahr zu dienen. (Im Deutschen Reich wars ja wohl ähnlich, nur dass da sechs Jahre im Gymnasium schon genügten.) Diese jungen Leute hießen „Einjährig-Freiwillige“; das Wort „freiwillig“ war eigentlich nicht zutreffend, denn für die tauglich befundenen war das Dienen eine Pflicht. Das „Freiwillige“ bestand nur darin, dass man sich die Waffengattung auswählen durfte und sogar das Regiment, in dem man dienen wollte. Ferner hatten die „Einjährigen“ das Recht, ihre eigenen Uniformen zu tragen, außerhalb der Kaserne zu wohnen und als zukünftige Reserve-Offiziere mit den Offizieren in der „Menage“ zu essen. Unbestreitbar eine bevorzugte Stellung; sie hatte aber wohlgemerkt nichts mit der Herkunft, nur mit einem beendeten Studium zu tun.“5

Während der ab 1912 nur mehr zweijährigen Dienstzeit diente nur rund ein Drittel der tauglich gemusterten Wehrpflichtigen im K. u. k. Heer und 4 Weitere Informationen speziell zum Offizierskorps in: Deák, István: Der K. (u.) K. Offizier 1848–1918, Köln/Weimar/Wien 1991. 5 Clary-Aldringen, Alfons: Geschichten eines alten Österreichers. Mit einem Vorwort von Golo Mann, Berlin/Frankfurt a. M./Wien 1977, S. 122 f.

154

D. Die Kombattanten – Streitkräfte und Spezialtruppen

bei der Kriegsmarine. Die anderen dienten in den beiden Landwehren oder wurden nach einer achtwöchigen Grundausbildung zurückgestellt. Sie zählten dann zu den Ersatzreservisten, aus denen im Kriegsfall der Landsturm formiert beziehungsweise der Ersatz für das gemeinsame Heer und die Landwehren rekrutiert werden sollte. Im letzten Friedensjahr standen der K. u. k. Armee 159.000 Rekruten zur Verfügung, ergänzt durch 7.260 Mann, die den bosnisch-herzegowinischen Truppen zugewiesen wurden, sowie circa 25.000 Mann, die auf die K. k. Landwehr und die K.u. Honvéd aufgeteilt wurden.6 Die Gesamtstärke der K. u. k. Wehrmacht im Frieden betrug 415.000 Mann. Diese waren gegliedert in 32 Heeres-, 16 ½ Landwehr-, neun Kavallerie- und zwei Honvéd-Kavalleriedivisionen. Im Mobilmachungsfall konnte diese Streitmacht durch 20 Landsturm- und 14 Marschbrigaden ergänzt werden.7 Die K. u. k. Armee war einmalig, was ihre Zusammensetzung anging. Sie bestand aus einem Völkergemisch, in dem sich in geradezu babylonischer Sprachverwirrung zwölf Nationen wiederfanden.8 Neben der dominierenden deutschen Nationalität gab es, in etwa geordnet nach ihrem Anteil: Ungarn, Tschechen, Slowaken, Polen, Ruthenen, Slowenen, Serbokroaten, Kroaten, Serben, Rumänen, Italiener und Ladiner. Der Aufstellung von Ehnl folgend, was die Zusammensetzung des Mannschaftsstandes betraf, führten die Deutschen mit rund 250 von Tausend (v. T.) Mann.9 Es folgten die Magyaren mit 225 v. T. und die Tschechen mit 130 v. T. Geringer waren die Anteile der Kroaten, Serben, Polen sowie der Ruthenen und Rumänen mit Tausendsätzen zwischen 90 und 70. Die Slowenen und Slowaken erreichten davon nicht einmal ein Drittel. War der Anteil der Italiener mit 13 v. T. schon gering, so war der der Bulgaren mit 0,5 v. T. kaum mehr wahrnehmbar. Anders fällt die Betrachtung des aktiven wie auch des Reserveoffizierskorps aus. Hier hatten die Deutschösterreicher ein starkes Übergewicht, bei Offizieren 750 v. T., bei den Offiziersaspiranten 550 v. T. Einige aufschlussreiche Zahlenangaben zur Frage nach der Nationalität der Generalität in Österreich-Ungarn hat nach dem Krieg der Ministerialsekretär im Deutschösterreichischen Staatsamt für Heerwesen Wilhelm Winkler zusammengefasst. 6 Die ausführlichste Übersicht mit Stichtag 28.06.1914 findet sich bei Ehnl, Maximilian: Die österreichisch-ungarische Landmacht nach Aufbau, Gliederung, Friedensgarnison, Einteilung und nationaler Zusammensetzung im Sommer 1914, Ergänzungsheft 9 zum Werke Ö. U. L. K., Wien 1934. 7 Die zahlenmäßige Entwicklung in: Franck, Entwicklung, 1933. Zu den Truppenstärken auch der Anhang E: Hinweise zu Stärke und Organisation der Truppenverbände in dieser Arbeit. 8 Zur Nationalitätenfrage der K. u. k. Armee u. a.: Gallian, Otto: Der österreichische Soldat im Weltkrieg. Die Legende vom „Bruder Schnürschuh“, Graz 1933, S. 9–18. 9 Alle Angaben nach Ehnl, Landmacht, 1934, S. 15.

I. Die ‚gesamte bewaffnete Macht‘ Österreich-Ungarns

155

Für die Heimatzuständigkeit der am 1. November 1918 aktiven Generäle in der österreichisch-ungarischen Wehrmacht kann man demnach folgende Tabelle erstellen:10

Heimatzuständig (nach den Grenzbestimmungen im Friedensvertragsentwurf von 1919) deutschösterreichisch

ungarisch

tschechoslowakisch11

jugoslawisch

polnisch

2

1 (1)

2









4

3 (–)

3





1

2

14 (7)

3

1







30

35 (16)

5

7

-

3

1

49

59 (24)

12

16

1

5

1

94

112 (48)

25

24

1

9

4

rumänisch italienisch

sonst. Ausland

Feldmarschälle 1 Generaloberste 10

Generale (GdI, GdK, GdA, FZM) 10

9

Feldmarschalleutnants 37 Generalmajore 60 Summe: 118

Eine rein paritätische Besetzung der Stellen war sicher nicht durchführbar. Allerdings stellt sich die Frage, ob diese Zahlen wirklich das angepeilte Ergebnis Winklers so stark unterstützen. Dieser summiert nämlich: „Die große Zahl der an verantwortlichsten Posten stehenden slawischen, italienischen und rumänischen Generalen erbringt den besten Beweis dafür, dass die Auslese zum Offiziersstande nur nach Tüchtigkeit und Neigung, nicht nach anderen Gesichtspunkten erfolgte.“12 Man muss klar den Zweck dieser Abfas10

Nachfolgende Tabelle orientiert sich an den Ergebnissen in: Winkler, Wilhelm: Der Anteil der nichtdeutschen Volksstämme an der öst.-ung. Wehrmacht (Herausgegeben vom Statistischen Dienst des Deutschösterreichischen Staatsamtes für Heerwesen), Wien 1919, S. 3. 11 In Klammern die dem deutschen Sprachgebiet zugehörigen. 12 Winkler, Anteil, 1919, S. 4.

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D. Die Kombattanten – Streitkräfte und Spezialtruppen

sung sehen: 1919, kurz nach dem verlorenen Krieg, machte man sich schnell auf die Suche nach einem Schuldigen. Die Pflichtverletzungskommission wurde bereits angesprochen, vor allem lastete starker Druck auf den deutschsprachigen Offizieren. Winkler versucht nicht die Verantwortung von den deutschösterreichischen Offizieren fortzuweisen, aber er versucht die Belastung auf mehrere Schultern – also in diesem Fall Nationalitäten – zu verteilen. Entsprechend ist auch sein Resümee zu sehen: „Ein gerechter Sinn, welcher die wahren geschichtlichen Tatsachen zu erkennen vermag, wird die Verantwortlichkeit der einzelnen Völker von derjenigen der Helfer eines nicht gewollten und gehassten Systems wohl zu unterscheiden wissen. Aber auch wer für diese Unterscheidung blind ist, wird aus den obigen Zahlen zum Schlusse gelangen müssen, dass von der gesonderten Verantwortlichkeit eines einzelnen Volksstammes hier nicht die Rede sein kann.“13 Im K. u. k. Heer und in der K. k. Landwehr war als Dienstsprache Deutsch vorgegeben, wohingegen die meisten Honvéd Verbände Ungarisch und einige wenige Kroatisch als Dienstsprache verwendeten. Die Dienstsprache in diesem Konglomerat war jene, die im Verkehr militärischer Dienststellen untereinander und mit den zivilen verwendet wurde. Davon abzugrenzen ist die Kommandosprache, in der die Befehle und Drill-Kommandos erteilt wurden. Sie war Deutsch. Jeder Soldat musste zumindest die gängigen ‚Brocken‘ beherrschen. Als Regimentssprache galt schließlich jene, die von einer Mehrheit der Soldaten gesprochen wurde, in der Regel ab etwa zwanzig Prozent. Bei den Offizieren gab es daher geradezu ‚Sprachkünstler‘. Dazu war es den Oberoffizieren, also Leutnant bis Hauptmann, auferlegt, binnen drei Jahren die vorherrschende Nationalsprache, die Regimentssprache, zu erlernen. „Das alte Armeescherzwort von den K. u. k. Regimentern, in denen deutsch kommandiert und magyarisch geschimpft und von den Honvédregimentern, in denen magyarisch kommandiert und deutsch geschimpft werde, hatte gewiss recht.“14 Trotzdem bewährten sich die stärker gemischten Einheiten ebenso wie die national homogeneren. Dazu kam noch die Verschiedenheit der Religionen, die besonders in Kriegszeiten einen gewichtigeren Einfluss hatten als im Frieden. Abgesehen von den verschiedenen protestantischen und orthodoxen Bekenntnissen gehörten über 200.000 Soldaten dem jüdischen Glauben und über 60.000 dem Islam an.15 Eine Sonderstellung nahm die Tiroler Landesverteidigung ein, die für die Alpenfront von zentraler Bedeutung war. An ihr kann der Aufbau besonders anschaulich dargestellt werden. Unter dem ‚Institut der Landes-Verthei13

Winkler, Anteil, 1919, S. 6. Ebd., S. 14. 15 Vgl.: Kleindel, Walter: Der Erste Weltkrieg. Daten – Zahlen – Fakten, Wien 1989, S. 26. 14

I. Die ‚gesamte bewaffnete Macht‘ Österreich-Ungarns

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digung in Tyrol und Vorarlberg‘ waren folgende Einheiten zusammengefasst:16 1. die Tiroler und Vorarlberger Truppenkörper des Heeres, also die Tiroler Kaiserjägerregimenter (reguläre Armeetruppen erster Linie), 2. die Landwehr-Fuß-Truppen (Landwehr Infanterie), welche in Tirol Landesschützen genannt wurden, mit den berittenen Landesschützen (Truppen zweiter Linie), 3. der Landsturm in Tirol und Vorarlberg, der wie die Landwehr in einen österreichischen (K. k. Landsturm) und einen königlich ungarischen (K.u. Honvéd) Teil zerfiel (Truppen dritter Linie), 4. Tiroler Standschützen, die aus dem Schießstandswesen hervorgingen (das sozusagen ‚letzte Aufgebot‘). Am 17. Mai 1815 befahl Kaiser Franz I. die Aufstellung eines neuen Jägerregimentes in Tirol und Vorarlberg. Dieses Regiment war Teil des stehenden Heeres der Donaumonarchie und trug zur besonderen Ehre den Titel ‚Kaiserjägerregiment‘. Mit dem 16. Januar 1816 – dieser Tag wird als Geburtstag der Kaiserjäger gefeiert – begann tatsächlich die Aufstellung des Regimentes. Wie es in dem Stiftungsbrief heißt, sollte das Regiment „[. . .] blos [sic] aus Landeskindern gebildet“ werden.17 Am 1. Mai 1895 wurde eine Umstrukturierung des bis dahin auf 16 Bataillone angewachsenen so genannten ‚Tiroler Jägerregimentes Kaiser Franz Joseph‘ vorgenommen: Es wurde in vier Regimenter (zu je vier Bataillonen) umgebildet, die den Titel ‚K. u. k. 1., 2., 3. und 4. Regiment der Tiroler Kaiserjäger (TKJ)‘ führten. Vor dem Ersten Weltkrieg wurden die Kaiserjäger 1821 in Neapel und Piemont, 1831 in Modena und Parma, 1848/49 in Lombardei–Venetien, 1849 in Ungarn, 1859 in der Lombardei, 1866 in Tirol und Venetien, 1878 in Bosnien-Herzegowina sowie 1882 in Süddalmatien eingesetzt und galten bereits damals als Elitetruppen. Mit Beginn des Krieges zwischen Österreich-Ungarn und Russland im August 1914 kämpften auch die Kaiserjäger an der Ostfront und hatten einen überaus hohen Blutzoll zu beklagen. „Ströme treuen Tirolerblutes sind geflossen [. . .]“ in den Weiten Galiziens.18 16 Wrede, Alphons von: Geschichte der K. und K. Wehrmacht, Starnberg 1985 (Neudruck der Ausgabe Wien 1898–1905), Bd. V., S. 563. Für die nachfolgend unter 2–4 genannten Formationen war nicht der Reichsrat, sondern der Landtag von Tirol und Vorarlberg die gesetzgebende Körperschaft. 17 Abgedruckt in: Haager, Christian/Hoffmann, Paul/Spielmann, Heinz: Die Tiroler Kaiserjäger. Die Geschichte der Tiroler Eliteregimenter. Gründung – Einsätze – Ausrüstung, Cremona 1996, S. 20. Vgl. auch Wrede, Wehrmacht, I, Neudruck 1985, S. 645 ff. 18 Viktor Graf Dankl in seiner Ansprache an das TKJ-Regiment zu dessen Hundertjahrfeier am 16.01.1916. Tondokument aus: „Ich war an allen Fronten.“ Öster-

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Ab Juli 1915 wurden die noch intakten Kaiserjägerformationen nur noch an der Südwestfront – vom Ortler über den Gardasee, die Dolomiten und die Julischen Alpen bis an den Isonzo – eingesetzt.19 Neben den Kaiserjägern waren die Landesschützen eine weitere Truppenformation mit speziellem Tiroler Regional-Charakter.20 Im Jahre 1864 war von der österreichischen Staatsregierung dem Tiroler Landtag ein neues Landesverteidigungsgesetz vorgelegt worden, welches die Schaffung einer speziellen Landesverteidigungsoberbehörde vorsah.21 An deren Spitze stand der Statthalter als Vertreter der Regierung und ihm war seitens des Landes eine Reihe von Landesfunktionären beigegeben. Als militärischer Kommanreich-Ungarn und der Erste Weltkrieg in Tondokumenten. Sprecher: Fritz Muliar, Produktion des Österreichischen Rundfunks (ORF), Compact Disk (CD), Wien 1996. Hierzu die Veröffentlichung: Kühne-Hellmessen, Gisbert Walter: Kaiserjäger – ausharren! Vom Heldensterben des 2. Regimentes der Tiroler Kaiserjäger in den Septembertagen 1914, Oldenburg 1936. 19 Die offizielle Darstellung der Kaiserjägerregimenter während des Ersten Weltkrieges ist: Wißhaupt, Ernst: Die Tiroler Kaiserjäger im Weltkriege 1914–1918. (Band 1: Vom Kriegsausbruch bis zum Frühjahr 1915; Band 2: Vom Frühjahr 1915 bis zum Kriegsende 1918, Wien 1935/1936. Als Überblicksdarstellung eignet sich auch das Werk des Oberleutnants im 1. Regiment der TKJ: Jakoncig, Guido: Tiroler Kaiserjäger im Weltkrieg. Eine Regimentsgeschichte in Bildern, Innsbruck 1935. Erwähnenswert auch die Zusammenstellung von: Blaas, Rudolf: Tiroler Kaiserjäger. Ein Gedenkbuch zur Erinnerung an die 10jährige Wiederkehr der Feuertaufe 1914–1924. Hrsg. vom Tiroler Kaiserjägerbund, Innsbruck 1924. 20 Siehe zu Kaiserjägern und Schützen auch: Acerbi, Enrico: Le Truppe da Montagna dell’ Escercito Austro-Ungarico nella Grande Guerra 1914–1918, Valdagno (Vicenza) 1991. Das frühe Standardwerk zu den Standschützen: Mörl, Anton: Die Standschützen im Weltkrieg, Innsbruck/Wien/München 1934. Das moderne Grundlagenwerk in das viele Befragungen mit Kriegsteilnehmern eingeflossen sind: Lichem, Heinz von: Die Tiroler Hochgebirgstruppe. Die Friedensund Kriegsgeschichte der k. k. Tiroler Landesschützen-Regimenter, KaiserschützenRegimenter Nr. I, Nr. II und Nr. III von ihren Anfängen bis zum Ende des Ersten Weltkrieges (Univ. Diss.), Innsbruck 1982. Dieses Werk wurde auch für ein breiteres Publikum umgearbeitet und verlegt unter dem Titel: Spielhahnstoß und Edelweiß. Die Friedens- und Kriegsgeschichte der Tiroler Hochgebirgstruppe „Die Kaiserschützen“ von ihren Anfängen bis 1918: K. k. Tiroler Landesschützen-Kaiserschützenregimenter Nr. I–Nr. II–Nr. III, Graz/Stuttgart 1977. Neueren Datums aber mit großem Detailreichtum speziell für die regional verorteten Standschützenbaone: Joly, Wolfgang: Standschützen. Die Tiroler und Vorarlberger K. k. Standschützen-Formationen im Ersten Weltkrieg. Organisation und Einsatz, Innsbruck 1998. 21 Zur Entwicklungsgeschichte auch das übersichtliche Bändchen: Bartl, Georg: Tiroler Landesschützen-Kaiserschützen. Ein allgemeiner Rückblick auf ihre Entwicklung im Wandel der Zeiten, Innsbruck [vermutl.] 1930.

I. Die ‚gesamte bewaffnete Macht‘ Österreich-Ungarns

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dant fungierte der jeweilige höchstkommandierende General in Tirol. Organisatorisch waren für den Aufbietungsfall folgende Elemente vorgesehen: 1. Landesschützen Kompanien, die sich aus Reservisten des Heeres, Freiwilligen und Jugendlichen im Alter von 20 Jahren (die schon wehrpflichtig waren) zusammensetzten und im Frieden außer zu Schießübungen an den Schießständen, auch einmal im Jahr zu einer Waffenübung einberufen wurden. 2. Freiwillige Scharfschützenkompanien im Kriegsfall. 3. Einheiten des Landsturmes in den Grenzgebieten.22 Dieses Gesetz wurde in der Sitzung des Tiroler Landtages vom 12.12.1864 in seiner Gesamtheit nur für den deutschen Teil des Landes angenommen. Die Aufstellung von Landesschützen Kompanien wurde von Vertretern des italienischen Teiles des Landes mit der Begründung abgelehnt, dass in Italienisch Südtirol das Schießstandwesen sich noch nicht eingelebt habe und die Bevölkerung lieber zu den aktiven Truppen der Kaiserjäger einrücken wollte.23 So blieb vorläufig nur die Landsturmverpflichtung als Beitrag zur Landesverteidigung übrig und auch diese nur auf dem Papier. Das Kriegsjahr 1866 brachte dann eine volle Durchführung der Tiroler Landesverteidigungsgesetze. In kurzer Zeit, von Ende Juli bis Anfang August 1866, konnten circa 2.400 Landsturmmänner auch aus dem italienischen Teil Tirols aufgeboten werden. Mit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in der nunmehrigen Österreich-Ungarischen Monarchie, die im Jahre 1867 an die Stelle des bisherigen Kaisertums Österreich trat, ergingen im Rahmen der nun zu schaffenden Wehrgesetze auch solche für die Organisierung und Einberufung der Landwehr beziehungsweise des Landsturmes in der Gesamtmonarchie. Aufgrund des später aufgestellten Landesverteidigungsgesetzes vom 19. Dezember 1870 wurden die Tiroler Landesschützen, bestehend aus zehn Bataillonen und zwei Kompanien zu Pferde, als Teil der K. k. Landwehr aufgestellt.24 Die Wehrpflicht bei den Landesschützen bestand vom 21. bis zum 32. Lebensjahr. Gemäß Befehl des Landesverteidigungskommandanten von Tirol und Vorarlberg, Josef Freiherr von Philippovic´, zierte von Beginn an der Spielhahnstoß die Mütze der neu gegründeten Einheiten.25 1893 wurden die 22

CAN, C-12: Elaborat Heinrich von Mast. Besonderes Augenmerk auf die italienischsprachigen Tiroler, die hier absolut nicht despektierlich Welschtiroler genannt werden legt die Publikation von: Hochenegg, Hans: Mit den Welschtirolern im ersten Weltkrieg. Ein Beitrag zur Geschichte der Tiroler Kaiserjäger (Sonderdruck), Innsbruck 1951. 24 Vgl.: Wrede, Wehrmacht, V, Neudruck 1985, S. 565 ff. Auch: Lichem, Spielhahnstoß, 1977, S. 23. 23

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zehn Bataillone in drei Regimenter umgewandelt, von denen das dritte im Jahre 1901 aufgelöst (und 1909 wieder errichtet) wurde. Am 1. Mai 1906 wurden die K. k. Landesschützenregimenter Trient Nr. 1, Bozen Nr. 2, Innichen Nr. 3 zur Hochgebirgstruppe umgebildet – der ersten im deutschsprachigen Raum. Als äußere Ehrenzeichen erhielten die Schützen neben dem Spielhahnstoß an der Kappe noch das Edelweiß am Kragenspiegel.26 Im Ersten Weltkrieg wurden die Landesschützenregimenter anfangs in Russland beziehungsweise Galizien eingesetzt und kamen ab Juli 1915 nach Tirol, Kärnten und an den Isonzo. Sie verblieben bis zum Kriegsende an der Südwestfront. Am 16. Januar 1917 verfügte Kaiser Karl, dass die Landesschützen „[. . .] in Anerkennung ihrer hervorragenden Leistungen in diesem Krieg von heute an den Namen Kaiserschützen zu führen haben“.27 Am 1. August 1914 wurde der Landsturm aufgeboten. Diese Truppe bestand aus Schützen zwischen dem 33. und 42. Lebensjahr. Das Hauptkontingent des Tiroler Landsturms rekrutierte sich im Landsturmbezirk I (Innsbruck) wo es die zwei Landsturm-Infanterieregimenter Innsbruck Nr. 1 und Imst Nr. 2 bildete. Der Landsturm diente im Kriege der Unterstützung des Heeres sowie der Landwehr und deckte „Hilfsleistungen technischer, administrativer und sanitärer Natur“ ab.28 Obwohl zur Sicherung der Tiroler Grenzen vorgesehen, kamen die Landstürmer aus Mangel an regulären Truppen schon 1914 an den östlichen Kriegsschauplatz. Die katastrophalen Verluste, die sie dort erlitten, führten dazu, dass sie später nur noch als Landsturmbataillone eingesetzt wurden. Die letzte Stütze der österreichisch-ungarischen Verteidigung war das milizartige Aufgebot der Standschützen.29 Diese geradezu legendäre Truppe ging auf das Landlibell Kaiser Maximilians I. von 1511 zurück.30 In einer 25 Vgl.: Lichem, Spielhahnstoß, 1977, S. 27. Als Spielhahn wird das, zur Familie der Rauhfußhühner gehörige, männliche Birkwild bezeichnet. Die prächtigen Stoßfedern des männlichen Hahns werden auch das Spiel genannt. Das umfangreichste und reich bebilderte Werk zum Thema der Adjustierung aber auch zu weit darüber hinausgehenden Fragen der Organisation: Hinterstoisser, Hermann/Ortner, Christian/Schmidl, Erwin (Hg.): Die K. k. Landwehr-Gebirgstruppen. Geschichte, Uniformierung und Ausrüstung der österreichischen Gebirgstruppen von 1906 bis 1918, Wien 2006. Die Quelle im klassischen Sinn zu Fragen der Uniformierung: MILAR/MHFZ, Schriftensammlung: Adjustierungsvorschriften für die K. k. Landwehr. 1. Teil: Allgemeine Bestimmungen und Sortenbeschreibungen (Verordnungsblatt für die K. k. Landwehr Nr. 52), Wien 1911. 26 Vgl.: Lichem, Spielhahnstoß, 1977, S. 37. 27 Lichem, Spielhahnstoß, 1977, S. 216. Hierzu auch: Gschliesser, Oswald von: Wie aus den Tiroler Landesschützen Kaiserschützen wurden, in: ders., Tirol-Österreich, 1965, S. 168–173. 28 Wrede, Wehrmacht, V, Neudruck 1985, S. 585.

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Zeit vor Einführung stehender Heere im heutigen Sinne war die Aushebung von Truppen in Krisenzeiten eine existentielle Frage. In Kriegszeiten hatte somit jeder Gerichtsbezirk, je nach Bedrohung, eine Anzahl von wehrtüchtigen Männern zu stellen. Die ‚Zuzugs- und Defensionsordnungen‘ passten das Schützenwesen an die sich ändernden Verhältnisse an und der Tiroler Freiheitskampf von 1809 war die letzte Bewährungsprobe vor dem Großen Krieg. Die Illustrated London News schrieb 1909 über die Tiroler Schützen, rekurrierend auf den Aufstand von 1809: „There is in the wide realm of history no people that have achieved as much as the Tyrolese by their expertness with the rifle, or who have demonstrated in a more signal manner what surprising results can be attained by making rifle shooting a national sport. Just one hundred years ago, after being abandoned by the Empire to which they belonged, a few thousand peasants, led by an innkeeper, a wood-feller, and a monk, not only chased some 27,000 of Napoleon’s war trained troops out of their country, but actually managed to keep at bay for upwards of six months overwhelming odds poured into their little land over every available pass by the angry conqueror of the world . . .“31

Die Standschützen setzten sich aus Freiwilligen aus Tirol und Vorarlberg zusammen und erwiesen sich für die Verteidigung ihres Landes als entscheidend. Da dem nicht aus Tirol oder Vorarlberg stammenden Leser die Konstruktion Schießstand in Verbindung mit Landesverteidigung ungewohnt erscheinen mag, wird hier eine kurze Erklärung eingeflochten. Zur organisatorischen Durchführung des Schießstandwesens war für Tirol und Vorarlberg je ein Oberstschützenmeister vorgesehen. Als weitere Untergliederung bestanden in Innsbruck und Bregenz je ein Landes-Hauptschießstand, dem die Bezirksschießstände – befindlich in den Standorten der einzelnen Gerichtsbezirke – und die Gemeindeschießstände in den einzelnen Ortsgemeinden unterstanden. So zog sich ein dichtes Netz von Schießständen durch Nord- und Südtirol, inbegriffen die italienisch-tirolischen Gebiete mit überwiegend italienischsprachiger Bevölkerung (wie beispielsweise Cavalese im Fleimstal). Erwähnt sei noch, dass alle diese Schießstände die amtliche Bezeichnung Kaiserlich-königlich, also K. k. führten und ihre Errichtung sowie Erhaltung auf dem Wege staatlicher Subventionen erfolgte. Zur Bildung eines K. k. Schießstandes war die Mitgliedschaft von mindes29 Eine gute Einführung bietet: Egg, Erich: Tiroler Standschützen. Die K. k. Tiroler und Vorarlberger Standschützenkorps 1915–1918 (Katalog Kaiserschützenmuseum Innsbruck), Innsbruck 1985. 30 Das Libell des Jahres 1518 bekräftigt die Tiroler Sonderstellung im Reich. Es ist wiedergegeben in: Wrede, Wehrmacht, I, Neudruck 1985, S. 717–721. Hierzu auch: Stolz, Otto: Geschichte der Verwaltung Tirols (Forschungen zur Rechts- und Kulturgeschichte Bd. 13), Innsbruck 1998, S. 211 ff. 31 Munday, Richard: Das letzte Aufgebot, in: Roulet/Engelberts, La guerre, I, 1993, S. 241–252, hier: S. 241.

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tens 20 Teilnehmern erforderlich, denen als Schützengesellschaft ein Schießstand zugewiesen wurde. Die Mitglieder dieser Schießstände trugen den amtlichen Namen Standschützen und waren in Listen eingetragen. Dieser Vorgang wurde als Immatrikulierung bezeichnet.32 Am 18. Mai 1915 ließ Kaiser Franz Joseph die Standschützen für den bevorstehenden Krieg gegen Italien mobilisieren. Organisatorisch mussten die Gemeindeschießstände Standschützenzüge bilden, die Standschützenzüge eines K. k. Bezirksschießstandes formierten sich zu Standschützenkompanien und mehrere Standschützenkompanien wurden in Standschützenbataillonen zusammengefasst. Der Nachteil dieser Disposition bestand in den unterschiedlichen Mannschaftsstärken, bot aber zugleich den Vorteil, dass Nachbargemeinden zusammenblieben.33 Dieses Verbundenheits- und Vertrauensverhältnis wurde noch dadurch gefördert, dass die Kommandanten und Offiziere der Standschützen aus den eigenen Reihen gewählt und vom Kaiser in Funktion und Rang bestätigt wurden.34 Es fanden sich vornehmlich für den Frontdienst Untaugliche und Männer unter 20 beziehungsweise über 42 Jahre. Nach dem ‚Organisationsstatut zur Schießstandsordnung‘ vom Mai 1913 war der Standschützenmann zwar landsturmpflichtig, der Beitritt zu den Standschützenformationen erfolgte aber nach dem Zeitpunkt der allgemeinen Mobilmachung freiwillig.35 Dieser Aspekt der Freiwilligkeit trug viel zur Heroisierung der Standschützen bei. Ende Dezember 1914 standen in Deutschtirol und Vorarlberg 21 Standschützenbataillone mit 38.370 Mann zur Verfügung.36 32 Nach dem Standschützengesetz von 1913 waren die Angehörigen der Schießstände landsturmpflichtig, da die Standschützen-Organisation einen Bestandteil des Institutes der Landesverteidigung Tirols bildete. Vgl.: Stolz, Geschichte, 1998, S. 218 ff. und CAN, C-12: Elaborat Heinrich von Mast. 33 Die Stärke der Standschützenbataillone variierte zwischen 120 (Bataillon Sarnthein) und 800 (Sillian und Enneberg samt Bruneck). Vgl.: Egg, Erich/Gschließer, Oswald: Tiroler Standschützen. Vierhundert Jahre Landesverteidigung in Tirol (Katalog Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Innsbruck), Innsbruck 1965, S. 7. 34 Analog zur Gliederung wählten die Züge die Zugskommandanten, die Zugskommandanten die Kompaniekommandanten und die Kompaniekommandanten die Bataillonskommandanten. Vgl. hierzu u. a.: Joly, Standschützen, 1998, S. 28 ff. 35 Die österreichisch-ungarische Mobilmachung begann mit dem am 31. Juli erlassenen allgemeinen Mobilmachungsbefehl, der den 4. August 1914 als ersten Mobilisierungstag festsetzte. Vgl.: Hoen, Maximilian von: Mobilmachung, in: Schwarte, Max (Hg.): Der Weltkampf um Ehre und Recht. Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit, auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend. Bd. 5: Der österreichisch-ungarische Krieg, Leipzig 1922, S. 17–21, hier: S. 19. Zu der Problematik der Freiwilligkeit: Joly, Standschützen, 1998, S. 15. 36 Vgl.: Fontana, Josef: Vom Neubau bis zum Untergang der Habsburger Monarchie 1848–1918 (Geschichte des Landes Tirol, Bd. 3), Bozen/Innsbruck/Wien 1987, S. 435.

II. ‚L’Esercito Italiano‘

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Landesschützen, Landsturm und Standschützen war gemein, dass sie grundsätzlich nur zur Verteidigung des Landes herangezogen werden durften.37 Dieser defensive Charakter wurde aber missachtet und schon 1914 wurden viele Tiroler des Landsturms und der Kaiserschützen nach Galizien und Serbien verlegt.38 „Das Verheizen der Tiroler Kaiserjägerregimenter in Galizien mit rund 9.700 Gefallenen und der verantwortungslose und gesetzlich kaum gedeckte Einsatz über 40jähriger Landsturmmänner in Serbien ließen sich nicht verheimlichen und wurden von den Menschen im Land mit wachsender Trauer und Erbitterung aufgenommen.“39 Mit Eintritt Italiens in den Krieg war es also schwer, noch Truppen zur Verteidigung der Grenze zu mobilisieren.

II. ‚L’Esercito Italiano‘ Die historische Entwicklung der Streitkräfte Italiens steht in engem Zusammenhang mit der staatlichen Entwicklung des Königreiches im 19. Jahrhundert durch die Vereinigung aller Provinzen der Apennin-Halbinsel unter der Dynastie Savoyen. Mit der Konstituierung des italienischen Königreiches am 18. Februar 1861 wurde der Ausbau des Königlichen Heeres und der Königlichen Marine forciert. Die Landstreitkräfte gingen vornehmlich aus dem piemontesischen Heer der italienischen Einigungskriege hervor. Basierend auf dessen Traditionen, speziell der Prägung des Offizierskorps, wurde es schrittweise ausgebaut und neu strukturiert. Der Ausbau ging mit Italiens Aspirationen auf eine Stellung als Großmacht einher. Es hatte seine Armee in den Rahmen der neuzeitlichen Massenheere einzugliedern. Ein Transformationsprozess der bis 1914 nur bedingt gelungen war. Kritische Stimmen regten noch kurz vor dem Krieg in den meisten europäischen Ländern eine Diskussion über Sinn und Unsinn der Millionenheere an, die zumeist in den allseitigen nationalen Rüstungsprogrammen untergingen. Der italienische Senator und General Luchino Graf del Mayno veröffentlichte 1911 in Deutschland einen Artikel, in dem er geradezu resignierend und 37 Diese formale Feststellung bezieht sich auf die Verteidigungskräfte Tirols. In den anderen Reichslanden war die Landwehr seit 1889 zu den „Feld-Truppen zweiter Linie“ zu rechnen und durften damit an allen Kriegsschauplätzen eingesetzt werden. Wrede, Wehrmacht, V, Neudruck 1985, S. 345. Siehe auch: ebd., S. 565 f. 38 So schickte Tirol bei einer Einwohnerzahl von etwa 950.000 innerhalb kürzester Zeit rund 85.000 Männer an die russische Front. Über die Auseinandersetzungen um die Verwendung des Landsturms vgl. Pircher, Gerd: Militär, Verwaltung und Politik in Tirol im Ersten Weltkrieg, Innsbruck 1995, S. 31 ff. 39 Heiss, Hans: Andere Fronten. Volksstimmung und Volkserfahrung in Tirol während des Ersten Weltkrieges, in: Eisterer/Steininger, Tirol, 1995, S. 139–178, hier: S. 147.

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D. Die Kombattanten – Streitkräfte und Spezialtruppen

vorausschauend, aber für Italien nicht ganz zutreffend was das Schlachtenglück angeht, feststellt: „Gegenwärtig ist es ohne praktische Bedeutung, zu erörtern, ob die sogenannten Nationen in Waffen, die Riesenheere notwendig sind oder nicht: sie sind durch den Zwang der Umstände da, und man kann nichts anderes tun, als sie ertragen. [. . .] Indessen bleibt eine Tatsache bestehen, die keine menschliche Macht ändern kann: das ist die unermessliche Zahl von Kämpfern, die wir im Felde haben werden, weil jede Nation mit allen ihren Kräften darauf ausgehen wird, die Entscheidungspartie zu spielen. Wir sind also durch die Kultur zu dieser Halbbarbarei der Einfälle der Hunnen oder Awaren zurückgekehrt, die gleich einem über seine Ufer tretenden Strom schwer zu bändigen und nicht zu lenken sein wird. Nur die ursprüngliche Richtung ist gewollt und wird es sein; aus dieser wird sich die Genialität des Befehlshabers, der den Blitz schleuderte, ersehen lassen; nachher wird der Strom sich sozusagen automatisch weiter bewegen.“40

Oberster Kriegsherr war der König, in Zeiten des Friedens waren die Minister der Teilstreitkräfte die jeweiligen Oberbefehlshaber. Im Kriegsfall wurde das Kommando de facto durch den jeweiligen Chef des Generalstabes beziehungsweise der Admiralität ausgeübt. In den Jahren vor der Jahrhundertwende führten eine zeitgemäße Anpassung des Wehrgesetzes und die Organisation der Mobil- und Territorialmiliz zu einer wesentlichen Erhöhung der Feldstärke der Armee. Italien verfügte im Frieden über zwölf Armeekorps (eines pro Militärregion), 25 Territorialdivisionen und drei Kavalleriedivisionen. Die Regionen waren weiterhin in Distrikte unterteilt, die bis zur Friedensgliederung von 1910 25 Stück umfassten, danach 88 Stück. Das in vier Armeeinspektionen eingeteilte Heer zählte 1914 389 Infanteriebataillone, zwölf Legionen Karabinieri, 150 Schwadronen Kavallerie und 263 Artillerie-Batterien.41 Diese Formationen, die im Frieden etwa 300.000 Mann und 64.000 Tiere umfassten, erhöhten sich im Kriegsfall mit Reservisten, Landwehr (Milizia mobile) und Landsturm (Milizia territoriale) auf eine nominelle Kriegsstärke von über 1.200.000 Mann.42 Die italienischen 40 Mayno, Luchino del: Ueber die Millionenheere, in: Fleischer, Richard (Hg.): Deutsche Revue. Eine Monatsschrift, Band 3: Juli bis September 1911, Stuttgart/ Leipzig 1911, S. 284–286, hier: S. 284 f. 41 Vgl.: Brambilla, Andrea/Caimi, Mauro/Mesturini, Franco: I Due Nemici. 250 Fotografie di italiani e austriaci nella Grande Guerra, Parma 1999, S. 18 ff. Speziell zur italienischen Artillerie: Curami, Andrea/Massignani, Alessandro (Hg.): L’artiglieria italiana nella grande guerra (Collana di storia militare), Novale (Vicenza) 1998. 42 Baer, Völkerkrieg, VIII, 1916, S. 10. Die Zahlen variieren natürlich. In dem zeitgenössischen K. u. k. Feldbehelf über die italienische Armee ist zu lesen: „[. . .] die annähernde Kriegsstärke aller drei Linien (Heer, Mobil- und Territorialmiliz) beträgt rund 1.480.000 Mann an ausgebildeter Mannschaft, u. zw.: Feldarmee (1. und 2. Linie, d.i. stehendes Heer und Mobilmiliz) ca. 180.000 Mann und Territorialmiliz (3. Linie) etwa 200.000 Mann; hiezu kommen noch an unausgebildeter Territorial-

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Divisionen gliederten sich in zwei Brigaden mit jeweils zwei Regimentern. Jedes Regiment umfasste drei Bataillone à vier Kompanien zu je etwa 200 Mann. Ein kriegsstarkes italienisches Bataillon war daher etwa 1.000 Mann stark, eine Schwadron (auch Eskadron genannt) umfasste circa 135 Reiter und eine Artillerie-Batterie bestand aus 150 bis 200 Mann inklusive drei bis vier Geschützen. Ähnlich wie in den anderen Staaten bildeten in Kriegszeiten das stehende Heer und die Mobilmiliz das Feldheer, die Territorialmiliz war dagegen für den Heimatschutz zuständig. Was die einzelnen Truppenformationen anbelangt, so bildeten die Carabinieri reali (die Gendarmerie) einen unmittelbaren Bestandteil des Heeres. Ihr Friedensstand betrug 645 Offiziere und 26.500 Mann. Im Kriegsfall sollten sie bei der Mobilmachung und beim Grenzsicherungsdienst mitwirken sowie eine gewisse Anzahl an Feldtruppen stellen. Grundlage der Wehrverfassung war die allgemeine Wehrpflicht. Um eine zu starke Bindung an die lokale Bevölkerung zu vermeiden, wurden die Wehrpflichtigen zu Beginn auf nationaler Ebene rekrutiert, das heißt, dass sich ein Regiment aus sechs Distrikten speiste. Nachteil dieses Systems war die nur langsam voranschreitende Mobilmachung. Allerdings konnte das Heer somit leichter für Polizeiaufgaben eingesetzt werden, wenn nur ein loser Zusammenschluss mit der Zivilbevölkerung bestand. Bereits in Zeiten der italienischen Einigung waren solche Polizeieinsätze bei Aufständen in Süditalien und in der Po-Ebene durchgeführt worden. Italien stand hier im Gegensatz zu Österreich-Ungarn, dessen Heer einen anderen Weg ging. Hier galt das Konzept der territorialen Dislokation, wonach die Einheiten weitestgehend in jenen Gebieten aufgefüllt wurden, in denen sie in Garnison lagen. So entstand bald der Begriff des Haus- oder Stammregiments. Beispiele dieser uni-nationalen K. u. k. Regimenter waren die Wiener Deutschmeister, die Linzer Hessen oder die Salzburger Rainer. Die einzige Ausnahme, bei der sich Italien diesem Konzept annäherte waren die Gebirgstruppen. Sie rekrutierten sich vornehmlich aus den Alpenregionen, da ein gewisses Maß an Gebirgstauglichkeit und Ortskenntnis unumgänglich war.43 Die Hauptlast der Hochgebirgskämpfe lag auf den Schultern der Alpenregimenter, den sogenannten Alpini.44 Sie blickten auf eine lange Tradition miliz ca. 600.000 Mann.“ In: o. V.: Die italienische Armee. Mit zahlreichen Textskizzen, Adjustierungsbildern, Kulturbildern und charakteristischen Landschaftsbildern, Wien 1915, S. 60. Ein offzielles Werk des Ufficio Storico/Stato Maggiore Dell’Esercito gibt für den 13. Juni 1915 (!) an: 569 Bataillone, 173 Schwadrone, 512 Batterien. In: Borio, Oreste: L’Esercito Italiano nella 1º Guerra Mondiale – Immagini, Roma 1978, S. XXXIX. 43 Vgl. hierzu auch den hervorragenden Vorkriegsartikel: o. V.: Die italienische Wehrmacht, in: Streffleurs Österreichische Militärische Zeitschrift, II. Band Oktober 1905, S. 1268–1306.

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zurück und waren mit ihrer Gründung im Oktober 1872 die älteste reguläre Gebirgseinheit einer Armee.45 Die ursprünglich 15 Kompanien wurden 1887 auf 75 vermehrt und bestimmten Alpenzonen zugewiesen: zwölf Kompanien entlang der Schweizer Grenze, 20 Kompanien an der Grenze zu Österreich und die verbleibenden 43 entlang der französischen Grenze. Die Dislozierung längs der italienisch-französischen Grenze folgte den zu erwartenden Verpflichtungen aus dem Dreibundvertrag. Im Raum des Mont Blanc hatte das Alpinikorps seine Ausbildungsstätte gefunden. Die 15 Kompanien der Gründungsjahre wurden rasch auf zehn Bataillone erweitert und betrugen zu Beginn des 20. Jahrhunderts 26 kampfstarke Bataillone (aufgeteilt in acht Regimenter, insgesamt 78 Kompanien). Ein Bataillon verfügte über einen Kriegsbestand von 29 Offizieren, 1.100 Mann und 230 Pferde.46 Anstelle der Infanteriekappe trägt der Alpino – auch heute noch – einen graugrünen Filzhut, geschmückt mit der schwarzen (für Soldaten) beziehungsweise weißen (für Offiziere) Adlerfeder und der entsprechenden Kokarde. Zur Feuerunterstützung der Alpini wurde 1887 das erste Gebirgsartillerieregiment aufgestellt, mit speziellen, zerlegbaren Geschützen, die auf Tragtiere verlastet werden konnten.47 44 Leider können hier nur die herausragenden Truppengattungen behandelt werden. Zu weiteren Informationen sollte die Zusammenstellungen zur italienischen Armee, die den Offizieren der Mittelmächte als Hilfestellungen an die Hand gegeben wurden. Neben der schon genannten kommen noch in Betracht: Die Truppen der italienischen Armee, ihre Einteilung und Dislocierung (zugl. als Nachtrag zu: ‚Die italienische Armee in ihrer gegenwärtigen Uniformierung‘ und ‚Die grauen Felduniformen der italienischen Armee‘), Leipzig 1915, sowie: Kurze Zusammenstellung über die italienische Armee (nur für den Dienstgebrauch! September 1917; Chef des Generalstabes des Feldheeres, Abteilung Fremde Heere), o. O. (Gr. H. Qu.) 1917. 45 Zur langen Tradition und Entwicklung der Alpini auch folgende Literatur: Oliva, Gianni: Storia degli alpini. Dal 1872 a oggi, Milano 2001. Auch: Mosna, Ezio: Storia delle truppe alpine d’italia. L’acropoli alpina e il museo storico nazionale degli alpini sulla verruca di Trento, Trento 1968. Aktuell: Todero, Fabio, Geburt eines Mythos. Der Gebirgskrieg und die Alpini in der Literatur, in: Kuprian/ Mazohl-Wallnig/Barth-Scalmani, Ein Krieg – zwei Schützengräben, 2005, S. 109–124. Ebenso die enzyklopädischen Werke: Redaelli, Alberto: Piccola enciclopedia storica degli alpini. La storia, le guerre, le battaglie, i combattimenti, i protagonisti (I libri con la penna Bd. 1), Brescia 1999. Sowie: Rizza, Mario: Reggimenti delle truppe alpine, hier Bd. 2: Dizionario essenziale. Tutta la storia degli Alpini dalla A alla Z, Cavagnolo (Torino) 1987. 46 Vgl.: Accola, David: Stilfserjoch-Umbrail 1914–1918. Kampf in Fels, Schnee und Eis nahe der Schweizergrenze (Militärgeschichte zum Anfassen Nr. 10, Militärische Führungsschule der Schweiz), Au 2000, S. 10 Fußnote 2. 47 Vgl.: Schaumann, Walter: Die Gebirgstruppen des Königreichs Italiens [sic] – Alpine Sonderformationen in Österreich Ungarn, S. 73–77, in: Vonbank, Elmar: Alpenfront (Ausstellungskatalog des Vorarlberger Landesmuseums 134), Bregenz 1986.

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Die Alpinibataillone waren für den Gebirgskampf nicht nur besonders ausgerüstet, sondern auch speziell trainiert. Ab 1910 wurde eine verbesserte Gebirgsausbildung eingeführt, die im Kompanierahmen 30 Ausbildungstage und im Verband des Bataillons 15 bis 20 Ausbildungstage im Sommer, sowie den gleichen Zeitraum im Winter umfasste. Der deutsche Hauptmann Georg von Graevenitz hatte 1903 die Möglichkeit, diese Übungen zu beobachten. Zunächst bezogen die Alpinikompanien ihre Sommerunterkünfte: „Von hier aus, inmitten des Gebiets, in welchem im Ernstfall dem Gegner jeder Schritt streitig gemacht werden soll, geht die Alpinikompagnie [sic] zunächst auf die praktische, geographische, topographische und militärische Erforschung des dem Bataillon zugewiesenen Verteidigungsabschnitts aus. Nur auf Grund solcher Studien können Übungsmärsche, Gefechtsdarstellungen, Übungen in der Anlage passagerer Befestigungen aller Art, in Festlegung von Entfernungen, in Herstellung und Zerstörung von Straßen, kann die Vorbereitung von Telegraphenlinien und Signalvorrichtungen auch für den Ernstfall den praktischen Wert haben, den sie besitzen soll.“48

Dem gegenüber ist der Zweck der Winterübungen: „[. . .] das Studium des Verteidigungsabschnitts auch unter winterlichen Einflüssen zu ermöglichen, Offiziere und Truppe an den Winterkrieg im Hochgebirge zu gewöhnen und der letzteren die Überzeugung beizubringen, dass das Hochgebirge auch im Winter für kleinere Abteilungen gangbar ist und Lebensbedingungen gewährt. Entscheidend dafür ist neben längeren Unterkunftszeiten in vorbereiteten Schutzhäusern und Hütten (ricoveri alpini) die Möglichkeit von Biwakieren im Schnee resp. in Schneehütten (trune, capanne).“49

Bereits 1896 testete man die Verwendbarkeit von Schneeschuhen (der damals gängige Armeeausdruck für Skier) bei der Truppe. Auf Betreiben des Verteidigungsministers Ottolenghi, einem ehemaligen Kommandant eines Alpiniregiments, wurde 1902 die Verwendung von Skiern in der Alpinitruppe befohlen. Der Einsatz des Schneereifens als dem bis dahin einzigen winterlichen Fortbewegungsgerät im alpinen Gelände, wurde auch nach der Einführung des Skifahrens im Ausbildungsprogramm beibehalten.50 Während der letzten beiden Kriegsjahre wurden die einzelnen Bataillone verstärkt durch Bataillone Sciatore (Ski-Bataillone) unterstützt.51 Im Verlauf des Ersten Weltkrieges stieg die Zahl der Alpinibataillone auf 88 an. Sie waren mit dem besten militärischen Material ausgerüstet und „Ihre hohe Leistungsfähigkeit im Ertragen von Strapazen, Vertrautheit mit den eigen48

Graevenitz, George von: Die italienischen Alpini, Berlin 1903, S. 346. Graevenitz, Alpini, 1903, S. 354. 50 Vgl.: Lichem Heinz von, Der einsame Krieg, Bozen 1981, S. 38. 51 Allerdings wurden Skier schon wesentlich früher in der italienischen Armee verwendet. Siehe etwa den Artikel: o. V.: Neue italienische Skiinstruktionen, in: Streffleurs Militärische Zeitschrift zugleich Organ der militärwissenschaftlichen Vereine, I. Band April 1909, S. 625–634. 49

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artigen Verhältnissen des Hochgebirges und vorzügliche Kenntnis der Grenzgebiete befähigt die Alpini in hohem Grade für den Grenzschutz, nicht minder auch für schwierige Unternehmungen aller Art in Gebirgsländern“.52 Die zentrale Aufgabe, die sich nicht nur den Alpinis sondern allen Gebirgstruppen stellte, war, den einzelnen Kämpfer durch Erleichterung seines Gepäcks leistungsfähig, frisch und auch für die schwersten Lagen verwendbar zu erhalten. Die permanente Steigerung des Gefechtswertes stand im Vordergrund. Wie sollte dies erreicht werden? Zunächst durch engen Kontakt der Offiziere mit den Mannschaften also durch das Zusammenleben der Führer mit der Truppe. Die Befehlshaber mussten sich ein Urteil über den Gefechtswert und die Bedürfnisse der Truppe aus eigener Anschauung, aus persönlichem Beisein bilden. Gerade bei den Kampfhandlungen im Gebirge ist diese Erkenntnis doppelt notwendig. Nur derjenige kann sich ein Bild davon machen, was der einzelne Kämpfer im Gebirge zu leisten hat, der das Gewicht und die Unbequemlichkeit der ganzen militärischen Ausrüstung – Gewehr, Munition, Handgranaten, Schanzzeug, Gasmaske, Rucksack et cetera und dazu eventuell noch Stahlhelm oder Schi – am eigenen Leib erprobt hat und somit aus eigener Erfahrung kennt. Extrem auch die Erfahrung, nach langem, beschwerlichem Aufstieg mit solcher Last kurz unterhalb der Spitze oder des Kammes einen Feindangriff, von oben nach unten geführt, erleben zu müssen. Hohes Ansehen genossen in der italienischen Armee auch die zwölf Regimenter der Bersaglieri. Das italienische Wort bersaglio bedeutet in etwa Zielscheibe und somit sind die Bersaglieri das Pendant zu den deutsch-österreichischen Schützen. Die Vorgänger der Bersaglieri waren die 1786 im piemontesischen Heer aufgestellten Cacciatori (deutsch: Jäger). Diese unterstützten die reguläre Linieninfanterie, insbesondere im Falle von so genannten zerstreuten Gefechten und ebenso bei Aufklärungs- und Sonderaufgaben. Ab 1871 hatte in der Regel jedes Armeekorps ein Bersaglieriregiment im Rahmen der Korpsverfügungstruppen. Die operativ selbständigen Bataillone wurden im Einsatz im Regelfall einzeln den Divisionen zugeteilt, also nicht das ganze Regiment an einen Frontabschnitt gesandt. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg wurden sie mit Fahrrädern ausgestattet und später zunehmend motorisiert. Im Unterschied zur Linieninfanterie trugen die Bersaglieri einen breitkrempigen Hut mit Federbusch zum Dienstanzug. Während des Ersten Weltkrieges waren sie überwiegend an der Isonzofront eingesetzt, wo sie beinahe gänzlich verbluteten.53 Es waren Soldaten, die enorme 52

Die italienische Armee, 1915, S. 5 f. Hierzu auch: Sema, Antonio: Piume a nord est. I bersaglieri sul fronte dell’ Isonzo 1915–1917 (I leggeri Bd. 4), Gorizia 1997. 53

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Kraftanstrengungen bewältigen konnten. Von Anfang an als schnelle und flexible Truppe konzipiert wurde die Bersaglieritruppe auch als solche im Weltkrieg eingesetzt. Ihre Angehörigen waren bekannt dafür, dass sie auch lange Strecken mit großen Höhenunterschieden im Laufschritt bewältigen konnten. Durchaus respektvoll urteilte man in Österreich-Ungarn über den Gegner: „Die volkstümlichste italienische Truppengattung sind die Bersaglieri. Überaus beweglich, sonnengebräunt, stets heiteren Sinnes, dabei selbstbewusst und nicht frei von einer gewissen Eitelkeit in der Pose und Kleidung, spiegelt sich in ihnen sozusagen der italienische Volkscharakter wider und diesem Umstande, wie auch einer ausgezeichneten Tradition, verdanken sie die von keiner anderen Truppengattung überbotene Beliebtheit in allen Bevölkerungsschichten.“54

Der bekannteste aller Bersaglieri, der im Ersten Weltkrieg Frontdienst geleistet hatte, vorwiegend allerdings im rückwärtigen Armeegebiet, war Benito Mussolini.55 Im Deutschen Reich war kurz vor dem Kriegsausbruch 1915 noch eine Übersicht über die italienische Armee zusammengestellt worden, die aufzeigte, was man in Deutschland von dem neuen Gegner hielt. Die italienische Armee wurde darin – durchaus positiv und realistisch – folgendermaßen bewertet: „Das Berufs-Offizierkorps ist tapfer und militärisch gut durchgebildet. Die Ausbildung der Reserve- und Landwehroffiziere, die früher zu wünschen übrig ließ, wird durch die längeren Dienstleistungen erheblich verbessert worden sein. Die Infanterie gilt im allgemeinen als gut, Bersaglieri und Alpenjäger sind Elitetruppen. Die Kavallerie, die reiterlich einen guten Ruf genießt, ist eine EinheitsKavallerie. Die Artillerie ist durch zahlreiche Schießübungen mit dem neuen Gerät vertraut gemacht. Die technischen Truppen zählen zu den besten in der Armee. Gilt der Italiener, besonders der Bewohner des Südens, auch nicht als besonders kriegerisch veranlagt, so ist doch die Armee nach den neunmonatigen angestrengten Vorbereitungen und der fleißigen Arbeit in Ausbildung und Ausrüstung als beachtenswerter Gegner anzusehen.“56

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Die italienische Armee, 1915, S. 5. Vgl. hierzu: Mussolini, Benito: Mein Kriegstagebuch, Zürich/Leipzig/Wien 1930. Ebenso die Dissertation: O’Brien, Paul: Mussolini in the First World War. The Journalist, the Soldier, the Fascist (Univ. Diss.), Oxford/New York 2005. Allgemein die Biographie: Kirkpatrick, Ivone: Mussolini, Berlin 1965. 56 o. V.: Kurze Zusammenstellung über die italienische Armee (nur für den Dienstgebrauch), Ausfertigung Mai 1915 in der Reichsdruckerei, Berlin 1915, S. 29. Zur Bewertung der italienischen Armee im Jahre 1915 auch das Dokument 2: Militärische Lage Italiens Anfang September 1915 im Anhang dieser Arbeit. 55

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III. Gebirgsspezialisten am Beispiel der deutschen Schneeschuhtruppen und Gebirgsjäger Ohne Ansehen der Nation liegt der Bedarf ausgewiesener Fachmännern für den Kampf in den Bergen auf der Hand. Das Gebirge stellt an die Truppen ganz andere Anforderungen als das flache Land. Die gewöhnlichen Truppen sind den Strapazen und extremen Umweltbedingungen nicht gewachsen. Sehr schmerzlich musste dies das Deutsche Reich gleich zu Beginn des Ersten Weltkrieges erfahren und daher eignet sich die Entwicklung der deutschen Gebirgstruppe sehr gut zur Verdeutlichung der Probleme, mit denen alle Armeen dieser Welt konfrontiert werden, die sich in die Gebirgsregionen vorwagen.57 Die deutsche militärische Führung hatte die Hinweise zeitgenössischer Autoren ignoriert, die wie Freytag-Loringoven darauf hinwiesen, dass „[. . .] nur fest gefügte, gut geschulte und entsprechend geführte Truppen der Schwierigkeiten Herr zu werden vermögen, die ihnen das Gebirge entgegensetzt. Das tritt umso mehr hervor, je größer die Truppenkörper sind, die im Gebirge Verwendung finden.“58 Auch Otto von Giese hatte sich schon 1883 für „[. . .] deutsche Armee Gebirgstruppen“ ausgesprochen und äußerte die Meinung,59 „[. . .] dass es hier nicht zulässig ist, aus der Vergangenheit auf die Zukunft zu schließen und zu behaupten, dass solche Formationen in Zukunft nicht nothwendig [sic] sein werden, weil sie es früher nicht waren. Damals mussten sich 57 Zur Geschichte des Alpenkorps als Gründungsformation der deutschen Gebirgstruppe das vielzitierte Werk von Breitenacher, Martin: Das Alpenkorps 1914–18, Berlin 1939, sowie der Vortrag des einstigen Kommandanten der K. u. k. Hochgebirgskompagnie 14: Burtscher, Guido: Das Deutsche Alpenkorps unter der Führung des Generals Konrad Krafft von Dellmensingen, Bregenz 1939. Zeitgenössische Erinnerungsliteratur stellt das Werk dar von Albert Reich: Unser deutsches Alpenkorps in Tirol. Ein Erinnerungsbuch, Diessen o. J. Grundlegend hingegen: Aichner, Ernst (Hg.): Deutsche Gebirgstruppen vom 1. Weltkrieg bis zur Gegenwart, Ingolstadt 1983; Hebert, Günther: Das Alpenkorps. Aufbau, Organisation und Einsatz einer Gebirgstruppe im Ersten Weltkrieg, Boppard a. Rhein 1988; Jaruschek, Holger: Il Deutsche Alpenkorps sul fronte dolomitico nel 1915, Udine 2003 und Kaltenegger, Roland: Das Deutsche Alpenkorps im Ersten Weltkrieg. Von den Dolomiten nach Verdun, von den Karpathen zum Isonzo, Graz/ Stuttgart 1995. Als Beispiel einer offiziellen Darstellung einer Teileinheit kann das Werk von Hauptmann Seeger angeführt werden: Seeger: Die württembergische Gebirgs- Artillerie im Weltkrieg 1915–18 (Die württembergischen Regimenter im Weltkrieg 1914–1918, herausgegeben von H. Flaischlen, Bd. 2), Stuttgart 1920. 58 Freytag-Loringhoven, Hugo von: Gebirgskämpfe (Die Führung in den neuesten Kriegen. Operatives und Taktisches, Heft 2), Berlin 1912, S. 92. 59 Giese, Otto von: Der Gebirgskrieg, Berlin 1883, S. 20.

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alle Operationen, auch die kleinen, in der Ebene abspielen, weil die Truppen zu wenig beweglich waren, um ohne Gefahr, zur zerstreuten Fechtart übergehen zu können.“60

Als der Erste Weltkrieg begann gab es im Deutschen Reich trotz der Alpen und einiger Mittelgebirge, die als Grenzgebirge eine natürliche Barriere bildeten, keine spezielle Gebirgstruppe oder für den Kampf im Gebirge ausgebildete Truppenteile. Nach den politischen Verhältnissen der Vorkriegszeit, den für den Kriegsfall beabsichtigten operativen Kriegshandlungen und schließlich auch in Anbetracht der ‚klammen Kassen‘ konnte und musste auf besondere Gebirgsformationen verzichtet werden. Einerseits glaubte man den deutschen Alpenraum auf Grund des engen Bündnisses mit Österreich-Ungarn ausreichend gesichert. Andererseits konnte man damals noch nicht mit Italiens Gegnerschaft rechnen, das mit Deutschland und Österreich-Ungarn gemeinsam dem Dreibund angehört hatte. Man war der Überzeugung, dass alle anfallenden Aufgaben durch ins Gebirge verlegte Infanterie gelöst werden könnten. Der zunächst glückliche Vormarsch deutscher Truppen ins Innere Frankreichs schien diese Erwartungen zu bestätigen. Nach dem Rückschlag an der Marne musste aber die Hoffnung aufgegeben werden, den Krieg vor Beginn des Winters 1914/15 siegreich beenden zu können. Die beeindruckenden Erfolge der französischen Gebirgstruppen an der circa 75 Kilometer langen Vogesenfront leiteten allmählich einen Umdenkungsprozess ein.61 Dieser wurde noch durch die Leistungen der französischen Gebirgsartillerie und deren meisterhaftes Zusammenspiel mit den Alpenjägern verstärkt.62 Hieran wurde auch bald deutlich, dass es nicht genügte, Infanterie einfach auf Skier zu stellen und sie in Schneeschuh-Bataillone zu gliedern. Eine sehr schematische Definition der Gebirgs- und Schneeschuhformationen bietet die ‚Geschichte des deutschen Heeres im Weltkriege‘, die dem Klischee der skilaufenden Infanterie nahe kommt: „Die Gebirgsformationen unterschieden sich von der übrigen Infanterie durch die Anpassung der Kleidung an die Bergverhältnisse und durch die Ausstattung mit be60

Giese, Gebirgskrieg, 1883, S. 20. Die offizielle Gründung der französischen Alpenjäger (Chasseurs Alpins) hatte bereits 1888 stattgefunden. Ein früher Bericht über deren Friedensausbildung der Alpenjäger: Camau, Émile: La Guerre dans les Alpes. Souvenirs des Manoeuvres Alpines, Paros–Nancy 1890. Neuere Betrachtungen in: Léon, Marie-Hélène: Les chasseurs alpins. Mythe et réalités des Troupes de montagne, Paris 1997. 62 So meldete beispielsweise der Stab des Fußartillerie Regiments 13 (II./13) am 11.2.1915: „Die franz. Artillerie in dem Gebirge aufzufinden, ist beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. [. . .] Ihre Bekämpfung ist [. . .] ziemlich erfolglos. Wenn die Battr. [= Batterien, Anm. d. Verf.] beschossen werden, schweigen sie.“ Zu finden in: Hebert, Alpenkorps, 1988, S. 6 Fußnote 16. 61

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sonderen Transportmitteln. An die Stelle der Schaftstiefel traten Bergschuhe und Wickelgamaschen, den Tornister ersetzte ein Rucksack. Für den Transport des Nachschubs vom Tal auf den Berg wurden Tragtier-Kolonnen beigegeben.“63

So begann die deutsche militärische Führung, sich zunächst mit Stückwerk zu behelfen. Die Rufe nach Schneeschuhläufern an der Vogesenfront für den Aufklärungs- und Sicherungsdienst im Winterfeldzug 1914/15 wurden so laut, dass im Dezember 1914 das Bayerische Schneeschuhbataillon Nr. 1 und die Württembergische Schneeschuh-Kompanie entstand.64 Das Bayerische Kriegsministerium hatte hierfür eine Anregung des Deutschen Skiverbandes zur Bildung eines ‚Freiwilligen Skiläuferkorps‘ aufgegriffen. Die Einheit erhielt in Neuhaus bei Schliersee eine militärische Ausbildung im Schnellverfahren und ging, vier Kompanien stark und mit Maultieren ausgerüstet, im Januar 1915 an die Vogesenfront ab.65 Ebenfalls im Dezember wurde in München das Preußische Schneeschuhbataillon Nr. 2 unter Hauptmann der Reserve (d.R.) Wilhelm Paulcke aufgestellt.66 Der bayerische Generalleutnant von Hoehn hatte 1915 Überlegungen angestellt, bei 63 Cron, Hermann: Geschichte des deutschen Heeres im Weltkriege 1914–1918 (Neudruck der Ausgabe Berlin 1937), Osnabrück 1990, S. 123. 64 Zur Württembergischen Schneeschuhkompanie siehe vor allem das Aktenmaterial im Landesarchiv Baden Württemberg: BWHStA, M 130 Band 33: Kriegstagebuch des Württembergischen Gebirgs Regiments mit Ersatzbataillon vom 23.09.1915–1918. Darin befindet sich auch das Kriegstagebuch der Württembergischen Gebirgs Kompanie Nr. 1 (vorher Würt. Schneeschuhkompanie Nr. 1) vom 06.01.–15.06.1915. Siehe auch die Schriften des Bataillonskommandeurs: Sproesser, Theodor/Flaischlen, Hugo: Die Geschichte der Württembergischen Gebirgsschützen. Württembergische Schneeschuh-Kompagnie Nr. 1, Württ. Gebirgs-Kompagnie Nr. 1, Württ. Gebirgs-Bataillon, Württ. Gebirgs-Regiment (Die württembergischen Regimenter im Weltkrieg 1914–1918, Bd. 49/Textband), Stuttgart 1933. Ebenso: Sproesser, Theodor/Flaischlen, Hugo: Bilder zur Geschichte der Württembergischen Gebirgsschützen (Die württembergischen Regimenter im Weltkrieg 1914–1918, Bd. 49/Bildband), Stuttgart 1933. Auch: Muff, Karl von/Sproesser, Theodor/Lanz, Hubert (Hg.): Württembergische Jäger. Festschrift zur 2. Landeszusammenkunft der ehemal. Württembergischen Gebirgsschützen in Isny am 1. Okt. 1922, Stuttgart 1922. 65 Zur Schaffung weiterer bayerischer Gebirgsformationen im Winter 1914/15: Krafft/Feeser, Bayernbuch, I, 1930, S. 166. Speziell zu den Skiabteilungen: Luther, Carl J.: Skiläufer im Kriege, in: Die Große Zeit. Illustrierte Kriegsgeschichte (Heft 1–22), Berlin 1915, S. 42–46. 66 Wilhelm Paulcke (1873–1949), Professor für Geologie und Mineralogie zunächst in Freiburg im Breisgau, dann in Karlsruhe, war ein Pionier des alpinen Skilaufs (1898 winterliche Erstbesteigung des Monte Rosa mit Skiern). Als ausgewiesener Alpinist überarbeitete Paulcke das alpine Standardwerk des Bergpioniers Emil Zsigmondy, vgl. beispielsweise: Die achte Auflage des Buches Zsigmondy, Emil/ Paulcke, Wilhelm: Die Gefahren der Alpen. Erfahrungen und Ratschläge, München 1927.

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welchen Truppenteilen eine Ausrüstung mit Skiern besonders erfolgreich sein müsste: „1. Infanterie in der Stärke von Patrouillen bis zu Komp. [Kompaniestärke, Anm. d. Verf.] sind geeignet zur Aufklärung, Sicherung und Kampf, ebenso auszurüsten sind Meldepersonal, Signal- und Fernsprechtrupps, Krankenträger, dann MGZüge. 2. Artilleriestäbe, Battr.-Trupps [Batterie-Trupps,], Artillerieoffz.-Patrouillen [Artillerieoffiziers Patrouillen] zur Zielaufklärung, Feuerleitung und Beobachtung für die neben der Straße entwickelte Artillerie. 3. Organe der Truppenführung: Führer, Generalstabsoffiziere, Stabspersonal, Fernsprechtrupps.“67

Mit Anbruch des Frühlings stellte sich die Frage nach der weiteren Verwendung der Skiläufer. Da die meisten von ihnen auch Hochtouristen und Alpinisten waren, wurden Forderungen erhoben, die Schneeschuhbataillone planmäßig in eine Gebirgstruppe umzuwandeln. Das Bayerische Kriegsministerium verfügte daraufhin am 19. März 1915, „[. . .] dass mit Eintritt der wärmeren Jahreszeit das Schneeschuhbataillon Nr. 1 in eine Gebirgstruppe für die Dauer des Feldzuges umgewandelt wird. Organisation, Bekleidung etc., Bezeichnung bleiben wie bisher.“68 Württemberg und Preußen folgten wenig später mit der Umwandlung ihrer Schneeschuhtruppen. Neben der Aufstellung der infanteristischen Schneeschuhabteilungen wurde auch der Mangel an Gebirgsartillerie ausgeglichen. Das Deutsche Reich war mit dem Problem konfrontiert, dass die gewöhnliche Feldartillerie der ‚Gebirgs-Infanterie‘ nicht die notwendige Unterstützung zukommen lassen konnte. Einerseits konnten in dem hügeligen Gelände die normalen Feldgeschütze nicht weit genug nach vorne gebracht werden, andererseits fehlte es an Steilfeuergeschützen (Haubitzen), die hinter Bergkuppen liegende Ziele erfassen konnten.69 Im November 1914 waren im Bereich des für die Vogesen zuständigen Generalkommandos des XV. Armeekorps die ersten Gebirgsartillerie-Batterien aufgestellt worden. Deren Ausstattung musste durch Rückgriff auf bereits vorhandene Geschütze und 67 Abgedruckt in: Balck, W.: Entwickelung [sic] der Taktik im Weltkriege, Berlin 1922, S. 171, siehe auch: Luther Carl, Schneeschuhlaufen im Kriege, München 1915. 68 Befehl zitiert in: Heyl, Gerhard: Das Alpenkorps 1915–1918 und die Entstehung der deutschen Gebirgstruppe, in: Aichner, Deutsche Gebirgstruppen, 1983, S. 13–28, hier: S. 15. 69 Allgemein zu den Problemen der Gebirgsartillerie das Vorkriegswerk von Klußmann: Die Entwicklung der Gebirgsartillerie, Leipzig 1911. Aufschlussreich ist auch die Entwicklung aus der österreichischen Perspektive in: Sobicka, Georg: Gliederung und Entwicklung der Batterien der österreichisch-ungarischen Feld- und Gebirgsartillerie im Weltkriege 1914–1918, Wien 1920.

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Beutematerial erfolgen. Bei Rheinmetall standen glücklicherweise einige von China georderte 7,5 Zentimeter Gebirgskanonen L/16 Muster (M) 1914 zur Auslieferung bereit. Die deutsche Heeresverwaltung übernahm daher sechs Batterien zu je sechs Geschützen. Vier weitere 7,5 Zentimeter Gebirgskanonen für Chile wurden bei Krupp angekauft und zur Aufstellung der Gebirgskanonen-Batterie Nr. 1 verwendet.70 Das wohl bestimmendste Problem der Artillerie war der Transport der Geschütze. So konnte beispielsweise das Standardgeschütz der K. u. k. Gebirgsartillerie, die 7,5 Zentimeter Gebirgskanone M 1915 bei einem Gewicht von 613 Kilogramm in sieben Teillasten zerlegt und auf Tragtiere verladen werden. Besonders die Haubitzen-Traglasten waren selbst für starke Tiere sehr schwer.71 Aber auch die Munition musste oft von einzelnen Soldaten in die vordersten Stellungen getragen werden, und das bei einem Geschossgewicht von 6,2 Kilogramm.72 Ein weiteres Problem war die große Exaktheit, mit der die Artilleristen schießen mussten. Einerseits waren die Ziele sehr klein, oftmals nur Felsennester, die nur mit erhöhtem Munitionsverbrauch getroffen werden konnten, andererseits war die Munition ständig knapp und das nächste Depot unter Umständen viele Kilometer tiefer im Tal. Die Windrichtung konnte im Gebirge kaum vorhergesagt werden und änderte sich ständig. Sie konnte sogar auf der einen Seite des Tales ganz anders sein als auf der gegenüberliegenden Seite, was ein korrektes ‚Richten‘ der Geschütze unmöglich machte.73 Der entscheidende Schritt zur Gründung der deutschen Gebirgstruppe fand schließlich am 20. Mai 1915 statt, als im Bayerischen Kriegsministerium folgendes Schreiben des Preußischen Kriegsministeriums eintraf: „Nach beifolgender Kriegsgliederung ist sofort ein ‚Alpenkorps‘ zu bilden 70

Vgl. hierzu und zur Beschreibung der Geschütze: Kosar, Franz: Gebirgsartillerie. Geschichte, Waffen, Organisation, Stuttgart 1987, S. 118. Erfahrungen, die mit der Aufstellung der bayerischen Gebirgsartillerie gemacht wurden in: Hebert, Alpenkorps, 1988, S. 128–130. 71 Siehe hierzu die veterinärmedizinische Dissertation eines Mitgliedes der Gebirgsartillerie-Abteilung: Weichlein, Werner: Erfahrungen mit Maultieren bei der Deutschen Gebirgsartillerie im Kriege, Dresden 1917. 72 Bei der 7,5 Zentimeter Gebirgskanone. Daten in: 1914/1918 Sachzeugen, 1988, S. 112. 73 Ein interessanter, aber kritisch zu lesender Aufsatz vom Führer der damaligen Bayerischen Gebirgs-Kanonen-Batterie Nr. 8 Hauptmann Günther Rüdel in: Dickhuth-Harrach, Gustaf von (Hg.): Im Felde unbesiegt. Der Weltkrieg in 24 Einzeldarstellungen, Bd. II, München 1921, S. 129–140. Zu Person und Werdegang Rüdels: Braun, Rainer: Aus den Anfängen der bayerischen Gebirgsartillerie. Günther Rüdel als Führer der Gebirgskanonenbatterie 8 in den Dolomiten 1915, in: Aichner, Deutsche Gebirgstruppen, 1983, S. 29–34. Siehe zu Details der Ausbildung auch die wahrscheinlich aus dem Jahr 1915 stammende ‚Ausbildungsvorschrift für die Gebirgsartillerie‘, Kempten o. J.

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[. . .]“; dessen Aufstellung sollte bis zum 27. Mai 1915 abgeschlossen sein.74 Seine Bezeichnung Alpenkorps verdankte der Verband, der eigentlich die Dimension einer verstärkten Division hatte, seiner beabsichtigten Verwendung in den Alpen und seiner Kriegsgliederung. Die Division war zum Einsatz außerhalb des deutschen Korpsverbandes vorgesehen und daher wurde ihr eine Anzahl Korpstruppen, das heißt schwere Artillerie, Kolonnen und Trains, Pionierkompanien, Fernsprecheinheiten und sogar eine Feldfliegerabteilung zugeteilt.75 Auch die Führung unterschied sich in der Nomenklatur von anderen Verbänden. An der Spitze stand der ‚Führer des Alpenkorps‘ und nicht ein kommandierender General oder Divisionskommandeur. Dies war der bisherige Chef des Generalstabes der 6. Armee (Armee Kronprinz Rupprecht), Konrad Krafft von Dellmensingen. Das Kommando des Alpenkorps war eine bayerische Kommandobehörde. Den Großteil der Truppen stellte die königlich bayerische Armee. An erster Stelle stand die Elitetruppe des 1. bayrischen Infanterie-Leibregiments, genannt die Leiber.76 Aber auch wenn mehr als die Hälfte der Truppenteile des Alpenkorps aus dem bayerischen Heer stammte, so darf nicht außer Acht gelassen werden, dass auch andere deutsche Armeen darin vertreten waren: das Großherzoglich-Mecklenburgische Reserve-Jägerbataillon 14 kämpfte mit Goslarer Jägern und einer Königlich Sächsischen Maschinengewehr-Abteilung, während die Großherzoglich Hessische Sanitäts-Kompanie 201 die Verwundeten versorgte. General der Artillerie (GdA) Krafft wurde, wie Hebert schreibt, „[. . .] zum Generalleutnant befördert und zum Kommandeur einer Division bestimmt, die einen etwas großspurigen Namen führte, erst auf dem Papier existierte und auf einem Kriegsschauplatz eingesetzt werden sollte, auf dem Falkenhayn die Entscheidung nicht suchte.“77 Falkenhayn, dem an einer Entscheidung im Westen lag, kam Mitte Mai 1915 mit seinem Kollegen Conrad von Hötzendorf überein, zur Unterstützung der K. u. k. Truppen im Falle eines italienischen Angriffes das deutsche „[. . .] Alpenkorps in Divisionsstärke nach Tirol [. . .]“ zu entsenden.78 74

Zitiert in: Kaltenegger, Alpenkorps, 1995, S. 23. Zur Kriegsgliederung: Hebert, Alpenkorps, 1988, S. 20–24, auch: Kaltenegger, Alpenkorps, 1995, S. 23–27. 76 Siehe die verschiedenen Regimentsgeschichten: Vom Adjutanten des Leib Regimentes während des Weltkrieges erschien: Bomhard, Adolf von: Das K. B. Infanterie-Leib-Regiment. Nach den amtlichen Kriegstagebüchern (Erinnerungsblätter deutscher Regimenter; Bayerische Armee Heft 1), München 1921. Ebenso der Foliant: Reiß von/Armansperg von/Bomhard von/Dreyer: Das Königlich Bayerische Infanterie-Leibregiment im Weltkrieg 1914/18. Bearbeitet von Offizieren des Regiments, München 1931. 77 Hebert, Alpenkorps, 1988, S. 15. 78 Falkenhayn an Conrad am 19.5.1915, Urkunde in: Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, Nr. 57, S. 445. 75

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Es war also unumgänglich, eine spezielle Truppe für den Krieg in Mittelwie Hochgebirgen aufzustellen. Was machte aber diesen Verband aus? Was unterschied ihn von den Heermassen, die im flachen Land kämpften und welche Fähigkeiten mussten die Soldaten haben? Zunächst stellt sich die Frage nach der Organisation und Zusammensetzung einer Gebirgstruppe. Sehr aufschlussreich ist hier eine Denkschrift, verfasst von General Krafft in Verbindung mit dem Generalstab des Alpenkorps. Obschon 1917, also mitten im Kriege, abgefasst, ist sie umso interessanter, weil bereits die ersten wichtigen Erfahrungen der Gebirgskämpfe in Tirol und Rumänien in sie einflossen. Die Denkschrift über die ‚Aufstellung von Gebirgs-Divisionen in Krieg und Frieden‘, die sich heute im Nachlaß Kraffts findet, wurde im August 1917 im Auftrag der Obersten Heeresleitung in Straßburg verfasst, wobei Krafft – laut seiner Aussage – die erfahrensten Führer und Generalstabsoffiziere des Alpenkorps hinzuzog.79 Trotz der unbedingten Notwendigkeit von Gebirgstruppen beschränkte Krafft die Zahl solcher Formationen aufgrund ihres verhältnismäßig kostspieligen Apparates auf etwa vier Gebirgsdivisionen. Eine wünschenswerte Dislozierung wäre für ihn dabei gewesen: ein bis zwei Divisionen in Südbayern, zwei im Elsass und eventuell eine in Schlesien. Für die Aufstellung weiterer Truppen sah er im Mobilisierungsfalle keine Probleme, allerdings wurde auch hier die endgültige Zahl eingeschränkt, und zwar durch die verfügbaren Tragtiere. Dies war ein den ganzen Krieg über währender Notstand für das Deutsche Reich, das über keine adäquaten Tierhaltungen verfügte. Die Frage der Aufzucht im Deutschen Reich musste geklärt werden und bis dahin war man darin von Österreich-Ungarn abhängig. Überhaupt näherte man sich in allen Belangen der Gebirgstruppen dem Verbündeten an. Auch bei der Kriegsgliederung stand die österreichische Gebirgsbrigade Pate. Deren Umfang „[. . .] gründet sich [. . .] auf den Satz, dass man auf eine Marschstraße nur so viele Truppen aufsetzen soll, als an einem Tage zum Aufmarsch u. zur Entwicklung kommen können.“80 Folglich also nicht mehr als eine gemischte Brigade. Eine deutsche Gebirgsformation müsse außer im Gebirge auch jederzeit im flachen Lande als voll79 „Die Denkschrift wurde der Heeresleitung vorgelegt und von ihr mit der beiliegenden Zuschrift Ic 64924 op vom 16.9.1917 gebilligt.“ BayKA, NL Krafft 182, Aufstellung von Gebirgs-Divisionen. Ausgearbeitet gemeinsam mit dem Generalstab des Alpenkorps im August 1917 in Straßburg, 24-seitiges Manuskript. An dieser Stelle kann ergänzend die Studie des französischen Oberstleutnants Abadie genannt werden, der die Erfahrungen des Gebirgskrieges im Ersten Weltkrieg beschreibt und neben operativen Aspekten auch auf die ideale Organisationsstruktur und Zusammensetzung von Gebirgstruppenteilen eingeht. Siehe: Abadie, M.: Étude sur les Opérations de Guerre en Montagne, Limoges/Nancy 1924. 80 BayKA, NL Krafft 182.

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wertige Formation auftreten können. Krafft sah nicht zu Unrecht voraus, dass sie nur ausnahmsweise und vorübergehend in Gebieten fechten würde, wo auf weite Strecken gar kein Fahrzeugverkehr mehr möglich war. Die Organisation müsse sich also so entwickeln, dass man sich einerseits auf längere Zeit ganz von den Fahrzeugen frei machen könne, andererseits aber für längere Flachlandverwendung mit Fahrzeugen ausgerüstet sein müsse. Hier unterschied man sich vom südlichen Nachbarn. Österreich war ein Spezialfall. Es besaß reine Gebirgsbrigaden, die ausschließlich für den Gebirgseinsatz geschult, ausgerüstet und eingesetzt wurden. Allein deshalb, weil Österreich-Ungarn über flächenmäßig größere Gebirgsregionen verfügte, wie etwa die Alpen in Tirol, die Beskiden und die Tatra in Mähren, aber auch über sehr unwegsame Gegenden, wie etwa auf dem Balkan, speziell Serbien. Die Fahrzeuge müssten im Gebirge, so lange es die Wege erlaubten, den Kampftruppen folgen können und als Talstaffel den Nachschub erleichtern. Der Mobilität kam auch eine taktische Bedeutung zu: „Die Notwendigkeit allenthalben die beherrschenden Höhen zu gewinnen, die Flanken jeder Talkolonne auf beiden Seiten zu schützen, zwingt zu vielfacher Zerlegung und Entsendung. Eine Gebirgsformation muss also in hohem Grade teilbar sein.“81 Die Hauptlast der Kämpfe würden die infanteristischen Elemente tragen. Hier wollte Krafft vornehmlich Jägerbataillone nutzen.82 Es erscheint bereits der damals noch ungebräuchliche Ausdruck Gebirgsjäger. Grundsätzlich müsse die Gebirgstruppe an Menschen und Tieren stets erheblich höher ausgestattet sein, als die gewöhnlichen Formationen. „Das setzt sich noch weiter fort in dem Anwachsen der Trains an Menschen und Tieren. Dieser erhebliche Aufwand ist nur dann voll nutzbar gemacht, wenn die Gefechtskraft der Infanterie dauernd möglichst auf voller Höhe erhalten wird, der Ersatz stets nahe zur Hand ist u. sofort erfolgt.“ In diesem Zusammenhang verweist Krafft auf das österreichische Organisationsschema. Dort wurde der Ersatz über so genannte Marschbataillone organisiert. Jedes 81

BayKA, NL Krafft 182. Vgl. auch die Ergänzungen zur ursprünglichen Denkschrift: BayKA, NL Krafft: Zeitgemäße Ergänzungen zur Denkschrift über die Aufstellung von Gebirgsdivisionen in Krieg und Frieden vom August 1917 (verfasst im Mai 1935). 82 Die Jägerbataillone waren denn auch neben dem bayerischen Leibregiment der Kern des Alpenkorps. Siehe auch das Werk, das vom Kriegskommandeur des 1. bayerischen Jägerregimentes herausgegeben wurde: Paulus, Karl: Das KöniglichBayerische Jäger-Regiment Nr. 1. Nach den amtlichen Kriegstagebüchern bearbeitet. Und die Stammabteilungen des Regiments: Das K.B. 1. Jäger-Bataillon König, das K.B. 2. Jäger-Bataillon, das. K.B. Reserve-Jäger-Bataillon Nr. 2 (Erinnerungsblätter deutscher Regimenter; Bayerische Armee Heft 35), München 1925.

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österreichisch-ungarische Infanterieregiment und Landwehrregiment hatte eines dieser Marschbataillone, das die wieder genesenen Verwundeten und die neu Ausgebildeten sammelte und dem Feldregiment damit kampffähigen Ersatz zuführte.83 Normalerweise wurden die Marschbataillone dem Feldregiment ‚nachgeschickt‘ wenn sie vollständig waren, und verteilten dann das geforderte Personal direkt unter die Kompanien des Feldregimentes. Im Extremfall wurden Marschbataillone aber auch als eigenständige Formationen verwendet. Wenn keine regulären Feldtruppen mehr zur Verfügung standen und Lücken gestopft werden mussten, griff man kurzfristig auf sie zurück. Die österreichischen Formationen der Marschkompanien waren deshalb im Gebirge von besonderem Wert, weil sie sehr flexibel, nahe an der unzugänglichen Front und leicht verschiebbar waren.84 Schnell konnte auf Schwachstellen in der Front reagiert werden. Meist waren mehrere von ihnen auf Dauer den Gebirgsbrigaden angegliedert. Vermutlich erinnerte sich Krafft von Dellmensingen an die Begegnungen mit dem 10. Marschbataillon des K. u. k. Infanterieregimentes Nr. 14 in den Dolomiten im Sommer 1915. Unterstützende Funktion maß Krafft den Maschinengewehr Truppen mit ihrer starken Feuerkraft bei. Sie hatten im Gebirgskrieg eine erhöhte Bedeutung, weil der Raum für die Schützenentwicklung oft sehr beschränkt war. Natürlich ist zu beachten, dass Maschinengewehr Kompanien verhältnismäßig viele Tragtiere erfordern.85 Wie der Gebirgskrieg auf der einen Seite besondere Truppen erfordere, so verlange er auf der anderen Seite auch seine besondere Truppenführung zum und im Gefecht. Häufig wurde im zerrissenen Gebirgsgelände die Auflösung größerer Truppenverbände in kleine, selbstständige Detachements nötig. Die einheitliche Oberleitung über mehrere solcher Detachements sowie die Aufrechterhaltung der Ver83 Im Deutschen Reichsheer wurde der Ersatz über die Ersatztruppenteile den Feldregimentern zugeführt. Als Marschregimenter beziehungsweise Marschbataillone wurden im 19. Jahrhundert lediglich die Truppenteile bezeichnet, die aus Ersatzmannschaften verschiedener Regimenter nur für den Marsch von der Garnison bis zum mobilen Heer zusammengestellt wurden. Vgl. etwa: Meyers KonversationLexikon, Band XI, Leipzig/Wien 1888, S. 286. 84 Zur Aufstellung der Marschbataillone ist in einem reichsdeutschen Behelf nachzulesen: „Die Rücksicht auf die Nationalitätenmischung macht eine besondere Art der Ersatzgestellung notwendig. Auf den Befehl des Chefs des Ersatzwesens für die ganze bewaffnete Macht wird von Zeit zu Zeit, meist allmonatlich, nach kurzer Ausbildung in der Heimat der Ersatz aller Waffen des österreichisch-ungarischen Heeres in Marschbataillone, regimentsweise geordnet, zusammengestellt und zu den Armeen geschickt, die sie geschlossen weiter ausbilden und die Divisionen nach Bedarf daraus auffüllen.“ In: PAA, (Militärattaché) Wien 188 – Acta secreta v. Cramon: Mitteilungen über das österreichisch-ungarische Heer, Abteilung Fremde Heere, Nr. 13350 vom Juli 1918. 85 Vgl.: BayKA, NL Krafft 182.

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bindung zwischen ihnen war sehr schwierig und erforderte von allen beteiligten Führern viel Geschick. Auch die Kavallerie dürfe laut Krafft nicht vergessen werden. Im flachen Land unabdingbar erforderlich sei sie auch im Gebirge zur Verbindung sowie für einzelne Patrouillen nicht entbehrlich. Neben der dominierenden Infanterie maß Krafft allerdings nicht der Kavallerie sondern der Artillerie den meisten Raum in seinen Ausführungen zu. Viele seiner Gedanken sind mehr taktischer denn organisatorischer Natur und werden in den folgenden Kapiteln aufscheinen. Krafft war sich vollkommen bewusst, dass die gesamte Gebirgskriegführung solch große Abweichungen und Schwierigkeiten gegenüber der Kriegführung in der Ebene aufwies, dass der Erfolg nur dann gesichert seinwürde, wenn die Truppenführer aller Rangstufen eingehende Erfahrung im Gebirgskriege besäßen und wenn Mannschaften und Tragtiere aller im Gebirge verwendeter Truppen auch voll und ganz für den Gebirgsdienst geeignet und trainiert wären. Es müsse sozusagen jedermann, vom Divisionskommandeur bis zum Tragtierführer, ein Spezialist für den Gebirgskrieg sein. Dieses Ideal konnte natürlich nur in besonderen Gebirgsdivisionen umgesetzt werden. Zum mindesten wünschte er spezielle Gebirgsbrigaden. Die Kampftruppen dieser Divisionen oder Brigaden müssten sich aus Jäger-Bataillonen, Gebirgsmaschinengewehrabteilungen, Gebirgsartillerieabteilungen, den für das Gebirge besonders organisierten technischen Formationen und schwerer Artillerie zusammensetzen. Bei den Gefechtstruppen – ausgenommen der schweren Artillerie – müsse alles auf Tragtiere verlastet werden können. Dieses System der größeren Gebirgs-Truppenverbände hatte sich Kraffts Meinung nach in verschiedenen Armeen, etwa in der italienischen und der österreichischen, bewährt. Mit der Aufstellung des Alpenkorps habe auch Deutschland diesen Weg mit Erfolg beschritten. Grundsätzlich werde allerdings in Zukunft die Unterscheidung zwischen Gebirgs- und Festungsartillerie verschwimmen. Zwar erscheine es unzweckmäßig, Gebirgsartillerieabteilungen an Feldartillerieregimenter anzugliedern, da Gebirgs- und Feldartillerie zu verschiedenartige Waffengattungen seien, um miteinander im Regimentsverbande erfolgreich arbeiten zu können aber: „Die Ansicht, dass eine im Gebirge operierende Truppe einer starken Feldartillerie entbehren bzw. sie nicht verwenden könnte [. . .] hat sich als völlig irrig erwiesen.“86 Diese Grundlagen hatte sich das Alpenkorps zu Herzen genommen und nach und nach seine Organisation danach aufgebaut. Letztlich wurden damit auf den verschiedensten Kriegsschauplätzen – nicht nur im Hochgebirge – wie in Tirol, Serbien, Mazedonien, Verdun, Siebenbürgen, Rumänien und den Vogesen gute Erfahrungen gemacht. 86

BayKA, NL Krafft 182.

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Neben diesen organisatorisch-strukturellen Fragen ist natürlich die Qualifikation der einzelnen Soldaten und deren Rekrutierung entscheidend. Freiherr von Lempruch, der 1915 Abschnittskommandant von Folgaria und ab 1916 Kommandant des Rayon I (Ortler) war, schreibt zum Einsatz im Hochgebirge: „Nur zähe, moralisch und physisch starke, ganze Soldaten, hart und womöglich berggewohnt; nur solche, die die Berge lieben, aber auch den Tücken und Hinterhalten des ewig wachenden und ewig drohenden Berggeistes gewachsen sind, erscheinen tauglich zur erfolgreichen Führung des Alpenkrieges. Gesundheit von Körper und Seele bedingen einander wechselseitig. Der Alpenkämpfer muss daher stark im Wollen und Vollbringen, stark im Ertragen aller Widerwärtigkeiten sein.“87

Es schien offensichtlich, dass die Mannschaften am tauglichsten sein würden, die ihre Jugend im Hochland verbrachten. Ein italienischer Militärschriftsteller hat in den 1890er Jahren noch folgendes, idealisiertes Bild der Gebirgsbewohner entworfen und sie zu den idealen Rekruten für die Alpinibataillone hochstilisiert: „Gleichviel ob Jäger, Schmuggler, Landmann, Hirt oder Kohlenbrenner, ist der Gebirgsbewohner von etwas mehr als mittlerem Wuchse, mäßig, ohne Bedürfnisse und einfach. Er trinkt wenig Wein, ist unternehmungslustig, geweckt und sparsam. Die Augen des Gebirgsbewohners täuschen ihn selten im Gebirge, eben so wenig irrt sein Fuß. Niemals täuscht sich der Gebirgsbewohner, selbst in völlig unbekannter Gegend über den Weg, den er einzuschlagen hat. Sehr scharf ist sein Auge; er kennt an der Form der Fußsteige, ob dieselben betretene Passagen oder verlorene Wege werden. Er kennt das Wetter voraus an untrüglichen Zeichen. Die Aushebung allein aber genügt nicht. Die häufigen Märsche über Berg und Thal [sic], der dreijährige Aufenthalt in einer Höhe von 2–4000 m stählen und härten den Körper wie den Geist des Alpenjägers ab und machen ihn geübt und brauchbar für die Verwendung im Patrouillen-, Kundschafts- und Aufklärungsdienste, sowie für die Beobachtung des Feindes. Ein weiterer Vortheil [sic] erwächst noch daraus, dass sie in der Regel nur da Verwendung finden, wo sie aufgewachsen sind.“88

Im deutschen Sprachraum wurde diese Vorstellung im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts speziell durch die Schriften Ludwig Ganghofers genährt. Dem ist ein wahrer Kern nicht abzusprechen. Es hat sich aber erwiesen, dass viele der herausragenden ‚Kriegsalpinisten‘ keineswegs den Bergen entstammten. Gegen diese Behauptung sprechen auch die Erfolge des Deutschen Alpenkorps, das in seiner Zusammensetzung, wie schon gezeigt, ein bunt zusammengewürfelter Haufen war. Die Bewohner der Gebirgsregionen, zumal wenn sie in der Landwirtschaft tätig waren, stiegen nur auf Höhen, wenn diese landwirtschaftlichen Nutzen versprachen und der reichte höchstens bis an die Grenzen der Vegetation. Hebert weist darauf hin, dass 87 Lempruch, Moritz von: Der König der deutschen Alpen und seine Helden, Stuttgart 1925, S. 33. 88 Baumann, Kriegswesen im Hochgebirge, 1892, S. 75.

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bei der Aufstellung des Alpenkorps im Bereich des I. bayerischen Armeekorps nach „Jägern, Hirten, Sennern, Bergführern usw.“ gesucht werden sollte.89 „Schließlich aber besann man sich und machte aus Soldaten Bergsteiger und nicht umgekehrt.“90 Hierzu gehört aber auch noch die Anekdote, die sich in einer Denkschrift des bayerischen Hauptmanns Oertel betreffs des Königlich Bayerischen Schneeschuh-Bataillon Nummer 1 findet. Oertel war einer der drei Offiziere, die im November 1914 mit Vorarbeiten zur Aufstellung des Bataillons betraut worden waren. Zur Auffüllung der Bataillons-Kompanien auf das Niveau von Infanteriekompanien wurden in den letzten Maitagen 1915 jeder Kompanie rund 100 Mann zugeteilt. Diese waren aus der Front herausgezogen worden und somit normale „[. . .] Infanteristen, Husaren und Dragoner, fast sämtlich Nicht-Bayern, aus dem Rheinland, aus Sachsen und Westfalen stammend.“91 Auf jeden Fall alles andere als Experten für den Gebirgskrieg. Oertel weiter: „Als die Leute gefragt wurden, wie sie zum Schneeschuh-Bataillon kämen, erhielt man die merkwürdigsten Antworten, so z. B.: ‚Der Herr Feldwebel fragte, wer kann Schlittschuhlaufen? Daraufhin haben wir uns gemeldet und wurden abgestellt.‘ Ferner: ‚Der Herr Feldwebel fragt, wer will im Gebirge kämpfen?‘ Und: ‚Wer will gegen die Italiener kämpfen?‘ Daraufhin hatten sie sich gemeldet. Im Gebirge waren die Allerwenigsten gewesen. Einer war mit seinen Verwandten ‚halt durch Tirol gefahren‘; ein Anderer hatte eine Zeitlang in Villach gearbeitet, mußte aber freilich zugeben, dabei nie auf einen Berg gekommen zu sein. Einer, der aus Pyritz stammte, und die Alpen nie gesehen hatte, antwortete mir auf die Frage warum er glaube, gerade für den Gebirgsdienst geeignet zu sein: ‚Weil ich schwindelfrei bin.‘ Und ein Anderer: ‚Weil ich Schornsteinbauer bin und daher klettern kann.‘ Obwohl die Mehrzahl der Leute auch körperlich dem Gebirgsdienst nicht gewachsen war, mußten sie doch genommen werden, [. . .].“92

Die Frage nach den notwendigen alpinen Kenntnissen und Fähigkeiten der Gebirgstruppen lässt sich am besten mit einem Blick auf die Faktoren beantworten, welche für Ausbildung und Einsatz an Gebirgsfronten von Bedeutung waren und immer noch sind.93 Fundamental ist das Verständnis der 89

Hebert, Alpenkorps, 1988, S. 30. Hebert, Alpenkorps, 1988, S. 30. 91 BayKA, MKr 2949: Kriegsministerium Nr. 5857: Denkschrift des Hauptmanns Oertel. Betreff: Das Königlich Bayerische Schneeschuh-Bataillon Nummer 1. 12 Seiten. 92 BayKA, MKr 2949: Kriegsministerium Nr. 5857: Denkschrift des Hauptmanns Oertel. 93 Siehe hierzu: Czant, Hermann: Alpinismus, Massenwintersport und Weltkrieg, München 1929, S. 91–105 und Kaltenegger, Gebirgstruppe, 1980, S. 155–190. Von besonderer Aussagekraft ist die Informationsschrift: Alpine Weisungen für den Gebirgskrieg, herausgegeben vom Kaiserlichen und Königlichen Landesverteidigungs- Kommando in Tirol, Innsbruck 1915. 90

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Hochgebirgsnatur und ihrer Gefahren. Zsigmondy und Paulcke machen als Hauptvoraussetzungen für die Entstehungsmöglichkeiten dieser Gefahren den schroffen Wechsel zwischen Frost und Hitze, Schnee und Eisbedeckung verantwortlich.94 Da der Winter in den Gebirgsregionen bis zu acht Monate dauern konnte und in den Hochgebirgen Permafrost und ewiger Schnee herrschten, waren das Leben und die Ausbildung auf diese Bedingungen auszurichten. Die militäralpine Ausbildung umfasste alpine Skilauftechnik, Fortbewegung im Fels, auf steilen Rasenhängen, im Eis und auf Firn.95 Von besonderer Bedeutung waren Kenntnisse in Gletscherkunde und über das Verhalten bei Lawinengefahr. Zu den Elementarereignissen, die gemeistert werden mussten, gehörten aber auch Gewitter, Steinschlag und Bergrutsche (Muren).96 Im Bewegungskrieg war das Lagern die Regel und daher war der Kälteschutz beim winterlichen Biwakieren in Zelten und Schneelöchern sehr wichtig. Sollte länger an einem Ort verweilt werden, mussten sich die Soldaten ihre Unterkünfte selbst erstellen, da das Hochgebirge nicht besiedelt ist. Die Bauten sollten fest, wind- und wasserdicht sein und vor allem vor Steinschlag und Lawinen geschützt angelegt werden.97 Um die Wasserversorgung zu gewährleisten, sollte in der Nähe eine Quelle sein, da andernfalls der Nachschub nur durch Wasserstaffeln und Wassertragtiere (auch Hunde) gewährleistet werden konnte.98 Die Truppe sollte auch alpine Naturerscheinungen ausnutzen, um den Feind zu bekämpfen, beispielsweise durch die Ablassung von Stein- und Schneelawinen oder durch das Ab- und Einen Bezug zur Gegenwart stellen beispielsweise die Ausbildungshandbücher der US-Armee dar, vgl. hierzu: Field Manual FM 3-97.6: Mountain Operations (herausgegeben vom: Headquarters Department of the Army), Washington 2000 und: Field Manual FM 3-97.61: Military Mountaineering (herausgegeben: siehe oben), Washington 2002. 94 Vgl.: Zsigmondy/Paulcke, Gefahren der Alpen, 1927, S. 13. 95 Vgl.: Alpine Weisungen, 1915, S. 14–16: ‚Marsch auf dem Gletschergebiet‘, S. 16–26: ‚Gehen auf Eis und Firn‘, S. 26–29: ‚Gehen und Klettern im Fels‘. Siehe auch die vom deutschen Heer ausgegebene: Ausbildungsvorschrift für die Gebirgstruppe (A.V.G), Entwurf: Schilauf, Berlin o. J. 96 Die Heeresgruppe Erzherzog Eugen büßte im November 1916 beispielsweise an zwei Tagen 7 Tote und 8 Verletzte durch Blitzschlag ein. Siehe: Ö. U. L. K., Bd. V Teil 2, 1934, S. 700. Speziell zum Umgang mit Blitzableitern siehe das Kapitel ‚Der Toblinger Knoten und sein Ausbau als Beobachtungsstation‘ in: Schemfil, Drei Zinnen, 1986, S. 110–113. Vgl. ebenso: Alpine Weisungen, 1915, S. 8 f. 97 Vgl.: Alpine Weisungen, 1915, S. 46–54: ‚Weisungen für stabilen Winteraufenthalt in der Höhenlinie‘. 98 Czant bemerkt hierzu, daß auch „[. . .] Höhlenforscher und Wünschelrutengänger [. . .] stellenweise gute Dienste [. . .]“ geleistet haben. Czant, Alpinismus, 1929, S. 97. Hermann Czant (1876–1937) war Alpinist und K. u. k. Offizier, konstruierte alpine Geräte, organisierte 1912 die 1. internationale Wintersportausstellung in Wien und verfasste die ersten militärisch-alpinen Bücher.

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Umleiten von Gebirgsbächen und Seen. Selbstverständlich waren das korrekte Ausheben von Schützengräben, speziell im Schnee, sowie das Graben von Schneetunnels, die oft in mehreren Etagen angelegt waren. Die soldatischen Fähigkeiten umfassten zudem: Gebrauch von Schneemänteln, Schießen im Schnee mit und ohne Skier, Artilleriebeobachtung und Auswahl dazu geeigneter Standorte, Transport von Geschützen, Maschinengewehren und so weiter, bei tiefem Schnee auf Skiern und Schneereifen, Kavernenund Fuchslöcherbau mit Handbohrer, Bohrmaschinen und Felssprengungen und den richtigen Umgang mit der umfangreichen Ausrüstung.99 Im Laufe der Kämpfe in alpinem Gelände der Schwierigkeitsgrade V und VI entwickelten sich noch besonders ausgebildete Elite-Einheiten.100 Die Literatur zu diesen Einheiten ist sehr spärlich und nennt im Wesentlichen: Bergführerkompanien, Hochgebirgskompanien und die Alpinen Referenten. Zusätzlich gab es noch: Sturmbataillone, Sturmkompanien, Alpine Detachements und Hochalpine Detachements.101 Die Mitglieder dieser Einheiten wurden primär nach ihrer alpinistischen sowie soldatischen Qualifikation aus allen Truppenkörpern ausgewählt. Die Bergführerkompanien unterstanden immer dem zuständigen Abschnittkommandanten und durften dessen Befehlsbereich nicht entzogen werden. Ihre Hauptaufgabe war, der Fronttruppe für schwierige Bewegungen im Hochgebirge die notwendigen Führer zu stellen. Ein geschlossener taktischer Einsatz der Kompanie durfte nur in Ausnahmefällen erfolgen, um das qualifizierte und kaum ersetzbare Alpinpersonal vor Verlusten zu bewahren.102 99 Siehe hierzu auch die Vorkriegsveröffentlichungen der Alpinisten Czant und Zdarsky: Czant, Hermann: Die Verwendung von Maschinengewehren bei hohem Schnee, Wien 1910 sowie Czant, Hermann: Transport von Gebirgsgeschützen auf gewöhnlichen Skiern, Wien 1911. Von Interesse ist auch die vom K. u. k. AOK im Jahre 1917 herausgegebene ‚Zusammenstellung für Ausrüstung im Hochgebirge‘ die zitiert wird in: Czant, Alpinismus, 1929, S. 103 f. Mathias Zdarsky (1856–1940) war einer der Begründer der alpinen Skilauftechnik. Zur Ausrüstung: Alpine Weisungen, 1915, S. 63–76. Zdarsky, Mathias: Anleitung für den Gebrauch und die militärische Verwendung der Ski und Schneereifen (Entwurf; verfasst von Mathias Zdarsky und Hauptmann Wahl), Wien 1908 und Zdarsky, Mathias: Elemente der Lawinenkunde. Mit einem Anhange: Einige hygienische Winke, Herausgeber: Höchstes Kommando in Kärnten, o. O. 1916. 100 Stufe VI entspricht nach heutiger Ansicht: Äußerst schwierig. Die Kletterei erfordert weit überdurchschnittliches Können und hervorragenden Trainingsstand. Große Ausgesetztheit, oft verbunden mit kleinen Standplätzen. Passagen dieser Schwierigkeit können in der Regel nur bei guten Bedingungen bezwungen werden. 101 Vgl.: Schaumann, Gebirgstruppen, 1986. Zu den Sturmkompanien: Massignani, Alessandro: La grande guerra sul fronte italiano. Le truppe d’assalto austroungariche, in: Italia contemporanea (Istituto Nazionale per la Storia del Movimento di Liberazione in Italia), Roma 1996, S. 37–62.

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Die Hochgebirgskompanien waren als leichte, bewegliche Einheiten geschaffen worden und somit nicht abschnittsgebunden. Sie hatten im schwierigen Gelände zu jeder Jahreszeit den Aufklärungsdienst zu versehen und traten dort auch als Kampfgruppe auf. Jede Hochgebirgskompanie hatte einen Hand-Maschinengewehrzug, eine angemessene Ausstattung mit Lasttieren und eine eigene Telefonausrüstung mit Mannschaft. Die Hochalpinen Detachements wurden sehr spontan aus den bereits in den Höhenstellungen kämpfenden Truppen rekrutiert. Sie agierten in Form blitzschneller, äußerst beweglicher und völlig autarker Aktionen, also in der Art heutiger Kommandounternehmen. Ende 1916 wurden erstmals alpine Sturmbataillone nach dem Muster der Westfront aufgestellt. Es gab hierbei Spezialisten für jede Art von Einsatz: Flammenwerfer, Handgranatenwurf, Scharfschützen, Spezial-Nahkämpfer und Extrem-Alpinisten. Zu den Alpinen Sondereinheiten zählten auch Pioniertruppen, die Kriegsstraßen, Karrenwege, Kavernen, Sprengstollen und Unterstände errichteten103. Sie wurden von Seilbahnbautrupps und Tragetiertrains unterstützt. Diese wirkten im Hinterland der hochalpinen Front, in Karstlandschaften, Felswänden, Lawinenkesseln und häufig unter feindlichem Beschuss. Zahlreiche Tragetierstaffeln erlagen dem Feuer des Gegners, stürzten ab, erfroren oder wurden von Lawinen verschüttet.104

102 Vgl.: Rigele, Fritz: Die K. u. k. Bergführertruppe im Weltkrieg, in: Zeitschrift des D. Ö. A. V. Bd. 59, 1928, S. 247–265. Auch: Seilinger, Dietmar: Entwicklung des österreichischen Heeresbergführerwesens, in: Österreichische Militärische Zeitschrift (4) 1994, S. 499–506. Siehe auch die Literaturangaben zu den alpinen Referenten, die zumeist auch in die Ausbildung des Bergführerkorps eingebunden waren, im Kapitel ‚Die Stadt im Eis‘ dieser Arbeit. Hier speziell: Fetz, Friedrich/Kirnbauer, Gudrun: Skipionier Georg Bilgeri (Schriften der Vorarlberger Landesbibliothek Bd. 6), Feldkirch 2001, S. 127–132. Zu den Bergführer- und Hochgebrigskompanien auch: Cappellano, Filippo: L’imperial regio esercito Austro-Ungarico sul fronte italiano (1915–1918). Dai documenti del Servizio informazioni dell’Esercito italiano, Rovereto 2002, S. 341 ff. 103 Zu den Gebirgspionieren des Alpenkorps: Benkel, Manfred: Gebirgspioniere. Die Geschichte einer Spezialtruppe 1915–1990, Osnabrück 1991. 104 Vgl. auch die allgemeine Festschrift zu Ehren der Tragtiere: Gaggermeier, Georg/Steffel, Alois/Bauer, Paul: Festschrift aus Anlass der Errichtung eines Tragtierdenkmals in Mittenwald am 13. Mai 1978 (Die Gebirgstruppe), Jahrgang 27, München 1978.

„Donner des préceptes fixes pour des complications qui se multiplient à l’infini par celles des localités, des ressources de l’art, de l’état des populations et des armées, serait une absurdité; l’histoire . . .. mais l’histoire bien raisonnée et bien présentée, voilà la véritable école de la guerre de montagne.“ (General Jomini über die Beschäftigung mit dem Thema Gebirgskrieg)1

E. Der Sperr-Riegel im Gebirge – Zur Theorie des Krieges in den Bergen I. Das Phänomen Gebirgskrieg Über die Jahrhunderte sind Schlachten häufig durch Innovation gewonnen worden: Kavallerie dominierte (zunächst) über die Infanterie, Elefanten erschreckten Pferde zu Tode und zunehmend mechanisierte Fahrzeuge und Panzer lösten die antiken Kampfwägen ab. Heute sugerieren Flugzeuge und Raketen, dass ein Sieg unter Wahrung eines Sicherheitsabstandes möglich ist. ‚Chirurgische‘ Luftangriffe sollen sauber und effektiv sein. Aber letztlich mussten Militärs und Politiker lernen, dass selbst eine überwältigende Luftüberlegenheit nicht genug ist. Früher oder später kehrt der Krieg zurück auf sein angestammtes Element, die Erde. Die Bodentruppen sehen sich dabei häufig mit rauen Klimabedingungen konfrontiert. Neben heißen Wüsten oder nassen und feuchten Dschungeln treten im Kampfeinsatz vermehrt Gebirgsklimate auf, die nicht nur kalt und unwirtlich sind, sondern in denen sich unter Umständen auch kaum mehr Sauerstoff zum atmen findet.2 Die Umweltbedingungen und das Terrain haben von jeher die Planung, den Ablauf und die Führung von militärischen Aktionen beeinflusst. Im Laufe der Geschichte sind viele Schlachten im Gebirgsgelände gekämpft worden, weil die Überhöhung einmal der Verteidigung, ein andermal dem Angriff förderlich war. Schon kleine Erhebungen und Hügel bieten taktische Vorteile, ohne größere Risiken eingehen zu müssen. Ein Blick in die 1 Zweifellos eine der schönsten Begründungen, warum die Beschäftigung mit der Kriegsgeschichte, speziell im Falle des Gebirgskrieges, so unerlässlich ist. Jomini, Antoine-Henri: Précis de l’Art de la Guerre, ou nouveau tableau analytique des Principales Combinaisons de la Stratégie, de la Grande Tactique et de la Politique Militaire, Paris 1838, S. 387 f. 2 Siehe hierzu etwa den die Richtung weisenden Artikel von: Roland, Alex: Technology, Ground Warfare, and Strategy: The Paradox of American Experience, in: The Journal of Military History, Vol. 55, Nr. 4. (Okt. 1991), S. 447–468.

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E. Der Sperr-Riegel im Gebirge

militärische Geschichte vergangener Jahrhunderte zeigt, dass diese Faktoren vielfach in der Gebirgskriegsführung entscheidend waren und immer noch sind. Neben dem kurzen historischen Abriss soll dieses Kapitel für den Gebirgskrieg und seine Imponderabilien sensibilisieren, die auf den nachfolgenden Seiten unter verschiedenen Aspekten im Detail beleuchtet werden. Die erste Überschreitung eines hohen Gebirgsstockes, die heute noch einem breiteren Publikum bekannt ist, war der Übergang Alexanders des Großen über den kleinen Kaukasus. Im November 331 vor Christus überquerte er, von Kandahar kommend, die Gipfel Zentral-Afghanistans. Seine Männer waren durch Kälte, Höhenkrankheit und Schneeblindheit stark geschwächt und bevor er in wirtlichere Gegenden um Kabul (1.800 m) absteigen konnte, verlor er viele seiner Krieger. Auf seinem Weg durch Afghanistan zog Alexander durch viele Städte – so etwa Herat, Kandahar, Kabul oder Mazar-e Sharif – die in den letzten Jahren wieder zunehmend ins Licht der Öffentlichkeit rückten. Sowohl im Zuge der russischen Besetzung Afghanistans in den 1980er Jahren als auch im von den Vereinigten Staaten propagierten ‚Kampf gegen den Terror‘ und Al Quaida. Die europäischen Gebirge sollten hingegen zuerst für das römische Reich von strategischer Bedeutung werden. Während der Herrschaft des Imperium Romanum waren Teile der Alpen und einige Dutzend Alpenpässe über 2.000 Meter erschlossen worden. Viele der Straßen waren gepflastert und ihre Spuren sind heute noch gut zu sehen.3 Die römischen Handelswege hatten von Anfang an neben ihrem zivilen auch einen militärischen Charakter. Es waren die hervorragend ausgebauten Straßen, auf denen die römischen Armeen nach Norden marschierten, um die nördlichen Stämme zu unterwerfen und zu befrieden. Straßen waren unerlässlich, um die ‚polizeiliche Überwachung‘ in dem riesigen Reich zu gewährleisten. Die Pässe wurden nur leicht verteidigt, da die Alpen eine starke natürliche Sperre für die eindringenden ‚Barbaren‘ aus dem Norden darstellten. Unter den vielen Schlachten, die an und um diese Alpenpässe geschlagen wurden, ist die Alpenüberquerung Hannibals wohl die bekannteste Aktion. Die Details dieses Meisterstückes sind hier nur bedingt von Belang: Mit rund 30.000 Mann Fußvolk, 8.000 Reitern und 37 Elefanten zog der karthagische Feldherr Hannibal über die Alpen nach Italien, um einem römischen Angriff auf Afrika zuvorzukommen.4 Interessanter ist, dass einige Charak3 Ein einführender, zeitgenössischer Artikel von: Freshfield, W. Douglas: The Great Passes of the Western and Central Alps, in: The Geographical Journal, Vol. 49, Nr. 1 (Jan. 1917), S. 2–22. 4 Siehe auch: Bertinaria, Pierluigi: Guerre et montagne dans l’Antiquité, in: Roulet/Engelberts, La guerre, I, 1993, S. 41–56. Auch: Neumann, Jehuda: Climatic conditions in the Alps at the time of Hannibal’s crossing (Autumn 218 BC) and some

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tereigenschaften Hannibals nicht nur ihn zum Erfolg führten, sondern auch in den Kämpfen des Ersten Weltkrieges im Alpenraum eine wichtige Rolle spielen sollten: Charisma, Phantasie und schnelles Handeln, Eigenschaften die aufgrund der problematischen und feindlichen Umwelt noch wichtiger sind als bei einem Krieg in der Ebene. Allerdings lassen sich an Hannibals Heerzug auch Probleme erkennen, die im ‚Großen Krieg‘ von 1914–1918 nicht viel anders aussahen. Obgleich Hannibals Überquerung strategisch brillant war hatte sie seine Männer physisch stark ausgezehrt. Verstärkungen standen keine in Aussicht und eine Niederlage beim Treffen mit dem Gegner war absehbar. Hier zeigte sich aber Hannibals strategisches Genie. Mit unterlegenen Kräften konnte er 216 vor Christus bei Cannae etwa 80.000 römische Legionäre besiegen. Nach der Schlacht sah er sich allerdings in einem feindlichen Land umherirren, ohne eine feste Basis etablieren zu können. Die immer wieder aufgestockten römischen Armeen stellten eine ständige Bedrohung dar. Er hatte weder sichere Versorgungslinien durch die Alpen, die ohnehin zu lang gewesen wären, noch konnte er sich über Seehäfen Nachschub beschaffen. Die Armee aus dem Land zu versorgen, war nur bedingt möglich. Obwohl seine Armee ganze Landstriche verwüstete, reichte die Menge kaum aus und Waffen und Belagerungsgeräte konnten überhaupt nicht aufgetrieben werden. Rom bediente sich seit der verheerenden Niederlage bei Cannae einer Hinhaltetaktik und ging Entscheidungsschlachten bewusst aus dem Weg. So konnten die karthagischen Kräfte weiter abgenutzt werden. Selbst der verwegene Führer musste die zunehmenden logistischen Probleme und die kaum zu stoppende Verringerung der Kopfstärke seiner Armee erkennen.5 Die Armeen des 20. Jahrhunderts hatten ähnliche Schwierigkeiten. Wenn auch die Nachschubwege der Belligerenten nicht direkt durch Feindeinwirkung gefährdet waren, so waren sie doch eine der Schwachstellen. Speziell auf der österreichisch-ungarischen Seite hatte man hier mit zu geringen Kapazitäten zu kämpfen. Die lebensnotwendigen Bahnstrecken waren spärlich und das Waggonmaterial musste nicht nur die Südwestfront sondern auch noch die anderen Kriegsschauplätze beliefern. Für die Truppen war der Anmarsch immer noch beschwerlich, allerdings konnte dem mit Retablierungsthoughts on the effects of these conditions, in: Roulet/Engelberts, La guerre, I, 1993, S. 65–74. 5 Zu Hannibal auch die frühen Betrachtungen von: Freshfield, W. Douglas: Hannibal’s Pass, in: The Geographical Journal, Vol. 13, Nr. 5 (Mai 1899), S. 547–551; und Wilkinson, Spenser/Freshfield, W. Douglas: Hannibal’s March (Discussion), in: The Geographical Journal, Vol. 37, Nr. 6 (Juni 1911), S. 668–681. Modernere Darstellungen in: Barceló, Pedro: Hannibal. Stratege und Staatsmann, Stuttgart 2004 und Seibert, Jakob: Hannibal, Darmstadt 1993. Ebenso: Hannibal ad portas. Macht und Reichtum Karthagos (Begleitbuch zur Großen Sonderausstellung im Badischen Landesmuseum Karlsruhe, 25.09.2004–30.01.2005), Stuttgart 2004.

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E. Der Sperr-Riegel im Gebirge

stationen und genügenden Ersatzformationen begegnet werden. Die Konzeption, sich aus dem besetzten Land zu versorgen, sollte eine Renaissance nach der zwölften Isonzoschlacht erfahren, als es den K. u. k. Truppen ähnlich wie Hannibal erging. Zweitausend Jahre nach Hannibal waren es die Franzosen, die unter Napoleon I. einen großen Heerhaufen durch die Alpen bewegten. Im Mai 1800 führte Napoleon etwa 37.000 Mann über den großen Sankt Bernhard Pass. Er wollte die österreichischen Truppen im Rücken angreifen, was ihm bei Marengo auch gelang. Der Sankt Bernhard liegt in den Alpen zwischen der Schweiz und Italien und verbindet das Rhônetal mit dem Aostatal. Seine Passhöhe liegt auf 2.469 Metern und er wurde schon in der Jungsteinzeit überschritten. Napoleon nutzte die alte römische Straße, welche er umbauen und befestigen ließ.6 Auf der Passhöhe befindet sich auch heute noch das Hospiz, ein Chorherrenstift, das im 10. Jahrhundert von dem französischen Mönch Sankt Bernhard von Menthon gegründet wurde. Die Mönche und ihre allseits bekannten, sehr großen Bernhardiner Rettungshunde empfingen Napoleon mit jener Gastfreundschaft, die sie jedem Reisenden zukommen ließen. Zum Dank versprach Napoleon ihrem Kloster und dem Kloster auf dem benachbarten Simplonpass seinen Schutz. Die Bergfestung Schweiz, die bis dahin als uneinnehmbare Bastion galt, war in den Jahren 1796 bis 1800 zu einem der wichtigsten Schauplätze des Krieges zwischen der französischen Republik und der Koalition geworden. Napoleon und die französischen Revolutionsarmeen sind in diesem Zusammenhang deswegen so wichtig, weil mit ihnen ein neues System der Kriegführung anhob. Während der Periode der Lineartaktik, die der napoleonischen Kriegstechnik unmittelbar vorausgegangen war, wurde jedes schwierige Terrain von beiden Kämpfern sorgsam vermieden. Je ebener das Gelände, desto besser schien es als Schlachtfeld geeignet. Hindernisse waren nur willkommen, um einen oder beide Flügel der vorgehenden Truppe zu decken. Das Aufbrechen der starren Formationen in der Lineartaktik führte dazu, dass in jeder Defensivstellung nun nach einem Hindernis vor der Front gesucht wurde. Es sollte den Schützenketten und ebenso den Reserven Deckung bieten. Schwieriges Terrain wurde von den Franzosen geradezu vorgezogen, weil ihre Truppen viel beweglicher waren. Ihre Formierung in geöffneter Ordnung und in Kolonnen erlaubte nicht nur schnelle und flexible Bewegungen in jede Richtung, sondern gab ihnen sogar die Möglichkeit, unebenes Gelände zu ihrem Vorteil auszunutzen, während ihre Gegner zur gleichen Zeit in solchem Gelände völlig hilflos waren. In der Tat 6 Obwohl heute noch in Gebrauch, hat sie durch den 1964 erbauten Straßentunnel mit einer Gesamtlänge von über 5,6 Kilometern unter dem Pass sehr an Bedeutung verloren.

I. Das Phänomen Gebirgskrieg

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musste der Ausdruck ungangbares Gelände in der Militärterminologie neu bewertet werden. Die Franzosen siegten, außer durch ihre Flexibilität, vor allem durch ihre für die damalige Zeit kaum fassliche Geschwindigkeit und die protegierten Offiziere und Unterführer. Diese wollten Karriere machen und wurden von Napoleon wie von keinem Zweiten dazu animiert, viele trugen den sprichwörtlichen Marschallstab tatsächlich in ihrem Tornister. Der anfängliche Verteidigungskrieg der jungen französischen Republik gegen die Koalition der europäischen Dynastien nahm im Laufe der Jahre einen zunehmend expansionistischen Charakter an. Dies manifestierte sich etwa in territorialen Gewinnen links des Rheins und auf der Apeninnhalbinsel. In den Jahren 1796, 1797 und 1799 war das Land Tirol aus dem Süden von der französischen Armee bedroht. Nachdem er 1797 die österreichischen Stellungen in Oberitalien überrannt hatte, marschierte Napoleon bei der Verfolgung der österreichischen Armee in Südtirol ein. Dort wehrten sich die Tiroler standhaft unter Ausnützung des Geländes. In diesen Jahren wurden bereits die Tiroler Standschützen gegen die französischen Linienregimenter aufgeboten. Eine erwähnenswerte, propagandistisch-psychologische Finesse während des Tiroler Kampfes 1797 war, das ganze Land Tirol am 1. Juni 1796 unter den Schutz des Herzen Jesu zu stellen. Dadurch konnte die Landesverteidigung religiös gedeutet und Anklänge an die Verteidigung des ‚heiligen (Heimat-)Landes‘ suggeriert werden. Die Herz-JesuWeihe wurde im Ersten Weltkrieg reaktiviert.7 Mit dem Friedensvertrag von Campoformio im Oktober 1797 begann der große Länder- und Bevölkerungstausch, der teilweise die Zankäpfel betraf, die auch zu Beginn des Ersten Weltkrieges wieder in aller Munde waren: Österreich trat die Niederlande und die Lombardei mit Mailand, Mantua und Modena ab, bekam dafür aber Istrien, Dalmatien und Venetien.8 Auch wenn sich der hier besonders betrachtete Gebirgskrieg in diesen Jahren gedeihlich entwickelte, so trug man die Schlachten – wie Stephan Vajda treffend bemerkte – „[. . .] nach wie vor auf einer größeren Wiese, auf ein paar Quadratkilometern Ackerland aus, mit einigen Dörfern dazwischen, die in Brand geschossen wurden [. . .].“9 Diese Äcker, Weiler oder Gehöfte wurden 7 Vgl. etwa das Referat von Claudia Schlager (MA, Tübingen): Herz Jesu im Ersten Weltkrieg. Zur Propagierung des Tiroler Vorbildes in Deutschland und Österreich, gehalten auf dem Kongress der Freien Universität Bozen zum Thema: Der Erste Weltkrieg im Alpenraum. Erfahrung – Deutung – Erinnerung, 28.–30.04.2005. Auch der Aufsatz: Rettenwander, Matthias: Mobilisierung der Herzen. Kirche und Volksfrömmigkeit in Tirol im Ersten Weltkrieg, in: Kuprian/Mazohl-Wallnig/BarthScalmani, Ein Krieg – zwei Schützengräben, 2005, S. 215–232. 8 Nach dem einheimischen Dialekt heißt das Dorf Campoformio, streng genommen aber Campoformido. Es liegt etwa fünf Kilometer westlich von Udine. Vgl.: Vajda, Stephan: Felix Austria. Eine Geschichte Österreichs, Wien 1980, S. 416.

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E. Der Sperr-Riegel im Gebirge

damit oftmals zu den Namensgebern der Schlachten. Dies wandelte sich endgültig mit dem Auftreten des Kleinkrieges der Tiroler Freiheitsbewegung unter Andreas Hofer. Infolge der Niederlage Österreichs im Jahre 1805 wurde Tirol an Bayern abgetreten, das nun auf administrativer, wirtschaftlicher, und kultureller Ebene dominierend wurde. Die Auslöschung des Namens Tirol, der durch Südbayern ersetzt wurde, war sicher nur einer der schwerwiegenden Fehler. Am 9. April 1809 brach erneut Krieg zwischen Österreich und Frankreich aus und österreichische Truppen zogen mit 15.000 Mann von Kärnten nach Tirol. Hier kam es bereits vor deren Eintreffen zu Kämpfen im Pustertal und im Sterzinger Moos, wo Hofer erste militärische Erfolge gegen die Bayern erzielen konnte. Andreas Hofer wurde die Integrationsfigur des Aufstandes und stieg ohne förmliche Ernennung zum Oberkommandanten auf. Er siegte mit seinen Tirolern am 25. und 29. Mai am Bergisel. Nach dem Znaimer Waffenstillstand vom 12. Juli besetzten wiederum französische Truppen Tirol; Hofer rief den Landsturm auf, siegte am 13. August neuerlich am Bergisel und regierte von 15. August bis 21. Oktober von Innsbruck aus das Land. Eine ausgeklügelte Strategie gab es bei den drei siegreichen Bergiselschlachten nicht. Andreas Hofer gab angeblich die Parole aus: ‚balds die Boarn treffts, drauhaun und nur nit aualassn‘, was sich ausgezeichnet bewährte. Die bayerischen Soldaten hatten vor allem mit dem überhöhten Feind zu kämpfen. Sie wurden regelrecht verheizt im Anrennen gegen den gezielt von oben herunterschießenden Tiroler Landsturm. Nach der verlorenen vierten Schlacht am Bergisel (01.11.1809) zogen die Tiroler unbehelligt nach Hause. Ein kleines Häuflein wandte sich nochmals gegen den Feind, hatte aber keine Chance mehr. Die Aufrührer dieses letzten Aufgebots wurden verfolgt, Andreas Hofer wurde im Februar 1810 in Mantua von einem Erschießungspeleton hingerichtet. Die dann einsetzende Mystifizierung der Helden von 1809 wurde im Ersten Weltkrieg gekonnt propagandistisch eingesetzt.10 Neben der gewaltigen Motivation, die den Tirolern eigen war, kam ihnen zweifelsfrei die Topographie ihres Landes sehr zustatten. Tirol ist ein gebirgiges und stark bewaldetes Land und infolge seiner Unübersichtlichkeit ein doppelt schwieriges Operationsfeld für den hier fremden Angreifer. Umgekehrt ist die Landeskenntnis von bedeutendem Vorteil für den Verteidiger. „Tirol ist eine Felsenburg, fast nach allen Seiten nur durch schmale Tore 9

Vajda, Felix Austria, 1980, S. 414. Vgl. etwa: Krumeich, Gerd: Der Tiroler Freiheitskampf gegen Bayern und Frankreich: Andreas Hofer und die Schlacht am Berg Isel, 13. August 1809, in: Krumeich, Gerd/Brandt, Susanne (Hg.): Schlachtenmythen. Ereignis – Erzählung – Erinnerung, Köln/Weimar/Wien 2003, S. 133–142. 10

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von Talengen und Pässen geöffnet und selbst in ihrem Innern von Schluchten durchzogen, die wie die Mauern des inneren Burghofs den Gegner, der in den äußeren eingedrungen sein sollte, am Vordringen hindern.“11 Die Enge des Raumes erlaubt es den Heerführern nicht, Kavallerie und Artillerie entsprechend zu entwickeln, die permanent wohlgezieltem Flankenfeuer ausgesetzt sind. Ein entschlossener Verteidiger kann in diesem Umfeld auch regulären Truppen Widerstand leisten, ihnen schwerste Verluste zufügen und sie eventuell zum Rückmarsch bewegen. Hierfür stellt der Tiroler Freiheitskampf ein Paradeexempel dar. In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde mit der Erschließung der Bergwelt die Grundlage für den Gebirgskrieg der Jahre 1915–1918 gelegt. Die zivile Ausgestaltung des Verkehrsnetzes sowie der aufkommende Alpinismus und die Ausbreitung von Berg- und Wintersport waren dafür verantwortlich.12 Neben kleineren Gebirgsbahnen wurden immer leistungsfähigere Vollbahnen durch die Alpen gebaut, so etwa 1853 die Semmering-, 1867 die Brenner-, 1882 die Arlberg- und 1884 die Gotthardbahn. Nun war die Verschiebung größerer Truppenmassen, die für die ‚modernen‘ Kriege der damaligen Zeit unerlässlich war, schnell und einfach möglich. So brachte schließlich der Erste Weltkrieg die umfangreichsten Truppenbewegungen in den Bergwelten Europas mit sich. Die Gebirgsfronten im Großen Krieg erstreckten sich auf einer Gesamtlänge von über 9.700 Kilometern. Diese Zahl beinhaltet die Fronten in Tirol, Kärnten und im Karstgebiet, in Italien, in den Karpathen, die unzähligen Gebirgsrücken Serbiens, Montenegros, Albaniens, Bosniens und der Herzegowina, Mazedoniens, Kaukasiens, aber ebenso die Gebirge Persiens und der asiatischen Türkei und schlussendlich die Vogesenfront. An all diesen Fronten standen sich Armeen gegenüber, die nicht nur gegeneinander, sondern zugleich gegen einen weit mächtigeren Feind kämpften: „Keine Feder kann beschreiben, kein Mund aussprechen, keine Vorstellung sich ausmalen die Mühe, Entbehrung, Erschöpfung, all das Furchtbare, das wir Infanteristen damals in der Karpathenwildnis ausstanden, als dort Gelände, Schlucht, Eis, Schnee, Sturmwind, Elend, Frost und tausend andere Schrecknisse sich gegenseitig die Hand reichten, um gemeinsam mit den Russen gegen uns zu gehen. Als ob der allmächtige Gott darauf neugierig gewesen wäre was eine menschliche Kreatur aushalten könne [. . .].“13 11 Huter, Franz: Das Jahr 1809 in der Tiroler Geschichte, in: Tiroler Heimat. Jahrbuch für Geschichte und Volkskunde, Bd. 24, Innsbruck 1960, S. 101–110, hier: S. 105. 12 Zu diesem Wechselspiel auch: Schaumann, Walther: Alpinismus und Armee. Kurze Übersicht der historischen Entwicklung des zivilen und militärischen Bergsteigens bis 1914, in: Österreichsche Militärische Zeitung Nr. 7/1967, S. 323–329. 13 Czant, Alpinismus, 1929, S. 31.

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E. Der Sperr-Riegel im Gebirge

Diese Zeilen, die sich auf die Karpathenfront beziehen, aber ebensolche Gültigkeit für die Alpen und die anderen Gebirgsfronten besitzen, zeigen mit besonderer Eindringlichkeit das Problem des Gebirgskampfes: den permanenten Gegner Natur.14 Die Truppen waren oft wochenlang Regen, Schnee, Sturm und Kälte bis –50 Grad Celsius ausgesetzt. Bei Schlechtwettereinbrüchen nahm die Gefährlichkeit des Geländes zu. Zahlreiche Unglücksfälle sind darauf zurückzuführen, dass schwierige Wege und Steige zu jeder Zeit unabhängig von der Witterung passiert werden mussten. Die Kälte machte die Soldaten nicht nur durch Erfrierungen kampfunfähig, sondern auch durch die Vereisung der Verschlüsse ihrer Schusswaffen. Um wenigstens einigermaßen vor der Witterung und der Sicht des Feindes geschützt zu sein, begannen österreichisch-ungarische Pioniere im Gletscher der Marmolata eine ‚Stadt im Eis‘ zu errichten. Sie bestand aus Kampf-, Versorgungs- und Unterkunftsstollen, die bis zu 40 Meter unter der Gletscheroberfläche lagen. Die Schutzfunktion der Gletscher war trügerisch, denn das Eis blieb gefährlich. Das Leben im Inneren der Gletscher kostete enorme Kraftanstrengungen und gebot höchste Vorsicht.15 Zur selben Zeit fielen an allen Abschnitten Tausende dem Lawinentod zum Opfer. Eine Äußerung des Alpinisten Hermann Czant fasst zusammen, was das Gebirge von gewöhnlichem Gelände unterscheidet und was es besonders im Winter zum Schrecken werden lässt: „Die steilen Formen erschweren die Bewegung und ermüden den Ungeübten rasch, der nicht Schwindelfreie stürzt leicht ab und findet den Tod in den Felsen, trügerische Wächten brechen durch, das Eis der Gletscher schließt in seinen glatten, steilen Flächen und seinen Spalten tausend Gefahren in sich, Steinschlag, Wettersturz, starke atmosphärische Entladungen, plötzlich einfallender Nebel, tiefer Schnee, Bergkrankheit, Schneeblindheit, diffuses Licht, Augenblendungen, Hautverbrennungen durch die ultravioletten Strahlen, endlich die Hauptschrecken des winterlichen Gebirges: die Lawinen und der Schneesturm, das sind in den Hauptzügen die Eigenheiten des Gebirges, mit denen jeder rechnen muss, der es besonders im Winter betritt.“16

Unvergleichlich schwieriger als im Flachland und meist auch im Hügelland war es, im Hochgebirge einen zuverlässigen, gut funktionierenden Nachschub für Verpflegung, Munition, Pioniergerätschaften und so weiter 14 Die Winterschlacht 1914/15 in den 2.500 Meter hohen Südkarpathen war von ihrem Umfang eine der seltenen großen und bewegungsreichen Schlachten, die in winterlicher Hochgebirgswildnis geschlagen wurden. Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. II, 1931, S. 33–205. 15 Einen sehr guten Überblick bietet der kurze Artikel, den Adolf Deye während des Krieges für den Alpenverein veröffentlichte: Deye, Adolf: Kriegsbilder aus den Hochalpen, in: Zeitschrift des D. Ö. A. V. Bd. 48, 1917, S. 162–176. Siehe auch das Kapitel Krieg in Eis und Schnee 1916/1917 dieser Arbeit. 16 Czant, Alpinismus, 1929, S. 14.

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aufzubauen. Galt dies schon für Friedensübungen in mehr oder weniger bekanntem Gelände, dann erst recht im Kriegsfalle, unter reger Feindeinwirkung, wenn Straßen und Wege gesperrt oder zerstört waren und wenn Täler und Schluchten gänzlich unpassierbar gemacht wurden. Der spätere Verlauf des Krieges in Tirol zeigte, dass Schluchten, Engen und tief eingeschnittene Täler erfolgreicher als oft angenommen wurde, auch durch Gas gesperrt werden konnten.17 Artillerie und Minenwerferfeuer sowie zunehmend Fliegerangriffe taten ein Übriges zur Sperrung von Zugangswegen. Weitere Gefahren drohten den Trainsoldaten durch den oft schlagartig einsetzenden dichten Nebel und die tiefe Wolkenbildung wie überhaupt durch die Witterungsunbilden, die oft jede Orientierungsmöglichkeit raubten. Häufig genügte ein einziges heftiges Gewitter, um mühsam errichtete Bergwege wegzureißen, ja regelrecht verschwinden zu lassen, zu vermuren oder auf eine sonstige Art zu zerstören. Im Allgemeinen sorgten Pioniere oder besondere Wegebautrupps für die Anlage und den Unterhalt der Steige. Den Pionieren und Armierungssoldaten kam im Gebirgskrieg besondere Bedeutung zu. Die Bearbeitung des Steines war nicht wie an der Westfront dem einzelnen Soldaten mit Hacke und Spaten selbst möglich. Oft musste mit schwererem Gerät oder Dynamit hantiert werden. In einem Orientierungsbehelf des Deutschen Alpenkorps wurden die Fertigkeiten der Pioniere für die Ausbildung zusammengefasst: – Die rasche Herstellung von Saumpfaden und Wegen im Gebirge mit und ohne Sprengungen. – Einzelausbildung im Gesteinssprengen unter Verwendung kleiner Ladungen, sei es für den Wegebau oder die Anlage von Deckungen. – Der Bau von Feuerstellungen und Stollen im Gebirgsboden ohne Sprengungen. – Behelfsbrückenbau – namentlich auch über tiefe Schluchten unter Benutzung aller möglichen Baustoffe, nicht nur der auf den Übungsplätzen bis dato üblichen, sondern auch und vor allem mit minderwertigem Material. Darunter verstand man krumme und schwächere Hölzer, dünne Bretter von Hütten, Latten et cetera. Im Grunde Material, das schnell verfügbar war, da richtiges Baumaterial oft nicht rechtzeitig in die Höhenstellungen transportiert werden konnte. – Geschütztransporte auf steile Hänge hinauf unter Benutzung von Tauen, Winden und Flaschenzügen. – Der Bau von Lagern und Unterkünften.18 17 Als Beispiel sei nur die zwölfte Isonzoschlacht angeführt, die in Kapitel H. dieser Arbeit behandelt wird.

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E. Der Sperr-Riegel im Gebirge

Im Stellungskrieg mit seinen erstarrten Linien und Fronten lagen die Nachschubverhältnisse in der Regel erheblich günstiger. Hier konnten selbst bei schwierigem und felsigem Terrain Seilbahnen vorzügliche Dienste leisten. Oben auf den Höhen, an geschützten Stellen, waren Lager und Stützpunkte, von wo aus die Lasten auf Tragtier- oder Trägerkolonnen weiterverteilt wurden. Je nach den beabsichtigten Kampfhandlungen, der Jahreszeit, auch nach der örtlichen Sicherheit waren diese Lager dauerhaft oder nur behelfsmäßig eingerichtet. Ein anderes Problem, mit dem die Soldaten zu kämpfen hatten, war die Wasserarmut der Gebirge. Neben den – vor allem im Hochsommer – wasserarmen Hochlagen machte sich dies wesentlich in den verkarsteten Isonzo Gebieten immer wieder bemerkbar. Auf der Kozmarica beispielsweise stand pro Soldat und pro Tag lediglich ein Liter Wasser zur Verfügung, wobei die Hälfte davon in der Küche (für Suppe und Kaffee) verwendet wurde. Der Rest musste zum Trinken und Waschen reichen. So kam es, dass bis zu 20 Soldaten am Tag wegen Hitzschlags ausfielen.19 Es gab aber noch vielfältige andere Gefahren. So drohte neben den todbringenden Granaten auch deren Steinsplitterwirkung, wenn sie im Felsgelände einschlugen. Natürlich bot manche Felswand erhöhten Schutz gegen Geschosse, zumal wenn Kavernen in sie getrieben waren.20 Wenn diese aber zu Stollen unter die Stellungen des Gegners verlängert wurden, um sie in die Luft zu jagen, so bedeutete das für die Soldaten eine, dem Krieg im flachen Lande ebenfalls unbekannte, sehr unheimliche Gefährdung.

II. „Das Bataillon verteidigte den Berg und der Berg das Bataillon“ Im Krieg hängt der Sieg häufig von der talentierten Nutzung des erhöhten Terrains durch den Feldherrn ab. Folglich sind Hügel und Berge seit Tausenden von Jahren zentrales Element der Kriegsführung. Schon leichte Erhebungen und Hügel, wie etwa die bei Marathon und Gettysburg oder der Montello Rücken 1918, gaben einen taktischen Vorteil, obwohl sie topo18 Vgl.: BayKA, Alpenkorps Bund 57 Akt 2: Anhaltspunkte für Ausbildung im Gebirgskriege herausgegeben vom Kdo. des Alpenkorps, Ia Nr. 371 op. vom 9.3.1918. 19 Nach: Angetter, Daniela C.: Dem Tod geweiht und doch gerettet. Die Sanitätsversorgung am Isonzo und in den Dolomiten 1915–1918, Frankfurt a. M./Berlin/ Bern 1995, S. 171. 20 Allgemein versteht man unter Kavernen künstliche oder natürliche Felshöhlen (excavare = aushöhlen). Vgl. auch: Handl, Leo, Von der Marmolata-Front II, in: Zeitschrift des D. Ö. A. V. Bd. 48, 1917, S. 149–161, hier: S. 151.

II. „Das Bataillon verteidigte den Berg und der Berg das Bataillon“

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graphisch nur ein geringes Hindernis darstellten. Mit der Höhe der Berge, wie in den Alpen oder dem Kaukasus, wachsen auch die taktischen Vorteile sowohl offensiv wie defensiv, linear nehmen aber auch die Probleme zu. Dieses Kapitel soll nun über Gebirgskriegstheorien Aufschluss geben, wie sie das militärische Denken vom 19. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg beeinflusst haben.21 Problematisch ist allerdings, dass es in diesem zu behandelnden Fall keine unumstößlichen, allgemeinen Lehrsätze gibt. Schon der spanische Militärschriftsteller Santiago y Rubio schrieb, dass der Krieg in den Bergen diejenige Art der Kriegsführung ist, „[. . .] von welcher es am schwersten ist sich eine richtige Vorstellung zu machen, und die ein äußerst sorgfältiges Studium erfordert.“22 Der Stein der Weisen liegt also in der Erfahrung. Die sorgfältige Auswertung von Einzelfällen mag zu Ergebnissen führen, die aber immer nur einzelfallspezifisch angewandt werden können. Verallgemeinerungen sind nur selten angebracht.23 Mangel an Erfahrung ist auch die Ursache für ein generelles Manko der Gebirgskriegs- Literatur, die vor 1914 entstand: Die Anforderungen der Winteralpinistik waren im militärischen Bereich nur rudimentär entwickelt und literarisch nicht umgesetzt. Pioniere waren in dieser Beziehung die Österreicher Czant und Zdarsky, in Deutschland Wilhelm Paulcke. Ihr stetes Bemühen, die Militärs für die alpinistischen Probleme, namentlich im Winter, zu sensibilisieren, wurde nur sehr zögerlich angenommen. Erst der Ausbruch des Weltkrieges änderte dies. Die (empirischen) Erkenntnisse und Wandlungen im Gebirgskrieg, wie überall im militärischen Bereich, finden ihren Widerhall auf drei Ebenen: auf der strategischen, operativen und der taktischen. Es gibt unzählige Definitionsversuche und Auslegungen dieser Trias, hier soll ein simplifiziertes 21 Siehe auch die Bibliographie in: Scharfenort von: Quellenkunde der Kriegswissenschaften für den Zeitraum 1740–1910, nebst einem Verfasser- und Schlagwortverzeichnis, Berlin 1910, hier S. 98–100. Eine Überblicksdarstellung mit starkem Österreich Bezug ist im Rahmen einer Diplomarbeit erschienen: Gasser, Patrick: Zur Entstehung des Konzeptes „Gebirgskrieg“ im 19. Jahrhundert in Österreich. Ein Beitrag zur Geschichte des Dolomitenkrieges (Diplomarbeit), Innsbruck 2003. Ein komprimierter Auszug findet sich in: Gasser, Patrick: Das Gebirge als neues Kampfterrain im 19. Jahrhundert. Österreichische Gebirgskriegstheorien vor 1915, in: Der Schlern. Monatszeitschrift für Südtiroler Landeskunde, Heft 12/Dez. 2004, S. 7–15. 22 Rubio, Pasqual Santiago y: Abhandlung über den Gebirgskrieg. Durch kriegsgeschichtliche Beispiele vermehrt von H. Leemann, Zürich 1858, S. 3. 23 Ein früher Versuch dieser Auswertungen stellen die Arbeiten des Ritters Josef von Xylander dar. Hier zu nennen sind die zwei Bände: Xylander, Josef von: Lehrbuch der Taktik. Teil 2: Taktische Verbindungslehre, München 1862. Und: ders.: Lehrbuch der Taktik. Teil 3: Terrain-Lehre, München 1862. Hier erschienen in der dritten Auflage, die früheste stammte bereits aus dem Jahr 1822 (und weiters 1839).

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E. Der Sperr-Riegel im Gebirge

System gelten: Strategie legt die Kriegsziele, sowie die Mittel und Wege zur Zielerreichung fest. Der Begriff Taktik subsumiert aktuelle Aktivitäten, um ein kurzfristiges Ziel zu erreichen. Taktik beinhaltet die Gefechtsführung der Truppen, also Mittel und Verfahren zur Erringung des Schlachtenerfolges. Die zeitlich eher kurzfristig angelegte Taktik ist Teil einer Strategie. Die Taktik greift auf die erlernten Fähigkeiten der Soldaten zurück und steht damit in Verbindung mit dem oben eingeführten Begriff der Erfahrung. Es geht um die Geschicklichkeit, mit unvorhergesehenen Situationen fertig zu werden. Nach Clausewitz: „Die Strategie ist nichts ohne das Gefecht, denn das Gefecht ist der Stoff, dessen sie sich bedient, das Mittel, was sie anwendet. So wie die Taktik der Gebrauch der Streitkräfte im Gefecht ist, so ist die Strategie der Gebrauch des Gefechtes, das heißt die Verbindung der einzelnen Gefechte zu einem Ganzen, zu dem Endzweck des Krieges.“24 Eine andere, sehr eingängige, Einteilung unterscheidet: „Taktik: Alle Bewegungen im Angesicht des Feindes, oder im Bereich von dessen Kanonenfeuer. Strategie: Alle Bewegungen, welche außerhalb des Gesichtskreises zweier Heere vorgenommen werden.“25 Die Operation, bei Clausewitz noch ungenannt, steht zeitlich und räumlich zwischen Taktik und Strategie. Sie beinhaltet die Führung der Truppen über mehrere Gefechte hinweg und verschmilzt mit dem Strategiebegriff des 19. Jahrhunderts. Das in der Deutschen Demokratischen Republik erschienene Standardwerk ‚Wörterbuch zur Deutschen Militärgeschichte‘ subsumiert daher unter dem Begriff der Kriegskunst: „Die Strategie hatte die Kampfhandlungen der Streitkräfte auf allen Kriegsschauplätzen zur Erringung des Gesamtzieles des Krieges zu vereinen. Die unmittelbare Führung einzelner Schlachten wurde zu einer Aufgabe der operativen Kunst; die Armeeoberbefehlshaber führten die Gefechtshandlungen der unterstellten Verbände und Truppenteile. Zur Hauptaufgabe der Taktik gehörten die detaillierte Ausarbeitung der Theorie und die Anwendung praktischer Methoden der Vorbereitung und Führung des Gefechts, das größere Selbständigkeit erlangte und hinsichtlich der Vielfalt des Einsatzes der Kampfmittel und des Inhalts der Gefechtsaufgabe immer komplizierter wurde.“26 24 Diese erste Veröffentlichung einer Definition fand im Zuge einer Rezension in der militärwissenschaftlichen Zeitschrift Neue Bellona statt. Clausewitz, Carl von: Bemerkungen über die reine und angewandte Strategie des Herrn von Bülow; oder Kritik der darin enthaltenen Ansichten, in: Neue Bellona, IX, Nr. 3/1805, S. 252–287, hier: S. 271. 25 Decker, C. v.: Die Taktik der drei Waffen: Infanterie, Kavallerie und Artillerie, einzeln und verbunden. Im Geiste der neueren Kriegführung. Vorlesungen, gehalten auf der königl. allgemeinen Kriegsschule zu Berlin, Berlin/Posen/Bromberg 1833, S. 16. 26 Brühl, R./Charisius, A./Dorst, K.: Wörterbuch zur Deutschen Militärgeschichte (Schriften des Militärgeschichtlichen Instituts der Deutschen Demokratischen Republik, Bd. 1: A–Me), Berlin 1985, S. 423.

II. „Das Bataillon verteidigte den Berg und der Berg das Bataillon“

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Der Operationsbegriff muss streng getrennt werden von Termini wie ‚Operationen in der Tiefe‘, ‚Informationsoperationen‘ oder ‚Unterstützungsoperationen‘, weil diese nur eine sprachliche Ähnlichkeit haben, aber unabhängig von der Führungsebene gesehen werden müssen.27 Im Angelsächsischen ist der Begriff Operation lange nicht geläufig gewesen, inzwischen aber auch etabliert.28 Grundlage jeder militärischen Aktion bilden die drei klassischen Faktoren Raum, Zeit und Kräfte. Im Endeffekt geht es darum, die richtigen Kräfte zur richtigen Zeit am richtigen Ort einzusetzen. Wie sieht dies nun im Falle eines Krieges in einer Bergregion aus? Meyers Konversations-Lexikon von 1876 erläutert unter dem Stichwort Gebirgskrieg: „[. . .] derjenige Krieg, welcher in Gebirgsländern geführt wird. Seine Eigenthümlichkeit [sic] liegt darin, dass im Hochgebirge wie in den meisten Mittelgebirgslandschaften Truppenbewegungen auf die vorhandenen Wege beschränkt sind; dass bei Benutzung von Parallelbewegungen die Verbindung zwischen den verschiedenen Abtheilungen [sic] tagelang aufhört oder nur auf Umwegen zu vermitteln ist; dass eine gegenseitige Unterstützung im Gefecht im Gebirge selbst unmöglich wird, und dass endlich große Massen dort weder Unterkunft noch Verpflegung finden. [. . .] Für größere Heere handelt es sich stets um rasches Durchziehen des Gebirges und Vereinigung jenseits zu neuen Operationen [. . .].“29

Diese Definition enthält die für Konflikte vor dem Ersten Weltkrieg gültige Einschätzung, dass die Gebirgsgegenden in den meisten Fällen nur als Durchzugsland anzusehen sind. Die Gebirge, und hier insbesondere die winterlichen Hochgebirge, sollten lediglich Schauplatz untergeordneter militärischer Aktionen sein. Die Kämpfe spielten sich an den Passstraßen und auf den sie unmittelbar begleitenden Höhen ab. An ein längeres Verweilen inmitten des Gebirges wurde nicht gedacht.30 Feldzeugmeister (FZM) Freiherr von Kuhn konstatierte 1870: 27 Vgl. auch: Eder, Philipp: Die Entwicklung moderner operativer Führungskunst. Einflüsse auf das Österreichische Bundesheer, in: Österreichische Militärische Zeitschrift, Nr. 3/2003, S. 283–295. 28 Die Streitkräfte der USA definieren in der aktuellen Joint Publication: „1. A military action or the carrying out of a strategic, operational, tactical, service, training, or administrative military mission. 2. The process of carrying on combat, including movement, supply, attack, defense, and maneuvers needed to gain the objectives of any battle or campaign.“ in: Joint Publication 1–02: DOD Dictionary of Military and Associated Terms. As amended through 31 August 2005, Washington 2005, S. 388. Siehe auch: Korkisch, Friedrich: Von Annihilation zu Shock and Awe – Die Doktrinendiskussion in den USA, in: Österreichische Militärische Zeitschrift, Nr. 5/2003, S. 559–570. 29 Meyers Konversation-Lexikon, Band VII, Leipzig 1876, S. 467. An dieser Definition ändert sich im Wesentlichen auch nichts bei der Lexikonausgabe von 1905. Vgl.: Meyers Großes Konversation-Lexikon, Band VII, Leipzig 1905, S. 414.

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E. Der Sperr-Riegel im Gebirge

„Den Fall abgerechnet, dass Gebirgszonen als strategische Vertheidigungslinien [sic] mit ganzer Kraft angegriffen und forcirt werden müssen, dürften Gebirgsländer nur in seltenen Fällen der Schauplatz des großen Krieges sein. [. . .] Selbst zu Durchzügen und Rokirungen werden Gebirgsländer, wenn sie zonenartig das Kriegstheater in zwei oder mehrere Kriegsschauplätze theilen [sic], von ganzen Armeen oder großen Heereskörpern selten benützt werden, weil dies immer ein sehr gefährliches Manöver ist und entweder einen vom Beginne an verfehlten Operationsplan, oder ein für die Operationen nachtheiliges [sic] Eingreifen der Diplomatie in den Gang des Krieges voraussetzt.“31

Kuhns Abhandlung über den Gebirgskrieg sollte sich langfristig in der Monarchie als Standardwerk etablieren. Er stand mit seiner Meinung nicht allein, sie wurde von einem Großteil der österreichisch-ungarischen Armeeführung bis 1914 vertreten. Diese, damals dominierende, Auffassung wird von Generalmajor Freiherr von Lempruch bestätigt. Er war als Kommandant des Verteidigungsrayons I (Ortler) ein Spezialist des Hochgebirgskrieges: „Noch im Jahre 1914 las ich in einem Verteidigungselaborat unter anderem: Für die Festhaltung des Ortlergebietes genügt die verlässliche Verhinderung feindlicher Einbrüche über das Stilfserjoch selbst. Zu diesem Zwecke reicht eine Postierung am eigentlichen Joche sowie die schwache Besetzung der nächstliegenden, beherrschenden Höhen aus; am Cevedale-Pass genügt eine schwächere Sicherheitsbesatzung. Das gesamte restliche Gelände – Felsen, Gletscher und Abgründe zwischen 3100 und 3900 m Seehöhe – kommt für militärische Operationen irgendwelcher Art überhaupt nicht in Frage.“32

Der Große Krieg brach letztendlich mit dieser Tradition. Das Hochgebirge war durch den allgemeinen Verkehr besser erschlossen und an den Grenzen durch militärische Weganlagen zugänglicher gemacht worden. Alpinismus, Touristik und Wintersport hatten dazu geführt, dass es selbst in den höchsten, schroffsten und unter ewigem Eis liegenden Gebirgsteilen kaum mehr unzugängliche Stellen gab. Dennoch behielt auch im Ersten Weltkrieg das Gebirge „[. . .] seine Wirkung als strategische Barriere.“33 Für Clausewitz stellte das Gebirge einen Fluss dar, also eine Barriere mit gewissen Zugängen.34 Die Wirksamkeit und Stärke wird der Gebirgsverteidigung verliehen durch 30 Die grundlegenden Gedanken finden sich auch in der Zusammenfassung von Baumann, Kriegswesen im Hochgebirge, 1892. 31 Kuhn, Gebirgskrieg, 1870, S. 2 f. 32 Lempruch, König der Alpen, 1925, S. 4. 33 Clausewitz, Carl von: Vom Kriege. Vollständige Ausgabe im Urtext, drei Teile in einem Band. Jubiläumsausgabe, Bonn 1980, S. 716 und S. 721. 34 Clausewitz, Vom Kriege, 1980, S. 721. Der amerikanische Militärhistoriker Higham übernimmt diese Idee, wenn er schreibt: „Mountains force defenders and invaders to think in terms of the ranges and ridges as barriers and the passes through them being as channels at sea, chokepoints through which both must

II. „Das Bataillon verteidigte den Berg und der Berg das Bataillon“

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„[. . .] die unendliche Schwierigkeit, die ein Marsch mit großen Kolonnen auf Gebirgswegen hat, die außerordentliche Stärke, die ein kleiner Posten durch eine steile Bergfläche bekommt, die seine Fronte deckt, und durch Schluchten rechts und links, an die er sich stützen kann, [. . .].“35

Sehr treffend skizziert Clausewitz die Situation mit den Worten: „Das Bataillon verteidigte den Berg und der Berg das Bataillon“.36 Clausewitz bringt, wie viele seiner Vorläufer und Zeitgenossen, ein besonderes Interesse für Operationen im Gebirge auf.37 Dies hat mehrere Gründe. Einige Historiker vertreten die Meinung, dass das Buch ‚Principes de la guerre de montagnes‘ von Pierre Joseph de Bourcet, Stabschef des Marschalls de Mallebois, der 1745/46 die Operationen in den Alpen führte, zur militärischen Bildung Napoleons beigetragen hatte.38 Clausewitz, der am Ersten Koalitionskrieg 1793/94 teilgenommen hatte, beschäftigte sich intensiv mit Napoleons Kriegsstrategie und widmete an seinem Lebensende dem zweiten antifranzösischen Koalitionskrieg von 1799 eine lange Studie. Mit dem Alpenübergang der russischen Landstreitkräfte unter General Alexander W. Suworow während dieses Feldzuges geriet das Gebirgsterrain in die Diskussion und wurde Gegenstand vielfacher Kommentare in den militärischen Schulen und Zeitschriften.39 Darüber hinaus bildete in Clausewitz’ Denken der Raum einen der Faktoren der strategischen Gleichung: „[. . .] die Natur des Terrains, besonders die Eigenschaften des Terrains, Berge, Flüsse, Sümpfe, Wälder, beeinflussen nicht nur die Taktik, die Kampfesweise, sondern die Strategie, die konzentrierte oder verteilte Anordnung der Truppen vor oder hinter den natürlichen Kulissen.“40 Auch wenn laut Marwedel die move.“ Higham, Robin: Mountains and military frontiersmanship, in: Roulet/Engelberts, La guerre, I, 1993, S. 215–226, hier: S. 218. 35 Clausewitz, Vom Kriege, 1980, S. 707. 36 Ibid., S. 710. 37 Dies bestätigen nicht nur die entsprechenden Kapitel in seinem Hauptwerk ‚Vom Kriege‘, sondern auch seine frühe Schrift ‚Strategie von 1804‘, die er als junger Offizier während seiner Zeit als Adjutant des Prinzen August von Preußen verfasste. Siehe: Clausewitz, Carl von: Strategie aus dem Jahr 1804 mit Zusätzen von 1808 und 1809, herausgegeben von E. Kessel, Hamburg 1937. 38 Vgl.: Aron, Raymond: Clausewitz. Den Krieg denken, Frankfurt a. M./Berlin/ Wien 1980, S. 85. Bourcet, Pierre Joseph de: Principes de la guerre de montagnes, o. O. 1775 (gedruckt 1888), hierzu auch: Liddell Hart, Basil: The Ghost of Napoleon, London 1933, S. 36. 39 Suworow wollte mit 32.000 Mann und 25 Kanonen den besetzten Sankt Gotthard Pass befreien und in die Schweiz eindringen. Die Alliierten, denen Suworow Hilfe bringen wollte, waren allerdings schon aus der Schweiz vertrieben und so zog er sich ins Vorderrheintal zurück. Der überaus mühseligen, alpinen Unternehmung fielen in 21 Tagen rund 10.000 Mann zum Opfer. Siehe: Staehelin, Andreas: Helvetik, in: Handbuch der Schweizer Geschichte (Bd. 2), Zürich 1977, S. 785–839, hier: S. 806 f. 40 Aron, Clausewitz, 1980, S. 86.

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E. Der Sperr-Riegel im Gebirge

Clausewitz’sche „[. . .] Bewertung der Rolle von Gebirgen in der Kriegführung [..] als durch die Entwicklung der Technik überholt [. . .]“ gilt, so zeigen seine Erkenntnisse die Problemfelder auf und entbehren nicht einer gewissen Zeitlosigkeit.41 Bei der Betrachtung der Strategien im Gebirgskrieg kommt von jeher den Tälern eine besondere Bedeutung zu.42 Y Rubio benennt drei Arten von Tälern, die unterschieden werden sollten. Zunächst spricht er von Tälern im eigentlichen Sinn des Wortes, also jene die von einem Fluss ausgewaschen wurden und ihm als Strombett dienen. Sie sind zumeist offener und breiter und erlauben den Bau von Straßen entlang des Gewässers. Schlechter begehbar sind die Täler, durch die schnelle Gebirgsbäche fließen, sie sind meist eng und voller Schwierigkeiten. Die Täler der dritten Kategorie beherbergen keine großen Gewässer, sondern ziehen sich meist langgestreckt zwischen zwei Bergen hindurch, teilweise als Waldschluchten.43 Der österreichische Erzherzog Carl fasste, unter dem Eindruck des Zweiten Koalitionskrieges 1799, die damals gängige Meinung zusammen: „Jedes hohe Gebirge wird von tiefen Thälern [sic] durchschnitten, die erst bei den Hauptrücken zusammenkommen und bis dahin selten eine andere Verbindung unter sich haben, als auf Fußwegen über steile Seitenwände. Durch diese Thäler ziehen die Operations- und Communikationslinien, welche sich fast immer nach der nämlichen Richtung wie die Thäler vereinigen.“44

Daraus zog er den Schluss: „Man müsse die Thäler halten und schützen, um Meister der Gebirge zu sein, und man muss die Gebirge besetzen, weil sie die Thäler beherrschen.“45 General Jomini, einer der strategischen Vor41 Marwedel, Ulrich: Carl von Clausewitz. Persönlichkeit und Wirkungsgeschichte seines Werkes bis 1918 (Militärgeschichtliche Studien Bd. 25), Boppard 1978, S. 175. 42 Zu den frühen Konzeptionen des Gebirgskrieges, vor allem aus schweizer Perspektive, siehe die folgenden Aufsätze in dem Kongresspapier La guerre et la montagne: Bertinaria, Pierluigi: La guerra in montagna: filosofia, principi, tecniche, in: Roulet/Engelberts, La guerre, I, 1993, S. 19–40 und der Aufsatz über den, die Politik und das Militär des mittleren 19. Jahrhunderts so prägenden, General GuillaumeHenri Dufour: Beck von Büren, Roland: Gebirgskriegsführung bei General Dufour, in: Roulet/Engelberts, La guerre, I, 1993, S. 193–204. 43 Vgl.: Rubio, Gebirgskrieg, 1858, S. 5. Zu Tälern und Talknoten im Hochgebirge auch: Rechberger von Rechkron, Josef: Die Erdoberfläche in ihrem Einflusse auf den Krieg. Terrainlehre und Terrainwürdigung für Officiere aller Waffen der Mitteleuropäischen Heere, Wien 1872, S. 67–69. 44 Zachar, Erzherzog Carl, 1993, S. 173. Die entscheidenden Schriften Erzherzog Carls zum Gebirgskrieg sind: Grundsätze der höheren Kriegskunst für die Generäle der österreichischen Armee, Wien 1806; Geschichte des Feldzuges von 1799 in Deutschland und in der Schweiz, Wien 1819 und Grundsätze des Gebirgskrieges nebst ihrer Anwendung auf Tirol und Vorarlberg, Wien 1826. 45 Zachar, Erzherzog Carl, 1993, S. 173.

II. „Das Bataillon verteidigte den Berg und der Berg das Bataillon“

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denker der modernen Kriegsführung, äußerte Bezug nehmend auf Erzherzog Carl: „Lange Zeit hat man in Zweifel gezogen, ob der Besitz der Berge den der Thäler [sic], oder der Besitz der Thäler den der Berge bedingte. [. . .] Die wichtigen strategischen Punkte, durch die Natur an den Gabelungen der Hauptthäler bezeichnet, oder, wenn man will, am Zusammenfluss der Gewässer, welche durch die Thäler strömen, sind so klar gegeben, dass man blind sein müsste, um sie nicht zu erkennen.“46

Bei der Verteidigung der Täler legte der preußische Militärtheoretiker Otto von Giese besonderen Wert auf die Ausnutzung von Talbiegungen: „Die Thalsohlen [sic] sind, weil eingesehen, nie direct [sic] zu vertheidigen [sic], sondern nur zu sperren und zu beobachten, die eigentliche Vertheidigung geht von einem oder beiden Thalrändern aus, in letzterem Falle wird die Verbindung und Unterstützung über das vom Angriffsfeld eingesehene Thal hinweg schwierig sein, wenn dies nicht durch seine Krümmung dem Auge des Feindes entzogen ist. Solche Thalbiegungen sind für die Vertheidigung besonders günstig und möglichst aufzusuchen.“47

Hatte es früher genügt, zum Grenzschutz die wichtigsten Passstraßen durch Sperrbefestigungen in nächster Umgebung der Straßen zu blockieren, so konnte mit der zunehmenden Erschließung der Berge auch das zwischen den Pässen liegende Hochgebirge keinen ausreichenden Schutz mehr bieten. Je leichter solche Sperren seitwärts umgehbar waren und von dort unter Feuer genommen werden konnten, desto mehr musste sich der Krieg auch nach der Seite, in die früher für unbetretbar erachteten Gebirgsteile, ausdehnen und schließlich das ganze Gebirge in seinen Bereich ziehen. Leichter begehbar heißt hier nicht, dass Änderungen der Infrastruktur, Topographie oder Technik dies erlaubt hätten, sondern weil – wie gezeigt wurde – in der post napoleonischen Ära zunehmend kleinere und flexiblere Abteilungen und Detachements die Hauptträger der Kämpfe waren. Den Umgehungen kommt im Gebirge zentrale Bedeutung zu. Vom rein taktischen Gesichtspunkt werden Verteidigungsstellungen immer enge Gebirgsschluchten sein, die von starken Truppenverbänden im Tal besetzt sind und von Schützen auf den Höhen gedeckt werden. Diese Stellungen können entweder von der Front her durch Gruppen von Schützen umgangen werden, die an den Hängen des Tales hinaufsteigen und den Scharfschützen der Verteidiger ausweichen oder durch Abteilungen, die auf dem Gebirgskamm, wo das möglich ist, beziehungsweise durch ein parallel laufendes Tal marschieren, wobei diese Truppen irgendeinen Pass ausnutzen, um in die Flanke oder in den 46 Jomini, Antoine-Henri: Abriß der Kriegskunst (Militärische Klassiker des Inund Auslandes), Berlin 1881, S. 182 f. 47 Giese, Gebirgskrieg, 1883, S. 43. Von Giese hat in seinem Buch auch die bis dahin gängige Literatur zum Gebirgskrieg kommentiert. Vgl. hierzu: ebd., S. 3 (Erzherzog Carl), S. 6 (Clausewitz), S. 8 f. (von Kuhn), S. 9 f. (Jomini).

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E. Der Sperr-Riegel im Gebirge

Rücken der Defensivstellung zu fallen. Dies würde man als taktische Umgehung bezeichnen, geboren aus der Notwendigkeit, einen wenig erfolgversprechenden Angriff gegen einen überlegenen Gegner durch Truppenverschiebungen zu kompensieren und so günstigere Bedingungen zu erzielen. Natürlich gibt es unter dem gleichen Beweggrund eine Umgehung auf strategischer Ebene, die dann in einem größeren Maßstab stattfindet und Truppenmassen verschiebt, die eventuell sogar feldzugentscheidend sind. Jomini hat die Dimension einer solchen strategischen Umgehung in Bezug auf die ‚Bergfestungen‘ Schweiz und Tirol formuliert: „Lorsqu’un pays entièrement montagneux, comme le Tyrol et la Suisse, ne forme qu’une zone du théâtre d’opérations, alors l’importance de ses montagnes n’est que relative, et on pourra plus ou moins se borner à les masquer comme une forteresse, pour aller décider les grandes questions dans les vallées. Il en est autrement si ce pays forme l’échiquier principal.“48 Der österreichische Oberst Wittich bringt es in einem Aufsatz auf den Punkt: „Stets ist jedoch der Sinn der Umgehung, an Blut zu sparen, um dafür Schweiß zu opfern.“49 Und eine Umgehung kostet immer mehr Schweiß, als der direkte Weg. Speziell im Gebirge sind Umgehungsoperationen natürlich noch schwerer Durchzuführen als in der Ebene, erstens wegen der spärlichen Vorrückungslinien und zweitens, weil ein Vormarsch durchs Gelände länger dauert und mehr Energie kostet. Freiherr von Kuhn benennt das Zusammenspiel Kosten – Nutzen: „Umgehungsmanöver sind im Gebirge im allgemeinen schwer und selten ausführbar. [. . .] Die Entscheidung wird hingegen in jenen Fällen, wo eine solche Umgehung gelingt, umso großartiger sein und meist zu einer Katastrophe für den Verteidiger führen.“50 Im Ersten Weltkrieg kam es auch zu Umgehungsoperationen, die aufgrund von geänderten Voraussetzungen nicht mehr so umfangreich ausfielen. Strategische Umgehungen waren nicht mehr möglich, weil die Fronten im Stellungskrieg erstarrt waren und sich keine Durchbruchsmöglichkeiten, wie früher an schwachen Flügelanbindungen, boten. Nur im taktischen Bereich waren sie noch möglich, wenngleich ein Überraschungseffekt oft durch erfolgreiche feindliche Luftaufklärung herabgemildert wurde. 48 Jomini, Précis, 1838, S. 372 f. Da die deutsche Übersetzung hier nicht ideal erscheint, wurde die Passage im Original zitiert. Deutsche Version: „Wenn ein durchweg gebirgiges Land wie Tirol oder die Schweiz nur eine Zone des Operationsschauplatzes bildet, so ist die Bedeutung seiner Berge nur bedingt, und man kann mehr oder weniger sich begnügen, es zu maskiren [sic] wie eine Festung, um die großen Entscheidungen in den Thälern [sic] zu suchen. Etwas anderes ist es aber, wenn dieses Land das allgemeine Schachbrett bildet.“ Jomini, Kriegskunst, 1881, S. 181 f. 49 Wittich, Alfred von Wandlungen im Gebirgskrieg, in: Militärwissenschaftliche Mitteilungen (Sonderabdruck aus Heft 10 und 11), Wien 1937, S. 9. 50 Kuhn, Gebirgskrieg, 1870, S. 104.

III. Angriff und Verteidigung im Gebirgsraum

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III. Angriff und Verteidigung im Gebirgsraum Im Zuge der fortschreitenden technischen Verbesserung der Bewaffnung begann eine Verlagerung in der militärtheoretischen Forschung, weg vom Schwerpunkt der Verteidigung hin zu Angriffsoperationen im Gebirge. Napoleon hatte noch propagiert: „Wer im Gebirgskrieg angreift, ist im Nachteil.“51 In Deutschland waren die Vorreiter dieser Entwicklung General von Blume und Oberst von Freytag-Loringhoven, deren Schriften 1912 erschienen.52 Für Blume mangelte es dem Gebirge an Raum zur Entfaltung und Entwicklung stärkerer Kräfte.53 Diese Idee war im 19. Jahrhundert gängig, zu Blumes Zeit jedoch überholt. Seiner Ansicht nach lag der Erfolg auf Seiten des Angreifers, eine nachhaltige Verteidigung schien ihm hingegen kaum möglich. Verglichen mit Operationen im freien Feld würden Angriffsunternehmungen im Hochgebirge auf jeden Fall mehr Zeit in Anspruch nehmen.54 Die besten Erfolgsaussichten habe die Verteidigung, wenn sie 51

Zitiert in: Wittich, Wandlungen, 1937, S. 8. Der preußische General Hugo Freiherr von Freytag-Loringhoven (1855–1924) war ab 1911 Oberquartiermeister, 1913 Generalleutnant und Kommandeur der 22. Division. Im Weltkrieg zunächst im österreichischen Hauptquartier, ab 27.1.1915 General Quartiermeister, 1916/18 Chef des stellvertretenden Generalstabes. FreytagLoringhoven gehörte zu den bedeutendsten Schriftstellern des deutschen Heeres. Zur Person Freytag-Loringhovens folgender Überblicksartikel: Echevarria, Antulio J.: General Staff Historian Hugo Freiherr von Freytag-Loringhoven and the Dialectics of German Military Thought, in: The Journal of Military History, Vol. 60, Nr. 3. (Juli 1996), S. 471–494. Die wichtigste Veröffentlichung: Freytag-Loringhoven, Hugo von: Gebirgskämpfe (Die Führung in den neuesten Kriegen. Operatives und Taktisches, Heft 2), Berlin 1912. Hinsichtlich der Gebirgskriegstheorie ist auch Freytag-Loringhovens Auswertung des Russisch-Japanischen Krieges von Interesse, vgl.: Freytag-Loringhoven, Hugo von: Betrachtungen über den russisch-japanischen Krieg (Die Führung in den neuesten Kriegen. Operatives und Taktisches, Heft 3 und 4), Berlin 1913. Speziell über die Rezeption des Russisch-Japanischen Krieges in Österreich: Broucek, Peter: Taktische Erkenntnisse aus dem Russisch- Japanischen Krieg und deren Beachtung in Österreich-Ungarn, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 30, 1977, S. 191–220. Dazu auch: Wenger, Rupert: Lessons not learned . . . Der Russisch-Japanische Krieg als Beispiel eines zu wenig analysierten Konfliktes, in: Österreichische Militärische Zeitschrift Nr. 6/2004, S. 703–714. 53 Vgl.: Blume, Wilhelm von: Strategie. Ihre Aufgaben und Mittel. Zugleich dritte, erweiterte und umgearbeitete Auflage der ‚Strategie – Eine Studie‘, Berlin 1912. 54 „Zur Kriegführung im Gebirge kann auf beiden Seiten nur eine beschränkte Zahl von Truppen mit Nutzen verwendet werden. [. . .] Das Gebirge begünstigt in besonders hohem Grade die Initiative. Der zielbewusste und tatkräftige Angriff ist der passiven Verteidigung, trotz der Stärke der einzelnen Defensivstellungen, überlegen. [. . .] Immerhin aber wird die Durchführung des Angriffs im Gebirge mehr Zeit erfordern, als bei gleichem Stärkeverhältnis in der Ebene, und sehr schwer wird die Aufgabe des Angreifers angesichts einer aktiv geführten Gebirgsverteidi52

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E. Der Sperr-Riegel im Gebirge

hinter dem Gebirge im flacheren Land zum Tragen komme und den Angreifer dort stelle. Der Verteidiger könne dann alle Vorteile für sich nutzen, wie Straßennetz, Verbindungen, Versorgung et cetera, während der aus dem Gebirge vorstoßende Gegner gerade hinsichtlich der Versorgung seiner Truppen großen Schwierigkeiten ausgesetzt sei.55 Ein Gedanke, der sich besonders bei der Verteidigung Südbayerns bemerkbar machen würde. Aufgrund des schmalen Alpenanteils und der dadurch nur geringen Verteidigungsmöglichkeiten im Gebirge war vorgesehen, den Gegner auf die schwäbisch-bayerische Hochebene vordringen zu lassen und ihn dort zu schlagen.56 Die italienischen Kriegsplaner rechneten 1910 mit einem ähnlichen Vorgehen: „Der Einbruch durch eine gebirgige Zone teilt sich zumeist in drei aufeinanderfolgende, charakteristische Stadien: die Besetzung der Grenzpässe, die Durchquerung der Gebirgszone und die Operationen an ihren Ausläufern in die Ebene.“57 Diese Dispositionen zeigen, dass den Kampfhandlungen im Gebirge nur eine untergeordnete Rolle zugemessen wurde. Ganz ausgeprägt war diese Haltung im Deutschen Reich, da hier, im Gegensatz zu Frankreich, Italien oder Österreich-Ungarn, ein Gebirgskrieg im Rahmen eines deutschen Zweifrontenkrieges sehr unwahrscheinlich schien. Noch kurz vor dem Ersten Weltkrieg begann sich ein heftigst geführter Theoriestreit zu entspannen, der sich um die für den Gebirgskrieg essentielle Frage drehte, ob der Höhenangriff oder der Talstoß erfolgreicher sei. Der Ausgangspunkt war die damals vorherrschende Meinung unter Militärtheoretikern, dass der Besitz der Höhen und Berggipfel entscheidend sei. Kasimir von Lütgendorf äußerte sich bereits 1909 über die Bedeutung der Höhenstellungen: „So wichtig ist das Festhalten der Höhe, dass es als Grundsatz im Gebirgskrieg gilt, die einmal errungene Höhe nicht mehr zu verlassen, bis die Krisis des Angriffs vorüber ist.“58 Diese populäre Meigung, welche die Vorteile des örtlichen Widerstandes mit denen der Überraschung des Gegners und der Gefährdung seines Rückzuges zu vereinigen weiß.“ Blume, Strategie, 1912, S. 390. 55 Blume, Strategie, 1912, S. 392. Kritik an dieser Vorgehensweise bereits bei Giese, Gebirgskrieg, 1883, S. 54 f. 56 Vgl.: Heyl, Alpenkorps, in: Aichner, Deutsche Gebirgstruppen, 1983, S. 13–28, hier: S. 13 und Fußnote 6. 57 Aus den italienischen ‚Norme generali per l’impiego delle grandi unita di guerra‘ (Allgemeine Grundsätze für die Verwendung höherer Einheiten im Kriege) von 1910. Abgedruckt in: Die italienische Armee, 1915, S. 115. 58 Lütgendorf, Kasimir von: Der Gebirgskrieg. Krieg im Hochgebirge und im Karst, Wien 1909, S. 49 f. Siehe auch: ders.: Die Kämpfe in Südtirol und im angrenzenden Gebiete von Venetien und der Lombardei von 1701 bis 1866, Wien 1911, S. 197–200. Feldmarschalleutnant von Lütgendorf war 1916 Kommandeur des XXI. Korps.

III. Angriff und Verteidigung im Gebirgsraum

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nung vertrat auch von Freytag-Loringhoven: „Da der Besitz der Höhen entscheidet, liegt einerseits der Schwerpunkt des Handelns im Gebirge auf diesen, anderseits [sic] ist es meist nicht möglich, dem Gefecht durch Entfaltung bedeutender Kräfte den erwünschten Nachdruck zu geben.“59 Vehementer Kritiker dieser These war Alfred Krauß, Vorkriegskommandant der K. u. k. Kriegsschule und später erfolgreicher Heerführer im Weltkrieg. In seiner ‚Theorie und Praxis in der Kriegskunst‘ führte er ein Plädoyer für den Talangriff: „In jedem Gebirgsland sind die Täler die entscheidenden Räume, und da sie auch die günstigsten Räume für jede Kampfhandlung sind, ist die Entscheidung in den Tälern zu suchen.“60 Noch entschiedener äußerte er sich in seinem Buch über ‚Die Ursachen unserer Niederlage‘: „Man turnte immer auf den höchsten Teilen der Gebirge herum, alles strebte nach dem Gipfel, so dass sich schließlich der Kampf in einer Reihe von Einzelgefechten auf dem Rücken auflöste. Bewegung ist das Element des Angriffes. Angreifen kann man nur dort, wo man sich vorwärts bewegen kann, je besser, je rascher, je überraschender man vorstoßen kann, desto besser ist der Raum für den Angriff geeignet. Je beschränkter der Bewegungsraum, je schwieriger das Fortkommen, desto ungünstiger liegen die Verhältnisse für den Angriff, am ungünstigsten auf den Kämmen und Rücken der Gebirge, wo die Bewegung, auf schmalen Raum beschränkt und durch das Gelände erschwert, durch eine kleine entschlossene feindliche Abteilung lange Zeit aufgehalten werden kann. Da wirksame Artillerie nur schwer in Stellung gebracht werden kann, lange Zeit dazu braucht, der Anmarsch Kraft und Zeit verschlingt, hat der Verteidiger Zeit, den Angriff früh zu erkunden, ihm entsprechend zu begegnen. Die besten Angriffsbedingungen liegen dagegen in den Gebirgstälern vor, je breiter sie sind, desto mehr. Ich war schon lange vor dem Kriege der Überzeugung, dass man im Gebirge in den Tälern angreifen, auf den Höhen nur beschäftigen, den Feind binden müsse.“61

Er hatte allerdings Lütgendorfs Aussage aus dem Zusammenhang gerissen und versäumte es, sie korrekt auf die Verteidigung anzuwenden, speziell auf die Verwendung der taktischen Reserve. Bezüglich des Angriffs vertrat Lütgendorf einen anderen Standpunkt: „Ob die Hauptkolonne im Tale vorrücken und durchstoßen soll oder ob sie auf einem der begleitenden Höhenrücken vorzugehen habe, darüber entscheiden die jeweiligen Verhältnisse, insbesondere die Breite des betreffenden Tales, die Beschaffenheit der begleitenden Höhen hinsichtlich der Waffenwirkung von denselben usw. Bei einem 2000 bis 3000 Schritte breiten Tale, dessen Begleithöhen nur einzelnen Fußgängern das Fortkommen erlauben, wird die Entscheidung im Tale gesucht werden; bei schmalen und von gangbaren und wegsamen Höhen begleite59

Freytag-Loringhoven, Gebirgskämpfe, 1912, S. 108. Vgl. das erst nach dem Krieg erschienene Buch: Krauß, Alfred: Theorie und Praxis in der Kriegskunst, München 1936, S. 18. 61 Krauß, Alfred: Die Ursachen unserer Niederlage, München 1920, S. 101. Siehe auch die weiteren Äußerungen speziell zum (Tal-)Durchbruch von Flitsch auf den Seiten: 217, 221, 229, 230, 237. 60

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E. Der Sperr-Riegel im Gebirge

tem Tale wird die Entscheidung zumeist auf einer starken, auf einem Begleitrücken vorgehenden Kolonne gewärtig werden dürfen.“62

Mit den Erfahrungen des Weltkrieges schien die Debatte endgültig zu Gunsten eines ‚Höhen- und Talangriffs‘ entschieden.63 Einer der bekanntesten Vertreter dieser Lösung war der Führer des Deutschen Truppenkontingentes an der Südwestfront, Krafft von Dellmensingen. Seine Auswertung der Ereignisse während der zwölften Isonzoschlacht 1917 führte ihn zu dem Ergebnis, den Höhenangriff mit einem Talstoß zu kombinieren.64 Aus operativen Gründen sollten die in der Stoßrichtung liegenden Durchgangstäler natürlich so schnell wie möglich gewonnen werden; ein Gewinn mittels Angriff allein aus dem Tal schien ihm aber ziemlich aussichtslos zu sein. Er machte hierfür die gesteigerte Waffenwirkung und die zunehmende Befähigung der Truppe, sich im Gebirge bewegen zu können, verantwortlich. „Heute lassen sich von den umliegenden Höhen die Täler (bei gleichzeitigem frontalen, durch Befestigung verstärkten Widerstand in der Talsohle) zumeist so wirksam bestreichen, dass das Durchkommen längs der Talstraße höchst schwierig, verlustreich oder überhaupt unmöglich wird. Auch der stärkste Massendruck im Tal vermag dann nicht mehr, die Angriffstruppe durch ein solches „Mauseloch“ durchzupressen.“65

Ein Steckenbleiben hätte für den Angreifer dann katastrophale Folgen. Der napoleonischen Devise „Wo eine Ziege passieren kann, kann auch ein Mann passieren; wo ein Mann passieren kann, kann es auch ein Bataillon; wo ein Bataillon passieren kann, kann es auch eine Armee“ zu folgen, würde in diesem Fall zu einem Desaster führen.66 Unter den Kritikern des Krauß’schen Talgedankens fand sich auch Edmund Glaise von Horstenau, Leiter des Kriegsarchivs in Wien von 1925 bis 1945. Er vermerkte in seinen Erinnerungen: „Übrigens haben in den Jahren nach 1918 die Kritiker um Pohl herausbekommen, dass beim Auslaufen der Herbstoffensive 1917 Krauß durch seine – wie bei ihm üblich –, bis zur Verbohrtheit getriebene Talstoßtaktik den Italienern in zwölfter Stunde die Möglichkeit geboten habe, sich zwischen Brenta und Piave an den Randbergen festzuklammern, und zwar bis Kriegsende.“67 62

Lütgendorf, Gebirgskrieg, 1909, S. 78. Vgl. zu diesem Problemfeld auch: Peball, Kurt: Höhenangriff oder Talstoß? Von Lütgendorf über Conrad zu Krauss. Betrachtungen über die österreichisch-ungarische Gebirgskriegstheorie, in: Truppendienst Nr. 5/1978, S. 429–432. 64 Krafft, Durchbruch II, 1926, S. 266–268. 65 Krafft, Durchbruch, II, 1926, S. 267. 66 Zitiert in: Engels, Friedrich: Kriegführung im Gebirge einst und jetzt. Artikel in der New York Daily Tribune vom 27.1.1857, in: Marx, Karl/Engels, Friedrich: Werke Bd. 12, Berlin 1974, S. 108–116, hier: S. 113. 67 Broucek, General im Zwielicht, Bd. 1: K. u. k. Generalstabsoffizier und Historiker, 1980, S. 436. 63

III. Angriff und Verteidigung im Gebirgsraum

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Eines der Standardwerke der Taktikentwicklung in den frühen 20er Jahren nannte weiterhin den Besitz der Höhen als entscheidendes Merkmal: „Im Kampf gibt der Besitz der Höhen Freiheit des Handelns und den Besitz des Tales, es bleiben daher diesseitige Talränder so lange besetzt, bis die Truppe den jenseitigen Rand sicher in der Hand hat.“68 Der Grundsatz, dass die Höhen entscheidend sind, wurde auch von der italienischen Armeeführung vertreten. Aus der Anlage ihrer Operationen im Hochgebirge und besonders in der Verteidigung lässt sich die fast dogmatische Anwendung des ‚Höhenprinzips‘ ableiten. Kaum ein wichtiger Höhenpunkt wurde von ihnen ausgelassen, was aber keineswegs immer zum Erfolg führte. Ein Beispiel ist die italienische Niederlage in der Ortigaraschlacht 1917, als ein unglaublich verlustreicher und vergeblicher Angriff auf engstem Raum südlich des Suganatals über die Ortigara (2.008 Meter) mit dem Ziel eines Durchbruchs auf Trient geführt wurde.69 General Krauß ließ sich durch die Erfahrungen des Weltkrieges in seiner Meinung kaum beirren. In der schriftlichen Auseinandersetzung mit Kraffts ‚Durchbruch am Isonzo‘ kommt er zu dem Schluss: „Kein vernünftiger Mensch kann daran denken, nur im Tale anzugreifen; nur Höhenfanatiker bringen eine solche Einseitigkeit zusammen: Sie greifen nur auf den Höhen an. Selbstverständlich muss im Tal und auf den Bergen angegriffen werden, es fragt sich nur, wo liegt die Entscheidung, wohin soll man also das Schwergewicht des Angriffes richten? Die klare vernunftgemäße Antwort auf diese Frage ist: Die Entscheidung liegt im Tal, wo Besiedlung, Straßen und Eisenbahn das Leben und damit das Kämpfen leichter machen; auch der Kampf auf den Bergen kann nur das Ziel haben, den Feind aus dem entscheidenden Tal zu vertreiben, indem man den Talverteidiger nach dem Zurückdrängen der Höhenbesatzung in Flanke und Rücken fasst.“70 General der Infanterie Alfred Krauß hatte als Kommandant des I. Korps (seit 2.3.1917) entscheidenden Anteil am Durchbruch bei Karfreit im Oktober/November 1917. Oberst Robert Pohl war der Initiator einer Gegenschrift zu Krauß’ Buch: Krauß, Alfred: Das „Wunder von Karfreit“, im besonderen der Durchbruch bei Flitsch und die Bezwingung des Tagliamento, München 1926. Die Streitschrift erschien unter dem Titel: Pohl, Robert (Hg.): Bei Flitsch und am Grappa. Die Möglichkeit größerer Erfolge da und dort. Notwendige Klarstellungen der beteiligten Divisionäre [FML Heinrich Wieden, Edler von Alpenbach, GM Rudolf Müller, GM Felix Prinz zu Schwarzenberg] und des Generalstabschefs der Heeresgruppe FM. v. Conrad [und FML Richard Müller, Anm. d. Autors], Wien 1927. 68 Balck, Entwickelung, 1922, S. 168. 69 Vgl. zum Mt. Ortigara auch: Mark, Hermann Francis: Die Wiedereroberung des Monte Ortigara. Ein Ruhmesblatt des Bozner Hausregiments der Kaiserschützen Nr. 2, in: Der Schlern, Heft 4;5/1980, S. 183–202. Einleitend dazu: Regele, Ludwig Walter: Monte Ortigara. Vorbemerkungen zu einem Augenzeugenbericht, in: Der Schlern, Heft 4;5/1980, S. 177–182. 70 Krauß, Theorie und Praxis, 1936, S. 275 f.

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E. Der Sperr-Riegel im Gebirge

IV. Probleme des Gebirgskrieges Berücksichtigt man das Klima in den Bergen, so finden sich zwei Determinanten im Wechselspiel von Gebirgsumwelt und militärischen Operationen: 1. Der militärische Betrieb und die Kampfhandlungen verlangen von den Soldaten, sich gleichzeitig mit einer großen Zahl sehr differenzierter Tätigkeiten auseinander zu setzen. 2. Dem Soldaten – gesehen als einzelnes Individuum – werden durch die Vorgesetzten, aber auch durch die Beschaffenheit des Terrains keine Auswahlmöglichkeiten eingeräumt hinsichtlich seines Einsatzes und seiner Beteiligung an den befohlenen Aufgaben und Tätigkeiten. Der Soldat hat den Befehlen Folge zu leisten. Beide Leitsätze sind eine Konsequenz aus der Tatsache, dass aller Zweck militärischen Engagements darin zu sehen ist, den Gegner erfolgreich zu bekämpfen und letztendlich den Sieg davon zu tragen. Beide Aspekte multiplizieren aber nachteilige Konsequenzen beim betroffenen Personal. Das Spektrum der angesprochenen Tätigkeiten, die in dem militärischen Apparat eine Rolle spielen, ist sehr ausgedehnt. Es reicht vom direkten Kampfeinsatz – teilweise Mann gegen Mann – bis zum Betrieb komplexer Kommunikationsanlagen, von der Ersten-Hilfe Leistung für Kameraden bis zum lebensrettenden chirurgischen Eingriff durch Ärzte, vom Aufwärmen einer ‚Eisernen Ration‘ bis zur Bereitstellung von heißen Mahlzeiten für Hunderte Soldaten. Die Kampfsituation zwingt den Soldaten, viele unterschiedliche Aufgaben innerhalb einer verhältnismäßig kurzen Zeit durchzuführen. Die Leistungsfähigkeit, die er an den Tag legt und mit der er die Aufgaben löst, beeinflusst immer auch die Mission und hat damit Konsequenzen für Leben und Tod nicht nur des einzelnen Soldaten sondern auch des Rests der Truppe. Das Gebirgsumfeld hat hier gravierende Auswirkungen auf die ‚Performance‘ der Soldaten. Ein anderes Charakteristikum bei der Interaktion Soldat – Klimaabhängigkeit ist, dass die Zeit und der Ort einer Handlung fast immer von taktischen Beweggründen abhängig sind und nicht vom Vorhandensein einer – für den Menschen – gutartigen oder sogar vorteilhaften Umgebung. Soldaten in den vordersten Stellungen sind permanent und existentiell den Gefahren des Gebirges ausgesetzt. Ab dem Zeitpunkt an dem sie den Anmarsch ausgeführt haben und sich in ihren neuen Stellungen einrichten, finden alle ihre Tätigkeiten wie Essen, Schlafen, Training und Kampf in einer sie permanent bedrohenden Umgebung statt. Anders als etwa der Erholung suchende Wanderer oder der sportlich engagierte Bergsteiger oder Skiläu-

IV. Probleme des Gebirgskrieges

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fer, der immer die Wahl hat, auf besseres Wetter zu warten oder einen anderen Weg zu nehmen, kann ein Soldat selten wählen. Das Resultat ist also eine gesteigerte Konfrontation der Soldaten mit den negativen Elementen des Gebirgsklimas, denen sie nicht ausweichen können. Das Gebirgsklima bringt dramatische medizinische Probleme mit sich, von der Frostbeule über Hyperthermie und Hypoxie bis zur Dehydrierung. Erfrierungen sind davon am häufigsten aber Höhenkrankheit und Unterernährung haben speziell während des Krieges erhebliche Verluste verursacht.71 Entfernt man sich von der Physis und Psyche des einzelnen Soldaten, so treten zunehmend topographische und logistische Probleme in den Vordergrund. Schon Otto von Giese benannte in seinem Werk die Probleme des Krieges in Bergregionen: „Im Hochgebirge wird der Angriff denselben Grundsätzen folgen wie im Mittelgebirge, nur erschwert sein durch die Steilheit und Höhe der Thalränder [sic], die oft vorherrschende Nacktheit der Fels-Formationen in den höheren Regionen, durch den Mangel an Bevölkerung, Anbau und Communikationen, durch die größere Breite der Gebirge, die längere Zeitdauer des Passirens [sic], die weiteren und dadurch immer mehr gefährdeten rückwärtigen Verbindungen, durch die schwierige Verpflegung, welche, wie die Munition, durch eine große Zahl von Tragthieren [sic] nachgeschleppt werden muss, durch den Mangel an Wasser, das rauere Klima etc.“72

Der Zweck aller Kriegshandlungen ist das Erreichen bestimmter strategischer oder taktischer Ziele. Jedes Gebirge erschwert diese Zielerreichung und bedingt durch seine Eigenart eine spezielle Vorsorge der Kriegführung. Dies gilt besonders bei der Organisation der Truppenverbände und den materiellen Vorbereitungen. Die Gebirge zeichnen sich durch folgende Gegensätze zum Flach- und Hügelland aus, welche im Hochgebirge besonders verschärft zutage treten:73 Ressourcenlosigkeit, Wegearmut, schwere Gangbarkeit und plötzlich auftretende Elementarereignisse. Die Ressourcen beziehen sich in diesem Fall vor allem auf die Verpflegungsquellen für Mann 71 Vgl.: Pandolf, Kent B./Burr, Robert E.: Medical Aspects of Harsh Environments (Bd. 2), Falls Church/Washington 2002. 72 Giese, Gebirgskrieg, 1883, S. 35. 73 Vgl. hierzu: Rabensteiner, Wolf: Der Soldat im Gebirge. Grundlagen des Gebirgskampfes, Salzburg-Stuttgart 1961, auch Ö. U. L. K., Bd. III, 1932, S. 361–368, sowie Schepe, Gerhard: Mountain Warfare in Europe, Kingston 1983. Auch: o. V.: Gebirgskrieg, in: Militärwissenschaftliche und technische Mitteilungen (herausgegeben vom Österreichischen Bundesministerium für Heerwesen), Wien Jg. 58., Sept.– Okt. 1927, S. 498–672 und die amerikanische Studie von Govan, die unter dem Eindruck des Zweiten Weltkrieges entstanden ist: Govan, Thomas P.: Training for Mountain and Winter Warfare (The Army Ground Forces Study Nr. 13), o. O. 1946. Einen historisch orientierten Einblick gibt: Barry, Gregory: Mountain and arctic warfare. From Alexander to Afghanistan, Wellingborough 1989.

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E. Der Sperr-Riegel im Gebirge

und Tier. Aufgrund ihres Mangels ist die materielle Ausstattung jeder Operation eine wesentliche Vorbedingung für den Erfolg. Der ‚Verpflegungsplan‘ steht dem ‚Operationsplan‘ an Bedeutung nicht nach. Da der Dienst im Gebirge Mann und Tier eine höhere physische Leistung abfordert, muss die Verpflegung dementsprechend erhöht werden. Die Wegearmut und infrastrukturelle Unerschlossenheit bringt massive logistische Probleme mit sich. Während im flachen Land die Ansammlung und Bewegung von Truppen durch Eisenbahnen und zahlreiche Straßen erleichtert wird, stellt das Gebirge extreme Anforderungen an die militärische Führung, die sich mit Eintritt des Winters vervielfachen. Der Winter in den Alpen hat einen Vor- und Nachwinter, so dass er fünf bis sieben, oft auch acht Monate dauern kann. General Lempruch formulierte den Leitsatz: „Ist doch der Kampf im Hochgebirge in erster Linie eine Transportfrage.“74 Die Probleme der Wegearmut werden durch die schwere Gangbarkeit noch verstärkt. Es gelang den Militärs durch die Einbindung von zivilen Alpinisten diesem Problem entgegen zu wirken. Die Auswirkungen hat General Cadorna festgehalten: „La forte inclinaison du sol rend la progression lente et oblige, par suite, les troupes à subir plus longtemps le feu de l’ennemi; nombreux sont les points passage obligé sur lesquelles on peut faire converger le tir de l’artillerie et des mitrailleuses. La préparation de l’attaque y [in den Bergen, Anm. d. Verf.] est longue.“75 Die Elementarereignisse sind schwer vorhersehbar und können den Nachschub auf Tage unterbinden. Darum werden Vorräte aller Art in der Nähe der Stellungen angesammelt. Diese militärischen Grundsätze zu ignorieren, wird jeden Feldzug negativ beeinflussen, eventuell sogar zu seinem Scheitern führen. Die Probleme, die sich den Truppen im Gebirge entgegenstellen, verändern sich nicht, daher sei nochmals auf Otto von Giese verwiesen, der bereits 1883 jene Schwierigkeiten erfasste, wie sie italienische Alpini und österreichisch-ungarische Gebirgstruppen im Ersten Weltkrieg durchlebten: „Nicht weniger schwierig ist die Verpflegung der Truppen. Das Hochgebirge bietet wenig Essbares, besonders in Regionen, wo Wälder und nackte Felsen vorherrschen, oder die Vertheidiger alle Vorräthe [sic] verbraucht, resp. [respektive] zurückgeschafft haben. Zu der Last des Gepäcks, der Waffen, der Munition und vermehrten Bekleidung, tritt dann noch der eiserne Bestand für eine größere Anzahl Tage; auch die Unterkunft ist erschwert. Die großen Städte und wohlhabenden Dörfer haben in jenen Höhen längst aufgehört; einzelne Höfe und Sennhütten bieten nur den Stäben unterkommen, die Truppen müssen bivouakiren [sic], können sich dabei von den Anstrengungen des Tages nicht erholen, die Gesundheit wird mehr und mehr leiden; wunde Füße, Catarrhe, Lungenkrankheiten decimiren die Truppen; ein großer Theil der Officiere und Mannschaften bleibt unterwegs liegen, nur die Kräftigsten können die ununterbrochenen Strapazen ertra74 75

Lempruch, König der Alpen, 1925, S. 14. Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 87.

IV. Probleme des Gebirgskrieges

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gen. Zu all’ diesen physischen Beschwerden und Leiden kommt die immerwährende Aufregung des Kampfes; der Gedanke, hinter jeder Straßenbiegung, hinter jedem Fels oder Baum, einen gut bewaffneten und sicher treffenden Feind zu finden [. . .]; fast ohne Verbindungen, ganz isolirt [sic], rings von Feinden umgeben zu sein.“76

Weitere logistische Probleme ergaben sich bei der medizinischen Versorgung. Die Evakuierung Verwundeter war im Ersten Weltkrieg noch mit extremen Schwierigkeiten verbunden, die später erst durch den Einsatz von Helikoptern gemildert werden konnten. Neben erhöhten Atmungsproblemen, die durch die außerordentliche (Meeres-)Höhe verursacht wurden, traten häufig Hepatitis, Malaria, Flecktyphus, Dysenterie und Meningitis in den Gebirgsbereichen auf.77 Außerdem konnten schon kleine Wunden in den großen Höhen häufig tödlich sein, wenn nicht schnellstens adäquate Hilfe kam und der Patient evakuiert wurde. Das medizinische Personal musste in diesem Bereich andererseits die Fähigkeit haben, Leichtverwundete so schnell als möglich wieder in das Kampfgeschehen einzubinden, weil die Zahl der Kämpfer und deren Ersatz sehr beschränkt waren. Die Bewegungsfreiheit war nicht nur für größere Truppenmassen im Hochgebirge sehr eingeengt, sondern auch für die Sanitätsdienste. Da die Wege oft schmal, steil und schlecht waren, verlängerten sich die Kolonnen. Die ärarischen Fuhrwerke (Blessierten- beziehungsweise Krankenwagen) kamen meist nur auf den in größeren Tälern verlaufenden Straßen voran.78 Besondere Probleme ergaben sich daraus, dass die Marschlinien von Seiten- und Hauptkolonnen in Mittel- und Hochgebirgen meist durch steile Böschungen, hoch aufragende Gebirgskämme, tiefe Schluchten oder kaum zu durchquerende, dichte Bergwälder getrennt waren. Dies machte eine seitliche Verschiebung von Truppen wie auch von Sanitätsmaterial und Sanitätspersonal fast immer unmöglich. Während des Weltkrieges hatte man mit neuen technischen Mitteln wie Telegraph, Telefon, drahtloser Telegraphie 76

Giese, Gebirgskrieg, 1883, S. 16 f. Malaria fand sich häufig im Karst und an der Isonzofront. Vgl. etwa: Löwy, Julius: Einige Bemerkungen zur Malariafrage, in: Wiener Medizinische Wochenschrift, 28/1919, S. 1368–1373. Auch: Russ, K.: Die Seuchenbekämpfung bei der Isonzoarmee, in: Wiener Medizinische Wochenschrift, Teil I: 34/1918, S. 1481–1488, Teil II: 35/1918, S. 1523–1530. 78 Speziell zur Problematik der Sanitätsversorgung während des Ersten Weltkrieges an der italienischen Front: Herrmann, Viktor: Die österreichsch-italienischen Grenzgebiete in sanitätstaktischer Beziehung, in: Der Militärarzt, 13/1915, S. 209–218. Sowie: Neumann, Alfred: Über einige ärztliche Beobachtungen und Erfahrungen aus vorderster Front, in: Der Militärarzt, 9/1917, S. 153–157. Zu Transportproblemen, die mit neuen Erfindungen wie etwa der Stigler’schen Gebirgsbahre gemildert werden konnten: Stigler, Robert: Eine zerlegbare Gebirgsbahre, in: Der Militärarzt, 8/1916, S. 145–154. Auch: Wolfgang, Oskar: Die zerlegbare Gebirgsräderbahre, in: Der Militärarzt, 19/1916, S. 473–480. 77

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E. Der Sperr-Riegel im Gebirge

und optischen Signalen zwar eine bessere Verbindung zwischen den einzelnen Kolonnen halten können, aber jede Truppenkolonne war im Endeffekt selbstständig und musste im Sinne der ihr gestellten Aufgabe operieren. Dies war der Beweggrund, warum man Gebirgseinheiten weitgehend selbstständig machte. Sie waren mit allem Notwendigen versehen, meist gut mit Fahrzeugen ausgestattet und auch sanitätsmässig autark. Vergleicht man die Schlachten an der italienischen Front mit denen der West- oder Ostfront, so treten weitere gravierende Unterschiede zutage, deren Ursprünge in der veränderten Topographie zu finden sind. Die im Ersten Weltkrieg aufkommenden und in den Feldschlachten so erfolgreichen Waffen wie Flieger, Panzer und chemische Kampfstoffe zeigten in den Bergmassiven, speziell auf taktischer Ebene, kaum Wirkung. Die Berge schränkten ihre Wirksamkeit beträchtlich ein. Die Flieger kämpften eher mit Elementarereignissen denn mit dem Gegner.79 Sie konnten im Gebirge gar nicht oder nur schwer notlanden. Die Natur erschwerte das Fliegen zusätzlich durch auftretende Luftlöcher, Böen, unberechenbare Hangwinde oder wechselnde Dichte der Luft und machte es gänzlich unmöglich bei Gewittern, Wetterstürzen und Nebel. Beobachtungs- und Aufklärungseinsätze werden im Gebirge zusätzlich durch vielgestaltige Terrainformen und häufige Waldbedeckung erschwert. Angriffe auf feindliche Stellungen im Tiefflug machen die Flieger durch Abwehrfeuer von den umgebenden Höhen verwundbar. Der Einsatz von Panzern war bei den damaligen Typen in den Alpen generell nicht möglich. Gas wurde bedingt angewendet, allerdings überwiegend an der Isonzofront und nicht in den Hochgebirgsregionen. Grund hierfür waren die schwer vorhersehbaren Windverhältnisse und die Eigenschaft des Gases, an den Hängen in die Tiefe abzufließen.80 Einen sehr guten all79 Vgl. hierzu: Kastner, Reinhard: Bayerische Flieger im Hochgebirge. Die bayerische Feld-Flieger-Abteilung 9 im Alpenkrieg, Gröbenzell 1998, auch: Lichem, Heinz von: Der Tiroler Hochgebirgskrieg 1915–1918 im Luftbild. Die Altösterreichische Luftwaffe, Innsbruck 1985; Pitsch, Erwin: Italiens Griff über die Alpen: die Fliegerangriffe auf Wien und Tirol im Ersten Weltkrieg, Wien/Leipzig 1995, sowie Pletschacher, Peter: Die Königlich Bayerischen Fliegertruppen 1912–1919, Planegg 1992 und: Schmidt, Hans: Föderalismus und Zentralismus im deutschen Heerwesen des Kaiserreiches. Die Königlich-Bayerische Fliegertruppe 1912–1919. Zu einem wenig beachteten Kapitel der Geschichte des 1. Weltkrieges, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 52, 1989, S. 107–130. 80 Vgl. zum Gaskrieg: Brettner-Messler, Gerald: Die k. u. k. Armeegasschule. Ein Beitrag zur Geschichte des Gaskrieges im Ersten Weltkrieg, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 48, 2000, S. 73–92 und das grundlegende Werk von Ludwig Haber, dem Sohn des Begründers der deutschen Gaskampfwaffe Fritz Haber: Haber, Ludwig F.: The poisonous cloud. Chemical Warfare in the First World War, Oxford 1986. Sehr ausführlich und speziell für Österreich-Ungarn: Zecha, Wolfgang:

IV. Probleme des Gebirgskrieges

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gemeinen Überblick über die Verwendung von Gasgeschossen gibt die im deutschen Heer kursierende ‚Vorläufige Anleitung für die Verwendung der Gasgeschosse der Artillerie‘ vom 1. Juli 1917. In der Rubrik Allgemeines wird detailliert auf den Zweck und das Ziel des Gasangriffes eingegangen: „Das Gasschießen bezweckt die Vernichtung oder Schädigung lebender Ziele und die Störung der Kampftätigkeit des Feindes. Mit Rücksicht auf den Schutz der eigenen Truppe sind Fernziele, also die feindliche Artillerie, in erster Linie zur Gasbeschiessung geeignet. Aber auch im Bereich der Infanteriekampfzone finden sich sehr günstige Ziele, die bei sachgemäßer Handhabung der Gasschiessen [sic] ohne Gefährdung der eigenen Truppe unter Feuer genommen werden können. [. . .] Geschickte Anwendung des Gasschiessens bringt beim Feind vorübergehend Lähmung, Unordnung und große Ausfälle hervor, doch ist der Erfolg von der Witterung abhängig. [. . .] Im Angriff kommt namentlich die Zeit vor und während des eigenen Infanterievorstosses und des Stellungswechsels der Artillerie, sowie nach gelungenem Infanterieangriff zum Niederhalten der feindlichen Artillerie, in Betracht.“81

Zu den oben genannten Witterungs- und Geländeeinflüssen, und wie sie das Gasschießen stören können, erläuterte die Anleitung: „[. . .] Die beste Zeit zum Gasschiessen ist [. . .] die Nacht. Bei Tage ist die Luft nur bei trübem Wetter oder bei Nebel am Ziel in vertikaler Richtung strömungsfrei, und daher die gleiche Wirkung wie in der Nacht zu erzielen. [. . .] Von großem Einfluss auf die Wirkung der Gasmunition ist Bewaldung und starke Unebenheit des Geländes. In Wäldern ist der Wind stets schwacher als im offenen Gelände. Waldziele können darum mit gutem Erfolge auch dann beschossen werden, wenn der Wind für Ziele im offenen Gelände zu stark ist. Bei starken Unebenheiten im Gelände ist zu berücksichtigen, dass der Wind auf der Höhe stets kräftiger als in der Tiefe ist. Deshalb werden hochliegende oder offene Geländestellen stärker als Einschnitte und Waldparzellen zu belegen sein. Beim Gasschiessen im gebirgigen Gelände ist auf die Abweichung des Ortswindes von der allgemeinen Luftströmung und auf die Berg- und Talwinde, die zu gewissen Tageszeiten bei klarem Wetter auftreten, besondere Aufmerksamkeit zu richten. Mit einem selbständigen Abfließen des Gases aus der Höhe nach der Tiefe wie bei Blasangriffen ist nicht zu rechnen, da durch das Gasschiessen eine geringere Gasdichtigkeit in der Luft hervorgebracht wird als durch das Abblasen. Durch „Unter die Masken!“ Giftgas auf den Kriegsschauplätzen Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg (Militärgeschichtliche Dissertationen Bd. 13), Wien 2000. Auch das entsprechende Kapitel in: Cappellano, L’imperial regio, 2002, S. 359–379. 81 BayKA, Truppenakten bay. 2. Feldartillerie Regiment, Bund 132: Vorläufige Anleitung für die Verwendung der Gasgeschosse der Artillerie. Vom 1. Juli 1917. Herausgegeben vom Chef des Generalstabes des Feldheeres [Alle Hervorhebungen wie im Original, Anm. d. Verf.].

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E. Der Sperr-Riegel im Gebirge

den Beschuss über dem Boden verteilte Gase folgen den Bewegungen der Luft und können bei großen Massen noch in mehreren Kilometern Entfernung von der Zielfläche starke Wirkung hervorrufen.“

Grundsätzlich waren aber die neuen Erscheinungen bei der Durchführung großräumiger Angriffsoperationen im Gebirge die gleichen wie im Flachland. Die gesteigerte Waffenwirkung der Abwehr erschwerte einen Frontalangriff und führte dazu, gegen Flanke und Rücken des Gegners zu wirken, was erst nach einem örtlich gelungenen Durchbruch möglich wurde. Eine weitere Konsequenz der Waffenwirkung war die größere Breitenausdehnung bei Angreifern wie Verteidigern, die in einer völlig durchlaufenden Stellungsfront kulminierte und schließlich die Dauer der Kämpfe verlängerte. Da ausgebaute Höhenstellungen eine größere Abwehrstärke als im flachen Land aufwiesen, änderte sich allerdings die Taktik. Kleine, gemischte und gut ausgerüstete Kampfgruppen waren zu ihrer Niederkämpfung wesentlich besser geeignet als eine große Masse Soldaten. Das Gelände ließ in der Regel weder einen großflächigen Aufmarsch, noch eine angemessene Tiefenstaffelung der Truppen zu und zwang dadurch zur Verteidigung von Linien, oftmals nur von Gipfeln. Für Angreifer bot das Gebirgsterrain meist bessere Deckungsmöglichkeiten als die Ebene und erlaubte mit Ausnahme der reinen Schnee-, Eis- und Felsregionen ein geschütztes Herangehen an den Gegner. Die Angriffe benötigten in der Regel mehr Zeit, waren aber durchführbar und hatten bei Erfolg oft weit größere Auswirkungen als im Flachland. Dieser Erfolg hing im besonderen Maße von den Fähigkeiten der mittleren und unteren Führung ab, das Gelände richtig einzuschätzen und seine Vor- beziehungsweise Nachteile in der Ausführung des konkreten Auftrages zu berücksichtigen. Die örtliche Topographie bestimmte die Auswahl der Taktik und Kampfverfahren und diese Aufgabe konnten nur in der Praxis erfahrene Truppenführer bewältigen. Bei der Betrachtung der Kampfhandlungen muss aber immer bedacht werden, dass – wie der britische Literat H.G. Wells schrieb – „[. . .] all this, you must understand, had gone on at a level to which the ordinary tourist rarely climbs, in a rarefied, chest-tightening atmosphere, with wisps of clouds floating in the clear air below and club-huts close at hand.“82

82 Der britische Literat hat im Jahre 1915 sowohl die Italienfront als auch die Westfront als Kriegskorrespondent bereist. Wells, Herbert G.: War and the future. Italy, France and Britain at War, London 1917, S. 32.

Am Abend tönen die herbstlichen Wälder Von tödlichen Waffen, die goldenen Ebenen Und blauen Seen, darüber die Sonne Düster hinrollt; umfängt die Nacht Sterbende Krieger, die wilde Klage Ihrer zerbrochenen Münder. Doch Stille sammelt im Weidengrund Rotes Gewölk, darin ein zürnender Gott wohnt Das vergoßne Blut sich, mondne Kühle; Alle Straßen münden in schwarze Verwesung. Unter goldenem Gezweig der Nacht und Sternen Es schwankt der Schwester Schatten durch den schweigenden Hain, Zu grüßen die Geister der Helden, die blutenden Häupter; Und leise tönen im Rohr die dunkeln Flöten des Herbstes. O stolzere Trauer! ihr ehernen Altäre Die heiße Flamme des Geistes nährt heute ein gewaltiger Schmerz, Die ungeborenen Enkel. (Georg Trakl: Grodek)1

F. Vom Krieg der Bergführer zur ‚Verdunisierung‘ – Kriegsereignisse bis Ende 1917 I. Einleitungskämpfe 1915 in Tirol und Kärnten Dieses und die nächsten (Unter-)Kapitel sollen den Leser über den Verlauf auf dem italienischen Kriegsschauplatz unterrichten. Es werden im Folgenden die wichtigsten Kriegsereignisse bis Ende 1917 geschildert. Natürlich kann und soll dies nicht eine lose Aneinanderreihung einzelner Gefechte sein, sondern es wird versucht, das Wesen des Alpen- beziehungsweise Gebirgskrieges zu erfassen. Anhand ausgewählter Kampfhandlungen wird auf den Wandel in der ‚Kriegskunst‘ aufmerksam gemacht. Die Ereignisse werden aber neben den militärstrategischen Entscheidungen auch die Entbehrungen und Strapazen der Soldaten näher bringen. Ausgenommen ist 1 Diese universellen Zeilen haben ihre Gültigkeit nicht nur für die österreichischungarische Front im Osten. Sie künden von unsagbarer Trauer und Schmerz, die auch Trakls Mitkämpfer an der Südwestfront kennen lernten. Der Kriegsfreiwillige Georg Trakl wurde als Medikamentenakzessist (etwa Sanitätsoffizier) an der Ostfront im galizischen Grodek (heute in der Ukraine) eingesetzt. Die Gräuel des Kriegs führten zu einem Nervenzusammenbruch. Im Lazarett Krakau schrieb er obiges Gedicht. Anfang November 1914 tötete sich Georg Trakl durch eine Überdosis Kokain selbst, aus Furcht vor dem Kriegsgericht zu landen.

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F. Vom Krieg der Bergführer zur ‚Verdunisierung‘

in diesem Kapitel die zwöfte Isonzoschlacht beginnend im Oktober 1917. Es war eine Schlacht, die aufgrund ihrer Dimensionen und ihrer Durchführung in einem ausgegliederten, eigenen Kapiteln beleuchtet wird. Es empfahl sich, nicht nur einer chronologischen, sondern auch einer geographischen Ordnung zu folgen. Daher werden die Fronten – weitestgehend – von Nordwesten in Richtung Südosten abschnittsweise behandelt. Österreich-Ungarn war an der neu entstandenen Südwestfront stark unterlegen. Die Elitetruppe Tirols, die Kaiserjäger, standen in Galizien oder Serbien und waren dort bereits zu großen Teilen aufgerieben und im wahrsten Sinne des Wortes ‚verheizt‘ worden. Dem Landesverteidigungskommando Tirol unter Kavalleriegeneral Viktor Graf Dankl standen nur die kurzfristig aufgebotenen und schlecht ausgerüsteten Standschützen und das zu Hilfe eilende Deutsche Alpenkorps zur Verfügung. Die bedrohliche Lage kommt in einer Bemerkung des Chefs des Generalstabes Conrad von Hötzendorf an GdK Dankl zum Ausdruck: „Also, nicht wahr, ich kann mich darauf verlassen, dass du mir wenigstens die Brennerlinie hältst.“2 Während der drohende italienische Kriegseintritt in der ersten Hälfte des Jahres 1915 noch erheblichen Einfluss auf die Führung der Operationen der Mittelmächte gehabt hatte, so wurden jetzt, als dieser Fall wirklich eintrat, die Auswirkung beziehungsweise Rückkopplungen des italienischen Kriegsschauplatzes auf ein Mindestmaß beschränkt. Alle entbehrlichen Kräfte der Mittelmächte waren für die Fortführung der großen Offensive in Russland zusammengezogen. Der Generalstabschef der Tiroler Landesverteidigung, Oberst Rudolf Pfersmann von Eichthal, fand sehr treffende Worte für das Dilemma in Tirol: „Keine Festung kann sich aber halten ohne Soldaten. Die schönsten Gräben, Kavernen, Galerien und Felsstellungen nützen nichts, wenn darin keine lebenden Kämpfer stehen. Ohne Truppen kein Widerstand.“3 Kurz nach der Kriegserklärung standen auf österreichischer Seite 14 Divisionen, zwei Gebirgsbrigaden und eine Halbbrigade zur Verfügung. Von den aus Feldtruppen, Landsturm und Aufgeboten bunt zusammengesetzten 224 Bataillonen waren aber erst 128 an der Grenze eingetroffen.4 Damit 2 In: Broucek, Peter: Aus den Erinnerungen eines Kundschaftsoffiziers in Tirol 1914–1918, in: Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs (33) 1980, S. 263–276, hier: S. 270. 3 Pfersmann von Eichthal, Rudolf: Das Werden des Tiroler Standschützenkorps (Schluss), in: Militärwissenschaftliche Mitteilungen. Herausgegeben vom österreichischen Bundesministerium für Heerwesen, Mai–Juni 1932, Wien 1932, S. 449–463, hier: S. 450. 4 Vgl.: Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, S. 268. Das österreichische Werk Ö. U. L. K. dazu: „Am 23. Mai verfügte das Landesverteidigungskmdo. [Tirol, Anm. d. Verf.] über 27 ½ Bataillone, 39 Standschützenbataillone, 8 Kaiserschützendetachements, 1 ½ Schwadronen und 22 mobile Batterien mit 75 Geschützen. Auf

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verfügten die Österreicher über knapp 35.000 Mann für die Tiroler Front gegen Italien.5 Die Ergänzungen befanden sich noch auf dem Anmarschweg, darunter auch das deutsche Alpenkorps.6 Den erwarteten ersten Ansturm hätten also vornehmlich die ad hoc aufgebotenen Standschützen aufhalten müssen. Vorausschauenderweise hatte man im Laufe des Winters 1914 auf 1915 versucht, die Standschützen zu mustern und bis Frühjahr eine richtige Miliztruppe zu schaffen, die dann in einem plötzlichen Notfalle schnell alarmiert werden und in die Widerstandslinien eingeschoben werden konnte. Die traditionsreichen Standschützen wurden durch ihren Einsatz in den ersten Kriegstagen geradezu legendär. Verantwortlich war für sie zu dieser Zeit General von Können-Horák. In seinem Bericht zur Grenzverteidigung im Mai und Juni 1915 lobte er auch die Standschützenformationen, wobei er nicht verhehlt, dass sie zu Kriegsbeginn ein sehr unmilitärischer Haufen zusammengewürfelter Zivilisten gewesen waren. „Und selbst die Organisation auf dem Papier wurde durch jede der zahlreichen ‚Landsturmmusterungen‘ wieder völlig zerstört. So kam es dass diese Standschützen ‚Kompagnien‘ und ‚Baone‘ noch im April 1915 nichts anderes als regellose, undisziplinierte Haufen von Bauern und Gewerbetreibenden darstellten, unter denen sich infolge der immer wiederholten Musterungen, im Mai 1915 kein (im Sinne des Wehrgesetze) frontdiensttauglicher Mann und nur ganz vereinzelt gediente Leute befanden. Offiziere und Mannschaften bestanden größtenteils aus Männern über 42 und unter 18 Jahren, die ausrückenden Kompagnien boten den ergreifenden Anblick eines Auszuges von Kindern und Greisen.“7

Folgt man seinen Worten, so schien also die vorbereitende Phase bis Frühjahr 1915 nicht sehr erfolgreich gewesen zu sein. Pfersmann betonte, dass sie zwar rechtlich Soldaten waren, „[. . .] nur der Ausbildung nach waren sie es zum größten Teil nicht.“8 Später sollte sich zeigen, dass sie diesen vordergründigen Mangel durch extreme Motivation wettmachten. Von Können-Horák führte weiter aus: einen Frontkilometer entfielen somit 110 Gewehre. Die nicht mobile Artillerie zählte 540 Rohre.“ Ö. U. L. K., Bd. II, 1931, S. 514. 5 Cletus Pichler gibt die Besatzung des 350 Kilometer langen Tiroler Frontausschnittes am 24. Mai 1915 mit 35.000 Feuergewehren, 146 mobilen und 539 Festungsgeschützen an. Pichler, Krieg, 1924, S. 28. Generalstabschef Pfersmann nennt 1.000 Mann mehr, gesamt also 36.000. In: Pfersmann, Standschützenkorps, 1932, S. 454. 6 Laut einem Bericht Kraffts an die deutsche OHL vom 22.6.1915 hatte das Alpenkorps eine Verpflegungsstärke von 26.200 Köpfen und 10.100 Pferden. Zitiert in: Hebert, Alpenkorps, 1988, S. 70. Zur Verlegung der Truppen aus Sicht verschiedener Beteiligter im Alpenkorps: Martin, Hans: Unsere Jäger in Krieg und Frieden (Sonderdruck der Aschaffenburger Zeitung), Aschaffenburg 1936, S. 72 ff. 7 MILAR/MHFZ, MIL-IBK 9: Können-MMThO. 8 Pfersmann, Standschützenkorps, 1932, S. 450.

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„Diese bescheidenen Neuformationen, deren Ausbildung gleich Null war, deren Ausrüstung anfangs zum Teil aus Werndlgewehren, Spagatgurten, dunkelblauen Monturen bestand, die keine Mäntel, keine Tornister, nichts von alldem besaßen, was heutzutage eine Truppe braucht, wurden in rastloser Arbeit unter ganz besonderen Schwierigkeiten unter hervorragender Mitwirkung der Rayons-Abschnittsund Baons-Komdten (ich nenne hier nur Fmlt. v. Scholz, v. Guseck, Verdross, Schiessler, GM. Bankowski, Terboglav, Br. Concini, die Obersten Stiller, Spiegel und Pengov etz.) zu vollwertigen Truppen ausgestaltet.9 Sie erhielten Stäbe, Offiziere, Chargen, fassten Rep.[etiere], Munition; ferner wurde für sie Mannesausrüstung, hechtgraue Monturen, Fahrräder, Kochkisten (Fahrküchen), Telefonausrüstung, Pion[ier] Ausrüstung, San[itäts] Ausrüstung, und Truppentrain fast alles auf eigene Verantwortung im Handeinkauf beschafft oder selbst erzeugt.“10

Der Notfall, für den die Standschützen aufgestellt und instruiert worden waren, war also eingetreten. Numerisch präsentierte er sich in über 26 Infanteriedivisionen, zwei Kavalleriedivisionen und 52 Alpinibataillonen die der italienischen Seite am 24. Mai bereits zur Verfügung standen und die an die neu entstandene Front transportiert wurden. Bis Anfang Juni traf noch Verstärkung in Form von zehn Infanterie und zwei Kavalleriedivisionen auf dem Kriegsschauplatz ein.11 Ein zahlenmäßiger Vergleich der Stärkeverteilung ergibt für Anfang Juni 1915 auf österreichisch-ungarischer Seite etwa 224.000 Feuergewehre, 3.000 Reiter und 640 mobile Geschütze (exklusive Festungsartillerie); auf italienischer Seite etwa 460.000 Gewehre und 1.810 Geschütze.12 Die Mobilisierung der Standschützentruppen gelang problemlos und in großer Schnelligkeit. Können-Horák dazu: „Es wird wohl erst einer späteren Zeit vorbehalten sein, das ganz unglaublich rasche und sichere Funktionieren dieser Alarmierung zu würdigen. An 19.5.1915 erging der Alarmbefehl. Mit der Sicherheit einer Maschine besetzten die Truppen der Tiroler Besatzung ihre vorbereiteten Grenzstellungen, mit staunenswerter Schnelligkeit eilten die Tiroler und Vorarlberger Bauern und Studenten in Schießstandmagazine, wurden dort bekleidet, ausgerüstet, bewaffnet, fassten Munition, Verpflegung, Sanitätsmaterial, Train usw. und kaum 24 Stunden nach Ergehen des Alarmbefehles rollten schon die ersten Eisenbahntransporte von Nord- nach Südtirol.“13 9 Zum Waffenkonstrukteur Josef Werndl und seinem Gewehr sowie zu den nachfolgenden Mannlicher Modellen die Jubiläumsbroschüre: o. V.: Josef Werndl 1831–1889. Leben und Werk. Herausgegeben von der Steyr Mannlicher Ges.m. b. H. zum 125 Jubiläum, o. O. 1989. 10 MILAR/MHFZ, MIL-IBK 9: Können-MMThO. 11 Vgl.: Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, S. 268. 12 Vgl.: Angetter, Sanitätsversorgung, 1995, S. 34. General Cadorna folgt dem und weist in seinen Memoiren zwei Tabellen zur Zahl der mobilisierten Einheiten und zur Zahl der Waffen aus, vgl.: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 62 f. 13 MILAR/MHFZ, MIL-IBK 9: Können-MMThO.

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Erwägt man, dass die Truppen August 1914 zur Mobilisierung mindestens vier Tage benötigten, so kann dieser unglaublich raschen und reibungslosen Mobilisierung einer Miliz die Anerkennung wohl nicht versagt werden. Die Mobilisierung des XIV. Korps im August 1914 hatte gar sieben Tage gedauert und ihr anschließender Abtransport zusätzliche drei Wochen. Die Standschützen hatten zwar keinen so weiten Weg zur Front, aber ihre Alarmierung und Vergatterung dauerte länger. Sie waren über ganz Tirol verteilt, im entferntesten Gebirgstal fern jeder Kommunikation mussten sie schnellstens informiert werden. Der zahlenmäßigen Unterlegenheit der K. u. k. Armee kamen einige Schwachstellen des italienischen Heeres zugute. Die italienischen Infanterieregimenter besaßen nur jeweils zwei Maschinengewehre, wohingegen die österreichisch-ungarischen Truppen mit zwei Maschinengewehren pro Bataillon, also dem Vierfachen, ausgestattet waren. Die Italiener hatten zu Kriegsbeginn auch nahezu keine Handgranaten und die Produktion der Standardwaffe der italienischen Armee, des Gewehrs Mannlicher-Carcano M 1891, betrug nur 2.500 Stück pro Monat, weshalb ein Teil der italienischen Truppen mit veralteten Typen bewaffnet war.14 Der britische Historiker Hew Strachan schrieb, dass die italienische Armee zwar 1,2 Millionen Mann mobilisiert hatte, aber nur genügend Ausrüstung für 732.000 hatte.15 Hinter all diesen Zahlen verbergen sich Menschen, die aus ihren angestammten Berufen und Lebensräumen herausgerissen, und in den Kampf geschickt wurden. Einer von ihnen ist der Oberleutnant der Reserve Dr. Erwin Taigner. Seine Erinnerungen sind ein einzigartiges Zeugnis des Krieges. Besonders die erste Jahreshälfte 1915, also vom Frieden zum Krieg, kann auf der Basis seiner Aufzeichnungen sehr anschaulich nachgezeichnet werden. Taigner hat seine Erinnerungen 1930 niedergeschrieben und ist deshalb ein so wichtiger Zeitzeuge, weil er die meiste Zeit des Krieges in der westlichen Hälfte des italienischen Kriegsschauplatzes verbracht hat. Aus dieser Region, zwischen Tonalepass und Riva am Gardasee sind nur wenige Augenzeugenberichte überliefert. Daher werden im Folgenden immer wieder Zitate aus diesem Werk einfließen. Taigner schrieb in seinem Vorwort eine Bemerkung, die für viele der Kriegserinnerungen von Frontsoldaten symptomatisch war: „[. . .] doch ist es ja so, dass die Erinnerung verschönt und nach immerhin 12 Jahren sind mir die schönen Landschaftsbilder und die interessanten Erlebnisse, die gute Kameradschaft und viele 14 Vgl.: Rauchensteiner, Doppeladler, 1997, S. 246 und Fröhlich, Eduard: Der Kampf um die Berge Tirols in österreichischer und italienischer Darstellung, Bregenz 1932, S. 20. 15 Vgl.: Strachan, Hew: Der Erste Weltkrieg. Eine neue illustrierte Geschichte, München 2004, S. 190.

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fröhliche Stunden bei Wein und Gesang eine liebere Reminiszenz als feindliches Feuer und Schneestürme.“16 Viele der ehemaligen Soldaten erinnerten sich lieber an die schönen Gegenden und freundlichen Eindrücke und schrieben dies dann in den seltensten Fällen nieder. Die Zahl an selbstverfassten, privaten Erinnerungen und Aufzeichnungen über den Krieg ist leider sehr gering. Noch dazu sind diese Arbeiten heute noch in der Mehrzahl in privatem Besitz und daher nicht ‚konzentriert‘ in Archiven und dort auch öffentlich einsehbar. Für Oberleutnant Taigner, wie für viele andere, ruhte der Krieg als Anlass all der Abenteuer, „[. . .] im Hintergrund wie eine entfernte Wolkenbank.“17 Zu Kriegsbeginn 1915 versah Taigner im Panzerwerk Riva, auf halber Höhe des Monte Brione gelegen, seinen Dienst. Im einen Moment beklagte er sich noch über die oft unleidliche Hitze, aber schon änderte sich alles mit der italienischen Kriegserklärung. „Für uns in Riva sah die Zukunft nicht gut aus, da der Bestand an Truppen lächerlich klein war und angenommen werden musste, dass uns die Italiener einfach überrennen würden. Ein Festungskommandobefehl sprach denn auch vom ‚letzten Hauch von Mann und Ross‘ und ähnlichen schönen Dingen. In der ersten Nacht hörten wir die ersten Flintenschüsse an der Ponalestraße die von unseren Truppen etwas voreilig gesprengt wurde. Zu unserer größten Überraschung geschah aber in den nächsten Tagen und Wochen gar nichts, das nach Krieg aussah. Von den Italienern hörte und sah man nichts, trotz der intensivsten Beobachtung. Umso lebhafter waren die Vorgesetzten. In der Nacht hieß es unendlich viel Wachdienst halten – ‚in solchen Zeiten schläft man überhaupt nicht‘ dekretierte Puchinger [Oberstleutnant Puchinger war Taigners Vorgesetzter, Anm. d. Verf.]. Bei Tag hatte ich Stacheldrahtzonen anzulegen. Etwa 500 schöne Ölbäume, die auf den Terrassen des Brione standen, legte ich durch Sprengung um, nivellierte das Terrain und zog viele hundert Meter Draht.“18

Ähnlich unheimlich ruhig zeigten sich fast alle Frontteile in Tirol.19 Was ging vor auf italienischer Seite? Mit Ausbruch des Krieges im Mai 1915 ließ der italienische Generalstabschef Luigi Cadorna seine als primo sbalzo offensivo bezeichneten Operationen beginnen.20 In Tirol hätte der rechte 16 MILAR/MHFZ, MIL-IBK 2: Kriegserinnerungen 1914–1918 des K. u. k. Oberleutnants der Reserve Dr. Erwin Taigner (1892–1977), 33 Seiten maschinenschriftlich mit 1 Beilage. 17 MILAR/MHFZ, MIL-IBK 2: OLT Taigner. 18 MILAR/MHFZ, MIL-IBK 2: OLT Taigner. 19 Die allgemeinen Lageberichte des deutschen Generalstabes des Feldheeres (Operationsabteilung) geben hierüber Auskunft. Vgl.: BWHStA, M 1/2 Band 110: Mitteilungen des Chefs des Generalstabes des Feldheeres Nr. 51–69 (übersandt vom Würt. Milit.Bevollmächtigten), 19.01.1915–07.01.1916. Siehe auch: Veith, Georg: Die ersten Schlachten gegen Italien, in: Militärwissenschaftliche Mitteilungen. Herausgegeben vom österreichischen Bundesministerium für Heerwesen, Jänner–Februar 1931, Wien 1931, S. 26–36.

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Flügel der 4. Armee (I. Korps) gegen die Sperren von Sexten, Landro und Tre Sassi in der Valparola vorgehen sollen, um sich den Weg zu den Tälern der Rienz und der Drau freizukämpfen.21 Dieser Abschnitt war besonders empfindlich, da die Pustertaler Front bei Schluderbach und am Kreuzbergpass bei Sexten nur zehn beziehungsweise zwölf Kilometer von der wichtigsten Bahnstrecke und Straße entfernt war, die Tirol mit der übrigen Monarchie verband. Der linke Flügel (IX. Korps) sollte gegen das Eisacktal vorrücken und dabei die Sellagruppe einnehmen. Die österreichisch-ungarische Abwehrfront war in drei Heeresgruppen gegliedert, von denen die eine unter GdK Viktor Dankl in Tirol, die andere unter GdK Franz Rohr in Kärnten und die dritte unter GdK Svetozar Boroevic´ de Bojna im Isonzoabschnitt stand. Der Kommandant der 4. italienischen Armee, General Luigi Nava, ging bei seinen Operationen mit einer Zaghaftigkeit vor, die den Unmut General Cadornas erregte. Erst am 25. Mai zeigten sich kleine italienische Abteilungen, die sich zögerlich Condino in Judicarien näherten und im Etschtal die Grenze überschritten. An diesem Tag traf mittags der Landesverteidigungskommandant GdK Dankl mit einem Teil seines Stabes, von Russisch-Polen kommend, in Brixen ein. Hier begegnete Dankl dem Führer des Alpenkorps General Krafft, der mit einem kleinen Teil seines Stabes von München aus eingetroffen war.22 Die Nähe zur Front und die unsichere militärische Lage ließen es nötig erscheinen, das Hauptquartier von Brixen nach Innsbruck zu verlegen, auch weil hier die Infrastruktur ausgeprägter war. Dankl bestimmte die ihm zur Verfügung stehenden Marschbataillone, Landsturmformationen und Standschützenbataillone zur Besetzung der notdürftig hergerichteten Stellungen. Das Deutsche Alpenkorps sollte eine starke Eingreifreserve bilden. Der Vorteil des Korps bestand darin, dass es sehr gut ausgerüstet und daher sehr mobil und manövrierfähig war. Diese Reserve wurde dann in drei Gruppen in Bozen-Auer, Brixen und Bruneck entlang der Bahnstrecken aufgestellt, so dass sie innerhalb eines Tages entweder bei Trient oder bei Bruneck zusammengezogen werden konnte. Je 20

Siehe: Cadorna, La Guerra, I, 1923, S. 120–160. Vgl. die Karten 4 und 5 dieser Arbeit. Zur Überbewertung der österreichisch-ungarischen Festungen in der italienischen Planung: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 96. 22 Im Nachlaße von Kraffts finden sich aufschlußreiche, persönliche Kriegstagebücher über diese Zeit. Vgl. hierzu: BayKA, NL Krafft 153: Gekürzte Abschrift des Kriegstagebuchs vom 20.5.–12.10.1915 (darin: Brief von Prof. Burtscher 1931, Kartenmaterial: Ampezzo/Dolomiten/Alpen, Seiten 603–770). BayKA, NL Krafft 154: Gekürzte Abschrift des Kriegstagebuchs vom 13.10.–23.10.1915, S. 769–796. BayKA, NL Krafft 291: Kriegstagebuch vom 20.5.–12.10.1915, Abschrift (528 Seiten). BayKA, NL Krafft 292: Kriegstagebuch vom 12.10.–23.10.1915, Abschrift (50 Seiten). 21

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nach Bedarf sollte das Alpenkorps bei Trient oder im Pustertale vereint oder auch getrennt operieren. Der schnellen Verlegung wegen hielt Dankl 150 Lastwägen und leere Zuggarnituren bereit.23 Der italienische Generalstabschef Cadorna forderte am 27. Mai, ob der Schläfrigkeit seiner Truppen, von seinen Kommandeuren, den Operationen einen entscheidenden Charakter zu geben und zügig jene Stellungen einzunehmen, die nach Erstarkung des Gegners nur noch unter großen Opfern erlangt werden konnten. Die Unternehmen sollten getragen werden von „[. . .] Kühnheit, Offensivgeist, Gewinnung moralischer Überlegenheit über den Feind.“24 Das Zögern ist umso unverständlicher, weil gerade zu Kriegsbeginn die Chancen für einen entscheidenden Durchbruch an der Tiroler Front sehr gut standen. Der Generalstabschef der Tiroler Front Cletus Pichler schätzte: „Ein allgemeiner Angriff an den wichtigsten Einbruchstellen, wie Stilfserjoch, Etschtal, Valsugana, Rollepass, Kreuzbergpass, gleichzeitig angesetzt, zielbewusst geführt und mit rücksichtsloser Stoßkraft gepaart, hätte angesichts der in den Maitagen überaus schwachen Verteidigungskräfte zu bedeutenden gegnerischen Erfolgen führen können.“25 Die 4. Armee besetzte am 28. Mai den Tre Croci Pass und am 29. Mai rückte italienische Kavallerie in Cortina d’Ampezzo ein. Dieser Vormarsch wurde von der italienischen Presse als großer Erfolg gefeiert, ohne zu erwähnen, dass die italienischen Truppen diese Gebiete kampflos in Besitz genommen hatten, da sie von den Österreichern schon vor einiger Zeit aufgegeben worden waren. Die Überlassung Cortinas wirkte sich in den Augen des Befehlshabenden Generals in diesem Abschnitt durchaus negativ auf die Verteidigungsfähigkeit aus: „Die Verteidigungslinie, welche also im Frieden auf Grund sorgfältiger Studien, Rekognoszierungen und praktischer Übungen als die günstigste und zweckmäßigste erkannt worden war, befand sich bereits in den Händen des Gegners; sie hätte nicht nur günstigere lokale Verteidigungsverhältnisse geboten, sondern uns auch den Besitz und die Benützbarkeit der als einzig fahrbaren Transversalverbindung in der Front außerordentlich wichtigen Dolomitenstraße gesichert.“26 23 Vgl.: Dankl, Episoden, in: Bator/Bartl, Jahrbuch 1925 der Kaiserschützen, 1924, S. 36. 24 Vgl.: Ministero delle Guerra (Hg.), L’esercito, II, Textband, 1927, S. 124. 25 Pichler, Krieg, 1924, S. 33 f. Pichler widmet den Einleitungskämpfen im Frühjahr 1915 mehr Raum ein in seinem Buch, als viele andere Autoren und wird durch seine Stellung als Generalstabschef des Landesverteidigungskommandos Tirol zu einem wichtigen Zeitzeugen. 26 BayKA, NL Krafft 300: Denkschrift von FML Ludwig Goiginger, gewesener Kmdt. der Division Pustertal und des XVIII. und XXIV. Korps: Die Verteidigung der Dolomitenfront 1915/16. Ein Ruhmesblatt unserer alten Armee“ 19 Seiten maschinenschriftlich, Neustift bei Graz, Dezember 1924.

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Interessant gestalten sich die angeführten Gründe für die ‚vorschnelle‘ Aufgabe des Gebietes. Einmal sei es Schuld der gängigen Doktrin, welche die Verteidigung auf die bereits vorhandenen Grenzbefestigungen basierte, zum anderen machte er die „[. . .] nicht ortskundige[n] und nicht genügend hochgebirgs-vertraute[n] Organe [. . .]“ die sich wie alle Kommanden und Truppen am russischen und serbischen Kriegsschauplatze befanden, dafür verantwortlich.27 Zu größeren Kampfhandlungen kam es in der ersten Kriegswoche nicht. Der erwartete große Angriff auf Südtirol blieb aus, ebenso der Durchbruchsversuch am Isonzo. Feldmarschalleutnant Ludwig Goiginger wurde vom AOK mit dem Kommando der neu aufzustellenden Division Pustertal und mit der Organisation der Verteidigung der Pustertaler Dolomiten betraut. Am 4. Juni traf er in Bruneck, dem Standort des neuen Divisionskommandos, ein. Erstaunt berichtet er von seiner Anfahrt: „Dass ich an diesem Tage noch ganz ungehindert und ungefährdet durch das noch ganz stille und ruhige Pustertal fahren konnte, war meine erste sehr große und angenehme Überraschung, denn nach meiner Berechnung konnten die Italiener zu dieser Zeit – das war bereits zehn Tage nach erfolgter Kriegserklärung – schon mit starken Kräften im Pustertale stehen.“28

Die Tiroler Landesverteidiger nutzten die Gelegenheit und versuchten, die Lage der Widerstandslinie zu verbessern. Die Verteidigungslinie wurde an mehreren Stellen bis zu den Vorposten vorverlegt und sogar auf italienischem Gebiet liegende Höhen wurden einbezogen. Die österreichischen Militärs versäumten jedoch, die dominierenden Höhen speziell zwischen Kreuzberg und Drei Zinnen zu besetzen, obwohl sie von den Standschützen auf ihren strategischen Wert hingewiesen wurden. Diese Bergspitzen mussten in den folgenden Kämpfen unter teilweise hohen Verlusten zurückgewonnen werden. Ludwig Goiginger war sich als Kommandant der Pustertaler Front der Bedeutung der Gipfelstellungen bewusst und setzte alles daran, den Monte Piano zu erobern.29 Der alte Grenzberg beherrschte das Höhlensteintal bis Toblach und Peutelstein, das Becken von Misurina und den Übergang über die Plätzwiese. Er war die zentrale Bastion vor dem endgültigen Einbruch in das Pustertal.30 Entgegen dem Rat des Landesver27

BayKA, NL Krafft 300: Denkschrift von FML Ludwig Goiginger. BayKA, NL Krafft 300: Denkschrift von FML Ludwig Goiginger. 29 Ludwig Goiginger (1863–1931) war ab 1914 betraut mit dem Kommando der 32. Infanterie-Truppen-Division (ITD), ab 1917 Kommandant der 73 ITD. Am Höhepunkt der elften Isonzoschlacht konnte Goiginger, aus dem Wippachtal nach Norden marschierend, die bereits durchgebrochenen Italiener noch aufhalten. 30 Heute kann der Monte Piano bequem erwandert werden und anhand der Stellungssysteme, die im Rahmen eines Freilichtmuseums in Stand gesetzt wurden, eröffnen sich dem Besucher die damaligen Gegebenheiten zumindest ein klein wenig. 28

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teidigungskommandos, aber auf Initiative Goigingers, nahm in der Nacht vom 6. auf 7. Juni ein Freiwilligenkommando aus Landesschützen, Standschützen, Landstürmern und Werksartilleristen den Berg ein. Von dem 2.324 Meter hohen Monte Piano konnten sie nun mit verhältnismäßig geringen Kräften den Zugang in das Höhlensteintal sperren.31 Das allmähliche Eintreffen des Alpenkorps stärkte die K. u. k. Truppen und bildete eine schlagkräftige Reserve. In den Morgenstunden des 25. Mai 1915 trafen die ‚Leiber‘ als erstes deutsches Regiment in Brixen ein. Die beiden wahrscheinlichen Angriffsrichtungen des italienischen Gegners im Blick, das Pustertal mit der lebenswichtigen Nachschubverbindung als strategisches Ziel und Trient als politisches Ziel, wurde das Alpenkorps in den Raum Bruneck–Brixen–Bozen-Auer geleitet. Nochmals sei der K. u. k. General Goiginger zitiert, der das bedeutsame Wirken des Alpenkorps – allein durch seine Anwesenheit – umreißt: „Es kann nicht rührend genug anerkannt werden, dass uns unsere deutschen Bundesbrüder bei dieser Gelegenheit nicht nur eine so wertvolle, sondern auch eine so rasche Hilfe sandten, und es ist sehr leicht möglich, dass gerade dieses ganz unerwartete Auftreten deutscher Truppen an der italienischen Grenze, über deren Stärke die italienische Heeresleitung natürlich anfangs nicht orientiert war, da sie zur Täuschung des Gegners absichtlich und ostentativ an den verschiedensten Punkten der Grenze gezeigt wurden, diese zu jenem außerordentlich langsamen, vorsichtigen und methodischen Vorgehen veranlasst hat, das man sich sonst gar nicht recht erklären kann. Zweifellos hat hiezu aber auch eine Art Feuerscheu, jenes Gefühl militärischer Inferiorität der Italiener beigetragen, welche sich begreiflicherweise scheuten, ihrem bisherigen, langjährigen Verbündeten, der österr.ung. Armee, von der sie in den früheren Feldzügen so oft entscheidend geschlagen worden waren, nunmehr offensiv oder angriffsweise entgegenzutreten.“32

Die Frage der italienischen Feuerscheu sei dahingestellt, sie sollte hier nur wiedergegeben werden, um das Denkgebäude Goigingers – aber auch vieler im K. u. k. Generalstab – zu beleuchten. Die Präsenz der deutschen Truppen hat aber sicher in dieser Richtung gewirkt. Darüber hinaus spielte vor allem das Infanterie-Leibregiment eine herausragende Rolle bei der direkten Verteidigung des Abschnittes Sexten. Der zugewiesene Grenzunterabschnitt (GUA) 10b reichte von dem Drei Zinnen Plateau bis zum Karnischen Kamm, hatte eine Frontausdehnung von etwa 20 Kilometern und eine große Vielfalt an Bodenformen und Kampfbedingungen. Die vorderste Linie verlief unter anderem von der Zsigmondyhütte über das schwer zugängliche Hierzu: Schaumann, Walther: Monte Piano. Landschaft und Geschichte; das Freilichtmuseum 1915/17, Bassano del Grappa 1995. 31 Siehe: Pichler, Krieg, 1924, S. 37. 32 BayKA, NL Krafft 300: Denkschrift von FML Ludwig Goiginger.

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Höhengebiet der Höhe 2649, des Elferkofel (3098) und der Rotwandspitze (2939). Von dort steil abfallend durch das geröll- und latschenbedeckte Gebiet des Burgstall und den Hochwald des Schellabodens hinüber zu Seikofel, Roteck und bis zur Abschnittsgrenze an der Schöntalhöhe.33 Ein Vorstoß des Alpenkorps vom Fassatal aus in Richtung Osten sollte die Voraussetzung schaffen, die Front bis zur Linie Rollepass–Pellegrinosattel–Marmolata–Cherz vorzuschieben.34 Diese wesentlich verkürzte Linie lag bereits auf italienischem Boden, aber General Dankl hatte die feste Absicht, die Verteidigung offensiv zu führen. Ab dem 3. Juni wurde der Gegenstoß gegen den auf Buchenstein (Pieve di Livinallongo) vorrückenden Feind geplant. Gleichzeitig sollte die Gelegenheit genutzt werden, um die eigenen Positionen bei Paneveggio, Pass Som (Lusia), Fangho (westlich von San Pellegrino) und Passo le Selle zu verbessern. Dies hatte man im Winter 1914 auf 1915 noch unterlassen wegen des hohen Schnees und um den Italienern keinen Anlass zur Klage zu geben.35 Ziel war die Gewinnung der Linie: Rollepass–Rifugio Mulaz–Monte Pradazzo–Pellegrinosattel–Passo d’Ombretta–Passo di Fedaja–Monte Padon. Generalleutnant von Krafft, der die Hauptlast mit dem Alpenkorps zu tragen gehabt hätte, war mit der Idee einverstanden und disponierte drei Gruppen. Eine sollte über Cavalese, Predazzo, gegen den Rollepass vorgehen, die zweite über Karerpass und Canazei und die dritte Gruppe wurde bei Corvara versammelt. Am 4. Juni waren bereits die Marschziele erreicht und der Angriff sollte am 6. oder 7. Juni planmäßig starten. Bei Erfolg sollten die österreichisch-ungarischen Abschnittsverteidigungstruppen nachfolgen, die eroberten Stellungen besetzen und das Alpenkorps sollte wieder als Reserve zurückgezogen werden. In dieser Situation erging am 4. Juni ein Befehl an das Alpenkorps, dass „[. . .] italienisches Gebiet bis auf weitere Anordnung von deutschen Soldaten nicht betreten werden soll“ und „[. . .] dass beim Zusammentreffen deutscher und italienischer Truppen auf Tiroler Gebiet vorläufig darnach [sic] gestrebt werden muss, die Italiener als Angreifer auftreten zu lassen.“36 Deutschland befand sich damals mit Italien noch nicht im Kriegszustand und, wie das österreichische Generalstabswerk schreibt, wollte sich Deutschland „[. . .] auch nicht des Vorteils, durch die Schweiz mit dem apenninischen Königreiche Handelsverbindungen zu unterhalten, entäußern.“37 Darüber hinaus hatte sich Rumänien Italien gegenüber verpflich33 Siehe die großformatige Regimentsgeschichte der Leiber: Reiß/Armansperg/ Bomhard/Dreyer: Infanterie-Leibregiment, 1931. 34 Zu den Planungen: Pichler, Krieg, 1924, S. 38. 35 Vgl.: Dankl, Episoden, in: Bator/Bartl, Jahrbuch 1925 der Kaiserschützen, 1924, S. 37. 36 Ö. U. L. K., Bd. II, 1931, S. 515.

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tet, in den Krieg gegen die Mittelmächte einzutreten, sollte Deutschland eine Kampftätigkeit gegen Italien eröffnen. Die Offensive wurde auf Druck der Deutschen Obersten Heeresleitung (DOHL) abgebrochen, General Dankl übertrug aber trotz allem das Kommando über die Rayone IV und V an den bayerischen Generalleutnant (GLT) Krafft von Dellmensingen. Krafft dislozierte seine Truppen zwischen Bruneck und Cavalese als Reserve, setzte sie aber wenig später in den Abwehrkämpfen an der Dolomitenfront ein. Unter Berücksichtigung der von der DOHL verfügten Einschränkung befahl GLT Krafft am 11. Juni: „Die Verteidigung der Grenzstellungen, möglichst aus eigener Kraft, ist in der Hauptsache Aufgabe der österreichischen Abschnittsbesatzungen. Das Alpenkorps ist Reserve des Landesverteidigungskmdos. Wenn ihm mit dem Hauptteile die Verteidigung Südosttirols übertragen wurde, so lag dem die Absicht zugrunde, den dort erwarteten starken Angriffen, sobald sich die Hauptangriffsrichtung ausgesprochen und der Feind sich an unsere Stellungen festgebissen hat, möglichst mit kräftigem Gegenangriffe entgegenzutreten [. . .].“38

Die Entscheidung, das Alpenkorps nicht auf italienischem Boden einzusetzen, hat besonders in Österreich Fragen und Ablehnung hervorgerufen. Conrad schreibt am 10. Juni 1915 an seinen Freund Bolfras:39 „Ehe wir uns also sprechen werden, kann ich doch nicht umhin, meiner Konsternation darüber Ausdruck zu geben, dass das bayrische Alpenkorps untätig im Eisack- u. Rienztal stehen bleiben muss, während an den Einbruchstellen der Grenzen Tirols mit unseren schwachen Neuformationen u. dgl. gekämpft wird. Dagegen sträubt sich der Soldaten Verstand und Herz, und die braven Landesverteidiger werden, wie die Bevölkerung überhaupt, nie begreifen, was die Bayern in Tirol wollen, wenn sie an aktiver Verteidigung nicht teilnehmen?“40

Aber auch bei den betroffenen deutschen Jägern herrschte Unverständnis. Ein Regimentskommandeur schildert die Situation in seiner Regimentsgeschichte: „Die folgenden Tage und Wochen sind ausgefüllt mit dem Ausbau der neuen Stellungen und der Erkundung des Vorgeländes. Der Drang zur Bestätigung reizte zu verschiedenen Patrouillen-Unternehmungen. Leider war es den deutschen Jägern nicht erlaubt, den italienischen Verrätern so wie sie es gewollt hätten, an die Gur37

Ö. U. L. K., Bd. II, 1931, S. 515. Ö. U. L. K., Bd. II, 1931, S. 521. 39 Arthur Freiherr Bolfras von Ahnenburg (1838–1922), Generaladjutant und Chef der Militärkanzlei Seiner Majestät. Bolfras war einer der engsten und einflussreichsten Mitarbeiter des Kaisers auf dem Gebiet des Militärwesens. 40 Peball, Conrad – Private Aufzeichnungen, 1977, S. 278 f. Ähnlich hart äußerte sich General Alfred Krauß in der Rückschau: „Es war ein schwerer politischer Fehler, daß Deutschland nicht die natürliche Folge der Kriegserklärung Italiens an Österreich zog, und es war ein sonderbarer militärischer Verstoß, trotzdem deutsche Truppen in Tirol zu verwenden.“ Krauß, Ursachen, 1920, S. 178. 38

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gel zu springen, da die italienische Grenze von deutschen Gruppen auf allerhöchsten Befehl, ohne Kriegserklärung Italiens an Deutschland, die erst ein Jahr später am 27. August 1916 erfolgte, nicht überschritten werden durfte.“41

In der zweiten Junihälfte unternahmen die Italiener ernsthaftere Anstrengungen, die Abwehrfront zu durchbrechen. Vier italienische Bataillone rannten vergeblich gegen die österreichischen Verteidigungsstellungen zwischen Son Pauses und dem Falzaregopass an. Am 15. Juni versuchten italienische Verbände, über das Tilliacherjoch in das Sextental einzudringen, wurden aber von Angehörigen des Infanterieregiments 59 (genannt Rainer), des Bayerischen Leibregiments (genannt Leiber) und der Standschützenbataillone Sillian, Innsbruck, Silz aufgehalten.42 Am gleichen Tag scheiterte ein Angriff der Italiener auf den Col di Lana. Der größte Misserfolg dieser Tage war aber der groß angelegte italienische Ansturm auf die österreichischen Stellungen am Marmolatagletscher und in den Fassaner Bergen. Das Unternehmen kostete die Italiener 2.000 Tote und Verwundete, die Österreicher 19 Tote und 55 Verwundete. Pichler urteilt: „Die Italiener hatten im unwegsamsten und schwersten Gelände unsere Front angepackt, die ihnen durch einen Vorstoß über den Rollepass winkenden großen Erfolgsmöglichkeiten auszunützen, versuchten sie nicht.“43 Starke Aktivität entwickelten die Italiener auf den Hochflächen von Folgaria–Lavarone und Lusern-Vezzena. Die dem Festungsgürtel Verle–Lusern–Gschwendt–Cherle-Sommo Alto–Serrada vorgelagerte Verteidigungslinie war nur dünn besetzt. Die Bedeutung dieser Hochflächen wegen ihrer Lage zum Feind wurde schon an früherer Stelle hervorgehoben. Wichtige Beobachtungspunkte wie der Monte Coston, Monte Maggio und andere lagen an der Grenzlinie und waren zum Großteil italienisches Gebiet. Unmittelbar nach Kriegsbeginn wurden sie von österreichisch-ungarischen Truppen in Besitz genommen und als Artilleriebeobachtungsposten ausgebaut. 41 Zitiert in: Striffler, Robert: Der Minenkrieg in Tirol 1917. Kleiner ColbriconBuso del Oro-Marmolata (Schriftenreihe zur Zeitgeschichte Südtirols Bd. 8), Nürnberg 1988, S. 113. 42 Vgl. die Aufzeichnungen des Oberleutnants im 2. Regiment der Tiroler Kaiserjäger: Ebner, Oswald Kampf um die Sextner Rotwand. Im Anhang: Das Kriegstagebuch des Bergführers Sepp Innerkofler, Bregenz 1937, S. 11 ff. Zur (Kriegs-)Geschichte der Salzburger Rainer: Hoen, Max von: Geschichte des salzburgisch-oberösterreichischen K. u. k. Infanterie-Regiments Erzherzog Rainer Nr. 59 für den Zeitraum des Weltkrieges 1914–1918, Salzburg 1931. Sowie: Hueber, Anton: Die Rainer am Cimone. Erinnerung an ruhmreiche Tage, Salzburg 1936. Auch: o. V.: Unsere Rainer im Weltkriege 1914/1918. Herausgegeben vom k. u. k. Infanterie-Regiment Erzherzog Rainer Nr. 59, Salzburg 1918. Eine Übersicht über die Beteiligung an Kämpfen: Ontl, O.: Gefechtskalender 1914–1918 des ehemaligen k. u. k. Infanterie-Regimentes Erzherzog Rainer Nr. 59, Salzburg 1924. 43 Pichler, Krieg, 1924, S. 45.

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Sie waren deshalb von so großem Wert, weil sie als ‚die Augen‘ der Werke fungierten. Pichler weist in seinen Aufzeichnungen auf das bisher wenig bekannte Detail hin, dass Ende Juni vom Landesverteidigungskommando ein Fliegerzug auf die Folgaria Ebene verlegt wurde.44 Die Flieger ergänzten die Artilleriebeobachter und halfen, die sonst nicht sichtbaren feindlichen schweren Batterien zu lokalisieren und zu bekämpfen. Nach wechselvollen Kämpfen mussten die österreichischen Verteidiger den Monte Maggio wieder aufgeben, konnten sich aber auf der weiter zurück liegenden Höhe Milegna festkrallen. Bereits am 24. Mai begann die Beschießung der österreichischen Forts mit schweren und schwersten italienischen Kalibern.45 Die Festungswerke, die nur für eine vorübergehende Sicherung gebaut waren, litten schwer unter dem Bombardement.46 Bis zum 21. Juni wurden auf die Werke der beiden Hochflächen Lusern–Vezzena und Folgaria etwa 5.100 Schuss aus 28 Zentimeter Haubitzen abgegeben.47 Der Historiker Fritz Weber hat seine Erlebnisse während des infernalischen Trommelfeuers eindrucksvoll festgehalten: „Die Nacht ist eine zuckende Hölle. Pausenlos fegen Schrapnells über das Werk, die Straßen und Stützpunkte stehen unter schwerem Feuer. Trotzdem schleppen unsere Rekruten Zement durch die Laufgräben, Eisenträger und Spannschrauben, um die Wände des Kasemattenblocks [bombensicherer Raum, Anm. d. Verf.] verstärken und pölzen zu können. Zehn Tage rast das Feuer, ehe die Erlösung des Angriffs kommt. Dreitausend Dreißig-Zentimenter-Granaten und doppelt so viele Achtundzwanziger zersieben Decken und Panzer, bis die Ewigkeit dieser zehn Tage verflossen ist. [. . .] Das Werk stürzt Teil für Teil zusammen, jede Stunde bringt neue Schreckensbilder. Nur Branntwein schützt uns vor dem Wahnsinn.“48

Die extreme psychische Belastung führte auf österreichisch-ungarischer Seite zu einer schweren Krise. Am 28. Mai verlor der Kommandant des Werkes Lusern die Nerven und ließ die weiße Fahne hissen. Der bekannte Bergsteiger Luis Trenker war zu dieser Zeit in dem Nachbarfort Verle stationiert und hat seine Erlebnisse in dem autobiographischen Bericht ‚Sperrfort Rocca Alta‘ niedergelegt. Zur Situation in Lusern schreibt er: 44

Vgl: Pichler, Krieg, 1924, S. 42. Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. II, 1931, S. 519. Auch: Ministero delle Guerra (Hg.), L’esercito, II, Textband, 1927, S. 147. 46 Vgl.: Mattalia, Umberto: La guerra dei forti sugli altopiani. 1915–1916; Vezzena, Lavarone, Folgaria, altopiano dei sette comuni, Valdagno 1995. Auch der Bildband: Larcher, Fernando (Hg.): Folgaria, Lavarone, Luserna 1915–1918. Tre anni di guerra sugli Altipiani nelle immagini dell’archivio fotografico Clam Gallas Winkelbauer, Trento 2005. 47 Vgl.: Pichler, Krieg, 1924, S. 43. 48 Weber, Fritz: Das Ende der alten Armee. Österreich-Ungarns Zusammenbruch, Salzburg/Stuttgart 1959, S. 46 f. Fritz Weber behandelt auch in seinem Buch ‚Feuer auf den Gipfeln‘ seine Erlebnisse in den Forts der Hochebene. Vgl.: Weber, Fritz: Feuer auf den Gipfeln. Südtiroler Alpenkrieg, Regensburg 1932. 45

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„Vom 25. bis 29. Mai 1915 hatte die gegnerische Artillerie das Werk Lusern ununterbrochen mit schwerstem Feuer bombardiert. In den vier Tagen gingen gut 5.000 Granaten jeden Kalibers auf das Fort nieder. [. . .] Seit drei Tagen und Nächten hatte kein Mensch mehr geschlafen, die Offiziere waren durch die andauernden Detonationen innerhalb der Werkmauern völlig apathisch geworden. Von einem Augenblick zum anderen befürchteten sie durch die Explosion der Benzin- und Munitionslager ihr totales Ende. Jede Verbindung mit der Außenwelt war abgeschnitten.“49

Die Einnahme des Werkes durch italienische Truppen hätte höchstwahrscheinlich zum Zusammenbruch der Front geführt und konnte nur durch „[. . .] schlagartiges Einsetzen des Feuers vom Nachbarstützpunkt und energisches Eingreifen der im freien Feld stehenden Kommandanten [. . .]“ vermieden werden.50 An der Tiroler Westfront verliefen die ersten Kriegswochen relativ ruhig.51 Im Raum Stilfserjoch–Ortler war die Frage, ob Italien die Neutralität der Schweiz respektieren würde.52 Conrad von Hötzendorf vertraute auf den schweizerischen Flankenschutz und rechnete im Falle einer Neutralitätsverletzung sogar mit unterstützendem, offensivem schweizerischem Vorgehen Richtung Süden.53 Der Schweizer Armeekorpskommandant General 49 Trenker, Luis: Sperrfort Rocca Alta, München 1977, S. 121 f. Rocca Alta steht hier als Synonym für das Werk Verle, vgl. ibid., Einleitung, S. 6 f. Trenkers bekanntestes Buch zum Thema Alpenkrieg, das auch unter dem gleichnamigen Titel verfilmt wurde ist: Trenker, Luis: Berge in Flammen, Berlin 1935. Siehe hierzu auch: Alexander, Helmut: Der Dolomitenkrieg im ‚Tiroler‘ Film, in: Eisterer/Steininger, Tirol, 1995, S. 227–254. Zusätzlich ist noch erschienen: Trenker, Luis: Hauptmann Ladurner, München 1943. Informationen zu Trenkers Kriegsdienst finden sich auch in seiner Autobiographie: Trenker, Luis: Alles gut gegangen. Geschichten aus meinem Leben, Hamburg 1965. 50 Ö. U. L. K., Bd. II, 1931, S. 519. 51 Siehe zu dieser Region: Köll, Lois: Der Krieg auf den südlichen Ortler Bergen 1915–1918 (Schlern Schriften Nr. 162), Innsbruck 1957. 52 Zur ‚bewaffneten Neutralität‘ der Schweiz: Bonjour, Edgar: Geschichte der Schweizerischen Neutralität. Vier Jahrhunderte Eidgenössischer Aussenpolitik Bd. II, Basel 1970, S. 133 ff. Die militärische Entwicklung in: Rapold, Hans: Ausfallstore oder Schutzwälle? Schweizer Jura und Alpen zwischen Wiener Kongress und Versailles, in: Revue Internationale d’ Histoire Militaire (herausgegeben vom Comité International des Sciences Historiques), 65/1988, S. 203–230. 53 Diese kaum begründete, da von der Schweiz niemals zugesicherte Hoffnung findet sich in der Denkschrift Conrads vom 15.11.1911: „[. . .] daß sich die Schweiz durchaus nicht gebunden erachtet, von aktivem, kriegerischem Auftreten abzustehen, wobei insbesondere betont wird, dass speziell dem jungen Königreich Italien gegenüber eine derartige Neutralitätsverpflichtung nicht bestehe. Da nun die Schweiz gleichfalls von der italienisch-irredentistischen Agitation bedroht ist und gegen Italien sehr ungünstige Grenzverhältnisse hat, so ist bei entsprechender Politik zu hof-

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Ulrich Wille befand schon am 7. Mai 1915 in einem Brief an den Schweizer Generalstabschef Theophil Sprecher von Bernegg:54 „Mag man auch von der italienischen Armeeführung so gering denken wie man will, so glaube ich doch, dass dieselbe unter den gegenwärtigen Verhältnissen niemals auf den Gedanken kommen könnte, das Ziel ihrer Operationen könne erreicht werden mit einer Diversion durch die Schweiz gegen Tirol. Das Einschlagen dieses Weges würde Italien von seinem Operationsziel abführen und auch dann in eine ungünstige Lage bringen, selbst wenn man die schweizerische Armee bei ihrer Verteidigung der Alpenpässe als ‚quantité négligeable‘ betrachten darf.“55

Die K. u. k. Truppen begegneten der Gefahr einer Neutralitätsverletzung der Schweiz durch Italien zunächst mit einer hinter der Landesgrenze, also weiter im Landesinneren, liegenden Verteidigungslinie. Mit dem Aufziehen eidgenössischen Militärs an der Grenze war einer Umgehung der österreichischen Linien über das Tauferertal durch die Italiener vorgebeugt und die österreichische Widerstandslinie wurde nach vorne verlegt.56 Noch im Juni 1915 wurde die Dreisprachenspitze, in direkter Nähe zur Schweizer Grenze, als Reserve und Unterkunftsgebiet ausgebaut. Das kasernenartige Lempruch Lager durfte von der italienischen Artillerie nicht beschossen werden. fen, daß die Monarchie im Falle eines Krieges gegen Italien die Schweiz als Verbündeten zur Seite haben würde, worin ein ganz bedeutender militärischer Vorteil gelegen wäre.“ Conrad, Dienstzeit, II, 1922, S. 442. Seine etwas vorsichtigere Einschätzung bezüglich des potentiellen Verbündeten zwei Jahre früher in: Conrad, Dienstzeit, I, 1921, S. 206. Siehe auch: Bonjour, Neutralität, II, 1970, S. 117; Rapold, Ausfallstore, 1988, S. 219. 54 Der schweizerischer General Ullrich Wille (1848–1925) war seit 1907 Professor an der ETH in Zürich, Abteilung Militärwissenschaft, von 1914–1918 dann General des schweizerischen Heeres während des mobilen Zustandes. Siehe hierzu: Fuhrer, Hans Rudolf/Strässle, Paul Meinrad: General Ulrich Wille. Vorbild den einen – Feindbild den anderen, Zürich 2003. Theophil Andreas Luzius Sprecher von Bernegg (1850–1927) war Schweizer Politiker und von 1914–1919 Chef des Generalstabs der Schweizer Armee. Siehe auch die Biographien: Sprecher, Daniel: Generalstabschef Theophil Sprecher von Bernegg. Seine militärisch-politische Leistung unter besonderer Berücksichtigung der Neutralität (zugl. Univ. Diss), Zürich 2000; Hartmann, Benedict: Oberstkorpskommandant Theophil Sprecher v. Bernegg. Generalstabschef der schweiz. Armee 1914–1919. Versuch einer Biographie, Chur 1930. 55 Freymond, Jacques/Isabelle, Graf-Junod/Browning, Alison (Hg.): Diplomatische Dokumente der Schweiz 1848–1945, Bd. 6: 29 juin 1914–11 novembre 1918, Bern 1981, Nr. 122 S. 202. 56 Das Grundlagenwerk zur Schweiz von: Fuhrer, Hans Rudolf: Die Schweizer Armee im Ersten Weltkrieg. Bedrohung, Landesverteidigung und Landesbefestigung (zugl. Univ. Habil.), Zürich 1999. Sehr aufschlussreich auch das Dossier im deutschen Auswärtigen Amt, erstellt auf Grundlage des Aktivberichtes von General Ullrich Wille über die Dienstzeit 1914/1918, in: PAA, R 11372: Militärische Angelegenheiten der Schweiz 01.09.1913–Februar 1920.

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„Der eigentümliche Verlauf der Schweizer Grenze, die dort gegen Süden einen scharfen Winkel bildet, zwischen dessen Schenkeln das von einer Schweizer Sicherheitsbesatzung dauernd besetzte Hotel Dreisprachenspitze liegt, ermöglichte es uns, unter dem Schutze der Neutralität, knapp an die Schweizer Grenze gelehnt, die wichtigsten Baracken und Unterkünfte zu errichten, welche von Feindesseite, da die Geschossflugbahnen neutrales Gebiet nicht kreuzen durften, nicht wirksam, höchstens nur ganz schräge, beschossen werden konnten.“57

Entscheidend war in diesem Abschnitt die Aktion des Gendarmerieoberleutnants Andreas Steiner aus Neumarkt, der am 4. Juni mit einer Gruppe Freiwilliger (Gendarmen, Finanzwachen, Landsturmleute und Standschützen) den von den Italienern besetzten Monte Scorluzzo eroberte.58 Es war die erste Eroberung eines Dreitausender Berges und nachfolgend konnte dieser bis 3. November 1918 dauernd besetzt gehalten werden. Oberleutnant Steiner sah sich berechtigt, für diese Eroberung um den Militär Maria Theresienorden anzusuchen. In seinem Gesuch an die Ordenskanzlei schrieb er: „Am 31. Mai 1915, 7 Uhr nachmittags, traf ich in Prad ein, meldete gleich beim Subrayonskommando I mein Einrücken. Sofort erhielt ich vom Kommandanten Oberstleutnant Friedrich Hradezny in Anwesenheit des den Generalstabsdienst versehenden Hauptmann Emil Kristof, beide Herren vom Kaiserschützen-Regiment Nr. II, den Befehl auf das Stilfser Joch abzugehen und dort das Kommando über die Beobachtungspatrouille zu übernehmen. [. . .] aufgrund der jetzigen Situation und nach Beurteilung des Wertes des Monte Scorluzzo für das Stilfser Joch, entschloss ich mich, ohne Rücksicht auf meine Aufgaben und Befehle, und ohne hiezu Befehle einzuholen, die Italiener vom Monte Scorluzzo zu vertreiben und den Berg in eigenen Besitz zu nehmen. [. . .] gegen 4 Uhr nachmittags war der Monte Scorluzzo [des 4. Juni 1915, Anm. d. Verf.], der für die Verteidigung des Stilfser Joches entscheidendste Berg von uns besetzt.“59

Der Monte Scorluzzo hatte einen immensen strategischen Wert. Von ihm aus konnte man weit in das Ortlergebiet hineinblicken und mit seinen 3.094 Metern Höhe beherrschte diese Bergspitze das Stilfserjoch. Ohne Scorluzzo wäre eine Verteidigung des Jochsattels nicht möglich gewesen. Der Rayonskommandant von Lempruch: „Auch der Laie erkennt auf den ersten Blick, dass nur der, welcher diese beherrschende Höhe besitzt, das in der Tiefe liegende Stilfserjoch, 2.760 m, dauernd zu behaupten vermag.“60 Die Ent57

Lempruch, König der Alpen, 1925, S. 14. Vgl.: Pichler, Krieg, 1924, S. 36. Der Bericht des Oberleutnant Steiner zur Besetzung des Scorluzzogipfels, mit dem er sich als Anwärter des Maria Theresia Ordens bewarb ist auszugsweise nachzulesen in: Accola, Stilfserjoch-Umbrail, 1996, S. 34. 59 MILAR/MHFZ, Karton MIL-IBK 2, Faszikel: Ortler-Scorluzzo, Ansuchen von Gendarmerie-Rittmeister (nach Beförderung) Andreas Steiner um Verleihung des Militär Maria Theresienordens. 60 Lempruch, König der Alpen, 1925, S. 13. 58

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scheidung des Oberleutnants Steiner, den Berg ohne ausdrücklichen Befehl zu besetzen, wertet Lempruch als: „Ein selbständiger Entschluss, der von durchschlagendster Bedeutung für die ganze folgende Verteidigung dieses Teiles der Westtiroler Front werden sollte.“61 Nach diesem geglückten Unternehmen gingen die Österreicher daran, die Front auf die Linie Stilfserjoch–Monte Scorluzzo-Naglerspitze vorzuverlegen. Südlich des Tonale unternahmen am 9. Juni erstmals stärkere italienische Verbände einen Angriff. Ein Alpinibataillon versuchte, vom Presenagletscher auf den Passo Paradiso vorzurücken, konnte aber unter schweren Verlusten von den Österreichern zurückgeschlagen werden.62 Die Frühjahrskämpfe in Tirol brachten für beide Gegner weder eine Änderung der Lage, noch der Kräfteverteilung. Die österreichisch-ungarischen Truppen hatten allerdings die Überzeugung gewonnen, dass sie dem in jenen Tagen mehrfach überlegenen Gegner erfolgreich die Stirn geboten hatten. Das K. u. k. Kriegspressequartier hat dazu am 30. Juli 1915 in propagandistischer Manier verlauten lassen: „Unsere naive Auffassung hat das Sprichwort erfunden, dass Stillstand Rückschritt sei, das machen sich die Italiener zunutze und argumentieren, dass unsere Truppen, weil sie stillstehen, eigentlich zurückgehen. Für die Italiener aber bedeutet der Umstand, dass sie angesichts des Gegners stehen bleiben dürfen, einen ungeahnten Fortschritt, und so erklärt sich aus dem Zusammenhalt beider Tatsachen, dass Cadornas Berichte mit dem Brustton der Ueberzeugung [sic] von stetigen Fortschritten zu erzählen wissen.“ Hierbei habe Cadorna „[. . .] zwei Monate hindurch die Nennung von Ortsnamen sorgsam vermieden [. . .], um das Geheimnis des Tempos dieses ‚stetigen Fortschrittes‘ zu verhüllen.“63

Man kann der Meinung des italienischen Schriftstellers Aldo Valori beipflichten, der den schwer wiegenden Fehler, den die italienischen Führung begangen hatte, darin sah, dass man die Vorbereitungen so getroffen hatte, „[. . .] als müsste man das ganze österreichisch-ungarische Heer an der Grenze schlagen, ohne in Rechnung zu ziehen, dass drei Viertel der österreichischen Macht an der russischen Front gebunden waren, wo sie uns in keiner Weise Schaden zuzufügen vermochten und wir sie ruhig dem russischen Heere überlassen konnten.“64 Das österreichische Generalstabswerk 61 Lempruch, König der Alpen, 1925, S. 13. Eine kritische Betrachtung zu Steiner in: Marseiler, Sebastian/Bernhart, Udo/ Haller, Franz: Zeit im Eis. Gletscher geben die Geschichte frei. Die Front am Ortler 1915–1918, Bozen 1996, S. 68–70. 62 Zu diesem Kampfabschnitt auch die Veröffentlichung von: Lichem, Heinz von: Auf Gletschern, Gipfeln und Graten: Kampf um den Fortbestand der Donaumonarchie – der Adamello-Presanella-Krieg 1915–1918, in: Der Donauraum, 3./4. Heft 1975, S. 129–153. 63 Zitiert in: Baer, Völkerkrieg, VIII, 1916, S. 143. 64 Fröhlich, Kampf, 1932, S. 23.

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urteilte: „Das Unternehmen, das Cadorna in den ersten Kriegswochen in dieser Richtung [auf Tarvis und Villach, Anm. d. Verf.] ansetzte, entbehrte von Anbeginn des nötigen Schwunges, indes der Vorstoß auf Toblach überhaupt nicht zur Entwicklung kam.“65

II. Krieg der Bergführer – Standschützenoberjäger Sepp Innerkofler Die Kämpfe, die sich im Laufe der Monate Mai–Juni–Juli 1915 an der italienisch-österreichischen Grenze abspielten, charakterisieren sich dadurch, dass sie in eine Reihe örtlich beschränkter Gefechte zerfielen, die nicht miteinander im Zusammenhang standen. Die Italiener versuchten, an verschiedenen Stellen in das Innere Tirols vorzudringen und wahrscheinlich gab es keinen Pass, keine Straße und keinen Übergang, an dem nicht schon in diesen frühen Tagen gekämpft worden war. In den meisten Fällen waren es aber nicht groß angelegte, mit starken Kräften unternommene Operationen, sondern kleine regionale Vorstöße. Die Truppen, die dabei zur Verwendung kamen, überstiegen vielfach nicht die Größe eines Bataillons, höchstens eines Regimentes. Bedingt war dies zum Teil durch den Charakter des Hochgebirges, der die zusammenhängende Verwendung größerer Heeresmassen nicht gestattete. Die Verwendung noch kleinerer, extrem mobiler und flexibler Einheiten führte in den ersten Kriegsmonaten zur Ausbildung des so genannten Krieges der Bergführer. In den Hochgebirgsregionen der gesamten Tiroler Front waren Patrouillenunternehmen die Regel, da es nur mit kleinen und gut ausgebildeten Detachements möglich war, sich in den Felsen zügig fortzubewegen. Am Beispiel der ‚Fliegenden Patrouille‘ des Sepp Innerkofler soll dies verdeutlicht werden. Der damals 51-jährige wurde zum Sinnbild für die Art, wie um die Felsspitzen gekämpft wurde. Sein Tod ist eine der bekanntesten Episoden des Gebirgskrieges in den Dolomiten und Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen.66 Seine spezielle Patrouille bestand aus bergerfahrenen Stand65

Ö. U. L. K., Bd. II, 1931, S. 790. An dieser Stelle sollen nur vier Publikationen genannt werden, weil sie am ehesten einen quellenhaften Charakter haben. Weitere Literatur findet sich in den folgenden Fußnoten. Innerkoflers Kriegstagebuch mit einer Darstellung der Ereignisse in: Ebner, Sextner Rotwand, 1937, S. 185–203. Eine auf den Tatsachen beruhende aber romanhafte Darstellung bei: Springenschmid, Karl: Der Sepp. Der Lebensroman Sepp Innerkoflers, München o. J. Die Patrouillentätigkeit Innerkoflers von Mai 1915 bis zu seinem Tod in: Schemfil, Kämpfe im Drei Zinnen-Gebiet, 1986, S. 27–32; S. 50–63. Vgl. auch: Golowitsch, Schützen verteidigen Tirol, 1985, S. 230–237. 66

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schützen der Gegend um Sexten, unter ihnen die bekannten Bergführer Forcher, Rogger und Piller. Als Wirt der Dreizinnenhütte war Innerkofler mit den Bergen der Zinnenhochfläche bestens vertraut. Dieser Zinnen-Kampfabschnitt lag zwischen zwei vermutlichen Einbruchsrichtungen des Feindes: im Westen das Höhlensteintal und im Osten das Sextental. Durch die Überhöhung des Plateaus und die damit verbundene Beobachtungs- und Wirkungsmöglichkeit hatten die Stellungen große Bedeutung für die umliegenden Abschnitte ‚Landro‘ und ‚Burgstall‘. Der ausgesprochene Hochgebirgscharakter und das Fehlen von befahrbaren Versorgungsstraßen in das Pustertal machten das Gelände unbrauchbar für den Einsatz starker Kräfte und ließen nur kleinere Angriffsoperationen zu. Die ‚Fliegende Patrouille‘ erhielt ihren Namen, weil sie überall zu sein schien. Ihre ständig wechselnde Anwesenheit auf Graten und Zinnen täuschte den Italienern die Besitznahme von Bergstellungen vor, die in Wahrheit gar nicht ständig besetzt werden konnten. „Als Kommandant der ‚Fliegenden Patrouille‘ begann er [Innerkofler, Anm. d. Verf.] einen Kleinkrieg in den noch tief verschneiten Sextener Bergen, hartnäckig und verbissen, dem Gegner, auf den er unerwartet und überraschend wie der Teufel aus den Bergen losbrach, ein Schrecken.“67 Die Patrouille „[. . .] erkundete, täuschte, kämpfte.“68 Ziel der Unternehmung, die Innerkofler am 4. Juli 1915 leitete, war der Paternkofel, dessen 2.476 Meter hoher Gipfel die Beherrschung des Paternsattels und der Bödenknoten garantierte. Zudem war er ein exzellenter Beobachtungsposten, der sowohl tiefen Einblick in die italienischen Stellungen hinter dem Paternsattel als auch in die österreichischen Linien garantierte. Eine dauerhafte Besetzung des Paternkofels, wie sie Innerkofler bereits Ende Mai 1915 vorgeschlagen hatte, war aufgrund der zahlenmäßigen Schwäche der österreichisch-ungarischen Verteidiger nicht möglich gewesen.69 Nach dem gescheiterten österreichischen Angriff auf den Paternsattel am 26. Mai 1915 besetzten italienische Alpini den Paternkofel (29. Mai). Sie zu vertreiben und den Gipfel dauerhaft zu sichern war die Aufgabe der Paternkofelunternehmung. Innerkofler, der die Aktion als Himmelfahrtskommando ansah, startete in morgendlicher Dunkelheit um ein Uhr früh mit den Sextener Bergführern Forcher, Piller, Rogger und den beiden Standschützen Taibon und von Rapp.70 Ihr Auftrag: 67 So einer der berühmtesten Bergsteiger seiner Zeit und Leutnant des VIII. K. u. k. Gebirgsartillerieregiments Gunther Langes in seinem Buch: Die Front in Fels und Eis. Der Weltkrieg 1914–1918 im Hochgebirge, Bozen 1977, S. 40. 68 Langes, Front in Fels und Eis, 1977, S. 40. 69 Vgl.: Kübler, Peter/Reider, Hugo: Kampf um die Drei Zinnen. Das Herzstück der Sextener Dolomiten 1915–1917 und heute, Bozen 1997, S. 31. 70 Innerkofler verbot seinem Sohn Gottfried, der gemeinsam mit dem Vater eingerückt war und ihn bis dahin auf fast allen Unternehmungen begleitet hatte, die

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„[. . .] unter einem Überhang der Nordwestwand die Artillerievorbereitung abzuwarten und dann den Paternkofel in Besitz zu nehmen.“71 Den Aufstieg schilderte der Teilnehmer von Rapp: „In Kletterschuhen stiegen wir zum Gipfel an. Sepp voraus, dann ich, hinter mir Forcher, darauf der Lehrer Taibon aus Olang und nach ihm Piller und Rogger. Über eine kurze Geröllreiße gelangten wir zu dem knieförmig gebogenen Kamin mit einem eingeklemmten Felsblock; dann ging es über ein schmales zwei Fuß breites Felsband auf eine kleine Platte. Noch wenige Schritte! Und wir standen auf dem beliebten Beobachtungspunkt des Sepp. Über festes Gestein nahmen wir den Weg weiter aufwärts bis zu einem Felszacken, wo wir vorsichtig gegen die Drei Zinnen hinüberspähten. [. . .] Dort holten wir Atem und Rogger gab der Artillerie mit einer roten Fahne das Zeichen zum Einstellen des Feuers. Als wir beisammen waren, kletterten wir rasch der Reihe nach durch den Kamin auf den Gipfel, den wir in etwa fünf Minuten erreichten.“72

Gegen acht Uhr früh kletterten Innerkofler, Forcher, Rapp und Taibon aus dem Kamin. Sie wurden von den italienischen Posten entdeckt und sofort beschossen und mit Steinen beworfen. Innerkofler warf zwei Handgranaten, die aber beide nicht explodierten. Forcher wurde durch einen Steinwurf am Kopf und gleichzeitig durch einen Gewehrschuss am Oberschenkel verletzt und stieg wieder ab.73 Der Standschütze Josef Taibon schildert den Kampf: „[. . .] hörte ich links von mir kein Schießen mehr, schaute hinüber und konnte Innerkofler nicht mehr erblicken, suchte blickend weiter und sah rückwärts zu meinen Füßen ganz am Abgrunde rotgefärbte Steine. Ich wusste genug und deutete dies meinem Nachbarn, Kameraden Rapp.“74 In dieser prekären Lage rief Rapp dem Standschützen Taibon zu, rasch wieder herunterzuklettern, wenn man nicht Gefahr laufen wollte, gefangen zu werden, da sich das Angriffskommando, das nur mehr aus diesen zwei bestand, einer weitaus größeren Zahl von Italiener gegenübersah. Standschütze von Rapp: „Mehr rutschend als kletternd, begleitet von nachkommenden Steinen und von den Zinnen herübersausenden Maschinengewehrgeschossen kamen wir beide ohne nennenswerten Schaden im Kamin herunter zur Wandschlucht. ‚Wo ist der Sepp?‘ fragten uns Piller, Forcher und Rogger. Ich deutete mit der Hand nach oben – es war unmöglich, ein Wort hervorzubringen.“75 Teilnahme an der Unternehmung und soll ihm zum Abschied gesagt haben: „Es genügt, wenn die Mutter um einen von uns trauern muß.“ In: Golowitsch, Schützen verteidigen Tirol, 1985, S. 234. Vgl. auch: Kübler/Reider, Drei Zinnen, 1997, S. 36. 71 Laut der ‚Zusammenstellung der Angriffsabteilung und Angriffsdisposition‘ des Kommandierenden Hauptmann Wellean, in: Schemfil, Kämpfe im Drei ZinnenGebiet, 1986, S. 52 f. 72 Veröffentlicht in: Schemfil, Kämpfe im Drei Zinnen-Gebiet, 1986, S. 56 f. 73 Vgl.: Lichem, Heinz von: Gebirgskrieg 1915–1918. (Bd. 2: Die Dolomitenfront), Bozen 2001, S. 337. 74 Zitiert in: Schemfil, Kämpfe im Drei Zinnen-Gebiet, 1986, S. 57.

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F. Vom Krieg der Bergführer zur ‚Verdunisierung‘

Innerkofler war, von einem Stein oder Geschoss tödlich getroffen, 50 Meter tief in den Oppel-Felskamin gestürzt. Die bergsteigerisch und militärisch äußerst schwierige Angriffsunternehmung war misslungen. Die Alpini erwiesen dem Feind – wie so oft – größten Respekt, bargen unter Lebensgefahr den Leichnam und bestatteten ihn auf dem Gipfel, ein an anderen Fronten nur schwer vorstellbarer Vorgang. An diesem Beispiel wird die Strategie klar, die im Hochgebirge – vom Ortler bis zu den Dolomiten – von beiden Seiten verfolgt wurde. Mit regelmäßigen Patrouillen über die Gipfel und Grate sollten diese kontrolliert werden. Den österreichisch-ungarischen Truppen lag besonders in den ersten Kriegswochen am Herzen, „[. . .] dem Feinde ein Potemkinsches Dorf einer nicht vorhandenen Verteidigung“ vorzutäuschen.76 Österreichern wie Italienern fehlten aber genügend trainierte Hochalpinisten, die dieses äußerst exponierte Klettergelände auf breiter Front halten konnten. Man versuchte daher, mit immer kühneren Unternehmungen dem Gegner zuvorzukommen und Positionen dauerhaft zu besetzen. Es hat sich gezeigt, dass derjenige, der zuerst die Gipfel besetzte, auf Dauer gesehen erfolgreicher war. Die Geschichte Sepp Innerkoflers beschäftigt die Menschen bis heute. Nach seiner Beerdigung auf dem Gipfel des Paternkofels war es zunächst ruhig um ihn. Mit Abzug der italienischen Truppen aus den Dolomiten in Folge der zwölften Isonzoschlacht fand am 27. August 1918 unter Leitung des Fortifikationswerkmeisters Anton Trixl die Enterdigung der sterblichen Überreste Innerkoflers statt. Der Sarg wurde abgeseilt und ins Tal verbracht. Ihre letzte Ruhe fanden die Gebeine im Familiengrab der Familie Innerkofler auf dem Friedhof in Sexten.77 Die Todesursache ist bis heute nicht einwandfrei geklärt und gab über die Jahre immer wieder Anlass zu Spekulationen. Die Gerüchte verstummten nie, dass Innerkofler im eigenen Deckungsfeuer (friendly fire) umgekommen sei.78 Die Autoren Schemfil und Springenschmid waren hingegen die vehementesten Verfechter der Theorie, dass Innerkofler durch Feindeinwirkung fiel.79 Sein Sohn Josef Innerkofler vertrat aber die Meinung, sein Vater sei durch eine eigene, österreichische „[. . .] Maschinengewehrstellung am Innichriedel am Fuße des Toblinger Knotens“ getötet worden.80 Einer der ambitioniertesten und ‚de75

Zitiert in: Schemfil, Kämpfe im Drei Zinnen-Gebiet, 1986, S. 57. Golowitsch, Schützen verteidigen Tirol, 1985, S. 232. 77 Vgl.: Schemfil, Kämpfe im Drei Zinnen-Gebiet, 1986, S. 61. 78 Allgemein: Mellitzer, Rolf: Sepp Innerkoflers Tod am Paternkofel, in: Dolomiten 62. Jg Nr. 152/1985, S. 12. 79 Siehe ibid. Auch: Springenschmid, Karl: Zum Tode Sepp Innerkoflers, in: Der Schlern 50 Jg. Heft 6/1976, S. 353 f. 76

II. Krieg der Bergführer

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tektivisch‘ weit fortgeschrittenen Innerkofler-Forscher war der ehemalige Kaiserschützen-Bergführeroffizier Josef Anton Mayr.81 Er hat mit höchster Akribie Quellenmaterial gesammelt und Zeitzeugen befragt. In seinem Innerkofler-Archiv findet sich auch ein Dokument, das hier exemplarisch vorgestellt werden soll, weil es auch die persönliche Dimension dieses Krieges betont. Im März 1960 schrieb der einstige Tiroler Kaiserschütze Franz Rigotti einen Brief an den Pfarrer von Sexten, vermutlich um sein Gewissen zu erleichtern. Franz Rigotti wurde im Jahre 1894 in Penzberg (Oberbayern) geboren, seine Eltern stammten aber aus Sankt Lorenzo in der Brentagruppe und waren damals Tiroler. Rigotti schreibt: „Hochwürdiger Herr Pfarrer von Sexten! Bitte meine an Sie gerichteten Zeilen nach so langer Zeit zu entschuldigen. Denn die Jahre vergehen so schnell, bis man umschaut ist man alt geworden. Diese Zeilen teilen Ihnen eine wahre Begebenheit aus dem Weltkrieg 1914–1918 mit. Zugleich mit der Bitte, den Angehörigen und Nachkommen vom ehemaligen Bergführer Sepp Innerkofler diese von mir an Sie gerichteten Zeilen lesen zu lassen. [. . .] denn ich war der Feldwachekommandant am Einserkar, alles ringsherum war vom Feind besetzt. Unser Gegner war das 6. Alpini-Regiment Feltre. Meine Einheit war vom 2ten Tiroler Landesschützen-Regiment. Auf einmal tauchte in der Mitte vom Paternkofel eine Patrollie [sic] von 4 Mann auf. Wir, auf dem Einserkar, konnten Feind oder Freund nicht unterscheiden. Denn wir hatten zur damaligen Zeit keinen Feldstecher, wir stellten unsere Gewehre ein. Auf mein Kommando Salve an, Feuer, sahen wir drüben auf dem Grat zum Paternkofel einen Mann stürzen. Leider war es der arme Sepp Innerkofler, den ich im Leben sehr gut kannte – habe mit ihm auf der Zigmondyhütte manches Gespräch geführt über unsere schlechte Verpflegung zur damaligen Zeit und über unsere schlechte Kriegsführung. [. . .] ich war sehr bestürzt und traurig als ich am Abend bei unserer Ablösung von der Sache erfuhr, leider konnte man uns keinen Vorwurf machen denn diese Patrollie [sic] war uns gar nicht gemeldet worden. Diese Unternehmung hätte uns schon 8 Tage zuvor gemeldet werden müssen, dann wäre solch ein trauriger Vorfall nicht passiert. Herr Hochwürden diese meine Angaben entsprechen der reinen Wahrheit. [. . .] Hochachtungsvoll grüßt Sie Franz Rigotti ehemaliger Oberjäger und Dienstfüh80

In: Kübler/Reider, Drei Zinnen, 1997, S. 43. Vgl.: ebd., S. 40–51. Grundlegend der Artikel von Innerkofler selbst: Innerkofler, Sepp: Zum Tod meines Vaters Sepp Innerkofler, in: Der Schlern 49 Jg. Heft 11/1975, S. 544–546. Dazu auch: Lichem, Gebirgskrieg, II, 2001, S. 338–344, sowie Langes, Front in Fels, 1977, S. 46. 81 Josef Anton Mayr (1895–1979), war Schütze in den Sextener Dolomiten, dann Bergführeroffizier der Kaiserschützen und 1918 Kommandant am Passo Segni in der Adamello.Presanella Gruppe. Nach dem Zweiten Weltkrieg Mitglied der Österreichischen Volkspartei und Tiroler Landesrat für Wirtschaft 1949–1961 sowie Landeshauptmannstellvertreter. Der Schriftsteller und Militärexperte Dr. Heinz von Lichem war ein persönlicher Freund Josef Anton Mayrs und stand dem Verfasser dieser Arbeit zu mehreren Interviews über diese Thematik zur Verfügung.

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F. Vom Krieg der Bergführer zur ‚Verdunisierung‘

render im 2ten Tiroler Kaiserschützen-Regiment, ab 1916 beim 3ten Tiroler Kaiserschützen-Regiment-Predazzo–Fleimstal.“82

Letztlich blieb aber das Schicksal Innerkoflers ungeklärt und auch Josef Anton Mayr hatte keine Möglichkeit, den ultimativen Beweis zu erbringen. In einer Denkschrift hat er das Problem abschließend und richtig auf den Punkt gebracht: „Sepps Tod bedeutet eine erschütternde soldatische und menschliche Tragödie. Seine Gestalt ist mit Recht zu einer legendären Berühmtheit erwachsen. Wie immer es nun wirklich gewesen sein mag, wer vermöchte das mit gutem Gewissen zu sagen? Er ist und bleibt das Bild eines großen Tirolers, der sein ganzes Können und schließlich sein Leben der Heimat zum Opfer gebracht hat.“83

III. Sommerschlachten und Abwehrkämpfe 1915/1916 Die Landesverteidigung Tirol war im Juni, so gut es ging, zahlenmäßig verstärkt worden und verfügte gegen Ende des Monats über 48 Feldbataillone und etwa 15.000 Standschützenkämpfer, im Ganzen 53.000 Feuergewehre.84 Das ebenfalls eintreffende Tiroler Kaiserschützenregiment I. ließ das Verteidigungskommando auf eine aktivere Verteidigung hoffen. Diese Hoffnung wurde enttäuscht, da das Regiment zur Isonzofront abtransportiert werden musste. Hier tobte die erste von zwölf extrem verlustreichen Schlachten, die denen der West- und Ostfront an Grausamkeit und Zerstörung in nichts nachstanden.85 Im Ortlergebiet versuchten die Italiener, die durch die Einbeziehung des Monte Scorluzzo und der Naglerspitze sehr stark gewordene Verteidigungslinie anzugreifen. Das Vorgehen am 21. Juli scheiterte schließlich trotz starker Artillerieunterstützung. Dieses sehr schwierige, hochalpine Gelände ließ nur kleine Unternehmungen zu, die von Hochgebirgsspezialisten in enormer Kühnheit durchgeführt wurden. Die Verteidigung ruhte auf den wenigen, aber sehr aktiven und auf hoher alpiner Ausbildungsstufe stehenden Sol82 Brief von Franz Rigotti aus Abensberg (Bayern) vom 01.03.1960 an den namentlich nicht genannten Pfarrer von Sexten. Aus dem Sepp-Innerkofler-Archiv von Josef Anton Mayr; in: MILAR/MHFZ, MIL-IBK 11: Nachlaß Josef Anton Mayrs zu Innerkofler. 83 MILAR/MHFZ, MIL-IBK 10: Tagebücher und Kriegspost Josef Anton Mayrs. Veröffentlicht unter: Mayr, Josef Anton: Das Unternehmen ‚Paternkofel‘ am 4. Juli 1915: Sepp Innerkoflers Tod, in: Alpenvereins Jahrbuch 1976, S. 104. Zum Tod auch: o. V.: Sepp Innerkoflers Heldentod. Von einem Augenzeugen, in: Bator/Bartl, Jahrbuch 1925 der Kaiserschützen, 1924, S. 135–140. 84 Laut Pichler, Krieg, 1924, S. 47. 85 Zur ersten Isonzoschlacht (23.6–7.7.1915): Ö. U. L. K., Bd. II, 1931, S. 733–744.

III. Sommerschlachten und Abwehrkämpfe 1915/1916

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daten des Tiroler Kaiserjägerregiments 1 unter Oberst von Abendorf.86 Die österreichisch-ungarischen Truppen hatten in diesem Sommer besonders mit einer selbstverschuldeten Unannehmlichkeit zu kämpfen: Sie hatten kurz nach Kriegsausbruch an der Stilfserjochstraße und in der Umgebung der Sperre Gomagoi umfangreiche Sprengungen durchgeführt. Man hatte sich nach dem gültigen, aber „[. . .] etwas vorsintflutlichen Ausrüstungsentwurfe für die Sperre Gomagoi“ gerichtet, der diverse Sprengungen vorsah, um „[. . .] den feindlichen Vormarsch zu verlangsamen“, beziehungsweise „[. . .] um das Schussfeld im Rücken (!) der Sperre Gomagoi im Falle eines feindlichen Einbruches in das Suldental freizulegen.“87 Die hierbei angerichteten Zerstörungen der Straße erschwerten die Versorgung der bis auf italienisches Gebiet vorgeschobenen Verteidigungsstellungen. Noch schlimmer sollte es im Winter werden, da auch Hotels und Häuser gesprengt worden waren, die als Unterkünfte und Ruhestellungen dringend benötigt wurden.88 Der Abschnittskommandant: „Durch diese sehr einschneidenden Zerstörungen, für welche indes niemand anderer verantwortlich gemacht werden kann, als der, auf ganz veralteten Anschauungen fußende, dabei aber bindende Ausrüstungsentwurf [. . .], war der Verkehr auf der Stilfserjochstraße nachhaltig unterbrochen, was für eine aktiv durchzuführende Verteidigung von schwerem Nachteile war.“89 Den Sommer über fanden im Ortlergebiet keine bemerkenswerten Unternehmungen mehr statt. Am 20. September beobachtete eine österreichischungarische Feldwache am Cedehgletscher den Vormarsch einer italienischen Abteilung gegen die Königsspitze.90 Dies war insofern eine alpinistisch bemerkenswerte Leistung, als dass ein Geschütz auf das Königsjoch (3.295 Meter) transportiert wurde und die als österreichische Truppenunterkunft dienende Schaubachhütte (2.573 Meter) beschoss.91 Das Ende dieser Aktion beschreibt das österreichische Generalstabswerk: „Um nun den lästigen 86 Oberst von Abendorf verstarb im März 1916 und wurde durch Freiherrn von Lempruch ersetzt. Vgl.: Lempruch, König der Alpen, 1925, S. 23. 87 Lempruch, König der Alpen, 1925, S. 12. 88 Hierzu auch: Accola, Stilfserjoch-Umbrail, 1996, S. 9. 89 Lempruch, König der Alpen, 1925, S. 13. Siehe auch: Accola, Stilfserjoch-Umbrail, 1996, S. 9. Bei der ortsansässigen Bevölkerung herrschte völliges Unverständnis für die offizielle Verteidigungsstrategie. Der damals 17-jährige Kaiserschütze Johann Burger dazu: „Die Deppen, in Gomagoi haben sie die Häuser gesprengt, ein Tscheche war Offizier, um Ausschuß für die Festung zu haben, das haben sie ‚mit Fleiß‘ – absichtlich – getan, auch Brücken haben sie gesprengt, um sie kurz darauf mit Müh und Not wieder zu reparieren.“ Marseiler/Bernhart/Haller, Zeit im Eis, 1996, S. 66. 90 Vgl.: Pichler, Krieg, 1924, S. 65. 91 Rund 40 Treffer zerstörten einen Großteil des unter großen Strapazen hinauftransportierten Proviants. Vgl.: Lempruch, König der Alpen, 1925, S. 19.

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Feind zu vertreiben, überwanden kühne Kletterpartien der 53. HaBrig, [Halb-Brigade, Anm. d. Verf.] 3600 m hohe Felsgrate, gelangten in den Rücken der Geschützbedeckung und zwangen diese und das Geschütz am 21. September zum Abzug.“92 Der in diesem Abschnitt, auf durchschnittlich 3.000 Meter, sehr früh eintretende Winter erzwang mit Schnee, Stürmen, Lawinen und extremer Kälte eine Erstarrung der kriegerischen Tätigkeiten.93 Im November wurde beispielsweise eine „[. . .] abnorme Kälte (44 Kältegrade am Joche!)“ gemessen.94 Der 21-jährige Freiwillige Schütze Karl Mayrhofer gibt in seinem Brief an die Eltern Zeugnis von dem beschwerlichen Leben in der Hochgebirgsstellung am Schrötterhorn (3.380 Meter): „Schon früh am Morgen hatte ein starkes Unwetter unsere Hütte eingeschneit, und um hinaus zu kommen, mussten wir fest schaufeln. Nachdem wir, genauso wie die vom nächsten Stützpunkt, Proviant und Brennholz brauchten, rückte ich mit zwei Mann aus. Bis zum Gürtel im Schnee watend, kamen wir, auf die ständig wechselnden Wächten und verschneiten Gletscherspalten achtend, zum Fassungsdepot. Unser Gesicht war einer Eismaske gleich, als wir am Kompaniestand anlangten. Wir machten eine lange Rast, [. . .]. Nachdem wir uns mit Signalraketen versorgt hatten, gingen auch wir los, die Spuren der Vorausgegangenen suchend; umsonst hofften wir auf Wetterbesserung. Armdick fast war der Telephondraht mit Eis bedeckt und die alten Spuren waren nicht mehr zu finden. Mühselig bahnten wir uns den Weg, denn am Suldnerkogel blies ein Sturm so stark, dass wir zu ersticken drohten und wiederholt, im Schnee liegend, verschnaufen mussten. [. . .] Jeder trug schwer. Ich schleppte drei Holzscheite. [. . .] Stets rutschten kleine, aber schwere Schneelawinen auf uns herunter. Wir legten alles ab [. . .] und dann langten wir, bis zum Zusammenbruch matt, in der Hütte an. Dort wurden wir von unseren Kameraden ausgezogen, denn wie Blech so starr waren unsere Kleidungen. [. . .] Lange noch hielt dieser Sturm an und erst drei Tage später konnten wir wieder aus der Hütte heraus.“95

Der Septemberkampf war damit der letzte größere, einheitlich geleitete Angriff des Jahres 1915 in diesem Abschnitt, wobei es noch zahlreiche Patrouillenkämpfe gab.96 Während es im Westen vergleichsweise ruhig war, kam es im Süden der Tiroler Front zu heftigen Kampfhandlungen. Die italienischen Truppen hatten die ersten Kriegswochen anscheinend mit der Nachholung versäumter 92

Ö. U. L. K., Bd. III, 1932, S. 383. Die Soldaten wurden auf die winterliche Situation kaum vorbereitet. Eine der seltenen, frühen Dienstanweisungen präsentiert sich in: Gebirgskrieg im Winter. Merkblätter und Weisungen (herausgegeben vom Kaiserlichen und Königlichen Landesverteidigungs-Kommando in Tirol), Innsbruck 1915. 94 Lempruch, König der Alpen, 1925, S. 19. 95 Veröffentlicht in: Golowitsch, Schützen verteidigen Tirol, 1985, S. 419 ff. 96 Vgl.: Lempruch, König der Alpen, 1925, S. 19. Siehe auch: Ö. U. L. K., Bd. III, 1932, S. 383. 93

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Vorbereitungen für einen Angriff auf Tirol verbracht, denn sie begannen nun, die Pustertaler Front und die Hochflächen in großer Zahl und Wucht anzugreifen. Im Monat Juli begann das Feuer der italienischen Kanonen im Val d’Assa gegen die Hochflächen Folgaria-Lavarone wieder zuzunehmen.97 Cadorna wollte den Sammelraum, der für eine eventuelle österreichisch-ungarische Offensive aus Südtirol heraus so wichtig war, endgültig in seine Hand bringen.98 Hauptziel waren die österreichisch-ungarischen Befestigungswerke und die Vorposten auf Monte Coston und Malga Milegna. Das Kommando des V. italienischen Korps wollte die Werke ausschalten und dann die Front bis zur Linie Monte Cornetto-Monte Finonchio vorschieben. Allein gemessen an den schwachen Verteidigungskräften schien das Vorhaben Aussicht auf Erfolg zu haben. Den österreichischen Werksbesatzungen von Lusern, Verle und Cima di Vezzena war es allerdings gelungen, ihre alten Festungen zu desarmieren und die Geschütze in Felskavernen neu unterzubringen. Die Italiener beschossen daher für längere Zeit leeres Gemäuer, während die Österreicher das Feuer aus geschützten Stellungen heraus erwidern konnten. „Ein Munitionsverbrauch wird ihrerseits betrieben, der uns, die sparen müssen, ganz ungewohnt ist. Die tote Masse der Werke leidet darunter sichtlich, nicht aber die Widerstandsfähigkeit.“99 Die oberirdische Zerstörung der Werke führte zu einer Verlagerung der Bau- und Reparaturtätigkeiten unter die Erde. Das über den Ebenen thronende Werk Cima di Vezzena (1.904 Meter) zum Beispiel wurde geradezu unterhöhlt mit Kavernenbauten im Felsboden und erstand neu, in anderer Form, aber noch kräftiger und widerstandsfähiger. Das italienische Bombardement der Vorfeldstellungen Monte Coston und Malga Milegna war erfolgreich und nötigte die K. u. k. Truppen zu einem Rückzug. Am 24. August wurde nach heftiger Artillerievorbereitung der italienische Großangriff eröffnet. Die Angreifer hielten die völlig zerschossenen Werke Verle und Vezzena wie auch den Stützpunkt Basson für ausgeschaltet. Dieser Irrtum rächte sich bitter. Die Verteidiger, meist Landsturm und Standschützen der Bataillone Kitzbühel, Schwaz, Brixen und Meran sowie die österreichisch-ungarische Artillerie, konnten alle Attacken abwehren. „Ende August konnte der italienische Ansturm gegen die Hochfläche von Folgaria-Lavarone als abgeschlagen gelten.“100 Die Hauptlast der Kämpfe an der Tiroler Front hatte neben den Hochflächen die Pustertaler Front zu tragen. Die Ausgangsposition der Italiener hatte sich inzwischen verschlechtert, da die österreichisch-ungarischen 97

Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. II, 1931, S. 784 f. Vgl.: Ministero delle Guerra (Hg.), L’esercito, II, Textband, 1927, S. 320 f.; Dokumentenband, 1927, S. 340 f. 99 Pichler, Krieg, 1924, S. 51. 100 Ö. U. L. K., Bd. II, 1931, S. 786. 98

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Truppen verstärkt worden waren. Am 5. Juli begann die Beschießung der Sperren der Pustertaler Front, die zeitgleich desarmiert wurden. Schwere und schwerste Artillerie (28 Zentimeter und mehr) beschoss dabei „[. . .] nur verlassenes Mauerwerk, sich der sichtbaren Zerstörung freuend und in bombastischen Kriegsberichten eines scheinbaren Erfolges brüstend.“101 Aussagen dieser Art sind es, die immer wieder auf die ‚Einfärbung‘ der zeitgenössischen Texte hindeuten und kritisch zu bewerten sind. In der ersten Phase dieser Dolomitenoffensive (5. bis 11. Juli) gelang es den Italienern die Bergspitzen der Tofana II und III zu erobern.102 Diese militärstrategisch eher als gering einzustufende Aktion besticht durch die alpinistischen Höchstleistungen der Alpinitruppen. Dies sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kämpfe an der Dolomitenfront ebenso brutal und heftig waren wie an den anderen Fronten auch. Ein tragisches Dokument, das von einer tiefgehenden Verstörung zeugt, hinterließ ein italienischer Soldat. Das Regiment, dem er angehörte, war schon damals nicht feststellbar, aber er schildert laut seinen Angaben die Kämpfe an der Dolomitenfront. Nach seinem Tode auf dem Schlachtfeld fielen seine Schriftstücke in die Hände der Österreicher, die diese dann als Information für die Truppe an der Rayonsfront kursieren ließen. Der italienische Soldat schrieb Anfang Oktober 1915 an seine Mutter: „Wenn die Zensur es nicht streicht, werde ich dir beschreiben, wie ich den letzten Sonntag des Septembers verbrachte [. . .]. Den Sonnabend regnete es ununterbrochen. Wir sollten abmarschieren, hofften jedoch, bei dem schlechten Wetter nicht weiter vorgehen zu müssen. Aber im Gegenteil! Um 11 Uhr nachts brachen wir auf. Ich musste weinen, nicht wegen der späten Stunde, daran sind wir gewöhnt, aber wegen dem fürchterlichen Wetter. Nach 2 Stunden hielten wir, vollständig durchnässt von Regen und Schweiß. Zum Ueberfluss fing es an zu schneien. Länger als drei Stunden blieben wir auf der Erde im Dreck liegen, vom Schnee bedeckt, denn hätten wir uns bewegt, wären wir von der fdl. Art. entdeckt worden. Von meinen Füssen will ich euch gar nicht reden. Immer in den Schuhen, die bereits kaput [sic] sind. Die Füße werden nicht mehr warm darin, da die Schuhe in diesen zwei Monaten hart von der Kälte geworden sind. Ich leide sehr an den Füssen. Sie waren jetzt so eisig erfroren, dass ich sie gar nicht mehr fühlte. [. . .] Morgens setzten wir den Marsch fort, Auf dem Weg lag ein verwesender Gefallener, Kopf nach unten, die Beine in die Höhe. Er lag da unbegraben. Aus dem Mantel sah der Totenschädel heraus. Eine Unmenge Würmer verzehrten den ärmlichen Körper, welchen die moderne Kultur zu bestatten verschmähte. Wenn so etwas bei uns zuhause vorkäme, was gebe es da nicht für ein Erstaunen, Entset101

Pichler, Krieg, 1924, S. 55. Vereinzelt sind in der Literatur die militärischen Decknamen der Berge des Kampfabschnittes Lagazuoi zu finden: Tofana I = Dickschädel, Tofana II = Hungerburg, Tofana III = Wartburg, Punta di Bois = Castelletto = Schreckenstein, Cima Falzarego = Bimsstein, Sasso di Stria = Hexenstein. Vgl.: Schemfil, Das dritte Regiment (TKJ), 1926, S. 283. 102

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zen, behördliche Verhöre, Carabinieri, hier dagegen nichts dergleichen. Hier ist es alltäglich. Man geht vorbei, blickt kaum hin. Wir sind diese Sachen gewöhnt. Arme Mütter! Nachdem ihr soviel Mühe gehabt, sie groß zu ziehen, wenn ihr eure Lieben sehen würdet, wie sie den Raben als Mahl vorgelegt werden. Seht ihr, so wird das heldenhaft für’s Vaterland vergossene Blut belohnt. Um einige Murmeltiere aber, die dort umherliefen, bemühte man sich, obwohl wir unter dem fdl. Feuer waren und brachte sie in Sicherheit. Ist es würdiger, Murmeltiere zu retten, oder einen auf dem Felde der Ehre zu bestatten? Ich, wenn ich auch nur ein Kretin und ein Ungebildeter bin (quantunque cretino ed incivile), lasse nicht einen Vergleich zwischen beiden Taten zu [. . .] Vor einem Monat tötete eine Granate 11 Soldaten in einem Schützengraben. 3 fand man auf. Die Übrigen waren in die Luft gesprengt. Man musste sie in einem Zelttuch Stück für Stück auflesen. Sie waren zerfetzt, wie das Fleisch auf der Schlachtbank des Metzgers. Ich wette, dieser Anblick würde auch das aufwallende Blut der Kriegslustigen im Kaffeehaus besänftigen. Ja es würde auch die 48 zittern machen [die Veteranen des Garibaldinischen Aufstandes von 1848, Anm. d. Verf.]!“103

Der Text dieses Dokumentes wurde mit einigen anderen Gefangenenberichten in einem Rundschreiben der Tiroler Landesschützen verbreitet. Die nüchterne Überschrift des Circulars lautete: ‚Aus erbeuteten Schriftstücken kriegsgefangener italienischer Soldaten ergeben sich folgende Stimmungsäusserungen‘. Es stellt sich die Frage, warum die K. u. k. Militärbehörden die Verbreitung eines solchen Textes gestatteten. Es werden – auch in den hier nicht zitierten Seiten – keine militärischen Angaben von Interesse gemacht. Man kann aus dem Text also in militärischem Sinne nichts ‚lernen‘. Die einzig plausible Motivation für eine Veröffentlichung, die ohnehin nur im kleinen Kreis der Offiziere und höheren Chargen stattfand, war, zu zeigen, wie schlecht es den italienischen Truppen ging. Letztlich sollte den eigenen Truppen Mut gemacht werden, indem man die untergrabene Moral des Gegners darstellte. Beim Lesen des Textes festigt sich allerdings der Eindruck, dass die österreichischen Kommanden eher das Gegenteil dessen erreichten. Die Ausrüstung und Verpflegung der italienischen Armee war gut bis sehr gut, die militärischen Erfolge ließen aber weiter auf sich warten und Tod und Elend prägten das Bild wie an allen Fronten Europas. Bestand nicht vielmehr die Gefahr, dass der österreichische Soldat, der diese Zeilen las, sich dachte ‚Er hat recht. So geht es uns doch auch.‘ Ein Bruder im Geiste und im Erleben. In der zweiten Phase der italienischen Angriffe vom 15. bis 20. Juli 1915 konzentrierten sich die Militärs vornehmlich auf die Sperren Landro und Corte sowie auf den Col di Lana. Dem Col di Lana kommt im Geschehen des Alpenkrieges eine ganz besondere Stellung zu. Angesichts der benach103 CAN, Karton C-11: Ad K.Nr.513 res. 1915 (Ldsch. Offz. i. b. Vwdg.) Aus erbeuteten Schriftstücken kriegsgefangener italienischer, Soldaten ergeben sich folgende Stimmungsäusserungen. Abschrift des Circulars von Hauptmann David.

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barten Buchensteiner Berge erscheint der Col di Lana mit seinen 2.464 Metern Höhe und seiner Gestalt als Almgebiet von alpinistisch geringer Bedeutung und doch sollte er zur „[. . .] sinnlosen Bastion der Alpenfront“ werden.104 Strategisch beherrschte der Berg den Verkehr auf der Großen Dolomitenstraße zwischen Pordoijoch und Falzaregopass und sperrte die Übergänge in das Abtei- und Grödnertal.105 Natürlich hatten die Italiener nicht Unrecht, wenn sie den Col di Lana als die natürliche Bastion ansahen, die ihnen den Weg nach Bruneck und Brixen versperrte. Das offizielle italienische Werk ‚La Conquista del Col di Lana‘ bewertete dieses Bergmassiv folgendermaßen: „Für den Vormarsch ins Pustertal, wo wir die Eisenbahnlinie in die Hand bekommen wollten, war der Col di Lana eines der ersten und schwersten Hindernisse. Als herausragender Beobachtungspunkt bot er den dort befindlichen österreichischen Artilleriebeobachtern die weiteste Sicht hinter unsere Front. Das war der Hauptgrund, warum wir fast ein Jahr lang mit den schwersten Opfern um diesen Eckpfeiler kämpften. Denn dass die Österreicher, wenn sie auch den Col di Lana und Sief verloren hätten, uns trotzdem weiter rückwärts den Weg versperren würden, wussten wir genau.“106

Auch wenn der Col di Lana kein hochalpines Gelände darstellt, so war er in diesem tiefliegenden Frontabschnitt doch der höchste Berg und wesentlich schwerer zu erstürmen als das anschließende, sanft abfallende Cherz Plateau.107 Ein Angriff über dieses Almwiesengelände, den Col di Lana links liegen lassend, hätte den Italienern die Möglichkeit geboten, mit einer größeren Truppenmasse und vor allem mit alpin nicht ausgebildeter Infanterie vorzugehen. Gefangen von der Überzeugung, dass die Entscheidung auf den Höhen stattfindet, war diese Umgehung für die italienische Armeeführung nicht vorstellbar. General Krauß trifft den Punkt, wenn er schreibt: „Wenn beide Gegner einen Berg oder einen dominierenden Gebirgszug als entscheidend betrachten und danach ihre Kräfte zu Verteidigung und Angriff ansetzen, dann ist der Besitz des Berges oder Gebirgszuges entscheidend; sowie aber 104

Lichem, Spielhahnstoß, 1977, S. 149. Umfassende Darstellung der Kämpfe in: Schemfil, Viktor: Col di Lana. Genaue Geschichte der Kämpfe (1915–1917) um den heißestumstrittenen Berg der Dolomiten, verfaßt auf Grund österreichischer Truppenakten und authentischer Berichte sowie italienischer kriegsgeschichtlicher Werke (Schriftenreihe zur Zeitgeschichte Tirols Bd. 3), Nürnberg o. J. (Neudruck der ersten Auflage von 1935). 106 Badini, Damiano: La Conquista del Col di Lana. (herausgegeben vom Ministero della Guerra Stato Maggiore del R. Esercito, Ufficio Storico), Rom 1925, S. 10. Deutsche Übersetzung zitiert in: Kaltenegger, Alpenkorps, 1995, S. 57. 107 Besonders klar wurde dies dem Autor dieser Arbeit bei einer Begehung der ehemaligen Frontlinie am Col di Lana. Tourenvorschläge finden sich beispielsweise bei: Striffler, Robert: Der Minenkrieg in Ladinien. Col di Lana 1915–1916 (Schriftenreihe zur Zeitgeschichte Südtirols Bd. 10), Nürnberg 1996, S. 294–318 Anhang 3. 105

III. Sommerschlachten und Abwehrkämpfe 1915/1916

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der Angreifer diese Bedeutung ablehnt und seine Angriffsmassen anderweitig, zum Beispiel im Tal einsetzt, bleibt der Berg bedeutungslos; und hat sich der Verteidiger in seine Idee verbissen, wie die Italiener in die ‚Lehre vom Gebirgskrieg‘, dann kann er dies mit schwerster Niederlage büßen [. . .].“108

Die ersten Verteidiger des ‚Berges von Eisen‘, wie die Österreicher den Berg schon bald nannten, waren Tiroler Landsturm und Reserve-Bataillone, Enneberger Standschützen sowie Angehörige des Deutschen Alpenkorps.109 Ihnen stand die italienische 4. Armee gegenüber, mit dem I. Korps unter Generalleutnant Ragni und dem IX. Korps unter GLT Marini. Seit Mai 1915 griffen die Italiener immer wieder an, ohne große Geländegewinne erzielen zu können. Täglicher Artilleriebeschuss der nur notdürftig ausgebauten Gräben und Unterstände und beständige Angriffe auf die zahlenmäßig geringen Verteidiger zehrten an den Kräften.110 Erst in der dritten Phase der ersten Dolomitenoffensive (31. Juli bis 4. August) drangen italienische Kräfte bis an die österreichischen Stellungen vor, wichen dann unter schweren Verlusten zurück und krallten sich schließlich circa 200 Meter unterhalb der österreichischen Linie fest.111 In Anbetracht der enormen Verluste nannten die Italiener den Berg ihrerseits von diesen Tagen an Col di Sangue – Blutberg.112 Über die Organisation der Front und über die Kämpfe hat der Kaiserschützen-Bataillonskommandant, Major Konstantin Valentini, kurz nach dem Krieg ein Exposé abgefasst. Valentini war damals Abschnittskommandant und verantwortlich für alle am Col di Lana eingesetzten österreichischungarischen Einheiten. Er überlieferte folgendes: „[. . .] am 30. Oktober 1915 in Bruneck. Hier wurde es [= das 5. Bataillon des III. Kaiserschützen-Regiments, Anm. d. Verf.] sofort nach St. Leonhard [im Abteital, Anm. d. Verf.] in Marsch gesetzt, wo es nächtigte, um am Morgen des nächsten Tages mit Automobilen bis Corvara zu gelangen, wo es noch in derselben Nacht am Col di Lana eingesetzt wurde. Am Col di Lana löste das V. Bataillon Teile 108

Krauß, Theorie und Praxis, 1936, S. 268. Vgl.: Kaltenegger, Alpenkorps, 1995, S. 56. Zu den beteiligten bayerischen Kontingenten (Jäger Bataillon 1 und 2, Pionier Kompanie 102) in der Region siehe: Krafft/Feeser, Bayernbuch, II, 1930, S. 171–178. Die detaillierte Besetzung des Grenzunterabschnittes 9a (von Campolungo bis zum Nordausgang des Travenanzestales) in: Schemfil, Das dritte Regiment (TKJ), 1926, S. 228–233. 110 Vgl. die romanhafte Schilderung von Bossi Fedrigotti, Graf Anton: Die Tiroler Kaiserjäger am Col di Lana, Berlin/Leipzig 1934. 111 Eine Würdigung der Col di Lana Stellungen gemäß ihrem taktischen Wert und ihrer Verteidigungsfähigkeit findet sich bei: Schemfil, Das dritte Regiment (TKJ), 1926, S. 236–239. 112 Monte di ferro e sangue, vgl.: Reich, Alpenkorps in Tirol, o. J., S. 10. Auch: Pichler, Krieg, 1924, S. 73. Siehe ebenso: Pasquali, Corrado: Col di Lana. Col di Sangue 1915–1917, Bolzano 2002. 109

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F. Vom Krieg der Bergführer zur ‚Verdunisierung‘

eines Tiroler Kaiser-Jäger-Regimentes ab. Diesem waren nach schweren Kämpfen und großen Verlusten die Col-di-Lana-Vorstellungen verloren gegangen. Der Gegner hat zu dieser Zeit alles aufgeboten, um im Col di Lana Gebiet durchzudringen. Der Bataillonsabschnitt umfasste das Col di Lana Gebiet und den Sattel von Sief. Das Bataillon stand mit einer Kompanie am Monte Sief, von dieser l Zug am Col di Lana selbst, eine Kompanie in der Col di Lana Hangstellung, später Rothschanze genannt, eine Kompanie am rechten Flügel des Siefsattel, eine Kompanie Bataillonsreserve bei Alpenrose [Alpenrose war eine Reservestellung in Richtung Corvara, Anm. d. Verf.]. Der Col di Lana, Siefsattel und Hangstellung wurden unausgesetzt von feindlicher Artillerie in der Front und von der rechten Flanke [. . .] beschossen. Am Col di Lana stand der Gegner bis auf 150 Schritt gegenüber. Der Zugangsweg auf den Col di Lana war nur bei Nacht und da äußerst schwierig, passierbar, zur Col di Lana Hangstellung führte ein nahezu l km langer Laufgraben, der vom Feind enfiliert wurde. Unter diesen Verhältnissen mussten die Truppen öfters abgelöst werden, um den Anforderungen zu genügen. Es war infolgedessen eingeführt worden, die Hangstellung nach je 24 Stunden, die Col di Lana und Monte Sief Besatzung nach je 48 Stunden abzulösen.“113

Generalstabschef Cadorna war mit den Leistungen seiner Armeen an der Tiroler Front keineswegs zufrieden. Mit Beginn des Herbstes verlangte Cadorna am 8. September von General Nava zu wissen, welche Aktionen er durchzuführen gedenke, bevor der winterliche Schneefall große Operationen in den Höhengebieten unmöglich mache.114 General Nava musste sich und der Heeresleitung eingestehen, dass die zu Kriegsbeginn gesteckten Ziele nicht mehr vor dem Winter zu erreichen waren. Dem Drängen Cadornas nachgebend eröffnete Nava in der zweiten Septemberwoche eine zweite Dolomitenoffensive, deren Aussichten denkbar schlecht standen.115 Schon in der Nacht vom 5. auf den 6. September hatte ein italienischer Vorstoß gegen die Sextener Sperren mit einem Verlust von 1.000 Toten und 400 Gefangenen geendet.116 Während die Eroberung der Tofana I gelang, blieben die Angriffe auf den Monte Cristallo und Monte Piana sowie der Durchbruch ins Travenanzestal erfolglos.117 Am 26. September brach die Offensive endgültig zusammen und wie zum Eingeständnis dieser Niederlage wurde General Nava durch Generalleutnant Mario Nicolis di Robilant ersetzt. Eine bedeutende Wendung trat Mitte Oktober ein, als das Deutsche Alpenkorps nach Serbien verlegt wurde. Die anhaltende Ruhe veranlasste die 113

MILAR/MHFZ, Karton MIL-IBK 3: Feldakte: ‚Kämpfe des V. und später des II. Bataillons am und um den Col di Lana von Major Konstantin Valentin!‘. 114 Vgl.: Ministero delle Guerra (Hg.), L’esercito, II, Textband, 1927, S. 362. 115 Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. III, 1932, S. 379–381. 116 Vgl.: Ebner, Sextner Rotwand, 1937, S. 55 f. Auch: Ö. U. L. K., Bd. III, 1932, S. 380 Fußnote 2. 117 Zur Nomenklatur des Monte Piano: Lichem, Gebirgskrieg, II, 2001, S. 314 f.

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DOHL zu diesem Schritt. Die Begründung ist in dem bayerischen Kriegswerk nachzulesen: „Die Vorboten des Hochgebirgswinters machten den Kämpfen bald ein Ende. Die Gefahr war überwunden, Tirol vom drohenden Einfall des Feindes verschont geblieben.“118 Obwohl die österreichisch-ungarischen Truppen dem Abzug der deutschen Kräfte mit gemischten Gefühlen entgegensahen, war Krafft von Dellmensingen erleichtert. Er notierte in seinem Tagebuch Anfang Oktober: „Für mich ist diese kurze Episode als selbständiger Korpsführer und Oberkommandant der Deutschen in Tirol zu Ende. Die Truppen des Alpenkorps finden anderwärts leicht eine würdigere Aufgabe als die starre Defensive. Jetzt ist das Alpenkorps erst eine im Gebirge richtig brauchbare Truppe. Ich selbst werde mich gerne mit der bescheideneren Aufgabe eines eingerahmten Divisionsführers abfinden, wenn ich an wichtigen Ereignissen teilnehmen kann.“119

In die vom Alpenkorps geräumten Stellungen an der Pustertaler Front rückten die vier vom Isonzo kommenden Kaiserjägerregimenter ein.120 Den Befehl über die Rayone IV (Fleimstal) und V (Pustertal) übernahm an Stelle des abgegangenen Kommandos des Alpenkorps der Kommandant des K. u. k. 14. Armeekorps, General der Infanterie Roth von Limanowa-Lapanów.121 Laut einigen italienischen Gefangenen, die am 17. und 18. Oktober den K. u. k. Truppen in die Hände gefallen waren, war der italienischen Führung die Schwächung der Front durch den Abzug des Alpenkorps bekannt.122 Erstaunlicherweise nutzten die Italiener diese Chance nicht und ließen noch einige Tage verstreichen, bevor sie die dritte Dolomitenoffensive starteten.123 Durch energische Teilangriffe an der Tiroler Front sollten Kräfte gebunden werden, um österreichische Truppenverschiebungen an den Isonzo zu verhindern. Dort fand zwischen dem 18. Oktober und 5. November 1915 die dritte Isonzoschlacht statt.124 In den Dolomiten griffen die Italiener in den Abschnitten Kreuzberg, Valparola, Falzarego und Travenanzes an. Brennpunkt blieb aber der Col di Lana mit seinen Vorstellungen, 118

Bay. Kriegsarchiv, Die Bayern, 1923, S. 214. Zitiert in: Kaltenegger, Alpenkorps, 1995, S. 78. 120 Vgl.: Haager/Hoffmann/Spielmann, Kaiserjäger, 1996, S. 84 f. Das dritte Regiment der TKJ übernahm die zentralen Stellungen am Col di Lana, Monte Sief, Settsass und Lagazuoi mit der Aufgabe, einen Einbruch in das Abteital zu verhindern. Vgl.: Schemfil, Das dritte Regiment (TKJ), 1926, S. 233 und S. 235. 121 Siehe: Pichler, Krieg, 1924, S. 7. Zu General Roth: Reichlin-Meldegg, Georg: Der Löwe von Limanowa. Josef Roth Frhr. v. Limanowa-Lapanów – ein Leben zwischen den Epochen, Graz 2005. 122 Vgl.: Schemfil, Das dritte Regiment (TKJ), 1926, S. 240 und Pichler, Krieg, 1924, S. 72 f. 123 Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. III, 1932, S. 456 ff. 124 Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. III, 1932, S. 384–451, und: Ministero delle Guerra (Hg.), L’esercito, II, Textband, 1927, S. 549. 119

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an dem die Italiener auch einigen Raum gewinnen konnten.125 Ende Oktober mussten die Kampfhandlungen wegen starken Schneefalls eingestellt werden. Laut dem italienischen Generalstabswerk verlor allein das IX. Korps 6.393 Mann an Toten und Verwundeten, darunter 278 Offiziere. Die österreichisch-ungarische Armee beklagte 1.814 Mann.126 Dem Kälteeinbruch folgte eine plötzliche Wärmewelle, die den Schnee rasch abschmelzen ließ. Die Italiener hatten in den Oktoberkämpfen ihre Kräfte in mehreren, parallel ablaufenden Einzelunternehmungen verzettelt.127 Diesen Fehler vermeidend, konzentrierten sie sich in der zweiten Phase der Offensive (4. bis 30. November) auf einen Punkt, den Col di Lana. Am 7. November gelang es einem Bataillon der 18. Infanteriedivision, die Spitze des Berges nach heftiger Artillerievorbereitung zu besetzen.128 Die österreichisch-ungarischen Kommanden waren überrascht: „Da traf plötzlich um 11 Uhr 30 vom linken Flügel der Sief-Sattelstellung die telefonische Nachricht ein, dass die Col di Lana Spitze in italienischem Besitz sei. Diese Tatsache wurde alsbald von mehreren Artilleriebeobachtern bestätigt. Auf welche Weise die Einnahme der Spitze erfolgt war, konnte nicht ermittelt werden.“129

Der italienische Triumph dauerte nur kurz an. In der darauf folgenden Nacht eroberten Landesschützen den Gipfel zurück, geführt von dem bereits legendären Kommandanten des Kampfabschnitts Col di Lana–Sief, Hauptmann Konstantin Valentini.130 Alle weiteren Anstrengungen der Italiener, die Spitze des Col di Lana zu besetzen, misslangen. Es gelang ihnen lediglich, einige wichtige Vorfeldstellungen zu behaupten, bevor Ende November dichtes Schneetreiben die Kämpfe unterband. Anfang Dezember richtete der Kommandant des IX. italienischen Armeekorps, GLT Rossi, an seinen Vorgesetzten Armeekommandant GLT di Robilant die Meldung: „Er sei angesichts der Hartnäckigkeit des Gegners und Rauheit des Klimas zum Entschlusse gekommen, auf alle weiteren Anstrengungen, den Col di Lana mit lebender Kraft zu nehmen, zu verzichten.“131 125

Am 22.10. eroberten sie den Stützpunkt 2250, am 26.10. die Felsenwache (capello di Napoleone genannt), am 29.10. die Infanteriestellung. Vgl.: Schemfil, Das dritte Regiment (TKJ), 1926, S. 241–248. 126 Vgl.: Ministero delle Guerra (Hg.), L’esercito, II, Textband, 1927, S. 551. 127 78 Einzelunternehmungen allein auf dem Abschnitt Tofana bis Pitschatsch (südlich von Arabba), vgl.: Haager/Hoffmann/Spielmann, Kaiserjäger, 1996, S. 86. 128 Siehe: Striffler, Minenkrieg in Ladinien, 1996, S. 112–115. 129 Schemfil, Das dritte Regiment (TKJ), 1926, S. 253. 130 Vgl.: Pichler, Krieg, 1924, S. 81. Ebenso: Striffler, Minenkrieg in Ladinien, 1996, S. 115–119. Zur Person Valentinis auch: Lichem, Spielhahnstoß, 1977, S. 211. 131 Zitiert in: Fröhlich, Kampf, 1932, S. 55. Zur Größenordnung der Verluste durch die Witterung ist eine Äußerung des italienischen IX. Armeekorpskommandos

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Der Winter machte mit starkem Schneefall und extremer Kälte die Bewegung größerer Abteilungen an allen Frontabschnitten unmöglich. Ernsthafte Unternehmungen fanden nicht statt. Skier wurden zu dem winterlichen Fortbewegungsmittel schlechthin.132 Der große Wert der Skitruppen wurde auch von der deutschen Heeresführung immer wieder anerkannt. Das Große Hauptquartier hatte beispielsweise im März 1915 in einem Bericht über die Karpathenkämpfe konstatiert: „Bei den bisherigen Kämpfen und Gefechten der zusammengesetzten deutsch-österreichischen Armee haben sich die Skikomp. [Skikompanien, Anm. d. Verf.] außerordentlich bewährt. Die Nahaufklärung ist von den Leistungen der Schneeschuhpatrouillen abhängig; der Infanterist würde Stunden gebrauchen, während die Schneeschuhpatrouille die Strecken in kürzester Frist zurücklegt. Auch zur überraschenden Feuerwirkung von den Passhöhen oder seitlich gelegenen Bergrücken sind diese Abteilungen von großem Wert.“133

Skipatrouillen waren in diesem Winter 1915/1916 die Einzigen, die sich noch im Erkundungsdienst betätigten und „[. . .] so die gegenseitige Wachsamkeit rege erhalten und die Artillerie der beiden Gegner zu vereinzelten Gelegenheitsschüssen verleiten“ konnten.134 Die italienische Kampftätigkeit orientierte sich, nicht zuletzt aufgrund der Witterung, vornehmlich auf die bisher vernachlässigten Talgebiete im Trentino. Die Kräfte waren immer noch nicht ausgeglichen. Das Landesverteidigungskommando Tirol verfügte im Dezember über 66 Bataillone, 49 Standschützenabteilungen (14.000 Gewehre), 660 mobile Maschinengewehre, 260 mobile und 365 ‚stabile‘ (ohne Trient) Geschütze. Gleichzeitig wurden die italienischen Kräfte auf 160 Infanterie- und Alpinibataillone und 170 Feldbatterien mit 700 Geschützen geschätzt.135 Laut dem österreichischen Kriegswerk Ö. U. L. K. „[. . .] herrschte schon von Ende November an den ganzen Winter über und bis ins Frühjahr hinein an der Westfront von Tirol winterliche Ruhe.“136 Der italienische Generalstabschef dazu: „Dans la montagne, de très abondantes chutes de neige occasionnèrent maintes avalanches et plusieurs glissements de champs neigeux étendus. Les communications de toute nature subirent de graves interruptions; de nombreux abris, des colonnes de troupes ou d’équipages furent engloutis. Dans les basses régions, des von Interesse, die sich allerdings auf einen früheren Zeitraum bezieht: „Vom Februar bis 15. März 1915 hatten die Lawinen bei der 18. Division (Col di LanaGebiet) folgende Verluste gebracht: Tote 278, Verwundete 97, Vermisste 63.“ Zitiert in: ibid., S. 55. 132 Siehe auch: Aichinger J., Zur Entwicklungsgeschichte des Alpinismus und des alpinen Schneeschuhlaufs, in: Zeitschrift des D. Ö. A. V. Bd. 50, 1919, S. 140–167. 133 Luther, Schneeschuhlaufen, 1915, S. 99. 134 Pichler, Krieg, 1924, S. 82. 135 Vgl.: Pichler, Krieg, 1924, S. 82. 136 Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 153.

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F. Vom Krieg der Bergführer zur ‚Verdunisierung‘

pluies diluviennes persistantes provoquèrent l’éboulement de tranchées et d’abris; les cours d’eau débordèrent, amenant des inondations. Sur l’ensemble dur front, ce fut donc une vraie bataille livrée aux éléments; elle fit resplendir l’esprit d’abnégation, l’activité, la merveilleuse résistance, la fermeté morale et physique des troupes.“137

Es gab zwar sporadische Artilleriekämpfe, „[. . .] doch der Kanonendonner verhallte in den verschneiten Bergen ebenso rasch wie das Gewehrgeknatter ausschwärmender Erkundungsabteilungen.“138 Die Lage an den anderen Frontabschnitten der Südwestfront unterschied sich kaum davon. Beide Seiten, Italiener wie Österreicher, ergaben sich dem Winter, der die Kämpfe in seinem Eis erstarren ließ. Das für Italien erste Kriegsjahr ging zu Ende. Glaubt man dem italienischen Autor und Kriegsteilnehmer Aldo Valori, so hatte dieses für Italien effektiv nur sieben Monate dauernde Kriegsjahr dem italienischen Heer 66.090 Tote, 180.400 Verwundete und einige 10.000 Gefangene und Vermisste gekostet.139 General Cadorna urteilte: „La dure leçon de 1915 était nécessaire pur acquérir l’usage des méthodes suggérées par un tel genre de guerre; l’ennemi, en campagne depuis un an, les connaissait déjà. Et ceux qui se prévalent des enseignements tirés pour émettre de faciles critiques contre les opérations qui ont précisément fourni ces renseignements, tournent dans un cercle vicieux en même temps qu’ils accomplissent une œuvre injuste et stérile. Quoi qu’il en soit, malgré les énormes difficultés matérielles – abstraction faite de la très robuste organisation défensive de l’ennemi – contre lesquelles l’armée a dû lutter constamment, la pression persistante exercée sur l’adversaire dans tous les secteurs du front nous avait permis d’avancer sans cesse.“140

Österreich-Ungarn konnte hingegen einige Abwehrerfolge verbuchen und die vom Generalstabschef stets geförderte Idee eines groß angelegten Gegenangriffs wurde immer wahrscheinlicher. Die Russen waren im Sommerfeldzug 1915 aus Galizien hinausgedrängt worden.141 Im Oktober hatten die Mittelmächte gemeinsam mit Bulgarien die Serben niedergeworfen, um den Weg zum Goldenen Horn zu öffnen.142 Montenegro und Albanien wollte Conrad im Winter 1915/16 ausschalten. Die entspanntere Situation in Russland und auf dem Balkan schien eine groß angelegte Aktion gegen Italien zu rechtfertigen. Das Jahr 1915 neigte sich in einem strengen Winter seinem Ende zu. Ein wenig Ruhe kehrte ein, auf beiden Seiten der Front. Der Kriegsteilnehmer 137 138 139 140 141 142

Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 132. Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 153. Siehe das Zitat in: Fröhlich, Kampf, 1932, S. 37. Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 127. Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. II, 1931, S. 549–732. Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. III, 1932, S. 187–337.

IV. Die österreichisch-ungarische Frühjahrsoffensive 1916

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und Landesschütze/Kaiserschütze Josef Strohmaier hat die Weihnachtszeit in seinem Regimentstagebuch festgehalten. „Am Christtag [1915] standen wir erst gegen Mittag auf [. . .]. Aber ein Zurückdenken an daheim ließ sich nicht unterdrücken und so mancher tiefe Seufzer wurde bei unseren Gesprächen gehört. Auch heute gab es wieder gute Menage mit Aufbesserung, je 4 Mann bekamen eine Schinkenkonserve mit 3 Kg, und statt Tee bekamen wir heute Punsch. Spät abends kam eine 30 Mann starke italienische Patrouille unbewaffnet an unsere Drahthindernisse und riefen uns zu: Hört auf mit dem Krieg, wir wollen auch nicht mehr! Wahrscheinlich waren sie auch in Weihnachtsstimmung und vielleicht etwas angeheitert! Solchen Extratouren konnte man aber keine besondere Bedeutung beimessen. Dass wir Alle – drüben wie hüben – vom Kriege schon genug hatten, lässt sich ja gar nicht bezweifeln. Wie schön wäre es gewesen, wenn wir zu unserer Weihnachtbescherung den Chor der Engel von Bethlehem mit dem ‚Und Friede den Menschen auf Erden‘ hätten hören und singen können. Statt dessen mussten wir am nächsten Tag wieder den Donner der Kanonen hören und alles nahm wieder seinen alten Lauf. Sogar in den nächsten Tagen kamen noch Liebesgaben an. – Erzherzog Eugen schrieb an die Frontsoldaten einen Weihnachtsbrief, welcher vervielfältigt und an die Mannschaft verteilt wurde. Erzherzog Karl Franz Josef schickte für jeden einen kleinen Kalender, Artilleriehauptmann Erzherzog Karl Albrecht von Plätzwiese [Standort des Artillerie Kommandos des Abschnittes, das der Erzherzog innehatte, Anm. d. Verf.] spendete unserem Bataillon feine Bäckereien, Notizbücher, Rauchzeug und andere Kleinigkeiten. Und so ging mit der gewöhnten schwächeren Artillerietätigkeit und kleinen Plänkeleien das Jahr 1915 seinem Ende zu. Ohne Sylvesterfeier und ohne besondere Aufmerksamkeit segelten wir in das neue Jahr hinüber.“143

IV. Die österreichisch-ungarische Frühjahrsoffensive 1916 Der Königsgedanke des österreichisch-ungarischen Generalstabschefs Conrad von Hötzendorf sah eine Vernichtung der italienischen Armee in Venetien durch einen Vorstoß der verbündeten Heere aus Tirol und aus dem Isonzogebiet vor. Die Betrachtung dieser Frühjahrsoffensive 1916 beleuchtet zweierlei Themenkomplexe: Da es die größte Angriffsoperation österreichisch-ungarischer Truppen in dem Tiroler Gebirgsabschnitt war, lassen sich an ihr die Besonderheiten solcher Unternehmungen in den Bergen aufzeigen. Daneben steht die Frühjahrsoffensive exemplarisch für die ausgeprägten Schwierigkeiten und Mängel, die durch das Fehlen einer gemeinsamen Obersten Heeresleitung auftraten. Das bevorstehende Unternehmen hieß österreichischerseits Südtiroloffensive oder Thronfolger-Offensive (aufgrund der militärischen Funktion des Erzherzogs Karl Franz Josef), wurde im Sprachjargon der Zeit aber schnell von den Italienern propagandistisch 143

S. 86.

MILAR/MHFZ, MIL-IBK 14, Strohmaier: Kaiserschützen-Regiment Nr. III,

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F. Vom Krieg der Bergführer zur ‚Verdunisierung‘

genützt und zur ‚Strafexpedition‘ umdeklariert. General Cadorna schrieb zur moralischen, ja propagandistischen Untermauerung der Offensive in seinen Memoiren: „Indépendamment de la préparation matérielle, les Autrichiens procédèrent à une soigneuse préparation morale. Rien ne fut négligé pour inculquer la haine de l’Italie: sa trahison causait la prolongation de la guerre; on fit miroiter aux troupes le pillage des riches plaines vénetiennes et, pour mieux accentuer le caractère de l’entreprise, on l’appela expédition punitive (Strafe Expedition). Cette dénomination, qui exprimait bien la soif de vengeance, inspirait aux troupes comme une certitude du résultat.“144

Die italienischen Armeen an der Isonzofront waren permanent durch die in Südtirol stehenden K. u. k. Truppen bedroht. Der Aufmarschraum der italienischen Truppen in Venetien bildete eine Engstelle, „[. . .] die Gurgel [. . .], an der das italienische Heer tödlich zu fassen war.“145 Diese Stelle war durch das sich keilförmig nach Oberitalien schiebende Südtirol und durch das adriatische Meer begrenzt. Die kürzeste Entfernung zwischen der Hochfläche Vezzena–Lusern und der Adria betrug nur 90 Kilometer, zwischen dem Gebirgsausgang an den Sieben Gemeinden/Sette Comuni und der Adriaküste nur 60 Kilometer. Conrad war von der idealen Ausgangsposition überzeugt und rechtfertigte sie beispielsweise gegenüber seinem Kollegen Erich von Falkenhayn: „An keiner anderen Front ist eine Stelle zu finden, an welcher eine erfolgreiche Offensive den Gegner in eine so fatale Lage zu versetzen vermöchte, wie dies bei einer Offensive aus Südtirol der Fall wäre, auch dies weist darauf hin, hier den Hebel einzusetzen.“146 Man sollte sich in diesem Zusammenhang nochmals das schon erwähnte Elaborat des Leutnant Catty ansehen, der sich dezidiert mit einer Besprechung einer potentiellen Offensive aus (Süd-)Tirol heraus beschäftigte. Schon in der Grundkonzeption gab es gravierende Unterschiede. Für Catty wie für viele seiner Zeitgenossen war der Zweck einer jeden Offensive aus Tirol ausschließlich, „[. . .] ein Vorgehen der Hauptarmee in der Oberitalienischen Tiefebene zu erleichtern.“147 Dies war die weit verbreitete Meinung zum Ausgang des 19. Jahrhunderts, basierend auf den Erfahrungen der zahlreichen bewaffneten Konflikte dieses Jahrhunderts in Norditalien. Stichpunktartig fasste Catty in dem Lehrbehelf die wichtigsten Punkte zusammen, die sich vornehmlich auf die Operationslinien und das Wegesystem (Communicationen) bezogen.148 144

Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 154. Pichler, Krieg, 1924, S. 96. 146 Conrad an Falkenhayn am 18.12.1915, Urkunde in: Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, Nr. 78, S. 465. 147 CAN, C-6 WKI, Catty. 145

IV. Die österreichisch-ungarische Frühjahrsoffensive 1916

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„Die über die Südwestfront führenden Operationslinien, welche nur aus je einer Straße bestehen, führen in den Rücken der italienischen Armee, ohne dass die dort befindliche Bevölkerung uns günstig gesinnt wäre, daher bei der geringen Kraft welche zur Verwendung gebracht werden kann, die Resultate nur sehr gering sein könnten, deshalb fällt deren Benützung außer Betracht. Die Operationslinien im Etschthale [sic] nach Richtung in die Flanke des wahrscheinlichen italienischen Aufmarschraumes, Bewegung und Nachschub sowie Zeit sehr günstig, trifft aber auf starke Befestigungen (Chiesa, Veneta, Pastrengo, Verona). Die nächste durch die Val Arsa nach Vicenza führende hat den Nachtheil, dass letztgenannter Ort in der Offensivspähre [sic] Verenas liegt. Die durch die Val Sugana führende hat den Vortheil mittelst guter Communication in kürzester flankierender Richtung auf die Haupt-Operationslinie zu führen aber den Nachtheil durch die starke Befestigungsgruppe bei Primolano gesperrt zu sein. Die Strada d’Allemagna führt begleitet von zahlreichen Nebencommunicationen in kürzester Richtung aus dem Pusterthale gegen die italienische Hauptoperationslinie. Bei Benützung derselben ist die Verbindung mit der Hauptarmee am besten erhalten. Überdies wird duch ein offensives Vorgehen auf derselben die empfindliche Stelle der Verbindung mit der Monarchie am wirksamsten vor Bedrohung geschützt. Dem vorstehenden nach dürften die beiden letztgenannten am wichtigsten sein.“149

So war es tatsächlich. Die Aussagen Cattys hatten auch 1916 noch ihre Gültigkeit. Den Ausgang aus dem Gebirge durch das Etschtal hat General Conrad nie favorisiert. Vermutlich wegen der bald darauf folgenden starken Befestigungen, wie oben angedeutet. Die Strada d’Alemagna kam nicht in Frage, da sie den Gedanken einer Umfassungsoperation nicht unterstützte. Conrads Ziel war aber eben die Einkesselung der italienischen Truppen in der venetianisch-friulanischen Ebene. Eine Operation im Stile der Schlacht von Cannae, nur in ungleich größeren Dimensionen.

148

Zum besseren Verständnis sei hierzu noch das Meyer’sche Konversation-Lexikon zitiert: „Die Ausgangspunkte der Operationen, von denen die Truppen ihre Nachschübe etc. beziehen, auf die sie nötigen Falls [sic] zurückgehen, womöglich durch einen leicht zu verteidigenden Abschnitt im Terrain verbunden, bilden die Operationsbasis, die Eisenbahnen und Straßen von dort nach dem Punkt, wo man den Gegner sucht, die Operationslinien.“ In: Meyers Konversation-Lexikon, Band 12, Leipzig/Wien 1888, S. 401 f. 149 CAN, C-6 WKI, Catty. [Die Schreibweise des Originaltextes wurde bewusst übernommen, Anm. d. Verf.].

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1. Erste Dispositionen mit dem deutschen Verbündeten Eine erste Angriffsstudie wurde Conrad bereits am 19. Juni 1915 von dem Leiter der italienischen Gruppe seiner Operationsabteilung, Generalstabsoberstleutnant Karl Schneller vorgelegt.150 Die Denkschrift begründet den frühen Zeitpunkt der Beschäftigung mit diesem Thema dadurch, dass Operationen dieses Umfanges auf dem italienischen Kriegstheater besonderer Vorbereitungen bedurften und dass es empfehlenswert war, „[. . .] die DOHL. möglichst bald für bestimmte Richtlinien dieses Krieges und für einen raschen Erfolg verbürgenden Einsatz starker deutscher Kräfte zu gewinnen.“151 Bei der strategischen Planung griff die Denkschrift auf die zahllosen, aus der Friedenszeit stammenden Entwürfe für eine Offensive Österreich-Ungarns gegen Italien zurück.152 Die neue Studie brach mit den alten Ausarbeitungen lediglich in Bezug auf die Kräfteverteilung. Während die frühen Entwürfe für einen umfassenden Angriff auf Venetien die Hauptkräfte am Isonzo postiert hatten, sah diese Ausführung einen Stoß aus dem Raum südöstlich von Trient, zwischen Etsch und Brenta, in die venetianische Ebene vor.153 Für dieses Vorgehen sprachen laut Oberstleutnant (OTL) Schneller zwei Gründe, von denen Conrad nur den Ersteren gänzlich anerkannte: Mangel an Kräften aufgrund der Bindung an anderen Kriegsschauplätzen sowie die „[. . .] gesteigerte Wirkung des Stoßes gegen den Rücken des Feindes, wenn sich dieser möglichst stark und möglichst weit vorn an der küstenländischen Front verbiss.“154 Der entscheidende Punkt 150 Vgl: Artl, Gerhard: Die österreichisch-ungarische Südtiroloffensive 1916 (Militärgeschichtliche Dissertationen österreichischer Universitäten Bd. 2), Wien 1983, S. 26–31. Ebenso: Jedlicka, Ludwig: Der Kriegsbeginn und die ersten Ereignisse an der Südwestfront 1915 in den Tagebüchern des General Karl Schneller, in: Fichtenau, Heinrich/Zöllner, Erich (Hg.): Beiträge zur neueren Geschichte Österreichs, Wien/Köln/Graz 1974, S. 454–468, hier: S. 461. Auch: Pantenius, Angriffsgedanke, II, 1984, S. 708–718, sowie Peball, Führungsfragen, 1978, S. 419. Karl Schneller (1878–1942) schlug die Generalstabslaufbahn ein, wechselte 1915 in das Operationsbüro, wo er Leiter der I- Gruppe war, dann 1917 Kampfkommandant des Abschnitts Travenanzes, zum Kriegsende Delegierter bei den Waffenstillstands- und später auch Friedensverhandlungen. 151 Ö. U. L. K., Bd. III, 1932, S. 586. Vgl. auch: Pantenius, Angriffsgedanke, II, 1984, S. 709. 152 Vgl. die Studien aus den Jahren 1906 (in: Conrad, Dienstzeit, I, 1921, S. 411 und S. 457 ff.) und 1910 (in: Conrad, Dienstzeit, II, 1922, S. 64). Conrad äußerte sich dahingehend auch im Mai 1916: „Die Idee, den entscheidenden Stoß aus Südtirol gegen ein in Ostvenetien versammeltes Heer zu führen, wurde bereits im Jahre 1906 dem Aufmarschplan ‚I‘ (Italien) zugrundegelegt.“ Zitiert in: Regele, Conrad, 1955, S. 385. Hierzu auch: Peball, Conrad – Private Aufzeichnungen, 1977, S. 94–98. 153 Vgl.: Urbanski, Conrad, 1939, S. 326. 154 Ö. U. L. K., Bd. III, 1932, S. 586.

IV. Die österreichisch-ungarische Frühjahrsoffensive 1916

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der Offensive war ein rasches Vorstoßen aus dem Gebirge über Bassano– Thiene.155 Das Gelände würde hierbei die meisten Schwierigkeiten bereiten. Weitere Probleme, die es laut Schneller zu meistern galt, waren das zügige Heranführen der benötigten Kräfte auf nur einer Bahnlinie und die Versorgung der großen Truppenverbände während der Versammlung, der Bereitstellung und der Durchführung des Angriffs.156 Geplant war, dass drei spezielle Korps mit ausreichend schwerer und schwerster Artillerie, modernsten Gebirgsgeschützen und technischen Truppen ausgerüstet, die Befestigungen zwischen Vallarsa und Brenta ausschalteten und ein bis zwei Divisionen über den Rollepass auf die Sperren von Brenta vorstießen. Jeder Kilometer, den dieser Angriffskeil zurücklegte, würde seine Flanken verlängern und angreifbarer machen. Deren Schutz war gegen Verona durch ein Korps und in den Dolomiten durch die dortigen, um eine Division verstärkten Truppen zu besorgen. Schneller rechnete damit, dass die ‚Durchbruchsstaffel‘ von zehn oder elf Divisionen unter günstigen Umständen die italienischen Befestigungen in zwei bis drei Wochen überwinden könnten. Da ihre Kräfte für die in der Ebene dann entbrennenden Kämpfe kaum mehr ausreichen würden und sie „[. . .] nicht mehr stoßkräftig und beweglich genug wären“, sollte der ersten Staffel eine zweite ‚Marschstaffel‘ von mindestens drei Korps folgen.157 Der Erfolg des Unternehmens würde zu einem beträchtlichen Teil auf der Überraschung des Gegners beruhen. Daher waren umfangreiche Täuschungsmaßnahmen und absolute Geheimhaltung der Planung notwendig. Insbesondere sollten die Italiener glauben gemacht werden, dass ein Angriff über den Isonzo hinweg bevorstünde. Diese frühe Denkschrift sah, wegen der gebirgseigenen Wetterverhältnisse, den Start der Truppenausladungen spätestens für September 1915 vor, damit eine erhoffte Entscheidung in der Ebene im Oktober fallen würde.158 Angesichts der militärisch ungünstigen Lageentwicklung war aber an die Verwirklichung dieser groß angelegten Gegenoffensive für längere Zeit noch nicht zu denken. Oberstleutnant Schneller rechnete mit einer Unterstützung deutscher Truppen bei der Aufstellung der ‚Marschstaffel‘, da die österreichisch-ungari155

Zur Frühjahrsoffensive findet sich im Anhang die Karte 7. Vgl.: Pantenius, Angriffsgedanke, II, 1984, S. 711. Auch General Cadorna sah die Probleme: „Une offensive tentée avec de gros effectifs à travers une zone montagneuse relativement riche en routes, mais âpre et difficile, exigeait une préparation laborieuse pour qu’on pût nourrir et manœuvrer d’aussi grandes masses de troupes. La région n’était reliée au reste de la monarchie que par deux voies ferrées de montagne réduites à une seule, en vérité à deux voies, entre Franzensfeste et Trente.“ Er bezeichnete die Region als „[. . .] théâtre excentrique [. . .].“ Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 155 und S. 156. 157 Ö. U. L. K., Bd. III, 1932, S. 586 f. 158 Zur Kritik an Schnellers Denkschrift: Pantenius, Angriffsgedanke, II, 1984, S. 715–717. 156

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schen Streitkräfte die für die Operation erforderlichen 28 bis 30 Divisionen nicht würden freimachen können.159 Über die Frage der deutschen Beteiligung herrschte bei den Generalstabschefs Conrad von Hötzendorf und Falkenhayn Uneinigkeit. Seit dem 10. Dezember 1915 fand ein intensivierter Meinungsaustausch der beiden statt.160 Das grundsätzliche Problem war die unterschiedliche Bewertung des italienischen Kriegsschauplatzes. Falkenhayn hielt eine Offensive aus dem Trentino an sich für Erfolg versprechend, lehnte aber den ganzen Gedanken eines Italienangriffes ab, da er nicht daran glaubte, dass diese Unternehmung zur Kriegsentscheidung beitragen könne. „Selbst wenn der Schlag glückte [. . .]“, schrieb er an Conrad, „[. . .] trifft er Italien nicht tödlich. Rom ist, weil seine Heere im äußersten Nord-Osten des Landes eine meinetwegen schwere Niederlage erlitten, an sich durchaus nicht gezwungen, Frieden zu schließen.“161 Falkenhayn schlug vor, an der italienischen und russischen Front defensiv zu bleiben und die dadurch frei werdenden österreichischen Kräfte zur Ablösung deutscher Truppen, die an österreichisch-ungarischen Frontteilen eingesetzt waren, heranzuziehen. Diese seien dann für aktive Unternehmungen frei. „Darüber, wo diese aktiven Operationen geführt werden sollen, sind meine Erwägungen noch nicht abgeschlossen.“162 In der Weihnachtsdenkschrift von 1915 hat General von Falkenhayn für seine Ablehnung des Angriffs auf Italien eine mehr politische Begründung gegeben, die über die Bedenken, die er Conrad gegenüber aussprach, weit hinausging. Die historische Echtheit dieser Weihnachtsdenkschrift ist nicht zweifelsfrei zu beweisen, aber die historische Forschung stützt sich bei der Untersuchung von Falkenhayns Entschlüssen für das Jahr 159

Vgl.: Urbanski, Conrad, 1939, S. 327. Vgl. zu den Auseinandersetzungen: Janßen, Kanzler und General, 1967, S. 181–187. Die spezielle Sicht Schnellers in: Pantenius, Angriffsgedanke, II, 1984, S. 723–742. 161 Falkenhayn an Conrad am 11.12.1915, Urkunde in: Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, Nr. 77, S. 463. 162 Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, Nr. 77, S. 464. Falkenhayn wollte aber damals schon an der Westfront angreifen und dachte an einen Maasangriff bei Verdun. In seinen Memoiren konkretisiert Falkenhayn in Verbindung mit diesem Telegramm (welches von Falkenhayn auf den 16.12.1915 datiert wird): „Auf diese Frage brauchte im Telegramm nicht näher eingegangen zu werden, denn darüber ‚daß die ‚aktiven Operationen‘ jedenfalls nicht an der OstFront geführt werden würden, an deren Besetzung Österreich-Ungarn beteiligt war, konnte nach den mündlichen Aussprachen mit dem K. u. k. AOK nicht der geringste Zweifel bestehen. Ebensowenig darüber, daß es nicht beabsichtigt war, für diese Operationen auf K. u. k. Kräfte zurückzugreifen. Nähere Mitteilungen, die Operationen im Maasgebiet zu führen, wurden dem K. u. k. AOK Ende Januar 1916 gemacht.“ Falkenhayn. Erich von: Die Oberste Heeresleitung 1914–1916 in ihren wichtigsten Entschließungen, Berlin 1920, S. 168. 160

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1916 bevorzugt darauf.163 Die Notizen für einen Lagevortrag, den Falkenhayn ‚um Weihnachten‘ vor Kaiser Wilhelm gehalten haben will, wurden erstmals in Falkenhayns Erinnerungen über die Oberste Heeresleitung publiziert.164 Falkenhayns Äußerung lässt klar erkennen, wie sehr er den Gedanken an eine Ausweitung der deutschen Aktivitäten auf dem italienischen Kriegsschauplatz ablehnte: „Dem Vorschlag kann nicht beigetreten werden. Seine Verwirklichung würde lediglich Österreich-Ungarn Entlastung und Zukunftsvorteile bringen, nicht unmittelbar für den Gesamtkrieg. Selbst ein Abspringen Italiens von der Entente, das kaum denkbar ist, wird auf England keinen merklichen Eindruck machen. Die italienischen militärischen Leistungen sind so gering, Italien bleibt unter allen Umständen so stark unter der englischen Fuchtel, dass es sonderbar wäre, wenn man sich in diesem Urteil täuschte. Außerdem ist der Italiener derjenige unserer Feinde, dessen innere Zustände ihm die aktive Fortführung des Krieges, wenn die österreichisch-ungarische Armee einigermaßen ihre Pflicht weiter tut, bald unmöglich machen werden. Ob durch einen Angriff unsererseits diese wohltätige Entwicklung beschleunigt oder verlangsamt wird, weiß niemand. Es ist deshalb zweckmäßiger, sie nicht zu stören, zumal ein weiteres Festlegen österreichischungarischer Kräfte an der italienischen Front im Hinblick auf ihre Aufgaben im Osten nicht erwünscht ist.“165

Neben den strategischen hatte Falkenhayn auch operative Bedenken. Er wies in seinem Telegramm vom 11. Dezember 1915 auf einige Schwierigkeiten hin, die OTL Schneller bereits in seiner Studie als beachtenswert aufgeführt hatte: „Nach meinen reichlichen Erfahrungen wird man aber zu ihrer [der Offensive, Anm. d. Verf.] Durchführung, da sie, auf eine einzige Aufmarschbahn beschränkt, weder strategisch noch taktisch überraschend erfolgen kann, gut fünfundzwanzig Divisionen gebrauchen. Dass Euer Exzellenz in der Lage sein sollten, eine solche Macht, einschließlich der genannten galizischen Divisionen, aus der italienischen Front an der Angriffsstelle zu versammeln, bezweifle ich um so mehr, als bei der Eigenart des Angriffsgeländes, der jetzigen Jahreszeit und den sehr starken Befestigungen der Italiener nur besonders angriffsfähige Truppen in Frage kämen.“166 163 Anmerkungen zum „[. . .] begrenzten Anspruch auf Authentizität [. . .]“ der Weihnachtsdenkschrift in: Afflerbach, Falkenhayn, 1994, S. 353 Fußnote 910 und ebd., S. 543–546. 164 Vgl.: Falkenhayn, Heeresleitung, 1920, S. 176–184. 165 Reichsarchiv, Weltkrieg 1914 bis 1918. Die militärischen Operationen zu Lande. Bearbeitet von der Forschungsanstalt für Kriegs- und Heeresgeschichte (Bd. 10: Die Operationen des Jahres 1916 bis zum Wechsel der Obersten Heeresleitung), Berlin 1936, S. 6 f. Falkenhayn äußerte sich bezüglich den italienischen Leistungen auch in seinen Erinnerungen sarkastisch: „Man tritt den Italienern nicht zu nahe, wenn man ihre Leistungen, von rein kriegerischem Standpunkt betrachtet, außerordentlich gering nennt.“ Falkenhayn, Heeresleitung, 1920, S. 83.

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Falkenhayn unterstellte seinem österreichischen Kollegen auch persönliche Gründe. Dies war sicher richtig, da Conrad aus seiner Abneigung gegen die Italiener kein Hehl machte. In seinem Stab äußerte Conrad im März 1916: „Nun hoffe ich doch, dass mein Traum, diese Hunde von Katzelmachern zu hauen in Erfüllung geht. Dieser Traum datiert noch von der Zeit her, wo ich Brigadier in Triest wurde; es sind das nun 17 Jahre her.“167 Conrad teilte Falkenhayns Einschätzung keineswegs. Er hielt dagegen, dass eine „[. . .] entscheidende Niederlage des italienischen Heeres im Nordosten des Königreiches mit Preisgabe des Gebietes bis zur Etsch [. . .]“ Italien, infolge der dann unhaltbar werdenden inneren Lage, „[. . .] mit großer Wahrscheinlichkeit zum Friedensschluss zwingen [. . .]“ würde.168 Ein Ausscheiden Italiens aus der Entente hätte einen wesentlichen Kräftezuwachs für die Mittelmächte bedeutet. Conrad schrieb an Falkenhayn, dass auch er der Ansicht sei, „[. . .] dass ein durchgreifender Erfolg in Frankreich noch mehr geeignet wäre, unseren Krieg siegreich zu beenden. Ich glaube aber, dass diese Aktionen nur nacheinander [vom Verfasser gesperrt] zu machen sind. Geradeso wie der Balkankrieg erst nach Beendigung der Offensive gegen Russland begonnen werden konnte, kann m. E. [meines Erachtens, Anm. d. Verf.] der Angriff auf Italien erst geführt werden, bis wir vom Balkan Kräfte frei bekommen, und der Angriff in Frankreich dürfte erst aussichtsreich werden, wenn Italien geschlagen ist; denn erst nach diesem Schlage werden die für den entscheidenden Sieg in Frankreich notwendigen Kräfte verfügbar sein.“169

Ein Ausscheiden Italiens würde rund 400.000 Mann österreichisch-ungarischer Truppen frei werden lassen, so Conrad weiter. Sollte das italienische Heer allerdings Gelegenheit haben, sein taktisches Wissen und seinen Ausrüstungsstand weiter zu verbessern, so wäre ein italienischer Erfolg zu befürchten, „[. . .] der die Monarchie lahm legt.“170 Da Conrad zu diesem Zeitpunkt noch nicht über Falkenhayns Pläne an der Westfront informiert war, sah er die Weigerung, deutsche Truppen an die Südwestfront zu entsenden, nicht im Sinne einer Verlegung des deutschen Schwergewichts nach Westen, sondern meinte: „Entweder will Deutschland eine Niederwerfung Italiens verhindern, weil es dort gewichtige handelspolitische Interessen verfolgt, weil viel deutsches Kapital in 166

Falkenhayn an Conrad am 11.12.1915, Urkunde in: Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, Nr. 77, S. 463. Auch: Falkenhayn, Heeresleitung, 1920, S. 167. 167 Conrad am 4.3.1916 laut Tagebuch Oberstleutnant Schnellers. Zitiert in: Afflerbach, Falkenhayn, 1994, S. 355 Fußnote 919. 168 Conrad an Falkenhayn am 18.12.1915, Urkunde in: Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, Nr. 78, S. 465 f. 169 Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, S. 465. 170 Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, S. 466.

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Italien gebunden ist, kurz, weil es wirtschaftlich auch für die Zukunft mit Italien als Freund rechnen will; oder aber, und dies halte ich für sehr wahrscheinlich, sieht es in Italien jenen Dritten, mit dem es die Monarchie immer im Zaum halten kann, den es gegen uns ausspielen kann.“171

Für Conrad war aber die Italienoffensive die unerlässliche Vorstufe zur Kriegsentscheidung. Er urteilte also: „Ich erachte somit die Offensive gegen Italien als die notwendige Einleitung des endgültigen Entscheidungskampfes, dessen Erfolg noch im Jahre 1916 zu erringen für die Monarchie aus mancherlei Gründen ein Gebot der Notwendigkeit ist.“172 Eine Antwort seitens Falkenhayn erfolgte nicht mehr. Er hatte klargemacht, dass er nicht gewillt war, an einem Angriff gegen ein Land teilzunehmen, mit dem sich Deutschland nicht einmal im Kriegszustand befand.173 Die Besprechungen wurden resultatlos abgebrochen.174 Wie das deutsche Generalstabswerk schreibt, hatte Conrad nun die Gewissheit, „[. . .] dass er vorläufig auf deutsche Hilfe nicht rechnen könne. Er war entschlossen, den Angriff auch ohne diese zu führen.“175 Nicht nur Conrad war dazu entschlossen und arbeitete weiter an der Ausgestaltung der Pläne, sondern auch Falkenhayn. Im Februar 1916 setzte dieser vor Verdun seine ‚Blutmühle‘ in Gang, ohne seine Kollegen davon zu informieren.176 Gleichermaßen hielt Conrad seine Vorbereitungen für die ‚Strafexpedition‘ vor dem deutschen Generalstab geheim.177 Der Komman171 Conrad gemäß den Aufzeichnungen Schnellers. Zitiert in: Pantenius, Angriffsgedanke, II, 1984, S. 735. 172 Pantenius, Angriffsgedanke, II, 1984, S. 466. 173 Wie bereits erwähnt fand die italienische Kriegserklärung an das Deutsche Reich erst am 28. August 1916 statt. 174 Zu dem Konflikt zwischen Conrad und Falkenhayn auch: Afflerbach, Falkenhayn, 1994, S. 344 ff., sowie Ö. U. L. K., Bd. III, 1932, S. 604–607. 175 Reichsarchiv, Weltkrieg 1914 bis 1918, X, 1936, S. 571. 176 Falkenhayns Verdun Plan sah im französischen Festungsraum von Verdun einen vorgetäuschten Angriffsschwerpunkt vor. Dort sollten die Franzosen gezwungen werden, möglichst viel ihres Heeres zu konzentrieren, um in einem gigantischen Artilleriefeuer zu verbluten. Siehe zur ‚Saugpumpe‘ Verdun: Görlitz, Walter: Geschichte des deutschen Generalstabes von 1650–1945, Augsburg 1997, S. 186 ff. Auch: Keegan, John: Der Erste Weltkrieg. Eine europäische Tragödie, Reinbek 2000, S. 389 ff. 177 Vgl. hierzu: Cramon/Fleck, Schicksalsbund, 1932, S. 132. Cletus Pichler – zu dieser Zeit Generalstabschef der 11. Armee – beklagte den Mangel eines gemeinsamen Oberbefehls und die daraus entstandene Situation zweier unabhängiger Offensiven: „Der Erbfehler aller Koalitionskriege und ihr größtes Gebrechen kam hier in greller Beleuchtung zur Geltung. Vereint auf einem Kriegsschauplatz, auf ein gemeinsames Ziel geführt, wäre – nach menschlicher Voraussicht – dieser zusammengefaßten, großen Stoßkraft ein entscheidender Erfolg beschieden gewesen.“ Pichler, Krieg, 1924, S. 97. Die enge Verknüpfung der Ereig-

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dant der Südwestfront, Erzherzog Eugen, erhielt am 6. Februar in Marburg die Richtlinien für den geplanten Angriff auf Italien. Der 11. Armee wurde darin die Aufgabe zugewiesen, „[. . .] zwischen Etsch und Val Sugana mit gut zusammengehaltener Hauptkraft über die Hochflächen Folgaria und Lavarone auf Thiene und Bassano vorzustoßen. Die 3. Armee sollte, je nach der Lage, wenn möglich zur Ausnützung des Erfolges beim Austritt aus dem Gebirge verwendet werden.“178 Das Südwestkommando erhob gegen die Vorstellungen des AOK Einspruch. Erzherzog Eugen schlug vor, den Hauptstoß durch die Valsugana zu führen, unterstützt durch einen Flankenstoß aus dem Fleimstal.179 Dieser Plan trug die Handschrift des damaligen Generalstabschefs der Südwestfront, FML Alfred Krauß. Dieser trat vehement für seine Idee des Talstoßes ein. Die Truppen sollten versuchen, durch die breiten Flussniederungen durchzustoßen und dem Gegner in den Höhenstellungen die Verbindungen zur Ebene abzuschneiden. Da die Vorstellungen von Krauß nicht im Geringsten mit den Regeln der damaligen Kriegskunst konform gingen, wurde der Vorschlag vom AOK abgelehnt. Die Diskussion über die Streitfrage Talstoß oder Höhenangriff wird nie eine dogmatisch richtige Lösung hervorbringen, da jeder Fall anders gelagert ist. Bei der Südtiroloffensive 1916 gab es gute Gründe, den Talstoß durch die Valsugana einem Höhenangriff vorzuziehen.180 Man kann hierzu die Begründung des Kommandos der Südwestfront für seinen Vorschlag heranziehen: „[. . .] auch die taktischen Rücksichten verweisen auf eine breitere Gliederung der Angriffsgruppe unter Einbeziehung der Val Sugana. In dem für das Ansetzen der Hauptkraft gegebenen Angriffsraum von nur 20 km wird die große Überlegenheit an Kraft nicht zur Geltung kommen. Anderseits [sic] wird durch die geringe Frontbreite die Gefahr feindlicher Einwirkung gegen die Flanke, besonders beim Heraustreten aus dem Gebirge, wesentlich erhöht. Die neue Armee, welche erst hinter der 11. das Gebirge durchziehen soll, wird nur unter großen Schwierigkeiten helfend eingreifen können. Vermischungen der Verbände, Änderungen in den Befehlsverhältnissen werden unvermeidlich.“181 nisse Verdun-Italienoffensive stellt der Autor Rudolf Wagner heraus: Wagner, Hinter den Kulissen, 1931, S. 189–201. 178 Befehl des AOK zitiert in Pichler, Krieg, 1924, S. 98. Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 173 f. 179 Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 175. 180 Siehe auch: Mast Heinrich von, Die Valsugana 1915–1918, in: Der Schlern, Heft 4/1986, S. 237–250. Vgl. ebenso: Bettega, Adone: Soldati contro montagne. Cronache della Prima Guerra Mondiale dalla Val di Fiemme al Passo San Pellegrino, Primiero, Vanoi; monte Cauriol – cima Cece – cima Ceremanac – monte Colbricon, passo Rolle – cima Bocche, Valdagno (Vicenza) 1998. 181 Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 175.

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Dazu kam, dass ein Vorgehen durch die Valsugana weitgehend unabhängig von der Witterung hätte stattfinden können. Ein Problem das, wie sich zeigen wird, die Offensive äußerst negativ beeinflusst hat. Erzherzog Eugen und FML Krauß hatten noch weitere Bedenken. Mit dem Erreichen der Linie Thiene-Bassano sei nur der erste Schritt getan. Ein Vormarsch über diese Linie hinaus war wesentlich für die erhoffte Wirkung im Rücken der feindlichen Hauptkräfte.182 Das Suganatal bot die besten Voraussetzungen für einen reibungslosen Vormarsch: eine gut befahrbare Straße und eine Bahnlinie. Die Hochebenen waren für eine Großoffensive und deren Versorgung denkbar ungünstig. Die Bezeichnung Hochfläche verleitet zu einer Vorstellung von geographischen Bedingungen, die so nicht existieren. Sogar das Generalstabswerk Ö. U. L. K. widmet der Topographie-Problematik einige Seiten.183 Es kommt zu dem Schluss: „In seiner Gesamtheit wie auch im einzelnen bildete somit das zu überschreitende Kampfgebiet eine keineswegs leicht gangbare Hochfläche. Steil aufragende Höhen, tief eingerissene Talfurchen und unzugängliche Felswände formten ein in vielen Teilen verkarstetes und wasserarmes Gelände, das die Italiener in mehreren hintereinander liegenden Stellungen zu einem schier unüberwindlichen Festungsgürtel ausgebaut hatten.“184

Die Folgen dieser topographischen Bedingungen erläutert Cletus Pichler in seinen Aufzeichnungen über die Sürtirolkämpfe: Das „[. . .] Gelände, über das der Angriff geführt werden sollte, erfordert, dass bei halbwegs widerstandsfähigem Gegner fast von Berg zu Berg, oder doch von Abschnitt zu Abschnitt vorgegangen werden muss. Das bedingt viel Zeit und gestattet dem Feinde immer wieder neue Kräfte vorzuführen, sich zu verstärken, Atem zu holen und verhindert so eine rasch tiefer gehende Wirkung einer Niederlage.“185

Alle diese Schwierigkeiten nahm das österreichisch-ungarische Armeeoberkommando in Kauf und bereitete alles für den Start der Offensive vor. Das Kommando Südwest verlegte Mitte März seinen Sitz von Marburg nach Bozen, wo es die Bezeichnung Heeresgruppenkommando Erzherzog Eugen annahm. Das Landesverteidigungskommando in Innsbruck unter GdK Viktor Dankl übersiedelte nach Trient und erhielt den Namen 11. Armeeoberkommando. Generaloberst Hermann von Kövess kam Ende März 182

Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 174. Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 179–183. 184 Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 182. Alfred Krauß vermerkte in seinem Buch über die Ursachen der Niederlage: „Der Angriff führte aber über schweres Gebirgsterrain. Die Bezeichnung ‚Hochflächen‘ ist eine gänzlich irreführende.“ Krauß, Ursachen, 1920, S. 192. 185 Pichler, Krieg, 1924, S. 101. Dem Zitat voraus geht eine ausführliche „[. . .] geographische Skizze [. . .] der in Betracht kommenden Operationsräume“ und seiner Geländeschwierigkeiten. Ebd., S. 99–101. 183

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nach Trient, um das Kommando über die 3. Armee zu übernehmen. Die Verteidigung des Landes Tirol ging auf General Franz Freiherr von Rohr über. Diese Maßnahmen fanden unter strengster Geheimhaltung statt und waren mit diversen Aktionen zur Täuschung des Gegners verbunden.186 2. Vorbereitung und Logistik der Operation Die Südtiroloffensive ist ein eklatantes Beispiel für die Planung und Führung ‚vom grünen Tisch aus‘. Alles, was an der Südwestfront in Gang gesetzt wurde, war im Hauptquartier im rund 700 Kilometer entfernten Teschen geplant und formuliert worden.187 Als FML Alfred Krauß in seiner Funktion als Chef des Generalstabes des Kommandos der Südwestfront nach Teschen fahren wollte, um die Details der Planung zu erörtern, wurde ihm bedeutet, dass man auf seinen Besuch keinen Wert lege.188 Umgekehrt kamen aber weder der Italienreferent OTL Schneller noch der Chef der Operationsabteilung GM Metzger, geschweige denn der Chef des Generalstabes für die gesamte bewaffnete Macht Conrad, nach Südtirol. „Es gab wohl keinen krasseren Fall des Führens vom Schreibtisch aus als gerade die Südtiroloffensive.“189 Der Erfolg der Offensive hing aber an der Umsetzung der bisherigen Erfahrungen im Gebirgskrieg. Wer sollte die enormen Schwierigkeiten des Versammelns und Hervorbrechens aus den Bergen besser meistern können als die ‚Spezialisten‘ vor Ort? Zu den Erfahrungen zählte zweifellos, dass Kälte und Schnee kaum planbare Faktoren waren. Das österreichische Weltkriegswerk erkennt dies an, auch wenn der Eindruck erweckt wird, dass die Verantwortung nicht bei der mangelnden Umsetzung und Berücksichtigung von Erfahrungen gesucht wird, sondern bei ‚höheren Gewalten‘: „Da trat ein Hindernis auf, dessen man nicht Herr zu werden vermochte – schlechtes Wetter. Gerade Mitte Februar, mitten im Beginn der Vorbereitungen, setzte der bis dahin außergewöhnlich milde Winter mit allen Unbilden ein; unablässig, insbesonders [sic] vom 1. März an, fiel dichter Schnee.“190 Die Schneelage machte bereits das Herauslösen der Truppen, die bereits an der Gebirgsfront standen und nunmehr zusammengezogen werden sollten, äußerst schwierig. Bei Schneelagen von meh186

Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 186–189. Auch: Rauchensteiner, Doppeladler, 1997, S. 336. 187 Vgl.: Peball, Führungsfragen, 1978, S. 423. Der Autor H.G. Wells gibt genau dem Ausdruck, wenn er nach seiner Reise zur Italienfront schreibt: „You may understand Picardy [umkämpfte Region in Nordfrankreich, Anm. d. Verf.] on a map, but mountain warfare is three-dimensional.“ Wells, War, 1917, S. 28. 188 Vgl.: Rauchensteiner, Doppeladler, 1997, S. 334. 189 Rauchensteiner, Doppeladler, 1997, S. 334. 190 Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 194.

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reren Metern fielen viele Kaiserjäger und Tiroler Landesschützen auf ihren Verlegungsmärschen Lawinen zum Opfer.191 Schäden an Straßen, Brücken und Seilbahnen erschwerten den Antransport von Menschen und Material beträchtlich.192 Vor allem das Heranbringen der schweren Artillerie bedurfte eines Übermaßes an Anstrengung und Opferbereitschaft. Neben den 30,5 Zentimeter Mörsern sollten auch eine 35 Zentimeter Kanone, zwei neuartige 38 Zentimeter Haubitzen und eine 42 Zentimeter Haubitze in Stellung gebracht werden.193 Auf die Hochfläche von Folgaria und Lavarone führten nur drei Straßen und über die lawinengefährdetste sollte die riesige 42 Zentimeter Küstenhaubitze rollen. Der Transport blockierte über Tage alle anderen Versorgungsfahrten auf dieser Route. Entlastung brachten hier die Seilbahnen, die aber nur begrenzte Kapazitäten hatten. Die leistungsfähigste in diesem Raum, die Seilbahn von Cagliano nach Folgaria, hatte Ende März eine Tagesleistung von 200 Tonnen.194 Die zu transportierenden Mengen waren enorm: bis Mitte April hatte man auf die Hochflächen 10.000 Tonnen Munition und mehr als 3.000 Tonnen technisches Material befördert. Die Verpflegung, die in den Ortschaften Calceranica, Folgaria, Lavarone, Pergine und Trient gelagert wurde, reichte für Mann und Pferd von neun Divisionen für 30 Tage.195 191 Innerhalb von zwei Wochen, zwischen dem 5. bis 20. März, wurden in ganz Tirol und Kärnten 1.237 Mann verschüttet. Die Hälfte konnte lebend geborgen werden. Vgl.: Artl, Südtiroloffensive, 1983, S. 70. 192 Vgl.: Pichler, Krieg, 1924, S. 103. 193 Zur Verdeutlichung der Leistung der Geschütze soll ein Zitat aus Ö. U. L. K. dienen: „Die 38cm-Haubitzen schleuderten 740 kg schwere Geschoße bis auf 16 km Entfernung. Sie verließen erst im März die Skodawerke in Pilsen und waren vielseitiger verwendbar als die etwas schwerfälligen, ursprünglich für den festen Einbau in Küstenbefestigungen konstruierten 42cm-Haubitzen, die Granaten im Gewicht von 800 und 1000 kg auf 15 und 13 km Entfernung schossen. Die 35cm-Kanone wurde erst Mitte März durch Umbau eines Schiffsgeschützes fertiggestellt. Sie konnte nur auf der Vollbahn fortbewegt werden und musste daher nahe an dieser in Stellung gehen.“ Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 185 Fußnote 1. 194 Vgl.: Schaumann, Walther: Die Bahnen zwischen Ortler und Isonzo 1914–1918. Vom Friedensfahrplan zur Kriegsfahrordnung. Der Einsatz der K. u. k. Eisenbahntruppe, der K. k. Eisenbahner und der Kaiserlich deutschen Eisenbahnformationen, Wien 1991. Die Gestaltung des Eisenbahnaufmarsches für die Südtiroloffensive findet sich in dem Werk des stellvertretenden Chefs des Feldtransportwesens, Emil Ratzenhofer: Ratzenhofer, Militärische Bahnauswertung, 1933, S. 36–45 und Dultinger, Josef: Vergessene Vergangenheit. Schmalspurbahnen der K. u. k. Armee zur Dolomitenfront 1915–1918, Rum 1982. 195 Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 196 Fußnote 1. Vgl. zu den Vorbereitungen auch: Acerbi, Enrico: Strafexpedition maggio–giugno 1916. Fatti-memorie-immagini-ricordi dell’offensiva austriaca in Trentino, Valdagno (Vicenza) 1992, S. 9–28 und Meregalli, Carlo: Grande Guerra Strafexpedition. Conrad: „Annientate l’Esercito italiano!“, Bassano del Grappa (Vicenza) 2001, S. 19–32.

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Die wetterbedingten Schwierigkeiten führten dazu, dass neben den Arbeitskommandos auch alle eintreffenden Fronttruppen Schnee schaufelten und sich nicht den militärischen Vorbereitungen hingeben konnten. Trotz dieser unfreiwilligen, die Italiener täuschenden Ruhe blieben diesen die Angriffsvorbereitungen nicht verborgen. Generalstabschef Cadorna sandte am 18. April folgenden Brief an die intendance générale: „Les informations jusqu’à présent recueillies, l’accroissement certain des effectifs ennemis devant notre 1re armée, les opérations actuellement en cours dans cette zone, font considérer, dans l’ensemble, que des opérations de quelque envergure sont non seulement possibles, mais même assez probables dans les régions du val Lagarina, sur les plateaux et en val Sugana.“196

Die Verzögerung des Angriffes infolge einer zweimaligen Verschiebung ließ den italienischen Truppen Zeit, ihre Abwehrbereitschaft auszubauen. Mitte April setzte wärmeres Wetter ein und man hoffte auf einen baldigen Angriffsbeginn. Die Schneehöhen betrugen auf Folgaria 90–110 Zentimeter und auf Vezzena 30–40 Zentimeter. „Dazu die Ironie, im Tal und auf den sonnseitigen Hängen meldete sich der Frühling, zeigte sich das Grün. Auf den Höhen mit ihren 1600–2000 m hohen Gipfeln, auf den Schattenhängen, gegen welche just der Angriff gehen sollte und in den Mulden und Niederungen, die wir überqueren mussten, lag noch hoher, weicher Schnee.“197 General Pichler war als gebürtiger Tiroler mit den Verhältnissen vertraut und davon überzeugt, dass es ein Fehler war, die Truppen so früh zu verschieben. Vor Mai ließe der Schnee keinen Großangriff zu. Diese unbequeme Wahrheit wurde im Armeeoberkommando in Teschen ignoriert und man drängte auf einen Angriff, ohne die lokalen Verhältnisse ausreichend zu berücksichtigen. Wieder einmal bedrängt, den Angriff anlaufen zu lassen, ging General Pichler hinaus, „[. . .] rammte seinen Spazierstock in den Schnee und sah dies als Ad- oculos- Demonstration der Unmöglichkeit an, Soldaten im knietiefen Schnee angreifen zu lassen.“198 Das Missfallen zeigt sich auch in dem Ausspruch, der unter den Offizieren kursierte: „Cadorna hätte schon gewusst, warum er erst Mitte Mai den Krieg erklärt hatte.“199 Ende April verschlechterte sich das Wetter erneut und es gab wieder Regen und Schneestürme. Die Unmöglichkeit eines Angriffes unter diesen Wetterbedingungen wird bei Betrachtung der Aufzeichnungen eines Bataillonskommandeurs klar, der am 26. April eine groß angelegte Angriffsübung abgehalten hat: „Nach dem eingetretenen Föhnwetter und Schneesturm trägt die Schneedecke im allgemeinen überhaupt nicht mehr. Die einzige Zeit, zu der ein nichtbelasteter 196 197 198 199

Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 155. Pichler, Krieg, 1924, S. 105. Rauchensteiner, Doppeladler, 1997, S. 337. Zitiert in: Artl, Südtiroloffensive, 1983, S. 94.

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Mann noch halbwegs ohne besondere Erschöpfung vorwärts kommt, liegt zwischen drei und sechs Uhr morgens. Zur Zurücklegung einer Strecke von 2000 Schritten waren drei Stunden erforderlich. Die Sprünge konnten nicht größer als 25 und 30 Schritte gemacht werden. Auf Sturmdistanz langten die Leute in allen Fällen sehr ermüdet an [. . .] nach dem Sturm waren sie ausgepumpt. Ein Handgemenge könnte sehr leicht zu unseren Ungunsten ausfallen. Von einer Verfolgung musste überhaupt abgesehen werden. Das Nachschieben von Munition in die Schwarmlinie ist nur mit großem Kraftaufwand möglich, das Zurückschaffen von Verwundeten beinahe ausgeschlossen.“200

Als der österreichisch-ungarische Angriff, über dessen Bevorstehen Falkenhayn nun doch Meldungen erhalten hatte, Anfang Mai immer noch nicht begonnen hatte und sich die Gerüchte vermehrten, dass er ganz abgesagt würde, wandte sich der deutsche Generalstabschef an den Verbindungsoffizier bei der österreichischen Heeresleitung (HL), General von Cramon.201 Dieser sollte herausfinden, „[. . .] ob die K. u. k. HL infolge völlig veränderter Verhältnisse an Tiroler Front, die eine Offensive dort nicht mehr durchaus aussichtsreich erscheinen lassen, geneigt sein sollen, andere Pläne in Erwägung zu ziehen [. . .].“202 Die Antwort war kurz und lapidar: „Offensive an Tiroler Front wird zunächst nicht aufgegeben.“203 Eine ausführlichere Antwort folgte am selben Tag.204 Die Vorbereitungen seien abgeschlossen und der Angriff stünde unmittelbar bevor. Bei einem Fehlschlag stünden die frei werdenden Truppen für ein gemeinsames Vorgehen zur Verfügung. Das weitere Hinauszögern quittierte Falkenhayn am 12. Mai 1916 mit dem Hinweis an Cramon: „Da man auch jetzt wieder den Termin für Beginn der Offensive in Tirol ungenutzt hat verstreichen lassen müssen, wird Unternehmen wohl immer weniger aussichtsreich.“205 Er versuchte auch, das österreichisch-ungarische AOK von seinen eigenen Ideen zu überzeugen: „Andererseits wachsen unzweifelhaft die Aussichten eines mit Hilfe starker schwerer Artillerie der Österreicher an der Westfront operativ überraschend geführten Stoßes täglich.“206 Falkenhayns Schreiben kreuzte sich 200 Artl, Südtiroloffensive, 1983, S. 94. Es handelte sich um ein Bataillon des Infanterieregiments (IR) 59. Auf diese Episode verweist bereits Urbanski, Conrad, 1939, S. 335. 201 Vgl. zur Tätigkeit der Liaison-Offiziere: Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 186 f. Auch: Cramon, August von: Quatre ans au GQG austro-hongrois pendant la guerre mondiale comme représentent du GQG allemand, Paris 1922. 202 Falkenhayn an Cramon am 3.5.1916, Urkunde in: Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, Nr. 80, S. 467. 203 Cramon an Falkenhayn am 4.5.1916, Urkunde in: Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, Nr. 81, S. 467. 204 Cramon an Falkenhayn am 4.5.1916, Urkunde in: Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, Nr. 82, S. 468. 205 Falkenhayn an Cramon am 12.5.1916, Urkunde in: Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, Nr. 83, S. 469.

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mit Conrads Anzeige, dass der Angriff jetzt beginne.207 Der deutsche Generalstabschef wünschte bestes Gelingen, versäumte es aber nicht, Cramon gegenüber zu erwähnen, dass im Falle des Festlaufens des Angriffs („[. . .] was der Himmel verhüten möge [. . .]“) möglichst bald „[. . .] die Vorteile einer überraschenden gemeinsamen Offensive an anderer Stelle, nämlich der Westfront [. . .]“ wahrzunehmen seien.208 Am 13. Mai weilte Conrad das letzte Mal vor Beginn der Offensive in Wien, um den Kaiser persönlich zu unterrichten. Nach all den Verzögerungen schloss Conrad: „Vor einem Monat wäre es ein Überfall gewesen,“ jetzt sei es vielmehr „ein Duell“.209 3. Die militärische Durchführung Seit April war der österreichisch-ungarische Aufmarsch abgeschlossen. Die 11. Armee stand angriffsbereit im Abschnitt Gardasee bis zur Valsugana. Hinter ihr war die 3. Armee (Generaloberst von Kövess) versammelt. Die Angriffsrichtungen der 11. Armee unterstehenden Korps waren: das VIII. Korps

(Feldzeugmeister von Scheuchenstuel): Etsch-Borcolapass–Pian della fugazze

das XX. Korps

(Thronfolger FML Erzherzog Karl Franz Josef): Folgaria-Arsiero–Thiene

das III. Korps

(FML Ritter von Krautwald): Asiago–Bassano

das XVII Korps (Generaloberst Dankl): Valsugana210 Von den hier genannten Korps begannen das VIII., XX. und das XVII. ihren Angriff zugleich, während das III. abzuwarten hatte, bis das XX. auf gleicher Höhe war. In den Kampf des Letzteren hatte das III. lediglich mit seiner Artillerie einzugreifen.211 Auf italienischer Seite konnte General Cadorna nicht an einen frontalen Durchbruch auf den Hochflächen glau206

Ebd., S. 469. Cramon an Falkenhayn am 10.5.1916 (eingetroffen im Großen Hauptquartier am 13.5.), Urkunde in: Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, Nr. 84, S. 469–471. 208 Falkenhayn an Cramon am 14.5.1916, Urkunde in: Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, Nr. 85, S. 471. 209 Rauchensteiner, Doppeladler, 1997, S. 339. 210 Vgl.: Schemfil, Das dritte Regiment (TKJ), 1926, S. 350. Auch: Reichsarchiv, Weltkrieg 1914 bis 1918, X, 1936, S. 577 f. 211 Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 227 f. 207

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ben.212 Er hielt die lebhafte Tätigkeit in Tirol für ein Ablenkungsmanöver, verstärkte aber dennoch seine 1. Armee mit modernen Batterien und Infanterie.213 Eine Maßnahme, die sicher durch die Tatsache gefördert wurde, dass Cadorna durch Überläufer von den österreichischen Plänen frühzeitig unterrichtet worden war.214 Cadorna urteilte rückblickend über die Bedeutung der 1. Armee: „Dans l’économie générale de la guerre, la 1re armée avait un rôle d’une extrême importance, bien que moins apparent que celui des autres armées qui attaquaient sur l’Isonzo.“215 General Brusati, Kommandant der 1. Armee, glaubte sich trotz allem zu wenig unterstützt und wurde am 8. Mai durch General Pecori-Giraldi ersetzt. Am 15. Mai 1916 begann schließlich die Südtiroloffensive und damit der einmalige Versuch, mit zwei Armeen, also einer kompletten Heeresgruppe, im Hoch- und Mittelgebirge eine riesige Operation zu beginnen. Die beiden K. u. k. Armeen mit insgesamt etwa 157.000 Mann sollten gegen 114.000 Mann der italienischen 1. Armee vorstoßen und in die venetianische Tiefebene eindringen. Um sechs Uhr morgens eröffnete die Artillerie das Vorbereitungsfeuer. 892 Geschütze, darunter 182 schwere und 62 schwerste, steigerten sich zu einem Orkan.216 Zwei Stunden später setzte sich die österreichisch-ungarische Infanterie in Bewegung. Das zwischen Val Terragnolo und Vallarsa aufgestellte Thronfolgerkorps sollte den Rammstoß führen.217 Nach Überwindung der italienischen Vorstellungen ging der Vor212 „Et, cependant, il est très vrai que, jusqu’au dernier moment, je n’ai pas cru à une attaque de grand style poussée à fond, dans le but stratégique de couper les communications du gros de notre armée déployée entre Cadore et Isonzo.“ Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 155. Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 231. 213 Zu Cadornas Befehl vom 30. April, die Stellungen auszubauen und mit Artillerie zu verstärken: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 143 f. Zur Verstärkung der 1. Armee: ebd., S. 145–154. 214 Bereits am 25. April war der tschechische Reserveoberleutnant Knechtl desertiert und Ende April konnten die Österreicher in italienischen Zeitungen ihre Offensivpläne nachlesen. Vgl.: Pichler, Krieg, 1924, S. 105. Ein anderer Deserteur war der Fortifikationswerkmeister Weyer, der ebenfalls im April übergelaufen war. Vgl.: Weber, Fritz: Alpenkrieg, Klagenfurt/Wien o.J, S. 200. Siehe auch Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 224. 215 Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 138 f. 216 Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 256. 217 Das XX. Korps der 11. Armee war eines der besten auf dem südwestlichen Kriegsschauplatz. Bestehend aus der 8. ‚Kaiserjäger‘ Division unter FML von Fabini (gebildet aus der 180. Infanteriebrigade [FML von Verdroß] mit dem 1. und 2. TKJ-Regiment und der 58. Gebirgsbrigade [Oberst von Merten] mit dem 3. und 4. TKJ-Regiment) und der 3. ‚Edelweiß‘ Division unter FML von Horsetzky (Infanterie-Regimenter 14, 21, 59) wurde das ganze Korps von dem Thronfolger Feldmarschalleutnant Erzherzog Karl Franz Josef befehligt. Vgl.: Schemfil, Das dritte Regiment (TKJ), 1926, S. 348. Zur umstrittenen Verwendung des Thronfolgers siehe: Rauchensteiner, Doppeladler, 1997, S. 335.

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marsch gut voran. Der preußische Kriegsminister Wild von Hohenborn urteilte in einem Brief an seine Frau am 17. Mai: „Die Österreicher haben bis jetzt gegen Italien guten Anfang. Wir verfolgen die Operationen mit gespanntem Interesse. Gestern 6000 Gefangene, 13 Geschütze, das war doch recht schön. Aber heutzutage kommt man leicht durch die erste Linie und sitzt dann fest. Wir werden sehen! Jedenfalls begleiten wir sie mit den besten Wünschen. Das Gelände dort ist so schwierig, dass man sich kein rechtes Bild machen kann.“218

Das 3. Kaiserjägerregiment eroberte die Malga Pioverna und die Costa d’Agra und machte dabei 800 Gefangene.219 Im Suganatal wurden die Italiener überrascht und gingen fluchtartig zurück. Bereits am 22. Mai waren K. u. k. Truppen über die Ortschaft Borgo hinaus vorgedrungen.220 Das ob dieser Entwicklung zuversichtliche Heeresgruppenkommando forderte die 11. Armee auf, „[. . .] mit ihrem linken Flügel ohne Zeitverlust in der ihr vorgezeichneten Hauptrichtung Thiene weiter vorzudringen, um so bald als möglich die Gebirgsausgänge zu erreichen. Das Herankommen der schweren Artillerie brauche nicht erst abgewartet zu werden, da es gar nicht feststehe, ob für diesen Zweck die Wirkung so zahlreicher Batterien überhaupt noch erforderlich sei.“221

Erst am 25. Mai stießen sie bei Ospedaletto auf nachhaltigen Widerstand. Der Angriff des noch zurückgestellten III. Korps war für den 21. Mai vorgesehen gewesen. Als man am 19. Mai jedoch einem mitgehörten italienischen Ferngespräch entnahm, dass eine Umgruppierung bevorstehe, wurde der Angriff auf den 20. Mai vorverlegt.222 Nach zweitägigem Kampf konnten die ersten Stellungen bei Vezzenea genommen werden. Bei einem weiteren Vorfühlen am 22. Mai fand sich die zweite italienische Stellungslinie geräumt. Nur auf dem äußersten Nordflügel verstrickte man sich in heftige Kämpfe um die Porta di Manazzo.223 Schon am 23. Mai fiel der Eckpfeiler der nächsten Stellung, der Monte Kempel (2.310 Meter), den K. u. k. Gebirgstruppen in die Hand, die von der Porta di Manazzo nachgestoßen waren.224 Im Süden fiel das ganze Verena Plateau bis an das untere Assatal in 218

Hohenborn, Briefe, 1986, S. 155. Vgl.: Haager/Hoffmann/Spielmann, Kaiserjäger, 1996, S. 101 und: Schemfil, Das dritte Regiment (TKJ), 1926, S. 362. 220 Vgl.: Meregalli, Grande Guerra Strafexpedition, 2001, S. 81–93. 221 Zitiert in: Urbanski, Conrad, 1939, S. 336 f. 222 Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 277. 223 Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 283. Zum Befestigungswerk auch: Striffler, Robert: Von Fort Maso bis Porta Manazzo. Bau- und Kriegsgeschichte der italienischen Forts und Batterien 1883 bis 1916, Nürnberg 2004. 224 Vgl.: ebd., S. 284 ff. 219

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den Besitz der Österreicher. In der Mitte, beiderseits des Monte Meata, konnte der starke italienische Widerstand erst am 25. Mai gebrochen werden, nachdem wiederum der Nordflügel längs des Südrandes des Suganatales nach Osten vorgerückt war.225 Inzwischen hatte das VIII. Korps am rechten Flügel der 11. Armee weder die Coni Zugna (1.865 Meter) noch den entscheidenden Monte Pasubio (2.236 Meter) besetzen können.226 Generalstabschef Cadorna schrieb in seinen Memoiren: „Au Pasubio s’appuyait également la principale position de résistance face au Posina et à l’Astico. Elle se développait sur la crête entre Posina et Leogra et comprenait plusieurs lignes; le groupe du Novegno en constituait le pivot essentiel; sur l’ordre du commandement en chef, le sommet du Priaforà et celui du Summano avaient été transformés en rocs inexpugnables par d’immenses travaux souterrains, leur permettant, même isolés, de résister indéfiniment.“227

Das XX. Korps hatte hingegen den Monte Maggio (1.500 Meter) und die Platte südlich von Tonezza mit dem Monte Cimone (1.230 Meter) bis zum 25. Mai genommen.228 Die Nachrichten von den Erfolgen der Südtiroloffensive verbreiteten sich rasch und wurden in der österreichisch-ungarischen Presse weidlich ausgekostet. In Wien notierte der Staatsrechtsprofessor Josef Redlich in einer für ihn ungewohnt euphorischen Art in sein Tagebuch: „Mittwoch, 24. Mai. Großartiges Fortschreiten unserer herrlichen Truppen in Südtirol: 24.000 Gefangene, 250 Kanonen erobert, fast die ganze Linie von der Brenta bis zur Etsch auf italienischem Boden. Was das alte Österreich nach zweijährigem Krieg noch fertig bringt!“. Und mit Blick auf die gespannten und durch Sentiments bestimmten Beziehungen zwischen den Verbündeten fährt er fort: „Da werden auch die selbstbewussten Herren in Berlin ihren Hochmut ein wenig dämpfen.“229 Unterdessen begann in der Südtiroloffensive eine neue Phase, die Schlacht bei Arsiero und Asiago.230 Die österreichisch-ungarischen Truppen standen 225

Vgl.: ebd., S. 289 f. Vgl.: Acerbi, Strafexpedition, 1992. S. 29–60; S. 96–118. Auch: Meregalli, Grande Guerra Strafexpedition, 2001, S. 33–61. Zur Zugna Torta ebenso: Golowitsch, Schützen verteidigen Tirol, 1985, S. 210–210. 227 Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 195. 228 Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 255–273 und S. 296 ff.; sowie Pichler, Krieg, 1924, S. 109–123. Ebenso: Acerbi, Strafexpedition, 1992, S. 119–168. 229 Redlich, Josef: Das politische Tagebuch Josef Redlichs, bearbeitet von Fritz Fellner (Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs Nr. 39/40, hier: Bd. 2), Graz/Köln 1953, S. 117. Das Tagebuch Redlichs stellt eine der wichtigsten Quellen der – politischen – Ereignisse in der Donaumonarchie jener Tage dar, da es den Vorzug der Authentizität besitzt und keine nachträgliche Anfertigung ist. 226

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vor der dritten italienischen Stellungslinie, die die Becken von Arsiero und Asiago deckte. Die Voraussetzungen für die geplante Linksschwenkung des rechten Flügels waren nicht erfüllt worden. Der Flügel hing zurück und hatte noch starke italienische Stellungen und schwieriges Gelände vor sich. In der Mitte hingegen richtete sich der Angriff „[. . .] gegen die von Natur sehr starke Stellung [. . .], die von den schwer zugänglichen Gipfeln des Monte Novegno (1.552 Meter)–Monte Priaforà (1.653 Meter) über Arsiero jenseits der tief eingeschnittenen Assa-Schlucht über die Punta Corbin (1090 Meter) und Camporovere nach Nordosten verläuft.“231 Das Ziel war, bei Arsiero oder Asiago einzubrechen, um dann die übrigen, in der Front sehr starken Abschnitte durch Flanken- und Rückenangriffe auszuschalten. In den Weisungen des AOK vom 25. Mai hieß es: „Wir wollen und müssen in die Ebene vordringen und hiezu [sic] die Ausgänge aus dem Gebirge in den Richtungen Thiene und Bassano ohne Zeitverlust in Besitz nehmen.“232 Dies lässt eine Verschiebung des Schwerpunktes nach der Mitte hin erkennen, weg von der Stoßrichtung auf Rovereto–Schio. Der österreichisch-ungarische Vormarsch geriet aber ins Stocken. Aufgrund der großen Erfolge, die man mit der Unterstützung durch die Artillerie erlangt hatte, legte General Dankl großen Wert darauf, die Artillerie konsequent nachzuziehen. In dem unwegsamen Gebiet führte dies unweigerlich zu extremen Verzögerungen.233 Einer der Kritiker war Alfred Krauß, der erkannte, dass die K. u. k. Truppen viel zu schematisch vorgingen: Erst ebnete die Artillerie die feindlichen Stellungen ein, dann eroberte die Infanterie den nach Stunden und Kilometern vorberechneten Abschnitt und schließlich rückte die schwere Artillerie nach. Dieser Ablauf wiederholte sich immer wieder, sodass Krauß mehr Flexibilität der Truppen und ein energisches und gewagtes Vorgehen, das die Verwirrung des Gegners auszunützen wisse, forderte.234 Ein anderes Problem, das sich bei jedem schnell und weit vorgetragenen Angriff ergibt, ist das des Nachschubs. Die Transportleistung litt unter den sich verlängernden Transportwegen und dem schwierigen Gelände. Die Artilleriemunition war bereits am zweiten 230 Zu den österreichisch-ungarischen Angriffen auf die Hochfläche von Asiago: Acerbi, Strafexpedition, 1992, S. 213–304, sowie Meregalli, Grande Guerra Strafexpedition, 2001, S. 87–102. Vgl. auch: Bencivenga, Roberto: La sorpresa di Asiago e quella di Gorizia. La campagna del 1916, saggio critico sulla nostra guerra (Collezione storica, 8), Udine 1998. Darüber hinaus: Martino, Basilio di: La Guerra della Fanteria 1915–1918. Carso-Oslavia-Altopiano di Asiago-Val d’Astico, Valdagno (Vicenza) 2002. 231 Reichsarchiv, Weltkrieg 1914 bis 1918, X, 1936, S. 578. 232 Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 307. 233 Vgl.: Rauchensteiner, Doppeladler, 1997, S. 340. 234 Siehe: Krauß, Ursachen, 1920, S. 191.

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Angriffstag nicht mehr im gewünschten Umfang bereitzustellen.235 Mit der Verlangsamung der österreichischen Offensive konnten die Italiener Zeit gewinnen und über ihr dichtes Eisenbahnnetz gewaltige Truppenmassen heranschaffen. Am 27. Mai gelang den österreichisch-ungarischen Truppen noch die Einnahme Asiagos und am 30. Mai die Eroberung des zentralen Monte Priaforà.236 Obwohl sich nun fast die gesamten Hochflächen und italienischen Sperrforts in den Händen der Donaumonarchie befanden, gelang der Austritt aus dem Gebirge nicht. Die italienische Gegenwehr sollte die K. u. k. Truppen in einigen Abschnitten sogar zurückdrängen. 4. Die Offensive läuft sich fest Der italienische Generalstabschef General Cadorna befand sich seit dem 16. Mai bei der 1. Armee in Thiene. Er entschloss sich am 21. Mai, mit Verbänden der 2. und 3. Armee der Julischen Front eine neue 5. Armee im Dreieck Vicenza–Padua–Cittadella aufzustellen. Er schreibt dazu: „Idée fondamentale. – Réunir en temps utile, dans la plaine de Vicenza, à portée des débouchés, une armée supérieure à celle avec laquelle l’adversaire déboucherait probablement des plateaux dans la plaine, le battre et le rejeter dans les montagnes. [. . .] Temps nécessaire à la réunion de l’armée. – Concentration aussi rapide que possible par utilisation simultanée des voies ferrées, des camions et de la route. On avait calculé que les quatre premiers corps d’armée seraient rassemblés, prêts à agir, le 5 juin; en fait, ils le furent le 2. [. . .] Le commandement de la 2e armée fut mis à la tête de la nouvelle armée qui prit le numéro 5 [. . .].“237

Darüber hinaus sorgte Cadorna für den Antransport zweier Infanteriedivisionen aus Albanien und aus Libyen. Dank der guten Infrastruktur der venetianischen Ebene war die 5. Armee tatsächlich wie geplant am 5. Juni einsatzbereit, mit 179.000 Mann und 35.600 Pferden.238 Um seine Truppen anzuspornen, gab Cadorna an den Kommandanten der Hochfläche Asiago, Generalleutnant Clemente Lequio, den Befehl aus: „Während an der übrigen Front sich die Truppen überall tapfer halten, sind von Seiten einiger Einheiten des Raumes Asiago in diesen Tagen überaus schimpf235

Vgl.: Artl, Südtiroloffensive, 1983, S. 113. Zur Besitznahme: Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 311 f. Die Eroberung des Monte Priforà wurde von FML Ludwig von Fabini, genannt Kaiserjägertod, in einem der Ergänzungshefte zu Ö. U. L. K. geschildert. Vgl.: Fabini Ludwig von, Monte Priaforà. Ein Ruhmesblatt der Tiroler Kaiserjäger aus der Maioffensive 1916. Ergänzungsheft 3 zum Werke Ö. U. L. K., Wien 1932, S. 43–64. Zu Fabini als Kaiserjägertod auch: Kraus, Die letzten Tage, 1986, Akt IV Szenen 11/12, S. 450 ff., auch: ibid., S. 841. 237 Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 164 und S. 166. 238 Vgl.: Peball, Führungsfragen, 1978, S. 429. 236

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F. Vom Krieg der Bergführer zur ‚Verdunisierung‘

liche Taten vorgekommen, die eines Heeres unwürdig sind, welches die militärische Ehre hochhält. Stellungen von der bedeutendsten Wichtigkeit, welche leicht hätten verteidigt werden können, sind wenigen Feinden ohne irgendwelchen Widerstand überlassen worden. [. . .] Falls notwendig, lassen Sie sofort und ohne Verfahren die Schuldigen solch ungeheurer Skandale, gleichgültig, welchem Grad sie angehören, – erschießen. [. . .] Man muss hier [auf der Hochfläche von Asiago, Anm. d. Verf.] aushalten oder sterben.“239

General Cadorna war zur Gegenoffensive fest entschlossen. Hierzu wurde zunächst die Lage auf der Hochfläche stabilisiert. Die sieggewohnten Kaiserjäger trafen auf massiven Widerstand und mussten einige Rückschläge hinnehmen. Das 2. Regiment scheiterte am Monte Cagola, das 4. am Monte Ciove. Am 12. und 13. Juni missglückte ihr Ansturm auf den Novegno und am 15. und 16. Juni ihre Attacke gegen den Lemmerle. Sehr verlustreich waren auch die Kämpfe der Landesschützen um den Passo Buole.240 Es war an allen Fronten abzusehen, dass die österreichischen Truppen neue Kräfte brauchten, um die Offensive mit Erfolg fortführen zu können. Die Lage der Donaumonarchie verschlechterte sich zusätzlich durch die Ereignisse an der Ostfront. Seit Ende Mai hatten die Italiener bei ihren Alliierten um Hilfe nachgesucht. Die russische Heeresleitung stellte eine Entlastungsoffensive in Aussicht, die am 4. Juni begann.241 General Alexej Alexandrowitsch Brussilov ging am 4. Juni gegen die 4. K. u. k. Armee bei Olyka-Luck (Wolhynien) und am 10. Juni gegen die 7. K. u. k. Armee bei Okna (Bukowina) vor. Er zertrümmerte diese zwei K. u. k. Armeen und drückte die Front tief ein. Conrad von Hötzendorf blieb nichts anderes übrig, als am 6. Juni nach Bozen zu melden, dass Verstärkungen aus dem Nordosten nicht zu erwarten seien. Am 8. Juni wurde die eben auf dem Tiroler Schauplatz eingetroffene 61. Infanteriedivision an die russische Front umgeleitet. Am 10. und am 16. Juni folgten drei weitere Infanteriedivisionen. Die österreichisch-ungarische Heeresleitung gab am 16. Juni schließlich den Befehl zum Übergang in die Verteidigung. Die Armeen sollten in eine Linie zurückgenommen werden, die als Dauerstellung zu halten war. Erzherzog Eugen veranlasste am darauf folgenden Tag die Festlegung der neuen Stellungslinie, die am 25. Juni bezogen wurde.242 Der britische Botschafter Rodd in Rom schätzte die gesamten Ereignisse folgendermaßen ein: 239 Telegramm-Abschrift des Befehls zitiert im Anhang von Artl, Südtiroloffensive, 1983, S. 186. 240 Vgl.: Meregalli, Grande Guerra Strafexpedition, 2001, S. 120–128. 241 Vgl.: Reichsarchiv, Weltkrieg 1914 bis 1918, X, 1936, S. 584. 242 Die neuen Stellungen entwickelten sich entlang der Stützpunkte: Zugna Torta–Matssone–Valmorbia–Col Santo–Pasubio–Monte Majo–Nordrand Val d’Assa– Monte Interrotto–Ortigara–Monte Civaron–Monte Salubio. Vgl.: Pichler, Krieg, 1924, S. 132.

IV. Die österreichisch-ungarische Frühjahrsoffensive 1916

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„Nevertheless in the middle of May the enemy, who had accumulated some 2,000 guns for what was described as a punitive expedition, succeeded in inflicting a severe reverse on the Italian forces in the Trentino, where a contemplated change in the command had been too long delayed. In the centre the Austrian line was advanced to a distance of only eighteen miles from Vicenza. But it was firmly held on both wings. The loss of guns entailed was a heavy blow. The fighting in the mountains had been very costly in human life, and the moment was an anxious one. But the initial advantage gained against the Italian centre was not pressed home.“243

In der österreichischen Literatur, speziell der Zwischenkriegszeit wird die Frühjahrsoffensive von 1916 gerne als Erfolg der K. u. k. Armee gewertet. Betrachtet man die reinen Zahlen, so mag dies stimmen: die Österreicher hatten rund 47.000 Gefangene gemacht und 318 Geschütze und 191 Maschinengewehre erbeutet.244 Die Verluste der K. u. k. Kampftruppen betrugen 5.000 Tote, 23.000 Verwundete und 1.400 Kranke, sowie 2.000 Gefangene.245 Die Verluste der Österreicher erscheinen relativ gering, wenn man das extrem schwierige und mit neuesten Befestigungsanlagen verstärkte Angriffsgelände betrachtet. Zudem kam der Angriff für die Italiener ja nicht überraschend. In Anbetracht des Endergebnisses waren die Verluste allerdings empfindlich. Die Frontlinie war acht bis zwölf Kilometer tief auf italienisches Gebiet vorgetragen worden und die neuen Stellungen banden – im Vergleich zu früher – das Dreifache an italienischen Kräften. In einen größeren Rahmen gestellt führen diese Fakten allerdings zu einem anderen Ergebnis. Das eigentliche Ziel, die italienischen Armeen am Isonzo zu isolieren, war an dem misslungenen Austritt aus dem Gebirge gescheitert. Die Herausnahme großer Truppenkörper aus der Isonzofront hatte vielmehr zu einer gefährlichen Instabilität der österreichisch-ungarischen Front geführt. Der Kampf auf der neuen Frontlinie verlangte nicht nur den Italienern, sondern auch den Österreichern wesentlich größere Anstrengungen ab. Die personelle Ausstattung des K. u. k. Heeres war aber gerade in dieser Situation sehr angespannt. Im Osten hatte man durch die Fehlplanungen rund 300.000 Gefangene eingebüßt und der deutsche Bundesgenosse musste erneut einspringen. Für Falkenhayn war es eine Genugtuung, dem österreichischen AOK und speziell Conrad Entsatztruppen gegen den russischen Einbruch nur unter der Bedingung zur Verfügung zu stellen, dass die Südtiroloffen243

Rodd, Memories, 1925, S. 374. Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 348. Nach dem italienischen Werk Ministero delle Guerra (Hg.), L’esercito, III, Dokumentenband, 1936, S. 155, betrugen die italienischen Verluste 6.187 Tote, 28.544 Verwundete und 41.401 Gefangene. 245 Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 354. Die Angabe von 14.000 Kranken – in vorstehender Quelle – dürfte auf einem Druckfehler beruhen. Vgl.: Pantenius, Angriffsgedanke, II, 1984, S. 1032 und S. 1250 Fußnote 84. Zu den Zahlen auch: Lichem, Einsamer Krieg, 1981, S. 156, sowie Pichler, Krieg, 1924, S. 133. 244

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F. Vom Krieg der Bergführer zur ‚Verdunisierung‘

sive ein für alle Mal beendet würde.246 Die Katastrophe von Olyka-Luck hatte aber auch auf dem politischen Parkett weitreichende Folgen. Rumänien nahm die geschwächte Konstitution der Mittelmächte zum Anlass, ihnen am 27. August 1916 den Krieg zu erklären. Die DOHL zog sich aus der Affäre, indem sie dem AOK die Alleinschuld an der fatalen Kriegslage gab. „Die Donaumonarchie sollte dadurch politisch und militärisch immer tiefer in die Abhängigkeit Berlins geraten, das weitere ‚Extratouren‘ für die Zukunft ausgeschlossen wissen wollte.“247 Für das Scheitern der Offensive gibt es mehrere Ursachen, die gemeinsam betrachtet werden müssen. Bereits das amtliche deutsche Quellenwerk ‚Der Weltkrieg 1914–1918‘ sieht den Hauptgrund in den Witterungsbedingungen. Die „[. . .] wesentlichste Voraussetzung für vollen Erfolg, die Überraschung [. . .],“ war verloren gegangen und die Italiener hatten Zeit, ihre Abwehr auszubauen.248 Weniger ausschlaggebend ist aus deutscher Sicht die Anordnung der zwei Armeen. Die Änderung der Staffelung der erst hintereinander und dann nebeneinander stehenden Armeen beziehungsweise die Schwerpunktverlagerung auf den rechten und mittleren Flügel sowie die vermeidbaren Stockungen seien nicht ausschlaggebend für das Scheitern des Unternehmens gewesen. Die Auswirkungen der Brussilovoffensive wurden in den amtlichen Werken meist besonders betont.249 Der Abzug starker österreichisch-ungarischer Truppenverbände von der Tiroler Front nach Osten habe dazu geführt, dass das Unternehmen nicht beendet werden konnte. Die Fakten widersprechen dem, da die ‚Strafexpedition‘ bereits zwei bis drei Tage vor Beginn der Brussilovoffensive ins Stocken geraten war. Der österreichisch-ungarischen Armeeführung kann aber zweifellos angelastet werden, dass sie die Gefahr eines russischen Angriffes unterschätzt, beziehungsweise alle Warnhinweise beiseite geschoben hatte, um das Prestigeunternehmen der Südtiroloffensive zu starten. Generalstabschef Cadorna ging darauf in seinen Erinnerungen ein und gab als Grund, warum er den österreichisch-ungarischen Vorstoß nicht in Südtirol sondern am Isonzo erwartete, unter anderem an: 246 Siehe: Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 519 ff. Der deutsche General Groener vermerkte in seinem Tagebuch: „Den Österreichern war der Kamm durch die Erfolge auf dem italienischen Kriegsschauplatz so geschwollen, daß dieser galizische Zusammenbruch auch seine gute Seite hat. [. . .] Conrad soll bei der Besprechung in Berlin ganz gebrochen gewesen sein.“ Groener, Lebenserinnerungen, 1957, S. 307. 247 Artl, Südtiroloffensive, 1983, S. 183. 248 Reichsarchiv, Weltkrieg 1914 bis 1918, X, 1936, S. 588. Ähnlich urteilt auch Alfred Krauß, vgl.: Krauß, Ursachen, 1920, S. 192 f. 249 Siehe: Reichsarchiv, Weltkrieg 1914 bis 1918,. X, 1936, S. 589 und Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 355 f. und S. 660.

IV. Die österreichisch-ungarische Frühjahrsoffensive 1916

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„Il est toujours prudent d’attribuer à son adversaire des projets logiques et rationnels. Or, la grande offensive russe du général Broussilow était imminente et les Autrichiens ne pouvaient l’ignorer. Comment imaginer qu’ils choisiraient précisément ce moment pour organiser contre l’Italie une offensive stratégique? Cela est si vrai qu’ils en furent cruellement punis par les Russes.“250

Eine weitere Betrachtung ergibt die scheinbar paradoxe Feststellung, dass der Vorstoß der Russen von Olyka-Luck die Österreicher vor einer Katastrophe im Süden bewahrt hat. Es ist schwer vorstellbar, wie die ausgelaugten und erschöpften K. u. k. Truppen beim Ausbruch in die Ebene mit der frischen 5. Armee Cadornas hätten fertig werden wollen. Diese Einschätzung vertrat bereits der Delegierte des österreichisch-ungarischen Außenministeriums beim Armeeoberkommando, Dr. Friedrich von Wiesner. In einem Bericht vom 25. Juni 1915 teilte er Außenminister Burián mit: „Es fehlte also schon jetzt im Gebirgskampf an den nötigen Kräften. Um wie viel unzureichender wären wir erst unten in der Ebene gewesen. Ich bin versucht zu glauben, dass ein gütiges Geschick uns davor bewahrt hat, in die Ebene hinabzusteigen und dort – numerisch weit unterlegen – die geträumte Schlacht von Vicenza zu schlagen.“251

Resümierend stellt er fest: „Als Ding an sich betrachtet, war die Operation aus Tirol heraus strategisch genial angelegt und vielfach auch, namentlich artilleristisch, brillant vorbereitet. Phantastisch leichtsinnig und verwegen war es aber, sie mit diesem Kräfteverhältnis zu unternehmen.“252

250

Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 155. Text des Telegramms auszugsweise in: Peball, Führungsfragen, 1978, Anhang S. 431. 252 Peball, Führungsfragen, 1978, S. 431. 251

Es gibt kaum einen Felsberg an der Alpenfront, der nicht durch zahlreiche Kavernen angebohrt wurde. Aus ihren Felswänden starren heute noch wie die toten Augen des Krieges schwarze Löcher, aus denen durch Jahre Feuer und Verderben spie. (Uwe Nettelbeck: Der Dolomitenkrieg)1

G. Der seltsame Krieg über und unter der Erde I. Bohrhammer und Dynamit – Der Minenkrieg Die zunehmende Erstarrung der Fronten führte an der österreichisch-ungarischen Südwestfront ebenso wie an der West- und Ostfront zur Ausbildung einer besonderen Kampfweise: dem Minenkrieg. Dieser war keine Erfindung der Neuzeit. Römische Truppen erlitten beispielsweise während des Gallischen Krieges (52 vor Christus) große Verluste bei der Belagerung von Avaricum. Die Gallier, die zahlreiche Bergarbeiter in ihren Reihen hatten, gruben einige Tunnel, die sie mit Holz und Pech anfüllten und anzündeten, um die Belagerungstürme zum Einsturz zu bringen.2 Im Mittelalter und bei Festungsbelagerungen in der frühen Neuzeit wurde diese Art der Kriegsführung häufiger angewendet. Im Ersten Weltkrieg griff man diese Ideen auf und begann, sich gegenseitig zu ‚unterminieren‘, da die oberirdischen Kampfhandlungen beiderseits kein erfolgreiches Weiterkommen mehr versprachen. „The First World War, in which trench warfare witnessed a return to many of the methods of seventeenth- and eighteenth-century siege operations, saw a widespread and spectacular employment of mines“ stellt das Handbuch zur Militärgeschichte von André Corvisier fest.3 Die Akteure des Minenkrieges waren in der Regel Pioniere, die durch Soldaten mit Bergbauerfahrung unterstützt wurden.4 Zwei belgische Kriegskorrespondenten, die 1917 die italienische Front bereisten, schrieben hierzu: 1

Nettelbeck, Uwe: Der Dolomitenkrieg, Frankfurt a. M. 1979, S. 18. Julius Caesar schrieb hierüber: „Der hervorragenden Tüchtigkeit unserer Soldaten begegneten die Gallier mit allen möglichen Kriegslisten. [. . .] Den Angriffsdamm unterminierten sie mit um so größerer Sachkenntnis, als es bei ihnen ausgedehnte Erzgruben gibt und alle Arten von Minengängen bei ihnen bekannt und gebräuchlich sind. [. . .] Das Vortreiben der offenen Minengänge suchten sie mit glühend gemachten, vorn zugespitzten Balken, mit zum Sieden gebrachtem Pech und mit gewaltigen Steinen aufzuhalten [. . .].“ Caesar, C. Julius: Der Gallische Krieg. Herausgegeben von Georg Dorminger, München 1962, Buch VII/22, S. 323. 3 Childs, John/Goenaga, J.-M.: Mining and Mines, in: Corvisier, André (Hg.): A Dictionary of Military History and the Art of War, Oxford/Cambridge 1994, S. 520–522, hier: S. 521. 2

I. Bohrhammer und Dynamit – Der Minenkrieg

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„At times, when unable to overcome the resistance of the enemy by artillery fire or infantry attacks, the Italians have had recourse to the simple expedient of destroying them by the explosions of mines. [. . .] To make sure of the definite occupation of this height [des Col di Lana, Anm. D. Verf.] and diminish the sacrifices which would result from an assault, the idea was conceived of making the attack underground.“5

Die primäre Aufgabe des Minenangriffs war die Vorbereitung eines Infanterieangriffs durch Sprengen einer Bresche in die feindliche Stellung. Das von dem ehemaligen preußischen Generalleutnant Max Schwarte herausgegebene Handbuch zur Entwicklung der Technik im Weltkrieg behandelt im Rahmen der Pioniertruppe die Minen: „Der – zunächst nicht beabsichtigte – Anfang des Minenkrieges war die Sprengladung, die der Angreifer vom Sappenkopf in die trennende Erdwand schob, um den feindlichen Graben einzudrücken, die nächste Stufe der flache enge Stollen bis unter die feindliche Stellung und als Antwort der tiefere Verteidigungsstollen. Mit der Überraschung entfiel die Hauptwirkung; sie wieder zu erreichen durch unerkanntes Arbeiten wurde das Streben beider Gegner.“6

Daraus entstand ein wahrer Krieg unter der Erde, mit dem Ziel, die gegnerischen Stellungen nach dem Untergraben mit Unmengen von Explosivstoff zu sprengen. Den frischen Trichter versuchte man sofort zu besetzen und Gelände zu gewinnen. Das im Juli 1917 vom K. u. k. AOK herausgegebene ‚Sammelheft der Vorschriften für den Stellungskrieg. II. Teil. Der Minenkampf‘ definiert die Kampftaktik folgendermaßen: „1. Unterirdische Minen werden im Kampfe angewendet, um gegnerische Anlagen durch Sprengung zu zerstören oder um eigene Anlagen gegen Sprengung zu sichern. Durch Ausführung von Gängen (Stollen), Brunnen (Schächten) oder Bohrlöchern werden jene Stellen erreicht, an denen man Ladungen anbringen will oder von wo aus man durch Horchen feststellt, ob der Gegner Minenarbeiten ausführt. 4 Die Führung des Minenkrieges lag in den deutschen Stellungen in der Hand der Pioniere, bei den Österreichern waren es die Sappeure, bei den Franzosen die Geniés, speziell die Sapeurs-mineurs, bei den Briten die Royal Engineers und bei den Italienern die Genio. Vgl.: Franke, Hermann (Hg.): Handbuch der neuzeitlichen Wehrwissenschaften (herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften Bd. 4: Das Heer), Berlin/Leipzig 1937, S. 578–581. Auch: Benkel, Gebirgspioniere, 1991, S. 30 ff. Für Italien: Die italienische Armee, 1915, S. 51 f. 5 Destrée, Jules/Dupierreux, Richard: To the Italian Armies, London 1917, S. 58. 6 Schwarte, Max (Hg.): Die Technik im Weltkriege, Berlin 1920, S. 152 f. An dieser Stelle sei auch die, von der deutschen Armee publizierte, Schrift zum Minenkrieg genannt: o. V., Vorläufige Anleitung für den Minenkrieg: I. Minenkompagnien, II. Durchführung des Minenkrieges (nur für den Dienstgebrauch; nicht in die vorderen Stellungen mitnehmen; herausgegeben vom Kommandeur der Pioniere des XXIII. Reserve-Korps), o. O. 1916.

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G. Der seltsame Krieg über und unter der Erde

2. [. . .] Im Hochgebirge sind es gewöhnlich nur Punkte von ganz besonderer taktischer Bedeutung, die der Gegner versuchen wird, durch Sprengung in seinen Besitz zu bringen. Ausgedehnte Minensysteme, die viel Arbeitsmannschaft und technische Hilfsmittel erfordern, werden nur selten angewendet werden.“7

Nicht nur die Eroberung feindlicher Stellungen sollte durch den Minenkrieg ermöglicht werden, sondern in einzelnen Fällen die bloße Zerstörung und Ausschaltung von Teilen „[. . .] der gegnerischen Stellung, die eine besonders kräftige Wirkung gegen die eigenen Linien äußern (vorspringende Ecken, vorgeschobene Posten, Maschinengewehr- und Minenwerferstände u. dgl.) [. . .].“8 Die Stoßwellen der Trichtersprengung brachten Kampfstollen, Unterstände und Gräben zum Einsturz. Um dies zu verhindern, legten beide Parteien Gegen- und Lauschstollen an. Hörte der Gegner auf zu graben, so wusste die Stellungsbesatzung, dass eine Sprengung unmittelbar bevorstand.9 Oft versuchte man dieser durch eine eigene Sprengung zuvorzukommen oder zumindest durch kleinere Quetschsprengungen die gegnerische Arbeitsgruppe zu vernichten. So entstand ab 1915 ein regelrechter Krieg unter der Erde, in immer größerer Tiefe und entsprechend mit immer größeren Sprengladungen. Es war ein Krieg, der den Beteiligten die größten Kraftanstrengungen abforderte. Selbst die bereits zitierten österreichischen Vorschriftenhefte geben zu: „8. Der Minenkampf ist die mühseligste und langwierigste Kampfform und stellt an die Mineure moralisch und physisch die höchsten Anforderungen. Minenarbeiten werden nur dann den gewünschten Erfolg aufweisen, wenn sie tunlichst unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Daten über die geologischen Verhältnisse wohl überlegt, gut organisiert, mit technischen Hilfsmitteln reichlich ausgestattet und energisch geführt sind. Forcierte Arbeit führt im Minenkampf zu Erkrankungen und nützt die Arbeitskräfte rasch ab. Ein Drängen zu erhöhter Arbeitsleistung erzeugt nur Nervosität und ist, wo es an Pflichteifer nicht fehlt, zu vermeiden.“10

1. Die Sprengung des Col di Lana Auch in der speziellen Geschichte des Minenkrieges kommt dem schon beschriebenen Col di Lana eine zentrale Stellung zu. Trotz extremer Anstrengungen war den italienischen Angreifern in dem meterhohen Schnee des Winters 1915 auf 1916 kein Erfolg beschieden. Die von österreichisch7

Zitiert in: Striffler, Minenkrieg in Tirol, 1988, S. 9. Striffler, Minenkrieg in Tirol, 1988, S. 9. 9 Sehr detailliert und mit Skizzen untermauert ist das Vorgehen am Beispiel des Monte Pasubio in dem – allerdings sehr kurzen aber instruktiven – Aufsatz von: Kranz, Walter: Minierkampf und Kriegsgeologie am Monte Pasubio 1916–1918, in: Wehrtechnische Monatshefte Band 40, Heft 1, Frankfurt 1936, S. 7–13. 10 Striffler, Minenkrieg in Tirol, 1988, S. 11. 8

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ungarischen Truppen gehaltene Kuppe des Dolomitenberges konnte nicht eingenommen werden. Wie der Alltag am Col di Lana für die Gipfelbesatzung aussah, zeigt ein Bericht des K. u. k Oberleutnants Hans Nagl: „[. . .] gleichzeitig eröffnete unsere Artillerie das Feuer auf die Stellungen der Italiener. Zwei Stunden lang lag starkes Zerstörungsfeuer auf ihren Gräben und die Schmerzensschreie der Verwundeten oder der wie Spreu in die Luft Gewirbelten bewiesen die treffliche Wirkung. Aber es kam auch für uns die Vergeltung. Kaum hatte unser Feuer geendet, eröffneten die Italiener ein Trommelfeuer stärksten Grades auf die beiden Spitzen. Ein wahrer Orkan sauste über uns dahin. Stumm lagen wir in den Gräben und deckten uns gegen die aus allen Windrichtungen kommenden Sprengstücke und Felstrümmer. Zwölf Uhr war es, da hörte das Feuer plötzlich auf und wie die Katzen kletterten die Italiener aus ihren Gräben, um die nach ihrer Meinung gänzlich aufgeriebenen oder zum mindesten sehr geschwächten Verteidiger zu überwältigen. Die Landesschützen aber waren auf der Hut. Bis auf 30 Schritte ließen sie den Gegner heran, dann krachte eine Salve und vom Boden verschwunden war die Welle. Noch einmal versuchte ein Zug zu stürmen und gelangte mit seiner Spitze auch bis zu unserer vorgeschobenen Feldwache, aber auch diesmal missglückte sein Unternehmen an der Ruhe, Treffsicherheit und Unerschrockenheit der Verteidiger. Als nach dieser gelungenen Abwehr endlich Ruhe eintrat, da erklangen auf einmal in meiner Nähe die Töne des Kaiserliedes und die Wacht am Rhein. So löste sich die Spannung der Nerven von Männern, die auf diesen Spitzen immer zwei Tage lang hausen mussten, kein Auge schließen konnten und jeden Augenblick gewärtig sein mussten und auch waren, ins Jenseits befördert zu werden. Ich habe den Kaiserschützen in seiner Größe kennengelernt. Er ist still, fromm, genügsam und pflichttreu bis in den Tod.“11

Die Verluste waren so hoch, dass die italienische Führung die Angriffe unterbrach. Der italienische Pionierleutnant Gelasio Caetani, der mit dem Ausbau der italienischen Stellungen mit Kavernen und unterirdischen Verbindungs- und Zugangsgräben betraut war, arbeitete einen Plan zur Unterminierung des Berges aus.12 Er legte in seiner Denkschrift an seine Vorgesetzten dar, „[. . .] dass wohl auch nach der Schneeschmelze im Frühjahr kaum eine Möglichkeit bestehen würde, den Col di Lana zu erstürmen, weil gegen den schmalen Gipfel zu die Entwicklung einer größeren Truppenmacht nicht möglich sei.“13 Im Dezember 1915 begannen die Arbeiten. Um Bohrgeräusche zu vermeiden, wurde auf Maschinen verzichtet. Nur je11 Trotz der pathetischen Schlussworte ein sicher valider Bericht über das Grauen am Col di Sangue (‚Berg des Blutes‘). Quelle: MILAR/MHFZ, Karton MIL-IBK 3, Feldakte: ‚Ein Tag auf dem Col di Lana von Oberleutnant Hans Nagl‘ (Unterlagen zum 29.11.1915). 12 Siehe: Weber, Alpenkrieg, o.J, S. 78–81, auch: Langes, Gunther: Der Berg des Blutes, Gütersloh o.J, S. 4 ff., sowie Schemfil, Col di Lana, 1935, S. 207 ff., und Striffler, Minenkrieg in Ladinien, 1996, S. 160–162. 13 Langes, Front in Fels, 1977, S. 53.

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weils zwei Mann schufteten im engen Stollen mit Handbohrmaschinen, Meißel und Schlegel. „Was das in dem harten Gestein bedeutet, ist leicht auszumalen: Zwei Mann hatten nebeneinander Platz, die mit einer Brechstange allein täglich mindestens einen Meter in dem engen Stollen auszubrechen hatten. Nur größtem Geschick und zähester Hingabe an das Werk konnte es gelingen, diese Arbeit zu leisten. Tag und Nacht wurde rastlos gewerkt, alle zwei Stunden lösten vier Schichten ihre Männer am Vortrieb ab, während die anderen dahinter mit der Erweiterung des Stollens und dem Abtransport des Materials beschäftigt waren.“14

Anfang Januar wurde man auf die italienischen Arbeiten aufmerksam. Ein österreichischer Artilleriebeobachter am Pordoijoch, der von der Flanke guten Einblick in die italienischen Stellungen hatte, meldete große Schuttablagerungen.15 Es war eines der ersten Anzeichen für den Bau eines Minenstollens. Die K. u. k. Vorschriften nennen als Hinweise und Anzeichen für Minierarbeiten: „13. [. . .] Ablagerung von anders gefärbter Erde an einzelnen Stellen; massenhafte Anwendung von Sandsäcken; Trichter hinter der Front, die von Probesprengungen herrühren oder für die Unterbringung des Aushubes eigens erzeugt werden; Ausfüllen von Deckungen, Gräben, Hohlwegen und dergl. mit frischem Aushub; Tätigkeit (Geräusche, Erschütterungen) von Maschinen, die zur Beleuchtung, Lüftung und zum Bohren dienen können.“16

Mitte März wurden eben jene Geräusche für die österreichischen Besatzer immer deutlicher und es begann eine qualvolle, nervenzermürbende Zeit. Tag und Nacht hörten sie unter sich das Bohren und die Sprengschüsse.17 Der preußische Kriegsminister von Hohenborn – bekannt für seine markigen Worte – äußerte sich folgendermaßen zum Minenkrieg: „[. . .] das ewige Horchen nach Klopfen in der Erde, diese ganze unterirdische Schweinerei unter gleichzeitigem Aushalten schweren Granatfeuers erfordert Nerven!“18 Die österreichisch-ungarischen Truppen begannen aus einer Gipfelkaverne heraus mit den Arbeiten an einer Gegenmine, deren Explosion aber nicht die gewünschte Wirkung hatte. Am 12. April 1916 war der italienische Stollen vollendet. Seine Länge betrug 52 Meter, mit allen Abzweigungen sogar 105 Meter.19 Es gab auch einen Zweigstollen ‚Trieste‘, der 14 Weber, Alpenkrieg, o.J, S. 81. Siehe auch die ‚Kriegsalpine Studie bezüglich Bohren und Sprengen in Fels‘ von Hermann Czant, in: Czant, Alpinismus, 1926, S. 117–121. 15 Siehe auch den Bericht über die Sprengung des Gipfels in: Wißhaupt, Die Tiroler Kaiserjäger Bd. 2, 1936, S. 149 ff. 16 Striffler, Minenkrieg in Tirol, 1988, S. 12. 17 Vgl.: Schemfil, Das dritte Regiment (TKJ), 1926, S. 319–321. 18 Hohenborn, Briefe, 1986, S. 58.

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unter den Drahtverhauen vom Hauptstollen abzweigte und nach 30 Metern seitlich an die Oberfläche mündete. Von hier aus sollten nach der Sprengung zwei Kompanien zum Sturm auf den Gipfel antreten. In der Nacht vom 15. zum 16. April wurden die beiden Minenkammern mit 5.000 Kilogramm Nitrogelatine, je 100 Rollen Schießbaumwolle und je 100 Sprengkapseln geladen, die Panzerkabel der elektrischen Zündung verlegt und die Minenkammern durch Sandsäcke und Eisenträger verdämmt.20 Seit dem Abend des 14. April waren keine Bohrgeräusche mehr zu hören. Das Laden einer Mine – so schätzten die Österreicher – würde gut 48 Stunden dauern. Jeden Augenblick konnte unter ihnen der Fels beben, Feuer emporschlagen und sie alle verschlingen. Die Gipfelbesatzung, Kaiserjäger der 6. Kompanie unter Oberleutnant Anton von Tschurtschenthaler, war sich dessen jede Minute bewusst.21 Sie hatten von dem Divisionskommando den Befehl, den Col di Lana unter allen Umständen zu halten. Zehn Meter unter den Soldaten lagerte eine riesige Menge von Sprengstoff. Die etwa 140 Geschütze auf den italienisch besetzten Bergen konzentrierten seit drei Tagen ein Trommelfeuer auf der Spitze des Col di Lana. Die Kaiserjäger waren gezwungen, sich in ihre Kavernen und Höhlen im Berg zurückzuziehen, während um sie herum die Stellungen umgepflügt wurden. Am 17. April verfasste der Kommandant der Gipfelbesatzung eine letzte, verzweifelte Meldung an seine Vorgesetzten: „An das Bataillonskommando Von 5–9 vm. [vormittags, Anm. d. Verf.] Beschießung aus mittleren Kalibern, ab 9 Uhr 21er auf 21er [21 Zentimeter Granaten]. Stellung total zerschossen. Reservestellung total zerschossen – die Sappe, die Alarmstiege, der Weg zum Tunnel ein Trümmerhaufen. Offiz. [Offiziers] u. Mannschaftsunterstand durch Volltreffer zerstört, unbrauchbar! Aufenthalt in der Kaverne wird wegen schlechter Luft langsam unmöglich. Tote und Schwerverwundete. Telephon seit morgens unterbrochen. Die Lage ist furchtbar, weiß keinen Rat mehr. Im Falle eines feindl. Angriffes werden wir Möglichstes leisten, aber wie gesagt, alle Zugänge nahezu unpassierbar. Bitte sogleich das Möglichste an Arbeitskraft heraufschicken. Sanität wegen Abtransport von Sief und Kölle [zwei Bergspitzen]. Die Meldung nicht im Zustand großer Aufregung geschrieben, alles entspricht traurigst den Tatsachen. Im Falle Unterstand nicht sogleich hergerichtet werden kann, wird morgen bereits Ablösung dringend nötig. Bitte sofort Hilfe! Tschurtschenthaler, Oberleutnant.“22 19

Vgl.: Langes, Front in Fels, 1977, S. 57 f. Vgl.: Langes, Front in Fels, 1977, S. 58 f. 21 Aufschlussreiche Dokumente finden sich in: Striffler, Minenkrieg in Ladinien, 1996, S. 195–204. 22 Tschurtschenthaler, Anton von: Col di Lana 1916. Erinnerungen des letzten Verteidigers (Schlern-Schriften Nr. 179), Innsbruck 1957, S. 52 f. 20

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Tschurtschenthalers Soldaten hatten die Gräben besetzt. Auf einmal blendeten zahlreiche italienische Scheinwerfer auf. Der Oberleutnant ließ die Hälfte seiner Kompanie in die Kaverne zurückgehen. Zwei Züge blieben in der Stellung. Es war 23.30 Uhr, als der italienische Leutnant Caetani den Taster des Sprengapparates drückte. „In diesem Augenblick spaltete sich der Berg – als ob sich der einstmalige Vulkanismus wieder Luft gemacht hätte und unter tosendem Lärm und flammenden Explosionen den Weg ins Freie suchte.“23 In der großen Kaverne flogen die Kaiserjäger durcheinander. Zur gleichen Zeit setzte italienisches Trommelfeuer wieder ein. Die italienischen Sturmtruppen waren aus dem Angriffsstollen ‚Trieste‘ herausgestürzt. Die Posten des linken Flügels der Kompanie – von der Sprengung verschont geblieben – kämpften verzweifelt, bis sie überrannt wurden. Durch einen schmalen Schlitz zwischen den Felsbrocken, die die große Kaverne verschüttet hatten, schossen Alpinis mit Gewehren. Die Eingeschlossenen kapitulierten. Etwa 200 Mann waren der Sprengung, dem nachfolgenden Kampf und dem Artilleriefeuer zum Opfer gefallen. Der Rest der Kompanie ging in Gefangenschaft.24 Die Explosion riss einen etwa zwölf Meter tiefen Krater von ovaler Form, circa 50 Meter lang und 35 Meter breit.25 Aus dem Sprengtrichter geschleuderte Gesteinsmassen wurden auf 10.000 Tonnen geschätzt. Der mittlere Radius der Wurfweite der Trümmer betrug etwa 170 Meter, wobei leichtere Steine bis zu 500 Meter weit flogen.26 Dem italienischen Generalstabschef Cadorna war die Lana-Mine eine kurze Bemerkung in seinen Erinnerungen wert: „Sur le haut Cordevole, après qu’on eût fait jouer un puisant fourneau de mine sous la crête du Col di Lana, dans la nuit du 17 au 18 avril, des fractions d’infanterie enlèvent à la baïonnette les dernières positions conservées par l’ennemi.“27 Sein österreichisch-ungarischer Kollege Conrad konnte die enorme Aufregung, die die Gipfelsprengung in Wien verursachte, nicht verstehen und kommentierte dieses dramatische Ereignis eher abwertend. Er verglich den Verlust des Col di Lana mit dem letzten K. u. k. Abwehrerfolg in Bessarabien, der einen Verlust von fast 16.000 Mann verursacht hatte, und schrieb: „Dass nach einem zweijährigen Riesenkrieg [. . .] die Col di Lana-Kuppe solche Aufregung zu erzeugen [. . .] [vermag], hat mich wundergenommen [. . .]. [Und nun wird] dem kleinen, von höchstens 2 Kompagnien besetzten Col di Lana-Gupf, mehr hat dort nicht Platz, eine solche Bedeutung beigemessen.“28 23 24 25 26 27 28

Tschurtschenthaler, Col di Lana, 1957, S. 55. Siehe zum Angriff: Striffler, Minenkrieg in Ladinien, 1996, S. 205–226. Vgl.: Striffler, Minenkrieg in Tirol, 1988, S. 7. Vgl.: Tschurtschenthaler, Col di Lana, 1957, S. 55 Fußnote 1. Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 134. Zitiert in: Striffler, Minenkrieg in Ladinien, 1996, S. 263.

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Zwar handelte es sich um eine der spektakulärsten, doch nicht die erste Sprengung auf dem Tiroler Kriegsschauplatz. Schon in der Neujahrsnacht desselben Jahres war auf dem Kleinen Lagazuoi ein mächtiger Felsklotz abgesprengt worden.29 2. Auf dem Kleinen Lagazuoi Der alpinistisch anspruchsvolle Kleine Lagazuoi thront über dem Schnittpunkt des Falzaregopasses mit dem Valparolapass. Quer über den Valparolapass legte sich ein österreichisches Grabensystem, die so genannte Vonbankstellung.30 Hinter den Frontgräben hatten die Österreicher 1901 schon das Fort Tre Sassi errichtet und weiter oben wurden die Stellungen am Sasso di Stria und gegenüber auf dem Lagazuoifelsband ausgebaut.31 Das westliche Felsband befand sich in österreichischer, das östliche in italienischer Hand.32 Die Alpini brachen große Kavernen in den Fels und bauten zwei Felszacken auf dem Bande zu kleinen Sperren aus.33 Der von den Österreichern ‚Strebestein‘ genannte Vorsprung stand dicht an der Wand. Er hatte in etwa die Höhe eines Stadthauses und wurde in mehreren Stockwerken ausgehöhlt, mit einem Gebirgsgeschütz und einem Maschinengewehr bestückt. Der andere, der ‚tätowierte Stein‘, stand weiter hinausgerückt und war etwas niedriger, flankierte jedoch die Vonbankstellung. Der Kleine Lagazuoi war das Ziel von insgesamt fünf Sprengungen.34 29

Vgl.: Schemfil, Das dritte Regiment (TKJ), 1926, S. 304. Sehr ausführlich zu den Minensprengungen im Abschnitt Travenanzes (Lagazuoi): Striffler, Robert: Der Minenkrieg in den Dolomiten 1915–1917. Kleiner LagazuoiSchreckenstein (Schriftenreihe zur Zeitgeschichte Südtirols Bd. 9), Nürnberg 1993. Zur ersten Minensprengung vom Januar 1916: ebd., S. 87–91. 30 Benannt nach Oberst Heinrich Vonbank, 1914 Kommandeur des 3. Regimentes der Tiroler Kaiserjäger, später Abschnittskommandeur Col di Lana/Falzarego. 31 Zum Festungswerk: Giacomel, Paolo: Il forte austriaco Tre sassi in Valparola. Museo della Grande Guerra sulle Dolomiti, 1915–1917; con storie di recuperanti, Udine 2004. 32 Ein aktueller Führer zur Region: Colli, Dino/Gaspari, Paolo/Vecellio, Roberto: Itinerari segreti della grande guerra nelle Dolomiti (Band: Dal Sass de Stria alle Tofane. I luoghi „nascosti“ e difficili da scoprire, lungo i boschi e le crode), Udine 2005. 33 Vgl.: Dell’Eva, Mario/Martini, Ettore/De Faveri, Dazio: Gli alpini alla conquista della Tofana di Rozes, la mina sul piccolo Lagazuoi, la cengia Martini (Diari e memorie della Grande Guerra Bd. 9), Udine 2002. 34 Mine I durch Österreicher am 1.1.1916 mit 300 Kilogramm Sprengstoff; Mine II am 14.1.1917 durch Österreicher mit 4.300 Kilogramm Sprengstoff, Mine III am 22.5.1917 durch Österreicher (unterschiedliche Quellen sprechen von 24.000 und 30.480 Kilogramm Explosivstoff, Mine IV am 20.6.1917 durch Italiener mit 32.664 Kilogramm Sprengmunition und Mine V am 16.9.1917 durch Österreicher mit 5.000 Kilogramm Sprengstoff.

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Nach der Mine vom Januar 1916 wurde am 25. Juli 1916 von österreichisch-ungarischen Truppen ein neuer Stollen begonnen. Zum beabsichtigten Ziel der Sprengung äußert sich die Regimentsgeschichte des 3. Tiroler Kaiserjägerregiments, dessen 3. Feldbataillon am Lagazuoi in Stellung lag: „Der Schauplatz der Sprengung lag in der reichgegliederten Südwand des kleinen Lagazuoi und richtete sich gegen das von den Italienern geschaffene, tief im Felsen eingesprengte Werk. Seine nunmehr beabsichtigte Zerstörung sollte die langsame, aber sichere Besitzergreifung der Lagazuoi-Wand durch die Italiener verhindern, und damit auch die Beherrschung der rückwärtigen Verbindungen im Valparola-Tal.“35

Die österreichischen Horchposten fanden bald heraus, dass der Feind einen Stollen vortrieb, und drängten zur Eile. Es gab bange Stunden, weil die österreichisch-ungarischen Bergarbeiter immer wieder das Bohren italienischer Maschinen und Sprengschüsse vernahmen. Beide Gegner waren in permanenter Unsicherheit und Angst, wer den Wettlauf gewinnen würde. Ein Befehl des K. u. k. Rayonskommandos an die 96. Infanteriebrigade, die an dem Minensystem mitarbeitete, verdeutlicht dies: „Die Sprengung der fertigen Kammern am Lagazuoifelsband hat nur dann zu erfolgen, wenn das Herankommen der fdl. [feindlichen, Anm. d. Verf.] Minenarbeit dazu zwingt; ansonsten ist der zwischen den Kammern begonnene Stollen weiter vorzutreiben [. . .]. Die Entscheidung im Minenkampfe kann mitunter von einem nur minutenlangen Vorsprung eines der Gegner abhängen; wer rascher ladet, verdämmt und sprengt ist Sieger. Es ist daher Sprengmunition und Verdämmungsmaterial in Nischen, welche im Hauptstollen seitlich ausgesprengt werden, möglichst nahe der künftigen Verwendungsstellen bereitzuhalten. Sprengmunition muss in mehreren Teilen und vom übrigen Material getrennt hinterlegt werden.“36

Die Arbeit im Berg stellte an die Soldaten enorme physische und psychische Anforderungen. Vieles war Handarbeit, auch wenn beide Seiten über Motoren, Kompressoren, Bohrhämmer und Bohrmaschinen verfügten.37 Oftmals war hier die italienische Technik und Ausrüstung der österreichischen überlegen. Der Kriegsteilnehmer Robert Mlekusch, österreichischer Kaiserschütze, erinnerte sich nach dem Krieg an die Strapazen: Vgl.: Bobbio, Laura/Illing, Stefano Der Große Krieg auf dem kleinen Lagazuoi. Illustrierter Führer zu den Stollen mit Bildern nach Originaldokumenten, Cortina d’Ampezzo 1999, S. 44. 35 Schemfil, Das dritte Regiment (TKJ), 1926, S. 336. 36 Befehl vom 2. Januar 1917, zitiert in: Striffler, Minenkrieg in den Dolomiten, 1993, S. 131. 37 Speziell für die österreichische Seite folgender instruktiver Aufsatz: Schneider, Rudolf: Gesteinsbohrmaschinen und Preßluft-Werkzeuge bei den öst.-ung. Armeen im Weltkriege, in: Militärwissenschaftliche Mitteilungen. Herausgegeben vom österreichischen Bundesministerium für Heerwesen, Mai–Juni 1932, Wien 1932, S. 558–572.

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„[. . .] dieses elende Bohren machte dich verrückt. Tag und Nacht ewig dieses Bohren, dann die Sprengung, dann wieder das Bohren. Und es kam von Tag zu Tag näher. Dann haben wir selbst gebohrt – erst mit Hammer und Spitzmeißel, bis wir selbst endlich eine eigene Bohrmaschine bekamen. Aber das Ding war so alt und primitiv, und war mehr kaputt als heil. Wir wollten versuchen, den Gegner abzudrängen, bzw. seinen Stollen abzuquetschen. Verrückt wurde man nach den Sprengungen durch den Gesteinsstaub und die giftigen Gase und wir mussten stundenlang warten, bis wir weiterarbeiten konnten. Bei einem Patrouillen-Gang bekam ich einen Streifschuss am Kopf und einen Durchschuss im Oberarm und kam ins Lazarett nach Innsbruck. Vier Tage später flog der Lagazuoi in die Luft.“38

Die Italiener kamen beim Bau ihres Stollens in der Lagazuoi Vorkuppe – aufgrund der technischen Ausrüstung – mit einer Geschwindigkeit von etwa fünf Metern pro Tag voran, während die Österreicher höchstens einen Meter schafften.39 Eine umso bemerkenswertere Leistung, wenn man den großzügigen italienischen Stollenquerschnitt von 190  190 Zentimeter mit dem österreichischen von 80  180 Zentimeter vergleicht.40 Stundenlang wurde mit den schweren Bohrern gearbeitet, oft in gebückter Haltung, Steinbrocken von 30 bis 40 Kilogramm schleppend, in einer völlig verstaubten Luft und mit der beständigen Angst, von einer gegnerischen Mine begraben zu werden.41 Ein österreichischer Arzt bestätigt in einem seiner Rapporte: „Bei Sappeurkompagnien, welche längere Zeit im Minendienst standen, wurde ein abnorm großer Abgang an Kranken wahrgenommen. Die [. . .] ärztliche Beobachtung stellte hauptsächlich die Erkrankungen der Nieren, des Herzens und der Nerven fest. Die [. . .] Erkrankungen sind auf Mangel an Sauerstoff, großen Durst und schwere, physische Arbeit in konstant gebückter Stellung zurückzuführen. Als 38 MILAR/MHFZ, Karton MIL-IBK 4, Erinnerungen des Robert Adolf Mlekusch ( 18.08.1897 – y 06.11.1976) an seine Zeit als Landesschütze/Kaiserschütze im Ersten Weltkrieg. Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Robert Mlekusch jun., Bochum. 39 Schemfil berichtet über die Bohrungen für die österreichische Mine: „Die bei diesen Bohrarbeiten gemachten Erfahrungen ergaben, daß mit einer einhämmrigen [elektropneumatischen Bohr-]Maschine eine tägliche Durchschnittsleistung von 1 Meter, bei einer zweihämmrigen eine solche von 1.75 Meter und bei Handbetrieb durch Mineure ein Vortrieb von nur 30 Zentimeter pro Tag erreicht werden konnte.“ Schemfil, Das dritte Regiment (TKJ), 1926, S. 339. 40 Vgl.: Bobbio/Illing, Kleiner Lagazuoi, 1999, S. 24, auch: Schemfil, Das dritte Regiment (TKJ), 1926, S. 338. 41 Vgl. zu den gesundheitlichen Belastungen auch: Hautmann, Friedrich: Ärztliche Erfahrungen im Hochgebirgs-Minenkampf, in: Wiener Medizinische Wochenschrift, Teil I: 47/1918, S. 2064–2068, Teil II: 48/1918, S. 2103–2108. Zu den Minensprengungen: Krassnig, Maximilian: Über Minenverletzungen, in: Wiener Medizinische Wochenschrift, 19/1917, S. 854–859.

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Folge der Herzschwäche, dann aus Angst, von einer feindlichen Mine eingequetscht zu werden, tritt eine große Nervosität ein. Sie wurde selbst bei kaltblütigen, kriegsgewohnten Leuten beobachtet.“42

Am 20. Mai war der österreichische Stollen endlich fertig gestellt. Er war 93 Meter lang und die ausgesprengte Minenkammer – zur Unterbringung des Sprengstoffes – hatte ein Fassungsvermögen von 58 Kubikmetern. Jede Einzelne der 1.003 Kisten Sprengmunition wurde innerhalb von sechs Tagen durch Bergführer und die alpine Abteilung des 3. Feldbataillons herangeschleppt.43 24.000 Kilo Sprengmunition wurden mit sieben Eisenbahnwaggonladungen Schotter in der Kammer verdämmt und zu aller Sicherheit gleich mit vier Zündleitungen versehen.44 Weil man aus Beobachtungen wusste, dass die italienischen Kolonnen gegen 22.00 Uhr auf dem Wege waren, um ihre Felsbandstellung mit Munition und Verpflegung zu versorgen, wurde diese Stunde zur Sprengung gewählt. Pünktlich erfolgte die Zündung. Die ganze italienische Anlage in der Lagazuoiwand wurde zerstört. „Als die Sprengung erfolgt, schüttert ein Stoß den Berg, zu dem die aufgewandte Menge an Explosivstoffen nie gereicht hätte. Ohne Zweifel hat der Feuerschlag eine schon fertige italienische Mine erreicht und diese mitgenommen.“45 Das sichtbare Ergebnis der Explosion war staunenswert: „Der Höhenunterschied zwischen dem höchsten und tiefsten Punkt der Sprengung betrug 199 Meter, die Breite 136 Meter. Die abgegangenen Felsmassen wurden auf weit 100.000 Kubikmeter geschätzt. 20 Stunden nach der Sprengung stürzten weitere 30.000 Kubikmeter Gestein ab.“46 Der Wettlauf war diesmal von den Österreichern gewonnen worden, die in wenigen Sekunden die eineinhalb Jahre währende, mühevolle italienische Stollenarbeit zunichte gemacht hatten. Ein Abgrund 42

Zitiert in: Bobbio/Illing, Kleiner Lagazuoi, 1999, S. 24. Vgl.: Schemfil, Das dritte Regiment (TKJ), 1926, S. 340. 44 Die Sprengmunition bestand aus Chlorat, Dynamon M/G, Ekrasit und Initialbüchsen. Zur genaueren Anordnung und Zusammensetzung der Explosivstoffe bei dieser Sprengung vgl.: Schemfil, Das dritte Regiment (TKJ), 1926, S. 340. Zu den damals allgemein gebräuchlichen, militärischen Sprengstoffen: Striffler, Minenkrieg in den Dolomiten, 1993, S. 414 f. und Poppenberg, O.: Pulver und Sprengstoffe, in: Schwarte, Technik im Weltkriege, 1920, S. 92–113. Zum damaligen Kenntnisstand und Umgang mit Sprengstoffen auch die neu aufgelegten Werke von: Biedermann, Rudolf: Die Sprengstoffe. Ihre Chemie und Technologie (Aus Natur und Geisteswelt, Bd. 286, Neudruck der Ausgabe: Leipzig/Berlin 1917), o. O. 2000. Sowie: Guttmann, Oscar: Handbuch der Sprengarbeit (Neudruck der Ausgabe: Braunschweig 1892), o. O. 2001. 45 Weber, Alpenkrieg, o.J, S. 273. Ganz ‚ohne Zweifel‘ scheinen die Angaben Webers aber nicht zu sein, vgl.: Striffler, Minenkrieg in den Dolomiten, 1993, S. 134 ff. 46 Schemfil, Das dritte Regiment (TKJ), 1926, S. 342. Die Geröllmassen der diversen Sprengungen am Lagazuoi sind auch heute noch gut zu erkennen. 43

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hatte sich zwischen den Gegnern aufgetan. In dem Gutachten des Oberleutnants Traube zum Minenangriff gegen die Lagazuoi-Vorkuppe heißt es zusammenfassend: „Von der Aussichtslosigkeit rein infanteristischer Aktionen überzeugt, begann der Gegner den Minenkrieg um seine Position zu verbessern. Als 1. Ziel galt das eigene Felsband. Dieser Angriff wurde durch die defensive Sprengung vom 14. Jänner 1917 abgeschlagen und durch die Offensivsprengung vom 22.V.1917 dem Gegner monatelanges langsames Vorarbeiten mit Kampfwerken zerstört. Der Angriff gegen das Felsband war damit auf Monate zurückgeworfen und in dieser Voraussicht hat der Gegner begonnen in der Vorkuppenwand Ersatz Kampfwerke zu erhalten und im Weiteren Verlauf durch Sprengung und Besitznahme der Vorkuppe oder eines Teiles derselben, das hier nicht bestehende Gleichgewicht zu erhalten.“47

1917 war das große Jahr des Minenkrieges im Hochgebirge Tirols. Von den insgesamt 35 bekannt gewordenen österreichischen und italienischen Minen detonierten allein 22 in diesem Jahr. Die schon zitierten, belgischen Korrespondenten urteilten: „How strange it seems, that in these almost inaccessible solitudes of the Alps war should disfigure the unchanging outline of the mountains!“48

II. Krieg in Eis und Schnee 1916/1917 „Gewaltige Schneemassen bedeckten die Bergflanken, die Temperatur sank oft bis unter 20 Grad Celsius. Um die Truppen zu verpflegen, musste man erst Gassen durch den Schnee brechen und überdies die Fuhrwerke in Schlitten verwandeln. Auf die Höhenstellungen konnte man die Feldküchen nicht hinaufbringen, die Nahrungsmittel mussten unter furchtbarsten Mühsalen täglich hinaufgeschleppt werden. Es kam vor, dass die Truppen lieber ohne Nahrung blieben, als schichtenweise durch metertiefen Schnee bergab und wieder bergauf zu wandern.“49

Der Winter von 1916 auf das Jahr 1917 war der schneereichste und gefährlichste des Ersten Weltkrieges. Am 28. November 1916 wurden folgende Schneehöhen gemeldet: Tonale 2.50 bis 4.00 Meter, Adamello 8.50 Meter, Monte Pasubio 2.50 Meter, Fassanerkamm bis 5.00 Meter und Dolomiten über 3.00 Meter.50 Bis Mitte Dezember erreichte der Schnee im Abschnitt Fedajapass eine Höhe von zehn bis zwölf Meter. Anhand einiger Beispiele soll daher auf die im Hochgebirge sehr ausgeprägten Problem47 Gutachten ad Op.Nr. 444/84 A. K. Travenanzes, veröffentlicht in: Striffler, Minenkrieg in den Dolomiten, 1993, Anhang 2, S. 468. 48 Destrée/Dupierreux, Italian Armies, 1917, S. 59. 49 Aus einem österreichisch-ungarischen Feldpostbrief, in: Czant, Alpinismus, 1929, S. 65. 50 Ö. U. L. K., Bd. V, 1934, S. 700.

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felder Versorgung, Nachschub und Lebensbedingungen der Soldaten eingegangen werden. 1. Die Stadt im Eis Eine der extremsten Umwelten, in der jemals Krieg geführt wurde, ist neben dem Hochgebirge des Ortlermassivs sicher der Marmolata-Abschnitt an der Südtiroler Front.51 Die Marmolata war der Namensgeber für eine geographisch umrissene Gebirgsgruppe. Diese Gruppe umfasst den gesamten Gebirgskomplex innerhalb einer Umgrenzungslinie vom Fassatal über das Pellegrinotal, Bioistal und Cordevoletal. Als höchster Gipfel der Marmolata gilt die Punta Penia mit 3.343 Meter Höhe. Nach Osten schließt die Punta di Rocca (3.309 Meter) an, deren Ausläufer noch weiter östlich in die heiß umkämpfte Vesurascharte (3.015 Meter, von den Italienern Forcella a Vu genannt) abfallen. An dieser tiefsten Stelle, der Vesurascharte, lag auf 3.065 Meter Höhe die österreichische Südpol-Stellung, genannt S-Stellung. Wenige Meter östlich davon auf Handgranatenwurfweite war der erste italienische Frontteil. Die Tiroler besaßen auf der Marmolata folgende wichtige Punkte: die Punta di Penia (Deckname: Kobenzl), die Marmolata-Scharte (Deckname: Windloch), die Punta di Rocca, den gesamten Gipfelkamm in West-Ostrichtung bis gegen Anstieg der Serauta zur genannten Vesurascharte mit S-Stellung. Der Gletscher war unter Tiroler Einfluss, ebenso dessen mächtige Felsbuckel im unteren Teil Sass de Mez und Sasso Undici. Beschußsicher lagen an der Nordseite dieser Buckel Unterkünfte, Stäbe et cetera.52 1915 war das mächtige Eisgebirge der Marmolata zunächst aus der Front ausgespart geblieben; nur Patrouillen lieferten sich kleine Gefechte. Die Offensivziele der Italiener hier waren entweder ein Vorstoß über die Marmolata nach Fedaja und von dort weiter nach Alba und Canazei in das Fassatal (und daran anschließend in das Fleimstal und Etschtal) oder ein weiterer Vorstoß über den Padon-Kamm nach Arabba, nach Corvara und durch das Abteital, um schließlich ins Pustertal vorzudringen. Ein Vorstoß nur bis Arabba hätte bereits die Tiroler Col di Lana Front im Rücken bedroht. Erst 51

Als einführender Aufsatz bietet sich an: Etschmann, Wolfgang: Die Kämpfe auf dem Marmolata-Gletscher 1915–1917, in: Roulet/Engelberts, La guerre, I, 1993, S. 263–274. 52 Diese Frontlinie wurde erstmals detailliert kartiert und nach dem Krieg veröffentlicht von Heinz von Lichem, in: Lichem, Die Kaiserjäger (Diss), 1982, S. 297 f. Neueren Datums die Veröffentlichung von: Bartoli, Mario/Fornaro, Mario/Rotasso, Gianrodolfo: La città di ghiaccio. Guida ai musei e agli itinerari della grande guerra in Marmolada, Trento 2003.

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im Frühjahr 1916 besetzten die Österreicher die Marmolata, während den Alpini nach einer Durchsteigung der gewaltigen Marmolata-Südwand die Besetzung der Serauten gelang. Dadurch gerieten die österreichischen Stellungen und ihr Nachschub in dauerndes Artilleriefeuer. Der österreichische Diplomingenieur und Kaiserjäger Oberleutnant Leo Handl hatte die rettende Idee, das gesamte Leben unter das Eis zu verlegen. Vom Gletscherfuß führten Stollen durch das Eis bis zur ‚Eisstadt‘ – einer Barackensiedlung im Gletscher. Die heutige Vorstellung vom ‚Krieg in Fels und Eis‘ ist geprägt von den Quellen, die uns das Kriegstreiben im Inneren des Gletschers in Spalten, Schründen und Eis-Schluchten vor Augen führen. Getrieben von der ständigen Angst vor Lawinen und feindlichem Feuer wurde das Gletscherinnere als dauernde Befestigung in die Kämpfe miteinbezogen. Ab dem Frühjahr 1916 durchzogen immer mehr unterirdische Stollen, insgesamt über acht Kilometer, den Gletscher.53 Sie führten die Namen: U-Stollen, S-Stollen, D-Stollen und Reinöhl-Stollen. Große Spalten wurden mit den Stollen als Stützpunkte verbunden. Die Namen der Spalten waren KaiserFranz-Joseph-Randspalte, Kaiser-Karl-Spalte, Stützpunkt Eismeer, Stützpunkt Schwedenspalte, Kaiser-Karl-Stützpunkt, Stützpunkt Stanislaus.54 Leo Handl, der auch Kommandant der auf der Marmolata stehenden K. u. k. Bergführer Kompanie war, hat seine Erfahrungen in Büchern und in Artikeln in der Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins veröffentlicht.55 Er beschreibt darin unter anderem den Weg, den die Eisarbeit und Gletscherforschung genommen hat: „Wie der Krieg in der Ebene die Truppen zur Vermeidung großer Verluste bei schwerer Artilleriewirkung und zur Maskierung der eigenen Absichten gezwungen hat, sich mit Zuhilfenahme aller technischen Erfahrungen im Tunnelbau immer tiefer in das Erdinnere zu vergraben, so war auch der Gebirgssoldat bemüht, sich 53 Hierzu das zweiseitige, maschinenschriftliche Gedächtnisprotokoll von Leo Handl: Aus meiner Erinnerung 1916/17 als Marmolata-Gletscherreferent, datiert Juli 1952, mit einer handgemalten und kolorierten Skizze. In: MILAR/MHFZ, Karton MIL-IBK 2, Frontfolio Marmolata. 54 Für diese Aufstellung konnten zwei der extrem seltenen noch existierenden Karten der Marmolata-Front ausgewertet werden. In ihnen sind alle Stellungen, Stollen und beidseitigen Fronten eingetragen. Es ist dies die Karte Situation der Regimentsgruppe Oberst Gellinek Ende Juli 1917 und die Karte der Marmolata-Stellungen gezeichnet von Leo Handl, handsigniert von ihm, datiert: Juli 1916, Maßstab 1:12.500. Quelle: MILAR/MHFZ, Kartensammlung. 55 Vgl. Grundlegend: Handl, Leo: Südtirols Verteidigung im Gletschereis 1915–1918, in: Der Schlern Nr. 31/1957, S. 354–357. Darüber hinaus: Handl, Leo: Von der Marmolata-Front, in: Zeitschrift des D. Ö. A. V. Bd. 47, 1916, S. 212–218; ders., Von der Marmolata-Front II, in: Zeitschrift des D. Ö. A. V. Bd. 48, 1917, S. 149–161. Ebenso der Aufsatz: Handl, Leo: Der Krieg im Bauch des Gletschers, in: Langes, Front in Fels, 1977, S. 150–176 und Handl, Leo: Praktische Schnee- und Lawinenkunde, Innsbruck 1955.

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schützende Deckung zu schaffen. Schotter, Erde und Baumwuchs sind leider nur seltene und kostbare Dinge im Reiche der kahlen Felsen und ewigen Firne, deshalb musste die Wahl naturgemäß auf Schnee und Eis fallen. Beide scheinen auf den ersten Blick hierzu nicht übermäßig geeignet zu sein; und doch – das eiserne Muss ließ uns auch in ihnen eine Reihe guter Eigenschaften als Bau- und Sappenmaterial entdecken. Schon im Kriegswinter 1915 bürgerten sich in vielen Höhenstellungen die Schneegewölbe oder Schneestollen ein. Lehrgerüste aus Holz, Drahtgittern, Wellblechen u. a. ergaben den gewünschten Hohlraum für Personen-, Tragtier- oder Schlittenverkehr; nach kurzer Erhärtung des angefrorenen Schnees wurden die Formen abgenommen, um anderweitig verwendet zu werden. Ähnlich wurden die gepressten Schneemassen abgegangener Lawinen mit Schneestollen in dem bewährten gotischen Spitzbogenprofil durchstoßen; sie hielten auch noch stand, wenn eine zweite und dritte Lawine darüber rollte.“56

Speziell zur „Maulwurfsarbeit [. . .] im Eispanzer der Marmolata“ äußerte er: „Zuerst verging einige Zeit mit der Anfertigung von Werkzeugen und Bohrmaschinen sowie mit dem Erproben von Sprengstoffen im Eis. Fast gleichzeitig begann die genaue Durchsuchung und Durchforschung der Risse und Runzeln des Gletscherinneren, Arbeiten, die nur bei Nacht oder bei andauerndem Nebel ausführbar waren, denn der Gegner hatte weder Verständnis für Gletscherforschung, noch duldete er bei Tage weißgekleidete Männlein. Im Laufe der Arbeiten bekamen wir immer mehr Übung in diesem eigenartigen Handwerk; ähnlich soll es den Höhlenforschern im Karst gegangen sein.“57

Kampf-, Versorgungs- und Unterkunftsstollen lagen bis zu 40 Meter unter der Gletscheroberfläche. Der Höhenunterschied zwischen unterem und oberem Gletschertor betrug über 1.000 Höhenmeter. So waren die meisten Soldaten und Trägerkolonnen vor feindlichem Artilleriefeuer geschützt. Und gerade das Durchkommen der Träger bis in die vordersten Stellungen war überlebenswichtig. Von großer Anschaulichkeit ist hier eine Schilderung des Generalintendanten d.R. Franz Glingenbrunner über den ‚Intendanzdienst im Gebirge‘.58 Er widmete sich dem Wirtschaftsdienst des 1. Bataillons des Kaiserschützenregiments Nr. 3. Dieses sogenannte Marmolatabataillon hatte 15 Monate die Gletscherstellung inne. Dort waren etwa 710 Mann stationiert, die täglich zwei Tonnen Verpflegung und Brennmaterial benötigten.59 Hinzu kamen noch Munition, Werkzeuge, Bauholz und Be56

Handl, Marmolata-Front II, 1917, S. 158 f. Handl, Marmolata-Front II, 1917, S. 159. 58 Glingenbrunner, Franz: Intendanzdienst im Gebirgskriege, Ergänzungsheft 8 zum Werke Ö. U. L. K., Wien 1933. 59 Die Proviantur betrieb mit einem Unteroffizier und acht Soldaten sogar eigene Kohlemeiler zur Holzkohlegewinnung. Die vier Meiler wurden zum großen Teil mit Holz aus Lawinen- und Schneebrüchen beschickt und hatten eine Tagesleistung von 57

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leuchtungsmittel für Kavernen und Gletscherstollen. Die logistische Leistung ist zu erahnen, wenn davon ausgegangen werden kann, dass ein Träger je 20 bis 35 Kilogramm in oft mehrstündigen, erschöpfenden Märschen in die Stellungen bringen konnte.60 Die Last „[. . .] wurde entsprechend verpackt auf einer Tragkraxe mit breiten Schultertraggurten als Rückenlast getragen; sperrige Lasten, wie Bretter und Pfosten, trugen zwei Männer auf den Schultern.“61 Mit der Fertigstellung der Zugangsstollen konnten die Träger aufgrund der Zeitersparnis jeden Tag zweimal in die vordersten Stellungen gehen. „Die Stollen im Gletscher hatten eine Normalbreite von 1 ½ bis 2 m, bei den Eingängen und Ausweichen bis zu 3 m. Sie waren meist übermannshoch, nur stellenweise etwas niedriger. In den Tunnelgängen war für abschnittsweise Verteidigung durch Absperrvorrichtungen (Riegel, starke Türen) vorgesorgt, Brücken über Gletscherspalten konnten auf feindabgewendeter Seite eingezogen werden. Die Lüftung erfolgte durch natürliche Gletscherspalten, auch durch gesprengte oder gehauene, oft bis zu 50 m hohe Abzugschächte. In Abständen von etwa 500 m waren nach oben gut gelüftete Latrinen angelegt. Für Schmelzwasserabfluss wurde vorgesorgt. Wo es notwendig war, erhielt die Sohle Bretterbelag, an Steigungen mit Trittgriffen. Die Fernsprechleitungen wurden in seichte Rinnen einer Gangwand gelegt. Die Stollen wurden später elektrisch beleuchtet.“62

Das Tagebuch eines unbekannten K. u. k. Soldaten gibt weitere Auskunft: „Beim Eingang hat das Eis ein grünliches Aussehen, je weiter man in den Stollen kommt, desto dunkler wird es, bis es dann ganz schwarz und finster ist. [. . .] Ein Gehen ohne Licht war fast unmöglich. Zur Beleuchtung dienten größtenteils Fackeln, die aber so viel Rauch entwickelten, dass man vom Ruß ganz schwarz wurde. Bei Abzweigungen waren Orientierungstafeln angebracht, da ein Zurechtfinden sonst ziemlich ausgeschlossen gewesen wäre.“63

Neben dieser Schutzfunktion waren die Gletscher aber auch enorm gefährlich. Das Leben im Inneren der Gletscher kostete Kraft und gebot höchste Vorsicht. Zahlreiche Soldaten stürzten von den eisigen Steigen, Rinnen, Holzbrücken und Leitern ab, verirrten sich im Spaltengewirr und blieben oft verschollen. Es gab spezielle Patrouillen, die permanent das Eis beobachteten. Ständig verschob dieses Kavernen, Weg- und Steiganlagen. Aus diesem Grund befleißigte man sich einer wissenschaftlichen Akribie bei der Erkundung der Gletscher, denn das Wissen um deren Natur wurde etwa 1.600 Kilogramm Kohle (bei einem Verbrauch auf dem Gletscher von rund 1.400 Kilogramm). Vgl.: Glingenbrunner, Intendanzdienst, 1933, S. 34. 60 Vgl.: Etschmann, Wolfgang: Die Südfront 1915–1918, in: Eisterer/Steininger, Tirol, 1995, S. 27–60, hier: S. 36 f. Auch: Glingenbrunner, Intendanzdienst, 1933, S. 32. 61 Glingenbrunner, Intendanzdienst, 1933, S. 32. 62 Glingenbrunner, Intendanzdienst, 1933, S. 33. 63 Lichem, Spielhahnstoß, 1977, S. 168 f.

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zu einer Überlebensfrage.64 Die feuchte Umgebung führte zu einer stetigen Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Soldaten. Der Kriegsteilnehmer Christian Röck dazu: „Aber der Entzug von Luft und Licht, an den konnten sie sich nicht gewöhnen. [. . .] Zwanzig Tage hier oben genügten, um Hals und Lunge mit Dreck zu füllen. Bei jedem Ausspucken rollte der Auswurf als eine zähe, schwarzgefärbte Kugel über den Boden. Sie wussten nicht mehr, dass Schuhe und Socken Kleidungsstücke waren, die man ausziehen konnte. Sie vergaßen es, wenn sie sechzig Tage lang das Leder nicht von den feuchten Füßen brachten. Wie viele Eisfrontkämpfer humpelten nicht schon mit erfrorenen Gliedern in die Heimat. Und wie viele, die die feindliche Kugel und die lauernde Lawine verschont hatten, wanden sich in qualvollen rheumatischen Schmerzen in den Spitälern und wurden sieche, lebensschwache Greise. Und sie verkamen hier im Dreck. Das Wasser, das, wäre es nicht zu Eis erstarrt, genügt hätte, um Hunderttausende zu ersäufen, verweigerte ihnen das geringe Maß von Flüssigkeit, dessen sie zur Reinigung bedurften. Manch einer versuchte mit einem losgehackten Eisstück Gesicht und Hände zu scheuern. Vergeblich.“65

Ein besonderes Phänomen, das nach längerem Aufenthalt in den Höhlen auftreten konnte, war die Kavernenkrankheit. Der alpine Referent Dr. Renker schrieb in der Alpenvereinszeitschrift: „Sie [die Kavernenkrankheit, Anm. d. Verf.] äußerte sich in einem zeitweise sehr hohen Fieber und einer dumpfen Benommenheit des Kopfes. Nicht jeder wurde davon befallen, auch war der Stärkegrad je nach dem Kranken und seiner Veranlagung verschieden; das Fieber dauerte 3 bis 4 Tage an und verschwand dann ohne Rückwirkung. Ernstere Folgen hatte, soviel ich weiß, die Kavernenkrankheit nicht.“66

Da aber insgesamt die Verlustzahlen zurückgingen, wurde nicht nur auf der Marmolata, sondern auch in den Abschnitten Adamello, Presanella, Ortler und selbstverständlich auch von italienischen Truppen die ‚Erfindung‘ der Eisstollen übernommen.67 64 „Nicht weniger von Bedeutung für unsere vielfachen, [. . .] Aufgaben war die Kenntnis über die Abwärtsbewegung des Eises, sowie über die Druck- und Temperaturverhältnisse. Dafür standen uns die Angaben und Instrumente einer meteorologischen Station in 3200 m Höhe zur Verfügung, wie solche über unser ganzes Kriegsgebiet reichlich verteilt sind, [. . .].“ Handl, Marmolata-Front II, 1917, S. 160. Zu den meteorologischen Stationen auch der Aufsatz von Nowak, Ernst: Das meteorologische Stationsnetz des K. u. k. Feldwetterdienstes im Hochgebirge Westtirols, in: Zeitschrift des D. Ö. A. V. Bd. 49, 1918, S. 80–87. Vgl. zur Gletscherforschung auch die Gedanken von Menger, Heinrich: Alpenverein und Weltkrieg, in: Zeitschrift des D. Ö. A. V. Bd. 50, 1919, S. 168–194, hier: S. 180 f. 65 Röck, Christian, Die Festung im Gletscher. Vom Heldentum im Alpenkrieg, Berlin 1935, S. 134 f. 66 Renker, Gustav: Der Krieg in den Bergen, in: Zeitschrift des D. Ö. A. V. Bd. 47, 1916, S. 219–236, hier: S. 221.

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Um den besonderen Naturerscheinungen im Gebirge entgegentreten zu können, gab es an den verschiedenen Hochgebirgsabschnitten Spezialisten in Form der alpinen Referenten. Sie waren die Berater der Kommandanten in allen Belangen. Es waren also Fachberater für das Hochgebirge, die in der Vorkriegszeit als zivile Alpinisten ihre Erfahrungen gesammelt hatten. Die bekanntesten waren Julius Kugy in den Julischen Alpen, Georg Bilgeri im Abschnitt Pustertal und der schon genannte Leo Handl auf der Marmolata.68 Der Alpinreferent hatte beispielsweise Gutachten abzugeben bei der Untertunnelung von Eisflächen, beim Bau von Angriffsgräben sowie bei allen anderen Einrichtungen in den Hochregionen. Ihm oblag auch die Befehlsgewalt, zu bestimmten Zeiten Abschnitte wegen alpiner Gefahren zu sperren. Dies zielte vor allem auf die Vermeidung von Lawinenopfern. Ein weiterer Vertreter dieser Zunft, Gustav Renker, gibt in seinen Erinnerungen Auskunft über die Aufgabenstellung: „Als Alpiner Referent haben sie ihr fachmännisches Urteil über alle alpinen Angelegenheiten unserer Höhenstellung abzugeben. Wegbauten, Hüttenbauten und Drahtseilbahnanlagen stehen, soweit es sich um Lawinensicherheit; Steinschlag und Beschaffenheit der Felsen handelt, unter ihrer Aufsicht.“69 Die Vorschrift ‚Der Gebirgskrieg‘ von 1918 gibt vor: „Alpinreferenten haben sich hauptsächlich bei der Truppe an der Front aufzuhalten, deren Bedürfnisse kennenzulernen, dort – an Ort und Stelle – Anregungen zu geben.“70 2. Der weiße Tod in den Bergen Allen Vorsichtsmaßnahmen zum Trotz forderten die Lawinen immer wieder ihren Tribut, vor allem in den tieferen Lagen unterhalb der Gletscher. Der erste Kriegswinter von 1915 auf 1916 war noch von außerordentlicher 67 Für die Abschnitte Adamello, Presanella: Hecht, Felix: Kriegstagebuch vom Corno di Cavento. Anmerkungen von Dante Ongari, Calliano 1983. 68 Vgl. neben den Veröffentlichungen von Handl die Schriften von und über Julius Kugy: Kugy, Julius: Aus dem Leben eines Bergsteigers, München 1989; Heindl, Hanns: Im Banne der Julier. Ein Leben für die Berge (Geschichte und Geschichten um Dr. Julius Kugy Bd. 1), Villach 1993; ders.: Im Banne der Julier. Der Erste Weltkrieg und das große Ringen in den Bergen (Geschichte und Geschichten um Dr. Julius Kugy Bd. 2), Villach 1994; Pust, Ingomar: Die Steinerne Front. Der Gebirgskrieg 1915–1918 in den Karnischen Alpen, den Juliern, am Isonzo und an der Piave, unter Verwendung des geheimen Kriegstagebuchs von Julius Kugy, Klagenfurt 1988. Zu Bilgeri: Fetz/Kirnbauer, Skipionier, 2001. Siehe auch den Artikel Fritz Malchers, der dem Alpinreferat der 90 Infanteriedivision zugeteilt war: Malcher, Fritz: Die Marmolata-Wacht im Winter 1915–1916, in: Zeitschrift des D. Ö. A. V. Bd. 57, 1926, S. 158–169. 69 Renker, Gustav: Als Bergsteiger gegen Italien, München 1918, S. 9. 70 Zitiert in: Schaumann, Gebirgstruppen, 1986, S. 75.

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Unerfahrenheit und Nachlässigkeit der ‚nicht berggewohnten‘ Offiziere gekennzeichnet. Es kam zu unzähligen, kleineren Lawinenkatastrophen. Die Bataillonsgeschichte eines Landsturm-Infanteriebataillons erzählt von einem der üblichen Lawinenabgänge: „Welch große Unerfahrenheit damals noch in alpinen Angelegenheiten herrschte, beweist wohl der Umstand, dass die Reservebaracken und Seilbahnbauten mitten im Lawinenhang gelegen waren und dass sogar noch ein Skikurs in diesen Baracken seinen Standplatz hatte. Die Verschütteten gehörten diesem Kurse an, das Baon [Bataillon, Anm. d. Verf.] selbst blieb von Verlusten verschont, unsere Reservemannschaft wurde jedoch sofort in die Talsohle verlegt.“71

Problematisch war die Abgestumpftheit und Ignoranz, mit der die Soldaten den Gefahren der Natur manchmal begegneten. Die Bataillonsgeschichte führt weiter aus: „Strengster Befehl war, Lawinenfelder nur in weiten Abständen zu durchschreiten, viele Leute aber, im langen Kriege Fatalisten geworden, hielten sich nicht daran und fielen in Rudeln der abbrechenden Lahn zum Opfer.“72 Im Winter 1916/17 wurde es noch schlimmer. Er gehörte durch extreme Schneefälle im Dezember mit anschließendem Tauwetter – aber auch weil sich inzwischen Hunderttausende in den Hochgebirgsregionen aufhielten – zu den größten Katastrophenwintern der Alpen. Leo Handl schrieb über diesen Winter: „Der Winter 1916/17 übertraf an Wildheit und Schneemengen seine Vorgänger seit wenigstens dreißig Jahren. Trotz der reichen Erfahrungen des Vorjahres in der Beseitigung der Lawinengefahr – Bau lawinengesicherter Unterstände und Einstellen jeden Personenverkehrs – mussten wir nur zu sehr erfahren, dass wir noch lange nicht ausgelernt hatten.“73 Generalstabschef Cadorna urteilte aus italienischer Sicht: „Dans la montagne, la neige fut très abondante; en bien des points, elle atteignit ou dépasse à 4 mètres d’épaisseur. La prédominance de vents chauds et humides fut ensuite cause de fréquentes avalanches désastreuses et de glissements de champs de neige étendus, d’où interruptions dans les communications et nombreuses douloureuses pertes de vies humaines.“74 71 Pölzleitner, Josef: Landsturm im Hochgebirge. Das österreichische LandsturmInfanteriebataillon Nr. 165 an der italienischen Front, Salzburg 1929, S. 73. Vom gleichen Autor auch: Berge wurden Burgen. Erzählungen eines Frontkämpfers, Salzburg 1934. 72 Pölzleitner, Landsturm, S. 74. 73 Handl, Marmolata-Front II, 1917, S. 149. Ein Reserveoffizier im Ortler-Rayon teilte mit, „[. . .] daß im März 1917 binnen zwei Wochen ca. 30 Neuschneelawinen zwischen Sulden und Gomagoi abgegangen sind. Später (im Frühjahr) verschütteten den Weg in zehn Tagen einmal 18 Grundlawinen.“ In: Czant, Alpinismus, 1926, S. 215. 74 Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 258.

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Bereits am 11. November 1916 verzeichnete das Heereskommando der Südwestfront 123 Tote, 194 Verletzte und 51 Vermisste als Opfer des ‚Weißen Todes‘.75 Die größte Einzelkatastrophe ereignete sich im Dezember 1916, als eine Lawine die Nachschubposition Gran Poz verschüttete. Am 13. Dezember setzte plötzlich Föhn ein und von der Punta di Penia löste sich eine gewaltige Lawine. Die um 6 Uhr vom Stützpunkt auf der Kote 3100 (Meter über normal Null) losgelöste Staublawine traf mit großer Wucht die Unterkünfte der 2. Kompanie auf Gran Poz, zerquetschte sie vollkommen und zerstörte dann das Gletscherkommando sowie die Küchenanlagen und die elektrischen Anlagen. Auch die Unterkünfte der Trägerabteilungen und die Bergstation der Baranchie Seilbahn fielen ihr zum Opfer. Das gesamte österreichische Lager und damit etwa 300 Mann war unter 200.000 Tonnen Schnee begraben worden. Sehr aufschlussreich ist das Tagebuch des Augenzeugen Josef Strohmaier. Er holt in seiner Schilderung weiter aus und macht zunächst einige wichtige Anmerkungen zu der Lawinensituation vor dem Unglück. In diese Zeit fiel auch der Tod Kaiser Franz Josephs und fast schon skurril mutet die Beschreibung der Eidesleistung auf den neuen Kaiser an, die im ewigen Eis auf circa 3.000 Metern in extrem lawinengefährdetem Gebiet stattfand. „Ab 8. November 1916 hörte der Schneefall fast überhaupt nicht mehr auf, es verging kaum eine Stunde, da die Lawinen nicht ins Tal donnerten. [. . .] nach einer Lawine verloren wir 23 Mann, ein gruseliges Schauern ergriff uns angesichts der ständigen Lawinentoten. [. . .] ständig rauschten die Lawinen hernieder, jeder Tag forderte neue Opfer unter den Kameraden. [. . .] am 25. November 1916 fand die feierliche Eidesabnahme für Seine Majestät, Kaiser Karl, statt. Die Eidesformel wurde in deutscher, ungarischer, slawischer, bosnischer, ruthenischer und italienischer Sprache gesprochen, unser Feldkurat Martin Matschik hielt einen feierlichen Gottesdienst, im Schnee wurde ein Stück für den Altar ausgeschaufelt, darüber wurde ein Kaiserbild angebracht. [. . .] durch die ständigen Lawinen wurde die Gefahr unerträglich. Unser Hauptmann Schmid erkannte die Gefahr und telefonierte an das Kommando mit Feldmarschalleutnant Goiginger, der seinen Sitz im sicheren Hotel Karersee hatte. Hauptmann Schmid stellte den Antrag, die Besatzung des Lagers von Gran Poz [. . .] zu Folge der stets eminent anwachsenden Lawinengefahr und der Unmöglichkeit eines feindlichen Vorstoßes auf einen unserer Stützpunkte bei dieser Schneehöhe – nach Pian Trevisan zurücknehmen zu dürfen. Aber der Divisionär blieb dem Antrag gegenüber taub und ablehnend. [. . .] Goiginger blieb unzugänglich. Er wurde zornig, wies den Antrag nochmals ab und drohte unserem Hauptmann mit Konsequenzen. Ich stand daneben und hörte das ganze Gespräch mit an. Nun ging unser wackerer Hauptmann mit den Tränen in den Augen vom Telefon mit den Worten: ‚Also in Gottes Namen, mich trifft keine Verantwortung 75

Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. V, 1934, S. 699.

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und keine Schuld!‘ Es hörte nicht auf zu schneien und wir konnten schon 6 m Schneetiefe messen. [. . .] furchtbare Niedergeschlagenheit und Todesahnungen herrschten unter den Landesschützen von Gran Poz. [. . .] immer wieder wurden wir durch das Rollen und Dröhnen der Lawinen aufgeschreckt.“76

Aus diesen Worten geht eindeutig hervor, dass dieses furchtbare Unglück verhindert hätte werden können. Strohmaier fährt fort mit der genauen Darstellung des Ereignisses am 13. Dezember: „Gegen 6 Uhr früh riefen die Ordonnanzen, dass eine Lawine kommt. Wir wollten rasch zur Türe hinaus. In diesem Augenblick ein Donnern und Krachen und ich sah noch, wie die Außenwand durch Schnee und Eis eingedrückt wurde. Mit einem Gedanken an Gott wartete ich auf das Letzte. Ich hörte noch das Rollen über die ganze Baracke, bis es dann langsam verstummte. [. . .] Die Luft war mir so stark in die Lunge gepresst worden, dass es eine ganze Weile dauerte, bis ich sie wieder herausstossen konnte. [. . .] Mein Schlafkamerad sagte: ‚Kruzifix iaz san mir hin.‘ Gleich nach der Katastrophe hörten wir das Stöhnen und Jammern der Verletzten und Sterbenden, die entsetzlichen Minuten schienen wie eine Ewigkeit zu dauern. Mir kam ein guter Gedanke, ich stieß mit einem Stück Holz gegen die Bretterwand und ich hörte einen sagen: ‚Da kommts her, da san noch welche drin, da klopfens.‘ Die Bretterwand wurde aufgerissen und sie zogen uns heraus. Eigentümlich war es, dass jeder, der ans Tageslicht kam, zusammengesunken war. Wir sahen ein Gewirr von Balken, Brettern, Armen, Leichen und Köpfen. Da vorne tanzte einer und sang gräulich dazu, denn er war verrückt geworden. Einzelne irrten unstet zwischen den Trümmern herum. Man hatte am fünften Tage die Arbeit in den Trümmern eingestellt, doch einer grub sich mit seinem Taschenmesser durch und sagte, dass noch Lebende drinnen seien. Wir nahmen die Arbeit sofort wieder auf und holten noch Lebende heraus.“77

Diese erschütternde Episode bei der Bergung wird auch durch das Kriegstagebuch von Leo Handl unter der Eintragung vom 17. Dezember belegt: „Mit meiner gesamten Mannschaft Bergungsarbeiten bei der Lawinenkatastrophe. Nachmittag kriecht plötzlich seitlich aus dem Schnee ein Mann fast nackt heraus. Es ist ein junger Kaiserschütze. Er hatte sich mit den Fingernägeln durch den 6 m tiefen, eisharten Lawinenschnee gegraben, ohne Nahrung, nur in Hemd und Socken. Als die Lawine um 6 Uhr früh abging, hatten alle in der Baracke geschlafen. Der ganze Unterstand wurde wie ein Kartenhaus zerdrückt, nur bei ihm bildete sich ein Hohlraum. Er glaubt, dass noch einige seiner Kameraden leben. Nach 105 Stunden! Tatsächlich sind bis abends 8 Mann teils mit schweren Erfrierungen geborgen. Es geschehen noch Wunder!“78 76 MILAR/MHFZ, MIL-IBK 14, Strohmaier: Kaiserschützen-Regiment Nr. III, S. 115 f. 77 MILAR/MHFZ, MIL-IBK 14, Strohmaier: Kaiserschützen-Regiment Nr. III, S. 117. 78 Handl, Krieg im Bauch des Gletschers, 1977, S. 171 f.

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Einige der Toten konnten aber erst im Juli 1917 im Tal geborgen werden. Dieses traurige Ereignis war damit das größte Lawinenunglück der Geschichte. Eine äußerst wichtige Feststellung machte auch Josef Strohmaier, welche die hohe Zahl an Lawinentoten speziell auf österreichisch-ungarischer Seite erklären kann: „Dass wir im Kriege mehr Lawinenverluste hatten, ist darauf zurückzuführen, dass wir zum Großteil die Nordhänge der Berge, die gewöhnlich lawinengefährlicher sind, besetzt hielten.“79 Es waren aber nicht nur unmittelbar unzählige Todesopfer zu beklagen, jede Lawine war auch ein großes Hindernis für den Nachschub. Die Lasten mussten über die Lawinenhänge getragen werden. Vielfach mussten dafür die Lawinen tunneliert werden. Angesichts des Umstandes, dass die Schneemassen vielfach von umgestürzten Bäumen, Felsblöcken, Mauerresten et cetera durchsetzt waren, war dies eine außerordentlich zeitraubende Arbeit, die oft Sprengungen erforderte und häufig genug von neuerlichen Schneemassen zunichte gemacht wurde. Als die Schnee- und Staublawinen zum größten Teil abgegangen waren, folgten meist Grund-, Schlamm- und Steinlawinen, die in der Regel Verwüstungen und Vermurungen der Wege und Straßen zur Folge hatten. Die Bergungsarbeit war auch für die Retter äußerst gefährlich, da sie häufig von nachfolgenden Lawinen bedroht wurden. Die ‚Alpinen Weisungen für den Gebirgskrieg‘ gaben den Rat: „Während der Rettungsarbeiten unmittelbar nach abgehender Lawine, sollen Avisoposten den Hang oberhalb der Lawine genau beobachten um beim Nachrutschen weiterer Schneemassen rechtzeitig zu warnen.“80 Es scheint erwähnenswert, dass durchaus auch Lawinen gezielt und absichtlich von dem jeweiligen Gegner ausgelöst wurden.81 Diese Aktionen mussten gut geplant werden, da durch die abgehenden Schneemassen auch der Angreifer in größte Bedrängnis geraten konnte. Gustav Renker berichtet von einer dieser Episoden in der Zeitschrift des Alpenvereins: „Um die Fruchtbarkeit der Lawinen noch zu erhöhen, beschossen die Italiener die Hänge über unseren Stellungen mit Granaten, und mehr denn einmal gelang es ihnen, Lawinen loszulösen und Verderben anzurichten. Natürlich war auch unsere Artillerie nicht geneigt, auf dieses grausame, aber wirksame Kampfmittel zu verzichten und die italienischen Hänge mögen mehr denn einmal von unseren Granaten in verderbliche Bewegung gesetzt worden sein.“82 79 MILAR/MHFZ, MIL-IBK 14, Strohmaier: Kaiserschützen-Regiment Nr. III, S. 121. 80 Alpine Weisungen, 1915, S. 5. 81 Die ‚Alpinen Weisungen‘ gehen detailliert in ihrer ‚Anleitung zur Ausnützung von Lawinen und anderen Naturerscheinungen für die Verteidigung‘ darauf ein und schlagen als Maßnahmen vor: „Vorbereitete Lawinen“; „Ablassen von Schneehängen, Lawinen etc.“ und „Ab- oder Umleiten von Gebirgsbächen, Seen, Stauwässer etc.“ In: Alpine Weisungen, 1915, S. 58–62.

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Viele Soldaten haben den Diensthunden ihr Leben zu verdanken. Sie hatten vielfältige Aufgaben zu erfüllen. Es gab Melde-, Sanitäts- und Transporthunde, Polizeihunde und schließlich die Rattenfängerhunde.83 Die entscheidende Tätigkeit der Sanitätshunde an der Südwestfront blieb allerdings das Auffinden von durch Lawinen verschütteten Soldaten. Eine schwierige Aufgabe war es dabei, den Hunden in der Ausbildung das Bellen abzugewöhnen, weil Hundegebell eigene Stellungen verriet und sofort das feindliche Feuer anzog. Bis Ende Juli 1917 standen im Verlauf des Krieges 1.553 Hundeführer und 1.086 Hunde aller Kategorien an der Südwestfront in Verwendung.84 Auch die Hunde konnten nicht verhindern, dass der ‚Weiße Tod‘ mehr Opfer forderte als das feindliche Artilleriefeuer. Laut einer Zusammenstellung von Dr. Menger werden für den Kriegswinter 1916/1917 folgende Lawinenopfer ausgewiesen: an der Tiroler Front an Toten und Vermissten neun Offiziere, 1751 Mann und an Verwundeten zwei Offiziere, 919 Mann; an der Kärntner Front zehn Offiziere, 1070 Mann tot und vermisst und an Verwundeten fünf Offiziere und 328 Mann.85 Zu Kälte, Schnee und Feind kam oftmals auch der Hunger. Bedingt durch die Witterung konnte der Nachschub nicht immer gewährleistet werden. Im Winter 1917/18 resultierte der Hunger aber auch aus den viel zu geringen Nahrungsmittelzuteilungen. Auch der Ernährungszustand der Zugund Lasttiere ließ zu wünschen übrig, wodurch sich die Mobilität rapide verschlechterte. Besonderer Mangel an Raufutter herrschte im Winter, weshalb auch Laubholzzweige, Nadelholzreisig, Heidekraut und Moos als Heuund Streuersatz an die Tiere verfüttert wurden. Der ‚offizielle‘ Speiseplan für die Soldaten sah nach Glingenbrunner für den Marmolata-Abschnitt folgendermaßen aus: „700 g Brot, ausgegeben am Vorabend; zum Frühstück schwarzer Kaffee; als Imbiss abwechselnd Fisch, Käse, Speck, Sülze, Räucherfleisch, Wurst, Obst, Schokolade; als Mittagsmahl Suppe mit Einlage, Fleisch (gekocht oder gebraten, oft als Hackfleisch) mit 1 bis 2 Gemüsen, dazu ¼ l Wein oder 1/10 l Branntwein; als Nachtmahl eine Fleisch- oder Innerei- oder Mehlspeise und schwarzer Kaffee; einmal im Tag als Zubuße Tee mit Rum. Als Trinkwasser diente gekochtes Wasser aus Eis oder Schnee, dessen Geschmack mit Zitronensäure verbessert wurde.“86 82

Renker, Krieg in den Bergen, 1916, S. 233. Nicht nur an der Südwestfront gab es Diensthunde. An der deutschen Westund Ostfront standen Ende 1915 etwa 2.500 Sanitätshunde zur Verfügung. „Die Gesamtzahl aller an die Front gekommenen Sanitätshunde wird 6–7000 betragen haben. Verwendet wurden meist deutsche Schäferhunde, dann aber auch Dobermann, Airedaleterrier und Rottweiler.“ Meldehunde kamen erst von 1916 an zur Verwendung. In: Riebicke, Otto: Was brauchte der Weltkrieg? Berlin 1937, S. 106 f. 84 Siehe: Angetter, Sanitätsversorgung, 1995, S. 240. 85 Vgl.: Menger, Alpenverein und Weltkrieg, 1919, S. 185. 83

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Die Geschmacksverbesserung des zur Wasserversorgung geschmolzenen Schnees konnte aber eine besondere, unsichtbare Gefahr nicht eindämmen: Der Schnee war oft mit Pikrin verseucht, einem chemischen Mittel, welches in erster Linie als Sprengstoff eingesetzt wurde. Bei der Explosion verunreinigte es Brunnen, Wasservorräte und den Schnee. Die Pikrinsäure äußerte sich in einer Grünverfärbung der Haare und rief schwere Darmerkrankungen hervor.87 Eine weitere Gefahr ging von den Toten aus. In einem Befehl an das Gletscher Kommando auf der Marmolata hieß es: „Die Leichen Gefallener sind, um das Trinkwasser infektionsfrei zu erhalten, nicht im Schnee zu begraben. Dort, wo sich nicht genug Erde findet, sind die Leichen behufs Beerdigung ins Tal zu schaffen.“88 Nicht berücksichtigt sind hier natürlich die unzähligen Lawinentoten, die erst mit der Zeit aus dem Gletscher ausaperten. Neben den Trinkwasserproblemen war es den Wirtschaftsstellen im Sommer 1916 nicht mehr möglich, die erforderlichen Fleischmengen zu requirieren. Glingenbrunner neigte zu einer lapidaren Feststellung: „Da die tägliche Fleischgebühr des Mannes von 400 auf 300 g herabgesetzt worden war und für die fehlenden 100 g Geld erfolgt wurde, musste getrachtet werden, Ersatzlebensmittel einzukaufen.“89 Die demoralisierenden Auswirkungen auf die Soldaten lässt er außer Acht. Röck berichtet dagegen: „Eine im Sommer erlassene Verfügung war nicht geeignet, die gedrückte Stimmung zu heben. Die jedem Soldaten zuerkannten Verpflegsrationen wurden neuerlich gekürzt. [. . .] An den Zahltagen wurde nun jedem einzelnen neben der Löhnung ein Betrag ausgehändigt, der den klangvollen Namen ‚Menagerelutum‘ führte und oft die Höhe der Löhnung überstieg. [. . .] Wollte man sie, die halb verhungert ihre harte Pflicht taten, verhöhnen? [. . .] [Sie], die monatelang in talfernen Eiswüsten hausen mussten? Selbst wenn sie jemals in bewohnte Täler kommen sollten, wo war der Kaufmann, bei dem sie für die bunten Scheine ein Stäubchen Mehl oder auch nur ein paar armselige Kartoffeln erhalten würden?“90

Zusammenfassend stellt der alpine Referent und Skilehrer Walter Schmidkunz in einem Vortrag, den er während des Krieges in rund 35 deutschen Städten – zur Sammlung von Liebesgaben – abgehalten hatte, fest: „Auch von der Verpflegung, diesem hochinteressanten und schmerzensreichen Kapitel, konnte ich fast nichts berichten. Das frischgeschlachtete Kuhfleisch kam 86

Glingenbrunner, Intendanzdienst, 1933, S. 36. Zum Verpflegungsplan auch: Cappellano, L’imperial regio, 2002, S. 292 ff. 87 Vgl.: Angetter, Sanitätsversorgung, 1995, S. 132. 88 MILAR/MHFZ, Karton MIL-IBK 2, Frontfolio Marmolata: Befehl an das Gruppenkommando Hauptmann Schmid; Feldpost 95/111 am 30. August 1916. 89 Glingenbrunner, Intendanzdienst, 1933, S. 34. 90 Röck, Festung im Gletscher, 1935, S. 230 f.

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nach siebenstündigem Transport verdorben zu uns herauf, der Wein gegoren, die Wachsbohnen wurden in solcher Siedehöhe nie weich und das sauere Maisbrot verursachte böse Darmkoliken. Trinkwasser gabs in der Höhenregion überhaupt nicht, nur tiefer floss schmelzendes Schneewasser. Auch zum Waschen hatte man nur Schnee und der war um die morgendliche Waschenszeit Harscht und Eis. Da wurde eben das Waschen bis nach dem Krieg vertagt. Aus den Mänteln, Schneehauben, Schneebrillen, Stiefeln kamen die Leute wochenlang nicht heraus. Zum Menagefassen mussten einzelne Besatzungen täglich zwei Stunden weit klettern und beim Essen standen sie frierend im Windschatten der Felsen, hatten ihren Blechnapf auf eine schneefreie Steinkante gestellt und schlangen das halbgare, kaltgewordene Essen hinunter. Krank durfte da oben keiner werden, denn der Arzt war weit, die Beförderung schwer, ja oft unmöglich und unsere Hausmittel Rhizinus und Aspirin halfen schließlich auch nicht gegen alles. Und mancher starb da oben still und ungetröstet, der in einer kultivierteren oder tiefer gelegenen Gegend mit ein paar Tagen Bettruhe gesund geworden wäre.“91

III. „Der Tod als Maschinist“ – Karsthochfläche und Isonzofront „Man wird vielleicht späterhin sagen, dass jene ein Stück Krieg versäumt haben, die nicht am Karst gewesen sind. Der Krieg dort ist abweichend von den gangbaren Formen und Erscheinungen; er ist härter und lebhafter als sonst wo. Er hat seine eigene Art und verlangt eine Unzahl besonderer Mittel. Und jene, die dort stehen, müssen ihn erst verstehen lernen und sich gewöhnen, in ihm zu leben.“92 So lautet zumindest das Urteil eines Teilnehmers, der es so erlebt hat. Die Front entlang des Isonzo und besonders am südlichen Karst war das andere Extrem zu dem eben betrachteten hochalpinen Terrain mit seinen winterlichen Gefahren. Hier waren vielmehr der Sommer und das unbarmherzige italienische Trommelfeuer eine permanente Gefahr.93 Das ganze Frontstück auf der Karsthochfläche rund um den Ort Doberdo, nur 35 Kilometer nordwestlich der Hafenstadt Triest, trug ein besonderes Gepräge. Zwischen Görz und der Adria springt der Karst keilförmig nach Westen vor, umgrenzt von den Ortschaften Monfalcone, Ronchi, Sa91 Schmidkunz, Walter: Vom Krieg in den Südtiroler Bergen. Judicarien, Adamello, Tonale (Vortrag, Aus: Jahresbericht der Sektion Berlin des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins 1916) Berlin 1917, S. 24. 92 Heldenwerk Bd. 2, 1917, S. 59. 93 Ein kurzer Überblicksaufsatz: Rauchensteiner, Manfried: Der Krieg am Isonzo aus der Sicht eines österreichischen Historikers, in: Moritsch, Andreas/Tributsch, Gudmund (Hg.): Isonzo-Protokoll (Kultur-Kontakt), Klagenfurt/Ljubljana/Wien 1994, S. 15–28.

III. „Der Tod als Maschinist“ – Karsthochfläche und Isonzofront

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grado und Gradisca. Der Karst strahlt eine starke Unruhe aus, kaum gibt es ähnliche Verhältnisse, keine Geländeformationen sind gleich und doch fällt es schwer sich zu orientieren. Der Sommer hat dort eine tropische Hitze, in der sich eine Menge Schlangen wohlfühlen und auch die Bora, der eisige Wind, der sich in die letzten und kleinsten Fuge einbläst und meist schlechtes Wetter bringt, ist unbehaglich. Jedes Vierteljahr hat irgendwelche Eigentümlichkeiten, die die Menschen, wenn es nicht sein muss, lieber nicht kennen lernen wollen. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Auf dem Karst schuf der felsige Karstboden mit seinen Eigenheiten ganz veränderte Kampfverhältnisse und einen eigenartigen Zug der Verteidigungslinie. Die Maßnahmen und Einrichtungen, wie sie an anderen Fronten eingesetzt wurden, waren hier nicht unbedingt praktikabel. Der planmäßige, tief gegliederte Stellungsbau, der eine allgemeine Form der Verteidigung geworden war, kostet hier unvergleichlich mehr Mühe und Arbeit. Stück für Stück, Stein um Stein musste gebrochen und ausgeschält werden, um kleine Löcher zu bekommen, vergleichbar mit einigen Stellungsabschnitten im Hochgebirge. Dort konnte man aber leichter auf vorhandenes, schon von Natur aus gebrochenes Steinmaterial zurückgreifen. Dieses wurde dann zum Stellungs- und Deckungsbau in Stahldrahtgeflecht gefüllt. Im Karst war die vorderste Stellung eher eine Markierungslinie, an der die erste Phase des Kampfes, die Abwehr mit dem Gewehr oder der Auslauf zum Sturm beginnt. Der Kaiserschütze Josef Strohmaier hat die erste Begegnung seines Kaiserschützenregiments Nr. III mit dem Karst in dem Regimentstagebuch festgehalten. Das Regiment war von Galizien über Budapest Richtung Triest verlegt worden. Am 4. August 1915 kamen sie in Prvacˇina (Deutsch-Pröbatsch) zwischen Reifenberg und Haidenau an und wurden nach sechs Kilometer Fußmarsch in Wogersko einquartiert. Strohmaier schreibt: „Aber dieses kahle Karstgebiet gefiel uns rein gar nicht. Wie schon erwähnt, sah man hier im Gegensatz zum fruchtbaren Boden Galiziens nur ödes, zerklüftetes, felsiges Land, hie und da ein paar Weinberge, sonst aber nichts von Kultur. Feldbau kennen die Leute dort nicht, auch Viehzucht ist ihnen fremd. Die südliche Augustsonne drückte uns ungewohnt fast zu Boden und eine unausstehliche Hitze quälte uns, da fast kein Trinkwasser aufzutreiben war. Das musste von weit her, oft auch mittels Bahn herangebracht werden, denn hier war eigentlich nur schlechtes Zisternenwasser vorhanden. Meistens wurde Regenwasser in eigens angelegte Bassins geleitet. Wie es da mit der Rein- und Keimfreiheit aussah, kann man sich leicht vorstellen. Auch lockte die große Hitze Vipern und Skorpione aus den Feldlöchern und veranlasste uns zu einer gewissen Vorsicht. Die Wirkungen der Artillerie waren hier eine ganz andere wie im weichen galizischen Boden. Dort erstickte manche Granate im Dreck und wenn sie schon explodierte, waren es vielfach nur Erdschollen, die durch die Luft sausten. Hier im Karstgebiet und auch in den Tiroler Bergen musste [man] mit dem furchtbaren

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Steinschlag rechnen, denn so eine schwere Granate verursachte meistens einen grauenhaften Steinhagel mit grässlichen Verwundungen. Gegen Shrapnells [sic] konnte man sich im Gebirge leichter schützen wie auf dem flachen Lande.“94

Ein besonderes Problem welches Strohmaier anspricht, ist das der Wasserarmut.95 Die meisten Stellungen auf dem Karst konnten nur im Schutze der Dunkelheit von Trägern und Tragtieren mit Wasser versorgt werden. Wasserleitungen konnten in dem Felsgestein nur sehr schwer und dann auch nicht bis in die vorderste Frontlinie gelegt werden. Die Trommelfeuer hätten die Röhrennetze sofort zerstört und in den kritischen Augenblicken wären die Soldaten ohne Wasserversorgung gewesen.96 Es gelang jedoch den österreichisch-ungarischen Ingenieuren und Pionieren schon bis Herbst 1915, im Bereich der K. u. k. 5. Armee ein Rohrleitungsnetz mit einer Gesamtlänge von 113,2 Kilometern aufzubauen. Wo dies nicht hinlangte, wurde in großen Kesseln, die auf Bahnwaggons oder Lastkraftwagen montiert waren, das kostbare Nass soweit als möglich nach vorne gebracht. Dort wurde es von den Trägerkolonnen übernommen.97 In speziellen Abschnitten legte man schließlich so genannte Trommelfeuer- und Höhenvorräte an. Auch Fragen der Entkeimung waren von größter Wichtigkeit im Angesicht tausender Leichen, die über das ganze Kampffeld verstreut waren.98 Im Norden schloss sich an den Karst die eigentliche Isonzofront an. Der italienische Name dieses Flusses wurde zum Synonym für furchtbare Schlachten des Weltkrieges, für Leid, Elend und Tod Hunderttausender. Heute ist der slowenisch Socˇa genannte Fluss (zu Deutsch die Issnitz) ein Naturparadies. Eine Zauberwelt, umgeben von den Bergen der Julischen Alpen fließt der smaragdgrüne Gebirgsfluss der Adria zu und niemand denkt auf den ersten Blick an die gewaltigen Zerstörungen des Ersten Weltkrieges. Ein zweiter, genauerer Blick fördert allerdings überall Relikte und Überreste des Krieges zutage. Auf diese Front, etwa 80 Kilometer von Pontebba bis zur Adria verlaufend, konzentrierten sich von Anfang an die italienischen Hauptangriffe. Es 94 MILAR/MHFZ, MIL-IBK 14, Strohmaier: Kaiserschützen-Regiment Nr. III, S. 73. 95 Hierzu auch: Baar, V.: Ein Jahr an der Isonzofront. Klimatologische Beobachtungen, Wien 1917. 96 Vgl auch: Egli, Karl: Von der Isonzofront März–April 1917. Anhang: Betrachtungen zur 10. Isonzoschlach (Berichte aus dem Felde, Nr. 1), Zürich 1917, S. 28 f. 97 Vgl. auch: Czermak, Krieg im Stein, 1936, S. 124 f. 98 Die gesamte Problematik der Wasserversorgung ist hervorragend aufbereitet in dem Aufsatz von: Schimon, Wilfried: Die Wasserversorgung der k. u.k. Truppen 1914–18, in: Österreichische Militärische Zeitschrift, Nr. 5/2004, S. 551–564. Er zeigt die Bedeutung von Wasser als einsatzwichtige Ressource in einem auch heute noch sehr relevanten Maßstab auf.

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war die gangbarste und wegsamste Front und deshalb auch die einzige, die für zusammenhängende Operationen größerer Armeen geeignet erschien. Die italienische Heeresleitung hatte im Laufe des Jahres 1915 erkennen müssen, dass die rasche Forcierung und Eroberung der schwer zugänglichen und stark befestigten Alpenpässe Südtirols schwerer zu bewerkstelligen sein würde als erwartet. Da man wusste, dass die österreichisch-ungarischen Kräfte dort weiterhin gebunden sein würden, wenn man stetige, kleinere Angriffsunternehmungen durchführen würde, entschlossen sich die italienischen Militärs, alle verfügbaren Kräfte an den Isonzo zu werfen. Als Schlüsselpunkt sahen sie die Linie des unteren Isonzo von Plava bis Monfalcone an, mit der Stadt Görz als Zentrum der österreichisch-ungarischen Befestigungen. Den südlichen Abschluss der Einbruchslinie bildete die Kalk- und Karstlandschaft um Doberdo.99 Die Teile des damaligen Frontgebietes liegen heute sowohl auf italienischem als auch auf slowenischem Gebiet. Bei einem Besuch wird man daher häufig neben den inzwischen gebräuchlichen italienischen Namen auch die slowenischen Namen lesen und hören. Die deutschen Bezeichnungen sind für die herausragenden Kampfstätten auch in der neueren Literatur verbreitet, vieles ist aber in den letzten 90 Jahren an Wissen verloren gegangen.100 Bestes Beispiel für den Trialismus ist etwa das alte österreichisch99 An dieser Stelle sollen einige frühe Werke zu diesem Kriegsschauplatz genannt werden und somit aus der ‚Versenkung empor geholt werden‘. Es kann nicht im einzelnen darauf eingegangen werden aber nachfolgend eine kleine Auswahl der noch während des Krieges oder kurz danach erschienenen Publikationen zur Front am Isonzo, die zumeist von Mitkämpfern in unterschiedlichen militärischen Positionen verfasst wurden: Abel, Kornel: Karst. Das Buch vom Isonzo, Salzburg/Leipzig 1934; Agabiti, Augusto: Sulla fronte Giulia. Note di taccuino 1915–1917, Napoli 1917; Barzini, Luigi: Dal Trentino al Carso (Agosto–novembre 1916.), Milano 1917; Calabi, A.: Uomini in guerra. Carso 1915–1916, Roma 1919; Decsey, Ernst: Krieg im Stein. Gesehenes, Gehörtes aus dem Kampfgebiet des Karsts, Graz 1915. [Vergleiche hierzu den schon genannten Titel ‚Krieg im Stein‘ der später von Wilhelm Czermak weiterverwendet wurde.] Decsey, Ernst: Im Feuerkreis des Karsts, Graz 1916; Doerrer, Anton: Vom Isonzo (Von der Soce) bis in die Seisera. Feldbriefe eines Tiroler Zugskommandanten aus dem küstenländisch-kärntnerischen Stellungsgraben 1915/16 (Hausens Bücherei Nr. 31), Saarlouis 1916; Koch, Ludwig: Skizzen vom Isonzo. 124 Darstellungen, Wien 1916; Koenig, Otto: Kameraden vom Isonzo, Berlin 1916; Reina, Giuseppe: Noi che tignemmo il mondo di sanguigno. Combattendo sull’ Isonzo e sul Carso con la Brigata Perugia, maggio-novembre 1915, Roma 1919; Slataper, Scipio: Le strade d’invasione dall‘Italia in Austria – Fella, Isonzo, Vipacco, Carso (Bibliotechina illustrata Bemporad 19), Firenze 1915. 100 Die slowenische Historiographie ist bisher nur sehr eingeschränkt eigenständig tätig geworden Herausragender Exponent ist der Autor Vasja Klavora. Er hat nicht nur den Aspekt ‚Krieg in der Heimat‘ – also auf slowenischem Boden – betrachtet sondern auch das Schicksal der circa 30.000 slowenischen K. u. k. Soldaten. Siehe

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ungarische Görz, das sich heute in das italienische Gorizia und in das slowenische Nova Gorica teilt. Weitere Brennpunkte der Isonzofront auf slowenischem Boden sind der Berg Kuk (Monte Cucco) südlich von Plave (Plava) im Isonzotal, östlich davon findet sich die Hochfläche von Bainsizza (Heiligengeist; Altopiani di Bainsizza; Banjska Planota), nördlich beziehungsweise östlich von Görz liegen der Monte Santo (Sv. Gora) mit dem im Krieg zerstörten Kloster, daran angrenzend der Ternowaner Wald (Trnovski Gozd; Selva di Tarnova) und der Monte San Gabriele (Sv. Gabrijel). Südlich von Nova Gorica (Neu-Görz), circa acht Kilometer entfernt, erhebt sich der Frontberg Fajti Hrb.101 Der Monte Sabotino, nördlich von Görz, ist italienisch-slowenischer Grenzberg, dessen höchster Punkt auf slowenischem Boden liegt, während seine nach Süden ziehenden Hänge zu Italien gehören. Der Monte San Michele und Doberdo (zwischen Gradisca und Monfalcone) sowie die Hermada-Höhe (Monte Ermada) bei Duino gehören zu Italien. Insgesamt kam es an der Isonzofront zwischen Juni 1915 und Oktober 1917 zu elf Schlachten, bei denen die Initiative stets von den italienischen Truppen ausging. Vier Schlachten tobten während des ersten Kriegsjahres, fünf während des zweiten und zwei während des dritten Kriegsjahres an dieser Front. Alle elf Schlachten entsprachen ausschließlich Stellungsschlachten, ohne dass eine der beiden Seiten im großen Stil offensive Erfolge errang.102 Demgegenüber wurde die zwölfte Isonzoschlacht im Herbst 1917 zur entscheidenden Durchbruchsoperation. Zur weiteren Orientierung sei hier eine Tabelle der ersten elf Isonzoschlachten eingefügt:103 hierzu: Klavora, Vasja: Die Slowenen und der Krieg am Isonzo, in: Moritsch/Tributsch, Isonzo-Protokoll, 1994, S. 47–58. Ebenso seine Trilogie: Klavora, Vasja: Blaukreuz. Die Isonzofront; Flitsch/Bovec 1915–1917, Klagenfurt/Ljubljana/Wien 1993; ders.: Schritte im Nebel. Die Isonzofront – Karfreit/Kobarid – Tolmein/Tolmin 1915–1917, Klagenfurt/Ljubljana/Wien 1995 und: ders.: Monte San Gabriele, Klagenfurt/Ljubljana/Wien 1998. In eine ähnliche Richtung, bezüglich der Aufarbeitung slowenischer Schicksale und Erlebnisse geht: Verginella, Marta: Die Isonzofront in der slowenischen Literatur und in Aufzeichnungen slowenischer Soldaten, in: Moritsch/Tributsch, IsonzoProtokoll, 1994, S. 59–66. 101 Hierzu auch: Di Brazzano, Orio (Hg.): La grande guerra nell’ alto e medio Isonzo. Bainsizza, Monte Nero, Caporetto, Plezzo. Itinerari e storia, Novale (Vicenza) 1999. 102 Die italienische Historiographie hierzu ist – in gebotener Kürze – zusammengefasst in: Fabi, Lucio: Der Krieg am Isonzo aus italienischer Sicht, in: Moritsch/ Tributsch, Isonzo-Protokoll, 1994, S. 29–46. 103 Die hier verwendeten Datumsangaben entsprechen jenen, wie sie im Generalstabswerk von Glaise-Horstenau erarbeitet wurden. Beachtenswert ist, daß nicht jede Schlacht an einem bestimmten Tag zur Stunde X begann und endete. Neben den Daten (die nur in zwei Fällen von Glaise-Horstenau differieren) findet sich bei Czermak auch eine Tabelle über die in jeder Schlacht eingesetzten Trup-

III. „Der Tod als Maschinist“ – Karsthochfläche und Isonzofront

1. Isonzo-Schlacht:

23.06. bis 07.07.1915

2. Isonzo-Schlacht:

18.07. bis 10.08.1915

3. Isonzo-Schlacht:

18.10. bis 04.11.1915

4. Isonzo-Schlacht:

10.11. bis 14.12.1915

5. Isonzo-Schlacht:

11.03. bis 16.03.1916

6. Isonzo-Schlacht:

04.08. bis 16.08.1916

7. Isonzo-Schlacht:

14.09. bis 17.09.1916

8. Isonzo-Schlacht:

09.10. bis 12.10.1916

9. Isonzo-Schlacht:

31.10. bis 04.11.1916

10. Isonzo-Schlacht:

12.05. bis 05.06.1917

11. Isonzo-Schlacht:

18.08. bis 01.09.1917

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Das Grauen jener Schlachten und das unermessliche Leid auf beiden Seiten lassen sich in diesem Rahmen höchstens andeuten. Die Zusammenfassung ist also insofern unvollständig, als sie den menschlich tief erschütternden Aspekten dieser Front nicht gerecht werden kann. Wahrscheinlich ist es überdies den Nachgeborenen kaum möglich, die Grauen des Krieges zu verstehen. Lediglich die Veröffentlichung einiger Augenzeugenberichte an dieser Stelle erlaubt es, dieses Manko ein wenig zu kompensieren. Tatsache aber ist, dass der Isonzo nicht zu Unrecht häufig das österreichisch-ungarische Verdun genannt wird. Die absolute Hölle des Krieges, in der der ‚Tod als Maschinist‘ in apokalyptischer Intensität seinem Handwerk nachging.104 Bei Kriegsausbruch hatte Österreich-Ungarn zunächst geplant, Görz und Triest zu räumen und sich bis zum Ternowaner Wald zurückzuziehen. Nur wegen des italienischen Zögerns beschloss man, die Linie Tolmein bis Görz sowie bis Duino zu beziehen und zu halten. Tolmein und Görz nahmen von Beginn an die Funktion von militärischen Brückenköpfen ein. Nach anfänglich geringer Kampftätigkeit und nur einigen wenigen Plänkeleien beschloss penmengen und die Verluste, sowohl für Italien als auch für Österreich-Ungarn. Siehe: Czermak, Krieg im Stein, 1936, S. 195–197. 104 Der Terminus Der Tod als Maschinist ist der gleichnamigen Ausstellung in Osnabrück entlehnt worden. Vgl.: Spilker, Ulrich/Ulrich, Bernd (Hg.): Der Tod als Maschinist. Der industrialisierte Krieg 1914–1918. Eine Ausstellung des Museums Industriekultur Osnabrück im Rahmen des Jubiläums „350 Jahre Westfälischer Friede“, 17. Mai bis 23. August 1998, Bramsche 1998.

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General Cadorna knapp vier Wochen nach Kriegsausbruch, offensiv zu werden, und eröffnete die erste von elf schrecklichen Schlachten.105 Ein immenser Angriff der 3. italienischen Armee gegen das Karstplateau von Doberdo wurde mit starkem Artillerieeinsatz vorbereitet.106 Der Herzog von Aosta griff die Stellungen der Armee Boroevic´ auf den Höhen von Doberdo knapp am linken Ufer des Isonzo mit acht Infanteriedivisionen an. Letztlich brach der Angriff aber an den Abhängen von Monfalcone, San Martino und dann am Görzer Brückenkopf zusammen. Nach einem nur 15-tägigen Waffenstillstand entbrannte am 18. Juli 1915 die zweite Bataille längs des Isonzo, konzeptionell die Fortführung der ersten mit ebenso geringen Ergebnissen aber extremen Verlusten von etwa 42.000 Mann. Das Zentrum des Kampfes in der zweiten Isonzoschlacht war die berüchtigte Karsthochfläche von Doberdo nächst Gradisca und Monfalcone. Insgesamt griffen 20 italienische Divisionen mit 750 Geschützen aller Kaliber an, während die österreichische Seite nur über neun Infanterie-Divisionen sowie über ungleich weniger Geschütze verfügte.107 Den italienischen Hauptstoß richtete der Herzog von Aosta gegen die Hochfläche von Doberdo, wo er aber nicht durchkam. Unter anderem scheiterte er mit seinen Truppen am Widerstand des Kaiserschützenregimentes Nr. I, das hier buchstäblich ausblutete. Analog dazu wurde um den benachbarten Monte San Michele gerungen, den die Italiener eroberten, der aber in einer contre-attaque von der 20. Honvéd-Infanteriedivision unter General Lukachich und der K. u. k. 93. Infanterie-Division unter General Boog zurückerobert wurde. Ein Bericht des Kaiserschützen-Oberstleutnants Ferdinand von Lützow des I. Regimentes schildert den Opfergang dieses Kaiserschützenregimentes am Isonzo. Truppengeschichtlich handelt es sich um eine sehr wertvolle Quelle, da solche Darstellungen aus der Feder von Kaiserschützen nur selten aufzufinden sind. Von Lützow beschreibt eindringlich die Kämpfe: „Schritt der Gegner zu Großangriffen, dann wurden gewöhnlich die in der vordersten Gefechtsstellung befindlichen öster.-ung. Truppenteile vom Granat- und Schrapnellhagel zum Großteil erschlagen. [. . .] die Hochfläche von Doberdo war ein furchtbares Kampffeld. Der harte Felsboden mit scharfkantigem Trümmergestein besät, wies eine Unzahl Vertiefungen wechselnder Größe auf, welche Dolinen genannt werden. [. . .] die Hochfläche ist wasserlos, der Pflanzenwuchs äußerst spärlich, im Sommer herrscht in den Mittagsstunden eine Hitze von 43 Grad Celsius und darüber. Zwischen den beiderseitigen Stellungen lagen vom wilden Hin und Her der Kämpfe Haufen von Leichen, welche in der Hitze rasch zerflie105 Sehr detaillierten Einblick in alle Schlachten gibt folgendes, aktuelles Werk: Schaumann, Walther/Schubert, Peter: Isonzo 1915–1917. Krieg ohne Wiederkehr, Bassano del Grappa 2001. 106 Ö. U. L. K., Bd. II, 1931, S. 733–745 (1. Isonzoschlacht). 107 Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. II, 1931, S. 745–763 (2. Isonzoschlacht).

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ßend, mit ihrem Gestank die Luft bis zur Unerträglichkeit verpesteten. Myriaden von Aaasfliegen umschwärmten oder bedeckten alle Stellen menschlichen Aufenthalts. [. . .] die Hochfläche wurde Tag und Nacht von Geschossen jeglicher Art überfegt. [. . .] in solchen Verhältnissen blieb ein Truppenkörper oft über eine Woche auf der Hochfläche. Der Tod hielt furchtbarste Ernte. [. . .] [Es] wurde mir klar, dass mit unserer hier geübten Kampfweise der Angriffswille des Gegners nicht gebrochen werden konnte. Anstatt die Kräfte nach Möglichkeit für einen gut vorbereiteten Schlag aufzusammeln, wurden sie verzettelt und in nutzlosen Vorstößen vergeudet. An Stelle einer überlegten, einheitlichen straffen Gefechtsführung mit klaren taktischen Zielen, welche jeden zu unternehmenden Angriff sorgfältig organisierte, trat das nur dem Augenblick gerecht werdende Disponieren, weil man glaubte, auf jede feindliche Einwirkung sogleich mit einer Gegenwirkung antworten zu müssen. Das Ergebnis dieser taktischen Kleinarbeit, oder richtiger gesagt, dieses taktischen Flickwerkes war ein ständiges zweckloses Aufbrauchen der Reserven, das eine geradezu unglaubliche Vermischung aller Verbände zur Folge hatte, damit zugleich auch den Einfluss der Kommandanten auf ihre Mannschaften oft bis zur Gänze aufhob. [. . .] das Regiment sammelte sich bei Mikoli im Valonetale. Es war mit 2.500 Feuergewehren in den Kampf getreten und hatte in Mikoli davon nur noch 551 Gewehre. Der Abgang betrug mithin 80 von Hundert. Das Regiment hatte keinen Fußbreit Boden dem Feinde überlassen. Es wurde später nach Tirol abbefördert, in dessen Verteidigungsbereich es gehörte. [. . .] dass ich die 2. Isonzoschlacht mitgemacht hatte, wusste ich erst Wochen später. Für mich waren es feindliche Angriffe gewesen, deren Zusammenhangs mit einem großen taktischen Ziele mir nicht zum Bewusstsein kamen. gez. von Lützow, Oberstleutnant.“108

Auch die dritte und vierte Schlacht zeitigten keine großen Erfolge und nach etwa eineinhalb Monaten andauernder, blutiger Gefechte, die 116.000 Mann Verluste auf italienischer und 70.000 Mann auf österreichischer Seite gekostet hatten, war es der italienischen zweiten und dritten Armee nur sehr eingeschränkt gelungen, das feindliche Verteidigungssystem zu zerstören.109 Die fünf ersten Offensiven dienten im Grunde dem Versuch, den 108 MILAR/MHFZ, Karton MIL-IBK 2: Handakt Isonzoschlachten 1. bis 11.: Bericht Das Landesschützen-Regiment Nr. I in der 2. Isonzo-Schlacht von Oberstleutnant Ferdinand von Lützow, damals Kommandant des 3./I. Landesschützen-Bataillons. 109 Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. III, 1932, S. 384–449 (3. Isonzoschlacht). Ibid., S. 458–516 (4. Isonzoschlacht). Ö. U. L. K., Bd. IV, 1933, S. 167–172 (5. Isonzoschlacht). Grundlegend für diese wenig betrachteten Schlachten: Veith, Georg: Die Isonzoverteidigung bis zum Falle von Görz, in: Militärwissenschaftliche Mitteilungen. Herausgegeben vom österreichischen Bundesministerium für Heerwesen, Nov.–Dez. 1931, Wien 1931, S. 1048–1061. Im Rahmen eines sehr heimat- und regionalgeschichtlich orientierten Projektes auch bearbeitet in: Rehberger, Arthur: Mit den westböhmischen Soldaten an der Isonzofront bei St. Maria, Tolmein im Verlauf der 3. bis 5. italienischen Offensive,

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G. Der seltsame Krieg über und unter der Erde

Isonzo zu überschreiten und auf Triest vorzustoßen. Trotz hoher Verluste auf beiden Seiten konnten aber weder Tolmein noch die Podgora erobert werden, der einzig nennenswerte Erfolg war die Bildung erster Brückenköpfe im Süden des Isonzoflusses. In der relativ ruhigen Zeit zwischen der fünften und der sechsten Isonzoschlacht besuchte eine besonders illustre Persönlichkeit die österreichisch-ungarischen Truppen an der Front: die Wiener Journalistin und Fotografin Alice Schalek.110 Sie war 1915 schon als Kriegsberichterstatterin zugelassen und beim Kriegspressequartier in Österreich akkreditiert worden. 1915 berichtete sie auch sogleich von den Kämpfen in den Dolomiten, dann über den Serbienfeldzug und schließlich über die Isonzofront.111 Der Kriegseinsatz der Journalistin und ihre überaus begeisterten und patriotischen Berichte stießen in der Öffentlichkeit auf ein geteiltes Echo. Wieder war es Karl Kraus, der zu den schärfsten Kritikern gehörte. Er warf ihr Kriegsverherrlichung vor, worauf ‚die‘ Schalek eine Beleidigungsklage gegen Kraus erhob, welche sie 1917 aber zurückzog. Folgt man ihren Aussagen, so kann man auch Kraus verstehen. In ihrem Isonzobuch schreibt sie beispielsweise über ihr Treffen mit dem Kommandierenden General Boroevic´: „Viele Truppen sind schon dort gewesen, um in dieser Esse gehärtet zu werden. ‚Die neuen stelle ich zuerst ein wenig weiter rückwärts, schiebe sie nur allmählich vor. Wer dann in der vordersten Stellung gestanden ist, der ist geeicht. Auf den kann man sich verlassen. Die lernen dort Männer zu sein.‘ [O-Ton Boroevic´, Anm. d. Verf.] Fast unbewusst gleitet der Gedanke durch meine Seele, wie gut es wäre, nun doch schon Krieg ist, müssten wir ohne Ausnahme durch diese Erziehung hindurch, [. . .].“112

Für ihren Kriegseinsaz wurde sie 1917 mit dem Goldenen Verdienstkreuz mit Krone am Band der Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet. Zweifellos eine sehr ungewöhnliche Auszeichnung für eine Frau jener Tage. Nach ihrer Abreise hub am Isonzo aber erneut der Schlachtenlärm an. von August 1915 bis März 1916, hrsg. vom Heimatkreis Mies-Pilsen e. V./Dinkelsbühl (Buchreihe Geschichte, Kultur und Heimatkunde Band 3), Dinkelsbühl 2005. 110 Zu Alice Schalek ist – gemessen an ihrem Bekanntheitsgrad – bisher erstaunlicherweise noch wenig veröffentlicht worden. Eine Überblicksdarstellung mit einigen ihrer herausragenden Fotografien in: Krasny, Elke/Patka, Marcus et al.: Von Samoa zum Isonzo. Die Fotografin und Reisejournalistin Alice Schalek (Ausstellung des jüdischen Museums Wien 1999/2000), Wien 1999. 111 Ihre (Zeitungs-)Artikel zum Dolomitenkrieg hat sie in folgendem Band verarbeitet: Schalek, Alice: Tirol in Waffen. Kriegsberichte von der Tiroler Front, München 1915. 112 Schalek, Alice: Am Isonzo. März bis Juli 1916, Wien 1916, S. 2 f.

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Als die Mittelmächte im August 1916 wegen der ersten Brussilovoffensive große Truppenkontingente von der Südfront abziehen mussten, gelang den italienischen Truppen in der sechsten Isonzoschlacht, nach besonders heftigem Artillerieeinsatz, die Einnahme von Stellungen, die für uneinnehmbar gehalten worden waren.113 Nach einer außerordentlich methodischen und starken Vorbereitung, kombiniert mit Täuschungsangriffen gegen den Abschnitt von Monfalcone, gelang es General Cadorna, mit Infanteriemassenangriffen von circa vier Armeekorps Görz und das Karsthochplateau von Doberdo am 9. August einzunehmen.114 Diese eng begrenzten Räume waren einen Tag zuvor auf Befehl von General Boroevic´ geräumt worden. Neben diesen ‚geplanten‘ Verlusten gingen aber auch die ehemals gut ausgebauten Höhen Monte Sabotino, Monte San Michele und die Podgora-Höhe verloren. Die Eroberung der ruinös zerschossenen Stadt Görz war der erste strategische und politische Erfolg für General Cadorna. Während der Vorbereitungen zu dieser Isonzoschlacht war auch schon an der Tiroler Front zeitweilig heftig gekämpft worden. Die Italiener griffen an, um das wahre Ziel der Offensive zu verschleiern und um österreichisch-ungarische Kräfte zu binden, und auf der Seite Österreich-Ungarns versuchte man, die Isonzoverteidiger zu entlasten und ebenso feindliche Kräfte zu fesseln. Als Einleitung des großen Angriffs, den die Italiener am Isonzo diesmal gestartet hatten, sind sicher auch die sehr starken Vorstöße, die im Juli gegen die österreichisch-ungarische vorgeschobene Front auf den Sieben Gemeinden und der Valsugana vorgetragen wurden, anzusehen. General Cadorna hatte in der sechsten Isonzoschlacht über 2.000 Geschütze aller Kaliber verwendet. Der erfolgreiche Widerstand, den die österreichisch-ungarischen Truppen in den nächsten Isonzoschlachten leisteten, lässt aber am strategischen Erfolg Cadornas dieser Schlacht zweifeln. Er konnte die Eroberung von Görz nicht ausnutzen. Zu einem entscheidenden Durchstoß hatten ihm die erforderlichen Reserven gefehlt. In der siebten Schlacht griffen rund fünfzehn italienische Divisionen am Karsthochplateau ohne nennenswerte Erfolge an. Der österreichische General Wurm hatte die Stellungen bei Jamiano und Kostanjevica sowie am Fajti Hrb stark ausgebaut. Die achte Schlacht brachte einen Angriff der 2. und 3. italienischen Armee gegen die österreichisch-ungarische Front 113 Vgl. zur 6. Isonzoschlacht Ö. U. L. K., Bd. V, 1934, S. 21–116. Auch: Schindler, Isonzo, 2001, S. 151–172. 114 Hierzu auch die zeitgenössischen Publikationen: Astori, B.: La battaglia di Gorizia (Quaderni della guerra 43), Milano 1916. Ebenso: Benedetti, A.: La conquista di Gorizia (I Libri d’oggi 18), Firenze 1916. Sowie: Fancini, C. M.: Alle porte di Gorizia, Parma 1916. Österreichischerseits erschien auch ein Bildwerkk dazu: Pamberger, Ferdinand: Görz im Kriegsjahre 1915/16. 20 Kunstdruckblätter, Graz 1916.

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zwischen St. Peter bei Görz und dem Meer mit etwa 14 italienischen Infanteriedivisionen. Der Verbrauch an Artillerie-Munition war in dieser wie auch den anderen Schlachten extrem hoch. Auch die neunte Schlacht brachte kaum Erfolge für die Italiener. Nach zehntägiger Artillerievorbereitung griffen sie die Front östlich von Görz bis zum Meer an und drangen bis Kostanjevica vor. Sie eroberten dabei die Westkuppe des Fajti Hrb. In Anbetracht des Einsatzes 300.000 Mann auf einer Frontlänge von rund 24 Kilometern eine nur geringe Veränderung. Der schweizerische Oberst und Kriegsbeobachter, Karl Egli, urteilte über den Erfolg oder Misserfolg der ersten neun Isonzoschlachten: „Vom Westrand des Karstes bis nördlich Kostanjevica sind die Italiener in neun Schlachten zusammen 10 Km., bei Görz aber nur 4 Km. vorwärts gekommen. Im ganzen sind sie auf einer Front von etwa 25 Km. vorgerückt, im Vergleich zu dem Raumgewinn der alliierten Truppen in der Somme Schlacht und in Mazedonien sind also die italienischen Erfolge bedeutend geringer, trotzdem die blutigen Opfer der Italiener in den Schlachten am untern [sic] Isonzo größer sind, als die ihrer Alliierten an der Somme.“115

Die Isonzofront war sicher eine der menschenunwürdigsten im ganzen Weltkrieg. Der schon zitierte Kaiserschütze Robert Mlekusch, der bereits die Minensprengungen am Lagazuoi in den Dolomiten mitgemacht hatte, schrieb über seine Zeit an der Isonzofront: „[. . .] ich war nicht lange dort, aber diese Zeit hat mir gereicht! Tag und Nacht dieses Trommelfeuer – man wurde verrückt davon. Es gab keinen Zentimeter Boden, der nicht von den Granaten aufgewühlt war. Und wenn das Bombardement mal für einige Zeit aufhörte, das Schreien der Verwundeten und das Röcheln der Sterbenden. Wo es eben ging haben wir die Kameraden zurückgeschleift, und aus den verschütteten Unterständen ausgebuddelt. In einem Unterstand lagen 20 Mann, äußerlich unversehrt, nur vom Luftdruck die Lungen geplatzt. Zwischen Monfalcone und Grado hatten die Italiener auf schwimmenden Inseln/ Pontons oder Flößen zwei 30er Mörser [Kaliber 30 cm, Anm. d. Verf.] stationiert, die uns fast den Gar ausgemacht [sic] haben. Wenn die beiden ‚arbeiteten‘, haben wir uns ins letzte Mauseloch verkrochen. Diese Granaten rissen Löcher, da konnte 115

Egli, Von der Isonzofront, 1917, S. 39. Karl Egli war involviert in die so genannte Oberstenaffäre, die im Jahre 1916 geradezu eine Krise in der Schweiz ausgelöst hatte. Zwei Generalstabsoberste, darunter Karl Egli, hatten damals den Militärattachés des Deutschen Reiches und der Habsburgermonarchie (geheimdienstliche) Nachrichtenbulletins zukommen lassen. Daher ist anzunehmen, dass seine Beobachtungen an der Isonzofront leicht subjektiv und deutschfreundlich sind. Hier sind allerdings leicht nachprüfbare Fakten zitiert. Vgl. zur Oberstenaffäre: o. V.: Die Krisis in der Schweiz, in: Vossische Zeitung (Morgen-Ausgabe) 02.03.1916, S. 4. Grundlegend: Fuhrer, Schweizer Armee, 1999, S. 216 ff. Ausführlich aus Sicht des Deutschen Reiches und der diplomatischen Verwicklungen in: PAA, R 11372: Militärische Angelegenheiten der Schweiz 01.09.1913–Feb. 1920.

III. „Der Tod als Maschinist“ – Karsthochfläche und Isonzofront

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man Häuser drin bauen – und das ins felsige Karst-Gestein. Wir haben uns wie die Maulwürfe immer tiefer ins Gestein gebohrt und saßen teilweise recht sicher tief im Fels-Gestein. Aber wenn’s den Eingang traf, warst du auch weg! Ich war heilfroh, als ich zu anderen Aufgaben abkommandiert wurde. Es war schlimmer als am Lagazuoi!“116

Ein Zeugnis von noch erschütternderer Ehrlichkeit über das Leben im Schützengraben an der Isonzofront stammt von Hans Pölzer. Als Jäger diente er im österreichischen Feldjägerbataillon Nr. 9. Ende 1917 fiel er in der zwölften Isonzoschlacht. Seine Erlebnisse in den Stellungen an der Wippachmündung, östlich von Gradisca hielt er folgendermaßen fest: „Die Laufgräben zu den Kampflinien waren noch bis etwa einen Meter Tiefe erhalten. Wenn man geduckt darin schlich, war man noch halbwegs gegen Infanteriefeuer gedeckt. Natürlich waren sie durch unzählige Granatlöcher unterbrochen, auch lagen ständig Schwerverwundete und Leichen drinnen herum, die am Weg zum Verbandsplatz zusammengebrochen und gestorben waren. Obgleich der Boden felsig war, lag darinnen eine äußerst zähe und schmierige braunrote Lehmschicht, welche der fortwährende Gussregen aus den Gesteinsfalten zusammengeschwemmt hatte. In dem Granattrichter stand dieser scheußliche, mit Leichenteilen wie Handfleischfetzen, Därmen, Schädeln, Rippen und dergleichen halbverwesten Menschenfleischstücken untermischte Morast oft mannstief. Darin schwammen aufgedunsene Leichen herum, deren Fleisch schon in verfaulten Fetzen von den Schädelknochen fiel. Wenn sich dann, besonders nachts, ein Schwerverwundeter mit dem letzten Rest von Kraft zum Hilfsplatz schleppen wollte, fiel er in einen solchen Teich, der wie eine Fallgrube wirkte, und ersoff elendiglich. Ich, der ich damals gesund und voll Kraft war, fiel etliche Male in eine solche entsetzliche Drecksmulde und musste alle Anstrengungen aufbieten, um mich aus diesem zähen, gurgelnden und blasenden Schlamm zu befreien. Der Gestank ist nicht auszudenken. Das menschliche Riechorgan reicht Gott sei Dank nicht hin, um diesen Höllendampf vollständig in sich aufzunehmen und versagt nach einigen in solcher Luft zugebrachten Stunden den Dienst. So ein Pestgeruch muss ja die Geruchsnerven lähmen.“117

Der Ausdruck des österreichisch-ungarischen Schriftstellers Alexander Lernet-Holenia (zugleich Kriegsteilnehmer im K. u. k. Dragonerregiment Nr. 9) drängt sich auf, der von einer ‚Orgie des Blutvergießens‘ sprach. Obige Zeugnisse sind nicht nur deshalb von großer Bedeutung, weil sie das Erleben der Soldaten auf beiden Seiten der Front aufzeigen, sondern auch weil viele der Weltkriegsteilnehmer gar nicht versuchten, ihre extremen Erfahrungen Außenstehenden zu vermitteln. Das Erlebte war zu verschieden von der offiziell formulierten Linie – wie beispielsweise den Heeresberichten – unter deren Einfluss etwa die Angehörigen zu Hause standen. Die 116 MILAR/MHFZ, Karton MIL-IBK 4, Erinnerungen des Robert Adolf Mlekusch. 117 Pölzer, Isonzo, 1916 (1993), S. 6.

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G. Der seltsame Krieg über und unter der Erde

Frontkämpfer wurden alleine gelassen, auch und vor allem nach dem Kriege. Die Fronterfahrung war „[. . .] die unsichtbare Wunde des späteren Lebens.“118

IV. „Auf der Infanterie lastet das schwerste in der Schlacht“ – Zum Wandel der Kampfdoktrin Die Formen des Krieges unterliegen einem steten Wandel. Die Lehren werden im Krieg allerdings mit vergossenem Blut erkauft. Hier soll nicht über die Sinnhaftigkeit des Krieges nachgedacht werden, sondern kurz auf die sich wandelnden Grundlagen des Kampfes eingegangen werden. Die stete Fortentwicklung der Angriffswaffen und der Abwehrmittel, wie überhaupt der Kriegsmittel, war und ist wie ein Wettlauf, der keine starren Formen zulässt. Signifikant wird dies etwa in der Festungsbaukunst des 18. und 19. Jahrhunderts, als die Festungsarchitektur permanent mit der Weiterentwicklung der Feuerwaffen und Belagerungsgeräte konkurrierte. An dieser Stelle ist nun aber ganz konkret die Entwicklung in der taktischen Kampfführung im Gebirgskrieg und am Isonzo das Ziel der Darstellung. Nicht die statisch anmutende Niederringung einer Festung steht im Mittelpunkt, sondern der mehr oder weniger flexible Gebirgskrieg, ausgetragen in der Festung Alpenraum. Auch hier leistete die Infanterie Enormes. Die gerade erläuterte österreichisch-ungarische Frühjahrsoffensive war ja der Versuch, den Krieg in eine Großdimensionierte Vorwärtsbewegung zu überführen, und sich damit einem Bewegungskrieg zu nähern. Bewegung par excellence hatten wir bereits während des Bergführerkrieges in den Dolomiten 1915 feststellen können. Allerdings ging es damals um die Besetzung von Gipfeln, aus Mangel an Truppen oft nur temporär. In Bewegung waren die jeweiligen Patrouillen zur genüge, aber die erhoffte ‚Landgewinnung‘ beziehungsweise Eroberung blieb nicht nur damals aus. Zunehmend näherte man sich dem klassischen Schützengrabenkrieg. Auch in den Gebirgen, die allerdings den Nachteil hatten, dass tief gestaffelte Grabensysteme nicht möglich waren. Im Nachlaß General von Kraffts findet sich eine Aufstellung, welche den Kenntnisstand der Zeit bis August 1915 sehr treffend wiedergibt. Interessanterweise ist es ein Erfahrungsbericht einer deutschen Armee in den französischen Vogesen über die Verteidigung im Gebirge. Der Leser möge sich erinnern, dass die Aufstellung des Alpenkorps und der Schneeschuhtruppen auf eben jene Erfahrungen in den Vogesen zurückging. Dieser Bericht wurde an die Verbündeten österreichisch-ungarischen Armeen wei118 Dunk, Hermann W. von der: Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts (Band 1), München 2004, S. 287.

IV. Zum Wandel der Kampfdoktrin

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tergeleitet, die ihn gleichfalls auswerteten und schließlich dem Führer des Alpenkorps – General Krafft von Dellmensingen – wieder zukommen ließen.119 Zentrales Extrakt der Kämpfe bis zu diesem Zeitpunkt war, dass eine gut ausgebaute Stellung, auch bei schwacher Besetzung, von der Infanterie alleine nicht zu erobern war. Der Angreifer setzte all sein Streben zunächst dahingehend ein, die Stellung zuerst mit Artillerie niederzukämpfen. Dies führte beim Verteidiger dazu, durch Eingraben und den Ausbau von Feldbefestigungen die Wirkung der feindlichen Artillerie abzuschwächen, „[. . .] um wenigstens einen Teil Besatzung für den feindlichen Infanterieangriff intakt zu erhalten.“120 Viel hing von der richtigen Auswahl der Stellung ab. Sie sollte möglichst so gewählt werden, dass sie der feindlichen Beobachtung entzogen war und die feindliche Artillerie auf relativ ungenaues Streuschiessen angewiesen war. Dazu suchte man sich Stellungen hinter Kuppen und Bergrücken oder im Wald aus. Ein großes Schussfeld für die Infanterie war nicht erforderlich. An den Hängen hinter den Stellungen waren die Reserven ständig untergebracht, um beim eigentlichen Angriff nicht zu spät zu kommen. Die Verteidigungslinie musste natürlich adäquat ausgebaut sein. Grundsätzlich sollten mindestens zwei Schützengräben mit 50 bis 100 Meter Abstand hintereinander angelegt sein. Der hintere Graben im Idealfall etwas erhöht, dass auch von ihm das voraus liegende Drahthindernis zu bestreichen wäre. Der Bericht empfahl weiter, zahlreiche Traversen, Flankierungsanlagen, Verbindungsgräben, und Rückenwehren in das Grabensystem zu integrieren und an besonderen Punkten nach Vorne Schutzschilde und Stahlblenden einzubauen. Viele dieser zentnerschweren Eisenrelikte finden sich heute noch in den Bergen, andere sind inzwischen in den einschlägigen Museen untergebracht. Die Gräben sollten mit Sträuchern maskiert, die Schilde und Erde mit Zweigen bedeckt werden. Während der Artillerie-Beschießung mussten die vordersten Gräben geräumt werden, nur Posten verblieben dort. Die Masse wurde in den zweiten Graben zurückgeführt. Legte der Feind sein Feuer nach rückwärts sollten die Schützen wieder die vorderen Gräben besetzen.121 „Der Feind hat nicht soviel Artillerie-Munition, dass er mehrere hintereinander liegende Gräben verschütten und die Verteidiger gänzlich kampfunfähig machen könnte.“122 Eine Fest119 BayKA, NL Krafft 300: KuK Kommando der SW Front-OP. Nr. 13.135 Verteidigung im Gebirge. Eingang beim Kommando des Alpenkorps (Stempel) am 14.08.1915. 120 BayKA, NL Krafft 300: Verteidigung im Gebirge. 121 Vgl. auch: CAN, Karton C-12 Faszikel Stationsmeldungen: Mitteilung des K. u. k. Landesverteidigungskommandos Tirol (Op.Nr.1919) – Erfahrungen aus den Kämpfen in Frankreich. 122 BayKA, NL Krafft 300: Verteidigung im Gebirge.

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G. Der seltsame Krieg über und unter der Erde

stellung die zur Zeit der Ausarbeitung des Textes vielleicht noch ihre Gültigkeit hatte, spätestens aber mit dem Aufkommen der Materialschlachten obsolet wurde. Auf die Artillerievorbereitung folgte der erwartete und gefürchtete Infanterie-Angriff. Die italienische Vorschrift für den Schützengrabenkrieg, die noch vor Kriegsausbruch 1913 verfasst wurde, führt idealtypisch aus: „Die Aktion der Infanterie beginnt auf das mit Trompeten oder Raketen gegebene Angriffssignal. Formation ist die Schwarmlinie, Dichte ein Mann auf ein Meter. Auf das Signal stürzt sich die erste Linie auf einmal vorwärts und wenn einmal schon die Verteidigungswerke erreicht sind, bemüht sie sich, zum nächsten Graben zu gelangen: ein Haltmachen in dem eroberten Graben gäbe dem Feinde Zeit sich neu zu ordnen und einen Gegenangriff zu machen.“123

Damit sich die Soldaten nicht verlaufen wurde in den allgemeinen italienischen Gefechtsvorschriften die ausgesprochene Aufforderung zum Marsch ‚Direktion Kanonendonner“ gegeben.124 Der Angriff sollte dann durch immer wiederholte Verstärkungen in kurzen Intervallen vorgerissen werden. Es bildete sich für diesen Vorgang die Metapher von Wellen aus, die, „[. . .] einander überflutend, die feindliche Front fortreißen.“125 Die Fronten sollten bemerkenswert kurz sein. In der italienischen Vorschrift wird von 1.200 Meter für eine Infanteriedivision ausgegangen. Im Verlaufe des Krieges schrumpfte aber selbst diese Länge zusammen. Dass es sich um eine Vorkriegsvorschrift handelt wird ganz klar, wenn man den Personalbedarf betrachtet: „Eine Brigade reicht hin, um die Aktion einen Tag hindurch zu nähren: eine Division reicht also zwei Tage. Jeder Mann hat Lebensmittel für zwei Tage und einige Handgranaten.“126 Im Laufe des Krieges wurde das Töten so hoch entwickelt, dass Divisionen nur mehr für Stunden ausreichten. Die Soldaten belasteten sich auch nicht mehr mit Lebensmitteln in ihrem Sturmgepäck, sondern gingen dazu über ganze Leinensäcke mit Handgranaten und noch mehr Munition mit sich zu führen anstatt Konserven. Gewichtig war die Aufgabe der Artillerie: Sie sollte nicht bloß die ersten Linien beschießen, sondern die gesamten Stellungen (Stand 1915!). Das Artilleriefeuer musste die Verteidigungswerke zerstören und die erste Graben123 BayKA, NL Krafft 300: Auszug aus der italienischen Vorschrift für den Schützengrabenkrieg. 124 Hervorhebung wie im Original. MILAR/MHFZ Karton 9.R, Faszikel FA RE9.R.: Italienische Gefechtsvorschriften von 1913. Auszug der bemerkenswerten Direktiven, herausgegeben vom K. u. k. Militärkommando Innsbruck, Präs.K. No.755/mob. 125 BayKA, NL Krafft 300: Auszug aus der italienischen Vorschrift für den Schützengrabenkrieg. 126 BayKA, NL Krafft 300: Auszug aus der italienischen Vorschrift für den Schützengrabenkrieg.

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linie, die rückwärtigen Deckungen, die zweiten Linien und die Wege dorthin verschütten. Die verteidigende Artillerie hatte zur Abwehr eines feindlichen Infanterieangriffes die dicht vor der eigenen Front liegenden feindlichen Sturmstellungen schon während des Ausbaues zu bekämpfen. Die feindlichen Sturmtruppen mussten am Vorbrechen gehindert werden, insbesondere wenn die eigene Infanterie infolge schweren feindlichen Feuers den vordersten Graben geräumt hatte. Die Folgen dieser taktischen Ansichten äußerten sich in großen Verlusten während der ersten Kriegsmonate. Das drückte wiederum auf die Moral der Truppe. Das Deutsche Alpenkorps versuchte sich bei seinem Eintreffen in Tirol 1915 natürlich schnell über die Fähigkeiten seiner Gegner zu informieren. Man stellte in Verbindung mit den erfahrenen österreichisch-ungarischen Soldaten Expertisen zum italienischen Gefechtswert auf. Darin wurde festgestellt, dass die italienischen Angriffe häufig schon auf weite Entfernungen im Artilleriefeuer zusammenbrachen. Die Italiener schienen dagegen „[. . .] sehr empfindlich zu sein.“127 Weiter wurde über den Gegner geurteilt: „Aber auch grössere nur von unserem Infanteriefeuer beherrschte Räume vermochten sie, auch bei grosser Ueberlegenheit, nicht zu überwinden. Nur wo das Gelände ein gedecktes Herankommen bis nahe an unsere Stellungen ermöglichte, gelang es ihnen, in unsere Stellungen einzubrechen. Es scheint aber weniger die Zahl der tatsächlichen Verluste, als der moralische Eindruck des entgegenschlagenden Artillerie- und Infanteriefeuers überhaupt zu sein, was die italienischen Angriffe schon vor Herankommen auf die nahen Entfernungen scheitern liess. Eine Truppe, deren Angriff einmal verlustreich abgewiesen wurde, wird in den nächsten Wochen nicht mehr – wenigstens nicht an gleicher Stelle – zum Angriff verwendet. Die italienische Artillerie macht einen sehr guten Eindruck. Sie wirkt mit der Infanterie gut zusammen – teilweise setzt sie ihr Feuer bis zum Einbruch der Infanterie fort –; sie baut sich sehr geschickt im Gelände auf, kommt überall hin und schiesst mit grosser Treffsicherheit“128

Es sei an dieser Stelle betont, dass die ‚Erfolglosigkeit‘ der K. u. k Truppen denen der hier besprochenen italienischen Truppen kaum nachstand. Daran wird sicher auch das einzigartige Gebirgsterrain schuld sein, denn die K. u. k Truppen verfügten ja bis Mai 1915 schon über definitive Kriegserfahrungen. Die meisten der Soldaten waren schon an den östlichen Fron127 BayKA, Alpenkorps Bd. 58: Entwurf über den Gefechtswert des italienischen Heeres, zur Meldung an den Chef des Generalstabes des Feldheeres (Nr. 4216 im August 1915). 128 BayKA, Alpenkorps Bd. 58: Entwurf über den Gefechtswert des italienischen Heeres.

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ten gestanden, viele davon nicht mehr zurückgekehrt, bevor sie an die Südwestfront transferiert wurden. Mitte 1917 sahen die italienischen taktischen Gefechtsvorschriften schon etwas anders aus. An ein nur zehnminütiges Vorbereitungsfeuer der Artillerie war nicht mehr zu denken.129 Nun legte man Wert auf ein langwieriges und vernichtendes Zerstörungsfeuer, bevor die Infanterie überraschend vorbrach. In der Überraschung lag der Haupteffekt. In den taktischen Grundsätzen vom August 1917 hieß es, „Das Vorbrechen der Infanterie muss zur festgesetzten Stunde und unbedingt überraschend erfolgen. Kein Anzeichen darf sein Bevorstehen verraten.“130 Aus diesem Grunde müsse die Artillerie ihre während der Vorbereitung eingehaltene Feuerschnelligkeit unbedingt einhalten, ohne Verstärkung oder Abschwächung um kein Anzeichen für den bevorstehenden Angriffsbeginn zu geben. Das Feuer brach auch während des Angriffes nicht zwingend ab, vielmehr arbeitete man mit dem ‚Überschießen‘ der vorstürmenden Infanteristen. Die Schussweite der Batterien durfte erst dann verlagert werden, wenn die Gefahr bestand, die eigene Infanterie zu treffen. Eine sehr große Neuerung bei der Infanterie war die Aufstellung so genannter Sturmformationen. Ende 1916 begann man in der österreichisch-ungarischen Armee mit der Aufstellung von Sturmbataillonen nach dem Muster der an der Westfront im Deutschen Heere erfolgreich eingesetzten Sondereinheiten. Eines der ersten österreichischen Bataillone dieser Art war das Sturmbataillon der 11. Armee in Levico. Das Bataillon bestand aus vier Sturmkompanien. Jede Sturmkompanie gliederte sich in vier Züge, jeder Zug in vier Sturmpatrouillen zu neun Mann. Weiters gehörten dem Sturmbataillon eine Gebirgshaubitzbatterie, eine Maschinengewehrkompanie, eine Minenwerfer- und Granatwerferbatterie sowie ein Pionierzug mit Flammenwerfer an. Die Mannschaften bestanden fast ausnahmslos aus ledigen und meist sehr jungen Soldaten im Durchschnittsalter von 20 bis 22 Jahren. 1916 hatten aber viele von ihnen bereits Kampferfahrung gesammelt. Grundgedanke war, dass eine Truppe, die abgekämpft ist und Tage und Nächte hindurch im Gefecht gestanden hat, kaum mehr zu außerordentlichen Leistungen befähigt sein würde. Deshalb sollte sie durch den Einsatz der Sturmkompanien und Stoßtrupps ergänzt beziehungsweise entlastet werden. Allerdings nur fallweise auf kurze Zeit und für besondere Zwecke. Aufgabe der Sturmpatrouillen sollte es sein, beim Angriff auf schwierige Stellungen die stürmende Infanterie zu führen. Dazu gehörte aber auch die 129 Vgl.: BayKA, NL Krafft 300: Auszug aus der italienischen Vorschrift für den Schützengrabenkrieg. 130 CAN, C-12, Sammlung taktischer Grundsätze ausgegeben vom 3. Armeekommando/1. Op.Abt. (Op.Nr.6626) am 03. August 1917.

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vorherige Erkundung der gegnerischen Stellung, des Zwischengeländes, des Angriffsraumes, der feindlichen Hindernisse, die Festlegung des Sturmweges und der Einbruchstellen, die Beseitigung der eigenen und feindlichen Hindernisse beziehungsweise die Schaffung von Sturmgassen durch dieselben. Ihre Aufgabe war es, der angreifenden Infanterie voranzustürmen, in die gegnerische Stellung einzubrechen und die vom Feind besetzten Grabenstücke aufzurollen. Unmittelbar nach gelungenem Sturm und nach Erfüllung ihres Kampfauftrages sollten die Sturmtruppen zurückgenommen werden, um sie für weitere Aufgaben frisch und einsatzfähig zu erhalten. Ihre Verwendung in dem zermürbenden Stellungskrieg und Grabendienst war nicht vorgesehen. Zur Hauptwaffe des Infanteristen, dem Gewehr, war im Verlaufe des Krieges in steigendem Maße die Handgranate als Nahkampfmittel getreten. Die Ausbildung und Übung darin war für die Sturtruppen von größter Wichtigkeit. Das Handgranatenwerfen wurde im Stehen, im Liegen, aus dem Laufen, aus Granattrichtern und Gräben auf verschiedenste Ziele mit wechselnden Entfernungen, als Weitwurf und Dauerwerfen stundenlang gedrillt. Die besten Werfer, von denen einige über 40 bis 50 Meter mit erstaunlicher Treffsicherheit die Granaten schleuderten, wurden als so genannte Werfer I und Werfer II auf die Sturmpatrouillen aufgeteilt. Sie waren nach gelungenem Einbruch in die feindliche Stellung für das Niederkämpfen von Nahzielen und das Aufrollen der Gräben nach den Befehlen des Führers der Sturmpatrouille verantwortlich. Währenddessen musste je ein Mann als Sicherung I und Sicherung II feindwärts und freundwärts den Schutz des Sturmtrupps, die Beobachtung nach vorne und seitlich beziehungsweise die Verbindung zur nachrückenden Infanteriewelle übernahmen. Die restlichen Männer der Sturmpatrouille fungierten als Handgranatenträger und -zureicher und hatten bei Ausfällen für die Werfer einzuspringen. Der Führer des Stoßtrupps war zugleich Beobachter und Koordinator der Handgranatenwürfe seiner Werfer. Nach deren Erfolgen gab er den Befehl zum Weiterstürmen. Daneben hatte er aber auch sein Augenmerk auf die feindlichen Graben zu richten: Er musste rechtzeitig Gefahrenquellen wie heranführende Verbindungsgräben, Kampfstände, Stollen und Unterstände erkennen und für deren Eliminierung sorgen. Diese Zusammenarbeit der Sturmpatrouille wurde bei Tag und Nacht geschult, bis sie fast automatisch ablief.131 Auch die italienischen Truppen bedienten sich ab Sommer 1917 der Sturmbataillone. Dort nannte man sie die Reparti d’assalto. Diese italie131 Vgl. hierzu das Manuskript des Kaiserschützenhauptmannes Karl Karlik: Sturmbataillone der österreichisch-ungarischen Armee, in: MILAR/MHFZ, Karton MIL-IBK 1.

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nischen Arditi wurden ähnlich bekannt und gefürchtet wie die Alpini und Bersaglieri Abteilungen.132 In den meisten Fällen waren die Arditi auch hier handverlesene Freiwillige. Die italienische Armee hatte eine Schule für ihre Sturmtruppen bei Sdricca, im nordöstlichen Italien eingerichtet. Die Trainingskurse unterschieden sich kaum von den deutschen oder österreichischen. Nachdem die Arditi Schule in der Schlacht von Caporetto verloren ging, leitete jedes Reparto d’assalto seine eigenen Kurse.133 Im Zuge einer Standardisierung wurden im Mai 1918 die Sturmeinheiten, die Reparti d’assalto di Marcia genannt wurden, von jeder italienischen Armee (Armata) selbst gebildet und unterrichtet. Diese Einheiten bildeten Lehrpersonal und Kader für die regulären Sturmbataillone aus, die jedem Armeekorps auf Befehl dieser Armee zugewiesen wurden. Zum Ende des Krieges hatte die italienische Armee ungefähr 42 Sturmbataillone (Reparti d’assalto), einschließlich acht Ausbildungsbataillone (Reparti d’assalto di Marcia). Die Sturmzüge hatten aber nicht nur Siege zu verzeichnen. Fast vollständig mit Offensivwaffen ausgerüstet, waren sie in dem Moment sehr anfällig, wo sie auf die nachfolgenden regulären Infanterieeinheiten warten mussten. Hier konnten sie bei feindlichen Gegenangriffen schnell aufgerieben werden. Einige Kommandanten verstanden auch nicht die Konzeption dieser neuen und anfänglich experimentellen Einheiten. Sie wurden teilweise zu defensiven Zwecken verwendet und mussten daran zwangsläufig scheitern. Das einleitende Zitat der Kapitelüberschrift, Auf der Infanterie lastet das schwerste in der Schlacht, ist geradezu zeitlos, da es heute noch ähnlich gilt wie damals. Auch die Einführung von Sturmabteilungen, die im Endeffekt nur infanteristische Sonderformationen sind, änderte daran nichts. Das Zitat stammt von Emanuele Filiberto di Savoia, Herzog von Aosta und Führer der 3. italienischen Armee, die die schwersten Schlachten an der Isonzofront mitgemacht hat134 Der Herzog starb am 4. Juli 1931 im Alter von 62 Jahren und wurde – gemäß seinem letzten Willen – neben seinen Soldaten begraben. Die Grabstätte befindet sich auf dem Soldatenfriedhof von Redipuglia an den Hängen des Plateaus von Doberdo, wo hunderttau132 Vgl. auch: Comelli, Giuseppe: Arditi in guerra. Tenente anonimo (Collana della grande guerra Nr. 40), Milano 1934. Neueren Datums, speziell für Uniformkundler: Pirocchi, Angelo L.: Italian Arditi. Elite assault troops, 1917–20 (illustrated by Velimir Vuksic, Warrior Series 87), Oxford 2004. Zum Mythps der Arditi auch: Rochat, Giorgio: Gli arditi della grande guerra. Origini, battaglie e miti (I nuovi testi Nr. 242), Milano 1981. 133 Vgl: BWHStA, M 1/2 Bund 207: Vortrags Notiz (Nr. 881 K 18 Ai) vom 08.01.1918: Italienische Sturmabteilungen (Aus Gefangenenaussagen). 134 CAN, C-12, Sammlung taktischer Grundsätze ausgegeben vom 3. Armeekommando/1. Op.Abt. (Op.Nr.6626) am 03. August 1917.

IV. Zum Wandel der Kampfdoktrin

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sende Soldaten, egal welcher Truppengattung, von Infanterie über Pioniere, Kavallerie, Artillerie et cetera ihr Leben ließen. Das riesige Ossarium ist letzte Ruhestätte von 40.000 namentlich bekannten und 60.000 unbekannten Kriegern. Auch österreichisch-ungarische Soldaten sind darunter, denn der Tod nahm auf Nationalitäten keine Rücksicht. Hier wird jedem Besucher auf schmerzliche, geradezu beklemmende Weise bewusst, wie grausam und mörderisch der Krieg war.135

135 Der italienische Totenkult in der Zeit des Faschismus stellt seit den letzten Jahren einen eigenen Forschungsbereich dar. Dieser reicht von der Betrachtung soziologisch-historischer Aspekte bis zur Betrachtung architektonischer Fragen. Vgl. hierzu (in Auswahl): Mosse, George L.: Gefallen für das Vaterland. Nationales Heldentum und namenloses Sterben, Stuttgart 1993. Auch: Janz, Oliver: Kriegstod und politischer Totenkult in der neueren Geschichte Italiens, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 84 (2004), S. 360–372; ders.: Das symbolische Kapital der Trauer. Nation, Religion und Familie im italienischen Gefallenenkult des Ersten Weltkriegs, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 84 (2004), S. 386–405. Auch: Gentile, Emilio: Sterben fürs Vaterland. Die Sakralisierung der Politik im Ersten Weltkrieg, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 84 (2004), S. 373–385 und: Tobia, Bruno: Gefallenendenkmäler im liberalen und faschistischen Italien, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 84 (2004), S. 406–416.

Granaten: Es ist wohl ein Heulen. Aber das eines starken – nicht orkanhaften Windes. Ein tonschwaches Pfeifen. (Tagebuch von Robert Musil)1

H. Das ‚Wunder‘ von Karfreit – Ausbruch aus dem Gebirge I. Die strategische Lage und der Thronwechsel Mit Kriegseintritt Italiens hatte der Chef des italienischen Generalstabes, General Cadorna, die Zielrichtung der Angriffe folgendermaßen festgelegt: Verteidigung an der trientinischen Front, offensives Vorgehen an der Julischen Front Richtung Laibach und Zagreb und darüber hinaus eventuelle Nebenoffensiven vom Cadore und aus Carnia. Dieser Plan, der ehrgeizig schien, konnte nur unter zwei Prämissen Erfolg versprechen: das serbische Heer musste unterstützend von der unteren Save aus gegen Laibach und das russische Heer von den Karpathen aus in die ungarische Ebene vorgehen. Bereits mit Italiens Kriegseintritt war dieser Plan obsolet, da sich die Russen – in Galizien hart geschlagen – auf einem tiefen Rückzug befanden und damit K. u. k. Truppen freigaben, die sofort an die neue Italienfront transferiert werden konnten. Die Serben waren hingegen in eine Phase eigenartiger Untätigkeit verfallen. Ohne diese notwendige Unterstützung konnte Cadorna nurmehr das bescheidene Ziel verfolgen, gute Ausgangsstellungen zu erobern, die weitere operationelle Entwicklungen begünstigen würden. Die Anfangsgefechte führten aber nicht zur Inbesitznahme der gewünschten offensiven Brückenköpfe über dem Isonzo. Zunehmend entwickelte sich das Grenzgebiet am Isonzo zum Hauptkampffeld an der südlichen Front. Ein Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Verteidigung hätte hier den Weg nach Triest und in das Laibacher Becken freigegeben und den Weg zum strategischen Ziel Wien geebnet. Österreich-Ungarn trauerte Ende 1916 um seinen greisen Monarchen Kaiser Franz Joseph. Er war am 21. November 1916 im Alter von 86 Jahren ‚in den Sielen‘ verstorben. Der „Nestor aller Potentaten“ war tot.2 Heinrich 1 Der bekannte österreichische Schriftsteller und Theaterkritiker Robert Musil war während des Krieges aktiver K. u. k. Offizier. 1915 war er als Kommandant der selbständigen 24. Landsturm-Marsch-Kompanie im Abschnitt Sulden-Trafoi, dann in der Valsugana und in Arabba. Zitat in: Musil, Robert: Tagebücher. Herausgegeben von Adolf Frisé, Reinbek bei Hamburg 1976, S. 312. 2 Auffenberg-Komarow, Moritz von: Aus Österreichs Höhe und Niedergang. Eine Lebensschilderung, München 1921, S. 461.

I. Die strategische Lage und der Thronwechsel

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Drimmel schrieb in seiner Biographie dazu: „An der Front in Tirol standen uralte Standschützen, an denen sich der Kaiser ein Vorbild nahm und für die der greise Franz Joseph Vorbild blieb. So kam es, dass der Tag, an dem Franz Joseph zum letzten Mal Dienst machte, sein Sterbetag wurde.“3 Der österreichische Bundeskanzler Kurt Schuschnigg äußerte zur Ära Franz Josephs: „Durch Leid und persönliches Schicksal zur legendären Erscheinung geworden, ragt der Monarch in einsamer Größe bis in den Dämmerabend altösterreichischer Geschichte; seine ersten Staatsrechtsvorträge hörte er als jugendlicher Erzherzog vom Staatskanzler Fürsten Metternich, und von Metternich über Felix Schwarzenberg, Alfred Windischgrätz, Ludwig Kossuth, Cavour, Napoleon III., Die Kaiser Wilhelm und Alexander, Bismarck und Moltke, Andrassy, die liberale Ära, die christliche Renaissance bis weit über Lueger ging sein persönliches Erleben. Zwischen Postkutsche und Flugzeug lagen die fast 70 Jahre seiner Regierung; 70 Jahre technischer Fortschritt, Revolution der Gedanken, Entwicklung der Völker, grundlegender Wandel der Auffassungen über staatskonstruktive Kräfte.“4

Es war ein kaiserliches Begräbnis, eine ‚schöne Leich‘, in großem Stil mit prunkvollstem Kondukt. Nicht nur die gekrönten Häupter der Verbündeten Staaten erschienen in Wien. Von allen Truppenteilen der K. u. k. Armee reisten Deputierte in die Hauptstadt, um ihrem Oberbefehlshaber die letzte Ehre zu erweisen. Jeweils ein Offizier und ein Mann. Alles war penibel geregelt, von der Bahnfahrt über die Bereitstellung der Unterkünfte bis zur Ergänzung von Uniformstücken. Als Uniform war befohlen worden „Feldadjustierung, Flor am linken Arm.“5 Franz Joseph versammelte ein letztes Mal alle seine Völker um sich, bevor der endgültige Zerfallsprozess der Monarchie begann. Nachfolger Franz Josephs war sein Großneffe, Erzherzog Carl Franz Joseph Ludwig, der am 17. August 1887 in Persenbeug unter der Enns in Österreich geboren worden war. Die Thronfolge war auf ihn übergegangen, da Kronprinz Rudolf 1889 in seinem Schlosse Mayerling Selbstmord begangen hatte und Erzherzog Franz Ferdinand 1914 in Sarajevo ermordet worden war. Nach einer militärischen Ausbildung studierte er zwei Jahre lang Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität in Prag. Am 21. Oktober 1911 heiratete er Zita von Bourbon-Parma. Nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges unternahm Carl zahlreiche Frontbesuche und Sondermissionen, 1915 wurde er Generalmajor, 1916 Feldmarschalleutnant. Ein Thron3

Drimmel, Heinrich: Franz Joseph. Eine Biographie, Wien/München 1983, S. 514 f. 4 Schuschnigg, Kurt: Dreimal Österreich, Wien 1938, S. 17. 5 CAN, C-11, Ausführungsbefehl Nr. 4/691 des Gruppenkommandeurs FML Oskar Guseck Edler von Glankirchen für den Abschnitt Brandtal am Vormittag des 26.11.1916.

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wechsel mitten im Krieg war keine leichte Aufgabe. Das Erbe einer Legende wie Kaiser Franz Joseph anzutreten, musste für jeden eine nur schwer zu bewältigende Herausforderung darstellen. Ende Dezember 1916 folgte in Budapest die Krönung des 29jährigen als König Karl IV. von Ungarn. Mit der Thronbesteigung änderte er aus Rücksichtnahme auf ungarische und slawische Sprech- und Schreibweisen von Carl auf Karl. Die Krönung und der damit verbundene Eid hatten die verhängnisvolle Folge, dass sein Handlungsspielraum für Reformen weitgehend eingeengt wurde, ein Problem, mit dem bereits Erzherzog Franz Ferdinand und sein Stab gerungen hatten.6 Karl Franz Josef war fast nur zum Offiziersberuf erzogen worden. Als Kaiser Karl I. „[. . .] trat [er] mit einer Mischung aus Unerfahrenheit, Idealismus, Trotz, persönlichen Präferenzen und persönlichen Abneigungen seine Herrschaft an.“7 Bei allen Frontbesuchen – im Gefolge des ArmeeOberkommandanten als Thronfolger, aber noch mehr als Kaiser – gewann er bei den Kampftruppen durch seine ehrliche Anteilnahme und Freundlichkeit überall sofort alle Herzen gewonnen. Während dieser Besuche hatte er den Krieg in seiner ganzen furchtbaren Deutlichkeit und seinen brutalen Auswirkungen kennen gelernt, zunächst allerdings ohne Verantwortung tragen zu müssen oder ein Kommando zu führen.8 Sein eigentlicher Einsatz als Soldat hatte mit dem Kommando über das XX. (Edelweiß-)Korps in der Frühjahrsoffensive (Mai–Juni 1916) in Südtirol begonnen. Am 3. Dezember 1916, kaum zehn Tage nach seiner Thronbesteigung, erschien Karl zum ersten Mal im Hauptquartier, um persönlich das ArmeeOberkommando zu übernehmen. Der bisherige Armee-Oberkommandant, Feldmarschall Erzherzog Friedrich, der Onkel des jungen Kaisers, blieb, mit dem Großkreuz des Militär-Maria-Theresien-Ordens ausgezeichnet, zunächst noch einige Wochen als Stellvertreter des Kaisers auf seinem bisherigen Posten.9 Darauf wurde er zur Disposition gestellt, also ‚unbefristet beurlaubt‘. Formal wäre Kaiser Karl durch die persönliche Übernahme des K. u. k. Armee-Oberkommandos nach den geltenden Bestimmungen dem deutschen Kaiser unterstellt gewesen. Um eine solche Subordination zu vermeiden, wurde beschlossen, dass wieder, wie in den ersten zwei Kriegsjahren, die beiden Generalstabschefs die für die Kriegsführung nötigen Vereinbarungen zu treffen hätten. Kamen sie zu keinem Ergebnis, so fielen die 6

Vgl. auch Auffenberg, Lebensschilderung, 1921, S. 464 f. Rauchensteiner, Doppeladler, 1997, S. 398. 8 Vgl.: Lichem, Heinz von: Karl I. Ein Kaiser sucht den Frieden, Innsbruck/Wien 1996, S. 38 f. 9 Eine kurze Charakteristik Erzherzog Friedrichs in: Arz von Straussenburg, Arthur: Kampf und Sturz der Kaiserreiche, Wien/Leipzig 1935, S. 148–156. 7

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weiteren Verhandlungen den beiden Kaisern zu. Bei eben dieser so bedeutenden Position des Generalstabschefs nahm Karl nun eine umwälzende Neuerung vor: Er enthob Franz Conrad von Hötzendorf dieses Postens. Die Zusammenarbeit Kaiser Karls mit General Conrad hatte sich ziemlich schwierig gestaltet. Der junge Kaiser hatte den Ehrgeiz, die Zügel selbst zu führen. Immer wieder musste Conrad, der gewohnt war, stets das entscheidende Wort zu haben, in kleineren und größeren Dingen erfahren, dass gegen ihn entschieden wurde. Nicht selten sah er sich durch strikte kaiserliche Befehle vor vollendete, in seinen Augen manchmal ungünstige, Tatsachen gestellt. Conrad, der in seiner gewohnten Geradlinigkeit und Ehrlichkeit auch gegenüber seinem jungen allerhöchsten Herrn mit Äußerungen tiefer Verstimmung nicht zurückhielt, beförderte damit nur die schon längst bestehende Idiosynkrasie des Kaisers gegen sich selbst. Dazu kamen noch private Gründe, vor allem Conrads überraschende zweite Ehe und die Anwesenheit seiner Frau im Hauptquartier. Die größten Meinungsverschiedenheiten entspannten sich wohl an dem den Kaiser bedrängenden Gedanken einer einzuleitenden Friedenspolitik, um das große Kriegsleid von Soldat und Volk zu beenden. Der Militär Conrad aber war für ein Persistieren, für ein weiteres Durchkämpfen und Durchlavieren durch die zunehmenden Probleme. Der immer größer werdende Gegensatz kulminierte am 25. Februar 1917 in der Enthebung Conrads vom Posten des Chefs des Generalstabes.10 Der bayerische Gesandte in Wien berichtete nach München: „Mit Conrad tritt ein hervorragender Stratege von der Leitung des Generalstabes zurück, als solcher wurde er auch jederzeit von der deutschen Heeresleitung anerkannt und geschätzt.“11 Auf ausdrücklich schriftlichen Wunsch des Kaisers übernahm er sehr zögernd, ausgezeichnet mit dem Großkreuz des Militär-Maria-Theresien-Ordens und zum Feldmarschall befördert (er war neben den Erzherzögen Friedrich und Eugen bis dahin der Einzige in diesem Rang) das Kommando der Heeresgruppe in Tirol mit Standort Bozen. Einigermaßen versöhnt lediglich durch die Rückkehr in seine geliebte Tiroler Bergwelt und die Gelegenheit, seine Ortskenntnisse gegenüber dem ‚Erbfeind‘ unmittelbar zu nützen.12 Conrad schien nahezu sakrosankt und seine Entfernung hatte eine unerhörte Signalwirkung nicht nur in den österreichisch-ungarischen Streit10 Vgl.: Hoyer, Helmut: Kaiser Karl I. und Feldmarschall Conrad von Hötzendorf. Ein Beitrag zur Militärpolitik Kaiser Karls (Dissertationen der Universität Wien Nr. 70), Wien 1972. Auch: Ostrymiecz, Conrad, 1939, S. 348–354 und Regele, Conrad, 1955, S. 395 ff. 11 BayHStA, MA III-Nr. 2481/5: Bericht Nr. 176/IX, Wien am 8. März 1917. 12 Eine persönliche Einschätzung Conrads zur Annahme des Kommandos in Tirol in: Peball, Conrad – Private Aufzeichnungen, 1977, S. 115 ff.

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kräften sondern auch bei den Italienern.13 Karl hatte in seinem Schreiben an Conrad mit der Bitte um Übernahme des Kommandos bereits formuliert: „Ich bin überzeugt, dass Ihre bewährte Kraft und der Klang Ihres in meiner Wehrmacht hochgeschätzten, bei unseren Feinden gefürchteten Namens auf dem Tiroler Kriegsschauplatz ein wesentliches Moment zur Erreichung weiterer Erfolge bilden wird.“14 Das ‚zweite‘ Armeeoberkommando wurde nun von General Arthur Arz von Straußenburg befehligt. „Ein unpolitischer, unauffälliger und vor allem befehlstreuer Mann.“15 In der Schlacht bei Komarow hatte er die zum VI. Korps Boroevic´ (4. Armeekorps) gehörige 15. Infanterie-Truppen-Division kommandiert. Als nach dem Durchbruch bei Lemberg bei der 3. Armee Brudermann nach dem Abgang des Letzteren der General der Infanterie Svetozar Boroevic´ das 3. Armeekommando übernahm, erhielt General Arz das Kommando des VI. Korps. Er führte es erfolg- und siegreich. Die Schlachten von Limanowa-Lapanów, Gorlice, Brest-Litowsk und Siebenbürgen sind eng mit seiner Truppenführung verwoben. Seine herausragenden Qualitäten waren einerseits eine geniale, zielbewusste Führung im Konzept, andererseits ein vornehm ritterlicher Geist, der seine Befehlsgebung trug, und nicht zuletzt sein menschenfreundlicher Kontakt mit der Truppe. In taktisch-strategischen Belangen blieb aber Conrad so etwas wie eine graue Eminenz. Deutscherseits war man von dem Wechsel positiv überrascht. Aus dem Umfeld des Kaisers meldete der Legationssekretär Lersner an das Auswärtige Amt, dass Conrad zu sehr „[. . .] von seinen, teils sehr deutschfeindlichen Untergebenen abgehangen“ habe, und dass laut General Cramon der neue Generalstabschef Arz „[. . .] nicht so kleinlich österreichisch-partikularistisch wie Feldmarschall Frh. v. Hötzendorff [sic] wäre.“16 Generalmajor Sündermann, der Generalstabschef der österreichisch-ungarischen 11. Armee, schrieb an Generaloberst Scheuchenstuel: „Die oberste Heeresleitung selbst konnte sich einem Conrad gegenüber von dem Gefühl nicht freimachen, dass sein überlegener Geist vielleicht doch die Verhältnisse besser überblickte.“17 13

Vgl.: Rauchensteiner, Doppeladler, 1997, S. 430 ff. Das Handschreiben Kaiser Karls in: Arz, Kampf und Sturz, 1935, S. 198. Siehe hierzu auch PAA, R 8778: Verschiedene Meldungen und Zeitungsartikel zum Kommandowechsel. 15 Rauchensteiner, Doppeladler, 1997, S. 431. Vgl. zum neuen Posten die Erinnerungen von: Arz von Straussenburg, Arthur: Zur Geschichte des Grossen Krieges 1914–1918, Wien/Leipzig/München 1924, S. 123–126. Auch: ders., Kampf und Sturz, 1935, S. 194–212. 16 PAA, R 8778: Telegramm aus Bad Kreuznach durch Legationssekretär von Lersner an das Auswärtige Amt, am 08.03.1917. 17 Zitiert in: Fiala, Die letzte Offensive, 1967, S. 40 f. 14

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Mit der Kommandoübernahme nahm Kaiser Karl noch weitere, bedeutende personelle Umbesetzungen in seinem Stab vor. In diesem Revirement schied die alte Garde, mit wenigen Ausnahmen, aus und musste neuen, jüngeren Offizieren Platz machen. Einige die im Verlauf dieser Arbeit von Bedeutung sind, sollen hier genannt werden: Die rechte Hand Conrads war der schon genannte Feldmarschalleutnant Metzger, im AOK Chef der Operationsabteilung, ein Mann der Tag und Nacht tätig war. Er bekam die 1. Infanterie-Truppen-Division bei Tolmein. An seinen Platz stellte Kaiser Karl den Generalstabsoberst Alfred Freiherr von Waldstätten, sein einstiger Generalstabschef bei der Offensive in Südtirol und Mitarbeiter in Chodorow. An Stelle des Chefs der Nachrichten-Abteilung Generalstabsoberst Oskar von Hranilovic´-Czvietasin, eines Serben, trat der seit Kriegsbeginn in dieser Abteilung schon tätige Generalstabsoberstleutnant Maximilian von Ronge, der beim jungen Kaiser in besonderer Gunst stand. Neben den Veränderungen auf dem militärischen Sektor wurde der Wille zu einem politischen Neubeginn auch durch Neubesetzungen bei den politisch Handelnden unterstrichen. Der K. u. k. Ministerpräsident Ernest von Koerber wurde durch den Grafen Heinrich Clam-Martinic abgelöst. Die Funktion des Ministers des K. u. k. Hauses und des Äußern übernahm Graf Ottokar Czernin an Stelle des Grafen Burián. Dieser wurde nun K. u. k. gemeinsamer Finanzminister. Karls Vertrauter, Graf Arthur Polzer-Hoditz stieg zum Kabinettsdirektor auf.18 Auf Seiten der Entente brachte der November 1916 mit der Konferenz von Chantilly eine Festlegung der weiteren Kriegsführung.19 Die Offensiven der Verbündeten sollten daher möglichst zu einem gemeinsamen Zeitpunkt stattfinden, damit die Mittelmächte nicht die Möglichkeit hätten, auf der besser zu verteidigenden inneren Linie die einzelnen Anstürme doch noch abwehren zu können.20 Als wichtigster Kriegsschauplatz galt die Front an Frankreichs Nordostgrenze, mit der Hauptmasse des deutschen Heeres als Gegner. Im Kampfraum am Isonzo stiegen die Verlustzahlen indessen stetig an. Die italienische Armeeführung beharrte allerdings auf der operativen Bedeutung der Isonzofront und deshalb auf der dahingehenden Ausrichtung der Kampfhandlungen.21 Die Angriffe der Italiener konzentrierten sich auf 18 Vgl. zum Revirement die kritischen Worte von Auffenberg-Komarow, Lebensschilderung, 1921, S. 466 ff. 19 Vgl.: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 264. Ebenso: Keegan, Weltkrieg, 2000, S. 385 f., 388, 420 f. 20 Vgl.: Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, S. 335 f. 21 Vgl. die weiteren Angriffe in der 7., 8., 9. Isonzoschlacht: Ö. U. L. K., Bd. V, 1934, S. 631–708.

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das ‚Prestigeziel‘ Triest. Nach einer sechsmonatigen an Kämpfen ruhigen Zeit trat das italienische Heer am 12. Mai 1917 zum zehnten Waffengang an. Gestützt auf eine Streitmacht von 280.000 Gewehren, 2.200 Geschützen und 1.000 Minenwerfern sollte der Durchbruch über die Hermada in Richtung Triest erzwungen und die Höhen ostwärts des Isonzo, der Monte Santo, Monte San Gabriele und Monte San Marco eingenommen werden. Die österreichisch-ungarische Seite hatte dem nur etwa 165.000 Gewehre, 1.400 Geschütze und 500 Minenwerfer entgegenzustellen. Allerdings lag die Stärke der K. u. k. Verteidigung in einem gut ausgebauten, in die Tiefe reichenden Stellungssystem mit schusssicheren Kavernen. Der Hauptstoß war gegen den nach Westen gerichteten Bogen der K. u. k. Stellungen zwischen Tolmein und Görz gerichtet, der von Nordwesten, Westen und Südosten umfassend angegriffen wurde.22 Die österreichisch-ungarische Front verteidigte sich auch diesmal erfolgreich und unternahm sogar Gegenstöße am Karsthochplateau und in anderen Abschnitten. Graf Cadorna konnte trotz furchtbarer Opfer und Anstrengungen wieder nicht die österreichischungarische Front durchbrechen. Allerdings gelang es den Italienern östlich von Plava, den Monte Kuk und das daran angrenzende Gelände zu erobern. Auch im südlichen Frontabschnitt waren die Österreicher gezwungen, die Front zurückzunehmen. Damit hatten sich die Italiener eine günstige Ausgangsbasis für weitere Operationen erkämpft. Nach den vierzehn Tagen des Kampfes schieden 159.000 italienische und 76.300 österreichisch-ungarische Männer als Gefangene, Verwundete oder Tote aus der Schlacht.23 Nochmals soll ein Dokument diese nüchternen Zahlen verstehen helfen. Die ungeheuren physischen und moralischen Anforderungen, die permanente Last, die den Kämpfern aufgebürdet wurde, spricht aus der erschütternden Meldung, die der Kommandant der Hochfläche von Doberdo, Generalmajor Schön, bereits während der vierten Isonzoschlacht an den General des VII. Korps, GdK Erzherzog Joseph, gerichtet hat: „Der Feind liegt uns 100 bis 200 Schritte gegenüber, nur an zwei Stellen etwa 300 Schritte, an mehreren Stellen bloß 40 bis 50 Schritte, an einer Stelle sogar nur 3 Schritte. Die Leute haben in den letzten sechs Tagen bei Nacht überhaupt nicht, bei Tag nur vorübergehend schlafen können. Das gilt auch für die Brigadereserven, weil diese vom Einbruch der Nacht bis zum Morgengrauen im feindlichen Feuer Verpflegung, Material und vieles andere in die Stellungen tragen müssen. Die Eindrücke in den Kampfgräben stellen selbst die stärksten Nerven auf eine harte Probe. Abgesehen von dem immer mit Steinschlag verbundenen schweren Feuer, das bei Tag und bei Nacht unaufhörlich auf den Stellungen liegt, wirken 22

Siehe besonders: Egli, Von der Isonzofront, 1917, Anhang ab S. 86. Vgl.: Czermak, Krieg im Stein, 1936, S. 196. Zu den Verlusten auch Schaumann und Schubert, Krieg ohne Wiederkehr, 2001, S. 180. 23

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noch manche andere Umstände auf die Truppen lähmend ein. Die Leute liegen oft tagelang neben Verwundeten oder Toten, die einschlagenden schweren Granaten decken die oft unmittelbar hinter der Stellung ausgehobenen, bei dem Mangel an Erde meist seichten Gräber auf und schleudern die in Verwesung begriffenen Leichenteile in der Stellung herum, die überdies von zahlreichen Ratten bevölkert wird. Die Leute bekommen in zwei bis drei Tagen einen solchen Ekel, dass ihnen jegliche Lust zum Essen vergeht. Dazu können sie sich, solange sie in Stellung sind, nicht reinigen (Wassermangel). Viele Verwundete verkriechen sich, um Deckung zu finden, in den nächsten Dolinen und gehen, wenn sie nicht gleich aufgefunden werden, dort elend zugrunde. In den vom Feinde eingedrückten Mittelabschnitten fanden die ablösenden Schützenregimenter überhaupt keine Besatzung vor. Die Reste derselben kauerten gruppenweise, seelisch ganz niedergebrochen, in einigen Dolinen. Ein Landsturmkompagniekommandant hatte nur mehr sechs Mann seiner Kompagnie bei sich [. . .].“24

Bereits in der zweiten Augusthälfte gelang den Italienern in der elften Isonzoschlacht der Einbruch in das österreichische Stellungssystem. Hatten in der zehnten Isonzoschlacht bereits 36 italienische Infanteriedivisionen angegriffen, so steigerte Cadorna in der elften Schlacht seine Angriffskraft auf 52 Infanteriedivisionen und setzte 4.000 Geschütze ein, während ihm bei der Heeresgruppe Boroevic´ 26 Infanteriedivisionen gegenüberstanden, ein Verhältnis von zwei zu eins.25 Der beherrschende Monte San Gabriele (Monte della morte) und die Hochfläche von Bainsizza-Heiligengeist konnte von den Italienern erobert werden.26 Die italienische Armeeführung folgte mit der Einnahme einem schlauen Schachzug der Verteidiger. Es gelang dem österreichischen General Boroevic´, „[. . .] mit diesem Manöver die Frontlinie so zu verkürzen, dass er sich dem Bombardement der italienischen Artillerie entzog und ein Gelände, das sowieso schwierig zu befestigen und zu verteidigen war, räumte.“27 In diesem historischen Zusammenhang ist die zwölfte Isonzoschlacht zu sehen. Sie ist deshalb von so großer Relevanz für diese Arbeit, weil die Kenntnis ihres Ablaufs für das Verständnis des Gebirgskrieges unumgänglich ist. Ihre Dimension ist weltweit einmalig was das Kriegsterrain Berge angeht. Dies wird sich auf den folgenden Seiten zeigen. 24

Zitiert in: Ö. U. L. K., Bd. III, 1932, S. 433. Vgl. hierzu auch den Bericht des Kommandanten der italienischen Division Acqui: Assum, Clemente: L’undicesima Battaglia dell’Isonzo, Torino 1925. 26 Siehe auch den Bericht des italienischen Weltkriegsgenerals Caviglia, Enrico: La battaglia della Bainsizza (Isonzo). Seguita da uno studio sulla direzione politica e il comando militare nella Grande Guerra (Collezione italiana di diari 19), Milano 1930. Deutsch auch: Huebner, Alexander: Die 11. Schlacht am Isonzo (17. August bis 8. September 1917), Wien 1917. 27 Simcˇicˇ, Schlachten am Isonzo, 2003, S. 152. Zu General Svetozar Boroevic´ de Bojna: Bauer, Ernest: Der Löwe vom Isonzo. Feldmarschall Svetozar Boroevic´ de Bojna, Graz/Wien/Köln 1985. 25

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II. Die zwölfte Schlacht am Isonzo: Angriffsvorbereitungen Die österreichischen Verteidiger waren durch die andauernden Abwehrschlachten stark angespannt und einem zwölften italienischen Angriff waren sie nicht mehr gewachsen. General Arz von Straußenburg entschloss sich, in die Offensive zu gehen und zur Entlastung der Südwestfront eine groß dimensionierte Durchbruchsschlacht zu starten.28 „Beide Seiten sehnten sich nach einem durchschlagenden Erfolg oder Sieg, um endlich die unzufriedene Öffentlichkeit zum Schweigen zu bringen und die Moral unter der Zivilbevölkerung sowie den Soldaten zu heben.“29 Das Ziel der österreichisch-ungarischen Offensive war daher, „[. . .] die Italiener über die Reichsgrenze, wenn möglich bis über den Tagliamento zurückzuwerfen.“30 Bis Oktober 1917 hatte es, abgesehen von der sechsten Isonzoschlacht, bei der die 3. italienische Armee Görz erobern konnte, keine großen Veränderungen gegeben. Die elf Isonzoschlachten brachten den Italienern einen Landgewinn von wenig mehr als 30 Kilometern, eine unbedeutende Zunahme an Boden, betrachtet man die Zahl der Toten und Verwundeten, die auf über 300.000 beziffert wird; die österreichischen Verluste lagen etwas darunter.31 „They thought only in divisions and manpower. They all squabbled about divisions and only killed them when they got them. They were all cooked“, gesteht ein englischer Major dem Protagonisten in Ernest Hemingways Roman ‚A farewell to arms‘.32 28 Zum Entschluss siehe auch: Kuhl, Hermann von: Der Weltkrieg 1914–1918 (Bd. 2), Berlin 1929, S. 194 ff. Eine der besten Einführungen inklusive taktischer Betrachtungen lieferte der französische Oberst Conquet: Conquet, Alfred: La Bataille de Caporetto dans le cadre des opérations sur le front italien. une surprise tactique et stratégique. Préface du Maréchal Pétain, Paris 1936. 29 Simcˇicˇ, Schlachten am Isonzo, 2003, S. 152. 30 Ö. U. L. K., Bd. VI, 1936, S. 498. Vgl. auch: Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, S. 346. 31 Rund 200.000 italienische Soldaten starben. Vgl.: Etschmann, Südfront, 1995, S. 41. 32 Hemingway, Farewell, 1975, S. 119. Hemingway hat die zwölfte Isonzoschlacht, die als Schlacht bei Caporetto/Karfreit (24. Oktober–9. November 1917) in seinen Roman eingegangen ist, nicht selbst erlebt. Als freiwilliger Rotkreuzhelfer kam er im Juni 1918, acht Monate nach der desaströsen Niederlage der Italiener, in Italien an. Die Aufgabe des 18-jährigen war es, mit Fiat Lastautos die Verwundeten in den Bergen aufzusammeln und sie zu Verbandsplätzen zu transportieren. Nach einer schweren Verletzung am rechten Bein durch Splitter einer österreichischen Granate kehrte er Anfang 1919 nach Oak Park zurück. Er erklärte später, dass die Beschreibung der Verwundung Frederic Henrys eine exakte Darstellung dessen sei, was er selbst erlebt habe. Vgl.: Prucker, Ruth: Ernest Hemingways Teilnahme am Ersten Weltkrieg aus italienischer Sicht und die Verarbeitung dieser Lebensphase in seinen Werken (Magis-

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Die Untätigkeit auf dem französischen Kriegsschauplatz nach dem Misserfolg der Nivelle-Offensive und der fast vollständige Zusammenbruch des russischen Heeres machten es möglich, dass Mitte September 1917 die erste Unterstützung durch sieben deutsche Divisionen an der Italienfront eintraf.33 General Erich Ludendorff hatte sich zwar gegen eine deutsche Teilnahme an der österreichisch-ungarischen Offensive in Italien ausgesprochen, doch Kaiser Wilhelm II. und Hindenburg stimmten einer Beteiligung deutscher Divisionen an der Südwestfront zu.34 Hindenburg erläuterte in seinen Memoiren seine unerwartete Zustimmung: „Unser österreichisch-ungarischer Verbündeter klärte uns dahin auf, dass er nicht mehr die Kraft habe, einen zwölften italienischen Angriff an der Isonzofront auszuhalten. Diese Eröffnung war für uns militärisch wie politisch von gleich großer Bedeutung. Es handelte sich nicht nur um den Verlust der Isonzolinie, sondern geradezu um den Zusammenbruch des gesamten österreichisch-ungarischen Widerstandes. Die Donaumonarchie war einer etwaigen Niederlage an der italienischen Front gegenüber weit empfindlicher als gegenüber einer solchen auf dem galizischen Kriegstheater.[. . .] Alle bisherigen Geländeverluste waren zu verschmerzen gewesen; [. . .] Jetzt aber waren die österreichischen Widerstandslinien an den äußersten Rand zurückgedrängt.“35 terarbeit), Erlangen/Nürnberg 1988, speziell S. 139 ff. Auch: Cecchin, Giovanni: Hemingway. Americani e volontariato in Italia nella grande guerra, Bassano del Grappa (Vicenza) 1999. Zu den amerikanischen Hospitälern auch als Beispiel: Wadleigh, Henry R./Hagemeyer, John G./Hastings, Mabel L.: American Hospital for Italian Wounded. Territorial Hospital Nr. 10. Italian Red Cross. Committee of Florence, Florenz 1918. 33 Die Nivelle Offensive – benannt nach dem französischen Oberbefehlshaber General Robert Nivelle – wurde am 16. April 1917 begonnen, als 19 Divisionen der 5. und 6. Armee entlang einem 80 Kilometer langen Frontstreifen von Soissons bis Reims angriffen. Nivelle glaubte, mit einer offensiveren Taktik (kurzer, intensiver Artilleriebeschuss mit sofort folgendem Sturmangriff), die er erfolgreich in Douaumont angewandt hatte, den Durchbruch zu schaffen. Die Deutschen schmetterten die Angriffe von ihren überhöhten, leicht zu verteidigenden Stellungen ab. Mit Verlusten von 40.000 französische Soldaten am ersten Tag und 150 Tanks und 187.000 Mann bis zur Einstellung der Offensive am 9. Mai war die Aktion schließlich Mitauslöser für Meutereien in der französischen Armee sowie verantwortlich für die Ablösung Nivelles durch General Pétain. Vgl.: Piekalkiewicz, Janusz: Der Erste Weltkrieg, Augsburg 1994, S. 461 ff. 34 Am 29. August 1916 trat an die Stelle von General Erich von Falkenhayn der Generalfeldmarschall von Hindenburg. General Ludendorff blieb als mitverantwortlicher Erster Generalquartiermeister an seiner Seite und bildete mit ihm die so genannte dritte Oberste Heeresleitung. Vgl. zur Bildung der dritten DOHL u. a.: Görlitz, Geschichte, 1997, S. 189 ff. Auch: Volkmann, Erich Otto: Der große Krieg 1914–1918. Kurzgefasste Darstellung auf Grund der amtlichen Werke, Berlin 1938, S. 176 f. und die Memoiren von Paul von Hindenburg: Aus meinem Leben, Leipzig 1934, S. 119. Zur deutschen Hilfe für Österreich: Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, S. 345 ff. 35 Hindenburg, Leben, 1934. S. 199 f.

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Eine weitere Zurückverlegung der Front war also ausgeschlossen. Daher suchte man dem zu erwartenden feindlichen Angriff zuvorzukommen und die Österreicher dabei zu unterstützen. Letztlich gab den Ausschlag zur Entsendung der deutschen Truppen eine Erkundungsmission, die der gebirgskriegserfahrene Konrad Krafft von Dellmensingen im Auftrag Hindenburgs unternommen hatte.36 Die deutsche 14. Armee wurde an den südwestlichen Kriegsschauplatz entsandt. General Otto von Below sollte sie anführen, mit General Krafft von Dellmensingen als seinem Generalstabschef und Major Freiherr von Willisen als Erstem Generalstabsoffizier. Krafft formulierte das Ziel in einem Zeitungsartikel kurz nach dem Krieg: Man suche „[. . .] die österreichische Isonzoarmee aus ihrer nach der elften Isonzoschlacht unhaltbar gewordenen Lage durch eine Stellungsberichtigung nach vorwärts zu befreien.“37 Man fühlt sich stark an den Aphorismus ‚Angriff ist die beste Verteidigung‘ erinnert. Krafft hat somit die Schlacht in exponierter Stellung miterlebt und mit seinem Nachlas sowie seinem offiziösen Werk ‚Der Durchbruch am Isonzo‘ Zeugnis davon abgelegt.38 Die Angriffsgruppen der 14. Armee waren im Becken von Krainburg (etwa 50 Kilometer östlich Tolmein) und nördlich der Karawanken versammelt worden. In angestrengter Arbeit wurden dort die Angriffsvorbereitungen für den gewaltigen Durchbruch betrieben und die Ausrüstung für den Winterkrieg im Hochgebirge der Alpen vollendet.39 In den engen Räumen der Becken von Flitsch und Tolmein musste die versammelte Armee zum Angriff aufmarschieren. Ein mühsames Unterfangen für die Truppen, weil die Straßen von den Eisenbahnendpunkten Tarvis und Kronau zur eigenen Stellung zwischen 30 und 60 Kilometer lang waren und über zwei hohe Gebirgssättel führten, über den 1.156 Meter hohen Predilpass und über die 1.611 Meter hohe Mojstrovka. Der Predil lag dabei im italienischen Artilleriefeuer und konnte nur nachts überschritten werden. Die Mojstrovka war 36 Die Unterlagen betreffs der ‚Erkundungen für den Durchbruch Tolmein 1917‘ befinden sich im Nachlaß Kraffts: BayKA, NL Krafft 177. Vgl. zur Mission auch: Müller, Krafft, 2002, S. 418 f. sowie: Kuhl, Weltkrieg II, 1929, S. 197. 37 Krafft von Dellmensingen, Konrad: Die Krise der italienischen Armee im Oktober 1917, in: Oesterreichische Wehrzeitung, Folge 7, Wien 17.02.1922, S. 1. 38 Im Nachlaß finden sich zur Isonzoschlacht im Oktober 1917 unter anderem: BayKA, NL Krafft 76 (Entwürfe und Berichte des Alpenkorps und des AOK 14 Isonzo 2.9.1917–10.1.1918); BayKA, NL Krafft 160&161 (Kriegstagebuch 27.8.1917–12.1.1918, 2 Fassungen); BayKA, NL Krafft 185 (Materialsammlung für die beiden Isonzo Bände); BayKA, NL Krafft 235 (Luftbilder aus Italien); BayKA, NL Krafft 241 (Karten zum Durchbruchsunternehmen bei Tolmein); BayKA, NL Krafft 306 (Angriffsvorbereitungen für den Angriff am 24.10.1917). 39 Ein guter Überblicksartikel hierzu von: Schaumann, Walther: Die Vorbereitungen für die Versorgung beim K. u. k. I. Korps zur Isonzo-Offensive am 24. Oktober 1917, in: Österreichische Militärische Zeitschrift, Heft 4/1969, S. 300–314.

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dagegen für die schwerste Artillerie unbenutzbar. Diese musste über den Predil vorgezogen werden. Auf den großen Steigungen mussten zusätzlich eine ganze Anzahl Divisionen hintereinander und je etwa die Hälfte der Angriffsartillerie und Minenwerfergruppen vorgeschleust werden, zumeist beeinträchtigt von schlechtem, ungünstigem Wetter und stets im Angesicht der beherrschenden, weiten Überblick gewährenden feindlichen Stellungen. Der Aufmarsch war vor allem für die deutschen Truppen ungewohnt und schwierig. Der bayerische Leutnant Hermann Ebers berichtete ausführlich in einem Vortrag, gehalten im März 1918 vor den in München anwesenden Offizieren der Inspektion der Kraftfahrtruppen in der Kraftfahr-Ersatz Abteilung, über die Verhältnisse: „Man kann sich den Zustand der Straßen während des Aufmarsches gar nicht schlecht genug vorstellen. Es handelt sich bei ihnen nicht um schöne Passstraßen mit weiten Kurven, langsamen Steigungen, einem soliden Unterbau und guten Sicherungen gegen Absturz, etwa Straßen, wie wir sie im Tiroler Grenzgebiet antreffen. Vielmehr sind es schmale Straßen, unseren Ortsverbindungswegen entsprechende Fahrtstraßen, die sich in engsten Kurven uns steilsten Steigungen die Waldtäler hinaufwinden; teilweise nur mit schwachen Geländern versehen, ohne soliden stützenden Unterbau, führen sie an Abgründen und Schluchten vorbei, in denen Wildbäche schäumen. Die Straßendecke war in keiner Weise dem Riesenverkehr gewachsen, der sich schon seit 2 ½ Jahren hinter der österreichischen Front abspielte.“40

Oft waren aber die gebirgsungewohnten deutschen Trainsoldaten selbst an ihrer Misere schuld. Bei der Durchführung des Artillerie-Aufmarsches ergaben sich insofern Reibungen, als einzelne Fahrzeugführer die Schwierigkeiten des Gebirgsterrains völlig verkannten und anscheinend auch nicht ausreichend darauf vorbereitet worden waren. So sei es laut einem Bericht selbstverständlich ausgeschlossen, „[. . .] mit mehrspännigem Zug in die Höhenstellungen einrücken zu wollen, vollbeladenen [sic] etatsmässige Packwagen mitzuführen, in geschlossener Formation zu fahren u. a. mehr.“41 Fehler die zum Teil vermeidbar gewesen wären, also durchaus den Aufmarsch beeinträchtigten, auch wenn in den offiziellen Darstellungen nie die Rede davon war. Das Gebiet um Karfreit wurde in aller Heimlichkeit aufgerüstet. Russische und serbische Kriegsgefangene bauten nachts, um von den Italienern unbemerkt zu bleiben, die Zufahrtsstraßen und Nachschublinien aus, darun40 BayKA, HS 2203: Bericht des Leutnant Hermann Ebers vom März 1918 ‚Die Tätigkeit der deutschen Kraftfahrtruppen in Italien. September 1917 bis März 1918‘. 41 BayKA, Alpenkorps Bund 45 Akt 4: Gen.Kdo.III.B.A.K. an die Gruppe Tolmein, Ia/Artl. Nr. 33117 vom 01.10.1917.

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ter auch die Straße zum Predilpass. Ende September wurde den deutschen Soldaten aus Geheimhaltungsgründen befohlen: „Bis zum Beginn der Kampftätigkeit darf kein deutscher Heeresangehöriger in Sichtweite des Feindes mit deutscher Kopfbedeckung – ausgenommen Stahlhelm – erscheinen. Es erhält jede Div. 150 österr. Kopfbedeckungen [. . .] die an Erkundungsabteilungen auszugeben sind. [. . .] Wo österr. Mützen nicht ausreichen, ist der deutsche Stahlhelm aufzusetzen, der in gleicher Form auch von den österr. Truppen getragen wird.“42

Deutsche Truppen trugen teilweise sogar die Feze der Bosniaken.43 Die Vorbereitungen der Österreicher für den geplanten Angriff waren gigantisch und penibel geregelt. In den ‚Weisungen für den Straßenverkehr‘ die General Krauß verlautbarte, war das, zumeist nächtliche, Befahren der Straßen sowie die Aufstellung von Verkehrsposten bis in das kleinste Detail festgelegt.44 Dennoch beklagten vor allem die Deutschen Missstände bei den österreichischen Kollegen. Leutnant Ebers äußerte etwa zum späteren Vordringen der Truppen in die Ebene: „Auch hier wieder dasselbe Bild endloser Verkehrsstockung, hilfslos [sic] stand auch hier die österreichische Verkehrspolizei der ungeheuren Flut des Nachschubes gegenüber.“45 Der Eisenbahnreferent des Armeeoberkommandos, Generalmajor Johann Straub, gab in einem Überblick über die Transportsituation zu verstehen, dass allein von den rund 105.000 gedeckten Güterwägen der K. u. k. Monarchie etwa 60 bis 70 Prozent, von den 170.000 offenen Wägen circa 40 Prozent für den Transport von Munition, Kriegsmaterial, Heizstoffen und Verpflegung verwendet werden mussten.46 Dies führte zu gravierenden Versorgungsproblemen im Hinterland, verschärft durch den kommenden Winter, der mehr Zuschübe erforderte.47 Eine beeindruckende Aufzählung der Materialien, die an die Front geliefert wurden, findet sich bei Czermak. Danach wurden auf den Alpenbahnen in den fünf Wochen der Vorbereitung folgende Mengen an die Front transportiert: 1.500.000 Schuss Artilleriemunition, 760.000 Kilogramm Sprengmittel, 3.020.000 Sprengkapseln, 2.000.000 Meter Zündschnur, 2.000.000 42 BayKA, Alpenkorps Bund 45 Akt 4: Befehl Gen.Kdo.III.b.A.K., Ic Nr. 32978, am 20.09.1917. Dieser Befehl wurde aufgehoben mit dem Alpenkorps Tages Befehl Nr. 409 vom 01.11.1917, vgl.: in ebd. 43 Vgl.: Müller, Krafft, 2002, S. 418. 44 MILAR/MHFZ HA Flitsch: K. u. k. 1. Korpskommando, Op.Nr.228/37 vom 17.10.1917. 45 BayKA, HS 2203. 46 Vgl.: Rauchensteiner, Doppeladler, 1997, S. 503. Vgl. auch: ‚Laufbild der Eisenbahn-Truppentransporte vom 1. August bis 31. Dezember 1917‘, Beilagenband zu Ö. U. L. K., Bd. VI, 1936, Beilage 26. 47 Zum Aufmarsch: Ö. U. L. K., Bd. VI, 1936, S. 500 ff.

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Signalpatronen, 230.000 Stahlhelme, 238.000 Gasmasken mit 500.000 Reservefiltern, 1.300 Waggons Baumaterial, 200 Waggons Verbandsmaterial, 150 Waggons Telefondraht, 100.000 Paar Bergschuhe, 50.000 Paar Steigeisen, 200.000 Felddecken und kaum quantifizierbare Mengen an Verpflegungsvorräten, Schlachtvieh und sonstigem Bedarf.48 Natürlich ist diese Aufzählung nicht vollständig aber in sofern instruktiv, als dass man einen Eindruck der Dimensionen bekommt. Der eigentliche Transport von den Ausladebahnhöfen zur Truppe war der schwierigste Teil. Ein riesiger Heerhaufen entfaltete sich nun in den engen Gebirgstälern und behinderte sich teils gegenseitig. Speziell wegen der Nahrungsmittelversorgung hoffte man auf einen raschen Vormarsch, um die italienischen Proviantdepots nutzen zu können. Die deutschen Truppen wurden besonders darauf hingewiesen, dass man sich noch im Territorium des Bundesgenossen befinde und dementsprechend zu benehmen habe: „Das Land, in dem sie [die Truppen, Anm. d. Verf.] untergebracht und kämpfen werden ist von Slovenen bewohnt, einem der oesterreichischen Krone treu ergebenen Volksstamm. Sämtliche Truppen haben daher in jeder Hinsicht die slovenische Bevoelkerung mit weitgehender Ruecksicht zu behandeln und alle Härten zu vermeiden. Die Unterkunftsfrage ist schwierig. Es muss daher von den deutschen Soldaten groesste Anspruchslosigkeit verlangt werden. [. . .] Die Truppen sind bei Androhung strenger Strafen anzuweisen, der Bevoelkerung unter keinen Umstaenden Heuvorraete wegzunehmen, da sonst die Ueberwinterung des Viehs, der einzigen Ernährungsquelle des Landes, unmoeglich wird.“49

Überhaupt war das Verhältnis der Deutschen und Österreicher sehr durchwachsen. Wie bisher auch hegte man von deutscher Seite einige Skepsis gegenüber der Kampfkraft der verbündeten K. u. k. Armee. Ein Aspekt der sich überall in der deutschen Literatur der 1920er Jahre zur Schlacht wiederfindet. Sehr oft wird in den Quellen und der Literatur eine kaum verständliche Überheblichkeit gegenüber den österreichisch-ungarischen Soldaten zur Schau gestellt. All diese Reibereien führten letztlich dazu, dass das Verhalten gegenüber verbündeten Truppen in einem Merkblatt geregelt wurde. Natürlich waren in dem Merkblatt auch rein formale Dinge festgelegt, aber selbst der nüchterne, amtliche Ton kann über das Problem nicht hinwegtäuschen.50 Es gab aber auch gegenteilige Befunde. Briefe von bayerischen Offizieren des Sturmbataillons 14 an ihren ehemaligen Kommandeur belegen dies. So heißt es etwa: „Das K.&K. Kommando kommt uns in jeder Weise sehr entgegen. Lernen kann man hier sehr viel. Was die 48

Nach: Czermak, Krieg im Stein, 1936, S. 164. BayKA, Alpenkorps Bund 47: Besondere Anordnungen des Kdo. des Alpenkorps vom 24.09.1917. 50 Das Merkblatt findet sich im Quellenanhang dieser Arbeit, Dokument 4: Merkblatt für das Verhalten gegenüber verbündeten Truppen, Ende September 1917. 49

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K.&K. Truppen hier geleistet haben, ist über jedes Lob erhaben, darüber sind wir uns alle einig. Es sind ganz enorme Schwierigkeiten zu überwinden. Von der Etappe angefangen bis zur vordersten Stellung. Technische Einrichtungen sind hier notwendig, von denen unsereins in der Ebene auch nicht die leiseste Vorstellung hat.“51 Eine treffliche Analyse stellt der K. u. k. General Auffenberg Komarow in seinen Lebenserinnerungen. Obwohl er nicht an der zwölften Isonzoschlacht als Befehlshaber teilgenommen hatte, fasste er folgenden Vergleich zusammen: „Zwischen den Leuten an sich, zwischen der inneren Ordnung des Dienstganges und der Disziplin war kein wesentlicher Unterschied zu merken. Doch gewissermaßen vom Hemd am Leibe angefangen, in der Ausrüstung, im Pferdematerial, Train und Nachschub waren die Deutschen zweifellos weit überlegen. Sie waren vielleicht keine sehr angenehmen Gäste, weil sie rücksichtslos forderten, wessen sie bedurften. Sie zahlten wohl, doch nach dem amtlichen Preisregister, der die tatsachlichen Preise bedeutend unterbot. Die Bevölkerung war ihnen nicht überall hold, was auch durch die nationale Differenz bedingt war. Doch die Ordnung wurde nirgends gestört, woran der große Respekt, den die Deutschen sich überall zu verschaffen wussten den wesentlichen Grund bildete.“52

Er führt weiter aus, dass die reichsdeutschen Mannschaften und Offiziere hochgestimmt waren. Dies erklärt er sich damit, dass sie zumeist von der Ostfront kamen, wo den Deutschen der Vorstoß über Riga unerwartet gelungen war.53 Ein deutscher Offizier habe zu ihm gesagt: „[. . .] wir kommen von Riga mit dem Fahrbillett nach Rom.“54 Allerdings konnten all jene umfassenden und gigantischen Maßnahmen nicht gänzlich unbeobachtet bleiben. Noch am 23. Oktober schrieb der Kommandant des bei Flitsch–Karfreit stehenden 4. italienischen Korps in seinem Tagesbefehl geradezu prophetisch: „Soldaten! Die Stunde ist gekommen! Die große, erhabenste, vielleicht entscheidende Stunde! Der Feind, ohnmächtig, die Soldaten Italiens zu überwältigen, im Innern erschöpft, auf der Schwelle der nahen Auflösung, ruft die Deutschen um Hilfe. Wir werden ihnen die Stirne bieten, diesen Schlächtern der Wehrlosen.“55 Sieben deutsche und fünf österreichisch-ungarische Divisionen – 51 BayKA, HS 2110: Auszug aus einem Brief vom 11.10.1917 des OLT von Bushe [sic] an den Kommandeur des Sturmbataillons 14 Hauptmann Freiherr von Puttkammer. 52 Auffenberg, Lebensschilderung, 1921, S. 476 f. 53 Am 1. September 1917 wurde die Düna südlich von Riga bei Üxküll von deutschen Truppen überschritten und Riga eingenommen. Die direkten Folgen für die italienische Front beschrieb General Ludendorff in seinen Erinnerungen: „Zwei Divisionen gingen unverzüglich nach dem Westen, um dort andere für Italien freizumachen, die Ostfront hatte starke Kräfte dorthin abzugeben.“ Ludendorff, Kriegserinnerungen, 1919, S. 386. 54 Auffenberg, Lebensschilderung, 1921, S. 477.

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vereint unter dem Dach der 14. Armee – traten in Verbindung mit den zwei K. u. k. Isonzoarmeen zu der Großoffensive an. Zwischen dem Rombon und der Meeresküste entfalteten sich 423 Bataillone Infanterie mit über 3.300 Geschützen und 672 Minenwerfern auf Seite der Mittelmächte. Die Alliierten setzten 598 Bataillone und 3.626 Geschütze sowie 1.830 Minenwerfer dagegen.56 Insgesamt über eine Million Soldaten italienischer, deutscher und österreichischer, ungarischer oder sonstiger Herkunft sollten sich schließlich in der zwölften Isonzoschlacht gegenüberstehen.57 Die österreichisch-ungarische Verteidigungslinie führte von Selo im Tolmeiner Becken über Log östlich Mesnjak, von dort nach Süden über den Monte San Gabriele, die Wippach-Höhen östlich Görz bis zur Adria. Die Italiener sollten aus diesem für eine Defensive ungünstigen Karst-Gebiet zurückgeworfen und, als Nahziel, zunächst bis hinter den Tagliamento zurückgedrängt werden. Allerdings gelangte das AOK 14 bei näherer Beschäftigung mit der Angriffsplanung zu dem Ergebnis, dass ein Vorstoß bis zum Tagliamento zwar die Lage der Österreicher verbessern, aber keine Abhilfe für längere Zeit bringen würde. Übergeordnetes Ziel war nun, die Frontausdehnung zu verkürzen und zu diesem Zweck soweit als möglich nach Westen vorzudringen und den Italienern ein Maximum ihrer Tiroler Front abzunehmen.58 Für diese Operation wurde im Anschluss an den Südflügel der Tirol verteidigenden Heeresgruppe Conrad die aus deutschen und österreichisch-ungarischen Divisionen gebildete 14. Armee Below in der Gegend des Rombon-Gebietes in der Linie Flitsch–Tolmein bereitgestellt. Der Nordflügel der sich hieran anschließenden Isonzoarmee (Heeresgruppe Boroevic´) sollte den Angriff mit seinem verstärkten rechten Flügel auf den 55 Reichspost Nr. 504, Wien 31.10.1917, S. 3. Auch zitiert in: MILAR/MHFZ HA Flitsch: ‚Der Soldat‘ vom 22. Oktober 1961, S. 11. 56 Vgl.: Czermak, Krieg im Stein, 1936, S. 165. 57 Maßgebend die ‚Kriegsliederung der an der Südwestfront stehenden Streitkräfte zu Beginn der Herbstoffensive 1917‘, Beilage 23 zu Ö. U. L. K., Bd. VI, 1936. Für die deutschen Verbände: Anlage 1 in Krafft, Durchbruch I, 1926, S. 197–210. Auch: BayKA, NL Krafft 305 (Kriegsgliederungen der 14 Armee: dt.-öst. Trp. 15.10.1917–1.1.1918). Die italienischen Truppen in MILAR/MHFZ HA Flitsch: ‚Mutmaßliche Kriegsgliederung der ital. Armee auf Grund der bis 22. Oktober eingelangten Nachrichten.‘ Herausgegeben vom K. u. k. Kommando der Südwestfront. Alles bezüglich des ‚Sammelheftes Angriffsvorbereitungen‘ beim Deutschen Alpenkorps, also Marschtabellen, Subordinationsbefehle (also Unterstellungen der K. u. k. Truppen unter die 14. Armee), Kampfgliederungen, Gefechtsstreifen-Zuteilungen, Straßenzuweisungen, Bereitstellungsräume, Unterbringung während des Vormarsches findet sich in: BayKA, Alpenkorps Bund 45. Siehe auch: BayKA, Alpenkorps Bund 47 für den ‚Einsatz in Tirol und Italien‘ 1917. 58 Vgl.: Krafft in: Oesterreichische Wehrzeitung, Folge 7, Wien 17.02.1922, S. 1. Auch: Krafft, Durchbruch I, 1926, S. 18.

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Höhen unterhalb Tolmein, der Korada, und südlich Selo unterstützen. Der Mitte und dem Südflügel fiel die Aufgabe zu, auf der Bainsizza Hochfläche und im Karst bei und südlich von Görz den Gegner durch einen Frontalangriff zu binden und sich später dem Vorgehen der 14. Armee anzuschließen. Disloziert wurden also vor dem Angriff folgende Truppen: der Nordflügel der Armee Below (die österreichisch-ungarische, durch deutsche Verbände verstärkte Gruppe Krauß) im Gelände des Rombon und südöstlich die Stoßfront der Armee mit drei weiteren Gruppen, im Gebiet des Krn und um Tolmein die Gruppe des bayerischen Generalleutnants von Stein, die Gruppe des württembergischen Generalleutnants von Berrer an der Straße Bischoflack–St. Lucia und daran anschließend der rechte Flügel der Isonzoarmee mit der Gruppe des K. u. k. Feldmarschalleutnants Scotti nördlich Tribusa.59 Diese Anordnung zeichnet deutlich einen Angriff vor, „[. . .] der sich in Staffeln rechts vorwärts entwickelte und zum Ziele hatte, den Feind mit der stärksten Gruppe im Norden tief zu durchstoßen und am Tagliamento zu überholen.“60 Für das Gelingen der Operation wurde auf eine totale Überraschung des Gegners gesetzt. Neben der strikten Geheimhaltung bei der Vorbereitung wurde versucht, die Italiener über den Angriffsort zu täuschen. Eine besondere Aufgabe kam hier dem Südtiroler Frontabschnitt der Heeresgruppe Conrad zu. Die Aufmerksamkeit der Italiener sollte auf diese Tiroler Front mit einem Zentrum um Asiago gelenkt werden. Mitte September hatte sich daher das Deutsche Alpenkorps in die Gegend von Trient begeben, hielt dort einige auffällige Manöver ab und fuhr dann in aller Heimlichkeit weiter an die Isonzofront. Zu diesem Hin- und Hergeschiebe schreibt ein bayerischer Leutnant etwas resignierend an seinen ehemaligen Vorgesetzten: „Herr Hauptmann können froh sein, den Aufstand nicht mitgemacht zu haben, denn Ruhm ist hier wirklich nicht zu holen. Jede aktive Betätigung ist von der Armee verboten. Das einzig Interessante bleibt die wunderbar schöne Gegend und der neue Feind, von dem man nichts merkt. Wir warten mit Sehnsucht auf die Offensive, vielleicht ist doch noch die Möglichkeit einer aktiven Beteiligung vorhanden.“61 Zu den Verwirrungsaktionen gehörte 59 Zur Nachverfolgung der Aktionen der Gruppe Stein auch folgender, ex post geschriebener Bericht: BayKA, HS 2050: Trautmann (OTL), Die Taten der Gruppe Stein – Eine Erinnerungsfahrt über die Schlachtfelder der deutsch-österreichischen Offensive gegen Italien 1917. Trautmann war ehemals 1. Genralstabsoffizier im zugehörigen Generalkommando des III. bayerischen Armeekorps. Die Schrift scheint entstanden zu sein als Vortrag zur 10jährigen (= 1927) Feier der ehemaligen Angehörigen dieses Generalkommandos in München. 60 Krafft, Durchbruch I, 1926, S. 34. 61 BayKA, HS 2110: Auszug aus dem 2. Brief vom 14.10.1917 des Leutnants de Niem an den Kommandeur des Sturmbataillons 14, Hauptmann Freiherr von Putt-

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auch, dass General von Below, der Kommandeur der 14. Armee, die Formationen in Tirol besuchte, und sogar Kaiser Karl begab sich Mitte Oktober mit dem deutschen Militärbevollmächtigten General von Cramon in die Region um Bozen.62 Bozen selbst war Schauplatz einer der ersten groß angelegten Gegenspionageaktionen mit Hilfe von elektronischen Nachrichtenmitteln. Eine Funkstation sendete von Bozen aus Befehle an nicht vorhandene deutsche Formationen. Befriedigt notierte ein bayerischer Artillerist zu dem Erfolg des Verwirrspiels: „Der Italiener ist auf jeden Fall durch die Anwesenheit deutscher Sturmbataillone an der Südtirolerfront über unsere Angriffsgegend getäuscht worden, und so zogen wir dann beim Losbrechen der Offensive stolz wie die Spanier nach dem Isonzo und in recht anstrengenden und arbeitsreichen Eilmärschen den Italianes [sic] nach.“63 Allen Täuschungsaktionen zum Trotz waren die Italiener aber – ähnlich wie bei der Südtiroloffensive 1916 – durch Deserteure von den österreichisch-ungarischen Plänen unterrichtet, was der italienische Generalstabschef belegt: „Vers le milieu du mois [Oktober, Anm. d. Verf.], nouvelle confirmation par des renseignements de déserteurs et de prisonniers: d’après eux, l’offensive ennemie devait se produire du 20 au 25 de ce mois.“64 Auch wenn also bei der Heeresgruppe Conrad nur das vorgetäuschte Zentrum des Angriffes lag, so hatte sie doch die wichtige Aufgabe, nach Beginn der Schlacht so weit als möglich Richtung Süden vorzustoßen.65 Da sie sich aus dem Gebirge herausbewegen musste, verlief ihr Vormarsch erwartungsgemäß langsamer. Das Kampfgebiet vor allem der 14. Armee lag in dem von den Flussläufen des Tagliamento und Isonzo bestimmten Gelände der Julischen Alpen. Das Hochgebirgsterrain um den 2.863 Meter hohen Triglav fiel in Stufen ab zu der etwa 100 Meter über dem Meer gelegenen Ebene von Cividale. Weithin beherrschte der Blick von den über 1.000 Meter hohen Randbergen die Ebene, an klaren Tagen sah man bis zum adriatischen Meer. Kein Mittelgebirge schob sich als Mittler zwischen die Alpenwelt und die Tiefebene, der Übergang war und ist abrupt. Determinierend für die Kampfhandlungen war auch in diesem Gebiet der Flusslauf des Isonzo. Nach seiner Vereinigung mit der Koritnica im Becken von Flitsch fließt er mit starkem Gefälle kammer. Laut den Informationen des Briefwechsels war das Alpenkorps bis 05.10.1917 nach Caldonazo, weiter über Mt. Rover, Alga Pusterle bis Larici (Sette Comuni) gekommen. 62 Vgl.: Rauchensteiner, Doppeladler, 1997, S. 502. 63 BayKA, HS 2110: Auszug aus einem Brief vom 30.11.1917 des Batterieführers der Inf. Geschütz Batterie 9, Leutnant d.R. Gröner an das Sturmbataillon 14. 64 Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 323. 65 Zur dieser Frage sowie zur Vorbereitung auch: Oesterreichische Wehrzeitung, Folge 23, Wien 17.06.1921, S. 2/3.

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in einem engem Tal nach Karfreit. Kurzzeitig verbreitert der Zufluss der Idria das Flussbett, das sich im Gelände von Tolmein wieder eng zusammenpresst und somit den Flusslauf beschleunigt. Eine Tatsache, die vor allem die deutsch-österreichischen Pioniere mitberechnen mussten, die dafür zuständig waren, die Truppen über den Fluss zu fähren.66 Östlich des Isonzo beherrscht das schroffe Massiv des Krn das Kampfgelände. Auf etwa zwei Kilometern Luftlinie steigen seine Felswände von der Talsohle 180 Höhenmeter auf 2.245 Meter an. Im Nordflügel des Angriffsfeldes erhebt sich der wilde und eher kahle Fels des Monte Canin bis zu einer absoluten Höhe von circa 2.300 Metern über dem Ort Saga. Ein Angriff vom Flitscher Becken aus musste zunächst den Talweg bis Saga durchstoßen. Erst dort öffnete sich der Ausgang nach Westen. Weiter südlich waren es die Felsblöcke des Stol-Rückens, des Monte Mia, Monte Matajur und Monte Maggiore die den Schauplatz der Angriffe bildeten. Weithin beherrschte der Monte Matajur das Tal über Karfreit. Ein Angriff auf die Matajur Stellungen konnte nur über die von Tolmein heranführende ‚Rampe‘ des Kolovrat Rückens durchgeführt werden.

III. „Der Angriff hat uns vollständig überrascht“ – Italienische Abwehr Bevor auf den Angriff der Mittelmächte eingegangen werden kann, stellt sich die Frage nach der italienischen Verteidigungsaufstellung. Ein gravierender Punkt, der auch die Folgen des Angriffs und das schnelle Vordringen verstehen hilft. Den deutsch-österreichischen Truppen standen am Isonzo zwei Armeen gegenüber, und zwar die 2. Armee unter General Luigi Capello vom Rombon bei Flitsch bis zur Wippach bei Görz in einer Stärke von 28 Divisionen, und die 3. Armee unter dem Herzog von Aosta, 13 Divisionen stark, auf der südlichen Karsthochfläche bis zur Adria.67 Von den insgesamt 70 Divisionen des italienischen Heeres waren also – einschließ66 Vgl. hierzu BayKA, Alpenkorps Bund 45 Akt 4: Kdo. d. Alpenkorps, Ia Nr. 5072 op., vom 17.10.1917, Bericht über den Isonzoübergang und die Neuwahl der Flußübergangsstellen. Die Pionier Vorarbeiten am 20.10. hatten ergeben, daß pro beladenem Ponton etwa eine halbe Stunde Zeit zu veranschlagen war, in: BayKA, Alpenkorps Bund 45 Akt 4: Abt. Pi. Nr. 4876, vom 20.10.1917. 67 Die Deutschen Militärs waren gut über die Aufstellung der italienischen Einheiten unterrichtet, wie etwa die Berichte des Militärbevollmächtigten beim Großen Hauptquartier und des stellvertretenden Württembergischen Militärbevollmächtigten in Berlin zeigen. Siehe dazu beispielsweise: BWHStA, M 1/2 Band 92: Berichte Oktober 1917. „Die in vorstehendem genannten Truppenverbände und Ziele sind streng vertraulich; es darf davon nichts in die Presse kommen.“ In: BWHStA, M 1/2 Band 92: Bericht Nr. 9627 vom 25.10.1917 zu Italien.

III. Italienische Abwehr

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lich der Reserve – über 41 Divisionen, das heißt mehr als die Hälfte, an der Isonzofront aufgestellt.68 Graf Cadorna war sich der Gefahren bewusst, die sich östlich des Isonzo zusammenbrauten. Informationen von Deserteuren und die Beobachtung des gut einsehbaren feindlichen Geländes veranlassten das italienische Nachrichtenbüro am 13. Oktober dezidiert vor einer Offensive zu warnen: „[. . .] on peut conclure qu’une offensive ennemie de Tolmino au Mont Santo doit être considérée comme très probable et prochaine.“69 Die feindliche Offensive antizipierend befahl General Cadorna seinen Truppenführern bereits am 18. September 1917 eine defensive Entwicklung der italienischen 2. Armee: „[. . .] je décide de renoncer aux opérations offensives projetées et de concentrer toute notre activité dans les préparatifs de défense à outrance, afin que l’attaque possible nous trouve entièrement prêts à la repousser.“70 Dieser Auftrag wurde am 10. Oktober wiederholt.71 Jedoch waren die Befehle Cadornas nicht sehr ausführlich und ließen seinen Offizieren breiten Spielraum, wie man diesen defensiven Charakter deuten und organisieren könne. Diese Unklarheit erlaubte General Luigi Capello, Kommandant der 2. Armee, die den Hauptstoß auffangen musste, einen Aufmarsch der tatsächlich eher offensiver, denn defensiver Natur war. General Cadorna überprüfte die Ausführungsdetails nicht weiter, da es – wie er schrieb – auch nicht mehr seine Obliegenheit war, die einzelnen Bataillone zu verteilen.72 Der defensiven Frontlinie Capellos mangelte es vor allem an Tiefe. Die erste, zweite und dritte Verteidigungslinie waren einander zu stark angenähert und die Artillerie war gefährlich nahe an die vordersten Linien herangeschoben. Das Groß der italienischen Einheiten wurde entlang der ersten Verteidigungslinie disloziert und nur einige zerstreute Truppenformationen besetzten die zweite und dritte Linie. Große Teile davon waren vollständig unbemannt gelassen worden. Außerdem bestanden die verfügbaren Reservetruppen aus einfachen Infanteriebrigaden ohne eigene Artillerie oder andere Unterstützungstruppen. So geeignet diese Einheiten für den Bewegungskrieg waren, so ungenügend waren sie bei einem massiven feindlichen Angriff mit starker Artillerieunterstützung. Im Wesentlichen war die italienische 2. Armee so aufgestellt, dass, sobald der Feind die erste Verteidigungslinie überrannt hatte, wenig übrig 68

Zur Kräftegliederung: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 333 ff.; auch Krafft, Durchbruch I, 1926, S. 165. 69 Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 325. Die Hervorhebungen entstammen dem Originaltext von General Cadorna. 70 Der zentrale Befehl ‚Dispositions défensives‘ vom 18.09.1917 in: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 318. 71 Vgl. ebd.: S. 344 f. 72 „Mais, je le répète, leur emploi était dans les attributions de la 2e armée.“ Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 336.

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H. Das ‚Wunder‘ von Karfreit – Ausbruch aus dem Gebirge

blieb, was ihn an einem raschen Stoß in die rückwärtigen italienischen Stellungen hindern konnte. Ein gutes Beispiel für die Folgen dieser schmalen Verteidigungslinie sollte die wichtige Straße entlang des rechten Isonzoufers von Karfreit bis zum Brückenkopf Tolmein werden. Die erste Linie entlang der Straße wurde von zwei Kompanien des 208. Regiments gehalten, stationiert in der Stadt Volzana. Die zweite, etwa sieben Kilometer im Rücken der ersten verlaufende Linie war von einer Kompanie des 147. Regiments mit Garnison in Osteria bemannt. Von Osteria bis Karfreit stand niemand, was allerdings auch durch die Einbuchtung des Frontverlaufs östlich Karfreit bedingt war.73 Das Risiko dieser Aufstellung wurde durchaus wahrgenommen. Viele italienische Offiziere der 2. Armee waren besorgt, besonders über die Schwäche im Sektor von Plezzo (Plune etwas westlich von Flitsch). General Alberto Cavaciocchi, Kommandant des italienischen 4. Korps, argumentierte bei Generalstabssitzungen kurz vor der Schlacht von Caporetto, dass, wenn dem Feind der Durchbruch bei Plezzo gelänge, er bis durch die Stadttore von Udine fahren könnte, ohne auf einen einzigen Italiener zu treffen. Er bat um Verstärkungen, die sich bei den Engstellen der Täler um Saga postieren sollten.74 Diese wurden von General Cadorna auch zugesagt, allerdings erst für November.75 General Pietro Badoglio, Kommandant des italienischen 27. Korps verteidigte den Sektor gegenüber von Tolmein und sah eine besondere Schwachstelle bei den italienischen Positionen auf dem Monte Jeza. Dort verliefen alle drei Verteidigungslinien so nahe aneinander vorbei, dass sie sich fast berührten. Mit einem moderaten Vormarsch von nur zwei Kilometern könnten die österreichisch-ungarischen Angreifer hier alle drei Linien auf einmal durchbrechen.76 General Badoglio argumentierte zutreffend, dass ein Durchbruch am Monte Jeza dem Feind erlaube, entlang des Isonzo bis Karfreit vorzurücken und somit alle italienischen Truppen, die sich östlich des Isonzo – rund um den Monte Krn – befanden, abschneiden würde.77 Trotz der Einwände seiner Korpskommandanten war General Capello davon überzeugt, dass die beste taktische Maßnahme in einem sofortigen Gegenangriff bestünde. Für diesen Gegenangriff war seine Verteidigungsaufstellung auch ausgezeichnet geeignet. Folglich konnte er aber den Auftrag Cadornas nach einer defensiven Tiefenstaffelung nicht ausführen und wollte 73

Vgl. hierzu: Silvestri Mario, Isonzo 1917, Milano 2001, S. 400. Vgl. auch: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 355 f. 75 Vgl.: Isnenghi Mario/Rochat Giorgio, La Grande Guerra 1914–1918, Milano 2001, S. 349. 76 Vgl.: Isnenghi/Rochat, Guerra, 2001, S. 376. 77 Vgl.: Isnenghi/Rochat, Guerra, 2001, S. 363. 74

III. Italienische Abwehr

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es auch nicht. Cadorna betont in seinen Memoiren, dass Capello hier explizit nicht mit dem Hauptquartier einer Meinung war.78 Seine Verteidigungsstrategie hatte keinen „[. . .] caractère passif, mais contre-offensive; après une première résistance.“79 Capello traute den Österreichern keine starke Angriffskraft mehr zu und nahm das Risiko in Kauf welches sich durch die Verschiebung seiner Truppen und der Artillerie weit nach vorne ergab. Seine Hoffnungen und Erwartungen in einen erfolgreichen italienischen Gegenschlag waren größer als sein Respekt vor der feindlichen Offensive. Um die Angelegenheiten noch zu erschweren, war General Capello während der Vorbereitungen zur Schlacht erkrankt und wurde – je nachdem ob dienstfähig oder nicht – von General Luca Montuori vertreten. In dieser so wichtigen Phase, in der enger Kontakt zwischen dem Oberbefehlshaber Cadorna und seinen Armeeführern nötig war, wechselte der Ansprechpartner im Hauptquartier der 2. Armee ständig. Befehle wurden einmal von General Capello, dann wieder von General Montuori gegeben und hin und wieder sogar absichtlich missinterpretiert beziehungsweise revidiert. In diesem Durcheinander gelang es den Italienern nicht, sich effektiv auf den Ansturm vorzubereiten. Obwohl sogar der italienische Geheimdienst vor einer Offensive warnte, wobei er allerdings die gebündelten deutsch-österreichisch-ungarischen Kräfte überschätzte.80 Fünf Tage nach Angriffsbeginn sprachen italienische Gefangene mit einem österreichischen Journalisten darüber: „Wir haben schon vor Wochen gehört, daß etwas kommt, wir haben aber geglaubt, dass entweder dort, wo im Mai 1916 die Offensive forciert wurde, oder in der Richtung mehr nach Süden, am unteren Isonzo, der Angriff einsetzen wird. Wir haben auch eine längere Artillerievorbereitung erwartet. Der Angriff hat uns vollständig überrascht.“81 General Capello und die italienischen Evidenzstellen erwarteten nicht, dass die deutsch-österreichische Angriffsdoktrin von der italienischen abweichen würde. Ein folgenschwerer Irrtum. Die Offensiv-Taktik der deutschen Armee unterschied sich grundlegend von jener der Entente Mächte. Diese, einschließlich der Italiener, neigten dazu, ihre Infanterieangriffe mit heftigen und lang andauernden Artilleriebombardierungen vorzubereiten. 78 Vgl.: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 345. Zu den Auseinandersetzungen der italienischen Heerführer auch: Krafft, Durchbruch I, 1926, S. 165 ff. 79 Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 345. 80 Für den 20. Oktober rechnete man mit insgesamt 44 Divisionen (entspricht 562 Bataillonen), für den 22.10. mit 53 Divisionen (645 Bataillonen). In: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 326 f. Krafft spricht anerkennend von der ziemlich zutreffenden Schätzung der italienischen Geheimdienste über die sich gegenüberstehenden Streitkräfte wobei er nur 37 Divisionen der Deutschen und Österreicher zählt. Krafft, Durchbruch I, 1926, S. 168. 81 Pester Lloyd Nr. 267, Budapest 29.10.1917, S. 3.

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Ähnlich der Strategie der Feuerwalze sollte die Infanterie im Schutz des Artilleriefeuers vorgehen. Im Unterschied zur klassischen Idee klang das Artilleriefeuer aber vor dem Infanterieangriff ab und wurde nicht mit den Fußtruppen vorverlegt.82 Diese Taktik war speziell im Gebirgsterrain sehr schwer durchzuhalten, da ein simultanes Vorstürmen einer ganzen Frontlinie von mehreren Kilometern Länge nahezu unmöglich war. Die ‚Taktischen Grundsätze des 3. italienischen Armeekommandos‘ befahlen eindringlich: „Nur das gleichzeitige und blitzartige Vorgehen auf der ganzen Front führt zum Siege [Hervorhebung wie im Original, Anm. d. Verf.].“83 Obwohl es auf der Hand lag, diesem Umstand Rechnung zu tragen, den Angriff an bestimmten Stellen zu konzentrieren und somit unterschiedlichen Druck auszuüben, nahmen die Italiener keine großen Veränderungen ihrer Grundkonzeption vor. Italienische Offensiven waren an der Isonzofront durch kleine territoriale Gewinne gekennzeichnet, die mit immensen Verlusten bei Material, Männern und vor allem deren Moral erkauft wurden.84 Der Kommandant des 13. italienischen Korps hat in einem Vortrag im August 1917 vor seinen Unterführern eben dies von höchster Ebene bestätigt: „Die Art des Kämpfens hat sich seit Beginn des Krieges fortentwickelt, die Grundsätze bleiben aber die gleichen.“85 Ein Britischer Artillerie Oberstleutnant, der die elfte Isonzoschlacht beobachtet hatte, belegt dies: „Fire was lifted far too soon; infantry had no support in passing over four or five hundred yards. [. . .] The remarkable thing is that with such lack of co-operation between infantry and artillery Italian infantry ever take any of their objectives. The artillery preparation is good; a large number of the infantry are quite heroic; but to advance behind a proper creeping barrage is unheard of.“86

Der hohe Stellenwert, welcher der Artillerievorbereitung und -wirkung beim italienischen Heer zugemessen wird, geht ebenfalls aus den Äußerungen des erwähnten Korpskommandanten hervor. Er behauptet, bei vollkommener Artillerievorbereitung würden wenige Abteilungen für einen Angriff 82 Vgl.: Linnenkohl, Hans: Vom Einzelschuss zur Feuerwalze. Der Wettlauf zwischen Technik und Taktik im Ersten Weltkrieg, Bonn 1996. Zur Westfront auch: Griffith, Paddy: Battle tactics of the western front. The British Army’s art of attack, 1916–1918, New Haven 1994 bzw.: Johnson, Hubert C.: Breakthrough! Tactics, technology, and the search for victory on the Western Front in World War I, Novato 1994. 83 MILAR/MHFZ HA Flitsch: K. u. k. 1. Korpskommando, Evidenzbericht zu Na.Nr.2350/2 Beilage 1 vom 30.09.1917. 84 Silvestri, Mario: Caporetto. Una battaglia e un enigma, Milano 1984, S. 49 und S. 109. 85 MILAR/MHFZ HA Flitsch: K. u. k. 1. Korpskommando, Evidenzbericht zu Na.Nr.2350/2 Beilage 2 vom 30.09.1917. Gezeichnet von Interimskommandant GLT Emilio Sailer. 86 Zitiert in: Falls, Cyrill: The Battle of Caporetto (Great Battles of History), Philadelphia/New York 1966, S. XVIII f.

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genügen. „Wenn Vorbereitung unvollkommen, ist Anhäufung von Reserven gleichbedeutend mit deren Opferung.“87 Die italienische Armee und ihre Verbündeten verließen sich einfach auf die ständig wachsende Menge an Soldaten und Nachschubgütern, die ihnen zur Verfügung stand. Die Alliierten lieferten zunehmend Material und auch Soldaten und damit wuchs auch die Feuerkraft vor allem der Artillerie. Der italienische Historiker Mario Silvestri hat diese Entwicklung sinngemäß als Substitution des (Nach-)Denkens durch pure und rohe Gewalt bezeichnet.88 Die Deutschen hatten hingegen mit der ihnen eigenen Gründlichkeit starke Abänderungen ihrer Offensivtaktik vorgenommen. Federführend war hier Oskar von Hutier, einer der erfolgreichsten und innovativsten deutschen Generäle des Weltkrieges. Er war zu Kriegsbeginn als Divisionskommandeur in Frankreich eingesetzt, von wo er 1915 an die Ostfront verlegt wurde. Als Kommandeur der 8. Deutschen Armee konnte er 1917 einige Erfolge feiern.89 Das Schlüsselerlebnis, welches ihn zu seiner neuen Offensivlehre anregte, war das Studium der feindlichen Taktik während der Brussilovoffensive 1916. Der russische General Brussilov kombinierte, aus reiner materieller Not, kurze artilleristische Feuerüberfälle mit lokal konzentrierten, stoßartigen Infanterieangriffen. Diese Taktik hatte den Vorteil, dass, anders als durch den sonst üblichen langen und massiven Dauerbeschuss mit Geschützen, der Gegner nicht vorgewarnt wurde. Brussilov erzielte große Erfolge, was dazu führte, dass er wieder massiven materiellen Nachschub erhielt und wieder in die alten, erfolglosen Denkschemata verfiel.90 Diese von Hutier adaptierte und modifizierte Taktik war in den letzten beiden Kriegsjahren so erfolgreich, dass die Franzosen und Briten sie schlicht ‚Hutier-Taktik‘ nannten. Heute ist der Begriff ‚Infiltrationstaktik‘ gebräuchlicher. Einige andere Generäle hatten bereits ähnliche Vorgehensweisen entwickelt und alliierte Verbände haben sie in den ersten Kämpfen an der Westfront sogar schon angewandt, allerdings nicht mit durchschlagenden Ergebnissen. In der zwölften Isonzoschlacht wurden diese Ideen dann im großen Stil auf dem Gefechtsfeld ausprobiert. Drei Schritte bildeten die Grundlage des Erfolgs der Mittelmächte: 1. Überraschung, 2. ein kurzes aber entscheidendes Artilleriefeuer und 3. Infiltration der feindlichen Gräben.91 87

MILAR/MHFZ HA Flitsch: Zu Na.Nr.2350/2. Silvestri, Caporetto, 1984, S. 109. 89 Vgl. auch: Deiß, Friedrich Wilhelm/Hutier, Oskar von (Hg.): Die Hessen im Weltkrieg 1914–1918 nach Berichten und Aufzeichnungen von Mitkämpfern mit Unterstützung des Hessischen Staatsarchivs, Stuttgart/Berlin 1930. 90 Zu Hutier auch: Messenger, Charles: Blitzkrieg. Eine Strategie macht Geschichte, Augsburg 2000, S. 22 f. 91 Hierzu: Messenger, Blitzkrieg, 2000, S. 25 f. 88

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Wie wir gesehen haben, hatten die Deutschen und Österreicher alles getan, um die Vorbereitungen für die Schlacht von Caporetto geheim zu halten. Die Artillerie wurde so lautlos als möglich und häufig nachts verschoben, das Einschießen nach in Stellung gehen der Batterien war nur streng limitiert, weil es den Italienern die Positionen verraten hätte.92 Stattdessen benutzten die deutschen Artilleriebatterien ein komplexes System von mathematischen Berechnungen und Tabellen, um ihre Ziele zu treffen.93 Das kurz gehaltene Artilleriebombardement, bestehend aus schweren Granaten in Verbindung mit verschiedenen Giftgas-Granaten, sollte die feindliche Frontlinie neutralisieren und Breschen in die Stacheldrahtverhaue schlagen. Die Zerstörung ganzer Grabensysteme war nicht das Ziel. Vielmehr sollten Sturmbataillone kriechend unter dem Artilleriefeuer vorrücken und zuvor ausgemachte Schwachstellen in der feindlichen Verteidigung infiltrieren.94 Man griff nicht in Wellen an, sondern in kleinen, höchst agilen Gruppen, die es den Deutschen erlaubten, an den Stellen wo sie einen Durchbruch erzielen wollten eine lokale, numerische Überlegenheit an Soldaten zu entfalten.95 Dabei sollten verlustreiche Kämpfe so gut wie möglich vermieden werden. Einmal hinter den ersten Gräben, war das Ziel schnellstens zum feindlichen Hauptquartier oder den rückwärtigen Artilleriestellungen vorzudringen und diese einzunehmen beziehungsweise auszuschalten. Der Schlüssel lag in der Schnelligkeit, die dadurch erkauft wurde, dass auf den Flankenschutz kaum Wert gelegt wurde. Die feindlichen Einheiten sollten schnell umgangen, teils auch überrannt und von ihren Kommunikationen abgeschnitten werden. Ziele, die nicht von den Sturmbataillonen neutralisiert werden konnten, sollten von nachfolgenden, schweren Armeeeinheiten mit Maschinengewehren, Mörsern und Flammenwerfern gebunden und vernichtet werden. Im Angriffsbefehl vom 22. Oktober wird das Vorgehen nochmals zusammengefasst: „Die Vorrückung darf [. . .] nicht im Vorstürmen der Gros bis zur Erschöpfung und bis zum Zusammenbruch sein, sondern ruhiges, vernünftig geleitetes, Kraft der Truppe und operativen und taktischen Wert der zu erreichenden Örtlichkeiten abwägendes stetes Vorgreifen von Detachements und Nachfolgen entsprechend ausgeruhter Gros. Vermeidung jeder Nervosität. [. . .] Die Vorrückung wird also 92 „Für das Einschiessen der neu eingesetzten Batterien wird ein einheitlicher Zeitpunkt für die gesamte Kampffront bestimmt. Dieses Einschiessen wird durch erhöhte Feuertätigkeit auf der Front der Nachbararmeen gedeckt werden.“ MILAR/ MHFZ HA Flitsch: AOK 14, Ia/Art.No.353.17 (zum Sammelheft Angriffsvorbereitungen) vom 05.10.1917. 93 Vgl.: Isnenghi/Rochat, Guerra, 2001, S. 370 f. 94 Vgl: Silvestri, Caporetto, 1984, S. 49. 95 Vgl. hierzu für die reichsdeutsche Seite auch die veröffentlichte Anleitung zur Ausbildung von Stoßtrupps in: o. V.: Anleitung für Kompagnieführer (K.F.A.), Entwurf, Berlin 1917.

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darin bestehen, dass ausgesuchte starke Offizierspatrouillen ohne Gepäck nur mit Mun.[ition] und notwendigster Verpflegung auf taktische wichtige Punkte ohne Halt vorgehen; ihnen folgen dicht ausgesuchte Abteilungen mit MG. und Geb. Art. – auch ohne Gepäck, nur mit Mun., notwendigster Verpflegung versehen. Diesen folgen nach notdürftiger Rast (Ab[end]essen, kurzer Schlaf) Teile der Gros, welchen dann die besser ausgeruhte Hauptkraft folgt. Bei entsprechendem Wechsel bleibt dann die Vorrückung im Rollen.“96

Hätten die italienischen Truppen in der zehnten und elften Schlacht am Isonzo ihren Gegner beobachtet, so hätten sie bereits Anzeichen dieser neuen Taktik erkennen können. Neben der mangelhaften Defensivstrategie der italienischen Armee, war auch ihre Offensivlehre kaum befriedigend. Dem Offizierskorps und den Soldaten wurde eingeimpft, jeden Fußbreit Boden zu verteidigen, ohne Rücksicht auf die strategische Bedeutung einer Stellung oder auf deren Verteidigungsfähigkeit. Wo sie hingestellt wurden, da sollten sie bleiben, egal was kommen mochte. Ein Vorgehen für den Fall eines Einbruchs in die eigenen Linien oder sogar eines Durchbruchs wurde nicht ausgearbeitet. General Cadorna war der Meinung, dass eine Armee die lange genug aushielt und hart genug kämpfte, auch siegen würde. Der italienische Generalstabschef war Denkmustern des 18. Jahrhunderts verhaftet, doch führte er eine Armee des 20. Jahrhunderts.97 Die italienische Armee war auf Infiltrationstaktiken und die Umgehung ihrer erhöhten Stellungen völlig unvorbereitet. Ein Teil des Problems resultierte sicher in der Tatsache, dass sich die italienische Armee bis Oktober 1917, also fast den gesamten Krieg hindurch, in der Offensive befand. Auch von der bei den Deutschen und Österreichern inzwischen verbreiteten ‚flexiblen Verteidigung‘ schien man nichts gehört zu haben. Hierbei ging man vor dem Feind zurück, überließ ihm Boden und zog sich in ausgebaute, rückwärtige Stellungen zurück. Dabei versuchte man dem Gegner empfindliche Verluste beizubringen und im Idealfall den inzwischen vom Vorwärtsstürmen ausgelaugten Feind durch einen Gegenangriff zurückzuwerfen. Prinzipiell kalkulierte man aber Geländeverluste ein. Obwohl sie auch hierbei von ihren Feinden in der 10. und 11. Isonzoschlacht hätten lernen können, gelang es den italienischen Kommandierenden nicht, diese elastische Komponente in ihre Verteidigungsüberlegungen einzubauen. Der Vorhang hob sich also für eine der größten militärischen Katastrophen des Königreichs Italien.

96 MILAR/MHFZ HA Flitsch: K. k. 32. Schützendivisionskdo., Op.Nr.422/9 am 22.10.1917. 97 Vgl.: Sullivan, Brian R.: Caporetto: Causes, Recovery, and Consequences, in: Andreopoulos/Selesky Harold (Hg.): The Aftermath of defeat. Societies, Armed Forces, and the Challenge of Recovery, New Haven/London 1994, S. 59–78, hier: S. 64.

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IV. La Dodicesima Battaglia – Der erste Angriffstag Wenn auch noch am 23. Oktober abends durchaus nicht alle Vorbereitungen beendet waren, musste der Angriff am 24. Oktober erfolgen. Die Jahreszeit war schon so ungünstig geworden, dass ein längeres Zuwarten unmöglich erschien.98 In der Nacht vom 23. auf den 24. Oktober setzte der Angriff der Mittelmächte durch Artilleriebeschuss ein. Von zwei bis vier Uhr dreißig war der Beschuss mit Gasbrisanzmunition befohlen.99 Das Gasschießen der österreichisch-ungarischen Artillerie und Minenwerfer wurde von den Italienern mit Gasgranaten beantwortet.100 Diese Waffe, die an der Westfront bereits furchtbare Wirkung gezeigt hatte, wirkte auch in diesem Fall. Auch wenn sich die Österreichischen Kommanden über die Erfolgsaussichten nicht ganz sicher waren. Gas ist in zerklüftetem Gebirgsterrain mit seinen kaum absehbaren Windbedingungen wesentlich schwieriger einzusetzen als beispielsweise in der flandrischen Tiefebene. Etwa zehn Prozent der K. u. k. Artilleriemunition waren Gasgranaten.101 Im ‚Befehl für das Gasschießen‘ des K. u. k. 1. Korpskommandos hieß es daher: „Bei der schwierigen Geländegestaltung kann eine vernichtende Wirkung durch das Gasschießen nicht erwartet werden, je genauer die Batterien schießen, desto größer wird der Erfolg sein.“102 Dennoch war das Ergebnis verheerend und wurde durch die ungenügenden Gasschutzmaßnahmen der italienischen Truppen noch potenziert. Der Generalstab hatte es versäumt, seine Soldaten rechtzeitig mit wirksamen Gasmasken zu versorgen. Sie hatten lediglich Mullbinden und Gazemasken, die mit einem chemischen Stoff getränkt waren und vor den Mund gehalten werden sollten. Das Trommelfeuer der Geschütze verstärkte zudem die psychologische Wirkung des neuen Kampf98 Im Armeebefehl des AOK 14 vom 19.10.1917 heißt es dazu: „Die allgemeine Wetterlage läßt bis zum 15. November einen dauernden Wechsel zwischen trüben, regnerischen und einzelnen aufklärenden Tagen erwarten. Die Sichtverhältnisse werden im allgemeinen nicht ungünstig sein. [. . .] Bei schlechtester Witterung könnte also ein Abwarten in der Aufstellung des 22. Oktober (5ter Tag) noch befohlen werden. Der letzte Augenblick, um im ungünstigsten Fall den Angriff absagen zu können, ist der 23te mittags.“ BayKA, Alpenkorps Bund 45 Akt 4: Abt. Ia Nr. 736 op. 99 Vgl.: MILAR/MHFZ HA Flitsch: 22. KschDiv., Angriffsbefehl Op.Nr. 422/9 vom 22.10.1917. 100 Vgl.: MILAR/MHFZ HA Flitsch: Gefechtsbericht des 26 Schützenregiments im Verbund der 22. K. k. Schützendivision vom 24. Oktober 1917. Vgl. auch: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S 358. 101 Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. VI, 1936, S. 503. Um die Größenordnung zu erfassen: Den deutschen Batterien bei der 22. Schützendivision waren jeweils 6.300 Schuss Blaukreuz und Grünkreuz Munition zugeteilt. In: MILAR/MHFZ HA Flitsch: Beilage zu Op.Nr.224/20. 102 MILAR/MHFZ HA Flitsch: K. u. k. 1. Korpskommando, Op.Nr.224/20 vom 12. Oktober 1917, S. 1.

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stoffes. Im Rahmen der deutschen Artillerie-Batterien wurde das bereits an der Westfront erprobte Buntschießen angewandt. In Deutschland waren die Giftgasgranaten durch farbige Kreuze (Blaukreuz, Gelbkreuz, Grünkreuz) gekennzeichnet, die anzeigten, welche Art von Kampfstoff sie enthielten. Neben dem lungenschädigenden Grünkreuz-Gas trat hautschädigendes, Leder und Textil durchdringendes Gelbkreuz-Gas auf. Der Blaukreuz-Kampfstoff zwang wegen seiner Reizwirkung zum Abnehmen der Gasmasken. Das Verschießen dieser nicht tödlichen, aber stark reizend wirkenden ‚Maskenbrecher‘ in Kombination mit dem lungenschädigenden und durchaus tödlichen Grünkreuz-Gas wurde verharmlosend als Buntschießen bezeichnet. Atemnot und Hustenreiz steigerten sich zum Erstickungsanfall. Der Tod trat bei nahezu vollem Bewusstsein ein. Im Korpsbefehl hörte sich das sehr nüchtern, technisch formuliert folgendermaßen an: „Die deutschen Batterien, die mit Blau- und Grünkreuzmunition ausgerüstet sind haben zuerst ihre gesamte Zielfläche, die in Teilflächen einzuteilen ist, mit Blaukreuz zu belegen, so dass jede Teilfläche mit 4 Lagen belegt wird, dann wieder mit der ersten Teilfläche beginnend mit je 4 Lagen Grünkreuz zu belegen, später das Feuer so zu regeln, dass ein Zug mit Blaukreuz, ein Zug mit Grünkreuz gleichzeitig in der Batt. [= Batterie] schießt.“103

Dem Gasbeschuss folgte artilleristisches Wirkungsschießen, das heißt ein Trommelfeuer auf die feindlichen Stellungen, welches unter anderem die Hindernisse und Drahtverhaue zerstören sollte. Hier musste darauf geachtet werden, dass keine Brücken und Straßen zerstört wurden, „[. . .] deren Benützbarkeit für Vorbringung der Artillerie erhalten bleiben muss.“104 Zur weiteren Verdeutlichung der damaligen Vorgehensweise findet sich im Anhang dieser Arbeit das Dokument ‚Allgemeine Gesichtspunkte für die Kampfführung der Artillerie‘ zum Armeebefehl des Armee-Oberkommando 14.105 Am 24. Oktober sollte also der Infanteriesturm beginnen. Ein bayerischer (Fuß-)Artillerist schrieb zum Vorabend der Schlacht in sein Tagebuch: „Abend [sic] erwische ich beim 1. Zug zuviel vom amtlich ausgegebenen Sturmwasser und wackle im Finstern bedenklich auf allerhand Umwegen zur B.-Stelle [Batterie-Stellung, Anm. d. Verf.] hinauf. Die ekelhaften Serpentinen stellten aber rasch die Gefechtsbereitschaft wieder her.“106 103 MILAR/MHFZ HA Flitsch: K. u. k. 1. Korpskommando, Op.Nr.224/20 vom 12. Oktober 1917, S. 3. 104 MILAR/MHFZ HA Flitsch: K. u. k. 1. Korpskommando, Op.Nr.221/8 vom 8. Oktober 1917, S. 3. 105 Siehe Dokumentenanhang, Dokument 3. 106 BayKA, HS 1996: Tagebuchauszug des Leutnants d.R. Josef Bergauer (3. Batterie des bay. Fußartillerie Bataillons 11), ‚Vom Isonzo zur Piave 22.9.1917– 22.2.1918.‘ Fußartillerie war im Deutschen Reich die Bezeichnung für die mit schweren Geschützen ausgestattete Artillerie. Zunächst ortsfest als Küsten- oder

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Am Morgen des 24. Oktober 1917 Punkt neun Uhr griff der Großteil der österreichisch-ungarisch-deutschen 14. Armee die italienischen Stellungen bei Karfreit an. Zum österreichisch-deutschen Vorteil war am 24. bis abends im Flitscher Becken dichter Nebel und Regen, in höheren Lagen schneite es, so dass der Feind von den Höhen nicht ins Tal sehen konnte. Auch hierzu hat der bayerische Artillerist eine Bemerkung hinterlassen: „Man darf sich nicht wundern, dass Cadorna so oft dem schlechten Wetter die Schuld an seinem Misserfolg gab. Es regnet hier den ganzen Tag über in Strömen, dazu erschweren die Blitzschläge das Telefonieren beträchtlich. Die Wege sind durch den Regen so stark aufgeweicht, dass der Verkehr und die Arbeit zum Stocken kommen.“107 Als Angriffstaktik der deutschen Truppen galt, schnell vorzustoßen und ohne Aufenthalte in stetem Angriff über die verbindenden Landbrücken von Höhe zu Höhe vorwärts zu stürmen. Zum Nachführen der Artilleriereserven und des Nachschubes sollten die Talstraßen genutzt werden. Beherrschende Höhenstellungen sollten durch umfassende Angriffe in Flanke und Rücken und durch Umgehungen geradezu ‚aufgemeißelt‘ werden. In der Anweisung für den Angriff der Gruppe Stein kommt dies deutlich zum Ausdruck: „Der ganze Angriff muss von dem Bestreben getragen sein, den Feind nicht nur zurückzuwerfen, sondern auch sein Stellungssystem wo immer möglich zu durchbrechen und ihn zu überholen, um ihn zu verhindern, sich an für ihn günstigen Abschnitten und Punkten zu neuem Widerstand zu setzen.“108 Motivierend sollte auf die Soldaten auch ein aus der Not geborener Umstand wirken, der die Verpflegung betraf. Das Gelände und die Anhäufung der Truppen in tief gestaffelten Kolonnen schlossen es aus, die Bedürfnisse der Truppen allein durch den Nachschub zu stillen. Man konnte froh sein, wenn es gelang, auf den wenigen Straßenverbindungen die schwere Artillerie und die Truppentrains vorzuziehen und die Munition nachzuschieben. Während der Aufmarschphase kam es hier zu Engpässen bei der Essensverteilung, welche die Soldaten veranlasste, in Italien das ‚Land wo Milch und Honig fließen‘ zu sehen: „Heute [am 16.10.1917, Anm. d. Verf.] kam die erste Post, auch gibt es Gott sei Dank wieder deutsche Verpflegung. Die Österreicher brachten nur Mehl herbei, deshalb gabs meist nichts anderes als ungesalzenen Mehlpapp.“109 Nur einen Tag später schreibt der gleiche Offizier in sein Tagebuch: „Ein Sauwetter, frei nach Cadorna! – Essen uns nach langer Zeit wieder einmal richtig satt, da wir ein Kartoffelfeld entdeckt haFestungsartillerie wurde ein Großteil der Fußartillerie während des Krieges dem Feldheer zugeteilt und dafür mobil gemacht mit Bespannungsabteilungen. 107 BayKA, HS 1996. 108 BayKA, Alpenkorps Bund 45 Akt 4: Ia Nr. 33202, vom 07.10.1917. 109 BayKA, HS 1996.

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ben. Noch dazu treiben wir einen guten Koch auf, der aus Mehl, Kartoffeln und Maiskörnern einen genießbaren Papp braut. Wir hausen wie die Flüchtlinge in unserer Schlucht.“110 Die Truppen der Mittelmächte wurden daher angewiesen, sich nicht auf den Zuschub von Verpflegung zu verlassen. Sie sollten vielmehr von dem leben, was sie im eroberten Gebiet vorfänden. Je rascher der Vorstoß, desto überraschter die Italiener und umso größer die Vorräte, die erbeutet werden konnten. Die Soldaten wurden mit dieser Vorgabe unterschwellig dazu animiert, die Italiener auf der ganzen Front so schnell und so umfassend wie möglich zu überrennen. Ob sie sich wirklich beeinflussen ließen, sei dahin gestellt. Was allerdings die gefüllten Vorratslager anging, sollten sich die Prognosen als richtig erweisen.111 Nach Überschreiten der Livenza äußerte sich beispielsweise Leutnant Ebers zu den langen Fahrten in die weit zurückliegenden Depots und belegt damit den Erfolg der Vorgehensweise: „Es wurde fast ausschließlich Munition gefahren, denn Verpflegung bot das fruchtbare, noch wohl versorgte Land und die großen, überaus reichlich ausgestatteten italienischen Magazine die [sic, hier: in] Fülle. Wäre dies nicht der Fall gewesen, so wäre die Geschwindigkeit und damit der Erfolg des Vormarsches ernstlich in Frage gestellt worden.“112 Die österreichische Militärdoktrin, dass zunächst die Stellungen in den höheren Lagen erobert werden müssen, wurde – entgegen allen Erwartungen – nicht immer praktiziert. Teilweise griffen die österreichisch-ungarische und auch die deutsche Infanterie ohne Flankendeckung entlang der Täler an. Hier war er also wieder, der Konflikt zwischen Talstoß und Höhenangriff.113 Ausschlaggebend war wohl eine Personalentscheidung, die auf der österreichischen Seite den General Alfred Krauß hinzuzog, welcher sich zu dieser ganz ungewöhnlichen Taktik bekannte und sie hier anwendete. Er war bis zu diesem Zeitpunkt an der Ostfront eingesetzt gewesen und dort durch außerordentliche, wenn auch unkonventionelle ‚Schneidigkeit‘ aufgefallen. General Krauß griff knapp über dem Tal, von den Hängen des Rombon bis zum Sattel von Ravna an. Die Edelweißdivision ging gegen den Rombon vor und die 22. Schützendivision führte den eigentlichen Talstoß.114 110

BayKA, HS 1996. Das Kommando des Alpenkorps schrieb diese Praxis nach den ersten erfolgreichen Tagen der Offensive nochmals fest: „Die Truppen verpflegen sich aus dem Lande. Wirtschaftliche Verwendung der reichen Landesvorräte wird den Truppen im eigenen Interesse zur besonderen Pflicht gemacht.“ BayKA, Alpenkorps Bund 45 Akt 1: Besondere Anordnungen Ia/Nr. 5301. 112 BayKA, HS 2203. 113 Vgl.: Rauchensteiner, Doppeladler, 1997, S. 504. 114 Eine ganz hervorragende Schilderung der Ereignisse befindet sich im Militärarchiv Lichem. Hier ist ein handschriftlicher Bericht des Oberst Adolf Sloninka von Holodóv aufbewahrt, damals Kdt. der 98. Kaiserschützen-Brigade, die im Verband 111

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Dieser Versuch, die Täler entlang vorstoßend die italienischen Gipfelstellungen zu isolieren, glückte. Während Krauß weiter das Flitscher Becken besetzte konzentrierte sich der Hauptstoß der deutschen Truppen unter den Generälen von Stein und von Berrer um die Ortschaft von Tolmein als Pivot. Das italienische Stellungssystem war hier besonders gut ausgebaut, auch wenn dies zunächst anders eingeschätzt worden war.115 Erkundungen über den Feind im Abschnitt des III. bayerischen Armeekorps, die vor Beginn der Offensive eingeholt worden waren, hatten für die Infanteriestellungen ergeben: „Sie sind nach veraltetem Muster mit Schießscharten und Sandsackaufbauten angelegt und sollen keine große Wiederstandsfähigkeit [sic] gegen starke Artillerie- und Minenwerferwirkung, der sie bisher nicht ausgesetzt waren, besitzen. Es ist aber zu beachten, dass die Stellungen teilweise durch mehrfache Drahthindernisse geschützt sind, dass M.G. und Besatzungen in schusssicheren, im Fels minierten Unterständen (Kavernen) Schutz gegen Feuer finden.“116 Die Kavernenbatterien stellten ein besonderes Problem dar, da sie nur mit ganz gezielten Schüssen auszuschalten waren. Die Schwere der Kaliber war dagegen kaum ausschlaggebend. Im Abschnitt Tolmein befand sich der letzte in österreichischer Hand verbliebene, Brückenkopf von etwa sieben Kilometern, mit dem die K. u. k. Truppen Zugriff auf das westliche Isonzoufer hatten. Ab acht Uhr vormittags waren von hier und von anderen Übersetzpunkten über den Isonzo zwischen Tolmein und Flitsch Infanteristen und Sturmtruppen zu ihrem Angriff losgeschickt worden. Bereits um zwei Uhr nachmittags hatte die Gruppe Krauß auf dem rechten Armeeflügel die Stellungen am Rombon gestürmt.117 Österreichisch-ungarische Infanterie bezwang auf dem rechten der 22. Schützendivision entscheidend an den Erfolgen mitwirkte. MILAR/MHFZ HA Flitsch: Sloninka von Holodóv: Die 22. Schützendivision in der Durchbruchsschlacht bei Flitsch im Oktober 1917. Unveröffentlichtes Manuskript, 45 Seiten, 5 Skizzen. Dieser Bericht entstand vermutlich als Ergänzung zur Veröffentlichung von Oberst Hermanny-Miksch, der seine Erlebnisse als Kdt. des 2. Feldbatl. des KSchRgt. Nr. 1 unter einem fast gleichlautenden Titel publizierte. Vgl.: HermannyMiksch, Rudolf: Die Durchbruchsschlacht bei Flitsch im Oktober 1917. Die Ereignisse bei der 22. Schützendivision im Allgemeinen und beim Kaiserschützenregiment Nr. I im Besonderen, Hall-Absam 1924. 115 Vgl.: Müller, Krafft, 2002, S. 418 und Kuhl, Weltkrieg II, 1929, S. 201 f. 116 BayKA, Alpenkorps Bund 47 Akt 3: Ia Nr. 33007 vom 24.09.1917, Erkundungen im Raum Hevnik; Kamenca-Tal; Höhe 732; Jeza. 117 Vgl. zum italienischen 4. Korps das für den Rombon Abschnitt zuständig war: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 359 ff. Die Gegenseite lässt sich u. a. erschließen mit dem handschriftlichen, unveröffentlichten Manuskript des K. u. k. Hauptmannes August Spigl, der seine Erlebnisse des Feldzuges – ausführlich ergänzt durch Auszüge der relevanten Kommandeursbefehle – niedergeschrieben hat in: MILAR/MHFZ HA Flitsch: Spigl August: Herbstfeldzug 1917 gegen Italien. Mit dem Korps des GdI Alfred Krauss von Flitsch an die Piave.

IV. La Dodicesima Battaglia – Der erste Angriffstag

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Flügel der Gruppe Stein Stellungen in der Linie Krn bis Westhang des Mrzli. Währenddessen drang die deutsche Division Lequis auf der Talstraße von Tolmein nach Nordwesten vor. Rechts und links von der Straße hielten zwar italienische Truppen die beherrschenden Höhenstellungen, aber Nebelschwaden hinderten die Fernsicht und den Blick in das Tal. Die Besatzungen der Höhenstellungen ahnten nicht, dass tief unter ihnen feindliche deutsche Infanterie auf Karfreit durchstieß und dass bereits um ein Uhr nachmittags Kamno und wenig später Idersko am Isonzo erreicht waren. Den Italienern war die Basis ihrer Stellungen vom Krn zum Kolovrat durch die Division Lequis eingerissen worden. Der Schweizer Militärhistoriker und Zeitzeuge der Ereignisse, Hermann Stegemann, vergleicht in seiner Geschichte des Krieges „[. . .] die Grundlinie des ganzen Bergsystems, auf dessen Gipfeln der Italiener noch steht und ficht, [. . .]“ mit einer „[. . .] aufgebrochenen Erbsenschote in deutscher Hand.“118 Ausgewählte Truppen, darunter auch jene von Oberleutnant Erwin Rommel – dem ‚Wüstenfuchs‘ des Zweiten Weltkrieges –, überrumpelten die völlig überraschte italienische Verteidigung und bedrohten in der Folge die rückwärtig stehende italienische 3. Armee.119 Württemberger Gebirgsschützen der Gruppe Berrer nahmen in Blitzaktionen den wichtigen Kolovratrücken, dann den Monte Kuk und schließlich den Monte Matajur.120 Die Infanteristen kletterten von der 160 Meter hohen Talsohle im feindlichen Feuer die steilen Hänge bis über 1.000 Meter empor. In dem stark befestigten Stellungsknoten auf der Höhe 1.114 bildeten die Gipfel des KolovratKammes den Schlüsselpunkt des ganzen Systems. Für die Eroberung war von Kaiser Wilhelm der Orden Pour le Mérite ausgelobt worden, den zunächst der bayerische Leutnant Ferdinand Schörner erhielt.121 Dies führte zu Streitigkeiten zwischen den bayerischen und württembergischen Heerführern, da die Württemberger den Sieg für sich reklamierten.122 Die Er118 Stegemann, Hermann: Geschichte des Krieges (Bd. 4), Stuttgart/Berlin 1921, S. 445. 119 Guter Überblick in: Krafft, Durchbruch I, 1926, S. 120 ff. 120 Vgl. zum hier stehenden, italienischen 7. Korps am 24.10.1917: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 363 ff. 121 Vgl.: Kaltenegger, Roland: Schörner. Feldmarschall der letzten Stunde, München/Berlin 1994, ab S. 63. Sehr detailliert in der kurzen ‚Philippika‘ des württembergischen GM Sproesser: Sproesser, Theodor: Die 12te Isonzo-Schlacht 24.–27.10.17, Stuttgart/Cannstatt 1926. 122 Im Gefechtsbericht des königlich Württembergischen Gebirgs Bataillons wurde vermerkt, dass weit und breit kein anderer Offizier zu sehen war: „11.40 Uhr hat die Vorhut der Abtlg. mit Oblt. Rommel, Oblt. Schiellein, Lt. Streicher, OberArzt Dr. Stemmer mit Schützen der [. . ..] die Spitze des Mt. Matajur erreicht. Zum Zeichen werden 3 grüne und eine weisse Leuchtkugel abgeschossen. Gleichzeitig

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oberung des Monte Matajur brachte daher wenig später auch dem württembergischen Oberleutnant Erwin Rommel den begehrten Orden ein.123 Das Ziel des Angriffs war zunächst erreicht. Den Sieg vervollständigten die Truppen Boroevic´s am südlichen Isonzo. Der italienische General Capello hatte neun Divisionen bei Bainsizza (der Hochfläche von Heiligengeist), am Monte San Gabriele und am Nordostrand von Görz aufgestellt, um dem Angriff Boroevic´s zu begegnen.124 Als am 24. Oktober auf ganzer Front angegriffen wurde, glaubte General Capello, der Hauptstoß würde bei Bainsizza erfolgen. Er konnte alle Angriffe im Karst abschlagen und war sich sicher, dass die starken, grabenbewehrten Stellungen von Rombon, Polounik, Krn und Kolovrat in seiner Nordflanke, verteidigt von sechs Infanteriedivisionen und vier Gruppen Alpini unter General Cavaciochi uneinnehmbar seien. Mangelnde Kommunikation führte dazu, dass sich Capello in Sicherheit wog, während eben diese Nordflanke durchbrochen wurde. Auch Cadorna wies auf das Kommunikationsproblem hin: „Les communications dans le sens ouest-est, perpendiculaire à notre déploiement, sont rares, longues et difficiles; elles doivent escalader les contreforts qui séparent les vallées.“125

mit der Abtlg. erreicht eine Patrouille I. R.63, bestehend aus 4 Infanteristen den Sattel vor dem Gipfel, nachdem Abtlg. Rommel über eine Stunde auf dem Gipfel gerastet hat und während dieser Zeit kein Offizier, auch kein geschlossener Verband des I. R.63 sichtbar wurde, verlässt die Abtlg. den Mt. Matajur und steigt noch am Abend nach Masseris herunter.“ BWHStA, M 130 Band 5. 123 Vgl. auch folgende Publikationen: Rommel, Infanterie, 1995; Lichem, Heinz von: Rommel 1917. Der „Wüstenfuchs“ als Gebirgssoldat, München 1975; Rech, Marco: Da Caporetto al Grappa. Erwin Rommel e il battaglione da montagna del Württemberg sul fronte italiano nella grande guerra (Collana di storia militare), Novale (Valdagno) 1998. Zu dieser Episode auch: Falls, Caporetto, 1966, S. 27 ff. Hervorragende Kartenskizzen zum Anmarsch des Württembergischen Gebirgs Bataillons für den späteren Schlachtverlauf, etwa am 17.11.1917 (zwischen SalinaUson–Schievenin) oder für den Weg der Abteilung Rommel auf den Spinuccia vom 18–23.11.1918 finden sich in: BWHStA, M 130 Band 4. Bemerkenswert ist ein Aufleben der Erinnerungsliteratur während des Zweiten Weltkrieges, die sich mit den Erlebnissen der hochrangigen, nationalsozialistischen Generäle Erwin Rommel und Ferdinand Schörner während der Isonzokämpfe 1917 beschäftigt. Ein romanhafter Bericht mit autobiographischen Zügen präsentiert sich beispielsweise in: Schlittenhelm, Helmut: Wir zogen nach Friaul. Erlebnisse einer Kriegskameradschaft zwischen Isonzo und Piave, Stuttgart 1942. 124 Vgl. zum italienischen 24. Korps am 24.10.1917 und der Verteidigung um Görz: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 364 ff. 125 Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 338.

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V. „Pinien und Cypressen grüßen die Sieger“ – Der Weg nach Venetien Trotz dieser ersten beeindruckenden Erfolge war die Stimmung in Österreich noch keineswegs euphorisch. Der preußische Gesandte Botho von Wedel am Wiener Hofe beschrieb diesen Zustand in einem Bericht für Berlin: „Als die ersten Erfolge von der italienischen Front gemeldet wurden, blieb die hiesige Bevölkerung merkwürdig teilnahmslos. Man hatte den Eindruck, dass sie nicht mehr begeisterungsfähig und aus ihrer apathisch-morosen Stimmung nicht herauszureißen sei. Aber die Erklärung liegt doch wohl in dem mangelnden Vertrauen zum eigenen Waffenglück und der Befürchtung einer Gegenoffensive am unteren Isonzo, wo angeblich die besten österreichisch-ungarischen Truppen zu anderer Verwendung abgezogen sein sollten.“126

Erst mit dem weiteren Vordringen der Verbündeten änderte sich dies. Die Chancen dafür waren ausgesprochen gut. An allen Angriffsabschnitten ging es zügig voran. Der 25. Oktober brachte darum auch eine Erweiterung der Ziele der 14. Armee. Westlich und südwestlich Saga kämpften die K. u. k. Truppen und deutschen Jäger um die Höhen des Monte Skutnik und Monte Stol. Die Gelände bereitete einem Angriff gegen den Stol-Rücken ganz außerordentlich Schwierigkeiten. Der für das Weiterkommen so zentrale Gipfel wurde bis elf Uhr nachts von der K. u. k. 22. Schützendivision erstürmt. Sie war in einem Zuge vom Ausgangspunkt des Angriffes bis auf den Stol vorgedrungen und nun im Vormarsch auf Bergogna.127 Im Weiteren sollte sich die Gruppe Krauß nun gegen Resiutta entfalten, mit ihren Hauptkräften über die Rücken des Monte Maggiore und Monte le Zuffine vorstoßend. In seinen Anordnungen vom 24. Oktober, mit denen er die konfus gewordene Verteidigung wieder regeln wollte, hatte Cadorna die 2. Armee aufgefordert: „Prendre pour Pivot, à l’aile gauche de l’armée, le mont Maggiore, où l’on se relierait à la droite du XIIe corps (zone Carnia) qui, en ce moment, le défendait avec de faibles forces.“128 Mit größtem Einsatz und Opfermut („[. . .] la plus extrême énergie à tout progrès de l’ennemi [. . .]“) verlangte er den Feind zu stoppen.129 Das deutsche Vorgehen auf Resiutta sollte die Flanke der 14. Armee sichern und das weitere Vordringen der österreichischen 10. Armee aus dem Rombon-Gebiet vorbereiten. Die schnelle Erstürmung des Stol-Rückens und der sichere Besitz des Geländes 126 BayHStA, MA III-Nr. 3083: Informatorische Aufzeichnungen Nr. 134 vom 05.11.1917. 127 Vgl.: MILAR/MHFZ HA Flitsch: Sloninka von Holodóv: Die 22. Schützendivision, hier S. 37. 128 Abschrift der Anordnungen des Oberkommandos in: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 369. 129 Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 369.

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bis zur Punta di Monte Maggiore waren von strategischer Bedeutung.130 Hier war das ‚Gravitationszentrum‘ für die Durchführung des Angriffs gegen das weitere Ziel des Fella-Abschnittes: Pontebba–Gemona. Cadorna bewertete aber die Bedeutung des Monte Maggiore zu hoch. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass es dort keine permanente und starke italienische Befestigung gab. Verhängnisvoller war der Verlust des befestigten, stark besetzten und auch höheren Monte Stol, dem östlichen Ausläufer des Monte Maggiore.131 Der Vorstoß am nächsten Tag in Richtung des Oberen Tagliamento ließ die italienische Front wanken.132 Die Karnische Front, die FML Alexander von Krobatin schon am 24. Oktober berannt hatte, öffnete sich vom Raibler See bis Malborghetto. Die Truppen drangen im Fella-Abschnitt weiter gegen Südwesten vor. Obwohl die Versorgung während des rastlosen Vormarsches schlecht war konnten die Soldaten sich doch hin und wieder satt essen. Durch die schweren Entbehrungen während des Aufmarsches hatte sich bei den Mannschaften eine „[. . .] Sehnsucht nach Genuss und Rausch aufgespeichert.“133 Die Versprechungen der Armeebefehle, welche den Truppen prophezeit hatten, dass sie sich hervorragend aus dem Land ernähren könnten, schienen sich zu bewahrheiten. „Hier floss der Wein in Strömen, hier gab es Leckerbissen und tausend Dinge, die die Heimat nicht mehr kennt. Da alles eilig vorwärts drängte suchte jeder rasch zu erraffen, was er davon fand. Was ihn hinderte wurde erbrochen, zerschlagen, zerstört. Hausrat aller Art lag auf den Straßen, aufgerafft und fortgeworfen, oder als hinderlich zum Fenster hinausgeschmissen.“134 Ein von den Angreifern selbst verursachtes Problem führte dabei in den Gebieten, die sich direkt hinter den ersten Verteidigungslinien der Italiener vom 24. Oktober befanden, zu einigen Krankheitsfällen. Auf ihrer Suche nach Essbarem hatten einige Soldaten vergaste Lebensmittel zu sich genommen. Das Phosgen und die anderen Kampfstoffe hatten sich in den offen herumliegenden Speisen festgesetzt und ihre Wirkung war zwar abgeschwächt aber noch nicht ganz verflogen. Die Befehlshaber wiesen die Soldaten an, „[. . .] ver130 Im Angriffsbefehl des 1. österreichisch-ungarischen Korps besonders hervorgehoben: „Der sichere Besitz des Stol-Rückens bis Pta. di Montemaggiore ist von entscheidender Wichtigkeit für das Vorbrechen des ganzen 1. Korps! [Hervorhebung wie im Original, Anm. d. Verf.]“ MILAR/MHFZ HA Flitsch: K. u. k. 1. Korpskommando, Op.Nr.219/21 vom 07.10.1917. 131 Vgl.: Krafft, Durchbruch I, 1926, S. 174. 132 Die ersten Angriffstage sind aufsatzartig beschrieben in: Lohausen, Heinrich J.: Die 12. Isonzoschlacht (24.–27.10.1917), in: Europäische Wehrkunde (6) 1979, S. 300–306. 133 BayKA, HS 2203. 134 BayKA, HS 2203.

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gaste Lebensmittel, außer solchen, die sich in luftdicht verschlossenen Dosen befinden, nicht zu genießen, da mit einer Vergiftung, die tödlich wirkt oder schwere Schädigungen erzeugen kann, gerechnet werden muss.“135 Bei der Befriedigung all der angestauten Wünsche gingen einige Soldaten etwas zu ausschweifend vor. Sie verloren dabei oft den Anschluss an ihre Einheiten. General Krauß beklagte sich über diese Missstände und forderte deren Korrektur: „Den Truppen folgen Nachzügler in großer Zahl, manchmal Betrunkene. Viele Leute irren ziellos in fremden Truppenbereichen herum. [. . .] Die einzeln marschierenden Nachzügler sind übrigens im Weiteren Vorrückungsräumen wegen dortiger feindlich gesinnter Bevölkerung gefährdet.“136 Trotz all dieser Verzögerungen standen die Truppen von General Krauß schon am 29. Oktober in der Ebene, am Torrente Torre vor Tarcento. Die so genannten Torrenten waren die meiste Zeit unbedeutende Wasserläufe, die durch den seit 27. Oktober herrschenden Regen zu rasenden Strömen wurden. Leider konnten die Brücken über diese Stromschnelle nicht mehr gerettet werden: Die Italiener hatten sie frühzeitig gesprengt. Die Truppen der Verbündeten waren völlig durchnässt, übermüdet, schlecht genährt und standen nun vor einem nicht zu unterschätzenden Hindernis in Form eines tosenden und gefährlichen Wildbaches. Der Stimulus des raschen, fast unaufhaltsamen Vorwärtsstürmens ließ allmählich nach. Trotzdem gelang es Österreichern noch am 29. Oktober überzusetzen und den Feind am jenseitigen Ufer zu überwinden: Abends war Tarcento in den Händen der Schützen.137 Am Morgen des 30. Oktobers war eine Brücke über den Torrente Torre hergestellt.138 Am gleichen Tag titelten die österreichischen Zeitungen zwar noch unverbindlich aber schon mit einiger Schadenfreude „Cadorna – über Bord geworfen?“139 Die Presse musste bis zur Absetzung Cadornas allerdings noch einige Tage warten. Ausschlaggebend für die Schlagzeile war die Feststellung, dass der italienische Heeresbericht nicht mehr Cadornas Unterschrift trug. Hintergrund war jedoch nicht seine Absetzung: Am 29. Oktober, als die italienische Armee sich mitten im Rückzug befand, war General Cadorna einer ihrer ersten und größten Kritiker. In einer Mitteilung an das Kabinett und den König warf er der 2. Armee Feigheit vor dem Feind vor. Die Veröffentlichung dieser Verlautbarung wurde 135 BayKA, Alpenkorps Bund 45 Akt 1: Alpenkorps Tages Befehl Nr. 411 vom 05.11.1917. 136 MILAR/MHFZ HA Flitsch: Gruppe Krauss, Abschrift Op.Nr. 243/13 am 31.10.1917. 137 Vgl.: MILAR/MHFZ HA Flitsch: 22. KSchDiv., Abschrift Op.Nr. 429/19 am 29.10.1917. 138 Vgl.: Falls, Caporetto, 1966, S. 51 f. 139 Pester Lloyd Nr. 268, Budapest 30.10.1917, S. 5.

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von den Zivilbehörden gestoppt, um die Moral nicht zu gefährden. Sie wurde zurückgezogen, redigiert und erst dann wieder herausgegeben. Die italienische Regierung konnte es aber nicht verhindern, dass die ursprüngliche Fassung im Ausland veröffentlicht wurde, obwohl man die Übersetzung kurzfristig verbot. So wurden Tausende italienische Soldaten von ihrem eigenen Oberbefehlshaber weltweit diffamiert, zu einem Zeitpunkt an dem General Cadorna noch nicht die leiseste Ahnung hatte, was eigentlich schief gelaufen war. Er hatte in dem ganzen Chaos und wegen der unterbrochenen Kommunikationsverbindungen auch noch gar kein Faktenwissen sammeln können, um sich ein objektives Bild zu machen. Cadorna tadelte die Truppen vermutlich um seine eigenen Fehler und die seiner Untergebenen zu überspielen. Wahrscheinlich war es zu diesem Zeitpunkt auch die einzige, ihm logisch erscheinende Erklärung für die Vorgänge.140 Die Einheiten des Oberkommandierenden von Below rasteten derweil nicht auf den eroberten Gipfeln, von denen die Soldaten bereits weit ins Friaul hineinblicken konnten, sondern setzten den italienischen Truppen immer weiter nach. Das österreichische Kommando entschied, die Offensive bis zur vollkommenen Vernichtung des italienischen Heeres weiterzuführen. Allerdings ging dies weit über die ursprünglichen Ziele hinaus, da man vor allem auf die entlastende Wirkung dieser Isonzoschlacht Wert gelegt hatte. So waren keine Reserven, keine Ponton- und Brückenbautrains, keine Radfahrer oder Kraftwagentruppen zu einer Verfolgung großen Stils bereitgestellt. Die Hauptlast ruhte auf den Schultern der Infanterie. Einerseits fühlte man sich stark genug, die Italiener zu schlagen, hielt aber andererseits General Cadorna für im Stande, dem Vorrücken in der Linie Gemona– Cividale–Monte Sabotino–Doberdo ein Ende zu bereiten. General Otto von Below wurde der Befehl gegeben, mit seinen beiden Flügeln scharf vorzustoßen, um alle auf dem linken Ufer des Flusses versprengten italienischen Kräfte gefangen zu nehmen. Dann folgte der zügige Vormarsch Richtung Südwesten. Am 27. Oktober standen die Verbündeten vor Udine, dem Hauptquartier Cadornas und einer „Hauptburg des Irredentismus“141. Auch Josef Redlich stimmte in den Freudentaumel, der Österreich erfasst hatte, ein: 140

In der österreichischen Presse erstaunlich wenig thematisiert, obwohl das ganze Problem bereits am 30.10. in einer Randspalte der Reichspost publik gemacht wurde und folglich bekannt war. Reichspost Nr. 502, Wien 30.10.1917, S. 3. Vgl. ebenso: Sullivan, Caporetto, 1994, S. 68 f. Wie der irische Militärhistoriker Cyril Falls schon über Cadorna und seine kritisch zu lesenden Memoiren geurteilt hat waren diese „[. . .] an apologia, in which the blame for the disaster is placed on the shoulders of subordinates.“ Falls, Caporetto, 1966, S. 7. 141 Illustriertes Österreichisches Journal, Nr. 1353, 01.11.1918.

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„Vor drei oder vier Tagen erfolgte der Durchbruch im Flitscher Becken und bei Tolmein, gestern ist Görz, Cividale und Monfalcone genommen worden, die Truppen Cadornas haben die ganze Isonzofront geräumt. Hier hofft man auf eine Sedanisierung eines Teiles der italienischen Truppen. 75.000 Gefangene sind bisher gemacht worden und fast 800 Kanonen erbeutet worden. Der Kaiser verweilt in Laibach und hat das oberste Kommando über unsere und die deutschen Truppen. Was werden England und Amerika mit dem flügellahmen Italien anfangen? Für uns ist es aber doch großartig, dass wir nach 3 ½ Kriegsjahren, mit deutscher Hilfe natürlich – anders ging es ja nicht – imstande sind, Italien an der einzigen Front, an der es kämpft, vernichtend zu schlagen und in vier Tagen um die Früchte von elf Isonzoschlachten zu bringen. [. . .]“142

Das Grazer Tagblatt erörterte die neue strategische Konstellation: „Von Udine gehen sternförmig fünf Bahnen aus, von denen nur eine ins Hinterland führt. Da außer Udine nur noch die Küstenbahn Venedig–Monfalcone an die Isonzofront führt, ist die Wichtigkeit der Stadt als Aufmarschzentrum, Hauptstapelplatz und Hauptquartier begreiflich und schon ihre Gefährdung von einschneidender Wirkung auf die Front.“143 Am 28. fiel schließlich Udine.144 Maßgeblich beteiligt daran war der Württembergische Generalleutnant Eberhard von Hofacker, Kommandierender General der 26. deutschen Infanteriedivision (die zugleich die 1. Königlich Württembergische Division war). Er schrieb am 1. November an seine Frau: „Wir haben einen der größten Siegeszüge der Weltgeschichte hinter uns. Division allein zirka 40.000 Mann, 200 Geschütze, zirka 1.000 Autos erbeutet bei zirka 300 Mann eigenem Verlust. Zuerst waren wir die hintersten [sic] und nach 2 Tagen die ersten in Udine, dessen Flagge in meinem Besitze.“145 Sogar der Kabinettschef Ihrer Majestät der deutschen Kaiserin, der Freiherr Lothar von Spitzemberg, kam nicht umhin, der Gemahlin Hofackers die freudige Nachricht von allerhöchster Stelle zu vermelden: „Ich möchte Dir gleich schreiben, dass Eberhard die heutigen 60.000 Italiener gefangen hat. Er hat eine Kampfgruppe, bestehend aus seiner eigenen, der 5. [Brandenburgischen] und einer österreichischen Division geführt. Mit seiner eigenen hat er den Brückenkopf über den Tagliamento gestürmt, während die österreichische Div. Front nach Süden machte und die Märker im scharfen Vorstoß nach S.W. die weiter südlich gelegenen Übergänge besetzten und damit die Etappe zumachten. Ich erfuhr dies heute beim Kaiser.“146 Von Hofacker wurde kurz darauf zum Befehlshaber des 51. preußischen Armeekorps – eines der beiden in Italien eingesetzten deutschen Korps – in der Nachfolge 142

Redlich, Tagebuch, II, 1953, S. 240. Grazer Tagblatt, Nr. 298, Abend-Ausgabe, 29.10.1917, S. 1. 144 Vgl. hierzu u. a.: ‚Wie die Italiener Udine räumten‘ Bericht des Reuterschen Nachrichtenbureaus, in: Reichspost Nr. 512, Wien 05.11.1917, S. 2. 145 BWHStA, M 1/2 Band 93: Anlage zum Bericht Nr. 9733 vom 06.11.1917. 146 BWHStA, M 1/2 Band 93: Anlage zum Bericht Nr. 9733 vom 06.11.1917. 143

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Generals Albert von Berrer, der im Kampf um Udine von italienischen Radfahrpatrouillen getötet worden war.147 In elf Schlachten hatten die Italiener trotz des Sacrificiums Hunderttausender Toter und Verletzter Soldaten ihre Front um nur wenig mehr als zwanzig Kilometer nach Osten verschieben können.148 Die Österreicher waren mit zumeist unterlegenen Kräften, aber begünstigt durch die Situation des Verteidigers im Gebirge, standhaft geblieben, allerdings dem Ende ihrer Kräfte nahe. Nun trieben sie nach nur einem Angriffsversuch die Italiener spielend vor sich her, nahmen Zehntausende gefangen und requirierten gigantische Mengen an Lebensmitteln, Wein und Grappa, Dinge, derer sie schon fast entwöhnt waren. So erklärt sich der Enthusiasmus, der Österreicher wie Deutsche befiel und in allen schriftlichen Quellen zu finden ist. Auch auf dem diplomatischen Parkett schien der Erfolg verschiedene Dissonanzen zu glätten. Der bayerische Gesandte in Wien meldet seinem Allergnädigsten König und Herrn nach München: „Die beispiellosen Erfolge auf dem italienischen Kriegsschauplatze haben nicht nur Triest und das österreichische Küstenland von einer schweren Sorge befreit, sondern auch zur Verscheuchung der Wolke beigetragen, die bald leichte bald tiefere Schatten auf das Bundesverhältnis zu Deutschland warf.“149 Der preußische Botschafter in Wien ließ vernehmen: „Die grämliche, oft unfreundliche Stimmung gegen uns ist mit einem Schlage der Dankbarkeit und Bewunderung gewichen und zum ersten Male, seit ich in Wien bin, sehe ich von Fenstern und Dächern in der reichbeflaggten Hauptstadt zahlreiche schwarz-weiss-rote Fahnen im Winde wehen. Man sieht es wieder einmal, wie unsere Bundesgenossen Gefühlsmenschen sind, wie bei ihnen die Regungen des Herzens gegenüber dem sachlich nüchternen Urteil, welches wir Norddeutschen lieben, überwiegen.“150

Die Dinge standen schlecht für Italien. Der Militärschriftsteller Liddell Hart charakterisierte die Lage folgendermaßen: „The German blade went in so deeply as to sever vital arteries, and with dramatic swiftness the front of the Italian Second Army collapsed.“151 Die Order, sich über den Taglia147 Zu den Ereignissen am Isonzo auch: Hofacker, Eberhard von: Der Weltkrieg. Dem deutschen, vor allem dem württembergischen Soldaten gewidmet, Stuttgart 1928, S. 291–337. Speziell zum Tode von Berrers: BWHStA, M 10 Büschel 17 (Repertorium II): Berrer, Württ. GLT, Kommandierender General des Gen.Kdo.zbV.51, hier: Nachrichten über seinen Heldentod bei Cividale 1917/1919. Für die Zurverfügungstellung von Material zu Eberhard von Hofacker dankt der Autor der Urenkelin des Generals, Frau Sonja von Kaehne, München. 148 Vgl. Karte 11 im Anhang. 149 BayHStA, MA III-Nr. 2481/5: Bericht aus Wien vom 30.10.1917. 150 BayHStA, MA III-Nr. 3083: Informatorische Aufzeichnungen Nr. 134 vom 05.11.1917.

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mento Fluss zurückzuziehen, war von Cadorna bereits am 25. Oktober ausgefertigt und in der Nacht vom 26. auf den 27. Oktober herausgegeben worden. Die 2. und 3. italienische Armee sollten sich auf die so genannte ‚gelbe Linie‘ westlich des Tagliamento zurückziehen und italienische Stellungen in den Karnischen Alpen sowie im Cadore Sektor, die von der Italienischen 4 Armee gehalten wurden, mussten aufgegeben werden.152 Der Befehl bewirkte den Rückzug der überwiegenden Mehrheit der italienischen Armee: Aus einer Gesamtzahl von 850 italienischen Bataillonen wurde 700 Bataillonen, oder über 1.500.000 Mann, befohlen sich zurückzuziehen.153 Ein neuerlicher Blick auf die Zahlen zeigt allerdings, dass sich ein Großteil der italienischen Armee intakt und in ziemlich guter Ordnung zurückzog. Bei Karfreit/Caporetto war ja nur die 2. Armee aufgerieben worden. Den 300.000 Mann der 3. Armee und den 230.000 Soldaten der 4. Armee standen gute Straßenverbindungen für ihren Rückmarsch zur Verfügung und sie konnten mit effektiven Nachhutaktionen die Verfolger bremsen. Die 3. und 4. Armee erlitten verhältnismäßig bescheidene personelle Verluste von etwa 20 Prozent, wobei aber fast alle Munition und Artillerie verloren ging. Die 90.000 an der Karnischen-Front stationierten Männer waren nicht so glücklich. Die meisten von ihnen gingen in Gefangenschaft. Der Rückzug der geschlagenen 2. Armee war hingegen sehr chaotisch und prägte das Bild der Nachwelt stärker als alle anderen Truppenverlegungen beziehungsweise Rückzüge auf dem südwestlichen Kriegsschauplatz. Cadorna schätzte die Zahl der fliehenden Mannschaften auf 350.000 Mann.154 Der italienische Rückzug ging hier immer schneller in eine ungeordnete Flucht über. Es war eine chaotische Suche nach brauchbaren und nicht verstopften Fahrbahnen sowie nach intakten Brücken.155 Hier prägten 151

Liddell Hart, Basil H.: Foch. The Man of Orléans, Westport 1980, S. 248. Vgl.: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 370. Am Nachmittag des 25.10. hatte Cadorna an den Kriegsminister geschrieben: „Je vois se dessiner un désastre contre lequel je lutterai jusqu’au bout. J’ai prescrit de tenir tant que possible dans les montagnes et sur le carso et préparé, sans le lancer, l’ordre de retraite sur le Tagliamento.“ Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 374. 153 Isnenghi/Rochat, Guerra, 2001, S. 380. Rückzugsbefehl in: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 383 f. 154 Vgl.: Kuhl, Weltkrieg II, 1929, S. 207. 155 Die Darstellung eines Teilnehmers in: Bernardi, Mario: Dal Tagliamento al Piave. Ottobre–Novembre 1917. Diario della ritirata, a fronte del nemico, d’una Colonna di truppe sfornita d’uomini, di armi e di munizioni, Roma 1921. Auch: Coda, Valentino: Dalla Bainsizza al Piave. All’ indomani di Caporetto. Appunti d’ un Ufficiale della II. Armata, Milano 1919. Ebenso zu diesem Thema: Volpe, Gioacchino: Ottobre 1917 dall’Isonzo al Piave. Milano/Roma 1930. In der neueren italienischen Literatur ist eine eigene Reihe unter dem Titel Le battaglie della ritirata di Caporetto erschienen. Genannt seien hier nur die zwei 152

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sich den vormarschierenden Truppen jene Bilder ein, die dann immer wieder von der Presse beschworen wurden. Schon hinter Udine war die Straße übersät von Kriegsgerät aller Art, das die Italiener zurückgelassen hatten, was sich bis zum Tagliamento-Übergang aber „[. . .] ins nie dagewesene [steigerte]. Zu Hunderten standen oder lagen die Geschütze, vom schweren Belagerungs-Geschütz bis zur leichten Feldkanone auf oder neben der Straße. Kraftfahrzeuge aller Art, teilweise umgestürzt, verbrannt, zerschlagen, aber auch vielfach noch wohl erhalten, waren zurückgelassen worden, nicht zu rechnen die ungezählten Wagen und Karren, die voll beladen mit Munition, Verpflegung, Futtermitteln oder Gepäck auf und zu Seiten der Straße stehengeblieben oder umgestürzt waren. Mächtige Straßenwalzen, ungefüge Traktoren waren mit Mühe zur Seite geschafft worden, das Gestänge abgestürzter oder halbverbrannt zurückgelassener Flugzeuge, darunter von riesigen Caproni-Doppeldeckern überragte die Strünke der Maulbeerbäume, die die Straßen säumen. Jeder italienische Soldat von all den Hunderttausenden, die da zurückgeflutet waren, schien sein ganzes Gepäck, seine Waffen, ja alles Beschwerende seiner Ausrüstung weggeworfen zu haben, denn unsere Lastkraftwagen fuhren stellenweise über einen Teppich von Uniformstücken, Wäsche, Mützen, Helmen und Decken. Mancherlei Unglückfälle [sic] ereigneten sich mit den in Massen weggeworfenen Handgranaten, die, namentlich bei schwacherem Licht von Konservenbüchsen schwer zu unterscheiden waren.“156

Die Zivilbevölkerung, von der Propaganda vor den barbarischen Hunnen und Österreichern gewarnt und sensibilisiert, ergriff auch die Flucht und verschärfte so noch die Lage. Cadorna spricht von etwa 400.000 Flüchtlingen in diesen Tagen.157 Der Schrecken der Bevölkerung war besonders groß in den Städten Cividale und Udine, weniger dagegen auf den Dörfern.158 Hier plünderten vor allem die rückflutenden italienischen Soldaten. Mancher Schrank wurde aufgebrochen, um Zivilkleider und Verpflegung zu organisieren. Aus der Sicht eines deutschen Soldaten: „Umso eindrucksvoller [. . .] das Bild, das allenthalben die Plünderung bot. Italienische Truppen hatten den Anfang gemacht. Nicht die Söhne des Landes, die kernigen Arbeitsamen und reinlichen Friauler, oder die fröhlichen liederreichen kunstfertigen Venetier, die unsere Leute in täglicher Berührung in Quartieren und auf Märschen schätzen lernen sollten, es waren jene süditalienischen Brigaden gewesen, Neapolitaner, Sizilianer, Calabresen und Apulier, denen nun einmal das Blut der Lazzaroni und Briganten in den Adern rollt. Sie hatten beim Rückzug das meiste schon unbewacht gefunden, denn in wilder Flucht missleitet von Bürletzten Bände: Boriani, Giuseppe/Bernardini, Augusto: L’ultima retroguardia. I bersaglieri da Caporetto al Piave (Bd. 6), Udine 2001 und Trevisan, Tullio: Gli ultimi giorni dell’armata perduta. La grande guerra nelle Prealpi Carniche „Ove in queste valli grido di guerra risuoni“ (Bd. 7), Udine 2002. 156 BayKA, HS 2203. 157 Vgl.: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 386. 158 Vgl.: Krafft, Durchbruch I, 1926, S. 173. Auch: Falls, Caporetto, 1966, S. 61.

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germeistern und Priestern, die den Kopf verloren hatten, war in den Städten die überwiegende Mehrzahl der Einwohner davongeeilt. Als unsere Truppen kamen, waren schon die meisten Türen erbrochen, der Hausrat durchgewühlt und Schränke und Kästen aufgesprengt, herrenlos schien alles Gut.“159

Zwischen der italienischen Nachhut und den austro-deutschen Truppen kam es immer wieder zu blutigen Gefechten und das Organisationsgebilde der 2. italienischen Armee löste sich auf.160 Der Nachschub war unterbrochen, Versorgungsdepots von zurückströmenden Truppen geplündert und viele Soldaten marschierten tagelang ohne Nahrung und Munition Richtung Heimat. Der Rückzug wurde noch durch die Tatsache verkompliziert, dass General Cadorna die 2. Armee inzwischen als Totalverlust abgeschrieben hatte und ihr keine Priorität mehr bei der Zuweisung von Fahrzeugen, Nachschub oder sonstigen Transportangelegenheiten mehr gab. Dadurch gerieten sicher mehr italienische Soldaten in Gefangenschaft, als es sonst der Fall gewesen wäre. Generalstabschef Cadorna würdigte die Probleme des italienischen Rückzuges zum Tagliamento in seinen Erinnerungen folgendermaßen: „En aucune opération militaire on ne se heurte à plus de difficultés que dans la retraite. Les erreurs possibles dans l’offensive ne sont pas immédiatement sanctionnées et elles s’effacent sous l’éclat d’un succès. Au contraire, dans la défensive et la retraite, leurs conséquences sont bien vite fatales; elles sont d’autant plus funestes que le moral des troupes se trouve davantage ébranlé. [. . .] Caractéristiques dans toutes retraite, ces difficultés étaient, dans notre cas, considérablement accrues par l’énorme quantité de troupes et de matériel, par l’espace réduit dans lequel s’exécutait le mouvement, par la rapidité imposée à la retraite, enfin par l’exode consécutif des habitants qui, de leurs voitures chargées de meubles, encombraient les routes déjà peu nombreuses.“161

Die völlig in Auflösung begriffenen italienischen Truppen gehorchten den verzweifelten Befehlen ihrer Kommandeure nicht mehr und flüchteten über den Tagliamento zum Piave – der letzten Bastion vor Venedig und der Lombardei. Hier versuchte Cadorna eine neue Widerstandslinie aufzubauen.162 Doch alle Anstrengungen der deutschen und österreichischen Infanterie, den Italienern so schnell zu folgen, dass die Brücken über den Tagliamento 159

BayKA, HS 2203. Bis zum 3. November gab es bei der 2. Armee einen Verlust von etwa 180.000 Gefangenen und 2.000 Kanonen. Vgl.: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 395. Damit waren die österreichischen Zeitungsmeldungen relativ objektiv, die bis 4. November von 200.000 Gefangenen und 1800 Geschützen sprachen. Siehe etwa: Reichspost Nr. 511, Wien 01.11.1917, S. 1. 161 Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 381. 162 Vgl. ‚Les directives pour la halte sur le Tagliamento‘ vom 02.11.1917, in: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 393. 160

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H. Das ‚Wunder‘ von Karfreit – Ausbruch aus dem Gebirge

gerettet werden konnten, waren vergebens. Es standen ihnen keine schnellen Truppenverbände wie Kavallerie, Radfahr- oder Autotruppen zur Verfügung. Als die Vorauseinheiten am Fluss anlangten, waren bereits alle Brücken entlang der Front gesprengt. Auch weiter im Süden, wo aufgrund geringerer Geländeschwierigkeiten ein rascheres Vorgehen der Infanterie möglich war, gelang es nicht, auch nur eine Tagliamento-Brücke zu retten. Bei Codroipo, wo die Deutschen sehr zügig nachdrängten, sprengten die Italiener die großen Brücken so frühzeitig, dass Tausende von Italienern abgeschnitten der Gefangenschaft anheim fielen.163 Am 1. November war der Tagliamento auf seinem ganzen Lauf bis unterhalb Tolmezzo erreicht.164 Die K. u. k. Truppen wurden hier wieder kurz aufgehalten. Obwohl die Brücken auch hier zerstört waren, fanden sich doch Möglichkeiten, den Fluss zu überqueren. Teils konnten die Brücken instand gesetzt werden, teils wurde der Fluss durchfurtet. Das Kommando des 22. Schützenregimentes lobte 1.000 Lire für jenen Einheimischen aus, der eine praktikable Furt angeben konnte.165 Wären in diesem Augenblick die österreichisch-ungarischen Truppen der Gruppe Conrad aus Tirol in die Ebene westlich des Tagliamento herabgestiegen, so wäre die italienische Armee in ernster Gefahr gewesen. Dieses Manöver konnte aber nicht rechtzeitig durchgeführt werden.166 Stattdessen folgten die K. u. k. Truppen den Italienern über den Tagliamento und schoben bedeutende Kräfte gegen Feltre und gegen das Gebirgsmassiv zwischen Brenta und Piave vor. General Cadorna ordnete am 4. November den Rückzug hinter den Piave an.167 Damit war der Tagliamento nicht, wie man in Paris und London gehofft hatte, zur ‚Marne‘ Italiens geworden.168 Bremsend wirkte auf den Vormarsch allerdings der nach heftigen Regenfällen Hochwasser führende Tagliamento. Eine Tatsache, die trotz ihrer Offensichtlichkeit des Faktums Regen, von der italienischen Presse verharmlost und sogar völlig negiert wurde.169 Der 163

Vgl.: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 389. Vgl.: Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, S. 349. Ebenso: Krauß, Ursachen, 1920, S. 231 f. Auch den Artikel von Oberst Eugen Redl: Die Tagliamentoforcierung und das Baon IV/bh. 4. In: Oesterreichische Wehrzeitung, Folge 42, Wien 21.10.1927, S. 5/6. 165 Vgl.: MILAR/MHFZ HA Flitsch: 22. KSchDiv., Telegramm Op.433/8 am 02.11.1917 um 9.00 Uhr. 166 Vgl.: Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, S. 348 Fußnote 288. 167 Vgl.: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 397 f. Zu den konkreten Rückzugsergeignissen: Ebd., S. 404 ff. 168 In: Reichspost Nr. 513, Wien 06.11.1917, S. 2. 169 Aus der italienischen Heeresleitung hieß es „Das Bett des Flusses war ausgetrocknet, so daß also diese Linie keine Hindernisse bot.“ Die sehr unterschiedliche Darstellung wurde natürlich in der Presse thematisiert. In: Reichspost Nr. 521, Wien 10.11.1917, S. 2. 164

V. Der Weg nach Venetien

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Rückzug vom Tagliamento zur Piave war weit ordentlicher als derjenige vom Isonzo zum Tagliamento. Fast alle italienischen Verluste liefen während des Rückzuges zwischen dem Isonzo und dem Tagliamento auf. Das änderte jedoch nichts daran, dass bald ganz Friaul von den österreichischdeutschen Truppen besetzt war. Bereits am 10. November erreichten sie den Piave – ein Vormarsch von 120 Kilometer in nur 17 Tagen. Gleichzeitig zu all diesen Kampfhandlungen griffen auch die österreichischen Südtirolarmeen an und zwangen die italienischen Soldaten der Dolomitenfront zum Rückzug, die damit einer Einkesselung entgehen konnten. Für sie war es ein sehr schwieriger Vormarsch durch kaum erschlossenes Gebirgsterrain, der deshalb nur langsam vonstatten ging. Die österreichisch-ungarischen Truppen rückten aus den Frontabschnitten im Gebirge vor und rollten die Front auf. Am 10./11. November vereinigten sie sich mit den Truppen in der venetianischen Tiefebene.170 Damit hatten die Karnisch-julische Front, die Dolomitenfront und die Front am Isonzo aufgehört zu existieren. Durch das Vorrücken an den Piave verkürzte sich die Widerstandslinie um über 240 Kilometer.171 Zu den neuen Brennpunkten der Front wurden nunmehr die Piave Front mit den Schlüsselpunkten des Monte Pasubio und des Grappamassivs.172 Der bayerische Leutnant Streil schreibt in seiner Schilderung der Durchbruchsschlacht: „Die kahlen, kalten Berge, auf denen so furchtbar der Tod gehaust hat, sind überwunden, die ganze Front von Tirol bis zur Adria ist im Rollen. Eine große, schöne Ebene breitet sich aus. Pinien und Cypressen grüßen die Sieger!“173 Der Weg nach Italien schien frei. Die Deutschen und Österreicher waren so gut vorwärts gekommen, dass die Alliierten sogar mit der Einnahme Venedigs rechneten. Über die Schweizer Presse wurde bereits eine Interven170

Zur Offensive aus Tirol etwa: Reichspost Nr. 523/524, Wien 11./12.11.1917, S. 3. Hier auch die Berichte zur Errettung Kaiser Karls, der bei einem Frontbesuch mit seinem Wagen in den Torrente Torre Fluß gestürzt war. 171 Siehe: Lichem, Einsamer Krieg, 1981, S. 138. 172 Ein aufschlussreicher Bild- und Textband zum Pasubio ist erschienen von Bisoffi, Stefano/Fait, Gianluigi, Non solo armi. Pasubio 1915–1918, (herausgegeben vom Museo Storico Italiano della Guerra in Rovereto und dem Tiroler Kaiserjägermuseum in Innsbruck), Rovereto 2002. Der Grappa wurde am 07.11. erstmals von italienischen Truppen besetzt und von der 4. italienischen Armee schwer ausgebaut. Vgl.: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 418 f. Zum Monte Grappa während der 12. Isonzoschlacht siehe: Lichem, Heinz von/ Massignami, Alessandro/Acerbi, Enrico: L’invasione del Grappa. L’attacco austrotedesco e la battaglia difensiva italiana nella Grande Guerra novembre–dicembre 1917 (Collana di storia militare), Novale/Valdagno 1993. 173 BayKA, HS 1958: „Kriegsgeschichtliche Arbeit: Schilderung der Durchbruchsschlacht im Abschnitt Tolmein–Cividale (Oktober 1917)“ von Leutnant Streil, 4. Maschinengewehr Kompanie im Infanterie Regiment Nr. 19.

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H. Das ‚Wunder‘ von Karfreit – Ausbruch aus dem Gebirge

tion zum Schutz der Kunstdenkmäler Italiens und vor allem Venedigs verbreitet. Die Kommanden der besetzten Gebiete garantierten, „[. . .] jede unnütze und geflissentliche Beschädigung dieser Kunstwerke zu verhindern.“174 In Wien machte man sich allerorten zunehmend Gedanken über die militärischen Aktionen hinaus. Man dachte über die Zukunft des eroberten Gebietes nach. Immer schon war gesagt worden, dass die italienische Grenze zu nahe an der einzigen österreichischen Hafenstadt Triest läge. Eine Vorverlegung der Grenze war daher – zumeist von militärischer Seite – immer propagiert worden. Auf einmal begann man aber, „[. . .] nach historisch begründeten verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Bewohnern der Provinz Udine und den Anwohnern auf österreichischer Seite“ zu suchen.175 Legitimation für eine neue Grenzziehung basierend auf der Tradition des einstigen Herzogtums Friaul. Dieses in der Bevölkerung erwachende Interesse für jene Ländereien wurde in der österreichisch-ungarischen Regierung überhaupt nicht geteilt. Der österreichische Teil Friauls, bestehend aus der ehemaligen Grafschaft Görz, war wesentlich kleiner als der italienischsprachige und man hatte genug „[. . .] trübe Erfahrungen mit den fremden Völkerschaften gemacht“, um diesem neuen Problem von Anfang an aus dem Weg zu gehen. Botschafter Wedel schreibt über die österreichische Regierung nach Berlin: „Annexionistische Gelüste nach dieser Richtung kämen ihr ungelegen, denn sie will von der Einverleibung italienischer Gebiete mit Ausnahme vielleicht einiger Berge, deren Besitz von strategischem Wert wäre, absolut nichts wissen.“176 Währenddessen jagte die 14. Armee durch eben jenes Friaul und über die venetianische Ebene hinweg mit stetig wachsenden Problemen. Die deutschen und österreichischen Truppen ermüdeten zunehmend, ihre Versorgungsstrecken wurden immer länger und erhebliche Kräfte mussten abgestellt werden, um das neu eroberte Territorium zu sichern. Überdies waren sie weit jenseits des Aktionsradiusses ihrer eigenen Artillerie. Nachdem die hinter dem Isonzo liegenden Depots allmählich geleert waren, wurden neue Magazine und Depots angelegt, die sich hauptsächlich an der Straße von Udine zur Front, in Pordenone, Sacile und Conegliano konzentrierten. Besonders Conegliano war Mittelpunkt des Verkehrs der deutschen Truppen zur Front. Hier zweigt nach Norden die Straße ab, die über Vittorio nach Belluno und Feltre führt und auf der für die Divisionen, die im schwierigen Tiroler Berggelände kämpften, der Nachschub gefahren werden musste. Die wenigen zur Verfügung stehenden Lastkraftwagen waren aber immer noch primär mit dem Transport von Waffen, Munition und Artillerie ausgelastet. 174 175 176

Wiener Montagblatt, Nr. 44, 19.11.1917. PAA, R 9120: Bericht von Wedels Nr. 327, Wien am 14.11.1917. PAA, R 9120: Bericht von Wedels Nr. 327, Wien am 14.11.1917.

V. Der Weg nach Venetien

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Eine kurze Besserung hatte sich durch die Zwangsverpflichtung italienischer Fahrer mitsamt ihrer Fahrzeuge ergeben. Der Fahrzeugpark in Udine, dem ehemaligen italienischen Großen Hauptquartier, war sehr umfangreich und wurde sofort den deutsch-österreichischen Nachschubtruppen angegliedert. Einer der deutschen Kraftfahrer erinnert sich: „300 erbeutete Fahrzeuge standen in kurzer Zeit bereit, die zu sofortiger Verwendung auf Brauchbarkeit zu prüfen und instand zu setzen waren. [. . .] Der Mannschaftsmangel [. . .] wurde zum Glück einigermaßen durch die große Zahl kriegsgefangener italienischer Kraftfahrer ausgeglichen, die sofort in die Dienste des Parkes gestellt wurden, wo sie sich als sehr geschickte Monteure und Mechaniker und auch als gute Fahrer bewiesen. Im Allgemeinen waren sie sehr willig und arbeitsam, teilweise wohl infolge guter Behandlung und weil man ihnen verhältnismäßig viel Freiheit ließ.“177

Aber diese Verbesserung war nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die fortgeschrittene Jahreszeit brachte bereits erhebliche Schneefälle mit sich, die den Nachschub zusätzlich hemmten. Mit dem allmählichen Übergang in den Stellungskrieg wurde offensichtlich, dass an der neuen Frontlinie östlich der Piave das Allernotwendigste fehlte. Es sollte lange dauern, bis die dort bezogenen Quartiere mit Nachschub beliefert werden konnten.178 „It is very bad for the soldiers to be short of food. [. . .] It can’t win a war but it can lose one“ sagt Hemingways Hauptfigur auf der Flucht vor den Österreichern und schlägt sich den Magen voll.179 Den Verbündeten fielen Befehle des italienischen Heeres in die Hände mit der Weisung, „[. . .] sich in der allgemeinen Linie Stilfserjoch-Gardasee-Arsiero-Asiago-Lauf des Piaveflusses bis zum letzten Mann zu halten.“180 Es war auch schon die Rede von Ententetruppen, die im Raume Verona–Vicenza–Padua im Aufmarsch begriffen sein sollten.181 Die Alliierten hatten sich gleich nach Ausbruch der Schlacht am 25. Oktober entschieden, den Italienern Hilfe zu senden. Insgesamt sechs französische und fünf englische Divisionen wurden zur Verstärkung nach Italien geschickt. Schon im Februar 1917 war ein Transportplan zwischen den französischen und italienischen Eisenbahnbehörden ausgearbeitet worden, nach dem nun die Truppen sehr schnell nach Italien 177

BayKA, HS 2203. Vgl.: BayKA, HS 2203. 179 Hemingway, Farewell, 1975, S. 161. 180 BayKA, Alpenkorps Bund 47 Akt 7: Kdo. Grp. GdI Krauss, Op. Nr. 268/23, Disposition vom 25.11.1917. 181 Vgl.: ebd. Zu den Alliierten Truppen siehe: Sir Llewellyn Woodward: Great Britain and the war of 1914–1918, London 1967, S. 293. Auch: Wilks, John/Wilks, Eileen: The British Army in Italy 1917–1918, Barnsley 1998. Zu alliierter MaterialUnterstützung: Lord Hankey: The Supreme Command 1914–1918, Vol. 2, London 1961, S. 504. Die italienische Perspektive u. a. in: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 422 ff. 178

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H. Das ‚Wunder‘ von Karfreit – Ausbruch aus dem Gebirge

verlegt werden konnten. Beginnend am 28. Oktober wurden etwa 150.000 Mann mitsamt Ausrüstung und Verpflegung schnellstmöglich über die Alpen befördert. Genutzt wurden hauptsächlich die zwei Eisenbahnlinien über den Mont Cenis und entlang der Rivieraküste. Die Alpenstraßen waren durch den frühen Winter teilweise schon nicht mehr begehbar und mussten in mühevoller Arbeit vom Schnee befreit werden. Die französische 10. Armee unter General Duchêne kam im Laufe des Novembers in Verona an, die englische Armee unter dem Befehl von General Plumer lud bis 15. Dezember in Mantua aus.182 Der hartnäckige Widerstand der Italiener, die mit alliierter Hilfe in aller Eile eine erfolgreiche Verteidigungsfront aufgebaut hatten, veranlasste das K. u. k. Armeeoberkommando dazu, am 2. Dezember die Offensive endgültig einzustellen und die Einheiten, die schon westlich des Piave standen, an das Ostufer zurückzurufen. Die Gelegenheit, die Alliierten noch beim Aufbau der neuen Front zu vernichten, ließ man sich entgehen. Das Wirken der englischen und französischen Regimenter während der Isonzoschlacht war gering, aber im Weiteren Verlauf des Krieges sollte ihr Gewicht zunehmen.

VI. Abschließende Bemerkungen zur zwöften Isonzoschlacht Die Bataille von Caporetto, die am 24. Oktober 1917 begann, ist nicht nur jene mit dem höchsten Bekanntheitsgrad und eine der berühmtesten an der italienischen Front überhaupt, sondern auch eine der am meisten missverstandenen. Bei Caporetto erlitt die italienische Armee eine der verblüffendsten Niederlagen aller Beteiligten des Ersten Weltkrieges. Nach dem Bericht der italienischen Untersuchungskommission, die die Ursachen der Niederlage klären sollte, verlor die italienische Armee vom Beginn der Offensive bis zum 10. November 1917 etwa 10.000 Tote, 30.000 Verwundete, 293.000 Gefangene sowie 3.150 Geschütze, 1.732 Minenwerfer, 3.000 Maschinengewehre und 300.000 Gewehre.183 Die Mittelmächte verloren rund 70.000 Soldaten.184 Die italienische Armee wurde in ihrer Größe um die Hälfte reduziert, von 65 Infanteriedivisionen blieben noch 33 und die italienische Provinz Friaul musste mit einem Großteil der Provinz 182

Vgl.: Kuhl, Weltkrieg II, 1929, S. 216 f. Vgl.: Angetter, Sanitätsversorgung, 1995, S. 45. Auch: Hirschfeld, Gerhard/ Krumeich, Gerd/Renz, Irina: Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn/München/ Wien 2004, S. 406. Im Wiener Kriegsarchiv eine Übersetzung des Berichtes unter: ÖStA-KA, Manuskript 1917 MS.-WKI/24: FML von Joly: Übersetzung des Berichtes der italienischen Untersuchungskommission über die Niederlage bei Karfreit. 184 Siehe: Angetter, Sanitätsversorgung, 1995, S. 45. 183

VI. Abschließende Bemerkungen zur zwöften Isonzoschlacht

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Venetien dem österreichischen Feind überlassen werden. Noch heute, mehr als 80 Jahre nach dem Ereignis, spricht man im Italienischen davon, ‚dass es ein Caporetto war‘. Das Idiom una Caporetto ist immer noch gebräuchlich, um eine vollständige Katastrophe und Niederlage zu charakterisieren. Der chaotische Rückzug der Italiener ist in der Nachwelt noch immer präsent.185 Einzig die Situation nach der österreichisch-ungarischen Kapitulation erreichte diese Dimension geradezu anarchischen Ausmaßes. Sie war sogar schlimmer, weil die ‚Gesamte bewaffnete Macht‘ eines Staates sich atomisierte. Dieser explosionsartige Vorgang ging aber in den Wirrnissen der Nachkriegstage unter. Der unkoordinierte Rückzug der Italiener wurde hingegen von der österreichischen Presse weidlich ausgekostet und in unzähligen Büchern und Studien seither thematisiert. Unerreicht das Denkmal, das Ernest Hemingway mit seinem ‚A Farewell to arms‘ schuf. Von allen Kampfhandlungen im Gebirge ist wohl der Durchstoß von Karfreit zur Piave, was Umfang, Kraftentfaltung und Erfahrung anbelangt, der interessanteste. Namentlich auch deswegen, weil die italienischen Verteidiger über neuzeitliche Kampfmittel verfügten und im Gegensatz zu den Gebirgskämpfen mit den Rumänen reichlich Gelegenheit hatten, sich in der neuzeitlichen Gefechtsführung zu üben. In der modernen Literatur steht häufiger zu lesen, dass als Ziel der Offensive auf deutsch-österreichischer Seite beispielsweise die Erreichung Venedigs geplant war. Dies ist so nicht haltbar.186 Wie gezeigt wurde war das Ziel der Offensive nur zu einem untergeordneten Teil die Erreichung bestimmter geographischer Wegmarken und wenn, dann nur im unmittelbaren Gefechtsvorfeld. Wenn man ein tiefergehendes Motiv für die Offensive sucht, dann kann man lediglich auf den Versuch verweisen, dass die österreichisch-ungarischen Truppen, die schon sehr ausgelaugt waren, entlastet werden sollten. Die Zermürbung der italienischen Kräfte folgte dieser Logik, war aber in keiner Weise vorhersehbar. Die Deutschen, durch die lange Kriegsdauer auf den verschiedensten Frontschauplätzen erfahren, hatten alle nur möglichen Vorbereitungen und Vorsichtsmaßnahmen getroffen und ihren österreichisch-ungarischen Verbündeten unterstützt. Täuschungen aller Art, wie etwa der genannte Einsatz deutscher Verbände an abgelegenen Tiroler Abschnitten wurden genutzt. Gebirgsunerfahrene deutsche Truppenteile wurden durch eine Schnellausbildung in der Gefechtsführung im Gebirge und im Bewegungskrieg, vor allem im Angriff, geschult. Die Brücken und Aufmarschstraßen wurden gründlich durch Arbeitskompanien, Gefangenenabteilungen und Rekruten185 Vgl. auch: Gatterer, Claus: Die Besiegten von Karfreit, in: ders.: Aufsätze und Reden, Bozen 1991, S. 15–34. 186 Etwa in: Remy, Maurice Philip: Mythos Rommel, München 2002, S. 19.

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H. Das ‚Wunder‘ von Karfreit – Ausbruch aus dem Gebirge

depots verbessert und auf dem Marsch waren genaueste Marschpläne, strenge ‚Verkehrszucht‘ und Verkehrsregelung für das reibungslose Gelingen und Durchschleusen einer Unzahl von Trossen, Kolonnen et cetera durch die Täler, auf den Pass-Straßen verantwortlich. Dazu kamen noch die Vorbereitungen der Schlacht im engeren Sinne, wie Aufklärung, Luftschutz, Aufmarsch der Angriffsartillerie, Bereitstellung der Munition, der Baustoffe und der Verpflegung. Die schwerfälligen Trosse inklusive der Brückentrains, wurden nach rückwärts abgeschoben. Sie durften erst in die Gebirgsgegenden, nachdem klar war, dass die Offensive bis in die italienische Tiefebene durchdringen würde. Dadurch waren allerdings die Brückentrains, als man sie brauchte, nicht rechtzeitig einsetzbar. Verstopfungen und Reibungen beim Marsch in die Bereitstellungsräume waren trotz aller Vorbereitungen an der Tagesordnung. Dazu ließen die Regengüsse die Gebirgsbäche und Flüsse anschwellen und bereiteten neue Schwierigkeiten. Trotzdem erscheint die Vorbereitung und Durchführung der Operation aus deutscher wie auch aus österreichisch-ungarischer Sicht geradezu als ein ‚führungstechnisches Meisterwerk‘. Missinterpretiert wurden vor allem die Ursachen der italienischen Niederlage, und zwar beginnend mit den Erklärungen des italienischen Generalstabes. Auf die Schuldzuweisungen Cadornas und seine Verteidigungsschrift wurde bereits eingegangen. Er hat seine Ansicht zeitlebens beibehalten, wonach seine Untergebenen falsch gehandelt hätten und die Soldaten ‚davon gelaufen‘ seien. Vor dem Untersuchungsausschuss, der nach den Ereignissen eingesetzt worden war, erklärte Cadorna: „Die Offensive traf uns gut gerüstet. Es hätte genügt, wenn jeder Mann nur ein Magazin, jedes Maschinengewehr nur einen Gurt verschossen und jedes Geschütz einen Schuss abgefeuert hätte: der Feind wäre nicht gekommen!“187 Die dem Ersten Weltkrieg nachfolgenden Jahrzehnte des politischen Extremismus in Italien haben die Rezeption und Ursachenforschung nur noch weiter kompliziert. Eine nüchterne Betrachtung des Kampfes zeigt schnell, dass es zu einfach ist, die Schuld an der italienischen Niederlage allein einem kleinen Teil von Soldaten aufzubürden, der sich kampflos ergab. Der italienische Oberkommandierende, General Luigi Cadorna, nannte dies einen Soldatenstreik, eine Behauptung die allzu oft wiederholt worden ist. Die Niederlage wurde auch nicht von subversiven Elementen in der italienischen Armee verursacht, die zumeist und speziell vom faschistischen Regime später als Kommunisten gebrandmarkt. Allerdings irrten auch die italienischen Kommunisten, die diesen Soldatenstreik von Caporetto als eine Art Sieg für das Proletariat vereinnahmten. Caporetto war nichts mehr als eine schlichte militärische Niederlage mit ausschließlich militärischen Ursachen und vornehmlich mili187

Kuhl, Weltkrieg II, 1929, S. 205.

VI. Abschließende Bemerkungen zur zwöften Isonzoschlacht

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tärischen (Aus-)Wirkungen. Im besonderen demonstriert der Zusammenbruch der italienischen 2. Armee, dass das italienischen Offizierskorps von ihren deutschen und österreichisch-ungarischen Pendants ausgetrickst und an die Wand gespielt worden waren noch bevor die italienischen Truppen auf dem Schlachtfeld ihr Cannae erlitten. Das italienische Offizierskorps könnte eines gewissen Typus von geistiger Faulheit beschuldigt werden, welcher die Armee der innovativen und schnellen Taktik der Mittelmächte unvorbereitet preisgab. Einen weiteren Beweis führte der preußische Hauptmann Kliewer an, der als Beobachter und Nachrichtenoffizier den österreichisch-ungarischen Truppen zugeteilt war. In einem vertraulichen Bericht an den deutschen Generalstab des Feldheeres schreibt er, dass „[. . .] bis zur Offensive im Oktober 1917 wurde eine systematische Frontpropaganda von oesterr. Seite an der ganzen S.W. Front ueberhaupt noch gar nicht betrieben, also kann man die Kriegsueberdruessigkeit der ital. Infanterie keineswegs als die Wirkung feindl. Beeinflussung oder Stimmungsmache hinstellen. Der Geist im ital. Heer liess schon laengst viel zu wuenschen uebrig. Das beweisen erbeutete Befehle der ital. O. H. L. und die zahllosen Verhoere ital. Kriegsgefangener von 1915–1917.“188

Die Italiener waren nicht so sehr von der Offensive an sich überrascht – der Stellungskrieg dauerte bereits 30 Monate – als von der Massierung der Angriffstruppen. Die schwere und schwerste Artillerie der K. u. k. Armee hatte eine an der Südfront bis dahin ungekannte Feuerwirkung entwickelt.189 Dazu kam der umfangreiche Einsatz von chemischen Kampfstoffen.190 „Wilde Gerüchte über den Einsatz von chemischen Waffen erzeugten im italienischen Heer ein Gefühl völliger Wehr- und Hilflosigkeit. Die moralische Niedergeschlagenheit hemmte die Verteidigungsmöglichkeiten.“191 Den Giftgasattacken folgten schwere und verlustreiche Infanterieangriffe. 188 BA-MA, PH 3 Nr. 72: Bericht an den Gst. des Feldheeres/Abt. IIIb Front, K. u. k. Feldpost 623 am 27.04.1918. 189 Die rund 500 schweren und schwersten Kaliber ergaben mit den restlichen, verfügbaren Kanonen ein örtliches Übergewicht im Verhältnis 3:1. Vgl.: Rauchensteiner, Doppeladler, 1997, S. 506. Laut dem Artilleriebefehl des 1. Korps waren bei jeder Kanone und Haubitze für den Angriff 500 Schuss zu lagern, dazu 300 Schuss im rückwärtigen Divisionsraum und im ganzen Korpsbereich genug Munition für mindestens einen Tag. Vgl.: MILAR/MHFZ HA Flitsch: K. u. k. 1. Korpskommando, Op.Nr.224/20 vom 12. Oktober 1917, S. 2. Siehe auch: Riedl, Ludwig: Artilleristische Betrachtungen zum Durchbruche von Flitsch-Tomein am 24. Oktober 1917, in: Militärwissenschaftliche Mitteilungen. Herausgegeben vom österreichischen Bundesministerium für Heerwesen, Nov.–Dez. 1931, Wien 1931, S. 1062–1077. 190 Zur Bedeutung des Gaseinsatzes auch: Simcˇicˇ, Schlachten am Isonzo, 2003, S. 163 f. 191 Angetter, Sanitätsversorgung, 1995, S. 44. An der Italienfront starben circa 5.000 Soldaten der K. u. k. Streitkräfte und etwa 10.000 Italiener durch den Einsatz

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H. Das ‚Wunder‘ von Karfreit – Ausbruch aus dem Gebirge

Die Schlacht ist ein Paradeexempel für den Bewegungskrieg: Entscheidend war das Zusammenwirken von Infanterie, Artillerie und schnellen Verbänden. Während der späteren ‚Blitzkriegoperationen‘ des Zweiten Weltkriegs sollten Panzerverbände und Kampfflugzeuge den Angriff noch mehr beschleunigen.192 Herausragend war die Schwerpunktbildung an einigen eng begrenzten Frontabschnitten. Der Schlüssel, um die statische Kriegsführung in den Gräben zu durchbrechen, lag darin, eine taktische Überraschung zu erreichen. Die Schwachpunkte in der gegnerischen Linie waren das Ziel der Attacken und man hatte sich von der Vorstellung gelöst, für jede Situation einen ausgeklügelten Plan parat zu haben. Stattdessen wurden kleine, autonome Gruppen hochtrainierter Soldaten eingesetzt, in denen die Offiziere und Unteroffiziere – ganz im Sinne der später formulierten Auftragstaktik – selbsttätig agieren konnten. Der Erfolg im Gebirgskriege gründete sich auf das Zusammenarbeiten dieser einzelnen Stoßgruppen, auf die Interdependenz ihrer Teilaufgaben und auf die Ausstrahlung der Teilerfolge auf die Nachbargruppen. Die Angriffsdurchführung des 25. Oktober ist folglich vorbildlich für den taktischen Angriff im Hochgebirge. Der französische General Foch beurteilte die Lage damals folgendermaßen: „It is indisputable that General Cadorna has all that is necessary in the way of munitions, troops, and lines of resistance for stopping the enemy. [The Allies must] [. . .] support the Italian army both, morally and materially.“193 Der Grund für den Zusammenbruch des italienischen Heeres bei Karfreit war nicht Feigheit, die Ursache für die Ereignisse war vielmehr in der tiefen Erschöpfung sowie der gesunkenen Kampfmoral der Truppen zu suchen, von denen nichts als eiserne Disziplin und unbedingter Gehorsam verlangt wurde.194 General Cadorna äußerte zu dem epidemisch um sich greifenden Defätismus: „Je poursuivais disant que la 2e armée, débandés mis à part, avait perdu 180.000 prisonniers et plus de 2.000 canons. Toutes ses unités n’avaient pas également cédé à l’effritement. Mais, même celles restées organiquement seines et qui, sur le Tagliamento, faisaient face à l’ennemi, avaient, en partie, cédé sous la déprimante impression de ce qu’elles connaissaient, de ce qu’elles avaient vu; cela avait créé en elles et autour d’elles une atmosphère de panique contre laquelle, von Giftgas. Zu den Zahlen: Haber, Poisonous cloud, 1986, S. 243. Zum Gaseinsatz und seinen Folgen bei der zwölften Isonzoschlacht: ebd., S. 186–188, sowie Krafft, Durchbruch II, S. 183–185. 192 Der angelsächsische Historiker C. Messenger führt diesen Zusammenhang in seinem Werk weiter aus: Messenger, Blitzkrieg, 2000. 193 Zitiert in: Liddell Hart, Foch, 1980, S. 249. Zu Fochs Besuch im italienischen Hauptquartier in Treviso am 30.10.1917: Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 409, v. a. Fußnote 1. 194 Siehe auch das Werk des italienischen Generals Capello, Luigi: Caporetto (Englische Übersetzung), Washington 1932.

VI. Abschließende Bemerkungen zur zwöften Isonzoschlacht

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tandis que pressaient les événements, les chefs les meilleurs, ceux dont l’énergie était éprouvée, furent impuissants à réagir.“195

Dass die überwiegend kopflose Flucht der italienischen Armee mehr auf Panik als auf eine reelle Bedrohung zurückzuführen war, veranschaulicht auch die im Verhältnis zur Größe der Offensive relativ geringe Zahl der Toten. So gab es auf italienischer Seite 10.000 Tote, während bei den Mittelmächten circa 1000 Tote zu beklagen waren. Dass 85 Prozent der italienischen Verluste Soldaten in Gefangenschaft waren, „[. . .] ist ein Indiz dafür, wie vollständig die italienische Moral zusammengebrochen war.“196 Als die österreichischen Offiziere Karfreit erreicht hatten, wussten sie noch nicht, welche Bedeutung die Einnahme dieses Ortes haben sollte; nicht nur die Italiener, sondern auch die ehemaligen Alliierten haben der Schlacht den Namen des Ortes verliehen: Kobarid/Caporetto/Karfreit sind Synonyme für die Einkesselung aller italienischen Truppen zwischen Flitsch/Bovec und Tolmein und stehen für eine der bedeutendsten Niederlagen der westlichen Alliierten. Nicht mehr die Fakten der zwölften Isonzoschlacht sind heute präsent, sondern ein fast schon mythisch erhöhtes Bild einer Schlacht. Unaufhaltsames Vorstürmen und Opfermut dominieren die eine Seite, kontrastiert von dem Bild militärischer Inkompetenz, Massendesertionen und daraus resultierender Dezimierungen. Hemingways Verkaufsschlager ‚A Farewell to Arms‘ (deutsch: In einem anderen Land) tat ein Übriges, um den Albtraum der Panik und das Bild der fliehenden Italiener auch in die Lesezimmer eines am Ersten Weltkrieg zwar wenig aber dafür literarisch interessierten Publikums zu transportieren. Doch Karfreit war nicht nur eine Niederlage auf dem Schlachtfeld, es sollte für Italien zu einem Schlüsselereignis in diesem Krieg werden. Der alte Streit flammte wieder auf, der schon früher zwischen den Kriegsbefürwortern und den Anhängern einer neutralen Haltung Italiens gewütet hatte. Man sah sich nun gezwungen, die Strategie einer ‚Offensive um jeden Preis‘ zu überdenken. Die Konsequenzen dieser Niederlage führten auf dem militärischen Sektor zu der – von den Alliierten geforderten – Ablösung General Cadornas.197 Er wurde am 8. November seines Postens enthoben 195

Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 395. David, Saul: Die größten Fehlschläge der Militärgeschichte. Von der Schlacht im Teutoburger Wald bis zur Operation Desert Storm, München 2003, S. 337. 197 Vgl.: Simcˇicˇ, Schlachten am Isonzo, 2003, S. 205. Cadorna teilte das Los seiner Kollegen Conrad von Hötzendorf und Falkenhayn. Man fühlt sich ein wenig an Machiavellis Ausspruch erinnert: „Erfährt das Volk, das den Sieg als gewiß voraussetzte, die Niederlage, so schiebt es die Schuld weder auf das Schicksal, noch auf das Unvermögen des Führers, sondern auf seine Bosheit und Unwissenheit und läßt ihn dann meist hinrichten oder einkerkern, oder es schickt ihn in die Verbannung, wie es zahllosen Karthagischen und vielen athe196

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H. Das ‚Wunder‘ von Karfreit – Ausbruch aus dem Gebirge

und durch General Armando Diaz ersetzt.198 Graf Cadorna verließ seinen Posten mit reichlicher Selbstzufriedenheit.199 Es fiel der Armee nicht sehr schwer, sich von ihm zu trennen. Die Rolle des ‚Sündenbocks‘, die er zu übernehmen hatte, wurde vor allem von jenen nicht bestritten, die er mit seiner drakonischen Strenge bedrückt hatte. Er war unfähig gewesen, Verdienste seiner Truppe und seiner Unterführer zu würdigen oder zu loben. Tadel war hingegen sein bevorzugtes Instrument. Die Zahl seiner Fürsprecher hielt sich demnach in engen Grenzen. Auch das politische Leben wurde durch die Niederlage von Caporetto geprägt, da eine neue Regierung gebildet wurde.200 Für Österreich war der Erfolg ein klassischer Pyrrhussieg. Das ‚Wunder von Karfreit‘ ebnete den Weg in die Katastrophe: Die Monarchie hatte nicht die Versorgungsmittel für eine dermaßen große Zahl an Kriegsgefangenen, die Güterwägen wurden erneut für den Transport von Kriegsmaterial und Soldaten eingesetzt, in den Städten der Monarchie fehlten Heiz- und Nahrungsmittel. Schon am 30. Oktober hatte der Pester Lloyd noch ungläubig aber hoffnungsvoll geschrieben: „Soll es wahr sein, dass die Hölle der Höllen ausgeglüht ist? Wahr, dass der Kessel zertrümmert liegt, in dem der Krieg in seiner stärksten Konzentration brodelte? Wahr, dass der Tod nicht mehr bei Tag und Nacht über die Leiber von Brüdern schreitet, die die Atmungswege unseres Landes mit ihrem Tode verteidigten? Ist die Isonzofront wirklich ein historischer Begriff geworden?“201

Der Höllenschlund am Isonzo hatte sich geschlossen aber neue taten sich auf. Die Front an dem Piave, die Brennpunkte des Kampfes am Monte Pasubio und im Grappamassiv standen der Brutalität am Isonzo in nichts nach.202 Der Halt an dem Piave hatte aus dem größten Sieg der K. u. k. Wehrmacht einen rein taktischen Erfolg werden lassen, der auf den Ausgang des Weltkrieges keinen ausschlaggebenden Einfluss mehr entfalten konnte.

nischen Feldherrn erging.“ Machiavelli, Niccolò: Politische Betrachtungen über die alte und die italienische Geschichte (herausgegeben von Erwin Faul, Klassiker der Politik Bd. 2), Köln/Opladen 1965, S. 118. 198 Der ‚Blaue Brief‘ des Kriegsministers Alfieri an Cadorna in: Wiener Allgemeine Zeitung, Nr. 11873, 12.11.1917. Cadorna wurde später von Mussollini voll rehabilitiert und 1924 gleichzeitig mit Diaz zum Feldmarschall ernannt. 199 Vgl.: Kuhl, Weltkrieg II, 1929, S. 213. 200 Siehe hierzu: Clark, Martin: Modern Italy 1871–1982 (Longman History of Italy Bd. 7), London/New York 1984, S. 195 f. 201 Pester Lloyd Nr. 268, Budapest 30.10.1917, S. 4. 202 Vgl. auch: Gschliesser, Oswald von: Totenmesse auf dem Pasubio, in: ders.: Tirol-Österreich, 1965, S. 180–182.

Ich denke daran, daß diese schmale Tür, durch die „Militärpersonen“ auf den Bahnsteig gelangen, seit vier Jahren ein Ofenloch ist, in das immer wieder, immer wieder Lebendes als Heizmaterial hineingeschaufelt wird: das Feuer zu nähren, an dem der Friede kocht und nicht gar werden will. (Alfred Polgar: Musterung)1

I. Dem Ende entgegen – Das letzte Kriegsjahr I. Die gesamt-(militärische) Lage zu Beginn des Jahres 1918 Die Mittelmächte gingen positiv gestimmt in das neue Jahr. Oberflächlich betrachtet schien das Jahr 1917 für die Mittelmächte erfolgreich ausgegangen zu sein. Speziell im Osten wie an der Südfront hatten die Verbündeten beachtliche Erfolge erzielen können. Die Planungen für weitere militärische Aktionen waren weitgehend abgeschlossen und viele erwarteten, dass man den 1917 so erfolgreich verlaufenen Krieg einfach im neuen Jahr zu Ende bringen könnte. Problematisch war allerdings das wirtschaftliche Potential der Verbündeten, das bereits extrem ausgeschöpft war, und auch die Widerstandskraft der teilweise schon hungernden Zivilbevölkerung ließ immer stärker nach. Obwohl die Streitkräfte immer besser versorgt wurden als die Bevölkerung, machten sich auch hier zunehmende Ausfälle bemerkbar. Das sollte sich ganz deutlich am Scheitern der letzten österreichisch-ungarischen Offensive im Juni 1918 zeigen. Bei den beiden Verbündeten Türkei und Bulgarien war der Zusammenbruch nur eine Frage der Zeit. Der seit dem Frühjahr 1918 wirksame Kriegseintritt der USA beschleunigte die Entscheidung zugunsten der Entente. Die Ausgangslage war Anfang 1918 für die Mittelmächte also schwierig, aber nicht ganz ungünstig. Es gab in Europa – wie auch schon 1917 – vier Kriegsschauplätze: Den westlichen (französischen), Norditalien, Mazedonien und den östlichen. In Osteuropa und im türkisch-russischen Grenzgebiet am Kaukasus herrschte infolge der Brest-Litowsker Verhandlungen Waffenruhe. Die DOHL und das österreichisch-ungarische AOK hatten bereits im Dezember 1917 begonnen, Truppen aus dem Osten nach Westeuropa beziehungsweise Norditalien zu verlegen, um dort Angriffsoperationen vorzubereiten. Im Falle der zwölften Isonzoschlacht konnten diese be1 Polgar, Alfred: Musterung. Kleine Schriften Band 1, Reinbek bei Hamburg 2004, S. 43. Erstveröffentlichung des Artikels Bahnhof, dem dieses Zitat entnommen ist, im Prager Tagblatt vom 21.07.1918.

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I. Dem Ende entgegen – Das letzte Kriegsjahr

reits positiv abgeschlossen werden. Nach wie vor standen sich im Irak und in Palästina englische und türkische Truppen gegenüber. In den Erwägungen der strategischen Führungsorgane Deutschlands, Frankreichs und Englands galt weiterhin die westliche Kampfzone als der Hauptkriegsschauplatz. Die Ententestreitkräfte waren dort – trotz der 1917 fehlgeschlagenen Offensiven – im Besitz der strategischen Initiative. In den militärischen Führungskreisen der Entente war allerdings umstritten, ob es 1918 auf dem westlichen Kriegsschauplatz möglich sei, den deutschen Armeen eine kriegsentscheidende und damit endgültige Niederlage beizubringen. Demgegenüber hielten es führende Vertreter der DOHL durchaus für möglich, im Frühjahr 1918 die Entente-Armeen auf diesem Kampffeld entscheidend zu schwächen, wenn nicht sogar zu schlagen.2 General Ludendorff hatte bereits am 11. November 1917 bei einer Beratung im Stab der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht die Idee für eine strategische Offensive gegen die englischen Streitkräfte an der Westfront mit einer weitreichenden Zielsetzung entwickelt.3 Angesichts des bestehenden Kräfteverhältnisses auf diesem Kriegsschauplatz war die Durchführung einer strategischen Offensive aber mit großen Risiken behaftet. Für Ludendorff stand jedoch fest, dass der Zerfall der russischen Armee und die Niederlage der italienischen Streitkräfte in Norditalien die Möglichkeit eröffnete, eine Offensive im Westen planmäßig vorzubereiten. Eine Reihe weiterer Erfolge der Mittelmächte nährte seine Hoffnung. Im zweiten Halbjahr 1917 hatten sie vier große und erfolgreiche Ausfälle aus der – metaphorisch einer belagerten Festung gleichkommenden – mitteleuropäischen Landmasse unternommen: eine Gegenoffensive in Ostgalizien mit dem Zurückwerfen der Russen über den Grenzfluss Zbrucz; eine zunächst erfolgreiche Offensive des reorganisierten rumänischen Heeres wurde durch einen im Ojtozgebiet unternommenen Gegenschlag des Südflügels der K. u. k. 1. Armee aufgefangen; an der Ostsee eroberten deutsche Truppen Riga und die davor liegenden, von den Russen besetzten Inseln und schließlich warfen im Oktober 1917 österreichisch-ungarische und deutsche Armeen die Masse des italienischen Heeres vom Isonzo bis an den Piave zurück. Die innenpolitische Lage der beiden Kaiserstaaten hatte sich schwieriger gestaltet, wobei in Deutschland die sozialen, in der Donaumonarchie die verschiedenen nationalen Probleme einen den bisherigen Leistungen, Opfern 2 Vgl. auch: Kuhl, Hermann von: Entstehung, Durchführung und Zusammenbruch der Offensive von 1918 (Die Ursachen des Deutschen Zusammenbruchs im Jahre 1918, Band 3 der 4. Reihe), Berlin 1927. 3 Vgl. Storz, Dieter: „Aber was hätte anders geschehen sollen?“ Die deutschen Offensiven an der Westfront 1918, in: Duppler, Jörg/Groß, Gerhard (Hg.): Kriegsende 1918. Ereignis, Wirkung, Nachwirkung (Beiträge zur Militärgeschichte Bd. 53), München 1999, S. 51–96, hier: S. 58 f.

I. Die gesamt-(militärische) Lage zu Beginn des Jahres 1918

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und Forderungen entsprechenden Friedensschluss erschwerten.4 Außer einigen geheimen Verhandlungen in der Schweiz und den russischen Anträgen für einen ‚Frieden ohne Annexionen und Kontributionen‘ schien einzig die am 8. Januar 1918 vom amerikanischen Präsidenten Wilson erlassene Botschaft mit den viel zitierten vierzehn Punkten eine Verhandlungsgrundlage zu bieten. In Österreich-Ungarn und in der Türkei hatten die vierzehn Punkte naturgemäß einen schweren Stand, weil sie das Weiterleben dieser Staaten bedrohten. Zwischen den Kriegszielen und Erwartungen der Westmächte, jenen Italiens und Griechenlands sowie den allerdings noch weniger klar umrissenen Forderungen der Mittelmächte verblieben so unüberbrückbare Differenzen, dass die Entscheidung weiter auf dem Schlachtfeld gesucht wurde. Die Mittelmächte standen unter Zeitdruck. Während sie Russland und Rumänien zum Frieden gezwungen und auf dem Balkan und in Italien kurze, relativ leicht zu verteidigende Fronten errichtet hatten, war es notwendig, durch eine Offensive an der am meisten gefährdeten Front, nämlich im Westen, eine Entscheidung herbeizuführen, ehe die USA mit ihrer personellen und materiellen Übermacht entscheidend eingreifen konnten. Schon als der mit aktiver Unterstützung der DOHL aus seinem Schweizer Exil nach Russland zurückgekehrte Wladimir I. Lenin im Zuge der siegreichen Oktoberrevolution die Diktatur der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte verkündete, war das Ausscheiden Russlands aus der Entente absehbar. Am 3. Dezember 1917 war es bereits zu Friedensverhandlungen mit Russland in Brest-Litowsk gekommen. Nach einer mehrwöchigen Unterbrechung dieser Verhandlungen, kam es unter dem Druck eines angedrohten neuerlichen Vormarsches der deutschen und österreichisch-ungarischen Armeen am 3. März 1918 zu einem Friedensvertrag mit Russland. Um das System der Räte (russisch der Sowjets) durchzusetzen und gegenrevolutionäre Kräfte niederzuwerfen, hatte sich Lenin schließlich gezwungen gesehen, den von der DOHL mit diktatorischer Härte durchgesetzten Friedensvertrag von Brest-Litowsk anzuerkennen. Der bisherige Hauptverhandlungsführer Leo Trotzki war bei Unterzeichnung des Friedens nicht mehr anwesend, da er sich nicht mit den harten ‚imperialistischen‘ Bedingungen abfinden konnte.5 Sowjetrussland verzichtete mit dem Vertrag auf seine Hoheitsrechte in Polen, Litauen und Kurland. Die Zukunft dieser Gebiete sollte im Einvernehmen mit den dortigen Völkern und mit dem Deutschen Reich nach dem Selbstbestimmungsrecht geregelt werden. Estland und Livland sowie das westliche (westlich des Dnjepr gelegene) Weiß-Russland blieben 4 Vgl. zu den Entwicklungen besonders in Deutschland den Aufsatz: Thoß, Bruno: Militärische Entscheidung und politisch-gesellschaftlicher Umbruch. Das Jahr 1918 in der neueren Weltkriegsforschung, in: Duppler/Groß, Kriegsende 1918, 1999, S. 17–37. 5 Vgl. Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 14.

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I. Dem Ende entgegen – Das letzte Kriegsjahr

von deutschen Truppen besetzt, die Ukraine und Finnland wurden als selbstständige Staaten anerkannt.6 Um aber die Ausbreitung bolschewistischer Strömungen in diesen nun selbständigen Ländern zu verhindern, musste die DOHL vor allem in Finnland, im Baltikum und in der Ukraine Truppen zur Niederwerfung bolschewistischer Revolutionsversuche einsetzen. So konnten trotz des Friedensvertrags mit Russland die deutschen Truppen in Frankreich nicht nennenswert verstärkt werden. Besonders entwickelte sich die Situation in der Ukraine. Die geflüchtete Kiewer Regierung, die Rada, hatte die Deutschen gegen die Bolschewiki zu Hilfe gerufen und deutsche Truppen hatten ihren Vormarsch von Kowel aus in die Ukraine eingeleitet. Österreich-Ungarn zögerte, sich an dieser Unternehmung zu beteiligen, da Kaiser Karl mit den friedensuchenden und sozialistischen Kreisen seines Landes einig war, dass der Krieg im Osten endgültig beendet sein müsse.7 Allein ein sehr pragmatischer Grund bewog das Wiener Kabinett dann doch, die Truppen zu entsenden: Die Aussicht auf ukrainisches Getreide, das die zunhemend katastrophalen Zustände in Wien lindern helfen könnte. Der in Bukarest weilende Außenminister Czernin hatte den Generalstabschef Arz telegraphisch gebeten, dem Kaiser nachdrücklich darzulegen, dass sich die Monarchie um die Früchte des mit hohen Opfern erkauften Friedensvertrages bringen würde, wenn man sich in der Ukraine nicht engagiere.8 Die Aktionen in Richtung Ukraine begannen im Februar 1918. Die K. u. k. 2. Armee erhielt am 9. Februar den Auftrag, eine Postierung einzurichten, um den Verkehr gegen die Ukraine zu überwachen. Von der italienischen Südwestfront wurden sechs Landsturmbataillone und die 21. Schützendivision in den Armeebereich verlegt.9 Aus Galizien rollten fünf deutsche Divisionen an. Am 28. Februar überschritten die ersten Divisionen die Grenzen und zogen fast unbehindert vorwärts. Anfang März war in Podolien die Linie Nowosielica–Chotin–Kameniec–Podolski erreicht und Kiew besetzt und ‚befriedet‘. Mit und längs der Eisenbahnlinien stieß die K. u. k. 2. Armee über Zmerinka gegen Odessa vor. Trotz der zum Teil schweren Gefechte gegen bolschewikische Banden erreichte die Vorhut am 12. März den Hafen von Odessa, knapp vor einer von Galaz kommenden deutschen Abteilung.10 Die österreichisch-ungarischen Truppen breiteten sich zwischen Dnjestr und Bug aus und erreichten schließlich bei Mariupol 6 Wortlaut des Vertrages (AOK, Op.geheim Nr. 1035 vom 15.02.1918) in ÖULK Bd. VII Anlageheft. 7 Vgl. Arz, Geschichte des großen Krieges, 1924, S. 234. 8 Vgl. Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 118. 9 Vgl. Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 110. 10 Vgl. den Wettlauf nach Odessa in: Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 127.

I. Die gesamt-(militärische) Lage zu Beginn des Jahres 1918

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das Azowsche Meer. Ihr Einsatzraum zwischen dem Zbrucz und dem mittleren Donez maß etwa 900 Kilometer und war 150 bis 250 Kilometer breit. Die endgültige Stärke der Besatzungsarmee betrug 7 ½ Infanterie- und vier Kavalleriedivisionen. Nördlich und südlich davon standen deutsche Truppen, die mehrfach noch gegen ‚rote‘ Verbände zu kämpfen hatten. Mitte Mai war dieser ‚Eisenbahnfeldzug‘ abgeschlossen. Das österreichisch-ungarische Generalstabswerk urteilte hierzu: „[. . .] die Bedeutung der Bahnen als Lebensnerven des feindlichen Heeres [war] nicht verkannt worden. Jetzt aber wurde das Gewinnen und Behaupten des Bahnnetzes zum Leitgedanken des operativen Handelns. Mit einer geschlossenen, festgefügten Feindfront war in der Ukraine nicht zu rechnen.“11 Feldmarschall Böhm-Ermolli wurde als Kommandant. der 2. Armee abberufen. Über die in der Ukraine stehenden Truppen, nun als Ostarmee bezeichnet, erhielt General der Infanterie Alfred Krauß das Kommando. Von seiner oft bewiesenen Tatkraft und seinem Organisationstalent wurde die rasche Ausfuhr von Rohstoffen und Lebensmitteln erwartet, wozu sich die ukrainische Regierung verpflichtet hatte. Mit ganz anderen Problemen hatte man auf dem italienischen Kriegsschauplatz zu kämpfen. Die katastrophale Niederlage Italiens im Herbst 1917 war nicht genützt worden. Dass darauf verzichtet wurde, einen Waffenstillstand oder Frieden zu erreichen, sollte sich als schwerer Fehler erweisen, denn die Entente rüstete die italienische Armee rasch wieder auf und verstärkte sie durch eigene Kontingente. So standen die Österreicher nach einer kurzen Atempause an der Südfront einem Feind gegenüber, der wieder über seine volle Kampfkraft verfügte und durch massive Verstärkungen für die Abwehr einer neuerlichen österreichisch-ungarischen Offensive gerüstet und vorbereitet war. Am 7. November 1917 wurde in Rapallo der Oberste Kriegsrat der Ententemächte gebildet. Neben einem Interalliierten Obersten Politischen Rat sollte ein ständiger militärischer Zentralausschuss agieren. Zu Teilnehmern an diesem militärischen Ausschuss wurden ernannt: General Maxime Weygand für Frankreich, General Henry Wilson für England, General Luigi Cadorna für Italien und General Tasker Bliss für Nordamerika. Um General Cadorna im italienischen Oberkommando zu ersetzen, ernannte ein königlicher Erlass am 8. November den General Armando Diaz zum Chef des Generalstabes der italienischen Armee und zu Unterchefs die Generale Pietro Badoglio und Gaetano Giardino. Der Sitz des alliierten Rates wurde nach Versailles verlegt. Es war der Vorläufer des von General Pétain schon wiederholt geforderten einheitlichen Oberkommandos. Die Generalstabschefs der Entente beschlossen auf diesem Treffen weiter, den Kampf am Piave 11

Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 120.

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I. Dem Ende entgegen – Das letzte Kriegsjahr

Fluss fortzusetzen, die Krise zu überwinden und das italienische Heer wieder aufzubauen. Die Änderungen in der Befehlskette und aufbauende Worte an die Italiener schienen geboten, denn zum selben Zeitpunkt stürmten die deutsch-österreichisch-ungarischen Truppen durch Venetien. Der K. u. k. Heeresbericht dieses Tages vermeldete: Die verbündeten Armeen des Feldmarschalls Erzherzog Eugen sind gestern in rastloser Verfolgung an die Livenza vorgestoßen. Der Feind setzte dem Überschreiten des Flusses überall heftigsten Widerstand entgegen, wurde jedoch an mehreren Stellen durch österreichisch-ungarische und deutsche Truppen geworfen und zu weiterem Rückzuge gezwungen. [. . .] Auch in den Randgebirgen des Cadore und im Primör kam es zu heftigen Zusammenstößen. Unsere Truppen bemächtigten sich wichtiger Punkte. An Gefangenen und Beute sind gestern in die Hände der Verbündeten gefallen: 1 General, 1 Divisionsstab, 2 Obersten, 170 Offiziere, 17.000 Mann, 80 Geschütze und 6 Flugzeuge. Die Gesamtzahl an Gefangenen ist auf 250.000, die der erbeuteten Geschütze auf 2.300 angewachsen.“12

Trotz dieser Zeilen darf man nicht übersehen, dass mit dem Abklingen der zwölften Isonzoschlacht und dem Halt an dem Piave die in allen Bereichen äußerst angespannte Versorgungslage keinen Spielraum mehr für größere Operationen ließ. Obwohl im Januar 1918 die Südfront insgesamt gesehen für einige Zeit stabilisiert war, reichte das militärische Potential aber keineswegs mehr für weitere Großoffensiven. Bei einer Beurteilung der Lage an der Südfront im Frühjahr 1918 muss auch in Rechnung gestellt werden, dass das Gelände die Italiener enorm begünstigte, während es einem Angreifer sehr große Hindernisse, besonders im Bereich der langen Nachschubführung, in den Weg legte. Die Kampfkraft der K. u. k. Armee war speziell infolge der Offensive im Herbst 1917 deutlich reduziert worden. Dies hätte zu Jahresbeginn 1918 allen Verantwortlichen bewusst sein müssen, zumal sich die innenpolitische Lage im Verlaufe des Krieges wesentlich ungünstiger als die militärische entwickelt hatte. Der ‚nationale Konsens‘, wie er noch während des Krieges gegen Serbien bestanden hatte, war mit zunehmender Kriegsdauer von weiten Teilen der Bevölkerung als immer fragwürdiger erkannt und aufgekündigt worden. An einen lang andauernden Weltkrieg, der von allen ungeheure Opfer verlangte, hatte zunächst kaum jemand gedacht, obwohl er durch die Bündnisautomatik, die Waffenentwicklung und die Erfahrungen beispielsweise des russisch-japanischen Krieges hätte absehbar sein können. Das Wehrpotential ÖsterreichUngarns musste daher bis zum äußersten ausgeschöpft werden. Durch die dramatisch gesunkene Nahrungsmittel-Produktion bekam auch das Hinterland rasch die Folgen des Krieges unmittelbar zu spüren. 12

In: Wiener Allgemeine Zeitung, 6 Uhr Blatt, Nr. 11870 vom 08.11.1917, S. 6.

II. Exkurs: Deutsch-österreichische Rivalitäten

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II. Exkurs: Der missverstandene Partner – Deutsch-österreichische Rivalitäten „Seit Kriegsbeginn kämpfen ansehnliche Teile unserer Wehrmacht im engsten Verbande mit deutschen Truppen. Der gemeinsame Kampf um die gleichen hohen Ziele, das innige Zusammenarbeiten auf allen Gebieten der Kriegführung haben die beiden Armeen einander viel näher gebracht, als es je bei anderen verbündeten Armeen der Fall war. Der Geist der Eintracht und Zusammengehörigkeit hat sich in einer glänzenden Reihe von Erfolgen auf dem Schlachtfelde hoch bewährt. Die Träger dieses Geistes sind die Offizierskorps. Ihre Pflicht ist es, das bestehende gute Einvernehmen zu erhalten und zu vermehren und durch volles Verständnis für die gegenseitige Eigenart jedes Hindernis zu beseitigen, das sich einem gedeihlichen Zusammenarbeiten entgegenstellt.“13

Dieser im Canaris Archiv befindliche Befehl des K. u. k. Feldzeugmeisters Krobatin stellt den Idealfall – oder sollte man sagen Wunschtraum – des gegenseitigen Verhältnisses zwischen dem deutschen und dem österreichisch-ungarischen Verbündeten dar. Dass dem nicht immer so war, zeigen die bisher gemachten Ausführungen an vielen Stellen. Wie man gesehen hat, begannen die Dissonanzen zwischen den verbündeten Mächten Deutschland und Österreich-Ungarn bereits mit der unterschiedlichen Einschätzung im Umgang mit der italienischen Neutralität 1914/1915 und setzte sich sowohl auf dem diplomatischen als auch militärischen Parkett fort. Der ehemalige deutsche Reichskanzler von Bülow äußerte noch während des Krieges: „Wir mussten wünschen, dass Österreich die immerhin nennenswerte Militärmacht, die es jetzt gegen Italien aufbietet, an der russischen Front hätte verwenden können.“14 Diese unterschwellige Abwertung, selten direkt geäußert, ist beispielhaft für die deutsche Denkweise. Vor allem unter den Militärs – wohlgemerkt beider Staaten – gärte es. Nicht nur in den Spitzenpositionen, sondern auch bei den Gemeinen. Dieses Kapitel soll nun exkurshaft auf diese Problematik eingehen. Exkurshaft deswegen, weil es auch an anderer Stelle dieser Arbeit hätte stehen können. Es war nicht so, dass die latente Rivalität im Jahr 1918 kulminiert wäre. Sie lief weiter wie bisher. Natürlich gab es Schwankungen, je nach militärischer Lage und Erfolgen beziehungsweise Misserfolgen der Bündnispartner. 13 CAN, C-9: Faszikel Waldstätten: Verlautbarung des Kriegsministeriums (Präs.Nr.4880) ‚Verkehr zwischen österr. ung. und deutschen Offizieren‘ vom 22.03.1917. Der Befehl sollte in „[. . .] vertraulicher Weise allen Offizieren zu Kenntnis“ gebracht werden. Ein analoger Befehl wurde auch von der DOHL ausgegeben. Vgl.: ibid. 14 Bülow, Deutsche Politik, Berlin 1916, S. 62.

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I. Dem Ende entgegen – Das letzte Kriegsjahr

Aus dem bereits zitierten Tagebuch des III. Regiments der Tiroler Landesschützen/Kaiserschützen ist eine Episode besonders aufschlussreich für das Verhältnis der Verbündeten. Ein unbekannter Soldat schildert in dem Kriegstagebuch einen Verlegungsmarsch im Mai 1915 an der Ostfront: „Bei diesem Marsche kamen wir auch mit deutschen Truppen zusammen. Der Mundart nach waren es Bayern, Württemberger und Sachsen. Sie begrüßten uns mit einem ‚Grüß Gott, Kamerad‘ und zeigten uns gegenüber eine brüderliche Harmonie. Kamen wir aber zu preußischen Truppen, die rissen ihre Mäuler gleich bis zu den Ohren auf und übersudelten uns mit allerlei verächtlichen Äußerungen. Meistens machten uns die den Vorwurf, sie müssten kommen, um uns aus der Scheisse zu reißen. Solche Bemerkungen taten uns Österreichern bitter weh, da wir doch wussten, dass österreichische Truppen in Russisch-Polen Schulter an Schulter mit den Deutschen tapfer kämpften und bluteten, viel österreichische Artillerie an der französischen Front ihre stolze Pflicht tut, aber ich glaube kaum, dass sich jemals ein deutscher Soldat seinen deutschen Brüdern gegenüber solcher verächtlicher Ausdrücke bedient hätte. Es kam nicht nur einmal vor, dass wir uns eine Stellung blutig erkämpft, sie schön ausgebaut und befestigt haben und dann kommt der Preuße und hockt sich bemächlich [sic] hinein. Und wir – wir mussten wo anders wieder von Frischem beginnen.“15

Diese Zweiteilung in preußische Truppen auf der einen Seite und süddeutsche Truppen wie die Bayern, die Württemberger und auch die Sachsen auf der anderen Seite findet sich in vielen Schilderungen. Sie sollte letztlich auch dafür verantwortlich sein, dass die Zusammenarbeit an der italienischen Front gut funktionierte und auch Erfolge zeitigte. An der Südwestfront waren zum überwiegenden Teil süddeutsche Truppen eingesetzt worden, sei es bei der Grenzverteidigung 1915, als das neu aufgestellte Alpenkorps zu Hilfe eilte, in dem die Bayern die zahlenmäßige Oberhand hatten, sei es in der zwölften Isonzoschlacht, als neben den Bayern auch die Württembergischen Gebirgstruppen eine große Rolle spielten. Selbstverständlich waren auch hier preußische Truppen zugegen und man kann nur annehmen, dass im allgemeinen Siegesrausch der erfolgreichen Eroberung Friauls die Animositäten untergingen. Interessanterweise finden sich relativ wenige Dokumente, in denen österreichische Militärs auf das Problem der Herabsetzung ihrer Truppen eingehen. Treffend und pointiert hat der Schriftsteller Karl Kraus die österreichische Eigenart in seinem Drama ‚Die letzten Tage der Menschheit‘ wiedergegeben. Er ließ einen österreichischen General im Kreise seiner Offiziere über die bisherigen Kriegsleistungen der K. u. k. Armee sinnieren, zu einem Zeitpunkt, als deutsche Truppen erneut die österreichisch-ungarischen Truppen in Rumänien unterstützten: 15 MILAR/MHFZ, MIL-IBK 14, Tagebuch des Kaiserschützenregimentes Nr. III 1914–1918, S. 60.

II. Exkurs: Deutsch-österreichische Rivalitäten

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„An keinem von uns, meine Herrn, is der Krieg spurlos vorübergegangen, wir können sagen, wir ham was glernt. Aber, meine Herrn, fertig sind wir noch lange nicht – da ham wir noch viel zu tun, ojeh! Wir ham Siege an unsere Fahnen geheftet, schöne Siege, das muss uns der Neid lassen, aber es is unerlässlich, dass wir fürn nächsten Krieg die Organisation bei uns einführn. Gewiss, wir ham Talente in Hülle und Fülle, aber uns fehlt die Organisation. Es müsste der Ehrgeiz von einem jeden von Ihnen sein, die Organisation bei uns einzuführn. Schaun S’ meine Herrn, da können S’ sagen was Sie wolln gegen die Deutschen – eines muss ihnen der Neid lassen, sie ham halt doch die Organisation – ich sag immer und darauf halt ich: wenn nur a bisserl a Organisation bei uns wär, nacher gingets schon – aber so, was uns fehlt, is halt doch die Organisation. Das ham die Deutschen vor uns voraus, das muss ihnen der Neid lassen. Gewiss, auch wir ham vor ihnen manches voraus, zum Beispiel das gewisse Etwas, den Schan, das Schenesequa, die Gemütlichkeit, das muss uns der Neid lassen – aber wenn wir in einer Schlamastik sind, da kommen halt die Deutschen mit ihnerer Organisation [. . .].“16

Im Gegensatz zu diesem moderaten Selbsteingeständnis scheint die Herabsetzung der österreichisch-ungarischen Soldaten in den Akten der reichsdeutschen Truppen geradezu omnipräsent. Stets ist ein Wort der Verniedlichung, des Lächerlichmachens zu finden. Schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt des Weltkrieges finden sich im Schriftwechsel des bevollmächtigten deutschen Generals Freiherr von Freytag-Loringhoven im österreichischungarischen Hauptquartier mit dem Chef des Generalstabs des Feldheeres einige dieser Bemerkungen. Am 27. November 1914 schreibt er: „Ew. Exzl. [Ehrenwerte Exzellenz, damals war bereits Erich von Falkenhayn gemeint, Anm. d. Verf.] sind durch meine telegraphischen und schriftlichen Berichte hinreichend darüber unterrichtet, dass der ö. u. Armee keine Angriffskraft innewohnt. Das K. u. k. Heer scheint mürbe, so dass selbst seine Defensivkraft nicht mehr all zu hoch [zu] bewerten ist.“17 Er spricht weiter von „[. . .] Märchen unserer Verbündeten“ denen man sich „[. . .] willführig [sic] gezeigt [. . .]“ habe.18 In diesem speziellen Fall macht Freytag-Loringhoven die geringe Widerstandsfähigkeit in der Schwäche der Mannschaftsstände aus. Die Divisionen zählten nur 5.000–7.000 Mann und auch der Mangel an Offizieren sei eine große „Kalamität“.19 In seinem abschließenden Bericht über seine Tätigkeit im Oberkommando der verbündeten Armeen urteilt er: „Die K. u. k. Armee war ihrem Wesen nach, infolge mannigfacher im Frieden begangener Unterlassungen, vor allem bei ihrer unzureichenden und zum Teil veralteten Geschützausrüstung, nicht geeignet, eine entscheidende 16

Kraus, Die letzten Tage, 1986, Akt II Szene 27, S. 296. BA-MA, PH 3 Nr. 328: Bericht an den Chef des Generalstabes des Feldheeres, Teschen am 27.11.1914. 18 BA-MA, PH 3 Nr. 328. 19 BA-MA, PH 3 Nr. 328. 17

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I. Dem Ende entgegen – Das letzte Kriegsjahr

Offensive gegen eine Ueberlegenheit, selbst nicht den Russen gegenüber durchzuführen. Der kraftvolle Wille der Heeresleitung verdient aber hervorgehoben zu werden.“20 Die deutschen Spitzenmilitärs hatten von jeher keinen großen Respekt vor der K. u. k. Armee. Verstärkt wurde dieser Eindruck in den circa 30 bis 40 Jahren vor 1914, als die österreichisch-ungarische Wehrmacht sich kaum an den Rüstungswettläufen der europäischen Mächte beteiligte. Ausgenommen von der Diskussion sei hier allerdings die Frage der K. u. k. Kriegsmarine. Während in Deutschland und den dem Dreibund gegenüberstehenden Mächten in den Jahren 1874 bis 1913 moderate aber doch kontinuierliche Steigerungen in der Heeresverstärkung und im Budget zu verzeichnen waren, geschah in Österreich-Ungarn bis 1912 nichts dergleichen. Weder für das K. u. k gemeinsame Heer, noch für die beiden Landwehren (K. k. und Honvéd). In einer Denkschrift des Jahres 1919 der Abteilung Fremde Heere im deutschen Generalstab wird auf diese Zeit zurück geblickt: „Die Zustände im Heere waren so unhaltbar geworden, es fehlte dem Heere derart an Fleisch und Blut, nämlich Menschen, dass das Wort des Kriegsministers von Schönaich aus dem Jahre 1908 ‚die Armee verdorrt‘ im vollsten Umfange zu Recht gesagt war.“21 Als unabdingbare Folge ergab sich für den Autor der Studie, immer auch mit einem apologetischen Hintergrund: „Der Wert eines solchen Bundesgenossen für Deutschland musste natürlich im Hinblick auf die Rüstungen aller andern europäischen Staaten gering erscheinen.“22 Nicht nur die Militärs waren wenig begeistert von ihren Bundesgenossen, auch auf der Straße gab es – durchaus handfeste – Proteste. Der K. u. k. Rittmeister Hugo von Lustig, Vertreter des österreichisch-ungarischen Kriegsministeriums in Berlin, ließ sogar polizeiliche Ermittlungen einleiten. Am 4. oder 5. Oktober 1915 – zu einem Zeitpunkt, als das deutsche Alpenkorps kurz vor seinem Abzug aus Tirol stand – hatten in Berlin Passanten einen K. u. k. Husarenoberleutnant in Uniform „[. . .] attackiert und beschimpft.“23 Bemerkungen seien gefallen, die von Schweinereien und wertlosen österreichischen Offizieren handelten. Wahrscheinlich waren das aber noch die harmlosesten Ausrufe. Von Lustig unterrichtete von diesem Vorfall erst das österreichisch-ungarische Kriegsministerium, dann den Großen Ge20

BA-MA, PH 3 Nr. 328. BA-MA, PH 3 Nr. 125: Grosser Generalstab, Abteilung Fremde Heere (Major Janssen): Denkschriften über die Kriegsrüstungen Deutschlands, Oesterreich-Ungarns und der feindlichen Staaten, verfasst 1919, hier: „Denkschrift über ÖsterreichUngarn“. 22 BA-MA, PH 3 Nr. 125: Denkschrift Österreich-Ungarn. 23 PAA, R 8625: Rittmeister von Lustig an den Großen Generalstab in Berlin, Nr. 9001 am 09.10.1915 (Abschrift zu Nr. 3557/15.KKM). 21

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neralstab in Berlin, der wiederum die polizeilichen Ermittlungen einleitete und schließlich zurückmeldete, dass diese „ergebnislos“ verlaufen seien.24 Deutscherseits war man sich zu einem gewissen Teil sogar bewusst, die schlechte österreichische Stimmung selbst verschuldet zu haben. Dennoch spricht aus fast allen Berichten eine – in unseren heutigen Augen – ungeheure Ignoranz und Überheblichkeit. Sehr treffend beschreibt der bayerische Botschafter in Wien, Freiherr von Tucher, die Lage in einem Bericht vom Juli 1917, in dem er der schlechten Stimmung gegen Deutschland Ausdruck verleiht: „Die Begeisterung, welche zu Anfang des Krieges für den deutschen Bundesgenossen herrschte, ist nach und nach recht gemischten Gefühlen gewichen, welche zum Teil durch den Umstand gezeitigt wurden, dass die zahlreichen Misserfolge der österreichisch-ungarischen Armee die vielfache Einmischung der deutschen Heeresleitung nötig machten. Rief man hier auch im Anfang nach dieser Hilfe und freute sich des starken Bundesgenossen, so schlich sich mit der Zeit die gekränkte Eitelkeit ein und es ist nicht zu leugnen, dass durch die schroffe und geringschätzige Behandlung der österreichisch-ungarischen Kameraden durch norddeutsche Offiziere und Mannschaften nach und nach eine arge Missstimmung groß gezogen worden ist und zu einer in diesem Maße immerhin ungerechtfertigten Verallgemeinerung solcher Gefühle geführt hat.“25

Von Tucher bezieht sich aber nicht nur auf die fast schon deutschfeindlich zu nennende Stimmung in Militärkreisen, sondern er konstatiert eine solche auch in Handelskreisen und in den höheren Gesellschaftsschichten. Sogar in Ungarn sei dies der Fall, wo doch in früheren Jahren die Stimmung den Deutschen gegenüber günstiger gewesen sei als gegenüber den Österreichern. Man könne öfter hören, „[. . .] dass deutsche Unternehmer und Geschäftsleute, welche in Österreich ihre alten Beziehungen aufrechterhalten wollen, auf Misstrauen stoßen und der Frage begegnen: sind Sie deutsch? Aber auch im Volke und den verschiedenen Gesellschaftskreisen bis in die höchsten hinauf kann man gleichen Gefühlen begegnen und sieht sich veranlasst, mehr wie früher in seinen Äußerungen vorsichtig zu sein und auf die gegenwärtige Empfindlichkeit Rücksicht zu nehmen.“26 Und dann folgt wieder dieser relativ häufig anzutreffende Satz: „Erfreulicherweise erstrecken sich diese wenig freundlichen Gefühle nicht auf die Bayern und kann man immer hören, dass diese im Gegensatz zu Deutschen = Norddeutschen sich noch recht lebhafter Sympathien erfreuen.“27 Ein 24 PAA, R 8625: Kriegsministerium Nr. 3659/15GKM., Berlin am 23.10.1915, Meldung des Polizeipräsidenten von Berlin. 25 BayHStA, MA III-Nr. 2481/5: Bericht Nr. 450/XXII; Wien am 11. Juli 1917. 26 BayHStA, MA III-Nr. 2481/5: Bericht Nr. 450/XXII; Wien am 11. Juli 1917. 27 BayHStA, MA III-Nr. 2481/5: Bericht Nr. 450/XXII; Wien am 11. Juli 1917.

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Aspekt, der von Tucher im Hinblick auf bayerische Handels- und Industriebeziehungen mit Österreich natürlich mit größter Freude erfüllte.28 Auch der deutsche Botschafter in Wien, von Wedel, schlug im September 1917 Alarm. Er meldete nach Berlin, dass er zwar der Letzte sei, „[. . .] der die teilweise Berechtigung der Vorwürfe abstreiten möchte [. . .]“ aber er sah bereits Gefahren für die zukünftige Zusammenarbeit erwachsen.29 Wenn sich nämlich diese schlechte Meinung weiter ungehindert verbreiten könne, „[. . .] und sich auch bei der urteilslosen Masse des Volkes mehr und mehr festsetzt, so muss sie zu einer völligen Vergiftung der Stimmung gegen unseren engsten Bundesgenossen führen [. . .].“30 Von Wedel schlug also vor, solange noch Zeit sei, auf die vielfach übertriebene Kritik mäßigend einzuwirken. Wie er dabei genau vorgehen wollte, ließ er weitestgehend im Unklaren. Eventuell sollte die DOHL eingreifen oder man könne sich der Presse bedienen, die „[. . .] durch Verbreitung anerkennender Urteile seitens neutraler Fachmänner [. . .]“ in dieser Richtung wirken solle.31 Ein Exemplum fügte er bei, nämlich einen Ausschnitt aus den Basler Nachrichten, in dem der bereits genannte Schweizer Oberst Karl Egli lobende Worte über den österreichisch-ungarischen Soldaten sprach.32 In bayerischen Kreisen war man ebenso alarmiert über das katastrophale Ansehen der Deutschen im Auslande. Der bayerische Graf Karl von Bothmer unternahm Ende Mai 1917 eine Reise nach Wien, über die er auch in der von ihm mitgegründeten Zeitschrift ‚Die Wirklichkeit. Deutsche Zeitung für Ordnung und Recht‘ einen Artikel schrieb. Zuvor gelangte jedoch eine Abschrift seines ausführlichen Reiseberichtes, der für den Kabinettschef des bayerischen Königs bestimmt war, an den deutschen Botschafter in Wien, der ihn nach Berlin weiterleitete mit dem Ratschlag, die Unterlagen „[. . .] aus dem Geschäftsgange herauszuhalten und nur den obersten massgebenden Stellen der Reichs- und Heeresleitung zur Kenntnis zu bringen, da ein 28 Trotzdem fand von Tucher einen Grund zur Klage, diesmal aber innerdeutsch. Er beklagte sich über bayerisch-preußische Konflikte, die auf dem österreichischen Schauplatz ausgetragen werden: „Von Norddeutschland wird mit Macht durch große Organisationen, wie Hamburg-Amerika-Linie und Norddeutscher Lloyd, gearbeitet, um die Beziehungen zur Donaumonarchie und dem Balkan auszudehnen, so daß oft süddeutsche Bewerber, die weniger kapitalkräftig sind, wie mir wiederholt geklagt wurde, leer ausgehen und dem starken Konkurrenten weichen müssen.“ In: BayHStA, MA III-Nr. 2481/5: Bericht Nr. 450/XXII; Wien am 11. Juli 1917. 29 PAA, R 8625, Bericht von Wedel Nr. 277, Wien am 12. September 1917. 30 PAA, R 8625, Bericht von Wedel Nr. 277, Wien am 12. September 1917. 31 PAA, R 8625, Bericht von Wedel Nr. 277, Wien am 12. September 1917. 32 PAA, R 8625, Anlage zum Bericht von Wedel Nr. 277, Wien am 12. September 1917. Der Zeitungsausschnitt ist überschrieben: „Der österreichisch-ungarische Soldat. Urteile eines Schweizer Offiziers.“ Basler Nachrichten vom 10. September 1917.

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Durchsickern unserer Beurteilung der hiesigen Verhältnisse im Interesse der Sache besser zu vermeiden sein würde.“33 Graf Bothmer hatte den Auftrag, in Wien die deutsche und nationale Presse von den eigentlichen Verhältnissen in Deutschland zu unterrichten und ‚gut Wetter zu machen‘. Er unterhielt sich mit Vertretern unterschiedlichster Couleur, mit klerikalen, tschechischen, magyarischen und südslawischen Kreisen und sah sich plötzlich vor größere Probleme gestellt als zunächst erwartet. Er erkannte einen besonderen, diese unterschiedlichen Gruppierungen vereinenden Zug: „In den drei Jahren des Krieges ist es der politischen Führung des Reiches gelungen, das unbegrenzte Vertrauen der weitesten Kreise der Donaumonarchie in die Kraft und die Fähigkeit des deutschen Reiches zu verzehren und heute einen Zustand herbeizuführen, der hart an der Grenze der inneren Entfremdung, des restlosen Misstrauens und zunehmender Spannung sich befindet.“34

Graf Bothmer schiebt also sehr eindeutig die Schuld für das schlechte Ansehen der Deutschen in Österreich dem Deutschen Reich selber zu. Eine Haltung, die er in dem schon erwähnten Artikel in seiner Zeitschrift wiederholte und festigte, was zu großen Anfeindungen ihm gegenüber führte und ihn in große Konflikte mit der Präventivzensur brachte.35 Von Bothmer kam in seinem Geheimbericht zu dem Schluss: „Wer die tieferen Zusammenhänge richtig erkennt, muss sehen, dass die heutige Haltung der Wiener Staatsregierung tatsächlich nur von Staatsnotwendigkeiten diktiert wird. Diese Staatsnotwendigkeiten dürfen von Deutschland aus nicht verletzt und missachtet werden, wenn das gegenseitige Verhältnis und gute Einvernehmen nicht endgültig in die Brüche gehen soll.“36 Es gab wenige, die sich der Erfolge und Hilfe Österreich-Ungarns bewusst gewesen wären. In einem Protokoll eines württembergischen Abgeordneten steht der treffende Satz: „Wer die Leistungen Österreich-Ungarns im Weltkriege vom deutschen Standpunkt für ungenügend hält, stelle sich für einen Moment vor, dass Deutschland 33 PAA, Kaiserliche Deutsche Botschaft Wien – Geheimakten 1853–1918: Band 8-I: Ganz geheime Sachen III 1913–1922, Begleitschreiben zum Bericht von Bothmers. 34 PAA, Kaiserliche Deutsche Botschaft Wien – Geheimakten 1853–1918: Band 8-I: Ganz geheime Sachen III 1913–1922, ‚Bericht des Herausgebers der Wirklichkeit Graf von Bothmer – München an den Kabinettschef S. M. des Königs von Bayern über seine Reise nach Wien in der Zeit vom 23. Mai bis 1. Juni 1917.‘. 35 Bothmer, Karl von: Quo vadis, Bavaria? Eine Betrachtung über Bayern, Österreich-Ungarn und das Reich, in: Die Wirklichkeit. Deutsche Zeitung für Ordnung und Recht, Heft 16 (1917), S. 353–375. Zur Zensur und dem Vorfall auch das Schreiben des deutschen Vertreters in München, von Treutlers, in: PAA, R 2771, Kgl. Preußische Gesandtschaft München Nr. 132 am 09.07.1917. 36 PAA, Kaiserliche Deutsche Botschaft Wien – Geheimakten 1853–1918: Band 8-I: Ganz geheime Sachen III 1913–1922, Bericht Graf von Bothmers.

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den Weltkrieg allein durchzufechten gehabt hätte. Sicher wären dann die Russen heute längst in Berlin, die belgischen und französischen Festungen ohne die österreichisch-ungarischen Motormörser nicht so erstaunlich rasch bezwungen usw.“37

Klarer und eindringlicher konnte man das Problem gar nicht beschreiben. Ein weiteres herausragendes Beispiel im Sinne einer schonungslosen Direktheit sind die streng geheimen ‚Mitteilungen über das österreichischungarische Heer‘ vom Juli 1918, herausgegeben vom deutschen Chef des Generalstabes des Feldheeres. Sie waren mit so sensiblen Informationen gespickt, dass sie handschriftlich durchnummeriert wurden (vorliegend Exemplar Nr. 249) und auf der ersten Seite die Warnung prangte: „Empfänger haftet dafür, dass nur unbedingt Notwendiges weitergegeben wird und nichts zur Kenntnis österreich-ungarischer Offiziere und Mannschaften gelangt.“38 Schon die erste inhaltliche Zeile spricht einer kameradschaftlichen Gleichbehandlung Hohn: „Das österreichisch-ungarische Heer darf nicht nach deutschem Maß gemessen werden.“ Es folgt auch gleich die Begründung, warum dies so sei, und zwar ergäben sich aus der „[. . .] nationalen Buntscheckigkeit der Monarchie“ Schwierigkeiten, die oft mit militärischen Mitteln nicht zu überwinden seien und deshalb Abweichungen von preußisch-deutschen Grundsätzen erfordern.39 Die Begründung war zweifellos richtig, aber in den wenigsten Dokumenten zeigt sich, dass die deutschen Militärs diesen Grund auch verstanden hätten. Vielmehr ist mit einer gewissen und selten formulierten Unterschwelligkeit stets ein ‚ja – aber‘ zu vernehmen. Man versuche in der Denkschrift, „[. . .] einige dem Durchschnitt anhaftende Mängel“ hervorzuheben, mit denen man rechnen müsse.40 Natürlich habe das österreichisch-ungarische Heer Großes geleistet, in den Kämpfen gegen Russland sowie in der Verteidigung und im Angriff gegen Italien, und „[. . .] tatsächlich vier Kriegsjahre durchgehalten.“41 Ein Beweis, „[. . .] dass in ihm viele tüchtige Kräfte vorhanden sind, die, verständnisvoll geweckt und gefördert, zumal innerhalb deutscher Armeen, Gutes leisten werden.“42 ‚Zumal innerhalb deutscher Armeen‘ ist wieder der Beleg für das nicht genannte ‚aber‘. 37

BWHStA, E 40/72 Büschel 704: Abschrift Nr. 4134. PAA, (Militärattaché) Wien 188 – Acta secreta v. Cramon: Mitteilungen über das österreichisch-ungarische Heer, Abteilung Fremde Heere, Nr. 13350 vom Juli 1918. 39 PAA, (Militärattaché) Wien 188 – Acta secreta v. Cramon: Mitteilungen über das öst.-ung. Heer. 40 PAA, (Militärattaché) Wien 188 – Acta secreta v. Cramon: Mitteilungen über das öst.-ung. Heer. 41 PAA, (Militärattaché) Wien 188 – Acta secreta v. Cramon: Mitteilungen über das öst.-ung. Heer. 38

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In den Mitteilungen wurde durchaus folgerichtig auf die Nationalitätenproblematik eingegangen, aber man hat oft den Eindruck, dass die deutschen Militärs ohne Lösungsansätze für die Probleme einfach auf den Bündnispartner einprügelten. Die Deutschen beschworen das Heer als zusammenhaltende Kraft des Staates, die in ihren Augen nur durch die nationale Einheitlichkeit zustande kommen könne. Sie erkannten nicht, dass die K. u. k. Armee ein integrativer Faktor in der Doppelmonarchie war. Natürlich wurden die zentrifugalen Kräfte im Laufe des Krieges immer stärker und äußerten sich dann vor allem in der Armee. Eine Sonderstellung hatte Ungarn, das sein Ziel, die selbstständige ungarische Armee, nur durch Schädigung des gemeinsamen Heeres durchzusetzen vermochte. Letztlich urteilte man durchaus realistisch: „Das Gefühl, vom Staat verlassen vor unüberwindlichen Schwierigkeiten zu stehen, erzeugte in der Armee den Geist der Resignation und Gleichgültigkeit. Im Kriege haben die staatstreuen Völker am meisten gelitten, die übrigen sich mehr und mehr in der Armee ausgedehnt.“43 Sehr aufschlussreich ist eine Auflistung, in der der Wert der Mannschaften nach Nationalität unterschieden wird. Hier ließ der deutsche Generalstab – als Herausgeber der Mitteilungen – seinen kaum begründbaren Vorurteilen freien Lauf: „Die Deutschen sind die besten und treusten Soldaten, körperlich und militärisch sehr gut, namentlich die aus den Grenzländern stammenden; Schlesier, Ober- und Nieder-Oesterreicher etwas weicher. Die Magyaren sind tapfer, intelligent, fleißig, in der Mehrzahl treu, nicht sehr zäh, erregbar, auch Depressionen zugänglich; im ganzen sehr gute Soldaten. Die Kroaten sind gute Soldaten, treu, tapfer, etwas schwerfällig. Die Bosniaken sind gute Soldaten, tollkühn, unentwickelt; sie brauchen eine feste Führung. Die Slovenen sind ausdauernd, tapfer, intelligent, bisher sehr gute Soldaten, doch infolge südslavischer Propaganda nicht mehr unbedingt zuverlässig. Die österr. Polen sind gute Soldaten, tapfer, treu, etwas weich; begeisterungsfähig, im Angriff besser als in der Verteidigung; die Industriepolen körperlich schwach. Die Slowaken sind tapfer, intelligent, bisher gute Soldaten, von den Tschechen sehr ungünstig beeinflusst. Die Ruthenen sind weich, geistig tiefstehend, nicht zuverlässig, versagen eher in Verteidigung als im Angriff. 42 PAA, (Militärattaché) Wien 188 – Acta secreta v. Cramon: Mitteilungen über das öst.-ung. Heer. 43 PAA, (Militärattaché) Wien 188 – Acta secreta v. Cramon: Mitteilungen über das öst.-ung. Heer.

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Die Rumänen sind zum Teil körperlich und geistig minderwertig, im Allgemeinen unzuverlässig, schlechte Soldaten. Die Serben sind leistungsfähig, an sich gute Soldaten, doch politisch unzuverlässig. Die Italiener sind schlechte Soldaten, unzuverlässig. Die Tschechen sind an sich gute Soldaten, intelligent, tapfer, aber offen reichsfeindlich, militärisch und politisch das gefährlichste Element.“44

Für alle diese ‚Vorurteile‘, die in manchen Fällen zutreffen mögen, gab es sicher ebenso viele Fälle, die ihre Richtigkeit widerlegen. Beispielsweise das Urteil über die italienischen Soldaten entbehrt jeder Grundlage. Man brauche sich nur anzusehen, wie tapfer und loyal die italienischsprachigen Soldaten in den Landesschützen/Kaiserschützenregimentern oder in den Standschützenbataillonen kämpften. Ein weiterer Stein des Anstoßes war für die deutsche Seite die Truppenführung. Der K. u. k. Offizier genügte in vielen Dingen nicht den strengen preußischen Maßstäben. Hierüber gab ein Dokument des deutschen bevollmächtigten Generals in Wien, General von Cramon, Auskunft. Von Cramon war an der Abfassung der bereits zitierten Mitteilungen sicher beteiligt, da er als ausgewiesener Kenner der österreichisch-ungarischen Militärverhältnisse galt. Umso interessanter seine persönliche Sichtweise. Der General hatte bereits im November 1915 eine Denkschrift aufgezeichnet, die sich mit einer eventuellen Militärkonvention zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn nach dem Kriege beschäftigte. Natürlich war auch dieses Schriftstück streng geheim. Er stützte sich bei seinen Ausführungen sowohl auf seine Eindrücke, die er als deutscher General beim K. u. k. Heer gewonnen hatte, als auch auf Berichte des deutschen Militärattachés Oberstleutnant Graf von Kageneck, der bis zu diesem Zeitpunkt bereits acht Jahre in Wien verbracht hatte. In seiner allgemeinen Beurteilung der Truppenführer und Offiziere kam von Cramon zu dem Schluss: „Der K. und k. Offizier ist im Allgemeinen weich, seine Gemütlichkeit, wenn ich so sagen darf, und seine Liebenswürdigkeit sind sprichwörtlich. Schon in Frieden wohl nicht daran gewöhnt, besondere Anforderungen an sich selbst zu stellen, hat er diese Eigenschaft ins Feld mitgenommen, sie mehr oder weniger beibehalten und verlangt infolge dessen auch von seinen Untergebenen in der Regel keine, über das Maß des Gewöhnlichen hinausgehende Leistung. Man ist häufig mit einem Minimum von Erfolgen zufrieden, neigt zu Überschätzung des Gegners, seiner Stärke und seiner Verteidigungseinrichtungen [. . .] ja ist häufig bei Rückschlägen froh, dass nichts Schlimmeres eingetreten ist und diese falsch angewandte Bescheidenheit hat sich in dem Maße vermehrt, als im Lauf des Krieges der Wert 44 PAA, (Militärattaché) Wien 188 – Acta secreta v. Cramon: Mitteilungen über das öst.-ung. Heer.

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der Truppe gesunken ist. Der Äußerung: „Da kann man nichts machen,“ „Das lässt sich nicht ändern, nicht erzwingen, ja nicht einmal befehlen“ begegnet man an vielen Stellen, selbst bei denen, die sich der Unzulänglichkeit der Leistungen wohl bewusst sind, aber nicht die Energie finden, wirklich durchzugreifen. Dies spricht sich auch nicht selten in den Befehlen aus, die mit den Worten: „tunlichst, möglichst, ehestens usw.“ schon von Vornherein eine Handhabe für die Nichtbefolgung bieten.“45

Ergänzend hierzu wiesen die Mitteilungen an die deutschen Offiziere darauf hin, dass man sich im Verkehr mit österreichisch-ungarischen Offizieren sehr vorsichtig verhalten und artikulieren solle. Bereits ein „[. . .] kurzer sachlicher Ton, überhaupt oft schon die ungewohnte norddeutsche Sprechweise, wird als Grobheit empfunden.“46 Daher: „Liebenswürdige Behandlung ist erforderlich, da der k. u. k. Offizier, einmal verärgert, Meister im passiven Widerstand ist.“47 Als ideales Gegenüber solle man sich daher am besten einen energischen, aber gereiften und ruhigen deutschösterreichischen Offizier mit gewandten Umgangsformen suchen. Jede Ungeschicklichkeit müsse dabei „[. . .] vermieden werden, da sie sich unverhältnismäßig schwer rächt.“48 Von Cramon betonte hingegen sehr stark einen Mangel an Pflichtgefühl der sich in den meisten Fällen mit einer österreich-typischen Langsamkeit und Gemütlichkeit paare. „Die geradezu typische Gewohnheit der K. und k. Offiziere aller Grade, da wo sich die Gelegenheit bietet, Stunden im Kaffeehaus zuzubringen, auch wenn wirklich wichtige und ernste Dinge ihrer Erledigung harren, die Sucht nach geringen Marschleistungen Rasten einzulegen, wo Gewaltmärsche eine zwingende Notwendigkeit wären, ja mitunter das Schicksal des Tages davon abhängt, dass man rechtzeitig auf dem Gefechtsfelde eintrifft, das Menagieren, Retablieren, Umgruppieren, kurz vor dem Gefecht, an dessen raschem Verlauf leicht die wichtigsten Entscheidungen geknüpft sind, spricht für mein Ansicht.“49

General Cramon ging aber noch weiter, indem er nicht nur die psychische Nachlässigkeit verurteilt, sondern die Überzeugung gewann, dass die immer wiederkehrenden Klagen deutscher Truppen über das nicht rechtzeitige Eintreffen „[. . .] oft genug in der physischen Unmöglichkeit zu su45 PAA, (Militärattaché) Wien 188 – Acta secreta v. Cramon: Geheimer Entwurf Gedanken über eine Militärkonvention zwischen Deutschland und Ö. U. nach dem Kriege, J.Nr.873 Persönlich, Teschen am 10.11.1915, 18 Seiten, maschinenschriftlich. 46 PAA, (Militärattaché) Wien 188 – Acta secreta v. Cramon: Mitteilungen über das öst.-ung. Heer. 47 PAA, (Militärattaché) Wien 188 – Acta secreta v. Cramon: Mitteilungen über das öst.-ung. Heer. 48 PAA, (Militärattaché) Wien 188 – Acta secreta v. Cramon: Mitteilungen über das öst.-ung. Heer. 49 PAA, (Militärattaché) Wien 188 – Acta secreta v. Cramon: Gedanken über eine Militärkonvention.

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chen sein [. . .]“ müssten.50 General Cramon beklagte sich in seinem Memorandum – neben der schlechten physischen Leistungsfähigkeit – auch über die schlechte Ausbildung im Sinne mangelnder Rezeption bisheriger Kampferfahrung. Bei den österreichisch-ungarischen Marschbataillonen würden die Ausbildungsinhalte nicht adäquat an die Erfahrungen der Feldtruppen angepasst. Von deutscher Seite höre man laut seinen Angaben des Öfteren die Äußerung ‚die Österreicher griffen nicht an.‘ Cramon äußerte hierzu: „[. . .] dies ist wohl wahr, aber nicht immer zutreffend. Angegriffen wird schon, aber wie. Wenn man schon auf weite Entfernung infolge mangelnder Ausbildung und nicht hinreichender Geländebenutzung riesige Verluste hat, dann erlahmt, noch dazu bei weicher Führung, der Drang nach vorwärts sehr bald und daher haben wir die immer wiederkehrende Erscheinung, dass österr.-ung. Truppen im Verein mit deutschen gut mitkommen, weil sie letzte die Hauptarbeit tun lassen und dann gegebenenfalls hinterherlaufen.“51

Alles in allem sehr harte Worte eines Beobachters, der aufgrund seiner Stellung tiefe Einblicke in das Armeesystem Österreich-Ungarns erhalten hatte. Hier soll nicht über richtig oder falsch dieser Vorwürfe entschieden, sondern vielmehr ein Stimmungsbild generiert werden. Eine Stimmung die von deutscher Seite vornehmlich negativ geprägt war, mit einer großen Skepsis gegenüber den Truppen des Bundesgenossen. Die Österreicher waren sich hingegen der permanenten Herabsetzung die ihnen von den Deutschen widerfuhr bewußt. Die durchaus vielzähligen Erfolge der K. u. k. Armee wurden meistens ausgeblendet. Hier würden sich weitere mentalitätsgeschichtliche Untersuchungen empfehlen, die dieses nur exkursorisch gehaltene Kapitel sprengen würden.

III. Ein letztes Aufbäumen – Die K. u. k. Junioffensive 1918 Die Junischlacht 1918 sollte die letzte große Angriffsschlacht gegen die italienische Armee werden. Sie sollte fortsetzen, was in der zwölften Isonzoschlacht begonnen und bis an den Piavefluss geführt hatte.52 Im Zuge der Verfolgung des geschlagenen italienischen Feindes hatten die Truppen der 50 PAA, (Militärattaché) Wien 188 – Acta secreta v. Cramon: Gedanken über eine Militärkonvention. 51 PAA, (Militärattaché) Wien 188 – Acta secreta v. Cramon: Gedanken über eine Militärkonvention. 52 Überblick in: Peball, Kurt: The Piave: Austria’s last Throw, in: History of the First World War 7, London 1971, S. 2833—2838. Offizielle italienische Darstellung des Obekommandos in: Comando Supremo – Regio Esercito Italiano: La battaglia del Piave (15–23 giugno 1918), Roma 1920.

III. Ein letztes Aufbäumen – Die K. u. k. Junioffensive 1918

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1. und 2. Isonzoarmee am 9. November 1917 den Unterlauf des Piave erreicht. Sie hatten die 50 Kilometer Entfernung zwischen dem Tagliamento und dem Piave mit all den dazwischen liegenden zahlreichen Wasserhindernissen und trotz des feindlichen Widerstandes in nur vier Tagen zurückgelegt. Als sie den Piave erreicht hatten, konnten sie bereits die Italiener am gegenüberliegenden Piaveufer beim Stellungsbau beobachten. Auch die einfachen Soldaten erkannten schnell, dass dieser Fluss ein stärkeres Hindernis darstellen würde als die bisherigen Gewässer, die sie relativ problemlos bezwungen hatten. Die österreichische Heeresleitung sah sich angesichts der großen Erfolge doch veranlasst, die Fortsetzung der Offensive zu befehlen. Mit der Order vom 09.11.1917 wurde auf ein allseits energisches Anfassen so früh als möglich verwiesen. Mit diesem Befehl war die sofortige Fortsetzung des Angriffs gegen die Italiener sowohl von der Heeresgruppe FM Conrad aus dem Südtiroler Gebirge heraus als auch von der Heeresgruppe FM Boroevic´ an dem Piave gefordert worden. Hiezu war aber die Heeresgruppe FM Conrad infolge der noch nicht an der Front eingelangten Verstärkungen kaum in der Lage. Bei der Heeres Gruppe FM Boroevic´ waren es in erster Linie die stark angeschlagenen Mannschaftsstände der einzelnen Divisionen, die zuerst einer Auffrischung bedurften. Innerhalb der 1. Isonzoarmee besaßen die einzelnen Divisionen unterschiedliche Stände von 1.660 über 2.700 bis über 4.000 Mann. Als Ersatz waren aber bis 20. November für alle neun Infanteriedivisionen nur 3.000 Mann vorhanden.53 Besser stand es bei der 8. Infanteriedivision der 2. Isonzoarmee, obwohl auch bei dieser der Durchschnittsstand 5.000 Mann betrug, wobei die verfügbaren Marschformationen schon eingereiht und mitgezählt waren. Noch schwieriger war die Nachschublage. Sie war direkt durch den Grad der Benutzbarkeit der Strassen, Brücken und Bahnen bedingt. Beim unerwartet raschen Siegeszug durch Venetien waren die vielen, quer zur Angriffsrichtung fließenden Gewässer auf Notbrücken und Stegen übersetzt worden, da die Italiener alle stabilen Flussübergänge zerstört hatten. Ihre Wiederherstellung erforderte Zeit. Nicht nur diese fehlte, sondern auch Brückenmaterial und geschulte Arbeitskräfte. Ebenso ging es mit der Herstellung der Bahnverbindungen zwischen dem Hinterland und dem italienischen Bahnnetz nur langsam vorwärts. Die gestörte Bahnverbindung mit dem Hinterland machte sich auf dem Sektor der wichtigen Munitionslage äußerst belastend bemerkbar. Die großen Muni53 CAN, Karton C-5: Heinrich von Mast – „Immer wie bei Regensburg“ Regimentsgeschichte des Dragonerregimentes Nr. 4, unveröffentlichts Manuskript.

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tionsdepots der Heeresgruppe lagen im November 1917 noch hinter dem Isonzo. Ein kontinuierlicher Munitionsnachschub konnte aufgrund der Störungen nicht erfolgen, wozu in Venetien die noch nicht fertig gestellten Brücken kamen, die den Zuschub zur Front verlangsamten. Die hier kurz geschilderte Lage machte also eine sofortige Fortsetzung der erfolgreichen Isonzooffensive Ende 1917 praktisch unmöglich. Wie in dem vorhergehenden Kapitel über das Wunder von Karfreit und über die zwölfte Isonzoschlacht bereits geschildert, wurde der Vormarsch der verbündeten Armeen im Dezember 1917 eingestellt. Die Forcierung des Piave erforderte einfach eine größere zeitliche Frist. Ein operativ, wie materiell ausreichend untermauerter Aufmarsch bedurfte seiner Zeit. Erschwerend wirkten sich auch die inzwischen geänderten führungstechnischen und moralischen Verhältnisse beim Gegner aus. Die Niederlage von Karfreit war wie ein heilsamer Schock für das italienische Königreich. Die Erschütterungen, die sich nicht nur auf die Streitkräfte, sondern auch auf die Regierung Italiens ausgewirkt hatten, trugen bis zum Frühjahr 1918 allmählich Früchte. Im Frühling 1918 waren die italienischen Truppen neu formiert und konnten auf Alliierte Unterstützung bauen. Italien war inzwischen auch zu einem britischen, französischen und amerikanischen Kriegsschauplatz geworden. Speziell Frankreich und Großbritannien waren zu der Einsicht gelangt, dass ihre lockere Zusammenarbeit, getragen durch unregelmäßig stattfindende Konferenzen, gestrafft werden musste.54 Auf der interalliierten Konferenz in Rapallo wurde daher am 5. November 1917 die Einrichtung eines Obersten Kriegsrates (Supreme War Council) beschlossen.55 Die italienische Front wurde daraufhin mit 300.000 Mann und 3.000 Geschützen verstärkt. Zehn französische und vier englische Divisionen waren an der italienischen Front eingetroffen. Die österreichischen Führungsfehler bei den Kämpfen um die Ausläufer der Gebirgsfront ermöglichten es der italienischen Propaganda sogar, von ‚Siegen‘ zu sprechen und ihren Soldaten das Vertrauen in ihre Führung langsam wiederzugeben. Die Maßnahmen der italienischen Heeresleitung waren von Anfang des Jahres an auf die Abwehr eines österreichisch-ungarischen Grossangriffes gerichtet. So schätzte man zumindest die Lage in der Deutschen Obersten Heeresleitung ein.56 Der Generalangriff wurde laut dem Mémoire des Chefs des Generalstabes 54 Siehe auch: Pedroncini, Guy: Le haut-commandement français et le front italien (1917–1918), in: La France et l’Italie pendant la première Guerre Mondiale, Actes du colloque tenu a l’université des Sciences Sociale de Grenoble les 28, 29 et 30 Septembre 1973, Grenoble 1973, S. 579–593. 55 Vgl.: Keegan, Weltkrieg, 2000, S. 486. 56 BWHStA, M 1/2 Band 207: Chef des Generalstabes des Feldheeres, Abt. Fremde Heere Nr. 10335 vom 19.05.1918 Die Lage auf dem italienischen Kriegsschauplatz.

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des Feldheeres italienischerseits für Ende Mai, nach der Schneeschmelze erwartet. „Italien rechnet mit der durch die östlichen Friedensschlüsse erheblich gesteigerten Kampfkraft seines Gegners, ferner mit der seit Kriegsanfang immer stärker hervortretenden Einheitsfront der Mittelmächte.“57 Im Frühling 1918 lag also eine neue Offensive der österreichischen Armee in der Luft.58 Der französische General Foch, der für die Koordinierung der alliierten Streitkräfte zuständig war, plädierte für einen Präventivschlag. Der neue italienische Generalstabschef Armando Diaz entschied sich aber für die Defensive und bereitete sich sorgfältig auf den österreichisch-ungarischen Angriff vor. Diaz konnte sich auf extrem starke Abwehrstellungen am Piavefluss stützen und sein Vorgänger General Cadorna wies in seinen Memoiren explizit auf dieses Faktum hin. Er verteidigte seine Entscheidung, nach dem Debakel von Caporetto die Verteidigungslinie hinter den Piave zurückgenommen zu haben: „[. . .] bien que le débouche offensif de la ligne de la Piave soit réellement très difficile par suite de l’obstacle du fleuve et du terrain montagneux, il faut, pour la garnir, plus de forces à l’ennemi qu’à nous.“59 Die österreichisch-ungarische Großoffensive stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Das Land war zu solch einer Kraftanstrengung kaum mehr fähig. Obwohl die K. u. k. Armee durch den Zusammenbruch der russischen Armee und des politischen Systems des Zarismus entlastet schien und die Friedensverhandlungen von Brest-Litowsk auf den Wegfall einer Front hoffen ließen. Die Rückkehr von über einer Million Kriegsgefangener und umfangreiche Lebensmittellieferungen waren in Aussicht gestellt, aber schwere Mangelerscheinungen im Hinterland, Streiks und immer mehr Deserteure waren erste Anzeichen des kommenden Zusammenbruchs.60 Selbst die offensichtlich positive Erscheinung der heimkehrenden Kriegsgefangenen wurde in ihr Gegenteil verkehrt, da man die massive Einschleppung revolutionären Gedankengutes befürchtete, die Heimkehrer meist schlecht behandelte und so schnell es ging, wieder an die Front schickte.61 An eine deutsche Beteiligung war nicht zu denken, da das deutsche Heer genug Probleme hatte.62 57 BWHStA, M 1/2 Band 207: Chef des Generalstabes des Feldheeres, Abt. Fremde Heere Nr. 10335. 58 Vgl.: Bihl Wolfdieter, Die österreichisch-ungarischen Kriegsziele 1918, in: Mack, Karlheinz/Plaschka, Richard G. (Hg.): Die Auflösung des Habsburgerreiches. Zusammenbruch und Neuorientierung im Donauraum (Schriftenreihe des Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts, Bd. 3), München 1970, S. 119–123. 59 Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 434. 60 Zu den Streiks im Januar und den Meutereien bei der Armee beziehungsweise der K. u. k. Marine: Rauchensteiner, Doppeladler, 1997, S. 533 ff. und S. 546 ff. 61 Vgl.: Fiala, Offensive, 1967, S. 15 f.

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Eine weitere fast unlösbare Aufgabe bildete die Verpflegungsfrage. Der Nahrungsmittelmangel begann sich zum Sommer 1918 hin unwiderruflich zu einer Katastrophe auszuweiten. Nur die Getreidelieferungen aus den besetzten Gebieten in Russland und Hilfen aus Deutschland konnten das Endgültige um einige Wochen hinausschieben. Bereits im Winter 1917 hungerte die Bevölkerung der österreichischen und teilweise sogar der ungarischen Reichshälfte. Die prekäre Lage hat der Politiker Josef Redlich sehr pointiert in seinem Tagebuch wiedergegeben, indem er ein in Beamtenkreisen zirkulierendes Apostolicum niederschrieb: „Ernährungsglaube. Ich glaube an den Herrn Ernährungsminister, an die allein seligmachende Mairübe, die Ernährerin der rayonierten Volksmassen. Ich glaube an die stammverwandte Runkel- und Steckrübe, empfangen von dem heiligen Ernährungsamte, gelitten unter der Zentral-Einkaufsgenossenschaft, gesammelt, gepreßt und verdorben, zur Erde niedergefallen, am dritten Tage wieder auferstanden als Marmelade, von dannen sie kommen wird als Erfrischungsmittel für die in langen Reihen angestellten Hungerleider. Ich glaube an den heiligen Profit und Rebbach, an die allgemeine Wuchergemeinschaft der Hamsterer, Erhöhung der Steuern, Verteuerung des Fleisches und an den ewigen Kriegszustand. Amen.“63

Hinter dem blasphemischen Spott lässt sich die Wahrheit erahnen. Nicht nur die Zivilbevölkerung hungerte, die Unterversorgung hatte auch auf die Frontarmeen übergegriffen. Für die Ausrichtung einer neuen Offensive reichlich schlechte Vorgaben. Als Beispiel sei die Lage im Venetianischen, also im Bereich der Heeresgruppe FM Boroevic´, kurz skizziert. In der Rückschau wird häufig konstatiert, dass die ‚ungeheure Beute‘ der zwölften Isonzoschlacht die Truppe materiell auf lange Zeit versorgt habe. Die Wirklichkeit stellte sich aber anders dar. Durch die Besitznahme Venetiens und durch die Erbeutung italienischer Verpflegungsgüter war es lediglich möglich geworden, die laufende Verpflegung für die in diesem Raume befindlichen etwa 1.000.000 Soldaten und 800.000 Einwohner nur auf neun Wochen sicherzustellen. Das Hinterland hatte bis Ende Dezember 1917 nur Kaffee, Konserven, Tabak, Salz, Gemüse und Beleuchtungsmittel in vollem Ausmaß der vorgeschriebenen Rationen geliefert. Beim Einmarsch waren 62

Nur wenige in der deutschen Armee dachten an eine Schwerpunktverlagerung von Frankreich an den norditalienischen Kriegsschauplatz. Vgl. die Denkschrift OTL Georg Wetzell vom 22. Juni 1918, in: Reichsarchiv (Nachfolger, Hg.): Der Weltkrieg 1914 bis 1918. Im Auftrage des Heeres bearbeitet und herausgegeben von der Kriegsgeschichtlichen Forschungsanstalt des Heeres. Die militärischen Operationen zu Lande. Bd. 14: Die Kriegführung an der Westfront im Jahre 1918, Berlin 1944, S. 430 f. Siehe auch: Etschmann, Wolfgang: Österreich-Ungarn zwischen Engagement und Zurückhaltung. K. u. k. Truppen an der Westfront, in: Duppler/Groß, Kriegsende 1918, 1999, S. 97–105, hier: S. 100. 63 Redlich, Tagebuch, II, 1953, S. 282, Eintrag vom 18. Juni 1918.

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die Mais- und Reisfelder noch nicht geerntet gewesen, der Viehbestand hatte eine beachtliche Höhe aufgewiesen und die Weinkeller hatten gefüllt dagestanden. Die abseits der großen Strassen gelegenen Dörfer blieben von der Requisition sogar weitgehend unberührt. Man hätte daher annehmen können, dass die Behörden im Hinterland diese wenn auch kurzfristige Entlastung zur Aufstellung einer Verpflegsreserve ausnützen würden, was sie aber nicht taten.64 Anfang Januar 1918 setzte im Bereich der Heeresgruppe bereits eine Verpflegungskrise ein. Das Hinterland sandte aber keinen Zuschuss oder Ausgleich. Eventuell stand es noch im Banne der lauthals verkündeten Beutepropaganda der zwölften Isonzoschlacht und vermutete, dass die Heeresgruppe über zurückgehaltene Reserven verfügte. Im Februar brach kurzzeitig die Brotversorgung der Isonzotruppen komplett zusammen. Die kohlehydrathaltige Nahrung war nur zu einem Drittel vorhanden und Fleisch, fast ausschließlich Pferdefleisch, gab es alle paar Tage in geringsten Mengen.65 Laut Oskar Regele „[. . .] gebührten dem Mann bloß 220g Fleisch, dazu 125 bis 150 g schwer genießbares Maisbrot, 6g Fett am Tag, Dörrgemüse (‚Drahtverhau‘) und Konservenkaffee.“66 Das Durchschnittsgewicht der Soldaten bei der 20. Honvéd-Infanteriedivision betrug beispielsweise noch 50 Kilogramm.67 Es muss aber festgestellt werden, dass die Führung der Heeresgruppe FM Boroevic´ der oben geschilderten Verpflegungslage durchaus nicht verständnislos gegenüberstand. Dies illustrieren zwei Meldungen der Heeresgruppe an das AOK. Der Befehlshaber der gleichnamigen Heeresgruppe, Svetozar Boroevic´, telegraphierte am 17. Februar 1917 an den Chef des Generalstabes Arz: „Verpflegslage [sic] bei Isonzoarmee und 6. Armee äusserst kritisch, verträgt keinen Aufschub, da Anzeichen bedrohlicher Lockerung der Disziplin und Erschöpfungen infolge der nun 4 Wochen andauernden Hungerperiode vorliegen. Rationelle Einwirkung aller Offiziere und aller Kommanden beginnt zu versagen. All 64 Zur materiellen Vorbereitung der Offensive und damit auch zum Verpflegsproblem: Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 200 ff. 65 Vgl.: Rauchensteiner, Doppeladler, 1997, S. 571. Vgl. zu den Rationierungen: Gratz, Gustav/Schüller, Richard: Der wirtschaftliche Zusammenbruch ÖsterreichUngarns. Die Tragödie der Erschöpfung (Carnegiestiftung für internationalen Frieden, Abteilung für Volkswirtschaft und Geschichte, Wirtschafts- und Sozialgeschichte des Weltkrieges, österreichisch-ungarische Serie Bd. 12), Wien 1930. 66 Regele, Oskar: Gericht über Habsburgs Wehrmacht. Letzte Siege und Untergang unter dem Armee-Oberkommando Kaiser Karls I. – Generaloberst Arz von Straussenburg, Wien/München 1968, S. 94. Oskar Regele (1890–1969) war im Ersten Weltkrieg Pionieroffizier und von 1946–1955 Leiter des Kriegsarchivs in Wien. 67 Vgl.: Etschmann, Südfront, 1995, S. 44.

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das wurde vorausgesehen und wiederholt darauf hingewiesen, dass unabsehbare Folgen eintreten werden. Wenn die Armeen infolge Hungers zerstört werden, wird das Hinterland gewiss verhungern, weshalb die Lösung dieser Frage nicht zweifelhaft sein kann. Rasche, durchgreifende Sanierung äusserst dringend. Schriftlicher Bericht folgt.“68

Am 26. Februar 1918, kurz vor dem Höhepunkt der Verpflegungskrise, berichtete das Heeresgruppenkommando an das Armeeoberkommando in noch dringlicherer Weise: „Wiederholt wurde die unhaltbare Verpflegslage der Armeen zur Genüge geschildert und ausdrücklich betont, dass bei weiteren unzulänglichen Verpflegszuschüben aus dem Hinterlande Zersetzung der Armeen durch Hunger unvermeidlich. In letzter Zeit wurde Brotportion bedeutend herabgesetzt; nicht einmal dieses Mindestmass kann wegen ungenügenden Mehlzuschubes verabfolgt werden, Gemüsezuschub vorwiegend Maismehl qualitativ und quantitativ unzulänglich. Fettgebühr reicht zur Not und nun soll auch Fleischportion bedeutend vermindert werden. Durch Ausgabe notgeschlachteter Pferde als Zubusse kann auch dann, wenn deren Zahl noch bedeutend steigen sollte, keine nennenswerte Besserung der Verpflegung erzielt werden, ganz abgesehen davon, dass die Massnahme die Stimmung der Truppen keineswegs zu heben im Stande ist. Wird endlich das besetzte Gebiet bei gänzlicher Ausschaltung des Bedarfes der Zivilbevölkerung rücksichtslos bis zum Äussersten ausgesogen und der Anbau vollkommen vernachlässigt, so kann auch hiedurch nur eine nach Tagen zählende Besserung der Versorgung der Armeen erzielt werden. Versiegt auch diese letzte, auf Raubbau basierte Quelle, so ist bei gleichbleibendem Zuschub mit einem rapiden Sinken der physischen Kräfte der Kampftruppen, mit einem Schwinden des durch wochenlange unzulängliche Ernährung stark gesunkenen Geistes und als Folge hievon damit zu rechnen, dass die zahllosen Opfer an Blut und Gut endlich doch noch vergeblich waren. Bei den Truppen zünden die unausgesetzten Vertröstungen, dass das Hinterland darbt und dass man durchhalten müsse, nicht mehr, umso weniger als bekannt ist, dass es in der Monarchie immer noch ausgedehnte Gebiete mit unerschöpften Verpflegsmitteln gibt und weil der Mann genau weiss, dass die Versorgung deutscher Truppen bei weitem besser ist. Die Truppen vertragen keine weiteren Experimente; sie müssen entsprechend versorgt werden, um leben und kämpfen zu können. Es wird daher nochmals dringendst um energische Massnahmen gebeten, damit die gegenwärtige Verpflegskrise raschestens behoben werde.“69

Die Situation auf dem Bekleidungssektor war ähnlich prekär. Der Monatsbedarf von 700.000 Garnituren Wäsche konnte nicht gedeckt werden 68 Depesche des Heeresgruppen Kdos. Op.Nr. 379 an Chef d.O. v. 17.02.1918. Zitiert in: CAN, Karton C-5: Heinrich von Mast – Regimentsgeschichte des Dragonerregimentes Nr. 4. In Auszügen auch zitiert in: Bauer, Löwe vom Isonzo, 1985, S. 79. Zum ‚Hungerappell‘ Boroevic´’s auch: Pust, Die Steinerne Front, 1988, S. 217. 69 Bericht des Heeresgruppen Kdos. Nr. 5764 vom 26.02.1918 an AOK. Zitiert in: CAN, Karton C-5: Heinrich von Mast – Regimentsgeschichte des Dragonerregimentes Nr. 4.

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und viele Soldaten waren nur noch mit Lumpen bekleidet.70 Ein Generalstabsoffizier, der ständig beim Kommando der Isonzoarmee eingeteilt war, meldete in einem Bericht vom 4. Oktober an das Armeeoberkommando in Baden: „Jeder Mann besitzt durchschnittlich eine Garnitur Wäsche. Es kommen aber Fälle vor, wo nicht einmal mehr eine volle Garnitur vorhanden ist, da Hemd oder Unterhose fehlen. Man muß diese Wäsche gesehen haben, um erst einen Begriff über das Elend zu bekommen. Der Eine hat keine Ärmel mehr am Hemd, dem Anderen fehlt der Rückenteil, der Dritte besitzt nur halbe Unterhosen oder Fragmente von Fußfetzen.“71

Die logistischen Möglichkeiten der Habsburgermonarchie waren an der Italienfront nur mehr rudimentär. Für die Lastwagen und Autos waren keine Ersatzteile mehr verfügbar und es mangelte an Treibstoff und Gummi. Das wichtigste Transportmittel der Fronttruppen, der Pferdewagen, welcher Nachschub und Artillerie in die vordersten Linien brachte, litt unter dem Mangel an Zugtieren und unter dem schlechten und ausgemergelten Zustand der verfügbaren Tiere. Der errechnete Soll-Stand von 580.000 Pferden im Sommer 1918 war nicht zu erreichen und es ergab sich ein Fehlbestand von 120.000 Tieren.72 Die Anweisungen zur Durchführung des Eisenbahnaufmarsches trafen die Bahnverwaltungen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.73 Durch die unausgesetzte Überbeanspruchung des rollenden Materials seit 1914, verbunden mit der Vergrößerung der Linienführung durch den Betrieb in den besetzten Ländern, waren die Reparaturstände extrem hoch und die Eisenbahnen notorisch überlastet. Die hohe Inanspruchnahme führte zu einer Reparaturquote von 36 bis 40 Prozent, gegenüber 14 Prozent im Frieden.74 Laut den Anweisungen der Heeresleitung sollten in 50 Tagen 1.050 Transportzüge an die Südwestfront gefahren werden.75 Nur durch extreme Ein70

Vgl.: Regele, Gericht, 1968, S. 94. Kerchnawe, Hugo: Der Zusammenbruch der Österr.-Ungar. Wehrmacht im Herbst 1918. Dargestellt nach Akten des Armee-Ober-Kommandos und anderen amtlichen Quellen, München 1921, S. 28. Anhand dieses detaillierten Werkes lassen sich die letzten Tage Österreich-Ungarns speziell an der Südwestfront sehr gut nachvollziehen. Die umfangreichen Quellenzitate umfassen den Zeitraum vom 25. September bis 5. November. Hugo Kerchnawe (1872–1949) lehrte an der Kriegsschule, war Mitglied im Kriegsarchiv sowie im Generalstab und arbeitete schon vor dem Krieg an den historischen Generalstabswerken. 72 Vgl.: Etschmann, Südfront, 1995, S. 45. 73 Zum Eisenbahnaufmarsch der Junioffensive: Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 198 ff. 74 Vgl.: Rauchensteiner, Doppeladler, 1997, S. 504. Auch: Etschmann, Südfront, 1995, S. 45. 71

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schränkungen des normalen Fahrbetriebes an den Fronten und im Hinterland war dies möglich. 18.000 beladene Güterwagen mussten auf ihrer Weiterfahrt angehalten werden, um die vorrangigen Züge passieren zu lassen. Alles zu einer Zeit, als die lebensnotwendigen Nahrungsmitteltransporte für die Versorgung der Bevölkerung ohnehin schon sehr spärlich ankamen. Der Zivilpersonenverkehr wurde weitestgehend limitiert, die Post war angewiesen, keine Zivilpakete mehr anzunehmen. Die Marschformationen, also der personelle Ersatz, für die Südwestfront verblieben vorläufig in den Kaderstationen. Urlauberzüge und der Zugverkehr in den Osten erlitten ebenfalls starke Einschränkungen. Neben diesen schwierigen Umweltbedingungen gab es bei der Planung der Offensive auch konzeptionelle Differenzen.76 Dem Generalstabschef Arz von Straußenburg gelang es nicht, einen einheitlichen Entwurf durchzusetzen.77 Feldmarschall Conrad von Hötzendorf, inzwischen Kommandeur der Armeegruppe in Tirol, brachte wieder seine Lieblingsidee ins Spiel, eine Offensive aus den Sieben Gemeinden heraus zu führen, diesmal ausgedehnt auf das Grappagebiet zwischen Brenta und Piave.78 Er hatte aus den Fehlschlägen von 1916 und 1917 keine Lehren gezogen. In seinem ‚Einleitenden Befehl Op.Nr.1500 vom 1. April 1918‘ legte Conrad fest, dass die Hauptentscheidung im Raum beiderseits der Brenta fallen müsse. Der Angriffsstoß sollte zunächst bis auf eine Linie Pasubio–Vicenza–Cornuda (nördlich Montebelluna) geführt werden, „[. . .] weil nur durch einen so weit gedehnten Durchbruch die völlige Erschütterung der feindlichen Piavefront zu erwarten ist.“79 Zu einem Zangenangriff, bei dem an beiden Flügeln dem Feind überlegen Kräfte hätten stehen müssen, war die österreichisch-ungarische Armee zahlenmäßig schon zu schwach. Dazu hatten die Italiener – in Erinnerung an die österreichisch-ungarische Offensive 1916 – im erwarteten Angriffsraum ein starkes und tief gegliedertes Verteidigungssystem ausgebaut, welches jetzt mit französischen und englischen Truppen besetzt war. Der italienische Generalstab erwartete den Angriff aus den Bergen heraus. An der Piavefront hatten sie ein modernes, tief gegliedertes und sehr stark armier75

Vgl. zu den Zahlen: CAN, Karton C-5: Heinrich von Mast – Regimentsgeschichte des Dragonerregimentes Nr. 4. 76 Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 186 ff. Überblicksartig geschildert beispielsweise in: Schubert, Peter: Piave 1918. Österreich-Ungarns letzte Schlacht, Hermagoras 2000. 77 Siehe hierzu seine Aufzeichnungen: Arz, Geschichte, 1924, S. 262–278. 78 Vgl.: Fiala, Offensive, 1967, S. 37 ff. 79 CAN, Karton C-1: Faszikel Junischlacht am Piave 1918: ‚Abschriften der Grundlegenden Befehle des HgKdos FM Conrad für die Junioffensive 1918‘.

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tes Stellungssystem geschaffen, durch welches sie einen eventuellen Angriff aufzuhalten hofften. Heeresgruppenchef Svetozar Boroevic´ vertrat im Gegensatz zu Feldmarschall Conrad den Gedanken, von einer Offensive ganz Abstand zu nehmen. Er wollte die Armee schonen, da „[. . .] Österreich Ungarn den Frieden in möglichst gutem, starkem Zustand erleben [sollte], [. . .] er unterstützte jede Verstärkung der Armee, jede Verbesserung ihrer Organisation – nicht aber, um sie einzusetzen, sondern um sie zu haben, wenn der Krieg zu Ende wäre.“80 Im Falle eines vom Armeeoberkommando forcierten Angriffs schlug er eine Operation vom Piave aus in Richtung Treviso–Vicenza vor, mit der Möglichkeit, den Gegner auf dem Grappamassiv und den Hochflächen zu vernichten.81 General Alfred Krauß griff auf einen früheren Gedanken Ludendorffs zurück, mit starken Kräften vom Gardasee aus nach Südosten vorzustoßen, um dem italienischen Heer die Verbindung ins Hinterland abzuschneiden.82 Das AOK lehnte den Plan kurzerhand als zu phantastisch ab. Über den Angriffsraum, aus dem die Offensive ihren Ausgang nehmen sollte hatte nun die Heeresleitung zu entscheiden. Die Führer der Heeresgruppen – FM Conrad und FM Boroevic´ – durften nur ihre Vorschläge vorbringen. Kaiser Karl und Generalstabschef Arz wagten es nicht, einen der Feldherren vor den Kopf zu stoßen und entschieden sich für eine Zwischenlösung, die keine Schwerpunkte setzte und die Reserven verzettelte. Als die Entscheidung fiel, gab es keinen genau umrissenen Angriffsplan, sondern eine Vielzahl von Angriffsplänen. Die italienischen Truppen waren gut vorbereitet auf den Angriff, allerdings scheint bei der Bereitstellung der Kräfte die Annahme dominiert zu haben, dass der Hauptstoß aus den Bergen der Hochfläche der Sieben Gemeinden erfolgen würde. Folglich waren im Raum nördlich Bassano große Massen italienischer Reserven versammelt. Der Piave war nur mit wenig Mannschaften gesichert. Allerdings hatten die K. u. k. Truppen den Fluss vorher zu überqueren – im Sprachgebrauch der Zeit eine Forcierung des Flusses – und mussten ihn daher frontal angehen, direkt im Feuer der ausgebauten italienischen Befestigungen.83 Numerisch standen 51 K. u. k. Divi80

Bauer, Löwe vom Isonzo, 1985, S. 80 f. Vgl.: Fiala, Offensive, 1967, S. 42 ff. 82 Der Vorschlag stammte aus den Endtagen der zwölften Isonzoschlacht. Siehe: Krauß, Ursachen, 1920, S. 248 f. Vgl. auch: Wendt, Italienischer Kriegsschauplatz, 1936, S. 353; Fiala, Offensive, 1967, S. 55 ff. Zu den Problemen dieser Idee auch Ludendorff, Kriegführung und Politik, 1922, S. 211. 83 Zu Problemen der militärischen Flussüberquerung das Grundlagenwerk von: Regele, Oskar: Kampf um Flüsse. Beiträge aus dem Kriege 1914–1918, Berlin 1925. 81

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sionen 58 alliierten Divisionen gegenüber, vom Potential entsprach dies aber nur einem Verhältnis von 25:58.84 Ein österreichisches Bataillon, normalerweise bis zu 900 Gewehrträger, zählte zu dieser Zeit nur mehr 400 Mann; eine Kompanie anstatt 120 Soldaten nur mehr 40 bis 50.85 Am 13. Juni begann ein Ablenkungsangriff zwischen Tonalepass und Schweizer Grenze, der nebenbei die Viehherden im Addatal erbeuten sollte, um die Verpflegungslage zu verbessern.86 Die Operation an der Tiroler Westfront hatte den Decknamen Lawine.87 Die Dispositionen gaben vor, die drei feindlichen Linien im Tonalegebiet in einem Zug zu nehmen und dann noch – ebenso am 13. Juni – Ponte di Legno und die Höhen westlich von Precasaglio sowie den Prepazzene Rücken zu erobern.88 Der Infanterie gelang es, die erste feindliche Linie zu nehmen.89 Sie war vermutlich nur vorpostenartig besetzt. Wegen starker Artillerie und Maschinengewehr-Gegenwirkung konnten die österreichisch-ungarischen Angriffstruppen aber nicht weiter vordringen und mussten unter enormen Verlusten von allein etwa 2.000 Verwundeten sogar in die Ausgangsstellungen zurückkehren. In einem Bericht des dem zuständigen Gruppenkommando Erzherzog Peter Ferdinand zugeteilten Offiziers Bela Bokor hieß es darauf: „Das Gruppenkommando beantragte auf Grund dieser Ereignisse die Einstellung der Lawinenaktion, deren weitgesteckte Ziele mit Rücksicht auf die tatsächliche Vorbereitung und Mittel schon von Haus aus nicht so leicht und rasch bewältigt werden konnten.“90 Generalmajor Lempruch, Kommandant der beEr beschäftigt sich in seinen Beispielen auch mit dem Piaveübergang in der 12. Isonzoschlacht und während der Junioffensive 1918. Zur militärischen Durchführung des Flussüberganges und der weiteren Schlacht finden sich auch zwei aufschlussreiche Manuskripte im Wiener Kriegsarchiv. Vgl.: ÖStA-KA: Manuskript 1918 MS.-WKI/06: Leutnant Teranyi und Leutnant Pampichler: Bericht über die Kämpfe des Infanterie-Regiments Nr. 27 im Juni und Juli 1918. Im Felde 1918 geschrieben. Auch: ÖStA-KA: Manuskript 1918 MS.-WKI/14: Generalmajor Pitreich: Die Piaveschlacht. 84 Vgl.: Regele, Gericht, 1968, S. 95. 85 Siehe den Anhang E: Hinweise zu Stärke und Organisation der Truppenverbände in dieser Arbeit. 86 Vgl.: Etschmann, Südfront, 1995, S. 46. Zur Orientierung lag dem Verfasser unter anderem folgende Karte vor: MILAR/ MHFZ, Kartenabteilung: Karte Tonale, gefertigt von der K. u. k. Kriegsvermessung Nr. 8, Feldpost 623, V. Auflage, Stand vom 25.VII.1918. 87 Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 228 ff. 88 Hierzu der aufschlussreiche Abschlussbericht: ÖStA-KA, Alte Feldakten Karton 4048: Bericht des Hptm. Bela Bokor an das K. u. k. Gruppenkommando GdI Ehg. Peter Ferdinand vom 16.06.1918. 89 Vgl.: Fiala, Offensive, 1967, S. 85 f. 90 ÖStA-KA, Alte Feldakten Karton 4048: Bericht des Hptm. Bela Bokor an das K. u. k. Gruppenkommando GdI Ehg. Peter Ferdinand vom 16.06.1918.

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troffenen Ortlerfront, bezeichnete es „[. . .] als ein großes Glück [. . .], daß es infolge unseres Nichtdurchdringens am Tonale zur Durchführung dieser Operation, die wahrscheinlich Zehntausende einem schrecklichen Ende überliefert hätte, nicht gekommen ist.“91 Auf der Hochfläche der Sieben Gemeinden begann der Kampf bereits um Mitternacht vom 14. auf den 15. Juni 1918. Allerdings nicht mit österreichischem, sondern mit dem Feuer italienischer Batterien. Auch diesmal war der österreichische Angriffsplan den Alliierten bekannt gewesen. Einerseits hatten sie von österreichisch-ungarischen Gefangenen davon erfahren, andererseits durch ihren Abhördienst, der – wie Glaise Horstenau schrieb – ein ausgezeichnetes Erdhorchverfahren besaß.92 Das um drei Uhr früh einsetzende österreichische Artilleriefeuer konnte die feindlichen Batterien nicht wie erwartet zum Schweigen bringen.93 Um sieben Uhr trat an der ganzen Front zwischen dem Astico und der Brenta die Infanterie der K. u. k. Korps III, XII und VI zum Angriff an und besetzte überall die vordersten Feindstellungen. Vor der zweiten Stellung konnten die britischen und französischen Truppen die Angreifer jedoch wieder zurückwerfen. Nur dem VI. Korps, das gegen italienische Truppenteile kämpfte, glückte es, sich auf dem Monte 91

Lempruch, König der Alpen, 1925, S. 126. Vgl.: Glaise-Horstenau, Edmund von: Die Katastrophe. Die Zertrümmerung Österreich-Ungarns und das Werden der Nachfolgestaaten, Leipzig/Wien/Zürich 1929, S. 256. Beim Erdhorchverfahren wurde der ungesicherte, durch die Erde geleitete Pol der Gleichstrom-Telefonverbindung angezapft und abgehört. Als Beleg für die Kentnis der Italiener dienten den K. u. k. Militärs Gefangenenaussagen von italienischen Soldaten. Sie wurden teilweise – nach missglückter Offensive – durch Regimentsbefehle publik gemacht. Nachstehend werden einige der Gefangenenaussagen wiedergegeben: „Fdl. Angriff am 15./6. erwartet, wurde durch Ueberläufer verraten.“ (Aussage Brigade Modena); „14./6. 11 Uhr nachts Baonskmdo 1/23 (Brigade Como) Verständigung erhalten, dass 15./6. 3 Uhr morgens ö.-u. Offensive mit 6 stündigem Artillerieschiessen beginnen werde“ (Aussagen Brigade Como.) „Tag und Stunde des Offensivbeginnes durch Gefangene und Überläufer genau bekannt gewesen; Brigade Pinerolo stand seit 15./6. Mitternacht in Gefechtsbereitschaft“ (Aussagen Brigade Pinerolo.) „Jugoslavische Ueberläufer haben angeblich 8 Tage vor Beginn der Offensive die Nacht vom 14. auf den 15./6. als Beginn angegeben. Artillerieschiessen sollte nach ihren Angaben am 15./6. 2 Uhr nachts beginnen“ (Aussage franz. Artilleristen.) „Eine Spetelfstation im Grappagebiet horchte ab, dass Angriff 15./6, früh beginnen wird“ (Gef. des 3. Geniergts.) Zitiert in einem Regimentsbefehl des 3. TKJ-Rgt, in: TLA, Evidenzarchiv: Tiroler Kaiserjäger: Feldakten bis 1918: 3. Tiroler Kaiserjägerregiment; Gruppe II; Karton 4. 93 Zu Fehlern bei der Artillerievorbereitung auch: Riedl, Ludwig: Artilleristische Betrachtungen zur österreichisch-ungarischen Junioffensive und zur italienischen Oktoberoffensive 1918, in: Militärwissenschaftliche Mitteilungen. Herausgegeben vom österreichischen Bundesministerium für Heerwesen, Mai–Juni 1932, Wien 1932, S. 464–480. 92

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Bell und Col del Rosso zu behaupten. Am 16. Juni musste es aber gleichfalls aus seiner isolierten Stellung zurückgenommen werden. Die Königsidee Conrads war zum dritten Mal missglückt. Der Angriff auf der Hochfläche von Asiago scheiterte – wie schon 1916 und 1917 – an der heftigen Abwehr der in gut ausgebauten und getarnten Stellungen kämpfenden Italiener, Briten und Franzosen. Munitionsmangel der österreichischen Artillerie verhinderte eine wirkungsvolle Unterstützung. Anders als bei dem Durchbruch von Flitsch–Tolmein wurden die italienischen Batterien diesmal kaum durch den Gasbeschuss beeinträchtigt.94 Auch im schwer gangbaren Grappa-Massiv mussten K. u. k. Truppen nach kleineren Anfangserfolgen in ihre Ausgangsstellungen zurückgenommen werden. Erfolgreicher war die Heeresgruppe Boroevic´, die in der Nacht vom 15. auf den 16. Juni an mehreren Punkten den Piave überschritten hatte und mehrere Kilometer in Feindesland eingedrungen war. Die tagelangen Regenfälle hatten den Piave zu einem reißenden Strom anschwellen lassen, was den Nachschub zunehmend erschwerte. Die auf dem westlichen Ufer gebildeten Brückenköpfe waren nur schwer zu halten. Sowohl die fehlende eigene Artillerieunterstützung zeichnete hierfür verantwortlich, als auch das extrem unübersichtliche Gelände. Ein weiteres Vorrücken wurde an den meisten Stellen verhindert. Die italienische Tiefebene war von Weinkulturen durchzogen, die von Wassergräben und Bächen begrenzt waren. Vielfach waren die Weinreben zwischen den Bäumen und Drähten aufgehängt. Auch die Weinberge waren stark verdrahtet. Diese Verdrahtungen zwangen die Truppe zu Umgehungen oder zum zeitraubenden Gebrauch von Drahtscheren. Die auf wenigen Karten korrekt verzeichneten Wiesen und Felder schufen für die Truppe viele Überraschungsmomente unangenehmster Art. Die Bäche und Wassergräben mit unterschiedlicher Tiefe zwangen zur Durchfurtung, da die Übergänge 94 Der K. u. k. Artilleriegeneral Pengov urteilte darüber: „Zum Vorwurf, die Artillerie habe in der Piaveschlacht versagt, ist zu bemerken: Das Gasschießen brachte nicht den erwarteten Erfolg. Wenige Sekunden nach seiner Aufnahme erwiderte in den meisten Abschnitten die feindliche Artillerie das Feuer. Der Gegner wurde also nicht überrascht. Unsern Batterien gelang es nicht, die des Feindes lahmzulegen. Die Gasmunition wurde vergeblich verfeuert. Nach Aussagen Gefangener wurden die Batteriebesatzungen um Mitternacht in ungefährdete Räume zurückgenommen. Nach einer anderen Gefangenenaussage hätten die Batterien ihre Stellungen zeitgerecht gewechselt. Wieder andere Gefangene erklärten, die Geschützbedienungen konnten mit Gasmasken anstandslos arbeiten.“ In: Pengov, Ludwig: Die Wahrheit über die Piaveschlacht, Mühlau bei Innsbruck 1932, S. 59. Pengov wollte mit dieser im Selbstverlag herausgegebenen Schrift die stark gescholtene Artilleriewaffe reinwaschen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde in der öffentlichen Meinung nämlich häufig die mangelhafte Artillerie als Hauptursache für die Niederlage ausgemacht.

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teils zerstört und teils unter Feindeinwirkung standen. Die Orientierung war in diesen dicht bewachsenen Regionen äußerst schwierig. Der Schlachtenteilnehmer Leutnant von Mast schrieb: „Wo der Feind sich befand, konnte man aus dem Gefechtslärm entnehmen oder musste man durch überraschende Feuerüberfälle selbst unangenehm verspüren. Besonders erschwerend wirkten sich die einzelnen Gehöfte aus, die fest gebaut, für den Feind ausgezeichnete Widerstandsnester abgaben. [. . .] Mit dem Kampf in der italienischen Kultur [wie im Original, Anm. d. Verf.] hatte sich schon die Vorkriegsausbildung der österr. ung. Infanterie befasst. Er verlangte besonders von den Unterführern selbständiges Handeln und schnelles Erfassen der Lage bei plötzlich auftauchenden überraschenden Feindlagen. Gerade der Überraschungsmoment im vollkommen unübersichtlichen Gelände konnte bei ungeschulten Truppen zu schwersten Verlusten führen.“95

Einen überraschenden Erfolg konnte nur das im Norden operierende XXIV. Korps (FML Goiginger) erzielen. Nach gründlicher Vorbereitung gelang es in einer geschickten Operation, noch am 15. Juni den Ostteil des Montello-Rückens zu erobern und gegen alle feindlichen Angriffe zu behaupten. Der längliche, 150 bis maximal 300 Meter hohe Montello-Rücken war der wichtigste Drehpunkt der Front.96 Dementsprechend war er von den italienischen Truppen der 58. Division auch sehr stark befestigt worden. Am 16. Juni, den der britische Militärhistoriker Brigadegeneral Edmonds im Generalstabswerk als „A wasted day“97 bezeichnete, geschah vor allem bei der italienischen Führung einiges: General Diaz und dem Commando Supremo wurde klar, dass die österreichisch-ungarischen Angriffe im Gebirge und in der Brentagegend gescheitert waren. Folglich brachte er alle seine Reserven an die Piavefront, um den Feind zu stoppen und daraufhin eine Gegenoffensive zu starten.98 Noch waren aber die K. u. k. Truppen am Mittel- und Unterlauf des Piave relativ erfolgreich. Im Süden wurde bis zum 18. Juni eine zusammenhängende Frontlinie vier bis fünf Kilometer westlich des Piave errichtet. Zu diesem Zeitpunkt aber waren durch das Anschwellen des Piave und durch alliierte Artillerie bereits alle Brücken der Verbündeten über den Fluss zerstört worden. Infolge der italienischen Gegenangriffe, der zunehmenden Versorgungsprobleme und der fehlenden Reserven musste sich Boroevic´ zur Einstellung der Offensive entschließen. 95 CAN, Karton C-5: Heinrich von Mast – Regimentsgeschichte des Dragonerregimentes Nr. 4. 96 Hierzu auch der schon ältere Führer: Maravigna, Pietro: Il Piave e il Montello. Guida storico-turistica. App.: I condottieri; L’ azione dell’esercito italiano sugli altri fronti di guerra, Milano 1938. 97 Edmonds, Operations Italy, 1949, S. 226. 98 Zur italienischen Gegenoffensive (19. und 20. Juni): Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 308 ff. und Fiala, Offensive, 1967, S. 97 ff.

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Die Lage wurde für die österreichisch-ungarischen Truppen unhaltbar und in der alliierten Gegenoffensive wurden sie schon nach kurzer Zeit wieder über den Fluss zurückgedrängt. Während der Rückzug vom Montello ohne Verluste abgeschlossen werden konnte, kam es am Südflügel der Front noch zu heftigen Kämpfen, bis am 24. Juni die gesamte Heeresgruppe Boroevic´ das Westufer des Piave geräumt hatte.99 Bis zum 6. Juli verließen die K. u. k. Truppen auch die Mündungsinsel und zogen sich an das Ostufer zurück. Die von General Diaz propagierte italienische Strategie der flexiblen Verteidigung hatte schließlich zum Erfolg geführt. Am Abend des 23. Juni 1918 konnte General Diaz die Nachricht des italienischen Sieges abschicken. Damit war die letzte Offensive des österreichisch-ungarischen Heeres unter schweren Verlusten fehlgeschlagen.100 In der neuntägigen Schlacht an der Piave verlor die K. u. k. Armee 150.000 Mann, während die Verluste auf italienischer Seite 90.000 Mann ausmachten.101 Die österreichisch-ungarischen Truppen konnten keine Gebietsgewinne verzeichnen, sondern mussten im Gegenteil die von ihnen gehaltenen, weitläufigen Inseln im Piavefluss (die so genannten Grave) den Italienern überlassen. Durch diese Niederlage musste die österreichisch-ungarische Armee die Initiative an der Italienfront endgültig abgeben. Die Italiener und die Alliierten hatten die Invasion der K. u. k. Truppen in die venezianische Ebene abwenden können. Die Schlacht bildete die Voraussetzung für den Sieg der Alliierten bei Vittorio Veneto, der den Zusammenbruch der Mittelmächte besiegeln sollte. Für die italienischen Soldaten war der positive Ausgang der Kämpfe hoch motivierend. Dies stellte auch Hauptmann Kliewer, der deutsche Militärbevollmächtigte bei der Heeresgruppe FM Conrad fest: „Der K. u. k. Offensive Mitte 1918 ist ein Erfolg versagt geblieben. Die unausbleibliche Folge der endlich – wenn auch mit Hangen und Bangen gelungenen Abwehr der stark empfundenen und eingestandenen Gefahr – ist, bei der ganzen natuerlichen Veranlagung des Italieners eine Staerkung seiner Moral und seines Selbstwertgefuehls, was sowohl im Volk als auch im Heer zum Ausdruck kommen wird. In der ital. Armee ist das Vertrauen in die hoehere Fuehrung und in die Wirksamkeit der materiellen Kampfruestung, sowie der Schutzmittel in beachtenswertem Grade gestiegen.“102 99 Zum Rückzug auf das östliche Piaveufer: Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 318 ff. und Fiala, Offensive, 1967, S. 103 ff. 100 Die Ursachen des Misserfolges ausführlich untersucht in: Fiala, Offensive, 1967, S. 106. Auch: Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 352–360. Der Bericht des preußischen Nachrichtenoffiziers Hauptmann Kliewer ist ebenfalls sehr instruktiv. Vgl.: BA-MA, Ph 3 Nr. 72: Abschlussbericht über die K. u. k. Junioffensive 1918, K. u. k. Feldpost 623 am 10.07.1918. 101 Zu den Verlusten u. a.: Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 329 und S. 338.

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In Österreich war man stattdessen tief enttäuscht über die Niederlage. Nicht so sehr weil es eine Niederlage war, die an ihrer mangelnden Vorbereitung gekrankt hatte, sondern weil viele in der Bevölkerung keinen Sinn mehr in großen Militäraktionen sahen. Der Sozialdemokrat Karl Leuthner empörte sich in der geheimen Parlamentssitzung am 24. Juli 1918 (also am Tag der Einstellung der Offensive): „Das war Mord an Tausenden, und schlimmer als Mord, das war ein Verbrechen, wodurch Hunderte und Tausende unserer Söhne und Brüder einer Folterpein preisgegeben worden sind, die keine Phantasie religiösen Wahnsinns in die Hölle verlegt hat.“103 Worte die man allerdings vom ganzen Krieg sagen könnte, nicht nur von dieser letzten Offensive. Hierin kommt die psychologische Grundhaltung zum tragen, dass man so kurz vor dem absehbaren Ende des Krieges nicht mehr unnötig Blut vergießen wollte. Unaufhaltsam bahnte sich der Zerfall der Armee und des Kaiserreiches an. General Cadorna hatte bereits 1916 prophezeit: „Il est bien évident, en effet, qu’en contraignant cet ennemi à dépenser ses ressources en hommes et en matériel dans une proportion supérieure à ses possibilités de reconstitution, un jour viendrait où il se sentirait tellement affaibli qu’il ne pourrait plus continuer la lutte. Ce jour-là, on récolterait en une fois les fruits si longtemps poursuivis. [. . .] Si les nouvelles méthodes de guerre ne leur ont pas permis d’atteindre des résultats décisifs immédiats, ils ont, à coup sûr, largement contribué à les préparer.“104

Dieser Tag schien gekommen.

102

BA-MA, PH 3 Nr. 72: Anschluss an den Bericht Nr. 1138 vom 02.06.1918, K. u. k. Feldpost 623 am 03.07.1918. 103 Hanisch, Ernst: Der lange Schatten des Staates. Österreichische Gesellschaftsgeschichte im 20. Jahrhundert (Österreichische Geschichte 1890–1990, hg. von Herwig Wolfram), Wien 1994, S. 263 f. 104 Cadorna, Mémoires – La Guerre, 1924, S. 257.

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I. Dem Ende entgegen – Das letzte Kriegsjahr „Dem Befehle des AOK. gehorchend und die Feindseligkeiten einstellend, überlassen die braven Kämpfer der 10. Armee unbezwungen dem Gegner ihre Stellungen und werden in das Hinterland marschieren. [. . .] Lebt wohl, Gottes Segen geleite Euch in einen sonnigen Frieden!“ (Abschiedsbefehl des Armeekommandanten General Krobatin)105

IV. Der Zusammenbruch der K. u. k. Front Südwest 1. Die militärische Niederlage und der Waffenstillstand von Villa Giusti Die Piaveoffensive des K. u. k. Heeres scheiterte ebenso wie die letzte Offensive des deutschen Heeres an der Westfront, die am 21. März 1918 begonnen hatte.106 Neben den tatsächlichen Verlusten hatte die Offensive bedeutende moralische Auswirkungen auf den inneren Zusammenhalt der österreichisch-ungarischen Vielvölkerarmee. Der nationalistische Tenor, der die Loslösung einzelner Kronländer von der Donaumonarchie offen verlangte, wurde immer vernehmbarer. Die schwierige Versorgungslage des Hinterlandes und die Einreihung der durch kommunistische Gedanken beeinflussten ehemaligen Kriegsgefangenen aus Russland beschleunigten den Zersetzungsprozess innerhalb der Armee. Auf dem Balkan wurden am 26. September 1918 die Bulgaren zur Kapitulation gezwungen; im Nahen Osten standen die türkischen Streitkräfte vor der Auflösung. Der militärische und wirtschaftliche Zusammenbruch war absehbar und mit großer Schnelligkeit begann der Zerfall der Donaumonarchie.107 Auch innenpolitisch spitzte sich die Situation allmählich zu. Kroatische, serbische und slowenische Volksvertreter gründeten am 6. Oktober in Zagreb den ‚Südslawischen Nationalrat‘, einen Tag später wurde in Warschau die Wiedererrichtung eines unabhängigen polnischen Staates proklamiert. Kaiser Karl suchte erfolglos, mit einem Völkermanifest Mitte Oktober den Auflösungserscheinungen der Habsburgermonarchie entgegenzuwirken.108 Die neutralen Basler Nachrichten berichteten sehr pointiert am 19. Oktober: 105 ÖStA-KA, Neue Feldakten Karton 306: K. u. k. 10. Armeekommando, Op.Nr. 8589, am 03. November 1918. 106 Vgl speziell zu den Auswirkungen auf die Südwestfront: Simcˇicˇ, Schlachten am Isonzo, 2003, S. 221 ff. 107 Siehe: Allmayer-Beck, Johann Christoph: Das Ende der Habsburgermonarchie vor 50 Jahren, in: Der Donauraum 13 (1968), S. 205–219; auch: Sked, Alan: The Decline and Fall of the Habsburg Empire 1815–1918, London/New York 1989.

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„Das Habsburgerreich gleicht einem Patienten, an dem eine schwere Operation vollzogen worden ist. Die Operation ist missglückt. Jetzt werden noch allerhand Mittel angewendet, um das kostbare Leben zu erhalten; aber sie können keine Heilung mehr bringen, sie können bestenfalls nur das Ende verzögern. Der Nationalitätenhader des aus so verschiedenartigen Elementen zusammengesetzten Reiches hat schon seit Jahrzehnten an seinem Mark gezehrt. Viele Politiker vertraten die Ansicht, nur ein Krieg könne Heilung bringen; in einem Kampfe auf Leben und Tod werden alle die verschiedenen Stämme und Völker der Donaumonarchie sich um das schwarz-gelbe Banner scharen und so werde ein neues festes Band sie alle umschlingen. [. . .] Aber vollends jetzt, da der Krieg nicht siegreich zu Ende geht, sondern mehr und mehr sich die Gewissheit ergibt, dass die Zentralmächte die Friedensbedingungen werden annehmen müssen, die die Alliierten ihnen auferlegen werden, gibt es im Zerfall des Habsburgerreiches kein Halten mehr. Schon längst ist es so weit gekommen, dass Angehörige der Monarchie in den feindlichen Reihen kämpfen.“109

Die Stimmung in Wien war geprägt von Defätismus und Chaos.110 Der deutsche Botschafter von Wedel brachte dies am 26. Oktober in seinem Bericht zum Ausdruck. Über die Stimmung im deutschen Lager schrieb er, dass es unmöglich sei, ein einheitliches Bild zu entwerfen. Man könne „[. . .] gegenwärtig von einer communis opinio nicht sprechen. Es herrschte ein Chaos auch in den Gedanken. [. . .] Die Gemüter werden von einer Auflösungspsychose beherrscht und ergehen sich in den schwärzesten Prophezeiungen. Was sich aus diesem Chaos entwickeln wird kann niemand voraussagen.“111 Was die Auflösung anging, waren die düstersten Prognosen gerechtfertigt. Am 29. Oktober sagten sich in Agram die Abgeordneten des kroatischen Landtags von Ungarn los, am 30. Oktober nahmen in Wien die deutschsprachigen Abgeordneten des Reichstags die von Karl Renner ausgearbeitete Provisorische Verfassung für Deutsch-Österreich an und am 31. Oktober wurden im Genfer Hotel Beau Rivage die Grundsatzbeschlüsse für einen 108 Das Manifest Kaiser Karls vom 17. Oktober beispielsweise in: Kerchnawe, Zusammenbruch, 1921, S. 53 f. 109 Basler Nachrichten mit Finanz- und Handelsblatt, Samstag 19. 10. 1918, 74. Jahrgang Nr. 489. Siehe auch: BayHStA, Bayerisches Staatsministerium des Äussern, Karton MA 103024. 110 Vgl.: Hanák, Péter: Die Volksmeinung während des letzten Kriegsjahres in Österreich-Ungarn, in: Mack, Karlheinz/Plaschka, Richard G. (Hg.): Die Auflösung des Habsburgerreiches. Zusammenbruch und Neuorientierung im Donauraum (Schriftenreihe des Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Instituts, Bd. 3), München 1970, S. 58–66. 111 PAA, R 9132: Berich von Wedels (Nr. 286), Wien am 26.10.1918.

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unabhängigen Tschechoslowakischen Staat gefasst. Bosnien und die Herzegowina erklärten sich gleichfalls wenig später für unabhängig.112 Am 28. Oktober wies Kaiser Karl, dessen über die Brüder Bourbon-Parma lancierten Friedensversuche 1917 erfolglos geblieben waren, das Armeekommando Trient an, auf Grundlage der vom amerikanischen Präsidenten Wilson verkündeten ‚Vierzehn Punkte‘ – die unter anderem einen ‚Frieden ohne Sieg‘ bezweckten – Waffenstillstandsverhandlungen einzuleiten.113 Diese politischen Wirren wirkten sich natürlich auch auf die Fronttruppen aus. Bereits am 22. Oktober war es zu zahlreichen Befehlsverweigerungen ungarischer und kroatischer Einheiten gekommen, zu denen sich bald auch tschechische und bosnische Kompanien gesellten.114 Der rasch erfolgende Zusammenbruch Bulgariens begann, vom Balkan aus die österreichische Front zu destabilisieren. Einem Ende Oktober mit gewaltiger Übermacht geführten alliierten Angriff an der Südwestfront konnte daher kein nachhaltiger Widerstand mehr entgegengesetzt werden. Die Truppen mussten zurückgenommen werden, worauf ganze Einheiten begannen, sich aufzulösen.115 Teils angespornt von national gesinnten Offizieren der jeweiligen Nationalität. Fassungslos berichtete der K. u. k. Generalstabschef von Arz an den deutschen Feldmarschall von Hindenburg: „Erschüttert melde ich E. E. [= Eurer Exzellenz, Anm. d. Verf.] die eingetretenen Verhältnisse: Truppen ohne Unterschied der Nationalität von über 30 Divisionen weigern sich, weiter zu kämpfen. Teile einzelner Regimenter verlassen eigenmächtig Stellung, ein Regiment der Reserve ist abmarschiert. [. . .] Ungarische Truppen erklären, unter keinen Umständen weiterzukämpfen, verlangen ihre Heimbeförderung, weil Heimat in Gefahr und Feind vor den Grenzen ihres Vaterlandes. Kommandanten sind machtlos. Bewunderungswürdig kämpfen die in Stellung befindlichen Truppen, weil sie infolge Kampfhandlungen politisch noch nicht verseucht sind. Ihre Kampfkraft erlahmt. Zufuhren von Reserven oder Ablösung ausgeschlossen, da Truppen nicht an Front zu bringen sind. [. . .] Lebensmittelzufuhr versagt, Bahnbetrieb in manchen Landesteilen kaum noch aufrechtzuer112

Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Wilhelm Heinrich Solf, bezeichnete in einem Telegramm an das deutsche Kriegsministerium das Verhältnis zu den aus Österreich-Ungarn neu entstandenen Staaten: Sie sind „[. . .] bis auf weitere nicht als feindlich anzusehen; es empfiehlt sich, Deutsch-Österreich bis auf weiteres als ‚befreundeten‘ Staat zu behandeln.“ In: PAA, R 20155: Auswärtiges Amt an Kriegsministerium (Nr. 12523.18.g.A M.) am 31.10.1918. 113 Hierzu auch das über diesen Tag hinausgreifende Werk: Sachslehner, Johannes: Der Infarkt. Österreich-Ungarn am 28. Oktober 1918, Wien 2005. 114 Vgl.: Kerchnawe, Zusammenbruch, 1921, S. 119 f. Ebenso: Horsetzky, Ernst: Die vier letzten Kriegswochen (24. Oktober bis 21. November 1918). Ein Beitrag zur Geschichte der Auflösung der österreichisch-ungarischen Armee, Leipzig/Wien 1920. 115 Zu den Meutereien auch: Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 608 ff. Auch ebd.: S. 629 ff.

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halten, Lage im Hinterland verworren und trostlos. Unter diesen Umständen muß gerettet werden, was noch möglich.“116

In diesen Zeilen wird direkt auf die eigentlichen Urheber angespielt: die Heimkehrer aus russischer Gefangenschaft. Man hatte die Umstände teilweise selbst verschuldet, indem man große Fehler bei der Wiedereingliederung dieser ehemaligen Kriegsgefangenen gemacht hatte. Die Soldaten waren froh, nach Hause zu kommen, hatten sich auf Frau und Kinder und auf einen ‚Urlaub‘ von den Strapazen gefreut. Stattdessen wurden sie an der Grenze von ihren eigenen Landsleuten hinter Stacheldraht gepfercht und „[. . .] unter dem Vorwand der Kontumazierung [alter österreichischer Ausdruck für Quarantäne, Anm. d. Verf.] so lange festgehalten und auf Herz und Nieren geprüft, bis sie alle böse und verdrossen geworden seien.“117 Aufgrund der militärischen und innenpolitischen Vorgänge wurden schließlich durch das Armeeoberkommando erste Bemühungen um einen Waffenstillstand eingeleitet.118 Da die militärische Lage zunehmend außer Kontrolle geriet, musste den italienischen Bedingungen, und damit einer bedingungslosen Kapitulation, letztlich zugestimmt und der Waffenstillstand am 3. November unterzeichnet werden. Davor sollte allerdings die letzte große Kampfhandlung stehen, die italienische Offensive bei Vittorio Veneto, die auch die Dritte Piaveschlacht genannt wird.119 Nach der österreichischen Niederlage am Piave im Juni 1918 war es General Diaz, dem italienischen Stabschef, nicht gelungen, seinen Erfolg auszunutzen. Unsicher, ob erneut solche Siege zu erringen seien, hatte er sich auf lokal begrenzte Operationen eingeschränkt. Erst als aufgrund der alliierten Erfolge an der Westfront alle weiteren deutschen Inter116

ÖStA-KA, Neue Feldakten Karton 476: Telegramm an FML Klepsch für GFM von Hindenburg (Op.geh.2058), am 29.10.1918. Vgl. auch: Kuhl, Hermann von: Der Weltkrieg 1914–1918. Band II, Berlin 1929, S. 485 f. 117 Brehm, Bruno: Weder Kaiser noch König. Der Untergang der Habsburgischen Monarchie, München 1933, S. 204. 118 Vgl.: Pichlík, Karel: Der militärische Zusammenbruch der Mittelmächte im Jahre 1918, in: Mack/Plaschka, Auflösung Bd. 3, 1970, S. 249–265. 119 Die Dritte Schlacht, nach den Kämpfen in Folge des Durchbruchs von FlitschKarfreit 1917 (Erste Piaveschlacht) und nach der Junioffensive 1918 (Zweite Piaveschlacht). Der Terminus der Dritten Schlacht ist aber seltener anzutreffen als der Ausdruck der Schlacht von Vittorio Veneto. Hierzu auch: Fraccaroli, Arnoldo: La vittoria del Piave, Milano 1918. Ebenso: Joseph von Österreich (Erzherzog): Der italienische Sieg am Piave. Aus den Memoiren des Erzherzogs Joseph, Rom 1933. Eine frühe Übersicht: Wullus, A.: Ceux de la Piave! Dessins, notes et Croquis pris au front par Louis Raemaekers, Documents des Services historiques de l’État – Major italien, Portraits par P.-A. Gariazzo, Bruxelles 1927.

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ventionen in Italien vereitelt wurden, änderte er seine Position. Er plante jetzt einen Doppelschlag. Der Hauptangriff sollte am Piave geführt werden, mit dem Ziel, bis zu dem Örtchen Veneto vorzurücken.120 Dies hätte die Österreicher in der Adria-Ebene von den Truppen in den Bergen getrennt und damit ein Aufrollen der beiden Frontteile erlaubt. Im Westen, am Monte Grappa, sollte die Front von der italienischen vierten Armee durchdrungen werden. Dieser Berg war der Pivot-Punkt der zwei österreichischen Armeegruppen – der Gruppe des Erzherzog Josephs im Trentino und der Gruppe Boroevic´ im Osten, entlang des Piave.121 Den Österreichern gegenüber lagen entlang des Flusses die italienische 3., 10., 8. und 12. Armee (nach ihrer Aufstellung vom Mittelmeerufer in Richtung Nordwesten). In der Summe standen den Italienern und ihren Verbündeten 57 Divisionen zu, von denen drei britisch und zwei französisch waren. Die Mannschaftsstärke der drei britischen Divisionen betrug etwa 50.000 Mann, die Franzosen hatten etwa 24.000 Mann.122 Diese fünf Divisionen waren auf der Ebene von Asiago verteilt. Zusätzlich war das US amerikanische 332. Infanterie Bataillon aufgestellt.123 Die Österreicher verfügten über 52 Divisionen, die in ihrer Mannschaftsstärke schon extrem dezimiert und ausgeblutet waren. Die Kämpfe begannen am 23. Oktober 1918 mit dem Hauptangriff der italienischen 8. Armee am Piavefluss. Das Gravitationszentrum lag um den Montello-Rücken.124 Die 10. Armee unter Lord Cavan sicherte bis zum 25. Oktober die Papadopoli Insel im Piavelauf und war zwei Tage später – verzögert durch Hochwasser – die erste, die einen Brückenkopf auf dem 120 Erst unter Benito Mussolini wurde die Ortschaft 1923 in Vittorio Veneto umbenannt. 121 Zum Angriffsplan General Diaz auch: Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 592 ff. 122 Bericht des Chief of American Military Mission to Italy, Situation of Allied Forces on the Italian Front, G-3, GHQ, AEF: Fldr.696 vom 21.09.1918. Veröffentlicht in: United States Army in the World War 1917–1919. Military Operations of the American Expeditionary Forces. Herausgegeben von der Historical Division-Departement of the Army, Washington 1948, S. 538. 123 Zu den englischsprachigen Kontingenten siehe die verschiedenen Regimentsgeschichten: Atkinson, C. T.: The Seventh Division in the Great War, London 1927; Barnett, G. H.: With the 48th Division in Italy, Edinburgh 1923; Crosse, E. C.: The Defeat of Austria as seen by the Seventh Division London 1919 (Neudruck 2007); Glover, M.: That Astonishing Infantry. The History of the Royal Welch Fusiliers, 1689–1989 London 1989; Hody, E. H.: With the ‚Mad 17th‘ to Italy London 1920; Lettau, J. L.: In Italy with the 332nd Infantry, Youngstown/Ohio 1921; sowie Hussey, A. H.: The Fifth Division in the Great War London, 1921. 124 Zu den Ereignissen dort auch folgende Niederschrift: ÖStA-KA, Manuskript 1918 MS.-WKI/13: Oberst Egon Waldstätten: Montello Schlacht und Schlacht von Vittorio Veneto. Geschrieben 1923.

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östlichen Ufer des Piave permanent errichten konnte.125 Sie traf nur auf leichten österreichischen Widerstand. Etwa 20 Kilometer im Norden überschritten kurz danach General Grazianis Truppen der 12. italienischen Armee den Fluss. Die 8. Armee sicherte den dritten Brückenkopf rund um den Montello, auf der rechten Flanke Grazianis. Da sie sich aber nicht bis zum südlich angrenzenden Brückenkopf der Briten ausweiten konnte, sandte Lord Cavan zwei weitere Reserve-Abteilungen aus, um den restlichen österreichisch-ungarischen Widerstand zu brechen und die Brückenköpfe zu verbinden.126 Das Sekundärziel in den Bergen war weit schwieriger anzugreifen. Der Widerstand war viel stärker als erwartet. Die Verbündeten Alliierten Truppen waren nicht imstande, größere Geländegewinne zu machen.127 Auf dem Grappa-Massiv besetzten die Italiener zunächst den Monte Asolone, von dem man sich aber recht bald wegen österreichischer Gegenangriffe wieder zurückziehen musste.128 Ähnlich war es auf dem Monte Pertica und dem Monte Pressolan. Das italienische Oberkommando ließ die Angriffe auf dem Grappa-Stock trotz des hartnäckigen Widerstands stetig wiederholen, um dort österreichische Truppen zu binden. Die Österreicher und Ungarn waren schließlich gezwungen, Reserven vom unteren Piave nach Norden zu verlagern. Unterdessen war die Lage an den drei Brückenköpfen bei Valdobbiadene, Sernaglia und Cimaldolmo durchaus prekär. Das Hochwasser und die österreichische Artillerie zerstörten mehrere Ponton-Brücken und der Ausbau der Köpfe in nördlicher und westlicher Richtung kam ins Stocken. Am Nachmittag des 27. Oktober begannen die Österreicher mit einem Gegenangriff, den die italienischen Sturmtruppen bis in die Nacht hinein von den Brückenköpfen heraus zurückschlugen. Den ganzen 28. Oktober über arbeiteten die Italiener an ihren Brücken und kämpften gegen das Hochwasser und das österreichische Artilleriefeuer. Zwischen Falzè und Nervesa stand am Ende des Tages wiederum keine einzige Brücke, was zu einer Lücke 125 Vgl.: Edmonds, Operations Italy, 1949, S. 270 ff. Ebenso: Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 614 ff. 126 Ein britischer Augenzeugenbericht bietet sich in: Gladden, Normann: Across the Piave. A personal account of the British forces in Italy 1917–1918, London 1971. 127 Im österreichischen Generalstabswerk als ‚Der Abwehrsieg im Grappagebirge (24. bis 28. Oktober)‘ bezeichnet. Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 598 ff. 128 Der Kriegsteilnehmer und K. u. k. Offizier Lothar Semper bezeichnete die Asolone Region in seinem Kriegstagebuch als „Tal des Teufels [. . .] wo selbst starknervige Regimenter nur mit Widerwillen hingingen.“ In: Semper, Lothar: 1918. Freiheit und Befreiung? Erlebte Geschichte von Lothar Semper, Innsbruck 1982, S. 47.

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zwischen der 8. und der 10. italienischen Armee führte. Das komplette XVIII. Korps wurde über die Brücken der 10. Armee dirigiert, um auf Conegliano vorzustoßen. Damit wurde dem VIII. Korps unter General Caviglia am 29. Oktober die Flussüberquerung und der weitere Vorstoß ermöglicht. Die Italiener erreichten nun die Trennung der österreichischen Verbände und am 29. Oktober auch der Vorstoß auf Vittorio Veneto. Auch in den Bergen gelang bei Quero trotz des österreichischen Widerstands und des schwierigen Geländes ein entscheidender Durchbruch. Auf dem Grappa-Massiv begannen die Österreicher am 27. Oktober eine Gegenoffensive. Acht Angriffe auf den Monte Pertica wurden von den Italienern in sechsstündigem Kampf abgewehrt. Auf dem Gipfel des Berges lagen danach Massen von toten Soldaten beider Seiten. Der Chronist dieser Kämpfe, Otto Gallian, war als zwanzigjähriger K. u. k. Leutnant dort eingesetzt. Er beschrieb den ‚klassischen Ablauf‘, wie Menschen dort oben getötet und atomisiert wurden, als ein klar definiertes Schema: „Die Menschenmühle droben arbeitet mit geradezu unheimlicher Präzision: Ein paar Stunden Trommelfeuer und – spätestens bis Mittag – sind die beiden Stellungsbataillone ‚erledigt‘, was in den Gräben liegt, zu 90 Prozent im Trommelfeuer zugrundegegangen, die in den Kavernen liegenden Gruppen nur in den günstigsten Fällen rechtzeitig aus ihrer Mausefalle herausgekommen – eine von draußen hineingeworfene Handgranate, Flammenwerfer oder Gefangennahme ihr Schicksal. [. . .] Die zum Gegenstoß angesetzten zwei Bataillone der Abschnittsreserve stehen am Tag darauf oder schon am Nachmittag als Stellungsbesatzung vor dem gleichen Los, dann kommen die zwei nächsten dran, [. . .]. Uns kostet das [. . .] alle drei Tage zwei komplette Regimenter; [. . .]. Was herunterkommt ist ausgebrannte Schlacke, Menschen mit flackernden Augen, neunzehnjährige Jungen, körperlich und seelisch gebrochen ...“129

Auch an den folgenden beiden Tagen kam es zu heftigen Kämpfen mit Artillerieeinsätzen. Die österreichischen Truppen kämpften verbissen auf den nördlichen Bergen des Grappa-Massivs. Ihr Ziel war immer noch, vom Grappa ins Tiefland durchzubrechen und die italienische Piavefront von hinten aufzurollen. Sie schienen aber zu vergessen, was um sie herum und besonders am Piave geschah. Dort brach am 30. Oktober der österreichische Widerstand zusammen, woraufhin die Italiener gemäß ihrem Plan weiter vordrangen und die auf dem Grappa kämpfenden österreichischen Verbände Gefahr liefen, isoliert zu werden. Von einer Umfassung bedroht, zogen sich die Österreicher in der Nacht vom 30. auf den 31. Oktober von den Bergen rund um den Monte Grappa zurück. 129 Gallina, Otto: Monte Asolone 1918, Graz 1933, S 177 f., [Satzzeichen wie im Original, Anm. D. Verf.].

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Die Österreicher hatten bei der Planung ihrer Gegenangriffe gegen die vorgedrungenen Engländer und Italiener in diesen Tagen immer mit der Insubordination der Masse ihrer Gegenangriffsgruppen zu rechnen. Am 28. Oktober 1918 musste FM Boroevic´ dem AOK melden: „Die Widerstandskraft unserer Truppen erlahmt auffallend, um so mehr, als die Zahl der mit Berufung auf Manifest, Unabhängigkeit Polens, Ungarns, des tschechischen, slowakischen und südslawischen Staates den Gehorsam verweigernden Verbände in bedenklichem Maße zunimmt und die Mittel fehlen, dieselben zum Gehorsam zu zwingen.“130 In Boroevic´s Augen musste man sich in Wien sehr schnell über die Verhältnisse, die in seinem Befehlsbereich herrschten, klar werden und eine politische Wendung herbeiführen, wenn man nicht „[. . .] Anarchie und damit [eine] Katastrophe für Monarchie und Armee [. . .]“ riskieren wollte.131 Die österreichisch-ungarischen Truppen waren nun in mehrere Gruppen aufgesplittert, teilweise umfasst und ohne Reserven und Nachschub. Dabei aber stets verfolgt von den ständig angreifenden alliierten Verbänden. Die Heeresgruppe Boroevic´ musste den Rückzug gegen die Livenza und in späterer Folge gegen den Tagliamento antreten. Bis zum 30. Oktober hatten die 10. und 3. italienische Armee den Fluss Livenza mit relativ geringer Gegenwehr erreicht. Am gleichen Tag nahm die 8. italienische Armee mit Kavallerie-Abteilungen und radfahrenden Bersaglieris den Ort Vittorio Veneto und die österreichischen Armeen waren damit sichelförmig aufgespaltet. Der Vormarsch hatte jetzt eine Tiefe von 24 Kilometern auf einer Breite von 56 Kilometern erreicht. Während an einigen Stellen K. u. k. Nachhuten verbissen kämpften, rückten andere Truppenteile – teilweise plündernd – in Richtung Heimat ab. FM Boroevic´ nahm seine beiden Armeen in der Nacht auf den 30. Oktober hinter die Livenza zurück. In dieser nahezu aussichtslosen Lage gab Kaiser Karl den Wünschen der ungarischen Regierung nach und befahl den Heimtransport der beiden kampfverweigernden ungarischen Divisionen. Die Meuterei dieser Truppen hatte verblüffend schnell auf andere ungarische, mährische, slowenische und bosnische Regimenter übergegriffen. Der Befehl zum Abtransport und die Einleitung von Friedensverhandlungen raubten der Front den letzten Halt.132 Die verbliebenen Kämpfer wussten – verständlicherweise – nicht mehr, warum sie dann noch ihr Leben riskieren sollten. Am 29. Oktober 1918 überschritt ein erster österreichisch-ungarischer Parlamentär die feindlichen Linien, um die Waffenstillstandsverhandlungen 130

Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 632. Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 632. 132 Vgl. zum Empfinden der Fronttruppen etwa den Bericht von Gallian, in: Gallian, Monte Asolone, 1933, S. 186 ff. 131

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einzuleiten. Er wurde in den Morgenstunden des 29. Oktober trotz weißer Parlamentärsfahne erst einmal beschossen.133 Es dauerte Stunden, bis man ein Schreiben überbringen konnte, in dem der Wunsch nach Abschluss eines Waffenstillstands zum Ausdruck kam. Die Waffenstillstandskommission sollte nachfolgen. Ihr Auftrag war, alle Bedingungen anzunehmen, die die Ehre der Armee nicht berührten und nicht einer Kapitulation gleichkamen. Formale Vorgaben, die ohnehin nie hätten eingehalten werden können. Der Generalstabschef Baron Arz hatte den Führer der österreichischen Kommission, General Weber von Webenau, mit Argumenten versorgt. Aus einer Depesche vom 29. Oktober geht hervor, dass man den Italienern gegenüber folgendes besonders betonen sollte: „Es ist schade um jeden Mann, der dafür geopfert wird, was den Italienern so wie so schon zugesichert ist (also Humanitätsgründe); weiters daß unsere Rückbewegungen unter fdl. [= feindlichem] Drucke natürlich keine Rücksicht auf das Land nehmen können (d.h. Brücken zerstört, Orte in Verteidigungslinien niedergelegt, Bewohner flüchten werden usw.), während nach Einstellung von Feindseligkeiten und bei geregelter Räumung das gut bestellte und in Ordnung gehaltene Venetien ohne Schaden übergeben werden würde.“134

Als der Vertreter der deutschen Heeresleitung beim K. u. k. Oberkommando die Befürchtung äußerte, dass die Entente bei freiem Durchmarsch durch Tirol plötzlich im Rücken Deutschlands auftauchen könnte, entschloss sich Kaiser Karl am 30. Oktober, in einem Telegramm Kaiser Wilhelm zu beruhigen: „Ich war heute früh genötigt, da die militärische Lage unhaltbar geworden ist, den Italienern einen Waffenstillstand anzutragen. Falls aber die Italiener die Bedingungen stellen, daß die Bahnen durch Tirol und Kärnten (Tauernbahn, Brennerbahn, Südbahn) für den Durchzug der feindlichen Truppen gegen Deine Länder geöffnet werden sollten, so werde Ich Mich an die Spitze Meiner DeutschOesterreicher stellen und den Durchzug mit Waffengewalt verhindern. Darauf kannst Du fest vertrauen. Auf die Truppen der anderen Nationalitäten kann man sich in dem Fall nicht verlassen.“135 133 Aus der Meldung an das AOK: „Parlamentär Generalstabshauptmann Ruggera hat [. . .] Dokument des Generals der Infanterie v. Weber bei den italienischen Linien nächst Serravalle übergeben. Übergabe verzögert durch Artillerie-, Maschinengewehr- und Infanteriefeuer aus feindlichen Stellungen. Ein Mann der Patrouille schwer verwundet.“ Kerchnawe, Zusammenbruch, 1921, S. 117. 134 ÖStA-KA, Neue Feldakten Karton 476: AOK Chef des Generalstabes an GdI Weber (Op.geh.Nr.2061) am 29.10.1918. 135 Zitiert in: Kuhl, Weltkrieg Band II, 1929, S. 486. Kaiser Wilhelm erwiderte darauf: „[. . .] Mit Bewegung habe ich Dein Telegramm mit der Nachricht über den Antrag zum Waffenstillstand an Italien gelesen. Ich bin überzeugt, daß Deine Deutsch-Östreicher, an der Spitze ihr kaiserlicher Herr, sich wie ein Mann gegen schmachvolle Bedingungen erheben werden und danke Dir dafür, daß Du mir dies noch besonders versicherst.[. . .]“ Zitiert in: Kerchnawe, Zusam-

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Am Abend des 30. Oktobers überschritt die Waffenstillstandskommission mit General Weber von Webenau an der Spitze die Frontlinie an der Etsch.136 Interessanterweise war bei der Zusammensetzung der Delegation nicht der Einsatz von Diplomaten berücksichtigt worden – der Kommission gehörten ausschließlich Offiziere an. Unter ihnen befanden sich zwei Deutsche, Oberst Schäffer von Bernstein und – der spätere Panzergeneral, damals noch Hauptmann – Heinz Guderian, die trotz ihrer Beglaubigungsschreiben von Generalfeldmarschall von Hindenburg von den Italienern zurückgeschickt wurden.137 Die österreichisch-ungarische Delegation wurde mit verbundenen Augen in die Villa Pellegrini im nahen Avio gebracht, wo eine erste Sitzung stattfand. Am Abend des 31. Oktobers erfolgte der Weitertransport der Abordnung in die Villa des Senators Giusti südlich von Padua, in der Nähe des italienischen Comando Supremo. Die Bedingungen für den Waffenstillstand wurden aus Versailles vom Oberkommando der Alliierten Streitkräfte vorgegeben. Aus dessen Sicht war die Lage relativ einfach. Der britische Vertreter im Obersten Alliierten Kriegsrat, Sir Henry Wilson, schrieb in seinem Tagebuch über die Konferenz vom 30. Oktober: „Wieder ein Waffenstillstandsgewinsel aus Wien. [. . .] Lloyd George fragte mich daher, welche Bedingungen wir aufstellen sollten. Ich schrieb auf einen Zettel: 1. Demobilmachung bis auf 20 Divisionen; 2. Rückzug bis zu der im Londoner Pakt vereinbarten Linie; 3. die Alliierten können sich der Straßen, Eisenbahnen und Wasserwege nach freiem Ermessen bedienen; 4. Besetzung strategischer Punkte nach Gutdünken der Alliierten.“138

Noch hatten die Armeen der Entente an der Westfront keinen entscheidenden Erfolg errungen, deutsche Truppen hielten noch große Teile Belgiens und Nordfrankreichs besetzt. Daher hatten die Alliierten Militärs sicher im Hinterkopf, einen Angriff auf Deutschland durch österreichisches Gebiet vorzubereiten. Die alliierten Bedingungen für den Waffenstillstand waren hart und kamen einer Kapitulation gleich. Sie forderten die sofortige Einstellung der menbruch, 1921, S. 117. Laut Aussage Generalmajor Kerchnawes findet sich erstaunlicherweise das ursprüngliche Telegramm Kaiser Karls nicht in den Unterlagen des Armeeoberkommandos. Vgl. ebd, S. 117, Fußnote 1. 136 Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 711, auch: Kerchnawe, Zusammenbruch, 1921, S. 119 ff. Die relevanten Akten u. a. in: ÖStA-KA, Neue Feldakten Karton 609: Waff.stillstandskommission GdI Weber. 137 Vgl.: Rauchensteiner, Doppeladler, 1997, S. 616 f. 138 Wilson, Henry: Die Tagebücher des Feldmarschalls Sir Henry Wilson (herausgegeben von Charles E. Callwell), Stuttgart 1930, S. 324. Zu den Debatten über Österreich-Ungarn auch der Sekretär der österreichischen Delegation von 1918: Hans, Josef: Zum Waffenstillstand von Villa Giusti. Erlebnisse und Forschungen, Klagenfurt 1964, S. 21 ff.

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Feindseligkeiten (cessation immédiate des hostilités), die nahezu vollständige Abrüstung Österreich-Ungarns und hierbei die Ablieferung eines Großteils der Artillerie nach dem Krieg sowie die freie Nutzung aller Verkehrseinrichtungen. Kernpunkt war die Besetzung aller im Londoner Vertrag den Italienern zugesagten Gebiete.139 Dies bedeutete die „Freigabe aller seit Kriegsbeginn besetzten feindlichen Gebiete und Räumung eigenen Bodens, bis zu einer Linie, die ganz Südtirol bis zum Brenner, das Pustertal bis Toblach, das Tarviser Becken, das Isonzogebiet, Görz, Istrien samt Triest, Westkrain und Norddalmatien der Besetzung durch Italiener preisgab.“140 Schließlich sollte der Waffenstillstand erst 24 Stunden nach seiner Unterzeichnung in Kraft treten. Die italienische Abordnung wurde von dem stellvertretenden Generalstabschef Pietro Badoglio angeführt, der 1943 die Absetzung Mussolinis initiieren und danach kurzzeitig Ministerpräsident Italiens werden sollte.141 Er erklärte diese Konditionen als unabänderlich. Die Italiener, die den Zerfall des feindlichen Heeres unmittelbar beobachten konnten, zögerten den Abschluss des Waffenstillstands hinaus, um die Waffenstillstandslinie möglichst weit im Norden ‚einzufrieren‘. Zu diesem Schluss kamen auch die österreichischen Kommanden schon am 30. Oktober. Aus Tirol war an das AOK gemeldet worden, dass dem Hauptmann Ruggera, der die Verhandlungen einleiten sollte, mitgeteilt worden war: „Die ital. Oberste HL. [= Heeresleitung] beabsichtigt nicht, mit irgend einer Kommission zu verhandeln, weder über einen Wffstlstand [sic] noch eine Einstellung der Feindseligkeiten, die auf eine Unterbrechung der jetzt im Gange befindlichen Operationen abzielen würden.“142 Baron Arz folgerte daraus, dass die Italiener auf keinen Fall bereit seien, die Operationen einzustellen, also auch nicht durch eine bedingungslose Waffenstreckung. Stattdessen gingen die schnellen italienischen Verbände weiter gegen Norden vor. Am 1. November griffen die 7., die 6. und der linke Flügel der 4. italienischen Armee konzentrisch Südtirol an. Die 8. und 12. sowie die Masse der 4. Armee rückten gegen das Pustertal vor. Die 10. und 3. Armee sowie ein Kavalleriekorps setzten zur schnellen Überholung der Heeresgruppe Boroevic´ in Venetien an. Die 6. Armee durchstieß am 1. November die sehr lückenhafte Front der Verteidiger nördlich von Asiago.143 Als FM Krobatin 139

Der Entwurf der Waffenstillstandsbedingungen findet sich in einem Bericht des Mitglieds der Waffenstillstandskommission, Oberst Karl Schneller, an das AOK vom 1. November in: Kerchnawe, Zusammenbruch, 1921, S. 128–131. 140 Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 713. 141 Siehe zur Person Badoglios die Biographie von: Pieri, Piero/Rochat, Giorgio: Pietro Badoglio, Torino 1974. 142 ÖStA-KA, Neue Feldakten Karton 476: AOK Chef des Generalstabes an HGK Tirol/HGK Boroevic (Op.geh.Nr.2068) am 30.10.1918. 143 Vgl.: Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 686 ff.

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die noch kampfwilligen Truppen im Halbkreis südlich von Trient nochmals eine Stellung beziehen ließ, traf zu allem Ungemach vom ungarischen Kriegsminister Oberst Linder der Befehl an alle aus Ungarn stammenden Truppen zum sofortigen Niederlegen der Waffen ein.144 Minister Linder wurde in Österreich durch ein Zitat bekannt, welches er bei einer Besichtigung von Kasernen in Ofenpest getan haben soll: „Die Soldatenspielerei muß ein Ende haben. Ich will keine Soldaten mehr sehen.“145 Wie aus einem Gespräch des stellvertretenden K. u. k Generalstabschef GM Waldstätten mit dem K.u. Kriegsminister Linder vom 2. November hervorgeht, sah die Reaktion des AOK für den italienischen Kriegsschauplatz folgendes vor: Das AOK wollte einen Befehl erlassen, wonach alle Feindseligkeiten von ungarländischen Truppen und von allen ungarischen Bürgern, die nicht bei ungarländischen Formationen – sprich in formal österreichischen – eingeteilt waren, eingestellt werden sollten.146 Das Vorgehen war relativ simpel geplant, allerdings auch etwas realitätsfern: „Die [ungarischen, Anm. d. Verf.] Divisionen machen halt, stellen die Geschütze auf, die Italiener rücken über sie hinweg. Unsere anderen [österreichischen, Anm. d. Verf.] Truppen setzen den Rückmarsch unter Kämpfen fort.“147 Die ungarischen Truppen sollten also die Waffen niederlegen, während die österreichischen Truppen sich hinter die Sprachengrenze und hinter die alte Reichsgrenze absetzen sollten. Nun stieß am 2. November die italienische 1. Armee über Rovereto ins Etschtal durch und versperrte allen südöstlich von Trient zusammengedrängten Truppen der K. u. k. 11. und Teilen der 10. Armee den Rückzug. Währenddessen waren die Verhandlungen weitergegangen. Da die erst am Vormittag des 1. Novembers den Österreichern mitgeteilten Bedingungen weit über die General Weber von Webenau gegebenen Vollmachten hinausgingen und einer vollen Kapitulation gleichkamen, musste dieser mit dem Armeeoberkommando in Baden und Kaiser Karl Rücksprache halten. Am 3. November um 1.20 Uhr nachts gab Kaiser Karl von Schönbrunn aus den Befehl, die Feindseligkeiten einzustellen. Ein Befehl, den er zwar um 2.45 Uhr zu annullieren versuchte, der aber bereits den Fronttruppen übermittelt worden war.148 An General von Weber erging über Funk die Order: 144

Telegramm zitiert in: Kerchnawe, Zusammenbruch, 1921, S. 131 f. Kerchnawe, Zusammenbruch, 1921, S. 132. 146 ÖStA-KA, Neue Feldakten Karton 476: Gespräch zwischen GM Waldstätten und ungarischem Kriegsminister Béla Linder am 02.11.1918 um 09.15 Uhr (Op.geh.Nr.2092). 147 ÖStA-KA, Neue Feldakten Karton 476: (Op.geh.Nr.2092). 148 Sehr aufschlussreich ist hierzu ein kurzer Bericht des stellvertretenden Generalstabschefs Waldstätten. Vgl.: ÖStA-KA, Neue Feldakten Karton 476: Bericht 145

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„Alle Waffenstillstandsbedingungen werden, wenn Milderung ohne Zeitverlust nicht zu erreichen, ohne Präjudiz für den Frieden angenommen. Die österreichisch-ungarischen Truppen erhielten demgemäß bereits Befehl, die Feindseligkeiten sofort einzustellen. Man setzt voraus, daß der Punkt 4a Land und 4 Wasser [Durchzugsrecht] nicht so zu verstehen sind, daß die feindliche Armee die freie Bewegung zu einem Angriff auf Deutschland benützen könne. Obwohl man einen solchen Fall nicht verhindern könnte, müsste doch entsprechend Protest gegen denselben erhoben werden. Es wäre also auch diese Bedingung anzunehmen, aber vorher zu versuchen, den feindlichen Vormarsch der Zeit nach zu verzögern.“149

Am frühen Morgen des 3. Novembers begann der Abzug der total erschöpften und kriegsmüden Truppen des untergehenden Habsburgerreiches. Der in der Villa Giusti auf Instruktionen wartende General Weber wurde erst am Nachmittag des 3. Novembers von den aus Trient zurückkehrenden Mitgliedern seiner Delegation über den Befehl zur Waffenniederlegung informiert. Die aussichtslose Lage erkennend, die sich aus einem Staat ohne Armee ergab, nahm er um 15 Uhr die Waffenstillstandsbedingungen an.150 General Badoglio legte daraufhin das Inkrafttreten des Waffenstillstands für 15 Uhr am 4. November fest.151 Einige Mitglieder der österreichischen Delegation protestierten scharf gegen diese 24-stündige Verzögerung, konnten sich aber nicht durchsetzen.152 Die italienischen Truppen marschierten unterdessen weiter. Gegen einen Gegner, der nicht mehr kämpfte, gelang es ihnen, bis zum Nachmittag des 4. Novembers tief in das Trentino und Südtirol vorzustoßen. Die italienischen Berichte sprachen bis zum 3. November von 80.000, bis zum 11. November aber von 436.674 Gefangenen. In der Zeit nach der Einstellung der Kampfhandlungen wurden also etwa 360.000 österreichisch-ungarische Soldaten gefangen genommen.153 Waldstättens – Wie die Befehle betreffs des Waffenstillstandes (einstellung der Feindseligkeiten) entstanden (Op.geh.Nr.2117 am 03.11.1918). 149 Kerchnawe, Zusammenbruch, 1921, S. 146, auch: Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 724. 150 Detailliert ist der Waffenstillstand in der neueren Literatur zuletzt geschildert worden in dem Aufsatz von Rainer, Johann: Der Waffenstillstand von Villa Giusti am 3. November 1918, in: Lichem, Karl I., 1996, S. 84–98. Hervorragend ist auch die Ergänzung durch ausführliche Aktenstücke, welche den österreichisch-italienischen Notenwechsel zum Waffenstillstand 1918 wiedergeben. In: Lichem, Karl I., 1996, S. 98–114. 151 Vgl auch: Lenci, Giuliano: Le giornate di Villa Giusti: storia di un armistizio, Padova 1998, hier speziell die beigefügten Dokumente auf den Seiten 203–240. 152 Die Antwort des italienischen Generalstabschefs Diaz auf die österreichische Protestnote in: Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 734. Zum Protest auch: Hans, Villa Giusti, 1964, S. 15. 153 Vgl.: Ratzenhofer, Emil: Der Waffenstillstand von Villa Giusti und die Gefangennahme Hunderttausender, Ergänzungsheft 2, Wien 1931, S. 49, auch: Regele, Gericht, 1968, S. 195.

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Von besonderer Brisanz war die nationale Zusammensetzung dieser Gefangenen. Etwa 108.000 Mann stammten aus den deutschen Ländern der Habsburgermonarchie, ferner gab es 83.000 Tschechen und Slowaken, 61.000 Südslawen, 40.000 Polen, 32.000 Ruthenen, 25.000 Rumänen und 7.000 Italiener.154 Die Alliierten Streitkräfte der Italiener, Briten und Franzosen hatten also „[. . .] mit Masse Soldaten ihrer neuen Verbündeten und auch einige neue Landsleute gefangengenommen.“155 Erneut sollen die historischen Fakten durch einen Augenzeugen ergänzt werden. Max Pfanner, Oberleutnant im 2. Regiment der Tiroler Kaiserjäger, erlebte das Kriegsende auf der Hochfläche von Folgaria–Lavarone. Seine Division sollte sich laut Rückmarschbefehl in Folgaria sammeln und dann nach Trient abmarschieren. „Da die Strassen nach Trient von marschierenden Truppen und Trains aller Art überfüllt waren, nächtigte die Division vom 3./4. November an der Strasse von Folgaria nach Carbonare um erst ein Freiwerden der Rückmarschlinien abzuwarten. Jetzt eilte es ja schon nicht mehr so und als in der Frühe des 4. Novembers bereits die ersten Bersaglieri parallel zu uns im Talgrund neben der Strasse lagerten, sah man darin gar nichts mehr Ausserordentliches und beguckte sich hüben und drüben ohne Argwohn. [. . .] immerhin fühlte man, dass die Kriegsaxt bereits begraben war und man wahrte sich gegenseitig jeglichen Respekt. Nur vorn bei der Spitze, wo sich unser Divisionskommando befand, schien etwas nicht zu stimmen. Schon zwei Mal war der Befehl zum Antritt des Marsches gegeben worden und zwei Mal wurde er rückgängig gemacht. Da kam plötzlich von vorn die Nachricht: Die Italiener wollen uns den Weg nicht freigeben, da ihr Divisionskommando angeblich nichts vom Waffenstillstand weiss [. . .]. Bleiche Wut malte sich auf allen Gesichtern und Durchschlagen war die erste Losung. Aber konnten wir denn unseren Leuten, die nun schon mit ihren ganzen Sinnen und Trachten in der Heimat weilten, denen man den Waffenstillstand und die Einstellung aller Feindseligkeiten in aller Form verlautbart hatte, konnten wir diesen braven zumuten, neuerdings zur Waffe zu greifen um eines fraglichen Erfolges willen? Nein, wir wollten kein unnützes Blutvergiessen mehr und überliessen dem jederzeit wortbrüchigen Gegner die volle Verantwortung für seine schmachvolle Handlungsweise. Und im Nu begann die endlose Kolonne im Angesicht des Feindes alles zu zerstören, was nur zerstört werden konnte und irgend welchen Wert für ihn gehabt hätte. Die Jäger schlugen ihre Gewehre, die Offiziere hieben ihre Feldstecher und Photographenapparate in Trümmer, Maschinengewehre und Pistolen wurden zerlegt und die einzelnen Bestandteile auf jede Art und Weise unbrauchbar gemacht, Lederwaren wurden in kleine Streifen zerschnitten – kurz und gut, alles was dem Feinde irgendwelchen Nutzen bringen konnte wurde vernichtet und bald lagen an 154 Vgl.: Sked, Decline, 1989, S. 261. Zu den italienischen Gefangenen auch: Sondhaus, Lawrence: In the service of the emperor. Italians in the Austrian armed forces 1814–1918, New York 1990, S. 115 f. 155 Rauchensteiner, Doppeladler, 1997, S. 622.

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und auf der Strasse die Trümmer der Waffen und Ausrüstungen unserer stolzen, unbesiegten Division.“156

Auf eine topographisch bedingte Besonderheit weist das amtliche österreichische Werk hin: „Besonders hart wurde die an der Tiroler Westfront stehende öst.-ung. 10. Armee durch den Angriff der Italiener getroffen. Hier fand der Feind reichlich Gelegenheit, die noch in den Hochgebirgsstellungen befindlichen öst.-ung. Truppen in den Tälern abzuschneiden und dann für gefangen zu erklären.“157 Franz Theodor Csokor (1885–1969) hatte diese Isolierung als Ausgangspunkt für sein 1937 im Burgtheater uraufgeführtes Drama ‚3. November 1918 genommen.158 Er zeichnet darin die Stimmung und Zweifel nach, die aus langjährigen Kameraden – sozusagen über Nacht – Feinde machten.159 Das Drama spielt in einem Rekonvaleszentenheim, das über Wochen durch Schneefall von der Außenwelt – und damit von allen Informationen – abgeschnitten worden war. Der vornehme und aufrechte Oberst Radosin, erzogen in der Tradition der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, versucht in dem Stück, die kleine Gruppe ehemaliger K. u. k. Soldaten, die sich auf einmal als Feinde aufgrund ihrer unterschiedlichen nationalen Herkunft ansahen, im Geiste der Monarchie zusammenzuhalten. Das ganze Drama mit seinem zugrunde liegenden Konflikt entfaltet sich in einer Diskussion der Offiziere, ob man zur Flaggenparade schreiten solle: „Radosin [. . .]. Möchten die Herren mit mir vor das Haus, der Fahne die Ehrenbezeigung zu leisten? (geht zur Tür rechts. [. . .] Keiner der Anwesenden folgt ihm. Radosin bleibt unbeweglich an der Tür.) Ludoltz [. . .]. Sie würden also hier kämpfen, Herr Oberst, für ein Land hinter sich, das es gar nicht mehr gibt? Radosin (mißt ihn). Sie vielleicht nicht? Ludoltz. Ich auch. Doch da müßte ich wenigstens spüren, daß dieses Land neu zur Welt kommt, – nicht daß es vergeht!“160 156 MILAR/MHFZ, Faszikel Pfanner: Manuskript des Kaiserjäger Oberleutnants Max Pfanner ‚Erlebnisse an der italienischen Front, Oktober 1915–November 1918‘. 157 Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 740. 158 Während des Ersten Weltkrieges war Csokor zunächst als österreichischer Soldat im Kampf, später dann dem K. u. k. Kriegsarchiv zugeteilt. Sein Stück ist publiziert: Csokor, Franz Theodor: 3. November 1918. Drei Akte, Wien/Hamburg 1936. 159 Romanhaft wurde dieses Kapitel der österreichisch-ungarischen Geschichte auch aufgearbeitet von dem aus Jägerndorf stammenden Autor Ott, Erwin: Das Ende. Ein Roman vom Zusammenbruch der Südfront 1918, Reichenberg 1930. An einigen Stellen schildert Ott auch das Alltagsleben der Soldaten sehr plausibel aber die literarische Qualität dieses Werkes ist nicht sehr hoch anzusiedeln. 160 Csokor, 3. November 1918, 1936, S. 49.

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Für Österreich-Ungarn war der Krieg – zumindest formal – am 4. November 1918 vorüber. In vielen Nachkriegsdarstellungen war die Rede von einem italienischen ‚Advokatentrick‘, von ‚Betrug‘, von einem neuerlichen ‚Verrat Italiens‘ in Anspielung auf das ‚perfide Italien‘ des Jahres 1915. Dies entbehrt jeder Grundlage. Der objektiv korrekte Zeitpunkt der Feuereinstellung war der 4. November, 15 Uhr, und daran hat sich die italienische Seite gehalten. Die Gefangennahme tausender Soldaten der ehemaligen K. u. k. Armee war allein Ergebnis der Konfusion, die in diesen Tagen im österreichisch-ungarischen AOK herrschte, und der Armeewitz ‚AOK heiße Alles-ohne-Kopf‘ hatte sich wohl bewahrheitet.161 Einen möglichen, wenngleich drastischen Erklärungsversuch gibt der damalige General der Reserve Emil Ratzenhofer: „Sie [die Mitglieder des AOK; Anm. d. Verf.] haben die Wut der hungernden und plündernd heimkehrenden Massen gefürchtet, riefen harte Kritiker der Heeresleitung, der Generalität und militärischen Ordnung, denn sie fürchteten die Rache der gequälten an jenen, die sie zur Schlachtbank geführt hatten. Daher hat das Oberkommando die Festhaltung von Hunderttausenden herbeigeführt. Sie haben die Gefangennahme gewünscht, weil sie sich außerstande sahen, die zurückströmenden Massen zu versorgen und weil der Radikalismus der ausgehungerten Heimgekehrten das politische Pendel noch weiter nach links geworfen hätte.“162

Ob bei den Befehlen über die Feuereinstellung einer der österreichischen Offiziere einen Fehler begangen hatte, wurde später sogar von einem Untersuchungsausschuss der österreichischen Nationalversammlung geprüft. Eine eindeutige Schuldzuweisung unterblieb und die Kommission kam zu dem salomonischen Urteil: „Die Auffassung des AOK., daß nichts mehr von den Kriegszielen zu retten und [es] um jeden Toten schade sei, erscheint als hinlängliche Begründung, die angefochtene Maßnahme für gerechtfertigt erscheinen zu lassen, weil damit der mögliche, ja wahrscheinliche Verlust von Hunderten oder Tausenden von Toten erspart worden ist.“163 Als Zeuge für das Fühlen und Denken im K. u. k. Offizierskorps über den italienischen Sieg sei der Kommandant der Pustertaler Front, FML Ludwig Goiginger, angeführt. Er hat formuliert, was nicht nur in militärischen Kreisen, sondern auch in einigen Teilen der österreichisch-ungarischen Bevölkerung über dieses letzte große kriegerische Kapitel gedacht wurde. Eine Mischung aus Verbitterung, Überheblichkeit und Ohnmacht: „Der sogenannte italienische Durchbruchssieg bei Vittorio Veneto gegen unsere infolge des Zerfalles der Monarchie bereits in Auflösung gewesene Armee, kann 161

Vgl. die satirische Zeitschrift Die Bombe. Illustrierte Wochenschrift, Wien 20.12.1918 (Nr. 36), S. 3. 162 Lichem, Altösterreichische Luftwaffe, 1985, S. 305 f. 163 Zitiert in: Ratzenhofer, Waffenstillstand von Villa Giusti, 1931, S. 53.

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billigerweise – vom militärischen Standpunkte aus – gewiss nicht als ein gelungener Durchbruch gewertet werden. Auf Grund dieser Tatsachen kann man wohl nur von einer auf den Charaktereigenschaften der Italiener als Nation und Rasse beruhenden militärischen Inferiorität derselben sprechen, die ja auch in unseren früheren Kriegen mit Italien, 1848, 1849, 1859 und 1866 stets zutage getreten ist. Andererseits waren uns aber die Italiener wieder als Politiker und Diplomaten weit überlegen, und so kam es, dass sie – obwohl auf den Schlachtfeldern immer geschlagen – ihre politischen Ziele fast immer erreichten und schließlich über uns triumphierten. Wir sind eben aus der Schule Radetzkys hervorgegangen, die Italiener aus jener Macciavellis.“164

2. Heimkehrer – Rückmarsch der Erlösten Die Truppen in Tirol ließen den Durchmarsch des Gegners gezwungenermaßen zu. Italienische Panzerautos rasten, seit die österreichisch-ungarischen Geschütze schwiegen, überall auf den Straßen nordwärts. Wer sich bis 4. November nachmittags hinter der Verbindungslinie südlich dieser Vorhuten befand, erklärten sie für kriegsgefangen. Nach den Ergebnissen der Verhandlungen von Villa Giusti war ihr Recht unbestreitbar, dass die Vorhuten sich bis zur festgesetzten Stunde im Kampfe vorwärts schlugen. Dadurch geriet Korps um Korps, fast alles, was an Truppen im Tiroler Kampfraum stand, in Gefangenschaft. In wilden, buntgemischten Haufen drängte die vom Waffenstillstand verständigte und nicht mehr fechtende Armee sofort Richtung Heimat. Die Truppen wurden überholt und abgeschnitten. In wenigen Fällen, in denen noch festgefügte Einheiten bestanden und sich einem Offizier unterordneten, griffen sie noch einmal zu den Gewehren, um das Los der Gefangennahme abzuwenden. Aus den Meldungen der Heeresgruppen ergab sich für das AOK ein düsteres Bild. Die Gruppe Tirol sprach von vollständiger „[. . .] Anarchie in jeder Hinsicht.“165 Die Verpflegung für die Massen der rückströmenden Truppen war völlig unzureichend und musste zu weiterem Chaos führen. Deshalb schlug das Heeresgruppenkommando Tirol vor, die Ententemächte zu bitten, die Verpflegung und Verwaltung in den betroffenen Gebieten zu übernehmen. Erst dann könne ein geregelter Rückmarsch eingeleitet werden. Von Seiten Boroevic´s kamen betrübende Neuigkeiten aus Kärnten: Plünderungen allerorten. „Die Pflichtvergessenheit feiert Orgien.“166 Mit 164

BayKA, NL Krafft 300: Denkschrift von FML Ludwig Goiginger. HGK Tirol am 04.11.1918. Befehl zitiert in: Kerchnawe, Zusammenbruch, 1921, S. 155. 165

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den Heerscharen der Meuternden, seit Tagen in Bewegung, stauten sich die Reste der Entkommenen vor den Bergwänden von Bozen und Meran.167 Die Rückflut der Massen, die vom Tonalepass heraufdrängten, verwirrte und verwickelte sich am Südhang des Brenners mit den Strömen von Marschierenden und Trains, die aus dem Pustertal unablässig bei Franzensfeste hervortraten. Bis in den Raum um Bozen hatten die meisten Mannschaften ihren Offizieren noch Gehorsam geleistet, denn auch sie sahen, dass die Offiziere noch am besten die Schnelligkeit und die Sicherung des Rückmarsches ordnen konnten. Südlich Bozen verlief die Linie, innerhalb der alle Truppen kriegsgefangen bleiben sollten, die bis zum 4. November noch dort standen. Kaum waren sie aber der Gefahrenzone entronnen, verweigerten auch diese Mannschaften jeden Gehorsam. Die Offiziere verloren ihre Macht spätestens bei Bozen. Ein Brief an den Tiroler Reichsratsabgeordneten Emil Kraft schildert Eindrücke aus Bozen am 6. November: „Es würde zu weit über meine Berichterstattung hinausgehen, wollte ich alles Gesehene hier niederschreiben. Insbesonders haben sich die Ungarn geradezu bestialisch in ihrem Auftreten benommen. Soeben sagt mir eine Frau (Praxmarer, Putzenhofbesitzerin in Oberau bei Bozen), daß man ihr gestern vormittags das ganze Haus im Innern demolierte, die großen Weinfässer mit Hacken zertrümmerte so, daß der Wein bis zu den Knieen am Boden schwamm. Wenn es derartige Plündereien an vielen Orten gegeben, so ist es geradezu noch ein Wunder daß die Ruhe im Allgemeinen doch erhalten blieb.“168

Die ersten Vorboten der nach Norden flüchtenden Armeen ließen im Landesinneren von Tirol nichts Gutes erahnen. Der Gendarmerieposten Wörgl meldete am 4. November Beunruhigendes an die Bezirkshauptmannschaft Kufstein. Aus allen Städten Tirols liefen ähnliche Meldungen bei den übergeordneten Behörden ein. In Wörgl war am 3. November gegen ein Uhr morgens ein Transportzug aus Südtirol angekommen. Daraufhin spielten sich für die Gendarmen unglaubliche Szenen am Bahnhof ab: „Die Mannschaft dieses Transportzuges fiel über einen am Bahnhofe hier gestandenen und mit verschiedenen Gütern beladenen Lastenzug her, brachen sämtliche Wa[g]gon[s] auf und warfen die Güter [. . .] [auf den] Bahnkörper, und was ihnen passte, entwendeten sie. Im Verlaufe des Vormittags sammelten sich am Bahnhofe hier massenhaft Zivilpersonen aus Wörgl und Umgebung an. Diese Zivilpersonen, hauptsächlich Eisen166 HGK Boroevic ´ am 04.11.1918. Befehl zitiert in: Kerchnawe, Zusammenbruch, 1921, S. 155. 167 Speziell zu Meran: Marzoli, Gian Pietro: Was nun? Menschen und Episoden – Meran 1917–1922, Bozen 2001. Noch detaillierter: Marzoli, Gian Pietro/Winkler, Hans: Meran 1918 die Stunde 0. Zwanzig Tage 1. bis 20. November 1918, Lana 1998. 168 TLA, NL Emil Kraft, Karton 6, Brief Lorenz Jessingers an Abgeordneten Kraft, Bozen am 06.11.1918.

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bahner, Karrner, Bergarbeiter, etz[etera] traten sofort mit den Militärpersonen in Verbindung und kauften von den Militärpersonen Ware an, nahmen solche als Geschenke, und schließlich plünderten Zivil und Militär gemeinsam die Güter des Lastenzuges und des Frachtenmagazines. Da Zug auf Zug Militär aus Süden hier eintraf, dauerte die Plünderung auch den ganzen Tag fort. Das Militär war bewaffnet, und es wurde in einem fort im Bahnhofe geschossen. Die Zivilbevölkerung weigerte sich, den Anordnungen Folge zu leisten, nahm eine drohende Haltung an und wurde vom Militär unterstützt und von diesem aufgefordert nicht Folge zu leisten. Das Bahnhofkommando hat sich als machtlos erwiesen. Die diesem Kommando zugeteilte Bewachungsmannschaft ist teils entflohen und teils hat sie den Gehorsam verweigert.“169

Die öffentliche Ordnung löste sich auf. Der Südbahnzug von Trient nach Kufstein wurde am gleichen Tag in Wörgl von Ungarn aufgehalten, wobei die Passagiere ausgeladen und der Zugführer gezwungen wurde, in Richtung Bischofshofen–Salzburg zu fahren.170 In Villach wurden von zurückkehrenden Frontsoldaten die am Bahnhof befindlichen Magazine geplündert. Wie der Bericht des bayerischen Informanten bemerkt waren in solche Zwischenfälle meist Ungarn und andere Nationalitäten verwickelt und seltener Deutschösterreicher. Bei der Plünderungsaktion brach ein Brand aus, der den in unmittelbarer Nähe befindlichen Benzintank in Feuer setzte „[. . .] und durch die Stichflamme wurde ein in nächster Nähe stehender Waggon, beladen mit Ecrasit, zur Explosion gebracht. Die Wirkung war, dass ein 30 m breiter Trichter die Geleisanlagen zerstörte.“171 Auch in Schwaz in Tirol klagte der K. k. Bezirkshauptmann über nicht zu zügelnde Soldaten und Zivilpersonen. Im militärischen Monturenmagazin habe „[. . .] eine Anzahl Personen der untersten Bevölkerungsschichten [. . .]“ sich versammelt, um bei einer eventuell stattfindenden Plünderung dieses Magazins rechtzeitig zur Stelle zu sein.172 Aus dem Barackenkomplex am Egerdachfelde und bei der Kaserne – die allerdings unversperrt waren – wurden daraufhin Gewehre, Bettwäsche und verschiedene Einrichtungsgegenstände entwendet. Aus den Frachtwaggons am Bahnhof bediente man sich an Lebensmitteln, militärischen Gegenständen und sogar Karten169 TLA, Statthalterei Präsidium 1918, Jahresjournal Nr.: 5694 – XII.76.e, Gendarmerieposten Wörgl an Bezirkshauptmannschaft Kufstein (E. Nr. 2305), am 04.11.1918. 170 BayKA, MKr 1774/2: Bericht Nr. 55 bg an das bay. KM, betreffs: Militärisches aus Österreich, vom 04.11.1918. 171 BayKA, MKr 1774/2: Bericht Nr. 59 bg an das bay. KM, vom 04.11.1918. 172 TLA, Statthalterei Präsidium 1918, Jahresjournal Nr.: 5694 – XII.76.e, Bezirkshauptmann Ignaz Lechthaler, Schwaz an Statthalterei-Präsidium Innsbruck (Zl. 273/32 prs), am 07.11.1918.

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material. Auch Papier war in dieser Zeit kostbar. Interessant ist der Ablauf dieser und ähnlicher Aktionen: „[. . .] der Hergang [ist] der gewesen [. . .], dass die Erbrechung durch Soldaten der durchfahrenden Züge erfolgte, und die Verschleppung sodann seitens der Zivilbevölkerung – zum Teile von Soldaten hiezu aufgemuntert – fortgesetzt wurde.“173 Was sollte erst geschehen, wenn die unzähligen, halb verhungerten Soldaten in Nordtirol ankamen? Überall hasteten die der Gefangennahme entkommenen Truppen zu Fuß und mit der Bahn zurück in ihre Heimat. Bei Regimentern mit gemischtsprachiger Mannschaft wurden die Soldaten nach Nationalitäten geordnet und von gleichnationalen Offizieren heimgeführt. Zwischen den nun voneinander scheidenden Regimentsangehörigen gab es oft nach der in treuer Kameradschaft durchgestandenen Kriegszeit ein wehmütiges Abschiednehmen. Ein jeder wollte primär so schnell wie möglich nach Hause. Dennoch hatten die unterschiedlichen Nationalitäten auch – zumindest unterschwellig – darüber hinausgehende Motive. Der österreichische Schriftsteller Bruno Brehm hat in seinem vielbeachteten Werk, das historisches Faktenwissen in literarischen Formen präsentiert, diese Motivationen geschildert: „Die Deutschen wollten auf den Brenner zu den Bayern, um dort den Wallischen noch einmal Widerstand zu leisten und das aus der Flanke bedrohte Reich zu retten. Die Ungarn wollten heim, um die Grenzen gegen die Rumänen zu verteidigen; die Tschechen sehnten sich danach, sich endlich diese verhaßte Uniform herunterzureißen; die Polen wollten heim, um die Ukrainer zurückzudrängen und sich endlich, nach Jahrhunderten, der Auferstehung ihres Volkes zu freuen; die Kroaten wollten in ein freies Kroatien, die Slowenen gaben nur noch ungern eine Antwort auf eine deutsche Frage; die Rumänen wollten bei der Besetzung Siebenbürgens schon daheim sein, um die Truppen aus dem Königreiche zu begrüßen.“174

Der österreichische Kaiserschütze Robert Mlekusch hat seine Erlebnisse auf dem Rückzug nach dem Krieg festgehalten. Er stand an der Grappafront, als der Waffenstillstandsvertrag unterschrieben wurde. In seinen Erinnerungen blendet er zunächst kurz auf die Zeit nach der erfolgreichen zwölften Isonzoschlacht zurück. Seine Worte skizzieren gut die Haltung in der Truppe, nicht nur bei den deutschösterreichischen Teileinheiten. Er erinnert sich: 173 Statthalterei Präsidium 1918, Jahresjournal Nr.: 5694 – XII.76.e, Bezirkshauptmann Ignaz Lechthaler, Schwaz an Statthalterei-Präsidium Innsbruck (Zl. 273/32 prs), am 07.11.1918. 174 Brehm, Weder Kaiser noch König, 1933, S. 272. Dies ist eine detailliertere und ausführlichere Ausgliederung aus dem umfassenden Gesamtwerk Brehms zum Ende Österreich.Ungarns. Dieses ist erschienen unter dem Titel: Brehm, Bruno: Die Throne stürzen, München 1951.

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„Als alles zusammenbrach, standen wir ja schon auf dem Sprung in die Po-Ebene. Der Durchbruch bei Flitsch/Karfreit hatte ein heilloses Durcheinander beim Italiener ausgelöst. Was nicht eben gebraucht wurde, hatten sie weggeworfen. Und wir hatten nur nachzustoßen brauchen – und mußten trotzdem zurück. Die Moral bei der Truppe war den Verhältnissen entsprechend erstaunlich gut, obwohl viele in Lumpen gingen, und schon seit Wochen nicht mehr richtig satt wurden. Aus dem zurückgelassenen Proviant haben wir uns erst mal richtig satt gegessen. Ein kleiner Teil von uns wollte in Gefangenschaft gehen, um endlich aus dem Schlamassel herauszukommen. Gottlob waren einige Vernünftige unter uns, die diesen Kameraden klar machten, dass sie dann wohl ein paar Jahre damit verbringen würden, für den Gegner die Geschütze von den Bergen herunterzuholen und die Gefahr bestände, dabei ‚drauf‘ zu gehen.“175

Vom Monte Asolone kommend musste er nun versuchen, sich wie viele Tausend andere auch, möglichst zügig in die Heimat durchzuschlagen. Ein schwieriges Unterfangen: „Der Rückzug ging äußerst organisiert vor sich. Auf einem Bahnhof [vermutlich Rovereto, Anm. d. Verf.] stand ein Personenzug und zwei Lokomotiven – nur hatten die Italiener die Anhängekupplungen mitgenommen und irgendwo versteckt, oder ins Wasser versenkt. Wir haben die Personen-Waggons mit Draht zusammengebunden, ebenso die beiden Lokomotiven vorne und hinten an den Zug gebunden. Zu Tausenden stürmten die kriegsmüden Soldaten den Zug – für mich selbst blieb nur ein Platz auf dem Dach eines Waggons übrig, da ich zulange mitgeholfen hatte, die vielen Verwundeten in den Waggons unterzubringen. Wir waren nur zu ganz wenigen, die wir auf dem Dach saßen, die Mehrzahl hing draußen auf den Puffern und Trittbrettern. Beide Lokomotiven, die zudem von ‚Zufalls-Lok-Führern‘ gefahren wurden, hatten Mühe, den langen und überladenen Zug in Richtung Brenner zu bringen. In Franzensfeste wurde noch eine dritte Lok hinten an den Zug gekoppelt, zum schieben. In den Tunnels der Brennerstrecke waren wir nahe am Ersticken oben auf dem Dach, weil durch den erhöhten Sauerstoff-Verbrauch der Lok’s vorne und hinten die Luftzufuhr abgeschnitten wurde, da der Zug Schritt-Tempo fuhr. Ich habe dann von oben ein Fenster eingeschlagen, und man hat mich in den Waggon gezogen. Dabei zog ich mir eine tiefe Schnittwunde am Handgelenk zu, die in Innsbruck genäht wurde, sowie eine Rauchvergiftung.“176

Eine andere Richtung schlugen die Soldaten der 10. Armee ein. Sie strömten über Reschenscheideck und Jaufenpass der Heimat zu. Die Soldatenhaufen zogen zu Fuß weiter nach Landeck und nach Matrei, wo sie lagerten, bis sie von den ihnen entgegengeschickten Lastenzügen aufgenommen wurden. Als Eiserne Reserve hatten sie nur noch Verpflegungsvorräte, 175 MILAR/MHFZ, Karton MIL-IBK 4, Erinnerungen des Robert Adolf Mlekusch. 176 MILAR/MHFZ, Karton MIL-IBK 4, Erinnerungen des Robert Adolf Mlekusch.

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die sie aus den wenigen nicht brennenden Magazinen retten konnten. Bruno Brehm hat die Metapher bemüht, dass sich die tausenden Frontkämpfer, „[. . .] der ganze Schnürboden des blutigen Theaters da vorne, die ganze Verspreizung und das Gestänge, durch die sich die Front gegen das Hinterland abstützte, [. . .] sich in eine tobende, brüllende, wandernde Masse auf[lösten]; sie stürmte die überfüllten Züge, sie kroch auf die Puffer und Trittbretter, auf die Dächer und Tender und fuhr, trunken vom geplünderten Wein, heim [. . .].“177 Der Rückmarsch aller Trains führte über Matrei und Imst nach Hall in Tirol. Dort drängten sich in der Breite des Inntales, unmittelbar hinter Innsbruck, Tausende von Wagen und Pferden. Der Tiroler Nationalrat war die politisch verantwortliche Instanz und befahl, dass sämtliche Truppen, die nicht Tiroler Herkunft wären, das Land sofort zu verlassen hätten. Die Pferde sollten abgegeben und für Tirol gesichert werden. Allerdings fand sich auf die Schnelle keine Organisation, die mit der Versorgung und Verwaltung dieser Abertausenden Pferde hätte betraut werden können. Die Mannschaften ließen Wagen und Pferde einfach stehen. Jeder versuchte, noch einen Platz auf den Dächern der fortrollenden Züge oder auf den Lastautos der Kraftwagentruppen zu ergattern. Das Futter für die Tiere war auf dem Brenner zurückgelassen worden oder man hatte es fortgeworfen oder gar angezündet, damit es nicht den Italienern in die Hände fiele. Die Tiere waren ohne Unterkunft, Pflege und Nahrung was zwangsläufig zu einem Massensterben führte. Der Tiroler Nationalrat beschloss darauf, in einem Aufruf an die Landbevölkerung jedem das Recht zuzugestehen, sich Pferde zu holen, soviel er könne, wenn er die Tiere nur verpflege. Die Bauern hatten zuviel Angst, dass man ihnen eines schönen Tages die aufgefütterten Pferde wieder wegnehmen werde, weshalb sie sich kaum um die Tiere kümmerten. Viele der umherirrenden Kreaturen landeten in den Kochtöpfen der rückmarschierenden Soldaten. Diese nahmen sich, was sie kriegen konnten. Der Kriegsteilnehmer und Schriftsteller Fritz Weber: „Das Gewehr auf der Schulter – Mordwaffe gegen den Nächstbesten, der es wagt, sich in den Weg zu stellen. Das Restchen Zwieback im Brotsack – ein ängstlich gehütetes Geheimnis vor den anderen, die es nicht mehr besaßen. Die letzte Fleischkonserve – im Gehen aufgeschnitten und hinuntergeschlungen, ehe der Zugriff des Stärkeren sie raubte.“178 Man wähnte sich in einem Naturzustand von Hobbes’scher Dimension. Der britische Staatstheoretiker beschrieb eingehend den anarchischen, ordnungslosen Zustand, in dem jeder Mensch – aufgrund des Na177

Brehm, Weder Kaiser noch König, 1933, S. 298 f. Weber, Fritz: Das Ende der Alten Armee. Österreich-Ungarns Zusammenbruch, Salzburg/Stuttgart 1959, S. 341. 178

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turrechts – alles beanspruchen könne. Es herrschte Chaos und die Menschen führten einen ‚Krieg aller gegen alle‘ (bellum omnium contra omnes). Der Mensch sei also dem Menschen ein Wolf (homo homini lupus est).179 Ein Beleg für Hobbes Theorie findet sich folglich in den Tagen nach dem 4. November 1918, als die geschlagene und zertrümmerte K. u. k. Armee nach Hause strömte. Die größte Sorge bereitete den militärischen Befehlsstellen der Mangel an Lebensmitteln, der zu den wüsten Ausschreitungen führte. Wie erwähnt hatte schon am 3. November das 11. Armeekommando die in Trient eingerückten alliierten Truppen gebeten, zum Schutz der noch nicht geplünderten Verpflegungsmagazine und zur Einschränkung der täglich immer mehr überhand nehmenden Plünderungen und Ausschreitungen die Bahnstrecken Trient–Brennerpass und Franzensfeste–Bruneck zu besetzen. Angesichts des erschreckend großen Rückstromes hungernder und plündernder Heimkehrer telegraphierte das Heeresgruppenkommando Tirol verzweifelt am 4. und nochmals am 5. November an das AOK nach Baden, dass die Truppen unter allen Umständen südlich des Brenner stehen bleiben müssten und von der Entente verpflegt werden sollten. „Selbst Gefangennahme ist ein milderes Los als Verhungern und Verheerung von ganz Nordtirol.“180 An das 11. Armeekommando wurde gleichzeitig gedrahtet, einen Generalstabsoffizier zum Befehlshaber der Ententetruppen in Trient zu entsenden, um ihm die katastrophale Lage eindringlich zu schildern und ihn zu bitten, die Verpflegung der noch südlich des Brenners stehenden österreichischen und ungarischen Truppen zu übernehmen. Der endgültige Offenbarungseid der militärischen Befehlshaber wird in einem Telegramm des Heeresgruppenkommandos an die Grenzabschnittskommandos in Finstermünz und in Bregenz deutlich: „Vollständige Desorganisation des Hinterlandes und der Armee schließt aus, daß durch eigene Kommanden Ordnung geschaffen werden kann. Einzige Rettung vor Hungertod und Verwüstung ist, wenn Entente die ganze militärisch und politische Verwaltung südlich des Brenner einschließlich der Verpflegung dortiger Truppen und Zivilbevölkerung übernimmt, worauf dann geordneter Abschub der Armeen möglich. Mit allen Mitteln trachten, durch Schweizer Regierung dies der Entente und auch über Stilfserjoch direkt an Italien bekanntzugeben.“181 179 Vgl.: Hobbes, Thomas: Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates. Herausgegeben und eingeleitet von Iring Fetscher (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft Nr. 462), Frankfurt a. M. 1999, S. 95 f. 180 Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 760. 181 TLA, NL Michael Mayr, Karton 2: HGK Tirol, (Nr.: 10. A.K.op. 8900), am 04.11.1918, 11.15 Uhr. Vgl. hierzu auch: Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 761.

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Die 10. Armee, die sich über den Reschenpass zurückwälzte und der Schweiz am nächsten war, sollte die Weiterleitung übernehmen. Mit allen Mitteln sollte diese dringende Depesche die Staatliche Kommission in Bregenz und über die nächste Schweizer Behörde im Namen des HGK Tirol schließlich die Schweizer Regierung erreichen. Ebenso wollte man versuchen, über Nauders einen Parlamentär mit dem Text – eventuell in italienischer Sprache – zu den Italienern zu schicken. In der Heimat hatte sich in der Zwischenzeit viel geändert. Die Soldaten wurden nicht begrüßt, wie sie es erwartet hatten. Der Empfang, der dem altgedienten Soldaten Mlekusch bereitet wurde, war ihm unvergesslich geblieben: „Von Villach aus wurden wir nach Wien detachiert, und dort wurden wir offiziell entlassen. Wie der letzte Dreck wurden wir dort von den neuen ‚Herren‘ behandelt – von Amt zu Amt geschickt, nur um das bißchen Restsold zu erhalten und Verpflegung und eine Fahrkarte in die Heimat zu erhalten. Einen Teil davon mußten wir uns praktisch mit der Waffe in der Hand besorgen – wir haben einigen Leuten ganz schön klar gemacht, das nicht wir an der Front den Krieg verloren hatten, sondern sie in der sicheren und warmen Etappe und Heimat. Es war beschämend, was sich diese ‚neuen Herren‘ herausnahmen und einige von den hochdekorierten Etappen-Hengsten wollten dabei noch mitprofitieren. Gottlob waren auch noch ein paar Anständige dabei, die wußten was wir entbehrt und geleistet hatten. Und die waren es, die uns mit dem nötigsten versorgten und uns auch unsere Papiere stempelten.“182

Der große österreichische Schriftsteller Robert Musil, selbst Kriegsteilnehmer, hat in seinem Essay ‚Das Ende des Krieges‘ prägnant das Empfinden der Volksseele erfasst: „Wenn ein Mensch für die Erreichung eines Zieles jahrelang kaum mehr erträgliche Opfer bringt: hungert, seine Familie ruiniert, den Tod wagt, alle geistigen Güter preisgibt: so muß er dieses Ziel erreichen (und im Ziele noch einen gewissen Überschuß an Lebenskraft haben) oder er wird für den Rest seiner Tage mit gebrochenem Rückgrat herumkriechen. Eine dritte Lösung wäre nur die, daß er sein Trachten als verfehlt erkennt und ein besseres Ziel erblickt. Man setze statt Mensch das Wort Menschheit und man hat – ohne daß die Giltigkeit [sic] dieser Sätze berührt wird – das Problem des Kriegsendes.“183 182

MILAR/MHFZ, Karton MIL-IBK 4, Erinnerungen des Robert Adolf Mlekusch. 183 Musil, Robert: Gesammelte Werke in neun Bänden, Herausgegeben von Adolf Frisé, Band 8: Essays und Reden, Reinbek bei Hamburg 1978, S. 1341 f. Siehe zum Empfinden und zur literarischen Verarbeitung auch: Zöchbauer, Paul: Der Krieg in den Essays und Tagebüchern Robert Musils (Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik/Unterreihe Salzburger Beiträge, Nr. 25), Stuttgart 1996. Allgemeiner: Buck, Theo: Vorschein der Apokalypse. Das Thema des Ersten Weltkriegs bei Georg Trakl, Robert Musil und Karl Kraus, Tübingen 2001.

Der Schutz unserer bayerischen Landesgrenzen zwingt uns, in Tirol einzurücken! Zugleich bringen wir Euch Schutz und Hilfe gegen Jedermann, der Euer Haus und Euern Hof bedroht und die Zucht und Ordnung im Lande stört. [. . .] Wir kommen als gute Freunde. (General Krafft von Dellmensingen in seinem ‚Aufruf an die Tiroler‘)1

J. Grenzschutz Süd – Die Besetzung Tirols durch bayerische Truppen I. Grundlagen der Landesverteidigung Bayerns 1. Vorkriegserfahrungen – Die Generalstabsreise 1914 Bevor in den nächsten Kapiteln der bayerische Grenzschutz 1918 auf Tiroler Boden detailliert betrachtet wird, erscheint es sinnvoll, sich nochmals kurz in Erinnerung zu rufen, wie auf Seiten der Militärs über eine militärische Grenzverteidigung Bayerns geurteilt wurde. Der Feldzug in Tirol im Jahre 1809 hatte aufgezeigt, wie hilflos die gebirgsungewohnten bayerischen Truppen in den Bergen operierten. Die Ereignisse dieses Feldzuges wurden in Bayern kaum ausgewertet, lediglich der damalige Hauptmann Karl Baur (1777–1847) hat den Feldzug analysiert und seine Ergebnisse zum Krieg im Gebirge schriftlich abgefasst. „Im ganzen übrigen 19. Jahrhundert beschränkte sich die Beschäftigung der Bayerischen Armee mit dem Gebirge auf den Bereich der Landesvermessung.“2 Allerdings sollten die Erfahrungen der Jahre 1809 auch nicht überbewertet werden. General Ludwig Goiginger – Verteidiger der Pustertaler Hochgebirgsfront – ließ sich beispielsweise zu einem Vergleich der Tiroler Freiheitskämpfe des Jahres 1809 mit dem Großen Krieg hinreißen. Ohne die Leistungen Hofers, Speckbachers und ihrer Getreuen schmälern zu wollen, schrieb Goiginger durchaus nachvollziehbar: „Man darf ja nicht vergessen, dass die Befreiungskämpfe vom Jahre 1809 bei aller und vollster Anerkennung für ihre heldenmütigen Teilnehmer sich in der günstigsten Jahreszeit und in den Tälern abgespielt haben, dass sie stets in wenigen 1 BayKA, Generalkommando II. Bay. Armeekorps, Bund 93: ‚Aufruf an die Tiroler‘ vom November 1918 durch General Krafft von Dellmensingen. 2 Bayerisches Hauptstaatsarchiv (Hg.): Bayern und seine Armee. Eine Ausstellung des bayerischen Hauptstaatsarchivs aus den Beständen des Kriegsarchivs (Ausstellungskataloge der Staatlichen Archive Bayerns, Bd. 21), München 1987, S. 73.

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Tagen, höchstens Wochen erledigt waren und dass die Waffen, welche damals zur Verwendung gelangten, beinahe harmlose Kinder-Spielzeuge waren, gegenüber den raffinierten Mordinstrumenten und Vernichtungsmaschinen, welche im Weltkriege verwendet wurden.“3

Die grundlegende Konzeption der bayerischen Militärs zur südlichen Landesverteidigung wurde bereits im Kapitel E.III., in Verbindung mit General von Blume aufgezeigt. Auch Friedrich Engels, der sich intensiv mit den Militärwissenschaften auseinandergesetzt hat, schrieb in einem Artikel von 1859 über diese Strategie. Eigentlich beschäftigte er sich mit dem damals umlaufenden Stichwort in der deutschen Presse, dass der Rhein am Po verteidigt werden muss. Sicherlich in Anlehnung an den 1859 stattgefundenen Sardinischen Krieg zwischen dem Kaisertum Österreich, dem Königreich Piemont-Sardinien und dessen Verbündeten Frankreich unter Napoleon III. Durch die Niederlage der Österreicher bei Solferino am 24. Juni 1859 wurde nicht nur der Krieg gewonnen, sondern auch der Weg zur Einigung Italiens geöffnet. Friedrich Engels kommt in seinem ausführlichen Artikel zunächst auf Napoleon und seine späte Scheu vor dem Gebirge zu sprechen. In diesem Zusammenhang folgt der entscheidende Absatz, der für das Denken der bayerischen Militärstrategen bis 1914 relevant bleiben sollte: „Aber im ganzen ist es klar, dass unsre modernen Armeen im gemischten Terrain der Ebnen und des niederen Hügellandes ihre Kräfte am besten zur Geltung bringen können und dass eine Theorie falsch ist, die vorschreibt, eine große Armee ins Hochgebirg [sic] zu werfen – nicht zum Durchzug, sondern um dort dauernd Stellung zu nehmen –, solange rechts und links Ebenen wie die bayerische und lombardische frei liegen, in denen man den Krieg entscheiden kann. Wie lange kann eine Armee von 150.000 Mann in Tirol ernährt werden? Wie bald würde der Hunger sie in die Ebene hinuntertreiben, wo sie inzwischen dem Gegner Zeit gelassen hat, sich festzusetzen, wo sie gezwungen werden kann, eine Schlacht unter den ungünstigsten Bedingungen zu schlagen? Und wo könnte sie in den engen Tälern eine Position finden in der sie ihre ganze Stärke entwickeln kann?“4

Ein weiterer Kronzeuge für die Behauptung Engels soll angeführt werden, einer der großen Militärstrategen, nämlich Friedrich der Große. Er hatte in seinen ‚Betrachtungen über die Taktik und einige Fragen des Krieges‘ von 1758 auch den Vorteil von Ebenen als Kriegsschauplatz beleuchtet. Über die Bedeutung von Ebenen für die Entfaltung der vollen Schlagkraft einer Armee schrieb er: „Solange wir den Feind nicht in die Ebene locken können, dürfen wir uns nicht schmeicheln, große Erfolge über ihn zu erringen. Gelingt es uns aber, ihn aus sei3

BayKA, NL Krafft 300: Denkschrift von FML Ludwig Goiginger. Engels, Friedrich: Po und Rhein (erschienen 1859 als anonyme Broschüre bei Franz Duncker, Berlin), in: Marx, Karl/Engels, Friedrich: Werke, Band 13, Berlin 1971, S. 225–268, hier: S. 244 f. 4

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nen Bergen, Wäldern und durchschnittenen Geländen, von denen er so großen Nutzen hat, herauszubekommen, so können seine Truppen den unseren nicht mehr widerstehen. [. . .] Ihr werdet sagen, es sei ein schlimmer Ausweg, einen Feind ins eigene Land zu locken. Zugegeben! Trotzdem ist es das einzige Mittel. [. . .] Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als das vorteilhafte Gelände da zu nehmen, wo es ist, und uns um sonst weiter nichts zu kümmern.“5

Die bayerischen Militärs während des Ersten Weltkriegs waren militärtheoretisch gesehen also auf dem Stand, der schon zu Zeiten der Lineartaktik gebräuchlich war. Aus bayerischer Sicht gab es aber keine Notwendigkeit, sich tiefergehend mit dem Krieg im Gebirge zu beschäftigen oder gar eine Gebirgstruppe (wie sie Italien oder Frankreich zur Jahrhundertwende bereits hatten) aufzustellen, denn der schmale bayerische Alpenanteil bot so geringe Verteidigungsmöglichkeiten, dass man aus diesem Grunde beabsichtigte, einen eventuellen Angreifer aus dem Süden in die schwäbisch-bayerische Hochebene vordringen zu lassen, um ihn hier zu stellen. Dies geht beispielsweise aus der Übung des bayerischen Generalstabs von 1869 und 1898 hervor.6 An dieser Verteidigungskonzeption hatte sich aber selbst bis 1914 nichts geändert. Dies kann so eindeutig festgestellt werden, weil just 1914 diese Lage das Thema der großen Generalstabsreise unter dem damaligen Chef des bayerischen Generalstabes, Konrad Krafft von Dellmensingen, war. Die Übung der Reise hatte folgende prägnante Ausgangslage zu bieten: „Deutschland gegen Frankreich und Österreich; alle übrigen europäischen Staaten neutral. Verteidigung Südbayerns.“7 Auch wenn diese Planungen, nur vier Jahre später, im November 1918 nicht direkt umgesetzt wurden, sollen sie hier kurz vorgestellt werden. Stellen sie doch die letzten und für das Ereignis 1918 aktuellsten ausgearbeiteten Konzeptionen zur Landesverteidigung dar. Ob es sich nun um potentielle österreichische oder italienische Angreifer handelte, ist hier kaum von Bedeutung. Die Waffenstillstandsbedingungen von Villa Giusti hätten den Italienern die freie Ausbreitung und den Durchzug durch ganz Österreich und speziell Tirol erlaubt. Insofern wären sie nur durch die Landestopogra5 Volz, Gustav Berthold: Ausgewählte Werke Friedrichs des Großen. Erster Teil: Historische und militärische Schriften, Gedichte und Briefe, Berlin 1916, S. 302 f. 6 Vergleiche für 1869: BayKA, Generalstab 958: Übungen des Generalstabs bei der Zentralstelle; Operations-Übungen des Generalstabs Februar/März 1869 (enthält Lage: Abwehr eines aus Tirol und Österreich einsetzenden Angriffs). Vgl. für 1898: BayKA, Generalstab 975: Übungen des Generalstabs bei der Zentralstelle; Generalstabsreise 1898 (enthält Lage: Krieg Frankreich, Italien und Österreich gegen Deutsches Reich und Rußland steht unmittelbar bevor; die bayer. Armee sichert die Süd- und Ostgrenze gegen Angriffe der Österreicher von Osten und der Italiener von Süden). 7 BayKA, Generalstab 1022: Übungen des Generalstabes bei der Zentralstelle/ Generalstabsreise 1914, Akt I.

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phie und die Infrastruktur eingeschränkt worden, womit die Situationen vergleichbar werden. Die Gründe für eine Abkehr der bayerischen Militärs von diesem Planspiel sollen später beleuchtet werden. Die politische Lage, die bei der Übung 1914 simuliert wurde, war ähnlich wie zu Beginn des Feldzuges 1870.8 In Richtung Westen wären die deutschen Hauptkräfte in den Rheinlanden und in der Pfalz aufmarschiert, eine schwächere Gruppe im mittleren Baden. Der Feind sollte dort angegriffen werden. Gegen Österreich wollte man vorerst defensiv bleiben. Erstaunlich ist der Detailreichtum, mit dem die Übung geplant war. Im Nachlaß Krafft von Dellmensingens finden sich in Ergänzung zu der Übung einige Notizen zu den Anlagen der Übungsdisposition. Bei der Bewertung des Auslandes wurde auch Italien berücksichtigt. In der Simulation erwartete man kleine Grenzzwischenfälle der Österreicher mit den italienischen Grenzschutztruppen. Darüber hinaus: „Aus Trient irredentistische Pronunciamentos gemeldet – Blätter fordern stürmisch Anschluß Italiens an d.[ie] Deutschen um Vereinigung d.[er] italienischen Provinzen Tirols mit Italien herbeizuführen. Tätliche Ausschreitungen.“9 Eine Regung des italienischen Irredentismus wäre im Kriegsfall sicher zu erwarten gewesen und für die bayerischen Militärs insofern von Bedeutung, als dass österreichische Dekungsdetachements an der Grenze zu Italien hätten verbleiben müssen. Zurück zum Planspiel auf dem angetäuschten deutschen Kriegsschauplatz. Auch an die Gefährdung Berlins war gedacht und zur Abwehr einer aus Böhmen erwarteten österreichischen Offensive auf Berlin war eine ganze Armee (die 7. Armee) in Sachsen, Lausitz und Schlesien zurückgeblieben. Der weitere antizipierte Aufmarsch österreichischer Kräfte in Nordböhmen und im österreichischen Schlesien und Westgalizien ist an dieser Stelle nur von geringem Interesse, weil das Hauptaugenmerk der hier angestellten Betrachtungen auf der Gefährdung Südbayerns liegt. Und hier rechnete man für das Generalstabsspiel damit, dass auch gegen Südbayern eine starke österreichische Armee aufmarschiere. Diese hätte natürlich auch die ursprünglich für den deutschen Angriff im Westen bestimmten bayerischen Truppen in ihrem Heimatstaat zurückgehalten. Im Planspiel ging man davon aus, dass sich starke 8 Die nachfolgende Schilderung orientiert sich an der ausführlichen Darstellung der Kriegslage im Planspiel 1914, in: BayKA, Generalstab 1026: Generalstabsreise 1914 – Kriegslage und erste Bearbeitungen – Blaue Partei – u. a. von Lossow, Freiherr von Weichs und List, jeweils mit eingehender Würdigung durch GM Krafft von Dellmensingen, Akt V. Dazu auch: BayKA, Generalstab 1024: Generalstabsreise 1914 – Handakten der Leitung (darin: Karten und Pläne), Akt III. Ergänzt durch: BayKA, Generalstab 1034: Generalstabsreise 1914 – Karten (Großformat), Akt XIII. 9 BayKA, NL Krafft 68: Generalstabsreise ins bayerische Oberland 1914, Disposition und Durchführung.

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österreichische Kräfte – in weit umspannendem Bogen – gegen die Vorarlberger und Tiroler Grenze wie auch gegen Salzach und Inn heranschieben würden. Darauf hätte man mit einem Befehl zur Rückverlegung sämtlicher bayerischer Besatzungstruppen in und hinter die Linie Memmingen–Landsberg–München–Landshut–Regensburg–Bayreuth reagiert. Hier bleibt zu erläutern, dass man unter Besatzungsheer damals die in Bayern verbliebenen Truppen verstand, die also die Besatzung Bayerns bildeten. Im Planspiel wurde vermutet, dass die gegen Südbayern versammelten österreichischen Streitkräfte dazu bestimmt seien, in rascher Offensive nach Nordwesten vorzudringen, um sich dem rechten Flügel der Franzosen anzuschließen. Auch hier ist die Konzeption nicht sehr abweichend von der Realität 1918. Einerseits versuchten die Alliierten natürlich durch den Einmarsch in Bayern das Deutsche Reich nachhaltig zu schocken, aber auch hier war sicher eine Verbindung mit dem französischen Alliierten im Westen eine mögliche Option. Interessant sind die Vorstellungen des bayerischen Generalstabs, auf welchen Einbruchswegen die feindlichen Truppen einmarschieren würden. Laut der Lagemeldung im Planspiel wären längs der Vorarlberger Grenze K. k. Landesschützen (die späteren Kaiserschützen) als Grenzschutz postiert, davon stärkere Gruppen bei Lochau, Hohenweiler und Oberstaufen. Starke Infanterie und Artillerie sollte sich bei Bregenz und Dornbirn sammeln.10 Diese Einbruchslinie wäre 1918 für die Italiener auch möglich gewesen, wenn auch unpraktikabel, da zahlreiche Truppentransporte – vermutlich über den Reschenpass kommend – erst über den Arlbergpass hätten transportiert werden müssen. Eine zeitaufwändige und organisatorisch schwierige Aktion. Daneben hätten sich von Schattwald östlich Hindelang bis Vorder Riß Tiroler Kaiserjäger und Landesschützen mit Gebirgsartillerie aufgestellt, östlich davon bis zum Torennerjoch südlich Hallein ausschließlich Tiroler Landesschützen. Bei Reutte, Lermoos und Seefeld wären angeblich Truppen aller Gattungen eingetroffen. Verständlich war eine starke Truppenansammlung rund um Innsbruck. Die in Bayern verbliebene Armee hatte in der Generalstabsübung von 1914 schließlich den Auftrag, jede unmittelbare Einwirkung der südlich stehenden, feindlichen Streitkräfte auf die Operationen im Westen unbedingt zu verhindern. „Soweit es hiemit vereinbar ist, hat sie das südbayerische und württembergische Gebiet gegen feindliche Besetzung zu decken, da bei dem bevorstehenden gewaltigen Ringen es von hohem Werte ist, daß die 10 Vgl.: BayKA, Generalstab 1026: Generalstabsreise 1914 – Kriegslage und erste Bearbeitungen, Akt V.

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Hilfsmittel des Landes in möglichst weitem Umfange zur Verfügung des eigenen Heeres bleiben.“11 Ziel war also, den österreichischen Feind schnell zu schlagen, um dann in der Disposition der Obersten Heeresleitung baldmöglichst für weitere Operationen gegen Frankreich oder gegen die österreichische Nordarmee (in Böhmen) zur Verfügung zu stehen. Eine Sache sollte aber unter allen Umständen vermieden werden: „Nur die völlige Aussichtslosigkeit eines Sieges könnte es rechtfertigen, die Verteidigung des Landes auf die Donau und die Festungen zu stützen.“12 Das heißt, die weitergehende Rücknahme der Verteidigungslinie bis zur Donau war ausgeschlossen, was im Angesicht der feindlichen Absicht, nach Westen durchzubrechen, logisch erscheint. Je weiter man die Verteidigung nach Norden zurücknahm, desto leichter konnten die feindlichen Truppen – speziell die aus Richtung Bregenz/Dornbirn kommenden – über das Württembergische eine Verbindung mit dem Verbündeten im Westen suchen. Die Mitglieder der Generalstabsreise waren natürlich angehalten, die ihnen gestellten Aufgaben zu bearbeiten. Dazu gehörte, sich in die Position des Oberkommandierenden zu versetzen. Konkret wurde gefragt, wie die Lehrgangsteilnehmer in dieser Position die Lage beurteilten, wie sie gedachten, die Operation zu führen, und welche Anordnungen sie treffen würden. Sehr aufschlussreich ist die Ausarbeitung des Oberstleutnants Otto von Lossow. Er war im Ersten Weltkrieg zunächst als Generalstabschef des 1. bayerischen Reservekorps an der Westfront eingesetzt, ging 1915 als Militärattaché an die deutsche Botschaft in Konstantinopel und wurde 1918 Generalstabschef beim Oberbefehlshaber des Heimatschutzes Süd. Enttäuscht von der Niederlage des Deutschen Reichs und der Abdankung des Kaisers, erwog Lossow 1918/19 zeitweise seinen Rücktritt und sympathisierte mit revisionistischen Kreisen. 1919 von der Reichswehr übernommen, stieg er 1921 zum Kommandeur der in Bayern stationierten 7. Division der Reichswehr unter General Hans von Seeckt und damit zum bayerischen Landeskommandanten auf. 1914, zur Zeit der Generalstabsreise, war er Oberstleutnant in der bayerischen Armee und in der ‚Blauen Partei‘ mit der potentiellen Verteidigung Bayerns betraut. Seine ausführliche Bearbeitung wurde in mehreren handschriftlichen Kommentaren des Prüfers Krafft von Dellmensingen eindeutig gelobt.13 Für von Lossow bestand kein Zweifel, dass die Hauptgruppe des 11

BayKA, Generalstab 1026: Generalstabsreise 1914 – Kriegslage und erste Bearbeitungen, Akt V. 12 BayKA, Generalstab 1026: Generalstabsreise 1914 – Kriegslage und erste Bearbeitungen, Akt V. 13 BayKA, Generalstab 1026: Generalstabsreise 1914 – Kriegslage und erste Bearbeitungen, hier. Ausarbeitung Blaue Partei, von Lossow, Akt V.

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Feindes sich östlich der Linie Salzburg–Schärding versammeln würde. Die Hauptgruppe könnte den Inn bei Braunau und nördlich davon überschreiten und dann zwischen Inn und Isar vorrücken. Die nächste, stärkere österreichische Gruppierung erwartete er im Inntal. Von ihr nahm er an, dass sie über Kufstein auf Rosenheim vorgehen würde, um mit der von Osten kommenden Hauptgruppe zusammenzuwirken. Schließlich müsste noch mit dem Vorgehen schwächerer Gruppen gerechnet werden: „[. . .] aus dem Inntale in Richtung auf Mittenwald, Garmisch und Füssen, sowie aus Vorarlberg in Richtung Lindau und nördlich. Diese kleineren Gruppen können zwar momentane Unannehmlichkeiten bereiten und vorübergehende territoriale Einbußen verursachen, von entscheidender Bedeutung auf die Kriegslage werden sie aber kaum sein, die Entscheidung auf dem bayerischen Kriegstheater liegt vielmehr bei der von Osten vorgehenden Hauptgruppe und bei der aus Richtung Kufstein zu erwartenden nächststarken Gruppe.“14

Soviel zur Einschätzung des Oberstleutnants von Lossow. Noch interessanter sind die Anordnungen, die er zu geben plante. Zunächst war ein geheimer Tagesbefehl an die höheren Truppen-Kommandeure darunter: „[. . .] schärfster Tadel wegen der Anträge auf Rückverlegung der Besatzungstruppen hinter die Donau. Den Offizieren die derartige Zeichen von Mangel an Vertrauen auf sich und ihre Truppen an den Tag gelegt haben, haftet ein Makel an, der nur durch hervorragende Taten auf dem Schlachtfelde wieder gut gemacht werden kann usw.“15 Ein Befehl, den Krafft von Dellmensingen bei der Korrektur erwartungsgemäß mit „Sehr Einverstanden!“ quittierte.16 Für den Raum, der im Rahmen der Organisation des Grenzschutzes 1918 von besonderem Interesse ist – also nördlich entlang des Inntales –, sah von Lossow eine Neuregelung des Grenzschutzes vor. Er wollte Abteilungen bilden bei Lindau–Oberstaufen, bei Hindelang–Pfronten–Füssen, bei Garmisch, bei Mittenwald und südlich Tölz (Achenpass). Wie man später sehen wird, kam von Lossow damit der Realität von 1918 schon sehr nahe. Zur Verteidigungsstrategie bemerkte er: „Starke Detachements bilden und mit diesen die Pässe etc. im Gebirge besetzen. Widerstand bis auf den letzten Mann!!!“17 Eine Feststellung, die Krafft von Dellmensingen mit der 14 BayKA, Generalstab 1026: Generalstabsreise 1914 – Kriegslage und erste Bearbeitungen, hier. Ausarbeitung Blaue Partei, von Lossow, Akt V. 15 BayKA, Generalstab 1026: Generalstabsreise 1914 – Kriegslage und erste Bearbeitungen, hier. Ausarbeitung Blaue Partei, von Lossow, Akt V. 16 BayKA, Generalstab 1026: ibid. Jede – handschriftliche – Anmerkung des Generalstabschefs Krafft von Dellmensingen ist eindeutig als solche zu erkennen, da sie stets mit der ihm eigenen Paraphe gekennzeichnet ist. 17 BayKA, Generalstab 1026: Generalstabsreise 1914 – Kriegslage und erste Bearbeitungen, hier. Ausarbeitung Blaue Partei, von Lossow, Akt V.

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Anmerkung beantwortete: „Über die Ausführbarkeit gibt Verf.[asser] sich wohl keinen allzugroßen Illusionen hin!“18 Von Lossow versäumte auch nicht, sich über mögliche Zerstörungen auszulassen, die den Feind in seinem Vormarsch bremsen sollten. Er sah gründliche und umfangreiche Bahn-, Brücken- und Wegezerstörungen vor, besonders im Raum zwischen Inn und Salzach, im Inntal von Rosenheim an weiter südlich und besonders „[. . .] in allen Gebirgspässen etc. zwischen Inntal und Bodensee.“ Diese Frage nach möglichen Destruktions-Zielen sollte sich General von Krafft 1918 erneut stellen müssen. Zum Abschluss der Arbeit von Lossows 1914 resümierte er noch: „Vortrefflich, klare Arbeit! Besonders rühmenswert die richtige Würdigung der moralischen Werte. Hiemit steht Bearb.[eiter] leider allein“19 2. Bayerische Gebirgskriegsfertigkeiten Mit welchem Wissens- und Kenntnisstand bezüglich der Verteidigung von Gebirgsräumen konnte der bayerische Grenzschutz 1918 organisiert werden? Was hatten die Verantwortlichen aus den Kriegsjahren gelernt? Dies sollen in diesem Kapitel die zwei leitenden Fragestellungen sein. Zu Kriegsbeginn 1914 waren weder in der Armee des Deutschen Reiches noch in der Bayerischen Armee Erfahrungen über die Gebirgskriegsführung vorhanden. Besondere Gebirgstruppen fehlten gänzlich und dieses Fehlen machte sich schon in den Vogesenkämpfen des Jahres 1914 unangenehm bemerkbar. Schon in den kultivierten deutschen Mittelgebirgen, den Vogesen teilweise vergleichbar, waren Spezialgebirgstruppen, wie zum Beispiel Gebirgsartillerie und Gebirgsmaschinengewehrabteilungen, unentbehrlich, obwohl es noch gute Straßen und Wege gab. Die Notwendigkeit spezieller Gebirgsformationen wuchs, je unwegsamer das Operationsgebiet war. Während in den deutschen Mittelgebirgen – hier als exemplarischer Exponent für diese Gebirgskategorie – noch eine Vermischung von regulären Truppenverbänden mit besonderen Gebirgstruppen in Frage kam, etwa Feldartillerie neben der Gebirgsartillerie, so wuchs die Bedeutung der Spezialgebirgstruppen im Hochgebirge sowie im unkultivierten Mittelgebirge ungeheuer. Die Verwendungsmöglichkeit der gewöhnlichen und nicht besonders geschulten Kampftruppen war hier sehr erschwert und unter Umständen sogar ganz ausgeschlossen. 18

BayKA, Generalstab 1026: ibid. BayKA, Generalstab 1026: ibid. Hervorhebung wie im Original. Mit den moralischen Werten war der Seitenhieb auf die, als Feigheit angesehene, Rückverlegung der Verteidigungslinie an die Donau durch einige Kommandanten gemeint. 19

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Diese Erkenntnis mussten sich die militärischen Führer des Deutschen Reiches aber erst erarbeiten. Mit marginalem Vorwissen wurde dann 1915 das Deutsche Alpenkorps aufgestellt, das dem österreichisch-ungarischen Verbündeten zu Hilfe eilen sollte. Zunächst mussten die zusammengewürfelten deutschen Truppen, es waren wie gesagt Hannoveraner, Mecklenburger und Bayern darunter, aber erst bei dem Verbündeten ‚in die Lehre gehen‘. Dieser ersten deutschen Gebirgstruppe fehlte jedwede militärische Ausbildung im Gelände. Umso erstaunlicher ist es, dass sich die militärisch disziplinierten Truppen auch ohne Gebirgsausbildung auf dem Südtiroler Kriegsschauplatz gut zurechtfanden.20 Dies sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich sehr bald die Einsicht durchsetzte, dass die gesamte Gebirgskriegführung derartige Abweichungen und Schwierigkeiten gegenüber der Kriegsführung in der Ebene aufweist, dass der Erfolg nur dann eintritt, „[. . .] wenn die Truppenführer aller Grade eingehende Erfahrung im Gebirgskriege besitzen und wenn Mannschaften und Pferde sämtlicher im Gebirge verwendeter Truppen auch voll und ganz für den Gebirgsdienst geeignet und trainiert sind. Es muß, sozusagen, jedermann vom Divisionskommandeur bis zum Tragtierführer ein Spezialist für den Gebirgskrieg sein.“21

Eindringliche Worte, die das Mitglied einer bayerischen GebirgsartillerieAbteilung in seinen Kriegserinnerungen niederschrieb. In dem Bericht des Oberleutnants von Ernsthausen sind die Kampferfahrungen komprimiert, die er sich auf den verschiedensten Kriegsschauplätzen angeeignet hat; von Tirol über Galizien, in den Karpathen, in Serbien und an der Westfront.22 Er ist also ein gutes, geradezu repräsentatives, Exemplum für die Erfahrungen und den Wissensstand, mit dem der Einmarsch in Tirol 1918 durchgeführt wurde. Noch dazu haben wenige Subaltern-Offiziere oder darunter chargierende Personen ihre Erlebnisse umfassend reflektiert und für die Nachwelt aufgezeichnet. Aus diesen Gründen soll diese Studie hier in Auszügen vorgestellt werden. Wichtig ist dies Kapitel auch insofern, als dass an dem im Oktober/November 1918 einsetzenden Grenzschutz Süd nicht mehr das gebirgsgewohnte Alpenkorps teilnahm, sondern andere, nicht ganz 20

Vgl.: Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Bayern und seine Armee, 1987, S. 74. BayKA, Alpenkorps Bund 58 Akt 2: Kriegserfahrungen des Oberleutnants von Ernsthausen (Gebirgsbatterie 1. Art.-Regts. 8.). 22 Ernsthausen machte im Jahre 1914 als Leutnant im Feldartillerieregiment ‚Herzog‘ (das 1. badische) Nr. 14 die Kämpfe auf dem westlichen Kriegsschauplatz mit. Im Januar 1915 meldete er sich zu der neu aufzustellenden Gebirgsbatterie Nr. 4, bei der er bis zum Zugführer aufstieg. Im Winter und Frühling 1915 nahm er teil an den Kämpfen der Batterie in den Karpathen und Galizien, im Sommer 1915 in Tirol und seit Beginn des serbischen Feldzuges im Herbst 1915 auf dem Balkankriegsschauplatz, wo Ernsthausen im Oktober 1916 Batterieführer wurde. 21

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so bergversierte Truppen. Über diese Umstände wird in den nächsten Kapiteln berichtet werden. Der einfache Soldat wurde besonders von den oft sehr anstrengenden Märschen in die Bereitstellungsräume oder Angriffsgräben tangiert. Man hatte schnell gelernt, dass Marsch, Erkundung, Entfaltung und Entwicklung im Gebirge erheblich mehr Zeit als in der Ebene erfordern. Konkrete Zahlen lassen sich hier nicht angeben, da die Marschgeschwindigkeit vom Gelände abhängig ist. Als Richtwerte rechnete Ernsthausen auf ebener Landstraße mit einer maximalen Marschgeschwindigkeit für Tragtiere von zwölf Minuten für einen Kilometer. Bei Gebirgswegen könne man je nach Gangbarkeit und Steigung 15 bis 20 Minuten pro Kilometer veranschlagen und bei Überwindung von besonders schwierigem und hindernisreichem Gelände könne sich diese Zahl vervielfachen. Interessant ist, dass der Autor hier als erstes die Tragtiere und nicht die Soldaten nannte. Er begründete auch warum: „Während bei gewöhnlichen Truppenverbänden der Infanterist Marschgeschwindigkeit und Marschpausen bestimmt, muß sich bei Gebirgsformationen die Infanterie nach den Tragtieren richten. Das Tragtier verlangt einen ruhigen, in der Ebene sich im Tempo ganz gleich bleibenden Marsch, es klettert bergauf etwas schneller, bergab erheblich langsamer als der Mensch, braucht beim Klettern von Zeit zu Zeit kurze Atempausen und bedarf nach 1 bis 2 Marschstunden einer halbstündigen Rast, in der es abgelastet werden muß.“23

Die Marschlängen wuchsen bei Tragetierformationen stark an, da die Tiere hintereinander gehen mussten und bei schmalen Pfaden konnte selbst ein Hintereinandergehen der Mannschaften nötig werden, wodurch sich Marschlängen und Aufmarschzeiten ungeheuer vergrößerten. Die Tiere lagen Ernsthausen deshalb so am Herzen, weil man oft gesehen hatte, was passierte, wenn gegen diese Grundsätze verstoßen worden war: Die unausbleibliche, schnelle Erschöpfung der Tragetiere und damit Stockungen und Durcheinander in der Kolonne. Häufig war dies von Infanterieformationen verursacht, die noch nie mit Gebirgstruppen zusammen gekämpft hatten und die glaubten, auf die Tragetiere keine Rücksicht nehmen zu müssen. Sie wurden regelmäßig eines Besseren belehrt. Großes Augenmerk widmete Ernsthausen der Nahaufklärung während des Kriegsmarsches im Gebirge. Die damals gängige Praxis, berittene Aufklärungsorgane vorauszuschicken, wurde durch das Gelände häufig vereitelt. Dies dürfe allerdings nicht dazu führen, dass die Nahaufklärer sich nicht genügend nach vorwärts und seitwärts von der marschierenden Truppe entfalten, um das Gelände ausreichend sondieren zu können. Die nötige Zeit müsse den Aufklärern unbedingt zur Verfügung gestellt werden. Denn 23

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eine Überraschung auf dem Marsch könne sich im Gebirgskrieg weit verhängnisvoller gestalten als in der Ebene. Erstens erschwere das Gelände sehr häufig die Entwicklung zum Gefecht und zweitens könnten sich alle Tragtierformationen nur im Schritt bewegen, wobei der Übergang zur Gefechtsbereitschaft bei ihnen infolge des notwendigen Ablastens erheblich mehr Zeit in Anspruch nehme, als dies bei den entsprechenden fahrbaren Truppen der Ebene der Fall sei. Seine eigene Waffe – die Artillerie – empfahl Ernsthausen möglichst weit vorne in der Marschkolonne einzugliedern, da es viel Zeit erfordere, bis sie feuerbereit sei. Selbstverständlich müssten vor der Gebirgsartillerie genügende infanteristische Kräfte marschieren, die ein ungestörtes Instellunggehen der Artillerie zu gewährleisten hätten. „Im Stellungskriege muß die Artillerie das Gerippe bilden, nach dem im Gebirge das gesamte Stellungssystem ausgebaut wird. Es geht nicht an, dass die Infanterie eine beherrschende Höhenlinie zur Stellung ausbaut, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob die Artillerie hinter dieser Linie geeignete Feuerstellungen und Beobachtungsstellen findet oder nicht. In diesem Falle kann die Infanterie nicht auf vollwertige Artillerieunterstützung rechnen.“24

Ein häufiger Fehler sei gewesen, dass das Vorgelände ausschließlich aus der vordersten Infanterielinie überblickt werden konnte. Die Artillerie wäre also gezwungen gewesen, ihre sämtlichen Beobachtungsstellen in die vorderste Infanterielinie zu legen, wodurch die Tätigkeit dieser Beobachtungsstellen bei einem feindlichen Angriff durch Zerstörung der Nachrichtenmittel häufig in kürzester Zeit ausgeschaltet worden wäre. Das darauf folgende blinde Sperrfeuerschießen der ihrer Beobachtungsstellen beraubten Batterien bedeute eine unverantwortliche Munitionsverschwendung und unter Umständen eine Gefährdung der eigenen Truppen. Ernsthausen plädierte also für ein Stellungssystem, in dem sich die beherrschenden Artilleriehauptbeobachtunsstellen hinter der vordersten Infanterielinie befänden. Ein anderer, vielfach vorgekommener Fehler bestand darin, die vorderste Infanterielinie so anzulegen, dass sich unmittelbar vor ihr ein sehr steiler, feindwärts abfallender Hang befand. Dieser Hang lag für die eigene Artillerie im toten Winkel. Dem Feind bot dies Gelegenheit, sich unbehelligt durch Artilleriefeuer an die Linien heranzuarbeiten und dann seine Sturmausgangsstellungen auszubauen. Tote Winkel, die im Gebirge zahlreich anzutreffen sind, stellen Determinanten der gesamten Kampfweise dar. Sie ermöglichen nicht nur oft ein gedecktes Vorgehen gegen die feindlichen Linien, sondern auch ein gedecktes Herankommen aus dem Hintergelände an die eigene Front und schaffen vor allem Gelegenheit, Lager und Unterstände ganz oder teilweise gedeckt gegen feindliches Feuer anzulegen. 24

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Ernsthausen erwähnte in diesem Zusammenhang das sogenannte Lempruchlager und den dazugehörigen Kampfgraben. Unter dem Kommando des Kaiserschützenhauptmanns Bohuslav Kalal wurde am österreichischen Abhang der Dreisprachenspitze im Ortlerabschnitt ein Truppenlager für das ungarische Reservebataillon I/29 errichtet.25 Der Umstand der schweizerischen Grenznähe, die sich in Form einer Ausbuchtung geradezu schützend vor das Lager und den Graben stellte, sorgte dafür, dass ein Beschuss durch die italienische Artillerie unmöglich war, da sie nicht über eidgenössisches Gebiet schießen durfte. Zu Ehren des Kommandanten des Verteidigungsrayons I, Generalmajor Freiherr von Lempruch, wurde das Lager zunächst durch die Truppe, später aber auch in offiziellen Dokumenten als Lempruchlager bezeichnet. Der Kampfgraben verlief so nahe der Grenzlinie, dass ein Aufenthalt dort von den Soldaten scherzhaft als Lebensversicherung tituliert wurde. Die toten Winkel und die vom Feinde nicht eingesehenen Geländeteile wurden bevorzugt für den Verkehrsfluss hinter der Front ausgenutzt. Ernsthausen stellte den Grundsatz auf: „Lieber ein verdeckter Umweg als ein eingesehener Richtweg.“26 Die Bekämpfung der toten Winkel war extrem schwierig, da direkter Beschuss durch Flachbahngeschütze nicht möglich war. Am geeignetsten waren Minenwerfer und Steilfeuergeschütze. In Ermangelung solcher Geschütze musste man improvisieren und beispielsweise einen Teil der Gebirgskanonen weit zurückziehen, um durch die Vergrößerung der Fallwinkel eine Beschießung der schwer zu bestreichenden Räume zu ermöglichen. Auch flankierendes Feuer einzelner Geschütze oder Züge, die in den Nachbarabschnitten dicht hinter der vordersten Linie an geeigneten Stellen eingebaut wurden, konnte helfen. Als ultima ratio, wenn es der Artillerie auf gar keine Weise möglich war, die toten Winkel zu bestreichen, verwies Ernsthausen auf den Einsatz von Maschinengewehren. Ein zentraler Punkt, der den Unterschied Gebirge zu Ebene verdeutlicht ist die unterschiedliche Bewertung von Ausweichmanövern. In der Abwehrschlacht der Ebene hatte sich im späteren Verlauf des Ersten Weltkrieges die Ausweichtaktik besonders bewährt. Man gab dem feindlichen Druck an den Hauptangriffsstellen nach und suchte dann im Gegenstoß die Lage wiederherzustellen. Genannt seien hier die Schlagwörter Flexible Verteidigung und Contre-Attaque. Wichtig war, nicht um jede Handbreit Boden zu kämpfen und keine unerschütterlichen Verteidigungslinien beziehungsweise 25 Das Lager, dessen Grundmauern heute noch besichtigt werden können, befand sich nordöstlich der Dreisprachenspitze, zwischen den Höhen 2.343 und 2.869. Vgl. die „Spezial-Karte der Ortler Gruppe 1:50.000“ beigelegt dem Buch: Lempruch, König der Alpen, 1925. 26 BayKA, Alpenkorps Bund 58 Akt 2.

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Rückzugsstellungen zu definieren. Es sollte lediglich in einem grob umrissenen Kampfraum agiert werden. Diese Taktik ohne Modifizierung auf den Gebirgskrieg zu übertragen, war gefährlich. „Das Ausweichen wird zwar nie mißlingen, der Gegenangriff hingegen häufig. Denn ein verlorener Höhenkamm ist oft nicht so leicht wieder zu erobern, wie flaches Trichtergelände. Es gibt auch im Gebirge fast immer beherrschende Geländepunkte, die, im Besitz des Feindes, uns verderblich werden können. Wenn es dem Feind gelingt, von einem solchen Punkte auch nur vorübergehend Besitz zu ergreifen, so kann dies zur Entdeckung zahlreicher Batterien, Riegelstellungen und Verkehrswege führen und ein Einschießen hierauf ermöglichen. Solche beherrschenden Punkte dürfen unter keinen Umständen in Feindeshand fallen, [. . .].“27

Sollten sie doch einmal in den Besitz des Gegners gelangen, so sollte durch dauerndes Störungsfeuer aller Kaliber ein Einnisten von Beobachtungsstellen verhindert oder wenigstens die Tätigkeit der Beobachter bis zur Unerträglichkeit erschwert werden. Bei einem Angriff wurden solche gegnerischen Punkte, auch weit hinter der Front, mit extremem Artilleriefeuer bestrichen. Wie in der Abwehrschlacht, so spielt auch beim Angriff die Ausnutzung des Geländes die dominierende Rolle. Die Rekognoszierung muss äußerst sorgfältig betrieben werden. Dieselbe Bergformation präsentiert sich, von verschiedenen Standpunkten aus betrachtet, in unterschiedlichster Art und Weise. Oft wird man daher neue taktische Möglichkeiten entdecken, wenn man einen Berg eben so erkundet. Die an den anderen Kriegsfronten entwickelte und sehr beliebte Artillerievorbereitung der Angriffe in Form der Feuerwalze kommt im Gebirge nicht in Betracht. Die automatisch ablaufende Feuerwalze verschlang Unmengen an Munition, die in den Bergen nur sehr schwer transportiert werden konnte. Auch technische Schwierigkeiten vereiteln ihren Einsatz, da der dauernd wechselnde Geländewinkel schwer anzupassen ist. Man verzichtete daher auf die Feuerwalze und schoss die Höhenstellungen des Gegners einzeln sturmreif. Eine zeitaufwändige Prozedur, da es im Gebirge besonders sorgfältigen Einschießens bedurfte, bevor das eigentliche Zerstörungsfeuer beginnen konnte. Je stärker die feindlichen Stellungen ausgebaut waren, umso notwendiger war das Zerstörungsfeuer schwerer Steilfeuerbatterien wie beispielsweise des 30,5 Zentimeter Skoda Mörsers. Diese waren jedoch im Gebirge nur in sehr geringer Anzahl vorhanden und meist schwer mit Munition zu versorgen. Folglich musste man das nicht praktikable, lang andauernde Zerstörungsfeuer zu Gunsten eines kurzen, aber umso stärkeren ‚Vernichtungsfeuer‘ der Gebirgsartillerie aufgeben. Hauptzweck war fast nie die eigentliche Zerstörung der ausgebauten 27

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Stellungen, sondern das Niederhalten des Gegners, um das Vorgehen der eigenen Infanterie bis zur feindlichen Stellung zu decken. Die Infanterie näherte sich besonders gerne aus einer Schlucht an, die für die gegnerische Artillerie im toten Winkel lag. Ernsthausen dazu: „Wir unterhielten mit Granaten, Brennzünder und Aufschlag ein heftiges Vernichtungsfeuer auf den Gegner, wodurch es den Grenadieren gelang, sich im artilleristischen Feuerschutz bis unmittelbar an den letzten Höhenkamm heranzuarbeiten. Erst im Augenblick des Einbruchs in die feindlichen Linien wurde unser Schnellfeuer abgebrochen, und seitlich auftauchende Maschinengewehre wurden beschossen.“28 Die Schilderung des Oberleutnants von Ernsthausen macht in eindringlicher Weise die Taktik des Gebirgskrieges deutlich, die von der in der Ebene oder im Hügelland angewandten Taktik abweicht. „Als Grundsatz muß immer wieder festgestellt werden, dass im Gebirge weit mehr als in der Ebene das Gelände die Taktik bestimmt. Oft wird es auch hier viele Wege geben, die nach Rom führen, aber in manchen Fällen werden die beherrschenden Bodenformen die einzige Möglichkeit weisen, die den Erfolg verbürgt.“29

II. Oktober 1918 – Nervosität in Bayern Der bayerische Kriegsminister Philipp von Hellingrath hatte in seinen handschriftlichen und unveröffentlichten Erinnerungen den Untergang Österreich-Ungarns – wie so viele andere in der Retrospektive – schon früh kommen sehen. Erinnert sei an das Kapitel dieser Arbeit über Rivalitäten und Zurücksetzungen der Verbündeten. Österreich-Ungarn war in Hellingraths Augen von Anfang an das ‚Sorgenkind‘ und zwar je länger der Krieg dauerte in exponentiellen Ausmaßen. Selbst wenn man die inneren Verhältnisse des österreichischen Bundesgenossen, „[. . .] der schon im Frieden bedenklich an Marasmus gelitten hatte [. . .]“, in Rechenschaft zog, so fehlte dem „[. . .] weichen österreichischen Volkscharakter [. . .] aber doch recht erheblich der Wille und die Kraft, den Widrigkeiten Herr zu werden. Er ließ sich von dem Strome treiben, statt gegen Ihn anzukämpfen, ließ sich unterkriegen, statt das Letzte zu versuchen.“30 Diese grundsätzlich defätistische Haltung des bayerischen Kriegsministers war beim bayerischen Kronprinzen konkreter.31 Prinz Rupprecht, 1918 noch immer Führer der 6. Armee an der 28

BayKA, Alpenkorps Bund 58 Akt 2. BayKA, Alpenkorps Bund 58 Akt 2. 30 BayKA, HS 2288: Erinnerungen von Philipp von Hellingrath (GdK, bay. Kriegsminister) verfasst 1924. Band II: Dezember 1916–November 1918, S. 259 f. 29

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Westfront, hatte am 20. Oktober eine Besprechung mit einem Verbindungsoffizier zur Obersten Heeresleitung. Dieser berichtete über die Lagebeurteilung der DOHL. Hier war erstmals von der italienischen Gefahr für Bayern die Rede. Rupprecht notierte: „Die O. H. L. rechnet damit, daß Österreich bei Fortdauer des Krieges, längstens bis zum Dezember, sich von uns trennt. Dann bekämen wir auch noch die Italiener in ihrer Gesamtheit auf den Hals, die wahrscheinlich an der Westfront erscheinen würden, möglicherweise aber auch auf der Tauernbahn uns in den Rücken gelangen können, falls eine der Friedensbedingungen für Österreich der freie Durchzug von Ententetruppen [ist].“32 Also schien das – von Hellingrath so titulierte – Sorgenkind zum Kriegsende hin Bayern in eine Katastrophe zu stürzen. Im Süden Bayerns wurde die Lage ungemein ernst. Hellingraths Erinnerung zufolge kam am 22. Oktober die Mitteilung von der baldigen Kapitulation Österreich-Ungarns. Es war absehbar, dass darin die uneingeschränkte Überlassung der Bahnen an die Entente und die völlige Bewegungsfreiheit als Waffenstillstandsbedingungen bezeichnet würden. Von Hellingrath fasste die befürchteten Konsequenzen folgerichtig zusammen: „Mit dem Zusammenbruch der österreichischen Heeresfront in Italien waren die bayerischen Grenzen unmittelbar bedroht. Zunächst bestand die Gefahr, daß die regellos zurückflutenden Truppen des ehemaligen Bundesgenossen über die Grenze hereinströmen und – in ihrer inneren Verfassung u. Disziplin vollständig zerrüttet u. halb verhungert – den Süden Bayerns plündernd u. brandschatzend überschwemmen würden. Es lag aber auch durchaus im Bereiche der Wahrscheinlichkeit, daß feindliche Teilkräfte von Italien über die Alpen vordringen u. versuchen würden, in Bayern einzufallen – eine Operation, die für die Gesamtlage der Entente außerordentlich wirkungsvoll werden konnte. Ebenso müßte mit Fliegerangriffen, die sich gegen wichtige Punkte Süddeutschlands wandten, gerechnet werden.“33

Erstaunlich ist die Einschätzung der Deutschen Obersten Heeresleitung zu diesem Zeitpunkt. Sie ging bei weitem nicht so weit wie Hellingrath in ihren Befürchtungen. Wahrscheinlich auch deshalb weil für sie keine direkte Gefahr bestand. Die DOHL hielt die Gerüchte über einen geplanten Einfall im südlichen Bayern für übertrieben. Wenn überhaupt eine Gefahr bestand, dann sei diese keinesfalls so dringend, bereits einen Aufmarsch an der Südgrenze des Reiches einzuleiten. Der bayerische Militärbevollmäch31

Zu Kronprinz Rupprecht der kurze Überblicksartikel: Frauenholz, Eugen von: Kronprinz Rupprecht im Weltkrieg, in: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte 1, 1928, S. 385–402. 32 Rupprecht von Bayern: Mein Kriegstagebuch. In Treue Fest. Band 3 (herausgegeben von Eugen von Frauenholz), Berlin 1929, S. 376. 33 BayKA, HS 2288: Hellingrath, S. 353.

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tigte im Großen Hauptquartier vermittelte die wesentlich optimistischere Haltung der DOHL nach München. Demnach rechnete die DOHL „[. . .] unter der Voraussetzung dass die Ereignisse den von Bayern gefürchteten Gang nähmen, [. . .]“ nicht damit, dass abgesehen von Fliegern irgendwelche nennenswerte Streitkräfte früher als 12–14 Tage nach Abschluss eines K. u. k. Sonderfriedens an der Südgrenze des Reichs erscheinen könnten.34 Damit aber nicht jede italienische Kavallerie-, Radfahr- oder Autopatrouille über die Grenze einbrechen könne, „[. . .] erachtete es die O. H. L. für zweckmäßig, wenn die Besetzung der Grenze durch Detachements der Ersatztruppenteile so vorbereitet würde, dass sie im Bedarfsfalle schleunigst ausgeführt werden kann.“35 Die Alliierten hatten allerdings nicht vor, nur mit leichten Kavalleriepatrouillen einzufallen, sondern planten einen Einmarsch in größerem Stil. Der deutsche Gesandte in Den Haag, Friedrich Rosen, gelangte an Informationen des englischen Abgesandten, die Aufschluss über die Haltung und Erwartung des Vereinigten Königreiches bei einem Einmarsch gaben. Der englische Botschafter habe demnach geäußert: „[. . .] durch die Auflösung Österreich-Ungarns in wirtschaftlich schwache Staaten, sowie durch die Anschlußbestrebungen Deutsch-Österreichs entstehe die Gefahr, daß Deutschland bald nach dem Kriege die stärkste Macht auf dem Kontinent würde. Daher sei durch Österreich Offensive gegen Süddeutschland, insbesondere Bayern, beabsichtigt. Die Entente hoffe, Bayern durch Sonderfrieden und Anschluß Deutsch-Österreichs, sowie durch Versprechen seiner Hegemonie in Süddeutschland zum Abfall von Preußen zu bewegen und eine politische Teilung Deutschlands in Nord- und Südstaatenbund herbeizuführen.“36

Hier ist klar der Beweggrund für den versuchten raschen Vorstoß der Ententemächte nach Süddeutschland beschrieben: Schwächung Deutschlands in der nahen Zukunft durch Abspaltung Bayerns vom Reich. Zunächst durch eine eventuelle Besatzung mit Ententetruppen und faktisch eine eigenständige politisch-diplomatische Behandlung Bayerns mit Betonung seiner dominierenden Stellung in Süddeutschland. So jedenfalls die Informationen aus dem Haag. Unter der Leitung des General Foch fanden die militärischen Ausarbeitungen statt. Die Besprechungen der Alliierten kamen schließlich zu dem Ergebnis, dass man mit zwei Armeegruppen einen konzentrischen Angriff gegen München führen sollte. Bereitstellungsraum der ersten Armee mit 34

BayKA, MKr 1832/1: Bay. Militärbevollmächtigter im Gr. H. Qu. (Nr. 17509/208) an bay. Kriegsminister am 22.10.1918. 35 BayKA, MKr 1832/1: Bay. Militärbevollmächtigter im Gr. H. Qu. (Nr. 17509/208) an bay. Kriegsminister am 22.10.1918. 36 PAA, R 2510: Telegramm von Friedrich Rosen an Auswärtiges Amt (Nr. 789) am 03.11.1918.

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zehn Divisionen sollte das Inntal rund um Innsbruck sein, der zweite Sammelpunkt war für den Raum Linz mit 20 bis 30 Divisionen vorgesehen.37 In einer Studie hatten die Italiener zur weiteren Planung detailliert die relevanten Bahnlinien und Straßenverbindungen von Italien durch Österreich an die bayerische Landesgrenze aufgelistet.38 Hierbei waren nicht nur die Entfernungen von Interesse, sondern auch die Kunstbauten wie etwa Brücken als potentielle Schwachstellen, die Zahl der Schienenstränge, die Steigungen und die Kapazität der Verkehrsadern. Die zehn Divisionen nach Innsbruck hätten in circa 22 Tagen mit 650 Zügen dorthin gebracht werden sollen. Auf der Linie Salzburg–Braunau–Linz–Freistadt wären für die 20 bis 30 Divisionen etwa 1300 bis 1600 Züge und 30 bis 35 Tage nötig gewesen. Die akute Gefahr ging für den südbayrischen Grenzraum aber von der Gruppe Innsbruck aus. Von dort wollten die Italiener über den Fernpass, Scharnitz und Kufstein vorgehen. Der Transport in den Versammlungsraum Linz mit Vorstoß entlang der Donau und einer eventuellen Bedrohung von Sachsen hätte zu lange gedauert. Was war bayerischerseits zu tun? „Durchgreifende Maßnahmen waren also nötig und wurden unverzüglich organisiert, die Bildung von Grenzschutzformationen aus den Ersatztruppen angeordnet.“39 Diese von Hellingrath nonchalant niedergeschriebene Behauptung lässt die genauen Ereignisse, die zur endgültigen Aufstellung und Organisierung des Grenzschutzes führten, völlig im Dunkeln. Zugegebenermaßen war Hellingrath auch nicht der aktivste Organisator in diesem Treiben, obwohl an exponierter Stelle tätig. Deshalb soll hier versucht werden, sowohl die Verantwortlichen als auch deren Motivation zu nennen. Protagonisten waren neben den bayerischen und preußischen Militärs die Diplomaten und Politiker. Den ersten schriftlichen Niederschlag fand die Problematik – Schutz der bayerischen Landesgrenze gegen einen potentiellen Einfall alliierter Truppen aus dem Süden – im Schriftverkehr des bayerischen Kriegsministeriums. Ein Fernschreiber-Telegramm im bayerischen Kriegsarchiv, datiert vom 23. Oktober 1918, befasste sich dienstlich und konkret mit der Lage, wahrscheinlich in Anlehnung an den geschilderten Tagebucheintrag Kronprinz Rupprechts vom 20. Oktober. Der bayerische Major im Generalstab Wenz zu Niederlahnstein, Chef der Generalstabs-Section (A I.) der ArmeeAbteilung im Kriegsministerium, unterrichtete darin den Vertreter seines Ministeriums bei der DOHL, General Köberle, über den Stand der Dinge in München. Wenz hatte sich mit Gustav Kress von Kressenstein beraten, der 37

Vgl.: Ministero delle Guerra (Hg.), L’esercito, V, Textband, 1988, S. 1015. Vgl.: Ministero delle Guerra (Hg.), L’esercito, V, Dokumentenband, 1988, S. 1203: Studio di radunata al confine bavarese con l’Austria. 39 BayKA, HS 2288: Hellingrath. 38

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1918 im bayerischen Kriegsministerium zur besonderen Verwendung eingeteilt war.40 Wenz berichtete Köberle, dass das stellvertretende Generalkommando des I. bayerischen Armeekorps Weisung erhalten habe, sofort Vorbereitungen zu treffen, um „[. . .] den bisher nach polizeilichen Rücksichten aufgestellten Grenzschutz taktisch auszubauen.“41 Im Ersten Weltkrieg waren die Stellvertretenden Kommandierenden Generale an Stelle der mobilen aktiven Generalkommandos für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung im zivilen Bereich ihrer Korpsbezirke verantwortlich. Über die Zivilbehörden der mittleren und unteren Verwaltungsebenen hatten sie die Befehlsgewalt, welche sie in der Praxis aber kaum auszuspielen brauchten, da sich eine mehr oder weniger reibungslose Zusammenarbeit entwickelte. Die Eingriffe der stellvertretenden Generalkommandos in die Verwaltung waren in einigen Bereichen durchaus massiv, insbesondere bei der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Wirtschaft. Bayern war seit 1900 in drei Generalkommandos eingeteilt: I. München, II. Würzburg, III. Nürnberg.42 Laut Wenz stellte man dem Generalkommando die bayerischen Besatzungstruppen der Heimat zur Verfügung, allerdings ohne die für den notwendigen Feldersatz bereits angemeldeten Ersatzmannschaften. Da man anscheinend nicht erwartete, dass es ein Spaziergang werden würde, sollten alle übrigen Ersatzmannschaften einschließlich der Rekruten des Jahrgangs 1900 zunächst zurückgehalten werden: „Da sonst nichts zum Schutze der Grenze verfügbar wäre.“43 Jedoch musste man diese Truppen erst freimachen um einen wirksamen Grenzschutz organisieren zu können. Das hieß, das bayerische Kriegsministerium musste bei der Deutschen Obersten Heeresleitung, also der übergeordneten Behörde, darum bitten. Man beantragte daher: „Abstellung einer aufzufüllenden aktiven bayerischen Division in 40

Über ihn urteilte General Krafft von Dellmensingen: „Obstlt. Gustav Frh. Kreß v. Kreßenstein, früher Ia beim III B.A.K., jetzt, als alter Angehöriger des Kriegsministeriums (langjähriger Adjutant des Kriegsministers) einer der wichtigsten Abteilungschefs des Ministeriums.“ In: BayKA, NL Krafft 299: KTB vom 19.04.1918–12.11.1918, S. 1356 f. 41 BayKA, MKr 1774/1: Umschlag 23.10.1918: K.B. Kriegsministerium, Fernschreiber, Gespräch General Köberle mit Major Wenz, aufgenommen den 23.10.18 um 12 Uhr 45. Das Telegramm nimmt, wie damals häufig, in seinen original zusammengeklebten Mitteilungsstreifen kaum Rücksicht auf die Ortographie. Der besseren Lesbarkeit wurde daher dieses wie die nachfolgenden Zitate aus diesem Telegramm bezüglich Groß- und Kleinschreibung, Umlauten und Abkürzungen moderat angepasst. 42 Siehe auch: Heyl, Gerhard: Militärwesen, in: Wilhelm, Volkert (Hg.): Handbuch der bayerischen Ämter Gemeinden und Gerichte 1799–1980, München 1983, S. 382–384 und S. 392–393. 43 BayKA, MKr 1774/1: Umschlag 23.10.1918: K.B. Kriegsministerium, Fernschreiber, Gespräch General Köberle mit Major Wenz, aufgenommen den 23.10.18 um 12 Uhr 45.

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Südbayern; Austausch nach mehreren Wochen durch andere bayerische Division oder Überweisung einer bisher in Vogesen stehenden bayerischen Division oder Überweisung einzelner Verbände, vielleicht bayerischen Landsturmes.“44 Der Leitgedanke war, dass schon zu diesem frühen Zeitpunkt Verbände in Bayern zur Hand sein müssten, die den vorbereiteten Grenzschutz im Bedarfsfall sogleich durchführen könnten. Beiden Gesprächspartnern war klar, dass die DOHL kaum in der Lage sein würde, sofort eine ganze Division zu überweisen. Vor allem, weil die DOHL laut Wenz die Gefahr nicht für so dringlich halte. Das war General Köberle voll bewusst. Er hatte einen Tag zuvor, am 22. Oktober, einen Bericht für München verfasst, der allerdings erst am 24. Oktober dort ankam. Darin war die Einschätzung der Gefahr durch die Oberste Heeresleitung zu lesen: „Die O. H. L. hält die Gerüchte über einen geplanten Einfall im südlichen Bayern für übertrieben oder mindestens die Gefahr nicht für so dringend, um jetzt schon einen Aufmarsch an der Südgrenze des Reiches anzuordnen. [. . .] Aber selbst unter der Voraussetzung, daß die Ereignisse den von Bayern gefürchteten Gang nähmen, rechnet die O. H. L. daß abgesehen von Fliegern nennenswerte Streitkräfte nicht vor 12–14 Tagen nach Abschluß eines solchen Sonderfriedens an der Südgrenze des Reiches erscheinen könnten.“45

Man könne und solle sich daher vielmehr bei den Vorbereitungen mit eventuellen „[. . .] Zerstörungen der Brenner- und Tauernbahn durch geheime Agenten in zivil [. . .]“ beschäftigen.46 Aufgabe General Köberles war es nun, im Auftrag des bayerischen Kriegsministeriums bei der DOHL eine Äußerung beziehungsweise Stellungnahme zu Gesagtem herbeizuführen. Köberle war schon am nächsten Tag erfolgreich und konnte Ergebnisse nach München melden. Wesentlich sei die Herstellung einer möglichst starken Grenzstellung. Schon damals war ganz klar: „Wenn hiezu aus taktischen Gründen auf österreichisches Gebiet übergegriffen werden muß und unmittelbare Vereinbarungen mit Wien nicht zum Ziele führen, ist O. H. L. bereit, bei k. und k. Heeresleitung bayerische Anträge zu unterstützen.“47 44 BayKA, MKr 1774/1: Umschlag 23.10.1918: K.B. Kriegsministerium, Fernschreiber, Gespräch General Köberle mit Major Wenz, aufgenommen den 23.10.18 um 12 Uhr 45. 45 BayKA, MKr 1832/1: Bericht Nr. 17509/208 des bay. Militärbevollmächtigten, Gr. H. Qu. am 22.10.1918. Leider sind die Berichte des bayrischen Bevollmächtigten im Großen Hauptquartier lückenhaft. Dies hat sich bei ihrer Durchsicht ergeben. Vor allem fehlen Berichte im Zeitraum 15.10.–30.10.1918. Bei den Berichten handelt es sich meist um Tagesmeldungen, die sich fast nur auf Ereignisse an der Westfront beziehen. 46 BayKA, MKr 1774/1: Umschlag 23.10.1918: K.B. Kriegsministerium, Fernschreiber, Gespräch General Köberle mit Major Wenz, aufgenommen den 23.10.18 um 12 Uhr 45.

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Die unmittelbaren Vereinbarungen bezogen sich hier auf die diplomatische Ebene. Natürlich hatte Botschafter Wedel in Wien mit den Politikern zu verhandeln. Die Deutsche Heeresleitung garantierte aber laut Köberle, im Bedarfsfall rechtzeitig Truppen anzutransportieren. Gedacht war an die 4. bayerische Infanteriedivision, die zu diesem Zeitpunkt in Lothringen abgestellt und aufgefüllt wurde. Wie sich noch zeigen wird, war die Kampfkraft dieser Division umstritten. Am 22. Oktober war sie von Ludendorff als „abgekämpft“ bezeichnet worden, dass sie „[. . .] in ihrem inneren Gefüge stark gelitten [. . .]“ habe.48 Ludendorff schien seinerseits abgekämpft zu sein. Nach dem Scheitern der letzten grossen deutschen Offensive im Frühjahr forderten er beziehungsweise die DOHL nun am 29. September sofortige Waffenstillstandsverhandlungen und eine parlamentarische Regierung.49 Damit wurde die militärische Niederlage eingestanden, die Ludendorff dann vor allem den Politikern der Mehrheitsparteien anzulasten suchte. Da die DOHL der Ansicht war, dass die Alliierten keinen ‚ehrenvollen Frieden‘ gewähren würden, forderten sie am 24. Oktober – dem Beginn der italienischen Angriffe vor Vittorio Veneto – von den Soldaten am der Westfront, „[. . .] den Widerstand mit äußersten Kräften fortzusetzen.“50 Zwei Tage später wurde Ludendorff aus dem Dienst entlassen und durch General Wilhelm Groener ersetzt. Für Bayern stellte sich die Lage inzwischen so dar, dass „[. . .] das bayerische Kriegsministerium [. . .] zunächst für den Schutz des bayerischen Landes selbst verantwortlich [. . .]“ war.51 So steht es in der Analyse unter militärischen Gesichtspunkten der Armee-Abteilung im Kriegsministerium. Gefährlich wäre laut der Einschätzung, sich bei der kaum überschaubaren Weiterentwicklung der Verhältnisse in Österreich und bei der noch rudimentären, nachrichtendienstlichen Struktur darauf zu verlassen, „[. . .] daß die komplizierte Bereitstellung genügend starker Kräfte zum ‚schleunigsten‘ Abrücken rechtzeitig sicher gestellt ist.“52 Man berief sich daher auf den kriegsministeriellen Entwurf Nr. 27255A/18, in dem dezidiert Truppenteile gefordert wurden, die zum Grenzschutz herangezogen werden sollten.53 In 47 BayKA, MKr 1774/1: Entscheid der O. H. L. auf die Anträge des Kriegsministeriums wegen Grenzschutz gegen Tirol, Köberle an Kriegsministerium, Telegramm angekommen 24.10.1918 um 12 Uhr 25 von Gr. H. Qu. 48 BayKA, MKr 1833: Kriegsministerium Nr. 275428, Telegramm Ludendorff an Heeresgruppe Herzog Albrecht am 22.10.1918. 49 Über die Besprechung: Ludendorff, Kriegserinnerungen, 1919, S. 583 ff. 50 Befehl Hindenburgs zitiert in: Ludendorff, Kriegserinnerungen, 1919, S. 615. 51 BayKA, MKr 1833: Kriegsministerium Armee Abteilung (A I), Nr. 273800 betreff: Schutz der bayerischen Grenze gegen Tirol, am 24.10.1918. 52 BayKA, MKr 1833: Kriegsministerium Armee Abteilung (A I), Nr. 273800 am 24.10.1918.

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diesem Entwurf vom 26. Oktober wurde festgelegt, dass bei den stellvertretenden Generalkommandos im Rahmen bereits bestehender Ersatzverbände für den Grenzschutzdienst geeignete Einheiten zu bilden seien. Bei der Infanterie waren dies beispielsweise geschlossene Bataillone zu vier Kompanien, mit je sechs leichten Maschinengewehren Modell 08/15 und einer Minenwerferabteilung zu vier Werfern, Gesamtstärke 650 Mann. Bei der Kavallerie sollten Züge zu 40 Reitern zusammengestellt werden und in Sonthofen speziell drei Gebirgszüge mit Gebirgsartillerie. Über Zahl und Stärke sowie Zeit und Ort der Bereitstellung der Formationen war in München umgehend Meldung zu machen. Der Kriegsminister behielt sich Umfang und Zeitpunkt des Einsatzes vor und forderte strengste Geheimhaltung des Verwendungszwecks, „[. . .] um eine vorzeitige Beunruhigung der Bevölkerung zu vermeiden.“54 Dass dies leicht geschehen konnte, hatte man im Kriegsministerium schon einen Tag vorher festgestellt. Über die gereizte Stimmung der bayerischen Landeskinder war zu lesen: „Eine größere Beunruhigung der Bevölkerung als sie jetzt schon Platz gegriffen hat, kann gar nicht mehr eintreten. Sie wird geringer werden, wenn die Bevölkerung erfährt, daß etwas zu ihrem Schutze wirklich geschieht, daß gehandelt wird.“55 Zweifellos eine nicht von der Hand zu weisende Erkenntnis. Besonders die schwer prognostizierbaren Verhältnisse in Österreich machten der Armee-Abteilung im Kriegsministerium zu schaffen. Die Lage in Österreich könne sich über Nacht ändern, auch bei den Deutschösterreichern. Die Truppen seien zwar nicht desorganisiert, aber stark durchmischt. Fazit war am 24.10.1918 daher: „Diejenigen Stellen, die heute sagen, die Verhältnisse in Tirol machen einen ungehemmten Einfall der Entente in Süddeutschland nicht wahrscheinlich, werden ebenso, wenn dieser Fall nicht eintritt, glatt darlegen, die Lage habe sich eben über Nacht geändert. Das einzig sichere in diesen sich ständig ändernden Verhältnissen ist, sich Truppen bereitzustellen, die für alle Fälle rasch zur Hand sind.“56

Auf der sofort durchzuführenden Agenda für das Ministerium standen nun drei Punkte. Erstens sollte möglichst schnell die Erlaubnis zum Schutze der bayerischen Grenze erwirkt werden, mit der Zusatzoption, wenn nötig aus taktischen Gründen auf österreichisches Gebiet übergreifen zu dürfen. 53 BayKA, MKr 1833: Kriegsministerium, streng geheimer Entwurf Nr. 272755 A/18 betreff: Organisation des Grenzschutzes, am 26.10.1918. 54 BayKA, MKr 1833: Kriegsministerium, streng geheimer Entwurf Nr. 272755 A/18. 55 BayKA, MKr 1833: Kriegsministerium Armee Abteilung (A I), Nr. 273800 am 24.10.1918. 56 BayKA, MKr 1833: Kriegsministerium Armee Abteilung (A I), Nr. 273894 am 25.10.1918.

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Zweitens musste man sich über die österreichischen Vorbereitungen erkundigen, was zur Verteidigung des Landes Tirol bisher (militärisch) veranlasst worden war. Drittens musste ein Stab organisiert werden, der die zur Verteidigung der Grenze Bayerns nötigen Anordnungen bearbeiten und ausgeben sollte.57 Zentrale Bedeutung kommt in diesem Maßnahmenkatalog dem Hauptmann Wilhelm Arendts zu. Er war beauftragt worden, in Wien und Tirol direkt Informationen über die für den Grenzschutz relevanten Ereignisse, Maßnahmen und Vorbereitungen einzuholen. Natürlich befasste er sich dabei auch intensiv mit der innenpolitischen Situation beziehungsweise der Volksstimmung in der Doppelmonarchie. Sein Ansprechpartner war zunächst der bevollmächtigte General der DOHL im K. u. k. AOK in Baden bei Wien, General von Cramon. Arendts traf General Cramon am 25. Oktober nachmittags. Cramon glaubte nicht den verschiedenen Gerüchten über Sonderfriedensverhandlungen Österreichs unter der Bedingung einer Auslieferung der Bahnen und einer Grenzsperre gegen Deutschland, sondern hielt sie für gänzlich ausgeschlossen. Er stehe in engster Fühlung mit dem AOK und hätte es wohl sicher erfahren, wenn irgendetwas im Gange sei. Auf die Ehrlichkeit des AOK könne man sich unbedingt verlassen. Zur Frage österreichischer Verteidigungsmaßnahmen antwortete von Cramon: „Soweit ihm bekannt seien besondere Vorbereitungen gegen einen Einmarsch der Entente von Süden nicht getroffen. Käme es aber dazu, so könne man auf DeutschÖsterr.[eich] unbedingt zählen. Deutsche Truppen seien mit Ausnahme einiger Etappenformationen nicht im Süden. Ein deutscher Nachrichtendienst an der Südfront sei nicht eingerichtet.“58 Laut Arendts standen diese Ansichten General von Cramons im schroffsten Gegensatz zu den Informationen, die er von verschiedenen anderen Seiten bekommen hatte. Darunter vor allem die Auskünfte des Major Fleck, der Generalstabsoffizier bei General von Cramon war. Arendts „[. . .] habe den Eindruck gewonnen, daß Gen. von Cramon als offizielle Persönlichkeit nur offiziell vorliegende Nachrichten geben wolle, mir aber seine wirkliche Ansicht durch seinen Generalstaboffiz.[ier] andeuten lasse.“59 Major Fleck vertrat in einer längeren Besprechung am Vormittag des 25. Oktober die Anschauung, dass mit der Möglichkeit eines Abspringens von Österreich und eines Sonderfriedens besonders mit Italien unbedingt gerechnet werden müsse. 57 Vgl.: BayKA, MKr 1833: Kriegsministerium Armee Abteilung (A I), Nr. 273800 am 24.10.1918. 58 BayKA, MKr 1774/1: Hptm. Arendts – Niederschrift über die Besprechungen am 24. und 25.10.18 in Baden bei Wien und in Wien (v.A.W. 256157 A), München am 30.10.1918. 59 BayKA, MKr 1774/1: Hptm. Arendts – Niederschrift über die Besprechungen am 24. und 25.10.18.

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„Das AOK sei ehrlich, man wisse aber nicht, wie lange es mitzureden habe. Österr. könne in Lagen kommen, in denen es selbst keinen freien Entschluß mehr habe and vergewaltigt werde. Fleck habe in den letzten Tagen an den Sitzungen des deutschen Nat. Rates teilgenommen, dort herrschen zurzeit noch sehr phantastische Pläne und Vorstellungen. Der Nat.[ional] Rat wolle aber demnächst an das AOK herantreten und klare Aufschlüsse über die Verwendung der deutsch-österr. Truppen zum Schutz der deutschen Gebiete zu erhalten. Man beabsichtige die Bildung einer deutschen Nationalverteidigungs-Armee, brauche dazu aber Hilfe. Zunächst soll die Sache von dem k. u.k. Major Kolbe in die Hand genommen werden, dem man für seine Organisationen an die Hand gehen müsse. Vielleicht sei dies dem bayer.[ischen] K. M. [= Kriegsministerium] möglich, das wohl das größte Interesse an den Verhältnissen bei seinem Nachbarn haben werde.“60

Militärisch gesehen sei Österreich in einer prekären, aber nicht aussichtslosen Situation. Im AOK in Baden kursierte unter den Generalstabsoffizieren die Parole, die Armee sei jetzt der allergrößten Belastungsprobe ausgesetzt und es hänge alles an einem Faden. Leider gebe es aber mehrere derartige Fäden und wenn nur einer reiße, dann gehe es einfach nicht mehr weiter. Der Nachschub sei ein Problem, „[. . .] man bekomme immer die reinsten Knödel auf den Bahnstrecken, wo nichts mehr durchgehe [. . .]“, die Munitionslage sei sehr bedenklich, da für Großkämpfe nur noch etwa für drei Wochen Munitionsvorräte zur Verfügung stünden und Neuanfertigungen durch die geringen Leistungen der Fabriken unbedeutend und besonders in den Skodawerken überhaupt fraglich. Die Skodawerke waren die größte Waffenschmiede der K. u. k. Monarchie und wenige Tage vor der Abspaltung der Tschechoslowakei war der Produktionsausstoß für die K. u. k. Armee nur mehr gering.61 Ausreichende Menschenreserven glaubte man noch bis zum Frühjahr zu haben. Auf vielen Lagekarten der damaligen Zeit sind hinter der Front zahlreiche Reserve-Divisionen eingezeichnet, doch war ihre Stärke nur noch sehr gering. Ein Umstand, der auch Hauptmann Arendts bewusst war. Vor allem habe die Malaria die Truppen am unteren Piavelauf stark dezimiert und „[. . .] Divisionen bis auf 1.100 Mann Gesamtkopfstärke 60

BayKA, MKr 1774/1: Hptm. Arendts – Niederschrift über die Besprechungen am 24. und 25.10.18. Über den genannten Major Kolbe urteilte Hauptmann Arendts in einem späteren Bericht: „Welche Stellung Kolbe im Nat. Rat hat, weiß niemand. Anscheinend ist er mil.[itärisch] technischer Berater des „Militär-Ausschusses“ der vollkommen hilflos ist und Div. und Batlne. [= Bataillone] nicht unterscheiden kann. Kolbe selbst arbeitet zu wenig auf realer Grundlage, hat einen stark garibaldinischen Einschlag und möchte anscheinend selbst Generalissimus werden.“ In: BayKA, MKr 1774/1: Hptm. Arendts – Niederschrift über die Besprechung am 29.10.18 (v.A.W. 279291 A), München am 30.10.1918. 61 Arendts erwähnt die Tatsache, „[. . .] daß in den Skodawerken in letzter Zeit 60.000 Handgranaten gestohlen wurden.“ BayKA, MKr 1774/1: Hptm. Arendts – Niederschrift über die Besprechungen am 24. und 25.10.18.

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heruntergebracht [. . .]“, wie man ihm in Wien erzählte.62 Dies ist eine erschütternde Zahl, wenn man bedenkt, dass zu Kriegsbeginn eine österreichisch-ungarische Division circa 16.000 Mann umfasste.63 Kurz vor Kriegsende hatte sich die Situation in der österreichisch-ungarischen Streitmacht rapide verändert. Die personellen Ausfälle konnten nicht mehr gedeckt werden. Oskar Regele hat, bezugnehmend auf die Junischlacht in Venetien 1918, also etwa drei Monate vor diesem Gespräch Arendts im AOK, folgendes Bild der K. u. k. Armee entworfen: „Die Höchststände für ein feindliches Bataillon betrugen bis 900, bei den k. u.k. Truppen 400 Gewehre, eine österreichisch-ungarische Kompanie hatte meist nur noch 40 bis 50, eine italienische 120 bis 160 Kämpfer [. . .].“64 Ein höchst bedenkliches Licht auf den Geist der Truppe wie auf die inneren Verhältnisse des Landes warfen auch die Krawalle in Salzburg. Entstanden aus einem Hungerkrawall wurde daraus sehr bald eine systematische Plünderung der Villenstadt, wie man Hauptmann Arendts berichtete. „Der Pöbel drang hier gewaltsam in die Häuser, plünderte alles, riß den Damen [. . .] in Häusern und auf den Straßen Kleider und Schmucksachen buchstäblich vom Leibe. Das österr.[eichische] Militär wurde aufgeboten, schritt aber nicht ein.“65 Hier kommt in dieser Konversation erstmals der bayerische Grenzschutz zum Tragen. Als das österreichische Militär versagte, schienen die Einwohner so verzweifelt, dass sie sich an den bayerischen Grenzschutz um Hilfe wandten. Gemeint waren hiermit die regulären, polizeilichen Grenzposten, die in diesem Fall noch nichts mit der Verteidigung der Grenze zu tun hatten. Die bayerischen Posten lehnten – erwartungsgemäß – ein Einschreiten auf fremdem Staatsboden ab. Neben General von Cramon und Major Fleck war der bayerische Gesandte in Wien, Freiherr von Tucher, der dritte wichtige Gesprächspartner für Hauptmann Arendts. Mit ihm unterhielt er sich über die Frage eines unmittelbaren Nachrichtenverkehrs mit dem Kriegsministerium. Dies wäre wichtig gewesen, um einen direkten Kontakt vom Kriegsministerium in München zu den relevanten Stellen in Wien herstellen zu können. Tucher hielt es jedoch für ausgeschlossen, dass er bei der mageren Ausstattung der Gesandtschaft irgendwelche nennenswerten Dienste leisten könne. Die Gesandtschaft sei eine reine Friedensgesandtschaft, für die jetzigen Aufgaben 62 BayKA, MKr 1774/1: Hptm. Arendts – Niederschrift über die Besprechungen am 24. und 25.10.18. 63 Vgl. etwa: Balck, Entwickelung, 1922, S. 49. Auch: ‚The Times‘ History of the War, Volume II, Chapter XXXVII: The Army of Austria-Hungary, London 1915, S. 229. 64 Regele, Gericht, 1968, S. 94. 65 BayKA, MKr 1774/1: Hptm. Arendts – Niederschrift über die Besprechungen am 24. und 25.10.18.

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aber gar nicht eingerichtet. Die Selbsteinschätzung des Gesandten Tucher fiel vernichtend aus: „Er hänge vollkommen in der Luft und könne nur Dinge bringen, die ganz an der Oberfläche liegen. Er lebe von Brosamen des deutschen Botschafters und Nachrichten, die er zufällig von Bekannten erhalte. Über mil.[itärische] Dinge wisse er nicht das Allergeringste. Auch habe er keine Mittel um die Nachrichten rasch in die Heimat zu befördern; für Kurierzwecke fehle ihm das Personal und seine Post brauche mindestens 5 Tage bis München.“66

Er konnte für Arendts aber eines tun, nämlich mit dem deutschen Botschafter reden. Dies tat Freiherr Tucher am 25. Oktober nachmittags und erstattete darauf Arendts Bericht. Der deutsche Botschafter sei der Ansicht, die Gefahr für Deutschland drohe jetzt weniger von Westen als von Südosten. Nach den letzten Nachrichten sollten nun auch die Ungarn Anschluss an die Entente suchen. Von Tucher äußerte den Eindruck, „[. . .] dass Österreich unbedingt zusammenbrechen werde, und meine [. . .] man müsse unter allen Umständen möglichst bald zu einem Frieden im Westen kommen; wenn Preußen hier nicht vernünftig sei, dann müßte eben Bayern schließlich sogar mit Drohungen eines Sonderfriedens den nötigen Druck ausüben.“67 Eine Ansicht, mit der Tucher nicht alleine stand, da in Bayern die Idee eines Sonderfriedens durchaus an einigen Stellen zu vernehmen war. Von offizieller Seite wurden alle diesbezüglichen Gerüchte vehement dementiert. Arendts machte aber in Wien die Feststellung, dass man sich bei den Herren des Stabes Cramon extrem für die Stimmungen und Ansichten in Süddeutschland zu interessieren schien. Nur drei Tage später sah alles ganz anders aus. Am 28. Oktober traf sich Arendts mit Generalleutnant Franke, dem bevollmächtigten General des preußischen Kriegsministeriums beim K. u. k. Kriegsministerium. Er und sein Stabschef Oberst von Hoffmann sprachen sich „[. . .] wenig zuversichtlichen Sinnes aus: die Lage sagte General Franke, habe sich seit seiner Rücksprache mit dem Herrn Kriegsminister vollkommen geändert und die damaligen Voraussetzungen träfen jetzt nicht mehr zu. Ein Sonderfrieden werde von Österreich sicher geschlossen. Auf die Armee sei kein Verlaß mehr und man müsse mit ihrer Auflösung in allernächster Zeit rechnen. [. . .] Er [Franke, Anm. d. Verf.] sei der Ansicht, daß wir mit unseren Maßnahmen ganz auf uns selbst angewiesen seien.“68 66 BayKA, MKr 1774/1: Hptm. Arendts – Niederschrift über am 24. und 25.10.18. 67 BayKA, MKr 1774/1: Hptm. Arendts – Niederschrift über am 24. und 25.10.18. 68 BayKA, MKr 1774/1: Hptm. Arendts – Niederschrift über am 28. und 29.10.18 in Wien und Baden (v.A.W. 279291 30.10.1918.

die Besprechungen die Besprechungen die Besprechungen A), München am

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Der österreichische Nationalrat, also das Abgeordnetenhaus, wäre eigentlich dafür verantwortlich gewesen, auch eine straffe militärische Führung gemäß den neuen politischen Erfordernissen zu schaffen. Die hier zitierte Form Nationalrat ist nicht ganz korrekt. Vielmehr könnte man von der Provisorischen Nationalversammlung der deutschen Abgeordneten des österreichischen Reichsrates sprechen, was der Einfachheit aber im Folgenden unterbleibt.69 Eine Führung für die deutschösterreichischen Soldaten wäre notwendig gewesen, da sich die meisten anderen Nationalitäten bis zu diesem Zeitpunkt schon eigene Organisationen gegeben hatten. Der Nationalrat glänzte aber, laut Major Fleck, durch einen „[. . .] schon bekannten Mangel jeglicher Entschlußfähigkeit und den Mangel eines energischen Willens [. . .].“ Die Folge daraus mag erstaunen: Hauptmann Arendts und Major Fleck kamen überein, dass die Entschlusskraft und Entschlussfreudigkeit des Nationalrates durch Druck von außen gefördert werden müsste. Der Plan war folgender: „Der Nat. Rat solle sofort an das AOK Baden herantreten und sich dort einen energischen, politisch möglichst ungefärbten deutschen General erbitten, der bei der Truppe beliebt sei. Diesem General solle der Nat. Rat die Führung über die deutschen Truppen übertragen und ihn dadurch in Stand setzen, einzelne sichere Frontdivisionen oder Ersatzformationen der Heimat an der neuen Tiroler-Kärntner-Südgrenze aufzubauen. Hiedurch werde es möglich die zurückflutenden Fronttruppen deutscher Nationalität aufzunehmen, Truppen anderer Nationalitäten aber geordnet abzuschieben. Höchste Eile sei bei dem bevorstehenden Zusammenbruch der Front geboten. Der Nat. Rat müsse sich darüber klar sein, daß bei einem planlosen Zurückfluten der Truppen nicht nur Milliardenwerte an Kriegsmaterial verloren gingen, sondern daß auch eine führerlose Armee bei dem Mangel geordneter Verpflegszufuhr in kürzester Zeit zu Plünderungen übergehen werde und das Land mit bolschewistischen Zuständen überschwemme. Für Deutsch-Österreich, als dem Durchzugsgebiet sämtl.[icher] Fronttruppen aller Nationalitäten, seien diese Gefahren besonders groß.“70

Man ging also daran, den Militärausschuss des Nationalrates, an dessen erster Stelle Exzellenz Dr. Sylvester stand, zu überzeugen. Da Hauptmann Arendts nur seine Uniform dabei hatte und ihm geraten worden war, als deutscher Offizier keinesfalls in Uniform im Nationalrat zu erscheinen „[. . .] um auch nur den Schein eines Druckes Deutschlands auf seine Entschließun69

Die Terminologie änderte sich in den nächsten Tagen mehrfach. Die provisorische Nationalversammlung wurde durch die deutschsprachigen Abgeordneten des kaiserlich-österreichischen Abgeordnetenhauses aufgrund des Kaiserlichen Manifestes vom 16. Oktober 1918 gebildet und konstituierte sich am 21. Oktober 1918. Verwiesen sei auf: Koch, Klaus/Rauscher, Walter/Suppan, Arnold: Außenpolitische Dokumente der Republik Österreich 1918–1938 (ADÖ), Band 1: Selbstbestimmung der Republik. 21. Oktober 1918 bis 14. März 1919, München/Wien 1993. 70 BayKA, MKr 1774/1: Hptm. Arendts – Niederschrift über die Besprechungen am 28. und 29.10.18.

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J. Grenzschutz Süd – Die Besetzung Tirols durch bayerische Truppen

gen zu vermeiden“, wie er schrieb, bat er einen Mittelsmann in Zivil für ihn einzuspringen.71 Man erreichte schließlich „[. . .] vor allem durch den Hinweis darauf, daß Deutschland natürlich auch keine Lebensmittel mehr liefern [werde], wenn Österreich sich nicht zur Wehr setze – daß der Ausschuß sich dahin aussprach, er werde im Parlament beantragen, daß ein General die Mil.[itärische] Führung übernehme. Nur über den Weg, woher man diesen General bekomme, bestand keine Einigkeit.“72 Dass die Zahl der verfügbaren Generale gering war scheint nachvollziehbar, hier kommt vielmehr das extreme Misstrauen zwischen den Politikern und den Militärs zum Ausdruck. Die politische Seite verlangte, dass erst das Armeeoberkommando zum Nationalrat kommen solle und nicht umgekehrt. Wieso sollte aber das AOK den ersten Schritt machen? Arendts und Fleck mussten also auch noch bei den österreichischen Militärs Überzeugungsarbeit leisten. Die Mission Hauptmann Arendts – Lagebeurteilung in Wien und Österreich – brachte aber auch in anderer Beziehung die Disharmonie zwischen Militär und Politik zum Vorschein. Der deutsche Botschafter von Wedel telegraphierte am 30. Oktober echauffiert aus Wien nach Berlin, als er kurz zuvor von der Mission des bayerischen Hauptmannes erfahren hatte. Ihm war zudem das Gerücht zu Ohren gekommen, dass bayerische Militärs bei Freilassing Schützengräben ausheben würden und sich mit Tunnelsprengungen auf österreichischem Gebiet befassten.73 Er sah darin die Gefahr, dass ein Keil zwischen Deutschland und Deutsch-Österreich getrieben werden könnte, wenn Bayern Österreich als Feind behandle. Militärische Übereilungen seien in keiner Weise förderlich für die guten Beziehungen. Graf Wedel riet zur Mäßigung und widersprach damit massiv den taktischen Überlegungen des bayerischen Generalkommandos: „Es geht nicht an, daß Politik militärischen Gründen geopfert wird. Ich bitte dringend, unverzüglich in München vorstellig zu werden. Bayerische Nervosität vorläufig ganz unbegründet. Deutsche [gemeint sind die Deutsch-Österreicher, Anm. d. Verf.] nehmen nationale Verteidigung in die Hand und werden vom Kriegsministerium entgegenkommend unterstützt. Garantien zu geben, ist für sie beim besten Willen z. Zt. unmöglich.“74 An die Adresse Bayerns richtete er in 71 BayKA, MKr 1774/1: Hptm. Arendts – Niederschrift über die Besprechungen am 28. und 29.10.18. 72 BayKA, MKr 1774/1: Hptm. Arendts – Niederschrift über die Besprechungen am 28. und 29.10.18. 73 Der Sektionschef im Amt für Volksernährung, Hans Loewenfeld-Russ, berichtete in einem Brief an seinen Vater vom 2. November 1918: „Wir sahen beim Vorüberfahren, wie die verrückten Deutschen Schützengräben bei Freilassing (wozu?) aufwarfen.“ In: Loewenfeld-Russ, Hans: Im Kampf gegen den Hunger. Aus den Erinnerungen des Staatssekretärs für Volksernährung 1918–1920 (Studien und Quellen zur österreichischen Zeitgeschichte, Bd. 6), München 1986, S. 118. Dies stellt eine der raren Äusserungen eines Augenzeugen zu dieser Aktion dar.

II. Oktober 1918 – Nervosität in Bayern

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diesem Zusammenhang den Ratschlag: „Vorläufig besteht für die bayerische Nervosität kein Grund.“75 Von Wedel konnte aber nicht behaupten, dass er von Hauptmann Arendts nichts gewusst hätte, wie aus einem Telegramm Arendts nach München hervorgeht. „Habe Botschafter Wedel gebeten, bei Nationalrat Entscheidung zu fordern, ob höherer General Führung in Tirol übernimmt. Sonst Widerstand unmöglich. Rate diese Entscheidung abzuwarten.“76 Die beiden hatten sich also sicher getroffen und unterhalten. Diese Äußerungen sind aber ein guter Beleg für die Unruhe, die das militärische Vorgehen der Bayern in Wien hervorrief. Man befand sich noch in einem Stadium, in dem das deutsche Auswärtige Amt zwar bereits von dem bayerischen Vorhaben unterrichtet war, aber noch keine Genehmigung dazu erteilt hatte. Der Gesandte des Reiches in München, von Treutler, besprach den Vorfall auch mit dem bayerischen Kriegsminister von Hellingrath und dem Vorsitzenden des bayerischen Ministerrates von Dandl. Es kam heraus, dass der bayerische Emissär lediglich den Auftrag gehabt hatte, in Wien bei von Cramon anzufragen, „[. . .] ob von österreichischer Seite Garantien gegeben seien, daß bayerische Grenze nicht durch Ententetruppen gefährdet sei.“77 Bei den täglich wechselnden Verhältnissen in Wien sei es unumgänglich, den Schutz der bayerischen Grenze vorzubereiten. Der vom Grafen von Wedel geäußerte negative Eindruck sei leicht zu entkräften, da die Abwehrmaßregeln nicht gegen Österreich, sondern gegen möglicherweise durch Österreich marschierende Feinde gerichtet seien. Von Treutler wies darauf hin, dass die Maßregeln „[. . .] im Rahmen des schon immer bestehenden Grenzschutzes erfolgt[en], der nun statt eines polizeilichen auch militärischen Charakter trage.“78 Dennoch hofften von Treutler und der bayerische Kriegsminister, dass entschieden werde, den Tirolern zu Hilfe zu kommen, da man dann nach Tirol einmarschieren könne und „[. . .] in sehr leicht zu verteidigendem Gelände am besten die Gefahr, die von österreichischen Armeetrümmern ausgehen könnte, bannen [. . .]“ könnte.79 Interessanterweise 74 PAA, R 20155: Botschafter von Wedel an Auswärtiges Amt (Nr. 873), Wien am 30.10.1918. 75 BayHStA, MA III 3085: Botschafter Wedel (Nr. 873/Abschrift A.45985) an Auswärtiges Amt in Berlin, eingegangen aus Wien 30.10.1918. 76 BayKA, MKR 1833: Telegramm bay. Kriegsministerium (Nr. 1106), angekommen 29.10.1918 um 15.15 Uhr. 77 PAA, R 20155, Von Treutler an Auswärtiges Amt (Nr. 114/A45985III), München am 01.11.1918. 78 PAA, R 20155, Von Treutler an Auswärtiges Amt (Nr. 114/A45985III), München am 01.11.1918. 79 PAA, R 20155, Von Treutler an Auswärtiges Amt (Nr. 114/A45985III), München am 01.11.1918.

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J. Grenzschutz Süd – Die Besetzung Tirols durch bayerische Truppen

wird hier nicht auf die Gefahr eines Durchmarsches von Ententetruppen Wert gelegt, sondern auf die unkontrollierten, der Insubordination verfallenen österreichisch-ungarischen Heeresteile. Im gleichen Telegramm werden diese als „[. . .] sengende und brennende Horden“ tituliert, „[. . .] die hinter der Front als zersetzendes Produkt des österreichischen Heeres und aus den verschiedensten Nationalitäten nach Norden drängten.“80 Dies mag verwundern, da zu diesem Zeitpunkt der österreichisch-ungarische Waffenstillstand noch nicht unterzeichnet war, und die deutschösterreichischen Regimenter wie auch viele Regimenter anderer Nationalität klaglos ihren Dienst an der Front versahen und die Ententetruppen so gut es ging zurückhielten. Ein Vorgehen auf Tiroler Boden würde den Deutschen auch die endgültige Entscheidung über etwaige Tunnelsprengungen in die Hand geben. Die durch Botschafter von Wedel in die Diskussion eingebrachten Tunnelsprengungen waren sogar dem Minister des Äußeren in Wien, Dr. Adler, bekannt. Von Wedel hatte ihn über derartige Vorhaben am Brenner unterrichtet, worauf Dr. Adler erwiderte, dass ihm das Mittel plausibel und gut erscheine.81 Er schlug eine Unterbrechung der Verkehrswege weit im Süden vor. Laut von Wedel äußerte Adler: „Er könne aber keine Verantwortung übernehmen, wolle nichts davon wissen.“82 In diesen Tagen, bis zum 28. Oktober, blieb die Lage für den Grenzschutz Bayerns also relativ ruhig. In den Akten des Auswärtigen Amtes findet sich eine kurze Aufstellung über alle Aktenstücke zu diesem Thema, die dort ähnlich wie in einem Briefbuch verzeichnet sind. Darin steht zusammenfassend zu lesen: „Die Frage der Sicherung der deutschen Südgrenze wurde seitens des Auswärtigen Amts noch vor dem Zustandekommen des Waffenstillstandes zwischen Österreich-Ungarn und Italien angeregt, in dem einerseits die O. H. L. am 28. Oktober gebeten wurde, die Möglichkeit eines Einmarsches deutscher Truppen in Tirol sowie evtl. deutscher militärischer Hilfe in Nord-Böhmen zu prüfen, andererseits an den Kaiserlichen Botschafter in Wien Anweisung erging, mit allen Mitteln anzustreben, daß die deutsch-österreichischen Truppen die Tiroler Grenze hielten.“83

Graf Lerchenfeld, der bayerische Gesandte in Berlin, bestätigte, dass das Auswärtige Amt seinen Vertreter im Großen Hauptquartier, den Staatssekretär a.D. von Hintze, angewiesen habe, „[. . .] mit der Obersten Heeresleitung wegen Maßnahmen in Verbindung zu treten, die für einen Schutz der baye80 PAA, R 20155, Von Treutler an Auswärtiges Amt (Nr. 114/A45985III), München am 01.11.1918. 81 PAA, R 20155: Botschafter von Wedel an Auswärtiges Amt (Nr. 930), Wien am 03.11.1918. 82 PAA, R 20155: Botschafter von Wedel an Auswärtiges Amt (Nr. 930), Wien am 03.11.1918. 83 PAA, R 20156: Aufzeichnung Nr. A.S.6314pr. 11. November 1918.

II. Oktober 1918 – Nervosität in Bayern

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rischen Südgrenze gegebenenfalls nötig werden.“84 Bis nach Berlin hatte sich bereits die Kunde verbreitet, wonach die österreichisch-ungarische Front in Italien ins Wanken geraten sei. „Nicht nur die Tschechen sondern auch deutsche Truppen sollen in größerer Zahl die Front verlassen, um bei der Neuordnung der staatlichen Verhältnisse zur Stelle zu sein.“85 Die Anzeichen des endgültigen Zusammenbruchs Österreich-Ungarns mehrten sich. Am 29. Oktober unterrichtete der ehemalige Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Paul von Hintze von seiner neuen Stelle als Vertreter des Amtes im Großen Hauptquartier das Auswärtige Amt über den Fortgang der Piaveschlacht.86 Es war bekannt, dass nördlich des Montello Berges ein Durchbruch nach Vittorio stattgefunden hatte. Dieser wurde von Hintze „[. . .] angesichts der Weigerung einzelner Armeeteile zu fechten für entscheidend angesehen.“87 Das Auswärtige Amt wurde des Weiteren darüber unterrichtet, dass Kaiser Karl „[. . .] die Verteidigung der Alpenpässe nach Deutschland durch deutsch-österreichische Truppen angeboten“ hatte.88 Stellt man allerdings den chaotischen Zustand des K. u. k. Heeres in Rechnung, so ist es fraglich, wie Karl dies garantieren wollte. Am 29. Oktober wurde dem Auswärtigen Amt dennoch gemeldet, dass die DOHL die vorhandenen neun deutsch-österreichischen Divisionen für ausreichend zur Verteidigung des deutsch-österreichischen Sprachgebiets halte.89 Ebenso wurde das Auswärtige Amt vage instruiert, dass ein vorläufiger Grenzschutz gegen Österreich organisiert würde, mit gleichzeitiger Erwägung, „[. . .] ob solcher Grenzschutz zu passender Zeit bis zu den Alpenpässen vorgeschoben werden solle und könne.“90 Diese Meldung wurde am 30. durch ein Schreiben der DOHL bestätigt, in dem nochmals betont wurde, dass „[. . .] die neun Divisionen zum Grenz- und Bahnschutz genügen würden, vorausgesetzt, daß die Truppe zuverlässig bleibe.“91 Wie stand es aber an diesem Tage mit der Zuverlässigkeit an der österreichisch-italienischen Front? Ein Fernschreibergespräch vom 30.10. um 18.00 Uhr zwischen Rittmeister von Wallenberg – seines Zeichens Ordonnanzoffizier bei 84 BayKA, MKr 1774/1: Graf Lerchenfeld an Ritter von Dandl (Nr. 1055), Berlin am 28.10.1918 (Ankunft des Telegramms in München am 30.10.1918). 85 BayKA, MKr 1774/1: Graf Lerchenfeld an Ritter von Dandl (Nr. 1055). 86 Zur vielschichtigen Person Hintze: Hürter, Johannes: Paul von Hintze. Marineoffizier, Diplomat, Staatssekretär. Dokumente einer Karriere zwischen Militär und Politik, 1903–1918 (Deutsche Geschichtsquellen des 19. und 20. Jahrhunderts, Bd. 60), München 1998. 87 PAA, R 20155: Staatssekretär von Hintze an Auswärtiges Amt (Nr. 2622), G.H.Qu. am 29.10.1918. 88 PAA, R 20155: Staatssekretär von Hintze an Auswärtiges Amt (Nr. 2622). 89 PAA, R 20156: Aufzeichnung Nr. A.S. 6314pr. 11. November 1918. 90 PAA, R 20156: Aufzeichnung Nr. A.S. 6314pr. 11. November 1918. 91 PAA, R 20156: Aufzeichnung Nr. A.S. 6314pr. 11. November 1918.

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J. Grenzschutz Süd – Die Besetzung Tirols durch bayerische Truppen

General von Cramon in Baden bei Wien – und Hauptmann Arendts im bayerischen Kriegsministerium gibt darüber Auskunft. „Bei 10. und 11. Armee (Heeresgruppe Bozen) alle Stellungen im eigenen Besitz, an Asiago nur in Winterstellung zurückgegangen, an Piavefront untere Piavestellungen gehalten, Einbruch bei St. Dona di Piave und Salgaredo, dann verläuft die Linie ungefähr: Salgaredo–östl. Oderzo Mansue–entlang der Livenza bis Sacile– Col Alto–Seravalle–am Nordufer des Soligobaches-Ort Cison–Cesen–Mt. Valina. Die Gruppe zwischen Brenta und Piave soll über den Rollepaß zurückgehen (allmähliches kämpfendes Zurückgehen). Die genannte Linie ist überall ungedrängt vom Italiener, der äußerst zögernd nachfolgt, eingenommen. Bei eigener Truppe mehren sich Zeichen der Auflösung: Wegwerfen der Waffen, Anhalten von Autos. In Casara Meuterei. 21. Schützendivision ist gestern geschlossen in Richtung Toblach abmarschiert, 42. Honveddiv.[ision] ebenfalls geschlossen nach Osten weggegangen.“92

Dies ist ein guter Zustandsbericht und zeigt auch den Kenntnisstand der bayerischen beziehungsweise reichsdeutschen Truppen über die Situation im Nachbarland. Darauf basierend teilte die Deutsche Oberste Heeresleitung am 31. Oktober nochmals mit, dass die Verteidigung Deutsch-Österreichs durch deutschösterreichische Truppen durchaus möglich erscheine. Dies veranlasste das Deutsche Auswärtige Amt in Berlin endgültig, die Sache vorläufig ruhen zu lassen. In der Darstellung des Auswärtigen Amtes war zu lesen: „Somit war die Frage des Einmarsches in Tirol für das Auswärtige Amt zunächst erledigt.“93

III. Das II. bayerische Armeekorps und die Organisation des Grenzschutzes Der Ernst der Lage schien einigen Beteiligten noch gar nicht richtig klar zu sein. Bei einem Empfang in München am 31. Oktober 1918 traf der Württembergische Gesandte Karl Moser von Filseck auf den bayerischen Ministerpräsidenten Otto von Dandl. Mit ihm unterhielt er sich über eine eventuelle Räumung Münchens und fragte ganz direkt, ob denn die Verlegung der Regierung nach einer Stadt im nördlichen Bayern geplant sei. Herr von Dandl antwortete ihm, er „[. . .] betrachte die Gefahr eines feindlichen Einfalls als nicht so nahe bevorstehend. Es seien militärische Massnahmen zum Schutze der Grenzen getroffen, ausserdem müssten ja die Waffenstillstandsbedingungen demnächst eintreffen. Dadurch wäre man der Frage einer Räumung enthoben, der man bis jetzt noch gar nicht näher ge92 BayKA, MKr 1774/1: Kriegsministerium, Armee-Abteilung: Auszug aus Fernschreibergespräch am 30.10.1918, 6 h nachm. zwischen Rittmeister von Wallenberg und Hauptmann Arendts. 93 PAA, R 20156: Aufzeichnung Nr. A.S. 6314pr. 11. November 1918.

III. Das II. bayerische Armeekorps

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treten sei.“94 Erstaunliche Worte, wenn man bedenkt, wie kompliziert und zeitaufwändig die Planungen für eine Evakuierung gewesen sein müssen. Den Worten Dandls nach zu urteilen schob man eine Entscheidung vor sich her, weil man davon ausging, dass der unweigerliche deutsche Waffenstillstand alle Maßnahmen obsolet werden ließ. In seinem Referat an seinen Vorgesetzten, Außenminister Karl Freiherr von Weizsäcker, berichtete Moser auch von Dandls Einschätzung der Stimmung in der bayerischen Bevölkerung: „[. . .] in den Grenzgebieten der Oberpfalz sowohl als im Gebirge herrsche große Aufregung, weil man eine Invasion befürchte, und es würden törichte Wünsche unter der Landbevölkerung laut, Bayern solle einen Sonderfrieden schliessen.“95 Die von Dandl angesprochenen Maßnahmen zum Schutz der Grenze waren allerdings noch nicht so weit gediehen, wie er es sich wahrscheinlich gewünscht hätte. Ende Oktober gab es noch reichlich Imponderabilien im bayerischen Grenzschutz. Nicht nur die politische Entscheidung auf der Reichsebene war ungewiss, auch operative Aufgaben sowie die Frage, wer das Grenzschutzkommando führen sollte, standen noch aus. Am 28. Oktober war das immobile stellvertretende Generalkommando des I. bayerischen Armeekorps in München, das eigentlich für den Grenzschutz zuständig gewesen wäre, davon instruiert worden, dass von der Obersten Heeresleitung beschlossen worden war, das mobile Generalkommando des bayerischen II. Armeekorps nach München zu überführen und mit der Aufgabe zu betrauen.96 In dem Befehl an das abgelöste I. Generalkommando hieß es: „Dieses [das II., Anm. d. Verf.] Generalkommando soll im Benehmen mit dem Bayerischen Kriegsministerium den Grenzschutz organisieren. Hiezu wird an Truppen die bay. 4. Inf. Div.[ision] vom westlichen Kriegsschauplatz zugeführt. Mit der Zuführung einer weiteren Infanterie Div. ist zu rechnen.“97 Wer sollte aber dieses Kommando führen? Ursprünglich schlug der bayerische Kronprinz Rupprecht vor, den Kommandierenden General des III. Armeekorps, General der Artillerie Freiherr von Stein, mit dem Grenzschutz im Süden zu beauftragen. Auf Anregung seines Stabschefs, Generalleutnant von Kuhl, entschied sich der Kronprinz jedoch für den Kommandierenden General des II. Korps, General Konrad Krafft von Dellmensingen.98 94 BWHStA, E 50/05 Büschel 238: Bericht der Württembergischen Gesandtschaft in München (Nr. 482) an das Staatsministerium der auswärtigen Angelegenheiten, am 01.11.1918. 95 BWHStA, E 50/05 Büschel 238: Bericht der Württembergischen Gesandtschaft in München (Nr. 482). 96 Der Befehl von Hindenburgs zur Verlegung (Ia Nr. 11042geh.op.) in: BayKA, MKr 1833: bay. Kriegsministerium, Armee-Abteilung Nr. 278915 vom 27.10.1918. 97 BayKA, MKr 1833: Kriegsministerium, Armee-Abteilung Nr. 276674 A, München am 28.10.1918.

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J. Grenzschutz Süd – Die Besetzung Tirols durch bayerische Truppen

Der bayerische Kriegsminister Hellingrath hatte noch eine weitergehende Idee. Er wollte im Falle einer Ausweitung der Grenzschutzmaßnahmen den Kronprinzen selbst mit dem Oberbefehl in Bayern betraut sehen. Hellingrath wollte aus innenpolitischen Gründen „[. . .] in dieser Zeit höchster Spannung den Thronfolger für alle Fälle zur Hand zu haben [. . .]“99 Hellingrath schrieb am 31. Oktober direkt an Kronprinz Rupprecht: „Die Verhältnisse liegen zur Zeit so, daß ich zwischen Bodensee u.[nd] Sachsen einen aus Besatzungstruppen gebildeten Grenzschutz aufgestellt habe, [. . .] Gleichzeitig habe ich bei der Obersten Heeresleitung um Zuweisung größerer Truppenverbände gebeten, denn wenn sich unser Waffenstillstand noch länger verzögert, ist die Gefahr, daß feindliche Kräfte durch Tyrol [sic] oder von Osten her gegen Bayern vorrücken, nicht ausgeschlossen; sieht man sie selbst als sehr gering an, so dürfte gleichwohl nichts verabsäumt werden, um ihr zu begegnen. [. . .] Sollte es bei tatsächlicher feindlicher Bedrohung notwendig werden, daß noch weitere Kräfte nach Bayern geschoben werden, so möchte ich eine Übernahme des Oberbefehls durch Eure Königliche Hoheit selbst dann für angezeigt erachten, wenn die Stärke dieser Truppen an sich eine solche Maßnahme nicht begründen würde. Dies erschien mir schon aus innerpolitischen Rücksichten für wünschenswert, denn es würde im Lande lebhaften Anklang finden, wenn Bayern durch den Kronprinzen selbst geschützt würde. Es wäre geeignet, eine nationale Verteidigung wirksam zu gestalten, u. würde schließlich Eurer Königlichen Hoheit Stellung in Bayern noch mehr, als es jetzt schon der Fall ist, festigen. Daß es aber zur Notwendigkeit, unsere Grenzen zu verteidigen, kommen wird, kann ich nicht glauben. Denn der Zwang, baldigst Waffenstillstand zu schließen, ist so groß, daß sich ihm die Reichsleitung wohl kaum wird verschließen können. Ein Weiterkämpfen müßte nicht nur zur militärischen Katastrophe, sondern auch zum inneren Umsturz führen.“100

Die sich überschlagenden Ereignisse ließen es aber nicht mehr dazu kommen, den Plan eines königlichen Oberbefehlshabers, zur Ausführung zu bringen. Die konkrete Ausgestaltung des Grenzschutzes war unklar und variierte bei den wichtigen Militärs in Bayern. Die Vorschläge, schwankten zwischen einem lediglich passiven Grenzschutz, demgegenüber manche, darunter der bayerische Kronprinz, sogar so weit gingen, ein aktives Eingreifen auf österreichischem Boden für angemessen zu halten und „[. . .] mindestens zum Brenner hin vor [zu] rücken.“101 Dem widersprach massiv der 98 Rupprecht, Kriegstagebuch, II, 1929, S. 467 f. Krafft selbst schrieb dazu: „Ich bin erst auf besonderen Wunsch des Kronprinzen dazu bestimmt worden, der mich als Stabschef einer zu bildenden südlichen Deckungsarmee und wegen meiner vielfachen Gebirgserfahrungen haben wollte.“ in: BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1381. 99 BayKA, HS 2288: Hellingrath, S. 355. 100 BayKA, HS 2288: Hellingrath, S. 356. 101 Rupprecht, Kriegstagebuch, II, 1929, S. 468.

III. Das II. bayerische Armeekorps

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bayerische Kriegsminister von Hellingrath.102 Ein vorzügliches Zeugnis zum Grenzschutz ist das ausführliche Kriegstagebuch des kommandierenden Generals Krafft von Dellmensingen. Er traf am 30. Oktober 1918 von der Westfront kommend in München ein und wurde sofort zum Kriegsminister gebeten.103 Hierzu notierte er später: „12.15 mittags zum Kriegsminister v. Hellingrath. Wir finden ihn in schlechter Verfassung, körperlich ganz gebrochen, seelisch sehr niedergedrückt, ohne jede Hoffnung. Er hält ein Vorgehen nach Tirol für ausgeschlossen, weil er glaubt, daß dort alles auseinanderfällt. Allerdings liegen einige Anhaltspunkte dafür vor, daß einzelne Truppen sich nicht mehr in Italien schlagen wollten und auf die Heimatgrenze zurückgiengen [sic] [. . .]. Dagegen haben andere doch nicht recht gut standgehalten. Hellingrath glaubt aber, man könne mit den Österreichern schwerlich noch etwas erreichen und schwerlich einen Widerstand in Tirol organisieren. Jedenfalls ist der Grenzschutz Bayerns bisher ganz defensiv gedacht gewesen und bereits so eingeleitet. Mir soll die Sicherung der Südgrenze und Südostgrenze unter Zuteilung zweier Grenzschutz-Kommandeure übertragen werden. [. . .] An eine Verteidigung der bayerischen Grenze durch Einrücken nach Tirol hatten weder der Kriegsminister noch Kreß gedacht.“104

Krafft war also nicht mit der Vorkriegskonzeption einer Landesverteidigung in den Ebenen Bayerns einverstanden. Die Generalstabsreise von 1914 wurde bereits vorgestellt und sie gab auch ein paar Hinweise auf das obstinate Verhalten Kraffts in dieser Situation. In der Lagebeschreibung zur Generalstabsreise von 1914 wurde sehr detailliert darauf hingewiesen, dass die – im Planspiel durchgeführte – Zurückverlegung der bayerischen Besatzungstruppen hinter die Linie Memmingen–Landsberg-München–Landshut– Regensburg–Bayreuth und damit die überraschende Räumung des dem Feinde nächst liegenden Gebietes zu Problemen und einem großen Durcheinander führte. Es habe „[. . .] große Verwirrung bei den Dienststellen und Behörden und Bestürzung, an manchen Orten Paniken unter der Bevölkerung hervorgerufen. Große Verkehrsstockungen auf allen Bahnen, besonders östlich der Isar, sind die Folge. Das Einrücken der Ergänzungsmannschaften ist nur zum Teil ordnungsgemäß gelungen. [. . .] Große Unordnung herrscht an den Hauptsammelpunkten der zurückverlegten Besatzungstruppen [. . .].“105 102 Obwohl er in seinen Erinnerungen – entgegen den Äußerungen von Kraffts – nichts mehr davon wissen wollte. Dort schrieb er: „Die Verteidigung unserer Südgrenze durfte nur auf Tiroler Boden erfolgen. Hiefür sprachen schon rein taktische Gründe, aber auch der selbstverständliche Wunsch, nicht das eigene Land zum Kriegsschauplatz werden zu lassen.“ In: BayKA, HS 2288: Hellingrath, S. 357. 103 „Kommandierender General bayr. 2 AK und 12 Offz des Stabes eintreffen Muenchen 30.10. vorm. 8.40, erbitten Kraftwagen.“ In: BayKA, MKr 1833: Telegramm Kraffts (Nr. 278316), aufgegeben in Köln am 29.10.1918 um 11.45 Uhr. 104 BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1356.

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J. Grenzschutz Süd – Die Besetzung Tirols durch bayerische Truppen

Dies sollte und musste weitestgehend vermieden werden. Die politisch labilen Verhältnisse hätten dies aus Sicht der Militärs sicher nicht mitgemacht. Im Kapitel Vorkriegserfahrungen wurde bereits die Meinung des militärischen ‚Schwergewichtes‘ Friedrichs des Großen zur Verteidigung in den Ebenen wiedergegeben, der vorschlug, die Ebenen – auch wenn sie sich im Besitz des verteidigenden Staates befänden und man somit den Krieg in die Heimat hineinließe – als Kriegsschauplatz zu wählen. Eine Einschränkung ließ Friedrich bei der Gebirgsverteidigung gelten: „In einem gebirgigen Lande macht Ihr die Gebirge zur Operationsbasis, besetzt die Hauptpässe mit Detachements und stellt euch auf der feindlichen Seite auf, um diese Linie zu halten. Denn man verteidigt gar nichts, wenn man sich hinter einen Fluß oder hinter ein Gebirge stellt, sondern nur, wenn man davor bleibt.“106 Vielleicht sahen sich die Militärs um Krafft von Dellmensingen auch von solchen Worten beeinflusst. Natürlich war es insofern nicht ideal, als dass man sich 1918 nicht am Abfall der Alpen in die Venetianische Tiefebene postierte, sondern ‚nur‘ südlich des Brenners vom Jaufenpass über Franzensfeste und im östlichen Anschluss daran sogar in einer noch weiter nördlich gelegenen Linie. Hauptmotivation war aber sicher, den Krieg nicht auf heimatlichen Boden vordringen zu lassen. Krafft nannte unterschwellig noch einen anderen Grund. Zunächst suchte man der Heeresleitung klar zu machen, dass die bayerische Grenze viel leichter in Tirol als unmittelbar am bayerischen Alpenkamm verteidigt werden könne, wenn sich das politisch möglich machen lasse. „Das wäre zudem von hoher politischer Bedeutung für den Anschluß der deutschen Teile Österreichs an das Deutsche Reich im Falle daß Österreich-Ungarn zerfiele. Darüber kann nur die Heeresleitung entscheiden. Vorderhand ist unseren Truppen jedes Überschreiten der Grenze verboten.“107 Krafft berücksichtigte also auch die politische Dimension. Falls Österreich kollabieren sollte bestünde für Tirol ein erleichterter Zugang zum Deutschen Reich oder/und zu Bayern. Wenn sich demnach deutsche Truppen bereits auf Tiroler Boden befänden, könnten eventuelle Anschlussbestrebungen Tirols an das Reich unterstützt werden. In den letzten Oktobertagen kam Bewegung in die Organisation der Verteidigung. Am 29. Oktober wurde im Kriegsministerium und in den relevanten Stellen des Armeekorps ein Zirkular verbreitet, wonach während der Zeit der Vorbereitung des Grenzschutzes – wofür allgemein das Stichwort Deutschland zu gebrauchen war – es notwendig wäre, dass sämtliche Dienststellen (wie etwa Feldzeugmeisterei, Intendanturen, Proviantämter et 105

BayKA, Generalstab 1026: Generalstabsreise 1914 – Kriegslage und erste Bearbeitungen, Akt V. 106 Volz, Werke Friedrichs des Großen. Erster Teil, 1916, S. 284. 107 BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1359.

III. Das II. bayerische Armeekorps

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cetera) trotz der eingeführten Arbeitszeiten auch bis zum Abend jederzeit erreichbar sein müssten. Definitiv ‚auf die Beine gestellt‘ wurde der Grenzschutz mit dem Erlass des Kriegsministeriums vom 30. Oktober 1918 (Nr. 276677 A/18).108 Damit wurden sowohl der Grenzschutz Süd als auch der Grenzschutz Ost geregelt. Die Aktivitäten des Grenzschutzes Ost, also gegen die neugegründete Tschechoslowakei, entwickelten sich aber erst zu einem späteren Zeitpunkt und sind für den alpinen Schauplatz nicht von Bedeutung. Zuständig für die Süd- und Ostgrenze war mit diesem Befehl endgültig das Generalkommando des II. bayerischen Armeekommandos, dem je ein Grenzschutzkommandeur Süd und Ost unterstellt wurden. Getrennt wurden die Bereiche durch die Donau. Grenzschutzkommandeur Süd mit Sitz in München war Oberst Wilhelm Kaiser, der ehemalige Generalstabschef des II. bayerischen Armeekorps. Sein Vorgesetzter, General Krafft von Dellmensingen, urteilte über ihn, nach einem Treffen am 31. Oktober: „Er macht mir auch einen recht verbrauchten Eindruck.“109 Seine Aufgaben als Grenzschutzkommandeur umfassten: die Organisation des Grenzschutzes im Abschnitt, die Verteilung der Truppen auf die Unterabschnitte, die Regelung der Transporte, die Vorbereitungen für den späteren Einsatz weiterer Kräfte und schließlich war er Sammelstelle für alle Meldungen und Nachrichten. Damit waren vor allem Nachrichten im Sinne aufklärerischer Tätigkeit in Tirol gemeint. Der Kommandeur war für folgende Grenzschutzkommandos zuständig:110 Grenzschutzabschnitt

I

II

III

IV

V

Grenzschutzkommando

Kempten

Murnau

Rosenheim

Traunstein

Pfarrkirchen

Kommandeur OTL Hoderlein

Major Finsterer

Oberst von Hößlin111

OTL Schaaf

Major von Reitz

Grenzschutz- Lindau unterabschnitt Lindenberg

Garmisch

Miesbach

Übersee

Simbach

Immenstadt

Lenggries

Pfronten

Berchtesgaden Brannenburg

Freilassing

Pocking

108 BayKA, MKr 1774/1: Bay. Kriegsministerium betreff Grenzschutz, Nr. 276677 A/18, München am 30.10.1918. 109 BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1360. 110 Folgende Tabelle des Verfassers entstand aus: BayKA, MKr 1774/1: Kriegsministerium Nr. 276677 A/18. Und: BayKA, MKr 1774/1: Faszikel 28.10.1918. 111 War zum Zeitpunkt des Einsatzes erkrankt, an seiner Stelle sprang Major von Schintling ein. Vgl.: BayKA, MKr 1774/2: Einteilung der Stäbe.

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J. Grenzschutz Süd – Die Besetzung Tirols durch bayerische Truppen

Diesen Grenzschutzkommandos wurde der bisherige, rein polizeiliche Grenzschutz unterstellt. Die Aufsichtsoffiziere dieser Grenzschutzposten waren besonders gute Kenner ihrer Abschnitte und sollten daher bei der Verteilung der Truppen behilflich sein. Das Überschreiten der Grenze war zu diesem Zeittpunkt noch strengstens verboten. Die Aufgaben des Grenzschutzes waren in einem ergänzenden Erlass ‚Allgemeine Anweisungen für den Grenzschutz an der bayerischen Süd- und Ost-Grenze‘ geregelt.112 Der Grenzschutz sollte Sorge tragen für: • Überwachung des Grenzverkehrs • Verhinderung feindlicher Spionage und Agententätigkeit • Einziehung von Nachrichten über den Feind • Verhinderung eines feindlichen Einmarsches • Deckung des Aufmarsches der zur Feindabwehr ankommenden eigenen Truppen inklusiver genauer Orientierung dieser Schwärme • Sicherung der Eisenbahnen, Telegraphenlinien, Kunstbauten et cetera im Grenzgebiet • Vermeidung, dass militärisch wichtige Objekte und Vorräte unzerstört in Feindeshand fallen (darunter Brücken, Eisenbahnmaterial, Kassen, größere Lebensmittelvorräte, Viehherden et cetera) Die ‚Allgemeinen Anweisungen für den Grenzschutz‘ sollten auch für die später erfolgte südliche Verlegung auf Tiroler Gebiet grundlegend sein, deshalb hier noch einige Worte zum Inhalt. Die Aufstellung der Truppen im jeweiligen Abschnitt richtete sich nach den örtlichen Verhältnissen und nach allgemeinen militärischen Regeln, die in den Anweisungen nochmals kurz skizziert wurden. Demnach war maßgebend für die Lage der Stellungen: eine gute Übersicht und entsprechende Deckung für Posten und Patrouillen; ein günstiger und mit wenig Kräften zu verteidigender Geländeabschnitt; das Vorhandensein eines Nachrichtennetzes, um rascheste Nachrichtenverbindung zu gewährleisten und die Möglichkeit schneller Verschiebung von Truppen und Reserven. Weniger wichtige Grenzstrecken sollten nur schwach besetzt, eventuell sogar nur beobachtet werden. Stattdessen sollte man die Kräfte an entscheidenden Punkten zusammenhalten und immer Reserven bereit halten, um einen überraschend durchgebrochenen Feind zurückwerfen zu können.113 Obwohl ausgebildete und kampferfahrene Soldaten mit der Aktion betraut wurden, gab das Kriegsministerium auch taktische Tips. Diese sind in112 BayKA, MKr 1833: Beilage zu K.M.E. Nr. 276677 A/18 ‚Allgemeine Anweisungen für den Grenzschutz an der bayerischen Süd- und Ost-Grenze‘ vom 30.10.1918.

III. Das II. bayerische Armeekorps

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sofern interessant, als sie die Erfahrungen des Gebirgskrieges – stark simplifiziert – aufgriffen: „Die Abschnitte im Grenzgebirge und an den Grenzflüssen sind für die Verteidigung im kleinen besonders günstig, wenn richtig ausgenützt. Ausser Tal, auch anschliessende Höhen besetzen. Wer Höhen hat, hat auch das Tal. Selbst höchste Berge für unternehmende Abteilungen kein Hindernis. Engnisse ermöglichen dauernde Sperrung auch durch kleinste Abteilungen, wenn eigene Waffenwirkung möglich, dem Feind dagegen Entwicklungsmöglichkeit fehlt. Günstig, wenn eigene Artillerie gut wirken, feindliche dagegen ausgeschaltet sein kann. Flankierende Feuerwirkung besonders durch Maschinengewehre sehr vorteilhaft. Hindernisse – im eigenen wirksamen Feuer liegende – müssen überall, wo nur möglich, geschaffen werden (Straßensperren und -zerstörungen an Steilhängen usw. wo Ausweichen nicht möglich, Steinbatterien u. ähnl.)“114

Auf heute archaisch anmutende Hilfsmittel sollten sich die Truppen bei der Nachrichtenübermittlung stützen. Zunächst sollten sie sich über das zivile Telefonleitungsnetz in ihrem Abschnitt kundig machen, ohne sich darauf aufschalten zu dürfen. Also mussten sie eigene Leitungen verlegen. Diese Fernsprecheinrichtungen sollten ergänzt werden durch Blinker, Feuerzeichen, Brieftauben, Relaisstationen, Glockenzeichen, Radfahrer, Skifahrer, Meldeläufer, Flaschenpost [!] und Leuchtpistolensignale.115 Nach Klärung der Aufgaben und der Organisationsstruktur des Grenzschutzes stellte sich noch die Frage der zugeteilten Truppen. General Krafft von Dellmensingen sollte außer dem in Bayern aufgebotenen Grenzschutz, der sich erst aus Ersatz- und Landsturmtruppen herausbilden musste, zunächst zwei Divisionen Feldtruppen erhalten. Die in Würzburg beheimatete 4. bayerische Infanteriedivision war bereits im Anrollen. Da sie eben erst – nach harten Einsätzen bei Bouzier – zur Disziplinierung an einen ruhigen Frontabschnitt östlich von Metz geschickt werden sollte, konnte es Krafft nicht entgehen, dass die Division sehr abgekämpft und ganz miserabler Stimmung war. „Mit der sei vorläufig nichts anzufangen.“116 Der Kommandeur, Prinz Franz von Bayern, der dritte Königssohn, hatte sich zum wiederholten Male krank gemeldet. Die ‚Chemie‘ zwischen ihm und Krafft 113 Vgl.: BayKA, MKr 1833: Beilage zu K.M.E. Nr. 276677 A/18 ‚Allgemeine Anweisungen für den Grenzschutz an der bayerischen Süd- und Ost-Grenze‘ vom 30.10.1918. 114 BayKA, MKr 1833: Beilage zu K.M.E. Nr. 276677 A/18 Allgemeine Anweisungen. 115 Vgl.: BayKA, MKr 1833: Beilage zu K.M.E. Nr. 276677 A/18 Allgemeine Anweisungen. 116 BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1358.

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J. Grenzschutz Süd – Die Besetzung Tirols durch bayerische Truppen

stimmte in keiner Weise. Von den Offizieren des Divisionsstabes, die die Verlegung wohl schon für eine Demobilisierungsmaßnahme gehalten hatten, hatte es keiner für nötig befunden, Kontakt zum Kriegsministerium aufzunehmen, was Krafft zu der Bemerkung veranlasste: „Vom Divisionsstab haben wir noch nichts gehört. Es ist unbegreiflich, daß dieser niemand vorausgeschickt hat. Man sollte meinen, die Division wäre noch gar nie verschoben worden.“117 Trotzdem wurde die abgekämpfte Division nach Rosenheim, dem Versammlungsort des Grenzschutzes, instradiert. Bis zum 1. November waren von der gesamten 4. bayerischen Infanteriedivision das 9. Infanterieregiment (genannt „Wrede“ – Standort Würzburg), fünf Artillerie Batterien und zur Auffüllung der Division das bayerische Reserve Infanterieregiment Nr. 4 in Rosenheim eingetroffen. Um die Division komplett zu machen, standen noch aus: Das 2. Feldartillerieregiment „Horn“ mit Standort Würzburg, das 4. Infanterieregiment „König Wilhelm von Württemberg“ mit Standort Metz und das 5. Infanterieregiment „Großherzog Ernst Ludwig von Hessen“ aus Bamberg. Als zweiter Großverband neben der 4. Infanteriedivision sollte das Krafft so vertraute und von ihm geliebte Deutsche Alpenkorps zugeteilt werden. Krafft hierzu: „Als zweite Division ist das Alpenkorps vorgesehen, das sicherlich noch in einem besseren Zustand ist und mit dem ich, als sein alter Führer, am ehesten noch etwas unternehmen könnte.“118 Die Aussichten, das Alpenkorps rechtzeitig bei der Hand zu haben, standen schlecht. Es war Anfang Oktober 1918 an die serbisch-mazedonische Front geschickt worden, um den Ausfall der Bulgaren zu kompensieren.119 Ein baldiger Rücktransport durch Ungarn war völlig ungewiss. Zudem hatte man auch gar keine Verbindung mit dem Alpenkorps. Der Grenzschutz setzte sich schließlich neben der 4. bayerischen Infanteriedivision aus 32 Infanteriebataillonen, 13 Maschinengewehrkompanien, 12 Zügen Kavallerie, zehn leichten und acht schweren Batterien, 13 Pionierkompanien und sieben Minenwerferkompanien, alles in allem circa 20.000 Mann zusammen.120 Für die Fernaufklärung über dem Hochgebirge waren 15 Flugzeuge von der DOHL zugesagt worden.121 Sie mussten erst auf die Flugplätze nach Fürth und Schleißheim transportiert werden und kamen letztlich nicht mehr zum Einsatz. 117 118 119 120

BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1366. BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1358. Vgl.: Kaltenegger, Alpenkorps 1995, S. 281 ff. Vgl.: Bay. Kriegsarchiv, Die Bayern im Großen Kriege, 1923, S. 578, Fuß-

note. 121 BayKA, MKr 1774/1: Zusage der Obersten Heeresleitung (Kogenluft) Nr: O. H. L.Ic 104227 op/1018 für 6 C- und 9 D-Flugzeuge für Fea Schleißheim, 6 C-Flugzeuge für Fea Fürth.

III. Das II. bayerische Armeekorps

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Am 31. Oktober wurde General Krafft aktiv. Er legte seine Verteidigungsstrategie direkt der Obersten Heeresleitung vor. Dieser Akt der Insubordination richtete sich gegen seinen Kriegsminister Hellingrath. Dieser pochte gegenüber Tirol auf einen rein defensiven Einsatz, da seiner Ansicht nach den Deutschen der Rückhalt durch K. u. k. Verbände fehle. Aus diesem Grunde hatte der bayerische Kriegsminister beschlossen, die vorgesehenen Verbände entlang der bayerisch-österreichischen Grenze zu dislozieren. Wie gezeigt wurde war Hellingrath dabei völlig auf sich allein gestellt, da vom Großen Hauptquartier (noch) keinerlei Anweisungen vorlagen. Krafft war mit der Entscheidung Hellingraths nicht einverstanden und versuchte, auf eigene Faust – hinter dem Rücken seines Kriegsministers – eine Verlegung des Grenzschutzes nach Tirol zu erreichen. Krafft stellte in seiner Eigenschaft als Chef des II. bayerischen Armeekorps deshalb bei der DOHL folgenden Antrag: „Wirksamer Schutz an bay. Südgrenze erfordert fast durchweg insbes.[ondere] bei Reutte, Scharnitz, Achenseestrasse und im Inntale Vorgehen auf österr. Gebiet. Grenzschutz wäre deshalb von vornherein zweckmässiger ganz auf österr. Gebiet vorzuschieben. Am günstigsten wird der Grenzschutz in die an der Tiroler Südgrenze seit Jahren ausgebauten Stellungen verlegt. Hinter diesen Stellungen sind noch mehrere von den Oesterreichern ausgebaute Rückhaltstellungen vorhanden. Einmarsch in Tirol würde zugleich wirksame Unterstützung der Deutsch-Oesterreicher bilden. Ob dieser militärisch höchst wünschenswerte Einmarsch z. Zt. politisch möglich ist, kann hier nicht beurteilt werden. Vorbedingung ist, dass bei den Deutsch-Oesterreichern der Wille besteht, ihr Gebiet gegen feindl. Einmarsch zu verteidigen und die Bildung verwendbarer deutsch-österr. Verbände und die Schaffung eines einheitl. Oberbefehls in den deutsch-österr. Alpenländern. Rascheste Klärung dieser Frage ist dringend notwendig [. . .].“122

Wie sich in diesem Zitat zeigt, waren für Krafft weniger militärische Überlegungen das Ziel einer solchen Aktion. Natürlich war eine Verteidigung der eigenen Heimat aussichtsreicher in den Gebirgen Tirols zu organisieren, besonders wenn nur unzureichende Mengen an Soldaten dafür abgestellt werden konnten. Vielmehr wollte Krafft in dieser Situation die Voraussetzungen für einen Anschluss Deutsch-Österreichs an das Deutsche Reich schaffen. Kraffts Motive für sein eigenwilliges, fast schon meuterndes Verhalten waren demnach ausschließlich „[. . .] ‚vaterländischer‘ Natur; keinesfalls hegte er eigene Machtgelüste“ wie sein Biograph Thomas Müller konstatierte.123 Die Zugeständnisse an Krafft aus dem Hauptquartier in Spa blieben aus, und nachdem sich die Nachrichten häuften, dass Restöster122 BayKA, MKr 1833: Abschrift Antrag des II. bay. A.K. vom 31.10.1918, in Kopie des KM (Nr. 280208). 123 Müller, Krafft, 2002, S. 462.

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J. Grenzschutz Süd – Die Besetzung Tirols durch bayerische Truppen

reich sich zunehmend der Staatsform einer Republik zuwenden würde, ließ Krafft seine ohnehin nur halbherzig verfolgten Ziele fürs erste fallen. Inzwischen spitzte sich die Lage in Südtirol immer weiter zu. Nachrichten, die dem Kriegsministerium am letzten Oktobertag von glaubwürdiger Seite zugegangen waren (wie es in den Aktenstücken immer heißt), besagten, dass man in Tirol ein baldiges Zurückfluten der Südfront befürchtete.124 Die Furcht vor der Soldateska, besonders vor den Kroaten, griff stark um sich. In Kärnten und Südtirol flüchte, laut dem Informanten, bereits die Zivilbevölkerung und versuche, ihr Eigentum in Sicherheit zu bringen. Österreichische Offiziere würden beurlaubt, um ihr bewegliches Mobiliar in Südtirol zu retten. Selbst auf die rein deutschen Regimenter war nicht mehr uneingeschränkt Verlass. Am 27. Oktober abends, so der Informant, sollte in Trient ein Bataillon des Infanterieregiments 14, des Linzer Hausregiments (der so genannten Hessen) zum Abtransport in das Suganertal verladen werden. „Die Mannschaften widersetzten sich, koppelten die Wagen ab und mussten schließlich in die Kaserne zurückgeführt werden.“125 Ebenso alarmierend war eine Meldung aus dem Umfeld General von Cramons in Wien. Einer seiner Ordonanzoffiziere meldete über den bayerischen Hauptmann Arendts an das Kriegsministerium zunächst Positives: „An der Front geht es besser als man dachte, da der Feind nur zögernd folgt. Man scheint den größten Teil der Divisionen in rückwärtigen Stellungen fortbekommen zu haben. Soweit bisher bekannt, haben die Divisionen ihre gesamte Artillerie mit Ausnahme bei rechtem Flügel der 6. Armee, wo sie im Schlamm stecken blieb, mit zurückgebracht. Die Truppe an der Front schlägt sich weiter gut, macht Gegenangriffe und schlägt Angriffe des Feindes ab.“126 Dann kam er aber auf die Schattenseiten zu sprechen: „Schweinereien sind bisher nur bei den Eingreifdivisionen und rückwärtigen Truppenteilen vorgekommen. Hier mehren sich die Gehorsamsverweigerungen und Meutereien, Truppen werfen ihre Waffen weg und laufen nachhause. 124 Vgl.: BayKA, MKr 1774/1: Faszikel 31.10.1918, Kriegsministerium Armeeabteilung. 125 BayKA, MKr 1774/1: Faszikel 31.10.1918, Kriegsministerium Armeeabteilung. Diese Episode nimmt in den Erinnerungsbüchern beziehungsweise der Regimentsgeschichte der Hessen – erwartungsgemäß – keinen großen Raum ein. Vgl.: o. V.: Infanterieregiment (IR) 14. Ein Buch der Erinnerung an Große Zeiten 1914–1918, Linz 1919. Auch: Ehnl, Maximilian: Das X. Bataillon des K. u. k. Infanterie-Regiments Ernst Ludwig Grossherzog von Hessen und bei Rhein Nr. 14 im Weltkrieg, Linz 1932. Ebenso: Sauer, Heinrich: Linzer Hessen 1733–1936, Linz 1936. Auch: Strassmayr, Eduard: Das Hessenregiment. Aus der Geschichte des Infanterie-Regimentes Nr. 14, Linz 1933. 126 BayKA, MKr 1774/1: Auszug Fernschreibergespräch am 31.10.1918, 09.45 Uhr, Hptm. von Steuben in Baden bei Wien an Hptm. Arendts des bay. KM.

IV. Die politische Ebene – Tiroler Nationalrat und Chaos in Tirol

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Wieweit sie bisher gekommen sind ist noch nicht bekannt.“127 Noch drastischer formulierte es der deutsche Nachrichtenoffizier Kliewer, der dem Heeresgruppenkommando FM Conrad zugeteilt war. Aus seiner Aussage spricht der damalige Kenntnisstand der deutschen Obersten Heeresleitung: „Auf jeden Fall muss mit der Möglichkeit und den Folgen eines Zusammenbruchs der Tiroler Front von jetzt ab gerechnet werden.“128 Augenblicklich blieben die Insubordinatinen und Desertionen noch lokalisierbar, aber sie sollten sich nur allzu bald mit exponentieller Geschwindigkeit vermehren und in pandemischen Ausmaßen um sich greifen.

IV. Die politische Ebene – Tiroler Nationalrat und Chaos in Tirol Der Zusammenbruch der Donaumonarchie war mit dem Völkermanifest durch Kaiser Karl am 16. Oktober 1918 nicht mehr aufzuhalten.129 Das Manifest hatte vorgesehen, zur Lösung des Nationalitätenkonflikts in der Donaumonarchie die österreichische Reichshälfte in einen Bundesstaat umzuwandeln.130 Dieser viel zu spät verkündete Schritt führte auch in Tirol zur Schaffung neuer, verfassungsmäßiger Organe. Am 21. Oktober 1918 konstituierte sich die Provisorische Nationalversammlung Deutsch-Österreichs im Niederösterreichischen Landhaus in Wien. Am 26. Oktober 1918 konstituierte sich eine Tiroler Nationalversammlung, der die Angehörigen des 1914 gewählten Tiroler Landtages sowie die Abgeordneten zum Reichsrat in Wien – jeweils nur jene deutschsprachiger Herkunft – angehörten. In seiner ersten und einzigen Sitzung installierte dieses Gremium einen Vollzugsausschuss, der als oberste Autorität diente und den Namen Tiroler Nationalrat führte. Deutschnationale, Sozialdemokraten und Tiroler Volkspartei (letztere mit absoluter Mehrheit) waren darin vertreten.131 127 BayKA, MKr 1774/1: Auszug Fernschreibergespräch am 31.10.1918, 09.45 Uhr, Hptm. von Steuben in Baden bei Wien an Hptm. Arendts des bay. KM. 128 BA-MA, PH 3 Nr. 72: Kliewer an den Chef des Gst. des Feldheeres/Abt. IIIb (Bericht Nr. 2167) vom 26.10.1918. 129 Wichtige Überblicksdarstellungen zum Untergang des Habsburgerreiches (in Auswahl): Jedlicka, Ludwig: Ende und Anfang. Österreich 1918/19 (Politik konkret), Salzburg 1969. Ein frühes Werk voller Detailreichtum: Sieghart, Rudolf: Die letzten Jahrzehnte einer Großmacht. Menschen, Völker, Probleme des HabsburgerReichs, Berlin 1932. Auch: Zeman, Zbynìk A.: Der Zusammenbruch des Habsburgerreiches 1914–1918, München/Wien 1963. 130 Vgl.: Rumpler, Helmut: Das Völkermanifest Kaiser Karls vom 16. Oktober 1918. Letzter Versuch zur Rettung des Habsburgerreiches (Österreich Archiv), Wien 1966. 131 Vgl. Fontana, Josef et al.: Das Bundesland Tirol 1918 bis 1970 (Geschichte des Landes Tirol, Bd. 4/II), Bozen/Innsbruck/Wien 1987, S. 777 ff.

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J. Grenzschutz Süd – Die Besetzung Tirols durch bayerische Truppen

Der österreichisch-ungarische Gesandte in München legitimierte den Deutsch-Österreichischen Nationalrat und den Tiroler Nationalrat gegenüber dem deutschen Auswärtigen Amt durch eine Mitteilung am 1. November, in der er zusicherte, dass die beiden Organisationen die Exekutivgewalt in ihrem jeweiligen Rahmen inne hätten. Das hieß, dass der Tiroler Nationalrat als Vollzugsorgan des deutschösterreichischen Staatsrates – also der deutschösterreichischen Regierung in Wien – die gesamte Zivil- und Militärgewalt in Deutschtirol übernommen hatte. Zugleich wurde Berlin darüber informiert, dass in das Pustertal bereits zwei von der Front zurückkehrende österreichische Divisionen – wohlgemerkt ungenannter Nationalität – „[. . .] bandenmäßig eingedrungen“ seien und die Verbindung zwischen Innsbruck und dem Pustertal nun unterbrochen sei. Am 2. November meldete das Ministerium des Äußern in Wien an die K. u. k. Gesandtschaft in München Genaueres zur Lage und zur neuen Staatsorganisation. Der deutschösterreichische Nationalrat in Wien sei allein berechtigt, im Namen Deutsch-Österreichs zu sprechen. Die kaiserlich-königliche Verwaltung in Deutsch-Österreich – also auch in Tirol – wurde an den deutschösterreichischen Nationalrat abgetreten. Inwiefern dieser jedoch Kompetenzen an den Tiroler Nationalrat weitergegeben habe, war selbst dem Außenministerium nicht genau bekannt. Faktum war jedoch, dass die „[. . .] K. k. Regierung in Tirol keine amtlichen Funktionen mehr ausübt.“132 Die Kaiserlich-österreichische Regierungsgewalt hatte in Tirol aufgehört zu bestehen. Bezüglich der befürchteten Plünderungen und ‚Brandschatzungen‘ gab das Ministerium, bis zu diesem Zeitpunkt jedenfalls, Entwarnung. „Große Plünderungen [. . .]“ seien dem AOK nicht bekannt geworden.133 Lediglich aus Toblach im Pustertal gab es Nachricht über Ausschreitungen „[. . .] eines bosnisch-herzegowinischen Bataillons [. . .], welches gefangen und abgerüstet werden soll.“134 Über den Erfolg dieser Abrüstung wurde weiter nichts vermeldet. Bei Brixen hatten zurückkehrende Truppen angeblich einige Bauern zur Abgabe von Lebensmitteln gezwungen. Diese Meldungen wurden durch ein unerwartetes Eingeständnis der Ministerialen ergänzt: „Es ist nicht anzunehmen, daß sich ausschließlich nicht-deutsche Truppen an diesen Aktionen beteiligt haben.“135 Es wurde also in Wien erwartet, dass 132 PAA, R 20155: Telefondepesche aus Wien, K. u. k. Ministerium des Äußern an K. u. k. Gesandtschaft in München, am 02.11.1918. Schriftwechsel der darauf folgenden Tage wurden aber meist die Briefköpfe und damit die Bezeichnungen K. u. k sowie K. k. weitergeführt. 133 PAA, R 20155: Telefondepesche aus Wien, K. u. k. Ministerium des Äußern an K. u. k. Gesandtschaft in München, am 02.11.1918. 134 PAA, R 20155: Telefondepesche aus Wien, K. u. k. Ministerium des Äußern an K. u. k. Gesandtschaft in München, am 02.11.1918.

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nicht nur Ungarn, Tschechen und andere Nationalitäten auf ihrem Rückmarsch Requirierungen und Plünderungen durchführen würden, sondern auch Soldaten deutscher Zunge. Aus dieser relativ entspannten Lage heraus, aus der „[. . .] eine Gefährdung des Tiroler Hinterlandes in größerem Maßstabe nicht gefolgert werden kann, erschiene dem k. und k. Ministerium des Äußern im Einvernehmen mit dem k. k. Ministerpräsidium und dem ArmeeOberkommando die Entsendung von bayerischen Truppen nach Tirol derzeit nicht opportun, zumal die Situation in Tirol in erster Linie durch eine Verbesserung der Ernährungslage zu stützen wäre.“136 Man muss allerdings bedenken, wie stark eingeschränkt der Informationsfluss in diesen chaotischen Tagen war. Nachrichtenverbindungen waren nur schwer aufrecht zu erhalten. Die bisherigen Strukturen brachen auseinander, wenige kümmerten sich um den Staat und vielmehr um sich selbst. Um die Entscheidungen besser zu verstehen, die in den ersten Novembertagen vom Tiroler Nationalrat getroffen wurden und die auch für den bayerischen Grenzschutz bestimmend waren, muss man zunächst die Situation in Tirol betrachten.137 Sie kommt am besten in den Protokollen des Nationalrates zum Ausdruck. Hier spiegeln sich die Bedenken und Ängste der Bevölkerung in den Diskussionsbeiträgen der Abgeordneten wider. Eine Grundpflicht des Landes Tirol sei, und da waren sich alle Parteien einig, „[. . .] alle Mittel zu ergreifen, um eine Abtrennung eines Teiles des Landes und insbesonders deutschen und ladinischen Gebietes an Italien zu verhindern.“138 Ein Punkt, der später für enormen Zündstoff sorgen sollte. Noch wichtiger und vor allem akuter war allerdings die Sorge der DeutschTiroler über ihre Sicherheitslage. Es bestehe schließlich die Gefahr, „[. . .] daß als Folge der politischen Verhältnisse die Front abgebröckelt werde und daß sich Banden vom Heere ablösen, die zu einer Landplage entsetzlichster Art ausarten können.“139 Abhilfe versprach man sich – in diesem frühen 135 PAA, R 20155: Telefondepesche aus Wien, K. u. k. Ministerium des Äußern an K. u. k. Gesandtschaft in München, am 02.11.1918. 136 PAA, R 20155: Telefondepesche aus Wien, K. u. k. Ministerium des Äußern an K. u. k. Gesandtschaft in München, am 02.11.1918. 137 Speziell für Innsbruck als politisches Zentrum eignet sich die Veröffentlichung von Franz-Heinz Hye: Innsbruck im Spannungsfeld der Politik: 1918–1938. Berichte – Bilder — Dokumente, (Veröffentlichungen des Innsbrucker Stadtarchivs, Neue Folge Bd. 16/17), Innsbruck 1991. 138 TLA, Gruppe: Tiroler Landschaft und Tiroler Landtag, Band HS. 46: Protokolle der Tiroler Nationalversammlung und des Tiroler Nationalrates vom 20. Oktober bis 16. Dezember 1918. Hier: Protokoll über die Beratung deutschtirolerischer Reichsrats- und Landtagsabgeorneter zwecks Konstituierung der Landesversammlung für Deutschtirol im Landhause zu Innsbruck, am 26.10.1918. 139 TLA, Gruppe: Tiroler Landschaft und Tiroler Landtag, Band HS. 46: ibid.

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J. Grenzschutz Süd – Die Besetzung Tirols durch bayerische Truppen

Stadium am 26. Oktober – dadurch, an die Militärverwaltung heranzutreten, die dem Rückfluten der Truppen besondere Aufmerksamkeit zuwenden sollte. Durch die jüngsten politischen Ereignisse waren nun auch Entwicklungsmöglichkeiten für Tirol geboten. Ein Selbstbestimmungsrecht für Tirol stand zur Debatte. Eine Chance sahen einige der Abgeordneten in einer selbstständigen Bauernrepublik, die sich an die Schweiz um Hilfe in der Not wenden könnte. Dieser Vorschlag wurde aber von den meisten nicht gebilligt. In erster Linie sei man deutsch und zugehörig zur deutschen Nation. „Unter großen Mühen habe man es zustande gebracht, ein Deutschösterreich zu schaffen. Was würde es für einen Eindruck machen, wenn man jetzt in der Stunde der Not abfallen würde. Man würde die Tiroler als Verräter betrachten.“140 Die Bildung eines politisch eigenständigen Tirols war damit vorläufig vom Tisch. Der Nationalrat beschloss einhellig folgende Resolution in seiner ersten Sitzung: „Vermöge seiner geographischen Lage und politischen Verhältnisse ist von allen deutsch-österreichischen Ländern Tirol am nächsten und gefährlichsten bedroht, wie auch am meisten der Gefahr einer Zerstückelung oder gewaltsamen Abtrennung deutscher oder ladinischer Gebiete durch Italien ausgesetzt. Der Tiroler-Nationalrat stellt daher das Begehren, daß in allen das Schicksal Tirols berührenden Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen oder auch Vorbesprechungen eine besondere Vertretung Tirols beigezogen werde, zumal die in Betracht kommenden Einzelverhältnisse, z. B. bezüglich der künftigen Grenzgestaltung gegen Italien, weder auf Seite unserer Gegner noch in den eigenen entscheidenden Kreisen zur Genüge bekannt wird.“141

Eines der großen Probleme war neben der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung der Ernährungs- und Versorgungsmangel. Der Ernährungsrat wollte in erster Linie zur Erleichterung der Lebensmittelnot alle NichtLandesangehörigen ‚los werden‘. Dazu gehörten die Flüchtlinge sowie die zahlreichen zu Besuch im Lande weilenden Personen. Diese versuchten konsequent, direkt bei den Landwirten, Lebensmittel zu ergattern. Auch italienische und serbische Kriegsgefangene gehörten zu den ungeliebten Personen und wurden mit Beschluss vom 31. Oktober aus dem Lande entfernt.142 Mit der Konstituierung der neuen deutschösterreichischen Regierung schien auch frischer Wind in die Tiroler Landesverteidigung zu kommen. Es war beabsichtigt, zunächst ein militärisches Hinterlandskommando zu 140

TLA, Gruppe: Tiroler Landschaft und Tiroler Landtag, Band HS. 46: ibid. TLA, Gruppe: Tiroler Landschaft und Tiroler Landtag, Band HS. 46: Sitzung am 26.10.1918. 142 TLA, Gruppe: Tiroler Landschaft und Tiroler Landtag, Umschlag: Beschlüsse der „Tiroler Nationalversammlung“ vom 26. Oktober 1918 und des „Tiroler Nationalrates“ vom 31. Oktober bis 16. Dezember 1918. 141

IV. Die politische Ebene – Tiroler Nationalrat und Chaos in Tirol

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bilden, welches die von der Front zurückkehrenden deutschen Truppen sammeln sollte. General von Cramon hatte bei der DOHL beantragt, dass die deutsche Mission in Wien zu einem späteren Zeitpunkt zu diesem Hinterlandskommando hinzutrete, so dass die DOHL stets auf dem Laufenden gehalten werden könne.143 Die militärische Kommandogewalt im Lande Tirol ruhte durch einen gesetzlichen Akt der Landesregierung, also des Nationalrates für Tirol vom 31. Oktober 1918, ausschließlich in der Hand des dieser Regierung beigeordneten Wehrausschusses.144 Dieser distanzierte sich zunehmend von den alten Strukturen des Kaiserreiches. Der Staat Deutschösterreich, als dessen Bestandteil sich Tirol empfand, galt als neuer Souverän. Diese Souveränität wollte man wahren, indem man nur solchen Kommanden und Truppen den Aufenthalt in deutschösterreichischen Landen gestattete, welche vorher den Treueid auf den Staat Deutschösterreich geleistet hätten und die militärische Kommandogewalt des Wehrausschusses des Tiroler Nationalrates bedingungslos anerkennen würden. Die Folge war: „Für k. u.k., k. k. Truppen gibt es keinen Aufenthalt mehr in Deutschösterreich.“145 Die faktische Unmöglichkeit der Ernährung größerer Truppenverbände ließ den Nationalrat in Tirol beschließen, dass eine Unterbringung von Truppen im Lande Tirol unter allen Umständen zu verhindern sei. Im Protokoll warnte man, dass „[. . .] unsere heimische Bevölkerung direkt verhungern [müsste], wenn wir von der ganzen Welt abgeschnitten, unsere fruchtbarsten Gebiete durch derartige Menschenansammlungen brandschatzen ließen.“146 Folgende Maßnahme war hierfür nötig: Demobilisierung der nicht deutschen Truppen in ihren eigenen, teils neuen Staatsländern. Hierzu mussten sie sofort entwaffnet und aus Tirol entfernt werden. Überwacht werden konnte dies nur von deutschösterreichischen Truppen, die loyal zu Deutsch-Österreich und Tirol standen. Deshalb wurden alle deutschtirolischen Truppen und die Standschützen unverzüglich zurückberufen, soweit sie außer Landes waren.147 Der Abtransport staatsfremder, also nicht deutscher Truppen sollte lediglich bis zur Grenze des Staates Deutschösterreich 143 Vgl.: BayKA, MKr 1774/1: Auszug Fernschreibergespräch am 31.10.1918, 20.00 Uhr, Hptm. von Steuben in Baden bei Wien an Hptm. Arendts des bay. KM. 144 Vgl.: TLA, Gruppe: Tiroler Landschaft und Tiroler Landtag, Band HS. 46: Beilage zum Protokoll Tiroler Nationalrat, Sitzung vom 01.11.1918, 10 Uhr vorm. 145 Vgl.: TLA, Gruppe: Tiroler Landschaft und Tiroler Landtag, Band HS. 46: Beilage zum Protokoll Tiroler Nationalrat, Sitzung vom 01.11.1918, 10 Uhr vorm. 146 Vgl.: TLA, Gruppe: Tiroler Landschaft und Tiroler Landtag, Band HS. 46: Beilage zum Protokoll Tiroler Nationalrat, Sitzung vom 01.11.1918, 10 Uhr vorm. 147 Vgl.: TLA, Gruppe: Tiroler Landschaft und Tiroler Landtag, Umschlag: Beschlüsse der „Tiroler Nationalversammlung“ und des „Tiroler Nationalrates“, hier: Beschluss vom 31.10.1918.

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erfolgen, da auf Grund glaubhafter Nachrichten etwa die Tschechen „[. . .] die in ihrem Staat rollenden Bahngarnituren nicht mehr herausgeben.“148 Speziell mit den Tschechen hatte man in dieser Frage schon gesprochen. An das Militärkommando in Prag war die Bitte gestellt worden, Lebensmittel für die Verpflegung der rückflutenden Truppen aus den betreffenden Nationalstaaten zu entsenden. Aus Prag kam umgehend die Frage, wie viel Mann in Betracht kämen. Der Nationalrat kam auf eine Zahl von wenigstens 300.000 Mann, welche auf ganz Tirol von der Front bis zur Grenze verteilt seien. Unter Verwaltung tschechischer und slowakischer Abgesandter wollte man vorläufig ein Lebensmitteldepot in Innsbruck von ausreichendem Umfange anlegen. Die Abgesandten wurden daraufhin vom Militärkommando Prag erbeten, um endlich handeln zu können.149 Das Grundproblem des Tiroler Nationalrates war jedoch der Mangel an loyalen und brauchbaren Exekutivkräften. Die deutschösterreichischen Truppen waren noch an der Front, im Land waren nur geringe Gendarmeriekräfte verblieben und folglich beschloss man, von anderer Seite Hilfe zu erlangen. Der deutsche Konsul in Innsbruck, von Külmer, chiffrierte am 31. Oktober 1918 nach Berlin, dass die vorbereitende Sitzung des Volksrats von Tirol am 30.10.1918 einstimmig beschlossen habe, dass man über das Konsulat an das Deutsche Reich die Bitte richten wolle, Tirol unverzüglich mit deutschen Truppen besetzen zu lassen.150 Dies hatte er aber nur inoffiziell erfahren und bat zunächst um weitere Instruktionen. Külmer erwartete die offizielle Bitte erst nach der öffentlichen Versammlung. Der Tiroler Nationalrat hatte indessen genau dies entschieden. Telegraphisch wollte man an das Staatsamt für Heereswesen in Wien herantreten und bitten, „[. . .] dasselbe wolle sofort militärische Bundeshilfe vom Deutschen Reiche zum Schutze Tirols ansprechen.“151 Von diesem Verlangen sollte gleichzeitig das bayerische Kriegsministerium verständigt werden. So ist auch in den Unterlagen des Ministeriums in München folgende Nachricht zu finden: „Der Tiroler Nationalrat stellte an des Staatsamt für Heerwesen in Wien die dringende Bitte vom Deutschen Reiche militärische Bundeshilfe anzusuchen zum Schutze Tirols gegen Ausschreitung von der Front rückströmender Truppen nicht deutscher Zunge. Wir haben das Staatsamt für Heerwesen in Wien davon verstän148 TLA, Gruppe: Tiroler Landschaft und Tiroler Landtag, Band HS. 46: Beilage zum Protokoll Tiroler Nationalrat, Sitzung vom 01.11.1918, 10 Uhr vorm. 149 Vgl.: TLA, Gruppe: Tiroler Landschaft und Tiroler Landtag, Band HS. 46: Protokoll Tiroler Nationalrat, Sitzung vom 02.11.1918, 9 Uhr vorm. 150 PAA, R 20155: Konsul von Külmer in Innsbruck an Auswärtiges Amt (Nr. 12) am 31.10.1918. 151 TLA, Gruppe: Tiroler Landschaft und Tiroler Landtag, Umschlag: Beschlüsse der „Tiroler Nationalversammlung“ und des „Tiroler Nationalrates“, hier: Beschluss vom 31.10.1918.

IV. Die politische Ebene – Tiroler Nationalrat und Chaos in Tirol

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digt, daß wir unsere Bitte auch direkt an die K. Bayerische Regierung richten werden und bitten dringend um Hilfe in schwerer Not.“152

Unterzeichnet war der Hilferuf vom Obmann der Tiroler Nationalversammlung, Josef Schraffl. Daneben beschloss der Nationalrat auch die Besetzung der militärischen Sperrfestung in Franzensfeste, um die Durchziehenden zu entwaffnen und überwachen zu können.153 Wie sich später zeigen sollte, übernahmen bayerische Truppen kurz darauf diese Festung und teilweise auch diese Aufgabe. Geradezu ein Schock war für alle Abgeordneten im Nationalrat der Vortrag des Militärexperten Oberst Eccher. Oswald Eccher von Echo, Edler von Marienburg, war einst Kommandant der 1. Kaiserjägerbrigade gewesen und im November 1918 Chef des Militärausschusses im Nationalrat. In der Sitzung vom 4. November vormittags unterrichtete er die Politiker unter Ausschluss der Öffentlichkeit von der alarmierenden Situation. Oberst Eccher führte aus, dass die Truppen im ganzen Hinterlande in Auflösung begriffen seien. Es geschähen Gewaltakte aller Art. „Die Hunderte von Lastautomobilen, welche das Land durchziehen, sind voll Verpflegung, welche für die Truppen bestimmt ist, von den Soldaten, die sich der Automobile gewaltsam bemächtigt haben und ohne Kommando ins Land hineinfahren, jedoch am Wege verkauft werden. Die Chauffeure weigern sich jeglichen militärischen Befehl anzunehmen. Die große Masse der zurückflutenden Truppen, ungefähr 400.000 Mann könne unmöglich in geordneten Verhältnissen bis hieher [sic] gebracht und verpflegt werden. An der Front sei es ebenso wie im Hinterlande. Die Soldaten gehen, wollen nicht mehr. Diese Bewegung reiche schon herauf bis Kardaun. Zwischen Kardaun und Brenner sei noch Ruhe. Die Massen kämen aber und die Verpflegung werde nicht ausreichen. Die vorderen Horden vernichten alles. Es müsse mit allen Mitteln getrachtet werden, den Abfluß dieser Massen aus dem Etschtale zu verhüten. Die Entente könnte in einiger Zeit in der Lage sein, die Armee, wenn sie ruht, zu verpflegen. Bis dahin ([in, Anm. d. Verf.] 5–6 Tagen) könnten die Truppen von den eigenen Vorräten, Pferdeschlachtungen usw. ihr Auskommen finden. Das einzige, was helfen könnte, der Befehl von vorgesetzter Stelle, werde höchst wahrscheinlich wirkungslos sein.“154 152 BayKA, MKr 1833: Abschrift Telegramm an Bay. KM Nr. 280962A vom 31.10.1918. Ebenso zu finden in den Unterlagen der bayerischen Gesandtschaft in Wien, siehe: BayHStA, Gesandtschaft Wien, Karton 1760. 153 Vgl.: TLA, Gruppe: Tiroler Landschaft und Tiroler Landtag, Umschlag: Beschlüsse der „Tiroler Nationalversammlung“ und des „Tiroler Nationalrates“, hier: Beschluss vom 31.10.1918. 154 TLA, Gruppe: Tiroler Landschaft und Tiroler Landtag, Band HS. 46: Protokoll Tiroler Nationalrat, Sitzung vom 04.11.1918 um 9.30 vormittags.

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Trotzdem wurden in Anbetracht dieser Lage vom Heeresgruppenkommando Telegramme an das AOK und das 10. und 11. Armeekorps ausgearbeitet, in welchen um die Erlassung von Befehlen zum geordneten Abschub dringend gebeten wurde. Ein Informant des bayerischen Kriegsministeriums erfuhr in Innsbruck, dass man geplant habe, „[. . .] Reichstagsabgeordnete den z.[ur] Z.[eit] auf dem italienischen Kriegsschauplatz zurückgehenden Truppen deutscher Nationalität entgegenzusenden und auf diese einzuwirken, sich in einer bestimmten Linie zu sammeln und Widerstand zu leisten“155 Von den Politikern erhoffte man sich die nötige Autorität. Auf die Durchsetzungskraft militärischer Stellen schien man nichts mehr zu geben. Oberst Eccher berichtete dem Tiroler Nationalrat weiters, dass beabsichtigt sei sich an die Entente zu wenden mit dem kurzen aber vielsagenden Text: „Armee aufgelöst, Verhältnisse derart, daß an eine Zurückbringung der Armee nicht mehr zu denken ist.“156 Mit Automobilen und vielleicht sogar durch Flieger wollte man diese Mitteilung über die Schweiz nach Italien senden. Konkret waren die Ziele Mailand oder Verona angepeilt. Zum Problem der Zucht und Ordnung bei der Truppe bemerkte Oberst Eccher resignierend: „Trotzdem sich alle Militärverbände aufgelöst hatten und die verfügbaren Kräfte nicht annähernd ausreichen, um wenigstens die Entwaffnung der heranziehenden Horden zwangsweise durchzuführen, dürfte nichts unversucht bleiben. Es steht gegenwärtig zum abgegebenen [sic] Zwecke nur eine Kompagnie Tiroler Kaiserjäger zur Verfügung, [. . .] Geschlossene Truppen könnten und müßten wir ziehen lassen. Die Gefahr der Auflösung bestehe wohl auch nicht.“157

Oberst von Eccher schloss seinen Bericht mit der drängenden Bitte, alle verfügbaren Zug-Leergarnituren sofort nach verschiedenen Stationen nördlich des Brenners zu schicken, damit die Truppenmassen möglichst rasch auf das Land verteilt werden könnten, wo sie am ehesten Nahrung fänden. Zur Lösung der Frage des Abschubes der heranziehenden Truppen wurde Oberst von Eccher ein Mitglied des Ernährungsausschusses zugeteilt, mit dem er sich sofort an die Arbeit machte. Eine Linderung dieses Problems erhoffte sich der Vorsitzende des Nationalrates, Josef Schraffl durch Einbringung eines denkwürdigen Antrages.158 Er war der Ansicht, dass es kein anderes Mittel zur Rettung Tirols gebe, als dass ein Vertreter des Nationalrates in die Schweiz fahre, um die Entente 155 BayKA, MKr 1774/2: Bericht Nr. 40 bg, betreffend: Politisches aus Österreich, vom 03.11.1918. 156 TLA, Gruppe: Tiroler Landschaft und Tiroler Landtag, Band HS. 46: ibid. 157 TLA, Gruppe: Tiroler Landschaft und Tiroler Landtag, Band HS. 46: ibid. 158 Josef Schraffl war Bürgermeister von Sillian, Abgeordneter zum Tiroler Landtag, Präsident des Landeskulturrates und Landeshauptmann von Tirol 1918–1921.

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um Hilfe für Tirol zu bitten. Hofrat Doktor Michael Mayr wurde hierzu vom Nationalrate beauftragt und bevollmächtigt.159 Mayr wurde mit folgender Vollmacht ausgestattet: „Vollmacht. Für . . . als Vertreter des Nationalrates für Tirol in die Schweiz zu reisen und beim Bundesrate in Bern und bei den Vertretern der Ententemächte im Auftrage des Tiroler Nationalrates vorzusprechen, damit Ententetruppen zur Aufrechterhaltung der Ruhe und zum Abtransporte der Truppen ehestens Tirol besetzen, da die österr.-ung. Armee in voller Auflösung sich befindet. Besonders dringend erscheint die Verhinderung des Abmarsches der Truppen aus Südtirol, weil deren Ernährung auf dem Durchmarsch durch Nordtirol unmöglich ist. Zugleich bittet der Nationalrat die nötige Verpflegung für Truppen und Bevölkerung mit den erforderlichen Verteilungsorganen zur Verfügung zu stellen.“160

Die Vollmacht wurde unter Acclamation der Anwesenden an Hofrat Mayr übergeben, der angehalten wurde, sofort mit dem nächsten Zug in die Schweiz abzufahren. Das österreichische Generalstabswerk zitiert eine etwas abgeänderte, aber in ihren Worten noch erschütterndere Version. Diese ist im Nachlaß von Michael Mayr zu finden. Laut ‚Österreich Ungarns letzter Krieg‘ sollte der Emissär Mayr nach Bern fahren, um beim Schweizer Bundesrat die Übermittlung folgender Depesche nach Paris zu erbitten: „Das AOK., welches den Truppen in Südtirol den Befehl hatte geben müssen, sich wegen Mangels an Lebensmitteln nicht nach Norden zurückzuziehen, bittet die Ententeregierung dringend, Tirol rasch zu besetzen und für den Unterhalt der Armee und der Bevölkerung zu sorgen. Der Nationalrat schließt sich dem an, da er der Meinung ist, dies sei das einzige Mittel, die Armee und die Bevölkerung vor dem Hungertode und dem Untergange zu bewahren.“161

Die zwei zentralen Punkte, die der Mission Doktor Mayrs zu Grunde lagen waren, dass erstens die aufgelösten Truppen nicht nach Nordtirol kommen sollten oder ihre Ankunft zumindest verzögert werden sollte und dass zweitens die Entente Truppen möglichst schnell in Nordtirol einrücken soll159 Dr. Michael Mayr war Archivbeamter, Historiker, Mitglied des Tiroler Landtags, des Reichsrats und des Nationalrats. In den Jahren 1920/21 avancierte er zum österreichischen Bundeskanzler. Hierzu auch: Kuprian, Hermann J. W.: Zwischen Wissenschaft und Politik: Die politische Entwicklung Michael Mayrs von 1907 bis 1922 (zugl. Univ. Diss.), Innsbruck 1985. Ebenso: Kuprian, Hermann J. W.: Bundeskanzler Michael Mayr und Tirol. Historiker-Archivar-Politiker, in: Tiroler Heimat, Band 51/52 (1987/88), S. 110–127. 160 TLA, Gruppe: Tiroler Landschaft und Tiroler Landtag, Band HS. 46: Protokoll Tiroler Nationalrat, Sitzung vom 04.11.1918 um 9.30 vormittags. 161 Ö. U. L. K., Bd. VII, 1938, S. 761. Siehe auch das Original-Memorandum, Bern am 6. November 1918 in: TLA, Nachlaß Michael Mayr, Karton 2 (Abteilungen IV/1–IV/2).

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ten.162 Der Hintergedanke war, dass dann die Entente für die Verpflegung der Bevölkerung und der Truppen verantwortlich gemacht werden könnte. Diese Forderung kollidierte allerdings aufs schärfste mit der bayerischen Ansicht, die Grenzverteidigung bis auf Südtiroler Boden vorzuschieben. Noch schlimmer scheint die willentliche Inkaufnahme der österreichischen Verantwortlichen, dass ehemalige K. u. k Soldaten in Gefangenschaft gerieten.163 Sie sollten ‚geopfert‘ werden, weil das Heimatland Angst um seine Nahrungsmittelvorräte hatte. Im Deutschen Reich erfuhr man am 6. November von der Reise in die Schweiz. Der deutsche Botschafter Romberg erstattete Meldung an das Auswärtige Amt.164 Zu etwaigen Erfolgen Mayrs konnte er sich noch nicht äußern. Er wies lediglich darauf hin, dass die Schweizer Regierung umgehend die Gesandtschaften Englands, Frankreichs, Italiens und Amerikas in Kenntnis gesetzt habe.

V. Feder oder Schwert – Aspekte zur Responsibilität der Aktion Die Grundfrage, die sich bei der Suche nach der Verantwortung für den bayerischen Einmarsch stellt, ist, ob es eine politisch oder militärisch motivierte Aktion war. Spielten neben bayerischen Interessen eventuell auch reichsdeutsche Wünsche eine Rolle? Die Einwirkung der politischen Stellen in Wien muss ebenso betrachtet werden, in Ergänzung zur schon geschilderten Position des Tiroler Nationalrates. Der Kommandierende General Krafft von Dellmensingen notierte am 1. November, dass die Stimmung in Innsbruck seit kurzem sehr schlecht gegen die Reichsdeutschen sei. Das ganze Tal von Innsbruck bis Kitzbühel sei mit ungarischen, bis Kufstein mit tschechischen Truppen belegt. „Man freut sich über die schlechte Lage der Deutschen, will, daß der Krieg zu Ende geht und schimpft auf die Deutschen, die die Kriegsverlängerer seien. Man hat vollständig vergessen, daß Deutschland schon wiederholt den Tirolern mit Lebensmitteln ausgeholfen hat.“ Dies war ein zentrales Motiv, das 162 Dieser Umstand wurde nach dem Krieg kontrovers diskutiert. Hierzu auch: Kuprian, Hermann J. W., Wer hat die Italiener nach Nordtirol geholt? Kontroversen um die „Tiroler Außenpolitik“ zu Beginn der 1. Republik, in: Historische Blickpunkte, Innsbruck 1988, S. 356–372. 163 Hierzu auch: Schubert, Peter: Die Tätigkeit des k. u.k. Militärattachés in Bern während des Ersten Weltkriegs (Studien zur Militärgeschichte, Militärwissenschaft und Konfliktforschung, Bd. 26), Osnabrück 1980, S. 333 f. 164 PAA, Gesandtschaft Bern 1821–1945, Nr. 750: Telegramm von Romberg (Nr. 1984) an Auswärtiges Amt, Bern am 06.11.1918.

V. Feder oder Schwert – Aspekte zur Responsibilität der Aktion

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Krafft auf den einfachen Nenner brachte: „Tirol hat der, der ihm Lebensmittel bringt. Wenn die Entente das schnell tut, hat sie unbedingt einen Vorsprung.“165 Hintergedanke war sicher die Hoffnung auf eine spätere Einflussmöglichkeit auf die Tiroler Politik und in weiter Ferne dachten die Militärs und Politiker schon an einen Anschluss Tirols an Bayern. Der bayerische Kriegsminister von Hellingrath stützte die Idee der Lebensmitteltransporte nach Tirol. Im Gespräch mit einem Vertreter der Obersten Heeresleitung erfuhr er, dass die DOHL bei der Reichsleitung beantragen wolle, „[. . .] daß die Zivilbevölkerung in dem von uns zum Schutz unserer Grenzen zu besetzenden Gebiet Tirols mit Lebensmitteln und Kohle versorgt werde. Ich unterstütze diesen Antrag allerdringlichst, weil es schon aus rein militärischen Gründen unmöglich ist, im Operationsgebiet und in seinem Hinterland die einheimische Bevölkerung ohne die eiligst gebotene Hilfe zu lassen.“166 General von Krafft hatte in seinen Tagebuchaufzeichnungen an anderer Stelle die Lage kurz und prägnant zusammengefasst: Deutsch-Österreich werde „[. . .]dem in die Arme fallen, der ihm in seinen Ernährungsnöten hilft und ihm Ordnung und Ruhe verschafft. Die Ernährungsfrage ist von der Einmarschfrage untrennbar.“167 Am 1. November telegraphierte Feldmarschall von Hindenburg dem deutschen Reichskanzler, dass ein wirksamer Schutz an der bayerischen Südgrenze fast durchweg ein Verschieben der Truppen auf österreichisches Gebiet erfordere. Von Hindenburg bat um beschleunigtes Einverständnis zum Betreten österreichischen Gebietes, da sich die Hilferufe aus Deutsch-Österreich mehrten. Die Reichsleitung sollte darüber hinaus Einvernehmen mit dem deutschösterreichischen Nationalrat herstellen.168 Da die Zeit drängte wurde von Seiten der Heeresleitung wenig später eine neuerliche Botschaft an den Reichskanzler gesandt. Der Vertreter der DOHL beim deutschen Reichskanzler, Oberst von Haeften, unterrichtete den Kanzler Prinz Max von Baden konkret über den Stand der Dinge im Grenzschutz.169 Er war per Telegramm von Feldmarschall von Hindenburg instruiert worden. Das II. bayerische Generalkommando habe die Organisation übernommen, die 4. bayerische Infanteriedivision treffe gerade von der Westfront her ein und weitere Truppen sollten folgen. Auch bayerischer Ersatz wurde von der DOHL freigegeben, um die für den Schutz Bayerns kämpfenden Verbände aufzufüllen, oder um direkt in die Kämpfe einzugreifen. Max von Baden 165

BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1374. BayKA, MKr 1774/2: Bayerischer Kriegsminister von Hellingrath an Reichskanzler in Berlin (Nr. 285511. V2) am 03.11.1918. 167 BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1390. 168 Vgl.: PAA, R 20156: Aufzeichnung Nr. A.S. 6314 pr. 11. November 1918. 169 PAA, R 20155: Telegramm aus dem Großen Hauptquartier vom 01.11.1918 an Reichskanzler Max von Baden durch Oberst von Haeften (I A Nr.11123geh.op.). 166

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wurde in diesem Telegramm ebenfalls darüber aufgeklärt, dass ein wirksamer Schutz der bayerischen Südgrenze „[. . .] fast durchweg ein Verschieben unserer Truppen auf Oesterreichisches Gebiet erfordert [. . .].“170 Wieder wurde auf eine beschleunigte Entscheidung gedrängt. Fraglich war die Zusammenarbeit mit den K. u. k. Truppen, die ja formell noch existierten. Die angedachte Verteidigung der Alpenpässe allein durch deutschösterreichische Soldaten wurde zunehmend ad acta gelegt. Von Hindenburg formulierte: „Oesterr.-Ungar. A.O.K. ist ersucht worden, über Verwendung der deutsch-österreichischen Truppen zu berichten, gemeinsame Operation soll erstrebt werden [Hervorhebung des Verfassers, Anm. d. Verf.].“171 Das Ziel, gemeinsam an der neuen Front zu agieren sollte aber durch die Waffenstillstandsbedingungen unmöglich gemacht werden, wie sich wenige Tage später herausstellte. Trotz der Erinnerung der DOHL noch vom gleichen und folgenden Tage wegen der ausstehenden Einverständniserklärung zum Einmarsch erfolgte keine Stellungnahme seitens des Auswärtigen Amts.172 Hier argumentierte man, dass ein Einmarsch in deutschösterreichisches Gebiet ohne die vorherige Zustimmung des Wiener Nationalrats nicht opportun erscheine. Zumindest musste man den Nationalrat von der geplanten Maßnahme in Kenntnis setzen. Dementsprechend konnte Exzellenz von Hintze, dem Vertreter des Auswärtigen Amtes in der DOHL, vorläufig nur mitgeteilt werden, dass beim Nationalrat wegen der Hilfeleistung deutscher Truppen angefragt sei. Die Herbeiführung der Genehmigung der Wiener Regierung wurde am 2. November – wie es in der Aufstellung des Auswärtigen Amtes heißt – „[. . .] mit dem größten Nachdruck betrieben.“173 Am 2. November empfing dann der Deutschösterreichische Staatsrat den preußischen General von Cramon, um über einen möglichen Einmarsch 170

PAA, R 20155: Telegramm aus dem Großen Hauptquartier vom 01.11.1918 an Reichskanzler Max von Baden durch Oberst von Haeften (I A Nr.11123geh.op.). 171 PAA, R 20155: Telegramm aus dem Großen Hauptquartier vom 01.11.1918 an Reichskanzler Max von Baden durch Oberst von Haeften (I A Nr.11123geh.op.). 172 Die an das Auswärtige Amt gerichtete Erinnerung durch die DOHL war wahrscheinlich angestoßen worden durch ein Telegramm aus München, welches nochmals auf die akute Situation hinwies: „Deutsch-Österreichischer Nationalrat über Annahme der Waffenstillstandsbedingungen noch nicht schlüssig. Wenn im Fall der Annahme Bahnen und Straßen für Durchzug von Ententetruppen freigegeben werden, muß in kurzer Frist mit ernster militärischer Bedrohung Bayerns gerechnet werden. Umgehender Bescheid erbeten, ob zur Abwehr ausreichende Kräfte zur Verfügung gestellt werden und wann sie eintreffen können. Auf Alpenkorps kann nach vorliegenden Nachrichten in nächster Zeit wohl nicht gerechnet werden. Antransport bay. 4. Infanterie-Division noch nicht abgeschlossen.“ In: BayKA, MKR 1833: Fernschreiben Nr. 280217 A des bay. KM an die DOHL am 02.11.1918. 173 PAA, R 20156: Aufzeichnung Nr. A.S. 6314 pr. 11. November 1918.

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deutscher Truppen in Österreich zu beraten. Der Staatsrat unterschied dabei zwischen einem „[. . .] aus strategischen Gründen zur Sicherung des Reiches eventuell notwendigen Einmarsch in Tirol und einem Einmarsch zur Erhaltung der Ordnung im übrigen Österreich.“174 Gegen einen Einmarsch in Tirol würde kein Einwand erhoben, „[. . .] falls er von deutscher militärischer Seite für notwendig gehalten wird.“175 Ein Eindringen in ganz Österreich musste aber abgelehnt werden, da mit schwerwiegenden Folgen gerechnet wurde. Cramon sah dies etwas anders. Er meldete an die DOHL, dass die Verhältnisse in Wien und in unmittelbarer Umgebung einen Einmarsch oder zumindest dessen Vorbereitung notwendig erscheinen ließen.176 „Die bisherige völlige Ohnmacht der neuen Regierung und das Interregnum, das sich durch Liquidation der früheren Behörden bei vorläufigem Mangel eines Ersatzes für dieselben gebildet hat, leistet der Anarchie geradezu Vorschub und macht bolschewistische Zustände sehr wahrscheinlich.“177 Ganz Militär, veranschlagte er für die Befriedung Wiens und Umgebung zwei zuverlässige deutsche Regimenter, für Salzburg und Innsbruck ein oder zwei Bataillone. Die Verpflegung dieser Soldaten müsste allerdings durch das Deutsche Reich erfolgen. Ein Hinweis auf die offensichtlich und tatsächlich katastrophale Ernährungslage in Deutsch-Österreich. Eine Zustimmung der deutschösterreichischen Regierung schien ihm sehr fraglich, „[. . .] da sie sich der ihr drohenden Gefahr noch nicht ganz bewußt zu sein scheint.“178 Um dem Staatsrat eine Zustimmung schmackhaft zu machen gab Cramon den Hinweis, man könne mit einer Anfrage beim deutschösterreichischen Staatsrat eventuell eine Beschleunigung des Vorganges erreichen und darin den Zusatz einbauen, „[. . .] daß der Einmarsch deutscher Truppen mit einem eventuellen Anschluß deutschösterreichischen Gebiets an Deutschland nichts zu tun hat.“179 Dies stützt die Vermutung, dass wirklich nur militärische Erfordernisse wie der Grenzschutz Bayerns und der sichere Rücktransport der deutschen Ostarmeen im Vordergrund stand. Dass die ganze Frage eines Einmarsches in Gesamt-Österreich ohnehin obsolet war, ging aus der abschließenden Äußerung des Vertreters des Auswärtigen Amtes von Hintze 174 PAA, R 20155: Botschafter am 02.11.1918. 175 PAA, R 20155: Botschafter am 02.11.1918. 176 PAA, R 20155: Von Hintze Hauptquartier am 03.11.1918. 177 PAA, R 20155: Von Hintze Hauptquartier am 03.11.1918. 178 PAA, R 20155: Von Hintze Hauptquartier am 03.11.1918. 179 PAA, R 20155: Von Hintze Hauptquartier am 03.11.1918.

von Wedel an Auswärtiges Amt (Nr. 920), Wien von Wedel an Auswärtiges Amt (Nr. 920), Wien (DOHL) an Auswärtiges Amt (Nr. 2704), Großes (DOHL) an Auswärtiges Amt (Nr. 2704), Großes (DOHL) an Auswärtiges Amt (Nr. 2704), Großes (DOHL) an Auswärtiges Amt (Nr. 2704), Großes

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bei der DOHL hervor. Nach Rücksprache mit den Militärs im Großen Hauptquartier quittierte er im gleichen Telegramm an seine Vorgesetzten die Vorschläge von Cramons mit dem lapidaren und doch alles sagenden Satz: „Zur Entsendung nach Wien sind reichsdeutsche Truppen vorläufig nicht verfügbar.“180 Aus österreichischer Sicht war eine „[. . .] deutsche Okkupation [. . .] ein zweischneidiges Schwert.“181 So äußerte sich der österreichische Staatssekretär des Äußern, Viktor Adler, gegenüber dem deutschen Botschafter von Wedel. In ihrer gemeinsamen Besprechung am frühen Abend des 2. November diskutierten sie eingehend über dieses Thema. Von der Bevölkerung würde eine Intervention vermutlich als kriegsverlängernd empfunden werden, so Adler. Außerdem sei Deutsch-Österreich machtlos, wenn in den Waffenstillstandsbedingungen von den Alliierten eine Räumung verlangt werde. „Die Armee sei in voller Auflösung und man sei eben machtlos.“182 Adler sicherte zwar zu, dass man protestieren werde gegen einen solchen Räumungs-Paragraphen, aber das bliebe ein lediglich „[. . .] akademischer Protest.“183 Adler verfiel auf eine andere Möglichkeit: Man solle doch die aus Serbien heimkehrenden Truppen – vornehmlich also das deutsche Alpenkorps – zufällig in Wien Station machen lassen, bis sie dort von zuverlässigen deutschösterreichischen Nachschüben abgelöst werden könnten. Dadurch würde Wien gesichert und das ganze nicht als Okkupation aufgefasst werden. Botschafter von Wedel gab diesen Vorschlag an Berlin weiter aber er scheiterte letztlich daran, dass die deutschen Truppen auf ihrem Rückmarsch zu lange aufgehalten wurden. Der Botschafter von Wedel, drahtete nach diesen Gesprächen und Ereignissen des 2. November gegen Mitternacht an das Auswärtige Amt die entscheidende Nachricht, dass der Nationalrat sich entschieden habe, „[. . .] daß letzterer gegen den Einmarsch in Tirol keinen Einwand zu erheben habe, falls er von deutscher militärischer Seite für notwendig gehalten würde.“184 Diese Nachricht wurde am 3. November morgens umgehend an die DOHL weitergegeben. Hiermit war die Frage des Einmarsches in Tirol, das heißt dass der Einmarsch erfolgen konnte, wenn er militärischerseits für nötig gehalten würde, klargestellt. Hätte das Auswärtige Amt politische Bedenken gehabt, „[. . .] wären sie bei dieser Gelegenheit geltend gemacht worden.“185 180 PAA, R 20155: Von Hintze (DOHL) an Auswärtiges Amt (Nr. 2704), Großes Hauptquartier am 03.11.1918. 181 PAA, 20155: Von Wedel an Auswärtiges Amt, Wien am 02.11.1918. 182 PAA, 20155: Von Wedel an Auswärtiges Amt, Wien am 02.11.1918. 183 PAA, 20155: Von Wedel an Auswärtiges Amt, Wien am 02.11.1918. 184 PAA, R 20156: Aufzeichnung Nr. A.S. 6314 pr. 11. November 1918. 185 PAA, R 20156: Aufzeichnung Nr. A.S. 6314 pr. 11. November 1918.

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Unterdessen trafen nicht nur aus Tirol Hilfsgesuche ein. Aus Pörtschach am Wörther See bei Klagenfurt meldete die deutsche Vertretung, dass der Vollzugsausschuss des Kärntner Nationalrates, vertreten durch Landespräsident Stellvertreter Moelinger, vorstellig geworden war. Er bat darum, reichsdeutsche Truppen als Unterstützung zu entsenden, „[. . .] zur Sicherung der Grenzen gegen in Auflösung begriffene nichtdeutsche ehemals österreichisch-ungarische Truppen bis zum Eintreffen zuverlässigen deutschösterreichischen Militärs.“186 Am 3. November gelangt die Kunde vom unterzeichneten österreichischungarischen Waffenstillstand nach Deutschland. General Krafft von Dellmensingen hatte in München aus gut unterrichteter, privater Quelle schon sehr früh davon erfahren. In seinem Kriegstagebuch notierte er – die Konsequenzen im Blick – daraufhin: „Demnach ist Deutschösterreich für uns verloren und so gut wie feindliches Land! Ein Einrücken nach Tirol kann also für uns kaum mehr in Frage kommen. Jetzt muß vor allem festgestellt werden, ob wenigstens zum Schutz der eigenen Grenze österreichisches Gebiet betreten werden kann. Das muß uns die O. H. L. klar sagen. [. . .] Die Österreicher haben auch die Bedingung angenommen, daß die Entente die Straßen durch ihr Gebiet nach Deutschland benützen können. Hiegegen wollen sie nur „Protest erheben“ und „einen feindlichen Vormarsch möglichst zu verzögern suchen“ – leere Redensarten! Sie kapitulieren bedingungslos und lassen uns glatt im Stich.“187

Für die Deutschen wurde nun die Frage von Zerstörungen an der Brennerund Tauern-Bahn akut geworden. Eine Sprengung war aber durchaus problematisch. Durch Tirol flutete der Großteil des österreichischen Heeres zurück. Die Brennerbahn war also nicht nur für die Armee sondern für das ganze Land Tirol die einzige große Lebensader. General von Krafft konstatierte: „Unser militärisches Interesse würde die Zerstörung verlangen; diese würde aber bei den Österreichern und besonders den Tirolern große Entrüstung auslösen, da sie die Ernährung noch mehr gefährden würde. Auch die Ausführung ist schwierig.“188 Die Bahnen stellten ein besonderes Problem dar. Das Wagenmaterial der Österreicher war inzwischen abgenutzt und völlig überlastet. Aus der bayerischen Bahn Betriebs-Inspektion II in München telefonierte man am 4. November ins Kriegsministerium und gab folgende beängstigende Informationen weiter: Nach Mitteilung der Bahn-Betriebsleitung Innsbruck seien in Linz 130.000 italienische Kriegsgefangene freigelassen 186

PAA, R 20155: Staatssekretär von Hintze an Auswärtiges Amt (Nr. 2689), Großes Hauptquartier am 02.11.1918. 187 BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1383 f. 188 BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1384.

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worden, die sich teilweise bewaffnet hätten. Vom Brennerpass waren zeitgleich 50.000 Flüchtlinge angesagt und zu allem Unheil kursierten immer mehr Gerüchte, dass sich die Bevölkerung Nordtirols teilweise nach Bayern absetzen wolle. Aus Angst vor einem italienischen Einmarsch und vermutlich auch aus Angst, dass die Untertanen der neugegründeten Staaten fahrbares Material beschlagnahmten, wollte die Österreichische Staatsbahn Fahrmaterial nach Reutte im Ausserfern in Sicherheit bringen.189 In Berlin wurde der Staatssekretär Wilhelm Heinrich Solf vom deutschen bevollmächtigten General von Cramon von den Ereignissen benachrichtigt. Aus Baden bei Wien kamen aufschlussreiche Mitteilungen zur Waffenniederlegung Österreich-Ungarns.190 Zunächst unterrichtete General von Cramon das Auswärtige Amt über die österreichische Annahme der Waffenstillstandsbedingungen und setzte sich dann eingehend mit den Folgen derselben für das Deutsche Reich auseinander. Eine etwaige Zusicherung Kaiser Karls, die Alpentransversalen nach Deutschland zu schützen wurde in seinen Augen mit Annahme der Bedingungen nahezu obsolet. Ein Widerstand Österreichs sei ausgeschlossen, und „[. . .] so wird es für uns in erster Linie darauf ankommen, die Bahnen und Straßen über Innsbruck, Kufstein und Salzburg zu besetzen.“191 Weiterhin sei es wichtig, die Verbindung zwischen Bayern und Wien über Passau und Salzburg sicherzustellen. Die Sicherung der Bahnen sollte den Durchtransport der deutschen Truppen aus dem Osten gewährleisten. Formell müsste hierfür die Genehmigung des österreichischen Staatsrates eingeholt werden aber Cramons Ansicht nach sei dies Unterfangen so wichtig, dass auf eine Genehmigung verzichtet werden und man Wien vor vollendete Tatsachen stellen könne. Die Rückkehr der Truppen aus Ungarn, Rumänien und der Ukraine hatte größte Priorität. Dies wurde bereits in einem Memorandum festgelegt, welches von Hintze am 30.10.1918 an das Auswärtige Amt gesandt hatte.192 Neben dem Rücktransport war darin auch die Versorgung der Truppen im Falle eines Sonderfriedensschlusses Österreich-Ungarns als Ziel genannt worden und die Aufrechterhaltung der „[. . .] wirtschaftlichen Transporte aus Rumänien und der Ukraine durch österreichisch-ungarisches Gebiet.“193 189 BayKA, MKr 1774/2: Nachrichten des bay. KM/Armee-Abteilung, vom 04.11.1918. 190 PAA, R 20155: Cramon an Auswärtiges Amt (Nr. 7854/I.), Baden am 03.11.1918. 191 PAA, R 20155: Cramon an Auswärtiges Amt (Nr. 7854/I.), Baden am 03.11.1918. 192 PAA, R 20155: Von Hintze (DOHL) an Auswärtiges Amt (Nr. 2628), Großes Hauptquartier am 30.10.1918. Original Telegramm in: PAA, R 22235. 193 PAA, R 20155: Von Hintze (DOHL) an Auswärtiges Amt (Nr. 2628), Großes Hauptquartier am 30.10.1918.

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An der Nahtstelle zwischen Deutschen und Österreichern saß der deutsche Militärbevollmächtigte in Wien, General von Cramon. Ihm wurden die Sorgen und Nöte der österreichischen Politiker zugetragen, die er dann pflichtgemäß nach Deutschland weitermeldete. Sein Bericht vom 4. November morgens spiegelt die Zerrissenheit der österreichischen Verantwortlichen wider. Einerseits die Suche nach Ruhe und Ordnung, zu verwirklichen mit Deutscher Hilfe und andererseits die Einschränkungen, denen sie nach dem Waffenstillstand unterlagen. Cramon telegraphierte an die DOHL und an das Kriegsministerium in Bayern: „Der deutsche Staatsrat bedauert, mit Rücksicht auf den allerdings nicht von ihm geschlossenen Waffenstillstand offiziell nicht um Entsendung deutscher Truppen zur Sicherung der Bahnen bitten zu können, weil dies für Deutsch-Österreich Konsequenzen haben könnte, die dem Volke gegenüber nicht zu verantworten wären. Dahingegen wäre nichts dagegen einzuwenden, wenn die O. H. L. beim Durchzug Ihrer Truppen durch Österreich gewisse Kräfte an einzelnen Ihr notwendig erscheinenden Stellen zur Sicherung der Bahnen zurückliesse, eine Maßnahme, die ja von niemanden kontrolliert werden könnte und wohl auch öfeters [sic] vorkäme Was die Sicherung der Tiroler-Grenze beträfe, so müßte der O. H. L. das weitere anheimgestellt werden, jedenfalls könne gegen geeignet erscheinende Maßnahmen von seiten des Staatsrates nicht protestiert werden. Wie ich schon gestern unter Nr. 7853 I gemeldet habe, wird das Eintreffen der aus Italien zurückkehrenden deutschen Truppen (etwa 2.000 Mann) in Gegend Wien dieser Tage erwartet. Ich bitte daher um Befehl, ob dieselben zum Bahnschutz verwendet werden oder nach Deutschland zurückkehren sollen. Der Präsident des Staatsrates ersuchte mich erneut zum Ausdruck zu bringen, wie er es bedauere Deutschland nicht mehr entgegenkommen zu können. Durch den Abschluß des Waffenstillstandes seien ihm aber die Hände gebunden.“194

Die endgültige Genehmigung des Reichskanzlers ließ indes auf sich warten. Aus dem kaiserlichen Hofzug wurde am 3. November nachts das Auswärtige Amt davon unterrichtet, dass es der DOHL „[. . .] überlassen bleibt, die für die Sicherung des Reichsgebiets nötigen Maßnahmen zu treffen.“195 Nach Mitteilung des bayerischen Militär-Bevollmächtigten im Großen Hauptquartier schien es das Kriegskabinett in Berlin zu sein, das die Entscheidung bremste.196 Entgegen der Anschauung der Deutschen Obersten Zur Gewichtung der Ziele auch: PAA, R 20155: Von Hintze (DOHL) an Auswärtiges Amt (Nr. 2702), Großes Hauptquartier am 02.11.1918. Nicht die Material- und Abtransporte aus Rumänien standen im Fordergrund, sondern die Zurückziehung der Armee Mackensen nach Deutschland. 194 BayKA, MKr 1774/2: Deutsche Militär-Mission in Baden bei Wien, Cramon Nr. 7855 I, an bay. KM. Erhalten Hpt. Arendts in München am 04.11.1918 um 10.25 Uhr. 195 PAA, R 20155: Der Kaiserliche Wirkliche Legationsrat Grünau an das Auswärtige Amt, Eingang in Berlin am 03.11.1918 um 22.00 Uhr.

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Heeresleitung schien man dort nicht damit einverstanden gewesen zu sein, dass deutsche Truppen unverzüglich in Tirol einmarschierten. Vor allem General von Krafft in München schob die Schuld an dem zögerlichen Verhalten nicht der DOHL zu, sondern der neuen Reichsregierung. In seinem Tagebuch bedachte er das Kriegskabinett mit wenig schmeichelhaften Worten: „Gestern war mitgeteilt worden, der Einmarsch nach Tirol sei grundsätzlich beschlossen, der Befehl werde noch in der Nacht kommen. Der Befehl ist aber nicht eingetroffen, obwohl wir seit mehreren Tagen dauernd mahnen, daß es jetzt auf Stunden ankommt! Wir werden, wenn die Leute nicht zum Entschluß kommen, von der Entente sicher überholt werden! (Hier hat man ein Beispiel, mit welchen Reibungen so ein Kriegskabinett arbeitet) [. . .] Da haben wir schon die unmittelbare Einwirkung dieser famosen Einrichtung auf die Operationen! Grund: „Weil es den Deutschösterreichern die Erfüllung ihrer (uns so nachteiligen!!) Waffenstillstandsbedingungen erschwere“!!! Während bei uns geredet wird, handelt der Feind und marschiert uns schließlich von Süden ins eigene Land herein. [. . .] Die Haltung des „Kriegskabinetts“ beweist, daß diese Kerle nicht im Mindesten bemüht sind, den Kriegsabschluß zu verbessern, sondern nur feige darum zittern, daß ihnen ihre Absicht, um jeden Preis Frieden zu schließen, nicht gestört wird. Denen ist es nicht um Deutschland, nur um sich selbst zu tun!“197

Einen Tag später wandte sich das bayerische Kriegsministerium deshalb direkt an den Reichskanzler. In dem Telegramm wurden nochmals die wichtigsten Fakten zusammengefasst. Die Depesche aus Bayern klang – der Situation folgend – sehr dringlich: „Die bayerische Staatsregierung ist der Ansicht, daß die Südgrenze Bayerns und damit die Südgrenze Deutschlands am besten weit ab von dieser Grenze selbst gesichert wird. Dieser Gesichtspunkt ist um so wesentlicher, als eine unmittelbare Bedrohung der Grenze Bayerns nicht absehbaren Einfluß auf die Volksstimmung mit all ihren Folgen haben könnte. Bayern ist daher für ungesäumten Einmarsch in Tirol. Dies ist schon allein aus dem Grund unbedingt nötig, weil die Grenze auf bayerischem Gebiet taktisch nur schwer zu verteidigen ist. Jede Stunde des Abwartens verschlechtert unsere Lage in unwiederbringlicher Weise. Nach Nachrichten die hier nicht nachgeprüft werden können, sollen Entente-Truppen bereits in Sterzing sein, sie werden am 5.11.1918 in Innsbruck erwartet. Der Obmann des Nationalrates in Innsbruck berichtet über vollkommene Desorganisation der österreichischen Truppen und teilt mit, daß die Entente gebeten wurde, zur Schaffung von Ordnung in Nordtirol einzumarschieren da bisherige Verhandlungen wegen Einmarsch der Deutschen noch nicht zum Ziele geführt haben.“198 196 Vgl.: BayKA, MKr 1774/2: Abschrift des Telegramms des Militär-Bevollmächtigten an bay. KM (Nr. 282272), München am 04.11.1918. 197 BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1388 f.

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In seiner Abendmeldung an die Oberste Heeresleitung vom 3. November gab General von Krafft die Details über seine Vorbereitungen bekannt. Für den Fall, dass der deutschösterreichische Nationalrat sich zur Verteidigung Tirols entschließen könne schlug er vor, mit den Grenzschutzabteilungen und den bisher versammelten Teilen der 4. bayerischen Infanteriedivision in Tirol einzurücken bis zur Linie Stilfserjoch–Meran–Franzensfeste–Spittal.199 Die Hauptkräfte sollten bei der Franzensfeste disloziert werden. Diese Linie ermögliche es, mit verhältnismäßig schwachen Kräften die Hauptstraßen und Bahnen zu sperren. Zu seiner prekäre Situation an verfügbaren Truppen notierte er: „Die z. Zt. verfügbaren schwachen Kräfte können jedoch nur als Anklammerungspunkte für deutsch-österreichische Kräfte gelten. Baldige Zuführung einer weiteren deutschen Division geboten. Auf Alpenkorps nicht sicher zu rechnen.“200 Am nächsten Tag präzisierte Krafft seinen Plan für die Oberste Heeresleitung: das 9. Infanterieregiment sollte mit einer leichten und einer schweren Artillerie-Batterie sowie Feldküchen und Bagagen per Lastkraftwagen und wenn möglich mit der Eisenbahn auf den Brennerpass verlegt werden, das Reserve Infanterieregiment 4 in gleicher Weise Richtung Tauernbahn.201 Zur Flankendeckung sollten den Vormarsch über die Grenze antreten: das gesamte Grenzschutz-Kommando I ab Pfronten (wo es innerhalb von zwei Tagen zu versammeln sei), das gesamte Grenzschutz-Kommando II ab Mittenwald in Richtung Innsbruck und später auch das gesamte Grenzschutz-Kommando III.202 Die Abendmeldung des II. bayerischen Generalkommandos an die Oberste Heeresleitung vom 4. November fasste nochmals die neuesten eingelaufene Nachrichten von der Grenze zusammen. Für ein möglichst aktuelles Lagebild über die Verhältnisse in Tirol hatte General Krafft seinen wieder ihm detachierten ehemaligen Stabschef und Vertrauten Friedrich Wilhelm von Willisen nach Innsbruck geschickt. Major von Willisen, der 198 BayKA, Gen.Kdo.II.bay.A.K. Bund 93: bay. KM/Armee-Abteilung, München 04.11.1918 an Reichskanzler in Berlin. 199 Vgl.: BayKA, MKr 1833: Abschrift der Abendmeldung (Nr. 282969) des Gen. Kdos. an DOHL vom 03.11.1918. 200 BayKA, MKr 1833: Abschrift der Abendmeldung (Nr. 282969) des Gen. Kdos. an DOHL vom 03.11.1918. 201 BayKA, MKr 1833: Durch DOHL mündlich erholte Auskunft über Lage und Absichten beim Gen.Kdo.II.bay.A.K. am 4.11.18., vormittags 11.30 Uhr. Hierzu sei auch auf das Dokument 6: Memorandum des bay. Generals Konrad Krafft von Dellmensingen vom 04.11.1918 an die DOHL, in Abschrift an das bay. Kriegsministerium im Anhang verwiesen. Darin hat General von Krafft seine Gedanken zum Grenzschutz nochmals formuliert, nachdem er von der DOHL darum gebeten worden war. 202 BayKA, MKr 1833: Durch DOHL mündlich erholte Auskunft über Lage und Absichten beim Gen.Kdo.II.bay.A.K. am 4.11.18., vormittags 11.30 Uhr.

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um 19.00 Uhr in München zurückerwartet wurde, kam nicht weiter als bis Salzburg, von wo aus er um 14.00 Uhr die fortschreitende Auflösung in Österreich bestätigte: „In Wien verhältnismäßige Ruhe. Einige Prügeleien gegen Offiziere am Bahnhof beobachtet. Besonders in Ungarn offene Revolte, Mannschaften sind BahnhofsKommandanten. Offiziere machen die Unruhen mit. Züge werden entladen und die Lebensmittel verschleudert. Man sieht Pferdetransporte, wo sämtliche Begleitmannschaften fortgelaufen sind. Alpenkorps nach Mitteilung des Verbindungsoffiziers, Hauptmann Bethusy, herausgezogen; liegt in Gegen Carlowitz Peterwardein. Bahntransport völlig unmöglich. Es wurde Rat gegeben, mit Landmarsch durch Ungarn nach Deutschland sich durchzuschlagen. Ebenso werden alle deutschen Truppen zu verfahren versuchen. Naturgemäß bestehen sehr große Verpflegsschwierigkeiten für diese Truppe.“203

Diese Lage schlösse nach einer Mitteilung des Generals von Cramon, die gleichzeitig an die DOHL ergangen war, bis dato die Möglichkeit eines Einmarsches nach Tirol noch nicht aus. Weiters berichtete man an die DOHL über die bayerischen Pläne für den Fall, dass lediglich eine Aufstellung zur Abwehr an der bayerischen Grenze in Betracht komme. Aus taktischen Gründen hätte dann an folgenden Stellen auf Tiroler Boden vorgegangen werden müssen: in Richtung nach Bregenz, nach Reutte im Lechtal, nach Nassereit am Fernpass, nach Seefeld (südlich Scharnitz), nach Maurach am Achensee, nach Kufstein–Wörgl, nach Kössen und nach Lofer.204 Zum wiederholten Male drängte man auf eine baldige Entscheidung über das Verhalten gegenüber Tirol. Auch der Erste Generalquartiermeister des deutschen Heeres, General Wilhelm Groener trieb zur Eile.205 An das Auswärtige Amt richtete er die Mitteilung, dass wenn schon kein Einmarsch beschlossen werde, wenigstens an einigen Stellen Tiroler Gebiet betreten werden dürfe. Er übernahm vollständig Kraffts Konzeption, dass aus taktischen Gründen – exakt an den oben benannten Stellen – ein geringer Vorstoß in das ausländische Territorium genehmigt werden sollte.206 203 BayKA, MKr 1833: bay. KM/Armee-Abteilung (Nr. 283386) an DOHL, Abendmeldung am 04.11.1918. 204 BayKA, MKr 1833: bay. KM/Armee-Abteilung (Nr. 283386) an DOHL, Abendmeldung am 04.11.1918. 205 General Groener beschäftigte sich zwar dienstlich mit dem bayerischen Grenzschutz und dem Einmarsch in Tirol, seinem Kriegstagebuch vertraute er diese Episode allerdings nicht an. Folgende Akten wurden daraufhin überprüft: BA-MA, Nachlaß Wilhelm Groener N 46/25: Tagebuch als Erster Generalquartiermeister; Heft I: 30. Okt. 1918–19. März 1919, Heft II: 20. März–20. Sept. 1919. sowie: BAMA, Nachlaß Wilhelm Groener N 46/129: Aufzeichnungen und Materialien zum Ersten Weltkrieg Bd 4: Operationen 1918 [Zeitraum: 1918 (1925–1926)] und: BAMA, Nachlaß Wilhelm Groener N 46/130: Waffenstillstand und Friedensvertrag (1918–1919).

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Das war die Situation, in der eine Bombe platzte. Das Hin- und Hergezerre um einen Einmarsch in Tirol, die Verzögerung durch langwierige Debatten und unschlüssiges Abwarten hatte die deutschen Beteiligten ganz vergessen lassen, ob Tirol und Vorarlberg den Anschluss an Deutschland überhaupt noch wollten. Viele Menschen setzten inzwischen eher auf eine rasche Besetzung durch die Entente, noch bevor deutsche Truppen einträfen. Man wollte um jeden Preis vermeiden, dass die Tiroler Heimat zum Kampfgebiet würde. Eine entsprechende Mitteilung erhielt General Krafft am Abend des 4. November. Der Tiroler Landeshauptmann Schraffl hatte einen deutschen Offizier im bayerischen Kriegsministerium ausdrücklich gebeten darauf hinzuwirken, dass keine deutschen Truppen nach Nordtirol einrückten. Zwischen dem deutschen Hauptmann Arendts und dem Landeshauptmann Schraffl spielte sich ein denkwürdiger Dialog ab: „Schraffel: Hier Obmann des Nationalrates in Innsbruck, Obmann Schraffel. Es ist hier das Gerücht verbreitet, daß Bayern morgen oder heute in Nordtirol einmarschieren wird. Ich erlaube mir mitzuteilen, daß wir heute früh wegen Zersetzung der österreichischen Truppen, die hier durchmarschieren, einstimmig beschlossen haben, einen Abgesandten nach Bern in die Schweiz zu senden, der morgen 8 Uhr dort eintreffen wird und daß wir denselben beauftragt haben, sofortigen Einmarsch der Entente in Nordtirol zu verlangen. Arendts: Darf ich fragen warum? Schraffel: Der Grund ist der: Wenn die zurückflutenden Truppen Österreichs. die vollständig zersetzt sind, nicht aufgehalten oder nicht durch organisierte Truppen ruhig abgeleitet werden, das ganze Gebiet kahlgefressen und Zivil und Militär verhungern werden. Wir haben noch Nahrungsmittel für 4 Tage. Es ist uns daher außerordentlich wichtig zu wissen, was geschehen wird. Arendts: Wäre Ihnen ein Einmarsch bayerischer Truppen erwünscht? Schraffel: Wir sind für jede Hilfe dankbar. Ich werde sofort den Nationalrat, der im Nebenzimmer tagt, verständigen und Ihnen sogleich Antwort geben. (Nach 5 Minuten Pause) Ich habe jetzt in der Nationalversammlung einen Beschluß provoziert, der folgendermaßen – einstimmig – lautet: 206 PAA, R 20155: Von Hintze (DOHL) an Auswärtiges Amt (Ia No.11221geh. Op.), Eingang in Berlin – erstaunlicherweise – erst am 05.11.1918 um 2.00 Uhr morgens.

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Nachdem Österreich mit der Entente einen Waffenstillstand abgeschlossen hat, sind wir nicht mehr in der Lage, einen Einmarsch der deutschen Truppen zu verlangen, umsoweniger als wir uns bereits an die Entente um Hilfe gewandt haben. Der Nationalrat ist der Überzeugung, wenn jetzt Bayern einmarschieren würden, würde Nordtirol Kriegsgebiet und dadurch ganz vernichtet werden. Ich halte es nicht für berechtigt, nachdem der Waffenstillstand von der Zentralregierung in Wien wenn auch unter Protest erklärt worden ist, anders zu verfügen wie die Reichsregierung.“207

Nachdem Tirol drei Tage zuvor an die Deutsche Regierung ihr Ersuchen um deutsche Truppen und Verpflegungsaushilfe gerichtet hatte, und darauf ohne Antwort geblieben war, geschah das, was vor allem General Krafft befürchtet hatte. Die Tiroler wandten sich an die Entente mit der Bitte, sie möge Nordtirol besetzen und Ordnung schaffen. Gemeint war damit natürlich die Mission des Abgeordneten Mayr in die Schweiz. Diesem ersten Gespräch mit dem Obmann Schraffl folgten am gleichen Tag noch zwei weitere, die viel über das Dilemma der Österreichischen Vertreter aussagten. Zunächst rief Hauptmann Arendts in Innsbruck an, um Schraffl mitzuteilen, dass er sein Gesuch weitergeleitet habe. Für die Antwort müsse er sich aber gedulden. Im Folgenden machte Arendts den Landeshauptmann darauf aufmerksam, „[. . .] daß Nordtirol erst recht zum Kriegsgebiet werden wird, wenn wir nicht einmarschieren und unsere bayerische Südgrenze verteidigen; dann steht der Feind kämpfend in Nordtirol. Die einzige Möglichkeit, das Land davor zu bewahren, sehe ich darin, daß Sie den Feind aufhalten, den Brenner zu überschreiten. Wir hören soeben, daß Steiermark sich gegen einen fdl. Einmarsch durch Sprengung des Karawankentunnels geschützt hat. Warum tun Sie das nicht mit Brennerbahn und Brennerstraße? Tun Sie das, dann ist Nordtirol gerettet; denn dann kann der Feind jetzt im Winter nicht mehr so rasch mit einer ganzen Armee zum Kampf nach Nordtirol vordringen, daß Nordtirol zum Kriegsschauplatz wird. Wenn Sie dadurch Zeit gewinnen, retten Sie Ihr Land.“208

Schraffl erwiderte darauf etwas hilflos und resigniert man habe ja Waffenstillstand geschlossen und könne deshalb nichts machen. Wenn man damals, als man nach München telegraphiert hatte bereits diesen Rat bekommen hätte, dann hätte man es so gemacht. Äußerst spitzfindig entgegnete ihm Arendts, dass es nicht der Nationalrat als solcher zu sein brauche, der die Verantwortung für die Sprengungen zu übernehmen habe: „[. . .] es wird ganz sicher ein paar Vaterlandsfreunde geben, die das ausführen, wodurch 207 BayKA, MKr 1774/2: bay. KM/Armeeabteilung, Ferngespräch zwischen Obmann Schraffl und Hptm. Arendts am 04.11.1918. 208 BayKA, MKr 1774/2: bay. KM/Armeeabteilung, Ferngespräch zwischen Hptm. Arendts und Obmann Schraffl am 04.11.1918 um 20.30 abends.

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Sie Ihr Land vom Untergang erretten.“209 Im dritten Gespräch um 23.15 Uhr konkretisierte Arendts seine Idee der Bahn- und Brückensprengungen noch: „Der Nationalrat braucht ja davon gar nichts zu wissen, wie es gemacht wird. Und wenn ein Schuldiger gesucht wird, dann sind es eben die bösen Bayern gewesen. Wer es wirklich war, das muß man erst herausbringen.“210 Selbst mit dieser Argumentationslinie konnte Arendts nicht überzeugen. Schraffl beharrte auf seiner Meinung: „Jetzt, nach dem Waffenstillstand, nach einem so feierlichen Vertrag geht so etwas, das für unser armes Land jedes Martyrium der Entente rechtfertigen würde, nicht mehr.“211 Er verstieg sich in seiner Verzweiflung sogar zu einer kaum nachvollziehbaren Prognose, wonach der Nationalrat glaube, „[. . .] daß die Entente gar nicht über den Brenner herüber will, schon aus klimatischen Gründen, denn im Winter ist es bei uns kalt und die Entente hat keine dafür geeigneten Truppen.“ Arendts entgegnete lapidar, dass dies ein Irrtum sei. Die Entente habe selbstverständlich auch Wintertruppen. Es schien als hätte Schraffl den vierjährigen Kampf im Eis und Schnee der Tiroler Berge vergessen, wo neben Italienern ja auch Franzosen, Engländer und zuletzt sogar Amerikaner gekämpft hatten. Schraffl führte sogar die österreichischen Militärs ins Feld. Er habe Rücksprache gehalten mit ihnen: „Dieselben haben von einer Absicht der Entente über den Brenner vorzugehen, keine Kenntnis, glauben auch nicht, daß die Entente diese Absicht hat, gegen Bayern vorzustoßen.“212 Einzig und allein wichtig war ihm darzustellen, dass ein Einmarsch der Deutschen ein Unglück sei und nur zur Folge habe, dass ganz Nordtirol Kriegsschauplatz würde. General Krafft fühlte sich veranlasst zu der neuen Haltung des Tiroler Nationalrates zu bemerken: „Wir werden uns um diese wetterwendische Gesellschaft und ihre Sonderinteressen natürlich nicht kümmern; sondern das tun, was nötig ist, sobald wir nur die Handlungsfreiheit erhalten haben.“213 Wie sein Biograph Thomas Müller so treffend hierzu bemerkte: „Und wieder war Krafft das bayerische Hemd näher als der österreichische Rock. Für ihn war Tirol nurmehr das Glacis für eine erfolgreiche Verteidigung Bayerns.“214 Die von Krafft angemahnte Handlungsfreiheit ließ nicht lange auf sich warten. Endlich gab es Bewegung in Berlin. Am 4. November abends wurde der Bevollmächtigte des Auswärtigen Amtes bei der Obersten Heeresleitung, Paul von Hintze, telegraphisch angewiesen, der DOHL mitzutei209

BayKA, MKr 1774/2: ibid. BayKA, MKr 1774/2: bay. KM/Armeeabteilung, Ferngespräch zwischen Obmann Schraffl und Hptm. Arendts am 04.11.1918 um 23.15 Uhr. 211 BayKA, MKr 1774/2: ibid. 212 BayKA, MKr 1774/2: ibid. 213 BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1392. 214 Müller, Krafft, 2002, S. 471. 210

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len, dass die Reichsleitung „[. . .] mit der militärischerseits für die Sicherung der bayerischen Grenze als notwendig bezeichneten Besetzung der Alpenpässe einverstanden sei.“215 Am frühen Morgen des 5. November um 1.15 Uhr kam diese erlösende Nachricht in München an.216 In dem kurzen Telegramm des Ersten Generalquartiermeisters, General Groener zum Einmarsch in Tirol wurde explizit darauf hingewiesen, dass man bei allen zu ergreifenden Maßnahmen betonen solle, dass „[. . .] es sich lediglich um den Schutz unserer Grenze und etwaigen Schutz von Einwohnern gegen Pluenderungen [sic] handelt. Politische Gesichtspunkte sprechen nicht mit.“217 Je nach Lage erlaubte die Oberste Heeresleitung dem Generalkommando auch, wenn es unbedingt notwendig erscheine, die Brennerbahn zu sprengen.218 Der Weg nach Tirol war frei.219 Der Tiroler Einspruch verhallte ungehört.220 General von Krafft richtete in einem Korpstagesbefehl an seine Truppen die markigen Worte: 215

PAA, R 20156: Aufzeichnung Nr. A.S. 6314 pr. 11. November 1918. BayKA, MKr 1833: Telegramm aus dem Gr. H. Qu., aufgegeben am 04.11.1918, angekommen beim bay. KM am 05.11.1918 um 1.15 Uhr (Nr. 225), schriftlicher Abdruck an den Offizier vom Dienst des Gen. Kdo. II. b. A. K. um 3.35 Uhr morgens. Die Angabe in Thomas Müllers Biographie von General Krafft (Seite 471), wonach das ‚Go‘ aus Spa um 23.30 Uhr eintraf stimmt demnach nicht, bezieht sich aber richtigerweise auf die Angabe im Tagebuch Kraffts. Dieser schrieb: „Um 11.30 abends wird aber mitgeteilt, daß nun doch nach Tirol einmarschiert werden soll.“ In: BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1392. Wenn die Meldung erst um 3.35 Uhr morgens beim Generalkommando eintraf, so erklärt sich auch Müllers erstaunte Bemerkung: „Was nun kam, mutet zunächst jedoch etwas unbegreiflich an, denn anstatt sofort die Verlegung der ersten Verbände in die Wege zu leiten, wie es im Hinblick auf den wieder und wieder von ihm selbst betonten Zeitdruck nötig gewesen wäre, ging Krafft – nach Hause und legte sich ins Bett!“ In: Müller, Krafft, 2002, S. 471. 217 BayKA, MKr 1833: Telegramm aus dem Gr. H. Qu., aufgegeben am 04.11.1918, angekommen beim bay. KM am 05.11.1918 um 1.15 Uhr (Nr. 225). 218 „An bay. Kriegsministerium. Sprengungen an Brenner- und Tauernbahn zum Schutz Bayerns gegen Entente Angriffe sind gestattet. OHL Ia Nr. 11274 geh. op.“ In: BayKA, MKr 1833: Bay. KM Nr. 286128, Telegramm aus dem Gr. H. Qu., angekommen am 07.11.1918 um 02.00 Uhr nachts. 219 Bestätigt durch ein nachgekommenes Telegramm General von Groeners: „Genehmigung zum Einmarsch in Tirol ist gegeben. Für jede Unterstützung der von der OHL für die Verteidigung Bayerns notwendig gehaltenen Maßnahmen bin ich dankbar. i.a. Groener, Ia Nr. 11285 geh. op.“ In: BayKA, MKr 1833: zum Telegramm vom 4.11, bay. KM (Nr. 286122) aus Gr. H. Qu., angekommen am 06.11.1918 um 20.10 Uhr. 220 Vgl.: BayKA, MKr 1833: Schreiben des bay. KM an Reichskanzler Berlin und General Groener (Nr. 282273A) vom 05.11.1918. In dem von Dandl und Hellingrath unterzeichneten Schreiben wird darauf hingewiesen, dass es das bayerische Staatsministerium aus militärischen Gründen für unerlässlich halte, „[. . .] in Nord216

VI. ‚Die Bayern kommen!‘ – Einmarsch in Tirol

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„Österreich hat einen Waffenstillstand abgeschlossen, der unseren Feinden ungehinderten Durchzug auf Straßen und Bahnen gestattet. Die Grenzen unserer Heimat sind bedroht. Sie zu schützen, seid Ihr unter meine Führung berufen. Die Verteidigung unserer Grenze zwingt uns, Tiroler Boden zu betreten, dessen Bewohner unsere Freunde sind. Ich bin der festen Zuversicht, daß feindliche Einbruchsversuche an Eurer Vaterlandsliebe und Tapferkeit zerschellen werden. Ich erwarte, daß Ihr Euch durch Manneszucht und ruhiges Entgegenkommen gegen die Bevölkerung Tirols des altbewährten Rufes des deutschen Soldaten würdig zeigt.“221

VI. ‚Die Bayern kommen!‘ – Einmarsch in Tirol Der eigentliche Einmarsch der bayerischen Truppen war nach dem umfänglichen diplomatisch-politischen Geplänkel ein reichlich pragmatischer Akt. General von Krafft traf am 5. November gegen 9.00 Uhr in seinem Büro im Bayerischen Hof ein, und fertigte die Marschbefehle aus. Zwei Infanterieverbände sollten den Zielen Brenner und Tauerntunnel entgegengehen. Den großen Rest befahl Krafft in Sammelräume bei Innsbruck, Mittenwald und Bischofshofen. Deren Aufgabe war die Rückendeckung und der Schutz der Flanken der am Tauernpass eingesetzten Truppen. Die ganze Befehlsausgabe wurde extrem gestört durch zweimaligen Flieger Alarm am Vormittag. Grund waren österreichische Flieger, die beim Münchner Waldfriedhof gelandet waren und für italienische Bomber gehalten worden waren.222 In München entstand dadurch eine solche Aufregung, dass das Personal der Telefonämter ihre Arbeitsstätten in Panik verließen und die Telekommunikation auf Stunden lahm gelegt war. Krafft musste der 4. Infanteriedivision und den anderen Grenzschutz Detachements Offiziere in Kraftwagen zur Befehlsübermittlung schicken. Für Krafft war es damit fraglich, „[. . .] ob die Ausführung heute noch beginnen und noch etwas Rechtes geschehen kann. Das sind üble Zwischenfälle.“223 Krafft vermisste die gewohnte Disziplin. Die Bereitstellung des 9. Infanterieregiments hatte sich tirol einzumarschieren und an dem bereits gefaßten und in Vollzug gesetzten Entschluß festzuhalten“. 221 BayKA, Truppenakten 4. bay. Infanteriedivision, Bund 78: Akt 4, Korpstagesbefehl vom 06.11.1918. 222 „3 österreichische Flieger vom 14. Korps (Edelweißkorps) am 3. Nov. früh von Trient abgeflogen, in Innsbruck gelandet und von dort heute nach München geflogen [. . .]“ In: BayKA, MKr 1833: Gen. Kdo. II. b. A. K. (Nr. 284845) am 05.11.1918. 223 BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1393.

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durch Entlausung verzögert.224 Krafft war es völlig unverständlich, wie das Regiment dazu kam, seine Leute erst jetzt zur Entlausung zu führen. Eine Maßnahme die man normalerweise als erstes durchführte, wenn man in heimischen Quartieren unterkam. Außerdem hatte Krafft das Regiment vorgewarnt, dass es jede Stunde den Abmarschbefehl erhalten könne. Verbittert schreibt er: „Die Leute denken alle nur an Heimat und Ruhe. Auch in der Führung ist von oben bis unten gar kein Zug. Heute erst hat auch die Artillerie gemeldet, daß sie keinen Schuß Munition hat!“225 Was die schlechte moralische Verfassung angeht, kam Prinz Franz als Kommandeur der 4. Infanteriedivision zu einem ähnlichen, wenn auch ungleich sachlicheren Ergebnis. Er notierte zum Gefechtswert der Division am 5. November: „Der Kampfwert der Infanterie ist infolge des letzten fast 4 wöchigen Einsatzes sehr gering. Abgesehen von den Gefechtsabgängen, besonders an Spezialisten, der großen Erschöpfung der Mannschaft durch den letzten Einsatz, die ungenügende Unterkunft und Reinlichkeit [. . .], hatte auch die Moral in den letzten Gefechtstagen gelitten. Nur durch eine mindestens 3 Wochen währende Zeit straffer Ausbildung und planvoller wohl überlegter Einwirkung auf den Geist der recht bunt zusammengesetzten, wohl auch durch heimatliche Beziehungen und Friedenshoffnungen beeinflußten Truppe, verbunden mit der Möglichkeit der Instandsetzung von Bekleidung und Ausrüstung, ausreichender Körperpflege in guter Unterkunft kann die Kampfkraft der Infanterie wieder so gehoben werden, daß die Division für neuen Einsatz geeignet ist. Seit dem Eintreffen hier hat sich infolge der besseren Unterkunft, der Möglichkeit der körperlichen Reinigung und des Verständnisses, daß die Leute ihrer jetzigen Verwendung entgegenbringen, der Zustand und der Geist der Truppe verbessert.“226

Zeit war allerdings ein Luxus, der in dieser Situation nicht diskutabel war. Der zaudernde Prinz musste sich im Klaren sein, dass weder eine längere Retablierung, noch eine dreiwöchige Ausbildungsphase eingelegt werden könne. Stattdessen gingen die Verlegungen der Truppenteile weiter. Das 4. Infanterieregiment erreichte am 5. November Rosenheim und wurde 224 Biograph Müller spricht in diesem Zusammenhang von Entlassungsmassnahmen beim 9. Infanterieregiment. Vgl. Müller, Krafft, 2002, S. 472. Er bezieht sich dabei auf eine andere Tagebuchversion von Kraffts. Eventuell handelt es sich hier um einen Transkriptionsfehler. Krafft schreibt in dem hier ausgewerteten Tagebuch: „Die Bereitstellung des 9.I. R. hat sich durch „Entlausung“! so lange verzögert, daß es Abend werden wird, bis sein Zug abfahren kann.“ In: BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1393 [Hervorhebung wie im Original, Anm. d. Verf.]. Dass es sich definitiv um Entlausungen handelte belegt auch das Kriegstagebuch des II. Bataillons/9. IR: „5.11. Entlausung in Rosenheim.“ In: BayKA, Truppenakten des 9. bay. Inf. Rgt., Bund 34: KTB des II. Bataillons 21.10.1917–03.12.1918. 225 BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1394. 226 BayKA, BayKA, Truppenakten 4. bay. Infanteriedivision, Bund 64, Akt 2: Grenzschutz – Kampfwert der Division 05.11.1918, handschriftliche Unterschrift Prinz Franz von Bayern.

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dort von 7 Uhr morgens an ausgeladen. Am Tag darauf wurde die Division nach Innsbruck verlegt, wo sie um 22.00 Uhr abends ankam. Laut der Regimentsgeschichte fand das Regiment dort „[. . .] überaus freundliche Aufnahme bei den Behörden und bei der Bevölkerung. Man schien allgemein froh zu sein, daß deutsche Truppen kamen und Ordnung schafften. Die anderen Teile der Division waren vorgeschoben worden und standen schon bei Reschenscheideck, am Brenner und am Tauernübergang.“227 Das Gros des Regiments war in Innsbrucker Barackenlagern untergebracht und verblieb bis zum 9. November in der Stadt. Es hatte daher nur einen untergeordneten Wert für den Grenzschutz, konnte allerdings in Innsbruck für Ordnung sorgen, was aufgrund der abertausenden durchziehenden Soldaten auch notwendig war. Während diesen ersten Verlegemaßnahmen machten in Wien am 5. November die neuen politischen Vertreter des Außenministeriums ihren – verspäteten – Antrittsbesuch beim bayerischen Botschafter von Tucher. Der Staatssekretär für Äußeres Dr. Adler und der Chef des Präsidialbureaus im Staatsamt für Äußeres Dr. Otto Bauer suchten Tucher auf, um „[. . .] mit der bayerischen Vertretung Fühlung aufzunehmen.“228 Laut Informationen des Staatssekretärs Adler würde das Inntal von bayerischen Truppen besetzt werden, mit dem Auftrag, gegen den Brenner vorzugehen. Die Folge davon sei eine große Aufregung in Nordtirol und die grassierende Befürchtung, durch den Einmarsch deutscher Truppen zum Kriegsschauplatz zu werden. Adler bat deshalb den Gesandten Tucher, „[. . .] der bayerischen Regierung zur Erwägung anheimzustellen, ob nicht jenen Gegenden, den einzigen Teilen Tirols, die noch verschont geblieben – die Täler südlich des Brenner würden von zurückflutenden Truppen gebrandschatzt – die Greuel des Krieges erspart bleiben könnten.“229 Eine dementsprechende Äußerung der bayerischen Regierung würde ihn in die Lage versetzen, die besorgten Tiroler zu beruhigen. Tucher war von den militärischen Maßregeln völlig überrascht und bat seine Gäste um weitere Aufklärung, ob ein Einmarsch bereits erfolgt sei oder nur befürchtet werde. Unterstaatssekretär Bauer klärte ihn auf, dass Kufstein besetzt sei und die Truppen angaben den Auftrag zu haben, nach dem Brenner weiter zu marschieren. Dr. Adler ergänzte, dass die 227 Kleinhenz, August von [GenLT, Kommandeur des Rgts. 1914–16]: Das K. B. 4. Infanterie-Regiment König Wilhelm von Württemberg vom Jahre 1906 bis zu seiner Auflösung 1919, München 1926, S. 253. 228 BayHStA, Bayerisches Staatsministerium des Äussern, Karton MA 103024: Bayerischer Gesandter Tucher in Wien (Nr. 544) an das Staatsministerium des K. Hauses und des Aeußern am 05.11.1918. 229 BayHStA, Bayerisches Staatsministerium des Äussern, Karton MA 103024: Bayerischer Gesandter Tucher in Wien (Nr. 544) an das Staatsministerium des K. Hauses und des Aeußern am 05.11.1918.

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Italiener nur langsam vorrückten und „[. . .] dass die ganze Maßregel sich als überflüssig erweisen könnte, da ja doch angenommen werden dürfe, dass in kurzer Frist auch zwischen dem Deutschen Reich und der Entente ein Waffenstillstand eintrete.“230 Nach dem Gespräch erstattete von Tucher Bericht in München und leitete die Bitte weiter: „Der Chef des Präsidialbureaus im Staatsamt für Äußeren, Dr. Bauer, [. . .] hat mir die Bitte ausgesprochen, dass die deutschen Truppen am Brenner und anderen Pässen den Befehl erhalten mögen, den Rückzug der österreichisch-ungarischen Truppen in das Gebiet nördlich dieser Pässe nicht zu hindern, da sonst die Gefahr eintrete, dass die zurückflutenden Truppen sich den Durchzug mit Gewalt erzwingen, was die Deutsch-Österreichische Regierung unter allen Umständen vermieden wissen wolle.“231

Das hatten die deutschen Truppen auch nicht vor. Es sollte nicht der Rückmarsch der österreichischen Truppen sondern der Vormarsch der italienischen Soldaten verhindert werden. Das österreichische Heeresgruppenkommando Tirol formulierte trotzdem einen noch schärferen Protest. Als Vertreter der in das Landesinnere abzutransportierenden (ehemaligen) K. u. k. Armee erhob es gegen den Einmarsch in deutschösterreichisches Gebiet Widerspruch und hatte den eigenen Bahnbehörden den Befehl gegeben die deutschen Transporte nicht weiter zu leiten.232 Alle aus dem Einmarsch der deutschen Truppen sich ergebenden Folgen hätte einzig und allein die Deutsche Oberste Heeresleitung zu tragen. Der Kommandierende General von Krafft sah sich genötigt, der Heeresgruppe Erzherzog Josef seine Auffassung zu erklären. Er verfasste eine Art Aufruf, der informativen aber auch befehlenden Charakter hatte. Er ließ an die Heeresgruppe übermitteln: „Die Waffenstillstandsbedingungen Österreichs mit der Entente zwingen uns, zum Schutze unserer Grenzen Truppen nach Nordtirol zu schieben. Wir beabsichtigen nicht, die österreichischen Kommandobehörden zu Schritten zu veranlassen, die der loyalen Durchführung der Waffenstillstandsbedingungen zuwiderlaufen, erwarten aber von den österreichischen Kommandobehörden und Truppen, mit denen wir lange Kriegsjahre Schulter an Schulter kämpften, daß die zu unserer Sicherheit unbedingt nötigen Bewegungen, zu deren Durchführung wir fest entschlossen sind, nicht gehindert werden. Dem stehen keinerlei Waffenstillstandsbedingungen entgegen. 230 BayHStA, Bayerisches Staatsministerium des Äussern, Karton MA 103024: Bayerischer Gesandter Tucher in Wien (Nr. 544) an das Staatsministerium des K. Hauses und des Aeußern am 05.11.1918. 231 BayHStA, Bayerisches Staatsministerium des Äussern, Karton MA 103024: Bayerischer Gesandter Tucher in Wien (Nr. 545) an das Staatsministerium des K. Hauses und des Aeußern am 06.11.1918. 232 BayKA, MKR 1833: HGK Tirol Op.Nr.55.000/76 an bay. KM (Nr.282274A), 05.11.1918 um 17.30 Uhr.

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Insbesondere wird ersucht, den Abfluß des österreichischen Heeres derart nach Osten zu leiten, daß Bayerns Südgrenze unberührt bleibt und auch der Abfluß durch das Inntal möglichst eingeschränkt wird.“233

Am nächsten Tag ergänzte er seinen Befehl dahin gehend, dass er die Hoffnung hege, „[. . .] daß die deutschen Brüder und bisherigen Freunde mit denen ich selbst gemeinsam Tiroler Boden verteidigt habe, nichts versuchen, uns in der Lösung unserer Verteidigungsaufgabe zu hemmen.“234 Ein moderater und doch unmissverständlicher Hinweis an die Österreicher, ihm nicht in die Quere zu kommen. Der von Krafft angesprochene Abfluss der zurückflutenden österreichisch-ungarischen Truppen war ein wichtiger Faktor. Die Straßen über den Brenner und westlich davon müssten für die Bewegungen der deutschen Truppen frei sein. Krafft hoffte, dass die österreichischen Stellen die Soldaten durch das Pustertal oder über das Pfitscherjoch ins Zillertal und über den Gerlospass ins Pinzgau ableiten würden.235 Krafft beließ es aber nicht bei einem Aufruf an die militärisch Verantwortlichen. An die Politiker des Tiroler Nationalrats sandte er ebenfalls am 6. November einen Appell. Wie im Schreiben an die Heeresgruppe wies er darauf hin, dass man durch die Waffenstillstandsbedingungen gezwungen sei, zur eigenen Landesverteidigung deutsche Truppen auf Tiroler Gebiet vorzuschieben. „Gleichzeitig sollen diese Truppen mithelfen, um den Abfluß aufgelöster Teile des österreichischen Heeres nach Osten zu ordnen und das Land vor Zuchtlosigkeiten zu schützen. Unsere Vorhuten überschreiten am 5.11. die Grenze. Starke Kräfte werden folgen. Wir kommen als Freunde und erwarten, daß unseren Bewegungen keine Hindernisse von Seiten des deutsch-österreichischen Nationalrates und der österreichischen Kommandobehörden in den Weg gelegt werden. Sollte dies trotzdem der Fall sein, so sind unsere Truppen angewiesen, sich mit Waffengewalt den Weg zu bahnen.“236

Laut Informationen des deutschen Konsulats in Innsbruck hatte der letzte Satz dieses Telegramms – der sich auf den Einsatz von Waffengewalt im Falle von Behinderung des deutschen Einmarsches bezog – im Tiroler Nationalrat und in der Bevölkerung für einige Beunruhigung gesorgt.237 Trotzdem veranlasste der Landeshauptmann Schraffl, dass niemand den Bayern 233

BayKA, MKr 1833: Das Gen.Kdo.II.bay.A.K. an die Heeresgruppe Erzherzog Josef (Innsbruck), am 05.11.1918. 234 BayKA, MKr 1833: Gen.Kdo.II.bay.A.K. an HG Ehg. Josef (Innsbruck), am 06.11.1918. 235 Vgl.: BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1396. 236 BayKA, MKr 1833: Gen.Kdo.II.bay.A.K. an den österreichischen [sic] Nationalrat in Innsbruck am 06.11.1918. 237 PAA, R 20156: Konsulatssekretär Jecke an Auswärtiges Amt (Nr. 15), Innsbruck am 06.11.1918.

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in Innsbruck ein Hindernis entgegensetzte, und dass man durch rechtzeitiges Einschreiten jeden Zusammenstoß vermeiden möge.238 Für General Krafft war der Wirbel im Nationalrat, in der Bevölkerung und bei der K. u. k. Heeresgruppe sogar verständlich. Er vertraute seinem Tagebuch an, dass sie den Durchtransport verbieten müssen, um das „[. . .] Gesicht zu wahren.“239 Nach außen hin, für die Welt sichtbar, müssten die Waffenstillstandsbedingungen eingehalten werden und dürfte den Deutschen keine Hilfe zuteil werden. Krafft urteilte aber: „Ich denke, die Österreicher werden es nicht wagen, uns mit den Waffen entgegenzutreten. Sie sind dazu nicht verpflichtet und fühlen doch auch noch zu sehr mit uns. Da schadet auch ein brüskes Auftreten (begleitet von verständnisvollem Augenzwinkern!) nicht. Um so eher können die Österreicher erklären, sie hätten der deutschen Gewalt weichen müssen. Und wenn wir erst einmal den Feind jenseits des Brenners zum Stehen gebracht haben, werden sich viele von ihnen gerne auf unsere Seite schlagen!“240

Die Außenwirkung des bayerischen Einmarsches war nicht zu unterschätzen. Erstaunlich ist die Reaktion auf den bayerischen Einmarsch in der tschechischen Zeitung Narodni Listy. Es ist eine der wenigen Äußerungen in der ausländischen Presse über diese Episode. Das kaiserliche Konsulat in Prag schrieb über diesen Artikel nach Berlin, dass der Einmarsch bayerischer Truppen in Tirol „[. . .] als schreiende Verletzung des verfassungsmäßigen Bundes mit dem Übrigen Deutschland [. . .]“ bezeichnet werde.241 „Das Vorgehen Bayerns sei ein Zeichen dafür, dass sich Bayern auf eigene Faust aus dem Weltkrieg herausschlagen wolle und sich bereits heute und [sic] Entschädigung gesucht habe.“242 Eine seltsame Melange aus Propaganda, Angst vor dem bayerischen Nachbarn und unterschwelligen Hoffnungen einer Abspaltung Bayerns vom Reich. Nicht die Angst vor einer Abspaltung Bayerns vom Reich, aber eine gewisse Vorahnung beschlich die 238 TLA, Gruppe: Tiroler Landschaft und Tiroler Landtag, Schuber: Tiroler Nationalrat und Tiroler Nationalversammlung – Sitzungsprotokolle 1918, Umschlag: Protokolle des Tiroler Nationalrates 1918, Protokoll Tiroler Nationalrat, Sitzung vom 06.11.1918, 09.30 Uhr. 239 BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1395. 240 BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1395. An anderer Stelle vermerkte Krafft dazu: „Wir müssen äußerlich auch möglichst gewalttätig auftreten, um sie zu entlasten. In Wahrheit werden sie uns keine Schwierigkeiten machen, besonders dann nicht, wenn wir den Tirolern mit Verpflegung aushelfen. Truppen werden bestimmt angewiesen, sich mit allem Nachdruck durchzusetzen.“ In: BayKA, NL Krafft 83: Entwürfe und Berichte des bay. II. Armeekorps, Bd. XI, Belgien, Grenzschutz in Bayern 28.10.–12.11.1918. 241 PAA, R 20156: Deutsches Konsulat Prag an Auswärtiges Amt Berlin, am 07.11.1918. Original Telegramm in: PAA, R 9133. 242 PAA, R 20156: Deutsches Konsulat Prag an Auswärtiges Amt Berlin, am 07.11.1918. Original Telegramm in: PAA, R 9133.

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Diplomaten im Auswärtigen Amt in Berlin. Nach dem unbestätigten Hilfeersuchen Tirols, dass der Innsbrucker Konsul Külmer nach Berlin gemeldet hatte, wurde über diese Frage im Auswärtigen Amt debattiert. Es bestand die Vermutung, „[. . .] dass die bayerische Anregung eines Einmarsches weniger von der Bekundung einer Hilfsbereitschaft als vielleicht von dem Wunsche bestimmt gewesen war, mit der Besetzung Tyrols [sic] ein fait accompli zu Gunsten Bayerns zu schaffen.“243 In dem von Solf bearbeiteten Bericht wurde als Gegenbeweis für diese Vermutung vermerkt, dass bayerische Truppen nur und ausschließlich auf Befehl der Obersten Heeresleitung und nicht auf Befehl des bayerischen Kriegsministeriums zu solch einer Aktion herangezogen würden. Der Kommandeur der im Grenzschutz eingesetzten 4. Infanteriedivision, Prinz Franz von Bayern, war ein weiterer Kronzeuge für mögliche Bedenken. Im Gespräch mit Krafft von Dellmensingen hatte er geäußert, „[. . .] daß er jetzt zu sich nicht mehr das rechte Zutrauen habe, daß er schon seit Tagen nicht mehr schlafen könne und auch gerade bei dieser Aufgabe in seiner Person als bayerischer Prinz eine Gefahr sehe, die die Tiroler mißtrauisch machen könne (Erinnerungen an die Tiroler Freiheitskriege unter Napoleon, Befürchtungen vor bayerischen Annexionsgelüsten). Er möchte daher seinen Posten lieber einem anderen überlassen.“244

Krafft sprach ihm gut zu und konnte ihn davon überzeugen, dass, wenn kein geeigneter Ersatz verfügbar sei, der Prinz seine Aufgabe interimistisch weiterführen werde.245 Zu einem erneuten Protest gegen den Einmarsch kam es am 7. November. Diesmal war es der österreichische Botschafter in Berlin, Prinz Hohenlohe, der sich formell gegen die stattfindenden deutschen Truppentransporte nach Tirol verwehrte. Zur Begründung nannte er: „Nachdem diese militärische Massregel, die ohne Vorwissen der k. u.k. Regierung erfolgte, die Folge zeitigen könnte, dass der Rücktransport der k. u.k. Truppen 243

PAA, R 9132: Berlin (Hintze) am 01.11.1918 (Nr. 2898) zu Nr. A46199. BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1397 f. 245 Letztlich führten die Bedenken des Wittelsbachers zu seiner Absetzung, diplomatisch als Krankmeldung bezeichnet. Krafft hierzu: „Ich befürworte daher, daß der Prinz sich krank meldet und daß zunächst der Brigadekommandeur General Reber, den ich als meinen ehemaligen Mitarbeiter im Kriegsministerium als einen tatkräftigen Mann kenne, in Vertretung die Division führt bis ein neuer Führer zur Stelle ist. Als solchen schlage ich den General von Kleinhenz vor (früher Brigadekdr. im Alpenkorps, dann Kdr. der jetzt aufgelösten 14.b.I. D.), der gerade frei ist und gut für die Aufgabe passen würde. Er war lange im Alpenkorps und ist eine frische und dabei auch gewinnende Persönlichkeit, der auch zu verhandeln weiß und sich in der schwierigen Lage wohl gewandt zurechtfinden wird. Ich hätte ihn sowieso dafür erbitten wollen. Der Kriegsminister hat ihn auch ohne weiteres vorgeschlagen.“ In: BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1398 f. 244

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von der Südtiroler Front ernstlich behindert werden würde und da überdies die Befürchtung naheliegt, dass die Entente daraus eine Verletzung der Waffenstillstandsbedingungen konstruieren könnte, hat das k. u.k. Armeeoberkommando bei der deutschen Obersten Heeresleitung hiegegen formell protestiert.“246

Der Protest wurde in Berlin zwar gehört, aber geflissentlich übersehen. Staatssekretär von Hintze bei der DOHL nahm den Protest zur Kenntnis, die Oberste Heeresleitung entschied aber: „Es wird vorläufig nicht beabsichtigt, auf diesen Protest zu antworten, da Angelegenheit in irgend einer Form bei Waffenstillstandsverhandlungen Erledigung finden wird.“247 Problematisch war auch die Behauptung Hohenlohes, die österreichische Regierung sei nicht informiert gewesen. Dies stimmte – wie gezeigt wurde – nicht. Unterstützt wurde diese Fehlinterpretation Hohenlohes durch die Reaktion der deutschösterreichischen Regierung. Über den Botschafter von Wedel ließ der österreichische Unterstaatssekretär des Äußern, Dr. Otto Bauer mitteilen, dass die Regierung den Protest des K. u. k. AOK nicht teilte, „[. . .] da sie die zur Sicherung der Reichsgrenze insbesondere Bayerns erforderlichen militärischen Schutzmaßnahmen durchaus versteht.“248 Es scheint turbulent zugegangen zu sein, wenn der Botschafter der österreichischen Regierung zunächst protestierte – und der Wortlaut lässt durchaus annehmen auch im Sinne der Regierung und nicht nur im Auftrage des K. u. k. Armeeoberkommandos – und dann von der Regierung dementiert wird. Die Weltpolitische Bedeutung des Einmarsches war den zerlumpten und ausgemergelten österreichisch-ungarischen Soldaten mit Sicherheit nicht wichtig. Für sie zählte nur ein rasches nach Hause kommen. Ein Fernschreiben, das am 6. November um 22.00 Uhr beim bayerischen Kriegsministerium eingegangen war, gab Aufschluss über den Zustand und die Standorte der ehemaligen K. u. k. Truppen.249 Demnach schien sich der Abfluss der österreichisch-ungarischen Truppen auf der Straße über Landeck – nach Abendmeldung des zuständige K. u. k. V. Korps – in ziemlicher Ordnung zu vollziehen. Die 164. Infanteriebrigade marschierte in ziemlicher Ordnung durch Landeck hindurch. Ein anderer Bericht an das bayerische Kriegsministerium ergänzte, dass bei Landeck Österreicher in einer Stärke von etwa 120.000 Mann stünden, „[. . .] auf deren Mitwirkung bei einer Operation unter Umständen gerechnet werden kann, vorausgesetzt, daß Verpfle246 PAA, R 20156: K. u. k. Botschafter Pronz von Hohenlohe in Berlin an das Auswärtiges Amt, am 07.11.1918. 247 PAA, R 20156: Memo von Hintze (DOHL) am 07.11.1918 (Nr. 3044). 248 PAA, R 20156: Botschafter von Wedel an Auswärtiges Amt (Nr. 972), Wien am 06.11.1918. 249 BayKA, MKr 1774/2: Meldung des deutschen Nachrichtenoffiziers beim HGK in Tirol an das bay. KM/Armeeabteilung, am 07.11.1918.

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gung für sie kommt. Verpflegungszufuhr für die Bevölkerung von ganz wesentlicher Bedeutung. Tirol nimmt Truppen sehr günstig auf.“250 In den Ortschaften an den großen Rückmarschstraßen trieben die flüchtenden Kraftfahrer einen schwungvollen Handel mit der Zivilbevölkerung und verkaufen Heeresgut, Lebensmittel und geplünderte Bagagen. Der Nachrichtenoffizier schloss sich der allgemeinen Auffassung an: „Die Verpflegungslage Nordtirols wird allseitig mit großer Besorgnis beurteilt. Verpflegungsvorräte und namentlich Kohlen sind sehr knapp. Zuschübe darin dringend erforderlich.“251 In Steinach am Brenner begann die Einwaggonierung der ersten Gruppen der zurückmarschierenden 74. Honvéddivision. Dies war der erste geschlossen zurückmarschierenden K. u. k. Verband. Das bayerische Kriegsministerium interessierte sich besonders für Informationen von den Feldtransportleitungen, die für den Abschub der Soldaten zuständig waren. Nach Planungen der Feldtransportleitung 7 hätten zwischen dem 1. und 4. November rund 30.000 Mann und am 5. und 6. November je 20.000 Mann durch Bahntransport über Innsbruck Richtung Osten abgeschoben werden können. Hierzu rechnete man weder die selbstfahrbaren Artilleriestücke (Autobatterien), noch diejenigen Formationen, die sich noch im Raum nördlich des Brenners befanden. Die südlich des Brenners beheimateten österreichischen Soldaten (schätzungsweise 20.000 Mann) kamen für die Bahntransportleitung auch nicht in Betracht, da diese selbst ihren Rücktransport in die Heimatorte organisieren mussten. Meist war dies ‚auf Schusters Rappen‘ zu absolvieren. Die circa 10.000 jugoslawischen Soldaten sollten über das Pustertal abgeschoben werden. Im Endeffekt waren es also hauptsächlich die Ungarn und Tschechoslowaken, die per Bahntransport über den Brenner und Innsbruck in die Heimat instradiert wurden. Insgesamt mindestens 100.000 Mann. Diese Schätzungen waren zu diesem Zeitpunkt noch extrem ungenau und könnten laut Aussage des Nachrichtenoffiziers um die Hälfte zu niedrig sein, weil die Zahl der von den Italienern gefangenen und vielleicht zurückbehaltenen Truppen auch nicht annähernd bekannt war. Ziel der Feldtransportleitungen war es: „Sämtliche über den Brenner zurückmarschierenden österr. ung. Truppen sollen in Matrei–Steinach einwaggoniert werden, vorausgesetzt daß notwendiges Leermaterial und Kohlen für Lokomotiven hinreichend zur Verfügung stehen.“252 Diese Abendmeldung vom 6. November lässt sich sehr gut mit dem gleichzeitig stattgefundenen Vormarsch der Deutschen Truppen kontrastie250

BayKA, 1774/2: Telephonmeldung Generalkdo. II. Armee-Korps an bay. KM, 06.11.1918 um 23.00 Uhr. 251 BayKA, MKr 1774/2: Meldung des deutschen Nachrichtenoffiziers beim HGK in Tirol an das bay. KM/Armeeabteilung, am 07.11.1918. 252 BayKA, MKr 1774/2: Meldung des deutschen Nachrichtenoffiziers beim HGK in Tirol an das bay. KM/Armeeabteilung, am 07.11.1918.

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ren. Laut einer Meldung des bayerischen Kriegsministeriums waren die reichsdeutschen Formationen am 7. November vormittags auf folgende Punkte vorgerückt:253 Die 4. Infanteriedivision war mit ihrem Stab und mit dem 4. Infanterieregiment in Innsbruck eingerückt.254 Die Artillerie sollte am gleichen Tag nachfolgen. Der Infanteriedivision (und der bayerischen Brigade Kaiser), war von Krafft zusätzlich ein Sprengkommando zugeteilt worden, das Bahn- und Straßenzerstörungen möglichst weit südlich vorzunehmen hatte, wenn ein feindlicher Anmarsch mit Sicherheit festgestellt werden könnte.255 Das 5. Infanterieregiment wurde mit seinem Stab und einer Maschinengewehr Kompanie in München erwartet. Das Reserveinfanterieregiment 4 war am 6. November um 19.00 Uhr durch Schwarzach in Richtung Tauernpass gefahren. Das Regiment Hoderlein sollte am 7.11. mit Bahn- und Fußmarsch Lermoos erreichen, die Abteilung Finsterer Innsbruck und die Abteilung Schintling Bischofshofen. Von der 7. Reservedivision sollten der Stab und ein Infanterieregiment in Landsberg eintreffen. Als Verfügungsmasse stand die 1. bayerische Reservedivision mit Versammlungsort bei München bereit. Vom Alpenkorps hatte man keine Nachrichten. Auch hier fehlt die Bemerkung nicht, dass die bayerischen Truppen „[. . .] in Österreich zum Teil begeistert empfangen [wurden].“256 Der Truppenarzt der 4. Infanteriedivision traf ebenso am 7. November in Innsbruck ein. Er hatte zuvor noch Anweisungen für einen geordneten Vormarsch gefordert. In seinem Kriegstagebuch notierte er: „Die unterstellte Truppe ist besonders zu belehren, dass Zerstörungen aller Art schärfstens verboten sind. Hiezu gehört vor allem auch das eigenmächtige Herumschleppen von Einrichtungsgegenständen, das oft verbotene Hineinschlagen von Nägeln in Wände, Türen und Möbel, die Aneignung von Lebensmitteln der Einwohner, das eigenmächtige Eindringen in Häuser. Scharfe Bewachung der Wagenparks und sonstigen Eigentums der Truppe wird zur besonderen Pflicht gemacht.“257

Mit dem Schutz der Wagenparks hatte es eine besondere Bewandtnis. Da bekannt war, dass die Zustände in Österreich chaotisch waren und sich die 253 BayKA, MKr 1774/2: Bay. KM Armee-Abteilung, Nachrichten vom II.b.A.K., eingeholt am 07.11.1918 um 09.00 Uhr. 254 Vgl. hierzu folgende Akten: BayKA, Truppenakten 4. bay. Infanteriedivision, Bund 1: Kriegstagebuch mit Beilagen vom 01.01.1918–04.12.1918 sowie Bund 64: Grenzschutz: Taktisches und Organisation 30.10.–25.11.1918. 255 Vgl.: Müller, Krafft, 2002, S. 473. 256 BayKA, MKr 1774/2: Bay. KM Armee-Abteilung, Nachrichten vom II.b.A.K., eingeholt am 07.11.1918 um 09.00 Uhr. 257 BayKA, Truppenakten 4. bay. Infanteriedivision, Bund 103: KTB Divisionsarzt 29.07.1918–20.12.1918.

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Bevölkerung allerorten des ärarischen Zeuggutes bemächtigte, wollte der Divisionsarzt nicht erleben, dass sein kostbares Sanitätsmaterial und die medizinisch-chirurgische Sanitätsausrüstung einfach abhanden kommen. Sogar für seine eigenen Leute verfügte er, dass mit allen Mitteln versucht werden müsse, den Bedarf durch Ankauf zu decken, so lange der Nachschub von rückwärts noch nicht richtig arbeite. Beitreibungen im oben genannten Sinne waren strengstens verboten. Nach Rücksprache des Divisionsarztes mit dem österreichischen Sanitätschef und anderen Behörden, gelang es, das Kloster Wilten beim Berg Isel für die Einrichtung eines Feldlazarettes zu bekommen.258 In Gossensass sollte ein Hauptverbandsplatz eingerichtet werden. Das Feldlazarett 11 sollte im Kloster Wilten unterkommen und das Feldlazarett 12 sollte sich nach Rücksprache mit dem Präsidenten des Roten Kreuzes im Pädagogikum einrichten. Die Zustände, die in Innsbruck herrschten waren chaotisch und anarchistisch. Eines der wenigen Zeugnisse eines bayerischen Augenzeugen bietet die unveröffentlichte Schrift des Pioniers Leonhard Michl. Er war einfacher Soldat im Stab des bayerischen Divisions-Nachrichten-Kommandeurs 4. Am 7. November fuhr er mit seinem Trupp gegen ein Uhr nachts in Hall bei Innsbruck ein: „Jetzt habe ich Zeit, mir das Leben und Treiben einer in Auflösung zurückgehenden Truppe anzusehen; Zug um Zug mit den bekannten österreichischen, wie große Möbelwagen aussehenden Waggons kommt vom Brenner voll besetzt. Auf den Dächern und Puffern sitzt alles dick, Mann an Mann, alle streben nach Norden. Daß dabei die Unglücksfälle vorkommen, ist begreiflich. So liegen viele Tote in und vor den Tunnels. Die auf den Dächern befindlichen Leute haben natürlich bei Nacht das Durchfahren eines Tunnels nicht bemerkt und wurden herabgestreift. Andere werden durch Kohlengase betäubt und lassen los, sie erhascht das gleiche Schicksal. In Hall ist buntes Lagerleben. Die österreichischen Soldaten haben auf dem Bahnhof, wo immer sie gerade stehen, Lagerfeuer entzündet und wärmen sich. Andere, meist Tschechen und ähnliches Gesindel, beschäftigen sich mit dem Ausplündern eines im Bahnhof Hall stehenden Postzuges, in dem fast nur Briefe, die an die Front bestimmt waren, sich befinden. In den zurückfahrenden Zügen sind auch Gefangene untergebracht, wie Russen und Italiener, die anscheinend die Fahrtrichtung verwechseln. Da sie nicht mehr beaufsichtigt werden und unsere Verbündeten schon Waffenstillstand geschlossen haben, können sie ohne Bedenken ihre Heimat aufsuchen. Alles schreit, einer versteht den anderen nicht. Das ist auch einer der großen Überstände im österreichisch-ungarischen Heer, man hat alle Nationalitäten bunt durcheinander gemischt, um den unzuverlässigen tschechischen Bataillonen durch Deutschösterreicher einen Halt zu geben. 258 Vgl.: BayKA, Truppenakten 4. bay. Infanteriedivision, Bund 103: KTB Divisionsarzt 29.07.1918–20.12.1918.

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Unserem Adjutanten gegenüber äußere ich, daß dem deutschen Heer hoffentlich ein derartiger Rückzug erspart bleibt. Andererseits wären wir ja froh, wenn wir auch der Heimat zumarschieren könnten, allerdings in Ehre und mit Waffen. Unsere Bundesgenossen geben auf dies anscheinend wenig. In zerlumpten Uniformen, mit Mantel und Brotbeutel, so streben sie ihrer Heimat zu. Ihre Waffen haben sie in der Stellung einfach liegengelassen. Damit wird eine ungeheuere Disziplinlosigkeit zur Wahrheit, von der man schon in Friedenszeiten schon oft gesprochen hat. In all dem wirren Durcheinander marschieren einige von den Ortschaften selbst aufgestellte Wachmannschaften der Ortswehr mit aufgepflanztem Bajonett, meist junge ungediente Burschen, die hilflos in den Wirrwarr hineinstarren und auch nichts daran ändern können. Unter diesen Eindrücken wird es allmählich Morgen.“259

Im Auto des Kommandeurs fuhr Michel kurz darauf als Quartiermacher von Hall nach Innsbruck. Auf dem Weg begegneten ihm eine Menge Autos, in denen österreichische Offiziere in weiblicher Begleitung saßen. Diese „[. . .] Damen welcher Gesellschaft ist nicht schwer zu sagen, [. . .]“ fehlten in fast in keinem Wagen.260 Laut Michel fuhren diese Automobilisten eben so lange, wie der Benzinvorrat reichte. Dann schob man das Auto auf die Seite der Straße und ging zu Fuß weiter. Ähnlich taten es die Flieger, die landeten wenn kein Betriebsstoff mehr im Tank war, ihre Flugzeuge dann stehen ließen und schauten, dass sie auf andere Weise weiterkamen. Als Michel durch Innsbruck fuhr kam er an einem Park vorbei, „[. . .] in dem bunt durcheinander, Geschütze, Autos, Packwagen, die bei den Österreichern wegen der Gebirgsstraßen recht leicht gebaut sind, und andere Fahrzeuge in Massen stehen, allüberall das gleiche Bild: Die vollkommene Auflösung des Heeres.“261 Ganz anders ging es bei den Truppen zu, die einer Feindberührung immer näher kamen. Am weitesten vorgeschoben waren Gruppen des 9. Infanterieregiments. Dem Regiment war die III. Abteilung des 2. Feldartillerieregiments und eine schwere Batterie unterstellt. Aufgabe war, südlich vom Brennerpass die über den Brenner führende Straße gegen die heranrückenden Italiener zu sperren. In der Nacht vom 5. auf den 6. November waren die Truppen am Bahnhof Aibling verladen und über Rosenheim (Entlausung) Kufstein–Innsbruck–Steinach am Brenner in das Dorf Brenner befördert worden.262 Laut dem Kriegstagebuch des II. Bataillons waren in Kal259 BayKA, HS 2907: Michel Leonhard, „Meine Erlebnisse bei der 4. bayerischen Infanterie-Division im Felde in den Kriegsjahren 1917/1918“, maschinenschriftlich (Fraktur), Frontispiz: Dem bayerischen Kriegsarchiv überreicht im März 1930. 260 BayKA, HS 2907: Michel Leonhard, Erlebnisse bei der 4. bay. I. D. Ähnliche Eindrücke schilderte auch der österreichische Offizier und Enkel desArchitekten und Baumeisters Gottfried Semper: Semper, Freiheit, 1982, S. 55 f. 261 BayKA, HS 2907: Michel Leonhard, Erlebnisse bei der 4. bay. I. D.

VI. ‚Die Bayern kommen!‘ – Einmarsch in Tirol

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tenberg zur Sicherung des Transportes die Waffen scharf geladen und zwei Maschinengewehre an den Anfang des Zuges gebracht worden.263 Man rechnete – entgegen den meisten Nachkriegsdarstellungen – mit einer auflehnenden Haltung der österreichischen Bevölkerung. Die Weiterfahrt über Innsbruck-Matrei auf den Brennerpass vollzog sich jedoch ohne jeglichen Zwischenfall. In der Bahnstation Brenner wurde das Bataillon um 17.00 Uhr ausgeladen und per Fußmarsch unter Marschsicherung nach Pontigl (nördlich Gossensass) verlegt. Dort wurde ein Biwak bezogen.264 Ein Zug der 8. Batterie des 2. Feldartillerieregiments ging am Schelleberg (etwa sieben Kilometer südlich des Brennerbahnhofs) in Stellung, der Stab der III. Abteilung richtete sich in Brennerbad (Hotel Sterzingerhof) ein.265 General Krafft von Dellmensingen resümierte – durchaus selbstzufrieden – am 7. November in seinem Tagebuch: „Bisher ist also der Vormarsch zum Gewinn der Pässe über den Hauptkamm der Alpen überraschend glücklich und programmgemäß vor sich gegangen. Ich habe also gegenüber all den Unken doch recht behalten! Unsere Truppen sind überall von der Tiroler Bevölkerung mit Begeisterung empfangen worden. Auch da haben die Miesmacher arg übertrieben. Sie sind glücklich, daß wir die Wälschen wenigstens von Nordtirol fern halten wollen. Von einem ernstlichen Widerstand also keine Rede.“266

Bleibt zu klären, wo sich die Italiener am 7. November befanden. Eine aus heutiger Sicht seltsam anmutende Information erhielt der deutsche Botschafter von Wedel in Wien von österreichischen Offizieren, die von der italienischen Front zurückkamen. Sie erzählten, dass die Italiener nur zögernd den österreichischen Truppen folgen würden.267 Ein großer Teil der italienischen Armee schiene nicht nach Norden vorzurücken, sondern viel262

Vgl.: Etzel, Hans: Das K.B. 9. Infanterie-Regiment Wrede. Nach den amtlichen Kriegstagebüchern, (Erinnerungsblätter deutscher Regimenter, Herausgegeben für den Anteil der bayerischen Armee vom bayerischen Kriegsarchiv, Bd. 51), Würzburg 1927, S. 155. 263 Vgl.: BayKA, Truppenakten des 9. bay. Inf. Rgt., Bund 34: KTB des II. Bataillons 21.10.1917–03.12.1918. 264 „Das II. und das III. Batl. besetzten die Gossensaß-Stellung, III. westlich, II. ostwärts der Brennerstraße. Die 5. Batt. 2. Feldart.-Regts. ging hinter dem III. Bat. in Stellung. In Brennerbad verblieben der Regts.-Stab, das I. Batl., die III./2. Feldart.-Regts. und die schwere Batterie.“ In: Etzel, Das K.B. 9. Infanterie-Regiment Wrede, 1927, S. 155. 265 Schelleberg ist besser bekannt als Bahnhof auf der Brennerbahnstrecke (italienisch Moncucco) zwischen Brennerbad (Terme di Brennero) und Pflersch (Fleres). Alle drei hier genannten Bahnhöfe sind inzwischen aufgelassen. 266 BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1409. Hervorhebungen wie im Original. 267 PAA, R 20156: Botschafter von Wedel an Auswärtiges Amt (Nr. 982), Wien am 07.11.1918.

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mehr den Waffenstillstand zum Anlass genommen zu haben, in die Heimatorte zurückzukehren. Erklärlich ist diese Aussage sicherlich mit dem rein subjektiven Erleben der genannten Offiziere. Je nach ihrem Standort am 3. beziehungsweise 4. November 1918 kriegten sie von den Ereignissen wenig mit. Sollten sie gar in den Hochgebirgsregionen stationiert gewesen seien, dann dauerte es ohnehin Tage, bis sie in die Täler hinunterkamen und dort Informationen erhielten. Der schnelle italienische Vormarsch in Folge des verzögerten Waffenstillstandszeitpunktes ließ die Berg- und Gipfelstellungen völlig isoliert liegen. Zu beachten ist jedoch, dass dieser schnelle Vormarsch sich mit Inkrafttreten des Waffenstillstandes am 4. November außerordentlich verlangsamte. Bis zum 6. November hatten die Italiener noch nicht einmal Bozen erreicht. Dies ging unter anderem aus einem Bericht des deutschen Konsulats in Innsbruck hervor. Darin wird die aktuelle Situation sehr anschaulich geschildert: Die Pässe am Brenner seien verstopft und nur ein „[. . .] schwacher Faden zwingt sich durch“, was das Tempo verlangsamte.268 Die italienischen Truppen wurden dadurch stark behindert. Die andere große Kolonne komme von Reschenscheideck und wälze sich über das obere Inntal auf Innsbruck zu. „Im großen und ganzen befriedigende Abwickelung. [. . .] Hauptsrom wälzt über Kärnten nach Osten. Gegen 20.000 Mann kommen hier täglich mit Eisenbahn durch. [. . .] Die in Deutschland verbreiteten Gerüchte über Mordbrennen, Plündern bis jetzt alle unwahr, jedoch Lage sehr ernst.“269 Nach Meldung der österreichischen 11. Armee hatten die Italiener am 5. November gegen 14.00 Uhr Neumarkt erreicht und gelangten um 15.00 Uhr nach Reschenscheidegg.270 Eine italienische Kompanie erreichte gleichzeitig Schlanders. Auch der Mendelpass sei vom Feind besetzt. Mit Sterzing und Villach bestand um 18.00 Uhr des gleichen Tages noch Fernsprechverbindung. Die Fernsprechbeamtin in Igls hatte vormittags von Stationen südlich des Brenners erfahren, dass die Italiener noch nicht über Salurn vorangekommen seien.271 Nach Aussage eines am 6. November von Brixen nach Innsbruck mit Kraft268 PAA, R 20156: Konsulatssekretär Jecke an Auswärtiges Amt (Nr. 15), Innsbruck am 06.11.1918. 269 PAA, R 20156: Konsulatssekretär Jecke an Auswärtiges Amt (Nr. 15), Innsbruck am 06.11.1918. 270 Vgl. BayKA, MKr 1833: Fernsprechmeldung (Nr. 285622) von Hptm. Kliewer (Verb.Offz. bei HG Tirol) an bay. KM. 271 Vgl. BayKA, MKr 1833: Abschrift der Abendmeldung an die OHL (Nr. 285614) am 06.11.1918. Einen Tag zuvor hatte die Telefonbeamtin in Igls versprochen, sich mit den Stationen südlich des Brenner in Verbindung zu setzen. Dabei fiel der erstaunliche Satz: „Sie würde ganz genau obacht geben, wie weit der Feind komme, denn sie habe eine große Angst vor ihm, besonders vor den Amerikanern.“ In: BayKA, MKr 1774/2: bay. KM/Armee-Abteilung am 05.11.1918.

VII. Das Gefecht, das nicht stattfand

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wagen gefahrenen K. u. k. Generalstabshauptmannes sollen am Nachmittag dieses Tages allerdings zwei Lastkraftwagen mit 30 bis 40 italienischen Soldaten und ein Personenkraftwagen mit italienischen Offizieren bereits durch Brixen nordwärts gefahren sein, um sich im Pustertal zu orientieren.272 Das Grenzschutzkommando Nauders meldete am 7. November früh 2 Bataillone Alpini unbekannter Zugehörigkeit im Raume Mals–Spondinig– Prad, unterstützt durch eine Maschinengewehr Kompanie.273

VII. Das Gefecht, das nicht stattfand – Unblutige Grenzverteidigung und Rückzug Das weit vorgeschobene 9. Infanterieregiment hatte den Auftrag, noch unbedingt bis Franzensfeste vorzugehen. Dieses beeindruckend Festungsbauwerk aus massigen Granitquadern, an der Vereinigung des Eisack- und des Pustertals gelegen, sperrte diese beiden Täler ab. In den Jahren 1833 bis 1839 errichtet war es nach Kaiser Franz I. von Österreich benannt worden und zu dieser Zeit auch das stärkste Festungswerk Europas. Während des Weltkrieges war es zu weit vom Frontgeschehen entfernt. Die Verteidigungsarchitektur war auch veraltet und hätte modernen Belagerungsgeschützen nicht standgehalten. Allerdings war es für die italienischen Truppen sehr schwer, adäquate Artillerie zur Bekämpfung der Festungsbesatzung rechtzeitig herbei zu schaffen. Auf den angrenzenden Höhen des Tales sollten die von den Österreichern angelegten ausgedehnten Stellungen und Feldbefestigungen durch deutsche Truppen besetzt werden. Die alte Franzensfeste war nicht ganz ohne Wert, weil sie aus – für Infanterie- und leichtes Artilleriefeuer – sehr widerstandsfähigem Mauerwerk bestand und in ihr Festungssystem die Brücke über den tiefen Tobel nach dem Pustertale integrierte. Aus bayerischer Sicht sollte die Anlage im November 1918 ihrer ursprünglich zugedachten Verwendung zugeführt werden: Verhinderung eines (italienischen) Durchbruchs in Richtung Brenner. Das III. Bataillon des 9. Infanterieregiments besetzte den 15 Kilometer südwestlich von Sterzing gelegenen Jaufenpass, um den von Meran her durch das Passeiertal in das Eisacktal führenden Übergang zu sperren. Das währenddessen auf Gastein vorgeschickte Detachement war sicher bis Sankt Veit (an der Salzach) – also noch östlich des Eingangs zum Gasteiner Tal – gelangt.274 Das Königlich Bayerische 2. Feldartillerieregiment Horn war am 8. November Großteils in Innsbruck eingetroffen. Die 3. Batterie hatte im 272

Vgl. BayKA, MKr 1833: Fernsprechmeldung (Nr. 287105) von Hptm. Kliewer (Verb.Offz. bei HG Tirol), Ankunft in München 07.11.1918 um 11.20 Uhr. 273 Vgl. BayKA, MKr 1833: Fernsprechmeldung (Nr. 287105). 274 Vgl.: BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1408.

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Marsch, ohne Zugverbindung, auf den Brenner vorzurücken. Der Rest der I. Abteilung und die leichte Maschinengewehrkompanie 134 kamen in Unterkünfte nach Hall, da diese Stadt einen Hilferuf wegen revoltierender Banden ausgestoßen hatte und dringend militärischen Schutz erbat. Der Regimentsstab und Stab der II. Abteilung wurden in Innsbruck, die übrigen Batterien und die leichte Munitionskolonne 135 im Barackenlager Reichenau untergebracht, die 9. Batterie vom 10. November an in einer Ziegelei bei Völs.275 Ebenfalls von Völs aus sollte der Munitionsnachschub organisiert werden.276 Die Vorausabteilungen, die dem 9. Infanterieregiment zudetachiert waren, befanden sich am Brenner. Von der 8. Batterie wurden am 7. November vormittags zwei Geschütze am Wechselhof südlich zwischen Brenner und Gossensass in Stellung gebracht, ein Geschütz blieb am Schelleberg und das letzte unter Leutnant d.R. Hirschmann rückte zum I. Bataillon des 9. Infanterieregiments nach Franzensfeste, wo es am Abend eintraf. Nachmittags rückte Sergeant Leiß mit einem Geschütz zur Unterstützung der Infanterie nach dem Jaufenpass ab.277 Auch die 5. Batterie des 4. bayerischen Fußartillerieregiments traf auf dem Brenner ein, wurde bei Schelleberg in Stellung gebracht und am Nachmittag nach Franzensfeste vorbefohlen. Am 8. November morgens um fünf Uhr marschierte Leutnant Körner mit den beiden letzten Geschützen der 8. Batterie vom Wechselhof gegen Sterzing vor.278 Obwohl es nicht zu ausgedehnten Kämpfen kam, verharrten die Bayern aber auch nicht untätig in ihren Feldbefestigungen. In einem Kommandounternehmen sprengten sie eine Eisenbahnbrücke südlich von Brixen. General Krafft war außer sich ob dieser unbedachten Handlung.279 Ein ähnliches 275 Vgl.: Brennfleck, Joseph Karl: Das Königlich Bayerische 2. Feldartillerie-Regiment Horn, Band II.: Das Regiment im Weltkrieg – Kriegsformationen (Erinnerungsblätter deutscher Regimenter, Herausgegeben für den Anteil der bayerischen Armee vom bayerischen Kriegsarchiv, Bd. 91), München 1939, S. 617 f. Siehe auch: BayKA, Truppenakten, 2. Feldartillerieregiment, Bund 51: Divisionsbefehl vom 8.11.1918 (Ia/Nr. 10767) und besondere Anordnungen vom 08.11.1918, 4.bay. ID. Ib. 276 Im Regimentsbefehl vom 8. November wurde festgehalten: „Div.[isions] Mun.[itions] Depot für Inf. u. Art. Mun. ist in Völs (4 km westl. Innsbruck) in Sägewerk eingerichtet. Über Nahkampfmitteldepot erfolgt noch Befehl. Für die eingesetzten Truppen wird die Mun. mit Bahn nach Brennerbad vorgeführt. Hier ist durch Art. Kdr. eine Umschlagstelle einzurichten. Die Zuweisung von Lastkraftwagen an 9.I. R. ist beabsichtigt.“ In: BayKA, Truppenakten, 2. Feldartillerieregiment, Bund 44: Besondere Anordnungen 08.11.1918, 4.bay. ID. Ib. 277 Vgl.: Brennfleck, 2. Feldartillerie-Regiment Horn, 1939, S. 619. 278 Vgl. ibid. 279 Noch schlimmer fiel das Urteil Kraffts aus, als er am 6. November erfuhr, dass ein Sprengpatrouillen-Führer eine Eisenbahnbrücke bei Albeins südlich von Brixen gesprengt hatte: „[. . .] viel zu weit nördlich! Der Mann fürchtete aber, weiter

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Unterfangen am Tauernpass war ebenso nur bedingt von Erfolg gekrönt. Die über den Tauerntunnel von Gastein vorgedrungene Sprengpatrouille meldete an das Generalkommando, „[. . .] sie habe südlich des Tunnels keine leicht zerstörbare Brücke vorgefunden und habe daher nördlich des Tunnels eine Brücke bei Hofgastein gesprengt.“280 General Krafft notierte darauf seine sehr kritische Ansicht zu diesem Vorgehen in seinem Kriegstagebuch: „Das ist ganz gegen ihre Anweisung – eine kapitale Dummheit! Solche Sprengkommandos richten allzu leicht Unheil an, man kann ihnen einschärfen, was man will. Bei Hofgastein befinden sich meist hohe Viadukte am Berghang. Es wäre eine arge Erschwerung für uns, wenn sie einen solchen erwischt hätten. Das Nähere muß erst festgestellt werden. Von Hofgastein bis zum Tunnel sind es noch 15–20 km und wir wollten doch noch vorwärts bis Spittal. Aber es ist doch zu hoffen, daß wir wenigstens den Tunnel sicher in die Hand bekommen.“281

So urteilte General Krafft über die eingesetzten Sprengkommandos. Deshalb hatte er auch eine großflächige Grenzverteidigung mit Einsatz größerer Truppenmengen favorisiert. Ausgeprägte Angriffs- und Kampfeslust zeigten auf der feindlichen Seite der neuen Front aber auch die italienischen Soldaten nicht. Der Wunsch nach Frieden und gesunder Rückkehr war bei ihnen ebenfalls größer als das Verlangen nach weiteren Eroberungen. Die einzige deutsche Formation, die deshalb tatsächlich Feindberührung hatte – wenn man von den Sprengkommandos absieht – war das 9. Infanterieregiment. Die Regimentsgeschichte äußerte sich nur in einem kurzen, lapidaren Abschnitt zu den erwarteten Kampfhandlungen: „Die Italiener erschienen vor Franzensfeste. Kämpfe standen unmittelbar bevor, trotz aller Bitten der Ortsgemeinden, dem Lande die Schrecken des Krieges zu ersparen. [. . .] die 4. Inf.-Div. erhielt Befehl, sich in keinen Kampf einzulassen, sondern hinter die Landesgrenze zurückzugehen.“282

Was war aber alles geschehen in dieser – zugegeben kurzen – Zeitspanne? Laut dem Divisionstagesbefehl vom 9. November waren am Tag südlich schon auf die Italiener zu stoßen und wollte wenigstens ein Mal eine Unterbrechung der Bahn herbeiführen. Er konnte sich ungesehen der Brücke nähern, der dort aufgestellte Posten schlief. Auch nach der Sprengung ist anscheinend nicht bemerkt worden, wer sie ausgeführt hat. Der Mann behauptet die Sprengung sei wirksam, die Brücke jedenfalls unbenützbar, wiewohl sie nicht heruntergefallen sei und er auch nicht garantieren kann, daß sie herunterfallen wird. Was richtig ist, läßt sich schwer nachkontrollieren. Es ist oder wäre schon wertvoll. wenn die Italiener nicht mit der Bahn weiter als bis nach Brixen gelangen können. Vielleicht läßt sich später noch südlicher etwas ausrichten“ In: BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1407. 280 BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1408. 281 BayKA, NL Krafft 299: KTB S. 1408. 282 Etzel, Das K.B. 9. Infanterie-Regiment Wrede, 1927, S. 155.

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zuvor, also am besagten 8. November, italienische Abteilungen in einer Stärke von 400 bis 500 Mann in Brixen eingetroffen. Deren Patrouillen fühlten gegen Franzensfeste vor.283 Um 16.45 Uhr war in Pontigl von den bayerischen Truppen in der Franzensfeste die Meldung eingetroffen, dass der Feind von Brixen auf Franzensfeste mit zwei italienischen Alpini Kompanien am Vorrücken sei. Daraufhin wurde zusätzlich die Stellung bei Hochwied besetzt.284 Das Divisionstagebuch der 4. Infanteriedivision gibt ein wenig mehr Auskunft. Die Italiener waren mit ihrem Gros in Brixen eingerückt und gingen gegen Franzensfeste vor.285 Ein ungenannter italienischer Oberst, mit dem durch Vermittlung des österreichischen Bahnpersonals Verbindung bestand, erklärte den Bayern, er habe Befehl, spätestens bis zum 9. November Franzensfeste zu erreichen.286 Um unnötiges Blutvergießen zu vermeiden und auf Fürsprache der Vertreter der Tiroler Gemeinden baten die bayerischen Vorausabteilungen in Franzensfeste bei ihren Vorgesetzten Stellen um Zurücknahme der Verteidigungslinie. Die Anfrage wurde über die Division an das Generalkommando des II. Armeekorps weitergeleitet, welches eine Absetzbewegung des 9. Infanterieregiments auf Gossensass befahl.287 Im Militärdeutsch lautete dies. „Die Division nimmt gem.[äß] Korpsbefehl die nach Franzensfeste und Jaufenpaß vorgeschobenen Sicherungen auf die Gossensass Stllg. [= Stellung] zurück. Die Gossensass-Stllg. ist durch verstärktes 9.I. R. zu halten.“288 Der Befehl zum Halten galt nur bis zum nächsten Tag. Am 10. November rücken die Italiener gegen Gossensass vor. Der italienische Divisionskommandeur General Rossi, erklärte – wie Tags zuvor sein Untergebener – er habe Befehl, noch heute den Brenner zu erreichen. Zur gesamten Räumung Tirols nördlich des Brenners wolle er Zeit bis zum 13. November lassen (3 mal 24 Stunden). Die Verteidigung wurde daraufhin aber sofort und ohne Zeitverlust, gemäß Befehl des bayerischen Generalkommandos, nach Matrei zurückver283 BayKA, Truppenakten 4. bay. Infanterieregiment Bund 8, Divisions Befehl (Ia/Nr. 10772) der 4. bay. I. D. vom 09.11.1918. 284 Vgl.: BayKA, Truppenakten des 9. bay. Infanterieregiments, Bund 34: KTB des II. Bataillons 21.10.1917–03.12.1918. 285 In der Mitteilung an das italienisch Comando Supremo am 08.11.1918 hieß es „Vengo ora a conoscenza che in Franzensfeste trovansi da ieri 1500 bavaresi con una batteria e mitragliatrici che hanno occupato forte e dicono essere venuti per mettere ordine. Bolzano è tranquilla. Ritirata truppe austriache procede ordinata.“ In: Ministero delle Guerra (Hg.), L’esercito, V, Dokumentenband, 1988, S. 1220. 286 Vgl.: BayKA, Truppenakten 4. bay. Infanteriedivision, Bund 1: Kriegstagebuch mit Beilagen vom 01.01.1918–04.12.1918. 287 Vgl.: BayKA, Truppenakten 4. bay. Infanteriedivision, Bund 1: Kriegstagebuch mit Beilagen vom 01.01.1918–04.12.1918. 288 BayKA, Truppenakten 4. bay. Infanterieregiment Bund 8, Divisions Befehl (Ia/Nr. 10772) der 4. bay. I. D. vom 09.11.1918.

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legt.289 Später trat noch der Befehl des Generalkommandos hinzu, dass der Grenzschutz komplett an die bayerische Landesgrenze zurückzuverlegen sei. Ein Teil der Truppen wurde noch am 10. November in Marsch zu ihren neuen Unterkünften im Inntal gesetzt. Dieser Befehl regelte, dass das Zurücknehmen der nach Tirol und in das Salzkammergut vorgeschobenen Truppen „[. . .] sogleich einzuleiten u. entsprechend dem Nachfolgen der Entente-Truppen derart abschnittsweise durchzuführen [sei], daß Kämpfe vermieden werden, aber der Abfluß der österr.-ungarischen Truppen möglichst lange gesichert wird.“290 Explizit wurde verboten, jetzt noch Zerstörungen an Bahnen und Straßen vorzunehmen. Der Autor Karl Friedrich Nowak behauptete in seinem Werk: „Auf der Brennerhöhe brach der Schienenstrang ab. Bayerische Truppen, die zur Sicherung ihrer Heimat bis hierher vorgeschoben waren, hatten die Stränge aufgerissen.“291 Diese Behauptung von Nowak lässt sich keineswegs durch das Studium der Akten stützen. Nirgends ist konkret auf die Zerstörung der Schienenstränge hingewiesen. Es wäre ohnehin erst sinnvoll geworden, die Schienen zu zerstören, nachdem sich die bayerischen Vorhuten von Franzensfeste abgesetzt hatten. Angst vor Verwüstungen hatten vor allem die Vertreter der angrenzenden Gemeinden. Im obigen Zitat der Regimentsgeschichte sind die ‚Bitten der Ortsgemeinden‘ bereits angeführt. Konkret äußerte sich dies dahingehend, dass die Honoratioren ihre Bitten und Wünsche formulierten und sie am 8. November an die deutsche Besatzung der Franzensfeste überbrachten.292 Ein bunter Haufen vom Landtagsabgeordneten angefangen, über Bürgermeister, Bahnsekretär, Pfarrer, bis hin zum Postassistenten sprach da vor. Die Vertreter des oberen Bezirks Franzensfeste und des unteren Bezirks Brixen baten um umgehende Weiterleitung ihrer Vorstellungen an das deutsche Oberkommando „[. . .] mit dem dringenden Ersuchen an dieses, es möge unsere Fragen zur Beruhigung u. Aufklärung der uns anvertrauten Bevölkerung umgehend beantworten.“293 Die wichtigste Feststellung war, dass man 289 In der Weitergabe der Informationen über das Generalkommando an die DOHL hieß es: „Italiener der 6. Division in Sterzing eingerueckt, hatten Befehl, heute noch den Brenner-Pass zu besetzen. 9.bayer. I. R. wurde Mittags von Gossensass nach Matrei zurueckgenommen.“ In: BayKA, NL Krafft 179: Gen. Kdo. II. b. A. K. Abendmeldung an O. H. L., am 10.11.1918. 290 BayKA, Gen. Kdo. II. b. A. K., Bund 93: Korpsbefehl (Nr. Ia/Nr.2403) des Generalkommandos II.b.A.K. vom 10.11.1918. 291 Nowak, Karl Friedrich: Chaos, München 1923, S. 168. 292 Vgl. auch: Bayerische Staatszeitung, „Die Bayern in Tirol“, Nr. 264 vom 13.11.1918, S. 1. 293 BayKA, Gen. Kdo. II. b. A. K., Bund 93: handschriftlich notierte Meldung der 4. bay. I. D. an das Generalkommando, am 08.11.1918 um 21.25 Uhr.

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aushalten werde, solange man irgend könne. ‚Aushalten‘ wurde leider nicht genauer definiert. Ob damit ein aktiver Widerstand gegen die anrückenden Italiener gemeint war bleibt unklar. Wenn ein ‚Aushalten‘ aber nicht mehr möglich sei, ließ man anfragen, ob dann das deutsche Militärkommando Evakuierungszüge in genügender Zahl zur Verfügung stellen werde, „[. . .] die unsere bedauernswerte Bevölkerung mit den notwendigsten Habseligkeiten und Verpflegung für 8 Tage fortbringen [werden]?“294 Noch wichtiger war die Frage nach den finanziellen Einbußen. Werde die bayerische Regierung für den Schaden, den sie anrichtet, aufkommen? Zu guter letzt fragte man sich ohnehin: „Zu welchem nutzbringenden Ergebnis sollen die jetzigen Kampfhandlungen führen (wörtlich: um welchen Preis setzt die teutsche Generalleitung Tirol in ein Kriegsgebiet um?)“295 Die genaue Reaktion des bayerischen Generalkommandos auf diesen Fragenkatalog lässt sich nicht mehr eruieren. Die sich überschlagenden Ereignisse sind sicher ein Grund für eine unvollständige Antwort. Sicher ist die niedergeschriebene Reaktion auf den letzten Punkt der Bitten: „Die Besetzung des Brenner u. Tauernpasses durch unsere Truppen bildet einen wirksamen Schutz gegen Angriffe der Ententetruppen, da die wichtigsten Pässe namentlich im Winter mit verhältnismäßig schwachen Kräften gesperrt werden können. Sobald der Waffenstillstand geschlossen ist, fällt dieser Grund weg u. kann der Grenzschutz lediglich als Polizeisperre auf bayr. Gebiet verlegt werden.“296 Dazu war es nun gekommen. Der Korpsbefehl vom 10. November verlegte den Grenzschutz zurück auf bayerisches Staatsgebiet. Die Räumung Tirols wurde, abgesehen von der Zwecklosigkeit der Besetzung infolge des unmittelbar bevorstehenden deutschen Waffenstillstandes, auch durch den Umsturz in der Heimat erforderlich. Im Verlauf der vom Kieler Matrosenaufstand ausgegangenen reichsweiten Novemberaufstände zum Ende des Ersten Weltkrieges waren die revolutionären Umwälzungen auch in Bayern angekommen.297 Der aus Berlin stammende Journa294

BayKA, Gen. Kdo. II. b. A. K., Bund 93: Meldung der 4. bay. I. D. an das Generalkommando, am 08.11.1918. 295 Die Klammer mit der wörtlichen Wiedergabe ist wie im handschriftlichen Original übernommen (Anm. d. Verf.). BayKA, Gen. Kdo. II. b. A. K., Bund 93: Meldung der 4. bay. I. D. an das Generalkommando, am 08.11.1918. 296 BayKA, Gen. Kdo. II. b. A. K., Bund 93: Notiz des Armeekorps (Ia Nr. 2599 geh) am 09.11.1918. 297 Vgl. beispielsweise: Möckl, Karl: Monarchie und Republik Bayern. Zur Bedeutung der Bamberger Verfassung von 1919, in: Stammen, Theo/Oberreuter, Heinrich/Mikat, Paul (Hg.): Politik – Bildung – Religion. Hans Maier zum 65. Geburtstag, Paderborn/München/Wien 1996, S. 177–196. Ebenso: Hümmert, Ludwig: Bayern. Vom Königreich zur Diktatur 1900–1933, Pfaffenhofen 1979, S. 86 ff. Auch: Zimmermann, Werner G.: Bayern und das Reich 1918–1923. Der bayerische Föderalismus zwischen Revolution und Reaktion, München 1953.

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list Kurt Eisner, der gleichzeitig Vorsitzender der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) in Bayern war, führte zusammen mit dem Vertreter des revolutionären Flügels des Bayerischen Bauernbundes, Ludwig Gandorfer, im Anschluss an eine Massenkundgebung auf der Theresienwiese am 7. November 1918 einen stetig größer werdenden Demonstrationszug zuerst zu den Garnisonen Münchens, und dann ins Stadtzentrum an. Erstaunlicherweise war er dort auf keinen nennenswerten Widerstand gestoßen. In der Nacht zum 8. November 1918 wurde in der ersten Sitzung der Arbeiter- und Soldatenräte die Republik Bayern als Freistaat ausgerufen. Es bildete sich ein provisorischer Nationalrat in Bayern, in dem Kurt Eisner Ministerpräsident und Außenminister wurde. Neuer Minister für militärische Angelegenheiten wurde der SPD Politiker Albert Roßhaupter.298 Der Zusammenbruch des Besatzungsheeres in Bayern und damit das Wegbrechen der rückwärtigen Strukturen und der Logistik bedeutete auch das Ende für die Grenzverteidigung in Tirol. Am 9. November erreichte die Nachricht vom Umbruch die in Tirol stehenden Truppen. Gegen halb sechs Uhr abends fiel einem Soldaten des 9. Infanterieregiments eine Zeitung in die Hände, die den Soldaten die Neuigkeiten verkündete.299 Damit mussten sie nun nicht mehr das Königreich sondern den Freistaat Bayern verteidigen. Die Mitteilung verbreitete sich wie ein Lauffeuer und wurde von den Mannschaften sogleich ausgenützt. Sie verweigerten teilweise den Dienst. Die 6. Kompanie des 9. Regiments (II. Bataillon), die den Befehl hatte sofort nach Sterzing vorzurücken weigert sich dies auszuführen und erklärte, dass sie sogleich den Rückmarsch antrete. Um 20.00 Uhr wurde dem Bataillonsstab zur Kenntnis gebracht, dass die 6. und 7. Kompanie zwei Stunden später ebenso den Rückmarsch antreten würden.300 Gutes Zureden des Bataillonskommandeurs und der Kompanieführer war wirkungslos. Die beiden Kompanien marschierten ab Auch die Biographie zum letzten Bayernkönig gibt einige aufschlussreiche Details: Beckenbauer, Alfons: Ludwig III. von Bayern 1845–1921. Ein König auf der Suche nach seinem Volk, Regensburg 1987. 298 Zum Übergang der alten Armee in die Reichswehr auch: Tapken, Kai Uwe: Die Reichswehr in Bayern von 1919 bis 1924 (Studien zur Zeitgeschichte Bd. 26), Hamburg 2002, S. 61 ff. Ebenso der Aufsatz: Kluge, Ulrich: Die Militär- und Rätepolitik der bayerischen Regierungen Eisner und Hoffmann 1918/1919, in: Militärgeschichtliche Mitteilungen, Nr. 13, 1/1973, S. 7–58. 299 Vgl.: BayKA, Truppenakten des 9. bay. Infanterieregiments, Bund 34: KTB des II. Bataillons 21.10.1917–03.12.1918. 300 Vgl.: BayKA, Truppenakten des 9. bay. Infanterieregiments, Bund 34: KTB des II. Bataillons 21.10.1917–03.12.1918. Hierzu ebenso: BayKA, Truppenakten des 9. bay. Infanterieregiments, Bund 35: KTB des II. Bataillons mit Anlagen zum KTB 06.01.1918–29.11.1918.

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und nur die Kompanieführer, die Kompaniefeldwebel und einige wenige ältere Dienstgrade und Mannschaften blieben zurück. Ein ähnliches Bild bot sich bei den anderen Grenzschutzregimentern. Unter den Soldaten war es weit verbreitet, den nationalen Umwälzungen dadurch Ausdruck zu verleihen, dass sie die Reichskokarde an der Dienstmütze und die Schulterklappen abtrennten. Vereinzelt tauchten auch rote Kokarden auf. Der Kommandeur des 2. Feldartillerieregiments aus Würzburg versuchte mit einem Regimentsbefehl an das gute Gewissen seiner vom Brenner heimströmenden Artilleristen zu appellieren. „Jeder Mann hat die von seinen Vorgesetzten befohlene Kokarde zu tragen. Eigenmächtigkeiten werde ich mit aller Strenge bestrafen. Ich erwarte jedoch von dem guten Geist meines Regiments dass dieser Hinweis genügen wird, Ausschreitungen zu verhindern. Sollten einzelne unbotmäßige Elemente ausschreiten, so erwarte ich von der Masse meiner Untergebenen, deren guten Geist und Disziplin ich kenne, dass sie derartige Leute durch kameradschaftliche Belehrung auf den richtigen Weg führen.“301

Seine Erwartungen erfüllten sich nicht. Auch seine Soldaten verweigerten den Offizieren teils den Gruß und entfernten die kaiserlichen Zeichen.302 Beim 4. Infanterieregiment, das in Barackenlagern in Innsbruck zur Sicherung der Ordnung untergebracht war, ordnete der Regimentsführer, Hauptmann Rauch, am 9. November persönlich in der Kaserne an, dass die roten Kokarden abzunehmen seien.303 Seiner Aufforderung wurde laut der Regimentsgeschichte willig nachgekommen aber eine kritische Betrachtung lässt daran zweifeln. Man könnte behaupten, dass das Verändern der Uniform nicht das schlimmste ist und hat damit insofern Recht, als dass eine gewisse Grunddisziplin immer noch vorhanden war. Der Pionier Michl in Innsbruck schrieb über diesen 9. November: „Von unserer Funker-Abteilung wird eine Station am Iselberg errichtet, die vorher in der Realschule untergebracht war. Von ihr werden wir mit Nachrichten von der O. H. L. versorgt. Das Benehmen der Offiziere stellt sich auch auf die neuen Verhältnisse um, man findet sich mit dem Unvermeidlichen ab. Bemerkenswert ist, daß die deutschen, im Gegensatz zu den österreichischen Offizieren, ihre Mannschaften trotz allem noch in der Hand haben. So kommt ein österreichischer Hauptmann zu unserer Division und bittet in österreichischer Höflichkeit um den Schutz von Deutschen, weil seine Leute gegen ihn tätlich geworden sind.“304 301 BayKA, Truppenakten 2. Feldartillerieregiment, Bund 26: Stab KTBs mit Anlagen Januar 1918–Oktober 1918, hier: Regimentsbefehl Nr. 281, vom 09.11.1918. 302 Vgl.: Brennfleck, 2. Feldartillerie-Regiment Horn, 1939, S. 622. 303 Vgl.: Kleinhenz, Das K.B. 4. Infanterie-Regiment, 1926, S. 254. 304 BayKA, HS 2907: Michel Leonhard, Erlebnisse bei der 4. bay. I. D.

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Tags darauf, am 10. November, wurde der Grenzschutz an die bayerische Landesgrenze zurückverlegt. Die Division erhielt den Abschnitt Lermoos– Garmisch einschließlich bis zum Inntal zugewiesen. Die Zurücknahme der Truppen sollte sofort eingeleitet werde, was aufgrund der Ereignisse ohnehin schon überholt war. Die Soldaten befanden sich bereits auf dem Rückmarsch. Die neue Aufgabe des Grenzschutzes war, an der Landesgrenze in erster Linie die Durchführung polizeilicher Vorschriften zu garantieren. Im Endeffekt also eine verstärkte Präsenz der Grenzgendarmerie. Man rechnete immer noch mit dem möglichen Einruch sengender und plündernder Horden, die die Grenze einfach überrennen könnten. Wenn keine Möglichkeit eines Zugtransportes zur Verfügung stünde, dann sollten die Fußmärsche hauptsächlich auf den Strassen über Mittenwald und durch das Achental erfolgen. Schwerpunkt der neuen Aufstellung sollte auf die Strasse von Lermoos und Innsbruck gegen Garmisch und auf das Inntal gelegt werden. Dahinter sollte eine Reserve zur raschen Verschiebung an bedrohte Punkte aufgebaut werden.305 Der 11. November 1918 brachte den ersehnten Waffenstillstand auch für das Deutsche Reich. An alle Stationen wurde der Befehl General Groeners gedrahtet: „Der Waffenstillstand ist unterzeichnet worden. Alle Feindseligkeiten werden heute, den 11. November, um 11. Uhr 55 vorm. eingestellt. Verbrüderung eigener Mannschaften mit feindlichen ist zu verhindern. Die Verbände sind zu ordnen, Versprengte sind zu sammeln. Urlaub ist nicht zu gewähren.“306

Die Morgenmeldung des bayerischen Kriegsministeriums an die Heeresleitung am 11. November hatte noch vermerkt, dass die Rücknahme der Truppen aus Vorarlberg und dem Salzkammergut an beiden Flügeln des Grenzschutzes hinter die bayerische Grenze im vollen Gange sei.307 Die Mitte, also die 4. bayerische Infanteriedivision würde in drei Tagesmärschen die deutsche Grenze erreichen. Am 11. November standen die letzten Bagagen noch in Hall und eine Nachhut in Matrei. Beim Rückmarsch der deutschen Truppen durch Salzburg wurde auf Ansuchen der österreichischen Behörden ein großer tschechischer Transport 305 BayKA, Truppenakten, 2. Feldartillerieregiment, Bund 51: Divisionsbefehl vom 8.11.1918 (Ia/Nr. 10767) und besondere Anordnungen vom 08.11.1918, 4.bay. ID. Ib. 306 BayKA, NL Krafft 179: Auszug aus Fernschreiben Ia/Gröner Ia/11410 geh. Op. vom 11.11.1918, fernmündlich u. a. an Rgt. Hoderlein, 4.bay. ID, Brig. Kaiser. 307 BayKA, NL Krafft 179: Gen. Kdo. II. b. A. K. Morgenmeldung an O. H. L., am 11.11.1918.

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durch bayrische Truppen entwaffnet.308 Zum Dank beschenkten die Österreicher ihre ‚Beschützer‘ mit Schlachtvieh und Zugpferden. Dies war aber anscheinend eine Ausnahme. Einen Tag vor der reichsdeutschen Kapitulation meldete der deutsche Botschafter in Wien einen unerwartet geordneten Rückmarsch der österreichisch-ungarischen Truppen. Die Lage hatte sich anscheinend etwas entspannt. Nicht nur bei den Kampftruppen, sondern auch „[. . .] in den Abtransport der Truppen hinter der Front scheint mehr und mehr Ordnung zu kommen.“309 Anscheinend waren die früheren Meldungen „[. . .] größter Verwirrungen und Plünderungen“ übertrieben gewesen.310 Die Erstürmung einiger Proviantmagazine konnte aber nicht geleugnet werden, da Wedel sich bewusst war, dass manche Gegenstände wie etwa Leinen von den Soldaten in unglaublichen Mengen verkauft wurden. Am 12. November hatten alle deutschen Truppen Innsbruck geräumt. Der Divisionsstab verließ als letzter um 10.00 Uhr vormittags die Stadt und fuhr in Kraftwagen nach Garmisch zum 5. Infanterieregiment.311 Das Generalkommando des II. bayerischen Armeekorps war nach wie vor dafür verantwortlich, dass die Grenze Bayerns gegen das Einströmen von Flüchtlingen, von Banden et cetera gesperrt blieb. Der neue Minister für militärische Angelegenheiten Roßhaupter erließ dazu einen Aufruf an die Bevölkerung. Er beklagte eine Störung des Dienstbetriebs, weil dem Besatzungsheer durch die Revolutionäre und Zivilisten in großer Menge Fahrzeuge aller Art entwendet wurden. Die Kraftfahrzeuge, pferdebespannten Fahrzeuge und Pferde seien „[. . .] den Stellen, denen sie gehören, baldigst wieder zurückzugeben. In München hat die Ablieferung an die Stabswache des Generalkommandos II. bayerischen Armeekorps in der Kaserne an der Türkenstraße [. . .] zu erfolgen.“312 Unglaubliche Erscheinungen häuften sich bei allen Grenzschutz-Truppen und wurden im Generalkommando kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen. Die Leute gingen einfach auseinander und verkauften ihre Waffen.313 Die Offiziere seien machtlos dagegen. Die Mannschaften der Grenzschutzabteilung des Oberstleutnants Hoderlein hat308 Vgl.: BayKA, MKr 1833: Telegramm (Nr. 290035) des Gen.Kdo.II.bay.AK. na bay. KM. am 12.11.1918. 309 PAA, R 20156: Botschafter von Wedel an Auswärtiges Amt (Nr. 1014), Wien am 10.11.1918. 310 PAA, R 20156: Botschafter von Wedel an Auswärtiges Amt (Nr. 1014), Wien am 10.11.1918. 311 Vgl.: BayKA, Truppenakten 4. bay. Infanteriedivision, Bund 1: Kriegstagebuch mit Beilagen vom 01.01.1918–04.12.1918. 312 BayKA, MKr 1833: Antrag zur Veröffentlichung in allen Tageszeitungen Münchens, Verteilung an Ersatzbehörden und Truppenteile, evtl. an Plakatsäulen (Nr. 287601A), München 12.11.1918. 313 Vgl.: BayKA, Gen. Kdo. II. b. A. K., Bund 93: Generalkommando (Ia Nr. 2423) an das Ministerium für militärische Angelegenheiten, am 11.11.1918.

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ten plötzlich erklärt, dass sie unter ihm nicht mehr dienen wollten. Ein in Kriegstagen unglaublicher Akt der Subordinationsverletzung. Stattdessen wollten sie den Befehlen des Major von Kiesling folgen. Anstatt mit Härte durchzugreifen, wie es im Krieg geschehen war, entschloss sich das sensibilisierte Generalkommando die Befehlsgewalt dem Major von Kiesling zu übertragen und Oberstleutnant Hoderlein zur Disposition zu stellen.314 Mit Aufrufen lediglich an den guten Willen der Soldaten zu appellieren hielt das Generalkommando nicht für Erfolg versprechend. Strafandrohung bei Fahnenflucht sei unerlässlich.315 Zugleich sollten alle Soldaten gleiche Löhnung erhalten, egal ob sie im Sicherungsdienst in München eingesetzt waren oder an der Bayerngrenze Dienst taten. Zucht und Ordnung lösten sich auf aber parallel war der militärische Grenzschutz obsolet geworden. Polizeiliche Maßnahmen würden von nun ab genügen. Am Abend des 15. November konnte das bayerische Kriegsministerium vermelden: „Sämtliche Truppen des Grenzschutzes stehen nun wieder auf bayerischem Boden.“316 Damit war die Episode des Grenzschutzes in Tirol und die letzte groß angelegte Aktion der bayerischen Armee im Ersten Weltkrieg endgültig vorüber.

VIII. Exkurs: Insel der Seligen? Das Kriegsende am Beispiel der bayerischen Grenzstadt Füssen im Allgäu Während hohe Diplomaten und Militärs auf dem politischen Parkett agierten, machte sich vor allem die Bevölkerung Gedanken über die ungewisse Zukunft und gab ihrer Stimmung zunehmend Ausdruck. Ein Exkurs in den Mikrokosmos einer südbayerischen Gemeinde soll zeigen, wie sich die weltpolitischen Ereignisse zu Kriegsende in einem lokal begrenzten Raum auswirkten. Als Betrachtungsobjekt soll der Altlandkreis Füssen dienen, mit der gleichnamigen Kleinstadt als gesellschaftlichem und politischem Zentrum. Füssen liegt am Lech im heutigen Ostallgäu, etwa 100 Kilometer südwestlich Münchens. Seine historische und wirtschaftliche Bedeutung verdankt es seiner Lage an der Via Claudia Augusta, der bedeutendsten römischen Nord-Süd-Verbindung die Augsburg mit Italien über den Fernpass und den Reschenpass verband. Mit deren Sicherung war bereits im 3. Jahrhundert eine Abteilung der dritten römischen Legion betraut, die auf dem Füssener Schlossberg stationiert war. Die Position Füssens an dieser Alpen314 315 316

1918.

Vgl.: BayKA, Gen. Kdo. II. b. A. K., Bund 93: Generalkommando (Ia Nr. 2423). Vgl.: BayKA, Gen. Kdo. II. b. A. K., Bund 93: Generalkommando (Ia Nr. 2423). BayKA, MKr 1833: Abschrift der Abendmeldung, München, 15. November

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transversalen und an der Füssener Enge, dem Durchbruch des Lechs aus den Alpen, ließ Füssen zu einem wichtigen Handelsplatz werden, der im 15. und 16. Jahrhundert seine Blütezeit erlebte, mit Kaiser Maximilian I. als häufigem Gast. Neben dem Fuhrgewerbe und der Flößerei entwickelte sich in der frühen Neuzeit ein Zentrum des Geigenbaus und der Lautenmacherei. Nach der Säkularisation sank Füssens Bedeutung allerdings auf das Niveau eines Bauernstädtchens herab. Im ausgehenden 19. Jahrhundert machte sich dann die Industrialisierung durch die Gründung der ‚Mechanischen Seilerwarenfabrik‘ (Hanfwerke) im Jahre 1861 bemerkbar. Die Inbetriebnahme der Eisenbahnlinie Kaufbeuren-Füssen im Jahr 1889 stützte diese Entwicklung. Der Bau der Schlösser Hohenschwangau und Neuschwanstein durch die bayerischen Könige Maximilian II. und Ludwig II. förderte den Fremdenverkehr und den langsam einsetzenden Tourismus. Füssen als typische südbayerische Kleinstadt eignet sich also vorzüglich für die weiteren Betrachtungen. Einerseits ländlich und bäuerlich geprägt finden sich andererseits auch Strukturen der Industriearbeiterschaft. Entscheidend ist aber Füssen als Grenzstadt. Noch heute führt der Grenzübergang Ziegelwies ins österreichische Außerfern und weiter über die Kleinstadt Reutte zum Fernpass und Innsbruck. Im Jahr 1918 gelangte man in die ‚Gefürstete Grafschaft Tirol und Vorarlberg‘. Wie haben also die Bewohner, die Stadtoberen und die Verwaltungsbeamten des königlich bayerischen Bezirksamtes und Amtsgerichts Füssen das Kriegsende erlebt? Neben den Zeitungsartikeln des Füssener Blattes aus dieser Zeit sind die Wochenberichte des Bezirksamtes an die Regierung von Schwaben eine hervorragende Quelle zur Beantwortung dieser Frage.317 Die Stadtchronik Rudibert Ettelts und die Tagebuchaufzeichnungen des damaligen Bürgermeisters Dr. Moser sind ebenso unerlässliche Hilfsmittel.318 Die Bevölkerung, und hier vor allem die Arbeiter, litten im letzten Kriegsjahr 1918 Not.319 Viele besserten ihre Nahrungsmittelversorgung 317 „Füssener Blatt. Amtsblatt für das k. Bezirksamt k. Amtsgericht und den Stadtmagistrat Füssen.“ Hier: 80. Jahrgang (1918). Die Wochenberichte finden sich im Staatsarchiv Augsburg, Bestand: Regierung von Schwaben. 318 Ettelt, Rudibert: Geschichte der Stadt Füssen. Band 2: Vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Jahre 1945, Füssen 1979. Die Tagebuchaufzeichnungen Dr. Mosers sind teilweise bei Ettelt nachzulesen und neuerdings von Mosers Enkel veröffentlicht worden: Meier Helmbrecht: Deutschland – Die Träume meiner Familie. Der Erste Weltkrieg. Großvaters Traum von der Weltherrschaft Deutschlands, Vilshofen 2003. Vom selben Herausgeber: Kurt Eisners Revolution und Großvaters Traum vom Sozialismus, Vilshofen 2003. 319 Zu den Lebensumständen auch: Ay, Karl-Ludwig: Die Entstehung einer Revolution. Die Volksstimmung in Bayern während des Ersten Weltkrieges (Beiträge zu einer historischen Strukturanalyse Bayerns im Industriezeitalter, Bd. 1), Berlin, 1968.

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durch Eigenanbau in Schrebergärten auf, aber deren Ertrag, die knappen Rationen und das, was die städtische Lebensmittelversorgung dazusteuerte, langten kaum mehr. Der Lohn war zu gering, um sich etwas zusätzlich zu kaufen. Hinzu kam die Angst um die Angehörigen im Feld und die Ungewissheit über die Zukunft. All das zehrte an den Menschen. Auch die Bauern wurden zunehmend unruhig und rebellisch. Die zentralistischen Zwangsmaßnahmen waren für sie nicht nachvollziehbar und nur schwer zu erfüllen. Hinzu kamen die schlechten Wetterverhältnisse. Assessor Jäger schrieb im Juni 1918 an die Regierung in Augsburg: „Das nasskalte Wetter der letzten Zeit wächst sich zu einem Unglück für die Landwirtschaft aus. Wenn auch durch den anhaltenden Regen sich die Kartoffeln von den Frostschäden im großen Ganzen wieder erholen werden, wird auf der anderen Seite die Heuernte eine sehr erhebliche Verzögerung erfahren, [. . .].“320 Das Bezirksamt legte im Umgang vor allem mit den Arbeitern eine vorsichtige Haltung an den Tag und konnte sich besonders auf das sehr gute Verhältnis von Bürgermeister Dr. Moser zu den Arbeiter- und Gewerkschaftsführern stützen.321 Mosers ruhige und besonnene Art sowie sein gutes Einvernehmen mit Fabrikdirektor Kommerzienrat Amschler sorgten dafür, dass die Dinge kontrollierbar blieben. Auch von Seiten der bürgerlichen Parteien wurde der Konflikt nicht gesucht, wohl aber der Wille zum Durchhalten gefördert. Sie gingen hier mit den Vorgaben und Verlautbarungen des Regierungspräsidiums in Augsburg konform. Ein ständiger Stein des Anstoßes war der Fremdenverkehr. Die Bürger waren nicht bereit, Nicht-Einheimische – da sich unter den Fremden ja auch genügend Bayern befanden – zusätzlich zu versorgen. Im August 1917 konnten die Wogen vorübergehend geglättet werden, als die Aufenthalte der Fremden auf höchstens vier Wochen und deren Rationen gekürzt wurden. Die Erregung näherte sich im März 1918 wieder dem Siedepunkt, da kurz zuvor die Lebensmittelrationen stark gekürzt worden waren. Erstmals pöbelten Arbeiter und Arbeiterinnen Gäste auf offener Straße an und griffen wenige Zeit später sogar zu Steinen, mit denen sie Fremde bewarfen. Am 12. Mai 1918 schaltete sich das Bezirksamt ein und nahm in der Zeitung scharf dagegen Stellung. Ein Eklat sollte vermieden werden und so wurden nur mäßige Strafen angedroht. Der Forderung der Arbeiterführer nach Sonderzuteilungen für ihre Leute kam Dr. Moser insofern entgegen, als dass er es Einheimischen daraufhin ermöglichte, bei der Fleischabgabestelle für Gäste einzukaufen. Der Bericht des Bezirksamtsassessors Jäger gibt auch hierüber Aufschluss: „Bei den derzeitigen misslichen Ernährungsverhältnissen ist es äußerst zweifelhaft, 320 Staatsarchiv Augsburg (im Folgenden: StAA), Regierung von Schwaben, Akt Nr. 9765: Bericht Nr. 2670 vom 22.06.1918. 321 Dr. Adolf Moser (geboren 1881, gestorben 1965) war von Herbst 1915 bis 1929 Bürgermeister von Füssen.

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ob der Fremdenverkehr durchgehalten werden kann, selbst in den am Fremdenverkehr beteiligten Kreisen tritt der Wunsch nach einer Einschränkung des Fremdenverkehrs auf [. . .].“ Noch gravierender seien die Auswirkungen auf die Laune der Arbeiterschaft: „Es muss betont werden, dass die Volksstimmung kaum noch eine weitere Belastung verträgt, [. . .]. Nach der besonders in der hiesigen Arbeiterschaft verbreiteten Stimmung kann nicht dafür gut gestanden werden, dass nicht eines Tages gewaltsames Vorgehen gegen die Fremden und einzelne Hotels erfolgt. Die Führer der Arbeiterschaft lassen erkennen, dass sie ihrer Leute allmählig nicht mehr sicher sind.“322

Auch in München war man sich der Problematik bewusst und die völlige Ausschaltung des Fremdenverkehrs wurde Ende Oktober in Aussicht gestellt.323 Ein Ereignis, welches die Bevölkerung kurzfristig motivierte und Trost spendete, war am 26. Februar 1918 die Rede des Jesuitenpaters Rupert Mayer vor etwa 1.000 Landfrauen.324 Der Geistliche aus München war als Divisionspfarrer Mitglied des deutschen Alpenkorps gewesen und bekannt dafür, dass er bei Angriffen als einer der ersten den Verwundeten und Sterbenden Hilfe brachte.325 Am 30. Dezember 1916 erlitt er eine schwere Verwundung bei der Überquerung einer Brücke, woraufhin ein Bein amputiert werden musste.326 Für seine aufopferungsvolle Tätigkeit wurde er als erster katholischer Feldgeistlicher mit dem Eisernen Kreuz 1. Klasse dekoriert, 322 StAA, Regierung von Schwaben, Akt Nr. 9765: Bericht Nr. 2670 vom 22.06.1918. 323 „Die völlige Ausschaltung des Fremdenverkehrs in den hauptsächlichsten Fremdenverkehrsorten steht bevor. Die Maßnahme ist bedingt durch die großen Ernährungsschwierigkeiten.“ In: Füssener Blatt, Nr. 170 vom 31.10.1918. 324 Vgl.: Ettelt, Geschichte, II, 1979, S. 203. Der selige Pater Rupert Mayer (geboren 1876, gestorben 1945), bekannt als der Münchner Männerapostel, wandte sich während des Nationalsozialismus in seinen Predigten gegen antikatholische Hetzkampagnen und bekämpfte die NS-Kirchenpolitik. Sein Protest gegen die Nationalsozialisten brachte ihn wegen des Kanzelparagraphen ab 1937 mehrmals ins Gefängnis und ins Konzentrationslager Sachsenhausen. Ab Ende 1940 war er im Kloster Ettal interniert. Zu dieser Zeit auch: Grassl, Irene: Pater Rupert Mayer in Selbstzeugnissen, München 1984. 325 Im Rahmen der 8. bayerischen Division (Division Stein), der er im August 1914 zugeteilt wurde, war er vor allem für die seelsorgerische Betreuung des 18. und 19. bayerischen Reserve-Infanterie-Regimentes zuständig. Vgl.: Bleistein, Roman: Rupert Mayer. Der verstummte Prophet, Frankfurt a. M., 1993, S. 95 f. 326 Sein Mangel an Furcht ließ einen Offizier über ihn sagen: „Entweder er fürchtet den Tod nicht oder er sucht ihn geradezu.“ In: Koerbling, Anton/Riesterer, Paul: Pater Rupert Mayer, München/Zürich 1975, S. 37. Zu seiner Verwundung: Ebd., S. 40 ff., auch Sandfuß, Wilhelm: Pater Rupert Mayer. Verteidiger der Wahrheit – Apostel der Nächstenliebe – Wegbereiter Moderner Seelsorge, Würzburg 1981, S. 60 ff.

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eine Auszeichnung, die ihm auch deswegen so wichtig war, weil somit dem Jesuitenorden in Deutschland, der seit dem Kulturkampf diskreditiert und ständig angegriffen wurde, eine angesehenere Stellung in der Gesellschaft zuteil wurde. Nach seiner Verwundung war er bis April 1918 in verschiedenen Lazaretten und hielt dann auf Veranlassung des bayerischen Kriegsministeriums „[. . .] Vorträge zur Hebung der Stimmung in der Heimat.“327 Seine Ansprache in Füssen – die er noch während seiner Rekonvaleszenz hielt – vermochte zwar den anwesenden Frauen wieder etwas Mut zu spenden, aber die generelle Stimmung blieb doch sehr schlecht. Niemand konnte sich vorstellen, was bei einer Kriegsniederlage kommen würde. Eine apathische Stimmung machte sich breit, aber allmählich dämmerte der Bevölkerung das Ausmaß der Katastrophe. Obwohl noch relativ viel Geld für die letzte Kriegsanleihe im Oktober 1918 gezeichnet wurde, war die Unzufriedenheit nicht zu übersehen. Die Bezirksämter hatten mit der Unwilligkeit der Leute bezüglich der Zeichnung der Kriegsanleihe schwer zu kämpfen. Besonders schlecht sei die Lage, weil niemand sagen könne, wie sich die Situation weiter entwickle. Das Bezirksamt Sonthofen meldete nach Augsburg: „Die Leute lehnen vielfach, z. B. am Bankschalter, eine Belehrung über die Anleihe schroff ab; auch gegen Aufklärung von der Kanzel haben sie sich schon ausdrücklich verwahrt. Selbstverständlich werden die Aufklärungs- und Werbearbeiten fortgesetzt.“328 In dem zusammenfassenden Wochenbericht des königlichen Regierungspräsidenten von Schwaben und Neuburg, von Praun, steht sogar zu lesen, „[. . .] dass die Landbevölkerung große Mengen Papiergeld für sich zurückhält, um für den Fall eines feindlichen Einfalles und der Flucht Zahlmittel bereit zu haben.“329 Der Bezirksamtmann Baron von Kreußer führte den kriegerischen Misserfolg und den ein „[. . .] jedes Maß überschreitende[n] Pessimismus“ auf die Wirkung der gegnerischen Propaganda zurück.330 Er benutzte damit bereits ein später im Nationalsozialismus immer wiederkehrendes Argument. Der eigentliche verhängnisvolle Punkt war in seinen Augen, „[. . .] die vielfach so unwahren feindlichen Kriegsberichte so vorbehaltlos dem Volke zugänglich zu machen. Die Sucht, alles von auswärts Kommende als wahr anzunehmen und die Berichte des eigenen Landes als schönfärberisch anzuzwei327 Bestätigung des Generalvikars von München-Freising vom 26.10.1918 für die Versorgungsakte Pater Mayers, in: Bleistein, Rupert Mayer, 1993, S. 107. 328 StAA, Regierung von Schwaben, Akt Nr. 9636: Bericht Nr. 1455 vom 14.10.1918. 329 StAA, Regierung von Schwaben, Akt Nr. 9636: Bericht Nr. 1541 vom 21.10.1918. 330 StAA, Regierung von Schwaben, Akt Nr. 9765: Bericht Nr. 4319 vom 12.10.1918.

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feln, hat stetig an Boden gewonnen und hat viel zu dem Tiefstand der Stimmung beigetragen. Das einzige Gute an der Sache ist, dass man das, was kommen soll mit größerer Gelassenheit tragen wird, als dies unter anderen Umständen der Fall sein würde.“331

Die Wirklichkeit war nicht immer so gelassen. Ein Füssener Franziskanerpater, der auf der Bahnfahrt defaitistische Äußerungen junger Soldaten kritisiert hatte, wurde von diesen tätlich angegriffen. Die Soldaten, die aus dem Füssener Bezirke stammten, waren desertiert und machten ihrem Ärger Luft. Der Bezirksamtmann bemerkte hierzu: „Einzelne – meist jugendliche – Rohlinge glauben, dass ihre Stunde nun gekommen sei und machen sich in herausfordernder Weise bereit; dagegen wahrt die organisierte Arbeiterschaft durchweg eine besonnene, abwartende Haltung.“332 Ende Oktober drangen erstmals sehr beunruhigende Nachrichten vom italienischen Kriegsschauplatz nach Süddeutschland. Der Krieg gegen Italien, der 1915 in Füssen noch begrüßt worden war, schien sich nun gegen die Stadt zu wenden.333 Der Zusammenbruch der K. u. k. Südwestfront schritt unaufhaltsam voran. Italienische und alliierte Truppen konnten in kurzer Zeit nach Norden durchstoßen und dann auch Füssen bedrohen. Die Auflösung des Habsburgerreiches war nur mehr eine Frage der Zeit. Besonders kritisch war die Lage im angrenzenden Außerfern.334 Eine hervorragende – topographische – Definition dieser für das südliche Allgäu so wichtigen, Nachbarregion gab der Erste Bürgermeister von Kempten: „Der [sic] sogenannte Ausserfern ist dasjenige österreichische Gebiet, das (nördlich und nordwestlich) außerhalb des Fernpasses liegt und infolgedessen mit dem übrigen Tirol, insbesondere mit der Landeshauptstadt Innsbruck nur Verkehr hat, wenn der Fernpass passierbar ist. Das bedeutet, dass im Winter, der dort sehr lange dauert, der Ausserfern vom übrigen Österreichischen Gebiet abgeschnitten ist. Der Ausserfern umfasst politisch die Bezirkshauptmannschaft Reutte. Sie liegt ebenso wie Füssen und die Pfrontener Gegend im Lechtal, gehörte in früheren Jahrhunderten zum schwäbischen Allgäu and hat ins Allgäu heraus durchaus ebene Verbindung.“335 331 StAA, Regierung von Schwaben, Akt Nr. 9765: Bericht Nr. 4319 vom 12.10.1918. 332 StAA, Regierung von Schwaben, Akt Nr. 9765: Bericht Nr. 4451 vom 19.10.1918. 333 Nach Augsburg war am 29.05.1915 gemeldet worden: „Die neue Wendung in der politischen Lage hat in allen Volkskreisen starke Erregung hervorgerufen; mit der allseitigen Entrüstung über das Vorgehen der italienischen Regierung wurde zwar nirgends zurückgehalten; doch ist abgesehen von einigen bedrohenden Äußerungen gegen ortsanwesende Italiener nirgends die Grenze des Zulässigsten überschritten und ein durchaus würdiges Verhalten beobachtet worden.“ In: StAA, Regierung von Schwaben, Akt Nr. 9762: Bericht Nr. 5020. 334 Vgl. auch: Fuchs, Ferdinand: Heimat Außerfern: Eine Heimatkunde des Bezirks Reutte, Reutte 1984.

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Besonders die Energieversorgung Füssens war eng an das Schicksal des Außerferns gekoppelt. Das österreichische Elektrizitätswerk Reutte war damals – wie auch heute noch – zuständig für die Stromversorgung der Stadt Füssen. Auch der Stand des Lech-Flusses war nicht unerheblich abhängig von seiner Nutzung durch die Tiroler Wasserkraftwerke, was wiederum direkte Auswirkungen auf die Wirtschaft und Industrie Füssens hatte. Die zunehmende Radikalisierung der Arbeiter in und um Reutte schürte Bedenken in Füssen, wie in kommenden Krisenzeiten die städtische Energieversorgung aufrechterhalten werden könnte. Man stritt sowohl auf österreichischer als auch auf bayerischer Seite für und wider die Idee des Anschlusses des Außerferns. Schon während des Krieges wurde angedacht, die Zollgrenze zwischen Bayern und Tirol an die Grenzen des Außerferns und bis zum Oberjoch zu verlegen. Am 20. Dezember 1917 empfing der bayerische Ministerpräsident von Dandl eine Füssener Delegation und versprach, die Sache bei passender Gelegenheit zur Sprache zu bringen. Finanzminister von Breunig zeigte sich ebenfalls von den Plänen beeindruckt. Die bayerische und württembergische Industrie unterstützte die Pläne nachdrücklich. Eine konkrete Umsetzung hätte beispielsweise im Rahmen eines Zollanschlussgebietes stattfinden können. Der schon angeführte Bericht des Stadtmagistrats von Kempten, der erst im September 1923 entstand, griff auf Ideen dieser Zeit zurück, wenn er anführte: „Die Verhältnisse des Bezirkes Reutte sind ähnliche wie diejenigen des sogen. kleinen Walsertales bei Oberstdorf, dem mit Rücksicht auf diese besonderen Verhältnisse schon vor vielen Jahren hinsichtlich des Zollvereines eine Ausnahme gemacht worden ist, indem das Gebiet zollpolitisch zum Deutschen Reich geschlagen wurde. Ähnliches wäre für den Ausserfern zu erwägen. Die Gegend von Füssen und Pfronten und der Eisenbahnverkehr Reutte – Kempten würde durch eine derartige Maßnahme außerordentliche Vorteile erfahren.“336

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StAA, Bezirksamt Füssen, Akt Nr. 2827: Abschrift Nr. 3811 vom 24.09.1923. StAA, Bezirksamt Füssen, Akt Nr. 2827: Abschrift Nr. 3811 vom 24.09.1923. Der Bericht hatte die „Tarifverhältnisse im Verkehr mit dem Bezirke Reutte“ zum Gegenstand. Im Schriftverkehr des bayerischen Innenministeriums findet sich zum Walsertal folgende Notiz aus dem Jahr 1919: „Das sog. Kleine Walsertal (Mittelberg) hängt geographisch und wirtschaftlich nicht mit Vorarlberg, sondern ausschließlich mit dem zu Bayern gehörigen Quellgebiet der Iller zusammen. Es ist auch dem deutschen Zollgebiet angeschlossen. Während des Krieges mussten die Bewohner vielfach vom Bayerischen Kommunalverband Sonthofen mitversorgt werden.“ Da es sich um Fragen der Friedensdelegation handelt, fährt der Text fort: „Für den Fall eines Anschlusses von Vorarlberg an die Schweiz wäre die Absicht, das kleine Walsertal dem Deutschen Reich auch in politischer Beziehung anzugliedern, als vollkommen entsprechend anzuerkennen.“ In: BayHStA, MA 103022: Schreiben des Staatsministerium des Innern, Bamberg am 06.06.1919. 336

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In Füssen war man dem Vorhaben begreiflicherweise sehr zugeneigt, besonders Dr. Moser und der Füssener Gemeinderat Rudolf Leinweber sprachen sich intensiv dafür aus. Auch im November 1918 gab es ganz konkrete Anfragen aus dem Außerfern. Obwohl sich in den Unterlagen des Staatsarchivs Augsburg nichts darüber findet, ist im bayerischen Kriegsministerium eine Meldung zur Anschlussfrage erhalten: „Drei Bürgermeister aus Tirol sprechen dem Bezirkshauptmann Frh. von Kreußer in Füssen den Wunsch aus, mit Bayern vereint zu werden. Sie erklären, dass bayr. Truppen bei Einrücken in Tirol von der Bevölkerung freudig und dankbar aufgenommen würden. Die Stimmung sei wegen der erhaltenen Lebensmittelunterstützung sehr bayernfreundlich.“337 Bis in den Dezember hinein änderte sich daran nichts, wie aus einem Geheimbericht des Kriegsministeriums hervorgeht, der am 18. Dezember 1918 verfasst wurde: „Der Bezirk Reutte möchte sich an Bayern anschließen, während Thannheim sich dagegen wehrt.“338 Nicht nur das Außerfern liebäugelte mit einem Anschluss an Bayern, sondern auch Vorarlberg. Dort war allerdings auch die Frage einer Hinwendung zur Schweiz evident. Die treibende Kraft war der vorarlbergische Reichsratsabgeordnete Jodok Fink. Er war bereits am 29. Oktober 1918 mit dem Tiroler Landesausschussbeisitzenden Dr. Stumpf nach München geeilt, um dort die drängende Frage der Nahrungsmittelversorgung zu klären. Es ging um die Unterstützung Deutsch-Österreichs mit Lebensmitteln und Heizmaterial, die dem bayerischen Innenminister von Brettreich und der Bayerischen Lebensmittelstelle unterbreitet wurde. Hauptsächlich erbaten sich die Herren Kartoffeln.339 Von Kreußer erkannte die Stimmung, und meldete, in Tirol erblicke man „[. . .] im raschen Anschluss an Deutschland das alleinige Heil, von wo man auch die künftige Ernährung erhofft. Ein ablehnendes Verhalten deutscherseits und seitens der Nachbarbezirke könnte im gegebenen Augenblick unberechenbare Folgen zeitigen und Deutschtirol und Vorarlberg vielleicht der Schweiz in die Arme treiben.“340 Die Füssener Bevölkerung wurde am 2. November das erste Mal ‚amtlich‘ auf die Probleme, die aus dem Wegfall der österreichisch-ungarischen Fronten erwachsen könnten, hingewiesen. Das Füssener Blatt ging auf die teilweise haarsträubenden Gerüchte ein, die aus Anlass der Ereignisse an der 337 BayKA, MKr 1833: Abendmeldung des Grenzschutzkommandos Süd vom 5.11.1918 an II.b.A.K., Nr. 284846. 338 BayKA, MKr 1009: Bericht Nr. 192bg betreffs Anschluss vorarlbergischer [sic] Gebiete an Bayern. 339 Vgl.: Füssener Blatt, Nr. 170, 31.12.1918. 340 StAA, Regierung von Schwaben, Akt Nr. 9765: Bericht Nr. 4680 vom 02.11.1918.

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italienischen Front und der staatlichen Umgestaltung Österreich-Ungarns im Umlauf waren. Die Leser wurden beruhigt: „Auf Grund amtlicher Informationen kann mitgeteilt werden, dass die vielfach verbreiteten Nachrichten über das Vordringen sengender und plündernder Banden in Tirol und in Böhmen nach neueren Meldungen sich als unrichtig oder übertrieben erwiesen haben. Für alle Fälle sind aber bay. Grenzschutztruppen aufgestellt.“341 Belehrt, dass somit ein Eindringen unmöglich sei, wurde die Bevölkerung gebeten, ihre Beschützer freundlichst aufzunehmen und nach Kräften zu unterstützen. Bürgermeister Dr. Moser ließ am 2. November prophylaktisch unter der Rubrik ‚Ausschneiden und Aufheben‘ die Verhaltensmaßregeln gegen feindliche Flieger in der Zeitung drucken und zusätzlich von Haus zu Haus tragen.342 Kriegsminister von Hellingrath ging in seinen Erinnerungen detailliert auf die neuartige Gefahr der Luftangriffe ein: „Alle Vorbereitungen, die gegen Luftangriffe angezeigt waren, wurden getroffen. In erster Linie erfolgte der Ausbau des Meldedienstes, der bis jetzt nur gegen Westen zu bestand, nunmehr aber auch in südlicher u.[nd] östlicher Richtung eingerichtet wurde, um das Nahen feindlicher Flugzeuge sofort mitzuteilen. In München waren zahlreiche Sirenen aufgestellt, die durch ihr Heulen die drohende Gefahr eines etwaigen Luftangriffs rasch künden sollten, Vorkehrungen für Abdunkeln der Bahnhöfe, Straßenbahnwagen u.s.w. wurden getroffen, die Bevölkerung war durch Zeitungen u.[nd] Anschläge unterrichtet, wie sie sich im Falle einer Bedrohung zu verhalten hätte.“343

Mit der Kapitulation der österreichisch-ungarischen Armee am 3. November wurde die Situation für Bayern kritisch. Die Deutschen werden von der Kapitulation „[. . .] nicht mehr überrascht sein, als die Alliierten, aber sie werden die Folgen nicht weniger grausam zu spüren bekommen“ titelte das Füssener Blatt.344 Richtig wurde auch die Auslegung der Waffenstillstandsklauseln interpretiert: „Wir nehmen an, dass die Alliierten die freie Verfügung über die Verbindungswege haben werden, durch die es ermöglicht wird, die Feindseligkeiten bis an die Grenze des deutschen Reiches zu tragen. Bayern, das bisher völlig verschont war, ist nunmehr von der Invasion bedroht.“345 Der bayerische Kriegsminister von Hellingrath sah sich zur selben Zeit genötigt, in einem Aufruf die bayerische Bevölkerung diesbezüglich zu beruhigen und versicherte, „[. . .] dass sie rückhaltlos davon unterrichtet wird, falls wider Erwarten eine unmittelbare Gefährdung des Landes 341

Füssener Blatt, Nr. 171, 03.11.1918. Hierzu auch der Wochenbericht Bericht Nr. 4680 vom 02.11.1918, zu finden im Dokumentenanhang dieser Arbeit. 342 Vgl. Füssener Blatt, Nr. 172, 05.11.1918 als auch Helmbrecht, Deutschland, 2003, S. 142. 343 BayKA, HS 2288: Hellingrath, S. 354. 344 Füssener Blatt, Nr. 173, 07.11.1918. 345 Füssener Blatt, Nr. 173, 07.11.1918.

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eintreten sollte.“346 Ruhe und Zuversicht solle die Devise sein. Die Zuversicht solle vor allem daraus erwachsen, dass der Feind noch weit entfernt sei und man deshalb Unruhe und Überstürzung vermeiden müsse. Der militärische Aufmarsch der aus Italien vordringenden Feinde sei nicht so leicht zu bewerkstelligen, wie in diesen aufgeregten Tagen überall zu hören sei. Darüber hinaus rücke die italienische Armee und ihre verbündeten Kontingente sehr langsam vor. Diese Beruhigungsversuche trafen allerdings auf Nachrichten, die bereits Entente-Truppen in Laibach und in Südtirol angekommen wissen wollten. Im bayerischen Kriegsministerium trafen immer bedrohlichere Meldungen ein: Nach Mitteilung der Betriebsleitung Innsbruck erwartete man aus der Richtung Brennerpass 50.000 Flüchtlinge. Als Konsequenz all der Hiobsbotschaften beabsichtigte die Staatsbahn einen Teil ihres Fahrmaterials nach Reutte in Sicherheit zu bringen.347 Auch die Zeitungen verbreiteten kaum glaubhafte Informationen, beispielsweise, dass an der österreichisch-ungarischen Grenze reichsdeutsche Soldaten eingetroffen seien, die vollkommen nackt gewesen sein sollen, da man sie auf der Fahrt aus Ungarn ihrer ganzen Kleidung beraubt habe.348 So wurden deshalb weitere triftige Gründe angeführt, warum sich die Menschen keine Sorgen machen sollten, gepaart mit einer feinen Spitze gegen den ehemaligen österreichisch-ungarischen Bundesgenossen: „Die außerordentliche Verwirrung, die auf allen Gebieten der Verwaltung in Österreich-Ungarn herrscht, die Erschöpfung der schon für gewöhnlich wenig leistungsfähigen Eisenbahnen, der Kohlenmangel, mit dem diese zu kämpfen haben und noch mehr zu kämpfen haben werden, nachdem die Zufuhr aus Deutschland ausbleibt, verzögern den Transport einer Armee ganz außerordentlich, zumal wenn es sich um die wenigen Wege über Gebirgsstraßen handelt.“349

Die Gerüchteküche brodelte und selbst der Stadtmagistrat war nur spärlich informiert. Am 5. November trat er zu einer Krisensitzung zusammen, in der für die Stadt Füssen die unmittelbare Gefahr konstatiert wurde, ins Kriegsgebiet eingezogen zu werden. Die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung waren nur spärlich und so wurde beschlossen, an Stelle des in Füssen benötigten Bürgermeisters den Magistratsrat Leinweber und den Abgeordneten Haug ins Kriegsministerium nach München zu entsenden. Dort sollten Erkundigungen über die militärische Lage Südbayerns und über die geplanten Maßnahmen eingeholt werden. Erstaunlich ist der Hinweis, wonach das Kriegsministerium dringend dazu aufgefordert werden sollte, „[. . .] die Aufklärung wahrheitsgemäß zu erteilen.“350 Ferner wurden in der Sit346

‚Letzte Nachrichten‘ in: Füssener Blatt, Nr. 173, 07.11.1918. BayKA, Gen. Kdo. II. b. A. K., Bund 93: Regierungsrat Ebermayer von der Bahn-Betriebs-Inspektion II München am 04.11.1918. 348 Füssener Blatt, Nr. 173, 07.11.1918. 349 Füssener Blatt, Nr. 174, 09.11.1918. 347

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zung die Frage der Lichtversorgung der Stadt im Fall des Entzugs des Reuttener Stromes und erneut die Problematik der Grenzverlegung und Einbeziehung des Außerferns ins Reichsgebiet behandelt. Speziell in diesem Punkt war eine eventuelle Angliederung Deutsch-Österreichs an das Deutsche Reich Gegenstand der Diskussion. Die Stadt war wie elektrisiert. Täglich erwartete man die feindlichen Flieger und Gerüchte kursierten, wonach in Innsbruck bereits amerikanische Panzerautos gemeldet seien. Beredtes Zeugnis davon legt auch Bürgermeister Dr. Moser ab. Am 7. November notiert er in seinem Tagebuch folgende Episode: „Vorhin kam meine Frau und sagte, es seien italienische Offiziere in Reutte aufgehalten worden (im Auto). Sie hat es von der Frau Bezirksbaumeister gehört, und diese von der Frau H. Und die? So geht’s; verbreitet man beruhigende Nachrichten aufgrund amtlicher Mitteilungen, so gehen im nächsten Augenblick die Weiber, auch die in Hosen, her und fabrizieren den dümmsten Klatsch. Gestern wurde verbreitet, dass Bayern einen Sonderfrieden abgeschlossen hat. Wie klein muss doch ein Gehirn sein, dass es solchen Unsinn ausdenken kann.“351

So abwegig waren die Gerüchte über Sonderfriedensschritte nicht. Die Gerüchte kursierten überall und fanden ihren Weg bis in höchste politische Kreise. Ein Sonderfrieden hätte einen ersten Schritt der Abspaltung Bayerns vom Reich darstellen können. Der Vertreter der Reichsregierung in München, Carl Georg von Treutler schrieb am 2. November 1918 an das Auswärtige Amt, dass nicht geleugnet werden könne, dass in Bayern Separatisten Fortschritte machten. Von nicht amtlicher Seite höre er, dass sie von in Bayern lebenden Österreichern unterstützt würden, „[. . .] die den Anschluß an Bayern anstreben.“352 An der Grenze bereitete man sich auf einen eventuellen Kampfeinsatz vor. Die Stadt Füssen verfügte Anfang November über zunächst 70 Mann, die dazu bestimmt waren, Brücken zu sprengen und Straßen zu zerstören, damit der erwartete Feind nicht so schnell hereinkommen könne. Zunächst kamen diese jedoch nicht zum Einsatz, da aus dem Kriegsministerium in München am 7. November eine beruhigende Note kam.353 Die Regierung von Schwaben schaltete sich am selben Tag ein und erließ Weisungen für den Fall, dass aus österreichischen Grenzgebieten Hilferufe um Einschreiten deutscher Polizei und um Versorgung mit Nahrungsmitteln aus Deutschland 350 Veröffentlichte Erklärung des Vorsitzenden des Stadtmagistrates, in: Füssener Blatt, Nr. 174, 09.11.1918. 351 Helmbrecht, Deutschland, 2003, S. 143. 352 PAA, R 2510: Telegramm von Treutler an Auswärtiges Amt (Nr. 119) am 02.11.1918. 353 Vgl. Helmbrecht, Deutschland, 2003, S. 143.

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ergehen sollten.354 In beiden Fällen wurde eine bayerische Beteiligung ausgeschlossen. Weder war ein Eingreifen bayerischer Polizeibeamter auf nichtbayerischem Gebiete – selbst zum Zwecke der Aufrechthaltung der inneren Ordnung und Sicherheit – erlaubt, noch die Abgabe von Nahrungsmitteln durch bayerische Kommunalverbände. Ortspolizei und Gendarmerie wurden verstärkt und sollten eine erhöhte Aufmerksamkeit an den Tag legen. Konkrete innere Auswirkungen in Bayern sah man in der Gefahr von Hetzversuchen und Störungen der öffentlichen Ruhe und Sicherheit, worauf besonders die Tschechen hingewiesen werden sollten, sowie in einem möglichen Flüchtlingszustrom aus Tirol.355 Die von der Heeresleitung nach Füssen an die Grenze verlegten Sicherungsmannschaften sollten eigentlich die Südgrenze gegen ein Vorprellen von Vorausabteilungen der Entente beschützen. Faktisch erschien aber ein recht undisziplinierter, kaum Vertrauen erweckender Haufen Soldaten, der aus Reservisten, Urlaubern und Genesenen bestand. Diese hastig aufgestellten Grenzschutzbataillone sollten sich in der Folge sowohl in Füssen als auch in den anderen bayerischen Grenzstädten zu einer Landplage entwickeln, die überall ‚requirierten‘, was ihnen gefiel. Bald sehnte man sich danach, diese Beschützer möglichst rasch wieder los zu werden. Die Truppen, die mit dem vorgeschobenen Schutz Bayerns am Brenner betraut waren, zogen auch teilweise durch Füssen beziehungsweise knapp daran vorbei. Der südwestlichste bayerische Grenzschutzabschnitt Nr. 1 reichte von den Allgäuer Alpen über Kempten bis Steingaden. Hier stieß das Regiment Hoderlein am 7. November südwärts über Pfronten–Vils nach Reutte vor. Das Gros langte am nächsten Tag über Lermoos–Fernpass–Imst in Landeck an. Auch bei ihm war nicht mehr der alte, stramme Geist der Truppe vorhanden. Einige der Soldaten wollten partout nicht mehr auf dem ‚Feld der Ehre‘ sterben und entschlossen sich, noch vor Überschreitung der Grenze zu desertieren, worauf sie sich in Füssen umhertrieben.356 Auch die Bevölkerung war Gedanken der Flucht aufgeschlossen. In Kempten langten vermehrt Gesuche beim Stadtmagistrat ein, in denen um Erlaubnis zur Ausreise in die Schweiz nachgesucht wurde.357 In diese ohnehin verworrene Lage platzte am Morgen des 8. Novembers 1918 auch in Füssen die Nachricht von der Revolution in München hinein. 354 Vgl. StAA, Bezirksamt Füssen, Akt Nr. 2826: Bericht Nr. 43567 07.11.1918 an die Kgl. Bezirksämter Füssen, Sonthofen, Lindau. 355 Vgl.: StAA, Bezirksamt Füssen, Akt Nr. 2826: Bericht Nr. 43567 07.11.1918, Absatz 3 und 4. 356 Vgl. StAA, Regierung von Schwaben, Akt Nr. 9765: Bericht Nr. 4770 09.11.1918, abgedruckt im Anhang. 357 Vgl.: StAA, Regierung von Schwaben, Akt Nr. 9636: Bericht Nr. 1652 04.11.1918.

vom vom vom vom

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Die Anschlagstafeln verkündeten, dass in München am Vorabend die Republik ausgerufen worden sei und Kurt Eisner nun an der Spitze des Volksrates stehe. Unverzüglich bildeten sich im Anschluss an diese Mitteilung Gruppen von politisch Gleichgesonnenen, die an die Bildung eines Arbeiter- und Soldatenrates gingen. Die tröpfchenweise eintreffenden Nachrichten aus München und dem übrigen Reich ließen noch keine weitergehenden Aktivitäten angezeigt erscheinen. Der Bürgermeister erfuhr am 8. November nachmittags die Neuigkeiten von seiner Haushälterin, die zum Mittagstisch die Nachricht brachte, „[. . .] dass der König abgedankt habe und Bayern eine Republik sei. Ich konnte es nicht glauben, obwohl ich innerlich die Wandlung sofort bejahte. Und dann ging ich mit meiner Frau in die Reichenstraße, wo die Leute gruppenweise beisammenstanden und eifrig redeten. Die Botschaft war wirklich richtig. Gestern abends soll die Republik erklärt worden sein, der König soll geflohen sein, Kurt Eisner habe einen Aufruf ans Volk erlassen. Die Revolte sei hauptsächlich vom Militär ausgegangen; letzteres wird wohl richtig sein, denn heute früh erzählte mir ein Soldat, dass er heimgeschickt worden sei, weil die Bevölkerung in die Kasernen eingedrungen sei, um das Militär aufzulösen. Näheres hört man von München nicht, weil alle Verbindung abgeschnitten ist.“358

Und wirklich hatte am 7. November auf der Theresienwiese in München eine große gemeinsame Kundgebung von SPD und Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) stattgefunden. Im Anschluss daran war ein Teil der Demonstranten mit Kurt Eisner an ihrer Spitze zu einem nahe gelegenen Waffendepot in der Guldeinstraße marschiert, wo sie sich rüsteten und dann die militärischen Einrichtungen der Stadt, fast ohne auf Widerstand zu stoßen, besetzten. Im Matthäserbräu gründeten die Revolutionäre einen Rat der Arbeiter, Soldaten und Bauern mit Eisner als Vorsitzendem. Kurt Eisner, Führer der Münchner USPD, war ein jüdischer Literat aus Berlin, dem es meisterlich gelang, gerade den ‚Preußenhass‘ der Bayern für seine politischen Ziele zu verwenden. Die Wut auf die Berliner Zentralgewalt hatte sich im Laufe des Krieges immer mehr verstärkt. Besonders die Bevölkerung ländlicher bayerischer Landstriche sah sich häufig nur als Opferlamm für den preußischen Kaiser.359 Die Funktion der Räte bestand zunächst darin, den 358

Ettelt, Geschichte, II, 1979, S. 207. Eine Motivation, die auch die Entente in ihren Propaganda-Aktivitäten nutzte. Speziell an der Westfront tauchten immer wieder britische und französische Flugblätter auf, die auf das besondere ‚Sacrificium‘ der Bayern hinwiesen und mit antipreußischen Stimmungen spielten. Beispielsweise folgender britische Flugzettel (Ende 1918): „Bayern! Es ist genau bewiesen worden, daß Ende September ein feindlicher Angriff vom deutschen Generalstab erwartet wurde. Ihr wisst selbst, wie viele bayrische Divisionen eiligst angesetzt wurden um diesen Angriff aufzufangen. So sind die Bayern nochmals geopfert worden. Der Preusse hat wiedereinmal die Bayern ausgenützt. Er sorgt immer dafür, daß die bittersten Kämpfe und die 359

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weiteren Ablauf des Umsturzes zu organisieren und dessen Erfolg sicherzustellen, der ihnen auch zügig gelang. Bis Mitternacht waren alle Münchener Kasernen, die Ministerien und der Landtag, Bahnhof, Post und Telegraphenamt in der Hand revolutionärer Arbeiter und Soldaten. Die Aufständischen hatten relativ leichtes Spiel, da die Wachen sowohl der Kasernen als auch der anderen wichtigen Organisationen sich mit ihren Gewehren fast umgehend den Revolutionären anschlossen. Auch die Gefangenen des Militärgefängnisses in der Leonrodstraße wurden befreit. Gegen 22 Uhr verkündete schließlich Eisner vom Bayerischen Landtag aus das Ende der Wittelsbacherherrschaft, rief die Bayerische Republik aus und übernahm selbst das Amt des provisorischen Ministerpräsidenten. Der König befand sich zu dieser Zeit schon auf der Flucht in Richtung Österreich. Die staunende Bevölkerung – sowohl Münchens als auch in den übrigen Regionen Bayerns – wurde über die Ausrufung der Republik und das Ende der Monarchie am nächsten Tag über Zeitungen und Anschlagstafeln informiert. Die Regierung von Schwaben gab sich beruhigt über die Stimmung der Bevölkerung. Die Sicherheit im Regierungsbezirke sei durch die neuen Ereignisse des 8. November nirgends wesentlich gestört und die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln nirgends gefährdet worden.360 Das war zwar richtig, aber war die Lage wirklich so entspannt? Der Einmarsch gegnerischer Truppen oder gar der Kampf an der Grenze war noch immer möglich. Permanent kursierende Gerüchte wollten von räuberischen Banden in Tirol wissen. Das Nahen jener „[. . .] hungernder Banden aus Tirol“ und das Gerücht vom bevorstehenden Einrücken der Feinde ließen die Bevölkerung bis Ende November nicht richtig zur Ruhe kommen.361 Die Angst um die Stromversorgung nahm zu. Seit der Gründung der tschechoslowakischen Republik am 28. Oktober 1918 wurden die Zulieferungen böhmischer Kohle eingeschränkt beziehungsweise hörten ganz auf. Die Verkehrs- und Transportlage war aufs Äußerste gespannt. Da rund um Füssen der Flachsanbau dominierte (auch Blaues Land genannt), war die Stadtbevölkerung auf die Zufuhr von auswärtigen Lebensmitteln angewiesen. Das Bezirksamt rief zur Sammlung von Wildbeeren, Früchten des Weißdorns und des Mehlbeerbaums auf, die zur Marmeladebereitung geeignet seien. So sollten die Rationen aufgebessert werden. Einer Möglichkeit, ja geradezu einer Passion, welcher die Bevölkerung ohne amtliche Aufrufe nachging, war die Wilderei. Ein in Krisenzeiten probates und stets angewandtes Mittel, um schwersten Verluste den Bayern zu Teil werden!“ In: Kirchner, Klaus (Hg.): Bayern und der Frieden. Kriegsflugblätter in Bayern, Erlangen 1983, S. 59. 360 Vgl.: StAA, Regierung von Schwaben, Akt Nr. 9636: Bericht Nr. 1696 vom 11.11.1918. 361 StAA, Regierung von Schwaben, Akt Nr. 9636: Bericht Nr. 5020 vom 30.11.1918.

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die Nahrungsmittelversorgung zu sichern. Die Wälder rund um Füssen, aber vor allem die Ammergauer Alpen, von den Schlössern Neuschwanstein und Hohenschwangau bis Schloss Linderhof, beheimateten reiche Hochwildbestände und waren bereits bevorzugte Jagdreviere der bayerischen Könige und allen voran des Prinzregenten Luitpold gewesen. In einer Zeit, in der an Schusswaffen kein Mangel herrschte und fast jeder damit umgehen konnte, war das Wild sehr gefährdet. Als sein größter Feind erwiesen sich schließlich die zum Grenzschutz eingeteilten Soldaten. Im Bezirksamt Sonthofen wurde „[. . .] zügelloses Wildern durch einzeln und [sogar] truppweise zur Jagd ausrückende Soldaten [. . .]“ mehrfach beanstandet.362 Romantisierende Vorstellungen vom einzeln dahinschleichenden, rußgeschwärzten Wildschütz à la Georg Jennerwein (genannt Jennerwein Girgl), Matthäus Klostermair (Bayerischer Hiasl) oder Mathias Kneißl (Räuber Kneißl) griffen hier nicht mehr. Ganz offen ging man zu Werke und nahm eine Gefährdung des Jagdpersonals berechnend in Kauf. Resigniert meldete von Praun nach München: „Die Hauptschuldigen sind aber die Grenzschutztruppen; deren Kommandeure, an die ich mich wandte, erklärten aber keine Macht zur vollständigen Verhinderung der Wilderei zu haben.“363 Die bayerische Regierung gab Anfang Dezember den Wildabschuss bayernweit nahezu frei. Zum „[. . .] Schutze der Landwirtschaft und zur Linderung der Fleischnot [. . .]“ wurde ein möglichst ausgedehnter Abschuss des Wildes angeordnet. Dieser sollte sofort beginnen und „[. . .] mit tunlichster Beschleunigung [. . .]“ durchgeführt werden.364 In Füssen stellte sich die Frage, wie die gemäßigten Arbeiterführer und wenigen Radikalen reagieren würden. Nach Meinung des Bezirksamtes drohte von Seiten der etwa 1.000 Fabrikarbeiter keine Gefahr. Für den Fall gewalttätiger revolutionärer Unruhen waren die Aussichten auch sehr schlecht. Es gab in und um Füssen nur zwölf Polizisten und die bereits erwähnten Grenzschutzsoldaten, deren Reaktion auf die Ereignisse allerdings völlig unberechenbar war. Dass es zu keinem Chaos kam, verdankte die Stadt der Besonnenheit der Arbeiter, den umsichtigen Behörden, die sehr vorsichtig und nahezu passiv reagierten und Bürgermeister Dr. Moser, der die Leitung der öffentlichen Angelegenheiten schon bald nach Bekanntwerden der Vorgänge in München in die Hand nahm. Am 9. November 1918 wurde der noch bestehende Stadtmagistrat mit der Gewerkschaftsleitung und den Sozialdemokraten zu einem kommunalen 362 StAA, Regierung von Schwaben, Akt Nr. 9636: Bericht Nr. 1740 vom 18.11.1918. 363 StAA, Regierung von Schwaben, Akt Nr. 9636: Bericht Nr. 1794 vom 25.11.1918. 364 Füssener Blatt, Nr. 188, 03.12.1918.

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Selbstverwaltungskörper umgestaltet. So sollte ein Machtvakuum vermieden werden und eine arbeitsfähige Organisation die Amtsgeschäfte während der zu erwartenden Übergangszeit übernehmen. Dieser neu gegründete, als Wohlfahrtsausschuss titulierte Apparat zeugte nomenklatorisch von der Nähe zu Rätesozialisten und Jakobinern. Konkret setzte sich der Ausschuss folgende Aufgaben: Lebensmittelversorgung der Bevölkerung, Aufrechterhaltung der Ruhe, Sicherheit und Ordnung, Lösung der Wohnungsfrage für heimkehrende Krieger und deren Ausstattung mit Hausrat, Arbeitsvermittlung der ehemaligen Soldaten und Unterstützung für Arbeitslose.365 Wenige Tage später, am 11. November 1918, wurde nun auch für das Deutsche Reich der Krieg beendet. In einem Eisenbahnwagon im Wald von Compiègne, nördlich von Paris, wurde der Waffenstillstand unterzeichnet. Die Bevölkerung war natürlich sehr froh über diese Ereignisse, denn nun konnten ihre Angehörigen von den verschiedenen Kriegsschauplätzen wieder heimkehren. Die Gefahren an der Grenze waren damit jedoch noch nicht gebannt. Auch die neuen Verantwortlichen, der provisorische Arbeiter-, Soldatenund Bauernrat – der sich nun auch in Füssen etabliert hatte – stand vor dem Problem des Grenzschutzes im Allgäu. An die Bevölkerung Füssens und der Umgebung erging noch am 10. des Monats ein Aufruf des Grenzschutzkommandeurs in Kempten, Major von Kiesling, der erneut zusicherte, dass die militärische Autorität alles unternehmen werde, Bayern davor zu bewahren, „[. . .] dass disziplinlose Banden, Ausländer und sonstige unzuverlässige Elemente die Grenze überschreiten, durch Rauben, Plünderung, Zerstörung das Leben und die Sicherheit der Bevölkerung, die Sicherung ihres Eigentums gefährden.“366 Er vergaß auch nicht, „[. . .] streunende Kriegsgefangene [. . .]“ zu erwähnen, die zur gleichen Zeit auch dem Regierungs-Präsidenten von Praun Kopfzerbrechen bereiteten.367 Von Kiesling appellierte an alle Soldaten, schärfste Disziplin aufrecht zu erhalten und peinlich genau die Erfüllung ihrer militärischen Pflichten, nämlich den Schutz der Grenze, im Auge zu haben. Der Dank der zu beschützenden Bevölkerung von Füssen und Umgebung sei ihnen gewiss. Die Bevölkerung der Grenzgebiete bat er, „[. . .] ruhig und in vollem Vertrauen ihrer Beschäftigung nachzugehen und den Soldaten durch Entgegenkommen jeder Art, insbesondere auch durch Unterstützung bei der Verpflegung der Mannschaft ihre schwere Aufgabe zu erleichtern.“368 Ähnliche Töne schlug der neue 365

Vgl.: Füssener Blatt, Nr. 175, 10.11.1918. Aufruf am 10. November 1918, in: Füssener Blatt, Nr. 177, 14.11.1918. 367 Füssener Blatt, Nr. 177, 14.11.1918. Von Prauns Äußerung, in der er die Bürgermeister ländlicher Gemeinden angewiesen hat, „[. . .] auf die Gefangenen ein Auge zu haben, Unbotmäßigkeiten und Zusammenrottungen sofort zu melden“ in: StAA, Regierung von Schwaben, Akt Nr. 9636: Bericht Nr. 1696 vom 11.11.1918. 366

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bayerische Innenminister von Auer in seinem Aufruf an alle Bayern vom 12. November 1918 an. Mit Blick auf den südlichen Nachbarn warnte er vor „[. . .] furchtbaren Gefahren. Geht die Demobilisierung nicht in geordneter Weise vor sich, so werden in Bayern in kurzem ähnliche Zustände wie in Österreich herrschen: Plünderungen und Hungersnöte.“ Er wandte sich ganz konkret an die Bezirksämter und Gemeindeverwaltungen und schärfte ihnen ein, aktiv alle notwendigen Schritte zu tun und nicht zu warten, bis Anordnungen der Regierung kämen. Vorkehrungen müssten getroffen sein, noch bevor die Gefahr eintrete, sie könnten nicht erst in letzter Minute geschaffen werden. Jeder Einzelne solle eingebunden werden, ohne Ansehen irgendeiner politischen Gesinnung. Eindringliche Worte beendeten seine Rede: „Jeder Einzelne hat darunter zu leiden, wenn die Kartoffeln im Erdboden verfaulen, die Wintersaat nicht bestellt und die Lieferungspflicht nicht peinlich erfüllt wird. Hungern die Städte, sind Plünderungen der Bauernhöfe die traurige Folge. Solche Plünderungen wären der Anfang unabsehbaren Elends.“369 Die undurchsichtigen Verhältnisse und die – de facto – kaum mehr vorhandenebeziehungsweise wirksame Aufsicht des Staates ließen natürlich viel Spielraum für Schwindel und Schleichhandel. Soldaten verkauften ihre Ausrüstungsgegenstände, österreichische Staatsbürger schmuggelten Lebensmittel über die Grenze und besonders häufig gingen Zivil- und Militärpersonen auf das Land und requirierten unter der Vorgabe, sie seien vom Soldaten- und Arbeiterrat hiezu beauftragt, Eier, Butter, Schmalz et cetera.370 Gerade die aus dem Krieg zurückgekehrten Soldaten waren hierbei wenig zimperlich. Insbesondere die Jugendlichen legten eine „[. . .] kaum zu überbietende Rohheit [. . .]“ an den Tag.371 Teilweise verließen die Grenzschutzsoldaten einfach ihre Einheiten, um nach Hause zu gehen.372 Die Truppen, die mit der vorgeschobenen Verteidigung der bayerischen Grenze am Brenner betraut waren, wurden mit Befehl vom 10.11.1918 nach Bayern zurückgerufen. Der Abzug sollte sofort erfolgen, aber aufgrund der nachdrängenden Entente-Truppen immer abschnittsweise, um den Abfluss der zurückströmenden österreichischen Truppen so lange wie möglich zu sichern.373 Am Morgen des nächsten Tages meldete das Generalkommando des II. bayrischen Armeekorps an das Kriegsministe368

Füssener Blatt, Nr. 177, 14.11.1918. Füssener Blatt, Nr. 177, 14.11.1918. 370 Vgl.: Füssener Blatt, Nr. 178, 16.11.1918. 371 StAA, Regierung von Schwaben, Akt Nr. 9636: Bericht Nr. 1794 vom 25.11.1918. Siehe auch den Bericht Nr. 5020 vom 30.11.1918 des Vorstandes des Bezirksamts Füssen, in: ibid. 372 Vgl. bspw.: BayKA, Gen. Kdo. II. b. A. K., Bund 93: Bericht Ia/Nr.2422 des Generalkommandos II.b.A.K. vom 11.11.1918. 373 BayKA, Gen. Kdo. II. b. A. K., Bund 93: Korpsbefehl Ia/Nr.2402 des Generalkommandos II.b.A.K. vom 10.11.1918. 369

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J. Grenzschutz Süd – Die Besetzung Tirols durch bayerische Truppen

rium, dass an beiden Flügeln des Grenzschutzes ab sofort die Truppen aus Vorarlberg und dem Salzkammergut hinter die bayerische Grenze zurückgenommen würden.374 Die Mitte der in Österreich stehenden 4. bayerischen Infanteriedivision werde in drei Tagesmärschen die Grenze erreichen. Das Ende (also die Queue) der Division sei bereits in Hall mit einer Nachhut in Matrei. Der Bayerische Staatsanzeiger meldete am 14. November die geordnete und nahezu abgeschlossene Rückkehr aller Grenzschutz-Truppenverbände auf bayerischen Boden.375 Abschließend lässt sich sagen, dass wie überall im Reich auch in der bayerischen Provinz Ende 1918 Lebensmittelknappheit und Kriegsverdruss herrschten. Die Stimmung war gedrückt, zeitweise apathisch, dann wieder aufgeregt, ängstlich und geradezu panisch. Alle Dokumente zeigen, dass die Gefahr eines Einmarsches feindlicher Truppen sowohl der Bevölkerung als auch den verantwortlichen Stellen bewusst war. Es ist aber auch festzustellen, dass die Ängste sich nicht vornehmlich auf Entente-Truppen, also reguläre Armeeangehörige, projizierten sondern auf unkonkrete ‚sengende und plündernde Banden‘. Das konnten entweder Vorhuten der alliierten Armeen sein, aber auch entsprungene Kriegsgefangene, vom Hunger getriebene und zügellose Nachbarn des Außerferns oder sogar die eigenen Grenzschutztruppen, die speziell nach dem Waffenstillstand Deutschlands ein willkürliches Regiment an ihren Grenzkontrollstellen ausübten. Nach der Revolution in Bayern gelang es den Stadtoberen, neben Ruhe und Ordnung auch die Lebensmittelversorgung aufrecht zu erhalten. Größere Unruhen unterblieben. Anschlussbestrebungen des Außerfern an Bayern waren stets vorhanden, konnten aber nicht umgesetzt werden. Grenzübertritte wurden limitiert, um dem Schleichhandel, der vor allem mit dem Außerfern blühte, einen Riegel vorzuschieben. Ein an der grünen Grenze kaum Erfolg versprechendes Instrument. Das Leben ging weiter und normalisierte sich zusehends. Mit dem 23. November kehrte ein Stück Alltagsleben zurück, als das Füssener Blatt vermeldete: „Wem es in dieser schweren Zeit um tanzen zu tun ist, der darf jetzt tanzen, denn das Tanzverbot ist aufgehoben.“376

374

BayKA, MKr 1833: Morgenmeldung Nr. 287490 vom 11.11.1918. Vgl.: Bayerische Staatszeitung und Bayerischer Staatsanzeiger Nr. 265 vom 14.11.1918, S. 3. 376 Füssener Blatt, Nr. 182, 23.11.1918. 375

Das ist kein Frieden. Das ist ein zwanzigjähriger Waffenstillstand. (Der französische Marschall Ferdinand Foch, 1919)1

K. Epilog – ‚Über die Schwierigkeit Südtiroler zu sein‘ Nach der Schilderung des Kriegsendes in Tirol und des bayerischen Grenzschutzes soll sich nun der Kreis wieder schließen zur Region Südtirol. Die markante Überschrift lehnt sich an einen Aufsatz des bekannten Südtiroler Zeithistorikers und Publizisten Claus Gatterer an, der ‚Über die Schwierigkeit, heute ein Südtiroler zu sein‘ referierte.2 Allein das heute ist in unserer Betrachtung nicht zeitgemäß, soll doch dieses Kapitel eine kurze Betrachtung der Entwicklung bis zur Beilegung des Südtirol Problems darstellen. Getrost kann man heute sagen, dass der Konflikt wirklich beigelegt ist. Die Zeiten von Sprengstoffanschlägen und wilkürlichen Verhaftungen sind vorüber, die deutschsprachige Bevölkerung hat sich mit den italienischen Verhältnissen arrangiert und gemeinsam versucht man auf einem neuen Wettkampfplatz zu bestehen: Im Tourismus. Allerdings bleibt zu bedenken, was Südtirol ohne seine (österreichische) Vergangenheit wäre. Besonders bezogen auf seine Attraktivität im touristischen Bereich. Die Vergangenheit ist Last und Verantwortung zugleich, der man sich in Südtirol vorbildlich stellt, ja stellen muss, da man allerorten an sie erinnert wird. Mit dem in der Villa Giusti unterzeichneten Waffenstillstand war der ‚Tod des Doppeladlers‘ besiegelt. Die Waffenruhe galt nicht nur für die Südwestfront, sondern für alle österreichisch-ungarischen Truppen. Italien hatte sein Ziel erreicht und besetzte noch vor dem Zuspruch durch die Friedensverträge die von ihm beanspruchten Gebiete.3 Ein Strom von Kriegsheimkehrern flutete in die Heimat zurück, die doch so anders war als bei ihrem Auszug. Hunger und Revolution prägten das Bild in den Städten. In den ländlichen Gebieten und hier vor allem in Tirol fand man sich schneller wieder in das Alltagsleben ein. Die Männer nahmen ihre meist bäuerlichen Berufe wieder auf, bestellten die Felder und hatten ihr Auskommen. Da Südtirol den Kernschauplatz der in dieser Arbeit behandelten Kämpfe dar1

Foch, Ferdinand (Maréchal): Erinnerungen. Von der Marneschlacht bis zur Ruhr, Dresden o. J. 2 Gatterer, Claus: Über die Schwierigkeit, heute ein Südtiroler zu sein, in: Gatterer, Claus: Aufsätze und Reden, Bozen 1991, S. 311–326. 3 Hierzu: Rainer, Johann: Die italienische Besatzung in Österreich 1918–1920, in: Innsbrucker Historische Studien, 2 (1979), S. 77–90.

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K. Epilog – ‚Über die Schwierigkeit Südtiroler zu sein‘

stellte wird im Folgenden ein kurzer Ausblick auf die politische Entwicklung dieser Region nach dem Ersten Weltkrieg gegeben. Am 10. September 1919 unterzeichnete Österreich den Friedensvertrag von Saint-Germain-en-Laye. Es musste das Trentino, Südtirol, Görz, Triest und Istrien endgültig an Italien abgeben. Offen blieb die Zukunft Dalmatiens, das nach dem Londoner Vertrag zu Italien hätte kommen sollen, das aber von Jugoslawien gefordert wurde. Der Streit um die Adriagebiete kulminierte in der handstreichartigen Besetzung der Stadt Fiume (Rijecka) durch den Dichter Gabriele D’ Annunzio und seine Gefolgsleute. Das Land Tirol war geteilt. Nur 38 Kilometer südlich von Innsbruck verlief die neue Grenze.4 Italien war der Preis für seinen Kriegseintritt 1915 an der Seite der Entente ausgezahlt worden. Trotz des vom amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson verkündeten Rechts auf Selbstbestimmung der Völker wurde Italien ein Gebiet zugesprochen, das seit mehr als fünf Jahrhunderten zu Österreich gehört hatte und zum größten Teil von einer deutschsprachigen Bevölkerung bewohnt war. Von nun an gab es eine Südtirolfrage, zu deren Verständnis die in dieser Arbeit dargelegten Ereignisse des Ersten Weltkrieges beitragen können. Den ideologischen Unterbau zur ‚Italianisierung‘ hatte Ettore Tolomei (1865–1952) geliefert.5 Er war von der Idee beseelt gewesen, dass Italiens Nordgrenze am Brenner verlaufen müsse. Er war es, der die uralten deutschen Ortsnamen durch Übersetzen oder simples Anhängen italienischer Endungen italianisierte – so wurde aus Südtirol Alto Adige, das Oberetsch – und der im Jahr 1923 im Auftrag Mussolinis ein Programm der ‚totalen Italianisierung‘ verkündete, das ihn in den Augen vieler bis heute zum ‚Totengräber Südtirols‘ stempelte.6 Im Bemühen, die ‚Entnationalisierung‘ voran4 Zum Überblick: Haas, Hans: Südtirol 1919, in: Maislinger, Andreas/Pelinka, Anton (Hg.): Handbuch zur neueren Geschichte Tirols, Bd. 2: Zeitgeschichte, Teil 1: Politische Geschichte, Innsbruck 1993, S. 95–130. 5 Hierzu: Franke, Gisela: Im Kampf um Südtirol. Ettore Tolomei (1865–1952) und das ‚Archivio per l’Alto Adige‘ (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom Bd. 67), Tübingen 1967; auch: Parteli, Othmar: Südtirol 1918–1970 (Geschichte des Landes Tirol, Bd. 4/I), Bozen/Innsbruck/Wien 1988, S. 13–20. In einer Rede am 26. März 1917 hatte Tolomei eine Vision für die dann eintretende Vereinigung Südtirols mit Italien entwickelt, die seine Gedankengänge zusammenfasst: „Es werden, wenn Südtirol zu Italien kommt, dort etwa 170.000 Deutsche 36 Millionen Italienern gegenüberstehen. Diese Deutschen werden nicht umhin kommen, entweder dorthin zurückzuwandern, wo sie hergekommen sind, oder sich meridionalisieren zu lassen und sich der italienischen Sprache und Kultur anzupassen. Es kann dabei allerdings auch zu einer Phase des Überganges kommen, in der energische Maßnahmen notwendig sind, in dem Sinne, daß feindselige Elemente mit Gewalt aus dem Land entfernt werden müssen.“ Zitiert in: Gruber, Alfons: Gegen die Avantgarde des Vergessens. Der Faschismus in Südtirol: Streiflichter, Bozen 1995, S. 109.

K. Epilog – ‚Über die Schwierigkeit Südtiroler zu sein‘

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zutreiben, entwickelte die italienische Regierung unter Benito Mussolini eine rege Aktivität. Die Maßnahmen, Verordnungen, Erlasse und Gesetze betrafen fast jeden Lebensbereich der Südtiroler und setzten dort ein, wo die Identität eines Volkes an seiner Wurzel getroffen wird: bei der Sprache. Als Erstes wurde der Name ‚Tirol‘ verboten. Auch alle Ableitungen oder Verbindungen mit diesem Wort wie ‚Tiroler‘, ‚Südtiroler‘, ‚Deutsch-Südtirol‘ durften nicht mehr verwendet werden.7 Im Oktober 1923 wurde Deutsch als Unterrichtssprache in den Schulen verboten und Italienisch eingeführt.8 Italienisch wurde Amtssprache in der Verwaltung, 1925 auch vor Gericht. Zur faschistischen Politik gehörte auch die Zerstörung der Südtiroler Wirtschaft und des Bauerntums: Bauernbund, landwirtschaftliche Zentralkasse, Gewerkschaften und politische Verbände wurden zerschlagen.9 Der von Rom erhoffte Erfolg war aber nur mäßig und Mitte der dreißiger Jahre griff man zu einer neuen Methode: Majorisierung. Durch massenweise Zuwanderung von Italienern sollten die Südtiroler in ihrer angestammten Heimat zur Minderheit werden. Diese Strategie war relativ erfolgreich. Gab es 1910 rund 7.100 und 1921 etwa 20.300 Italiener in Südtirol, so waren es 1939 bereits 80.800 (bei circa 235.000 Südtirolern).10 Majorisierung und industrielle Erschließung und Durchdringung Südtirols gingen Hand in Hand. Viele Südtiroler blickten seit Hitlers Machtergreifung 1933 in der Hoffnung auf Hilfe nach Deutschland. Mit dem Anschluss Österreichs im März 1938 waren Jubel, Hochgefühle, Hoffnungen und Erwartungen grenzenlos in Südtirol. Es schien nur noch eine Frage der Zeit, bis der Führer auch Südtirol ‚heim ins Reich‘ holen würde, wie es im damaligen Sprachjargon hieß. Die Ernüchterung kam für die meisten am 7. Mai 1938 mit Hitlers Rede in Rom. Hier machte er erneut klar, dass es sein „[. . .] unerschütterlicher Wille und sein Vermächtnis an das deutsche Volk“ sei, „[. . .] die von der Natur aufgerichtete Alpengrenze für immer als eine unantastbare anzu6 Zu Tolomeis ‚Programm in Aktion‘: Gruber, Alfons: Südtirol unter dem Faschismus (Schriftenreihe des Südtiroler Kulturinstituts Bd. 1), Bozen 1978, S. 20–44. 7 Vgl. hierzu: Steininger, Rolf: Südtirol im 20. Jahrhundert: vom Leben und Überleben einer Minderheit, Innsbruck/Wien 1997, S. 80 ff. 8 Zur Entnationalisierung der Schulen: Parteli, Südtirol, 1988, S. 173–199; auch: Steininger, Südtirol, 1997, S. 85–88. 9 Vgl.: Parteli, Südtirol, 1988, S. 275–288. 10 1943 belief sich die italienische Bevölkerung auf 104.750 Personen. Alle Zahlen in: Leidlmair, Adolf: Bevölkerung und Wirtschaft 1919–1945, in: Huter, Franz (Hg.): Südtirol. Eine Frage des europäischen Gewissens, Wien 1965, S. 362–381, hier: S. 363. Vgl. auch: Schloh, Bernhard: Italiens Politik in Südtirol 1919–1945, in: Huter, Südtirol, 1965, S. 293–320, hier: S. 299. 11 Steininger, Südtirol, 1997, S. 157. Hitler hatte seine Ansichten zu Südtirol schon wesentlich früher bekundet. In einer Rede in München im November 1922

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K. Epilog – ‚Über die Schwierigkeit Südtiroler zu sein‘

sehen.“11 Am 23. Juni 1939 kam es in Berlin dann zu jener Vereinbarung, mit der das Schicksal Südtirols endgültig besiegelt werden sollte: nach einer zweistündigen Sitzung waren sich Deutsche und Italiener grundsätzlich einig über eine Umsiedlung der Südtiroler.12 Diese standen damals vor der Wahl, bis zum 31. Dezember 1939 entweder für die deutsche Staatsbürgerschaft zu optieren oder sich für die Beibehaltung der italienischen Staatsbürgerschaft zu entscheiden. Von den 213.000 Südtirolern, die für Deutschland optiert hatten, verließen etwa 75.000 tatsächlich das Land. Etwa 50 Prozent von ihnen wanderten 1940 aus, danach geriet die Umsiedlung ins Stocken.13 Einer der wichtigsten Gründe dafür war wohl, dass kein endgültiges Siedlungsgebiet gefunden worden war.14 Hinzu kam, dass die anfängliche Begeisterung schnell der Ernüchterung wich. Die Option gehört zu den wohl leidvollsten Kapiteln in der Geschichte der Südtiroler. Hinter dem juristisch kühlen Begriff stehen Südtirols Lebensfragen: Erhalt und Verlust von Heimat, Einheit und Spaltung der Volksgruppe, der Zusammenhang von Politik und Alltag. Der Sturz Mussolinis, der Übertritt Italiens an die Seite der Alliierten und die Besetzung Südtirols und Norditaliens durch deutsche Truppen am 9. September 1943 wurden von der überwiegenden Mehrheit der Südtiroler als Befreiung vom italienischen Joch empfunden. Der erhoffte offizielle Anschluss Südtirols an das Deutsche Reich blieb aus. Es kam zwar zu einer Art de-facto-Wiedervereinigung Tirols, staatsrechtlich aber blieb Südtirol – mit Rücksicht auf den Duce – ein Teil Italiens, und zwar der neuen ‚Schein‘-Repubblica Sociale di Salò Mussolinis, die von der Gnade Berlins abhing.15 Am 3. Mai 1945 übernahm der Comitato di Liberazione Nazionale (CLN) die Verwaltung des Landes bis zum Brenner. Am gleichen Tag hissten Carabinieri dort die italienische Fahne. Italien hatte wieder die Regierungsgewalt in Südtirol übernommen; in Bozen war eine Regierung im Amt, die ihre Tätigkeit im Namen Italiens ausübte und dann von den Ameerklärte er: „Mit Italien, das seine nationale Wiedergeburt erlebt und eine große Zukunft hat, muß Deutschland zusammen gehen. Dazu ist nötig ein klarer und bündiger Verzicht auf die Deutschen in Südtirol, die leeren Proteste gegen die Faschisten schaden uns nur, da sie uns diese entfremden.“ Zitiert in: Gruber, Südtirol, 1978, S. 171. 12 Vgl.: Parteli, Südtirol, 1988, S. 344 ff. Auch: Steininger, Südtirol, 1997, S. 159 ff. 13 Die Angaben in ‚The Italo-Austrian Frontier. Offiziöses Memorandum für die Friedenskonferenz 1946‘, zitiert in: Huter Franz, Option und Umsiedlung, in: Huter, Südtirol, 1965, S. 340–361, hier: S. 341. Vgl. auch: Parteli, Südtirol, 1988, S. 383 und Steininger, Südtirol, 1997, S. 182 ff. 14 Zur ‚geglückten‘ Wiederansiedlung: Parteli, Südtirol, 1988, S. 372 ff. 15 Vgl.: Parteli, Südtirol, 1988, S. 392 und Steininger, Südtirol, 1997, S. 189. 16 Vgl.: Steininger, Südtirol, 1997, S. 208.

K. Epilog – ‚Über die Schwierigkeit Südtiroler zu sein‘

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rikanern bestätigt wurde.16 Im Mai 1946 forderten in einer – von der Südtiroler Volkspartei angeregten – Unterschriftenaktion die Südtiroler einmütig die Rückkehr zu Österreich. Die 156.000 Unterzeichner vertraten faktisch die gesamte erwachsene deutschsprachige Bevölkerung.17 Diese Forderung nach Rückkehr wurde von Österreich auf der Pariser Friedenskonferenz vertreten, aber 1946 von den Alliierten abgelehnt. Eine Weichenstellung brachte das Gruber-De Gasperi Abkommen. Am 5. September 1946 unterzeichneten der italienische Ministerpräsident Alcide De Gasperi und der österreichische Außenminister Karl Gruber in Paris den Vertrag, in dem der Grundstein für das Zusammenleben gelegt wurde. Es wurde auch als Annex in den österreichisch-italienischen Friedensvertrag von 1947 mitaufgenommen. Neben der vollen Gleichberechtigung gewährte das Pariser Abkommen der Region eine autonome regionale Gesetzgebungs- und Vollzugsgewalt und erkannte Österreich als Schutzmacht an. 1948 wurde die zugesagte Autonomie nicht Südtirol, sondern der neu gebildeten Region ‚Trentino-Südtirol‘ verliehen, einem Gebiet mit italienischer Mehrheit. Die Folgen waren Auseinandersetzungen zwischen Österreich und Italien um die deutsch- und ladinischsprachigen Minderheiten. Der weitere Weg war von blutigen Attentaten in den fünfziger und sechziger Jahren gekennzeichnet und fand seinen Abschluss in der italienisch-österreichischen Einigung von 1969, als es zur Unterzeichnung des so genannten Südtirol-Pakets kam.18 Es trat 1972 in Kraft und verpflichtete Italien, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Autonomie Südtirols zu schaffen. Eine österreichische Streitbeilegungserklärung vor der UNO am 11. Juni 1992 brachte den formellen Abschluss der Südtirolverhandlungen.

17 Vgl.: Miehsler, Herbert: Das Gruber-De Gasperi Abkommen und seine Auslegung, in: Huter, Südtirol, 1965, S. 385–425, hier: S. 387. 18 Einen Überblick über die Zeit bis 1969 in: Steininger, Südtirol, 1997, S. 471–509.

Ich las heute in der Apokalypse Johannis und finde, daß der Stil dieser grandiosen Vision eigentlich der richtige Stil für den Beschreiber unserer Zeit wäre. (Aus dem Tagebuch Josef Redlichs im Jahre 1918)1

L. Schlussbetrachtungen Für Italien hat sich gezeigt, dass seine Aspirationen des Risorgimento sich Dank der günstigen Konstellation des Frühjahrs 1915 leichter ohne Krieg hätten verwirklichen lassen. Als die österreichisch-ungarische Armee am 3. November 1918 infolge der inneren Auflösung der Monarchie kapitulieren mußte, hatten die Italiener noch nirgends die Grenzlinien erreicht, die Österreich-Ungarn in den Verhandlungen vom April-Mai 1915 zugesagt hatte. Salandra, Sonnino und ihre Anhänger hatten durch ihre auf Macht und Prestige bedachte Politik auch von inneren Problemen ablenken und ihr System stabilisieren wollen. Erreicht haben sie das Gegenteil. Der lange Krieg, dem Italien weder wirtschaftlich noch militärisch gewachsen war – wie sich herausragend an der Hilfe der Ententemächte im letzten Kriegsjahr gezeigt hat – hat vielmehr innere Probleme verschärft und den Umschlag von der latenten in die akute Systemkrise heraufgeführt, der die liberale classe dirigente dann gar nicht mehr begegnen konnte. Die in der Volksmeinung aufkeimende Hoffnung auf Entschädigung all ihrer Leiden zumindest finanziell, gespeist durch Reparationszahlungen, und die ideelle Hoffnung, nun als ‚Global Player‘ im Mächtekonzert mitzumischen wurde nicht erfüllt. Schnell machte das Wort vom Verlorenen Sieg die Runde, als der er empfunden wurde.2 Der Weg war geebnet für das Aufziehen des italienischen Faschismus. Der für alle Beteiligten unbefriedigende Status war mit einem ernorm hohen Blutzoll erkauft worden. Die italienische Armee hatte rund 636.000 Gefallene und 975.799 Verwundete am südwestlichen Kriegsschauplatz zu beklagen (mehrheitlich am Isonzo).3 Für die K. u. k. Armee lässt sich fol1

Redlich, Tagebuch, II, 1953, S. 261, Eintrag am 15.03.1918. Vgl. das Buch des ehemaligen italienischen Vertreters auf der Konferenz von St. Germain: Crespi, Silvio: Verlorener Sieg. Italien und die Alliierten 1917–1919, München o. J. 3 Siehe: Angetter, Sanitätsversorgung, 1995, S. 187, Die Verlustzahlen der Alliierten Armeen in Italien belaufen sich auf (erste Zahl Gefallene/zweite Zahl Verwundete): Frankreich 480/2.302; England 1.004/5.073; Amerika 5/12; Tschechoslowakische Legion 52/239, siehe ibid., S. 187. Schaumann spricht von 680.545 italienischen Soldaten die verwundet wurden. Vgl.: Schaumann, Walther: Vom Ortler bis zur Adria. Die Südwest-Front 1915–1918 in Bildern, Klosterneuburg/Wien 1993, S. 179. 2

L. Schlussbetrachtungen

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gende, einigermaßen realistische Bilanz ziehen: 1.300.000 Gefallene, davon rund 60 Prozent durch feindliche Waffenwirkung, etwa 40 Prozent durch – epidemische – Krankheiten, Blitzschläge, Lawinenunfälle, Abstürze, et cetera. Hinzu kommen noch rund 4.500.000 Verwundete.4 Auf die Südwestfront entfielen dabei von diesem Gesamtverlust 2.578.000. Die Zahl der Tiroler Kriegstoten dürfte bei 30.000 liegen, wobei etwa 20.000 Mann allein auf die vier Kaiserjägerregimenter entfallen.5 Diese Zahlen zeigen auch in erschreckender Weise, wie gefährlich das Leben in den Bergen nicht nur während des militärischen Kampfes war. Naturgewalten wie Lawinen, Blitzschläge und Kälteeinbrüche, aber auch Unfälle forderten mindestens ebenso viele Todesopfer wie die Kampfhandlungen. Schätzungen gehen sogar soweit, dass zwei Drittel der Toten auf die Hochgebirgsnatur und damit Naturgewalten zurückzuführen sind. Der Alpenkriegs-Experte Heinz von Lichem geht davon aus, dass mindestens 60.000 Soldaten (auf beiden Seiten) durch Lawinen umkamen.6 Die Frontlinie des Gebirgskriegs 1915–1918 unterschied sich fundamental von allen anderen Kriegsschauplätzen jener Tage. Eine ununterbrochene Folge von Gebirgsketten, durchwegs zwischen 2.000 und 4.000 Meter bestimmt die Topographie dieses Kampfraumes. Es hat sich gezeigt, dass die frühe Verteidigungskonzeption Österreich-Ungarns, nämlich die Sperrung der natürlichen Einfallslinien mit Festungswerken, Talsperren und Fortifikationen verschiedenster Art, erfolgreich war. Ein militärischer Durchbruch durch die Haupttäler, wie er in der Militärtheorie des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts stets geplant war, konnte durch diese Festungswerke verhindert werden. Gemäß den Strategen der Vorkriegsära, wäre damit eine Stagnation eingetreten. Der Feind hätte sich mit aller Kraft gegen die Fortifikationen stemmen müssen. Dieser Fall trat nicht ein. Es kam zu einer Ausweitung des Krieges. Die italienischen Truppen wichen aus und suchten sich andere Durchbruchslinien. Es blieb ihnen nur das Hochgebirge mit seinen schwer zugänglichen Graten, Gipfeln, Gletschern und Jöchern. Die NotDas Referenzwerk der Weltkriegs-Enzyklopädie geht von niedrigeren Zahlen aus: 460.000 militärische Todesfällen, allerdings kombiniert mit bis zu 700.000 zivilen Toten. In: Hirschberg et al, Enzyklopädie, 2004, S. 664 f. Siehe auch die frühe (offizielle) Zählung: Winkler, W.: Die Totenverluste der österr.-ung. Monarchie nach Nationalitäten. Herausgegeben vom Statistischen Dienst des Deutschösterreichischen Staatsamtes für Heereswesen, Wien 1919. 4 In: Angetter, Sanitätsversorgung, 1995, S. 186. 5 Vgl.: Dietrich, Elisabeth: Die Bilanz des Krieges. Der verlorene Krieg und die Familien der gefallenen, verwundeten und arbeitslos gewordenen Soldaten (1918–1921), in: Innsbrucker Historische Studien 16/17 (1997), S. 407–418, hier: S. 409. Nicht alle toten Kaiserjäger stammten aus dem Land Tirol. 6 Vgl.: Lichem, Einsamer Krieg, 1981, S. 56.

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L. Schlussbetrachtungen

wendigkeit, in die extrem gefährlichen Hochgebirgslagen auszuweichen, ohne vorher verwertbare Erfahrungen gemacht zu haben, verursachte immense taktische und logistische Probleme. Die fast schon dogmatische Betrachtung des Höhenangriff- oder TalstoßGedankens, die aus den militärtheoretischen Überlegungen vor dem Ersten Weltkrieg gespeist wurde, führt idealtypisch zu einer Kombinationslösung: Hochalpine Eliteeinheiten sollten die Kampflinien in großen Höhen überrennen, während gleichzeitig starke Infanterieverbände durch die Täler stoßen sollten. In dem dann eroberten Raum, im Falle der Südwestfront also an den Gebirgsausgängen in die venetianische Tiefebene, sollten sich beide Angriffsgruppen vereinigen und weiter vorrücken. Ein in der Theorie einfacher Gedanke, der, wie gezeigt wurde, auch von den Planern am grünen Tisch, respektive im Armeeoberkommando, beherzigt wurde. In der Praxis waren die Truppen, die den Plan auszuführen hatten, oftmals mit unüberwindlichen Schwierigkeiten konfrontiert. Perfekte Organisations- und Planungsarbeit konnte in kürzester Zeit von den Naturgewalten zunichte gemacht werden. Als der Krieg im Mai 1915 begann, zeigten die Tiroler Standschützen großes Geschick und Schnelligkeit bei der Besetzung der neuen Front. In den ersten Monaten des Krieges waren nur sehr wenige Truppen in dieser Region vorhanden. Unterstützung kam nur durch das Deutsche Alpenkorps, das aus der Notwendigkeit gegründet worden war, eine den alpinen Truppen der Nachbarn – in diesem Falle Frankreichs – gleichwertige Truppe zu schaffen. Wie gezeigt wurde, ist für den Krieg in den Bergen eine Gebirgskompetenz der Truppen, die sich aus den Gebirgsbedingungen und der daraus resultierenden Gebirgsausbildung ergibt, unerlässlich. Die ersten Kriegsmonate machten aus den bergungewohnten Soldaten Alpinisten; die Alpenfrontsoldaten wurden Bergsteiger, weil sie es werden mussten. Renker nennt daher die vom Krieg geprägte Alpinistik eine „[. . .] gedankenlose, mechanische [. . .]“7 Erst im Verlauf des Krieges konnte durch zielgerichtete Ausbildung und durch die Verwertung laufender Erfahrungen eine in sich geschlossene Gebirgstruppe geschaffen werden, die Spezialisten für besondere Kampfverfahren (Sturmtruppen, Hochgebirgs-Streifkompanien, Mineure, Seilbahnbau-Detachements, et cetera) und Bergsteiger vereinte. Zu Beginn des Krieges konnten nur die wichtigsten und zugänglichsten Positionen permanent gehalten werden. Viele Kilometer der Front, speziell auf den höchsten Gletschern, waren im Sommer 1915 noch unbemannt. Während des ersten Kriegssommers wurde in den hochalpinen Regionen 7 Renker, Gustav: Bergtage im Felde. Tagebuchblätter von Dr. Gustav Renker, in: Zeitschrift des D. Ö. A. V. Bd. 48, 1917, S. 177–200, hier: S. 177.

L. Schlussbetrachtungen

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wenig gekämpft. Die Armeen waren mit der Rekognoszierung und Erforschung des komplizierten Terrains beschäftigt und versuchten, logistische Strukturen aufzubauen, um dem herannahenden Winter begegnen und um für den folgenden Sommer die Unterbringung von mehr Truppen und Artillerie garantieren zu können. So entwickelte sich eine besondere Kampfweise: die Bekämpfung des Feindes mit kleinen, flexiblen Patrouillen. Truppen, die nicht in vorderster Linie standen, waren ständig mit dem Ausbau der Infrastruktur und dem Heranbringen von Nachschub beschäftigt. Im Winter war es für die exponierten Stellungen keine Seltenheit, von allen Versorgungsmöglichkeiten abgeschnitten zu sein. Dies besserte sich ein wenig mit dem Ausbau des Seilbahnnetzes ab Sommer 1916. Maultiere waren aufgrund ihrer Zuverlässigkeit in großen Höhen die geeignetsten Tragtiere und wurden intensiv eingesetzt. Sie konnten aber auch nicht über die Gletscher oder Strickleitern klettern und deshalb war im Endeffekt immer der Mensch gefordert. Eine weitere Eigenart der Kriegsführung in den Bergen, die sich aus deren Topographie ergibt, war die geringe Zahl an kämpfenden Einheiten in den vordersten Linien. Es mangelte an ausreichendem Raum, sich zu entfalten. An vielen Plätzen gab es gerade genug Platz zum Bau kleiner, sehr primitiver Hütten, die kaum mehr als eine Hand voll Soldaten unterbringen konnten. Das Verschieben großer Truppenansammlungen war im rauen Klima der hohen Berge mit ihrer schlechten Gangbarkeit sehr schwierig und konnte selten vor dem Feind verborgen gehalten werden. Auch wenn die Zahl der kämpfenden Einheiten geringer war als an den Schauplätzen der West- und Ostfront, band der Krieg im Hochgebirge, eben durch die komplizierte Versorgung und Logistik, eine enorme Zahl an Truppenkräften. Ab dem Frühjahr 1916, nach der ersten Überwinterung im Hochgebirge, war man mit den Gesetzen des alpinen Krieges vertraut. Allen Beteiligten war klar, dass ein frontales Vorbrechen gegen die gegnerischen Linien keinen Erfolg haben würde. Man beschränkte sich auf das Halten der Linien in den Bergen. Der versuchte Ausbruch in der österreichisch-ungarischen Offensive über die Sieben Gemeinden, ein herausragendes Exempel für eine groß angelegte Gebirgsoperation, schlug fehl. Allein aus dem Antrieb der Gebirgstruppe brachte das Jahr 1917 keine offensive Lösung. Das Zusammenspiel mit der Isonzofront brachte hier die Änderung: der K. u. k. Vormarsch in Friaul–Venetien nach dem ‚Wunder von Karfreit‘ machte es möglich, dass sich die österreichische Gebirgsfront in Bewegung setzte. Aber auch der Abzug der italienischen Armee aus den Gebirgsstellungen – und damit der Wegfall der Front in den Dolomiten, den julischen und kadorischen Alpen und am Isonzo – brachte keine endgültige Entscheidung.

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L. Schlussbetrachtungen

Der Krieg 1915 bis 1918 war keine Fortsetzung des Tiroler Bauernaufgebots der Jahre 1703 und 1809. Die romantisierenden Bilder eines Bergvolkes jener Tage, das in kleinen, aber zu allem entschlossenen Gruppen von umstürmten Felsspitzen herab einen weit überlegenen Gegner in die Flucht schlägt, fanden nicht statt. Es war ein grausames Sterben und der Tod im Gebirge hatte besonders viele Facetten. Beide Seiten hatten unter extremsten, unwirtlichen Bedingungen schier Unglaubliches zu leisten vermocht. Der tägliche Kampf gegen die Naturgewalten zehrte aber an den Kräften und forderte unzählige Todesopfer. Richtig ist aber auch, dass der Krieg im Hochgebirge nicht von denselben Menschenmassen wie am Isonzo bestimmt wurde. Die Kämpfer waren eine eingeschworene Gemeinschaft, was durch das Territorialprinzip bei den Standschützen noch verstärkt wurde. Meist kamen sie aus denselben Ortschaften und kannten sich schon lange Jahre. Umso schwerer wog der Verlust eines Kameraden. Es sei an die Zeilen von Joseph Roth erinnert, die im Gebirge besonders zutreffen: „Damals, (. . .) war es noch nicht gleichgültig, ob ein Mensch lebte oder starb. Wenn einer aus der Schar der Irdischen ausgelöscht wurde, trat nicht sofort ein anderer an seine Stelle, um den Toten vergessen zu machen, sondern eine Lücke blieb, wo er fehlte, und die nahen wie die fernen Zeugen des Unterganges verstummten, sooft sie diese Lücke sahen.“8

Trotz einer permanenten, zahlenmäßigen Unterlegenheit war es den Österreichern gelungen, bis Ende 1918 die Front zu behaupten, ja teilweise massiv nach vorne zu verlagern. Hierbei wurden sie zeitweise sehr tatkräftig vom Deutschen Alpenkorps unterstützt. Nicht zu vergessen sind auch die vielen Standschützen- und Freiwilligen Verbände, in denen oft Großvater und Enkel nebeneinander standen und denen das Halten der Widerstandslinie in den ersten Kriegstagen zu verdanken war. Die Hauptlast des Krieges trugen aber auf österreichisch-ungarischer Seite die Kaiserschützen und in Italien die Alpini. Sie führten die beeindruckendsten Kampfhandlungen in der Hochgebirgsfront aus. Die Eroberung des Monte Scorluzzo und die Besetzung des Ortler waren die ersten Dreitausender der Kriegsgeschichte, Kaiserjäger und Alpini bekämpften sich denn auch im ersten historisch belegten Gletschergefecht auf dem Presena Gletscher und hielten die längste, ununterbrochene Frontlinie im Eis. Es sollte sich aber zeigen, daß der Ring – abgesehen von der zwölften Isonzoschlacht – von keiner der beiden Seiten zerbrochen werden konnte. Erst kurz vor Kriegsende war dies möglich. Die Ziele waren klar aber der Gebirgskrieg stellte zu hohe Anforderungen, um sie erfüllen zu können. Die meiste Zeit verharrte man in einem Patt, unterbrochen von lokalen Angriffsoperationen. Von heute aus 8

Roth, Joseph: Radetzkymarsch, Köln 1998, S. 109.

L. Schlussbetrachtungen

547

betrachtet bringt der Report des Chefs der Amerikanischen Militärmission in Italien die Lage geradezu pointiert auf den Punkt. In dem genannten Bericht zeigt sich eine, man möchte sagen für Amerika fast typische und erwartete, Eigenart. Der Verfasser des Berichtes, Brigadegeneral Charles G. Treat, gerade angekommen auf dem italienischen Kriegsschauplatz, urteilt in einer – wahrscheinlich noch hoch motivierten – Art und Weise: „The present method of limiting operations to raiding, taking and losing an occasional mountain peak, can go on indefinitely without decisive result. Austria can be invaded by the Camonica, Giudicaria, and Lagarina Valleys through Trent or on the east up the routes taken by Austria in her move against Italy, but there must be a fight and provision made to follow up advantages promptly and effectively.“9 Einzig in der zwölften Isonzoschlacht konnte dieser Ring der Erstarrung gesprengt werden. Der Durchbruch von Flitsch und Karfreit war die einzige Operation, die mit dem Begriff des erfolgreichen Bewegungskrieges umschrieben werden kann. Aber auch wenn der glänzende Sieg der Verbündeten in der zwölften Isonzoschlacht neben der damit erreichten Frontverkürzung die Erbeutung ungeheurer Massen an Kriegsmaterial mit sich brachte, begann die Monarchie in ihrem fünften Kriegsjahr personell und materiell allmählich auszubluten. Die Versorgungslage des Hinterlandes litt mehr und mehr unter dem gewaltigen, ohnehin kaum zu deckenden Bedarf der Armee. Die Seeblockade der Entente tat ein übriges. Es herrschte Mangel an allem. Kohle- und Nahrungsmittelknappheit führten im Januar 1918 zu schweren Versorgungskrisen und lösten damit zahlreiche Streiks und Demonstrationen aus. Mit dem Abschluss des Waffenstillstandes von Villa Giusti hörte für Österreich-Ungarn der Kampf auf; für Bayern begann er eine ganz neue Dimension anzunehmen. Die Motivation für den bayerischen Grenzschutz in Tirol ist zweifellos in der militärischen Grenzsicherung zu sehen. Politische Aspirationen als Patronatsmacht hat Bayern bis zum Oktober 1918 nicht gehegt. Warum auch, in einer Zeit, da ein so vollständiger und schneller Kollaps des Kaiserreiches Österreich-Ungarn noch nicht absehbar war. In den Münchner Akten der Wochen vor dem Zusammenbruch finden sich keine Unterlagen, die expressis verbis auf einen potentiellen Anschluss an Bayern als politische Zielvorgabe hinweisen. Dennoch wurde mit dem Auseinanderfallen Österreich-Ungarns die Frage interessant, was danach kommen 9 Bericht des Chief of American Military Mission to Italy, Situation of Allied Forces on the Italian Front, G-3, GHQ, AEF: Fldr.696 vom 21.09.1918. Veröffentlicht in: United States Army in the World War 1917–1919. Military Operations of the American Expeditionary Forces. Herausgegeben von der Historical Division-Departement of the Army, Washington 1948, S. 539. [Hervorhebung durch den Verfasser].

548

L. Schlussbetrachtungen

mag. Ein Anschluss Österreichs an Deutschland wurde nach der Atomisierung des K. u. k. Staatsgebildes lebhaft diskutiert, in deutschen wie in österreichischen Kreisen und schien so gut wie sicher. Ein Zusammengehen Tirols mit Bayern wurde umso denkbarer, je wahrscheinlicher Südtirol an Italien abgegeben werden musste. Nordtirol alleine rechnete man kaum Überlebenschancen zu. Für Italien war es – spätestens mit der Kodifizierung im Londoner Vertrag von 1915 – klar, dass Südtirol als terra irredenta im Königreich aufgehen musste. In Österreich hoffte man hingegen bis zum Vertrag von Saint-Germain 1919, dass bei der Südtiroler Abtretung noch ein gewisser Spielraum bliebe. Mit dem Wegbrechen der italienischen Front bestand die Gefahr, dass Bayern zum Kriegsgebiet werden könnte. Folglich war alle Energie, die nun in den Grenzschutz floss auch rein militärischer Natur. Seinen Ausdruck fand der Wettkampf zwischen Politik und Militär in der langwierigen Genehmigungsfrage eines Einmarsches. Wie gezeigt wurde, fanden die ersten Vorbereitungen auf Veranlassung des bayerischen Kriegsministers von Hellingrath statt. Dieser sah eine Überschreitung der bayerischen Grenze nur an ausgewählten, operativ-taktischen Punkten vor. Diese Linie änderte sich erst mit dem massiven Eingreifen des Generals Krafft von Dellmensingen, der Ende Oktober 1918 das Kommando über das für den Grenzschutz verantwortliche Generalkommando des II. bayerischen Armeekorps erhielt. Für Krafft war eine wirksame Verteidigung Bayerns nur möglich, wenn man sich der Nordtiroler Alpenpässe bemächtigte. Eine Sprengung des Brennerpasses und der Tauerneisenbahn – wie sie von Hellingrath favorisiert wurde – war politisch kaum zu rechtfertigen. Mit der Sperrung dieser wichtigsten Alpenübergänge hätte sich die Ernährungslage Deutsch-Österreichs weiter verschlechtert und die Bevölkerung Tirols hätte sich völlig vom Deutschen Reich abgewandt. Während sich die Nachfolgestaaten Österreich-Ungarns einer nach dem anderen der Entente angeschlossen hatten, sollte wenigstens das noch zaudernde Deutsch-Österreich für Deutschland gewonnen werden. Wer als Erster Ruhe, Ordnung und vor allem Lebensmittel in das vollkommen ausgezehrte Land bringen konnte, würde seine Position grundlegend verbessern. Es wurde dargestellt, dass der Einmarsch in Tirol – in der Situation wie sie sich Ende Oktober 1918 darstellte – von Bayern als militär-strategische Notwendigkeit angesehen wurde. Die militärisch Verantwortlichen wären auf jeden Fall zur vorgeschobenen Grenzsicherung einmarschiert, unabhängig von österreichischen Wünschen oder Abwehrmaßnahmen. Einig war man sich sowohl unter Politikern wie unter Militärs darüber, dass Bayern am besten weit im Süden verteidigt werden könnte. Hier konnte man die Berge ausnutzen und mit relativ geringen Kräften eine zahlenmäßig große

L. Schlussbetrachtungen

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Übermacht aufhalten. Zudem umging man die Gefahr, dass Bayern zum Kriegsgebiet würde, was bei der angespannten Stimmung in der Bevölkerung zweifellos für innenpolitische Turbulenzen gesorgt hätte. Speziell in Tirol, dem Hauptschauplatz des in dieser Arbeit dargestellten Gebirgskrieges, hat der Krieg die Landschaft verändert. Die politische Folge der österreichisch-ungarischen Niederlage war die Abtretung des südlichen Tirols und die Region um Trient an Italien im Friedensvertrag von Saint-Germain. Damit wurde ein relativ homogenes deutschsprachiges Gebiet zerteilt und die Situation wurde von einem Großteil der Bevölkerung lange Zeit als Annexion und occupatio bellica empfunden. Der Krieg hat aber auch die Landschaft gestaltet und die Weichen für die endgültige Erschließung der Berge gestellt. Die Gletscher waren erstmals erforscht worden und verstärkt entwickelte sich daraus eine Wissenschaft. Die Meteorologie stützte sich bei ihrer Forschung auf zahlreiche, im Krieg entstandene Beobachtungsstationen zur Erforschung der klimatischen Verhältnisse des Hochgebirges. Die Kartographie erlebte während des Krieges eine neue Blüte und sah sich mit umwälzenden Änderungen konfrontiert, beispielsweise in der neuen Darstellungsweise beim Ersatz der Schraffuren durch Höhenschichtlinien. Die Lawinenkunde machte während des Krieges große Fortschritte. Die Wildbach- und Lawinenverbauung nach dem Krieg baute auf diesen Erkenntnissen auf. Ein von der Forschung noch vernachlässigtes Kapitel ist die Einflussnahme des Weltkrieges auf die Bergrettung. Zweifellos wurden im Sanitätswesen und speziell bei der Bergung Verwundeter viele verwertbare Erfahrungen gesammelt. Unzählige neue Wege und Kriegsstraßen waren gebaut worden und Seilbahnen machten die entlegensten Regionen zugänglich. In der frühen Nachkriegszeit stagnierte der Alpinismus noch und man beschäftigte sich zunächst mit der Räumung der Kriegshinterlassenschaften. Die Errichtung der ersten Lifte 1927, eine verbesserte Infrastruktur, instand gesetzte Hütten und neue Hotelbauten, ließen dann aber weite Kreise der Bevölkerung Ende der zwanziger Jahre am Fremdenverkehr teilhaben.10 Wenig später entwickelten sich daraus die bekannten Wintersportzentren. Aber wer denkt heute noch an dieses blutige Kapitel der ‚Entzauberung‘ der Berge. 10 Es scheint erwähnenswert, daß man ab 1960 begann, die verfallenen und jahrzehntelang ruhenden Kriegssteige und -pfade entlang der ehemaligen Dolomitenfront des Ersten Weltkrieges für den Tourismus wiederherzustellen und neue Wege errichtete. Durch teils aufwendige Technik – Tritteisen, Drahtseile, Leitern, Biwaks – wurde die Begehung künstlich erleichtert. Im Rahmen des Projektes ‚Friedenswege – Vie della Pace‘ konnte so einer breiten Masse von Bergtouristen die Ersteigung großer Berge (Cristallo, Tofana di Rozes, et cetera) ermöglicht werden. Hierzu auch: Dumler, Helmut: Auf dem Friedensweg in die Dolomiten (2 Bände), Bozen 2006.

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L. Schlussbetrachtungen

Der Kriegsteilnehmer Josef Strohmaier, der in dieser Arbeit bereits viel zur Aufhellung des Alpenkrieges beitragen konnte, soll das letzte Wort haben, mit einer leider allzu wahren Feststellung: „Den Höhepunkt der seelischen Prüfung eines Krieges erreicht wohl noch das Bewußtsein und die Erkenntnis, dass alle diese unmenschlichen Strapazen, alle die jeder Beschreibung hohnsprechenden Entbehrungen, das ungeheure Blutvergiessen und die entsetzlichen Leiden schließlich umsonst waren.“11

11 MILAR/MHFZ, MIL-IBK 14, Tagebuch des Kaiserschützenregimentes Nr. III 1914–1918, S. 164. Hervorhebung wie im Original.

Zusammenfassung Die vorliegende Arbeit verfolgt die Besonderheiten und theoretischen Grundlagen des Gebirgskrieges. Sie stellt die Anforderungen, mit denen die Soldaten in dieser Fels- und Eisregion konfrontiert wurden, heraus. Es zeigt sich, dass der Kampf in fast arktischen Klimaregionen ganz andere Formen annimmt und anderen Gesetzmäßigkeiten unterliegt als etwa die Kämpfe auf dem französischen oder russischen Kriegsschauplatz. Dies legt nahe, dass der geographische Schwerpunkt Tirol und die Region von der Schweizer Grenze bis hin zu den Julischen Alpen ist. Die Hochgebirgsfront kann und darf aber nicht isoliert betrachtet werden. Interdependenzen mit den Kämpfen entlang des Isonzoflusses müssen einkalkuliert werden. Insbesondere in den letzten beiden Kriegsjahren sind die Ereignisse an der Isonzofront von ausschlaggebender Bedeutung für die Gesamtkriegslage der österreichisch-ungarischen Monarchie und also auch für die Tiroler Front. Das strategische Wechselspiel zwischen der Südwestfront gegen Italien und der Front gegen Russland, das sich in den Konflikten der Generalstabschefs der Mittelmächte äußert, hat ebenso fundamentale Auswirkungen auf die Operationen an der Alpenfront. Die Vertreter des österreichisch-ungarischen Armeeoberkommandos (AOK) und der deutschen Obersten Heeresleitung (DOHL) waren sich bei der Bewertung der Aktionen gegen Italien häufig uneins, wie sich am Beispiel der Frühjahrsoffensive 1916 zeigen lässt. Unverzichtbar scheint ein Überblick über die beteiligten Truppen, der einen klärenden Einblick in die – heute kaum mehr nachvollziehbare – Pluralität der damaligen Heeresorganisation geben soll. Es werden Unterschiede beispielsweise zwischen Kaiserjägern, Landesschützen, Alpinis, Bersaglieris oder Honvéd-Abteilungen verdeutlicht. Die Beweggründe, die zur Aufstellung besonders trainierter und ausgerüsteter Gebirgstruppen führten, lassen sich idealerweise und exemplarisch anhand des Deutschen Alpenkorps nachzeichnen. Der oben angesprochene Mangel einer einheitlichen militärischen Leitung der Mittelmächte, der sich im Lauf des Krieges sehr nachteilig auswirkte, geht auch auf die gegenseitige Ignoranz der Verbündeten zurück, Eigenarten (in) der Armee des Anderen zu tolerieren beziehungsweise überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Innerhalb dieser Schilderung wird schon eine Vielzahl von Besonderheiten des Alpenkrieges angesprochen, die in den folgenden Kapiteln anhand ausgewählter militärischer Operationen noch weiter ausgeführt werden. Die

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Zusammenfassung

Erlebensebene der Frontsoldaten wird in die Schilderung der Ereignisse an der k. u.k. Südwestfront eingebettet. Die Kriegsjahre auf dem italienischen Kriegsschauplatz können dabei in mehrere Phasen zerlegt werden. Die ersten Kriegswochen etwa waren geprägt von einem gegenseitigen Abtasten. Aus diesem Krieg der Bergführer und Spähtrupps entstand nach wenigen Wochen eine durchgehende Front, an welcher der Stellungskrieg geführt wurde. Die zunehmende ‚Abnutzung‘ der österreichischen Verteidiger führte zu dem Entschluss, eine groß angelegte Durchbruchsschlacht zur Entlastung der Südwestfront zu führen, die sich schließlich zu einem Blitzkrieg entwickeln sollte: In der Schlacht von Flitsch–Tolmein–Karfreit wurden rasch Durchbrüche erzielt; die Italiener mussten sich zurückziehen, was immer schneller in eine ungeordnete Flucht überging (Oktober 1917). Mit dieser zwölften Isonzoschlacht und dem österreichischen Durchbruch wurde die gesamte Hochgebirgsfront der Karnischen und Julischen Alpen als auch der Dolomiten aufgerollt. Der parallel einhergehende, langsame Zerfall der österreichisch-ungarischen Armee wurde durch eine letzte Offensive des Habsburgerreiches im Juni 1918 nur mehr herausgezögert. Der italienische und alliierte Gegenstoß führte zum Waffenstillstand von Villa Giusti und bedeutete gleichzeitig den Todesstoß für die Donaumonarchie. Nach Abschluss des österreichisch-italienischen Waffenstillstandes ergab sich für das Deutsche Reich eine extrem gefährliche militärische Situation: es musste damit rechnen, dass Truppen der Entente von Tirol aus einen Stoßkeil in seine Südflanke trieben. Als Gegenmaßnahme bot sich allein ein Einmarsch in Tirol an. Diese Episode in der Geschichte Bayerns und Tirols ist von der Forschung bisher nur am Rande gewürdigt worden. Diese militärstrategisch wie politisch hochbrisante Episode – die zweifellos ein Forschungsdesiderat darstellt – wird in dieser Dissertation erstmals eingehend beleuchtet. Leitfragen werden dabei sein: Wie war der Grenzschutz organisiert. Wer dominierte die Entscheidungen? Waren es primär militärstrategische oder politische Beweggründe, die zum Einmarsch in Tirol bewogen? All dies wird eingebettet in die verworrene und chaotische Situation in Tirol in den letzten Kriegstagen 1918.

Abstract War for the Alps – The First World War in the Alpine Region and Bavarian border control measures in Tyrol In May 1915 Italy declared war on the Austro-Hungarian Empire. As a result, a new front, which ran along the Alps, was created. The Italian Front was the site of the largest scale mountain warfare in history, and battle took place at an altitude of up to 10,000 feet. This PhD thesis will show the special features and theoretical basics of the war in the Alps during World War One. The fighting that took place in nearly sub arctic regions and even lower mountainous terrain was completely different to the fighting that took place in France or Russia. Fighting at high altitude was exhausting and uniquely dangerous. Supplying and reinforcing the troops was extraordinarily difficult. Over 10,000 soldiers died in avalanches in the winter of 1916 alone. The tactical and engineering innovations implemented to deal with these challenges were often spectacular. The geographic emphasis is Tyrol, more specifically the area along the front from the Swiss border (Ortler mountains) in the north-west, down to Lake Garda next to the Dolomites, to the Isonzo/Socˇa river in the east and Trieste on the Adriatic Sea. However the high mountains front must not be considered isolated. Interdependence with the battles along the river Isonzo/Socˇa must also be considered. In particular the fighting period between October 1917 and November 1918 along the Isonzo and later the Piave River was of decisive importance even for the domestic situation of the Austro-Hungarian Empire. The strategic interplay between the south-western front against Italy and the other theatres of war can be expressed in the conflicts and discord between the chiefs of the general staffs of the central powers. They had vital effects on the operations at the alpine front as shown, e. g. in the spring offensive of 1916. The above-mentioned lack of a homogeneous military management of the central powers took effect very disadvantageously in the course of the war and goes back to a mutual ignorance of the allies to tolerate special characteristics in the army and military structures of the ally. A view of the shared troops in the dissertation will give a clarifying insight into the ‚pluralistic‘ and thus different army organization during the war. The three war years in the Italian theatre are dismantled in several stages. The first weeks were shaped from a mutual scanning. The war of high

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Abstract

mountain patrols changed after the bloody battles along the Isonzo river to trench warfare with special features. The Austrian spring offensive of 1916 is of special importance because it was at the operational level one of the largest planned and executed large-scale operations in mountain regions. Since the Austrian defenders were strongly burdened by continuous defence battles, they decided for an ultimate counter-attack battle to release the south-western front and to finally roll up the alpine front. The breakthrough Battle of Caporetto in 1917 is the most famous and most misunderstood battle of the Italian front. New facts will be considered in this dissertation. A central part of the thesis is the situation leading up to and shortly after the Austro-Italian armistice of Villa Giusti in November 1918. Bavaria was threatened, and the Bavarian High Command feared an invasion by entente troops into Bavaria. Hastily compiled troops pulled into Tyrol in the morning hours of November 5th, 1918. The Tyrol National Council was pleading for help. A catastrophic food situation, more and more mutinying troops and the general chaos caused by the withdrawal of the dissolved Austrian Army led Tyrol directly to an anarchic state. These days of chaos, despair, anarchy and uncertainty are unfortunately excluded too often in historical research and are therefore the foundation for the thesis. The methodological direction does not stress operational or mere military history. It is not a traditional or conventional ‚general staff history‘. It is instead an analysis based on the complex relationship of military, society and diplomacy. In particular the interfaces between politics and military are of interest.

Anhang A: Dokumente Verzeichnis der Dokumente Dokument 1: Tabelle über die im Alarmfalle den Kompanien auszuhändigenden Ausrüstungsgegenstände (April 1914) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 Dokument 2: Militärische Lage Italiens Anfang September 1915 . . . . . . . . . . . . . 558 Dokument 3: Allgemeine Gesichtspunkte für die Kampfführung der Artillerie vom 05.10.1917 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562 Dokument 4: Merkblatt für das Verhalten gegenüber verbündeten Truppen, Ende September 1917 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564 Dokument 5: Auszüge aus den Wochenberichten des Königlichen Bezirksamts Füssen vom 2. und 9. November 1918 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566 Dokument 6: Memorandum des bay. Generals Konrad Krafft von Dellmensingen vom 04.11.1918 an die DOHL, in Abschrift an das bay. Kriegsministerium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568 Dokument 7: Befehl General von Kraffts zum Grenzschutz vom 05.11.1918 . . 569 Dokument 8: „Das bayerische Grenzschutz-Regiment von Schintling im Oktober–Dezember 1918“ von OTL Karl Schintling . . . . . . . . . . . . . . . . 570

Editorische Notiz Wie in der Einleitung angesprochen, finden sich die folgenden Dokumente meist vollständig, als etwas längere Textkorpora. Gekürzte Textstellen haben zum Thema keinen Bezug und werden durch [. . .] gekennzeichnet. Namen und Wendungen sind entsprechend dem Stile der Zeit aufgenommen. Rechtschreibung und Zeichensetzung wurden vorsichtig den heute geltenden Regeln angepasst; offensichtliche Schreibfehler wurden beseitigt. Die Dokumente sind fortlaufend nummeriert und zumeist chronologisch angeordnet. Das chronologische Prinzip wurde allerdings dem Kapitelaufbau dieser Arbeit untergeordnet. Das jedem Text vorangestellte Kurzregest nennt das Dokument und datiert es soweit möglich. Aus dieser Nennung sollte sich der Inhalt erschliessen. Die Archivsignaturen werden am Schluss des Dokuments kursiv aufgeführt. Hervorhebungen unterschiedlichster Art in den Texten sind an das Original angelehnt, ansonsten kursiv

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Anhang A: Dokumente

gesetzt worden. Auf Dokumentenköpfe, Verteiler, Aktenzeichen, Bearbeitungsvermerke, Anreden und Grußformeln wurde – wenn sie nicht von inhaltlicher Bedeutung sind – verzichtet. Betreffe und Anreden, die Teil des Textes sind, werden jedoch ausgeführt. Abkürzungen werden in eckigen Klammern aufgelöst und sind dadurch als Ergänzungen des Verfassers dieser Arbeit kenntlich gemacht.

Dokument 1: Tabelle über die im Alarmfalle den Kompanien auszuhändigenden Ausrüstungsgegenstände (April 1914) [Nachstehende Tabelle zeigt auf, wie detailreich die Mobilisierung bereits geplant war. Gerade dem nicht so stark militärisch vorgeprägten Leser erschließen sich häufig kaum beachtete oder vergessene Aspekte, so sei einleitend nur auf die Themen Militärmusik (auch im Sinne von Signalgebung) oder Bestrafung (Einschließen in Fußspangen) hingewiesen.]

Für den Rechnungsunteroffizier In der Kompagnie Uebersicht Nachstehende Sorten sind per Kompagnie im Alarmfalle mitzunehmen resp. noch an nachbenannte Mannschaft auszugeben und zwar: Anzahl

Gegenstand

Wo zu tragen, zu verpacken oder zu verlangen

4

Signalhörner in F mit Anhängschnur

Jedem Hornisten umgehängt

6

Kalbfelltornister für Pionierwerkzeugträger

Von den Pionieren. 5 gehören auf den Wagen. 1 ist vom Unteroff. zu tragen

6

Werkzeugtornister für Pioniere komplett

Von den Pionieren grundsätzlich zu tragen

6

Leibriementragschlupfen

Sanitätsunteroffizier und Blessiertenträger

2

Taschen zum Pioniersäbel

Blessiertenträger

Anhang A: Dokumente Anzahl

Gegenstand

3

Karabinerriemen

3

Tornister aus Doppelsegelleinwand

557

Wo zu tragen, zu verpacken oder zu verlangen

Den 3 Tragtierführern umgehängt

3

Kavallerieleibriemen mit Karabinerstrupfe und Bajonettaschl

1

Brodsack [sic] mit langem Deckel

Offiziersdiener umgehängt

2

Feldflasche aus Eisenblech noch extra

Als 2 te jedem Blessiertenträger umgehängt

1

Laterne mit Tragring

Der Blerssiertenträgerpatrouille

3

Sanitätsarmbinden

Sanitätsunteroffizier, Blessiertenträger am Arme

1

Geldkassette

2

Schusterwerkzeugtaschen samt Requisiten

Am Wagen verladen

1

Schneiderwerkzeugtasche samt Requisiten

1

Garnitur Hand- und Fusspangen samt Schloss u. Schlüssel

1

Offiziersfeldküche für 6 Personen

1

Kaffebrenner

1

Kaffeemühle

2

Sprachrohre

An 2 Hornisten ausgegeben

1

Distanzmesser

Dem besten Distanzmesser [unklar]

1

Distanzmesschnur

[leer]

1

Lötkolben und Material

Im Feldgeräteverschlag

1

Schriftentornister

Rechnungsunteroffizier

2

Pistolentaschen mit Anhängschnur

Der Oberjäger u. Sanitätsunteroffizier umgehängt

Am Vorspannwagen im Feldgeräteverschlag

(Fortsetzung Seite 558)

558

Anhang A: Dokumente

(Fortsetzung) Anzahl

Gegenstand

Wo zu tragen, zu verpacken oder zu verlangen

3

Kavallerieportepeés

Oberjäger, Rechnungsunteroffizier, Sanitätsunteroffizier am Säbel

16

Drahtscheeren

Ausgeben an d. Züge je 4 Stück

68

Paar Ski sind vom 1. September bis 1. März ein [sic, vermutlich im] Wagen mitzunehmen

1

Marschmusikerausrüstung: 2 Maschinenaufsätze 1 Kornett samt Schutzleder 1 Bass samt Umhängeschnur 1 Basstornister und die für die Hornisten bestimmten Patronentornister

Von den 4 Hornisten

4

Fleischfaschiermaschinen

Am Wagen

1

Kautschukschlauch samt Pipe

Am Wagen

3

Kurze Unteroffizierssäbel

Oberjäger, Rechnungsunteroffizier, Sanitäts u. Offiz. ausgeben

2

Pioniersäbel

Blessiertenträger [!] ausgeben

6

Karbidbüchsen

Auf den Munitionstragtieren aufladen

Quelle: KROB, Faszikel: Kaiserschützen Mob-Pläne bis 1914, hier: Beilage zu den Mob-Weisungen (Nr. 200 ad res. mob. vom 26.03.1913 (ergänzt am 15.04.1914)

Dokument 2: Militärische Lage Italiens Anfang September 1915 1. Allgemeines: Nach wie vor steht das Gros der italien. Armee am Isonzo, u.[nd] zw.[ar] rund zwei Drittel aller verfügbaren Kräfte. Allein dem Brückenkopf von Görz und dem Plateau von Doberdo gegenüber befindet sich nahezu die Hälfte der italien. Feldarmee. Schon aus diesem Umstande läßt sich der Schluß ziehen, daß das Küstenland und speziell das Gebiet des unteren Isonzo das Hauptkampfgebiet bleibt, während

Anhang A: Dokumente

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die in der letzten Zeit an der Tiroler Front stattgefundenen fdl. Unternehmungen trotz der dabei entfalteten regeren Aktivität immerhin nur als Nebenoperationen zu bezeichnen sind. In der „Zone Carnia“ scheinen die Italiener nach wie vor nur defensive Absichten zu verfolgen. Die Wiederaufnahme eines allgemeinen Angriffs auf den Brückenkopf Görz und das Plateau von Doberdo dürfte erfolgen, sowie die Truppen retabliert, auf vollen Stand gebracht und etwaige Verstärkungen herangezogen sind, ferners sobald die Art.[illerie] Munition wieder in genügender Menge zur Stelle ist. Die Frage betreffs Beteiligung der Italiener am Kampf gegen die Türkei durch Entsendung eines Expeditionskorps ist noch immer nicht einwandfrei beantwortet. Keinesfalls kann es sich um stärkere Kräfte, als etwa eine Div. oder höchstens ein Kps. [= Korps], handeln. Hiefür spricht der Umstand, daß bereits über alle Armeekörper. mit Ausnahme der Brg. [= Brigade] Friuli, mehr oder minder bestimmte Nachrichten vorliegen und ein Abziehen derselben für Expeditionszwecke zwar gewiß möglich ist, bisher aber noch nirgends nachgewiesen werden konnte. Endlich gewinnt es auch immer mehr den Anschein, daß die bisher als fraglich angenommenen MMRgtr. 96–110 [Regimenter der Mobilen Miliz, Anm. D. Verf.] überhaupt nicht bestehen. Hingegen darf nicht übersehen werden, daß den Italienern noch ein so großes Mannschaftsreservoir zur Verfügung steht, daß auch Neuformationen unschwer aufgestellt werden könnten, falls nicht etwa der OffzMangel und die materielle Ausrüstung derselben ein Hindernis bilden.

2. Stände: Die Heranziehung der einzelnen Altersklassen und Wehrpflichtkategorien zur aktiven Dienstleistung ist in Beilage 6 dargestellt! Besonders ist zu erwähnen, daß sowohl die Truppen 1. Linie, als auch die MobMilFormationen national zusammengesetzt sind, d.h. aus vermengter Mannschaft von verschiedenen Teilen Italiens gebildet wurden, und daß die MobMilTruppen keineswegs den wehrgesetzlichen „MobMil.“-Jahrgängen 1882–85 entstammen, sondern vielmehr genau so, wie die Truppen 1. Linie, aus den aktiven und Reservejahrgängen 1888–1895 zusammengestellt wurden; mithin besteht zwischen 1. Linie und MobMiliz, insoweit die Mannschaftsauswahl in Betracht kommt, kein Unterschied. Aus Beilage 6 [nicht beigefügt, Anm. d. Verf.] ist auch ohne weiteres ersichtlich, daß die Italiener ihre bisherigen empfindlichen Mannschaftsverluste mit Leichtigkeit wieder ersetzen konnten, was auch durch Gefangenenaussage bestätigt wird; ferners daß auch zur Neuauffüllung der Ersatzkörper noch Mannschaftsmaterial in Menge zur Verfügung steht. Schwieriger gestaltet sich die Frage des OffzErsatzes. Die großen OffzVerluste erhellen nicht nur aus Gefangenenaussagen, sondern werden auch durch die anbefohlene neue OffzAdjustierung (ganz wie Mannschaft) und durch die Aufstellung von nur dreimonatlichen Kursen zur Heranbildung von Res-Offzen. bestätigt. Auch der Bedarf an höheren Offz. muß infolge der Neuaufstellungen bei Kriegsbeginn und infolge Entfernung unfähiger Elemente ein ziemlich bedeutender sein,

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Anhang A: Dokumente

worauf auch das fabelhaft rasche Avancement hinweist (Für die nächste Beförderung sind Stabsoffz. und Generalmajore mit nur l Jahr Rangsalter einzugeben). Die Kmdten. des I., V. und IX. Kps., der 5., 7. und 22. Div. und mehrere Brigadiere wurden bereits enthoben. 3. Moralische Verfassung: Daß der Geist der italien. Truppen durch die bisherigen Mißerfolge und starken Verluste nicht gerade gehoben wurde, ist auf der Hand liegend. Die Strapatzen [sic] und das Herannahen der kalten Jahreszeit, welche sich in den Höhenlagen bereits empfindlich fühlbar macht, tragen auch das Ihrige zur Herabsetzung der Stimmung bei. Auch die russischen Niederlagen sind, wenn auch nicht ihrem vollen Umfange nach, den italien. Soldaten bekannt. Auffallend ist es, daß außer den Süditalienern und Sarden auch die Piemontesen, die Nachbaren [sic] Frankreichs, welche im übrigen als die besten Soldaten Italiens gelten, vielfach Kriegsunlust zeigen. Die Fälle, daß italien. Offz. ihre Leute mit der Pistole vorwärts treiben müssen oder Soldaten, welche sich weigern vorwärts zu gehen, erschießen, scheinen sich zu mehren. Viele Aussagen bestätigen auch, daß jene italien. Truppen, welche sich einmal blutige Köpfe geholt haben, erst zurückgezogen und längere Zeit hinter der Front retabliert werden müssen, bevor sie wieder angriffsfähig werden. Die Übermacht der Italiener erleichtert ihnen natürlich auch eine derartige Ablösung der Truppen vorderer Linie. Speziell gegenüber dem Plateau von Doberdo scheinen die in den Julikämpfen am meisten mitgenommenen Kps. X. und XI. ganz hinter den Gefechtsraum zurückgezogen worden zu sein. Trotz alledem muß jedoch betont werden, daß die fast allgemeine Überzeugung vom endgültigen Siege der Italiener in deren Reihen noch anhält, ebenso das Vertrauen auf Cadornas Führung. 4. Gesundheitszustand: Im Allgemeinen gut. Cholera bisher nur im beschränkten Umfange; die Choleraschutzimpfungen sind erst jetzt in Durchführung begriffen. Typhus dürfte keine Verbreitung gefunden haben, da die italien. Truppen gegen denselben bereits geimpft waren. In den Bergen bereits häufig Erfrierungserscheinungen, dann Katarrhe, Rheumatismus usw. 5. Bewaffnung und Munition. Die Dotierung der MM. Formationen [Mobile Miliz, Anm. D. Verf.] mit MG. ist noch sehr unvollständig. Kavallerie MG. und Gewehre des Versuchsmodells Perino werden zur Aushilfe herangezogen. Die 15- und 28-cm Geschütze scheinen durch die an sie bereits gestellten riesigen Anforderungen vielfach abgenützt zu sein. Auch Meldungen über Zerstörung der Geschütze durch Rohrkrepierer liegen vor.

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Die seinerzeit bei Schneider-Greuzot bestellten und angeblich zum Teil schon gelieferten 260 mm Belagerungshaubitzen [. . .] sind bisher noch nirgends festgestellt worden. Nach einer verläßlichen Kundschaftsnachricht wurden diese Geschütze, ohne jemals gegen unsere Front eingesetzt worden zu sein, angeblich an Frankreich zurückzugeben [sic]. An Inf.Munition kein Mangel. Außer Handgranaten sollen auch Gewehrgranaten neuestens angewendet worden sein. Die im Laufe dreivierteljähriger Kriegsvorbereitung angehäuften Massen von ArtMunition scheinen bereits ganz oder größtenteils aufgebraucht zu sein, was bei der Anwendung von tagelangem, schnellfeuerartigen Massenfeuer auch nicht Wunder nehmen kann. Die Tatsache, daß die Italiener dieses Massenschnellfeuer nunmehr nur seltener und räumlich beschränkt anwenden, scheint zu bestätigen, daß auch italienischerseits mit der Art.Munition schon gespart wird. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß die nunmehr bereits über einen Monat andauernde Pause in dem allgemeinen Angriff auf das Plateau von Doberdo die Wiederergänzung der Munitionsbestände ermöglicht haben dürfte. Jedenfalls beginnt die Frage der Munitionsnachbeschaffung in Italien, ebenso wie in den anderen Viererverbandsmächten, eine große Rolle zu spielen. Die Güte der Art.-Munition, speziell der schweren, scheint sehr verschieden zu sein. Während bei den letzten Beschießungen der Tiroler Werke eine anscheinend verbesserte und sehr wirksame Munition festgestellt wurde, konnte an der Kärntner Front ein sehr großer Prozentsatz an Blindgängern beobachtet werden. An einer .Stelle unserer Front verwendeten die Italiener Bombe rotolante (Rollbomben, welche einen Abhang hinabgelassen werden).

6. Materielle Ausrüstung und Verpflegung: Muß als gut bezeichnet werden; nur die Versorgung mit Kälteschutzmitteln scheint sehr viel zu wünschen übrig zu lassen, was auf die Schwierigkeit in der Beschaffung von Schafwolle zurückzuführen ist. An grauen Feldmonturen scheint bereits Mangel zu herrschen, nachdem nicht nur bei den Ersatzkörpern im Hinterland, sondern auch schon bei den Feldformationen (Trainmannschaften) und Etappentruppen teilweise die alten, dunkelblauen Monturen getragen werden.

7. Befestigungsarbeiten: Außer den unmittelbar an der Kampffront errichteten technischen Verstärkungen bauen die Italiener einige Kilometer weiter rückwärts eine zweite mehr oder minder zusammenhängende Befestigungslinie aus, was besonders im Görzischen und in der Zone Carnia festgestellt werden konnte. In Venetien wird zweifellos die Tagliamentolinie, dann anscheinend der wichtige Bahnknotenpunkt Castelfranco befestigt.

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Einige Anzeichen deuten auch auf eine Befestigung des Raumes um Schio, welcher die kürzesten Verbindungen aus Südtirol in die venezianische Tiefebene auffängt, hin. Einige italienische Werke, welche dem Feuer unserer Mörser ausgesetzt waren, scheinen desarmiert worden zu sein (Prepazzene, Campomolon, Verena). Außer Fliegern und angeblich auch Instruktionspersonal im Schützengrabenkrieg befinden sich keine französischen Truppen an der italienischen Front. Quelle: BayKA, Alpenkorps, Abteilung Ia, Bund 58, Kriegserfahrungen: Wochenberichte und Erfahrungen im Gebirgskrieg 1915–1918.

Dokument 3: Allgemeine Gesichtspunkte für die Kampfführung der Artillerie vom 05.10.1917 1. Bekämpfung der Infanterieziele. Es ist anzustreben, sämtliche im Gefechtsstreifen eines Verbandes gelegenen Ziele – Befestigungsanlagen – gleichzeitig zu bekämpfen. Reichen die Kräfte dazu nicht aus, um auch die rückwärtigen Höhenstellungen alsbald gleichzeitig sturmreif zu schiessen, ist ihre Besetzung durch Abschnüren, namentlich auf den Zugangswegen, von Anfang an zu verhindern. Feuerwellen von allen Batterien von etwa 10 Minuten Dauer sind periodisch einzustreuen. Flankierungsaufgaben sind von den Div. [= Divisions] Gruppen mit eigenen in die Nachbarabschnitte geschobenen Batterien durchzuführen. Dem Abschnüren gegen die möglichen Anmarschräume, Straßenknoten usw. ist Tiefe zu geben, hier sind auch die 10cm Kan. [= Kanonen] einzusetzen. Die vordersten fdl. [= feindlichen] Linien werden durch Minenwerfer sturmreif gemacht werden. Ihre Wirkung ist in den rückwärtigen Teilen der ersten fdl. Stellung durch einige Steilfeuerbatterien stellenweise zu ergänzen. Diese Batterien verlegen ihr Feuer erst mit dem Vordringen der Infanterie. Während des MinenwerferFeuers ist die Stellung durch leichte Kaliber abzuriegeln, möglichst durch Flankenfeuer. An den Grenzen der Div. Streifen muss die Wirkung um etwa 100 m übergreifen, um jedenfalls feuerfreie Räume zu vermeiden. Zur Bekämpfung plötzlich auftretender gut sichtbarer Ziele sind mit bestimmter Raumverteilung besondere leichte Batterien abzuteilen, [. . .] und im Div. Raum je eine Ueberwachungsbatterie (10 cm Kan.). Letztere ist mit Ballon zu verbinden und hat jederzeit Feuerfreiheit gegen sichtbare Ziele, auch Art. [= Artillerie] hinter Deckungen. Zerstörung von Drahthindernissen (Gasseschiessen) ist als besondere Aufgabe zu erteilen. Die von den Dionen [= Divisionen] zugeteilte Gebirgsartillerie nimmt allgemein an der Vorbereitung des Angriffs nicht teil; sie steht verlastet bereit, um das Vor-

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gehen der Infanterie alsbald zu begleiten. Zuteilung an die einzelnen Inf. [= Infanterie] Verbände, frühzeitige Erkundung der Bereitstellungsorte, Mitnahme ortskundiger Führer erforderlich. 2. Bekämpfung der fdl. Artillerie. Gasbekämpfung in den frühen Morgenstunden ist reichlich in Aussicht genommen. Die Gasbatterien beteiligen sich im übrigen am Brisanzfeuer der Divisionsgruppen. Bereithalten von Ersatzteilen (Vorholfedern usw.) nach Erledigung der Gasaufgaben erforderlich. Die Bekämpfung von Kavernenbatterien mit sichtbaren Scharten hat auch durch Flachfeuer zu erfolgen; besonders wichtig ist die sorgfältige Erkundung und die Vernichtung der zur Flankierung aufgestellten Kavernenartillerie. Ein grosser Teil der fdl. Batterien wird nur nach Einschiessen mit Fliegerbeobachtung gefasst werden können. Um mit Flieger schnell zahlreiche Batterien einzuschiessen, ist es nötig, dass die Batterien sich mit 50m Gabeln (bestätigt) begnügen. Kontrolle der Lage des Wirkungsschiessens durch Flieger erforderlich. Ueberwachungsräume sind mit Fliegern zu vereinbaren. Feindliche Beobachtungsstellen sind in der Zeit des Aufmarsches sorgfältig zu erkunden, jedoch erst mit Beginn des Kampfes, dann aber kräftig anzufallen; sie sind als besondere Ziele einzelnen Batterien zuzuweisen. 3. Ortschaften, Lager und Straßen, sind mit Gas und Brisanzfeuer zu belegen. 4. Die Feuerwirkung muss die Infanterie möglichst bis zum Tagesziel begleiten. Stellungswechsel von Batterien der Gruppe Tolmein, deren Schussweite hierfür nicht ausreicht, in die Linie Gabrije–Ciginj–Selo ist sorgfältig vorzubereiten. Für die Richtigkeit: Frh. v. Willisen m.p. Mjr. im Generalstabe. [. . .] Abschrift der Anlage 2 zum Armeebefehl des Armee-Oberkommando 14, Ia/Art.No. 353.17 vom 05.10.1917. Quelle: MILAR/MHFZ, Handakt Flitsch-Tolmein-Karfreit

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Dokument 4: Merkblatt für das Verhalten gegenüber verbündeten Truppen, Ende September 1917 K. u. k. 10. Armeekommando.

Merkblatt für das Verhalten gegenüber verbündeten Truppen [. . .] Den deutschen Truppen ist jede notwendige Unterstützung kameradschaftlichst zu gewähren, die mit unseren Mitteln vereinbar ist. Die für unsere Truppen geltenden Vorschriften hinsichtlich der Schonung der Bevölkerung sind auch von den deutschen Truppen zu beachten. Die polit. Behörden wurden hievon mit dem Ersuchen verständigt, die Bevölkerung diesbezüglich zu orientieren, und dahin aufzuklären, dass etwaige Anliegen im Wege der polit. Behörden oder im Wege des Etappenstationskommando dem Armeekommando zur Kenntnis gebracht werden können, das die Außtragung veranlassen wird. Es wird sich empfehlen österr. ungar. und deutsche Truppen nach Möglichkeit nicht im gleichen Orte unterzubringen. Für deutsche Kantonierungsorte ist das K. u. k. Etappenstationskommando in dessen Rayon der Ort liegt zuständig. Ergeben sich besondere Anstände, ist dem Armeekommando Meldung zu erstatten. [. . .] Bezüglich der Verpflegung der im Verbande der Armee i. Felde stehenden verbündeten Truppen wird verfügt: a., Verpflegung verbündeter Truppen grundsätzlich durch Nachschub aus ihrer Heimat. Nur wenn unvorhergesehene Störungen in diesem Nachschub eintreten, werden, um die Verpflegung dieser Truppen nicht zu gefährden unbedingt nötige Aushilfen abgegeben. b., Kriegsleistungen dürfen von Verbündeten im Sinne des Kriegsleistungsgesetzes nie direkt, sondern nur bei der Q.Abt. [= Quartierabteilung] angesprochen werden. c., Den Verbündeten kann auch mit Rücksicht auf die Äusserste Knappheit der Lebensmittel der Zivilbevölkerung das Recht des Kaufes im Armeebereich nicht zugestanden werden. Nur in jenen Fällen, in welchen an einem oder dem anderen Verpflegsartikel kein Mangel herrscht (in Kärnten Obst und Brennholz) und die Bevölkerung diese Artikel zum Kaufe anbietet, wird den Verbündeten der Kauf jedoch nur zum Verbrauche an Ort und Stelle von der Q.Abt. freigegeben. d., Anspruch auf Kriegsleistungen und Käufe von staatlich bewirtschafteten Artikeln (Mehl, Getreide, Rauhfutter, Kartoffel, Hülsenfrüchte, Fett und Milch) und Schlachttieren sind eigenen und verbündeten Truppen verboten. e., Die Ausfuhr von Lebensmitteln aus dem Armeebereiche ist den verbündeten Truppen nicht gestattet. Ebenso kann nicht bewilligt werden, dass von beurlaubten

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Militärpersonen Lebensmittel in die Heimat mitgenommen werden oder dass Lebensmittelpakete in die Heimat gesendet werden. [. . .] Die Versorgung deutscher Truppen mit Kartoffel und Rauhfutter hat grundsätzlich durch Zuschub aus Deutschland zu erfolgen. Es können daher an deutsche Truppen nur jene bescheidenen Aushilfen abgegeben werden, welche nötig sind um Stockungen im deutschen Nachschub nicht zu empfindlich werden zu lassen. [. . .] Innerhalb der Monarchie dürfen von allen zur Armee im Felde gehörigen militärischen Stellen keine Pferde angekauft oder auf Grund der Kriegsleistungsgesetze beansprucht werden. Gleiches gilt auch für unsere Verbündeten Zum Ankaufe von Pferden innerhalb der Monarchie bzw. zur Inanspruchnahme auf Grund des Kriegsleistungsgesetzes ist nur das Kriegsministerium befugt. [. . .] Die in der deutschen und österr.-ung. Armee zum Teil von einander abweichenden Vorschriften und Gebräuche bezgl. der Ehrenbezeugungen und des Verhaltens bei außerdienstlichen Zusammentreffen von Offizieren haben mehrfach zu Missverständnissen und Misshelligkeiten geführt. Um solche Vorkommnisse in Zukunft zu verhindern, bitte ich überall, wo ein Zusammentreffen von Angehörigen beider Armeen möglich ist, folgende Punkte bekannt zu geben: 1. In der deutschen Armee beginnen Ehrenbezeugungen von Unteroffizieren und Mannschaften sechs Schritt, in der öst.-ung. Armee dagegen drei Schritt vor den begegnenden Vorgesetzten. 2. In der deutschen Armee erwidert von mehreren Offizieren nur der rangälteste den Gruss der Unteroffiziere und Mannschaften, während in der öst.-ung. Armee sämtliche Offiziere den Gruss erwidern. 3. In der öst.-ung. Armee ist es einer Vorschrift gleichzuhaltender Brauch, dass Offiziere, die in einem Eisenbahnabteil oder einem geschlossenen Zimmer (Meldezimmer pp.) zusammentreffen, sich einander vorstellen u.zw. der jüngere den älteren. In der deutschen Armee ist dies nicht ohne weiters gebräuchlich. Hält der Offizier aber bei längeren Eisenbahnfahrten oder anderen Gelegenheiten eine Vorstellung für erwünscht, so verstößt es nicht gegen deutsche Gebräuche, wenn der jüngere Offizier sich dem älteren unaufgefordert vorstellt .Je höher jedoch der ältere Offizier im Range steht, je mehr wird es in jedem einzelnen Falle für den jüngeren eine Taktfrage, ob er glaubt, sich unaufgefordert vorstellen zu dürfen. [. . .] Das Königl. preuß. KM. [= Kriegsministerium] hat im Arm. Verordnungsblatt Nr. 56 folgenden Erlass verlautbart: Ehrenbeziehungen Die Bestimmungen der Ziffer 172 der Garnisonsdienstvorschrift – D.V.E. Nr. 131 wonach a., Unteroffiziere ohne Offiziersseitengewehr solchen mit Offiziersseitengewehr und den mit diesen gleichgestellten Personen des Soldatenstandes,

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b., Gemeine allen Unteroffizieren und den zu dieser Klasse gehörenden Personen des Soldatenstandes die vorgeschriebene Ehrenbezeigung – durch Anlegen der rechten Hand an die Kopfbedeckung, Vorbeigehen in gerader Haltung mit oder ohne Gewehr, Still stehen mit der Front nach dem Vorgesetzten, Vorbeireiten im Schritt zu erweisen haben, finden auch Anwendung gegenüber den entsprechenden Dienstgraden der verbündeten Armeen. Ergeht laut Verteiler zur Kenntnisnahme und Beteilung eintreffender deutscher Truppen. Der Oberquartiermeister: Spitzmüller GM1 [. . .] Merkblatt der Quartierabteilung des K. u. k. 10. Armeekommando, Q.Op.Nr. 4140 zu den Befehlen vom 22. und 24.09.1917 Quelle: MILAR/MHFZ, Handakt Flitsch-Tolmein-Karfreit

Dokument 5: Auszüge aus den Wochenberichten des Königlichen Bezirksamts Füssen vom 2. und 9. November 1918 D e r Vo r s t a n d d e s K ö n i g l i c h e n B e z i r k s a m t s F ü s s e n . An das Hohe Präsidium der Königlichen Regierung von Schwaben und Neuburg Wo c h e n b e r i c h t (K. Bezirksamtmann, K. Regierungsrat, Freiherr von Kreusser) [. . .] Füssen, am 2. November 1918 Bericht Nr. 4680 Die sich geradezu überstürzenden Nachrichten aus dem Nachbarlande machen hier tiefen Eindruck, dies um so mehr als die Sicherheit der Grenzbezirke vor feindlichen Anschlägen gefährdet erscheint. Man rechnet allgemein mit einer alsbaldigen militärischen Besetzung der Reichsgrenze und erwartet gespannt die Haltung Deutschtirols und die Kapitulationsbedingungen der Feinde. Das traurige Schicksal des österreichischen Herrscherhauses findet wenig teilnehmende Beurteilung weil man der deutschösterreichischen Auffassung über den Bündnisbruch und dessen verantwortliche Urheber teilt. Aus Tirol wird Widersprechendes gemeldet; einesteils verlautet es herrsche dort große Erbitterung gegen Deutschland und dessen Regierung da diese den unseligen 1

Generalmajor Amadeo Spitzmüller von Tonalwehr.

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Krieg heraufbeschworen haben, andernteils erblickt man im raschen Anschluß an Deutschland das alleinige Heil, von wo man auch die künftige Ernährung erhofft. Ein ablehnendes Verhalten deutscherseits und seitens der Nachbarbezirke könnte im gegebenen Augenblick unberechenbare Folgen zeitigen und Deutschtirol und Vorarlberg vielleicht der Schweiz in die Arme treiben. Noch ist der nachbarliche Verkehr ein ziemlich reger; doch hat das Bezirksamt es für notwendig erachtet, die Ausstellung von Grenzscheinen an Fremde einstweilen einzustellen, bis diese Frage von berufener Seite gelöst wird. Eine Angelegenheit von mehr als örtlicher Bedeutung ist die Weiterversorgung der Stadt Füssen und Umgebung mit Licht aus der elektrischen Zentrale in Reutte, welche gerade im Begriffe ist ihr Netz nach einigen anderen Gemeinden des Bezirkes zu erweitern. [. . .] [Briefkopf wie oben] Füssen, am 9. November 1918 Bericht Nr. 4770 Die Umwälzungen in der Landeshauptstadt und anderwärts im Lande haben bis jetzt hier noch zu keinerlei Äusserungen bedeutsamerer Art geführt. Die Wirkung der sich überstürzenden Ereignisse war zunächst mehr lähmender Art. Auf morgen Nachmittag ist jedoch eine allgemeine Volksversammlung von Seite der Arbeiterführer einberufen, bei welcher es voraussichtlich zu programmatischer Stellungsnahme und zu verschiedenen Resolutionen kommen wird, worüber alsbald Bericht erstattet werden wird. Die Massnahmen zur Verteidigung der Reichs- und Landesgrenze gegen den anrückenden Feind finden, bei der Mehrzahl keine Billigung. Da man an der Verteidigungsmöglichkeit verzweifelt [sic]. Auch aus Tirol verlautet keine günstige Aufnahme der bayerischen Truppen. Wenn die gegenwärtigen Leiter des Landes nicht alsbald die erbetene Unterstützung Tirols mit Lebensmitteln sichern, ist eine Entfremdung und der dauernde Verlust aller reichen Sympathien unseres deutschen Nachbarstammes zu besorgen, der dann der Schweiz in die Arme getrieben wird. Die Mannschaften der nach Tirol einrückenden bayerischen Truppenteile sind zum grossen Teile noch vor Ueberschreitung der Grenze desertiert und trieben sieh darauf in Füssen umher, bis es gelang, sie dann mit dem Zuge ihrer Stammgarnison zuzuführen. Die Beamtenschaft und die Angestellten des Bezirksamtes und des Kommunalverbandes haben Unterfertigtem erneut das Gelöbnis treuer unentwegter Pflichterfüllung abgelegt. Die in Füssen neuerrichtete Volksküche wurde letzten Montag im Beisein einer städtischen Vertretung und des unterfertigten in Betrieb genommen. Etwa 80 Teilnehmer sind eingetragen. In den Grippeerkrankungen, deren Verbreitung noch nicht merklich nachlässt, haben einige Todesfälle sich hier wie anderwärts ereignet. Auch 5 Angestellte des

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Kommunalverbandes erkrankten ernstlicher, was bei dem Wechsel im Assessorenreferat schwierige Verhältnisse schuf. Quelle: Staatsarchiv Augsburg, Regierung von Schwaben, Akt Nr. 9765.

Dokument 6: Memorandum des bay. Generals Konrad Krafft von Dellmensingen vom 04.11.1918 an die DOHL, in Abschrift an das bay. Kriegsministerium Gen. Kdo. II. bay. A.K. I a/Nr. 2360 An das K. Kriegsministerium Grenzschutz. Zu K.M.E., A. A.Nr. 282272 A

K.H.Qu., 4.11.1918

v. 4. 11. 18.

Die bayerische Südgrenze ist zur Verteidigung ungünstig, sie kann auf bayerisch [sic] Gebiet allein nur schwer verteidigt werden. Grenzüberschreitung ist auf jeden Fall nötig, bis Weissenbach südwestl. Reutte, bis Nassereit am Fernpaß, bis Seefeld nordwestl. Innsbruck, bis an den Südrand des Achensees, bis Kufstein und bis Kössen nordöstl. Kufstein. Auch bei diesen Grenzüberschreitungen bleibt dem Gegner der Übergang über die Hochpässe der Wasserscheide Stilfser Joch–Brenner–Tauern und insbesondere die Benutzung. der Brenner- und Tauernbahn unbestritten. Er ist in der Lage, auch in der jetzigen Jahreszeit mit stärkeren Kräften gegen Bayerns Südgrenze sehr bald vorzugehen. Sind dagegen diese Pässe in unserem Besitz, so läßt sich Tirol und damit die bayerische Grenze mit verhältnismäßig schwachen Kräften verteidigen. Vor allem schließt aber unser Besitz und nötigenfalls die Zerstörung der Brenner- und Tauernbahn einen größeren feindl. Angriff in jetziger Jahreszeit überhaupt aus. Die Sicherheit der bayerischen Südgrenze macht deshalb einen Einmarsch in hohem Maße erwünscht. Zugleich bildet dieser Einmarsch das einzige Mittel, um die Elemente in Tirol zu kräftigen, die zur Aufrechterhaltung der Ordnung und zum Widerstand gegen den feindl. Durchmarsch auf Bayern entschlossen sind. Zuführung von Verpflegung an die Bevölkerung und die deutsch-österreichischen Soldaten in Nordtirol wäre von größter Bedeutung, würde das Zusammenarbeiten mit der Bevölkerung erheblich erleichtern und deren Widerstand gegen die Entente entscheidend beeinflussen. Sofortiger Entscheid über die Frage des Einmarsches ist erforderlich, da nach Meldungen, die hier nicht nachzuprüfen sind, die Italiener schon heute 4.11. in Franzensfeste sein sollen. Die Entente hat die Wichtigkeit der Brenner- und Tauernbahn klar erkannt. Sie wird beschleunigt Hand darauf legen. Nur rasches Handeln kann uns noch in eine militärisch brauchbare Lage bringen. Jede Stunde des Abwartens verschlechtert unsere Lage in unwiederbringlicher Weise.

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Geplante Durchführung: Besitznahme der Linie Hochfinstermünz–Brenner–Bad Gastein durch 4. b. I. D. und Grenzschutz-Kdos. I, II, III. An O. H. L. erging gleiche Meldung. v. Krafft General der Artillerie u. Kommand. General. Quelle: BayKA, MKr 1833; Grenzschutz gegen Oesterreich, Böhmen und Grenzschutz Ost 1918–1920.

Dokument 7: Befehl General von Kraffts zum Grenzschutz vom 05.11.1918 Generalkommando II.B.A.K. Nr. 2365 geh. K.H.Qu., 5.11.18 Streng vertraulich – Vor dem Antreten zu vernichten An [. . .] Aufgabe des verstärkten Regiments ist, Brenner-Bahn und -Straße gegen fdl. Vordringen von Süden her zu sperren. Hierzu ist zunächst die Stellung von Gossensass südl. des Brenner-Passes zu gewinnen und das Pfitscher Joch zu sichern. Weiteres Vordringen nach Süden, bis Franzensfeste, ist soweit die Lage es irgend gestattet, mit Erfüllung des Auftrags besonders wichtig. Hiebei ist der Jaufen-Paß bis zum Eintreffen weiterer Verstärkungen durch schwächere Kräfte zu sperren. Die Brennerbahn ist, möglichst in Gegend südlich Franzensfeste, gründlich zu zerstören. Ein gesondertes Sprengkommando auf Kraftwagen ist mit gleichem Auftrag bereits in der Nacht vom 4./5.11. entsendet worden. Aufklärung weit voraus, zunächst gegen Meran und Franzensfeste, dann das Etschtal auf- und abwärts Meran, sowie das Etschtal gegen Bozen und das Pustertal gegen Innichen. Zur Aufklärung über die Berge sind Einheimische zu gewinnen. Wichtig ist dauernde Feststellung, wo österr. Deutsche dem Feinde Widerstand leisten, wohin der Feind vorgedrungen ist, welche tschechischen, ungarischen, kroatischen usw. Truppen auf dem Wege angetroffen werden. Mit der Bevölkerung ist überall Fühlung aufzunehmen, der Aufruf ist anzuschlagen und zu verteilen. In Tirol ist nicht unbedingt und überall mit Reichsfreundlichkeit zu rechnen. Vorsicht und sorgfältige Beobachtung ist notwendig. Die Truppe ist strengstens vor jeder Ausschreitung gegen die Bevölkerung zurückzuhalten.

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Bei der Eisenbahnbeförderung kommt es darauf an, nicht friedensmäßig zu fahren. Der Zug muß rasche Feuerbereitschaft aus den Wagen gewährleisten. Die Truppe muß taktisch geordnet, derartig im Zug verteilt sein, daß sie beim Verlassen des Zuges sofort in den Kampf treten kann. Der Kdr. 9.I. R. hat bei der Zusammenstellung des Zuges auf entsprechende Einordnung der Wagen zu dringen. Bei Lastkraftwagenbeförderung sind ähnliche Maßnahmen zu treffen. Der Führer des Transports erhält einen Ausweis, der ihn berechtigt, zur Durchführung des Transports die Unterstützung aller österr. Behörden in Anspruch zu nehmen. Bei Widerstand hat sich der Führer des Transports die Weiterfahrt, wenn notwendig mit Waffengewalt, zu erzwingen. Für den Fall, daß die Weiterfahrt mit Bahn schon an der Grenze auf unüberwindliche Hindernisse stößt, wird 1 Lastkraftwagen bei Kufstein (Bhf.) bereitgehalten, mit der nötigenfalls die Weiterfahrt anzutreten ist. Wenn aus irgendwelchen Gründen Weiterfahrt mit Bahn oder Lastkraftwagen nicht mehr möglich ist, so ist das Marschziel mit Fußmarsch zu erreichen. Meldungen täglich mindestens einmal unmittelbar an das Gen. Kdo. sind durch Motorradfahrer oder Kraftwagen über Mittenwald zu befördern. Der Kommandierende General gez. von Krafft General der Artillerie Quelle: KA, Generalkommando des II. bayerischen Armeekorps, Bund 93: Grenzschutz in Tirol und Bayern.

Dokument 8: „Das bayerische Grenzschutz-Regiment von Schintling im Oktober–Dezember 1918“ von OTL Karl Schintling Am 28. Oktober 1918 erhielt ich in meiner Eigenschaft als Kommandeur des Ersatz-Bataillons [des] B.[ayrischen] Reserve Infanterie Regiments No. 1 den Befehl, sofort ein kriegstarkes Bataillon mobil zu machen behufs Verwendung beim bayerischen Grenzschutz Süd. Ein Drittel der Mannschaften war gebirgsmäßig auszurüsten. Das Kommando über das neue Bataillon sollte ich selbst übernehmen. Die Aufstellung sollte in drei Tagen vollendet sein. Da ich mich überzeugte, daß dies ganz unmöglich vor dem 2. November der Fall sein könne, berichtete ich in diesem Sinn. Am 29. Oktober wurde ich gegen Abend telefonisch ins Kriegsministerium gerufen. Dort teilte mir ein Generalstabs-Offizier mit, ich müsse so rasch als möglich anstelle des als Kommandeur des Abschnitts III (Rosenheim) bestimmten Oberstleutnants von Hößlin, der am Ausmarsch verhindert sei, das Kommando dieses Abschnitts übernehmen. Über die Gliederung des bayer. Grenzschutzes erfuhr ich folgendes: – Kommandeur: General Krafft von Dellmensingen. Korps-Hauptquartier München. – Abschnitt „Süd“ vom Bodensee bis zur Donau bei Passau Oberst Kaiser.

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– Abschnitt „Ost“ von der Donau bis zur sächsischen Grenze. – „Süd“ ist in 5 Unterabschnitte eingeteilt. Mein Abschnitt „Grenzschutz-Kommando III“ erstreckt sich vom Achen-Paß südwestlich Bad Kreuth bis einschließlich Sachrang-Tal südlich Hohenaschau. Stabsquartier Rosenheim. – Untereinteilung in die beiden Abschnitte Miesbach und Brannenburg mit Grenze Linie Wendelstein–Treiden [der Große Traiden (!) ist ein Berg südsüdwestl. des Wendelsteins, Anm. d. Verf.] Truppen: – 2 Infanterie-Bataillone (Major Bogl – Miesbach und Major Muzell – Brannenburg) aufgestellt von der stellv. 1. Inf. Brigade. – 1 Maschinengewehr-Kompagnie. – ½ Kavallerie-Zug. – 1 Feldartillerie-Batterie mit ½ leichten Munitions-Kolonne (4 Geschütze.) – 1 Gebirgs-Kanonen u. 1 Gebirgs-Haubitz-Zug (je 2 Geschütze.) – ½ Tragtier Kolonne. – 1 Schwere Feldhaubitz-Batterie 02 [Geschützmodell Nr. 02, Anm. d. Verf.] (4 bespannte Haubitzen.) – 1 Pionier-Kompagnie. – 1 Minenwerfer-Kompagnie (9 leichte Minenwerfer.) – 2 Hand-Scheinwerfer-Trupps u. 1 Scheinwerfer-Zug mit Geräte 60. – 2 Ballon-Züge mit je 1 Fesselballon. – 1 Nachrichten-Formation mit Abhör-Station. – 1 Kraftwagen-Kolonne. – 1 Sanitäts-Kraftwagen-Kolonne. Von diesen Truppen waren zunächst nur die Infanterie-Bataillone und die Pioniere in ihren Abschnitten. Die übrigen Formationen sollten im Lauf der nächsten Tage eintreffen. Die Ballonzüge und die Sanitäts-Kraftwagen-Kolonne sind nicht mehr gekommen. Zusammensetzung des Stabes „Grenzschutz-Kommando III“: – Kommandeur: Major z. D. Karl von Schintling. – Adjutant: Ltnt. d. R. [Leutnant der Reserve] Johann Kraus. – Ordonnanz-Offizier: Obltnt. d. R. [Oberleutnant der Reserve] Karl Pflaumer. – Nachrichten-Offizier: Ltnt. d. R. Felix Beiner. – Maschinengewehr-Offizer: Ltnt. d. R. Clemens Martens. – Verpflegs-Offizier: Ltnt. d. R. Andreas Alban. – In Rosenheim teilte ich dem Stab noch den Ltnt. d. R. Donle als 2. OrdonnanzOffizier mit seinem ½ Kavallerie-Zug als Meldereiter zu.

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Nachdem ich das Kommando meines Ersatz-Bataillons an den Major d. R. Eibner und das des in Bildung begriffenen mobilen Grenzschutz-Bataillons an den Hauptmann d. R. Binsfeld übergeben hatte, fuhr ich am 31. Oktober mittags nach Rosenheim. Dort hatte kein Mensch eine Ahnung von der Existenz eines „GrenzschutzKommandos“. Nur der Bahnhofskommandant wußte, daß im Verlauf des Tages 5 Offiziere für einen Grenzschutz-Stab eintreffen sollten. Es blieb mir also nichts anderes übrig, als geduldig zu warten, bis diese am Nachmittag kamen. Dann gingen wir sofort an die notwendigsten Organisierungsarbeiten, was seine Schwierigkeiten hatte, da wir noch über keinen einzigen Bogen Papier, geschweige denn über den unbedingt nötigen Vervielfältigungs-Apparat verfügten. Als Geschäftszimmer wollte uns der Magistrat ein ganz unmögliches Lokal, einen dumpfen, halbdunklen, unbenützten Laden zuweisen. Ich protestierte energisch, begab mich ins Gymnasium und verlangte von Rektor die sofortige Räumung von zwei Schulzimmern. In diesen richteten wir uns ein, so gut es ging. Vor allem entwarf ich die umstehend wiedergegebene Truppen-Dislokation und ordnete die schleunigste Herstellung von Fernsprech-Verbindungen der Unter-Abschnitte direkt mit dem Gymnasium an. Ein Personen-Kraftwagen, der am folgenden Tag für den Stab eintraf, erwies sich alsbald als völlig unbrauchbar, da er keine Gummireifen sondern eiserne! hatte und infolgedessen nicht imstand war, auch nur die geringste Steigung zu nehmen. [Hier ist im Text der Dislokationsplan für den Abschnitt III des Bayerischen Grenzschutzes „Süd“ eingefügt, siehe dazu die nächste Seite, Anm. d. Verf.] Die Mannschaften der neugebildeten Truppenteile erwiesen sich bei näherem Zusehen als eine recht gemischte Gesellschaft. Teils bestanden sie aus altgedienten Soldaten der Ersatzformationen, meist erst kurz wieder genesenen Verwundeten und Kranken, teils aus jungen, noch kaum ausgebildeten Rekruten, die von soldatischem Geist noch wenig Begriff hatten. Die Ausrüstung war gut, insbesondere die der Gebirgs-Artillerie mit nagelneuen Tragsätteln der Maultiere wundervoll. Dagegen war die Ausstattung mit Munition, besonders mit Geschützmunition, völlig unzureichend. Ob die Mannschaften mit ihren schönen Waffen auch zweckentsprechend umzugehen vermöchte [sic], machte mir einige, ich glaube wohl nicht ganz unberechtigte Sorge. Anzeichen von Unbotmäßigkeit oder von Verhetzung waren während der ersten Tage nicht zu bemerken. Es ist mir von den mir unterstellten Kommandeuren kein Fall von Disziplinwidrigkeit gemeldet worden. Dagegen machten die Mannschaften des seit längerer Zeit in Rosenheim garnisonierenden Garnisons-Bataillons einen üblen Eindruck. Ehrenbezeigungen erwiesen diese Leute auf der Straße überhaupt nicht mehr. Die bereits seit Beginn des Krieges an den Grenzen befindlichen Organe, die grenzpolizeiliche Aufgaben hatten, blieben bestehen. In Kufstein und Innsbruck sollten sich Nachrichtenoffiziere in Zivilkleidung aufhalten. Dem taktischen Grenzschutz war das Überschreiten der Grenze verboten. Unsere Hauptaufgabe war zunächst die Sperrung der bei Kreuth, Bayrischzell und Kufstein nach Bayern führenden Strassen und der Bahn Innsbruck–Rosenheim.

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Rosenheim: Abschnittskommandeur III. Stab. (v. Schintling) ½ Zug Kavallerie Pionier-Kompagnie

Pang, später Rosenheim: Krafwagen-Kolonne

Aising: 3. Komp. (Sauer) vom Batin. Bogl Asl Abschnittsreserve

Abschnitt Bogl Miesbach: Bataillonsstab Bogl 1 Komp. (Fabricius) ½ Tragtier-Kolonne

Abschnitt Muzell Brannenburg: Bataillonsstab Muzell 1 Komp. (Kellerbauer)

Dorf Kreuth: 4. Komp. (Rehmann) Gebirgskanonen-Abtlg. (Braun) Minenwerfer-Abtlg. (Braun) ½ Zug Pioniere

Degerndorf: 2. Komp. (Ebner)

Bayrischzell: 2. Komp. (Schmidt) Gebirgshaubitz-Zug. (Cornet) ½ Zug Pioniere

Kiefersfelden: 4. Komp. (Sitzler) Minenwerfer-Komp. 2 Züge Maschinengew. 2 Handscheinwerfer Trupps 1 Scheinwerfer Zug 60 Abhör-Station (Zug-Luftschiffer) Flintsbach: Geb. Kanonen-Bttr. (Riemerschmidt) Reischenhart: ½ leicht. Munitionskolonne Fischbach: 1 Zug Pioniere Nussdorf: Schwere Feldhaubitz-Bttr. 02 (Zug Luftschiffer) Niederaudorf: 1 Zug Maschinengew. 1 Zug Pioniere Windshausen: 1 Zug d. Komp. Ebner Oberaudorf: 3. Komp. (Haller) Sachrang: 1 Zug der Komp Kellerbaur

Dislokationsplan für den Abschnitt III des Bayerischen Grenzschutzes „Süd“.

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Am 1. November unternahm ich mit den Offizieren meines Stabes eine Erkundungsfahrt in unserem sog. Automobil ins Inntal, bis nach Kiefersfelden, hauptsächlich um Artillerie-Stellungen für eine evtl. Beschießung des Bahnhofs Kufstein und der dortigen Inn-Brücke auszusuchen, für den Fall, daß italienische Truppen dort erscheinen würden. Da das rechte, (östl.) Inn-Ufer nördlich Kufstein auf eine lange Strecke österreichisch, das linke (westl.) aber schon bayerisch ist, erschwerte mir das Verbot, die Grenze zu überschreiten, meine Aufgabe wesentlich. Unseren Kraftwagen mußten wir jeden, einigermaßen steilen Berg eigenhändig mit vereinten Kräften schieben. Das waren trübe Aussichten für meine weiteren, nach Miesbach, Kreuth, ins Sachrang-Tal etc. geplanten Erkundungsfahrten. Die nächsten Tage vergingen mit organisatorischen Arbeiten und dem Bau von Fernsprechleitungen, den mein Nachrichtenoffizier wacker förderte. Der mir von seiner früheren Stellung am Kadettenkorps her persönlich gut bekannte Rektor des Gymnasiums, Dr. Kronseder, betrachtete zwar mit Mißfallen die vielen, in sein schönes, neues Anstaltsgebäude eingeleiteten Drähte, stand uns aber in dankenswerter Weise bei allem was wir bedurften hilfreich bei, trotzdem wir den Schulbetrieb nicht unwesentlich störten. Am 2. November fand im Theatersaal des Hotels „Deutscher Kaiser“ in welchem wir einquartiert waren, unter starkem Zuspruch von Civilisten [sic] und Soldaten eine Volksversammlung statt, bei der ein Sozialdemokratischer Abgeordneter aus München als Hauptredner auftrat. Wir lauschten im nebengelegenen Gastzimmer bei etwas geöffneter Tür und bemerkten mit Unwillen daß nach dem Abgeordneten ein Soldat des Garnisonsbataillons in Uniform das Wort ergriff zu einer Brandrede. Er begann damit, daß er sagte, er sei zwar bereits früher dafür bestraft worden, daß er in Uniform in Versammlungen gesprochen habe, es fiele ihm aber nicht ein, sich das Maul verbinden [sic] zu lassen. Wir erlebten da das erste Wetterleuchten der bevorstehenden Revolution. Trotzdem erkannten wir die Situation noch nicht als derart gefährlich, wie sie tatsächlich war. Niemand von uns glaubte an die Möglichkeit ernsthafterer Revolten geschweige denn an die eines Umsturzes. Am 5. November trafen der Stab und Teile der unter dem Befehl des Prinzen Franz von Bayern stehenden 4. Infanterie-Division in Rosenheim und Umgegend ein. Die Division war zunächst bestimmt, eine Art Reserve für den Grenzschutz zu bilden. Wir atmeten erleichtert auf, denn nun brauchten wir einem evtl. Anrücken der Italiener doch nicht mehr mit dem peinlichen Gefühl unbedingter Unterlegenheit entgegenzusehen. Man munkelte auch, das Alpenkorps sollte zum gleichen Zweck noch herangezogen werden, auch von einer preußischen Division ging die Sage. Dies schien wenig glaubhaft, da der bayerische Grenzschutz als rein bayerische Formation aufgestellt war und gar nicht der obersten Heeresleitung, sondern direkt dem Kriegsministerium in München unterstand. Am Vormittag des 6. November traf General Krafft von Dellmensingen, im Automobil von München kommend, in Rosenheim ein. Er berief die sämtlichen Kommandeure zu einer Besprechung zusammen. Zunächst eröffnete er uns, daß er dem Kriegsministerium erklärt hätte, den Schutz Bayerns gegen einen evtl. Einmarsch der Italiener wirksam nicht an der bayerischen Grenze, sondern nur durch Besetzung der Alpenübergänge im Unter-Engadin, am

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Brenner und beim Tauern-Tunnel durchführen zu können. Der Vormarsch nach Österreich sei nunmehr in die Wege geleitet. Seine Schuld sei es nicht, wenn dies etwas spät geschehe, er hätte es erst gestern durchsetzen können daß man in München seinen dringenden Vorstellungen nachgegeben hätte. Der Protest des nunmehr neutralen Österreichs sei von ihm in einem Schreiben an den Nationalrat in Innsbruck als formell berechtigt anerkannt worden. In diesem Schreiben habe er des weiteren auseinandergesetzt, daß er bedaure, sich im Interesse der Sicherheit Bayerns nicht um Österreichs Abmachungen mit der Entente kümmern zu können. Wir wurden angewiesen, falls wir in Österreich auf Widerstand stoßen sollten, überall im gleichen Sinn Erklärungen abzugeben und besonders zu betonen, daß wir nicht als Feinde kämen. In Landstrichen mit hungernder Bevölkerung sollten wir Lebensmittelsendungen aus Deutschland in Aussicht stellen und solche dann bei der Heersleitung anfordern. Vertraulich teilte der General mit, in Tirol sei eine hauptsächlich vom Klerus ausgehende, von Wien her genährte Bewegung im Gang, um dem Haus Habsburg die deutsch-österreichischen Landesteile zu erhalten. Diese Bewegung sei antideutsch, da sie gegen die Angliederung der betreffenden Teile an Deutschland arbeite. Die Aufrechterhaltung der Disziplin mit den allerschärfsten Mitteln forderte der General von uns in äußerst energischem Ton. Es war ihm bei der Fahrt durch Rosenheim aufgefallen daß viele Soldaten – es werden wohl vorwiegend die Mannschaften des Garnisonsbataillons gewesen sein, was aber General v. Krafft nicht wußte – keine Ehrenbezeigungen erwiesen hatten. Er hatte deshalb zwei Mann vom Fleck weg verhaften lassen und befohlen, sie vor Gericht zu stellen. Unsere Hauptaufgabe den Italienern gegenüber charakterisierte er als Kampf um Zeitgewinn. Den Zug nach Österreich bezeichnete er ganz offen als eine sehr gewagte Sache, als einen „Husarenritt“, und fügte hinzu, er erwarte jedoch, daß alle mit Zuversichtlichkeit für das Gelingen ans Werk gehen würden. Die 4. Division – ihr Führer Prinz Franz von Bayern hatte sich nach einer erregten Auseinandersetzung mit General von Krafft, in der er diesen über den unzuverlässigen Geist der Truppen aufzuklären versuchte, krankgemeldet und war durch einen andern General ersetzt worden – ward für die Besetzung des Brenners bestimmt und rollte mit Teilen bereits dorthin ab. Ein Bataillon dieser Division war nach Gastein zur Sperrung des Tauern-Tunnels beordert worden. Die Truppen des Grenzschutz-Abschnitts „Süd“ wurden, zu einer Brigade unter dem Befehl des Obersten Kaiser formiert, nach Bischofshofen an der Tauernbahn entsandt, als Rückhalt für die Truppen in Gastein und zur Deckung der linken Flanke gegen Osten, bezw. Sperrung des Tals von Radstatt. Meine Truppen, verstärkt durch ein drittes Bataillon (Schlagintweit), das bereits nach Bischofshofen abgegangen war, wurden als „verstärktes Regiment von Schintling“ bezeichnet. Eine leichte Feldhaubitz-Batterie und eine Funker-Station sollten hinzukommen. Da die ganze Abtransport-Einfädelung der großen Eile wegen über meinen Kopf hinweg geschehen war, befand ich mich in der merkwürdigen und unangenehmen Lage, nicht mehr darüber orientiert zu sein, wo meine Truppen sich nun eigentlich befänden. Es war nicht zu ergründen, was bereits nach dem Salzkammergut abge-

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gangen und was noch da war. Momentan war mir beinahe jegliche Möglichkeit der Befehlsgebung aus der Hand genommen. Am 7. November sollte mein Stab zusammen mit 1 Infanterie- und 1 PionierKompagnie sowie der Kraftwagenkolonne um 10 Uhr abends in Richtung Salzburg– Bischofshofen mit der Bahn abtransportiert werden. Die Sache stieß wegen Wagenmangels auf große Schwierigkeiten. Als ich um 9 Uhr auf den Bahnhof kam um das Einladen zu überwachen war überhaupt noch kein Zug da. Erst um 11 Uhr kamen die Wagen, wir durften aber aus bahntechnischen Gründen noch nicht abfahren. Um Mitternacht wurde ich zum Bahnhofskommandanten geholt. Ein nach Innsbruck vorausgefahrener Generalstabsoffizier des Generalkommandos wünschte mich von dort aus telephonisch zu sprechen. Er teilte mir mit, daß er seit geraumer Zeit mit den militärischen Dienststellen in München keine Verbindung mehr bekommen könne, er vermute, daß dort ein Aufstand ausgebrochen sei und frug mich, wieviel ich an Truppen bei der Hand hätte. Er meinte, ich solle mit meinen beiden Kompagnien sogleich nach „Pasing“ fahren, – in der Eile und Aufregung beachtete er wohl nicht, daß der Weg von Rosenheim nach München nicht über Pasing sondern über den Ostbahnhof führt – ich solle in Pasing ausladen und dann von dort aus versuchen, mit dem Generalkommando oder mit dem Kriegsministerium Fühlung zu bekommen. Mir wollte dieser Vorschlag nicht einleuchten. Ich betrachtete mich doch als gegen den Feind – die Italiener – dirigiert. Kein Mensch konnte wissen, ob nicht jeden Augenblick italienische Truppen in der Gegend des Tauerntunnels erscheinen würden. Dann waren gerade meine Pioniere dort ganz dringend benötigt. Durfte sich eine für den Schutz der Grenzen Bayerns bestimmte Truppe auf eine vages Gerücht hin von seiner wichtigen Aufgabe abziehen lassen? Ich lebte in der Idee, es gehe dem Feind entgegen und glaubte es nicht rechtfertigen zu können, wenn ich nun auf einmal gen München fuhr. War dort nur ein unbedeutender Putsch so würden die Ersatztruppenteile wohl leicht damit fertig werden, handelte es sich jedoch um eine ernstlichere Sache, was ich indessen nicht glaubte, so konnte ich mit 2 Kompagnien [sic] auch nicht viel ausrichten, zumal da mir die zumeist aus Arbeitern bestehende Pionier-Kompagnie kein für solche Dinge geeignetes Instrument erschien. Ich teilte diese Bedenken dem Generalstabsoffizier in Innsbruck mit. Er war trotzdem für den „Marsch auf München“. Unsere Verhandlungen, fortwährend durch Telephonstörungen für längere Zeit unterbrochen, dauerten bis gegen zwei Uhr morgens. Ich erwog alles eingehend. Es war ein schwerer Entschluß. Schließlich erschien mir die Pflicht, auf den „Kriegsschauplatz“ abzurücken als die unbedingt ausschlaggebende und ich befahl die Abfahrt nach Salzburg. Ich befürchtete als blamiert dazustehen, wenn ich morgen mit meinen beiden Kompagnien in München einzöge, wo vielleicht gar nichts von Bedeutung los sei, statt mich in Bischofshofen bei meiner Brigade und den vorausgeschickten Teilen meines Regiments einzufinden. Daß um die gleiche Zeit S.[eine] Majestät der König auf seiner Flucht im Auto ganz nahe bei uns vorüberfuhr, konnte ich nicht ahnen, und hätte ich es gewußt, ich hätte es nicht mehr hindern können. Durch General von Krafft waren wir bereits darauf aufmerksam gemacht worden, daß unser Vormarsch auf das Zurückfluten der Österreicher stoßen werde, und daß dies möglicherweise zu unliebsamen Vorfällen führen könnte. Es war die Weisung ergangen, den Abfluß vorwiegend nach Osten zu dirigieren.

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Am frühen Morgen des 8. November sahen wir in Freilassing bereits mehrere Züge, vollgepfropft mit österreichischem Militär in wüster Verfassung. Neben den Schienen lag ein von einem solchen Zug herabgefallener Soldat mit abgefahrenem Kopf. Um 8 Uhr morgens waren wir in Salzburg. Ich hatte befürchtet daß uns österreichischerseits vielleicht Schwierigkeiten bezüglich der Weiterfahrt, etwa durch Ausspannen der Lokomotive, bereitet werden könnten, und deshalb die Maschine durch einen Offizier und mehrere Leute mit geladenem Gewehr besetzen lassen, aber die österreichische Bahnhofsbesatzung legte uns kein Hindernis in den Weg. Um 10 Uhr langten wir in Bischofshofen an. Im Bahnhof standen sehr lange Eisenbahnzüge, überfüllt mit Militär, besonders viel Ungarn, Böhmaken und Slowaken. Die Kerle waren in Personen- und Viehwagen gepfercht, auch in offene Güterwagen, trotz der erheblichen Kälte, hockten auf den Wagendächern und Plattformen, viele sogar auf über die Puffer gelegten Brettern und auf den Eisenplatten neben den Lokomotivrädern. Kein Wunder daß manche während der Fahrt herabfielen und verunglückten. Jeder nur einigermaßen zum Liegen, Sitzen oder Kauern ausnützbare Platz war besetzt. Die meisten der Leute machten einen recht erbärmlichen Eindruck. Offiziere waren nirgends zu erblicken. In mehreren Güterwagen brannten am Boden offene Feuer, an denen die Leute kochten und sich wärmten. Die Züge kamen vom Brenner über die Giselabahn. Und gingen nach dem Semmering oder über Salzburg weiter. Im Ort sah es nicht besser aus. Große schwere Lastkraftwagen, ebenso wie die Bahnzüge mit Mannschaften überfüllt, passierten ununterbrochen durch, hielten auf den Plätzen und verstopften zeitweise die engen Straßen. Da und dort lagen umgestürzt und zum Teil abmontiert Kraftwagen-Ruinen neben der Straße. Ich meldete mich bei meinem Brigadestab und erhielt die Weisung, mit meinen Truppen nach St. Johann im Pongau weiterzufahren und dort Ortsunterkunft zu beziehen. Als Aufgabe wurde mir ganz allgemein Verbindung mit den Truppen in Gastein und Sicherung nach Osten unter Besetzung von Radstatt mit einer Kompagnie aufgetragen. Über die Zusammensetzung meines sog. „verstärkten Regiments“ konnte ich jedoch Endgültiges nicht in Erfahrung bringen. An die schon vor mir angelangten Truppen waren bereits verschiedene Weisungen direkt von der Brigade ergangen. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren daß in Manchem recht dilettantisch verfahren werde, was ich dem Umstand zuschrieb, daß der Brigadeadjutant kein Berufs-Offizier war. Die Befehlsverhältnisse waren unklar. Über den „Feind“ waren lediglich Gerüchte zu erfahren. Es schien, daß die Italiener noch nicht bis zum Brenner gelangt seien. Auch über die Zustände in der Heimat war man auf wilde Gerüchte angewiesen. Als ich zum Bahnhof zurückkehrte machten mich die Offiziere meines Stabes auf ein daselbst stehendes wunderschönes Personen-Automobil aufmerksam, das dem Stab des K. K. Feldartillerie-Regiments No. 6 gehörte. Es wurde mir berichtet, der Kommandeur dieses Regiments sei vom Brenner her mit diesem Kraftwagen eben angelangt, wolle nun mit der Bahn nach Wien weiterfahren, und der Chauffeur sei bereit, uns den Wagen für 80 Reichsmark zu verkaufen. Ich erklärte, daß wir an-

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standshalber solche „Geschäfte“ doch nicht gut abschließen könnten, suchte aber den Regimentskommandeur selbst auf und erhielt alsbald von ihm den schönen Kraftwagen für den bayerischen Grenzschutz leihweise überwiesen. So setzte ich mit meinem Stab, bei dem sich 2 des Fahrens kundige Offiziere befanden, den Weg nach St. Johann im Auto fort. Am nächsten Morgen (9. November) kamen 2 Leute meiner MaschinengewehrKompagnie in mein Quartier und erklärten mir im Namen ihrer Kameraden sie wüßten daß in der Heimat Revolution sei, sie bäten daher, sofort zurücktransportiert zu werden. Ich war wie niedergedonnert über solche, mir ganz neue und geradezu unmöglich erscheinende Vorgänge, eilte sofort nach dem Bahnhof, wo noch der Zug mit der einparkierten Maschinengewehr-Kompagnie, aber ohne Lokomotive, stand, und versammelte die Mannschaft, von denen einige bereits rote Kokarden an den Mützen trugen. Ich erkannte sofort, daß mit schroff befehlendem Auftreten, wozu ich anfangs entschlossen war, nichts mehr auszurichten sei. Die Meinungen unter den Leuten waren zwar geteilt, eine geringe Minderheit benahm sich anständig, aber die große Mehrzahl streikte glatt und ein paar freche, junge Rädelsführer sagten, sie verweigerten unbedingt auszuparkieren, wollten sofort eine Lokomotive haben und nach Bayern zurückkehren. Ich versuchte, die Mannschaften durch ruhiges Zureden zur Vernunft zu bringen, vergebens. Nun sagte ich einfach, ich könne augenblicklich auch keine Lokomotive herbeizaubern, sie sollten meinetwegen in den Wagen bleiben, und ging fort, um die Offiziere und Unteroffiziere der anderen, erreichbaren Truppenteile zusammenzurufen. Es zeigte sich daß der größere Teil der Mannschaften und insbesondere die älteren Unteroffiziere vernünftig waren. Was sie von dem Rückzug der Österreicher gesehen hatten, hatte abschreckend gewirkt. Die Mehrzahl erklärte, zwar ebenfalls den Wunsch zu haben, sobald es angängig sei, in die Heimat zurücktransportiert zu werden, aber so wie die Österreicher wollten sie nicht heimkehren, das mitgeführte kostbare Armeematerial müsse unbedingt ordnungsgemäß zurückgebracht werden. Mittags wurde ein Brigade-Befehl bekanntgegeben, wonach es jedem, der seine Pflicht nicht willig weiter erfüllen wolle, freigestellt sei, in die Heimat zurückzukehren. Daraufhin drückten sich etliche der jüngeren Leute. Ob sie mit den durchpassierenden Österreicher-Zügen gefahren sind, oder wie sie sonst Bayern erreicht haben, weiß ich nicht. Wir waren froh, die unruhigsten und unzuverlässigsten Elemente los zu sein. Da jeder weitere Truppen-Nachschub aus Bayern infolge der Revolution natürlich eingestellt war, die Nachrichten aus dem Süden dahin lauteten, daß die Italiener nicht über den Brenner vorrückten – man munkelte sogar, sie fraternisierten dort mit den Mannschaften unserer 4. Division – und die Stimmung unserer Truppen trotz der Säuberung auch nicht gerade die allerbeste war, blieb nichts anderes übrig als den Rücktransport zu beantragen. Am 10. November traf der Befehl hiezu ein und gelangte glatt zur Durchführung. Ich selbst benützte zur Heimfahrt mit meinem Stab den österreichischen Kraftwagen, auf dem mein Verkehrsoffizier das „K. K. Fld.Art.R. [= Feldartillerieregiment] 6“ überpinselt und durch die Aufschrift „Bayer. Grenzschutz“ ersetzt hatte.

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II. Mit dem Abschluß eines Waffenstillstands auch vonseiten Deutschlands waren die strategisch-taktischen Aufgaben des Grenzschutzes hinfällig geworden. Da man jedoch befürchtete, es könnten sich in Österreich Banden bilden und plündernd deutsches Gebiet betreten, und da noch ununterbrochen österreichisches Militär in regellosen Haufen auf der Straße Lofer–Melleck–Reichenhall–Salzburg durch bayerisches Gebiet zog, ließ man einen Teil der Grenzschutz-Truppen bestehen und betraute ihn mit polizeilichen Aufgaben. Insbesondere das Marine-Erholungsheim bei Berchtesgaden das noch über reiche Lebensmittel-Vorräte verfügen sollte, hielt man für bedroht. Meinem Regiment wurde der südöstliche Zipfel Bayerns, das Berchtesgadener Land, von der Reiteralpe bis zur Saalach bei Marzoll zugewiesen. Es bestand aus: – 1 Infanterie-Bataillon(Schlagintweit) mit 4 Kompagnien. – 1 / 3 Maschinengewehr-Kompagnie. – 1 Gebirgs-Kanonen und 1 Gebirgs-Haubitz-Zug. – 1 Pionier-Kompagnie (Pecz) und – 1 / 2 Tragtier-Kolonne. Die Artillerie wurde nach einigen Tagen weggezogen. In Berchtesgaden befand sich außerdem eine Kraftwagen-Kolonne die nicht zu meinem Regiment gehörte. Es war nicht zu ergründen von wo sie kam und wo sie eigentlich hingehörte. Die Fahrer und Begleit-Mannschaften fühlten sich augenscheinlich souverän und boten in ihrem Benehmen nicht das beste Beispiel für unsere Mannschaften. Am 11. November langte ich mit meinem Stab in Reichenhall an. Ich erfuhr vom Bestehen eines Garnisons-Soldatenrats. Diese Revolutions-Errungenschaft war mir neu. Bei meinem Regiment war noch kein Soldaten-Rat gebildet, da die Kunde von dieser Neueinrichtung noch nicht zu uns gedrungen war. Der Reichenhaller Soldatenrat war beim Garnisonskommando gebildet worden. Es unterstanden ihm alle die zahlreichen Kranken und Rekonvalescenten [sic] von denen alle Kurhäuser der Stadt überfüllt waren. Bei meinen Offizieren bestand vielfach die nicht ganz unbegründete Ansicht, dieser Soldatenrat ginge uns nichts an; wenn schon einer sein müsse, so solle beim Regiment einer gewählt werden. Ich beschloß indessen, mir den schon vorhandenen erst einmal näher anzusehen und begab mich daher mit einigem Mißtrauen in die Höhle des Löwen. Da wurde ich denn zu meiner freudigen Überraschung gewahr, daß der Rat zum allergrößten Teil aus älteren, sehr vernünftigen Unteroffizieren bestehe, die einen recht guten, vertrauenerweckenden Eindruck machten. Nur einer, ein Matrose, war typischer Revolutionsmann. An der Spitze stand ein Unteroffizier der im Civilberuf [sic] Polizei-Unterbeamter in Reichenhall war. Eine Besprechung ergab, daß die Leute sämtlich entschlossen waren, unter Umständen mit den schärfsten Mitteln die Disziplin im Ort aufrechtzuerhalten. Sie erkannten das klar als Notwendigkeit. Sie erbaten von mir die Abstellung

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Anhang A: Dokumente Bad Reichenhall: Regimentsstab von Schintling Inftr. Komp. Krieger 1 Zug Inftr. Komp. Rosental 1 Gebirgs-Kanonen-Zug 1 Gebirgs-Haubitz-Zug Pionier-Komp. Pecz

Schwarzbach: 1 Zug Komp. Rosental

Berchtesgaden: Stab Bataillon Schlagintweit 2 Züge Inftr. Komp. Haug

Marzoll: 1 Zug Komp. Rosental

Bischofswiesen: 1 Zug Masch. Gew. Strasser Schellenberg: Sperrbesatzung IV. Inftr. Kp. Wals Hintersee: Sperrbesatzung I. 1. Zg. Inftr. Komp. Haug. Scheffau: Sperrbesatzung III. Inftr. Kp. Wals Oberau: Sperrbesatzung II. Inftr. Komp. Wals

Dislokation

von Wach-Mannschaften für die beiden Bahnhöfe um den bereits eingerissenen Unfug der eigenmächtigen Urlaubsreisen zu unterbinden und Anderes mehr. Die Verhängung von strengen Strafen bei Disziplinwidrigkeiten sagten sie mir sofort zu. Dies veranlasste mich, den Garnisons-Soldatenrat als Hauptorgan anzuerkennen. Zwar mußte auch beim Regiment ein solcher gewählt werden, er ist aber gar nicht in Erscheinung getreten, bestand lediglich pro forma und führte ein Schein-Dasein. Ich verabredete mit dem Soldatenrat für den Abend des 13. November eine allgemeine Soldaten-Versammlung behufs Aufklärung der Leute über die neuen Verhältnisse. Dabei gab zunächst ein gemäßigt revolutionärer Stadtverordneter (Civilist) einen kurzen Überblick über die politische Lage. Er hielt sich in anständigen Grenzen. Dann sprach der Vorsitzende des Soldatenrats. Er begann damit, daß er die Kameraden „und ganz besonders die Herren Offiziere“ begrüßte, mahnte zu ordentlichem, soldatischem Betragen und zum Gehorsam gegen die Vorgesetzten und den Soldatenrat und warnte vor überspannten Ideen. Nachdem auch ich noch einige beruhigende Worte gesprochen hatte, die sichtlich gut wirkten, bemühten sich leider ein paar junge, norddeutsche Offiziere des Genesungs-Heims, richtige Heißsporne,

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den günstigen Eindruck durch völlig unangebrachte Kritik zunichtezumachen [sic]. Trotzdem war die Veranstaltung von bestem Erfolg. Es ist während der ganzen Zeit kein ernstlicher Verstoß gegen die Disziplin vorgekommen, nur dem Wilderer-Unwesen der Mannschaften war nicht beizukommen. Die Verlockung war eben sehr groß, auf Patrouille oder Posten mit dem Gewehr in der Hand auf Rehe, Hirsche und Gemswild zu schießen. Wenn wir deshalb von den Jagdherren als „Landplage“ bezeichnet wurden, so darf doch wohl mit Sicherheit angenommen werden, daß manches Stück Wild nicht den Grenzschutz-Mannschaften, sondern den zahlreichen berufsmäßigen Zivil-Wilderern zum Opfer gefallen ist, dem Militär aber aufs Konto gesetzt wurde. Am 12. November erfuhren wir durch die Zeitungen die Deutschland durch die Entente auferlegten Waffenstillstandsbedingungen, die einen niederschmetternden Eindruck machten. Zugleich wurde uns jetzt erst Näheres über die Vorgänge bei der Revolution in München bekannt. Daß uns Seine Majestät der König von unserem Eid entbunden habe, wurde uns bereits am letzten Tag unseres Aufenthaltes in Österreich mitgeteilt. Meine sämtlichen Offiziere beschlossen jedoch, im Dienst zu bleiben. Nur mein Adjutant hat bald nach unserer Ankunft in Reichenhall den Dienst verlassen, da er einen persönlichen Zusammenstoß mit dem Matrosen des Soldatenrats hatte. Als ganz unzweckmäßig erwies sich die von der Brigade befohlene Abschnittsbegrenzung. Dem Brigadeadjutanten war offenbar der militärische Grundsatz nicht bekannt, daß man Höhenzüge und nicht Täler als Abgrenzung bestimmt. So gehörte die Stelle, wo die österreichischen Durchzügler bayerisches Gebiet betraten, der Steinpass bei Melleck, nicht zu meinem Abschnitt, in den gelangten sie erst später, was die Überwachung komplizierte. Indessen ließ der Durchzug sehr bald nach, es kamen nur noch wenige Nachzügler, zum Teil mit Wagen und Pferden, die sie gern um billiges Geld verkauften. Im allgemeinen war wenig zu tun da alles ruhig blieb. Wir konnten nicht mehr recht einsehen wozu wir eigentlich noch da wären. Meine Tätigkeit beschränkte sich auf einige Inspizierungs-Fahrten, wobei mir mein österreichischer Kraftwagen auf den zum Teil bereits stark vereisten Gebirgsstraßen treffliche Dienste leistete. Am 26. November kam Befehl zu einer Umgruppierung. Mein Abschnitt sollte erweitert werden. Westlich kam das Tal von Ruhpolding mit dem Weit-See [östl. Reit im Winkel, Anm. d. Verf.] dazu, nördlich die bei Freilassing hereinführenden Straßen und die Bahn Traunstein–Salzburg. Das im Ruhpoldinger Tal stationierte Bataillon Rubenbauer wurde meinem Regiment einverleibt. Kaum hatte ich die nötigen Weisungen an meine Truppen hinausgegeben und war die Umgruppierung eben im Gang, da kam abermals ein abändernder Befehl. Die Brigade Kaiser wurde als solche aufgehoben. Oberst Kaiser übernahm wieder wie zu Beginn der Aktion den ganzen Grenzschutz-Abschnitt Süd mit dem Hauptquartier in München. Die Truppen wurden im ganzen Gebiet stark reduziert. Die Abschnitts-Einteilung wurde ebenfalls wieder so angeordnet wie Ende Oktober.

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Anhang A: Dokumente

Ich hatte also in Rosenheim wieder meinen ursprünglichen Abschnitt III zu übernehmen. Mein Regiment schmolz auf ein Infanterie-Bataillon zusammen, dessen Stab ebenfalls in Rosenheim war. Am 2. Dezember traf ich dort ein. Zwei Stäbe für dieses Bataillon erschienen uns etwas viel, zumal da wir eigentlich keine rechte Aufgabe mehr vor uns sahen. Am 6. Dezember kam denn auch endlich der Befehl zur Auflösung des gesamten Grenzschutzes. Die Mannschaften wurden entlassen, Pferde und Material versteigert und die Waffen eingeliefert. Am 14. Dezember war dies alles erledigt. Ich kehrte nach München zurück und wurde aus dem Heeresdienst entlassen. Hatten die Grenzschutz-Truppen auch keine Gelegenheit, Taten zu verrichten, so muß doch zu ihrer Ehre festgestellt werden, daß sie, von einigen wenigen revolutionär infizierten jungen Burschen abgesehen, in schwerer Zeit bis zum Schluß Disziplin bewahrt und ihre Pflicht getan haben, auf wankendem Boden. Nach Tagebuch-Aufzeichnungen bearbeitet von Karl Schintling Oberstleutnant a.D. 14. Mai 1929 Aufzeichnungen des Oberstleutnant Karl von Schintling über seine Verwendung beim bayerischen Grenzschutz Süd, vom 28.10.1918 bis 14.12.1918. Quelle: BayKA, Handschriften: HS 2042.

Anhang B: Karten Verzeichnis der Karten Karte 1:

Übersichtsskizze zum Ersten Weltkrieg im Alpenraum . . . . . . . . . . . . . 584

Karte 2:

Der italienische Schauplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585

Karte 3:

Geheime K. u. k. Vorkriegskarte zur italienischen Truppenverteilung 586

Karte 4:

Übersicht Tirol, Friaul und Venetien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587

Karte 5:

Das Pustertal und die Dolomitenfront (1915). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588

Karte 6:

K.u.k. Evidenzkarte zu den italienischen Truppen (1916). . . . . . . . . . . 589

Karte 7:

Das Gebiet der Sette Comuni und die Frühjahrsoffensive 1916 in Tirol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590

Karte 8:

Frontkarte zur Kräfteverteilung in Südtirol 1917 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591

Karte 9:

Die Lage am Isonzo bis zur 6. Schlacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 592

Karte 10: Die Karsthochfläche nordwestlich Triest. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593 Karte 11: Die italienischen Gebietsgewinne in den ersten elf Isonzoschlachten 594 Karte 12: Aufstellung der Kräfte für die Junioffensive 1918 . . . . . . . . . . . . . . . . . 595 Karte 13: Das Abströmen der Truppenmassen von der Südwestfront 1918 (28.10.–14.11.1918) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 596 Karte 14: Karte zum Grenzschutz in Tirol 1918 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597 Karte 15: Grenzschutz gegen Italien 1918. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598

Kartennachweis (Anhang B: Karten): Die meisten der gezeigten Karten enstammen dem Militärarchiv Lichem/Militärhistorisches Forschungszentrum (MILAR/MHFZ), mit dessen freundlicher Genehmigung sie hier reproduziert wurden. Die übrigen Karten befinden sich im Besitz des Verfassers (Sammlung Jordan). Teils wurden die Grundstrukturen der Karten alten Veröffentlichungen entnommen, die dann technisch überarbeitet und modifiziert wurden, um hier präsentiert zu werden.

Karte 1: bersichtsskizze zum Ersten Weltkrieg im Alpenraum

584 Anhang B: Karten

Karte 2: Der italienische Schauplatz (schraffiert die territorialen Zugestndnisse sterreich-Ungarns an Italien in den Verhandlungen bis Mai 1915)

Anhang B: Karten 585

Karte 3: Geheime K. u. k. Vorkriegskarte zur italienischen Truppenverteilung

586 Anhang B: Karten

Karte 4: bersicht Tirol, Friaul und Venetien

Anhang B: Karten 587

Karte 5: Das Pustertal und die Dolomitenfront (1915)

588 Anhang B: Karten

Karte 6: K. u. k. Evidenzkarte zu den italienischen Truppen (1916)

Anhang B: Karten 589

Karte 7: Das Gebiet der Sette Comuni und die Frhjahrsoffensive 1916 in Tirol

590 Anhang B: Karten

Karte 8: Frontkarte zur Krfteverteilung in Sdtirol 1917

Anhang B: Karten 591

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Anhang B: Karten

Karte 9: Die Lage am Isonzo bis zur 6. Schlacht

Anhang B: Karten

Karte 10: Die Karsthochflche nordwestlich Triest

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Anhang B: Karten

Karte 11: Die italienischen Gebietsgewinne in den ersten elf Isonzoschlachten

Karte 12: Aufstellung der Krfte fr die Junioffensive 1918

Anhang B: Karten 595

Karte 13: Das Abstrmen der Truppenmassen von der Sdwestfront 1918 (28.10.–14.11.1918)

596 Anhang B: Karten

Anhang B: Karten

Karte 14: Karte zum Grenzschutz in Tirol 1918

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Karte 15: Grenzschutz gegen Italien 1918

598 Anhang B: Karten

Anhang C: Abbildungen Verzeichnis der Abbildungen Abbildung 1:

Gebirgsmanöver 1908 – Tiroler Landesschützen . . . . . . . . . . . . . . 600

Abbildung 2:

Extrem ausgesetzte Kriegs-Leiter-Steige (Judicarien Front). . . . . 600

Abbildung 3:

Österreichisch-ungarische Infanterie auf der Stilfserjochstraße . . 601

Abbildung 4:

Tiroler Feldwache auf der Cima Presena im Januar 1916 . . . . . . 602

Abbildung 5:

Unterkunftshütten in der Gipfelwand der Cima Presena . . . . . . . . 602

Abbildung 6:

Auf der italienischen Monte Piano Platte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603

Abbildung 7:

Blick auf Col di Lana mit Monte Sief und Sief-Sattel. . . . . . . . . . 603

Abbildung 8:

Bedienung eines Artilleriegeschützes an der Südwestfront. . . . . . 604

Abbildung 9:

Nach der Sprengung des Monte Cimone di Tonezza . . . . . . . . . . . 605

Abbildung 10: Zerstörter und zerschossener Wald auf Sette Comuni . . . . . . . . . . 605 Abbildung 11: K. u. k. Lazarett hinter der Kampflinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 Abbildung 12: Deutsche Geschützbedienung in Tirol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 Abbildung 13: Originalskizze vom Stollenbau auf der Marmolata. . . . . . . . . . . . . 607 Abbildung 14: Kaiser Karl an der Piave Front (Winter 1917/18) . . . . . . . . . . . . . 607 Abbildung 15: K. u. k. Divisionsbäckerei. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608 Abbildung 16: Der Unterstand. Radierung von Walter Schimmelpfeng . . . . . . . . 608 Abbildung 17: Besatzung einer Feldkanonen-Batterie nach der Junioffensive 1918 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 Abbildung 18: Abteilung in der Kopfstellung auf der Zugna Torta . . . . . . . . . . . . 609 Abbildung 19: Erinnerungsbild von K. u. k. Unteroffizieren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 610 Abbildung 20: Maskiertes italienisches Geschütz am Piave. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 610 Abbildung 21: Nachschublastwagen der deutschen Verbündeten . . . . . . . . . . . . . . 611 Abbildung 22: Italienische Kriegsgefangene nach dem Durchbruch bei Karfreit 611 Abbildung 23: Pontonbrücke während der Junioffensive 1918 im Raum Zenson (Piave) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 612 Abbildung 24: Die Lebenden und die Toten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 612 Abbildung 25: Bedienungsmannschaft eines Fesselballons in Dosa di Sopra . . . 613 Abbildung 26: Krieg im Hinterland – Das Resultat italienischer Fliegerbomben 613 Abbildung 27: Die zerschlagene Armee kehrt heim – Innsbruck, November 1918 614

600

Anhang C: Abbildungen

Abbildung 1: Gebirgsmanver 1908 – Tiroler Landesschtzen berqueren den Gletscher Vedretta de la Mare unterhalb des Pallon de la Mare auf 3.685 m in der Ortlergruppe

Abbildung 2: Extrem ausgesetzte Kriegs-Leiter-Steige an der Judicarien Front (1915/17). Hier am Cop di Casa, nrdlich des Cop di Breguzzo

Anhang C: Abbildungen

Abbildung 3: sterreichisch-ungarische Infanterie auf der Stilfserjochstraße im Sommer 1916 (Sammlung Jordan)

601

602

Anhang C: Abbildungen

Abbildung 4: Hochwinterliche Tiroler Feldwache auf der Cima Presena im Januar 1916

Abbildung 5: Tiroler Unterkunftshtten in der Gipfelwand der Cima Presena (1916)

Anhang C: Abbildungen

603

Abbildung 6: Auf der italienischen Monte Piano Platte. Links Drrnstein, Blick ins Hhlensteintal, rechts die sterreichische Platte (Sammlung Jordan, 2006)

Abbildung 7: Blick auf Col di Lana (links) mit Monte Sief und Sief-Sattel. Im Hintergrund die vergletscherte Marmolata. (Sammlung Jordan, 2004)

604

Anhang C: Abbildungen

Originalunterschrift des Knstlers Julius von Kaan-Albest zu seiner Skizze „Bedienung eines Artilleriegeschtzes an der Sdwestfront“ „Grundstellung der Bedienungsmannschaft: Links 1. und 2. Geschoß wird tempiert; 3. Reicht das Geschoß [weiter]; 4. Geschtzfhrer notiert Kommandos; 5. Ladet; 6. Stellt Richtmittel; 7. Feuert auf Kommando [. . .] v. Kaan-Albest; gez. als Komp[anie] Komdt.“

Abbildung 8: Bedienung eines Artilleriegeschtzes an der Sdwestfront. Skizze von Julius von Kaan-Albes

Anhang C: Abbildungen

605

Abbildung 9: Nach der Sprengung des Monte Cimone di Tonezza (23.09.1916). Den sterreichern gelang mit 14.200 Kg Sprengstoff die Gipfelsprengung und anschließende Besetzung des Kraters von 50 m Durchmesser und 22 m Tiefe

Abbildung 10: Gnzlich zerstrter und zerschossener Wald auf Sette Comuni im Abschnitt Monte Kempel. Die verbliebene Wste erinnert an die bekannten Bilder der Westfront

606

Anhang C: Abbildungen

Abbildung 11: K. u. k. (Haupt-)Lazarett weit hinter der Kampflinie. Fast idealtypisch die Baracken, Sanittsauto, Fahnenmast und Weganlagen

Abbildung 12: Deutsche Geschtzbedienung in Tirol, erkennbar an der schirmlosen deutschen Feldmtze des rechten Kanoniers, geschmckt mit dem Edelweiß (Sammlung Jordan)

Anhang C: Abbildungen

607

Abbildung 13: Originalskizze vom Stollen- und Stellungsbau auf der Marmolata. Darstellung der zentralen sterreichisch-ungarischen Stellung S (Quelle: MILAR/MHFZ)

Abbildung 14: Kaiser Karl an der Piave Front (Winter 1917/18)

608

Anhang C: Abbildungen

Abbildung 15: K. u. k. Divisionsbckerei an der Isonzofront

Abbildung 16: Radierung von Walter Schimmelpfeng: Telephonist in einem gut ausgebauten Unterstand in der Frontlinie (Sammlung Jordan)

Anhang C: Abbildungen

609

Abbildung 17: Soldaten einer Feldkanonen-Batterie nach der Juni-Offensive 1918 auf 1.611 Meter Hhe in Italien. Hinter den Granaten in der Mitte Leo Wicherek, der Urgroßvater des Autors (Sammlung Jordan)

Abbildung 18: Abteilung in der Kopfstellung auf der Zugna Torta whrend eines Gasmasken Appells (Vallarsa 1917)

610

Anhang C: Abbildungen

Abbildung 19: K. u. k. Unteroffiziere eines Feldkanonen-Regimentes ‚schießen ein Erinnerungsbild an der Sdwestfront. Man beachte die gnzlich unmilitrische Doppelflinte fr die Jagd. Mit der Karte in der Mitte Rechnungsunteroffizier Leo Wicherek (Sammlung Jordan)

Abbildung 20: Ein maskiertes Geschtz am Piave mit italienischer Wache (nach der deutsch-sterreichischen Offensive 1917)

Anhang C: Abbildungen

611

Abbildung 21: Lastwagen der deutschen Verbndeten bringen Nachschub nach vorn (Isonzofront Oktober 1917)

Abbildung 22: Italienische Kriegsgefangene nach dem Durchbruch bei Karfreit im Oktober 1917

612

Anhang C: Abbildungen

Abbildung 23: Die einzige nicht zerschossene Pontonbrcke der K. u. k Truppen whrend der Junioffensive 1918 im Raum Zenson (Piave)

Abbildung 24: Die Lebenden und die Toten – ein sterreichisch-ungarisches Feldlazarett der Divisions Sanitts Kolonne 44 in Candole nahe der Kampflinie (Piavefront Mitte 1918)

Anhang C: Abbildungen

613

Abbildung 25: sterreichische Bedienungsmannschaft eines Fesselballons in Dosa di Sopra bei S. Don di Piave (Piavefront 1918)

Abbildung 26: Krieg im Hinterland – Das Resultat italienischer Fliegerbomben am Innsbrucker Hauptbahnhof

614

Anhang C: Abbildungen

Abbildung 27: Die zerschlagene Armee kehrt heim – Innsbruck, Leopoldstraße am 4. November 1918

Bildnachweis Sofern nicht extra ausgewiesen entstammen alle der hier gezeigten Bilder dem Militrarchiv Lichem/Militrhistorisches Forschungszentrum (MILAR/MHFZ). Die Originale der Abbildungen 3, 6, 7, 12, 16, 17 und 19 befinden sich im Besitz des Verfassers (Sammlung Jordan).

Anhang D: Kurze chronologische Übersicht zum Grenzschutz Süd Oktober 1918 Datum

Bayern und Deutsches Reich

Österreich-Ungarn und Nachfolger

01.10.

Beginn der Räumung Albaniens durch österreichisch-ungarische Truppen.

03.10.

Beginn der Räumung Serbiens durch deutsche und österreichungarische Truppen.

04.10.

Auf Druck der OHL richtet Max von Baden ein Waffenstillstandsersuchen auf Basis der 14 Punkte an den amerikanischen Präsidenten.

Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich unterbreiten den USA Waffenstillstandsangebote.

09.10.

Aufflammen der Kämpfe an der Westfront zwischen Cambrai und St. Quentin.

Heftige Artilleriekämpfe auf der Hochfläche von Asiago (11. K. u. k. Armee) bis 11.10.1918

14.10.

In einer amerikanischen Note wird u. a. die Einstellung des U-BootKriegs als Voraussetzung für einen Waffenstillstand genannt.

16.10.

„Völkermanifest“ Kaiser Karls I. Er verspricht die Föderalisierung des Staates und die Gleichberechtigung der Nationalitäten in Österreich-Ungarn.

20.10.

Meutereien von österreichisch-ungarischen Feldeinheiten. Wilson nennt die Anerkennung der Selbständigkeitswünsche der Völker als Voraussetzung für Verhandlungen mit Österreich-Ungarn. (Fortsetzung Seite 616)

616

Anhang D: Kurze chronologische Übersicht zum Grenzschutz Süd

(Fortsetzung) Datum

Bayern und Deutsches Reich

Österreich-Ungarn und Nachfolger

21.10.

Die (Spanische) Grippe grassiert auch in München. Erkrankungen beim Personal der Straßenbahn und der Isartalbahn mehren sich ständig. Die Zahl der Todesfälle beträgt bis zu diesem Tag etwa 100.

Am späten Nachmittag trat im Sitzungssaal des niederösterreichischen Landtags die deutsche Nationalversammlung zusammen. Der neue deutsch-österreichische Staat beansprucht Gebietsgewalt über das ganze deutsche Siedlungsgebiet.

23.– 28.10.

Kämpfe auf der Hochfläche von Asiago (11. K. u. k. Armee)

23.10.

Erste Planungen, den bisher nach polizeilichen Rücksichten aufgestellten Grenzschutz in Bayern taktisch auszubauen.

24.10.

Auf die Forderung Wilsons nach einer militärischen Kapitulation reagiert Paul von Hindenburg mit einem Armeebefehl, der die Truppe zum „Widerstand mit äußersten Kräften“ auffordert.

Rücktritt Buriáns. Graf Gyula Andrassy d. J. wird letzter K. u. k. Minister des Äußern. Einsetzen von Desertionen und Plünderungen in größerem Stile. Beginn der alliierten Offensive an der Piave.

24.– 28.10.

Abwehrschlacht im Grappagebiet (Armeegruppe Belluno); Dritte Schlacht am Piave (Isonzoarmee)

25.10.

In Budapest wird ein ungarischer Nationalrat gebildet.

26.10.

Kaiser Wilhelm genehmigt das Kaiser Karl löst das Bündnis mit Abschiedsgesuch des Ersten Gene- dem Deutschen Reich. ral-Quartiermeisters, GdI Ludendorff. Nachfolger wird Wilhelm Groener.

27.10.

In Österreich bildet Heinrich Lammasch als Ministerpräsident die letzte kaiserliche Regierung.

28.10.

In Prag wird der tschechoslowakische Staat ausgerufen. Kaiser Karl stellt ein Waffenstillstandsgesuch an Italien.

Anhang D: Kurze chronologische Übersicht zum Grenzschutz Süd Datum

Bayern und Deutsches Reich

29.10.– 02.11. 30.10.

617

Österreich-Ungarn und Nachfolger Abbruch der letzten Schlacht an der Südwestfront und allgemeiner Rückzug an allen Frontteilen.

GdA Krafft von Dellmensingen – kommandierender General des II. bayerischen Armeekorps und beauftragt mit dem Grenzschutz im Süden – trifft von der Westfront kommend in Müchen ein

31.10.

Räumung der besetzten Gebiet durch die auf italienischem Boden kämpfenden Truppen. Am Abend überschritt GdI von Weber mit einer Abordnung im Einverständnis mit dem italienischen Oberkommando die Gefechtslinie zur Einleitung von Verhandlungen. Übergabe eines Großteils der k. u.k. Kriegsmarine an den südslawischen Staat. Unabhängigkeitserklärung Ungarns.

November 1918 Datum

Bayern und Deutsches Reich

Österreich-Ungarn und Nachfolger

01.11.

In München kursieren aufregende Gerüchte über ein Vordringen sengender und plündernder Banden in Tirol und Böhmen.

Versenkung des nun jugoslawischen – ehemals K. u. k. Flottenflaggschiffes – Viribus Unitis durch italienische Kampfschwimmer. Bildung einer selbstständigen ungarischen Regierung unter Graf Mihaly Karolyi.

02.11.

Die mit dem Grenzschutz betraute 4. bay. Infanteriedivision beginnt in ihrem Versammlungsraum bei Rosenheim einzutreffen.

Rücktritt des letzten öst.-ung. Ministers des Äußern Graf Andrassy. Der Tiroler Landeshauptmann bittet die bayerische Regierung um militärische Hilfe bei der Bewältigung der chaotischen Verhältnisse im Zuge der zurückgehenden k. u.k. Truppen

(Fortsetzung Seite 618)

618

Anhang D: Kurze chronologische Übersicht zum Grenzschutz Süd

(Fortsetzung) Datum

Bayern und Deutsches Reich

Österreich-Ungarn und Nachfolger

03.11.

Etwa 3.000 bewaffnete Matrosen und Arbeiter demonstrieren in Kiel

Waffenstillstand zwischen Österreich-Ungarn und der Entente. Nach österreichisch-ungarischer Auffassung am 03.11. um 3 Uhr früh, nach italienischer Auffassung am 04.11. um 3 Uhr nachmittags.

04.11.

In Kiel übernehmen Arbeiter- und Soldatenräte die Macht. Der Aufstand breitet sich auf andere Städte aus. Der DOHL wird vom Auswärtigen Amt die Genehmigung zur Besetzung der Alpenpässe gegeben.

Artikel 4 der Waffenstillstandsbed. sichert der Entente das Recht der freien Bewegung ihrer Truppen auf jeder Straße, Eisenbahn oder Wasserweg des österreichisch-ungarischen Gebietes zu und den Gebrauch der nötigen öster.-ung. Transportmittel. Damit wird ein Ducrhzug (de jure) nach Bayern möglich.

05.11.

Wilson informiert die Reichsregierung, daß die deutsche Waffenstillstandskommission von General Foch empfangen werde.

Sieben österreichische Flugzeuge überfliegen auf ihrer Flucht aus Innsbruck vormittags München und lösen eine seltsame Mischung aus Chaos und Neugierde aus. Am frühen Morgen trifft das ‚Go‘ aus Spa in München ein. Befehl an die österreichischen Bahnbehörden, die deutschen Transporte nicht weiter zu leiten

06.11.

4. Infanteriedivision, Gruppe Finsterer und 5. bay. Infanterieregiment werden nach Innsbruck in Marsch gesetzt. Warnung des Reichskanzlers Prinz Max von Baden vor Unruhen.

Aufruf Kraffts an die Bewohner Tirols. Protest des Tiroler Nationalrats gegen den Einmarsch. Das bay. Reserve Inf.-Rgt. 4 fährt nach Bad Gastein ab. Das bay. 9. Inf.-Rgt. trifft am Brenner ein und besetzt die Gossensass-Stellung und Brennerbad.

07.11.

Revolution in München: Massenkundgebung der Münchner Sozialdemokratischen Partei auf der Theresienwiese. Kurt Eisner (USPD) ruft die Volksrepublik Bayern aus; Flucht des bayeri-

Das 2. bay. Feldartillerieregiment trifft am Brenner ein. Es besetzt Stellungen südlich des Brennerpasses (Wechselhof, Schelleberg) und mit Teilen des bay. 9. Inf.Rgt. die Franzensfeste. Das

Anhang D: Kurze chronologische Übersicht zum Grenzschutz Süd Datum

619

Bayern und Deutsches Reich

Österreich-Ungarn und Nachfolger

schen Königs Ludwig III. (1845–1921) nach wiederholten antidynastischen Demonstrationen. Das 5. Bay. Inf.-Rgt. trifft in Garmisch und Mittenwald ein.

III: Bataillon des 9. Inf.-Rgt. begibt sich zum Jaufenpass.

08.11.

Unter Matthias Erzberger (Zentrum) beginnen in Compiègne bei Paris Waffenstillstandsverhandlungen mit Marschall Foch. Der Münchner Arbeiter- und Soldatenrat wählt eine neue Regierung mit Kurt Eisner als Präsident und Minister des Äußern.

09.11.

Gegen Mittag verkündet Max von Baden eigenmächtig die Abdankung Wilhelms II. und überträgt sein Amt des Reichskanzlers auf Friedrich Ebert (SPD). Ausrufung der demokratischen Republik durch Philipp Scheidemann (SPD) um 14 Uhr und der freien sozialistischen Räterepublik durch Karl Liebknecht wenig später. Generalstreik in Berlin. Aufgrund der Weigerung der Münchner Banken, österreichisches Geld in deutsches umzuwechseln entsteht am Hauptbahnhof ein reger Handel zwischen Spekulanten und durchreisenden österreichischen Soldaten. Kurs: 100 Kronen zu 10 Mark.

10.11.

Kronprinz Rupprecht legt fernmündlich durch Funkspruch aus Brüssel „Verwahrung ein gegen die politische Umwälzung, die ohne Mitwirkung der gesetzgebenden Gewalten und der Gesamtheit des bayerischen Volkesins Werk gesetzt wurde.“

Italienische Truppen erreichen Brixen. Der Kommandeur des II. Batls. des 9. Inf.-Rgts. nimmt von Franzensfeste aus Kontakt mit einem italienischen Obersten auf. Rückzug der deutschen Truppen auf den Brenner und die Gossensass-Stellung. Unmittelbar nach deren Abzug rücken italienische Soldaten in Franzensfeste ein und führen Verhandlungen mit den Deutschen fort.

(Fortsetzung Seite 620)

620

Anhang D: Kurze chronologische Übersicht zum Grenzschutz Süd

(Fortsetzung) Datum

Bayern und Deutsches Reich

Österreich-Ungarn und Nachfolger

11.11.

Das Deutsche Reich schließt einen Waffenstillstand ab. Die besetzten Gebiete in Frankreich, Belgien, Luxemburg müssen wie ElsassLothringen in 15 Tagen geräumt sein. Die Verträge von Brest-Litowsk und Bukarest werden annulliert. U-Boote sowie andere Waffen und Munition sind auszuliefern. Die Münchner Neuesten Nachrichten verurteilen die grassierende unwürdige Behandlung verdienter Frontoffiziere durch den Pöbel. Aufforderung des bayerischen Ministeriums für militärische Angelegenheiten an alle Offiziere, den Dienst am 12.11. in Uniform fortzuführen im Interesse einer geregelten Demobilmachung, allerdings unter Ablegung der königlichen (Mützen-)Kokarden.

Thronverzicht Kaiser Karls I. und Rücktritt der Regierung Lammasch in Österreich. Das bay. 9. Inf.-Rgt. marschiert von Matrei über Innsbruck nach Hall in Tirol, von wo es in den nächsten Tagen über Schwaz und Lenggries bis Bad Tölz rückverlegt.

12.11.

13.11.

Verkündung der Republik Deutsch-Österreich und ihres Anschlusses an Deutschland. Dieser Anschluß wird von den Alliierten strikt abgelehnt. Italienische Vorausabteilungen rücken in Innsbruck ein Zunehmende Zuchtlosigkeit bei den bayerischen Garnisonstruppen. Eisner, der zuständige Minister Roßhaupter und der Vertreter des Arbeiter- und Soldatenrates Sauber rufen zu freiwilliger Subordination und Ordnung auf. Im ganzen Land kommt es zu Übergriffen und Eingriffen der Arbeiter- und Soldaten

Anhang D: Kurze chronologische Übersicht zum Grenzschutz Süd Datum

Bayern und Deutsches Reich

14.11.

Die 4. bay. Infanteriedivision befindet sich wieder im bayerischen Voralpenland (Murnau, Bad Tölz, Rosenheim) und organisiert einen Grenzschutz zwischen Lech und Inn.

621

Österreich-Ungarn und Nachfolger

Obige Chronologie speist sich überwiegend aus den einschlägigen Tages- und Wochenzeitungen Münchens, Bayerns und Österreichs sowie aus den eingesehenen Archivalien (vgl. hierzu auch das Verzeichnis der kunsultierten Zeitungen und Periodika). Die amtlichen Heeresberichte Deutschlands und Österreich-Ungarns waren grundlegend. Darüber hinaus wurden die Regimentsgeschichten und Truppenakten der angesprochenen Formationen als auch die Beilage 39 ÖULK Band 7: Zeittafel zum Kriegsjahr 1918 verwendet. Das Zitat Kronprinz Rupprechts am 10.11.1918 entstammt: Rupprecht, Mein Kriegstagebuch, Band 2, 1929, S. 370.

Anhang E: Hinweise zu Stärke und Organisation der Truppenverbände Zum besseren Verständnis der in dieser Arbeit genannten Truppenstärken, folgt an dieser Stelle eine graphische Übersicht und daran anschließend einige Exzerpte aus großteils zeitgenössischen Quellen. Die Gliederung und die Truppenstärken der verschiedenen Armeen des Ersten Weltkrieges waren niemals exakt gleich. Sie variierten je nach Nation und Tradition. Während des Ersten Weltkrieges sind weitere, organisatorische Veränderungen zu beobachten, aber die Ähnlichkeiten im Aufbau der Armeen überwiegen. Eine Division besteht aus: 2 Brigaden, 4 Regimentern und 16 Bataillonen, ca. 16.000 Mann Brigade Regiment

Bataillon

Bataillon

Bataillon

Brigade Regiment

Bataillon

(Diagramm nach eigenem Entwurf)

Die während des Ersten Weltkrieges in Wien herausgegebene Informationsschrift zur italienischen Armee fasst deren Organisation und Gliederung im Jahre 1915 folgendermaßen zusammen: „Im Felde gliedert sich das italienische Heer in mehrere Armeen. Deren Kommandanten (dermalen 5) sind schon im Frieden bestimmt und haben ihre Amtssitze in Neapel, Florenz, Mailand, Genua und Bologna.1 Oberster Kriegsherr ist der König. Den Armeekommandanten obliegt bereits im Frieden das Studium der im Kriegsfalle für ihre Armee in Betracht kommenden Operationsräume und der möglichen Aufgaben, zugleich steht ihnen das Inspizierungsrecht über die nach der KriegsOrdre de bataille in ihren Wirkungskreis gehörenden Armeekörper zu. 1 Armeekommandanten 1915: die Generalleutnants Herzog von Aosta, Zuccari, Brusati, Frugoni und Nava.

Anhang E: Hinweise zu Stärke und Organisation der Truppenverbände

623

Alle operativen Vorarbeiten für die verschiedenen Kriegsfälle leitet der Chef des Generalstabes, welcher in besonders wichtigen Angelegenheiten das Gutachten der Reichsverteidigungskommission und des Armeerates einholen kann, jedoch ohne an deren Anschauungen gebunden zu sein. Jede Armee (armata) besteht aus 3–4 Korps (im Frieden 12 Korpskommanden), einer Kavallerietruppendivision und einer Abteilung schwerer Feldartillerie, dann aus technischen Truppen und Parks, aus Verpflegs-, Munitions- und Sanitätsanstalten. [. . .] Ein Korps (corpo d’armata) besteht gewöhnlich aus 2 Infanterietruppendivisionen des stehenden Heeres (im Frieden 25) und eventuell aus einer Division der Mobilmiliz,2 ferner aus einem direkt unterstellten Bersaglieri- und einem Kavallerieregiment, einem Korpsartillerieregiment zu 8 Batterien, 2 schweren Haubitzbatterien und 1–2 Tragtierbatterien, aus technischen Truppen und Parks, sowie aus den erforderlichen Verpflegs-, Munitions- und Sanitätsanstalten. [. . .] Eine Infanterietruppendivision des Heeres (divisione) umfaßt 12 Infanteriebataillone, ein Divisionsartillerieregiment zu 8 Batterien, eine Sappeurkompagnie samt Park, eine Brückensektion und die erforderlichen Verpflegs-, Munitions- und Sanitätsanstalten. Kavallerie wird fallweise vom Korps zugewiesen. Die Mobilmilizdivisionen haben eine ähnliche Zusammensetzung, dürften jedoch überdies noch 1–2 Mobilmiliz-Bersaglieribataillone und 2–3 Mobilmilizeskadronen erhalten. Der Gefechtsstand einer Infanterietruppendivision beträgt demnach: 12–14 Bataillone = 11.600–13.500 Feuergewehre und 16 Maschinengewehre; eventuell 2–3 Eskadronen = 250–375 Reiter; 8 Kanonenbatterien = 32 Geschütze; l Sappeurkompagnie. [. . .] Eine Kavallerietruppendivision (divisione di cavalleria; im Frieden 3, im Kriege dürfte eine vierte aufgestellt werden) besteht aus 2 Kavalleriebrigaden zu je 2 Regimentern und l reitenden Batteriegruppe (3 Batterien zu 4 Geschützen), ferner aus den erforderlichen Verpflegs-, Munitions- und Sanitätsanstalten. Gefechtsstand: 20 Eskadronen = 2500 Reiter; 8 Maschinengewehre; 12 Geschütze; l Bersaglieri-Radfahrerbataillon.3 2 Die Mobilmiliz (milizia mobile) wird erst bei der Mobilisierung aufgestellt. Sie besteht aus allen Waffengattungen und wird von der nicht aktiven Mannschaft im 29. bis einschließl. 32. Lebensjahre gebildet. Die Aufstellung von Friedenskaders ist im Zuge. 3 Ausgerüstet mit l Maschinengewehrzug (auf 2 gepanzerten Motocycles).

624

Anhang E: Hinweise zu Stärke und Organisation der Truppenverbände

Von den Brigaden (brigata) führen nur die Kavalleriebrigaden (im Frieden 8) fortlaufende Nummern. Die Infanteriebrigaden (im Frieden 47 und l Grenadierbrigade) werden, statt mit Nummern, mit dem Namen einer Stadt oder Provinz bezeichnet, zum Beispiel: „Roma“, „Lombardia“, beziehungsweise mit den Namen „Re“ und „Regina“ (König, Königin); die Grenadierbrigade führt die Bezeichnung „Sardegna“. Zu jeder Infanterie- (Grenadier-)Brigade gehören 2 Regimenter mit benachbarten Nummern, welche den Brigadeverband nie wechseln. Garnisonswechsel der Infanterie finden daher stets brigadeweise statt. Die Gebirgstruppen (Alpini und Gebirgsbatterien) sind in Gebirgsbrigaden (im Frieden 3) formiert und werden im Kriege für besondere, selbständige Aufgaben in den Grenzgebieten verwendet. [. . .]

Infanterie(Grenadier-)

Bersaglieri-

Alpini-

Offiziere

Mann

Feuergewehre

Pferde

Fuhrwerke

Tragtiere

Bataillon (4 Komp.)

24

1010

970

10

5



Kompagnie

5

250

242

1





Bataillon (3 Komp.)

18

760

730

6

4



Radf.-Baon. (3 Komp.)

24

380

370



4



Bataillon (3 Komp.)

22

932

735

7

17

119

Kompagnie

6

296

245

1

5

36

1

25

2

1

2

16

Maschinengewehrzug

Die Kriegsstände der Mobilmilizformationen dürften jenen des stehenden Heeres gleichkommen; jene der Territorialmiliz sind unbestimmt.“4

Neben der Infanterie, der Kavallerie und den Technischen Truppen behandelt das Werk auch die Artillerie: „Die Artilleriewaffe gliedert sich in die Feldartillerie, die reitende Artillerie und die schwere Feldartillerie, dann in die Gebirgs- und in die Festungsartillerie. Die technische Artillerie besteht nur aus Offizieren, Beamten und Werkführern. 4 Aus: o. V.: Die italienische Armee. Mit zahlreichen Textskizzen, Adjustierungsbildern, Kulturbildern und charakteristischen Landschaftsbildern, Wien 1915, S. 10–23. Hervorhebungen wie im Original. Auch die zugehörigen Fußnoten wurden entsprechend dem Original zitiert. Anm. d. Verf.

Anhang E: Hinweise zu Stärke und Organisation der Truppenverbände

625

1. Feldartillerie (artiglieria da campo). I. Erste Linie. 36 Feldartillerieregimenter zu 3 Gruppen (eine zu 2, zwei zu 3 Batterien), jede Batterie zu 4 Geschützen und 12 Munitionswagen. Das Regiment 36 hat 5 Feldund 3 Gebirgsbatterien. [. . .] Zusammen 286 Feldbatterien mit 1142 Feldkanonen (ohne lybische Batterien). 12 Feldartillerieregimenter der ersten Linie sind korpsunmittelbar, 24 sind Divisionsartillerieregimenter. Material. Ungefähr 150 Batterien sind mit dem Geschütz 75A Modell 1911 (System Deport), der Rest mit dem Geschütz 75 A Modell 1906 und 1912 (System Krupp) ausgerüstet. II. Zweite Linie (Mobilmiliz). Vermutlich 16 bis 18 Divisionsartillerieregimenter und 3, eventuell 4 Korpsartillerieregimenter, alle zu je 8 Batterien zu 4 Geschützen. Zusammen 152 bis 168 (eventuell 176) Mobilmilizbatterien mit 600–700 Geschützen. Material. Alle Mobilmilizregimenter sind wie die Regimenter erster Linie ausgerüstet. Technische Ausrüstung: Bei jeder Batterie l Feldschmiedewagen, auf den Protzen und Fuhrwerken Erdbearbeitungswerkzeuge und Waldhacken. Verpflegsausrüstung: Beim Manne (Pferd) l Nachschub-, 2 Reserve- und l Haferportion; beim Train je l Nachschub- und l Haferportion. Sanitätsausrüstung: Beim Manne l Verbandpäckchen; bei jeder Batteriegruppe Verbandtaschen, Sanitätskoffer, Feldtragen und Krankendecken. Train: Bei jeder Batterie 3 vierspännige Fuhrwerke. [. . .]

626

Anhang E: Hinweise zu Stärke und Organisation der Truppenverbände 4. Gebirgsartillerie (artiglieria da montagna).

Im Frieden 3 Regimenter zu je 4 Gruppenkommanden zu 3 Batterien zu 4 Geschützen, außerdem sind beim 36. Feldartillerieregiment 3 Batterien mit Gebirgsgeschützen ausgerüstet, weitere 6 Batterien stehen in Libyen. Die im Frieden bestehenden Gebirgsbatterien sind mit dem modernen 65-mm-Geschütz ausgerüstet. Im Kriege dürften aus dem alten 70-mm-Material ungefähr 30 weitere Batterien zu 6 Geschützen aufgestellt werden. Den Korps direkt unterstellt. Bewaffnung: a) Säbel und Repetierpistole (Revolver) für Offiziere und Unteroffiziere; Offiziere tragen im Felde den Gefechtsdegen, b) Repetierkarabiner M. 91 samt Bajonett für die übrige Mannschaft mit Ausnahme der Schmiede, Sattler und Offiziersdiener, die nur mit Revolver bewaffnet sind. Kriegstaschenmunition: 36 Patronen pro Karabiner, 24 für Repetierpistolen, 18 für Revolver. Technische Ausrüstung: Bei jeder Batterie 46 Krampen, 34 Schaufeln, dann Beilpicken und Waldhacken, ferner ein optischer Signalapparat [. . .]. Verpflegsausrüstung: Beim Manne l Nachschub- und 2 Reserveportionen, auf den Tragtieren 3 Nachschub- und 2 Reserveportionen. Sanitätsausrüstung: Beim Manne l Verbandpäckchen, bei jeder Batterie Verbandtaschen, Sanitätskoffer, Feldtragen und Krankendecken. Train: a) Munitionskolonne: l Offizier, 100 Mann, 2 Reitpferde, 64 Tragtiere; b) Batteriepark: l Offizier, 48 Mann, 2 Reitpferde, 20 Trag-(Zug-)Tiere, 9 leichte Fuhrwerke. [. . .]“5

Das von Hermann Franke herausgegebene ‚Handbuch der neuzeitlichen Wehrwissenschaften‘ nennt in dem Artikel über die Infanterie im Weltkriege: „Die Gliederung der auf den Schlachtfeldern des Weltkrieges auftretenden Infanterien zeigte große Ähnlichkeit. Das in 4 Kompanien gegliederte Bataillon war 5

Die italienische Armee, 1915, S. 10–23.

Anhang E: Hinweise zu Stärke und Organisation der Truppenverbände

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mit einer Stärke von rund 1.000 Mann die taktische Einheit. Die Kompanien waren in 3 oder 4 Züge eingeteilt. 3 oder 4 Bataillone bildeten ein Regiment, bei den Engländern, die das Regiment als taktischen Verband nicht kennen, eine Brigade. 2–3 Brigaden waren in einer Infanterie-Division vereinigt. Schon die allgemein übliche Bezeichnung ‚Infanterie-Division‘ läßt erkennen, in welch überwiegendem Maße die Heere sich aus Infanterie zusammensetzten.“6 „Die Stärke der Kompanien wird [während des Weltkrieges] von 250 auf rund 180 Mann vermindert und trotz Zuteilung einer Maschinengewehr-Kompanie zu den 4 Infanterie-Kompanien wird die frühere Sollstärke des Bataillons von rund 1.000 Mann, ganz abgesehen von den zahlreichen Ausfällen, die der Krieg mit sich brachte, nicht erreicht (919 Mann).“7

In dem Beitrag zu der Organisation neuzeitlicher Heere ist zu lesen: „Meistens werden 3 Infanterieregimenter den Kern der Division bilden. Von der Gliederung zu 4 Regimentern, die noch Mitte des Weltkrieges in Deutschland vorherrschte, ist man ganz abgekommen, weniger aus führungstechnischen Gründen, als um aus den 4 Regimentern neue Divisionen zu bilden. Es ist umstritten, ob damit die Angriffskraft des Heeres im Ganzen eine Verstärkung erfahren hat; denn gleichzeitig mußten naturgemäß die Stärken aller Einheiten um so viel vermindert werden, als zur Aufstellung der übrigen zur Infanterie-Division die Kampfkraft in vorderster Linie höchstens erhalten, die Zahl der zu ihrer Unterstützung erforderlichen Soldaten rückwärts der Infanterie aber erhöht.“8

Speziell auf die österreichisch-ungarische Armee geht Balck in seiner ‚Entwickelung [sic] der Taktik im Weltkriege‘ ein: „Stand der Bataillone (ohne Maschinengewehr-Abteilungen, diese war stark: 1 Offizier, 14 Mann, 6 Pferde, 2 Gewehre): Offiziere

Fähnriche

Mann

Dienstreitpferde

Normaler Stand

18

4

372

2

Erhöhter Stand

18

4

480

2

Normaler Stand

18

4

243

2

Erhöhter Stand

25

4

442

2

Ungarische Landwehr (Honvéd)

18

4

204

2

Infanterie

k. u.k. Landwehr

6 Franke, Hermann (Hg.): Handbuch der neuzeitlichen Wehrwissenschaften (herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Wehrpolitik und Wehrwissenschaften, Bd. 4: Das Heer), Berlin/Leipzig 1937, S. 321. 7 Franke, Handbuch, 1937, S. 324. 8 Franke, Handbuch, 1937, S. 537.

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Anhang E: Hinweise zu Stärke und Organisation der Truppenverbände

Die Bataillone in Deutschland zählten 19 Offiziere, 641 Mann (normaler Stand) und 719 Mann ([erhöhter Stand,] inklusive Unteroffiziere).“9

In einer Serie der Londoner Zeitung ‚The Times‘, über den Weltkrieg und die darin engagierten Heere war 1915, über die Organisation der k. u.k. Truppen zu finden: „The strength of a company on war footing was much the same as in Germany or France, viz., four officers and 260 non-commissioned officers and men. The strength of a battalion was 1.064 of all ranks, and of a regiment 4.356. The effective fighting strength of the latter – i. e., rifles in the ranks – was roughly 4.100.“10 „Austria-Hungary, like other properly organized nations, had arranged her troops in higher units instantly available for service on mobilization for war. To begin with the infantry, two regiments made a brigade of eight battalions. Two of these a division, so that the latter body should have had normally sixteen battalions, or, roughly, 16.000 men; but in some cases rifle battalions were added, and all the regiments had not got four battalions: thus the numbers might be more and sometimes were less. [. . .] On the whole the sixteen army corps had thirtythree infantry divisions with four hundred and sixty-seven battalions, which worked out at an average of fourteen to the division instead of sixteen.“11

Mit nahendem Kriegsende veränderte sich die Situation in der österreichisch-ungarischen Streitmacht. Die personellen Ausfälle konnten nicht mehr gedeckt werden und die Truppenstärken verringerten sich rapide. Oskar Regele hat, bezugnehmend auf die Junischlacht in Venetien 1918, ein stark verändertes Bild der k. u.k. Armee entworfen: „Die Höchststände für ein feindliches Bataillon betrugen bis 900, bei den k. u.k. Truppen 400 Gewehre, eine österreichisch-ungarische Kompanie hatte meist nur noch 40 bis 50, eine italienische 120 bis 160 Kämpfer [. . .].“12

John Childs fasst die Organisation auf taktischer Ebene in dem Wörterbuch zur Militärgeschichte des französischen Herausgebers André Corvisier zusammen: „During the First World War, all nations employed the army as a formation to control a varying number of corps, anywhere between two and six, but as the number of armies grew so the general staffs found it convenient to bring the armies under another level of command, the army group. This, the highest formation, controlled between two and five armies. A similar pattern of formations has remained since the Second World War. However corps, army and army group are 9

Balck, Entwickelung, 1922, S. 49. ‚The Times‘ History of the War, Volume II, Chapter XXXVII: The Army of Austria-Hungary, London 1915, S. 229. 11 Ebd., S. 234 f. 12 Regele, Gericht, S. 94. 10

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temporary, ad hoc formations, often no more than battle headquarters, assigned to control varying numbers and types of subordinate formations. The highest formation with a fixed table of organization and strength is the division, although corps and army headquarters often have integral artillery. The British infantry division in 1914 contained 19.000 men (12.000 infantrymen, 4.000 gunners and 3.000 support troops), divided into three brigades, each of three battalions. It also possessed its own artillery of 30 guns and 24 machine-guns.“13

13 Childs, John: Tactical Organization, in: Corvisier, André (Hg.): A Dictionary of Military History and the Art of War, Oxford/Cambridge 1994, S. 789–793, hier: S. 792.

Quellenverzeichnis Unveröffentlichte Quellen Archiv Kroboth; St. Pölten (= KROB) Dr med. Oberstarzt Viktor Kroboth, Regimentsarzt im Landesschützen/Kaiserschützen Regiment Nr. III in Innichen. Nachlaß zur Verfügung gestellt von Viktor Kroboth jun., Pressereferent des ORF, St. Pölten, Niederösterreich. Faszikel: Kaiserschützen Mob-Pläne bis 1914 • Beilage zu den Mob-Weisungen für den Rechnungsunteroffizier (Nr.200ad.res.mob. vom 26.03.1913 (ergänzt und berichtigt am 15.04.1914, Nr.127mob.res.)) Faszikel: Mob-Fall „I“ Telephon- und Telegraphenkarten • Betreff Bergführer für Kriegsfall „I“, ausgegeben vom K. u. k. Korps- und K. k. LVK in Innsbruck am 30.06.1907 (Präs.Nr.1104) Bayerisches Hauptstaatsarchiv; München (= BayHStA) Abteilung II: Neuere Bestände 19./20. Jh. Die Diplomatischen Berichte des Kurfürstentums Pfalzbayern und des Königreichs Bayern 1799–1918. • MA III-2481/5: Berichte des Gesandten in Wien, Heinrich Freiherr Tucher von Simmelsdorf, 1917 • MA III-3083: Berichte des Gesandten in Berlin. Graf Hugo von Lerchenfeld über die Besprechungen im Auswärtigen Amt, Juli–Dezember 1917 • MA III-3085: Berichte des Gesandten in Berlin. Graf Hugo von Lerchenfeld: Informatorische Aufzeichnungen des Auswärtigen Amtes, Juli–Dezember 1918 Bayerisches Staatsministerium des Äussern (Aktenabgabe 1943:Jahre 1918–1933) • MA 103022: Anschluß Deutsch-Österreichs an das Deutsche Reich, Bd. I, 1919–27 • MA 103024: Die österreichischen Friedensangebote und die Umwälzungen in Österreich-Ungarn 1918 Bayerisches Staatsministerium des Innern • Minn 66326: Krieg 1914/18 (Regierung von Oberbayern)

Unveröffentlichte Quellen

631

Die Bayerische Gesandtschaft in Wien • GS Wien 1760: Politische Korrespondenz 1918 Abteilung IV: Kriegsarchiv (= BayKA) Alpenkorps: • Abteilung Ia: Bund 45: Einsatz in Tirol u. Italien • Abteilung Ia: Bund 47: Einsatz in Tirol u. Italien • Abteilung Ia: Bund 57: Ausbildung 1915–1918: Rekrutendepots, Nachersatz, Uebungen, Fliegeraufnahmen, Ausbildungspläne Gebirgskrieg, Vorbereitungen für den Winter • Abteilung Ia: Bund 58: Kriegserfahrungen: Wochenberichte und Erfahrungen im Gebirgskrieg 1915–1918 • Abteilung Ic: Bund 73: Österreichische Etappe, Allgemeines u. Besonderes 1915 • Abteilung Id: Bund 81: Feindnachrichten, Gefangenenaussagen, Zeitungsnachrichten, Verzeichnis der Generale der ital. Armee, Mitteilungen über Befestigungen, Kasernen, Depots, Radiostationen, Bahnen usw. an der ital. Grenze 28.05.15–18.07.1915 Generalkommando des II. bayerischen Armeekorps • Bund 93: Grenzschutz in Tirol und Bayern, darin: – Taktisches und Organisation des Grenzschutzes; Oktober–Dezember 1918 – Taktische Befehle, Korpsbefehle, Tagesmeldungen und Nachrichtenblätter; Oktober–November 1918 – Kriegsgliederungen, Organisation, Auflösung, Unterkunft, Demobilmachung, Besondere Anordnungen, Unterstellte Formationen und Transporte, Politisches, Nachschub, Munition, Innerer Dienst und Stabsbefehle, Verpflegung, Artilleristisches, Nachrichtenwesen, Fliegerwesen, Panzerkraftwagen, Kraftfahrtwesen; Oktober–November 1918 – Lage, Verkehrspolizei, Feldgendarmerie, Verwaltung, Unterkunft, Kriegsgefangene, Arbeitskräfte, Verschiedenes, Zivileinwohner, Demobilmachung, Verfügungen für rückwärtige Stellungen; Oktober–November 1918 Generalstab • Bund 958: Übungen des Generalstabs bei der Zentralstelle; Operations-Übungen des Generalstabs Februar/März 1869 (enthält Lage: Abwehr eines aus Tirol und Österreich einsetzenden Angriffs). • Bund 975: Übungen des Generalstabs bei der Zentralstelle; Generalstabsreise 1898 (enthält Lage: Krieg Frankreich, Italien und Österreich gegen Deutsches Reich und Rußland steht unmittelbar bevor; die bayer. Armee sichert die Südund Ostgrenze gegen Angriffe der Österreicher von Osten und der Italiener von Süden).

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Quellenverzeichnis

• Bund 1022: Übungen des Generalstabes bei der Zentralstelle/Generalstabsreise 1914, Akt I • Bund 1024: Generalstabsreise 1914 – Handakten der Leitung (darin: Karten und Pläne), Akt III • Bund 1026: Generalstabsreise 1914 – Kriegslage und erste Bearbeitungen – Blaue Partei – u. a. von Lossow, Freiherr von Weichs und List, jeweils mit eingehender Würdigung durch GM Krafft von Dellmensingen, Akt V • Bund 1034: Generalstabsreise 1914 – Karten (Großformat), Akt XIII Handschriften: • HS 1958: Leutnant Streil – Kriegsgeschichtliche Arbeit mit Bildern und Plänen über das Thema: Schilderung der Durchbruchsschlacht im Abschnitt Tolmein–Cividale Oktober 1917 • HS 1996: Bergauer Josef – Vom Isonzo zur Piave 22.09.1917–22.02.1918 • HS 2050: Trautmann (OTL) – Die Taten der Gruppe Stein – Eine Erinnerungsfahrt über die Schlachtfelder der deutsch-österreichischen Offensive gegen Italien 1917. • HS 2203: Ebers Hermann – Die Tätigkeit der deutschen Kraftfahrtruppen in Italien (September 1917 bis März 1918). Vortrag, gehalten vor den in München anwesenden Offizieren der Inspektion der Kraftfahrtruppen in der Kraftfahr Ersatz Abteilungen • HS 2288: Erinnerungen von Philipp von Hellingrath (GdK, bay. Kriegsminister) verfaßt 1924. Band II: Dezember 1916–November 1918 [Dem bay. Kriegsarchiv von dessen Sohn Dr. Karl-Max von Hellingrath am 27. März 1968 geschenkt] • HS 2907: Michel Leonhard – Meine Erlebnisse bei der 4. bayerischen InfanterieDivision im Felde in den Kriegsjahren 1917/1918, maschinenschriftlich (Fraktur), Frontispiz: Dem bayerischen Kriegsarchiv überreicht im März 1930 Kriegsministerium: • MKr 1009: Militärische Situation an den deutschen Grenzen. Grenzverletzungen, vom Jahre 1880 bis 1919 • MKr 1774/1: Mobilmachung 1914: Politische Lage und Maßnahmen, Nachrichten, 20.06.18–31.10.1918 • MKr 1774/2: Mobilmachung 1914: Politische Lage und Maßnahmen, Nachrichten, 01.11.18–Mai 1919 • MKr 1832/1: Mitteilungen des Bay. Bevollmächtigten im Großen Hauptquartier 1918 • MKr 1833: Grenzschutz gegen Oesterreich, Böhmen und Grenzschutz Ost 1918–1920 • MKr 2949: Freiwillige Skifahrerkorps; Aufstellung von Schneeschuhtruppen/Gebirgstruppen. Vom Jahre 1917 mit 1920

Unveröffentlichte Quellen

633

Nachlaß Krafft • NL Krafft 68: Generalstabsreise ins bayerische Oberland 1914, Disposition und Durchführung. • NL Krafft 76:Entwürfe und Berichte des Alpenkorps und des AOK 14 Isonzo 2.9.1917–10.1.1918 • NL Krafft 83: Entwürfe und Berichte des bay. II. Armeekorps, Bd. XI, Belgien, Grenzschutz in Bayern 28.10.–12.11.1918 • NL Krafft 153: Gekürzte Abschrift des Kriegstagebuchs vom 20.5.–12.10.1915 (darin: Brief von Prof. Burtscher 1931, Karten: Ampezzo/Dolomiten/Alpen, Seiten 603–770) • NL Krafft 154: Gekürzte Abschrift des Kriegstagebuchs vom 13.10.–23.10.1915, S. 769–796 • NL Krafft 160: Ausführliche Abschrift des Kriegstagebuchs vom 27.8.1917– 12.1.1918 (1. Fassung, vom Sohn Erhardt Krafft in den 1970ern durchgearbeitet und kommentiert, 827 Seiten) • NL Krafft 161: Gekürzte Abschrift des Kriegstagebuchs vom 28.8.1917–12.1. 1918 (440 Seiten) • NL Krafft 177: Erkundungen für den Durchbruch Tolmein 1917 • NL Krafft 179: Handakt zum Grenzschutz Süd gegen Tirol – Nachrichten 02.11.–12.11.1918 – Operations-Befehle 01.11.–10.11.1918 – Vermischtes (Waffenstillstand u. a.) 01.11.–12.11.1918 – Gliederung des Grenzschutzes auf 4 verschiedenen Demobilmachungskarten • NL Krafft 182: Aufstellung von Gebirgs-Divisionen. Ausgearbeitet gemeinsam mit dem Generalstab des Alpenkorps im August 1917 in Straßburg, 24 seitiges Manuskript. Zeitgemäße Ergänzungen zur Denkschrift über die Aufstellung von Gebirgsdivisionen in Krieg und Frieden vom August 1917 (verfasst im Mai 1935) • NL Krafft 185: Materialsammlung für die beiden Isonzo Bände • NL Krafft 235: Luftbilder aus Italien • NL Krafft 241: Karten zum Durchbruchsunternehmen bei Tolmein • NL Krafft 291: Kriegstagebuch vom 20.5.–12.10.1915, Abschrift (528 Seiten) • NL Krafft 292: Kriegstagebuch vom 12.10.–23.10.1915, Abschrift (50 Seiten) • NL Krafft 299: Kriegstagebuch vom 19.04.1918–12.11.1918, Abschrift abgeschlossen am 20.03.1929, (Seiten 415–1446)

634

Quellenverzeichnis

• NL Krafft 300: – Auszug aus der italienischen Vorschrift für den Schützengrabenkrieg – Denkschrift von FML Ludwig Goiginger Die Verteidigung der Dolomitenfront 1915/16. Ein Ruhmesblatt unserer alten Armee“ 19 Seiten maschinenschriftlich, Neustift bei Graz, Dezember 1924 • NL Krafft 305: Kriegsgliederungen der 14 Armee: dt.-öst. Trp. 15.10.1917–1.1. 1918 • NL Krafft 306: Angriffsvorbereitungen für den Angriff am 24.10.1917 Truppenakten 4. bayerische Infanteriedivision • Bund 1: Kriegstagebuch mit Beilagen vom 01.01.1918–04.12.1918 • Bund 64: – Grenzschutz: Taktisches und Organisation 30.10.–25.11.1918 – Grenzschutz: Kampfwert der Division 05.11.1918 – Grenzschutz: Korpsbefehle des II.b.AK 01.11.–14.11.1918 – Grenzschutz: Divisionsbefehle 08.11.–10.11.1918 – Grenzschutz: Besondere Anordnungen des II bay.AK und der 4 bay. ID vom 02.11.1918–29.11.1918 – Soldatenräte: Schriftwechselbuch 1918–1919 Allgemeines und Besonderes • Bund 78: Korpstagesbefehle und Gruppentagesbefehle, Gruppe Perthes; Herlingen; G.K. Wild und II. bay. AK vom 01.10.1918–06.11.1918 • Bund 103: Kriegstagebuch des Divisionsarztes vom 29.07.1918–20.12.1918 Truppenakten 2. Feldartillerie Regiment „Horn“ – Standort Würzburg • Bund 26: – Stab Regimentsbefehle 01.05.1915–31.12.18 – Kriegstagebücher mit Anlagen Januar 1918–Oktober 1918 – Stab Regimentsbefehle 30.01.1919–29.05.1919 • Bund 44: Stab der I. Abteilung, Neuformationen 1917: Besondere Anordnungen März–November 1918 • Bund 51: Stab der I. Abteilung, Befehle und Erlasse für den Rückmarsch November 1918: Allg. • Bund 132: Akten der 8. Batterie Truppenakten 4. Infanterie-Regiment „König Wilhelm von Württemberg“ – Standort Metz • Bund 8: Regimentsstab – Anlagen zum Kriegstagebuch Oktober–Dezember 1917 – KTB (Entwurf) 01.01.1918–28.02.1918 – KTB (Entwurf) 01.08.1918–30.11.1918

Unveröffentlichte Quellen

635

– Anlagen zum KTB August–November 1918 – Anlagen zum KTB 01.08.1918–30.11.1918 • Bund 12: Akten des 1. Bataillons Truppenakten 5. Infanterie-Regiment „Großherzog Ernst Ludwig von Hessen“ – Standort Bamberg • Bund 6: Regimentsstab – KTB (11 Hefte) 01.01.1918–30.11.1918 • Bund 32: – III. Bataillon (u. a. KTB 3. MG Komp. 25.09.1916–01.12.1918) Truppenakten 9. Infanterie-Regiment „Wrede“ – Standort Würzburg • Bund 34: Kriegstagebuch des II. Bataillons 21.10.1917–03.12.1918 • Bund 35: Kriegstagebuch des II. Bataillons mit Anlagen zum KTB 06.01.1918– 29.11.1918 Bundesarchiv – Militärarchiv; Freiburg (= BA-MA) Generalstab (Großer Generalstab, Generalstab des Feldheeres, Stellvertretender Generalstab, Oberste Heeresleitung) • PH 3 Nr. 72: Nachrichten von der italienischen Front, Unterlagen des Deutschen Nachrichtenoffiziers der DOHL, Hauptmann Kliewer, beim K. u. k. Heeres-Gruppenkommando Feldmarschall Frh. Conrad von Hötzendorf und beim K. u. k. 11. Armeekommando • PH 3 Nr. 125: Grosser Generalstab, Abteilung Fremde Heere (Major Janssen): Denkschriften über die Kriegsrüstungen Deutschlands, Oesterreich-Ungarns und der feindlichen Staaten, verfasst 1919 • PH 3 Nr. 328: Schriftwechsel des bevollmächtigten deutschen Generals im Österr.-Ungar. Hauptquartier, Freiherr von Freytag-Loringhoven mit dem Chef des Generalstabs des Feldheeres über militärische Ereignisse. Aus-und Eingänge (Entwürfe und Abschriften), August 1914–Januar 1915 Militärgeschichtliche Sammlungen: • MSG 2/1318: Wartbiegler Max (Straubing): Gedanken zur Kriegführung im Gebirge, März/April 1937 Nachlaß Wilhelm Groener • N 46/25: Tagebuch als Erster Generalquartiermeister; Heft I: 30. Okt. 1918–19. März 1919, Heft II: 20. März–20. Sept. 1919 • N 46/129: Aufzeichnungen und Materialien zum Ersten Weltkrieg Bd 4: Operationen 1918 [Zeitraum: 1918 (1925–1926)] • N 46/130: Waffenstillstand und Friedensvertrag (1918–1919).

636

Quellenverzeichnis Landesarchiv Baden-Württemberg – Hauptstaatsarchiv Stuttgart (= BWHStA)

Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten. Kriegssachen und Militärangelegenheiten 1806–1920 (mit Nachakten bis 1920) • E 40/72 Büschel 704: Ordnungsnummer 629: Österreich Ungarn 1914–1918 Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten betreffs Württembergische Gesandtschaft Berlin 1806--1920 • E 50/03 Büschel 215: Berichte des Gesandten in Berlin vom 27.02.1915– 28.07.1915 Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten betreffs Württembergische Gesandtschaft in München • E 50/05 Büschel 238: Berichte des außerordentlichen Gesandten in München, Karl Moser von Filseck an die württ. Außenminister Karl Frhr. v. Weizsäcker und Wilhelm Blos, 10.01.1914–12.08.1919 Persönliche Angelegenheiten des Württembergischen Kriegsministers/Sonderakten des Kriegsministers und seines Adjutanten 1861--1919 • M 1/2 Band 92: Berichte des Militärbevollmächtigten beim Großen Hauptquartier und des stellvertretenden Württembergischen Militärbevollmächtigten in Berlin, Oktober 1917 • M 1/2 Band 93: Berichte des Militärbevollmächtigten beim Großen Hauptquartier und des stellvertretenden Württembergischen Militärbevollmächtigten in Berlin, November 1917 • M 1/2 Band 110: Mitteilungen des Chefs des Generalstabes des Feldheeres Nr. 51–69 (übersandt vom Würt. Milit.Bevollmächtigten), 19.01.1915–07.01.1916 • M 1/2 Band 207: Chef des Generalstabes des Feldheeres, Abteilung Fremde Heere: Streitkräfte Italiens und Ententehilfe für Italien (übersandt vom Württembergischen Militär-Bevollmächtigten), November 1915–Juni 1918, Schuber mit den Nr. 202–208 Württembergisches Kriegsministerium; Württembergischer Militärbevollmächtigter (und Stellvertreter) in Berlin • M 10 Büschel 17 (Repertorium II): Berrer, Württ. GLT, Kommandierender General des Gen. Kdo zbV 51, hier: Nachrichten über seinen Heldentod bei Cividale 1917/1919 Unterlagen des Württembergischen Gebirgs Regiments mit Ersatzbataillon • M 130 Band 4: Bataillons Tagesbefehle 1915–1919 (verschiedene Hefte) • M 130 Band 5: Verfügungen des Kriegsministeriums, Brigade und Divisions Befehle, Gefechts Berichte 1916–1918

Unveröffentlichte Quellen

637

• BWSTA, M 130 Band 33: Kriegstagebuch des Württembergischen Gebirgs Regiments mit Ersatzbataillon vom 23.09.1915–1918. Darin befindet sich auch das Kriegstagebuch der Württembergischen Gebirgs Kompanie Nr. 1 (vorher Württ. Schneeschuhkompanie Nr. 1) vom 06.01.–15.06.1915.

Militärarchiv Lichem und Militärhistorisches Forschungszentrum; München (= MILAR/MHFZ) [Hinweis: Da in den vorliegenden Kartons und umfangreichen Handakten nur selten gesonderte Faszikel ausgewiesen sind, wird im Folgenden eine Auflistung der verwendeten Dokumente angeführt, um eine lückenlose, wissenschaftliche Rekonstruktion zu gewährleisten.] Handakt Flitsch-Tolmein-Karfreit • MILAR/MHFZ HA Flitsch: K. u. k. 1. Korpskommando, Evidenzbericht zu Na.Nr.2350/2 Beilage 1 vom 30.09.1917: Taktische Grundsätze vom 3. ital. AOK am 03.08.1917 • MILAR/MHFZ HA Flitsch: K. u. k. 1. Korpskommando, Evidenzbericht zu Na.Nr.2350/2 Beilage 2 vom 30.09.1917: Auszug aus einem Vortrage des Kdt. des XIII. Korps am 01.08.1917. Gezeichnet von Interimskommandant GLT Emilio Sailer • MILAR/MHFZ HA Flitsch: AOK 14, Ia/Art.No.353.17 (zum Sammelheft Angriffsvorbereitungen) vom 05.10.1917 • MILAR/MHFZ HA Flitsch: K. u. k. 1. Korpskommando, Op.Nr.219/21 vom 07.10.1917 • MILAR/MHFZ HA Flitsch: K. u. k. 1. Korpskommando, Op.Nr.221/8 vom 08.10.1917. • MILAR/MHFZ HA Flitsch: K. u. k. 1. Op.Nr.224/20 vom 12.10.1917 (mit Beilage)

Korpskommando,

Artilleriebefehl

• MILAR/MHFZ HA Flitsch: K. u. k. 1. Korpskommando, Op.Nr.228/37 vom 17.10.1917 • MILAR/MHFZ HA Flitsch: 22. KschDiv., Angriffsbefehl Op.Nr.422/9 vom 22.10.1917 • MILAR/MHFZ HA Flitsch: K. k. 32. Schützendivisionskdo., Op.Nr.422/9 vom 22.10.1917 • MILAR/MHFZ HA Flitsch: ‚Mutmaßliche Kriegsgliederung der ital. Armee auf Grund der bis 22. Oktober eingelangten Nachrichten.‘ Herausgegeben vom K. u. k. Kommando der Südwestfront • MILAR/MHFZ HA Flitsch: Gefechtsbericht des 26 Schützenregiments im Verbund der 22. K. k. Schützendivision vom 24.10.1917 • MILAR/MHFZ HA Flitsch: 22. KSchDiv., Abschrift Op.Nr.429/19 am 29.10.1917

638

Quellenverzeichnis

• MILAR/MHFZ HA Flitsch: Gruppe Krauss, Abschrift Op.Nr.243/13 am 31.10.1917 • MILAR/MHFZ HA Flitsch: Telegramm 22. KSchDiv. Op.433/8 am 02.11.1917 um 9.00 Uhr • MILAR/MHFZ HA Flitsch: Adolf Sloninka von Holodóv – Die 22. Schützendivision in der Durchbruchsschlacht bei Flitsch im Oktober 1917. Mit besonderer Berücksichtigung der Gefechtstätigkeit der Kaiserschützenregimenter Nr. I und II. Unveröffentlichtes Manuskript, 45 Seiten, 5 Kartenskizzen • MILAR/MHFZ HA Flitsch: Spigl August: Herbstfeldzug 1917 gegen Italien. Mit dem Korps des GdI Alfred Krauss von Flitsch an die Piave. Unveröffentlichtes Manuskript. • MILAR/MHFZ HA Flitsch: ‚Der Soldat‘ vom 22. Oktober 1961 Karton MIL-IBK 1 • Manuskript des Kaiserschützenhauptmannes Karl Karlik: Sturmbataillone der österreichisch-ungarischen Armee Karton MIL-IBK 2 • Kriegserinnerungen 1914–1918 des K. u. k. Oberleutnants der Reserve Dr. Erwin Taigner (1892–1977), 33 Seiten maschinenschriftlich mit 1 Beilage • Faszikel: Ortler-Scorluzzo, Ansuchen von Gendarmerie-Rittmeister Andreas Steiner um Verleihung des Militär Maria Theresienordens • Frontfolio Marmolata: Leo Handl – Aus meiner Erinnerung 1916/17 als Marmolata-Gletscherreferent, zweiseitiges, maschinenschriftliches Gedächtnisprotokoll datiert Juli 1952, mit einer handgemalten und kolorierten Skizze • Frontfolio Marmolata: Befehl an das Gruppenkommando Hauptmann Schmid; Feldpost 95/111 am 30. August 1916 • Handakt Isonzoschlachten 1. bis 11.: Bericht Das Landesschützen-Regiment Nr. I in der 2. Isonzo-Schlacht von Oberstleutnant Ferdinand von Lützow, damals Kommandant des 3./I. Landesschützen-Bataillons, 19 Seiten Karton MIL-IBK 3 • Feldakte: ‚Ein Tag auf dem Col di Lana von Oberleutnant Hans Nagl’ (Unterlagen zum 29.11.1915) • Feldakte: ‚Kämpfe des V. und später des II. Bataillons am und um den Col di Lana von Major Konstantin Valentin!‘ Karton MIL-IBK 4 • Erinnerungen des Robert Adolf Mlekusch (¼8.08.1897–06.11.1976) an seine Zeit als Landesschütze/Kaiserschütze im Ersten Weltkrieg

Unveröffentlichte Quellen

639

Karton MIL-IBK 8 • Denkschrift über die Reichsbefestigung der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie, Autor nicht ermittelbar, verfasst vermutlich 1944, 438 Seiten maschinenschriftlich mit zahlreichen Anlagen Karton MIL-IBK 9 • Faszikel: Übernahme der Landesverteidigung durch GO Viktor von Dankl, hier: Abschrift des Ordensgesuchs des Generals der Infanterie Ludwig von Können-Horák um Verleihung des Militär Maria Theresienordens • Faszikel: Grenzsicherung Sommer 1915, hier: K. u. k. Militärkommando Innsbruck, Sommergruppierung – Sommer 1915 (Präs.Nr.7000) vom 10.04.1915 • Faszikel: Gendarmerie (verschiedene Unterlagen zur Entwicklung der Grenzsicherungsdienste gegen Italien bis 1915) Karton MIL-IBK 10 • Tagebücher und Kriegspost Josef Anton Mayrs Karton MIL-IBK 11 • Nachlaß Josef Anton Mayrs zum Standschützen Sepp Innerkofler Karton MIL-IBK 14 • Strohmaier Josef: ‚Das K. k. Kaiserschützen-Regiment Nr. III im Kampfe gegen Russland und Italien‘, 166 unveröffentlichte, maschinenschriftliche Seiten Karton 9.R • Faszikel FA RE9.R.: Italienische Gefechtsvorschriften von 1913. Auszug der bemerkenswerten Direktiven, herausgegeben vom K. u. k. Militärkommando Innsbruck, Präs.K.No.755/mob. MILAR/MHFZ Schriftensammlung • Adjustierungsvorschriften für die K. k. Landwehr. 1. Teil: Allgemeine Bestimmungen und Sortenbeschreibungen (Verordnungsblatt für die K. k. Landwehr Nr. 52), Wien 1911. • Faltblatt: Was jeder Mann unseres Bataillons von den Kaiserschützen wissen muß! Ausgegeben vom Tiroler Feldjägerbataillon zu Rad No. 6 (während des Krieges) • K. u. k. Armeeoberkommando, Die 12. Isonzoschlacht. Die Offensive gegen Italien. Ein Heft, Eine Karte, Eine Skizze (= Op.Geh.Nr. 700). Herausgegeben vom K. u. k. Armeeoberkommando und dem K. u. k. Chef des Generalstabes, Druckerei des K. u. k. AOK 1918 • Manuskript des Kaiserjäger Oberleutnants Max Pfanner: Erlebnisse an der italienischen Front, Oktober 1915–November 1915.

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Quellenverzeichnis

MILAR/MHFZ Kartenabteilung [Nachfolgend nur einige ausgewählte Karten, die für diese Arbeit ausgewertet wurden, und im Text genannt sind.] • Kartenreihe: Zur Militärgeographie des südwestlichen Kriegsschauplatzes, (verschiedene Karten aus den Beständen des „K. k. Landesschützenregiment Nr. III, 4. Feldbataillon“) • Beilage 9 des „Wegweiser ‚Südtirol und dessen italienisches Gebirgsland‘, Abschnitt B ‚Das Trienter Gebiet‘. Bahnen, Telegraph, politische Einteilung, Ortsdaten, Grenzdienst.“ • Karte Tonale, gefertigt von der K. u. k. Kriegsvermessung Nr. 8, Feldpost 623, V. Auflage, Stand vom 25.VII.1918 • Carta d’Italia e regioni limitrofe – Serie A/F. 48 – Peschiera (Reihe: Guerra ItaloAustriaca 1915–16–17), Maßstab 1:100.000, gedruckt: Mai 1917 • Karte der Marmolata Front: Situation der Regimentsgruppe Oberst Gellinek Ende Juli 1917 • Karte der Marmolata-Stellungen gezeichnet von Leo Handl, handsigniert, datiert: Juli 1916, Maßstab 1: 12.500 Varia • Künstners Kriegs-Taschen-Kalender. Zum Gebrauche für alle Militärpersonen für das Jahr 1915/1916, o. O. 1915 Nachlaß Admiral Wilhelm Canaris; München (= CAN) [Sonderabteilung des MILAR/MHFZ] Karton C-1 • Faszikel Junischlacht am Piave 1918 Karton C-5 • Heinrich von Mast – „Immer wie bei Regensburg“ Regimentsgeschichte des Dragonerregimentes Nr. 4, unveröffentlichts Manuskript Karton C-6 • Faszikel: Handschriftlicher Lehrbehelf „Militär-Geografie“ von Leutnant Catty, unveröffentlichtes Manuskript, Kapitel Südtirol: sieben eng beschriebene Seiten • Biographisches Material zu Ludwig von Können-Horák, Edler von Höhenkampf Karton C-9 • Faszikel Waldstätten: Verlautbarung des Kriegsministeriums (Präs.Nr.4880) ‚Verkehr zwischen österr. ung. und deutschen Offizieren‘ vom 22.03.1917

Unveröffentlichte Quellen

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Karton C-11 • Ausführungsbefehl Nr. 4/691 des Gruppenkommandeurs FML Oskar Guseck Edler von Glankirchen für den Abschnitt Brandtal am Vormittag des 26.11.1916 • Rundschreiben Ad K.Nr.513 res. 1915 (Ldsch. Offz. i. b. Vwdg.) Aus erbeuteten Schriftstücken kriegsgefangener italienischer, Soldaten ergeben sich folgende Stimmungsäusserungen. Abschrift des mehrseitigen Circulars von Hauptmann David. Karton C-12 • Sammlung taktischer Grundsätze ausgegeben vom 3. Armeekommando/1. Op.Abt. (Op.Nr.6626) am 03. August 1917 • Unveröffentlichtes Manuskript Heinrich von Masts: Die Verteidigungsmaßnahmen in Italienisch Südtirol von August 1914 bis zur Kriegserklärung Italiens am 23. Mai 1915 und der Anteil an denselben durch die Italienisch Südtiroler Standschützen. Maschinenschriftlich, 14 Seiten • Faszikel Stationsmeldungen: Mitteilung des K. u. k. Landesverteidigungskommandos Tirol (Op.Nr.1919) – Erfahrungen aus den Kämpfen in Frankreich. Kartenabteilung [Es wurden verschiedenste original Frontlandkarten der Frontabschnitte vom Stilfserjoch bis Triest gesichtet, ausgewertet und die Ergebnisse auf diversen Exkursionen verifiziert.]

Österreichisches Staatsarchiv; Wien (= ÖStA) Abteilung: Haus-, Hof- und Staatsarchiv (= ÖStA-HHSA) Gesandtschaft Berlin, Botschaftsarchiv 1871–1918(19) • Karton 204: Botschaft Berlin. Separat Akten. IX/2–6 1910–18 Politisches Archiv des Ministeriums des Äußern 1848–1918 • I–174: Preußen (Berlin) Berichte Januar bis November 1918 • I–848: Liasse Krieg 5e–h, Italien 1914–1915 • I–966: Liasse Krieg 25/33: Friedensverhandlungen Österreich-Ungarns Oktober– Dezember 1918 (Waffenstillstand mit Italien 04.11.1918) Abteilung: Kriegsarchiv (= ÖStA-KA) Alte Feldakten (5/8): Evidenzbüro des Generalstabes 1914–1918 (Nachrichtenabteilung des AOK), Bevollmächtigte Gst. Offiziere und Verbindungsoffiziere 1914–1918 • Karton 4084: Generalstabsoffizier des AOK beim K. u. k. 10. Armeekommando (Akten 1918)

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Quellenverzeichnis

Neue Feldakten (6/2): AOK Op.Abteilung • Karton 476: Op. geh. Akten 1918 – Op.Nr. 1981–2220 • Karton 609: Waffenstillstandskommission GdI Weber Neue Feldakten (6/7): 10., 11. Armee; LVK Tirol; Isonzoarmee 1., 2. und Kdo. der Isonzoarmee • Karton 306: 10. Armee – Op. Akten aus den letzten Kriegstagen 1.11.–17.11.1918 Manuskriptesammlung (5/1): • 1917 MS.-WKI/24: FML von Joly: Übersetzung des Berichtes der italienischen Untersuchungskommission über die Niederlage bei Karfreit • 1918 MS.-WKI/06: Leutnant Teranyi und Leutnant Pampichler: Bericht über die Kämpfe des Infanterie-Regiments Nr. 27 im Juni und Juli 1918. Im Felde 1918 geschrieben • 1918 MS.-WKI/13: Oberst Egon Waldstätten: Montello Schlacht und Schlacht von Vittorio Veneto. 1923 • 1918 MS.-WKI/14: Generalmajor Pitreich: Die Piaveschlacht Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes; Berlin (= PAA) Auswärtiges Amt 1867–1920 • R 2141: Die Botschaft in Rom 1906–1920 • R 2408: Militärische Besprechungen (Italien, Österreich und Rumänien), März 1908 bis August 1914 • R 2510: Partikularistische Bestrebungen der Deutschen Einzelstaaten Oktober 1916–1920 • R 2771: Die bayerische Presse 16.04.1913–März 1920 • R 7783: Die Bestrebungen der Italia Irredenta und die hieraus sich ergebenden politischen Beziehungen Italiens zu Deutschland, Österreich-Ungarn und Frankreich 01.01.1909–März 1917 • R 7811: Militär Angelegenheiten Italiens 1915–1920 • R 7938: Die Beziehungen Italiens zu Deutschland 01.01.1912–31.03.1915 • R 8004: Italienische Generale (Militärs) 01.01.1906–09.11.1919 • R 8625: Militär Angelegenheiten Österreichs 01.05.1913–31.12.1918 • R 8778: Österreichische Generale (Militärs) 1906–1920 • R 9120: Beziehungen Österreichs zu Italien 08.05.1914–Juli 1919 • R 9132: Die allgemeine österreichische Politik 23.10.1918–7.11.1918 • R 9133: Die allgemeine österreichische Politik 08.11.1918–31.12.1918 • R 11372: Militärische Angelegenheiten der Schweiz 01.09.1913–Februar 1920

Unveröffentlichte Quellen

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• R 19983: Der Weltkrieg 19.05.1915–24.05.1915 • R 20155: Der Weltkrieg 26.10.1918–05.11.1918 • R 20156: Der Weltkrieg 06.11.1918–25.11.1918 • R 22235: Akten des Auswärtigen Amtes im Großen Hauptquartier 1915–1919 und Akten des Rats im Gefolge S. M. des Kaisers 1917–1918 • R 22375: Akten des Auswärtigen Amtes im Großen Hauptquartier, Februar 1915 bis April 1916 – Haltung Italiens Botschaft beim Heiligen Stuhl (Rom-Vatikan) • Vatikan 747: Österreich – Italien – Vatikan: Krieg 1915 Gesandtschaft Bern 1821–1945 • Bern Nr. 750: Bestrebungen Vorarlbergs zum Anschluß an die Ostschweiz, Frage des Anschlusses Österreichs an Deutschland, Oktober bis Dezember 1918 Kaiserliche Deutsche Botschaft Wien • Geheimakten 1853–1918: Band 8-I: Ganz geheime Sachen III 1913–1922 Militärattaché Wien 1864–1929 • Wien Nr. 188: Acta Secreta General von Cramon, Band 1 (1915–1918)

Sammlung Jordan; Roßhaupten [Hinweis: Einige der in der Dissertation ausgewerteten Unterlagen, Fotos, Interviews und Kartenmaterialien stammen direkt aus dem Archiv des Autors. Dies ist – sofern möglich – in den jeweiligen Anmerkungen wiedergegeben (siehe etwa den Bildnachweis im Abbildungsteil). In anderen Fällen, wie bei ausgewerteten Karten, wird auf den Hinweis in Kapitel A.II. verwiesen.] Kartenabteilung: • Verschiedene Detailkarten 1:25.000 des ‚Istituto geografico militare‘ aus den Jahren 1934 und 1938 • Tabacco Karte: Friuli-Venezia Giulia im Maßstab 1:150.000. • Kompass: Italienisch-österreichische-dolomitische [sic] Front-Karte 1915/17 • Socˇa Front. Vom Rombon bis Mengore. Historisch-Touristische Landkarte herausgegeben von der Stiftung ‚Wege des Friedens im Socˇa-Tal/Fundacija poti miru v Po socˇju‘ in Kobarid. ‚Oral-History‘ und Fachgespräche Es liegen eine Vielzahl von Gesprächsprotokollen und Notizen vor, die mit verschiedenen Personen geführt wurden. Zeitzeugen konnten leider nicht mehr befragt werden, stattdessen sind im Folgenden einige ausgewählte ‚Nachgeborene‘ angege-

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Quellenverzeichnis

ben, die Original-Materialen zur Verfügung stellten oder anderweitige Informationen (z. B. geländekundlicher Art, etc.) lieferten. Ihnen bin ich zu besonerem Dank verpflichtet: – Bischoff, Dieter, Leiter des Gebirgsjägermuseums in Sonthofen – Deflorian, Ermanno, Heimatforscher und Militärexperte für Handfeuerwaffen und Uniformen, Einsicht in Quellenmaterial des Großvaters Antonio Deflorian (Jahrgang 1894, K. k. Soldat im Standschützenbataillon Cavalese) – Holzer, Rudolf, Grundschullehrer in Innichen und Sexten (im Ruhestand), Heimatforscher und Chronist der Gemeinde Sexten – Lichem, Heinz von, Schriftsteller und Militärexperte (siehe auch MILAR/MHFZ) – Magrin, Giuseppe, italienischer Militärhistoriker, Tenente Colonello di Stato (der italienischen Streitkräfte, a. D.) – Varesco, Rinaldo und Luigi, Einsicht in Quellenmaterial des Großvaters Gustavo Varesco (Soldat im Standschützenbataillon Cavalese, ‚Bergsteigervater‘ im Fleimstal) Staatsarchiv Augsburg (= StAA) Bezirksamt Füssen: • Akt Nr. 2826: Grenzsicherung • Akt Nr. 2827: Wirtschaftliche Beziehungen zum Außerfern Regierung von Schwaben (Präsidialakten): • Akt Nr. 9636: (Wochenberichte) Berichterstattung über besondere Vorkommnisse im Geschäftskreise des K. Staatsministeriums des Innern/Auch Volks- und Festversammlungen, Bd. XXXIV • Akt Nr. 9762: Wochenberichte der Bezirksämter und Stadtmagistrate • Akt Nr. 9765: Wochenberichte der Bezirksämter und Stadtmagistrate Stadtarchiv Füssen • Füssener Blatt, Folio 1918 Stadtarchiv Innsbruck Älteste Archivalien • Stadtmagistrat Innsbruck, Ratsprotokoll 1918 (Signatur: Pr–I/232)

Konsultierte Zeitungen und Periodika

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Tiroler Landesarchiv; Innsbruck (= TLA) Tiroler Landschaft und Tiroler Landtag • Schuber: Tiroler Nationalrat und Tiroler Nationalversammlung – Sitzungsprotokolle 1918, Umschlag: Beschlüsse der „Tiroler Nationalversammlung“ vom 26. Oktober 1918 und des „Tiroler Nationalrates“ vom 31. Oktober bis 16. Dezember 1918 • Schuber: Tiroler Nationalrat und Tiroler Nationalversammlung – Sitzungsprotokolle 1918, Umschlag: Protokolle des Tiroler Nationalrates 1918 • HS 46: Protokolle der Tiroler Nationalversammlung und des Tiroler Nationalrates. [Hinweis: Die Signatur HS bedeutet in diesem Fall nicht Handschriften wie im Abkürzungsverzeichnis angegeben.] Evidenzarchiv [K. u. k. Armee und K. k. Landwehr bzw. Erster Weltkrieg] • Tiroler Kaiserjäger – Feldakten bis 1918; 3. Tiroler Kaiserjägerregiment, Gruppe II; Karton 4 Nachlässe • Kraft Emil, Karton 6 • Mayr Michael, Karton 2 (Abteilungen IV/1–IV/2) • Pusch Karl, Schuber 808 Zentrale Behörden der allgemeinen Verwaltung nach 1868 • Statthalterei für Tirol und Vorarlberg (1911–1918), Präsidium: Akten 1918 – Jahresjournal Nr.: 405 – XII.76.e – Jahresjournal Nr.: 5694 – XII.76.e

Konsultierte Zeitungen und Periodika Basler Nachrichten mit Finanz- und Handelsblatt, Basel Bayerische Staatszeitung. Kgl. Bayerischer Staatsanzeiger, München Bayerische Zeitung, München Danzers Armee-Zeitung, Wien Der Militärarzt. Zeitschrift für das gesamte Sanitätswesen der Armeen, Wien Deutsche Revue. Eine Monatsschrift, Stuttgart/Leipzig Die Bombe, Wien Füssener Blatt, Amtsblatt für das k. Bezirksamt k. Amtsgericht und den Stadtmagistrat Füssen, Füssen

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Quellenverzeichnis

Geographical Review (herausgegeben von der American Geographical Society) Grazer Tagblatt, Graz Illustrierte Woche des Grazer Volksblattes, Graz Illustriertes Österreichisches Journal, Wien Innsbrucker Nachrichten, Innsbruck Kriegs-Chronik der Münchner Neuesten Nachrichten, München Montags Zeitung, Wien Oesterreichische Wehrzeitung, Wien Pester Lloyd, Budapest Reichspost, Wien Schönere Zeitung, Österreich Streffleurs Österreichische Militärische Zeitschrift, Wien The Geographical Journal (herausgegeben von The Royal Geographical Society), Oxford The Times, London Volksblatt für Stadt und Land, Wien Vossische Zeitung, Berlin Wiener Abendpost. Beilage zur Wiener Zeitung, Wien Wiener Allgemeine Zeitung, Wien Wiener Medizinische Wochenschrift, Wien Wiener Montagblatt. Finanz-Revue. Deutschösterreichisches Organ, Wien Wissen und Wehr, Wien

Aktenpublikationen, Generalstabswerke und frühe Überblickswerke Albertini, Luigi: The Origins of the War of 1914 (Bd. 3: The Epilogue of the Crisis of July 1914. The declarations of war and of neutrality), London/New York/ Toronto 1957. Amtliche Kriegs Depeschen: Nach den Berichten des Wolff’schen Telegr.-Bureaus, Bde. 1–8, o. O. 1915–1918. Auswärtiges Amt (Hg.): Österreichisch-ungarisches Rotbuch. Diplomatische Aktenstücke betreffend die Beziehungen Österreich-Ungarns zu Italien in der Zeit vom 20. Juli 1914 bis 23. Mai 1915 (Diplomatische Aktenstücke Bd. 2), Berlin 1916. Badini, Damiano: La Conquista del Col di Lana. (herausgegeben vom Ministero della Guerra Stato Maggiore del R. Esercito, Ufficio Storico), Rom 1925.

Aktenpublikationen

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Baer, C. H. (Hg.): Der Völkerkrieg. Eine Chronik der Ereignisse seit dem 1. Juli 1914, Bde. 1–28, Stuttgart 1914–1920. Bayerisches Kriegsarchiv (Hg.): Die Bayern im Großen Kriege 1914–1918. Auf Grund der Kriegsakten dargestellt, München 1923. Bernstein, Eduard (Hg.): Dokumente zum Weltkrieg 1914. Bd. 10: Das Grünbuch Italiens (2. Teil: vom 4. März 1915 bis zur Kriegserklärung), Berlin 1915. Cocks, Seymour F. (Hg.): The secret treaties and understandings. Text of the available documents with introductory comments, London 1918. Comando Supremo: – Regio Esercito Italiano, La battaglia del Piave (15–23 giugno 1918), Roma 1920. Deutsches Auswärtiges Amt: Iswolski im Weltkriege. Der Diplomatische Schriftwechsel Iswolskis aus den Jahren 1914–1917. Neue Dokumente aus den Geheimakten der russischen Staatsarchive. Im Auftrage des Deutschen Auswärtigen Amtes, Bd. 6, Berlin 1926. Edmonds, James E.: Military Operations: France and Belgium (Bde. für 1917/1918), London 1935–1948. Freymond, Jacques/Graf-Junod, Isabelle/Browning, Alison (Hg.): Diplomatische Dokumente der Schweiz 1848–1945, Bd. 6: 29 juin 1914–11 novembre 1918, Bern 1981. Großer Generalstab: Die Schlachten und Gefechte des Großen Krieges 1914–1918, Quellenwerk nach den amtlichen Bezeichnungen zusammengestellt vom Großen Generalstab, Berlin 1919. Gruner, Ferdinand: Der Treubruch Italiens – unter Benützung amtlicher Quellen, München 1916. Heldenwerk (1914–1918): Ein literarisches Monumentalwerk zum ewigen Gedenken an die ruhmvollen Waffentaten der österreichisch-ungarischen Armee und ihrer Helden, Hrsg. zu Gunsten der Kriegsfürsorgezwecke des Kriegshilfsbüros des K. K. Ministerium des Innern, 5 Bände (Heldenwerk Verl.- u. Vertr. Ges. m. b. H. 1917), Wien/Innsbruck o. J. Hölzle, Erwin (Hg.): Quellen zur Entstehung des Ersten Weltkrieges. Internationale Dokumente 1901–1914 (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte der Neuzeit. Freiherr vom Stein Gedächtnisausgabe Bd. 27), Darmstadt 1978. Hoen, Maximilian von/Woinovich, Emil von/Veltzé, Alois: Unteilbar und Untrennbar. Die Geschichte des grossen Weltkrieges mit besonderer Berücksichtigung Österreich-Ungarns. Unter Leitung des Generals der Infanterie Emil Freiherr Woinovich von Belobreska und des Generalmajors Max Ritter von Hoen, hrsg. und redigiert von Alois Veltzé, 3 Bände, Wien 1917–1921. Hofacker, Eberhard von: Der Weltkrieg. Dem deutschen, vor allem dem württembergischen Soldaten gewidmet, Stuttgart 1928. Kerchnawe, Hugo: Der Zusammenbruch der Österr.-Ungar. Wehrmacht im Herbst 1918. Dargestellt nach Akten des Armee-Ober-Kommandos und anderen amtlichen Quellen, München 1921.

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Quellenverzeichnis

Koch, Klaus/Rauscher, Walter/Suppan, Arnold: Außenpolitische Dokumente der Republik Österreich 1918–1938 (ADÖ), Band 1: Selbstbestimmung der Republik. 21. Oktober 1918 bis 14. März 1919, München/Wien 1993. Komjáthy, Miklós (Hg.): Protokolle des Gemeinsamen Ministerrates der Österreichisch-Ungarischen Monarchie (1914–1918), Budapest 1966. Krafft von Dellmensingen, Konrad: Der Durchbruch am Isonzo, Teil I.: Die Schlacht von Tolmein und Flitsch, Teil II.: Die Verfolgung über den Tagliamento bis zum Piave, (Schlachten des Weltkrieges Bd. 12a und 12b), Oldenburg/ Berlin 1926. Krafft von Dellmensingen, Konrad/Feeser Friedrich Franz: Das Bayernbuch vom Weltkriege 1914–1918. Ein Volksbuch (2 Bde.), Stuttgart 1930. Kuhl, Hermann von: Der Weltkrieg 1914–1918 (2 Bände), Berlin 1929. Lettow-Vorbeck, von et al, Die Weltkriegsspionage. Authentische Enthüllungen über Entstehung, Art, Arbeit, Technik, Schliche, Handlungen, Wirkungen und Geheimnisse der Spionage vor, während und nach dem Kriege auf Grund amtlichen Materials aus Kriegs-, Militär-, Gerichts und Reichs-Archiven. Vom Leben und Sterben, von den Taten und Abenteuern der bedeutendsten Agenten bei Freund und Feind, München 1931. Ministère de la Guerre, Les armées françaises dans la Grande Guerre (Bde. 5–7), Paris 1923–1931. Ministero degli Affari Esteri: I documenti diplomatici italiani, Ministero degli Affari Esteri, Commissione per la Pubblicazione dei Documenti Diplomatici, Quinta serie: 1914–1918 (Bd. 3: 3 marzo–24 maggio 1915), Roma 1985. Ministero delle Guerra: L’esercito italiano nella grande guerra, 1915–1918 (7 Bde.), Ministero delle Guerra, Commando del Corpo di Stato Maggiore Ufficio Storico, Roma 1927–1988. Österreichisches Bundesministerium für Landesverteidigung/Kriegsarchiv (Hg.): Österreich-Ungarns letzter Krieg 1914–1918. Herausgegeben unter der Leitung von Edmund Glaise-Horstenau, Bde. I–VII, Registerband, Ergänzungshefte 1–10, Beilagenbände I–VII, Wien 1931–1938.

Ergänzungshefte des Werkes Österreich-Ungarns letzter Krieg 1914–1918: Aarenau, Theodor Brosch von/Steinitz, Eduard von: Die Reichsbefestigung Österreich-Ungarns zur Zeit Conrads von Hötzendorf, Ergänzungsheft 10, Wien 1937. Ehnl, Maximilian: Die österreichisch-ungarische Landmacht nach Aufbau, Gliederung, Friedensgarnison, Einteilung und nationaler Zusammensetzung im Sommer 1914, Ergänzungsheft 9, Wien 1934. Fabini, Ludwig von: Monte Priaforà. Ein Ruhmesblatt der Tiroler Kaiserjäger aus der Maioffensive 1916. Ergänzungsheft 3, Wien 1932.

Aktenpublikationen

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Franck, Fritz: Die Entwicklung der öst.-ung. Wehrmacht in den ersten zwei Kriegsjahren, Ergänzungsheft 5, Wien 1933. Frauenholz, Egon von: Weltkriegsliteratur, Ergänzungsheft 7, Wien 1933. Glingenbrunner, Franz: Intendanzdienst im Gebirgskriege, Ergänzungsheft 8, Wien 1933. Ratzenhofer, Emil: Der Waffenstillstand von Villa Giusti und die Gefangennahme Hunderttausender, Ergänzungsheft 2, Wien 1931. – Die Auswertung der inneren Linie im Dreifrontenkrieg Mai–Juli 1915, Ergänzungsheft 6, Wien 1933. – Militärische Bahnauswertung im 1. Halbjahr 1916, Ergänzungsheft 6, Wien 1933. Pichler, Cletus: Der Krieg in Tirol 1915/1916 (Geschichte Tirols 1848–1916 Bd. 1), Innsbruck 1924. Reichsarchiv (Hg.): Der Weltkrieg 1914 bis 1918. Die militärischen Operationen zu Lande. Bearbeitet im Reichsarchiv (14 Bde.), Berlin 1926–1943 (1956). Riebicke, Otto: Was brauchte der Weltkrieg? Berlin 1937. Schäfer, Hugo: Die Kriegspläne Italiens gegen Österreich-Ungarn, Ergänzungsheft 2, Wien 1931. Schemfil, Viktor: Die Kämpfe im Drei Zinnen-Gebiet und am Kreuzberg in Sexten 1915—1917. Verfaßt auf Grund österreichischer Kriegsakten, Schilderungen von Mitkämpfern und italienischer kriegsgeschichtlicher Werke, Innsbruck 1986 (Neudruck). – Die Kämpfe am Monte Piano und im Cristallo-Gebiet (Südtiroler Dolomiten) 1915–1917 (Untertitel wie oben), Innsbruck 1984 (Neudruck). – Col di Lana. Genaue Geschichte der Kämpfe (1915–1917) um den heißestumstrittenen Berg der Dolomiten, verfaßt auf Grund österreichischer Truppenakten und authentischer Berichte sowie italienischer kriegsgeschichtlicher Werke (Schriftenreihe zur Zeitgeschichte Tirols Bd. 3), Nürnberg o. J. (Neudruck der ersten Auflage von 1935). – Das k. und k. dritte Regiment der Tiroler Kaiserjäger im Weltkriege 1914–1918, Nach den Kriegsakten des Regiments bearbeitet, Bregenz 1926. Schwarte, Max (Hg.): Der große Krieg 1914–1918. Band 5: Der österreichisch-ungarische Krieg, Leipzig/Stuttgart/München 1922. – Der Weltkampf um Ehre und Recht. Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit, auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend. Bd. 5: Der österreichisch-ungarische Krieg, Leipzig 1922. Stegemann, Hermann: Geschichte des Krieges (4 Bände), Stuttgart/Berlin 1921. United States Army: United States Army in the World War 1917–1919. Military Operations of the American Expeditionary Forces. Herausgegeben von der Historical Division-Departement of the Army, Washington 1948.

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Quellenverzeichnis

Volkmann, Erich Otto: Der große Krieg 1914–1918. Kurzgefasste Darstellung auf Grund der amtlichen Werke, Berlin 1938. Wendt, Hermann: Der italienische Kriegsschauplatz in europäischen Konflikten. Seine Bedeutung für die Kriegführung an Frankreichs Nordostgrenze (Schriften der kriegsgeschichtlichen Abteilung im historischen Seminar der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin Bd. 11), Berlin 1936. Winkler, Wilhelm: Der Anteil der nichtdeutschen Volksstämme an der öst.-ung. Wehrmacht (Herausgegeben vom Statistischen Dienst des Deutschösterreichischen Staatsamtes für Heerwesen), Wien 1919. Zentralstelle für Erforschung der Kriegsursachen (Hg.): Das zaristische Russland im Weltkriege. Neue Dokumente aus den Russischen Staatsarchiven über den Eintritt der Türkei, Bulgariens, Rumäniens und Italiens in den Weltkrieg (Beiträge zur Schuldfrage, Heft 6), Berlin 1927.

Dienstvorschriften, Lehrbehelfe, gedrucktes Aktenmaterial Czant, Hermann: Die Verwendung von Maschinengewehren bei hohem Schnee, Wien 1910. – Transport von Gebirgsgeschützen auf gewöhnlichen Skiern, Wien 1911. Dienstbehelfe speziell zum Gebirgskrieg (alle zu finden in MILAR/MHFZ): Alpines Referat des 20. Korpskommandos: Anleitung für den militärischen Gebirgsdienst (Dez. 1916). Alpines Referat des Militärkommandos Innsbruck: Provisorische Lawinenschutzbauten (August 1917) und Beschreibung der alpinen Ausrüstung (Nov 1917). Gruppenkommando FML von Guseck: Die Lawinengefahr und deren Bekämpfung, Druckerei des Gruppenkdos., o. O. o. J. Heeresfront GO Erzherzog Eugen: Erfahrungen aus dem Stellungskrieg im Gebirge (= Pi.-Nr. 283/16,I – 7. November 1916), o. O. 1916. K. u. k. Kriegsministerium: Anleitung für den alpinen Dienst – Entwurf (= zu Abt. 5, Nr. 1 von 1917), Wien 1917. K. u. k. Landesverteidigungs-Kommando in Tirol: Der Gebirgskrieg im Winter – Merkblätter und Weisungen (= Op.Nr. 1383), Innsbruck 1915. – Der Gebirgskrieg im Winter (Juli 1915) und Merkblatt für den Gebirgskrieg im Winter (Sept. 1915), o. O. 1915. K. u. k. Oberkommando: Der Gebirgskrieg, Wien 1918. Luther, C.: Schneeschuhlaufen im Kriege, München 1915. o. V.: Anleitung für Kompagnieführer (K. F. A.), Entwurf, Berlin 1917. – Ausbildungsvorschrift für die Gebirgsartillerie, Kempten o. J. (vermutlich 1915).

Memoiren und Erinnerungsliteratur

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Memoiren und Erinnerungsliteratur Arz von Straussenburg, Arthur: Zur Geschichte des Grossen Krieges 1914–1918, Wien/Leipzig/München 1924. – Kampf und Sturz der Kaiserreiche, Wien/Leipzig 1935. Auffenberg-Komarow, Moritz von: Aus Österreichs Höhe und Niedergang. Eine Lebensschilderung, München 1921. Bauer, Karl: Der große Krieg in Feld und Heimat. Erinnerungen und Betrachtungen, Tübingen 1922. Berchtold, Leopold Graf von: Leopold Graf Berchtold. Grandseigneur und Staatsmann (Bd. 2), herausgegeben von Hugo Hantsch, Graz/Wien/Köln 1963. Bernardi, Mario: Dal Tagliamento al Piave. Ottobre–Novembre 1917. Diario della ritirata, a fronte del nemico, d’ una Colonna di truppe sfornita d’ uomini, di armi e di munizioni, Roma 1921. Bülow, Bernhard von: Deutsche Politik, Berlin 1916. Buxtorf, A.: En Italie avec la 24e division d’infanterie française (Septembre–Décembre 1918). Dessins de Bernard Naudin, Nancy 1920. Cadorna, Luigi: La Guerra alla Fronte Italiana. Fino all’ arresto sulla linea della Piave e del Grappa. 24 Maggio 1915–9 Novembre 1917 (2 Bde.), Milano 1923.

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Memoiren und Erinnerungsliteratur

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Regimentsgeschichten und Einzeldarstellungen von Truppenverbänden [Hinweis: Aufgenommen sind nur Werke die vor 1945 entstanden sind, da es hierfür gesichert erscheint, daß die Autoren Kriegsteilnehmer waren und somit auch ihre eigenen Erfahrungen einfließen lassen konnten. Alle anderen Publikationen bezüglich Truppen- und Formationsgeschichte für die dies nicht festgestellt werden konnte beziehungsweise die keinen ‚offiziellen‘ Charakter haben erscheinen im Literaturverzeichnis.] Atkinson, C. T.: The Seventh Division in the Great War, London 1927. Barnett, G. H.: With the 48th Division in Italy, Edinburgh 1923. Bartl, Georg: Tiroler Landesschützen-Kaiserschützen. Ein allgemeiner Rückblick auf ihre Entwicklung im Wandel der Zeiten, Innsbruck [vermutl.] 1930. Blaas, Rudolf: Tiroler Kaiserjäger. Ein Gedenkbuch zur Erinnerung an die 10jährige Wiederkehr der Feuertaufe 1914–1924. Hrsg. vom Tiroler Kaiserjägerbund, Innsbruck 1924. Bomhard, Adolf von: Das K. B. Infanterie-Leib-Regiment. Nach den amtlichen Kriegstagebüchern bearb. von Adolf von Bomhard (Erinnerungsblätter deutscher Regimenter; Bayerische Armee Heft 1), München 1921. Breitenacher, Martin: Das Alpenkorps 1914–18, Berlin 1939. Brennfleck, Joseph Karl: Das Königlich Bayerische 2. Feldartillerie-Regiment Horn, Band II.: Das Regiment im Weltkrieg – Kriegsformationen (Erinnerungsblätter deutscher Regimenter, Herausgegeben für den Anteil der bayerischen Armee vom bayerischen Kriegsarchiv, Band 91), München 1939. Burtscher, Guido: Das Deutsche Alpenkorps unter der Führung des Generals Konrad Krafft von Dellmensingen, Bregenz 1939. Crosse, E. C.: The Defeat of Austria as seen by the Seventh Division London 1919 (Neudruck 2007). Deiß, Friedrich Wilhelm/Hutier, Oskar von (Hg.): Die Hessen im Weltkrieg 1914–1918 nach Berichten und Aufzeichnungen von Mitkämpfern mit Unterstützung des Hessischen Staatsarchivs, Stuttgart/Berlin 1930. Ehnl, Maximilian: Das X. Bataillon des K. u. k. Infanterie-Regiments Ernst Ludwig Grossherzog von Hessen und bei Rhein Nr. 14 im Weltkrieg, Linz 1932. Etzel, Hans: Das K. B. 9. Infanterie-Regiment Wrede. Nach den amtlichen Kriegstagebüchern, (Erinnerungsblätter deutscher Regimenter, Herausgegeben für den Anteil der bayerischen Armee vom bayerischen Kriegsarchiv, Band 51), Würzburg 1927.

Regimentsgeschichten

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Filmografie Bataillon der Verlorenen, Originaltitel: Uomini contro, (Herstellungsland: Italien/Jugoslawien), Erscheinungsjahr: 1970, Regie: Francesco Rosi. Berge in Flammen, (Deutschland/Frankreich), Erscheinungsjahr: 1931, Regie: Luis Trenker und Karl Hartl. Front in Eis und Fels. Der Alpenkrieg 1915–1917, (Deutschland), Erscheinungsjahr: 1982, Regie: Ottomar Birth und Otto Guggenbichler. Gloria – La Grande Guerra, (Italien), Erscheinungsjahr 2001, Regie: Roberto Omegna. Standschütze Bruggler, (Deutschland), Erscheinungsjahr: 1936, Regie: Werner Klingler.

Internet-Quellen Zu den Archiven der Arge Alp (am 28.12.2006): http://pan.bsz-bw.de/argealp/allgem/archive.php#_3 Google Earth (Hilfe zur Distanzermittlung und zur dreidimensionalen Betrachtung der Gebirgsregionen, Stand: 04.01.2007) http://earth.google.de/

Personenregister Hinweis: Aufgenommen wurden zu den Namen jener Persönlichkeiten, die im Text vorkommen – soweit bekannt und von Interesse – der Titel, Dienstgrad oder die Dienstbezeichnung. Die öffentliche Tätigkeit entsprechend des jeweiligen Berichtszeitraumes wurde möglichst genau angegeben. Für die Abkürzungen wird auf das Abkürzungsverzeichnis am Bandanfang verwiesen. Autorennamen wurden aufgenommen, wenn sie als Akteure im Berichtszeitraum fungierten beziehungsweise wenn sie als Autoren für eine spezielle Fragestellung von herausragender Bedeutung waren. Nicht aufgenommen wurden einige im Dokument 8 genannte Soldaten, da ihre Kenntnisnahme auf das inhaltliche Verständnis keinen Einfluss hat. Da in den Feldakten und Archivmaterialien fast nie Vornamen genannt wurden, konnte trotz intensiver Recherche in Einzelfällen (meist bei Mannschaftsdienstgraden und Subalternoffizieren) nur der Nachname und ein eventuell vorhandener Dienstrang angegeben werden. Adler, Viktor, ö.u. Politiker, 30.10.– 11.11.1918 Staatssekretär für Äußeres 458, 497 Aehrentahl, Aloys Leopold Lexa von, 1906–1912 ö.u. Außenmin. 112, 116–117 Albrecht Friedrich Rudolf von Österreich, Ehg., FM, ‚Sieger von Custozza‘ 1866 52 Alexander, genannt der Große, makedonischer König 186 Aosta, Vittorio Emanuele Filiberto di Savoia, Kdt. 3. ital Armee 106, 306, 318, 338 Arendts, Wilhelm, bay. Hptm, 1918 für das bay. KM in Österreich 451–457, 460, 470, 491–492 Arz von Straussenburg, Arthur, 1917 bis 1918 ö.u. Generalstabschef 324, 328, 376, 395, 398–399, 408, 414, 416 Auffenberg-Komarow, Moritz von, 1911–1912 ö.u. Kriegsmin., 1914 Kdt. 4. Armee 334 Avarna di Gualterio, Giuseppe, ital. Botschafter in Wien 1904–1915 58

Baden, Max von, dt. Reichskanzler 04.10.–09.11.1918 481, 615, 618–619 Badoglio, Pietro, ital. FM und Politiker, 1918 Führer d. ital. Waffenstillstandverhandlungen 340, 377, 416, 418 Bankowski von Frugnoni, Wilhelm, ö.u. GM, 1915 Kdt. d. 56. Gb.Brig. (Rayon V) 218 Barrère, Camille, franz. Botschafter in Rom 66 Battisti, Cesare, Politiker u. Journalist, Führer der Irredenta in Tirol 147–148 Bauer, Otto, ö.u. Politiker, 30.10.–21.11.1918 Unterstaatssekretär für Äußeres 497, 502 Baumann, J., bay. Hptm. 18 Below, Otto von, preuß. GdI, Kdt. der dt. und öst.-ung. Truppen in der Schlacht von Karfreit 1917 (XIV. Armee) 330, 335, 337, 356 Berchtold, Leopold von, 1912–1915 ö.u. Außenmin. 67, 69, 116–117

Personenregister Berrer, Albert von, württ. GLT, Kdt. 51. Korps in der 12. Isonzoschlacht 336, 350–351, 358 Bethmann-Hollweg, Theobald von, 1909–1917 dt. Reichskanzler u. preuß. Min. Präs. 72, 84 Bilgeri, Georg, K.u.k. Oberst, Alpinreferent, Bergführer und Skipionier 293 Bismarck–Schönhausen, Otto von, 1871–1890 dt. Reichskanzler u. preuß. Min. Präs. 52–53, 59, 74, 321 Bliss, Tasker Howard, US-General, Gst. Chef und 1917 Mitglied d. Supreme War Council 377 Blume, Wilhelm von, pr. GdI, Militärschrifsteller 203, 431 Böhm-Ermolli, Eduard von, FM, ö.u. Armeekdt., 1918 OB in der Ukraine 377 Bokor, Bela, ö.u. Hptm. i. Gst. 400 Bolfras, Arthur Frh. von Ahnenburg, öst.-ung. GO, 1889–1917 Vorstand der Milit. Kanzlei und Generaladjutant Kaiser Franz Josephs 226 Boog, Adolf von, ö.u. GM, Kdt. K.u.k. 93. I.D. 306 Boroevic´ von Bojna, Svetozar, GdI (FM 1918), 1916 Kdt. d. 5. (= Isonzo) Armee 221, 306, 308–309, 324, 327, 335, 391, 394–395, 399, 402–403, 410, 413, 416 Bothmer, Felix von, bay. GdI, OB d. dt. Südarmee 384–385 Bourcet, Pierre Joseph de, franz. General, Stabschef des FM de Mallebois 199 Brettreich, Maximilian Friedrich Ritter von, 1907–1912 u. 1916–1918 bay. Innenmin. 526 Breunig, Georg von, 1912–1918 bay. Finanzmin. 525 Brudermann, Rudolf Ritter von, öst.ung. GdK, 1914 Kdt. 3. Armee 324

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Brusati, Roberto, ital. GLT, 1916 Kdt. d. 1. Armee 107, 267 Brussilov, Aleksej, russ. GdK, 1916 OB d. russ. Südwestfront 272, 343 Bülow, Bernhard von, dt. Diplomat, 1900–1909 dt. Reichskanzler, 1914 bis Mai 1915 Sonderbotschafter in Rom 57, 65, 70, 75, 80, 83–84, 379 Burián von Rajecz, Stephan, 1903–1912 u. 1916–1918 ö.u. Finanzmin., 1915–1918 zweimal ö.u. Außenmin. 69, 73, 75, 149, 275, 325 Cadorna, Luigi, ital. FM, 1914–1917 Chef des ital. Generalstabes, bis März 1918 Mitglied im Supreme War Council 62, 99, 101–106, 140, 210, 220, 222, 232–233, 241, 246, 250, 252, 264, 266, 269, 271–272, 274, 282, 294, 306, 309, 320, 326–327, 339–341, 345, 348, 352–353, 355–356, 359–362, 368, 370, 372, 377, 393, 405 Cadorna, Raffaele sen., ital. General 100 Caetani, Gelasio, ital. Pionierleutnant, Mineur am Col di Lana 279, 282 Capello, Luigi, ital. GLT, 1916 Kdt. IV. Korps, 1917 Kdt. 2. Armee 338, 340–341, 352 Catty, ö.u. Leutnant 109–110, 252 Cavaciochi, Alberto, ital. GLT, 1915 Kdt. 5.I.D. 352 Cavan, Frederick Earl of, brit. General, Kdr. BEF in Italien 410 Caviglia, Enrico, ital. FM und Senator, 1915 Kdt. Inf.Brig. Bari, 1917 Kdt. VIII. Korps 412 Cavour, Camillo Benso Graf, ital. Staatsmann, „Einiger Italiens“ 51, 321 Churchill, Winston, britischer Politiker, 1911–1915 Erster Lord der Admiralität, 1917–1918 Munitionsmin., 1918–1921 Kriegsmin., später Premiermin. 80

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Personenregister

Clam-Martinic, Heinrich Karl Maria, mehrfach K.k. Ackerbaumin., K.k. Min.Präs. 1916–1917 325 Clausewitz, Carl Philipp Gottlieb von, preuß. General, Kriegsphilosoph 112, 196, 198–199 Concini von, ö.u. Oberst, 1915 Kdt. 55. GbBrig. (Rayon IV) 218 Conrad von Hötzendorf, Franz, ö.u. FM, 1906–1911 u. 1912–1917 Chef d. Gst., März 1917 bis Juli 1917 Ober-Kdt. d. Südfront, seit Juli 1918 Oberst aller Leibgarden 38, 47, 55, 59, 68, 71, 81, 112–113, 115–120, 135, 137–138, 141, 175, 216, 226, 229, 250–254, 256, 258–259, 262, 266, 272–273, 282, 323–324, 335–337, 362, 391, 398–399, 404, 471 Cramon, August von, preuß. GM, seit 1915 Bevollmächtigter dt. General b. AOK, Nov.1918-Juli 1919 bevollm. General d. dt. Botschaft in Wien 47–48, 265, 324, 337, 388–389, 451, 453–454, 457, 460, 475, 482, 486–487, 490 Czant, Hermann, ö.u. Militärschriftsteller, Alpinist und Soldat 192, 195 Czernin, Ottokar Graf von und zu Chudenitz, 22.12.1916–16.04.1918 ö.u. Außenmin. 325, 376 D’Annunzio, Gabriele, ital. Schriftsteller und Nationalist 52, 538 Dandl, Otto Ritter von, 1917–1918 Vorsitzender des bay. Ministerrates, zugl. Staatsmin. des kgl. Hauses und des Äussern 457, 460–461, 525 Dankl, Viktor Frh. von Krasnik, ö.u. GdK, 1914 Kdt. 1. Armee, 23.05.1915–1916 Kdt. LVK Tirol, 1916 GO, ab März 1916 Kdt. 11. Armee in Tirol 141, 216, 221–222, 225–226, 261, 266, 270 Diaz, Armando, ital. FM, 1917/18 Chef d. Gst. 372, 377, 393, 403, 409

Ebers, Hermann, bay. Leutnant, Kraftfahrer während der 12. Isonzoschlacht 331–332, 349 Eccher von Echo, Oswald Edler von Marienburg, ö.u. Oberst, Kdt. der 1. Kaiserjägerbrigade, 1918 Miltärkdr. Tirol 477–478 Edmonds, James Edward, brit. PionierGeneral und Historiker 403 Egli, Karl, schweizer Oberst, ab 1905 Chef der Geogr. Sektion des Gst. 310, 384 Eisentraeger, W., deutscher Geschäftsmann, 1915 Vertreter in Mailand 64 Eisner, Kurt, dt. Politiker, 1917 Vorsitzender der USPD in Bayern, im Nov. 1918 bay. Min.Präs. u. Aussenmin. 515, 531, 619–620 Ellison von Nidlef, Otto, ö.u. Oberst im Geniekorps, 1915 Abschnittskdt. Lavarone, 1916 Kdt. 43. Sch. Brig., Brigadier am Pasubio, 1918 Chef d. Luftfahrtwesens 140 Engels, Friedrich, dt. Politiker, Unternehmer, Philosoph 431 Erbach-Schönberg, Prinz zu, preuß. Hptm., Vertretung von Kagenecks als preuß. Militärattaché in Wien 48 Ernsthausen, badischer Leutnant, Teilnehmer der Kämpfe 1915 in Tirol und Serbien 438–441, 443 Erzberger, Mathias, dt. Zentrumspolitiker, 1915 Sonderbeauftragter in Italien, 1919/20 dt. Reichsfinanzmin. u. Vizekanzler 57, 82–83, 619 Eugen von Österreich, Ehg., FM, Kdt. d. Südwestfront bzw. d. Hgr. „Ehg. Eugen“ 251, 260–261, 272, 323, 378 Falkenhayn, Erich Georg von, preuß. GdI, 1913–1915 preuß. Kriegsmin., 1914–29.08.1916 Chef d. dt. Gst. 71, 78, 81, 117, 119, 175, 252, 256–259, 265, 273, 381 Filzi, Fabio, ital. Irredentist 147–148

Personenregister Fink, Jodok, Vorarlberger Landwirt u. Politiker 526 Finsterer, Philipp, bay. Mjr., 1918 im Grenzschutz (Kdr. Abschnitt II) 465, 504, 618 Fleck, Paul, preuß. OTL i. G., Vertreter des General Cramon 451, 453, 455 Flotow, Hans von, dt. Botschafter in Belgien, 1915 Gesandter in Rom 57–58, 63 Foch, Ferdinand, franz. FM, 1917 Chef d. Gst., 1918 OB der allierten Streitkräfte 370, 393, 445, 537, 618–619 Forcher, Hans, K.u.k. Soldat u. Bergführer 234–235 Franke, preuß. GLT, bevollm. Gen. des preuß. KM beim K.u.k. KM in Wien 454 Franz Ferdinand von Österreich-Este, Ehg., Thronfolger nach Ehg. Rudolfs Tod 56, 113, 116, 144, 321 Franz Joseph I., 1848–1916 Kaiser von Österreich u. apostolischer König von Ungarn 52, 58, 69, 73, 82, 85, 113, 122, 153, 157, 162, 295, 320–321 Franz von Bayern, 1916–1918 Kdt. 4. bay. ID. 467, 496, 501, 575 Freytag-Loringhoven, Hugo von, preuß. GLT, dt. Bevollm. General beim AOK 203, 205, 381 Friedrich II. (der Große), 1772–1786 König von Preußen 431, 464 Friedrich von Österreich, Ehg., 1914–1917 Armeeoberkdt. 121, 322–323 Frugoni, Pietro, ital. GLT, 1915 Kdt. 2. Armee, ab 2.6.1916 Kdt. 5. Armee 106 Gandorfer, Ludwig, 1918 radikaler Führer im bay. Bauernbund 515 Ganghofer, Ludwig, bay. Heimatdichter, Kriegsberichterstatter 51

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Gasperi, Alcide de, ital. Politiker, 1911–1918 Abgeordneter zum österr. Reichsrat, 1945–1953 ital. Min. Präs. 541 Giardino, Gaetano, ital. FM und Senator, 1918 Kdt. 4. Armee (Mt. Grappa) 377 Giese, Otto von, preuß. Militärtheoretiker. 170, 201, 209–210 Giolitti, Giovanni, bis März 1914 mehrmals ital. Min.Präs. 62, 65, 75 Glaise-Horstenau, Edmund von, ö.u. Hpt. d. G. später General, Pressereferent im AOK und Historiker 30, 34, 206, 401 Goiginger, Ludwig, öst.-ung. FML, 1915 Kdt. d. Div. „Pustertal“ 223–224, 295, 403, 421, 430 Graziani, Rodolfo, ital. General, Kdr. 12. Armee 411 Grey, Edward, brit. Politiker, 1905–1916 Außenmin. 77 Groener, Wilhelm, dt. General, seit 1912 Leiter d. Eisenbahnabt. i.G., ab Okt. 1918 Erster Generalquartiermeister d. Armee, 1928–32 Reichswehrmin. 449, 490, 494, 616 Gruber, Karl, österr. Diplomat und Politiker, 1945–53 Bundesmin. für auswärtige Angelegenheiten 541 Guderian, Heinz, dt. Hptm., Mitglied der ö.u. Waffenstillstandskom., ab 1938 General der Panzertruppe 415 Guseck Edler von Glankirchen, Oskar, ö.u. FML, 91. I.D. 218 Haeften, Hans von, dt. Oberst, Juli 1916–Nov. 1918 Leiter der milit. Stelle im AA 481 Handl, Leo, K.u.k OLT, Ingenieur, Begründer der Marmolata Gletscherstollen 289, 293–294, 296 Hannibal, karthagischer Feldherr 186, 188 Haug, bay. Kommunalpolitiker 528

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Personenregister

Hauptner, dt. Geschäftsmann 64 Hellingrath, Philipp von, bay. GdK, 1916–1918 bay. Kriegsmin. 443–444, 446, 457, 462–463, 469, 481, 527, 548 Hemingway, Ernest, Schriftsteller, ab Juni 1918 Rotkreuzhelfer in Italien 42, 328, 365, 367, 371 Hindenburg-Beneckendorff, Paul von, preuß. GFM, 1914 OB d. dt. Trp. an der Ostfront, Chef d. Gst. in der 3. DOHL, 1925–1934 dt. Reichspräsident 329, 408, 415, 481, 616 Hintze, Paul von, Marineoffizier, Juli– Okt. 1918 Staatssekretär d. dt. AA, dann Vertreter des AA in der DOHL 458, 482–483, 486, 493, 502 Hirschmann, dt. LT d.R., 1918 Geschützführer im Grenzschutz 510 Hitler, Adolf, 1914–1918 Gefreiter im 16. bay. Res. Inf. Rgt. (List), 1933–1945 dt. Reichskanzler 539 Hoderlein, bay. OTL, 1918 im Grenzschutz (Kdr. Abschnitt I) 465, 504, 518, 530 Hofacker, Eberhard von, württ. GLT, Kdt. d. 26. dt. I.D. (zugl. 1. kgl. Würt. Div.) in der 12. Isonzoschlacht 357 Hofer, Andreas, Wirt und Tiroler Freiheitskämpfer 126, 190, 430 Hoffmann von, preuß. Oberst, Stabschef beim bevollm. Gen. des preuß. KM in Wien 454 Hohenlohe Schillingsfürst, Gottfried, ö.u. Botschafter in Berlin 1914–1918 61, 83, 501 Hößlin, Ernst von, bay. OTL, 1918 im Grenzschutz (Kdr. Abschnitt III) 465, 570 Hoyos, Alexander von, 1912–1915 Kabinetts-Chef im ö.u. Außenmin. 57 Hradezny, Friedrich, K.k. KSch. OTL, 1915 Kdt. Subrayon IOrtler 231

Hranilovic´-Czvietasin, Oskar von, ö.u. Oberst, Chef d. Nachrichtenabt. i. AOK, 1916 Kdt. 10. GbBrig. 325 Hutier, Oskar von, dt. General, 1915 Korpskdr. an der Ostfront 343 Innerkofler, Josef, Sohn von Sepp Innerkofler 236 Innerkofler, Sepp, Wirt, Bergführer u. Standschütze 233–238 Iswolskij, Aleksandr Petrovicˇ, russ. Diplomat, 1906–1910 Außenmin. 77 Jäger, bay. Amtsassessor 521 Jagow, Gottlieb von, 1909–1913 dt. Botschafter in Rom, dann bis 1916 Staatssekretär d. Äußeren 57 Jelacˇic´, Joseph Graf von Buim, österr. FML, 1848 Banus von Kroatien/Slawonien 153 Jennerwein, Georg, genannt „Girgl von Schliers“, bay. Wilderer 533 Johann von Österreich, Ehg. 132 Jomini, Henri Antoine, Militärtheoretiker, 1801 Organisator der Helvetischen Miliz 185, 200, 202 Joseph August von Österreich, Ehg., FM, ab Juli 1918 Kdt. Hgr. „Ehg. Joseph“ in Tirol. Ab 26.10.1918 „Homo regius“ in Ungarn, 7.8.–23.8.1919 Reichsverweser 326, 410 Kageneck von, preuß Militärattaché und Flügeladjutant in Wien 48, 116, 388 Kaiser, Wilhelm, bay. Oberst, ehem. Gst. Chef des II. b.A.K., 1918 Grenzschutzkdr. Süd 465 Kalal, Bohuslav, ö.u. Hptm. der KSch. 441 Karl Albrecht von Österreich, Ehg, K.u.k. Artilleriehptm. 251

Personenregister Karl I. (IV. von Ungarn) – 1916–1918 Kaiser von Österreich u. apostolischer König von Ungarn, 1916 Kdt. XX. Korps in Tirol 266 – 1916–1918 Kaiser von Österreich u. apostolischer König von Ungarn, 1916 Kdt. XX. Korps in Tirol 160, 251, 295, 321–323, 325, 337, 376, 399, 406, 408, 413–414, 417, 459, 471, 486, 615–616, 620 Kiesling, Hans von, bay. Mjr., 1918 Kdr. Grenzschutzkdo. I (Kempten) 519, 534 Kliewer, dt. Hptm., Nachrichtenoffizier der DOHL beim K.u.k. HGrKdo. FM Conrad und beim K.u.k. 11. Armeekdo. 47, 143–144, 146, 151, 369, 404, 471 Klostermair, Matthäus, genannt „Bayerischer Hiasl“, bay. Wildschütz 533 Kneißl, Mathias, genannt „Räuber Kneißl“, bay. Wilderer 533 Köberle, Paul Ritter von, bay. GM, 1918 bay. Militärbevollm. im Gr.H.Qu. 446, 448 Koerber, Ernest von, 1900–1909 u. 1916 österr. Min.Präs. 325 Kolbe, K.u.k. Mjr., 1918 milit.-technischer Berater im Nationalrat 452 Können-Horak, Edler von Höhenkampf Ludwig, ö.u. FML, Kdt. LVK Tirol bis 1915, 1916 Kdt. d. Rayon III in Tirol 121, 125, 127, 129, 141, 217–218 Körner, dt. LT, 1918 Geschützführer im Grenzschutz 510 Kossuth, Lajos, ungar. Nationalistenführer 1848 321 Kövess von Kövessháza, Hermann, GO, 1915–1916 Kdt. 3. Armee am Balkan und in Südtirol 261, 266 Krafft von Dellmensingen, Konrad, bay. GLT., bis Mai 1915 Chef d. Gst. d. 6. Armee, dann Kdr. d. Dt. Alpenkorps, 1918 Kdr. Generalkdo. II. bay. AK 25, 41, 175–179,

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206–207, 221, 225–226, 247, 312, 330, 430, 432–433, 435–437, 461, 463–465, 467–469, 480, 485, 488–493, 495, 498–501, 504, 507, 510–511, 548, 568–570, 574–576, 617–618 Kraft, Emil, Tiroler Reichsratsabgeodneter, steirischer Nationalratsabgeordneter, 1923 Handelsmin. 423 Kraus, Karl, österr. Schriftsteller 42, 51, 147, 308, 380 Krauß, Alfred, ö.u. FML (GdI), Generalstabschef d. Hgr. „Ehg. Eugen“ 25, 205–207, 244, 260–262, 270, 332, 336, 349–350, 353, 355, 377, 399 Krautwald, Joseph Ritter von Annau, ö.u. FML, 1915/16 Kdt. III. Korps 266 Kress von Kressenstein, Gustav, bay. OTL, 1918 im bay. KM z.b.V. 446 Kreußer von, bay. Bezirksamtmann 523, 526 Kristof, Emil, K.u.k. Hptm. i.G., KSchRgt Nr. II 231 Krobatin, Alexander von, ö.u. FZM, 1912–1917 Kriegsmin., 1917 Kdt. d. 10. Armee in Kärnten 86, 354, 379, 406, 416 Krupenski, 1915 russischer Botschafter in Rom 77 Kuhn, Franz Frh. von Kuhnenfeld, Kriegsmin. 1867–74, dann Generalkdt. von Steiermark, Kärnten und Krain 108–109, 197, 202 Külmer von, dt. Konsul in Innsbruck 1918/19 476, 501 Leinweber, Rudolf, bay. Kommunalpolitiker 526, 528 Leiß, dt. Unteroffz., 1918 Geschützführer im Grenzschutz 510 Lempruch, Moritz von, ö.u. Oberst, 1915 Abschn. Kdt. Folgaria, 1916 Kdt. Rayon I (Ortler) 180, 198, 210, 230–231, 400, 441

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Personenregister

Lequio, Clemente, ital. GLT, Kdt. Zona Carnia, ab 1916 Kdt. d. Truppen auf den Hochflächen 106, 271 Lequis, Arnold, dt. GLT, Nov. 1916 bis Sept. 1918 Kdr. der 12. ID 351 Lerchenfeld, Hugo Graf von und zu auf Köfering, 1880–1918 bay. Gesandter in Berlin 458 Lernet-Holenia, Alexander, ö.u. Schriftsteller, Soldat im Dragonerrgt. 9 311 Lersner, Kurt Frh. von, preuß. Legationssekretär u. 1917–1918 Vertreter des AA im Gr.H.Qu. 324 Leuthner, Karl, Journalist u. sozialdem. Politiker, 1911–18 Mitglied des Abgeordnetenhauses 405 Linder, Béla, ung. Oberst, 1918 ung. Kriegsmin. 417 Lloyd George, David, 1915 Kriegsmin., 1916–22 brit. Premiermin. 415 Lossow, Otto von, bay. OTL, 1914 Gst. Chef d. 1. bay. Reservekorps, 1915 Militärattaché in Konstantinopel, 1918 Gst. Chef beim OB des Heimatschutzes Süd 435–437 Ludendorff, Erich, preuß. GdI, Erster Generalquartiermeister i.d. 3. OHL ab 1916 329, 374, 449, 616 Ludwig II., 1864–1886 König von Bayern 520 Ludwig III., 1913–1918 König von Bayern 74, 619 Lueger, Karl, 1897–1910 Bürgermeister von Wien 321 Lukachich von Somorja, Géza, ö.u. General, Kdt. 20. Honvéd-I.D. 306 Lütgendorf, Kasimir von, ö.u. FML, 1907–1911 Kdt. LSch. Rgt. Nr. 1, 1916 Kdt. XXI. Korps 204–205 Lützow, Ferdinand von, ö.u. OTL im KSch. Rgt. Nr. I. 306–307

Macchio, Karl von, ö.u. Diplomat u. Vertreter des Botschafters Mérey in Rom 54 Matschik, Martin, ö.u. Feldkurat 295 Mattanovich, Erwin, ö.u. FML, 1914–1916 Militärkdt. III. Korps (Graz), bis 1918 Kdt. XV. Korps (Sarajevo) 121 Maximilian II., 1848–1864 König von Bayern 520 Mayer, Rupert, Jesuitenpater, Kriegsteilnehmer im dt. Alpenkorps 522 Metternich, Clemens Wenzel, österr. Außenmin. u. Staatskanzler 321 Metzger, Joseph, österr. GM, 1916 Stellvertr. Chef d. Gst. 262, 325 Michel, Leonhard, bay. Pionier, 1918 beim Stab bay. Div.-NachrichtenKdr. 4 506 Mlekusch, Robert, österr. Kaiserschütze 284, 310, 425, 429 Moelinger, 1918 Landespräs.-Stellv. Kärntner Nationalrat 485 Moltke, Helmuth Johannes Ludwig von, pr. GO, 1906–1914 Chef d. Gst. d. Armee 55, 60, 117, 321 Moltke, Helmuth von, pr. GFM, 1857–1888 Chef d. Gst. d. Armee 321 Montuori, Luca, ital. GLT, 1917 Kdt. 2. Armee 341 Moser von Filseck, Karl, württ. Diplomat, Gesandter in München 460–461 Moser, Adolf, Bürgermeister von Füssen 520–521, 526–527, 529, 533 Mussolini, Benito, ital. Politiker, ab 1922 faschist. Diktator u. Min. Präs. 52, 66, 169, 416, 538, 540 Napoléon Bonaparte, franz. Staatsmann und Feldherr, 1804–1815 Kaiser der Franzosen 51–52, 131, 161, 188–189, 199, 203, 501

Personenregister Napoléon III., Charles Luis Nap. Bonaparte, 1852–1870 Kaiser von Frankreich 321, 431 Nava, Luigi, ital. GLT, Kdt. 4. Armee 106, 221, 246 Nivelle, Robert Georges, 1916–1917 OB d. franz. Nordarmee 329 Oertel, bay. Hptm. 181 Ottolenghi, Giusepe, 1902–1903 ital. Verteidigungsmin. 167 Pecori-Giraldi, Guglielmo von, ital. FM, Kdt. 1. Armee (Trentino) 267 Pengov, Ludwig von, ö.u. Oberst, 1911–1914 Organisator d. ArtillerieVerteidigung Tirols, 1915 Kdt. FAB Nr. 1 (Trient), 1917 Kdt. 57. Feldart.Brig. 218 Pétain, Henri Philippe, franz. FM, ‚Held von Verdun‘, 1917 OB d. franz. Nordarmee 377 Pfersmann von Eichthal, Rudolf, K.u.k. Oberst, Gst. Chef LVK Tirol bis 1915, Gst. Chef K.k. 45. Sch. Div. 1918 126, 216–217 Philippovic´ von Philippsberg, Josef Frh., ö.u. FZM, 1870–74 Chef LVK Tirol/Vorarlberg 159 Pichler, Cletus, ö.u. GM, 1915 Gst. Chef des LVK Tirol, 1916 Gst. Chef 11. Armee 222, 227–228, 261, 264 Piller, Andreas, ö.u. Soldat u. Bergführer 234–235 Pollio, Alberto, ital. General, bis 1914 Chef d. ital. Gst. 59, 99 Pölzer, Hans, K.u.k. Feldjäger, Kriegsschriftsteller 42, 311 Polzer-Hoditz und Wolframitz, Arthur von, ö.u. Beamter, Kabinettschef Kaiser Karls 325 Praun von, 1918 bay. Regierungspräsident v. Schwaben u. Neuburg 523, 533–534

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Praxmarer, Hofbesitzerin in Oberau bei Bozen 423 Puchinger, ö.u. OTL, 1915 Kdt. Panzerwerk Riva 220 Rapp, Franz von, ö.u. Soldat 234–235 Ratzenhofer, Emil, ö.u. Mjr. i.G., stv. Chef d. Feldtransportwesens 421 Redlich, Josef, österr. Staatsrechtsprofessor und Politiker 269, 356, 394, 542 Regele, Oskar, ö.u. GM, Dir. d. Kriegsarchivs in Wien 395, 453, 628 Reitz, Friedrich von, bay. Mjr., 1918 im Grenzschutz (Kdr. Abschnitt V) 465 Rodd, Renell, brit. Botschafter in Italien 66, 88, 272 Rogger, Benitius, ö.u. Soldat u. Bergführer 234–235 Rohr von Denta, Franz, ö.u. GdK, 1916–1917 Kdt. 11. Armee 121, 123, 125–126, 221, 262 Romberg, Gisbert Frh. von, dt. Gesandter in der Schweiz 1912–1919 480 Rommel, Erwin, 1915–1918 OLT im württ. Geb.Bat., ab 1942 dt. FM 41, 351–352 Ronge, Maximilian, ö.u. OTL, 1914–1917 im AOK (Nachrichtenabt.) 325 Rosen, Friedrich, dt. Gesandter in Den Haag 445 Roßhaupter, Albert, 1918/19 bay. Staatsmin. für milit. Angelegenheiten 515, 518, 620 Rossi, ital. Divisionsgeneral 248, 512 Roth von Limanowa-Lapanów, Joseph, ö.u. GdI, 1915 Kdt. XIV. Korps, ab 1916 Kdt. LVK Tirol und Kdt. d. 20. Korps in Südtirol 247 Rupprecht, Kronprinz von Bayern, 1914 OB d. 6. Armee, 1916 GFM, OB d. „Hgr. Kronprinz Rupprecht“ 175, 374, 443, 446, 461–462, 619

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Personenregister

Salandra, Antonio, ital. Politiker, 1914–1916 zweimal Min. Präs. 66, 104, 542 San Giuliano, Antonio Marquis de, 1910–1914 dreimal ital. Außenmin. 58, 61, 63 Sasonov, Sergeij Dimitrievicˇ, 1910–1916 russ. Außenmin. 77, 79 Schaaf, Max, bay. OTL, 1918 im Grenzschutz (Kdr. Abschnitt IV) 465 Schäffer von Bernstein, Frh. Friedrich, dt. Oberst, 1918 Mitglied der ö.u. Waffenstillstandskom. 415 Schalek, Alice, österr. Journalistin 308 Schemua, Blasius, ö.u. FML, 1912 Chef d. Gst., 1913 GdI, Kdt. XVI. Korps 116 Scheuchenstuel, Viktor von, ö.u. FZM, Kdt. VIII. Korps 266, 324 Schiessler, Oskar von, ö.u. Oberst, 1915 Kdt. 179. Inf. Brig. (Rayon V), Grp. Kdt. Franzensfeste-Bruneck 1915 218 Schintling, Karl von, bay. OTL, 1918 im Grenzschutz (Kdr. Abschnitt III für OTL Hößlin) 28, 504, 570–571, 575, 582 Schlieffen, Alfred von, preuß. General, 1891–1905 Chef d. Gst. d. Armee 61, 99 Schmid, ö.u. Hptm., 1916 Kdt. der Gletscherstellung Marmolata 295 Schneller, Karl, K.u.k. Oberst i.G., 1915/16 Leiter d. Kriegsgruppe Italien in der Op.Abt. d. AOK, 1917 Gst. Chef des XIV. Korps, 1918 Mitglied der ö.u. Waffenstillstandskom. 254, 257, 262 Scholz, Franz Edler von Benneberg, ö.u. FML, 1915 Kdt. d. 90. I.D. (Rayon IV), dann Kdt. 18. ID 218 Schön, Josef, ö.u. GM, Kdt. K.k. 22. Schützendivision 326

Schönaich, Franz Xaver von, 1906–1911 K.u.k. Kriegsmin. 382 Schörner, Ferdinand, 1918 bay. OLT, 1945 GFM 351 Schraffl, Josef, 1901–1918 österr. Abgeordneter, Mitglied d. Tiroler Nationalrates, 1917–1921 Landeshauptmann von Tirol 477–478, 491–492, 499 Schuschnigg, Kurt, 1934–1938 österr. Bundeskanzler 321 Schwarte, Max, preuß. GLT, Militärschriftsteller 277 Schwarzenberg, Felix Fürst zu, 1848–52 österr. Min.Präs. und Außenmin. 321 Schweinitz, Wilhelm von, dt. Mjr. i.G. u. 1914/15 Mil. Attaché in Rom 74 Scotti, Karl, ö.u. FML, 1916 Gst. Chef d. 10. Armee 336 Seeckt, Hans von, preuß. GdI, 1915 Chef d. Gst. d. Hgr. Mackensen, 1920 Chef d. dt. Heeresleitung 435 Segantini, Gottardo Guido, schweizer Künstler 62 Solf, Wilhelm Heinrich, 1918 Staatssekretär des dt. AA 486, 501 Sonnino, Giorgio Sidney, 1914–1916 ital. Außenmin. 75, 80, 84, 542 Speckbacher, Josef, Tiroler Freiheitskämpfer 430 Spiegel, ö.u. Oberst, 1915 Kdt. d. 50. Halbbrigade (Abschnitt Judicarien) 218 Spitzemberg, Lothar von, Kabinettssekretär d. dt. Kaiserin 357 Spitzmüller von Tonalwehr, Amadeo, ö.u. GM, zugeteilt der 10. Armee 566 Sprecher von Bernegg, Theophil, Chef d. schweizer. Gst. im Ersten Weltkrieg 230 Stegemann, Hermann, schweizer Militärhistoriker u. Schriftsteller 351

Personenregister Stein, Hermann von, bay. GLT, 1915–1917 Kdt. d. 8. bay. Res. Div., 1917 Kdt. III. bay. Korps (Grp. Stein) 182, 336, 348, 350–351, 461 Steiner, Andreas, K.u.k. GendarmerieRittmeister, Eroberer des Scorluzzo 231–232 Stiller, ö.u. Oberst, 1915 Kdt. d. 54. Halbbrigade (Rayon II Tonale) 218 Streil, bay. LT, 4. MG Komp. im IR 19 363 Strohmaier, Josef, Kaiserschütze des III. KSch. Rgt. Innichen 49–50, 251, 295–297, 301–302, 550 Stumpf, Franz, 1918 Mitglied der Provis. Nationalversammlung, 1921–1935 Landeshauptmann von Tirol 526 Stürgkh, Karl Reichsgraf von, österr. (K.k.) Min.Präs. 69 Sündermann, Ludwig von, ö.u. GM, Gst. Chef 11. Armee 324 Suworow, Alexander Wassiljewitsch, russ. General des 18. Jhds. 199 Taibon, Josef, K.u.k. Soldat 234–235 Taigner, Erwin, ö.u. OLT d. Festungsartillerie 219–220 Tegetthoff, Wilhelm von, öst.-ung. Admiral, Sieger von Helgoland 1864 und Lissa 1866 52 Terboglav, Ernst, ö.u. Oberst, Sperrkdt. Folgaria-Lavarone 218 Thilo, Karl Wilhelm, GLT der Bundeswehr, ehem. Kdr. 1. Geb. Div. 88 Tisza von Borosjenö und Szeged, István, 1903/05 u. 1913–1917 ung. Min.Präs. 58, 67, 69 Toggenburg, Friedrich Graf von, 1913–1917 K.k. Statthalter Tirol/ Vorarlberg 139 Tolomei, Ettore, Publizist und ital. Nationalist 151, 538 Trakl, Georg, öst. Lyriker u. Sanitätsfähnrich 215

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Treat, Charles G., US General, Kdt. d. US Mission in Italien 547 Trenker, Luis, Alpinist, K.u.k. Artillerie OLT, ab 1916 Bergführer (Hochgebirgsstreifkompanie) 17, 228 Treutler, Carl Georg von, 1911–1918 Vertreter der dt. Reichsregierung in München, 1914–1916 zugl. Vertreter des Reichskanzlers u. d. AA im Gr.H.Qu. 457, 529 Tschirsky und Bögendorf, Heinrich von, dt. Diplomat, Botschafter in Wien 1915 48, 59, 116–117 Tschurtschentaler, Anton von, ö.u. OLT, 1916 Kdt. d. 6./TKJ-Rgt. II, Verteidiger des Col di Lana 281 Tucher, Heinrich Frh. von Simmelsdorf, 1903–1918 bay. Gesandter in Wien 383, 453–454, 497 Valentini, Konstantin, ö.u. Hptm. u. Kdt. 5./KSch-Rgt. III 245, 248 Valori, Aldo, ital. Kriegsteilnehmer u. Militärschriftsteller 232, 250 Varnbühler, Theodor Axel von, württ. Gesandter in Berlin 72 Viktor Emanuel III., 1900–1946 König von Italien 59, 66, 107 Vogl, ö.u. FML, Befestigungsbaudirektor Tirol 133–134 Voltolini, Graf von, Publizist 106 Vonbank, Heinrich, ö.u. Oberst, 1914 Rgt. Kdr. TKJ, 1915 Abschnittskdt. Col di Lana/ Falzarego 283 Waldstätten, Alfred Frh. von, ö.u. GM, 1915 Gst. Chef LVK Tirol, 1916 Gst. Chef „Hgr. Ehg. Karl“, 1917 Chef d. Op. Abt. AOK, 1918 stellv. Chef d. Gst. 325, 417 Wallenberg von, preuß. Rittmeister, 1918 Ordonnanz Offizier bei Gen. von Cramon 459

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Personenregister

Weber, Fritz, K.u.k. Soldat u. Schriftsteller 228, 427 Weber, Viktor Maria Willibald Edler von Webenau, K.u.k. General, 1918 Vorsitzender der österr. Waffenstillstandskom. 414–415, 417 Wedel, Botho von, 1916–1919 preuß. Botschafter in Wien 76, 353, 364, 384, 407, 449, 456–458, 484, 502, 507, 518 Weizsäcker, Karl Frh. von, württ. Außenmin. 72, 461 Wenz zu Niederlahnstein, Hugo, bay. Mjr. i.Gst., 1918 Chef der Sektion Gst./Armee-Abteilung im bay. KM 446–447 Westmoreland, William C., US General, 1964–1968 OB in Vietnam 39 Weygand, Maxime, 1917 Mitglied d. Supreme War Council 377 Wieden, Edler von Alpenbach Heinrich, ö.u. GM, 1916 Kdt. 26. Sch. Div., 1917 Kdt. 3. (Edelweiß-) Div. 123 Wiesner, Friedrich Ritter von, österr. Diplomat, 1915 Delegierter des ö.u. Außenmin. zugeteilt dem AOK 275

Wild von Hohenborn, Adolf, preuß. General, ab 1915 Kriegsmin. 68, 81, 268 Wilhelm II. von Preußen, 1888–1918 Deutscher Kaiser und König v. Preußen 99, 257, 321, 329, 351, 414, 616 Willisen, Friedrich Wilhelm von, preuß. Mjr., 1915 Stabschef des Alpenkorps, 1918 Verbindungs Offz. der DOHL zum Gkdo II. bay. AK 330, 489, 563 Wilson, Henry, brit. General, Mitglied d. Supreme War Council 377, 415 Wilson, Woodrow, 1913–1921 Präsident der USA 375, 408, 538, 615, 618 Windischgrätz, Alfred von, ö.u. FM, Unterdrückte 1848 den Aufstand in Prag und in Wien 321 Zedlitz, Joseph Christian Frh. von, österr. Offizier und Schriftsteller im 19. Jhd. 87 Zita, 1916–1918 Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn 321 Zupelli, Vittorio Italico, ital. Kriegsmin. 1914–1916 100, 102

Ortsregister Abteital 244–245, 288 Achenpass 436 Adamello (Gipfel und Berggruppe) 91–92, 106, 287, 292 Addatal 91, 97, 400 Adria 25, 56, 63, 67, 73, 77, 79, 102, 105, 114, 252, 300, 302, 335, 338, 363, 410 Afghanistan 186 Afrika 53, 60, 186 Ägäisches Meer 56 Agram 98, 119, 407 Aibling 506 Ala 98, 127 Alba 288 Albanien 64, 76, 79, 83, 191, 250, 271, 615 Allgäu 524, 534 Ammergauer Alpen 533 Aostatal 188 Arraba 95 Arsiero 93–94, 97, 266, 269, 365 Asiago 94, 97, 266, 269–272, 336, 365, 402, 410, 416, 460, 615–616 Assling 98 Astico 94, 269, 401 Auer 221, 224, 535 Außerfern 520, 524, 526, 536 Avisiotal 94 Azowsches Meer 377 Bad Reichenhall 46, 579, 581 Baden bei Wien 397, 417, 428, 451–452, 455, 460, 486 Baden-Württemberg 20, 433 Bainsizza (Heiligengeist) 304, 327, 336, 352

Balkan 55–56, 61, 76, 78, 80, 87, 103, 114, 116, 120, 177, 250, 258, 375, 406, 408 Baltikum 376 Bamberg 468 Baranovicˇi 103 Bassano 94, 98, 115, 255, 260–261, 266, 270, 399 Bayern 17, 20–21, 26, 41, 45, 74, 190, 425, 430, 434–435, 444–445, 447–449, 451, 454, 456–458, 460, 462–464, 467, 481, 483, 486–488, 491, 499–500, 502, 512, 514–515, 518, 521, 525–527, 529–531, 534, 536, 547–548, 568, 572, 574–576, 578–579, 616, 618–619 – Südbayern 176, 190, 204, 432–434, 444, 448, 528 Bayreuth 434, 463 Belgien 61, 63, 74, 620 Belgrad 57 Belluno 97, 364, 616 Berchtesgaden 74, 465, 579 Bergisel 29, 190, 505, 516 Bergogna 353 Berlin 48, 59, 61, 68, 70, 72, 74–75, 83, 116, 269, 274, 353, 364, 382, 384, 386, 433, 456, 458, 460, 472, 476, 484, 486–487, 493, 500–502, 514, 531, 539, 619 Bern 48, 479, 491 Beskiden 177 Bischoflack 336 Bischofshofen 424, 495, 504, 575–577 Bizerta 54 Böhmen 433, 435, 458, 527, 617 Bologna 100, 107, 622

706

Ortsregister

Borcolapass 93, 266 Borghetto 92 Borgo 76, 127, 268 Bormio 91, 97 Bosnien-Herzegowina 157, 191, 408 Bouzier 467 Bozen 77, 91, 98, 124, 160, 221, 224, 261, 272, 323, 337, 423, 460, 508, 540, 569 Brannenburg 465, 571 Braunau 436, 446 Bregenz 161, 428–429, 434–435, 490 Brenner 68, 90, 103, 107, 109, 191, 416, 425–428, 448, 458, 462, 477, 485, 489, 492–493, 495, 497–499, 503, 505–506, 508–510, 512, 514, 516, 528, 530, 535, 538, 540, 568–569, 575, 577–578, 618–619 Brenta (Fluß) 94, 136, 206, 254, 269, 362, 398, 401, 460 Brest-Litowsk 324, 373, 375, 393, 620 Brione 92, 135, 220 Brixen 124, 132, 221, 224, 241, 244, 472, 508, 510, 512–513, 619 Bruck a. d. Mur 98 Bruneck 123, 221, 223–224, 226, 244–245, 428 Buchenstein (Pieve di Livinallongo) 138, 225 Budapest 98, 118, 301, 322, 616 Bug 376 Bukarest 117, 376, 620 Bukowina 70, 78, 272 Bulgarien 85, 250, 373, 408 Cadore 106, 115, 320, 359, 378 Cagliano 263 Calceranica 263 Campoformio 189 Campolongo (Pass) 94 Canazei 94, 128, 225, 288 Carlowitz 490 Carriola 137, 140

Cavalese 161, 225–226 Ceraino 97 Cervignano 98 Cevedale 124, 198 Chantilly 325 Cherz (Plateau) 225, 244 Chiesa 93, 253 Chile 174 China 174 Chodorow 325 Chotin 376 Cima di Vezzena 137, 227, 241, 264 Cimaldolmo 411 Cismontal 107 Cison 460 Cividale 337, 356–357, 360 Codroipo 362 Cogolo 92, 94 Col Campogrosso 93 Col del Rosso 402 Col di Lana 227, 243–248, 277–279, 281–282, 288 Comer See 91 Compiègne 534, 619 Condino 221 Conegliano 364, 412 Cordevoletal 288 Cormons 98 Corno 135 Cornuda 398 Cortina d’Ampezzo 44, 94–95, 127, 222 Corvara 225, 245–246, 288 Costa d’Agra 268 Custozza 52 Dalmatien 64, 68, 79–80, 103, 143, 157, 189, 416, 538 Den Haag 445 Deutsches Reich 20–21, 23, 26, 39, 45–46, 52–54, 61–64, 67–68, 72–75, 78, 80, 82, 84–85, 87, 98–99, 117, 163, 169–171, 173, 176, 179, 195,

Ortsregister 203, 225, 227, 258–259, 347, 358, 374, 379, 382–383, 385, 388, 394, 414–415, 418, 432, 434, 437–438, 445, 451, 454–456, 459, 464, 469, 476, 480, 483, 485–488, 490–491, 500, 508, 515, 517, 523, 526, 528–529, 534, 536, 539, 548, 565–566, 575, 579, 581, 620, 627 Deutschland (Weimarer Republik) 40 Dnjepr 375 Doberdo 300, 303–304, 306, 309, 318, 326, 558–561 Dolomiten 25, 94, 127, 135, 158, 178, 222–223, 233, 236, 244, 247, 255, 287, 308, 310, 312, 545 Donau 87, 118, 435–436, 446, 465, 570–571 Donez 377 Drau 98, 104, 109, 221 Drei Zinnen 223–224, 235 Dreisprachenspitze 91, 230–231, 441 Dresden 47 Duino 304–305 Edolo 92, 97, 147 Eisack 90, 108, 110, 124, 221, 226, 509 Elsass/Elsass-Lothringen 71, 74, 176, 620 Enns 98, 321 Eritrea 54 Estland 375 Etsch 90, 92–93, 96, 106, 108–110, 124, 127, 136, 221–222, 253–254, 258, 260, 266, 269, 288, 415, 417, 569 Fajti Hrb 304, 309 Falzaregopass 227, 244 Fassaner Alpen/ Fassatal 90, 94, 124, 128, 225, 227, 288 Feltre 97, 237, 362, 364 Fernpass 446, 490, 519–520, 524, 530 Fiera di Primiero 94, 124

707

Finnland 376 Fiume 142–143, 538 Fleimstal 90, 124, 135, 161, 238, 247, 260, 288 Flitsch 25, 94, 125, 135–136, 330, 334–335, 337–338, 340, 348, 350, 357, 371, 402, 426, 547 Flottbeck 73 Folgaria 25, 44, 93, 124, 136–137, 140, 180, 227, 241, 260, 263–264, 266, 419 Fonzaso 97 Frankreich 18, 51–55, 60, 62, 64, 71, 77, 79–80, 100, 122, 171, 190, 204, 258, 325, 343, 374, 376–377, 392, 431–432, 435, 480, 544, 560–561, 620, 628 Franzensfeste 98, 128, 132, 423, 426, 428, 464, 477, 489, 509–513, 568–569, 619 Freilassing 456, 465, 577, 581 Freistadt 446 Friaul 94, 96, 102, 356, 363–364, 366, 380, 545 Fucine 123 Fürth 468 Füssen 436, 519–520, 523–526, 528–530, 532–534, 566–567 Gadertal 95, 124 Gailtal 95 Galaz 376 Galizien 48, 118, 157, 160, 163, 216, 250, 301, 320, 374, 376, 438 Gallipoli 79 Gardasee 91–92, 96, 107, 110, 127, 137, 158, 219, 266, 365, 399 Garmisch 436, 465, 517–518, 619 Gastein 509, 511, 569, 575, 577, 618 Gemona 106, 354, 356 Gerlospass 499 Gettysburg 194 Glatz 74 Gomagoi 91, 133, 138, 140, 239

708

Ortsregister

Gorlice 87, 102, 118, 324 Görz 68, 79, 89, 98, 103, 105, 121, 125, 141, 300, 303–305, 309–310, 326, 328, 335, 338, 352, 357, 364, 416, 538, 558–559, 561 Gossensass 505, 507, 510, 512, 569, 618–619 Gradisca 68, 79, 82, 301, 304, 306, 311 Grado 310 Graz 98, 121–122 Griechenland 70 Grigno 136 Großbritannien 37, 53–54, 77, 79, 102, 257, 357, 374, 377, 392, 445, 480 Grödnertal/ Grödnerjoch 124, 128, 244 Haidenau 301 Hall in Tirol 427, 620 Hallein 434 Herat 186 Hindelang 434, 436 Hochwied 512 Hofgastein 511 Hohenschwangau 520, 533 Hohenweiler 434 Höhlensteintal 223, 234 Hollbruck 128 Idersko 351 Idria 338 Idrosee 91–92, 97, 127 Imst 160, 427, 530 Inn 98, 434, 436–437, 446, 497, 499, 508, 513, 517, 574, 621 Innichen 95, 98, 110, 160, 569 Innsbruck 29, 46, 98, 113, 121–123, 126, 129, 136, 139, 146–147, 149, 160–161, 190, 221, 227, 261, 285, 426–427, 434, 446, 472, 476, 478, 480, 483, 485–486, 488–489, 491–492, 495, 497, 499, 503–506,

508–509, 516–518, 520, 524, 528–529, 538, 568, 572, 575–576, 618, 620 Isar 436, 463 Isonzo (Socˇa) 25, 29, 37, 41–42, 89–90, 94–96, 104–109, 112, 115, 136, 141, 158, 160, 194, 207, 221, 223, 247, 254, 267, 273–274, 300, 302–306, 308–310, 312, 320, 325, 330, 337–338, 340–341, 345, 350, 352–353, 363–364, 372, 374, 392, 542, 545–546, 558 Istrien 79, 105, 142–143, 189, 416, 538 Italien 17, 20–24, 28, 36, 42–43, 47, 49, 51–68, 70–72, 74–82, 84–88, 90–91, 98, 100, 102, 104–105, 107–109, 112–118, 120–123, 125–126, 129–130, 136, 139, 142–146, 149–150, 162–165, 171, 186, 188–189, 191, 204, 217, 225, 227, 229–230, 250, 252, 254, 256–260, 268, 304, 318, 320, 329, 334, 345, 348, 357–358, 362–363, 365, 368, 371, 375, 377, 379, 386, 392, 410, 416, 421–422, 428, 431–433, 444, 446, 451, 458–459, 463, 473–474, 478, 480, 487, 519, 524, 528, 537–538, 540–542, 546, 548–549, 559–561, 616 Jamiano 309 Jaufenpass 128, 426, 464, 509, 569, 619 Judicarien (Tal/Gebirge) 91–92, 97, 110, 124, 127, 221 Julische Alpen 25, 89, 95, 104–105, 136, 140, 158, 271, 293, 302, 320, 337 Kabul 186 Kaltenberg 506 Kameniec 376 Kamno 351 Kandahar 186 Karawanken 330

Ortsregister Karerpass 128, 225, 295 Karfreit (Caporetto) 25, 29, 318, 331, 334, 338, 340, 344, 348, 351, 359, 366–368, 370–372, 392–393, 426, 545, 547 Karnische Alpen 25, 95, 106, 124, 224, 354, 359 Kärnten 96, 106, 112, 135–136, 160, 190–191, 221, 414, 422, 470, 508, 564 Karpathen 78, 191, 320, 438 Karst 95, 290, 300–302, 311, 335, 352 Kaukasus 186, 195, 373 Kempten 465, 524–525, 530, 534 Kiefersfelden 574 Kiew 376 Kitzbühel 241, 480 Klagenfurt 89, 98, 485 Klausen 128 Königgrätz 52 Königsspitze 239 Korada 336 Koritnica 337 Kössen 490, 568 Kostanjevica 309–310 Kötschach-Mauthen 29 Kowel 376 Kozmarica 194 Krain 95, 109 Krainburg 106, 330 Kreuzbergpass 94–95, 104, 124, 221–223, 247 Krn 336, 338, 340, 351–352 Kronau 330 Kufstein 46, 423–424, 436, 446, 480, 486, 490, 497, 506, 568, 570, 572, 574 Kurland 375 Lagazuoi 283–285, 287, 310–311 Laibach 89, 98, 104–106, 118, 320, 357, 528

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Landeck 426, 502, 530 Landro 106, 124, 135, 138, 140, 221, 234, 243 Landsberg 434, 463, 504 Landshut 434, 463 Lardaro 110, 124, 133, 135, 137, 140 Lausanne 55 Lavarone 25, 44, 93, 124, 136–137, 140, 227, 241, 260, 263, 419 Lech 519, 525, 621 Ledrotal 124 Lemberg 324 Lenggries 465, 620 Leoben 118 Lermoos 434, 504, 517, 530 Levico 316 Libyen 65, 271, 626 – Cyrenaica 55 Limanowa (-Lapanów) 102, 247, 324 Lindau 436, 465 Linderhof 533 Linz 446, 485 Lissa 52 Litauen 375 Livenza 29, 96, 349, 378, 413, 460 Livland 375 Lochau 434 Lofer 490, 579 Log 335 Lombardei 51–52, 91, 96, 133, 157, 189, 361 London 77–78, 80, 117, 161, 362 Lubiana 105 Lusern 137, 227–229, 241, 252 Magenta 51 Mähren 177 Mailand 64–65, 91, 189, 478, 622 Malborghet 94, 125, 354 Mals 98, 124, 509 Mantua 51, 132, 189–190, 366 Marathon 194

710

Ortsregister

Marburg 98, 105, 118, 260–261 Marengo 188 Mariupol 376 Marmolata 124, 192, 225, 288–290, 292–293, 298–299 Marne 171, 362 Massaua 54 Matajur 338, 351 Matrei 426–427, 503, 507, 512, 517, 536, 620 Maurach am Achensee 490 Mayerling 321 Mazar-e Sharif 186 Mazedonien 179, 310, 373 Memmingen 434, 463 Mendelpass 508 Meran 91, 93, 241, 423, 489, 509, 569 Mero 137 Mesnjak 335 Metz 61, 467 Miesbach 465, 571, 574 Misurina 95, 223 Mittenwald 436, 489, 495, 517, 570, 619 Modena 107, 157, 189 Moena 94, 135, 138 Mojstrovka 330 Monfalcone 98, 300, 303–304, 306, 309–310, 357 Mont Blanc 166 Mont Cenis 366 Monte Baldo 92, 124 Monte Bell 402 Monte Brione 92, 135, 220 Monte Cagola 272 Monte Canin 338 Monte Cimone 269 Monte Cornetto 241 Monte Corno (Monte Corno di Battisti) 147 Monte Coston 227, 241 Monte Cristallo 124, 246

Monte Ermada (Hermada) 304, 326 Monte Grappa 410, 412 Monte Jeza 340 Monte Kempel 268 Monte le Zuffine 353 Monte Maggio 124, 227, 269, 338, 353 Monte Maggiore 338, 353 Monte Matajur 338, 351 Monte Meata 269 Monte Mia 338 Monte Novegno 270 Monte Padon 124, 225 Monte Pasubio 124, 136, 269, 287, 363, 372, 398 Monte Pertica 411–412 Monte Piano 223 Monte Pradazzo 225 Monte Pressolan 411 Monte Priaforà 270–271 Monte Sabotino 304, 309, 356 Monte San Gabriele 304, 326–327, 335, 352 Monte San Michele 304, 306, 309 Monte Santo 304, 326 Monte Scorluzzo 231–232, 238, 546 Monte Sief 244, 246, 248, 281 Monte Skutnik 353 Monte Stol 338, 353 Monte Valina 460 Monte Verena 94 Monte Zevola 93 Montello 194, 403, 410, 459 Montenegro 64, 191, 250 Mori 98 Mortelltal 92 Mrzli 351 München 48–49, 172, 221, 323, 331, 358, 434, 445–446, 448, 450, 453–454, 456–457, 460–461, 463, 465, 472, 476, 485, 488, 490, 492, 494–495, 498, 504, 515, 518–519,

Ortsregister 522, 526–531, 533, 570, 574–576, 581–582, 616–619 Murnau 465, 621 Murtal 125 Naßfeldpass 95 Nabresina 98 Naglerspitze 232, 238 Nassereit am Fernpass 490, 568 Naturns 124 Nauders 128, 132, 138, 429, 509 Neapel 70, 144, 157, 622 Neuhaus 172 Neumarkt 231, 508 Neuschwanstein 520, 533 Nonsberg 110 Nonstal 92, 124, 133 Nova Gorica 304 Novegno 269, 272 Nowosielica 376 Nürnberg 447 Oberjoch 525 Oberösterreich 113 Oberpfalz 461 Oberrhein 59 Oberstaufen 434, 436 Oberstdorf 525 Oderzo 460 Odessa 376 Okna (Bukowina) 272 Olang 235 Olyka-Luck (Wolhynien) 272, 274–275 Ortigara 207 Ortler 90–92, 106, 158, 180, 198, 229, 236, 292, 546 Ospedaletto 268 Osteria 340 Österreich 33, 51, 131–132, 142, 144, 152, 189–190, 417, 431, 509, 538–539, 541, 575, 578–579, 581, 620

711

Österreich-Ungarn 20–21, 23–25, 28, 30, 36, 39, 41, 45–46, 49, 51, 53–56, 58, 61, 63–64, 66–68, 71–78, 80–81, 83–87, 90, 94, 97–103, 105, 108, 114, 117–118, 120, 122, 129, 135, 142–144, 146, 148, 150, 153–154, 157, 159, 165–166, 169, 171, 176–177, 204, 216, 226, 250, 254, 257, 269, 305, 308–309, 320–321, 353, 356, 372, 375–376, 378–379, 382–383, 385, 388, 390, 399, 405, 416, 421, 432–433, 443–446, 449–452, 454, 456–459, 464, 486, 491–492, 495, 498, 527–528, 542–543, 547–548, 615–616, 618 – Deutschösterreich 20, 407, 445, 455–456, 460, 469, 471–472, 474–475, 481, 483–485, 487, 490, 498, 504, 526, 529, 532, 535, 548, 620 Panarotta 124 Paneveggio 135, 138, 225 Papadopoli Inseln (Piave) 410 Paris 61, 77, 362, 479, 534, 541, 619 Parma 157, 321, 408 Passeiertal 509 Passo Buole 272 Passo d’Ombretta 225 Passo Paradiso 232 Pastrengo 253 Paternkofel 234, 236–237 Pejo 92, 135 Penzberg 237 Pergine 263 Persenbeug 321 Persien 191 Peschiera 51, 96, 132 Peterwardein 490 Peutelstein 95, 223 Pfronten 436, 465, 489, 525, 530 Piano delle Fugazze 93, 266 Piave 29, 90, 96, 104, 206, 361–362, 365, 367, 372, 374, 377–378,

712

Ortsregister

390–393, 398–399, 402–404, 409–412, 452, 460, 616 Piemont 51, 157, 431 Pieve di Tesino 124 Pinzgau 499 Pinzolo 124 Plätzwiese 135, 138, 223, 251 Plava 303–304, 326 Plezzo 340 Plöckenpass 94–95 Po-Ebene 115, 165, 426 Podgora-Höhe 309 Podolski 376 Pola 105 Polen 72, 154, 221, 375, 380, 413, 419 Polounik 352 Ponte di Legno 92, 97, 400 Pontebba 95, 302, 354 Pontigl 507, 512 Pordenone 364 Pordoijoch 94, 244, 280 Posina 93, 269 Potsdam 46 Prad 231, 509 Prag 321, 476, 500, 616 Pragerhof 98 Precasaglio 400 Predazzo 94, 123, 225, 238 Predilpass 94–95, 125, 131–132, 140, 330, 332 Pregasina 92 Presanella 92, 137, 232, 292 Preußen 20, 51, 173, 445, 454 Primör 378 Prvacˇina (Deutsch-Pröbatsch) 301 Przemys´l 69, 78, 87 Pustertal 90, 95, 98, 110, 120, 124, 190, 223–224, 234, 244, 247, 288, 293, 416, 423, 472, 499, 503, 509, 569 Pyritz 181

Quarnero 79 Quero 412 Raab 118 Racconigi 55 Raibler See 354 Rapallo 377, 392 Regensburg 434, 463 Reifenberg 301 Reschenpass 90, 426, 429, 434, 497, 508, 519 Resiutta 353 Reutte 434, 469, 486, 490, 520, 524–526, 528–530, 567–568 Rhein 60–61, 189, 279, 431 Rhônetal 188 Rienz 221 Riva 76, 92, 98, 110, 123, 133, 135, 139–140, 219–220 Rivoli 97 Rollepass 94, 222, 225, 227, 255 Rom 57–59, 70, 73–78, 80, 82, 84, 88, 100, 117, 187, 256, 272, 334, 443, 539 Romagnano 135 Rombon 335, 338, 349–350, 352–353 Ronchi 300 Rosenbach 98 Rosenheim 436–437, 465, 468, 496, 506, 570–572, 574–576, 582, 617, 621 Rovegno 94 Rovereto 29, 76, 93, 97, 124, 127, 147, 270, 417, 426 Rumänien 70–71, 78, 118, 176, 179, 225, 274, 375, 380, 486 Russland 21, 49, 53–55, 73, 77, 79, 86–87, 103, 105, 116, 118–119, 138, 157, 160, 216, 250, 258, 375, 386, 394, 406 Sacile 364, 460 Saga 338, 340, 353 Sagrado 301

Ortsregister Saint-Germain 538, 548–549 Salgaredo 460 Salurn 124, 508 Salzach 98, 434, 437, 509 Salzburg 98, 113, 424, 436, 446, 453, 483, 486, 490, 517, 576–577, 579, 581 Salzkammergut 513, 517, 536, 575 San Pellegrino 94, 225 San Sebastiano 93 Sankt Bernhard Pass 188 Sankt Petersburg 57, 117 Sarajewo 56 Sardinien 51, 431 Save 109, 125, 320 Savona 70 Schärding 436 Scharnitz 446, 469, 490 Schio 93, 270, 562 Schleißheim 468 Schlesien 176, 433 Schleswig-Holstein 52 Schliersee 172 Schluderbach 95, 221 Schwaben 520, 523, 529, 532, 566 Schwarzach 98, 504 Schwaz 241, 424, 620 Schweiz 89, 91, 99, 132, 188, 202, 225, 229–230, 375, 429, 474, 478–480, 491–492, 526, 530, 567 Sdricca 318 Seebach 135 Seefeld 434, 490, 568 Seikofel 225 Sellajoch 128 Semmering 125, 191, 577 Seravalle 460 Serbien 56, 58, 67, 79, 87, 99, 105, 138, 163, 177, 179, 191, 216, 246, 378, 438, 484, 615 Sernaglia 411 Sexten 95, 98, 106, 124, 135, 138, 140, 221, 224, 227, 234, 236–237

713

Sieben Gemeinden (Sette Comuni) 94, 115, 252, 309, 398–399, 401, 545 Siebenbürgen 179, 324 Sillian 227 Silz 227 Simplonpass 188 Slowenien 30, 95 Solferino 51, 431 Somme 310 Sonthofen 450, 523, 533 Sosnovice 72 Spondinig 91, 509 St. Dona di Piave 460 St. Lorenzen 95 St. Lugano 128 Steinach am Brenner 503, 506 Steingaden 530 Sterzing 488, 508–509, 515 Stilfserjoch 90–92, 107–108, 110, 126, 133, 136, 198, 222, 229, 231, 239, 365, 428, 489 Storo 91–92 Streló 115 Strino 133 Stuttgart 47, 72 Südtirol 20, 25, 77, 90–91, 93, 96, 105, 107, 109–115, 121, 136–137, 142–145, 148–151, 159, 161, 189, 218, 223, 241, 251–252, 260, 262, 267, 269, 273–274, 303, 322, 325, 337, 416, 418, 423, 470, 479, 528, 537–541, 548, 562 Sulden 92 Tagliamento 29, 96, 104, 115, 328, 335, 337, 354, 357–358, 360–362, 370, 391, 413 Tarcento 355 Tarvis 89, 95, 98, 104, 106, 233, 330 Tauferertal 230 Teragnolotal (Val Teragnolo) 93 Teschen (Cieszyn) 19, 71, 75, 119, 262, 264

714

Ortsregister

Thiene 255, 260–261, 266, 268, 270–271 Tilliacherjoch 227 Tione 76, 124 Tirano 91 Tirol 17–21, 23, 26–27, 37, 41, 45, 60, 68, 75, 79, 82, 89, 91, 93–94, 96, 98, 103–104, 108, 112–113, 121–123, 125–126, 130, 132–133, 136, 139, 141, 143–144, 149, 151, 157, 159, 161, 175–177, 179, 181, 189–191, 193, 202, 216, 219–220, 226, 230, 232–233, 238, 241, 247, 249, 251–252, 262, 265, 267, 275, 287, 307, 315, 321, 323, 335, 337, 362, 382, 398, 414, 416, 422–424, 427–433, 438, 450–451, 457–458, 460, 462–465, 469–476, 478–479, 481, 483–485, 488–495, 497–498, 500–501, 503, 512, 514–515, 519–520, 524–527, 530, 532, 537–540, 547–549, 566–569, 575, 617–618 – Nordtirol 109, 124, 218, 425, 428, 479, 486, 488, 491–493, 497–498, 503, 507, 548, 568 Toblach 95, 104, 107, 223, 233, 416, 460, 472 Tofane 124 Tolmein 25, 95, 141, 305, 308, 325–326, 330, 335, 338–340, 350, 357, 371, 402, 563 Tolmezzo 362 Tölz 436, 620–621 Tonalepass/Tonalestraße 90–92, 97, 106, 108, 110, 124, 133, 135, 137, 140, 219, 232, 287, 400, 423 Tonezza 94, 269 Toraro 94 Torrente Torre 355 Trafoi 37, 91 Traunstein 465, 581 Travenanzes 247 Tre Sassi 135, 138, 221, 283

Trentino 57, 68, 71–72, 75, 77, 79–81, 100, 104–106, 108, 113, 142–144, 147, 249, 256, 273, 410, 418, 538, 541 Treviso 399 Tribusa 336 Trient (Trento) 29, 64, 76–77, 90, 93–94, 98, 105, 107, 110–112, 123, 132–133, 135–136, 139–140, 147, 150, 160, 207, 221, 224, 249, 254, 261, 263, 336, 408, 417–419, 424, 428, 433, 470, 549 Triest 64, 73, 76–77, 82, 89, 98, 100, 103, 105, 114, 125, 142, 258, 300–301, 305, 308, 320, 326, 358, 364, 416, 538 Triglav 337 Trimelone 97 Tripolis 55, 65 Tschechoslowakei 452, 465 Tunis 53 Türkei 69, 85, 87, 102, 191, 373, 375, 559 Udine 64, 98, 340, 356–357, 360, 364 Ukraine 376, 486 Ungarn 152, 154, 157, 322, 383, 387, 407, 413, 417, 468, 486, 490, 528, 617 Val Cedeh 92 Val d’Assa 94, 241, 268, 270 Val di Genova 92 Val di Rendena 110, 124 Val di Sole 92, 110 Val Leogra 93 Val Nambrone 92, 128 Val Popena 95 Val Sarca 92, 110, 124 Val Sugana 94, 97–98, 110, 124, 127, 136–137, 207, 222, 253, 260–261, 266, 268, 309 Val Terragnolo 267 Val Zebru 92

Ortsregister Valdobbiadene 411 Vallarsa (Arsatal) 93, 136–137, 253, 255, 267 Valona 77 Valparola 221, 247, 284 Vatikan 48, 52 Venedig 63, 65, 105, 357, 361 Venetien 52, 96, 104–105, 107–109, 136, 142, 157, 189, 251–252, 254, 367, 378, 391–392, 394, 410, 414, 416, 453, 545, 561, 628 Verdun 179, 259, 305 Vereinigte Staaten von Amerika (USA) 39, 186, 357, 373, 375, 377, 480, 547, 615 Verona 93, 96, 98, 132, 145, 253, 255, 365, 478 Vicenza 253, 271, 273, 275, 365, 398–399 Villa Giusti 25, 418, 422, 432, 537, 547 Villach 89, 95, 98, 118, 125, 181, 233, 424, 429, 508 Vils 530 Vintschgau 93, 110 Vittorio Veneto 404, 409, 412–413, 421, 449 Vogesen 59, 173, 179, 312, 437, 448 Volosca 79

715

Völs 510 Volzana 340 Vorarlberg 20, 113, 121–122, 139, 157, 159, 161–162, 436, 491, 517, 520, 526, 536, 567 Walsertal 525 Weiß-Russland 375 Welschnofen 124 Westkrain 416 Wien 29, 48, 58–59, 68, 72, 75–77, 80–84, 104–105, 116, 118, 121, 153, 206, 266, 269, 282, 320–321, 323, 358, 364, 376, 383–384, 388, 407, 413, 415, 429, 448, 451, 453–454, 456–458, 470–472, 475–476, 480, 483–484, 486–487, 490, 492, 497, 507, 518, 575, 577, 622 Wilten 505 Wogersko 301 Wörgl 423–424, 490 Würzburg 447, 467, 516 Zbrucz 374, 377 Zillertal 499 Zmerinka 376 Zürich 51