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German Pages 616 [614] Year 2018
Praxishandbuch Informationsmarketing
Praxishandbuch Informationsmarketing
Konvergente Strategien, Methoden und Konzepte
Herausgegeben von Frauke Schade und Ursula Georgy Korrektorat: Ingrid Furchner
ISBN 978-3-11-053696-6 e-ISBN (PDF) 978-3-11-053901-1 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-053701-7 Library of Congress Control Number: 2018951347 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston Einbandabbildung: FrankRamspott / DigitalVision Vectors / gettyimages.com Typesetting: jürgen ullrich typosatz, Nördlingen Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Inhaltsverzeichnis Einleitung
1
I Marketinganalyse Ursula Georgy und Frauke Schade Einführung in die Marketinganalyse und aktuelle Entwicklungen
15
Haike Meinhardt Wissenschaft und wissenschaftliche Informationsinfrastrukturen im Spannungsfeld von wissenschaftspolitischer Programmatik auf europäischer und nationaler Ebene 23 Ursula Georgy Trendbeobachtung und ihre Analyse
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Ragna Seidler-de Alwis Markt- und Wettbewerbsanalyse in Zeiten von Big Data und Digitalisierung
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Frauke Schade Age of the Customer: Interne und externe Daten zur Beschreibung von Zielkunden und ihre Eignung für die Marktsegmentierung 71
II Strategisches Marketing Ursula Georgy und Frauke Schade Einführung in das strategische Marketing und aktuelle Entwicklungen
93
Petra Düren Change-Management: Wie Führungskräfte durch Kommunikation zum Gelingen der notwendigen Veränderungen beitragen können 99 Kristina Hermann Digitalisierungsprojekte ohne Stress und Streit: Von sinnvoller Dienstleisterauswahl und effektivem Projektmanagement 111 Ivonne Preusser Design Thinking: Agilität und Nutzer im Fokus der Arbeitswelt 4.0
123
VI
Inhaltsverzeichnis
Christina Kläre Prozessexzellenz in Bibliotheken
147
Franziska Klatt und Beate Guba Implementierung eines nachhaltigen Innovationsmanagements auf Basis des EFQM-Modells 162 Ursula Georgy Open Innovation und Crowdsourcing: Das Management von Offenheit Stefan Rock Neue Geschäftsmodelle auf Informationsmärkten
183
199
Christoph Deeg Gaming und Gamification im Kontext des Bibliotheksmarketings
218
III Operatives Marketing Ursula Georgy und Frauke Schade Einführung in das Operative Marketing und aktuelle Entwicklungen
233
Markus Putnings Zertifizierung und Indexierung als Instrument des Marketings und der Qualitätsmanagementdarlegung 249 Susanne Blumesberger Metadaten als Mehrwerte
279
Dirk Tunger und Andreas Meier Altmetrics: Ein innovativer Service für Bibliotheken
292
Sabine Stummeyer OER – Open Educational Resources: Chancen für wissenschaftliche Bibliotheken durch den Einsatz von freien Lehr- und Lernmaterialien in der Hochschullehre 303 Günther Neher Offene Standards als Marketinginstrument Dirk Lewandowski Personalisierung und Kontextualisierung
319
334
Inhaltsverzeichnis
Frank Seeliger Smart Services als Marketinginstrument
VII
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Dirk Lewandowski Zugänglichkeit von Information Services und ihren Inhalten über Suchmaschinen 358 Sebastian Sünkler und Friederike Hanisch Sprachsteuerung und digitale Assistenten im Informationsmarketing Ulrike Spree Usability und User Experience von Informationsdienstleistungen Frauke Schade Das Portal als Marketinginstrument Ursula Georgy Lokales Marketing
370
388
411
445
Richard Stang Orte zwischen Vergangenheit und Zukunft: Die komplexe Geschichte der Verortung von Bibliotheken 457 Christine Gläser Vom Lernort Bibliothek zum Lernraum Hochschule
465
Frauke Schade Licence to Operate: Interessen von Bibliotheken im politischen Raum vertreten 479 Rita Kamm-Schuberth Mit öffentlichen Bibliotheken Themen in der Stadtgesellschaft nachhaltig setzen 498 Johannes Neuer E-Mail-Marketing
512
Deborah Kyburz Corporate Storytelling als Marketinginstrument Joachim Griesbaum (Social) Display Advertising
537
526
VIII
Inhaltsverzeichnis
Johannes Neuer Crossmediale Kampagnen
550
IV Best Practice Ursula Georgy und Frauke Schade Best Practice: Integriertes und konvergentes Marketing
569
Ivo Vogel Services in Informationsinfrastrukturen: Überregionale Literaturversorgung im Recht, einfach? 570
Abkürzungsverzeichnis
585
Über die Autorinnen und Autoren Register
599
592
Einleitung Die digitale Transformation durchdringt heute alle Bereiche des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Lebens. Sie ist Treiber der Wertschöpfung in Wirtschaft und Gesellschaft. Schnell ändern sich Methoden der Informationsgewinnung, -bereitstellung und -verarbeitung. Auf dem Informationsmarkt entwickeln sich in einem rasanten Tempo neue Geschäftsmodelle und Distributionsstrategien, steigt und verändert sich der Wettbewerb mit neuen Anbietern. Daneben stellen gesellschaftliche Entwicklungen wie der demografische Wandel, Migration, die Urbanisierung städtischer Ballungsgebiete und die Verödung ländlicher Gebiete Bund, Länder und Kommunen vor neue und immer drängendere Herausforderungen. Für Bibliotheken, weitere Kultur-, Bildungs- und Informationseinrichtungen setzt die Innovationsdynamik heute den Imperativ, Rollen, Funktionen und Aufgaben stetig neu auszurichten, um Legitimität zu bewahren. Legitimität wird stets neu verhandelt und misst sich an der Fähigkeit, gesellschaftliche und technologische Entwicklungen zu antizipieren und ihnen mit einem modernen Angebotsportfolio zu begegnen.1
Marketing Im Marketing werden gesellschaftliche, technologische, ökonomische und rechtliche Bedingungen und ihre aktuellen Entwicklungen sowie die Gegebenheiten vor Ort systematisch ausgelotet und bewertet, um Unternehmen wie Organisationen an die sich stetig verändernden Anforderungen anzupassen. Marketing beschreibt dabei im Kern einen Prozess, bei dem auf der Grundlage einer Marktbewertung Strategien entwickelt werden, die alle Austauschbeziehungen zwischen Kunden2 und Unternehmen im operativen Marketing gestalten und deren Erfolg im Marketing-Controlling gemessen wird. Ziel des Marketings ist die Entwicklung gesellschaftlich relevanter Angebote, die sich von denen der Wettbewerber differenzieren, im besten Fall ein Alleinstellungsmerkmal aufweisen und erfolgreich auf dem Markt positioniert werden können.3 Marketing ist damit eine Funktion des Managements, die den Fokus auf die Nachfrage und den Wettbewerb auf einem Markt legt. Durch die hohe Veränderungsdynamik moderner Gesellschaften, das Auseinanderdriften von Märkten sowie die zunehmende Informatisierung aller Bereiche haben
1 Vgl. Sandhu 2014, S. 1164. 2 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Handbuch auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachvorformen verzichtet. Die Personenbezeichnungen gelten für beiderlei Geschlecht. Geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen, die sich aus dem Prinzip des Präsens ableiten, werden dort verwendet, wo sie sich als politisch korrekt durchgesetzt haben. Beiträge, die beide Geschlechterbezeichnungen verwenden, sind eindeutig gekennzeichnet. 3 Vgl. Meffert et al. 2015, S. 10–12.
https://doi.org/10.1515/9783110539011-001
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Einleitung
sich die „Spielregeln des Wettbewerbs“ und damit auch die des Marketings verändert.4 Unstrittig ist, dass es allgemeingültige Konzepte, Strategien, Methoden und Instrumente im Marketing heute nicht mehr gibt und geben kann. Vielmehr müssen diese vor dem Hintergrund der jeweiligen Branchen, ihrer spezifischen Marktstruktur und ‑dynamik sowie der besonderen Merkmale ihrer Güter und Zielgruppen differenziert und weiterentwickelt werden.5 In einer sehr weit gefassten und generischen Definition wird Marketing heute als „universelles Konzept der Beeinflussung und als Sozialtechnik verstanden, die sich auf alle Austauschprozesse von Individuen und Gruppen anwenden lässt [...], um bestimmte Ideen, die einen gesellschaftlichen Nutzen [...] stiften, zu verbreiten“6.
Service-Dominant Logic for Marketing In Marketingtheorie und ‑praxis zeichnet sich insgesamt ein Paradigmenwechsel ab, der von einem produktzentrierten hin zu einem serviceorientierten Marketingverständnis führt.7 Diese Entwicklung verschiedener Marketingströmungen haben Vago und Lusch 2004 mit dem Konzept Service-Dominant Logic for Marketing8 (SDL) in zehn Prämissen für die Gestaltung der Austauschbeziehungen von Marktteilnehmern zusammengefasst. Im Kern beruht dieses Konzept auf der Annahme, dass Dienstleistungen die Basis für jegliches ökonomische Handeln sind. Die gütertypologische Trennung von Sach- und Dienstleistung wird damit aufgehoben. Die Leistung verkörpert darin als Produkt und/oder Dienstleistung das eingebrachte Wissen und die Kompetenz des Leistungserbringers und wird zum Medium zwischen Kunden und Unternehmen. Der Wert der Leistung entfaltet sich jedoch erst im Kontext seiner Nutzung (Value in Context) und ist phänomenologisch. Der Kunde wird in diesem Verständnis zum Mitgestalter des Wertschöpfungsprozesses (Co-Creator of Value).9
Informatisierte Service-Ökonomie Weiterhin prägend für ein zeitgemäßes Marketingverständnis ist die Durchdringung aller Bereiche mit Informationstechnologie. Arnold und Knödler bringen dazu den
4 Vgl. Meffert et al. 2018, S. 2. 5 Vgl. ebd., S. 3. 6 Meffert et al. 2015, S. 10. 7 Vgl. Meffert et al. 2018, S. 10. 8 S. Vargo, Stephen L.; Lusch, Robert F.: Evolving to a New Dominant Logic for Marketing. In: Journal of Marketing 68, 2004, H. 1, S. 1–17. 9 Vgl. Drengner 2012, S. 9, 10.
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Einleitung
Begriff der informatisierten Service-Ökonomie ins Spiel, die auf einer Kombination von Informationen und Dienstleistungen beruht.10 Dazu stellen sie Folgendes fest: Durch die Möglichkeit zur digitalen Erfassung, Kommunikation, Speicherung, Analyse und Schaffung von Informationen beschreibt die „informatisierte Service-Ökonomie“ eine Welt, in der sich Akteure aus Privatwirtschaft (Haushalte und Unternehmen) und öffentlichem Sektor in einem Umfeld bewegen, das durch intelligente Umgebungen und smarte Technologien jederzeit Dienste bzw. Dienstleistungen verfügbar macht, die den Präferenzen oder Anforderungen der Akteure weitgehend entsprechen. In diesem Umfeld wird auch die Bereitstellung physischer Güter zur rechten Zeit am rechten Ort erleichtert, d. h. in bisher industriellen Produktions- und Beschaffungsprozessen spielt die digitale Technik in Form von digitalbasierten Diensten eine wachsende Rolle im Bereich von Planung, Steuerung und Koordination von Teilprozessen.11
Arnold und Knödel stellen damit nicht nur die Bedeutung von Information für die Ökonomie und damit für das Marketing heraus, sondern zeigen auch den Zusammenhang von Informationen und Dienstleistungen auf.
Information Der Begriff Information ist aus verschiedenen Wissenschafts- und Forschungsdisziplinen mit verschiedenen Sichten belegt.12 Aus der Vielzahl der Modelle und Konzepte ist für das Marketing vor allem der handlungsorientierte Informationsbegriff von Rainer Kuhlen relevant, da sich daraus die zentralen Merkmale von Informationsdienstleistungen ableiten lassen. Die knappe Formel „Information ist Wissen in Aktion und Kontext“13 bringt das Wesentliche auf den Punkt. Kuhlen definiert Information als handlungs- bzw. entscheidungsrelevantes Wissen, das eingesetzt wird, um Ziele zu erreichen.14 In dem Transformationsmodell, das dieser Theorie zugrunde liegt, stellt er den Menschen und seine Aneignung von neuem Wissen in den Mittelpunkt der Betrachtung und zeigt damit die Ordnung von Wissen und Information sowie deren wechselseitige Beeinflussung auf. Die Transformation von externem Wissen in handlungsorientierte Information hin zu neuem Wissen ist dabei nicht nur ein Prozess des Suchens, Findens und Übernehmens von Wissen, sondern „Wissen wird beim Übergang zu Information geformt, verändert und erhält dadurch einen Mehrwert“15. Ob aus Information neues Wissen entsteht, ist von der Urteilskraft und der Relevanzeinschät-
10 S. Arnold, Christian; Knödler, Hermann (Hrsg.): Die informatisierte Service-Ökonomie. Veränderungen im privaten und öffentlichen Sektor. Wiesbaden: Springer Gabler, 2018; vgl. Knödler 2018, S. 21. 11 Knödler 2018, S. 21. 12 Vgl. Hobohm 2012, S. 74. 13 Kuhlen 2013, S. 7. 14 Vgl. ebd., S. 3; Rauch 2004, S. 211. 15 Rauch 2004, S. 110.
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Einleitung
zung des Rezipienten abhängig.16 Aus den Kontextfaktoren resultiert die Relevanz der Information für die Handlung und für das Ergebnis. Kuhlen qualifiziert Information als flüchtig und verweist auf die Immaterialität von Information, die immer medial repräsentiert wird. Er zeigt damit zwei Implikationen auf, die für die Vermarktung von Information relevant sind: 1. Information ist immateriell und ihre Übertragung erfolgt mediengebunden. 2. Informationsarbeit ist eine Tätigkeit, bei der der Rezipient eine gestaltende Rolle einnimmt und die Information im Kontext bewertet.
Informationsdienstleistungen Charakteristisch an Dienstleistungen ist, dass sie Tätigkeiten und/oder Prozesse darstellen, die als Ergebnis den Bedarf von Dritten decken, indem personelle, ideelle und/oder sachliche Ressourcen bereitgestellt werden. Dies setzt die Bereitschaft und die Leistungsfähigkeit des Dienstleisters voraus. Prozess-, Ergebnis- und Potenzialorientierung stellen nach einem allgemeinen Dienstleistungsverständnis die konstitutiven Merkmale von Dienstleistungen dar.17 In Kombination mit Information können Informationsdienstleistungen beschrieben werden als [...] Potenziale, Prozesse und Produkte, die eingesetzt werden mit dem Ziel, den Informationsbedarf Dritter zu decken.18
Die Vermarktung von Informationsdienstleistungen ist voraussetzungsreich, da sowohl die besonderen Merkmale von Dienstleistungen als auch die von Information bzw. Informationsgütern berücksichtigt werden müssen. Linde weist darauf hin, dass die Bewertung von Informationsgütern19 von zahlreichen Unsicherheitsfaktoren geprägt ist, wenn er Informationsgut definiert als [...] alles, was in (digitaler) Form vorliegt oder vorliegen könnte und von Wirtschaftssubjekten als nützlich vermutet wird.20
Informationsökonomie Mit Unsicherheitsfaktoren bei marktbezogenen Transaktionen beschäftigt sich im Kern die Informationsökonomie. Diese schließt unmittelbar an verhaltenswissenschaftliche
16 Vgl. Kuhlen 2013, S. 4. 17 Vgl. Meffert et al. 2018, S. 14. 18 Plassmann et al. 2011, S. 216. 19 Der Güterbegriff ist ein übergeordneter Begriff, er umfasst sowohl Produkte als auch Dienstleistungen. 20 Linde 2012, S. 104.
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und entscheidungsorientierte Ansätze der Marketingtheorie an, widmet sich jedoch einer umfassenderen und systematischeren Analyse von Informationsstrukturen auf Märkten in ihrer gesellschaftlichen sowie ihrer volks- und betriebswirtschaftlichen Bedeutung. Dabei werden Güter hinsichtlich ihrer Eigenschaften systematisiert, um daraus Erkenntnisse für ihre Vermarktung abzuleiten.21 Diese Systematik differenziert Güter nach Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften. Bei Gütern mit hohen Anteilen an Sucheigenschaften – wie es bei Sachleistungen (Produkten), z. B. Möbeln oder Kleidung, weitgehend der Fall ist – kann die Brauchbarkeit und Qualität vom Nachfrager unmittelbar beurteilt werden. Die Sucheigenschaften geben klare Hinweise auf die Merkmale des Produkts. Anhand der Produkteigenschaften wie z. B. Beschaffenheit, Verpackung, Geruch etc. kann der Nachfrager das Gut weitgehend sicher einschätzen. Bei (Informations-)Dienstleistungen kommt der Nachfrager jedoch nicht sofort zu einer sicheren Einschätzung. Immaterielle Güter haben hohe Anteile an Vertrauens- und Erfahrungseigenschaften. Dies bedeutet, dass sich Qualität, Wert und Brauchbarkeit der Dienstleistung nicht unmittelbar erschließen. Daraus resultiert eine ungleiche Informationsverteilung zwischen Anbietern und Nachfragern, die auch als „Informationsasymmetrie“ bezeichnet wird22 und das zentrale Paradigma der Informationsökonomie darstellt: Der Anbieter weiß mehr über das Gut als der Nachfrager. Für den Nachfrager resultiert aus dieser Informationsasymmetrie ein höherer Aufwand, das Informationsdefizit auszugleichen, um eine sichere und effiziente Entscheidung über die Eignung und den (individuellen) Wert des Gutes und den Aufwand seiner Beschaffung treffen zu können. Das Informationsdefizit ist umso größer, je höher die Anteile an Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften sind.
Die dualen Gütereigenschaften von Information, deren Weitergabe immer mediengebunden erfolgt, führen zu weiteren Merkmalen und Effekten, die bei der Vermarktung berücksichtigt werden müssen. Gerade bei sogenannten quartären Medien, bei denen die Weitergabe von Information digital erfolgt, können identische Kopien angefertigt werden, ohne dass Qualitätsverluste entstehen. Information kann dabei über das Internet einfach distribuiert sowie orts- und zeitunabhängig zur Verfügung gestellt werden. Information stellt – zumindest in der Phase der Verbreitung – ein öffentliches Gut dar, das prinzipiell jedem zur Verfügung stehen kann.23 Aufgrund des geringen Produktionsaufwands sind gerade bei quartären Informationsgütern die Skaleneffekte des First-Copy-Cost-Effekts besonders ausgeprägt. Der First-Copy-Cost-Effekt resultiert aus der Tatsache, dass die Produktions- bzw. Anschaffungskosten im Vergleich zu den Folgekosten der Distribution und der Leistungspflege recht hoch sind.24 Das
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Vgl. Meffert et al. 2015, S. 38. Vgl. ebd.; Plassmann et al. 2011, S. 218. Vgl. Linde 2012, S. 125. Vgl. ebd. S. 109; Gantert 2016, S. 416.
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Verhältnis von hohen Fixkosten und niedrigen variablen Kosten führt zu einer Fixkostendegression, die insbesondere über digitale Kanäle die schnelle und kostengünstige bzw. kostenfreie Verbreitung von Information theoretisch ermöglicht.25 Dies führt zu einer zunehmenden „Verfügbarkeit von digitalen Informationen nach dem Prinzip ‚anytime‘ & ,anywhere‘ & ‚anyhow‘ und zu grundlegend neuen Wertschöpfungsprozessen“26. Gute Qualität wird dabei häufig von schlechter Qualität verdrängt, weil kostenfreie Information schneller und ohne aufwendige Redaktions- und Qualitätssicherungsprozesse publiziert werden kann.27 Das Informationsgut kann dabei das verlieren, was es eigentlich marktfähig machen sollte: Es besteht die Gefahr von Marktversagen. Marktversagen bedeutet, dass das Angebot größer ist als die Nachfrage und damit kein Markt zustande kommen kann. Knappheit entsteht nicht aufseiten der Anbieter, sondern aufseiten der Nachfrager und durch die natürliche Begrenztheit ihrer Informationsverarbeitungskapazitäten. Informationsüberlastung, Consumer Confusion und Reaktanzen sind mögliche Folgen.28 Insbesondere bei Informationsanbietern mit öffentlichem Versorgungsauftrag ist noch eine weitere gütertypologische Einordnung notwendig, die für die Vermarktung von Informationsdienstleistungen relevant ist. Öffentlich finanzierte Einrichtungen verfolgen mit ihrem Angebot wohlfahrtsorientierte Zielsetzungen, die auf die Erfüllung eines gesellschaftlichen Auftrags ausgerichtet sind. Die öffentliche Hand greift gezielt in den Markt ein, weil das Angebot als so wichtig bewertet wird, dass es Bürgern unabhängig von der individuellen Gegenleistung zur Verfügung stehen soll. Meritorische Güter leisten einen Beitrag zur Daseinsvorsorge, zu Bildung, Gesundheit, Freizeit oder Kultur. Ihre öffentliche Subventionierung muss sich durch den kollektiven Wert und die Erfüllung eines relevanten Gemeinschaftsinteresses rechtfertigen.29 Die Rahmenbedingungen für das Handeln geben hier maßgeblich politische Entscheidungen vor, nicht das marktliche Prinzip von Angebot und Nachfrage.
Informationsmarketing Angelehnt an die „klassische“ Definition von Marketing wird Informationsmarketing in diesem Handbuch als systematischer Prozess verstanden, der auf der Grundlage der Marketinganalyse Strategien für die Vermarktung von Information und Informationsdienstleistungen entwickelt, sie im operativen Marketing umsetzt und ihren Erfolg bewertet. Den Hintergrund bilden dabei die besonderen Merkmale von Infor-
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Vgl. Linde 2012, S. 108. Meffert et al. 2015, S. 9. Vgl. Linde 2012, S. 114. Vgl. Bruhn et al. 2014, S. 1; Esch 2014, S. 30. Vgl. Bekmeier-Feuerhahn, Ober-Heilig 2014, S. 33.
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mation und Informationsdienstleistungen sowie die von meritorischen Gütern auf dem Informationsmarkt (Nachfrage und Wettbewerb). Um der hohen Innovationsdynamik auf dem Informationsmarkt zu entsprechen, wird ein konvergentes Marketingverständnis vertreten, das eine horizontale und vertikale Durchdringung von Strategien und Techniken aus einer 360-Grad-Perspektive anstrebt.
Fragestellung und Zielsetzung dieses Handbuchs Dem vorliegenden Handbuch liegt folgende Fragestellung zugrunde: Mit welchen Konzepten, Strategien, Methoden und Praktiken können Information und Information Services von Bibliotheken und weiteren Gedächtniseinrichtungen sowie (Medien-) Unternehmen erfolgreich und zukunftsfähig auf dem Informationsmarkt positioniert werden? Ziel ist es, die aktuellen Erfolgsfaktoren für die Vermarktung von Information und Information Services zu identifizieren und für die Vermarktung zu nutzen.
Zielgruppen Das Handbuch richtet sich an Marketingexperten, Kommunikationsverantwortliche sowie Mitarbeiter in der Öffentlichkeitsarbeit und im Marketing von Bibliotheken, weiteren Gedächtniseinrichtungen und Medienunternehmen, die Information und Information Services anbieten, sowie an Studierende bibliothekarischer, informationswissenschaftlicher und wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge.
Konzeption Das Praxishandbuch ist der zweite Band des Praxishandbuchs Bibliotheks- und Informationsmarketing, das 2012 erschienen ist. Es stellt dessen Ergänzung und Erweiterung dar und zeigt aktuelle Entwicklungen und Trends im Informationsmarketing auf. Der Fokus dieses zweiten Bandes liegt dabei einerseits darauf, zu zeigen, wie originär bibliotheks- bzw. informationswissenschaftliche Disziplinen die Vermarktung von Information und von Information Services unterstützen können, andererseits darauf, zu zeigen, welche Relevanz sie für das Marketing heute generell haben. Im Kern beziehen sich sowohl die Bibliotheks- als auch die Informationswissenschaft auf die Kuratierung, Strukturierung, Bereitstellung und Vermittlung von Informationen.30 Unter Fragestellungen des Informationsmanagements, der Informationslogistik und des Informationsverhaltens nutzen die Bibliotheks- und die Informationswissenschaft
30 Vgl. Umlauf 2016, S. 11; Georgy 2013, S. 25.
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Einleitung
Theorien, Methoden und Konzepte aus anderen Wissenschaftsdisziplinen und entwickeln diese unter bibliotheks- bzw. informationswissenschaftlichen Fragestellungen spezifisch weiter.31 Miteinbezogen werden dabei die spezifischen Rahmenbedingungen, Kontexte und Bedarfe, die sich auf dem Markt, in Gesellschaft, Politik, Recht und Ethik zeigen.32 Insgesamt liegt das Verständnis einer Handlungswissenschaft vor, das sich an den Bedarfen aus der Praxis ausrichtet.33 Während sich die Informationswissenschaft traditionell stärker auf kommerzielle Berufsfelder in (Medien-)Unternehmen, Fachinformationszentren und Tätigkeitsfeldern der Informationswirtschaft fokussiert34, bezieht sich die Bibliothekswissenschaft explizit auf die Bibliotheken.35 Der angloamerikanische Begriff Library and Information Science (LIS) ist jedoch weiter gefasst. Er umfasst alle kulturellen Gedächtnisinstitutionen, also neben Bibliotheken und Informationseinrichtungen auch Archive und Museen.36 In diesem Handbuch kommen Wissenschaftler und Praktiker zu Wort, die eine hohe Expertise bei der Bewältigung von aktuellen Herausforderungen in der Vermarktung von Information und Information Services haben. Zum Teil stammen die vorgestellten Methoden und Konzepte aus originär informationswissenschaftlichen Disziplinen, werden aber nicht immer oder bisher noch selten als Teil eines umfassenderen Marketingansatzes gesehen. Dazu gehören beispielsweise Fragen der Suche und Zugänglichkeit, der Personalisierung, der Usability und User Experience und der Leistungsmessung von Publikationen sowie aktuelle Entwicklungen in der Open-Bewegung oder dem Bereich der Lernraumgestaltung sowie der Vermittlung von Informationskompetenz. Darüber hinaus werden in diesem Handbuch Methoden, Strategien und Techniken vorgestellt, die aus anderen Fachdisziplinen entlehnt sind und auf die spezifischen Bedingungen von Bibliotheken und Informationseinrichtungen übertragen werden. Dazu gehören im Bereich der Marketinganalyse Methoden der Marktsegmentierung und der Markt- und Wettbewerbsanalyse ebenso wie des Design Thinking. Im Rahmen des strategischen Marketings wurden Methoden und Konzepte zur Entwicklung von Geschäftsmodellen aus dem Qualitäts-, Innovations- und Change-Management sowie neuere Entwicklungen im Bereich Gamification oder in der internen Kommunikation auf Bibliotheken und Informationseinrichtungen übertragen. Vorgestellt werden in den Beiträgen darüber hinaus aktuelle Trends, wie Smart Services oder sprachgesteuerte Dienste, bei denen die Übertragbarkeit auf das Marketing von Information und Information
31 Vgl. Kuhlen 2013, S. 11, 12; Hobohm 2012, S. 139. Zu diesen Wissenschaftsdisziplinen gehören die Betriebswirtschaftslehre, die Informatik, die Linguistik, die Psychologie, die Pädagogik sowie die Informations- und Medienökonomie. Vgl. Umlauf 2016, S. 11, 12; Kuhlen 2013, S. 11, 12. 32 Vgl. Kuhlen 2013, S. 11. 33 Vgl. Umlauf 2016, S. 11. 34 Vgl. ebd. S. 13. 35 Vgl. ebd. S. 12. 36 Vgl. Seadle 2013, S. 41; Hobohm 2012, S. 139.
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Services und die Chancen und Risiken für Bibliotheken und Informationseinrichtungen ausgelotet werden. Schließlich werden Methoden und Konzepte aus der originären Marketingkommunikation auf Fragestellungen des Informationsmarketings angewendet. Dazu gehören beispielsweise Instrumente aus dem Content-Marketing, wie Themenmanagement und E-Mail-Marketing, ebenso wie Lokales Marketing, Storytelling, Kampagnenkommunikation oder (Social) Display Advertising. Anhand von Best Practices wird deutlich, wie wichtig Serviceexzellenz in einem umfassenden Marketingansatz ist. Die Struktur des Handbuchs folgt dem Narrativ, das der Marketing-ManagementProzess vorgibt, und gliedert sich in die Themenfelder Marketinganalyse, strategisches und operatives Marketing, wobei die Erfolgsmessung des Marketing-Controllings in dessen unmittelbarem Bezug zu Zielen dem strategischen Marketing zugeordnet wird. Die Einführungen in die vier Teile stellen jeweils das Thema und die Charakteristik vor und ordnen darin die Beiträge des Handbuchs ein. Es wird einerseits aufgezeigt, wo das systematische Vorgehen im Rahmen des Marketing-Management-Prozesses sinnvoll ist, andererseits aber auch, wo die hohe Innovationsdynamik der Digitalisierung, die Charakteristik von Online-Märkten und die Merkmale von Informationsgütern Agilität als Maxime unternehmerischen Handelns herausfordern und eine schnelle Anpassung von Prozessen sowie eine enge Verzahnung von Analyse, Strategie und Taktik erfordern. Es liegt in der Natur der schnellen Entwicklung auf Informationsmärkten, dass dieses Handbuch dabei nicht vollständig alle aktuellen Themen aufgreifen kann. Beim gegenwärtigen Stand der Disziplin auf einem Themenfeld, das insgesamt und für Bibliotheken und Informationsanbieter im Besonderen mehr von Umbrüchen und Innovationen als von theoretischer Durchdringung geprägt ist, ist thematische Vollständigkeit, d. h. eine Berücksichtigung aller Theorien und „Schulen“ sowie eine vollkommene Konsistenz in Terminologie, Perspektiven und Positionen nicht möglich und kann auch nicht angestrebt werden. Die Herausgeberinnen hoffen, mit der Mischung aus theoretischer Darstellung sowie praktischen Anleitungen und Erfahrungsberichten die Erwartungen von Praktikern ebenso zu erfüllen wie diejenigen von Studierenden.
Danksagung Wir danken allen unseren Autorinnen und Autoren für die ertragreiche und konstruktive Zusammenarbeit sowie für den gleichermaßen inspirierenden wie interessanten Austausch. Unser Dank gilt Ingrid Furchner für das aufmerksame Korrektorat, Claudia Heyer als Lektorin und Monika Pfleghar als Herstellerin für ihre umsichtige und sachkundige Begleitung vonseiten des Verlags De Gruyter Saur. Köln, Berlin, im Juli 2018 Ursula Georgy und Frauke Schade
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Literatur Bekmeier-Feuerhahn, Sigrid; Ober-Heilig, Nadine: Kulturmarketing: Theorien, Strategien und Gestaltungsinstrumente. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 2014. Bruhn, Manfred; Martin, Sieglinde; Schnebelen, Stefanie: Integrierte Kommunikation in der Praxis: Entwicklungsstand in deutschsprachigen Unternehmen. Wiesbaden: Springer Gabler, 2014. (Basler Schriften zum Marketing, 32.) Drengner, Jan: Service-Dominant Logic. Konzept und Implikationen für das Marketingmanagement. In: Business + Innovation 3, 2012, H. 4, S. 8–15. Esch, Franz-Rudolf: Strategie und Technik der Markenführung. 8. Auflage. München: Vahlen, 2014. Gantert, Klaus: Bibliothekarisches Grundwissen. 9., vollständig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2016. Georgy, Ursula: Professionalisierung in der Informationsarbeit. In: Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation. Kuhlen, Rainer et al. (Hrsg.). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2013, S. 25–38. Hobohm, Hans-Christoph: Die Bibliothek als Wissensraum (Kapitel 5.1 Information und Wissen). In: Handbuch Bibliothek: Geschichte, Aufgaben, Perspektiven. Umlauf, Konrad et al. (Hrsg.). Stuttgart, Weimar: Metzler, 2012, S. 73. Knödler, Hermann: Gesamtwirtschaftliche und theoriebezogene Herausforderungen der informatisierten Service-Ökonomie. In: Die informatisierte Service-Ökonomie. Veränderungen im privaten und öffentlichen Sektor. Arnold, Christian et al. (Hrsg.). Wiesbaden: Springer Gabler, 2018, S. 21–34. Kuhlen, Rainer: Information – Informationswissenschaft. In: Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation: Handbuch zur Einführung in die Informationswissenschaft und ‑praxis. Kuhlen, Rainer et al. (Hrsg.). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2013, S. 1–24. Linde, Frank: Märkte für Information – ökonomische Besonderheiten. In: Praxishandbuch Bibliotheksund Informationsmarketing. Georgy, Ursula et al. (Hrsg.). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2012, S. 103–134. Meffert, Heribert; Bruhn, Manfred; Hadwich, Karsten: Dienstleistungsmarketing: Grundlagen, Konzepte, Methoden. 8., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Wiesbaden: Springer Gabler, 2018. Meffert, Heribert; Burmann, Christoph; Kirchgeorg, Manfred: Marketing: Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung: Konzepte, Instrumente, Beispiele. 12., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Wiesbaden: Springer, 2015. Plassmann, Engelbert; Rösch, Hermann; Seefeldt, Jürgen; Umlauf, Konrad: Bibliotheken und Informationsgesellschaft in Deutschland: Eine Einführung. 2. Auflage. Wiesbaden: Harrassowitz, 2011. Rauch, Wolf: Die Dynamisierung des Informationsbegriffes. In: Wissen in Aktion: Der Primat der Pragmatik als Motto der Konstanzer Informationswissenschaft. Festschrift für Rainer Kuhlen. Hammwöhner, Rainer et al. (Hrsg.). Konstanz: UVK, 2004, S. 109–117. Sandhu, Swaran: Public Relations und gesellschaftliche Kommunikation: Legitimation im Diskurs. In: Handbuch Unternehmenskommunikation: Strategie. Management. Wertschöpfung. Zerfaß, Ansgar et al. (Hrsg.). 2., vollständig überarbeitete Auflage. Wiesbaden: Springer Gabler, 2014, S. 1161–1183. Schunk, Holger; Könnecke, Thomas: Markenstrategische Herausforderungen und Lösungsansätze für Manager in konvergierenden Medien. In: Marke und digitale Medien: Der Wandel des Markenkonzepts im 21. Jahrhundert. Dänzler, Stefanie et al. (Hrsg.). Wiesbaden: Springer Gabler, 2014, S. 95–111. Seadle, Michael: Entwicklung eines Forschungsdesigns. In: Handbuch Methoden der Bibliotheks- und Informationswissenschaft – Bibliotheks-, Benutzerforschung, Informationsanalyse. Umlauf, Konrad et al. (Hrsg.). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2013, S. 41–43.
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I Marketinganalyse Ursula Georgy und Frauke Schade Einführung in die Marketinganalyse und aktuelle Entwicklungen
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Haike Meinhardt Wissenschaft und wissenschaftliche Informationsinfrastrukturen im Spannungsfeld von wissenschaftspolitischer Programmatik auf europäischer und nationaler Ebene 23 Ursula Georgy Trends, Trendbeobachtung und ihre Analyse
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Ragna Seidler-de Alwis Markt- und Wettbewerbsanalyse in Zeiten von Big Data und Digitalisierung
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Frauke Schade Age of the Customer: Interne und externe Daten zur Beschreibung von Zielkunden und ihre Eignung für die Marktsegmentierung 71
Ursula Georgy und Frauke Schade
Einführung in die Marketinganalyse und aktuelle Entwicklungen Einleitung Die Grundlagen für das strategische und operative Marketing schaffen die Analyse des Marktes und damit die Beantwortung der Frage „Wie ist der Markt aufgestellt?“. Um diese Frage zu beantworten, geht es zunächst darum, den Markt zu definieren bzw. zu identifizieren. Dieser Schritt erfolgt insbesondere über produkt- und dienstleistungsspezifische Kriterien, aber auch über geografische und andere Kriterien. Zu den produkt- und dienstleistungsspezifischen Kriterien gehören u. a. Wahrnehmungen, Einstellungen, Motive, Nutzererwartungen, Präferenzen und Kaufabsichten.1 Die geografischen Kriterien lassen sich aufteilen in makro- und mikrogeografische Kriterien. Zu Ersteren gehören u. a. Bundesländer, Städte, Landkreise und Gemeinden, zu Letzteren u. a. Ortsteile, Wohngebiete etc. In einem zweiten Schritt geht es darum, die Marktstruktur einschließlich der Marktteilnehmer zu beschreiben. Dazu sind folgende Fragen zu beantworten: – Wie groß ist der Markt und wie hoch ist sein Wachstumspotenzial? – Was zeichnet die unterschiedlichen Marktteilnehmer, Wettbewerber und neuen Anbieter aus?
Auf Information Services übertragen bedeutet dies, ihre Erfolgspotenziale zu identifizieren. Damit sie erfolgreich sind, müssen die Angebote zum einen von den Zielgruppen überhaupt wahrgenommen werden, und sie müssen als relevant und notwendig eingeschätzt werden. Denn der Kunde erwartet durch die Inanspruchnahme einen Mehrwert; deshalb sollten sich die Angebote von denen der Wettbewerber unterscheiden, d. h., ein Alleinstellungsmerkmal haben.
1 Markt Unter einem Markt wird das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage unter dem Paradigma eines Tauschgeschäfts verstanden. Um die Marktbedingungen von Anbietern und Nachfragern zu analysieren, ist der Markt hinsichtlich sachlicher, räumlicher und zeitlicher Kriterien abzugrenzen. Je nachdem, wie weit oder eng der Marktbegriff
1 Vgl. Bruhn, Meffert 1998, S. 243.
https://doi.org/10.1515/9783110539011-002
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für Bibliotheken und Informationseinrichtungen gefasst wird und die Marktbedingungen in den Blick genommen werden, sind Bibliotheken und Informationseinrichtungen auf dem Buch-, dem Medien- und dem Informationsmarkt aktiv, wobei die Marktabgrenzungen jeweils nicht trennscharf sind. Den Buchmarkt definiert Umlauf als [...] Angebot und Nachfrage von Buchverlagsprodukten. Auf der Angebotsseite gehören in den Bereich des Buchmarktes alle Akteure, die an der Herstellung und Distribution von Büchern beteiligt sind, also vor allem Urheber, Buchverlage, Buchdruckereien und deren Zulieferer, Buchbindereien sowie Unternehmen des Zwischenbuchhandels, des Bucheinzelhandels und Bücher verkaufende Privatpersonen.2
Bei Einbeziehung von Medien und Netzpublikationen ist für Bibliotheken der Medienmarkt relevant. Dieser kann definiert werden als [...] Markt, auf dem körperliche Medien, Rundfunkprogramme oder Netzpublikationen gehandelt werden.3
Auf den Informationsbegriff bezogen ist der Markt noch allgemeiner und umfassender zu definieren. Nach Linde ist der Informationsmarkt [...] [d]er ökonomische Ort des Zusammentreffens von Angebot und Nachfrage nach Information [...]. Transaktionsgegenstände sind alle Arten von Informationsgütern, d. h. Content und Software.4
Bibliotheken sind aber im Rahmen ihrer Neudefinition inzwischen auch auf anderen Märkten aktiv, z. B. hinsichtlich Gaming und Gamification in öffentlichen Bibliotheken oder hinsichtlich der Open-Bewegung in wissenschaftlichen Bibliotheken, die sich bis hin zu Open Educational Resources (OER) entwickelt hat. Den Bezugsrahmen für die Marketinganalyse bilden nach Porters „Fünf-KräfteModell“5 zunächst die Lieferanten, die bestehenden Wettbewerber und die (potenziellen) Kunden einer Branche auf einem Markt, hinzu kommen dann neue Wettbewerber und Substitute. Nach diesem Modell resultiert die Marktattraktivität einer Branche zunächst aus der Verhandlungsstärke der gegenwärtigen Strategien der Wettbewerber, den Lieferanten und ihren Entwicklungsmöglichkeiten sowie dem Bedarf der Nachfrager. Die Lieferanten finden bei der Marketinganalyse häufig zu wenig Beachtung. Dabei können gerade sie für die betrachtete Einrichtung erheblichen Druck als Wettbewerber aufbauen, z. B. durch Preiserhöhungen und Lizenzmodelle oder auch durch Disintermediation. Disintermediation bedeutet, dass Lieferanten sogenannte Intermediäre (Absatzvermittler) auf dem Markt gezielt ausschalten, indem sie direkt an den Endkunden distribuieren. Aber auch Kunden agieren nach
2 3 4 5
Umlauf 2016a, S. 84. Umlauf 2016b, S. 74. Linde 2016, S. 74. Vgl. Porter 1980.
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Porter als Teil des Wettbewerbs, indem sie bestimmte Standards einfordern, z. B. eine Zertifizierung, bestimmte Bestell- und Lieferformen, eine gewohnte Nutzernavigation, definierte Anlieferzeitfenster, Rabattierungen etc. Und im Sinne der Rückwärtsintegration der Wertschöpfungskette können auch sie auf die Idee kommen, z. B. bestimmte Produkte herzustellen. Mögliche neue Wettbewerber, die auf den Markt drängen, sind besonders gefährlich, wenn sie als Wettbewerber nicht erkannt und/oder nicht ernst genommen werden. Diese neuen Wettbewerber treten vielfach auch mit neuen Produkten und Dienstleistungen in den Markt ein. Diese stellen immer dann eine Bedrohung dar, wenn es sich um Substitute für bisher gut etablierte Angebote handelt. Häufig stehen dahinter neue Technologien, die z. B. die Digitalisierung, Automatisierung oder Robotisierung vorantreiben. Substitute können aber auch losgelöst von neuen Technologien entstehen. Ein Beispiel für ein Substitut sind die Musik-Streaming-Dienste, die die Musik-CD weitgehend abgelöst haben. Daraus lässt sich unmittelbar folgern, dass eine Marketinganalyse nicht auf der Mikroebene, d. h. in einer Geschäftseinheit – im unmittelbaren Umfeld der eigenen Einrichtung – stattfinden sollte, sondern immer auf der Makroebene, d. h. der Ebene der strategischen Geschäftsfelder, oder auf der Ebene einer ganzen Branche6. Dabei ist insbesondere für Bibliotheken zu beachten, dass sie mit ihrem Angebot wohlfahrtsorientierte Ziele verfolgen, die auf die Erfüllung eines gesellschaftlichen Auftrags ausgerichtet sind. In einer gütertypologischen Einordnung schaffen sie meritorische Güter, d. h. Angebote, die gesellschaftlich als so wichtig eingeschätzt werden, dass für ihre Bereitstellung seitens der öffentlichen Hand gesorgt wird. Meritorische Güter leisten einen Beitrag zur Daseinsvorsorge, zu Bildung, Gesundheit, Freizeit oder Kultur. Die öffentliche Finanzierung muss sich durch den kollektiven Wert und die Erfüllung eines relevanten Gemeinschaftsinteresses rechtfertigen. Die Rahmenbedingungen für bibliothekarisches Handeln bestimmen sich deshalb maßgeblich durch politische Entscheidungen und nicht durch das marktliche Prinzip von Angebot und Nachfrage. Für das Marketing ergeben sich daraus eine Reihe von Besonderheiten. Versteht man das Bibliothekssystem in Deutschland als Branche, dann sind bei der Analyse der Marktbedingungen für Bibliotheken einige Besonderheiten zu beachten, die sich aus den Gütereigenschaften von öffentlich finanzierten Informationsdienstleistungen ableiten lassen: – Bibliotheken haben vor Ort vielfach eine monopolistische bzw. oligopolistische Marktform. Daraus ergibt sich, dass einer oder wenigen Bibliotheken potenziell viele Nachfrager gegenüberstehen. – Das Bibliothekssystem ist in Deutschland kooperativ und nicht wettbewerbsorientiert ausgerichtet. Wettbewerb konstituiert sich für Bibliotheken unter öffentli
6 „Branche ist eine Sammelbezeichnung für Unternehmen, die weitgehend substituierbare Produkte oder Dienstleistungen herstellen.“ Gabler Wirtschaftslexikon o. J.
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cher Trägerschaft vor allem in der Finanzierungskonkurrenz mit anderen öffentlich finanzierten Einrichtungen, z. B. Kultur- oder Wissenschaftseinrichtungen oder Organisationseinheiten. Durch den kollektiven Wert meritorischer Güter wird der klassische marktliche Mechanismus von Angebot und Nachfrage entkräftet.7 Bibliotheken zielen nicht darauf ab, durch eine Verknappung des Angebots Bevölkerungsgruppen bewusst auszuschließen. Sowohl auf dem Buch- als auch auf dem Medien- und Informationsmarkt haben Bibliotheken in den Wertschöpfungsketten weitgehend die Rolle als Absatzvermittler, die zumindest Medien und Information, die von anderer Seite produziert wurden, an Endkunden distribuieren.
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Diese Besonderheiten fordern von Bibliotheken nach Porters „Fünf-Kräfte-Modell“ eine kontinuierliche Beobachtung des Marktes, d. h. der gesamten Branche, und insbesondere die Gefahren einer Disintermediation sowie der Eintritt neuer Wettbewerber mit Substituten sind bei der Marketinganalyse zu antizipieren. Zudem stellen die Eigenschaften meritorischer Güter Bibliotheken und Informationsdienstleister vor die Herausforderung, divergierende Bedarfe exakt zu erfassen und die Zielgruppen präzise zu beschreiben, um Angebote zu entwickeln, die „im Sinne eines optimalen Trade-offs“8 nachgefragt werden – nicht zuletzt um die Relevanz von Bibliotheken zu legitimieren. Für die Ubiquität digitaler Bibliotheken und ihrer Leistungen stellt sich darüber hinaus die Frage, wie die Öffentlichkeit zu definieren ist, für die der alimentierende Träger in der Informationsversorgung zuständig ist. Die Bibliotheks- und Informationsmärkte befinden sich durch Digitalisierung, dezentrale Erstellung der Informationen, Lösungsorientierung, neue Wettbewerber, zunehmende Wertschöpfungskomplexität, neue bzw. andere Kundenbedürfnisse, das Internet of Things etc. im Umbruch. Bibliotheken und Informationseinrichtungen sind somit von den Veränderungen der Märkte unmittelbar betroffen. Anbieter wie Amazon, Apple, Google etc. setzen auf dem Informationsmarkt gänzlich neue Standards. Sie dominieren mit ihren Plattformen den Markt und prägen das Nutzerverhalten im Internet, womit sich auch Wertschöpfungsketten und Distributionswege radikal verändern. Gleichzeitig ist der Nachfrager von heute souverän und gut informiert. Um seine Bedürfnisse zu decken, recherchiert er z. B. nach Alternativen, bevor er eine entsprechende Kaufpräferenz bildet. Diese macht er am erwarteten Netto-Nutzen fest. Nach dem Kauf werden dann Erwartung und Ergebnis miteinander verglichen, und daraus ergibt sich Zufriedenheit (die Differenz von Ergebnis und Erwartung ist positiv) oder Unzufriedenheit (die Differenz von Ergebnis und Erwartung ist negativ). Und das Schwierige für die Anbieter ist heute, dass die Komponenten, die der Kunde zur
7 Vgl. Bekmeier-Feuerhahn, Ober-Heilig 2014, S. 33, 35. 8 Bruhn 2012, S. 56.
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Berechnung heranzieht, nicht stabil sind, sondern möglicherweise von Kauf zu Kauf oder von Produkt zu Produkt variieren. Relevante Komponenten können u. a. sein: das Angebot selbst, die Beratung, die Schnelligkeit der Lieferung, der Preis, die Bezahlmöglichkeiten oder Begeisterungsfaktoren wie zusätzliche freiwillige Leistungen etc.
2 Marketinganalyse Die Marketinganalyse leistet die systematische Erhebung, Analyse und Bewertung von Informationen über Nachfrage und Wettbewerber im Verhältnis zu gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen sowie ihren spezifischen rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen. Sie liefert somit die Entscheidungsgrundlagen für die Gestaltung und Profilierung von Bibliotheks- und Informationsangeboten im strategischen und operativen Marketing. In den verschiedenen Analysefeldern werden mit verschiedenen Werkzeugen sowie mit Methoden der empirischen Sozialforschung der Markt, das Verhalten der Marktteilnehmer und weiterer Zielgruppen sowie die eingesetzten Marketinginstrumente und unternehmensrelevante Umfeldentwicklungen bewertet, um Differenzierungs- und Wettbewerbsvorteile, Kundennutzen und relevante Umfeldentwicklungen zu eruieren und Information Services erfolgreich auf dem Markt zu positionieren.9 Damit erfüllt die Marketinganalyse folgende Funktionen: – Selektion: Informationen werden gefiltert und bewertet, sodass sich Entscheidungen leichter treffen und begründen lassen. – Frühwarnung: Risiken können frühzeitig erkannt und besser abgeschätzt werden. – Innovation: Chancen werden aufgedeckt oder antizipiert und können genutzt werden. – Unsicherheitsreduktion: Die Entscheidungsinstanz wird in der Phase der Entscheidung unterstützt, indem Sachverhalte objektiviert und präzisiert werden. – Intelligenzverstärkung: Die Wissensgenerierung wird verbessert, u. a. um die Unternehmensprozesse zu unterstützen.
Damit bietet die Marketinganalyse mittels Primär- und Sekundärdatenanalyse eine solide Grundlage, auf der strategische Entscheidungen getroffen werden können.10
9 Vgl. Schade, Umlauf 2012, S. 131. 10 Vgl. ebd.
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3 Neue Entwicklungen Wissenschaftliche Informationsinfrastrukturen sind aktuell in mehrfacher Hinsicht gefordert. Zum einen stehen sie vor der Herausforderung, ihre Dienstleistungen selbst digitalisieren bzw. sie „an der zunehmend digitalen oder digital unterstützten Produktion und Distribution von wissenschaftlichem Wissen ausrichten zu müssen“11. Wissenschaftliche Bibliotheken werden so immer stärker in den wissenschaftlichen Forschungsprozess integriert bzw. sie sind Teil dieses Prozesses. Von Informationsinfrastruktureinrichtungen wird zunehmend gefordert, dass sie selbst Forschungsstrukturen aufbauen und Forschung betreiben. Diese Forschung kann bzw. soll sich zum einen auf die eigenen Services beziehen, aber zum anderen soll sie auch dazu dienen, wissenschaftliche Bibliotheken zu Experteneinrichtungen werden zu lassen. Das Besondere daran ist jedoch, dass sie gleichzeitig externen Anforderungen genügen müssen, z. B. denen der Politik. Forschung ist per se international, und die Wissenschaftspolitik wird es zunehmend. So spielt für die Forschung in Deutschland insbesondere die EU eine zentrale Rolle. Aber auch die Bundes- und Landesregierungen fördern durch Projektmittel das Erreichen ihrer eigenen Ziele, z. B. in den Bereichen Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Dies setzt die Informationsinfrastrukturen zusätzlich unter Druck; das Einwerben von Drittmitteln wird zum Standard. Und damit wird die Politik selbst zum Gegenstand im Bereich der Marketinganalyse, denn sie erzeugt über ihre Forderungen und Förderungen neuen Wettbewerb zu neuen Produkten und Dienstleistungen. Haike Meinhardt beschreibt in ihrem Beitrag Wissenschaft und wissenschaftliche Informationsinfrastrukturen im Spannungsfeld von wissenschaftspolitischer Programmatik auf europäischer und nationaler Ebene die Herausforderungen und die Folgen der Forschungspolitik auf internationaler und nationaler Ebene. Gleichzeitig macht sie deutlich, dass sich die Einrichtungen frühzeitig positionieren und die Forschung proaktiv gestalten müssen, um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben und ihre Legitimität unter Beweis zu stellen.
Damit Bibliotheken und Informationseinrichtungen auf politischer Ebene ernst genommen und hinsichtlich digitaler Dienstleistungen sowohl in der Forschungslandschaft als auch von der Politik überhaupt als relevante Einrichtungen wahrgenommen werden, bedarf es einer systematischen und kontinuierlichen Markt- und Wettbewerbsanalyse sowie eines proaktiven Trendmanagements. Zwar ist das Thema Innovation in Bibliotheken und Informationseinrichtungen bereits angekommen, doch darf das Innovationsmanagement nicht losgelöst von Trends betrachtet werden: Diese müssen erkannt, beobachtet, analysiert und bewertet werden. Insbesondere Megatrends und Trendfelder geben entscheidende Hinweise auf die Zukunft von Informationsdienstleistungen. Ursula Georgy gibt in ihrem Beitrag Trends, Trendbeobachtung
11 Meinhardt 2019, S. 23.
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und ihre Analyse einen Überblick über Megatrends, Trendfelder und Trends sowie Methoden, um diese systematisch zu erfassen, zu recherchieren, auszuwerten und hinsichtlich ihrer Relevanz für die eigene Einrichtung zu prüfen. Am Beispiel des Megatrends Konnektivität werden in diesem Beitrag die Auswirkungen auf Bibliotheken und Informationseinrichtungen und die zu erwartende Entwicklung der Services dargestellt. Ein systematisches Trendmanagement erfüllt zwei zentrale Funktionen: die der Markt- und Wettbewerbsbeobachtung sowie gleichzeitig die der Vorbereitung und Begleitung des eigenen Innovationsmanagements. Digitalisierung und Internationalisierung führen dazu, dass Unternehmen es sich nicht mehr leisten können, nur noch reaktiv zu agieren. Die informatisierte Unternehmensführung nutzt große Datenmengen (Big Data), um valide Vorhersagen zum Bedarf an Produkten und Dienstleistungen zu treffen. Dabei steht insbesondere das Kundenverhalten im Mittelpunkt der modernen Marketinganalyse. Unter Big Data versteht man die automatische Speicherung, Verarbeitung und Analyse von unstrukturierten und heterogenen, unternehmensinternen und/oder unternehmensexternen Daten. Ziel von Big-Data-Verfahren ist es, aus diesen Daten Erkenntnisse für unternehmensrelevante Fragestellungen und Entscheidungen im Hinblick auf Marktchancen und das Verhalten des Wettbewerbs abzuleiten. Ragna Seidler-de Alwis stellt in ihrem Beitrag Markt- und Wettbewerbsanalyse in Zeiten von Big Data und Digitalisierung die Bedeutung und die Anwendungsmöglichkeiten von Big Data für die Marktund Wettbewerbsanalyse dar. Gleichzeitig wird aufgezeigt, welche Bedeutung neue Quellen wie z. B. Social-Media-Daten in diesem Kontext erhalten.
Die Marktsegmentierung stellt das Bindeglied zwischen der Marketinganalyse und dem strategischen Marketing dar. Im Rahmen der Marktsegmentierung wird der Gesamtmarkt nach bestimmten Kriterien in Kunden- bzw. Nutzergruppen aufgeteilt, die hinsichtlich ihres Kauf- bzw. Nutzungsverhaltens oder ihrer Merkmale möglichst homogen und untereinander möglichst heterogen sein sollten. Ziel ist es, Entwicklungen und Trends frühzeitig zu erkennen, um sie für die verschiedenen Marktsegmente als Chancen oder Risiken zu bewerten, Erfolgspotenziale zu erkennen und auszuloten und darüber die Einrichtung und ihre spezifischen Angebote so zu profilieren, dass sie von den Zielgruppen als relevant eingeschätzt und genutzt werden und so wettbewerbsfähig bleiben.12 Soziodemografische, sozioökonomische, psychografische und verhaltensorientierte Kriterien sind die wichtigsten Merkmale zur Beschreibung von Zielkunden. Die Daten werden aus der Primärforschung oder/und durch individualisierte Auswertung von Sekundärforschungsergebnissen gewonnen. Frauke Schade diskutiert in ihrem Beitrag Age of the Customer: Interne und externe Daten zur Beschreibung von Zielkunden und ihre Eignung für die Marktsegmentierung, inwieweit sich
12 Vgl. Seidler-de Alwis 2012, S. 135; Schade 2016, S. 143.
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im Rahmen der Primärforschung Methoden der Benutzerforschung, der Informationsverhaltens- und der User-Experience-Forschung für die Beschreibung von Zielkunden eignen und welche neueren Methoden es über die Möglichkeiten der „klassischen“ Marktsegmentierung hinaus gibt, um große Mengen an (unstrukturierten) Daten auszuwerten und darüber Inhalte und Angebote für spezifische Kundenprofile zu optimieren. Im Rahmen der Sekundärforschung wird gezeigt, welche Daten Bibliotheken nutzen können, wenn keine oder kaum Daten über Zielkunden vorliegen, und welche Lebensstil- und Milieutypologien für Bibliotheken geeignet sind, um Zielkunden konkret zu beschreiben.
Literatur Bekmeier-Feuerhahn, Sigrid; Ober-Heilig, Nadine: Kulturmarketing: Theorien, Strategien und Gestaltungsinstrumente. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 2014. Bruhn, Manfred: Marketing für Nonprofit-Organisationen. Grundlagen, Konzepte, Instrumente. 2., aktualisierte und überarbeitete Auflage. Stuttgart: Kohlhammer, 2012. Bruhn, Manfred; Meffert, Heribert: Handbuch Dienstleistungsmanagement. Wiesbaden: Gabler, 1998. Gabler Wirtschaftslexikon: Stichwort Branche. O.J. https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/ branche-27701/version-251345 (Abruf: 2018.06.13) Linde, Frank: Informationsmarkt. In: Grundwissen Medien, Information, Bibliothek. Umlauf, Konrad (Hrsg.). Stuttgart: Hirsemann, 2016, S. 74. (Bibliothek des Buchwesens, 25.) Meinhardt, Haike: Wissenschaft und wissenschaftliche Informationsinfrastrukturen im Spannungsfeld von wissenschaftspolitischer Programmatik auf europäischer und nationaler Ebene. In: Praxishandbuch Informationsmarketing. Konvergente Strategien, Methoden und Konzepte. Schade, Frauke et al. (Hrsg.). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2019, S. 23–40. Porter, Michael E.: Competitive Strategy: Techniques for Analyzing Industries and Competitors. New York: Free Press, 1980. Schade, Frauke: Praxishandbuch Digitale Bibliotheksdienstleistungen. Strategie und Technik der Markenkommunikation. Unter Mitarbeit von Johannes Neuer. Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2016. Schade, Frauke; Umlauf, Konrad: Bestandsmanagement im Rahmen von Marketing-Management Öffentlicher Bibliotheken. In: Handbuch Bestandsmanagement in Öffentlichen Bibliotheken. Schade, Frauke et al. (Hrsg.). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2012, S. 117–204. Seidler-de Alwis, Ragna: Markt- und Wettbewerbsanalysen für Bibliotheken. In: Praxishandbuch Bibliotheks- und Informationsmarketing. Georgy, Ursula et al. (Hrsg.). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2012, S. 135–158. Umlauf, Konrad: Buchmarkt. In: Grundwissen Medien, Information, Bibliothek. Umlauf, Konrad (Hrsg.). Stuttgart: Hirsemann, 2016a, S. 83–84. (Bibliothek des Buchwesens, 25.) Umlauf, Konrad: Medienmarkt. In: Grundwissen Medien, Information, Bibliothek. Umlauf, Konrad (Hrsg.). Stuttgart: Hirsemann, 2016b, S. 74–75. (Bibliothek des Buchwesens, 25.)
Haike Meinhardt
Wissenschaft und wissenschaftliche Informationsinfrastrukturen im Spannungsfeld von wissenschaftspolitischer Programmatik auf europäischer und nationaler Ebene Abstract: Wissenschaftliche Informationsinfrastrukturen sehen sich in mehrfacher Hinsicht gefordert. Erstens stehen sie vor der Aufgabe, ihre Dienstleistungen eng an der zunehmend digitalen oder digital unterstützten Produktion und Distribution von wissenschaftlichem Wissen ausrichten zu müssen. Als Dienstleister für die Wissenschaft ist dabei ihr primäres Ziel die informationelle oder informationsbezogene Unterstützung des wissenschaftlichen Erkenntnis- und Forschungsprozesses in allen Phasen. Zweitens entwickeln sie sich als Institutionen selbst weiter, indem sie zunehmend Forschung in Bezug auf ihre Services wie auch ihre Gegenstandsbereiche betreiben und damit selbst zu „Expertenorganisationen“ werden, die stärker als bisher als integraler Bestandteil des Wissenschaftssystems betrachtet werden können. Drittens sind sie – wie der gesamte Wissenschaftsbereich – zunehmend externen Anforderungen ausgesetzt, die insbesondere von politischer Seite formuliert werden. Zu beobachten ist dabei eine zunehmend international gleichlaufende Wissenschaftspolitik, die auf bestimmten Leitlinien basiert und auf ein „Common Model of Science“ hinweist. Für das deutsche Wissenschaftssystem werden vor allem die auf europäischer Ebene zu beobachtenden Intentionen relevant werden, weil die deutsche Wissenschaftspolitik auf eine weitgehende Anschlussfähigkeit an europäische Forschungspolitiken setzt.
Einleitung Die in diesem Handbuch mehrfach angesprochenen Herausforderungen der Digitalisierung1 gelten insbesondere und unmittelbar für die Akteure, die an der Erzeugung,
1 Digitalisierung wird hier verstanden als die allmähliche und umfassende Transformation analoger Informationen, Verfahren, Prozesse, Umgebungen, kollektiven Praktiken etc. in digitale, ein Prozess, der alle Funktionssysteme der Gesellschaft betrifft und gleichermaßen auf der Makroebene (bspw. Wissenschaftssystem) wie der Mikroebene (individuelle Arbeitspraxis des Wissenschaftlers) wirkt. Häufig auch als „digitale Revolution“ bezeichnet, steht Digitalisierung für eine Veränderung, die sich durch hohe Geschwindigkeit, die Durchdringung aller Lebensbereiche und das Auftreten neuartiger Phänomene auszeichnet und deren weitere Auswirkungen bislang nur abgeschätzt werden können. Vgl. dazu auch Stengel et al. 2017, S. 17 f.
https://doi.org/10.1515/9783110539011-003
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Nutzung, Verwertung von Informationen und an der Entwicklung von Informationsservices beteiligt sind, seien es private oder kommerzielle Akteure. In besonderem Maße betroffen sind die Einrichtungen, die als Informationsinfrastrukturen für die Wissenschaft bezeichnet werden, also „Archive, Bibliotheken, objektbezogene Sammlungen, Forschungsdatensammlungen und Fachinformationszentren, die sich mit der systematischen Sammlung und Bereitstellung von Daten, Informationen und Wissensbeständen befassen“2. Besonders betroffen meint hier, dass diese Institutionen in einem komplexen und herausforderungsintensiven Umfeld agieren. So bedingt das „enge Wechselverhältnis von Wissensspeicherung/Wissenspflege, Reflexion und Erkenntnisgewinnung“3, dass sich wissenschaftliche Informationsinfrastrukturen mit ihren Dienstleistungen eng an der nun zunehmend digitalen oder digital unterstützten Produktion und Distribution von wissenschaftlichem Wissen ausrichten müssen. Ihre primären Adressaten sind die Wissenschaftler, ihr primäres Ziel ist die informationelle oder informationsbezogene Unterstützung des wissenschaftlichen Erkenntnis- und Forschungsprozesses in allen Phasen. Die Besonderheit wissenschaftlicher Informationsinfrastrukturen besteht jedoch – und zwar zunehmend – auch darin, dass sie nicht nur Forschung ermöglichen, sondern bezogen auf die Entwicklung ihrer Services wie auch bezogen auf einzelne Gegenstandsbereiche – beispielsweise eigene Sammlungen – selbst Forschung betreiben. Sie entwickeln sich hin zu „Mischorganisationen“, die sowohl Dienstleistungseinrichtungen als auch wissenschaftliche „Expertenorganisationen“ sind. Zeichen dieses Wandels sind die nun immer häufiger auftretende Leitung von Informationsinfrastrukturen und Forschungsorganisationen in Personalunion – etwa an den deutschen Zentralen Fachbibliotheken4 – sowie gemeinsame Berufungen, wie jüngst von ZB MED und TH Köln, Institut für Informationswissenschaft.5 Daneben ist eine mindestens ebenso große Herausforderung, dass die wissenschaftlichen Informationseinrichtungen als integraler Bestandteil des Wissenschaftssystems in wachsendem Maße externen Anforderungen ausgesetzt sind – so wie das gesamte Wissenschaftssystem –, die ihren Ursprung vor allem in den Sphären der Politik, genauer der Wissenschaftspolitik haben. Im Folgenden sollen diese Ebenen der Politik näher beleuchtet werden. Es wird dargestellt, welche grundlegenden Leitideen, Anliegen, Akteure und Programmlinien vor allem auf europäischer Ebene derzeit maßgeblich sind. In einem zweiten Schritt werden relevante Anliegen und Programme der deutschen Wissenschaftspolitik aufgezeigt. Schließlich wird formuliert, welche Folgerungen und Konsequenzen diese
2 Wissenschaftsrat 2012, S. 7. 3 Wissenschaftsrat 2011, S. 12. 4 Beispiel ist u. a. die Berufung von Prof. Dr. Sören Auer als Direktor an die TIB, der zugleich eine Professur „Data Science and Digital Libraries“ innehat; vgl. TIB Hannover 2017. 5 Vgl. ZB MED 2017.
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wissenschaftspolitischen Strategien für das Wissenschaftssystem wie für wissenschaftliche Informationsinfrastrukturen erwarten lassen.
1 Akteure und Leitlinien der europäischen und supraeuropäischen Wissenschaftspolitik Die gegenwärtige europäische Forschungspolitik hat mit ihren bescheidenen Anfängen als gemeinschaftliche Politik und wissenschaftliche Kooperation im Bereich der Kohle-, Stahl- und Eisenindustrie kaum noch etwas gemein.6 Wenn heute von europäischer Forschungspolitik die Rede ist, steht dahinter ein in Bezug auf Finanzvolumen (das aktuelle Forschungsprogramm ist der drittgrößte Haushaltstitel des EU-Budgets), personelle Ressourcen (etwa vier Prozent der EU-Kommissionsbeschäftigten), programmatisches Spektrum, Grad an Transnationalität etc. im globalen Vergleich gewichtiges Politikfeld. Dahinter steht auch ein Akteur – die EU-Kommission mit der Generaldirektion Forschung und Innovation, die sich im Bereich der Forschungspolitik von den EU-Nationen ein Stück weit emanzipiert hat und auf supraeuropäischer Ebene expandiert: Seit 2015 folgen die Europäische Kommission und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) einem gemeinsamen Konzept zur Unterstützung der Forschungs- und Innovationspolitik.7 Auch die Intentionen der Forschungspolitik haben sich im Laufe des innereuropäischen Integrationsprozesses verändert. Bis fast zur Jahrtausendwende war die EU-Forschungsförderung gleichzusetzen mit Industrieförderung: Das Gros der Gelder floss in Unternehmen der Privatwirtschaft.8 Mit der Jahrtausendwende verstärkten sich die Bemühungen, einen europäischen Forschungsraum zu schaffen – die European Research Area (ERA). Damit einher gingen die Ausweitung auf Kernbereiche der Wissenschaft – nämlich die Grundlagenforschung – und ein wachsender Einbezug des akademischen Sektors.9 Erklärtes Ziel ist die Überwindung der fragmentierten europäischen Forschungspolitik. Im Lissabon-Vertrag schließlich wurde ein Koordinierungsgebot im Bereich der Forschung zwischen den europäischen Staaten rechtlich verankert, damit wurden der EU-Kommission weitgehende Handlungskompetenzen eröffnet. Der gesamte ERA-Prozess hat eine beachtliche Dynamik entfaltet und einen Paradigmenwechsel eingeleitet. Die EU-Kommission nimmt für sich weit mehr als früher in Anspruch, den Europäischen Forschungsraum umzugestalten und diesen
6 Vgl. Flink 2016. 7 Gemeinsam geben sie alle zwei Jahre den OECD Science, Technology and Innovation Outlook heraus (vgl. Europäische Union 2016). 8 Vgl. Stamm 2014. 9 Im 6. Rahmenprogramm (2002–2007) gingen bereits zwei Drittel an akademische Partner (vgl. ebd., S. 23).
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Transformationsprozess zu führen – sich also das Handlungsfeld Forschungspolitik weitgehend anzueignen. Dabei setzt sie vor allem auf Mechanismen der Zusammenführung von Akteuren, der Koordination von Forschungsbereichen und -vorhaben und der Förderung von Exzellenz sowie den Ausbau gemeinschaftlicher Infrastrukturen.10 Dass die EU ihr Augenmerk so intensiv auf die Forschungspolitik gelenkt hat, geht vor allem darauf zurück, dass Wissenschaft einen erheblichen Bedeutungszuwachs erfahren hat. Nahezu global hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass Wissenschaft Fundament und Motor der wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung ist und nur durch diese eine insgesamt hohe Innovationsfähigkeit der digital getriebenen Ökonomien gewährleistet ist, und schließlich, dass es wissenschaftlicher Expertise bedarf, um die zunehmend komplexen gesellschaftlichen Problemlagen zu bearbeiten.11 Es ist mithin das Wissenschaftssystem als institutioneller Kern moderner Wissensgesellschaften, von dem sich die EU einen bedeutsamen Beitrag zur Verwirklichung ihrer politischen Ziele verspricht. Das hat zur Folge, dass die Verbesserung der Leistungsfähigkeit bzw. der Wirksamkeit der Wissenschaftssysteme selbst zu einem wichtigen Politikfeld und Faktor im Standortwettbewerb geworden ist. Und wenn Wissenschaft einen so gewichtigen Beitrag für die Wohlfahrt der Länder und Regionen leistet, dann spiegelt sich das in veränderten Aufgabenzuschreibungen und Anforderungen wider. Im Wesentlichen sind es diese Pole, um die die aktuellen forschungspolitischen Schwerpunktsetzungen der EU – auch in „Horizon 2020“12 – kreisen und die Handlungsfelder abstecken, die im Folgenden beschrieben werden (s. Kap. 1.1).
1.1 Finanzierung Ein wichtiger Indikator für die Leistungsfähigkeit von Wissenschaftssystemen ist die Höhe der Aufwendungen, die gemessen am Bruttoinlandsprodukt für Forschung und Entwicklung bereitstehen. Mit der Lissabon-Agenda verabredeten die EU-Mitglieder das sogenannte Drei-Prozent-Ziel13. Auch wenn diese Marke bis 2015 nur von einigen Ländern erreicht wurde14 – Deutschland gehört dazu –, ist mit dieser Selbstverpflichtung ein Trend gesetzt, der – insbesondere mit Blick auf die wissensstarken asiatischen Wettbewerber – sich in Zukunft noch verstärken muss. Die EU selbst hat das
10 Vgl. Stamm 2014. 11 Vgl. OECD 2015. 12 S. https://ec.europa.eu/programmes/horizon2020/ (Abruf: 2018.07.28). 13 Ziel ist es, jährlich drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Forschung und Entwicklung einzusetzen. 14 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2016a, Tab. 19.
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neue Forschungsprogramm „Horizon 2020“ mit dem bislang finanziell anspruchsvollsten Budget von rund 80 Milliarden Euro ausgestattet. Für die Nach-Horizon-Ära wurde von der beauftragten Expertenkommission die Verdopplung gefordert.15
1.2 Annäherung und Internationalisierung Es besteht kein Zweifel, dass sich die nationalen Forschungssysteme der EU-Mitgliedstaaten einander annähern müssen, um einen europäischen Forschungsraum auszugestalten. Nur Partner, die vergleichbare Kapazitäten haben, agieren bei Forschungsvorhaben gemeinsam. In „Horizon 2020“ ist dafür die Programmlinie „Spreading Excellence and Widening Participation“16 integriert. Darüber hinaus wird für das kommende Forschungsprogramm verstärkt darauf gedrungen, dass die EU-Mitgliedstaaten ihre nationalen Forschungspolitiken an der europäischen Agenda ausrichten.17 Bislang ist das nur in geringem Maße geschehen – Deutschland bildet hier eine Ausnahme –, da die nationalen Forschungspolitiken unter das Subsidiaritätsprinzip fallen. Darüber hinaus gilt das Vorantreiben der weiteren Internationalisierung als alternativlos.18 Auch wenn Wissenschaft prinzipiell immer international ausgerichtet ist, tritt daneben nun eine politisch gewollte Internationalisierung, die ökonomisch motiviert ist und der Vorstellung folgt, dass nur eine Wissenschaft, die sich korrespondierend zur Globalisierung der Wirtschaft internationalisiert, im globalen Wettbewerb bestehen kann. Ein weiteres dominantes Argument ist, dass die wissenschaftliche Bearbeitung globaler Probleme, wie Klimaschutz, Sicherung von Biodiversität etc., nur durch verstärkte Formen transnationaler Kooperation erfolgreich sein kann. Veränderte Governance, Vergleichbarkeit und Leistungstransparenz Allmählich modifiziert wurde auch die Governance der Forschungspolitik durch die EU-Kommission, die sich zunehmend aus dem operativen Geschäft zurückzieht, sich stärker auf politische und strategische Fragen konzentriert und das operative Geschäft, wie das Controlling, externen Agenturen überantwortet. Diese Abkehr von detaillierten Regulierungen und hierarchischer Steuerung folgt einem seit Langem zu beobachtenden Trend, durch Anreizstrukturen, Zielvereinbarungen und wettbewerbliche Verfahren nun auch verstärkt im Wissenschaftsbereich zu mehr Effizienz und
15 Vgl. European Commission 2017a, S. 9. 16 S. KoWi – Kooperationsstelle EU der Wissenschaftsorganisationen: Horizon 2020. Kohäsionspolitik und Horizon 2020. http://www.kowi.de/kowi/horizon-2020/kohaesion/kohaesionspolitik-und-hori zon-2020.aspx (Abruf: 2018.03.12). 17 Vgl. European Commission 2017a, S. 20. 18 Vgl. European Commission 2016.
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Haike Meinhardt
Leistungsstärke zu gelangen. Im Gegenzug erhalten die Akteure weitgehenden inhaltlichen wie strukturellen Bewegungsspielraum. Die Leistungsbewertung erfolgt dann ex post durch die Messung von Outcomes.19 Einhergehend damit werden Indikatorenraster und Schemata für den internationalen Vergleich entwickelt, Rankings produziert und rezipiert, um die internationale Leistungsriege sichtbar zu machen, Vergleichsanalysen zu ermöglichen und für Entscheidungsträger und Politik zu erwartende Entwicklungen abschätzen zu können. Die EU arbeitet im Bereich der Wissenschaft dafür eng mit der OECD zusammen, um einen koordinierten Ansatz für die Formulierung forschungs- und innovationspolitischer Agenden zu erreichen.20 Zudem observiert sie den Status der EU-Mitgliedstaaten durch das „Research and Innovation Observatory“ (RIO)21 und ist dabei, Leistungsmessung auch auf neue Felder, wie Open Science, auszuweiten.22
1.3 Kooperation und Entdifferenzierung Ein erklärtes Anliegen der europäischen Forschungspolitik ist es, Partnerschaften anzuregen, und zwar sowohl über nationale wie regionale als auch über disziplinäre, sektorale und institutionelle Grenzen hinweg. Im Kern zielt diese Forderung darauf, sektorale Innovationssysteme zu öffnen und innovatorische Kopplungen anzustoßen. Dahinter steht die Auffassung, dass Kooperationen zwischen Akteuren aus unterschiedlichen Sektoren eine größere Dynamik und damit mehr Innovativität in Gang setzen. Die Etablierung von Wissens- und Innovationsgemeinschaften (Knowledge and Innovation Communities, KIC) wird dirigiert vom European Institute of Innovation and Technology (EIT) – einer der neuen EU-Agenturen. Werden die Empfehlungen zum Forschungsprogramm nach 2020 umgesetzt, dann werden übergreifende Partnerschaften noch nachdrücklicher als bislang Kriterium für die Teilnahme an Forschungsprogrammlinien werden.23
19 Vgl. Schreiterer 2016. 20 Die alle zwei Jahre erscheinende Veröffentlichung der Perspektiven zu Science, Technology and Innovation (STI), die EU und OECD gemeinsam erarbeiten, berichtet über die wichtigsten globalen Trends der STI-Politik und ihre Ergebnisse in OECD-Ländern und weiteren internationalen Volkswirtschaften (vgl. World Bank, OECD 2017). 21 S. European Commission: Research and Innovation Observatory. https://ec.europa.eu/jrc/en/scien tific-tool/research-and-innovation-observatory (Abruf: 2018.03.18). 22 Vgl. European Commission 2017b. 23 Vgl. European Commission 2017a, S. 6.
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1.4 Exzellenz und Forschungsinfrastrukturen Ein prominentes Handlungsfeld, das für den inhaltlichen wie strukturellen Wandel der europäischen Forschungspolitik steht, ist die Ausweitung der EU-Forschungspolitik auf die Grundlagenforschung. Von dieser Neukalibrierung erhofft sich die EUForschungspolitik eine Stärkung der wissenschaftlichen Exzellenz. Im Mittelpunkt dieses Politikfelds steht der European Research Council (ERC): Mit ihm wurde eine rein wissenschaftsgeleitete Institution zur Förderung exzellenter individueller Wissenschaftler im Bereich der Frontier Research24 geschaffen, die sich seit ihrer Gründung 2007 hohe Reputation erworben hat. Alle Steuerungskompetenzen wurden auf den Scientific Council als wissenschaftliche Selbstverwaltungsorganisation übertragen.25 Ähnlich gelagert ist die Gründung des „European Strategy Forum for Research Infrastructures“ (ESFRI) im Jahr 2002, das sich, unter Moderation der Kommission, dem gemeinschaftlichen Ausbau von Forschungsinfrastrukturen als Grundlage für exzellente Wissenschaft widmete und dafür eine Roadmap erstellte. Unter Forschungsinfrastrukturen werden dabei nicht mehr vorrangig Einrichtungen der Großforschung verstanden, sondern ausdrücklich auch physische und virtuelle Informationsinfrastrukturen wie Sammlungen, Archive, Forschungsdatenbestände oder EInfrastrukturen.26 Inzwischen ist aus dem „weichen“ Forumsansatz das „European Research Infrastructure Consortium“ (ERIC) geworden, das in enger Anbindung an die EU-Kommission in einer eigenständigen Rechtsform arbeitet.27
1.5 Open Science und Digitalisierung Open Science macht wissenschaftliche Prozesse frei zugänglich, transparent und nachnutzbar und umfasst folgende Aspekte: – Open Access: freien Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen; – Open Data: freien Zugang zu Forschungsdaten, auch bereits während des Forschungsprozesses;
24 Frontier Research steht für eine grundlagenorientierte visionäre Forschung, bei der „die Grenzen zwischen Grundlagen- und angewandter Forschung, zwischen klassischen Disziplinen sowie zwischen Forschung und Technologie aufgehoben werden“ (Bundesministerium für Bildung und Forschung o. J. a). 25 Bestrebungen, die wissenschaftliche Unabhängigkeit des Scientific Council zu beschneiden und der Kommission mehr Einfluss zu sichern, sind allerdings zu beobachten (vgl. Stamm 2014, S. 40). 26 Vgl. European Commission 2017c. 27 S. European Research Infrastructure Consortium: https://ec.europa.eu/research/infrastructures/in dex_en.cfm?pg=eric (Abruf: 2018.03.12).
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Open Review: Transparenz von Begutachtungsverfahren, Entwicklung neuer Bewertungsverfahren und Open Participation: freie Teilnahme an der Wissenschaft.
Open Science hat in der letzten Phase der gegenwärtigen Forschungsförderung einen hohen, auch regulatorischen, Stellenwert erhalten28 und soll zum Grundprinzip des (auch folgenden) Arbeitsprogramms werden. Entsprechend ambitioniert sind die Pläne zum Aufbau der „European Open Science Cloud“ (EOSC), die die EU mit weiteren internationalen Initiativen auf globaler Ebene koordiniert. Open Science ist dabei eng verknüpft mit der Strategie der EU, Digitalisierung forciert in alle politischen Handlungsfelder zu integrieren. Open Science und Digitalisierung, damit verbunden Big Data, High Computing etc., werden als die künftig entscheidenden Innovationstreiber eingeschätzt.29 Weitergehende Intentionen werden mit der Förderung von Open Participation verbunden. Den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess als solchen zu öffnen – das Schlagwort Citizen Science fällt häufig in diesem Kontext, bildet aber nur einen Teilbereich ab – soll Wissen der Zivilgesellschaft einbringen, insbesondere aber Barrieren zwischen Wissenschaft und Gesellschaft niederreißen.
1.6 Innovation und Wirksamkeit Die Frage danach, wie Europa nach den Krisen der letzten Jahre wieder „back on track“30 gebracht werden kann, kennt vor allem eine Antwort: die Leitinitiative der „Innovationsunion“31, die einen besonders engen Bezug zur Forschungspolitik aufweist – nicht von ungefähr bezeichnet sich Horizon 2020 als Programm für Forschung und Innovation. Als Voraussetzungen für eine hohe Innovationsfähigkeit32 gelten dabei einerseits die frühzeitige Identifizierung neuer und unkonventioneller Forschungsansätze und andererseits die zügige Umsetzung von Forschungsergebnissen in (kommerzielle) Produkte; Letzteres wird als deutlich defizitär diagnostiziert. Dabei wird die Durchbruchsinnovation (radikale Innovation) gegenüber funktionellen und schrittweisen Verbesserungen bestehender Produkte und Dienstleistungen (inkre-
28 Die Vergabe von Grants, Preisen oder Unterstützungsleistungen soll nicht mehr nur im Bereich Exzellenz, sondern auch bei der Förderung von Industrie und innovativen Unternehmen(!) an umfassende Offenlegung geknüpft sein (vgl. European Commission 2017d). 29 Vgl. European Commission 2017e, S. 6. 30 Stamm 2014, S. 31. 31 S. European Union: Europe 2020 Flagship Initiative Innovation Union, 2011. https://ec.europa.eu/re search/innovation-union/pdf/innovation-union-communication-brochure_en.pdf (Abruf: 2017.03.18). 32 Vgl. European Commission 2017f.
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mentelle Innovationen) favorisiert.33 Die europäische Forschungspolitik verfolgt deswegen in vielen Programmlinien den Ansatz, die komplette Wertschöpfungskette von der Idee bis zum Produkt abzubilden und entlang dieser Wertschöpfungskette Akteure zu unterstützen und Prozesse zu beschleunigen.34 Im Oktober 2017 wurde die Pilotierung eines European Innovation Council (EIC) angekündigt, der – analog zum erfolgreichen Modell des European Research Council (ERC) in Bezug auf die Wissenschaft – unter der Ägide der EU-Kommission für den Bereich der Wirtschaft tätig werden soll. EIC wird insbesondere Start-ups und Unternehmen bei der mit Risiken verbundenen Forschung, Entwicklung und Markteinführung unterstützen, um radikale Innovationen anzustoßen.35
1.7 Soziale Wissenschaft und große gesellschaftliche Herausforderungen Die Pläne zur Errichtung des Europäischen Forschungsraums ab 2008, die die Autonomie der EU-Nationalstaaten auf ihrem ureigenen Feld der Forschungspolitik tangierten, bedurften einer Begründung, die den europäischen Mehrwert dieses Ansatzes deutlich machte. Damals gelang das mit der Argumentation, dass die großen gesellschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart nur durch gemeinschaftliche und koordinierte Forschungsanstrengungen zu bewältigen sind. Seitdem haben die Begriffe Societal Challenges und Grand Challenges in der wissenschaftspolitischen Diskussion und Programmatik eine beeindruckende Karriere hinter sich – im aktuellen Forschungsprogramm sind knapp 40 Prozent aller Mittel für diesen Programmbereich reserviert. Mit ihnen sind „Themen [gemeint], die eine große gesellschaftliche Reichweite haben, von einer Vielzahl von Akteuren sehr ernst genommen werden müssen und besondere Anstrengungen verlangen“36. Darunter fallen beispielsweise Fragen zu Energie- und Rohstoffsicherheit, zur Demografie, zu klimatischen Veränderungen etc. Damit sind die wesentlichen Leitlinien und der Kontext beschrieben, um die deutsche Wissenschaftspolitik in den Blick zu nehmen.
33 Vgl. European Commission 2017a, S. 12. 34 Maßgeblicher Akteur ist das Europäische Innovations- und Technologieinstitut (EIT), eine europäische Agentur, die vor allem die enge Zusammenarbeit von Forschungseinrichtungen und Wirtschaftsunternehmen durch die Bildung von „Wissens- und Innovationsgemeinschaften“ (Knowledge and Innovation Communities, KICs) fördern soll (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung o. J. b). 35 Für diese letzte Programmphase wurden nochmals Gelder bereitgestellt und einige Instrumente zusammengeführt (vgl. European Commission 2017d). 36 Wissenschaftsrat 2015, S. 15.
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2 Deutsche Wissenschaftspolitik und ihre internationalen Bezüge Das deutsche Wissenschaftssystem kennzeichnet eine Reihe von Besonderheiten. Prägend sind die föderale Struktur der Bundesrepublik Deutschland und die damit verbundene Kulturhoheit der Bundesländer, die diesen weitgehende Autonomie und Eigenverantwortlichkeit auch im Bereich der Wissenschaft zubilligen. Merkmal des deutschen Wissenschaftssystems ist darüber hinaus das Nebeneinander eines universitären und eines außerordentlich leistungsstarken außeruniversitären Sektors. Zu Letzteren gehören die Akademien der Wissenschaften, Max-Planck-Gesellschaft (MPG), Fraunhofer-Gesellschaft (FhG), Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren (HGF), Leibniz-Gemeinschaft (WGL) sowie Ressortforschungseinrichtungen, die in der Regel gemeinsam von Bund und Ländern finanziert werden. Die Wissenschaft selbst ist durch die weitreichenden Wissenschaftsfreiheitsgarantien des Grundgesetzes privilegiert. Außerdem existiert mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ein Akteur auf Bundesebene, der – rechtlich abgesichert durch die im Grundgesetz verankerten sog. Gemeinschaftsaufgaben – gewichtigen und wachsenden Einfluss nimmt.37 Um in dieser komplizierten Gemengelage dennoch gemeinschaftlich handeln zu können, wird die Wissenschaftspolitik im Wesentlichen durch Intermediäre formuliert – den Wissenschaftsrat (WR) für Politik und Wissenschaft sowie die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) für Bund und Länder. Daneben spielen auch die Kultusministerkonferenz der Länder (KMK) für die Abstimmung auf Landesebene sowie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) als Förderorganisation für die Wissenschaft sowie die Allianz der Wissenschaftsorganisationen als Interessenvertretung nicht zu vernachlässigende Rollen. Über die Jahrzehnte hat sich dieses System nicht nur ausbalanciert und in sich stabilisiert, sondern auch zu einem insgesamt leistungsstarken Wissenschaftssystem geführt.38 Konstatiert wird aber auch, dass seit der Jahrtausendwende die Wissenschaft in Bewegung geraten ist.39 Dazu beigetragen haben eine Reihe von wissenschaftspolitischen Impulsen und Programmen, die offensichtliche Parallelitäten zu internationalen und europäischen Entwicklungen zeigen. Inzwischen hat die Bundesregierung das Ziel ausgegeben, bis 2025 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Forschung und Entwicklung bereitzustellen, um diese Entwicklungen zu verstetigen.40
37 Insbesondere seit das sog. Kooperationsverbot von Bund und Ländern für die Hochschulen aufgehoben wurde. 38 Vgl. Wissenschaftsrat 2013, S. 24. 39 Vgl. ebd., S. 6. 40 Vgl. Expertenkommission Forschung und Innovation 2017.
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Sieht man auf die konkreten mit maßgeblichen Finanzen ausgestatteten Förderprogramme, die die Politik in den letzten Jahrzehnten zur Förderung der Wissenschaft ins Leben gerufen hat und die im Wesentlichen nun auch fortgesetzt werden, zeigt sich, dass die inhaltlichen Schwerpunkte nahezu deckungsgleich mit den oben aufgeführten europäischen sind41 und vielfältige explizite Bezüge zu diesen aufweisen. Leitgedanken und Programme der deutschen Wissenschaftspolitik Im Folgenden werden Leitgedanken und Programme der deutschen Wissenschaftspolitik vorgestellt: – Für die Förderung von Exzellenz und Spitzenforschung an den Universitäten war die Programmlinie der Exzellenzinitiative ab 2006 entscheidend und erfolgreich.42 – Im Fokus der ebenfalls ab 2006 wirkenden „Hightech-Strategie – Innovationen für Deutschland“ stehen das deutsche Innovationssystem und die rasche Überführung guter Ideen in innovative Produkte und Dienstleistungen.43 – Der Pakt für „Forschung und Innovation“ richtet sich seit 2005 an die außeruniversitären Forschungsorganisationen und will vor allem die Identifikation und Bearbeitung neuer und gerade aufkommender Themenfelder unterstützen und die Entwicklung disruptiver Innovationen befördern.44 – Die Forderung nach Profilschärfung bei gleichzeitiger Vernetzung auch über Organisationsgrenzen hinweg und unter Einbeziehung der Wirtschaft zieht sich wie ein roter Faden durch nahezu alle Programme.45 Die Bundesregierung fordert in einem Positionspapier unternehmerisches Denken und Handeln und einen Kulturwandel der Wissenschaftsakteure.46 – Bei der DFG schlägt sich das in einer Ausweitung ihres Förderhandelns nieder, das nun Wissenschaftler aller Disziplinen adressieren wird, die „ihre Forschungsergebnisse gemeinsam mit nichtwissenschaftlichen Partnern (Anwendungspartnern) im Vorfeld des marktwirtschaftlichen Bereichs“47 weiterentwickeln und nutzbar machen wollen. – Die „Internationalisierungsstrategie“48 zielt darauf ab, die Mitarbeit im europäischen Forschungsraum und die international kooperative Bearbeitung globaler Probleme weiter voranzutreiben.
41 Mit Ausnahme des Hochschulpaktes sowie des Qualitätspaktes Lehre, die die Hochschulen bei der Bewältigung der wachsenden Studierendenzahlen unterstützen sollten. 42 Vgl. Internationale Expertenkommission zur Evaluation der Exzellenzinitiative 2016. 43 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2017c. 44 Vgl. Gemeinsame Wissenschaftskonferenz 2017, S. 8. 45 Vgl. Gemeinsame Wissenschaftskonferenz o. J., S. 2. 46 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2016b, S. 2. 47 Deutsche Forschungsgemeinschaft o. J., S. 8. 48 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2016c.
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Für die Entwicklung der Forschungsinfrastrukturen hat die Bundesregierung eine von ihr verantwortete Roadmap Forschungsinfrastrukturen beschlossen, die explizit auf die Anschlussfähigkeit an den Roadmap-Prozess der EU verweist.49 Wie auf EU-Ebene auch, stecken die Bereiche Open Science und Open Data noch in den Anfängen. Der von der GWK 2014 installierte Rat für Informationsinfrastrukturen (RfII) legte im Sommer 2016 ein Positionspapier mit umfassenden Empfehlungen zum Forschungsdatenmanagement in Deutschland vor.50 Inzwischen ist für vier Handlungsfelder im Bereich Forschungsdaten – Datenaustausch, Datenkuratierung, Datenkompetenz und Pilotierung infrastruktureller Projekte51 – die Förderung angelaufen.52 Seit Dezember 2017 wurden erste konkrete Vereinbarungen „Auf dem Weg zur European Open Science Cloud“53 beschlossen. Zudem geht es darum, „die datenintensiven Wissenschaften, Informationsinfrastrukturen und eine wachsende Entrepreneur-Szene besser zu vernetzen und so das Potenzial, das in offenen Daten liegt, noch besser zu nutzen“54. Die DFG hat seit 2013 eine Förderlinie „Forschungsdateninfrastrukturen“ im Portefeuille.55 Das Hinzutreten der Bewältigung großer gesellschaftlicher Herausforderungen durch die Wissenschaft als weiteres neues Leitkriterium zeigt sich vielfach in den Programmlinien und Positionspapieren56 und war Leitthema des Treffens der EUWissenschaftsräte, die im November 2016 zu Gast beim deutschen Wissenschaftsrat waren und von der Wissenschaft einhellig forderten, sich gegenüber anderen Politikfeldern stärker zu öffnen bzw. sich mit diesen besser abzustimmen.57 Für die Erprobung neuer Formen externer Partizipation an Wissenschaft hat die Bundesregierung 2016 eine gesonderte Strategie entwickelt, sie mit einer Förderlinie ausgestattet und eine Plattform „Bürger schaffen Wissen“ ins Leben gerufen.58 Im aktuellen Foresight-Bericht heißt es: „Die Einbindung von Bürgerinnen und Bürgern in den Forschungsprozess wird im Jahr 2030 Standard sein. Jedes deutsche Forschungsinstitut, jede Uni wird ,Beauftragte für Bürgerwissenschaften‘ beschäftigen.“59
49 Als Vorstufe und Grundlage dieser Roadmap der EU dient das vom Wissenschaftsrat entwickelte mehrstufige Bewertungsverfahren für Forschungsinfrastruktur-Konzepte (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung o.J.c.) 50 Vgl. Rat für Informationsinfrastrukturen 2016; vgl. auch Meinhardt 2017. 51 Insgesamt werden ab April 2017 21 Projekte gefördert (vgl. Bundesregierung 2017, S. 90). 52 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2017a, S. 17 f. 53 Bundesministerium für Bildung und Forschung 2017b. 54 Bundesministerium für Bildung und Forschung o.J.d. 55 Vgl. Deutsche Forschungsgemeinschaft 2013. 56 Vgl. Expertenkommission Forschung und Innovation 2016, S. 18 . 57 Vgl. Wissenschaftsrat 2016. 58 Vgl. Grünbuch Citizen Science Strategie 2020 für Deutschland 2016. 59 Bundesministerium für Bildung und Forschung 2015.
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Fazit und Ausblick Die Besonderheit der aktuellen wissenschaftspolitischen Situation lässt sich dadurch charakterisieren, dass Wissenschafts- und Forschungspolitik ein wichtiges politisches Interventionsfeld geworden ist, das sich zudem globalisiert in dem Sinne, dass regionale, nationale und internationale wissenschaftspolitische Agenden nicht mehr voneinander zu trennen sind. Inhaltlich ist dadurch ein „Common Model of Science“60 zu beobachten, also die Dominanz bestimmter Leitphilosophien der Politik in Bezug auf Wissenschaft. In Deutschland wird diese Entwicklung vor allem spürbar als forcierte Europäisierung der Forschungspolitik, die vor allem auf den immens gewachsenen Gestaltungsanspruch der EU zurückgeht und sich im Paradigma vom Europäischen Forschungsraum (EFR) bündelt.61 Die wachsende Bedeutung und der zunehmende Einfluss der EU-Forschungspolitik werden aller Voraussicht nach im Bereich der Wissenschaft zu neuen Integrationsqualitäten führen. Damit verbunden sind neue Steuerungsideologien, die auch in Bezug auf die nationalen Wissenschaftssysteme relevant werden. Die Akteure des Wissenschaftssystems sehen sich also einem komplexen und mehrschichtigen politischen Umfeld mit wirkmächtigen Narrativen und großer Durchsetzungskraft gegenüber. Nur wissenschaftliche Informationsinfrastruktureinrichtungen, die dieses Umfeld – Akteure wie Programmatiken – kennen und sich darauf einstellen, haben die Chance, ihre Einrichtung und ihre Services erfolgreich zu positionieren und die notwendige Legitimität zu erhalten. Unübersehbar ist die Dominanz von ökonomischen Ansätzen: Die politische Begründung der umfangreichen Ressourcen, die für Wissenschaft und Forschung bereitgestellt werden, hat sich auch in Deutschland dahingehend verschoben, dass von der Wissenschaft namhafte Beiträge für eine erfolgreiche Positionierung im globalen Wettbewerb erwartet werden und die Wissenschaft dafür selbst global wettbewerbsfähig sein muss. Damit einher gehen Forderungen an die Wissenschaft, ihre Leistungskraft und ihre Effizienz durch „Instrumente des organisationsinternen Wettbewerbs“62 messbar zu steigern, ihren Impact nachzuweisen und sich „an globalen und weniger an nationalen oder gar föderalen Leistungs- und Attraktivitätsparametern messen [zu] lassen“63. Die Orientierung an einem internationalen Wissenschaftscontrolling wird also die deutsche Wissenschaftspolitik in naher Zukunft noch viel stärker als bislang prägen und damit auch Reformdruck auf das Wissenschaftssystem
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Schreiterer 2016, S. 120. Vgl. Wissenschaftsrat 2010, S. 7. Gemeinsame Wissenschaftskonferenz o. J., S. 2. Wissenschaftsrat 2013, S. 18.
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entfalten.64 Wenn dieses Wissenschaftscontrolling nicht wissenschaftsadäquat ausgestaltet sein wird – woran es Zweifel gibt –, könnte eine unfruchtbare und letztlich die deutsche Wissenschaft schwächende Steuerungswirkung die Folge sein. Mit großer Sicherheit ist jedoch – auch für Informationsinfrastrukturen – zu prognostizieren, dass beispielsweise die Entwicklung von Erhebungsverfahren und Bewertungsmodellen bzw. deren operative Umsetzung, kurz die Vermessung der Wissenschaft für die Wissenschaftsbürokratie ein prosperierendes Arbeitsfeld werden. Auf der anderen Seite werden die Wissenschaftler umfangreiche Services in Bezug auf wachsende Dokumentationspflichten nachfragen. Nicht ganz spannungsfrei sind die Forderungen nach gleichzeitiger Profilschärfung und Kooperation bzw. Vernetzung über organisationsinterne und sektorale Grenzen hinweg, die größerer Komplexitätsbewältigung und Innovationsdynamik dienen sollen. Es hat sich ein kritischer Blick auf die Versäulung des Wissenschaftssystems bzw. die sogenannte missionsgebundene Spezifik der unterschiedlichen Einrichtungen eingebürgert. Demgegenüber soll die Kooperation mit Akteuren aus der Wirtschaft die in den Augen der Wissenschaftspolitik dringliche Innovationbrücke zwischen grundlagenorientierter Forschung und Anwendungskontexten schlagen. In diesem Kontext spielen offene Daten als Rohstoff für Innovationen ebenfalls eine herausragende Rolle. Die Vernetzung von Hochschulen, außeruniversitären Forschungsinstituten und wissenschaftlichen Informationsinfrastrukturen – auch mit der Wirtschaft, bei gleichzeitiger Schwerpunktbildung – wird künftig noch deutlicher das Leitkriterium für wissenschaftspolitische Förderung sein. Die Erwartung an die Wissenschaft, große gesellschaftliche Herausforderungen zu identifizieren und Lösungsstrategien anzubieten, ist zugleich eine zunehmend gewichtige Begründung für die öffentliche Finanzierung der Wissenschaft, berührt mithin legitimatorische Aspekte. Die Debatte reicht jedoch tiefer und umfasst das Unbehagen an einer Wissenschaft, die erhebliche Ressourcen bindet, deren Ertrag für die Gesellschaft aber nur unzureichend (sichtbar) ist. Dahinter steht die Forderung, dass Wissenschaft möglichst direkte Nützlichkeitsbeiträge zu erbringen und ihre Themen stärker an externen Problemlagen auszurichten habe. Die Diskussion über diese sogenannte Responsive Science, also eine Wissenschaft, die intensiver als bisher ihre Fähigkeit zum Dialog mit der Gesellschaft unter Beweis stellt und externe Impulse aufgreift, gipfelt in der Forderung nach einem neuen Vertrag zwischen Wissenschaft
64 S. dazu Gemeinsame Wissenschaftskonferenz: Pakt für Forschung und Innovation. MonitoringBericht 2017, S. 6. https://www.gwk-bonn.de/fileadmin/Redaktion/Dokumente/Papers/GWK-Heft-52PFI-Monitoring-Bericht-2017__1_.pdf (Abruf: 2018.06.19).
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und Gesellschaft.65 Bislang stemmt sich beispielsweise die DFG gegen dieses in Teilen instrumentalisierte Wissenschaftsverständnis66 und auch der Wissenschaftsrat mahnt eine differenzierte Sichtweise an.67 Da dieses Vorstellungssyndrom auf europäischer Ebene überaus präsent ist, wird es dennoch für alle Wissenschaftsakteure mittelfristig wichtig werden, hier ihre Relevanz und Kommunikationsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Eng damit verbunden ist das Konzept der partizipativen Wissenschaft: Wissenschaftsakteure sind dabei gehalten, ihre Erkenntnisse und Forschungsvorhaben der Zivilgesellschaft intensiver zu kommunizieren und wechselseitige Transfers zu ermöglichen. Dies wird auch als Third Mission bezeichnet und bedeutet, auch alternatives und extern erzeugtes Alltags- und Amateurwissen in die eigenen Wissensbestände zu integrieren. Wissenschaftliche Erkenntnisse sollen damit, so die Vorstellung, einen sozial robusten Charakter erhalten und in ihrer Umsetzung näher an den Lebensbedingungen und Vorstellungen der Zivilgesellschaft ankoppeln können. Eine die Zivilgesellschaft inkludierende Wissenschaft nimmt aber nicht nur Forschungshandeln – Citizen Science – auf, sondern unterbreitet über Open Science und Open Data Angebote zur Nachnutzung und Co-Creation.68 Im besten Fall kann dies Impulse für „Kreativgesellschaften“ und eine Innovationskultur setzen.69 Damit hat diese Zielvorstellung das Potenzial, die Art und Weise, wie Wissenschaft arbeitet, tiefgreifend zu verändern. Sie berührt letztlich den epistemischen Kern der Wissenschaft und die gesamte Wissenschaftskommunikation und würde ganz neue Fragen nach der Sicherung wissenschaftlicher Qualität, Bewertungsmodellen und der Identifikation von Forschungsthemen aufwerfen. Wissenschaftliche Informationsinfrastrukturen werden sich über kurz oder lang mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob und wie sie „alternatives“ Wissen als weiteres Arbeitsfeld (an-)erkennen. Wenn sich die Gesellschaft verwissenschaftlicht, dann werden sich die Services der Informationsinfrastrukturen auch „vergesellschaftlichen“ müssen. Open Science und Open Data wird dabei, neben der wissenschaftsinternen, eine weitergehende Bedeutung zukommen, die auch Signum einer sich öffnenden Wissenschaft sein könnte. Die wissenschaftlichen Informationsinfrastrukturen sehen sich also nicht nur der Herausforderung gegenüber, ihre Forschungen und Services für eine zunehmend
65 Die Debatte kann an dieser Stelle nicht vertieft werden. S. dazu bspw. Schneidewind, Uwe; SingerBrodowski, Mandy: Transformative Wissenschaft. Klimawandel im deutschen Wissenschafts- und Hochschulsystem. Weimar (Lahn): Metropolis, 2014. 66 Vgl. Deutsche Forschungsgemeinschaft o. J., S. 2. 67 Vgl. Wissenschaftsrat 2015. 68 S. den Beitrag „Open Innovation und Crowdsourcing: Das Management von Offenheit“ von Ursula Georgy in diesem Handbuch. 69 Vgl. European Commission 2017a, S. 13.
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digital arbeitende Wissenschaft anzupassen und fortzuentwickeln. Vor allem wird eine wachsende Politisierung zu erwarten sein, deren inhaltliche Schwerpunkte hier aufgezeigt wurden. Sich hier frühzeitig zu positionieren und möglichst proaktiv Beiträge anzubieten, dürfte für eine erfolgreiche Arbeit wichtiger werden.
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Meinhardt, Haike: Informationsinfrastrukturen im Wandel. Empfehlungen und Diskussion des Rates für Informationsinfrastrukturen zum Forschungsdatenmanagement in Deutschland. In: ZfBB 64, 2017, H. 5, S. 261–267. OECD: Daejeon Declaration on Science, Technology, and Innovation Policies for the Global and Digital Age. Ministerial Meeting of the OECD Committee for Scientific and Technological Policy. 2015. http://www.oecd.org/sti/daejeon-declaration-2015.htm Rat für Informationsinfrastrukturen: Leistung aus Vielfalt. Empfehlungen zu Strukturen, Prozessen und Finanzierung des Forschungsdatenmanagements in Deutschland. Göttingen, 2016. http://www.rfii.de/download/rfii-empfehlungen-2016/ Schreiterer, Ulrich: Deutsche Wissenschaftspolitik im internationalen Kontext. In: Handbuch Wissenschaftspolitik. Simon, Dagmar (Hrsg.). 2. Auflage. Wiesbaden: Springer Fachmedien, 2016, S. 120 f. Stamm, Julia: Europas Forschungsförderung und Forschungspolitik – auf dem Weg zu neuen Horizonten? Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, 2014. (Wissenschaftspolitik im Dialog, 9.) Stengel, Oliver; van Looy, Alexander; Wallaschkowski, Stephan (Hrsg.): Digitalzeitalter – Digitalgesellschaft. Das Ende des Industriezeitalters und der Beginn einer neuen Epoche. Wiesbaden: Springer Fachmedien, 2017. TIB Hannover: Sören Auer ist neuer Direktor der Technischen Informationsbibliothek (TIB) in Hannover. Pressemitteilung vom 3. Juli 2017. https://idw-online.de/de/news677529 Wissenschaftsrat: Europäische Wissenschaftsräte zu Gast beim deutschen Wissenschaftsrat. Jahrestreffen in Köln, 9.–10. November 2016. Pressemitteilung Nr. 31 vom 14. November 2016. https:// www.wissenschaftsrat.de/index.php?id=1357&= Wissenschaftsrat: Zum wissenschaftspolitischen Diskurs über Große gesellschaftliche Herausforderungen. Positionspapier. Stuttgart, 2015. https://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/ 4594-15.pdf Wissenschaftsrat: Perspektiven des deutschen Wissenschaftssystems. Braunschweig, 2013. Wissenschaftsrat: Empfehlungen zur Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Informationsinfrastrukturen in Deutschland bis 2020. Berlin, 2012. Wissenschaftsrat: Übergreifende Empfehlungen zu Informationsinfrastrukturen. Berlin, 2011. https:// www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/10466-11.pdf Wissenschaftsrat: Empfehlungen zur deutschen Wissenschaftspolitik im Europäischen Forschungsraum. Berlin, 2010. https://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/9866-10.pdf World Bank; OECD: STI Policy Survey 2017. 2017. https://www.innovationpolicyplatform.org/stip ZB MED: Enge Zusammenarbeit zum Thema Informationskompetenz. Pressemitteilung vom 14. Juli 2017. https://www.zbmed.de/fileadmin/user_upload/Pressemitteilungen/2017/PM_Kooperatio n_TH_Koeln_ZB_MED.pdf
Ursula Georgy
Trends, Trendbeobachtung und ihre Analyse Abstract: Das Thema Innovation erlangt in Bibliotheken und Informationseinrichtungen zunehmend an Bedeutung. Doch ist das Feld des Innovationsmanagements nicht losgelöst von Trends und ihren Analysen zu betrachten: Bevor das Innovationsmanagement greift, müssen Trends erkannt, analysiert und bewertet werden. Der Beitrag gibt einen Überblick über Megatrends, Trendfelder und (einzelne) Trends sowie Methoden, diese systematisch zu erfassen bzw. zu recherchieren, sie hinsichtlich der (eigenen) Relevanz auszuwerten und sie in das Innovationsmanagement zu überführen.
Einleitung Um Innovationen zielgerichtet durchführen zu können, bedarf es nicht nur eines systematischen Innovationsmanagements, sondern insbesondere auch der Beobachtung, Analyse und Bewertung von Trends. Dabei stützen sich Unternehmen und Institutionen üblicherweise auf Sekundärdaten, die von Instituten erstellt werden, die sich mit Zukunftsforschung beschäftigen. Zukunftsforschung ist ein [...] Forschungszweig, dem die Annahmen zugrunde liegen, dass die Zukunft erforschbar ist und sich unterschiedliche Zukunftsstränge entwickeln können. Ziel der Forschungsanstrengungen ist es, die Zukunft und denkbare Entwicklungsstränge mithilfe von Methoden, Modellen und Szenarien greifbarer und planbarer zu machen. Die Zukunftsforschung subsumiert eine große Anzahl an Methoden, die den allg. Qualitätskriterien einer Wissenschaft, wie der notwendigen Relevanz, der logischen Konsistenz, der Einfachheit und der Überprüfbarkeit, genügen müssen.1
Die Basis dafür sind verschiedene Methoden, sowohl intuitive Methoden als auch explorative, projektive sowie rekursive Verfahren. Zu den intuitiven Methoden zählen das Brainstorming, die Delphi-Methode und Science-Creation; die explorativen Verfahren umfassen u. a. Zeitreihen- und Trendextrapolationen, Input-Output-Analysen sowie die Szenariotechnik. Projektive Methoden umfassen die Netzplantechnik, Entscheidungsmodelle, Präferenzanalysen und Entscheidungsbaumanalysen. Zu den rekursiven Methoden gehören u. a. integrierte Managementsysteme und Früherkennungssysteme.2 Ziel ist, dass die Ergebnisse der Zukunftsforschung später Eingang in konkrete Anwendungsprojekte finden. Die Zukunftsforschung betrachtet Zeiträume von 20 bis 40 Jahren, um daraus Megatrends (s. Kap. 1.1) abzuleiten; die Trendfor
1 Gabler Wirtschaftslexikon 2018a. 2 Vgl. Alisch, Röschke 1987, S. 96.
https://doi.org/10.1515/9783110539011-004
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schung berücksichtigt Zeiträume von zwei bis fünf Jahren (s. Kap. 1.3). Bei den Trends gibt es Entwicklungen, die langsam und stabil und damit zuverlässiger voraussagbar sind; daneben gibt es Trends, die kaum oder gar nicht voraussehbar sind, da sie sehr schnell auftreten. Dabei lassen sich Trends als „Komponente einer Zeitreihe [...] [beschreiben], von der angenommen wird, dass sie längerfristig und nachhaltig wirkt“3. Damit ist ein Trend eine Veränderung über einen längeren Zeitraum hinweg. Für Unternehmen und andere Institutionen stellen Zukunfts- und Trendforschung wichtige Instrumente dar, um (Mega-)Trends zu beobachten und daraus ihr mittelund langfristiges strategisches Handeln, z. B. eigene Marktforschung, Innovationsmanagement und Marketing, abzuleiten. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über praktikable Möglichkeiten für Bibliotheken und Informationseinrichtungen, Trends zu beobachten, um dann den individuell richtigen Zeitpunkt für die einzelne Einrichtung zu finden, sich intensiver mit bestimmten Trends zu beschäftigen und das eigene Produkt- und Dienstleistungsportfolio den Trends entsprechend anzupassen bzw. neu zu gestalten. Trends gehen immer einher mit Änderung und Wandel sehr unterschiedlicher Durchdringungstiefe, wobei die Durchdringungstiefe vor allem eine soziokulturelle Dimension aufweist. Diese Veränderungsbewegungen zeigen sich u. a. in neuen Geschäftsmodellen und innovativen Lösungen für bestehende Probleme. Unternehmen wie Non-Profit-Einrichtungen sind diesen Veränderungen permanent ausgesetzt und müssen auf sie reagieren. Daher ist es hilfreich, möglichst viel über die Zukunft zu wissen und auch Vorstellungen von ihr zu haben, um sie aktiv mitgestalten zu können.4
1 Trends Die Ableitung von Trendfeldern und Trends erfolgt üblicherweise von Megatrends, die sich aus gesellschaftlichen sowie technologischen Entwicklungen ergeben. Diese sind global und berühren alle zentralen Aspekte des Lebens, wie Ökonomie, Politik, Gesellschaft, Technologie etc. Im Folgenden werden die drei Trendebenen genauer dargestellt und auf ihre Bedeutung für Bibliotheken und Informationseinrichtungen hin betrachtet. Die Trendfelder beziehen sich auf signifikante Veränderungen innerhalb einer Branche. Volek unterscheidet hier soziokulturelle und technologische Trends, die sich auf Fähigkeiten und Kompetenzen, Produkte, Märkte und gesellschaftliche Verantwortung bzw. Aufgaben beziehen und auswirken.5
3 Gabler Wirtschaftslexikon 2018b. 4 Vgl. Pillkan, Döricht 2015, S. 51. 5 Vgl. Volek 2015, S. 21.
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Trends, Trendbeobachtung und ihre Analyse
1.1 Megatrends und ihre Subtrends Der Begriff Megatrends geht auf John Naisbitt zurück, der 1980 das gleichnamige Buch6 schrieb. Megatrends sind dadurch charakterisiert, dass sie sich langsam entwickeln, eine „Halbwertszeit“ von mindestens 25 bis 30 Jahren haben, in vielen Lebensbereichen auftauchen und dort deutliche Auswirkungen zeigen, sowohl in Politik, Gesellschaft, Wissenschaft und Technik als auch in Kultur und Ökonomie.7 Damit sind Megatrends äußerst komplex. Megatrends wirken global, sind jedoch in den einzelnen Ländern und Regionen unterschiedlich ausgeprägt und treten auch nicht unbedingt gleichzeitig auf. Zudem folgen sie der Ein-Prozent-Regel: Sie haben nur eine Durchschnittsgeschwindigkeit von einem Prozent pro Jahr, d. h., die mit dem Megatrend verbundenen Strukturveränderungen nehmen durchschnittlich um ein Prozent pro Jahr zu, wobei der Verlauf keinesfalls linear sein muss.8 Zudem sind Megatrends äußerst robust. Krisen oder andere Ereignisse lassen Megatrends ggf. einmal stagnieren, aber der Trend bzw. die Trendlinie bleibt erhalten.9 Das Zukunftsinstitut konstatiert aktuell folgende Megatrends: – Wissenskultur: Digitale Medien schaffen einen immer leichteren Zugang zu Wissen. Wissen wird zum entscheidenden Kriterium der Zukunft. – Urbanisierung: Städte werden zum wichtigsten Lebensraum, wobei sie vernetzter, attraktiver, vielfältiger und „grüner“ werden. – Konnektivität: Die Menschheit vernetzt sich weltweit, wobei nicht nur Menschen kommunizieren, sondern auch Maschinen. – Neo-Ökologie: Märkte und Moral verändern sich – Wachstum wird eine Mischung aus Ökonomie, Ökologie und gesellschaftlichem Engagement sein. Damit kommt Umweltschutz, Ressourcenschonung und Social Responsibility eine wichtige Bedeutung zu. – Globalisierung: Auch Schwellenländer partizipieren am und profitieren vom Welthandel, dem Wirtschaftswachstum und damit dem Wohlstand. – Individualisierung: Biografien werden zu Multigrafien, d. h., sie verlaufen immer weniger linear, dafür aber zunehmend individuell. Brüche, Umwege und Neuanfänge werden zur Selbstverständlichkeit. – Gesundheit: Gesundheit rückt immer mehr ins Bewusstsein und ist nicht länger das Gegenteil von Krankheit. – New Work: Die Wirtschaft wandelt sich immer stärker von der Industrie- zur Wissensgesellschaft. Damit verändern sich u. a. die Arbeitsformen, z. B. indem Arbeit und Freitzeit zunehmend ineinandergreifen und damit verschwimmen.
6 7 8 9
S. Naisbitt, John: Megatrends. New York: Warner Books, 1980. Vgl. Zukunftsinstitut 2016b. Vgl. Horx 2011, S. 68. Vgl. ebd., S. 72 .
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Gender Shift: Es erfolgt ein wesentlicher Wandel der männerdominierten Gesellschaft. Nicht nur berufliche Verwirklichung ist wichtig, auch neue Familien- und Beziehungsformen werden sich etablieren. Silver Society: Die steigende Lebenserwartung verändert auch das Älterwerden. Ältere Menschen werden ganz selbstverständlich am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und es prägen. Mobilität: Mobilität wird zur Multimobilität. Die Anforderungen an die Mobilität werden ökonomisch, komfortabel und nachhaltig erfüllt. Sicherheit: Die Aufgabe des Staates wird in diesem Bereich zurückgehen. Vielmehr übernehmen Unternehmen und der Einzelne zunehmend Verantwortung für die Sicherheit. Dies bezieht sich insbesondere auf den Bereich „Cyber“.10
Ohne die Glossare zu den einzelnen Megatrends11 detailliert zu betrachten, offenbart sich, dass alle Megatrends für Bibliotheken und Informationseinrichtungen unmittelbar relevant sind bzw. werden, denn „[b]ei jedem Megatrend stehen dabei der Mensch und seine Art zu leben im Fokus“12. Natürlich können sich Bibliotheken nicht allen Megatrends gleichzeitig und mit gleicher Intensität widmen. Doch greifen viele der Megatrends ineinander, sodass eine Fokussierung auf einzelne, besonders relevant erscheinende Megatrends ein möglicher Ansatz sein kann, ohne weitere relevante Bereiche auszuschließen. Jeder Megatrend wird geprägt durch verschiedene Subtrends, „welche die wichtigsten Megatrend-Indikatoren darstellen und die Bereiche des Wandels differenzieren“13. Für einzelne Institutionen geht es darum, die passenden Subtrends auszuwählen, dafür geeignete Indikatoren abzuleiten und diese zu quantifizieren, d. h., es handelt sich um Kennzahlen, die Rückschlüsse u. a. auf Zeithorizont, Wirkungsstärke und Reichweite des Megatrends zulassen. So kann z. B. eine Analyse dazu vorgenommen werden, in welchem Kontinent oder Land sich ein Subtrend besonders stark entwickelt bzw. wo er bereits sehr ausgeprägt ist. Diese Analyse stellt die Basis für die wirtschaftliche und/oder gesellschaftliche Bedeutung dar. Bibliotheken müssen z. B. untersuchen, welche Produktfelder und welche konkreten Produkte oder Dienstleistungen von den verschiedenen Megatrends und ihren Subtrends besonders betroffen sind bzw. ob es Lücken im Bereich der Produkte und Dienstleistungen gibt, die durch systematisches Innovationsmanagement geschlossen werden müssen. Anhand des Megatrends Konnektivität soll der Zusammenhang zwischen Megatrend, Subtrend und Indikatoren kurz dargestellt werden. Dieser Megatrend wird vom Zukunftsinstitut wie folgt charakterisiert:
10 11 12 13
Vgl. Zukunftsinstitut 2016b. Die Aufzählung folgt der Reihenfolge des Zukunftsinstituts. Vgl. Zukunftsinstitut 2016c. Seiter, Ochs 2014, S. 5. Zukunftsinstitut 2016c.
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Das Leben wird total vernetzt. Moderne Kommunikationstechnologien mit dem Internet im Zentrum verleihen dem Megatrend Konnektivität eine unbändige Kraft. Kein Megatrend kann mehr verändern, zerstören und neu schaffen. Kein Megatrend löst mehr Disruption aus. Durch seinen Einfluss entstehen neue Formen der Gemeinschaft, des Zusammenarbeitens, Wirtschaftens und Arbeitens. Aber es gibt auch Gegenbewegungen – eine neue Achtsamkeit im Umgang mit den Möglichkeiten von Konnektivität entsteht.14
Subtrends, die zu dem Thema formuliert werden, sind u. a. – Augmented Reality: Reale und virtuelle Welt werden miteinander verknüpft. – E-Commerce: Dieser wird geprägt durch passgenaue Lösungen und die Voraussage von Kundenwünschen durch Big Data. – Industrie 4.0: Im Mittelpunkt steht die Digitalisierung und Virtualisierung von (Industrie-)Prozessen. – Big Data: Die Sammlung, Verarbeitung und Nutzung großer computergenerierter Datenmengen führt zu neuer Wertschöpfung. – Privacy: Datenschutz und Privatsphäre werden in einer vernetzten Welt immer wichtiger. Sie erfordern aber ein hohes Maß an Datenkompetenz, um auch die Kontrolle über die Privacy zu haben und zu erhalten. – Predictive Analytics: Damit beschrieben wird die Auswertung und Voraussage datenbasierten Verhaltens im Internet durch selbstlernende Algorithmen. – Open Innovation: Neue Produkte und Dienstleistungen werden mithilfe Externer entwickelt. Damit kann u. a. die Kundenperspektive besser berücksichtigt werden. – Swapping: Produkte werden zunehmend getauscht und weniger gekauft. – Internet der Dinge: Geräte und Systeme werden zunehmend mit dem Internet und untereinander vernetzt. – etc.15
Mögliche Indikatoren können sein: Anzahl der Internet-Nutzer (ggf. nach verschiedenen Kriterien unterschieden), Anzahl der Menschen, die in sozialen Netzwerken aktiv sind, Quote derer, die sich aktiv in sozialen Netzwerken oder bei Open-InnovationAktivitäten einbringen, Anzahl von Open-Innovation- und Crowdsourcing-Projekten, Anzahl und Typ der vernetzten Geräte und Systeme etc. Die Subtrends mit ihren Indikatoren ermöglichen es, in einem nächsten Schritt zu analysieren, bei welchen Zielgruppen – nicht bezogen auf die individuelle Einrichtung – sich verschiedene Subtrends besonders stark entwickeln bzw. bereits ausgeprägt sind.
14 Zukunftsinstitut 2016d. 15 Vgl. ebd.
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1.2 Trendfelder Auf der zweiten Ebene sind die Trendfelder angesiedelt, innerhalb derer signifikante Veränderungen einer „Branche“ zu erwarten sind. Trendfelder sind „Möglichkeitsräume“16, innerhalb derer sich wesentliche und signifikante Veränderungen ergeben können oder werden. Sie sind den soziokulturellen Trends zuzuordnen: Dies sind mittelfristige Veränderungsprozesse, die von den Lebensgefühlen der Menschen im sozialen und technischen Wandel geprägt werden, sich aber auch stark in den Konsum- und Produktwelten bemerkbar machen. Die größeren von ihnen haben eine Halbwertszeit von rund 10 Jahren.17
Im Bereich der Konnektivität könnte dies z. B. das Leben im Dritten Ort sein, da es durch Konnektivität immer mehr zur Verlagerung der Wohnfunktion in den öffentlichen Raum kommt, der gleichzeitig als Arbeitsplatz dient. Zugleich unterstützen Smart Services18 den Alltag und steigern die Lebensqualität. Dies bedeutet aber z. B., dass der Nutzer oder Kunde auch einen Mehrwert davon erwartet, sein Wohnen in den öffentlichen Raum zu verlagern, z. B. durch entsprechend eingerichtete Begegnungszonen. Im Rahmen dessen sind z. B. folgende Fragen zu beantworten: – Welche neuen Märkte entstehen durch Konnektivität? – Wie wirkt sich Konnektivität auf die Mobilität aus? – Wie verändern sich Wohnformen durch die Konnektivität? – Wie müssen sich Bibliotheken verändern, um als „Dritter Ort“ dauerhaft akzeptiert und genutzt zu werden? – Welche Produkte und Dienstleistungen benötigt der vernetzte Kunde? – etc.
1.3 Trends Einzelne Trends lassen sich aus Trendfeldern ableiten und sind dann konkret auf die eigene Institution zu beziehen. Ein Trend ist eine Veränderungsbewegung oder auch ein Wandlungsprozess über ein Zeitintervall.19 Die Herausforderung ist es, diese hinsichtlich – des Verlaufs und der Dynamik auf einer zeitlichen Achse und – der Tiefe und Durchdringung in einer Ebenen-Logik
16 Gatterer et al. 2011, S. 37. 17 Zukunftsinstitut 2016a. 18 S. dazu den Beitrag „Smart Services als Marketinginstrument“ von Frank Seeliger in diesem Handbuch. 19 Vgl. Zukunftsinstitut 2016a; s. auch Einleitung.
Trends, Trendbeobachtung und ihre Analyse
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richtig zu dimensionieren und einzuordnen.20 Unterschieden werden kann, ob sich Trends nur auf eine Mode und einzelne Produkte beziehen oder ob sie Auswirkungen auf den Zeitgeist, die Konjunktur und Märkte oder auf ganze Technologiebereiche haben.21 Zwar sind Trends beobachtbar, aber hinsichtlich der Auswirkungen und der zeitlichen Dimension ist es vielfach nicht einfach, sie einzuordnen. Hier besteht immer eine gewisse Unsicherheit, die aber letztendlich auch der Motor für Innovationen ist.22 Für die Trendbeobachtung gilt damit eine wichtige Maxime: Trends sind regelmäßig zu beobachten; eine punktuelle, gelegentliche Beobachtung ist nicht ausreichend und kann dazu führen, dass wichtige Trends übersehen werden oder auch dazu, dass man sich unnötigerweise Trends widmet, die nur eine kurze Modeerscheinung sind und sehr schnell wieder irrelevant sind. Hilfestellung bieten hierbei Trendforschungsinstitute23, die Trends hinsichtlich der beiden aufgeführten Dimensionen beobachten und bewerten. Die Ergebnisse ermöglichen es Unternehmen und Institutionen wie auch Bibliotheken, eine Einschätzung dazu zu bekommen, welche Technologien für sie zukünftig relevant werden, um darauf ihr Innovationsmanagement aufzubauen. In Bezug auf die Frage „Welche Produkte und Dienstleistungen benötigt der vernetzte Kunde?“ (s. Kap. 1.2) führt dies für Bibliotheken und Informationseinrichtungen unmittelbar zu dem Trend Openness, der zu Innovationen im Bereich Open Access, Open Content, Open Data, Open Educational Resources, Open Knowledge etc. führen kann bzw. führt.
2 Trendbeobachtung Die Trendbeobachtung ist unabdingbar für ein systematisches Innovationsmanagement. Sonst verbleibt nach der Einordnung von Shapiro24 „Innovationsmanagement auf der ersten Stufe des Innovationsmanagements: Innovation [...] [als] ein einmaliges Event“25. Der eigentliche Innovationsprozess ist damit klar der Strategie der Institution nachzuordnen, die durch eindeutige Zielmärkte, Zielgruppen, Produkt- bzw. Dienstleistungsbereiche charakterisiert ist.
20 Vgl. Zukunftsinstitut 2016a. 21 Vgl. ebd. 22 Vgl. Pillkan, Döricht 2015, S. 68; Georgy 2017, S. 520. 23 Bekannte Trendforschungsinstitute sind u. a. das Zukunftsinstitut (https://www.zukunftsinstitut. de), das Institut für Trend- und Zukunftsforschung (ITZ) (https:/www.zukunftpassiert.de), das Trendbüro (http://trendbuero.com), Gartner (https:/www.gartner.com) und The New Media Consortium (NMC) (https://www.nmc.org) (Abruf: 2018.05.26). 24 Vgl. Shapiro 2010. 25 Georgy 2019, S. 183.
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Das Unternehmen Diehl gliedert seinen Trend-Radar in drei Bereiche: die Trendakquisition, die Trendbewertung und die Kommunikation der Ergebnisse.26
Zur Trendanalyse gehört u. a. die Definition der Suchfelder. Bei einem Suchfeld handelt es sich um ein für ein Unternehmen oder eine Einrichtung relevantes ZielThemenfeld, zu dem es bislang noch keine konkreten Innovationsideen oder auch Lösungen im Sinne von Innovationen, d. h. neue Produkte oder Dienstleistungen gibt.27 Durch regelmäßige Recherchen lassen sich dann die Trends festlegen und beschreiben. Die Recherchen helfen zudem, Trends von Moden oder Modetrends zu unterscheiden, die „flüchtige, oberflächliche und häufig marketinggesteuerte Phänomene [darstellen], die eher im Bereich einer Saison bzw. eines halben Jahres zu finden sind“28. Für Bibliotheken und Informationseinrichtungen bieten sich eine Reihe von Quellen, die für die Trendbeobachtung geeignet sind. Bei allen Quellen und Rechercheergebnissen muss jedoch immer eine Anpassung sowohl an die regionalen Gegebenheiten als auch an die individuellen Rahmenbedingungen und Erfordernisse erfolgen. Alle Ergebnisse, die man erhält, dienen mindestens dazu, die Einrichtung und ihre Mitarbeiter für neue Trends zu sensibilisieren und sie damit auch auf künftige Entwicklungen vorzubereiten. Fingerle und Mumenthaler empfehlen dafür z. B. auch interne Workshops, in denen die verschiedenen aktuellen Trends in Gruppenarbeiten diskutiert werden.29 Fragestellungen, die in diesem Kontext bearbeitet werden können, sind u. a.:
– – – – – – –
Welche Bedeutung hat dieser Trend/diese Technologie oder Herausforderung für die Bibliothek? Aus Sicht der Kundinnen und Kunden? Aus interner Sicht? Welche Produkte/Dienstleistungen sind davon betroffen? Welches sind die Risiken und Chancen (bei Anwendung oder Nicht-Anwendung)? Was kann die Bibliothek tun, um die Chancen zu nutzen bzw. die Risiken zu vermeiden? Gibt es Best-Practice-Beispiele, die der Bibliothek als Vorbild dienen können?30
Eine gute Dokumentation, die sich für die weitere Arbeit eignet, ist Voraussetzung für den Erfolg.
26 27 28 29 30
Vgl. Volek 2015, S. 16. Vgl. Tagwerker-Sturm 2011, S. 17. Zukunftsinstitut 2016a. Vgl. Fingerle, Mumenthaler 2016, S. 127 . Ebd., S. 128.
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2.1 Gartner Hype Cycle for Emerging Technologies Das Trendforschungsinstitut Gartner analysiert jedes Jahr eine Vielzahl von Technologien (ca. 30 bis 35) und ordnet diese im Gartner Hype Cycle hinsichtlich ihrer Entwicklung/ihres Reifegrades und ihres Entwicklungspotenzials ein. Dabei unterscheidet Gartner fünf Phasen: – technologische Auslöser (Technology Trigger), wobei es sich um Innovationen handelt; – Gipfel der überzogenen Erwartungen (Peak of Inflated Expectations); – Phase der Desillusionierung (Trough of Disillusionment); – Phase der Aufklärung/der Erleuchtung (Slope of Enlightenment) und – Plateau der Produktivität (Plateau of Productivity).31 Gartner geht davon aus, dass sich aus ersten Schutzrechtsanmeldungen, Prototypanwendungen etc. üblicherweise ein Hype entwickelt. Viele Unternehmen springen auf den Trend auf, die Presse berichtet sehr ausführlich. Auf diese Phase der überzogenen Erwartungen folgt eine Phase der Ernüchterung Die Berichterstattung geht drastisch zurück, die ersten Unternehmen müssen Insolvenz anmelden oder ziehen sich aus dem Bereich zurück, da sich die Erwartungen nicht erfüllen. Erst danach entwickelt sich ein stabiler Markt mit sinnvollen Einsatzbereichen, in dem eine Technologie auch produktiv genutzt wird, und die Technologie systematisch weiterentwickelt werden kann. Schließlich ist die Technologie zum Standard geworden.32 Die einzelnen Technologien benötigen unterschiedlich lange, um diese Phasen zu durchlaufen. Auch zu dieser zeitlichen Komponente gibt Gartner eine Einteilung ab: – weniger als zwei Jahre, – zwei bis fünf Jahre, – fünf bis zehn Jahre, – mehr als zehn Jahre, – die Technologie erreicht das Plateau der Produktivität nicht, sie wird vorher obsolet sein.33 Auf der Ordinate des Gartner Hype Cycle wird somit der erkannte Aufmerksamkeitsgrad, auf der Abszisse die seit Bekanntwerden der einzelnen Technologie verstrichene Zeit aufgetragen. Der Gartner Hype Cycle bezieht sich auf neue Technologien. Doch sind diese heute die Basis für neue Dienstleistungen und Geschäftsmodelle. Daher hat der Gartner Hype
31 Vgl. Gartner 2018. 32 S. dazu auch Fingerle, Birgit Inken; Mumenthaler, Rudolf: Innovationsmanagement in Bibliotheken. Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2016. 33 Vgl. u. a. Gartner 2017.
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Cycle auch für Bibliotheken eine hohe Relevanz. Und hinter jeder Technologie stehen immer eine Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen. Durch regelmäßige Beobachtung über mehrere Jahre hinweg kann eine Bibliothek auch individuell entscheiden, ob und wann sie einen Trend aufgreift. Große, sehr innovative Bibliotheken werden dies – z. B. auch über Drittmittelprojekte – eher tun können – und auch müssen – als eine kleinere öffentliche Bibliothek.
2.2 IFLA Trend Report Der IFLA Trend Report ist eine Besonderheit, da er bereits eine Aufarbeitung zentraler Trends für Bibliotheken darstellt. The IFLA Trend Report takes a broader approach and identifies five high level trends shaping the information society, spanning access to education, privacy, civic engagement and transformation. Its findings reflect a year’s consultation with a range of experts and stakeholders from different disciplines to map broader societal changes occurring, or likely to occur in the information environment. The IFLA Trend Report is more than a single document – it is a selection of resources to help you understand where libraries fit into a changing society.34
Der IFLA Trend Report benennt „five top level trends which will play a key role in shaping our future information ecosystem”35. Die Besonderheiten des Reports liegen darin, dass es u. a. Hilfestellung bei der Anwendung des Reports gibt, ein Diskussionsforum angeboten wird, das es ermöglicht, sich zu vernetzen und Trends innerhalb der Bibliotheks-Community international zu diskutieren, und dass der Report aktualisiert wird und es dazu separate Publikationen gibt, die die Updates enthalten.36 Das Update von 2017 formuliert z. B. drei neue Themen:
1. 2. 3.
How might libraries incorporate revolutionary 3D printing techniques into their offer? How should libraries respond to the urgent need to provide education for all? How can libraries compete with the huge volumes of misinformation that the Internet makes it possible to create and share?37
34 IFLA 2018a. 35 Ebd. 36 S. dazu IFLA: IFLA Trend Report 2017 Update. The Hague: IFLA Headquarters. https://trends.ifla. org/files/trends/assets/documents/ifla_trend_report_2017.pdf (Abruf: 2018.05.26). 37 IFLA 2018b; vgl. IFLA 2017, S. 5.
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2.3 NMC Horizon Report Weitere wichtige Quellen sind die verschiedenen New Media Consortium Horizon Reports (NMC Horizon Reports). The NMC Horizon Project is a global ongoing research initiative that explores the trends, challenges, and technology developments likely to have an impact on teaching, learning, and creative inquiry.38
Reports werden u. a. erstellt zu den Themen Higher Education, K-1239, Library und Museum. An der Library Edition 2017 waren 77 Experten in Kooperation mit der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Chur, der Technischen Informationsbibliothek (TIB) Hannover, der Bibliothek der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich und der Association of College & Research Libraries (ACRL) beteiligt.40 Der Report hat insbesondere für wissenschaftliche Bibliotheken eine hohe Bedeutung.
2.4 Patentrecherchen Gewerbliche Schutzrechte, insbesondere Patente beschreiben in den meisten Fällen konkrete Produkte und Produktentwicklungen, in den USA auch Geschäftsmodelle41. Im Internet finden sich eine Reihe von entgeltfreien Patentdatenbanken – z. B. die der nationalen Patentämter42, die für einfache Recherchen und eine erste Orientierung gute Quellen sind. Zudem bietet Google selbst über Google Patents43 eine hervorragende Möglichkeit, schnell und einfach einen Überblick über Patente zu erhalten, z. B. von den großen Playern wie Amazon, Apple, Google etc., die aktuell und auch in Zukunft Standards setzen werden.
38 The New Media Consortium 2018. 39 „In den USA ist K-12 eine weit verbreitete, zusammenfassende Bezeichnung für den primären und sekundären Bildungsbereich (primary and secondary education). Sie wird als ‚Kay through 12‘ oder ‚Kay 12‘ ausgesprochen und ist die Abkürzung für ,Kindergarten bis 12. Schuljahr‘.“ Wikipedia 2013. 40 Vgl. The New Media Consortium 2017. 41 Geschäftsmodelle sind in Deutschland nicht patentierbar. In § 1 Abs. 3 des Patentgesetzes heißt es: „Als Erfindungen [...] werden insbesondere nicht angesehen: [...] 3. Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten [...].“ Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz 2017. 42 Dazu gehören u. a. die Datenbanken des Deutschen Patent- und Markenamtes (https://depatisnet. dpma.de/DepatisNet/depatisnet?window=1&space=menu&content=index&action=index), des Europäischen Patentamtes (https://www.epo.org/searching-for-patents/technical/espacenet_de.html# tab-1) und des United States Patent and Trademark Office (https://www.uspto.gov/patents-application-process/search-patents) (Abruf: 2018.05.26). 43 S. https://patents.google.com/ (Abruf: 2018.05.26).
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Anhand der Zahl der Patente insgesamt bzw. der Zahl der Patentanmeldungen über die Jahre hinweg zu einzelnen Technologien oder auch Technologiefeldern kann die Entwicklung gut beobachtet werden.
3 Trendbewertung Für die Trendbewertung ist es entscheidend, ein festes Schema zu haben. Neben der kontinuierlichen Recherche (s. Kap. 2) ist es wichtig, dass „der beobachtete Trend einen gewissen Anwendungsbezug für ein Unternehmen [...] [hat]“44. Dieser ergibt sich aus den strategischen Zielen der Einrichtung. Daraus kann auch die Konsequenz gezogen werden, einen Trend nicht zu verfolgen, sofern er nicht zu den Zielen passt. Köpernik empfiehlt eine Trendbeschreibung mit „einer verständlichen Sprache und eindringlichen Bildern“45.
Wird ein Phänomen erfolgreich symbolisch und kommunikativ verdichtet (Naming), so kann in Anlehnung an die Wahrnehmungsforschung mehr Aufmerksamkeit und Bewusstsein für das Phänomen erzeugt und somit die „Trend-Karriere“ gefördert werden.46
Im Rahmen der Beschreibung muss auch dargestellt werden, für wen die Trends besonders relevant sind. Hier sollte z. B. auf Milieus etc. Bezug genommen werden.47 An dieser Stelle soll kurz die Abgrenzung zwischen Markt- und Trendforschung erläutert werden.
Die klassische Marktforschung erfasst auf Mikroebene systematisch insbesondere Einstellungen von Konsumenten. [...] Dabei ist sie retrospektiv, indem sie Menschen danach befragt, wie sich ihre Einstellungen verändert haben. Marktforschung zielt auf eine Erhebung und Analyse des status quo ab (Gegenwartsbezogenheit) und operiert mit quantifizierbaren Phänomenen und Ergebnissen. Prognosen werden ausschließlich auf Grundlage von in der Vergangenheit festgestellten Gesetzmäßigkeiten gemacht.48
Dies kann immer einmal wieder dazu führen, dass die Marktforschung keine oder falsche Ergebnisse bei produkt- oder dienstleistungsbezogenen Fragestellungen liefert, da z. B. Befragungen keine realen Verhaltensweisen oder Einstellungen abfragen bzw. erfassen, sondern eher hypothetisch ausgerichtet sind. Kunden können sich diese Situation z. B. nicht vorstellen.49 Ein Beispiel dafür ist das Wischen auf dem Display
44 Köpernik 2009, S. 98. 45 Ebd., S. 99. 46 Ebd. 47 S. dazu den Beitrag „Age of the Customer: Interne und externe Daten zur Beschreibung von Zielkunden und ihre Eignung für die Marktsegmentierung“ von Frauke Schade in diesem Handbuch. 48 Köpernik 2009, S. 121. 49 Vgl. Otto 1993, S. 2 f.
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eines Smartphones: Diese Art der Bedienung war für Kunden nahezu unvorstellbar, war es bis dahin doch eher verpönt gewesen, einen Bildschirm oder ein Display mit den Fingern zu berühren, was man nun aktiv tun sollte. Dass Kunden sich bestimmte Neuerungen nicht vorstellen können, betrifft natürlich besonders Durchbruch-Technologien, wie die Digitalkamera, das Smartphone, die Elektromobilität etc.50 Trends dagegen beziehen sich nicht auf spezifische Produkte bzw. Dienstleistungen, sondern können bereits in der Gegenwart „als schwache Signale wahrgenommen werden“51. Bei der Bewertung kann es auch hilfreich sein, unterschiedliche Zielgruppen mit einzubinden. Das Ergebnis sollten verschiedene Portfolios sein, die die Basis für eine Priorisierung sind und z. B. in ein Technologieradar (s. Kap. 3.4) münden. Erst auf dieser Grundlage können Ideen und Maßnahmen abgeleitet werden, die dann den ersten Schritt des eigentlichen Innovationsprozesses im Rahmen des Innovationsmanagements darstellen. Im Folgenden werden drei Portfolios vorgestellt, die die Bewertung von Trends unterstützen können.
3.1 Trendportfolio 1: Trendattraktivität – Trendrelevanz
Ein mögliches Ergebnis von Trendbewertungen ist eine Matrix, in der die Trendattraktivität (externe Perspektive) der relativen Trendrelevanz (interne Perspektive) gegenübergestellt wird. Daraus ergeben sich folgende Handlungsempfehlungen: – geringe Trendattraktivität, geringe Trendrelevanz: weiterhin beobachten; – geringe Trendattraktivität, hohe Trendrelevanz: etwaige weitere Reaktionen in Betracht ziehen; – hohe Trendattraktivität, geringe Trendrelevanz: vorhandene Strukturen berücksichtigen; – hohe Trendattraktivität, hohe Trendrelevanz: agieren.52
3.2 Trendportfolio 2: Eintrittswahrscheinlichkeit – Trendrelevanz
Eine Alternative stellt das Trendportfolio dar, in dem die Eintrittswahrscheinlichkeit den Auswirkungen auf die einzelne Einrichtung gegenübergestellt wird. Gausemeier und Plass differenzieren stärker, indem sie auch mittelstarke Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkungen berücksichtigen.53 Die wichtigsten Handlungsoptionen sind:
50 51 52 53
Vgl. Dudenhöffer 2012. Minx, Reeb 2005, S. 7. Vgl. Volek 2015, S. 22. Vgl. Gausemeier, Plass 2014, S. 97.
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Ursula Georgy
[...] – geringe Eintrittswahrscheinlichkeit / geringe Auswirkungen: keine Ressourcen unnötig binden; – geringe Eintrittswahrscheinlichkeit / hohe Auswirkungen: auf überraschende Trends vorbereitet sein, d. h. reaktive Eventualpläne erstellen; – mittlere Eintrittswahrscheinlichkeit / mittlere Auswirkungen: Trends beobachten; da die Entwicklung ungewiss ist, bedarf es einer sehr genauen Beobachtung; – mittlere Eintrittswahrscheinlichkeit / hohe Auswirkungen: Trends proaktiv aufgreifen durch intensive Befassung mit den Trends; – hohe Eintrittswahrscheinlichkeit / geringe Auswirkungen: Trends beobachten und ggf. in eigene Planungen integrieren; – hohe Eintrittswahrscheinlichkeit / hohe Auswirkungen: Trends sofort aufgreifen und anpacken.54
3.3 Kompetenzportfolio Im Rahmen der Bewertung von Trends müssen die Kompetenzen innerhalb der eigenen Institution zwingend betrachtet werden. Analog zu einer Produkt-Markt-Matrix nach Ansoff lässt sich z. B. eine Kompetenz-Trendrelevanz-Matrix erstellen: – Kompetenzstärke niedrig – Trendrelevanz niedrig: Es handelt sich um Kompetenzstandards. Verbesserungen sind nicht sehr dringlich. – Kompetenzstärke niedrig – Trendrelevanz hoch: Hier gilt es, die Anstrengungen zu verstärken. Bis die Kompetenzen in der eigenen Einrichtung vorhanden sind, müssen Aufgaben ggf. ausgelagert werden. Mittel- bis langfristig sollten die Kompetenzen aber in der eigenen Einrichtung vorhanden sein, d. h., es muss eine systematische Personalentwicklung stattfinden. – Kompetenzstärke hoch – Trendrelevanz niedrig: Auch hier gilt es, Mitarbeiter auf Trends mit hoher Relevanz vorzubereiten und eine entsprechende interne Personalentwicklung vorzunehmen, z. B. durch Qualifizierung, Mentoring oder auch persönliches Coaching. – Kompetenzstärke hoch – Trendrelevanz hoch: Das ist die Idealsituation für jede Institution. Die Einrichtung ist gewappnet, um auch in Zukunft gute Arbeit leisten zu können.55
Das Lernen wird somit zum entscheidenden Kriterium, um auch zukünftig wettbewerbsfähig zu bleiben. Unternehmen müssen in der Lage sein, die
54 Georgy 2017, S. 526 ; vgl. Gausemeier, Plass 2014, S. 97. 55 In Anlehnung an die Kompetenz-Kundenwert-Matrix; vgl. Hobohm 2012, S. 250.
Trends, Trendbeobachtung und ihre Analyse
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[...] veränderte[n] Umfeldbedingungen wahrzunehmen und auf die Herausforderungen durch Lernprozesse zu reagieren. Statisches Wissen wird durch dynamische, permanente Prozesse der Wissensaneignung abgelöst.56
Dieses Lernen muss durch ein aktives Change-Management begleitet werden.57
3.4 Trendradar Das Ergebnis der verschiedenen Bewertungsverfahren kann z. B. in ein Trend- bzw. Innovationsradar münden. Für die Darstellung gibt es keine festen Regeln. Der Logistikkonzern DHL, der sein Trendradar veröffentlicht, unterscheidet zwischen „Social & Business Trends“ und „Technology Trends“. Zudem werden die Relevanz von Trends oder Technologien und deren Eintrittswahrscheinlichkeit (in weniger als fünf Jahren, in mehr als fünf Jahren) dargestellt.58 Darüber hinaus erfolgt eine Bewertung und Kommentierung nach folgenden Gesichtspunkten: – wichtige Entwicklungen und Auswirkungen; – zentrale Chancen; – zentrale Herausforderungen und – Trendermittlung mit einer Kurzbewertung hinsichtlich des zeitlichen Rahmens, des Einflusses und der Auswirkungen sowie der Branchenrelevanz.59
Das Ergebnis ist eine Trendbewertung, die pro Trend nicht mehr als eine Seite in Anspruch nimmt. Diese Gliederung macht es dann auch möglich, Verantwortliche zu benennen, üblicherweise für jeden Trend eine Person – häufig auch als Gatekeeper bezeichnet –, die die Trends weiter beobachtet.
Fazit Bibliotheken müssen sich heute, um wettbewerbsfähig zu bleiben, der gleichen Managementmethoden bedienen, wie dies Unternehmen tun. Die Trendanalyse gehört ebenso dazu wie das Innovationsmanagement. Wird dem Innovationsmanagement keine Trendbeobachtung und -analyse vorgeschaltet, ist die Gefahr groß, dass Innovationen eher zufällig erfolgen und später kein in sich schlüssiges Produkt- und Dienstleistungs-Portfolio ergeben. Daher wird dem Thema in diesem Handbuch auch ein eigener Beitrag gewidmet. 56 57 58 59
Machate 2006, S. 38. S. den Beitrag „Change-Management“ von Petra Düren in diesem Handbuch. Vgl. Deutsche Post DHL Group 2016, S. 15–17. Vgl. u. a. Deutsche Post DHL Group 2016, S. 19.
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Ursula Georgy
Zudem ist die Beobachtung von Trends notwendig, um rechtzeitig Mitarbeiter hinsichtlich der neuen Kompetenzen zu schulen bzw. im Rahmen von Stellenneubesetzungen diese neuen Kompetenzen zu berücksichtigen. Werden möglichst alle Mitarbeiter in die Trendbeobachtung und -analyse mit einbezogen, kann Neugier geweckt werden und die Angst vor Veränderungen, die heute permanent erfolgen und zumindest scheinbar immer schneller notwendig werden, kann reduziert werden. Diese Form der Neugier wird auch als epistemische Neugier bezeichnet und avanciert zu einer der wichtigsten Kernkompetenzen von Mitarbeitern und Führungskräften. Dieser Begriff [epistemische Neugier] stammt aus der Psychologie und kennzeichnet dort die Form von Neugier, die darauf gerichtet ist, dem Organismus Informationen zuzuführen und neues Wissen zu ermöglichen (Denken, Problemlösen). Diese epistemische Neugier fasst ein ganz spezifisches Verhalten zusammen: Es geht um das Suchen von Informationen, die Aneignung von Wissen. Epistemische Neugier wird heute als Persönlichkeitsmerkmal gesehen. In ihr bündeln sich Verhaltensweisen wie die Lust, Neues zu entdecken, Neues zu lernen sowie die Freude am Lösen von Problemen – lauter Eigenschaften, die als Kernkompetenzen moderner Führungskräfte und leitender Mitarbeiter gebraucht werden. Die Wissensarbeiter von morgen werden vor allem nach ihrer Problemlösungskompetenz beurteilt.60
Wenn Trendbeobachtung und -analyse mit zur verstärkten epistemischen Neugier der Mitarbeiter in Bibliotheken beitragen, dürften sie auf einem guten Weg sein, auch künftig durch Wandel wettbewerbsfähig zu sein.
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60 Steinle, Naughton 2014, S. 20.
Trends, Trendbeobachtung und ihre Analyse
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Ragna Seidler-de Alwis
Markt- und Wettbewerbsanalyse in Zeiten von Big Data und Digitalisierung Abstract: Es werden immer mehr Daten in immer kürzerer Zeit produziert, so ist die Prognose, dass es 2020 44 Zettabyte an Daten geben wird und 50 Milliarden digital verbundene Geräte. Die Quellen dieser Daten sind mannigfaltig und heterogen und weichen von den traditionellen Quellen der Markt- und Wettbewerbsanalyse ab. Durch Digitalisierung und Internationalisierung werden Märkte komplexer und der Wettbewerb vielschichtiger. Schnelles Reagieren und schnelle Entscheidungen, mithilfe der Analyse großer Datenmengen, versprechen einen hohen Nutzen und Wettbewerbsvorteile für Unternehmen und Informationseinrichtungen. In diesem Beitrag werden die Bedeutung und Anwendungsmöglichkeiten von Big Data für die Marktund Wettbewerbsanalyse dargelegt. Des Weiteren wird der Einfluss neuer und vielfältiger Quellen einschließlich Social-Media-Daten auf die Markt- und Wettbewerbsanalyse beleuchtet und somit eine starke Annäherung von Market Intelligence und Business Intelligence aufgezeigt.
Einleitung Der Wandel durch die Digitalisierung1 und das Internet hat zu erheblichen Veränderungen in Unternehmen und öffentlichen Organisationen geführt. Durch die Digitalisierung steigt die Verfügbarkeit von Daten. Auf dem Informationsmarkt haben sich Wettbewerb, Verhalten der Kunden sowie Wertschöpfung radikal gewandelt. In der durch die Digitalisierung neu definierten Informationslandschaft mit neuen Angeboten, neuen Wettbewerbern, neuen Geschäftsmodellen sowie neuem Kundenverhalten reicht es nicht mehr aus, das Internet nur als neuen Kanal zu verstehen. Lange Zeit stand das Wachstum an verfügbaren Daten in einem engen proportionalen Verhältnis zum Bevölkerungswachstum. Erst seit den vergangenen 20 Jahren werden immer mehr Daten in immer kürzerer Zeit produziert. Mittlerweile verdoppelt sich das Datenvolumen alle drei Jahre. 2020 wird es ca. 44 Zettabyte (ZB)2 an Daten und 50 Milliarden digital verbundene Geräte geben.3 Die Methoden zur Datengenerierung, Datensammlung und Datenspeicherung haben sich fundamental geändert und
1 Digitalisierung verwendet nach dem Verständnis der EU – Digital Economy & Society: Digital Agenda Key Indicators. S. https://digital-agenda-data.eu/datasets/http-semantic-digital-agenda-dataeu-dataset-lead-indicators/visualizations (Abruf: 2018.02.22). 2 1 Zettabyte [ZB] = 1 099 511 627 776 Gigabyte [GB]. 3 Vgl. Evans 2011, S. 3–7.
https://doi.org/10.1515/9783110539011-005
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auch die Quellen dieser Daten sind mannigfaltig, z. B. digitale Plattformen, Milliarden von Smartphones und kabellose Sensoren, und weichen von den gewohnten meist analogen Quellen ab. Daten über Kunden, Produkte etc. stehen unter anderem über Social-Media-Kanäle, Online-Transaktionen, aus den eigenen ERP4-Systemen und aus weltweiten Open-Data-Initiativen zur Verfügung. Es gibt also nicht nur mehr Daten, sondern auch mehr Datentypen, einen einfacheren Datenzugriff sowie wirksame Instrumente, um Massendaten miteinander zu verbinden.5 Datenspeicherungskapazitäten haben zugenommen, bei gleichzeitiger Reduzierung ihrer Kosten. Der Zugang zu Informationen hat sich gleichzeitig vereinfacht. Zum einen sind Kundendaten und interne Daten leichter zugänglich und mittels ausgeklügelter Algorithmen einfacher bearbeitbar und auswertbar. Zum anderen werden durch Digitalisierung und Internationalisierung Märkte komplexer und der Wettbewerb vielschichtiger. Schnelles Reagieren und rasche Entscheidungen versprechen einen hohen Nutzen und sind unerlässlich, um im Wettbewerb bestehen zu können.
Ziel dieses Beitrags ist es zu zeigen, wie die Masse an Daten sowie die Quellenvielfalt und damit einhergehend die Datenqualität und Quellenbewertung die Markt- und Wettbewerbsanalyse verändert und somit eine starke Annäherung von Market Intelligence und Business Intelligence bewirkt.
1 Die Bedeutung von Big Data für die Markt- und Wettbewerbsanalyse Im betriebswirtschaftlichen Umfeld hat die Markt- und Wettbewerbsanalyse das Ziel, Trends und Entwicklungen möglichst frühzeitig zu erkennen, um ein proaktives Handeln zu ermöglichen und entsprechend gewinn- und erfolgsorientiert zu handeln. Das bedeutet zielgerichtetes und kontinuierliches Beobachten und Analysieren von konkreten Daten und Fakten in der Markt- und Wettbewerbsumgebung von Unternehmen oder auch von öffentlichen Einrichtungen und Organisationen, um die Ergebnisse in den Prozess der strategischen und operativen Planung des Marketings und seiner Umsetzung miteinzubeziehen. Die Markt- und Wettbewerbsanalyse kann ad hoc oder auch kontinuierlich erfolgen. Voraussetzung dafür ist die regelmäßige Beobachtung und Analyse von Informationen im Hinblick auf Entwicklungen und Ereignisse im Umfeld.6 Es empfiehlt sich, dass Organisationen und Unternehmen Tatkraft und Entschlossenheit in Markt- und Wettbewerbsanalysen investieren, weil
4 Enterprise Resource Planning (ERP) = Softwarelösungen zur Steuerung und Unterstützung von Geschäftsprozessen. 5 Vgl. Henke et al. 2016, S. 22–23. 6 Vgl. Seidler-de Alwis 2013, S. 182.
Markt-und Wettbewerbsanalyse in Zeiten von Big Data und Digitalisierung
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die strukturierte Analyse und Nutzung von Daten und Fakten in Bezug auf Markt- und Wettbewerbsinformationen auf verschiedenste Weise wertschöpfend sein kann. Derzeit fiebern viele Organisationen und Unternehmen danach, Daten in großem Ausmaß auszuwerten, um mit diesen Ergebnissen die Grundlagen für Wachstum und Leistungssteigerung zu erarbeiten. Die Datenverfügbarkeit ist allerdings nur der Ausgangspunkt. Es geht vor allem darum, inwieweit die Daten für relevante Entscheidungen genutzt werden, um daraus einen Nutzen zu ziehen. Bevor die Daten analysiert werden können, stehen in der Regel einige Stationen zwischen der Bearbeitung der Rohdaten und der tatsächlichen Verwendung und Auswertung dieser Daten: – Die erste Stufe ist die Datengenerierung und Datensammlung. Hier werden folgende Fragen beantwortet: Welche Quellen werden genutzt und auf welche Weise werden die Daten erfasst? – Die nächste Stufe ist die Datenaggregation. Sie schließt verschiedene Prozesse und Plattformen ein, die Daten aus unterschiedlichsten Quellen verbinden müssen, wie z. B. interne Kundendaten, Open Data und Netzwerkdaten. – Erst auf der letzten Stufe können die Daten analysiert und interpretiert werden und die Kombination von Datenquellen erschließt neue Erkenntnisse.7
Und spätestens hier erhält das Schlagwort Big Data seine hohe Bedeutung. Big Data umfasst Datenmengen, deren Größe und Leistungsfähigkeit die Möglichkeiten herkömmlicher Datenbanken in Bezug auf Speicherung, Verarbeitung und Analyse bei Weitem übersteigt. Unter dem Begriff Big Data werden in Wirtschaft und Öffentlichkeit Anwendungspotenziale und Wettbewerbsvorteile, aber auch die Gefahren des Umgangs mit großen Datenmengen diskutiert. In der Informatik versteht man unter Big Data die systematische Auswertung und Analyse einer großskalierten Sammlung von Daten in der Größenordnung von Petabytes8. Diese Datenmengen, die einer Organisation zur Verfügung stehen, wachsen auch deshalb, weil durch die Umsetzung des Internet of Things (IoT)9 der Datenaustausch innerhalb und zwischen Organisationen zunimmt. Durch die Digitalisierung von Geschäftsprozessen, von Produkten und von Kundenstimmen ist eine immense Datenflut entstanden. Ein weiterer Faktor ist, dass die Datenspeicherung fortlaufend preiswerter und benutzerfreundlicher geworden ist. Gleichzeitig nehmen mit der Vernetzung die Verwendungsmöglichkeiten für die Ergebnisse aus der Datenanalyse zu. Ein aktuell viel beachteter Trend ist z. B. Predictive Analytics. Hier werden Daten mithilfe von Algorithmen in Vorhersagemodellen ausgewertet, um frühzeitig Zustandsveränderungen zu prognostizieren. Die durch Digitalisierung und Konnektivität
7 Vgl. Henke et al. 2016, S. 7. 8 1 Petabyte [PB] = 1 000 000 Gigabyte [GB]. 9 „The Internet of Things (IoT) is the network of physical objects that contain embedded technology to communicate and sense or interact with their internal states or the external environment.“ Gartner o. J.
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zur Verfügung stehenden Datenmassen bieten für die Markt- und Wettbewerbsanalyse neue Quellen und Möglichkeiten der Datensammlung und -auswertung. Durch geeignete Big-Data-Anwendungen und -Systeme können diese Daten genutzt werden, um noch mehr Aufschluss über Markt und Wettbewerb zu geben.10
1.1 Nutzung und Anwendung von Big Data in der Markt- und Wettbewerbsanalyse Unterschiedlichste Daten gewinnen in Unternehmen und Organisationen eine zunehmende Bedeutung und so kann die Markt- und Wettbewerbsanalyse durch Big Data ihren Fokus ausweiten, indem verfügbares externes Wissen für das eigene Unternehmen noch stärker aufbereitet und mit dem internen Wissen verschmolzen wird. Big Data bietet hierbei verschiedene Nutzungs- und Anwendungsmöglichkeiten. In einer umfangreichen Untersuchung des Fraunhofer-Instituts für Intelligente Analyseund Informationssysteme (IAIS) wurde herausgestellt, dass Big Data vor allem das Ausschöpfen großer Datenmengen ermöglicht, um aus großen Datenmengen Muster zu erkennen und insbesondere neue und schnelle Formen der Verknüpfung und Analyse von Daten aus unterschiedlichen internen und externen Quellen zu ermöglichen.11 Das frühzeitige Erkennen bestimmter Muster, Korrelationen und Wahrscheinlichkeiten führt eindeutig zu Wettbewerbsvorteilen, wie z. B. Informationsvorsprung, Effizienzgewinn und gegebenenfalls auch Schutz vor neuen Konkurrenten. Darüber hinaus ermöglicht Big Data unternehmensinterne Primärforschung. Hieraus können neue Erkenntnisse auch im Hinblick auf Marktchancen und Verhalten des Wettbewerbs gewonnen werden und somit gute strategische Frühwarnsysteme erstellt werden – ein wichtiges Ziel der Markt- und Wettbewerbsanalyse.12 Die Auswertung von Daten bedeutet Wissensgewinnung, die an unmittelbare Anwendung des Wissens gekoppelt ist. Ein entscheidender Aspekt ist, dass Big Data neue Möglichkeiten der Massenindividualisierung eröffnet.
Doch birgt die Auseinandersetzung mit Big Data auch Fehlschläge und Dämpfer: Daten liegen mittlerweile massenhaft vor, enthalten allerdings nicht immer auch die relevanten Informationen, die zur Lösung einer konkreten Problemstellung notwendig sind. Ferner können Daten nur dann gut analysiert und interpretiert werden, wenn über den Kontext Verständnis herrscht, d. h., Daten müssen mit Erfahrung, Kompetenz, Verständnis der Materie und Wissen verknüpft werden. Nur die Kombination von analytischen Werkzeugen, z. B. der Analyse durch Algorithmen oder Wahrschein
10 Vgl. Saam et al. 2016, S. 17; Swoboda 2017, S. 65, 66. 11 Vgl. Hoffmann, Voss 2013, S. 30. 12 Vgl. ebd., S. 31.
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lichkeitsberechnungen, mit Branchen- und Geschäftskenntnissen schafft einen wirklichen Mehrwert.13 Fallbeispiele zu unterschiedlichen betriebswirtschaftlichen Problemstellungen zeigen gute Anwendungsmöglichkeiten, die offensichtlich Wettbewerbsvorteile erzielen. So erzielt ein Busunternehmen mittels Social-Media-Daten aus den Kanälen Facebook und Twitter einen Wettbewerbsvorteil, indem es ein tiefergehendes Verständnis von der Struktur der Nachfrage erlangt. Auf dieser Basis optimiert es Routen und Kapazitäten, erreicht dadurch eine bessere Auslastung der Busse und kann so dem heftigen Wettbewerb auf Standardstrecken durch besondere Angebote ausweichen. Für eine Bibliothek könnte man durch die Analyse sämtlicher Ausleihdaten der Nutzer den Besuch der Nutzer in der Bibliothek dahingehend optimieren, dass die Medien so aufgestellt werden, dass häufig im Verbund geliehene Medien auch in räumlicher Nähe sind. Dadurch könnte eine höhere Ausleihe pro Fläche bei gleicher Verweildauer erzielt werden.14 Die Sentiment Analysis (Stimmungserkennung)15 kann bei Social-Media-Daten gut auch für die Markt- und Wettbewerbsanalyse genutzt werden, um herauszufinden, wie sehr das eigene Unternehmen oder die eigene Institution im Vergleich zu anderen Unternehmen/Einrichtungen favorisiert wird. Es gibt aber auch kritische Stimmen, die anmerken, dass die Auswertung von Massendaten keine weiteren guten strategischen Aussagen für die Markt- und Wettbewerbsanalyse liefern kann, weil die Daten nicht richtig interpretiert werden und nicht in Handlungsoptionen überführt werden können. Daraus folgt aber nicht, dass Big Data nicht miteinbezogen werden sollte, sondern dass man sich bei der Auswertung mehr auf die internen Daten und Primärdaten der Unternehmen und Organisationen fokussieren sollte, da mit diesen Daten gute strategische Frühwarnsysteme erstellt werden können. Diese Daten sind in der Regel weder veraltet noch bereits erhoben. In Zukunft wird es immer mehr sehr aktuelle Daten von Kunden geben, die auswertbar sind, und der schnelle Wandel auf dem Markt verlangt nach guten und exakten Aussagen und Vorhersagen. Amazon ist ein gutes Beispiel dafür.
1.2 Automatisierung der Wissensarbeit Quantitative Daten zu sammeln ist einfacher geworden, und die Entwicklung technologisch intelligenter Systeme wird großen Einfluss auf die Durchführung von Marktund Wettbewerbsanalysen nehmen, da die IT ein treibender Faktor für die Analysen
13 Vgl. Gürster, Spaar 2017, S. 34, 35; Henke et al. 2016, S. 7. 14 Vgl. Seiter 2017, S. 2. 15 Die Sentiment Analysis bewertet die Tonalität von Social-Media-Daten.
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der Daten bildet. Die großen Datenmengen, die durch Big Data verfügbar werden, werden bei der Datensammlung durch technische Systeme gespeichert und suchbar gemacht. Preiswerte Speichermedien und neue Verfahren des Datenmanagements, wie z. B. Hadoop16 und NoSQL-Datenbanken17 etc., erlauben es, extrahierte Rohdaten in großem Umfang zu strukturieren, zu speichern und intensive Rechenprozesse mit großen Datenmengen durchzuführen. Verschiedene Anwendungen, wie die Nutzung von Cloud-Dienstleistungen und Analytics-Technologien, müssen dafür aber auch reibungslos miteinander harmonieren.18 Unternehmen und Organisationen erleben eine Automatisierung von Wissensarbeit, anfänglich zunächst als Gegenstand einer Diskussion kennengelernt, die sich mittlerweile über die punktuelle Umsetzung in einzelnen Unternehmen fortsetzt und zum Vorreiter eines veritablen Trends geworden ist. Unternehmen und Organisationen sind sich der Vielfalt an verfügbaren Daten und Analysen nicht nur bewusst, sie nutzen auch sehr unterschiedliche Daten mithilfe neuer Technologien. Dazu gehören zunächst Unternehmensdaten, die aus Stammdaten oder auch aus Projektmanagementdaten eruiert werden. Kundendaten, wie z. B. anonymisierte Mobilfunkdaten und WiFi-Daten, werden immer vielfältiger genutzt. Hier wird häufig auf Customer-Relationship-Management-Daten zurückgegriffen, so z. B., um herauszufinden, wer am Point of Sale (POS) was macht. Zudem können immer mehr Social-Media-Daten ausgewertet werden. Darüber hinaus dienen systemische Daten, wie Logdaten oder auch Sensordaten, ebenso als Quelle wie öffentlich verfügbare Quellen, z. B. Daten und Informationen über Wettbewerber oder gesamtwirtschaftliche Rahmendaten aus offiziellen Statistiken.19 Auf der Basis der erhöhten Datenverfügbarkeit sind inzwischen quantitative Prognosemodelle wie z. B. die Bestimmung von Prioritäten mit der Pearson-Korrelation möglich, die der Markt- und Wettbewerbsanalyse neue und interessante Ansatzmöglichkeiten verleihen. Mithilfe von Data Mining können Muster und Zusammenhänge von Daten erkannt werden, um relevante Informationen abzuleiten. Im Rahmen von Predictive Analytics kann Kundenverhalten prognostiziert werden. Problemstellungen hierzu können z. B. Werbewirksamkeit, Kundensegmentierung, Prognose der Wechselwahrscheinlichkeit von Kunden wie auch Pricing-Reaktionen von Kunden sein. Das Spektrum der Algorithmen reicht von einfachen deskriptiven Statistiken über Algorithmen des Data Mining, wie die Clusteranalyse oder Klassifikationsanalyse, bis hin zu Prognose-Algorithmen.20
16 17 18 19 20
Auf Java basierendes Software-Framework. Datenbanken, die einen nichtrelationalen Ansatz verfolgen. Vgl. Hoffmann, Voss 2013, S. 31. Vgl. KPMG 2017, S. 23, 29–30. Vgl. Seiter 2017, S. 10–11.
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2 Quellen und Datenqualität Die Verflechtung unterschiedlicher Märkte nimmt zu und das Spektrum an Quellen mit strukturierten wie auch unstrukturierten Daten hat sich enorm vergrößert. Es reicht von öffentlichen Quellen und Communitys, die ihre Schnittstellen öffnen und über Open Data und Open Access beachtliche Mengen an Daten bereitstellen, bis zu Sensorik und Mobilfunk. Das Internet als externe Quelle stellt in Social-Media-Kanälen und Produktportalen Daten zur Verfügung und gibt so Einblicke in das Verhalten von Konsumenten, Kunden und Nutzern. Darüber hinaus stellen ERP-Systeme als interne Quellen Produkt-, Personen- oder auch Finanzdaten zur Verfügung. Dies erschwert nicht nur die Quellenauswahl, auch die Qualität der zugrunde liegenden Daten ist nicht immer gewährleistet. Viele Informationen liegen ungeprüft verfügbar vor und sind ggf. nicht korrekt. Dadurch kommt der vermehrten Auseinandersetzung mit den Quellen eine besondere Bedeutung zu. Gürster und Spaar definieren Datenqualität danach, wie gut sich Daten zu dem Zweck eignen, für den sie erfasst bzw. generiert werden. Für die Qualität von Daten sind zudem die Dimensionen Vollständigkeit, Aktualität und Korrektheit entscheidend. Weitere Faktoren sind Konsistenz, d. h. Widerspruchsfreiheit und Glaubwürdigkeit, Nachvollziehbarkeit bezüglich der Entstehung von Daten und Redundanzfreiheit.21 Datenqualität ist jedoch nicht absolut zu betrachten, sondern immer aus der Perspektive der Verwendung und aus dem Kontext der Nutzung. Weiterhin sollte nicht ausgeblendet werden, dass Wissen immer kontextabhängig ist und es auch bei Big-Data-Analysen eines Verständnisses der tatsächlichen Anwendung bedarf. Kontext wird dann erzeugt, wenn Daten mit Erfahrung und/oder Wissen verknüpft werden. Bei komplexen Sachverhalten, die u. a. bei im Rahmen von Business Analytics22 angewendeten Algorithmen vorkommen, ist eine erforderliche Plausibilitätsprüfung jedoch nicht immer einfach möglich. Folglich können fehlerhafte Resultate aufgrund mangelnder Datenqualität nicht erkannt werden.23 Geringe Datenqualität muss zu falschen oder fehlerhaften Ergebnissen führen, nach dem Motto garbage in – garbage out. Um korrekte Aussagen zu treffen, ist das Sicherstellen von Datenqualität in Unternehmen oder Organisationen unumgänglich und ein fachübergreifendes Thema, das entsprechend in der Unternehmenskultur verankert sein muss. Dabei sind sowohl technische als auch fachliche Aspekte von entscheidender Bedeutung. Ergebnisse von Big Data werden nicht nur über die Menge an verfügbaren Daten erzeugt, sondern insbesondere über die Kompetenz, das Material tatsächlich auswerten, interpretieren und in Handlungsoptionen überführen zu können.24 Bei Daten und Informationen geht es aber nie nur um Qualität, sondern auch um Vertrauen. Entsprechend hoch
21 22 23 24
Vgl. Gürster, Spaar 2017, S. 33. Datenbasierte Entscheidungsfindung auf der Basis statistischer Analysen. Vgl. Seiter 2017, S. 73, 74. Vgl. Gürster, Spaar 2017, S. 33–35; Hoffmann, Voss 2013, S. 31.
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sind die Anforderungen im Bereich Data Governance und Compliance. Dabei kommen die Anforderungen sowohl von regulatorischer Seite als auch von den Stakeholdern des Unternehmens oder einer öffentlichen Institution.25
2.1 Quellenauswahl und Quellenbewertung Hinsichtlich Datenauswertung und Datenvalidierung können größere Datenmengen die Extraktion relevanter Informationen erschweren, und sie erfordern andere Kompetenzen als bei der herkömmlichen Markt- und Wettbewerbsanalyse. Der Umgang mit neuen Datenquellen und Analyseformen erfordert eine klare und zielgerichtete Methodenkompetenz, aber auch klassische informationswissenschaftliche Kompetenzen, wie die Erstellung von Taxonomien und/oder Klassifikationen, Indexierungen und Metadatenbeschreibungen.26 Es ist daher wesentlich, Zeit und Aufwand sowohl in die Quellenauswahl als auch in die Datenbewertung zu stecken, nicht nur um Kosten zu sparen, sondern auch um zu vermeiden, falsche oder nicht geeignete Daten und Fakten zu analysieren und zu interpretieren. Informationsquellen zu kennen und ihre Stärken, Schwächen und auch ihr Potenzial beurteilen zu können, ist im Rahmen der Markt- und Wettbewerbsanalyse mit Big Data ein sehr wertvolles und ergänzendes Instrumentarium. Mit der Daten- und Informationsflut wird es immer schwieriger und zeitaufwendiger, eine genaue Quellenbewertung vorzunehmen. Umso wichtiger ist es daher, folgende Kriterien bei der Bewertung von Quellen zu beachten: – Reputation und Kompetenz; – Objektivität und Sachlichkeit; – Verlässlichkeit und Seriosität. Reputation und Kompetenz beziehen sich darauf, wie bekannt, etabliert, fundiert und renommiert die Quelle, der Autor oder der Herausgeber ist. Objektivität und Sachlichkeit beziehen sich auf den Zweck und die Veröffentlichungsabsicht des Autors und/oder Herausgebers. Verlässlichkeit und Seriosität verweisen darauf, wie konsistent, widerspruchsfrei und korrekt eine Informationsquelle erscheint.27
2.2 Interne und externe Daten und ihre Quellen Big Data umfasst interne und externe Daten, wobei letztere sich sehr heterogen darstellen können. Sie kommen vor allem aus dem Internet, von Websites, Daten-
25 Vgl. KPMG 2017, S. 23. 26 Vgl. Swoboda 2017, S. 66. 27 Vgl. Håkansson, Nelke 2015, S. 35–36.
Markt-und Wettbewerbsanalyse in Zeiten von Big Data und Digitalisierung
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diensten und Social Media, aber auch aus kostenpflichtigen Firmendatenbanken und Marktforschungsunternehmen. Das Internet bietet in Social-Media-Anwendungen und Produktportalen Einblicke in das Verhalten und die Vorlieben von Konsumenten und gewerblichen Nutzern. Zu den internen Daten zählen z. B. Transaktions-, Logund Sensordaten. Bei den internen Daten geht es darum, „Lagerdenken“ aufzubrechen, sodass Daten aus verschiedenen Geschäfts- und Produktionssystemen zusammen analysiert und komplexe Zusammenhänge erkannt werden können. Sowohl die internen als auch die externen Daten können strukturiert oder unstrukturiert vorliegen und verlangen nach Mechanismen zur automatischen Informationsextraktion.28 Immer mehr Organisationen und Unternehmen geben sich heute nicht mehr damit zufrieden, Daten unsystematisch mithilfe einfacher IT-Tools auszuwerten. Ein wichtiger Baustein für den Erfolg von Data-Analytics-Ansätzen sind neue technologische Möglichkeiten bezüglich der Auswertung und Verarbeitung von Daten. Immer mehr Unternehmen sehen einen großen Vorteil in der Verknüpfung externer Daten mit internen Daten, um strategische Entscheidungen treffen zu können und umfassende Handlungsempfehlungen zu geben. Sie stellt Unternehmen aber auch vor Herausforderungen in Bezug auf die Harmonisierung und Integration der unterschiedlichen Datenstrukturen.29 Diese Ergebnisse der KPMG-Studie, die den Einsatzbereich von Datenanalysen in deutschen Unternehmen – und die Erwartungshaltungen der Entscheider – untersucht, werden auch durch die Befragung von Elke Theobald unterstützt, die feststellt, dass sich die befragten Unternehmen in ihrer Studie über den Status quo der Marktund Wettbewerbsanalyse für die Markt- und Wettbewerbsanalyse Software wünschen, die das Zusammenführen von internen und externen Daten erleichtert und verbessert.30 Des Weiteren hat sie in dieser Studie ermittelt, dass momentan die internen Daten und ihre Quellen am häufigsten aus dem Vertrieb und der Marktforschungsabteilung kommen, gefolgt vom Produktionsmanagement und den hausinternen ERP-Systemen. Bei den externen Daten konzentrieren sich die Unternehmen bei der Datensammlung auf Recherchen und Quellen im Internet, Überwachung der Wettbewerber-Seiten, sowohl ad hoc als auch softwarebasiert. Als weitere externe Quellen werden Fachzeitschriften online und offline genutzt. Darüber hinaus spielt der Kauf von Wettbewerbs- und Marktdaten bei 50 Prozent der Befragten eine wichtige Rolle. Laut dieser Umfrage spielt Social-Media-Monitoring bisher noch eine untergeordnete Rolle.31 Insgesamt zeigt sich ein Anstieg an Nutzung externer Quellen – auch aufgrund der wachsenden Bandbreite, insbesondere bei den sozialen Medien. So erleichtert die Digitalisierung von Prozessen in Organisationen und Unternehmen
28 29 30 31
Vgl. Hoffmann, Voss 2013, S. 31. Vgl. KPMG 2017, S. 48 . Vgl. Theobald 2016, S. 6–9. Vgl. ebd.
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die Verknüpfung von internen und externen Daten und Informationen. Weiterer Einsatz neuer Technologien und Software wird aufgrund der erzielten Strukturierung und der methodischen Datenauswertung noch bessere Ergebnisse erzielen.
Fazit Es wird deutlich, dass die zunehmende Digitalisierung mit ihren zahlreichen technologischen Entwicklungen die Markt- und Wettbewerbsanalyse verändert, sodass diese zukünftig für die strategische Ausrichtung und Positionierung von Organisationen und Unternehmen weiter an Bedeutung gewinnen wird. In Organisationen und Unternehmen werden Potenzial und Möglichkeiten von Big-Data-Analysen zunehmend erkannt – auch für die Bewertung des Marktes und des Wettbewerbs. Der Umgang mit großen Datenmengen, die im Rahmen von Big Data verfügbar werden, und die daraus folgenden Möglichkeiten zur Erschließung von Wissen aus Daten bieten einen weiteren und nützlichen Ansatz bei der Durchführung von Markt- und Wettbewerbsanalysen, setzen aber auch neue Qualifikationen innerhalb der Unternehmen voraus.32 Neben dem komplex und breit angelegten Wissensspektrum und der profunden analytischen Denkweise eines Mitarbeiters für Markt- und Wettbewerbsanalysen erfordern die parallel verlaufenden Entwicklungen technologisch intelligenter Systeme ebenfalls eine starke Informatikkompetenz der Mitarbeiter. Es braucht also die Verschmelzung von Technologiekompetenz mit Kontext-Know-how. Bereits 2012 haben Davenport und Patil den Beruf bzw. die Position des Data Scientist (Datenanalyse-Spezialist) bekannt gemacht. An diesen werden eine Vielzahl von Anforderungen gestellt: von Datenbeschaffung, Strukturierung von großen Datenmengen, Analyse und Interpretation bis hin zur Nutzung der Ergebnisse in betriebswirtschaftlichen Kontexten. Data Scientists sollen ergiebige und verlässliche Daten und Quellen identifizieren, diese mit anderen Quellen verknüpfen und in Kontext setzen. Hier bedarf es sowohl spezifischer IT-Kenntnisse als auch eines hohen Verständnisses des Unternehmens, der Branche und des Marktes. Darüber hinaus stellt sich an Data Scientists die Anforderung, kreativ und kommunikativ zu sein.33 Unternehmen und Organisationen brauchen also fähige Mitarbeiter, die diese heterogenen Kenntnisse und Fähigkeiten mitbringen. Neben Neueinstellungen von diesen Datenanalyse-Spezialisten ist es aber auch wichtig, dass die bisherigen Markt- und Wettbewerbsanalysten ein Grundverständnis von der Thematik entwickeln, sodass eine daten- und quellengetriebene Kultur entsteht. Externe Dienstleister können dabei helfen und neue Kompetenzen einbringen.34
32 Vgl. Swoboda 2017, S. 82, 83. 33 Vgl. Davenport, Patil 2012, S. 73. 34 Vgl. KPMG 2017, S. 43, 65.
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Da sich sowohl interne als auch externe Daten zu einer wichtigen Ressource in Unternehmen und Organisationen entwickeln, ist ein angemessener Umgang damit notwendig, und Datenschutz ist unerlässlich. Hier besteht natürlich ein großer Unterschied zwischen externen und internen Daten. Interne Daten und Quellen mit Zugriffsbeschränkungen können nur begrenzt ausgewertet werden. Es gibt zwar Methoden des „privacy-preserving data mining“, die sicherstellen, dass Personenbezüge nicht nachvollziehbar sind, trotzdem müssen Unternehmen und Organisationen bei der Verwendung von internen Daten und Quellen den bestmöglichen Schutz ihrer Daten gewährleisten, denn schließlich fordert dies nicht nur das Gesetz, sondern Kunden und Nutzer legen gleichermaßen großen Wert auf den Schutz ihrer Daten. Das Recht auf die informationelle Selbstbestimmung wird seit Mai 2018 auf europäischer Ebene durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) geregelt. Die DSGVO gilt für alle EU-Mitgliedstaaten. Ziel ist sowohl der Schutz personenbezogener Daten als auch die Regelung des freien Datenverkehrs auf dem europäischen Binnenmarkt. Die Verordnung gilt für die vollständig oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten als auch für die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die digital gespeichert werden (Artikel 2).35
Literatur Letztes Abrufdatum der folgenden Internet-Dokumente ist der 2018.02.22, sofern nicht anders angegeben. Davenport, Thomas H.; Patil, D. J.: Data Scientist: The Sexiest Job of the 21st Century. In: Harvard Business Review 90, 2012, H. 10, S. 70–76. Evans, Dave: The Internet of Things. How the Evolution of the Internet Is Changing Everything. CISCO White Paper. San Jose CA: Cisco Systems, April 2011. https://www.cisco.com/c/dam/en_us/abo ut/ac79/docs/innov/IoT_IBSG_0411FINAL.pdf (Abruf: 2018.05.07) Europäisches Parlament; Europäischer Rat: Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung). 2016. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=ce lex%3A32016R0679 (Abruf: 2018.06.18). Gartner: Internet of Things. IT Glossary. O.J. https://www.gartner.com/it-glossary/internet-of-things/ Gürster, Ulrich; Spaar, Michael: Traue keiner Statistik, die du nicht … Über die Bedeutung der Datenqualität in Zeiten von Big Data. In: Controller Magazin 2017, H. 1, S. 33–35. Håkansson, Charlotte; Nelke, Margareta: Competitive Intelligence for Information Professionals. Amsterdam, Boston, Heidelberg (u. a.): Elsevier, 2015. Henke, Nicolaus; Bughin, Jacques; Chui, Michael; Manyika James; Saleh, Tamim; Wiseman, Bill; Sethupathy, Guru: The Age of Analytics: Competing in a Data-Driven World. McKinsey Global Institute, 2016.
35 Vgl. Europäisches Parlament; Europäischer Rat 2016.
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Ragna Seidler-de Alwis
Hoffmann, Jörg; Voss, Angi: Big Data und seine Bedeutung für das Wissensmanagement. In: Wissensmanagement 2013, H. 5, S. 30–33. KPMG (Hrsg.): Mit Daten Werte schaffen. Report 2017. https://home.kpmg.com/de/de/home/the men/2017/05/mit-daten-werte-schaffen—studie-2017.html Saam, Marianne; Viete, Steffen; Schiel, Stefan: Digitalisierung im Mittelstand. Status Quo, aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen. Forschungsprojekt im Auftrag der KfW Bankengruppe. Mannheim: Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, 18. August 2016. http://ftp.zew.de/ pub/zew-docs/gutachten/Digitalisierung-im-Mittelstand.pdf Seidler-de Alwis, Ragna: Die Markt- und Wettbewerbsanalyse – ein betriebswirtschaftliches Instrument zur Anwendung in Bibliotheken. In: Bibliothek, Forschung und Praxis 37, 2013, H. 2, S. 182–190. Seiter, Mischa: Business Analytics. Effektive Nutzung fortschrittlicher Algorithmen in der Unternehmenssteuerung. München: Vahlen, 2017. Swoboda, Soraya: Market und Competitive Intelligence der Zukunft. Masterthesis an der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft. Fakultät Wirtschaftswissenschaften, Studiengang International Management. 28. Februar 2017. Theobald, Elke: Marketing und Competitive Intelligence in deutschen Unternehmen. Eine Studie über den Status-quo der Markt- und Wettbewerbsanalyse. Management Monitor. Pforzheim: Steinbeis – Transferzentrum Unternehmensentwicklung an der Hochschule Pforzheim, 2016.
Frauke Schade
Age of the Customer: Interne und externe Daten zur Beschreibung von Zielkunden und ihre Eignung für die Marktsegmentierung Abstract: Die Heterogenität und Veränderungsdynamik der Gesellschaft setzt heute den Imperativ einer genauen Zielgruppenkenntnis, um Legitimität zu bewahren und bedarfsgerechte Angebote zu konzipieren. Die Erforschung von Zielkunden hinsichtlich Demografie, Einstellungen und Verhalten zur Profilierung von Angeboten ist der Marktforschung zuzuordnen, deren Erkenntnisse in der Marktsegmentierung genutzt werden. Der Beitrag geht der Frage nach, wie Bibliotheken ein möglichst konkretes Bild über ihre Kunden und deren Bedarfe erhalten können und welche Daten dazu genutzt werden können, um Services zu profilieren. In diesem Beitrag wird diskutiert, wie sich im Rahmen der Primärforschung Methoden der Benutzerforschung, der Informationsverhaltens- und User-Experience-Forschung für die Beschreibung von Zielkunden eignen und welche neueren Methoden es gibt, die große Mengen an (unstrukturierten) Daten auswerten, um Inhalte und Angebote für spezifische Kundenprofile zu optimieren, und die über die Möglichkeiten der „klassischen“ Marktsegmentierung hinausgehen. Im Rahmen der Sekundärforschung wird gezeigt, welche Daten Bibliotheken nutzen können, wenn keine oder wenig Daten über Zielkunden vorliegen, und welche Lebensstil- und Milieutypologien von Bibliotheken genutzt werden können, um Zielkunden konkret zu beschreiben.
Einleitung Seit den 1970er Jahren differenziert sich die Bevölkerung in Deutschland durch Wertewandel und Individualisierung stetig aus. Durch die hohe Veränderungsdynamik und die Multioptionalität der Gesellschaft steigt die Herausforderung, Bedarfe von Kunden genau zu kennen und ihnen mit einem passgenauen Dienstleistungsportfolio zu begegnen. Auf der anderen Seite ermöglichen Digitalisierung und automatisierte Verfahren durch die Sammlung und Auswertung großer (unstrukturierter) Datenmengen eine hochindividualisierte Ansprache von Zielkunden und die exakte Anpassung von Angeboten an ihre Bedarfe. In diesem Beitrag wird der Frage nachgegangen, welche Konzepte zur Beschreibung von Zielgruppen und zur Segmentierung von Zielkunden es gibt, um Demografie, Einstellungen und Verhalten zu evaluieren und Bedarfe möglichst exakt zu befriedigen. Ziel ist es zu zeigen, wie Bibliotheken eine möglichst genaue Kenntnis über ihre Zielkunden erreichen können. Zunächst wird dargestellt, wie Zielgruppen von Bibliotheken definiert und mit welchen Merkmalen sie beschrieben werden können. Im Folgenden wird dargestellt, was man unter Marktsegmentiehttps://doi.org/10.1515/9783110539011-006
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rung versteht und welche Anforderungen sich daran stellen, Zielkunden zu definieren. Zur Marktsegmentierung werden Daten genutzt, die von Einrichtungen selbst (Primärforschung) oder von Dritten (Sekundärforschung) erhoben werden. Dazu werden in der Primärforschung Methoden aus der empirischen Sozialforschung genutzt und für die spezifischen Anforderungen von Bibliotheken und von Informationsdienstleistungen weiterentwickelt. Unter dem Schlagwort Big Data gewinnen zunehmend Methoden und selbstlernende Verfahren an Relevanz. Bei der Sekundärforschung werden mit verschiedenen Methoden der Marketinganalyse Daten und Informationen ausgewertet, die von Dritten, weitgehend zu anderen Zwecken und in anderen Kontexten, erhoben werden. Die Datengrundlagen werden jeweils in ihrer Eignung für die Marktsegmentierung von Bibliotheken diskutiert.
1 Zielgruppen von Bibliotheken Eine Zielgruppe stellt eine Gruppe von Personen dar, die das gleiche Kernmotiv mit einer Bibliothek verbindet. Ein Motiv ist ein Beweggrund, der Einstellungen zum Ausdruck bringt oder der aus einem empfundenen Mangel, also einem Bedürfnis, heraus entsteht.1 Die Motive der Zielgruppen von Bibliotheken sind so vielfältig wie sie selbst. Kunden verbinden mit der Bibliothek andere Motive und Bedarfe als Mitarbeiter, Kooperationspartner, Journalisten, Sponsoren oder Entscheidungsträger. Motive werden geprägt durch Einstellungen. Einstellungen sind Bewertungen von Meinungsgegenständen durch Individuen. Sie beruhen auf lebensgeschichtlichen Erfahrungen und haben eine höhere zeitliche Stabilität als Motive. Einstellungen sind sowohl durch kognitive Annahmen – Überzeugungen und Wissen – als auch durch Emotionen2 und Stimmungen3 geprägt. Deutlich wird, dass Einstellungen eng verbunden sind mit weiteren Persönlichkeitsmerkmalen wie Alter, Geschlecht und Familienstand (demografische Merkmale) sowie sozioökonomischen Kennzeichen, z. B. Ausbildung, Beruf oder Einkommen. Motive, Einstellungen und (sozio-)demografische Merkmale prägen insgesamt das Verhalten und damit auch das Entscheidungsverhalten – zum Beispiel das Inte
1 Vgl. Bruhn 2014, S. 203; Meffert et al. 2015, S. 116. 2 Die Emotionsforschung konnte sich bis heute auf keine allgemeingültige Definition von Emotionen verständigen. Einigkeit besteht jedoch darüber, dass Emotionen eine innere Erregung darstellen, die bewusst oder unbewusst als angenehm oder unangenehm empfunden wird und häufig durch beobachtbares Verhalten (Äußerungen, Gestik, Mimik, nonverbale Kommunikation) zum Ausdruck gebracht wird (vgl. Kroeber-Riel et al. 2008, S. 100). 3 Als Stimmungen werden weitgehend diffuse (ungerichtete) Emotionen beschrieben, die das Erleben (Wahrnehmen, Informationsverarbeitung, Erinnerungen) dauerhaft beeinflussen. In Abgrenzung zu Emotionen beziehen sie sich jedoch nicht auf einen konkreten Sachverhalt (vgl. Kroeber-Riel et al. 2008, S. 100).
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resse an der Bibliothek oder die Nachfrage nach ihren Angeboten. Mit Motiven, Einstellungen, (sozio-)demografischen Merkmalen und Verhalten lassen sich Zielgruppen sehr konkret beschreiben.4 Mit den genannten Merkmalen hängt das sogenannte Involvement zusammen. Involvement beschreibt den Grad der Aufmerksamkeit, den Individuen der Bibliothek und ihren Angeboten kognitiv und/oder emotional entgegenbringen. Involvement misst sich an der Relevanz, die die Bibliothek für die Zielgruppe hat. Ist das Involvement hoch, haben Zielgruppen bereits ein Interesse an der Bibliothek und an ihren Dienstleistungen. Es kann vorausgesetzt werden, dass diese Zielgruppen die Bibliothek kennen, ihre Angebote nachfragen und ein Bedürfnis an Beteiligung und Auseinandersetzung mit Angeboten besteht. Bei niedrigem Involvement ist dies nicht so; hier müssen Zielgruppen erst von der Notwendigkeit der Nutzung der Bibliothek überzeugt werden. Für das Marketing und die Zielgruppensegmentierung ist Involvement relevant, da es Hinweise darauf gibt, wie Zielgruppen adressiert werden müssen. Während bei hohem Involvement die Bereitschaft hoch ist, sich kognitiv auf die Bibliothek einzulassen und sich mit Inhalten auseinanderzusetzen, ist dies beim niedrigen Involvement nicht so. Hier müssen Zielgruppen erst auf Angebote aufmerksam gemacht und dafür gewonnen werden. Kunden Als Kunden bezeichnet man diejenigen, die Leistungen nachfragen. Dazu gehören Privatpersonen, Haushalte, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen, z. B. Behörden, Schulen, Kindergärten und Vereine. Meffert et al. verwenden den Begriff synonym mit Käufern, Konsumenten, Nutzern, Nachfragern.5 Um deutlich zu machen, dass Bibliothekskunden keine Käufer sind, die Leistungen gegen einen monetären Gegenwert erwerben, sondern Leistungen entgeltfrei, gegen Gebühr oder im Rahmen einer Mitgliedschaft in Anspruch nehmen, ist in Bibliotheken der Begriff des Nutzers weit verbreitet. Dieser Begriff wird im Sinne eines kundenorientierten Dienstleistungsverständnisses zunehmend durch den Kundenbegriff abgelöst, ohne jedoch darunter den Kunden im ökonomischen Sinne zu verstehen.6 Zu einer Klärung des Verhältnisses von Kunden und Nutzern trägt Mumenthaler bei. Aus der Perspektive der Serviceorientierung schlägt er vor, den Begriff des Kunden dann zu verwenden, wenn es um die Nachfrage und die Profilierung von Bibliotheksangeboten geht, den Begriff des Nutzers dann, wenn es darum geht, Nutzungsverhalten zu untersuchen und zu erklären.7 Dieser Empfehlung wird in diesem Beitrag gefolgt. Im Rahmen der Marktsegmentierung wird versucht, Kundengruppen mit ähnlichen Merkmalen im Hinblick
4 5 6 7
Vgl. Schade 2016, S. 149, 150, 184; Meffert et al. 2015, S. 183. Vgl. Meffert et al. 2015, S. 45. Vgl. Fühles-Ubach 2012, S. 228. Vgl. Mumenthaler 2014.
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auf das Nachfrageverhalten zu identifizieren, um diese Kundengruppen direkt ansprechen und ihre Bedarfe decken zu können. Entscheider, Gatekeeper, Stakeholder und Multiplikatoren Weitere Zielgruppen von Bibliotheken lassen sich hinsichtlich (Sozio-)Demografie, Einstellungen und Verhalten nicht einheitlich und präzise darstellen. Ihr Bezug zu und Austausch mit der Bibliothek ergibt sich vielmehr aus dem Handlungszusammenhang, durch den sie mit der Einrichtung in Verbindung stehen. So ist es unwahrscheinlich, dass z. B. Journalisten, Sponsoren, Lieferanten oder Entscheidungsträger jeweils eine homogene Gruppe mit ähnlichen Merkmalen und Bedarfen repräsentieren.8 Gerade diese Zielgruppen lassen sich deshalb häufig besser über ihr Involvement erklären und ansprechen.
2 Marktsegmentierung – Anforderungen an die Beschreibung von Zielkunden Die Marktsegmentierung stellt das Bindeglied zwischen der Marketinganalyse und dem strategischen Marketing dar. Ziel ist es, Entwicklungen und Trends frühzeitig zu erkennen, um sie für die Bibliothek bzw. Informationseinrichtung als Chancen oder Risiken zu bewerten, Erfolgspotenziale auszuloten und die Organisation mit ihren Angeboten so zu profilieren, dass sie wettbewerbsfähig bleibt und von Zielgruppen (weiterhin) als relevant eingeschätzt und genutzt wird.9 In den verschiedenen Feldern der Marketinganalyse werden der Markt, das Verhalten der Marktteilnehmer (Nachfrager und Wettbewerber) und weiterer Zielgruppen sowie aktuelle gesellschaftliche, technologische und rechtliche Umfeldentwicklungen untersucht. Damit erfüllt die Marketinganalyse eine wichtige Frühwarnfunktion, auf deren Grundlage strategische und operative Entscheidungen zur Profilierung getroffen werden.10 Bei der Marktsegmentierung werden insbesondere Daten und Informationen ausgewertet, die über (Ziel-)Kunden vorliegen. Als Marktsegmentierung wird „[die] Aufspaltung des ,relevanten Marktes‘ in homogene Segmente bzw. Teilmärkte bezeichnet. Die Marktsegmentierung stellt die Grundlage für eine differenzierte Marktbearbeitung dar“11. Dabei sind „Marktsegmente […] nachfrageseitig zu verstehen, d. h., es handelt
8 Vgl. Schade 2016, 184. 9 Vgl. Seidler-de Alwis 2012, S. 135; Schade 2016, S. 143. 10 Vgl. Schade, Umlauf 2012, S. 131; Schade 2016, S. 143. 11 Bruhn 2012, S. 58.
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sich um Gruppen von Konsumenten bzw. um eine Gruppierung von Zielkunden“12. Bei dieser Definition wird deutlich, dass über ein Marktsegment sowohl bestehende Kunden als auch potenzielle Kunden ins Auge gefasst werden (Zielkunden). Die Marktsegmentierung ist damit auch ein wichtiges Instrument für die Neukundengewinnung. Auf der Grundlage neobehavioristischer Erklärungsmodelle werden zur Beschreibung von Zielkunden in der Regel soziodemografische, sozioökonomische, psychografische, verhaltensorientierte und geografische Kriterien herangezogen: – Soziodemografische Segmentierungskriterien: Alter, Geschlecht, Familienstand, Haushaltsgröße sowie Anzahl der Kinder. – Sozioökonomische Segmentierungskriterien: Ausbildung, Beruf und Einkommen. – Psychografische Segmentierungskriterien: Nicht unmittelbar zu beobachtende Werte und Einstellungen wie z. B. Lebensziele, politisches Interesse, Zufriedenheit, Einstellungen zu Partnerschaft, Familie und Kindern, Freizeitmotive, Wünsche. Psychografische Kriterien drücken sich dabei häufig mittelbar in Verhalten aus. – Verhaltensorientierte Segmentierungskriterien: Alle beobachtbaren Verhaltensäußerungen, die sich in der Nachfrage nach Angeboten ausdrücken, wie z. B. Mediennutzungspräferenzen, Informationsverhalten, Responsemerkmale (z. B. Conversions, Likes, Kommentare). – Geografische Segmentierungskriterien: Ortsteile, Stadtgebiete, Kommunen, Regionen, Landkreise, Bundesländer oder Länder.13
Welche Segmentierungskriterien zur Bestimmung der Marktsegmente herangezogen werden, ist abhängig von der zugrunde liegenden Fragestellung, aber auch den vorliegenden primär und/oder sekundär erhobenen Daten. Um zuverlässige Prognosen über das Nachfrageverhalten ableiten zu können, ist es wichtig, die Segmentierungskriterien so zu wählen, dass sie für die Nachfrage relevant sind. Es soll sichergestellt werden, dass das „Schlüssel-Schloss-Prinzip“ funktioniert und Angebote so unterbreitet werden, dass sie Bedarfe von Zielkunden optimal decken. An die Marktsegmentierung – respektive die Marktsegmente – werden deshalb zwei Anforderungen gestellt: die Bedingung der Homogenität nach innen sowie die Bedingung der Heterogenität nach außen. Die Erfüllung beider Anforderungen setzt voraus, dass Segmentierungskriterien im Vorfeld so definiert werden, dass Marktsegmente sich im Hinblick auf die eingesetzten Marketinginstrumente im Marketing-Mix möglichst homogen verhalten und sich darin maßgeblich von anderen Marktsegmenten unterscheiden.14 Um sicherzustellen, dass Angebote und die eingesetzten Marketinginstru-
12 Seidler-de Alwis 2012, S. 146. 13 Vgl. Meffert et al. 2015, S. 191, 202. 14 Vgl. Schade 2016, S. 149.
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mente wirksam sind, sollten sie über einen längeren Zeitraum stabil sein und somit längerfristige Prognosen erlauben. Um den Erfolg der eingesetzten Marketinginstrumente abbilden zu können, müssen die Merkmale der Zielkunden zudem erfassbar und messbar sein.15 Marketingziele sollten dabei in die Zielformulierung immer die Marktsegmente miteinbeziehen. Daraus ergibt sich der enge Bezug zwischen Zielkunden und der Erfolgsmessung von Marketingstrategien sowie der dabei eingesetzten Marketinginstrumente. Erst im Kontext von Kundenprofilen und der Erfolgskontrolle mittels Kennzahlen kann gezeigt werden, ob Marketingziele überhaupt erreicht und Strategien wirksam umgesetzt wurden. Im Hinblick auf die Segmentierung von Zielkunden werden Daten aus der Primärforschung und Auswertungen von Sekundärforschung (Desk Research) genutzt. Unter Primärforschung versteht man die zielgerichtete Auswertung von selbst erhobenen Daten auf der Grundlage von quantitativen und/oder qualitativen Methoden der empirischen Sozialforschung sowie weiterer statistischer Verfahren. Unter dem Schlagwort Big Data gewinnen zunehmend Methoden zur Erhebung und Analyse großer Datenmengen und selbstlernende Verfahren an Relevanz. Bei der Sekundärforschung werden mit verschiedenen Methoden der Marketinganalyse Daten und Informationen ausgewertet, die von Dritten, weitgehend zu anderen Zwecken und in anderen Kontexten, erhoben wurden. Zu diesen Daten gehören beispielsweise Daten der statistischen Ämter, Veröffentlichungen wissenschaftlicher Institute oder Geschäfts- und Jahresberichte anderer Einrichtungen16 sowie Daten von Markt- und/oder Meinungsforschungsinstituten oder Anbietern von digitalen Diensten (z. B. von Social-Media-Kanälen).
3 Interne Daten zur Segmentierung von Zielkunden Zu den klassischen Methoden der Primärforschung gehören die Befragung, die Beobachtung, das Experiment im Labor oder im Feld und die Inhaltsanalyse, die sich jeweils qualitativ oder quantitativ anwenden lassen und von denen sich weitere Methoden ableiten. Dazu kommen mit Cluster- und Diskriminanzanalyse Verfahren multivariater Statistik, die mit der Sammlung und Analyse großer (unstrukturierter) Datenmengen weiterentwickelt werden (Big Data), sowie neue Konzepte und Methoden, die selbstlernende Systeme und Algorithmen einsetzen, um mit Verfahren der Personalisierung passgenaue Angebote zu unterbreiten, und mit der hochindividualisierten Kundenansprache weit über die klassischen Methoden der Marktsegmentierung hinausgehen.
15 Vgl. Meffert et al. 2015, S. 200, 201. 16 Vgl. Schade 2012, S. 211.
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3.1 Benutzerforschung Im Rahmen der sogenannten Benutzerforschung werden Motive, Einstellungen und Verhalten zur Bibliothek und ihren Dienstleistungen vor allem mittels standardisierter, schriftlicher Befragungen – in Bibliotheken häufig mit begrenzten Ressourcen und fehlendem Know-how – untersucht.17 Zum Einsatz kommen darüber hinaus Methoden der Wirkungsforschung und qualitative Methoden der Beobachtung, z. B. Mystery Shopping. Insbesondere standardisierte Befragungen bergen das Risiko der Divergenz zwischen getroffenen Aussagen und tatsächlichem Verhalten. Für die Bestimmung von Zielkunden im Rahmen der Marktsegmentierung werden in der Regel zu wenig Merkmale erhoben, um daraus zuverlässige und stabile Prognosen über das Nachfrageverhalten der Marktsegmente ableiten zu können.18 Die Bezeichnung Benutzerforschung offenbart zudem, dass Zielkunden, die nicht zum Nutzerkreis der Bibliothek gehören, nicht erfasst werden. Dabei sind Nichtnutzerstudien nicht nur aufwendig, sondern in Bibliotheken auch selten.19
3.2 Informationsverhaltensforschung Mit der fortschreitenden Digitalisierung von Information und Bibliotheksdienstleistungen gewinnt die Informationsverhaltensforschung seit Mitte der 1990er Jahre an Relevanz.20 Mit nicht-reaktiven Messverfahren werden dabei die Häufigkeit, Anzahl und Verweildauer sowie die Reihenfolge von bestimmten Websites bzw. die Nutzung von Suchsystemen mit Logfile- und/oder Linkanalysen untersucht.21 Zudem wird die Reichweite von selbstproduzierten Bibliotheksdienstleistungen – Kataloge, Repositorien oder Websites – im Rahmen des Zählpixel-Verfahrens ermittelt, indem die Menge der virtuellen Bibliotheksbesuche dargestellt wird.22 Der Standard COUNTER23 ermöglicht zudem die Erhebung von Nutzungsdaten von Datenbanken, E-Books und E-Journals auf den Servers von Verlagen und Aggregatoren.24 Auch hier stehen die Nutzer im Zentrum der Betrachtung, nicht jedoch mögliche Nichtnutzer. Reichweitenmessungen sagen dabei lediglich etwas darüber aus, wie viele Nutzer erreicht werden, nicht jedoch darüber, wer diese Nutzer sind. Selten werden bisher Erkenntnisse aus diesen Verfahren im Kontext von Demografie, Einstellungen und Verhalten von
17 18 19 20 21 22 23 24
Vgl. Hobohm 2013, S. 139; Greifeneder 2013, S. 257; Fühles-Ubach, Umlauf 2013, S. 86. Vgl. Meffert et al. 2015, S. 198, 200. Vgl. Schade 2017, S. 147. Vgl. Schlögel 2013, S. 192, 193. Vgl. ebd., S. 190; Schade 2017, S. 147. Vgl. Schlögel 2013, S. 191; Fühles-Ubach 2012, S. 212. COUNTER = Counting Online Usage of Networked Electronic Resources. Vgl. Schlögel 2013, S. 194.
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Marktsegmenten ausgewertet und interpretiert. Personenbezogene Daten werden von Bibliotheken selten erfasst, obwohl die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Kundendaten mit ausdrücklicher Einwilligung der Betreffenden grundsätzlich unter Einhaltung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) auch für öffentliche Einrichtungen möglich ist. Schließlich können nicht-reaktive Messverfahren das Verhalten nicht vollständig erklären, da Zielsetzung, Motivation und Art und Weise der Nutzung sowie die Brauchbarkeit und Zufriedenheit der Rezipienten offenbleiben (s. Kap. 3.4). Die User-Experience-Forschung setzt zunehmend – neben quantitativen Methoden der Beobachtung und Befragung – qualitative Methoden (z. B. Cognitive Walkthrough25, Lautes Denken, Personas26) und apparative Messungen (z. B. Eyetracking27) ein, um beispielsweise die Benutzerfreundlichkeit von Bibliotheksdienstleistungen zu untersuchen und Informationsverhalten zu erklären und auf dieser Grundlage Angebote zu profilieren.28 Insbesondere Personas, die ein anschauliches Bild von Kunden vermitteln sollen, sind fiktiv und empirisch nicht fundiert. Aus der häufig qualitativen Methodik ergibt sich, dass damit nur selten zuverlässige Aussagen über die Zusammensetzung und Größe von Marktsegmenten getroffen werden können, die bei der User-Experience-Forschung auch nicht im Fokus steht.
3.3 Cluster- und Diskriminanzanalyse Bei der Marktsegmentierung haben deskriptive Methoden der multivariaten Statistik – z. B. Cluster- und/oder Diskriminanzanalyse – Relevanz. Mittels Merkmalen, die größtmögliche Ähnlichkeiten oder auch größtmögliche Unterschiede darstellen (Ähnlichkeits- oder Distanzmaße), werden aus unstrukturierten Nutzungsdaten (z. B. Daten von Transaktionen auf einem Portal oder in einer Datenbank) möglichst homogene und untereinander möglichst unähnliche Cluster gebildet. Die Extrahierung stabiler Cluster setzt allerdings fundierte Kenntnisse multivariater statistischer Methoden voraus sowie Kenntnisse, die erstens die Datenqualität beurteilen und zweitens die relevanten Merkmale für die Analyse definieren können. Diese Kenntnisse sind in
25 Die von Cathleen Wharton entwickelte Usability-Methode basiert auf der Theorie des explorierenden Lernens. Beim Cognitive Walkthrough versetzt sich der Usability-Experte in einen hypothetischen Benutzer und analysiert konkrete vorgegebene Handlungsabläufe. Dabei geht er davon aus, dass der Anwender den Weg des geringsten kognitiven Aufwands gehen wird. 26 Als Personas werden Nutzermodelle bezeichnet, die die typischen Merkmale einer Zielgruppe beispielhaft anhand einer Person charakterisieren. S. auch die Beiträge „Usability und User Experience von Informationsdienstleistungen“ von Ulrike Spree und „Mit öffentlichen Bibliotheken Themen in der Stadtgesellschaft nachhaltig setzen“ von Rita Kamm-Schuberth in diesem Handbuch. 27 Eyetracking bezeichnet ein Verfahren zur Messung des Blickverhaltens bzw. der visuellen Informationsaufnahme durch Registrierung der Augenbewegung. 28 Vgl. Hobohm 2013, S. 139; Schade 2017, S. 147; s. den Beitrag „Usability und User Experience von Informationsdienstleistungen“ von Ulrike Spree in diesem Handbuch.
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Bibliotheken selten vorhanden. In der Marktforschung werden diese Methoden vor allem dazu genutzt, um Cluster in Lebensstil- bzw. Milieumodellen zu verdichten, die Aussagen über Demografie, Einstellungen und Verhalten von Marktsegmenten treffen können. Teilweise sind diese Studien auch für Bibliotheken und Informationseinrichtungen zugänglich bzw. können zur Segmentierung von Zielkunden genutzt werden (s. Kap. 4.1, Markt-Media-Studie Best for Planning (b4p)).
3.4 Big Data, Personalisierung und Empfehlungen Charakteristisch für die Digitalisierung ist die Erzeugung immenser Mengen an Daten, die unspezifisch vorliegen. Unter Big Data versteht man die automatische Speicherung, Verarbeitung und Analyse von unstrukturierten unternehmensinternen und/ oder unternehmensexternen Daten. Kennzeichnend für Big Data sind folgende Merkmale: – Volume: enorme Menge an Daten; – Velocity: Geschwindigkeit, mit der Daten generiert werden; – Variety: Vielfalt der Datentypen und -quellen und – Veracity: Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit von Daten.29 Ziel von Big-Data-Verfahren ist es, aus (unstrukturierten) Daten Erkenntnisse für unternehmensrelevante Fragestellungen abzuleiten. Diese Erkenntnisse können sich auf die Vergangenheit (Descriptive Analytics) oder auf die Zukunft beziehen (Predictive Analytics). Durch das Abwägen von Ergebnissen von alternativen Handlungen lassen sich darüber hinaus Handlungsempfehlungen ableiten (Prescriptive Analytics). Mit der Auswertung großer Datenmengen können konkrete und aktuelle Aussagen über Marktsegmente in Bezug auf Demografie, Einstellungen und Verhalten getroffen und Prognosen für zukünftiges Nutzungsverhalten sowie einzelne Zielkunden abgeleitet werden.30 Bei der Auswertung unstrukturierter Daten werden Methoden multivariater Statistik angewandt, die für heterogene Datenbestände weiterentwickelt werden (Data Mining). Darüber hinaus werden Datenmodelle eingesetzt, die selbstständig lernen und in der Lage sind, Muster und Zusammenhänge in Daten zu erkennen, um Inhalte an spezifisches Nutzungsverhalten anzupassen. Der Vielfalt möglicher Datenquellen sind dabei kaum Grenzen gesetzt. Potenziell ausgewertet werden kann alles, was in digitaler Form vorliegt. Interne Datenquellen sind beispielsweise Stammdaten, Produktionsdaten, Projektmanagementdaten, Kun-
29 Vgl. Hoberg 2018, S. 76. 30 S. den Beitrag „Markt- und Wettbewerbsanalyse in Zeiten von Big Data und Digitalisierung“ von Ragna Seidler-de Alwis in diesem Handbuch.
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dendaten, Transaktions-, Log- und/oder Sensordaten. Externe Datenquellen ergeben sich aus offiziellen Statistiken, Studien von Marktforschungsunternehmen, aus Firmendatenbanken oder Web- bzw. weiteren Social-Media-Diensten.31 Kennzeichnend für Big Data ist, dass Daten nicht nur eines Systems ausgewertet werden, sondern Daten aus verschiedenen Systemen zu (heterogenen) Datenbeständen aggregiert werden.32 Relevant für den Erkenntnisgewinn ist die Qualität der Daten. Datenqualität bezieht sich zunächst auf die Eignung der Daten für die zugrunde liegende Fragestellung. Entscheidend für die Datenqualität ist darüber hinaus, wie vollständig, korrekt, nachvollziehbar, redundanzfrei und konsistent die Daten vorliegen.33 Mit Big Data können Persönlichkeitsprofile erstellt werden, die – je nachdem, welche Daten in die Auswertung eingehen – präzise Aussagen über einzelne Kunden und ihre Präferenzen treffen können. Dadurch wird eine maximale Individualisierung von Inhalten und Angeboten möglich, die eine „extreme Ausprägung der Kundenorientierung“34 darstellt und als Behavioral Targeting oder datenbasiertes OnlineMarketing bezeichnet wird. Kennzeichnend für die Nutzung von Big-Data-Verfahren ist es, dass diese Verfahren es erlauben, individuelle Angebote zu erstellen bzw. Navigations- und Interaktionselemente in einem Layout zu präsentieren, das den Bedarfen und Wünschen eines Kunden spezifisch angepasst ist.35 Werden diese Daten mit Daten externer Unternehmen aggregiert, dann können damit auch Aussagen über Zielkunden getroffen werden, die noch nicht zum Kundenkreis der eigenen Einrichtung gehören. Personalisierung und Empfehlungssysteme Personalisierung bezeichnet die Anpassung von Inhalten an das individuelle Nutzungsverhalten von Subjekten. Daten aus Kaufverhalten und Klickhistorie sowie ihre Zuordnung zu den jeweiligen Kundenprofilen geben Aufschluss über individuelle Präferenzen von Zielkunden und lassen sich zur Gestaltung und/oder Präsentation von Angeboten sowie in der Kundenkommunikation zur Zielkundenansprache im Vorfeld, in Echtzeit-Interaktion oder im Nachgang von Interaktionsprozessen mit Zielkunden nutzen.36 Personalisierte Verfahren nutzen dabei langfristig angelegte Datensammlungen aus vorangegangenen Transaktionen, die über einen Algorithmus ausgewertet werden und individuelle Empfehlungen ausliefern. Diese können sich auf den Inhalt an sich oder auch auf die Anordnung von Informationsobjekten beziehen.
31 32 33 34 35 36
Vgl. Seidler-de Alwis 2019, S. 65. Vgl. ebd., S. 64, 65. Vgl. ebd., S. 65. Hoberg 2018, S. 71. Vgl. ebd., S. 71–73. Vgl. Hoberg 2018, S. 72.
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Unterschieden werden die explizite Personalisierung, bei der ein Nutzer ein bestimmtes Profil hinterlegt, das die Grundlage für Empfehlungen ist, und die implizite Personalisierung, bei der Daten des Nutzers ausgewertet werden, die zu individuellen Empfehlungen führen.37 Verfahren der Personalisierung werden zudem für Empfehlungssysteme genutzt: Unter einem Empfehlungssystem versteht man ein System, das einem Benutzer in einem gegebenen Kontext aus einer gegebenen Menge von Empfehlungsobjekten eine Teilmenge als nützlich empfiehlt.38
Die Bestimmung von Empfehlungen basiert auf der Berechnung von Ähnlichkeiten, die sich entweder auf Empfehlungsobjekte untereinander (inhaltsbasiert = Contentbased Filtering) oder zwischen Nutzern (kollaborativ = Collaborative Filtering) beziehen bzw. eine Kombination von beidem darstellen.39 Beispiele für die Filterung auf der Grundlage von Ähnlichkeitsmaßen kennzeichnet Amazon mit „Wird oft zusammen gekauft“ bzw. „Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch ...“. Verfahren der Personalisierung werden nicht nur genutzt, um Kunden in der Kommunikation individuell zu adressieren und mit passgenauen Inhalten und Angeboten zu versorgen, sondern auch dazu, Websites und Portale in Echtzeit kundenspezifisch anzupassen. Die Personalisierung bezieht sich dabei sowohl auf die Navigations- und Interaktionselemente als auch auf das Layout in Grafik und Texten sowie die Positionierung von Textelementen, Bildern und Illustrationen etc.40 Die Sammlung und Auswertung langfristig angelegter Datensammlungen aus Präferenzen und Entscheidungsverhalten sowie ihrer Zuordnung zu den jeweiligen Kundenprofilen ist ein Lernprozess für das Unternehmen, der auch als Learning Relationship bezeichnet wird.41 Die Anpassung der Angebote ist dabei umso genauer, je mehr Daten von Zielkunden vorliegen. Verfahren der Personalisierung gehen dabei weit über die „klassische“ Marktsegmentierung hinaus und zeigen eine maximale Kundenorientierung, die vor allem in der Reduktion von Komplexität zu einer besseren Ergebnisqualität und Bedürfnisbefriedigung beitragen kann.42 Dabei ist insbesondere bei digitalen Dienstleistungen relevant, dass kurze Aufmerksamkeitsspannen der Kunden im Internet genutzt werden können. Auf der anderen Seite stößt die Sammlung von personenbezogenen Daten bei Nutzern auf geringe Akzeptanz; zudem bergen Verfahren der Personalisierung das Risiko, dass immer das Gleiche wiedergegeben wird und wenig neue Entdeckungszusammenhänge angeregt werden.43
37 38 39 40 41 42 43
Vgl. Lewandowski 2019, S. 337, 338. Reimer 2013, S. 238. Vgl. Reimer 2013, S. 239; Heinemann 2016, S. 205. Vgl. Hoberg 2018, S. 73. Vgl. Kollmann 2013b, S. 210. Vgl. Hoberg 2018, S. 71 Vgl. Lewandowski 2019, 338.
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Lewandowski verweist in seinem Beitrag „Personalisierung und Kontextualisierung“ darüber hinaus auf ethische Implikationen bei der Sammlung und Auswertung großer Datenmengen.44 Sowohl kommerzielle Unternehmen als auch öffentlich finanzierte Einrichtungen unterliegen bei der Erhebung von personenbezogenen Daten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Die Verwendung von personenbezogenen Daten ist nur durch die nachweisbare Einwilligung der Betroffenen möglich (Artikel 7). In Artikel 5 werden in der DSGVO die Rahmenbedingungen zur Erhebung personenbezogener Daten formuliert. Sie beziehen sich u. a. auf die Grundsätze der Transparenz, der Zweckbindung, der Datenminierung, der Speicherbegrenzung sowie auf die Richtigkeit der Daten, einschließlich Maßnahmen zur Berichtigung falscher Daten. Der Grundsatz der Transparenz wird in Artikel 13 und 14 konkretisiert. Demnach muss jeder betroffenen Person bei der Datenerhebung Auskunft über den Zweck, den Empfänger, Verantwortliche der Datenerhebung, Dauer der Datenspeicherung, Maßnahmen zur Berichtigung falscher Daten, Sperrung, Löschung sowie Verwendung der Daten zum Profiling gegeben werden. Insgesamt beschränkt die DSGVO unter Einhaltung der Vorschriften jedoch nicht die Verarbeitung großer Datenmengen.45
4 Externe Daten zur Segmentierung von Zielkunden Doch nicht immer verfügen Bibliotheken über Daten von Kunden und denjenigen, die (noch) nicht zum Kundenkreis der Bibliothek gehören. Hier besteht für Bibliotheken die Möglichkeit, ihre Zielkunden sekundär auf der Grundlage von Daten und Informationen zu segmentieren, die von Dritten erhoben wurden. Zu diesen sogenannten Sekundärstudien gehören beispielsweise Daten und Informationen der amtlichen Statistiken, der Deutschen Bibliotheksstatistik (DBS), Veröffentlichungen wissenschaftlicher Institute oder Geschäfts- und Jahresberichte anderer Einrichtungen sowie Studien, die sich auf spezielle Zielgruppen von Bibliotheken und Informationseinrichtungen beziehen, wie z. B. Kinder, Jugendliche oder Menschen mit Migrationshintergrund. Diese Daten wurden üblicherweise in anderen Kontexten bzw. für andere Zwecke erhoben und gehen in der Regel nicht auf spezifische Fragestellungen der Segmentierung von Zielkunden für einzelne Einrichtungen vor Ort ein. Bis auf wenige Ausnahmen lassen sich diese Daten somit auch nicht auf die geografische Raumebene von Einrichtungen beziehen. Zu diesen Daten gehören jedoch auch die Nutzerdaten, die von Web- bzw. weiteren Social-Media-Diensten erhoben werden und von Bibliotheken einfach über die Dashboards dieser Dienste oder Analysesoftware wie Google
44 S. den Beitrag „Personalisierung und Kontextualisierung“ von Dirk Lewandowski in diesem Handbuch. 45 Vgl. Europäisches Parlament, Europäischer Rat 2016.
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Analytics46 oder Matomo47 in Kombination mit Kundenprofilen aussagekräftig ausgewertet werden können.48 Best for Planning (b4p) ist eine Markt-Media-Studie, die eine differenzierte Segmentierung auch auf geografischen Raumebenen ermöglicht und von Bibliotheken und Informationseinrichtungen mit Einschränkungen verwendet werden kann.
4.1 Die Markt-Media-Studie Best for Planning (b4p) Die Studie Best for Planning (b4p) löste im Jahr 2013 die Verbraucheranalyse und die „Typologie der Wünsche“ ab und wird von der Gesellschaft für integrierte Kommunikationsforschung (GIK) herausgegeben. Hinter der Gesellschaft stehen die Verlagshäuser Axel Springer, Bauer Media Group, Gruner + Jahr sowie Hubert Burda Media. Ziel der Studie ist es, die deutschsprachige Bevölkerung in Bezug auf Demografie, Einstellungen und Verhalten, insbesondere Konsuminteressen und Mediennutzungsverhalten, in einer repräsentativen Fallzahl abzubilden und Daten für die Marktforschung und ‑segmentierung in einer Datenbank bereitzustellen.49 Berücksichtigt werden unter anderem Merkmale zur Demografie, Staatsangehörigkeit, Religionszugehörigkeit, Mobilität, Freizeitaktivitäten, Aussagen zu verschiedenen Markt- und Lebensbereichen sowie zu verschiedenen Aspekten des Lebens, z. B. Einstellungen zu Lebenszielen, Veränderungen und Nachhaltigkeit, Mediennutzung sowie Aussagen zum Entscheidungsverhalten bei Produkt-, Marken- und Konsumpräferenzen.50 Zudem integriert die Studie über 20 verschiedene demografische, psychografische und marktbezogene Milieu- und Lebensstiltypologien, zum Teil von externen Dienstleistern (z. B. Personicx, SIGMA und Sinus-Institut), sowie eigens vom Forscherkreis der GIK erstellte Typologien. Die Daten sind über eine Online-Auswertung öffentlich zugänglich und können von Bibliotheken kostenfrei oder unter einer Lizenz, die avanciertere Auswertroutinen umfasst, verwendet werden.51 Dabei ermöglicht die Online-Auswertung, neben einer demografischen, psychografischen und verhaltensorientierten Segmentierung, auch eine geografische Segmentierung nach verschiedenen Kategorien, die eine Auswertung auf verschiedenen Raumebenen (Bundesländer, Regierungsbezirke, Stadt- und Landkreise, Nielsengebiete und ‑ballungsräume, Ortsgrößen) ebenso ermöglicht wie eine Auswertung nach verschiedenen geografischen Typologien.52
46 47 48 49 50 51 52
S. https://www.google.com/analytics (Abruf: 2018.06.19). S. https://matomo.org (Abruf: 2018.06.19). S. den Beitrag „E-Mail-Marketing“ von Johannes Neuer in diesem Handbuch. Vgl. b4p 2017. Vgl. ebd., S. 315. S. http://www.b4p.media/online-auswertung/ (Abruf: 2018.06.19). S. http://www.b4p.media/menschen/ (Abruf: 2018.06.19).
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Die Grundgesamtheit der b4p-Studie berücksichtigt die deutschsprachige Wohnbevölkerung ab 14 Jahren in Deutschland, die nach der amtlichen Statistik 2017 bei 70,09 Millionen Personen lag. Die Stichprobe ist mit 30.121 Fällen repräsentativ und wurde durch eine aufwendige Flächenstichprobe auf der Grundlage der Gemeindegliederung gezogen.53 Die Studie verfügt insgesamt über eine hohe statistische Zuverlässigkeit, wobei die Irrtumswahrscheinlichkeit mit sinkender Fallzahl der in den jeweiligen Auswertungen berücksichtigten Fälle steigt.54 b4p ist als Markt-Media-Studie mit Einschränkungen ein geeignetes Instrument zur Durchführung von Strukturanalysen, um Bedarfe von Zielgruppen mittels Sekundärstudien auszuwerten. Ein Vorteil ist, dass b4p verschiedene demografische, psychografische und marktbezogene Typologien integriert. Ein Nachteil für Bibliotheken liegt darin, dass Nationalitäten, die nicht deutsch sprechen und nicht der EU angehören, ebenso wenig erfasst sind wie Kinder unter 14 Jahren. Darüber hinaus stellt sich für Bibliotheken als Nachteil dar, dass Themeninteressen der Mediennutzung nur mittelbar abgebildet werden und auch nicht so differenziert, dass sie tieferen Klassifikationsebenen zugeordnet werden könnten. Multivariate Verfahren lassen sich über die kostenfreie Auswertroutine nur sehr umständlich realisieren. Im Folgenden wird auf die verschiedenen Lebensstil- und Milieutypologien eingegangen und gezeigt, welche Relevanz sie für die Marktsegmentierung haben und welche Typologien für Bibliotheken und Informationseinrichtungen besonders geeignet sind.
4.2 Lebensstil- und Milieutypologien Die Milieu- bzw. Lebensstilforschung geht davon aus, dass die Gesellschaft nicht mehr nur über soziodemografische und -ökonomische Parameter traditioneller Vergesellschaftungsmodelle (z. B. Schichtenmodell) differenziert werden kann, sondern durch ihre steigende Komplexität und hohe Veränderungsdynamik über die gesamte Lebenswelt erklärt werden muss, um zuverlässige Gesellschaftsprognosen ableiten zu können. Deshalb bezieht die Milieu- bzw. Lebensstilforschung – wie dies auch die Marktsegmentierung nahelegt – psychografische Variablen und Verhaltenskriterien in ihr Erklärungsmodell mit ein. Unter Lebensstil wird dabei
[...] eine relativ stabile, reflexive Lebensform eines Individuums verstanden, in der es seine politischen, kulturellen und ästhetischen Vorstellungen […] symbolisch ausdrückt.55
53 Vgl. b4p 2017, S. 324. 54 Vgl. b4p 2016, S. 324. 55 Klein 2003, S. 60.
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Dabei sind Lebensstile nicht individualistisch, sondern wirken gruppenkonstitutiv und damit auch milieubildend: Soziale Milieus beschreiben Gruppen Gleichgesinnter mit ähnlichen Werthaltungen, Prinzipien der Lebensgestaltung, Beziehungen zu Mitmenschen und Mentalitäten.56
Relativ stabil sind Lebensstile und soziale Milieus, weil sie durchlässiger sind als soziodemografische und ‑ökonomische Determinanten, aber langlebiger als Moden und Trends. In der Regel lassen sich Lebensstile und soziale Milieus weitgehend trennscharf darstellen und erfüllen somit hinreichend die Anforderungen an die Marktsegmentierung. Heute existiert zu Marktforschungszwecken eine Vielzahl unterschiedlicher Typologien, die sich im Wesentlichen durch die zugrunde liegenden Fragestellungen und die unterschiedliche Kombination von Lebensstilmerkmalen unterscheiden. Sie lassen sich klassifizieren in psychografische, demografische und marktbezogene Typologien.57 Marktbezogene Typologien Marktbezogene Typologien stellen häufig Ad-hoc-Typologien dar, die nur wenige Indikatoren zu Konsumeinstellungen zu bestimmten Produkttypen (wie Mode, Wohnen, Gesundheit, Reise usw.) berücksichtigen und Zielgruppensegmente nicht trennscharf abbilden.58 Sie erfüllen damit nicht die Anforderungen, die sich an die Marktsegmentierung stellen. Psychografische Typologien Zu den bekanntesten psychografischen Typologien gehören das bereits genannte SINUS©-Modell und das SIGMA®-Modell. Psychografische Typologien bilden die Gesellschaft im Vergleich zu anderen Typologien differenziert und komplex ab, wobei die Segmente häufig nicht anschaulich und intuitiv eingängig in den verwendeten Typenbezeichnungen sind, was ein Vermittlungsproblem in der Praxis darstellen kann. So dürfte es gemeinhin schwerfallen, ein spontanes, konkretes und typisches Bild von den Adaptiv-Pragmatischen oder den Expeditiven (beides Sinus-Milieus®) vor Augen zu haben. Zwar werden psychografische Typologien aufgrund ihrer hohen Bekanntheit als Referenzmodelle in Forschung und Praxis herangezogen, tatsächlich legen die Marktforschungsinstitute die Modellierung der Cluster jedoch nicht offen.59 Damit entsprechen diese Typologien nicht dem Anspruch an wissenschaftliche For-
56 57 58 59
Hradil 2001, S. 425. Vgl. Meffert et al. 2015, S. 201. Vgl. Diaz-Bone 2004, o. S.; Schade 2017, S. 150. Vgl. Diaz-Bone 2004, o. S.
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schung, da ihre Nachvollziehbarkeit und Replizierbarkeit nicht gewährleistet ist.60 Psychografische Typologien werden weitgehend empirisch auf der Grundlage multivariater Statistik (Cluster- und/oder Diskriminanzanalyse) ermittelt. Die Cluster sind dabei in hohem Maß durch die berücksichtigten Indikatoren determiniert. Zielgruppensegmente können so nicht robust sein, da ein anderes Indikatorenset auch zu anderen Zielgruppen führen könnte.61 Demografische Typologien Demografische Typologien, wie das Lebensphasenmodell, das Lebenszyklusmodell oder die Biografischen Lebenswelten nach Kleinig oder das Lebensführungsmodell von Gunnar Otte62, beruhen auf der Annahme, dass soziodemografische und sozioökonomische Indikatoren sich strukturgleich verhalten und Auswirkungen auf psychografische und verhaltensorientierte Merkmale von Zielgruppen in verschiedenen Lebensphasen haben. Dabei wird bei demografischen Zielgruppenmodellen davon ausgegangen, dass ein Zusammenhang von Alter, Einkommen und Lebensstil besteht. Demografische Zielgruppenmodelle haben in der bibliothekarischen Praxis den Vorteil, dass sie sich in den Bezeichnungen der Lebensstile an die Zielgruppendefinition und die zielgruppenspezifischen Angebote von Bibliotheken anlehnen (z. B. Familien, Senioren etc.). Darüber hinaus lassen sich auch mit einfachen Strukturanalysen in der Auswertroutine der b4p-Studie signifikante Unterschiede zwischen einzelnen Lebensphasen abbilden. Aber auch hier gibt es Nachteile, die darin begründet sind, dass eine trennscharfe Segmentierung beispielsweise bei dem Lebenszyklusmodell auf Kosten einer relativ großen sogenannten „Restgruppe“ geht, die sich keiner der Zielgruppen zuordnen lässt.63 Darüber hinaus bildet beispielsweise das Lebenszyklusmodell sozioökonomische Merkmale nicht für die einzelnen Lebensphasen ab. Sozioökonomische Parameter können jedoch nach dem Score-SummenVerfahren der b4p-Studie ergänzt werden. Bei diesem Verfahren werden die Variablen Bildung, Beruf und Einkommen kombiniert und gehen je nach Merkmalsausprägung mit einer gewichteten Punktwertung additiv in die Berechnung mit ein.64 Der Züricher Soziologe Gunnar Otte kommt bei einer Metaanalyse von 30 Lebensstiltypologien zu dem Ergebnis mangelnder Vergleichbarkeit und Replizierbarkeit der Modelle sowie fehlender theoretischer Absicherung und eines fraglichen Realitätsge
60 Vgl. Otte 2005, S. 444 f. 61 Vgl. Diaz-Bone 2004, o. S. 62 S. Otte, Gunnar: Sozialstrukturanalysen mit Lebensstilen. Eine Studie zur theoretischen und methodischen Neuorientierung der Lebensstilforschung. Wiesbaden: VS Sozialwissenschaft, 2004 und http://www.b4p.de/fileadmin/b4p/upload/insights/download/Das_Lebensweltenmodell_in_b4p_20 14_Erl%C3 %A4uterung_Prof_Kleining.pdf (Abruf: 2018.06.19). 63 Vgl. Schade 2015, S. 14. 64 S. http://www.b4p.media/menschen/; Stichwort und Download unter: Sozioökonomische Zuordnung (Abruf: 2018.06.19).
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halts von Typologien. Zudem merkt er den immensen Erhebungsaufwand der empirisch modellierten Cluster-Modelle an.65 Mit dem Lebensführungsmodell hat er ein demografisches Modell vorgelegt, das theoretisch fundiert und empirisch bestätigt wurde. Da Ottes Konzept zur Typisierung von Zielgruppen kultureller Veranstaltungen entwickelt wurde, erweist es sich als Modell zur Zielgruppensegmentierung von Bibliothekskunden als nicht geeignet, da typische Fragestellungen, die für die Bibliotheksnutzung relevant sind, unberücksichtigt bleiben. Zudem ist dieses Modell nicht in die b4p-Studie integriert.66
Fazit Die Heterogenität und Veränderungsdynamik der Gesellschaft setzt heute den Imperativ einer genauen Zielgruppenkenntnis, um Legitimität zu bewahren und bedarfsgerechte Angebote zu konzipieren. Die Erforschung von Zielkunden in Bezug auf Demografie, Einstellungen und Verhalten zur Profilierung von Angeboten ist der Marktforschung zuzuordnen, deren Erkenntnisse in der Marktsegmentierung genutzt werden. Bei der Marktsegmentierung wird eine möglichst trennscharfe Aufteilung des Marktes in Zielgruppensegmente angestrebt, um auf der Grundlage einer präzisen Zielgruppenkenntnis passgenaue Angebote unterbreiten und zielgruppenspezifisch profilieren zu können. Erhoben werden dazu Daten mittels Primär- und Sekundärforschung. Die Primärforschung nutzt Methoden, die den klassischen Methoden der empirischen Sozialforschung entlehnt und für spezifische Fragestellungen zur Nutzung von Bibliotheken und von Informationsdienstleistungen weiterentwickelt wurden. In der Benutzerforschung werden in der Regel zu wenig Merkmale erhoben, um den Anforderungen an die Marktsegmentierung zu entsprechen. Fundierte Kenntnisse in multivariater Statistik, die mittels Cluster- und/oder Diskriminanzanalyse Marktsegmente ermittelt, sind in Bibliotheken selten vorhanden. Nicht-reaktive Messverfahren, wie LogfileAnalysen und/oder Reichweitenmessungen, sagen dabei lediglich etwas darüber aus, wie viele Nutzer erreicht werden und wie sie digitale Angebote nutzen, nicht jedoch darüber, wer diese Nutzer sind und wie sie sich in Bezug auf Demografie und Einstellungen beschreiben lassen. Bei Methoden aus der User-Experience-Forschung steht vor allem die Nutzung, nicht jedoch empirisch ermittelte Nutzer mit konkreten Daten im Fokus der Betrachtung. Erkenntnisse aus diesen Verfahren werden von Bibliotheken bisher selten im Kontext von Demografie, Einstellungen und Verhalten von Marktsegmenten ausgewertet und interpretiert. Zudem werden personenbezogene Daten von Bibliotheken bisher selten erfasst, obwohl die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Kundendaten mit ausdrücklicher Einwilligung der Betreffenden grundsätzlich
65 Vgl. Otte 2005, S. 443. 66 Vgl. Schade 2017, S. 151.
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unter Einhaltung der Rechtsvorschriften möglich ist. Verfahren der Personalisierung, die (unstrukturierte) Datensammlungen umfassend auswerten, gehen weit über die „klassische“ Marktsegmentierung hinaus und zeigen eine maximale Kundenorientierung, die von Bibliotheken bisher kaum eingesetzt wird und deren ethische Implikationen auch vor dem Hintergrund der weitgehend öffentlichen Finanzierung von Bibliotheken abgewogen werden müssen. Im Rahmen der Sekundärforschung werden Daten genutzt, die von Dritten unter spezifischen Fragestellungen und in anderen Kontexten erhoben wurden. In der Regel lassen sich diese Daten nicht für spezifische Fragestellungen der Segmentierung von Zielkunden für Einrichtungen vor Ort auswerten und entsprechen auch nicht der Raumebene, die vor Ort notwendig ist. Best for Planning (b4p) ist eine Markt-MediaStudie, die eine differenzierte Segmentierung auch auf geografischen Raumebenen ermöglicht und von Bibliotheken mit Einschränkungen verwendet werden kann. Ein Vorteil ist, dass die b4p-Studie verschiedene demografische, psychografische und marktbezogene Typologien integriert, mit denen sich Aussagen über Zielkunden präzisieren lassen. Psychografische Modelle sind in Wissenschaft und Praxis zwar weit verbreitet, werden jedoch weitgehend ohne theoretische Fundierung empirisch ermittelt. Marktbezogene Modelle erweisen sich weitgehend als nicht robust, da eine trennscharfe Segmentierung, die den Anforderungen an die Marktsegmentierung entspricht, nicht gewährleistet ist. Demografische Modelle beruhen im Kern auf der Annahme, dass demografische und sozioökonomische Merkmale sich in den verschiedenen Lebensphasen strukturgleich verhalten und Auswirkungen auf Einstellungen und Verhalten haben. Einige Modelle, wie das Lebensführungskonzept von Gunnar Otte oder die Biografischen Lebenswelten von Kleinig, sind theoretisch fundiert. Der Vorteil demografischer Modelle gegenüber psychografischen Modellen ist ihre geringere Komplexität, die sich positiv auf die Plausibilität und Nachvollziehbarkeit von Lebensstilbezeichnungen und Lebensstilen auswirkt. Auch mit einfachen Strukturanalysen sind aussagekräftige und signifikante Auswertungen auf der Grundlage der b4p-Studie möglich.67 Ein Nachteil für Bibliotheken liegt darin, dass Nationalitäten, die nicht deutsch sprechen und nicht der EU angehören, ebenso wenig erfasst sind wie Kinder unter 14 Jahren. Darüber hinaus stellt sich für Bibliotheken als Nachteil dar, dass Themeninteressen der Mediennutzung nur mittelbar abgebildet werden und auch nicht so differenziert, dass sie tieferen Klassifikationsebenen zugeordnet werden könnten.
67 Vgl. focuseleven 2014, zit. nach Schade 2015.
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II Strategisches Marketing Ursula Georgy und Frauke Schade Einführung in das strategische Marketing und aktuelle Entwicklungen
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Petra Düren Change-Management: Wie Führungskräfte durch Kommunikation zum Gelingen der notwendigen Veränderungen beitragen können 99 Kristina Hermann Digitalisierungsprojekte ohne Stress und Streit: Von sinnvoller Dienstleisterauswahl und effektivem Projektmanagement 111 Ivonne Preusser Design Thinking: Agilität und Nutzer im Fokus der Arbeitswelt 4.0 Christina Kläre Prozessexzellenz in Bibliotheken
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Franziska Klatt und Beate Guba Implementierung eines nachhaltigen Innovationsmanagements auf Basis des EFQM-Modells 162
Ursula Georgy Open Innovation und Crowdsourcing: Das Management von Offenheit Stefan Rock Neue Geschäftsmodelle auf Informationsmärkten
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Christoph Deeg Gaming und Gamification im Kontext des Bibliotheksmarketings
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Ursula Georgy und Frauke Schade
Einführung in das strategische Marketing und aktuelle Entwicklungen Einleitung Seit den 1970er Jahren wird Marketing als ein strategisch ausgerichteter Prozess der Planung, Koordination und Kontrolle von Unternehmen verstanden, der auch das aktuelle Marketingverständnis prägt.1 In den 1980er Jahren erweiterte sich das Verständnis um die besonderen Eigenschaften von Dienstleistungen und den Dienstleistungssektor. Non-Profit-Einrichtungen wie Bibliotheken, Museen und Theater adaptieren diese Marketingansätze seit den 1990er Jahren. Notwendig geworden ist dies insbesondere aufgrund der immer stärker werdenden Finanzierungskonkurrenz. Das strategische Marketing ist in Bibliotheken und Informationseinrichtungen in den letzten Jahren stärker in den Fokus gerückt, doch werden Methoden und Instrumente hier bisher noch zu selten in einem systematischen und strategischen Marketingmanagement angewendet.
1 Strategisches Marketing Im Mittelpunkt des strategischen Managements – und damit auch des strategischen Marketings – steht eine klare Zielorientierung mit der Verpflichtung, diese auch umzusetzen. Strategie kann somit definiert werden „als die grundsätzliche, langfristige Verhaltensweise (Maßnahmenkombination) der Unternehmung und relevanter Teilbereiche gegenüber ihrer Umwelt zur Verwirklichung der langfristigen Ziele“2. Eine Strategie zielt darauf ab, ein Alleinstellungsmerkmal zu entwickeln, um sich erfolgreich am Markt positionieren und behaupten zu können.3 Porter definiert Strategie daher auch als „das Schaffen einer einzigartigen und werthaltigen Marktposition unter Einschluss einer Reihe differenter Geschäftstätigkeiten“4. Der Ansatz der Service-Dominant Logic for Marketing sowie die Besonderheiten von (Informations-) Dienstleistungen wie deren Immaterialität und Nichtlagerfähigkeit und die Kundenintegration in den Dienstleistungsprozess (Integration des externen Faktors) lassen Kundenorientierung und das Erreichen von Kundenzufriedenheit, Kundenbindung
1 2 3 4
Vgl. Meffert et al. 2008, S. 8 .; Georgy, Schade 2012, S. 7 . Gabler Wirtschaftslexikon o. J. Vgl. Hobohm 2012, S. 232. Porter 1997, S. 48.
https://doi.org/10.1515/9783110539011-007
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und Kundenloyalität zu entscheidenden Faktoren werden.5 Parasuraman et al. haben für die Einschätzung der Zufriedenheit Mitte der 1980er Jahre das sogenannte GapModell entwickelt, bei dem die Differenz zwischen (Qualitäts-)Erwartung an eine Dienstleistung und Erfahrung bei der Inanspruchnahme dieser Dienstleistung eine entscheidende Größe dafür ist, die Dienstleistung erneut in Anspruch zu nehmen.6 Im Dienstleistungsmarketing, und somit auch im Informationsmarketing, wird damit die langfristige Kundenbeziehung, die auch ein gutes Relationship Marketing notwendig macht, neben der eigentlichen Dienstleistungserstellung zu einem wesentlichen Erfolgsfaktor.7 Bibliotheken und Informationseinrichtungen müssen im Rahmen des strategischen Marketings ihre Unternehmensziele „konkret auf den öffentlichen Auftrag, das Setting der Kultur- und Bildungslandschaft sowie auf die Nachfragestruktur der Bibliothek im kommunalen Kontext [beziehen]“8. Da Bibliotheksziele sehr heterogen und komplex sind, entsteht daraus eine Zielpluralität für Bibliotheken. Deshalb müssen mögliche Beziehungen zwischen den Zielen, etwa Zielkomplementarität, Zielneutralität und potenzielle Zielkonflikte, bereits im strategischen Marketing definiert werden, um sie bei der weiteren Ableitung von Zielen bewerten zu können. In diesem Handbuch werden verschiedene Bereiche des strategischen Marketings in Bibliotheken und Informationseinrichtungen vorgestellt, die die klassischen Instrumente des strategischen Marketings wie Portfolio-Analyse, SWOT-Analyse und die Produkt-Markt-Matrix nach Ansoff ergänzen bzw. im Rahmen der zu erarbeitenden Strategien anzuwenden sind, um die definierten Ziele erreichen zu können.
2 Aktuelle Entwicklungen Immer noch geschieht es zu häufig, dass Veränderungsprojekte in Unternehmen und Non-Profit-Einrichtungen scheitern. Ausschlaggebend dafür ist vielfach nicht das Konzept des Change-Prozesses selbst, sondern dessen Umsetzung. Es sind insbesondere Fehler beim Change-Management, die Rolle und das Verhalten der Führungskräfte und ein daraus resultierender Widerstand der Mitarbeiter, die den ChangeProzess scheitern lassen. Petra Düren beschreibt in ihrem Beitrag Change-Management: Wie Führungskräfte durch Kommunikation zum Gelingen der notwendigen Veränderungen beitragen können, wie sich Geschäftsmodelle und Distributionsstrategien auf dem Informationsmarkt neu bzw. weiterentwickeln lassen und wie die damit verbundenen Veränderungsprozesse im Zusammenhang mit der Vermarktung von 5 6 7 8
Vgl. Georgy, Schade 2012, S. 21 ; Hobohm 2012, S. 235. Vgl. Parasuraman et al. 1985. Vgl. Adeyoyin 2005, S. 505. Georgy, Schade 2012, S. 30.
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Informationen und Information Services positiv gestaltet werden können. Im Mittelpunkt steht die Change-Kommunikation als geplante, organisierte und strukturierte Kommunikation. Change-Prozesse müssen häufig in einem agilen Projektmanagement umgesetzt werden. Sowohl klassisches als auch agiles Projektmanagement tragen zu einer guten Planung, Steuerung, Kontrolle von Projekten bei. Kristina Hermann beschreibt in ihrem Beitrag Digitalisierungsprojekte ohne Stress und Streit: Von sinnvoller Dienstleisterauswahl und effektivem Projektmanagement die Methode des Projektmanagements am Beispiel der Einführung neuer Software, die jedes Unternehmen vor besondere Herausforderungen stellt. Einen Schwerpunkt setzt die Autorin beim Thema der internen Kommunikation, die vielfach unterschätzt bzw. vernachlässigt wird, da interne Kommunikation auch ein entscheidendes Instrument des Change-Managements darstellt. Denn sie trägt wesentlich dazu bei, Projekte intern zu legitimieren, und erhöht damit entscheidend die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Ein- und Durchführung. Digitalisierung und Vernetzung verändern die Arbeitswelt radikal. Der Erfolg von Arbeit 4.0 ist u. a. abhängig von gut strukturierten, stabilen und transparenten Prozessen und einer agilen Arbeitsorganisation. Strategien dafür sind für jede Einrichtung individuell zu entwickeln. Ihre Umsetzung ist ohne Change-Prozesse nicht realisierbar, denn es geht darum, nicht mehr Produkte und Dienstleistungen in den Mittelpunkt zu stellen, sondern Nutzer und Kunden, womit die Kundenorientierung zu einer zentralen Zielgröße wird. Interdisziplinäres, vernetztes Denken und innovative Lösungsstrategien werden zu entscheidenden Erfolgsfaktoren in einem sich verstärkenden Wettbewerb. Ivonne Preusser beschreibt in ihrem Beitrag Design Thinking: Agilität und Nutzer im Fokus der Arbeitswelt 4.0 zum einen die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für agiles Handeln, zum anderen stellt sie mit Design Thinking einen neuen Ansatz vor, der die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden als Ausgangspunkt nimmt, um Lösungsansätze für Fragestellungen aus unterschiedlichen Arbeitsund Lebensbereichen zu entwickeln.
Der prozessorientierte Ansatz spielt im strategischen Marketing insbesondere im Qualitätsmanagement eine entscheidende Rolle. Je besser Prozesse geplant und durchgeführt werden, desto weniger Fehler sind zu erwarten. Gut strukturierte, stabile und transparente Prozesse sind somit die Basis eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) nach dem Prinzip von Kaizen9.10 Christina Kläre beschreibt in ihrem
9 Der Begriff Kaizen setzt sich zusammen aus Kai = Veränderung, Wandel und Zen = zum Besseren. 10 S. dazu Imai, Maasaki: Kaizen: The Key to Japanʼs Competitive Success. New York: McGraw Hill, 1986.
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Beitrag Prozessexzellenz in Bibliotheken, welche Rahmenbedingungen von Bibliotheken und welche Schnittstellen zu den Organisationseinheiten wie dem Marketing, dem Innovationsmanagement und der Dienstleistungserstellung berücksichtigt werden müssen, um Prozessexzellenz zu erreichen. Die Autorin geht dabei insbesondere auf eine ganzheitliche Bibliotheksbetrachtung und das Ziel der Nachhaltigkeit bei der Umsetzung ein, wobei die Bibliotheksstrategie, technische Innovationen, Schnittstellen zu anderen Prozessen und interne Schnittstellen zwischen Teilprozessen, die Kommunikation innerhalb der Bibliothek sowie die optimale Form der Kundenbeteiligung auch anhand konkreter Beispiele betrachtet werden. Ein nachhaltiges und systematisches Innovationsmanagement ist heute die Basis dafür, sich erfolgreich auf dem Markt behaupten zu können. Strategisches Innovationsmanagement ist in großen Unternehmen inzwischen Standard. In kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) dagegen fehlt häufig eine Strategie und Systematik hinsichtlich der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen. Bibliotheken sind in vieler Hinsicht vergleichbar mit KMU, insbesondere hinsichtlich ihrer Ressourcen.11 Der Erfolg von Innovationen hängt stark von einer innovativen Unternehmenskultur und ihren Werten ab. Franziska Klatt und Beate Guba zeigen in ihrem Beitrag Implementierung eines nachhaltigen Innovationsmanagements auf der Basis des EFQM-Modells auf, welche Vorteile es haben kann, das Innovationsmanagement mit einem Qualitätsmanagement zu verknüpfen, um sicherzustellen, dass man auch langfristig exzellente Innovationen und damit exzellente Produkte und Dienstleistungen anbieten kann. Das Modell der European Foundation for Quality Management (EFQM) definiert Grundkonzepte der Exzellenz, die Erfolgsfaktoren und Leitlinien für das Management einer Organisation darstellen und somit eine verlässliche Basis für gutes Innovationsmanagement bieten. In vielen privatwirtschaftlichen Unternehmen ist es inzwischen Bestandteil der Strategie, Externe in den Innovationsprozess zu integrieren (Open Innovation). Dabei kann die Integration unterschiedliche Tiefe haben: Sie reicht von der Ideengebung bis zur selbstständigen Konzeption von Produkten und Dienstleistungen und der Erstellung von Prototypen. In kleineren Einrichtungen kann die Integration Externer insbesondere helfen, die Ideenbasis zu vergrößern, um in einem weiteren Schritt anhand festgelegter Kriterien die beste Idee auszuwählen und diese in eine Innovation umzusetzen. Das Crowdsourcing setzt nicht auf die Aktivität Einzelner, sondern auf Schwarmintelligenz. Die Crowd – eine Gruppe Externer – arbeitet gemeinsam an einer Lösung. Es ist davon auszugehen, dass Externe, insbesondere wenn es sich um Kunden handelt, Ideen zu Produkten und Dienstleistungen haben, deren Eigenschaften sich stark am Kundennutzen orientieren und die damit eine hohe Nutzung bzw.
11 Vgl. Georgy 2016, S. 81.
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Inanspruchnahme erwarten lassen.12 Ursula Georgy stellt in ihrem Beitrag Open Innovation und Crowdsourcing: Das Management von Offenheit beide Methoden vor und erörtert Chancen, Herausforderungen und Risiken dieser Ansätze im Innovationsmanagement. Zur Entstehung neuer Produkte und Dienstleistungen gibt es verschiedene Theorien. Innovationen ergeben sich z. B. durch Umweltveränderungen, also aus der Notwendigkeit, sich neuen Situationen anzupassen (Anpassungstheorie). Einer anderen Theorie zufolge ergeben sich Innovationen aus veränderten Rahmenbedingungen, aus denen neue Kundenanforderungen erwachsen, die von den Marktteilnehmern bisher nicht befriedigt werden. Solche Marktlücken führen vielfach zu neuen Geschäftsmodellen, die verschiedene Dimensionen umfassen. Für Bibliotheken sind insbesondere die Dimensionen der Kunden, des Nutzens und der Wertschöpfung relevant.13 Stefan Rock beschreibt in seinem Beitrag Neue Geschäftsmodelle auf Informationsmärkten, wie Veränderungen von Umwelt- und Rahmenbedingungen zum Treiber von innovativen Geschäftsmodellen werden.
Gaming, d. h. das Spielen digitaler Spiele, ist mit dem Spielen analoger Spiele vergleichbar: Bei beiden entsteht eine Art künstliche Welt, in der verschiedenste Möglichkeiten ausprobiert werden können, die jedoch auf die Realität keine Auswirkungen haben. Im Rahmen von Gamification werden spieltypische Elemente und Prozesse in spielferne oder spielfremde Kontexte gesetzt. Gaming und Gamification beinhalten üblicherweise einen motivationsfördernden, aktivierenden Mechanismus, der dazu genutzt werden kann, sie in den eigenen Geschäftsmodellen zu verankern bzw. neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Christoph Deeg erläutert in seinem Beitrag Gaming und Gamification im Kontext des Bibliotheksmarketings, warum sich Bibliotheken mit den Themen Gaming und Gamification auseinandersetzen sollten. Der Autor führt u. a. aus, welche Rolle Spielen im Kontext des Lernens oder auch der digitalen Transformation spielt, z. B. auch bei der Erschließung neuer Zielgruppen.
Literatur Adeyoyin, Samuel Olu: Strategic Planning for Marketing Library Services. In: Library Management 26, 2005, H. 8/9, S. 494–507. Burkart, Tina; Wuhrmann, Juan Carlos; Müller-Kirschbaum, Thomas: Open Innovation und Beziehungsmanagement bei Henkel. In: Marketing Review St. Gallen 27, 2010, H. 4, S. 14–18. Gabler Wirtschaftslexikon: Stichwort Strategie. O.J. https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/ strategie-43591/version-266920 (Abruf: 2018.06.18)
12 Vgl. Burkart et al. 2010, S. 16. 13 Vgl. Schallmo 2014, S. 6.
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Ursula Georgy und Frauke Schade
Georgy, Ursula: Kritische Erfolgsfaktoren zur Steigerung der Innovationsfähigkeit in Bibliotheken – Ein Vergleich mit KMU. In: Offen(siv)e Bibliotheken – neue Zugänge, neue Strukturen, neue Chancen. 32. Österreichischer Bibliothekartag Wien 2015. Bauer, Bruno et al. (Hrsg.). Graz-Feldkirch: Wolfgang Neugebauer, 2016, S. 85–96. Georgy, Ursula; Schade, Frauke: Marketing für Bibliotheken – Implikationen aus dem Non-Profit- und Dienstleistungsmarketing. In: Praxishandbuch Bibliotheks- und Informationsmarketing. Georgy, Ursula et al. (Hrsg.). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2012, S. 7–40. Hobohm, Christoph: Strategisches Marketing. In: Praxishandbuch Bibliotheks- und Informationsmarketing. Georgy, Ursula et al. (Hrsg.). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2012, S. 231–255. Meffert, Heribert; Burmann, Christoph; Kirchgeorg, Manfred: Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung: Konzepte, Instrumente, Praxisbeispiele. 10. Auflage. Wiesbaden: Gabler, 2008. Parasuraman, A.; Zeithaml, Valarie A.; Berry, Leonard: A Conceptual Model of Service Quality and its Implications for Future Research. In: The Journal of Marketing 49, 1985, S. 41–50. Porter, Michael E.: Nur Strategie sichert auf Dauer hohe Erträge. In: Harvard Business Manager 1997, H. 3, S. 42–58. Schallmo, Daniel R. A.: Theoretische Grundlagen der Geschäftsmodell-Innovation – Definitionen, Ansätze, Beschreibungsraster und Leitfragen. In: Kompendium Geschäftsmodell-Innovation. Schallmo, Daniel R. A. (Hrsg.). Wiesbaden: Springer, 2014, S. 1–30.
Petra Düren
Change-Management: Wie Führungskräfte durch Kommunikation zum Gelingen der notwendigen Veränderungen beitragen können Abstract: Um die Dienstleistungen der Bibliotheken und Informationsdienstleister erfolgreich weiterzuentwickeln und zu vermarkten, sind die betroffenen Mitarbeiter in den Prozess einzubinden und vor allem über die anstehenden Veränderungen rechtzeitig und umfassend zu informieren. Mit Change-Management, also dem professionellen Management von Veränderungsprozessen in Unternehmen und Einrichtungen, lassen sich die neuen Geschäftsmodelle und Distributionsstrategien auf dem Informationsmarkt und die damit verbundenen Veränderungen im Zusammenhang mit der Vermarktung von Informationen und Information Services positiv gestalten. Insbesondere der Kommunikation kommt bei Veränderungsprozessen eine herausragende Bedeutung zu. In diesem Beitrag werden die verschiedenen Phasen im ChangeProzess sowie der empathische Change-Kommunikationsstil vorgestellt, der besonders geeignet ist, Führungskräfte dabei zu unterstützen, ein Change-Projekt erfolgreich zu beginnen, voranzubringen und durchzuführen.
Einleitung Um Dienstleistungen von Bibliotheken und Informationsdienstleistern erfolgreich weiterzuentwickeln und zu vermarkten, müssen die Mitarbeiter nicht nur umfassend in neuen Methoden geschult sein, sondern es müssen auch die folgenden Kategorien, die auf Kundenzufriedenheit wirken, berücksichtigt werden: – kundenorientierte Einstellung; – kundenorientiertes Verhalten; – Zufriedenheit der Mitarbeiter.1 Um dies zu erreichen, ist Change-Management notwendig, denn „die wahre Herausforderung steckt in der internen Umsetzung der notwendigen Schritte: Wenn die Belegschaft die Veränderungen nicht wirklich mitträgt und nur halbherzig umsetzt, dann ist jeder Veränderungsprozess zum Scheitern verurteilt – egal wie gut geplant oder richtig er im Ansatz ist.“2
1 Vgl. Homburg, Krohmer 2009, S. 1239. 2 IFOK 2010, S. 3.
https://doi.org/10.1515/9783110539011-008
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Petra Düren
Mit Change-Management lassen sich Geschäftsmodelle und Distributionsstrategien auf dem Informationsmarkt neu bzw. weiterentwickeln und die damit verbundenen Veränderungsprozesse im Zusammenhang mit der Vermarktung von Informationen und Information Services positiv gestalten: Dabei geht es vielfach noch darum, Ängste und Aversionen im Umgang mit digitalen Bibliotheksdienstleistungen abzubauen, Veränderungsbereitschaft anzuregen und dem Gefühl der Überforderung bei Innovationsprozessen vorzubeugen.3
Unter Change-Management wird das professionelle Management von Veränderungen verstanden.4 Dabei gibt es keinen standardisierten Prozess, jedoch typische Schritte, die erfolgversprechend sind. Dazu gehören insbesondere:5 – die Vermittlung der Notwendigkeit einer Veränderung; – die Entwicklung einer Vision und einer klaren Strategie; – die Kommunikation sowie – die Beteiligung der Mitarbeiter am Veränderungsprozess. Schon lange ist die herausragende Bedeutung der Kommunikation im Change-Management bekannt. So haben z. B. Bernecker und Reiß bereits 2002 darauf hingewiesen, dass „die Kommunikationspolitik […] einen kritischen Erfolgsfaktor für jedes Change-Vorhaben dar[stellt]“6. Auch Smith wies 2006 darauf hin, dass eine effektive, d. h. eine sorgfältige, ehrliche, rechtzeitige und in einer den Empfängern angemessenen Aufbereitung durchgeführte Kommunikation der kritische Erfolgsfaktor für das Erreichen organisationaler Veränderungen ist.7 Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass alle Arten von Change-Projekten hohe Reibungsverluste aufweisen, deren Ursachen „neben Visionslosigkeit, fehlendem Kommittment [sic!] der Führung, mangelndem Prozessmanagement vor allem Fehler in der Kommunikation und in der geringen Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“8 sind. In einer 2015 durchgeführten Studie von Düren und Ross, bei der an ChangeProzessen in Bibliotheken Beteiligte in Deutschland, Österreich und der Schweiz, die nicht der Bibliotheksleitung angehören, befragt wurden, war Kommunikation – offen, transparent, regelmäßig, unter Berücksichtigung aller – mit 29 Prozent das am häufigsten genannte Verhalten von Führungskräften während erfolgreich abgeschlossener Change-Prozesse. Befragt nach dem Führungsverhalten, das zum Scheitern von Veränderungsprozessen geführt hat, gaben 28 Prozent schlechte Kommunikation an.
3 4 5 6 7 8
Schade 2016, S. 208. Vgl. Kraus et al. 2010, S. 15. Vgl. ebd., S. 128–135. Bernecker, Reiß 2002, S. 352. Vgl. Smith 2006, S. 109. Deutinger 2013, S. XV.
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Diese ist u. a. dadurch gekennzeichnet, dass Informationen zu spät gegeben werden oder nicht vollständig oder dass die eigenen Teammitglieder außen vor gelassen wurden.9 Auch in einer mit Führungskräften amerikanischer wissenschaftlicher Bibliotheken durchgeführten Studie von Le wurden Kommunikationsfähigkeiten als eine der fünf wichtigsten Führungseigenschaften genannt, um wissenschaftliche Bibliotheken im digitalen Zeitalter leiten zu können.10 Ohne eine gute Kommunikation lassen sich Veränderungsprojekte demnach nicht realisieren. Kommunikation wird als einer der zentralen Erfolgshebel für ein aktives Change-Management angesehen.11 Im Folgenden werden deshalb nach einer Definition von Change-Kommunikation einzelne Kommunikationsschritte im Change-Prozess sowie ein geeigneter Change-Kommunikationsstil vorgestellt.
1 Change-Kommunikation Change Kommunikation ist die geplante, organisierte und strukturierte Kommunikation während eines Veränderungsprozesses. Ihre Kernaufgabe ist der gezielte Informationsaustausch, das Erhalten der Dialogfähigkeit und das Involvement aller Betroffenen und Beteiligten – sowohl innerhalb der Organisation als auch außerhalb. Sie ist zeitlich befristet für die Dauer eines Veränderungsvorhabens.12
Zielgruppen der Change-Kommunikation sind in einer Einrichtung bzw. einem Unternehmen – neben allen Mitarbeitern und Führungskräften – auch Kunden, Lieferanten und Geldgeber, die vom Erfolg bzw. Misserfolg des Change-Projektes betroffen sind.13 Im Folgenden liegt der Fokus auf der internen Change-Kommunikation.
2 Kommunikationsschritte im Change-Prozess Es ist wichtig, die Kommunikation im Change-Prozess ganzheitlich und im Voraus zu planen, denn [...] Kommunikation wirkt immer […] – auch dann, wenn sie bruchstückhaft oder gar nicht erfolgt. Besonders in kritischen Veränderungssituationen erzeugen mangelnde Transparenz, Geheimhaltung, Inkonsistenzen oder ‚scheibchenweise‘ Informationen negative Aufmerksamkeit oder reduzieren im schlimmsten Fall eine bereits vorhandene Änderungsmotivation.14
9 Vgl. Düren, Ross 2015, o. S. 10 Vgl. Le 2015, S. 303, 310. 11 Vgl. Ebert-Steinhübel 2013, S. 17. 12 Deutinger 2013, S. 3. 13 Vgl. Ebert-Steinhübel 2013, S. 13. 14 Ebd., S. 4.
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Problematisch wird es, „wenn fehlende offizielle Kommunikation der Unternehmensleitung und der Führungskräfte durch Gerüchte und andere ‚inoffizielle‘ Kommunikation ausgeglichen wird“15. Die Change-Kommunikation kann in vier Schritte bzw. Phasen unterteilt werden:16 1. Analyse- und Zieldefinitionsphase: Die Ziele der Change-Kommunikation werden definiert, um darauf aufbauend eine Kommunikationsstrategie zu entwickeln, aus der sich Kommunikationsinstrumente und -maßnahmen ableiten lassen. 2. Orientierungs- und Informationsphase: Veränderungsvision und -strategie werden formuliert. Es wird über die Akteure des Veränderungsprozesses, die Betroffenen sowie die Schritte, die diese Veränderung notwendig macht, informiert. 3. Umsetzungs- und Partizipationsphase: Die vorher festgelegten Kommunikationsmaßnahmen werden umgesetzt. Es erfolgt in dieser Phase eine Aktivierung aller Beteiligten und erste Teilerfolge sowie spätere Erfolge werden kommuniziert. 4. Integrations- und Evaluationsphase: Die Ergebnisse des Change-Projektes werden verankert und reflektiert sowie bestätigt. Die sich daraus ergebenden Wirkungen werden bewertet und kontrolliert. Das heißt, dass eine gute Change-Kommunikation den Change-Prozess von Anfang bis Ende begleitet und unterstützt. Die Kommunikation muss frühzeitig beginnen. Dies wird gestützt durch eine Untersuchung, die u. a. ergeben hat, dass die meisten Menschen bezweifeln, dass sie so rechtzeitig informiert werden, dass sie sich auf die Veränderung vorbereiten können.17 Dabei empfiehlt es sich, besser unvollständig und frühzeitig als zu spät exakt und vollständig zu informieren.18 Bei längeren ChangeProjekten sollte die Evaluation nicht erst am Ende in der vierten Phase stattfinden, sondern es sollte ein permanenter Reflexionsprozess stattfinden,19 über den entsprechend fortlaufend berichtet wird. Dabei ist von hoher Bedeutung, dass die Kommunikationsbotschaften je nach Erwartungen, Interessenschwerpunkten und persönlichen Hintergründen der Mitarbeiter und mittleren Führungskräfte spezifisch auf die jeweilige Zielgruppe angepasst, variiert und kommuniziert werden.20
Bei der Auswahl der Kommunikationsinstrumente ist zu beachten, dass „Face-to-FaceKommunikation als einflussreicher, dialogischer Kommunikationsweg […] an Bedeutung [gewinnt] als Gegengewicht zur Online-Kommunikation […]“21. Die Relevanz der
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Lips 2012, S. 268. Vgl. Ebert-Steinhübel 2013, S. 7 . Vgl. Mast 2008, S. 11. Vgl. Gers, Trinczek 2005, S. 54. Vgl. Ebert-Steinhübel 2013, S. 15. Vgl. Schade 2016, S. 211. Mast 2008, S. 6.
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Face-to-Face-Kommunikation steigt mit der Zunahme der Komplexität der ChangeProjekte.22 Dialogische Kommunikationswege, zu denen z. B. Kick-off-Events gehören, sind am besten geeignet, um Betroffene individuell und auf einer emotionalen Ebene anzusprechen, Bindungen zu stärken, aber auch, um Vertrauen aufzubauen.23
Der Hauptgrund, warum Kommunikationsmaßnahmen scheitern, ist, dass die Kommunikation häufig zu wenig auf einen Dialog ausgerichtet ist, was sich auch darin zeigt, dass lediglich ein Drittel der in Change-Prozessen eingesetzten Kommunikationsinstrumente auf den Dialog mit den Mitarbeitern setzt. Nach wie vor überwiegen die nachrichtlichen Instrumente – wie z. B. E-Mails und Veröffentlichungen im Intranet – mit knapp 40 Prozent; ca. 26 Prozent machen die werbenden Kommunikationsinstrumente – z. B. Plakate und Flyer – aus.24
Im Vorfeld und zum Beginn von Change-Prozessen sind in der Kommunikation die Hintergründe und Ursachen für den Wandel sowie die konkreten Ziele, Planungen und der angestrebte Nutzen offenzulegen. Außerdem interessieren sich die Betroffenen für die Meilensteine, die zu erreichen sind, und wollen in der vierten Phase (Integrations- und Evaluationsphase) abschließend erfahren, was der Wandel ihnen und der Bibliothek gebracht hat.25 Es muss also für jedes Change-Projekt ein individuelles Kommunikationskonzept erarbeitet werden, bei dem nicht nur festgelegt werden muss, wer wann in welcher Form informiert bzw. in den Dialog einbezogen werden muss, sondern auch, wer für die jeweiligen Kommunikationsaktivitäten verantwortlich ist.26
3 Der empathische Change-Kommunikationsstil Da es bei der Kommunikation nicht nur um die Information der Betroffenen geht, sondern z. B. auch um den Aufbau von Vertrauen, das Erzeugen von positiven Emotionen und den Abbau von Barrieren, die durch Change-Projekte hervorgerufen werden können, handelt es sich bei der Kommunikation um „eine Art sozialen Verhaltens“27. Kernaufgaben für Change-Kommunikatoren – und damit insbesondere für das Topmanagement – sind neben dem Informieren aller das Involvieren der Betroffenen und das Beraten der weiteren Führungskräfte.28
22 23 24 25 26 27 28
Vgl. Gergs, Trinczek 2005, S. 54. Vgl. Mast 2008, S. 25. Vgl. IFOK 2010, S. 9 . Vgl. Mast 2008, S. 20, 23. Vgl. Doppler, Lauterburg 2014, S. 199, 201. Brehm 2014, S. 241. Vgl. Deutinger 2013, S. 8–10.
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„Jene Führungskräfte, die viel und gut kommunizieren, können auch bald die Früchte ihrer Arbeit ernten.“29 Ein Kommunikationsstil, der geeignet ist, Führungskräfte dabei zu unterstützen, ein Change-Projekt erfolgreich zu beginnen, voranzubringen und durchzuführen, ist der empathische Change-Kommunikationsstil (Empathic Change Communication Style – ECCo-Style), der sich aus sieben Elementen (s. Abb. 1) zusammensetzt, die im Folgenden30 genauer dargestellt werden.
Empathie Verbale Kommunikation
Lob für gute Arbeit
Vorbild Ärger/Wut und Ängste/Sorgen als Veränderungsimpulse
Nonverbale Kommunikation Verlässlichkeit und Sicherheit
Abb. 1: Elemente des empathischen Change-Kommunikationsstils31
3.1 Empathie Führungskräfte müssen empathisch handeln können. Empathie, der sensible und auf deren Emotionen und Interessen abgestimmte Umgang mit anderen, wird bereits seit mehreren Jahrzehnten als ein wichtiger Aspekt von effektiver Führung hervorgehoben.32 Dies bedeutet u. a., sich im Team als Menschen zu begegnen, also als Führungskraft menschlich zu agieren und an den Mitarbeitern als Menschen bzw. als Individuen interessiert zu sein. Alle Menschen sind so, wie sie sind, und vor allem sind alle unterschiedlich; dies ist bei der empathischen Führung zu berücksichtigen.
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Deutinger 2013, S. 27. Vgl. Düren 2016, S. 401–407. Eigene Darstellung nach Düren 2016, S. 401. Vgl. Holt, Wood 2017, S. 117.
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Darüber hinaus müssen Führungskräfte verstehen können, was die Mitglieder ihres Teams empfinden und fühlen, wenn ihre Arbeit, die sie bislang erledigt haben, verändert wird. Das heißt, nicht nur das im laufenden Change-Prozess bisher Erreichte, sondern auch die bisherige Arbeit muss wertgeschätzt und gewürdigt werden. Eine gute Change-Kommunikation erlaubt einen angemessenen „Blick zurück“ und würdigt das in der Vergangenheit Erreichte hinreichend.33
3.2 Verbale Kommunikation Jede Führungskraft muss sich immer wieder mit ihrer verbalen Kommunikation auseinandersetzen. Beispiele für verbale Kommunikation, die als empathisch verstanden wird, sind:34 – Teammitglieder ernst nehmen; – Fragen stellen; – Aussagen bestätigen; – Hilfe anbieten; – eigene Erfahrungen und Erlebnisse teilen; – über Emotionen sprechen; – Geschichten erzählen; – Teammitgliedern mitteilen, dass sie in dem Change-Prozess nicht allein sind bzw. alleingelassen werden, und – vorgefasste Meinungen vermeiden sowie offen für andere Meinungen sein. Eine Möglichkeit, um die empathischen Aspekte der verbalen Kommunikation zu erfüllen, ist, sich in der Einrichtung, im Unternehmen bzw. im eigenen Team präsent zu zeigen und vor Ort Gespräche mit den Mitarbeitern zu führen, um diese auf einer persönlicheren Ebene kennenzulernen. Wichtig ist, auch die im Folgenden aufgeführte nonverbale Kommunikation zu beachten und insbesondere darauf zu achten, dass sie mit der verbalen Kommunikation übereinstimmt.35 Denn „die Rolle der nonverbalen Kommunikation [ist] sehr groß: Kommunikationsforscher schätzen den verbalen Anteil an den vermittelten Gesamtinformationen auf nur 20 % ein“36.
33 34 35 36
Vgl. Lips 2012, S. 273. Vgl. Bylund, Makoul 2002, S. 210; Düren 2013, S. 145, 158. Vgl. Hintz 2016, S. 433. Franken 2010, S. 147.
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3.3 Nonverbale Kommunikation Während aller Gespräche und Sitzungen im Change-Prozess muss sich jede Führungskraft nicht nur ihrer verbalen Kommunikation und deren Auswirkung auf die Mitarbeiter bewusst sein, sondern sich auch immer wieder auf ihre nonverbale Kommunikation und deren Wirkungen konzentrieren. Empathie lässt sich u. a. durch folgendes nonverbales Verhalten ausdrücken:37 – Augenkontakt suchen; – lächeln; – nicken und – zeigen, dass zugehört wird.
Auch offene, einladende Bürotüren können das Interesse der Führungskraft an ihren Mitarbeitern ausdrücken, evtl. sogar unterstützt durch Süßigkeiten auf dem Tisch, sodass sich vorbeikommende Mitarbeiter unverbindlich eingeladen fühlen, ins Büro zu kommen. Ebenso zeigt das Zugehen auf Mitarbeiter an deren Arbeitsplatz Empathie und Verständnis dafür, dass z. B. nicht alle Mitarbeiter gerne das Büro des Vorgesetzten aufsuchen, aber trotzdem etwas zum Change-Prozess sagen möchten.
3.4 Verlässlichkeit und Sicherheit Führungskräfte sollen in der Lage sein, durch ihre Kommunikation für ein Umfeld zu sorgen, das durch Verlässlichkeit und Sicherheit gekennzeichnet ist. Gelingen kann dies durch gegenseitiges Vertrauen. Erreicht werden kann dieses, indem – über möglichst alles, was der Führungskraft über den Change-Prozess bekannt ist, kommuniziert wird; – den Teammitgliedern zugehört wird und diese an den einzelnen Schritten des Change-Prozesses beteiligt werden; – Aufgaben an die Teammitglieder delegiert werden und dadurch gezeigt wird, dass die Führungskraft Vertrauen in die Mitarbeiter hat; – die Führungskraft sich verdeutlicht, dass ihre Teammitglieder die Experten auf ihrem jeweiligen Aufgabengebiet sind, und sie diese Kompetenzen sowie deren Wissen nutzen können, und – das Team nach außen gut vertreten und wenn nötig verteidigt wird. Empathisch agierende Führungskräfte verstehen also die Bedürfnisse sowohl ihrer Teammitglieder als auch ihrer Kunden und sprechen diese an. Sie schätzen und nutzen
37 Vgl. Bylund, Makoul 2002, S. 210.
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deren Talente für den Change-Prozess und erkennen, wie Probleme aus dem Blickwinkel anderer gelöst werden können, und beziehen dies in Entscheidungen mit ein.38 Es geht aber auch darum, mögliches Misstrauen gegenüber dem Change-Prozess und den Verantwortlichen durch Kommunikation zu beseitigen. Dazu gehört u. a., Beschönigungen über das Change-Projekt zu vermeiden, da diese die Authentizität der Kommunikation zerstören und zu Misstrauen bei weiteren Kommunikationsanlässen führen können. Voß und Röttger betonen, dass „Mitarbeiter […] den stets positiven Hochglanzgeschichten interner Kommunikation [misstrauen]. Eine neue Ehrlichkeit gegenüber Versäumnissen, gepaart mit Lösungsansätzen, erhöht dagegen die Glaubwürdigkeit des Projekts.“39 „Und nichts schafft mehr Sympathie und Akzeptanz als das ehrliche Eingeständnis von Schwächen und Fehlern.“40
3.5 Ärger/Wut und Ängste/Sorgen als Veränderungsimpulse Um einen der Risikofaktoren eines Change-Projektes weitgehend ausschließen zu können, sollten Ärger und Wut der Mitarbeiter über die anstehenden Veränderungen sowie ihre Ängste und Sorgen aktiv erfragt und wahrgenommen werden, um diese als Anregungen für weitere sinnvolle bzw. notwendige Änderungen im Change-Prozess zu nutzen. Dazu können mit den Betroffenen Einzelgespräche darüber geführt werden, welche Konsequenzen sich für sie individuell ergeben und was ihre Wünsche für die neuen Aufgaben sind. Probleme und Widerstände sollten gemeinsam besprochen sowie Meinungen der Mitarbeiter angehört und wenn möglich berücksichtigt werden.
3.6 Lob für gute Arbeit Haben die Mitarbeiter im Change-Prozess gute Arbeit geleistet, so sollte die Führungskraft sie dafür loben. Auch eine kleine Feier nach dem Erreichen von wichtigen Meilensteinen und nach erfolgreicher Beendigung des Change-Projektes motiviert die Mitarbeiter, sich am laufenden sowie an kommenden Change-Projekten weiter aktiv zu beteiligen. Darüber hinaus ist „gerade in Zeiten großer Veränderungsprozesse […] das Feiern von Erfolgen und erreichten Etappenzielen ein wichtiger Stabilitätsfaktor“41. Diese sechs Elemente des empathischen Change-Kommunikationsstils basieren darauf, dass sich Führungskräfte ihrer Rolle als Vorbilder bewusst sind. 38 39 40 41
Vgl. Tzouramani 2017, S. 197. Voß, Röttger 2008, S. 65. Lips 2012, S. 285. Ruhl, Ennker 2012, S. 123.
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3.7 Vorbild Führungskräfte aller Ebenen müssen als Vorbilder für ihre Mitarbeiter agieren, insbesondere muss die Veränderung vorgelebt und das Change-Management für Führungskräfte zur täglichen Routine werden. Als Führungskraft ein Vorbild zu sein beinhaltet darüber hinaus u. a.:42 – den Teamgedanken zu verinnerlichen und zu leben; – auch mal untypische Aufgaben zusammen mit dem Team zu erledigen; – Teammitglieder in den Change-Prozess zu integrieren; – den persönlichen Dialog mit den Mitarbeitern zu suchen; – sich sowohl die Probleme als auch die Ideen der Mitarbeiter anzuhören, – zu verhandeln; – die eigenen Teammitglieder gut zu kennen und – das eigene Team zu loben sowie zu belohnen.
Insbesondere die Mitglieder des Topmanagements müssen als Vorbilder agieren und dafür ständig ihre eigenen Verhaltensmuster und -routinen sowie Gewohnheiten überprüfen und verändern. Dazu sind eigene Lernprozesse zu initiieren.43 „Zu den Top-Drei-Qualifizierungsthemen für Topmanager zählen Change- und Transformationsmanagement, strategisches Management sowie Persönlichkeitsentwicklung.“44
Fazit Insgesamt bleibt „festzuhalten […], dass die Aufgabe, den Wandel zu managen, kontinuierlich schwieriger wird“45. Deshalb ist während der gesamten Change-Prozesse zu berücksichtigen: „Kommunikation wirkt immer und überall.“46 Wenn sich Führungskräfte am empathischen Change-Kommunikationsstil orientieren, dann können große Veränderungsprozesse gelingen – insbesondere dadurch, dass Widerstände, die i. d. R. viel Zeit und Kraft kosten, reduziert, wenn nicht sogar ganz verhindert werden können.
42 43 44 45 46
Vgl. Düren 2013, S. 148. Vgl. Kienbaum 2015, S. 28. Bergstein, Studer 2017, S. 20. Capgemini Consulting 2015, S. 64. Ebert-Steinhübel 2013, S. 16.
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Kristina Hermann
Digitalisierungsprojekte ohne Stress und Streit: Von sinnvoller Dienstleisterauswahl und effektivem Projektmanagement Abstract: Kaum ein Change-Management-Prozess im Informationsmarketing ist so nervenaufreibend und von so vielen Rückschlägen und Zerwürfnissen mit Dienstleistern geprägt wie die Einführung oder der Relaunch von IT-Produkten. Aber um diese Aufgabe kommt kaum jemand herum: Entweder wird eine Kundendatenbank mit komplexen Segmentierungsmöglichkeiten gebraucht oder eine suchmaschinenoptimierte Webseite oder ein leistungsfähiges Newsletter-Tool. Der Beitrag gibt Antworten auf die Frage: Wie meistert man erfolgreich die Einführung einer neuen Software, um das eigene Informationsmarketing zu verbessern? Zunächst werden die Kriterien für eine erfolgreiche Projektinitialisierung mit Zielbestimmung und Projektstruktur dargestellt. Im Detail geht es dann u.a. um die Entwicklung eines Lastenheftes und die Auswahl des IT-Dienstleisters. Der zweite Teil des Beitrags untersucht die Möglichkeiten und Grenzen der internen Kommunikation als begleitendes Instrument bei IT-Projekten. Dabei werden konkrete Vorschläge für die praktische Umsetzung gemacht. Der Beitrag richtet sich an Organisationen und Unternehmen, die an der Schwelle zur Software-Einführung oder zum Software-Release im Informationsmarketing stehen. Er soll die Leser befähigen, den richtigen Dienstleister auszuwählen und die Zusammenarbeit vertrauensvoll und effektiv zu gestalten: Konflikte sollen vermieden und die Ziele dieser Digitalisierungsprojekte eingehalten werden.
Einleitung Bei der Einführung von neuer Software geht es konkret um den Launch von Webseiten, die Einführung von Mitgliederdatenbanken oder Newsletter-Tools. Dieser Beitrag richtet sich an die Auftraggeber und Projektleiter solcher Vorhaben und zeigt die Vielzahl an Faktoren, die für ein Gelingen notwendig sind. Schnell offenbart sich die Komplexität der Digitalisierungsvorhaben. Die verantwortlichen Projektleiter, die häufig wenig Erfahrung mit IT-Projekten haben, fragen sich zu Recht: Was genau ist zu tun? Wie behalte ich den Überblick? Und wie steuere ich das Projekt zügig zum Ziel?
https://doi.org/10.1515/9783110539011-009
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1 Projektmanagement Für eine gelungene Steuerung und Kontrolle ist das Instrumentarium des klassischen wie auch des agilen Projektmanagements das Mittel der Wahl.1 Konkret geht es um die Planung von Aufgabenpaketen, das Festlegen des zeitlichen Ablaufs und der dazugehörigen Meilensteine, die Bildung des Teams und nicht zuletzt die Formulierung von Zielen.
1.1 Zieldefinition Visionen oder/und Leidensdruck sind häufig Auslöser einer Software-Einführung. Für eine solide Projektinitialisierung ist das jedoch nicht ausreichend. Denn gerade bei IT-Projekten, bei denen schnell fünfstellige Summen im Spiel sind, ist eine genaue Zieldefinition unabdingbar. Diese geht deutlich über Terminfestlegungen und Budgetkalkulationen hinaus. Der Zielfindungsprozess startet vielmehr bei der Analyse des Status quo: Wo stehen wir jetzt? Und was können wir mit unseren Mitteln bisher erreichen? Der zweite – und der Erfahrung nach schwierigste – Schritt ist die Ermittlung der Bedürfnisse: Was brauchen wir, um erfolgreicher zu sein, um unsere Leser, Nutzer, Besucher besser zu erreichen? Erst im dritten Schritt werden Optionen zur Lösung zusammengetragen: Brauchen wir ein Upgrade der aktuellen Software? Ein ganz neues Programm? Oder vielleicht auch nur eine gründliche Datenbereinigung im bisherigen System und eine Weiterbildung der Mitarbeiter, damit die Potenziale der bisherigen Software vollständig gehoben werden? Sind diese Lösungen skizziert, kann mit der eigentlichen Zieldefinition begonnen werden. Dabei hat sich die SMART-Methode bewährt.2 Sie bringt Klarheit in das Projekt und nimmt bereits Teile der Planung vorweg. Im Folgenden wird für die SMART-Methode ein Beispiel für die Einführung einer Abonnentendatenbank in einem Wissenschaftsverlag gegeben: – Spezifisch: Implementierung einer Abonnentendatenbank, aus der heraus Rechnungen gestellt wie auch Newsletter generiert werden können.
1 Innerhalb dieses Beitrags kommt vor allem das klassische Projektmanagement vor. Der Brückenschlag zum agilen Projektmanagement findet sich bei Preußig, Jörg: Agiles Projektmanagement – Agilität und Scrum im klassischen Projektumfeld. Freiburg: Haufe-Lexware, 2018 sowie bei Wieczorrek, Hans W.; Mertens, Peter: Management von IT-Projekten: Von der Planung zur Realisierung. Heidelberg: Springer, 2010. 2 Anfang der 1980er Jahre von George T. Goran entwickelt, wird die Zielfindung via SMART-Technik inzwischen in allen Unternehmensbereichen angewendet – von der Produktentwicklung bis zur Mitarbeitermotivation.
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Metrisch/messbar: Alle 1 300 Datensätze, die sich bisher in Excel-Tabellen befinden, werden in das neue System überführt. Akzeptiert: Alle betroffenen Mitarbeiter werden umfangreich für die Nutzung der Datenbank geschult, sodass Verstimmungen oder/und Umgehungstaktiken ausbleiben. Realistisch: Eine Partnerorganisation hat die anvisierte Software bereits erfolgreich eingeführt und dabei Termine sowie Budgetvorgaben eingehalten. Terminiert: 1. Februar 2019: Finalisierung Pflichtenheft | 1. April 2019: Implementierung der Datenbank | 1. Juni 2019: Beendigung der Datenübertragung und Datenbereinigung | 1. Juli 2019: Beginn der täglichen Arbeit.
Häufig führt das Zielkriterium „Akzeptiert“ zu Nachfragen. Hier geht es vor allem darum, zu antizipieren, welchen Widerstand, welche Abwehr dieser Veränderungsprozess erzeugen könnte. Insbesondere wenn man bereits aus Erfahrung weiß, dass die IT-Abteilung penibel in alles involviert sein möchte, der Marketingverantwortliche schon lange eigene Pläne für ein Newsletter-Tool hat und die betroffenen Sachbearbeiter selbst für ein Update von Outlook umfassende Schulungen benötigen, sollte man diese Bedürfnisse und Bedenken ernst nehmen und in die Planung miteinbeziehen.
1.2 Aufgabenpakete und Teams Überblick und Steuerungsfähigkeit nehmen zu, wenn ein Projekt in Teilbereiche gegliedert ist. Bei der Einführung von Software sind es in den meisten Fällen folgende Aufgabenpakete und die dazugehörigen Arbeitsbausteine, die Berücksichtigung finden müssen: – Projektleitung: Zielformulierung, Zeitplanung, Teambildung, Aufsetzen des Lastenheftes, Reporting-Struktur, interne Kommunikation und Projektmonitoring; – Software und Dienstleister: Formulierung des Pflichtenheftes, Auswahl der Dienstleister, Vertragsverhandlungen und -abschluss; – Content-Zuarbeit: Aufbereitung von Personendaten, Lieferung von CorporateDesign-Manual, Fotos, Logos, Texten; – Programmierung bzw. Set-up des Produkts: Erstversion und Anpassung mit den Inhalten des Auftraggebers, ggf. Programmierung einer Schnittstelle zu unternehmensinterner Software; – Testing: Auswahl von Testpersonen, Festlegung des Ablaufs, Anwendung des Ticketsystems, Überwachung der Umsetzung und – Launch: Schulung aller betroffenen Mitarbeiter, ggf. externe Kommunikation, Going Live.
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Jedem dieser Aufgabenpakete sollte ein eigenes Team zugeordnet werden. Das kann je nach Größe des Gesamtprojekts von einem bis zehn Mitarbeiter umfassen. Sobald mehr als eine Person involviert ist, ist die Festlegung von Rollen notwendig: – Gesamtprojektleitung: Neben der Entwicklung des Projektplans sind hier vor allem die Abstimmung zwischen den einzelnen Aufgabenpaketen und das damit verbundene Konfliktmanagement entscheidend. Damit ist der kontinuierliche Abgleich mit den angestrebten Zielen verbunden und die Aufgabe, dass diese Ziele bei neuen Erkenntnissen innerhalb des Projektverlaufs durchaus verändert werden. – Aufgabenpaketleitung: Der Leiter des Aufgabenpakets koordiniert die anfallenden Tätigkeiten mittels Kick-off- und Follow-up-Meetings. Er erstellt Zeitpläne und Meilensteine, prüft die einzelnen Zuarbeiten, gibt Feedback und fügt all dies zum Endergebnis zusammen. – Umsetzung: Die Mitglieder des Teams leisten die einzelnen Zuarbeiten: Bedarfsanalysen, Kalkulationen, Testläufe etc. – Beratung: Gerade bei der Erstellung des Lastenheftes ist das Anhören von Mitarbeitern, die das neue IT-Produkt in Zukunft nutzen werden, sinnvoll. Die Wichtigkeit liegt im Verständnis und in der Dokumentation der angestrebten Workflows, ohne dass die betroffenen Mitarbeiter selbst diese Anforderungsprofile erstellen müssen. Die klare Aufteilung dieser Aufgaben verhilft dem Team zu Planungssicherheit und motiviert die einzelnen Mitglieder. Anspruchsvoll wird es, wenn dieselbe Person sich in mehreren Rollen wiederfindet. Hier besteht die Herausforderung darin, sich stets zu vergegenwärtigen, in welcher Rolle man sich gerade befindet, aus welcher Perspektive man etwas betrachtet und wem man genau zuarbeitet. Die folgende Abbildung verdeutlicht die Gleichzeitigkeit der Rollen (s. Abb. 1).
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Umsetzung B. Horst W. Leitner
Aufgabenpaketleitung S. Johnson Auftraggeber A. Müller
Beratung A. Müller
Projektleitung S. Johnson Aufgabenpaketleitung L. Hausmann
Umsetzung S. Johnson W. Leitner
Beratung P. Cem
Abb. 1: Projektstrukturplan mit Rollenverteilung und Personenzuordnung
Rollenkonflikte liegen hier nahe, sind aber durch Geduld und Umsicht zu bewältigen. Der Abbildung nach könnte ein Rollenkonflikt in der widersprüchlichen Situation liegen, dass Johnson zwar Gesamtprojektleiter ist und Hausmann anleitet, diesem aber gleichzeitig als Teammitglied unterstellt ist. Möglicherweise stört er sich am Führungsstil oder an inhaltlichen Entscheidungen von Hausmann. Solche Situationen gilt es auszuhalten oder bei Verhärtungen einen Dritten, zum Beispiel Auftraggeber Müller, lösend hinzuzuziehen.
1.3 Umsetzung Die Konzeption von Projekten, die Arbeit mit Kunden – z. B. Leser, Studierende, Ausstellungsbesucher – oder das Verwalten von Personal und Finanzen, das sind die täglichen Aufgaben von Mitarbeitern in Unternehmen und Organisationen. Die Einführung von Software gehört zu diesem Alltag nicht dazu. Genau deswegen sollen hier Hinweise für die ganz praktische Umsetzung der IT-Implementierung gegeben werden.
Lastenheft und Pflichtenheft Selbst wenn ein bereits existierendes Produkt gekauft werden soll, das es bei Software-Unternehmen „von der Stange“ gibt, lohnt sich die vorherige Anfertigung eines Lastenheftes. Ein Lastenheft umfasst eine Liste von Anforderungen und Forderungen. Zudem sollten weitere Fragen beantwortet werden, u. a.: Welche Kundeninformationen sollen über Bibliotheksnutzer oder Zeitschriftenabonnenten gesammelt werden?
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Kann die anvisierte Datenbank wirklich die Häufigkeit einer Buchausleihe abbilden und können Mahnverfahren manuell gestoppt werden? Auf dieser Basis erstellt der IT-Dienstleister dann ein Angebot und ein Pflichtenheft. Im Pflichtenheft beschreibt der Auftragnehmer, wie und womit er das geplante Vorhaben umsetzen will, d. h., es wird dokumentiert, was man als Auftraggeber tatsächlich erhält und dementsprechend bei der späteren Prüfung des Produkts auch einfordern kann.
Auswahl des IT-Dienstleisters Bei der Auswahl des Dienstleisters richtet sich der Blick primär auf das Produkt. Es lohnt sich aber auch, großen Wert auf den Service zu legen: Arbeitet der Dienstleister mit einem Ticket-System, über das man Störungen oder Änderungswünsche kommunizieren kann, oder werden diese in endlos langen E-Mail-Schleifen diskutiert und behandelt? Wie transparent ist der Supportvertrag? Steht dort wirklich im Detail, was geleistet wird, zu welchen Zeiten z. B. Zwischenergebnisse bzw. das Endergebnis zu erbringen sind? Gibt es ein Festpreismodell und wann sind bestimmte Raten fällig? Zudem ist Flexibilität bei der Lizenzvereinbarung gefragt. So sollte man darauf achten, nicht dauerhaft auf eine bestimmte Nutzeranzahl festgelegt zu sein. Von größter Bedeutung sind darüber hinaus das Know-how und die Routine des Dienstleisters in seinem Bereich. Empfehlenswert ist es, eine Referenzliste anzufordern und Kontakt mit ein oder zwei Kunden des Dienstleisters aufzunehmen, um nach ihren Erfahrungen mit Produkt und Service zu fragen.
Kostenkalkulation Bei einer Software-Einführung fallen über das Produkt hinaus weitere Kosten an. Diese Folgekosten sind z. B. Lizenzgebühren, weitere Supportleistungen und begleitende Marketingkampagnen. Die wichtigsten Kategorien dieser Kosten sind folgende: – Technik: Einkauf oder Programmierung eines (weiteren) Tools | Programmierung der Schnittstellen zu hausinternen Programmen | Nutzerlizenzen | Support | ggf. Anschaffung neuer Hardware; – Personal: Gehalt des (möglicherweise befristet) eingestellten Projektteams und Weiterbildungen für die Mitarbeiter, die mit dem neuen IT-Produkt arbeiten werden; – Marketing: Produktion von Bildern, Videos | bezahlte Kampagnen, z. B. AdWords, Facebook, Banner | ggf. Agenturkosten für Beratung und Umsetzung einer Marketingkampagne.
Testphase und Change Request Management Es ist durchaus normal, dass die Testphase als Arbeitspaket „vom Tisch rutscht“. Dies ist gerade dann der Fall, wenn eine Software gekauft wird, die am Markt etabliert und inhaltlich ausgereift ist. Wenn jedoch auch nur kleinere individuelle Anpassungen vereinbart wurden, ist auch deren Umsetzung zu prüfen. Noch viel wichtiger ist das Testen dann, wenn man ein auf das Unternehmen maßgeschneidertes Produkt kauft.
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Hier kann das zu Beginn erstellte Pflichtenheft als Checkliste für die Prüfung aller angeforderten Funktionen dienen. Bei Webseiten ist es empfehlenswert, Personen, die bisher in keiner Weise in das Projekt eingebunden waren, das Testen vornehmen zu lassen. Nur so vermeidet man den Tunnelblick und das Übersehen offensichtlicher Fehler. Wichtig ist darüber hinaus der Aspekt des Change Request Management. Dieser Begriff steht für die Äußerung von Änderungswünschen und deren Umsetzung. Es gibt kaum ein Projekt, bei dem nicht zu Beginn notwendige Anforderungen übersehen werden. Will man diese im Nachhinein programmieren lassen, sollte nicht die Abkürzung über eine schnell formulierte E-Mail an den Dienstleister gewählt werden. Vielmehr sollte es auch hier eine detaillierte Beschreibung (Lastenheft) geben, auf die das Angebot und nach dessen Nachverhandlung und Freigabe die Programmierung erfolgt. Die Testphase mit der dazugehörigen Behebung von Fehlern und Umsetzung von Änderungswünschen kann durchaus Wochen und sogar Monate dauern. Dies sollte in der Zeitplanung realistisch beachtet werden. Schnittstellen Die Schnittstellenproblematik ist ein neuralgischer Punkt bei fast jedem IT-Projekt. Schnittstellen bestehen beispielsweise zwischen einer neuen Webseite und dem Newsletter-Tool oder zwischen einer Kundendatenbank und der Buchhaltungssoftware. Sinnvoll ist es deshalb, gleich zu Beginn einen separaten Anforderungskatalog nur für die Schnittstellenprogrammierung zu entwickeln, ihn mit dem Dienstleister abzustimmen und mögliche Folgekosten mit in die Planung aufzunehmen. Insbesondere bei Schnittstellen wird häufig übersehen, dass es sich um erhebliche vierstellige Beträge handeln kann, die anfallen. Werden alle zur Verfügung stehenden Finanzmittel für das eigentliche Software-Produkt verplant, kann der Schaden groß sein, sofern durch die Zusatzkosten das Gesamtprojekt in Gefahr gerät. Launch Darunter wird die Inbetriebnahme der Software oder Webseite verstanden. Wichtig ist es, keinen schleichenden Launch zu betreiben, sondern diesen konkret zu terminieren. Das erleichtert die Kommunikation und stellt sicher, dass die frühzeitige Schulung der betroffenen Mitarbeiter und die umfassende Information aller Stakeholder berücksichtigt werden.
2 Interne Kommunikation Ist die interne Kommunikation der Schlüssel zum Erfolg? An kaum ein anderes betriebliches Instrument werden so viele Erwartungen gerichtet wie an die interne Kommunikation: Sie soll Mitarbeiter motivieren, Innovationen befördern und Umsät-
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ze steigern.3 Völlig ungeschminkt wird in der Fachliteratur auch die Realität vorgetragen: Die Potenziale werden nicht hinreichend erkannt, Maßnahmen nicht ergriffen, die interne Kommunikationskultur wird fortlaufend vernachlässigt. Die Gründe hierfür werden in einem fehlenden Managementverständnis, mangelndem strategischen Weitblick oder schlicht in Ignoranz gesehen.4 Es gibt jedoch noch weitere Erklärungen: Führt eine Organisation z. B. eine Mitarbeiterzeitschrift, einen internen Newsletter oder ein Intranet ein, so sind das sehr aufwendige Kommunikationsinstrumente. Aber selbst mit diesen Instrumenten sind nicht alle Neuigkeiten kommuniziert, alle Unternehmensentscheidungen erklärt und alle Mitarbeiter für Veränderungsprozesse gewonnen. So heterogen die Informationen sind, die es zu vermitteln, und die organisatorischen Entwicklungen, die es zu erklären gilt, so heterogen sind auch die internen Kommunikationsinstrumente, die zur Verfügung stehen. Von der Rundmail über die wöchentliche Besprechungsrunde bis zum Corporate TV gibt es eine breite Spanne an Möglichkeiten, die eigenen Mitarbeiter zu erreichen. Hier den richtigen Media-Mix zu finden, adäquat auf jedes Informationsereignis einzugehen und die Mitarbeiter bei ihren Bedürfnissen abzuholen ist keine triviale, sondern eine höchst anspruchsvolle Aufgabe. Dass in der Praxis anlassbezogene Lösungen entwickelt werden, führt manchmal in der Innen- wie auch der Außensicht zu Frustrationen. Es besteht der Wunsch, ein internes Kommunikationskonzept aus einem Guss zu haben und es genauso umzusetzen, was jedoch in der Realität nur selten möglich ist. Was muss also die interne Kommunikation bei der Einführung von IT-Produkten leisten? Interne Kommunikation ist ein wertvolles Instrument bei der Umsetzung des Change-Managements. Drei Aspekte sind dabei besonders relevant: 1. die Änderung des Arbeitsalltags für die betroffenen Mitarbeiter, mit den dazugehörigen Informations- und Abstimmungsprozessen; 2. die Entwicklung der externen Kommunikation hin zu digitalen Kommunikationsinstrumenten, häufig dem Online-Marketing, um Kunden zu erreichen; 3. die Entwicklung und das Angebot von digitalen Produkten und Dienstleistungen für den Kunden.
2.1 Ausrichtung auf das Stakeholder-Management Interne Kommunikation wird hier unter dem Aspekt des Stakeholder-Managements verstanden. Das heißt, sie geht über die reine Weitergabe von Informationen hinaus und dient vielmehr dazu, alle vom Vorhaben Betroffenen zu überzeugen und im
3 Vgl. Herbst 2014, S. 12 ; Führmann, Schmidbauer 2011, S. 10 . 4 Ebd.
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besten Fall dafür zu begeistern, Konflikte aufzufangen, unerwartete Projektänderungen kommunikativ auszusteuern – kurzum, das Projekt intern zu legitimieren und zu seiner erfolgreichen Durchführung beizutragen.5 Die Leitfragen dazu lauten: Was möchte ich vermitteln? Wen möchte ich damit erreichen? Welche Handlung möchte ich damit bei dieser Person bewirken? Bei Digitalisierungsprojekten sind Stakeholder nicht nur die unmittelbaren Anwender, z. B. Datenbank-Sachbearbeiter. Auch der IT-Administrator, die Buchhaltung, die Leitung der Kundenbeziehungen und schließlich auch die Kunden sind betroffen. So gehört es zu einer systematischen Stakeholder-Analyse, in einem ersten Schritt alle betroffenen Personen und Personengruppen aufzulisten und ihren Bezug zum Projekt sowie ihre Bedürfnisse und Erwartungen zu beschreiben.6 Mit entscheidend für das gesamte Projekt ist der zweite Schritt des StakeholderManagements. Relevant ist dabei, die Erwartungen, die die Stakeholder an das Projekt haben, zu erfassen. Im Vordergrund stehen vielfach Kosteneinsparung und Prozessoptimierung. Es sollten jedoch auch (individuelle) Bedürfnisse, wie Prestigesteigerung und berufliches Fortkommen, benannt werden können. Der dritte Schritt des Stakeholder-Managements verlangt durchaus Mut. Hier geht es darum, mögliche Konflikte, die im Projektverlauf entstehen können, zu antizipieren. Fühlen sich z. B. die älteren Mitarbeiter von neuer Software überfordert? Sieht der Datenschutzbeauftragte durch das Newsletter-Tool, das die Daten z. B. im Ausland hostet, eine Gefahr hinsichtlich des Datenschutzes und der Rechtssicherheit? Ist die Buchhaltung schon im Vorfeld der Umstellung auf die neue Software skeptisch, weil die Zuordnung zu den Kostenstellen schwer umsetzbar erscheint?
2.2 Die interne Kommunikation im praktischen Einsatz Im Stakeholder-Management entfaltet die interne Kommunikation ihre Kraft: Bereits vor dem Entstehen von Konflikten sollten Präventivmaßnahmen von der Projektleitung festgelegt werden. So sollten z. B. Mitarbeiter in die Konzeption der vorgesehenen Schulungen mit einbezogen werden, um diese wirkungsvoller gestalten zu können und glaubhaft zu demonstrieren, dass alle Mitarbeiter bei dem Projekt „mitgenommen werden“. In gemeinsamen Workshops können dann z. B. mit dem Datenschutzbeauftragten und der Buchhaltung Anforderungen konkret formuliert und Spielräume bei der Umsetzung verhandelt werden. Nicht zuletzt kann dem Vorstand
5 S. hierzu die Begriffsbestimmung der internen Kommunikation bei Schade, Frauke: Praxishandbuch Digitale Bibliotheksdienstleistungen. Strategie und Technik der Markenkommunikation. Unter Mitarbeit von Johannes Neuer. Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2016, S. 203 . 6 Eine ausführliche Beschreibung der Stakeholder-Analyse im Kontext digitaler Projekte findet sich in Hermann, Kristina: Stakeholder-Analyse bei digitalen Projekten. In: Fundraiser-Magazin 2017, H. 5, S. 60–61.
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durch ein durchdachtes Reporting-System mit gezielt gesetzten Interventionsmöglichkeiten die Angst vor dem Wandel genommen werden.
2.3 Umgang mit Widerstand – Stakeholder-Management mit Maßnahmen der internen Kommunikation Interne Kommunikation ist in diesem Kontext vielfach Konfliktmanagement und -kommunikation. Um diese gut vorzubereiten und auszusteuern, hilft es, alle bereits in der Stakeholder-Analyse erfassten Betroffenen in die vier bekannten Change-Typen einzuteilen (s. Abb. 2):
Hohes Kontrollbedürfnis Aktives Verhalten
Niedriges Kontrollbedürfnis Passives Verhalten
Positive Beurteilung der Veränderung
Treiber
Bereitwillige Zuschauer
Negative Beurteilung der Veränderung
Behinderer
Missmutig Abwartende
Abb. 2: Die vier Change-Typen7
Entgegen einer naheliegenden Vermutung sind es nicht nur die Verweigerer und die missmutig Abwartenden, mit denen Konflikte entstehen können. Gerade bei den Treibern kann es zu Unmut kommen, wenn das Projekt nicht schnell genug vorankommt; die sogenannten bereitwilligen Zuschauer blockieren, weil es zu einer für sie unerwarteten Projektänderung kommt.8 Insofern eignen sich die folgenden Anregungen für alle vier Gruppen: 7 Eigene Darstellung nach Kraus et al. 2010, S. 55. 8 Eine detaillierte Auflistung der Bedürfnisse, mit denen Veränderungsprozesse kollidieren können, und praxisnahe Vorschläge finden sich bei Doppler, Klaus; Lauterburg, Christoph: Change-Management. Den Unternehmenswandel gestalten. Frankfurt a. M.: Campus, 2008, S. 336–349.
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Verständliche Ziele formulieren: Die oben beschriebene SMART-Methode kann sehr hilfreich sein. Die einzelnen Kriterien lassen sich in Besprechungen oder Newslettern gut vermitteln. Darüber hinaus sollte in der internen Kommunikation der Nutzen für die Mitarbeiter in den Vordergrund gestellt werden: Wer profitiert von Kosteneinsparungen? Und was bedeuten veränderte Prozesse für den Arbeitsalltag eines jeden Einzelnen?9 Vorgesetzte und Mitarbeiter in Arbeitsgruppen einbeziehen: Sich vom Team beraten zu lassen, aber selbst die Entscheidung zu fällen und nicht die Gruppe entscheiden zu lassen, ist hier die geeignete Vorgehensweise. So können sich Chefs und Kollegen produktiv in Arbeitsgruppen einbringen, ohne mit ihren Vorschlägen das Projekt zu sprengen. Ehrlich sein bei noch unbeantworteten Fragen: Verblüffend verständnisvoll reagieren Mitarbeiter, wenn man noch unbeantwortete Fragen offen thematisiert, zum Beispiel, wenn man noch nicht weiß, wer eine bestimmte Schnittstelle programmieren oder die umfangreiche Datenbereinigung durchführen soll. Ausweichende Antworten und beschönigende Prognosen werden hingegen mit Widerstand gegen das Projekt abgestraft.
Diese Beispiele unterstreichen, dass interne Kommunikation nicht nur bedeutet zu informieren, sondern konkret miteinander in Kontakt zu kommen, einander ernst zu nehmen und gemeinsam Lösungen zu suchen. Ebenfalls kein „Nice-to-have“, sondern ein „Must-have“; ist das Feiern der Inbetriebnahme des neuen Programms oder der neuen Webseite. Der große Vorlauf, die vielen Arbeitsstunden, ja die ganzen Nerven und der Kraftaufwand haben einen Festakt mindestens mit Sekt und Kuchen verdient.
Fazit Entgegen einer landläufigen Meinung10 haben Menschen durchaus Lust auf Veränderungen. Damit sich diese Lust bei Digitalisierungsprojekten nicht in Unmut wandelt, lohnt es, Zeit in die Vorbereitung zu investieren.11 Dazu gehört nicht nur die klassische Projektplanung, sondern vor allem das Bewusstwerden, dass die Einführung eines
9 An dieser Stelle kann Storytelling die Wirksamkeit der Botschaft deutlich steigern. Für Anregungen dazu s. Herbst, Dieter Georg: Rede mit mir. Warum interne Kommunikation für Mitarbeitende so wichtig ist und wie sie funktionieren könnte. Berlin: School for Communications and Management, 2014, S. 239–264. 10 Diese Position findet sich ausführlich bei Koch, Axel: Change me am Arsch. Wie Unternehmen ihre Mitarbeiter und sich selbst kaputtverändern. Berlin: Econ, 2018. 11 Für eine schnelle Einführung sei empfohlen: Drathen, Heiner; Trölenberg, Helga: Crashkurs ITProjektleitung. Soft Skills, Kommunikation und Führung in IT-Projekten. Freiburg: Haufe-Lexware, 2017.
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Kristina Hermann
neuen IT-Produkts einen erheblichen Veränderungsprozess für jede Organisation, für jede Firma bedeutet. Mit diesem Beitrag soll eine Lanze für die Instrumente der Stakeholder-Analyse, mit der konkrete, detaillierte Lösungen für das Konfliktmanagement entwickelt werden können, und das große Maßnahmenportfolio der internen Kommunikation gebrochen werden.
Literatur Führmann, Ulrike; Schmidbauer, Klaus: Wie kommt System in die interne Kommunikation? Ein Wegweiser für die Praxis. Berlin: Talpa, 2011. Herbst, Dieter Georg: Rede mit mir. Warum interne Kommunikation für Mitarbeitende so wichtig ist und wie sie funktionieren könnte. 2. Auflage. Berlin: School for Communication and Management, 2014. Kraus, Georg; Becker-Kolle, Christel; Fischer, Thomas: Change-Management. Gründe, Ablauf und Steuerung. Berlin: Cornelson, 2010.
Ivonne Preusser
Design Thinking: Agilität und Nutzer im Fokus der Arbeitswelt 4.0 Abstract: Unternehmen stehen in Zeiten der Digitalisierung und der Arbeitswelt 4.0 vor neuen Herausforderungen und müssen in kürzester Zeit Veränderungen bewältigen und Chancen ergreifen können. Dabei wird erwartet, dass sie Innovationen vorantreiben, Kunden binden und gewinnen sowie die Potenziale neuer Arbeitsweisen erkennen und nutzen. In diesem Beitrag werden hierzu zunächst Hintergründe und Entwicklungen in den Bereichen Management, Innovation und Arbeitswelt 4.0 – wie etwa der Wandel von der produkt- hin zur kundenzentrierten Unternehmensführung und die Relevanz der Nutzerintegration in Innovationsprozesse – angeführt, die Unternehmen herausfordern, Agilität zu fördern und Kunden in den Fokus zu rücken. Vor diesem Hintergrund gewinnen kundenzentrierte Managementansätze wie Customer Centricity und Innovationsmethoden wie Design Thinking, deren Vorgehensweise durch eine konsequente Nutzerorientierung gekennzeichnet ist, in der Unternehmenspraxis immer weiter an Bedeutung. Den Schwerpunkt des Beitrags bildet daher Design Thinking mit der Beschreibung der grundlegenden Arbeits- und Denkweisen in einem nutzerzentrierten Prozess: Es werden die zentralen Elemente und Prinzipien sowie Phasen in einem Design-Thinking-Vorgehensmodell dargestellt. Darüber hinaus werden ein DesignThinking-Prozess und die einzelnen Phasen am Praxisbeispiel eines eintägigen Design-Thinking-Workshops näher erläutert. Hierzu wird eine Auswahl an Methoden vorgestellt, die entlang der Phasen des Design-Thinking-Prozesses praxisnah beschrieben und mit Aufgabenbeispielen aus dem Workshop veranschaulicht werden.
Einleitung There is only one valid definition of business purpose: to create a customer. [...] It is the customer who determines what the business is. Peter F. Drucker1
Digitalisierung, Innovations- und Wettbewerbsdruck sowie eine neue, einflussnehmende Rolle der Kunden sind Faktoren, die die heutige Arbeitswelt massiv prägen
1 Drucker 1954, S. 37.
https://doi.org/10.1515/9783110539011-010
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und zu tiefgreifenden Veränderungen des Marktgeschehens führen.2 Unternehmen sind daher mehr denn je gefordert, die Kunden stärker in den Mittelpunkt des unternehmerischen Handelns zu stellen. Aus Forschung und Praxis gilt eine Ausrichtung auf den Kunden und dessen Bedürfnisse zunehmend als Erfolgsfaktor im Wettbewerb.3 Vor diesem Hintergrund gewinnen kundenzentrierte Managementansätze wie Customer Centricity und Vorgehensweisen wie Design Thinking, die die Bedürfnisse der Kunden ins Zentrum stellen, in der Unternehmenspraxis und in der Forschung an Bedeutung. Design Thinking wurde ursprünglich als Innovationsmethode für Produkte und Services an der Universität Stanford entwickelt und hat Unternehmen aus dem Silicon Valley, wie Google, Apple oder Tesla, geprägt. Inzwischen nehmen Methoden des Design Thinking eine zentrale Rolle in der Arbeitsweise erfolgreicher Innovatoren ein.
1 Hintergrund: Unternehmenswandel – Kunden im Fokus Im Folgenden werden Hintergründe und Entwicklungen in den Bereichen Management, Innovation und Arbeitswelt 4.0 angeführt, die Unternehmen vor die Herausforderung stellen, Nutzer und Kunden in den Fokus zu rücken und Agilität zu fördern.
1.1 Management: Wandel von der produkt- hin zur kundenzentrierten Unternehmensführung Das Verhalten der Kunden und deren Bedürfnisse zu verstehen, ist zu einem zentralen Wettbewerbsfaktor für Unternehmen im heutigen Wirtschaftsumfeld geworden. Erkenntnisse über eine kundenzentrierte Unternehmensführung – Customer Centricity – sowie über Interaktionen von Kunden und Mitarbeitern4 gewinnen daher zunehmend an Relevanz. Nicht nur vor dem Hintergrund von steigendem Innovationsdruck und digitalem Wandel, sondern auch durch ein neues Rollenverständnis von Kunden – Customer Empowerment – wird eine stärkere Kundenorientierung zur zentralen Zielgröße für Unternehmen. In den letzten Jahren hat daher eine Ausrichtung auf die Kundenbedürfnisse – Customer Centricity – verstärkte Aufmerksamkeit von Wissenschaft und
2 Vgl. Preusser, Bruch 2014; PwC 2016. 3 Vgl. Bruhn 2016; Gulati 2010; Hinterhuber, Matzler 2009; IBM 2013; Shah et al. 2006. 4 Vgl. u. a. Brown, Brown 2014; Preusser 2017; Schögel, Herhausen 2012.
Design Thinking: Agilität und Nutzer im Fokus der Arbeitswelt 4.0
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Praxis erfahren. So steht etwa bei Audi die Mission „Wir begeistern Kunden weltweit“ im Mittelpunkt der „Strategie 2020“,5 bei der Deutschen Telekom bestimmt die Leitlinie „Customer delight and simplicity drive our action“ das Handeln aller Mitarbeiter konzernweit,6 und auch die Allianz stellt zukünftig „True Customer Centricity“ ins Zentrum der neuen Strategie. Mit „Make superior customer experience the top priority for all our actions“ setzt sich die Unternehmensgruppe ein konsequent kundenorientiertes Ziel.7 Auch internationale Studien zeigen seit Längerem diese Entwicklung auf und weisen auf den steigenden Stellenwert einer Kundenfokussierung aus Unternehmenssicht hin: Weltweit befragt, nennen über 1 500 Topmanager aus 60 Ländern die Kundennähe als höchste Priorität (88 Prozent) ihrer strategischen Ausrichtung und Ziel der nahen Zukunft – deutlich vor dem Umsatz (51 Prozent).8 Diese Ergebnisse werden auch in einer weiteren aktuellen Studie bestätigt: Für 90 Prozent der befragten Führungskräfte in 83 Ländern hat die Bindung der Kunden die stärkste Auswirkung auf die Unternehmensstrategie.9 Obgleich jedoch die Notwendigkeit und Relevanz vielfach betont wird, erscheint die Realisierung einer spürbaren Ausrichtung auf den Kunden in der Unternehmenspraxis schwierig.10 Studien der letzten Jahre zeichnen ein fast gleichbleibendes Bild: 80 Prozent der Unternehmen geben an, einzigartige Kundenerlebnisse zu bieten, aber nur acht Prozent der Kunden teilen diese Ansicht.11 Einer weiteren Studie zufolge behaupten 91 Prozent der Unternehmen, einen starken Kundenfokus zu besitzen – nur zehn Prozent der Kunden stimmen dem jedoch zu.12
1.2 Innovation: Relevanz nutzerzentrierter Entwicklungen Auch im Hinblick auf die Innovationsfähigkeit von Unternehmen wird eine Ausrichtung an den Bedürfnissen der Kunden zunehmend bedeutsam. So gilt eine fehlende Kundenorientierung als einer der Hauptgründe für das Scheitern von Innovationen.13 Denn obgleich die zunehmende Digitalisierung des Alltags etwa durch Apps, Clouds oder das Internet of Things (IoT) wachsendes Innovationspotenzial für Unternehmen bietet, scheitern technische Innovationen häufig am fehlenden Bedarf der
5 Vgl. Audi AG 2016. 6 Vgl. Deutsche Telekom AG 2018. 7 Vgl. Allianz 2018. 8 Vgl. IBM 2010. 9 Vgl. PwC 2016. 10 Vgl. u. a. Schögel, Herhausen 2011; Gulati 2007; Freudenthaler-Mayrhofer, Sposato 2017. 11 Vgl. Allen et al. 2005, S. 3. 12 Vgl. Brown, Brown 2014. 13 Vgl. Reichwald et al. 2007; Schallmo 2017.
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Kunden oder an geringer Usability bei der Anwendung.14 Studien zeigen hierzu jedoch beispielsweise auf, dass die Einbindung von Kunden in die Produktentwicklung den Erfolg eines Produkts positiv beeinflusst und ferner eine frühzeitige Integration von Kunden und Nutzern in den Entwicklungsprozess den Innovationserfolg steigern kann.15
1.3 Arbeitswelt 4.0: Agilität, Kollaboration und flexiblere Arbeitsformen Digitalisierung16, Innovationsdruck, Wirtschaftswandel und das neue Rollenverständnis der Kunden bestimmen nicht nur das heutige Wirtschaftsumfeld von Unternehmen in einer global vernetzten Welt, sondern führen auch zu tiefgreifenden Veränderungen der Arbeitswelt (New Work, Arbeit 4.0). So bringen diese Entwicklungen komplexere Probleme und neuartige Fragestellungen hervor, für deren Lösung in Unternehmen zunehmend multidisziplinäre Teams in temporären Projekten benötigt werden. Fundiertes Fachwissen ist daher nicht mehr alleiniger Garant für erfolgreiches Handeln: Teamfähigkeit, Kommunikations- und Problemlösefähigkeiten sowie interdisziplinäres, vernetztes Denken und innovative Lösungsstrategien gewinnen an Relevanz und erfordern in Unternehmen zunehmend dynamischere Vorgehensweisen, die von bisherigen linearen Planungen („Wasserfall-Modell“17) abweichen und flexiblere Formen der Projektbearbeitung sowie iterative Arbeitsprozesse ermöglichen. Solche flexiblen und adaptiven Arbeitsformen prägen unter dem Begriff der Agilität18 die aktuelle und zukünftige Arbeitswelt, wo agile Methoden (z. B. Scrum,
14 Vgl. den Beitrag „Usability und User Experience von Informationsdienstleistungen“ von Ulrike Spree in diesem Handbuch. 15 Vgl. Freudenthaler-Mayrhofer, Sposato 2017; Brenner, Uebernickel 2016. Vgl. dazu auch den Beitrag „Open Innovation und Crowdsourcing: Das Management von Offenheit“ von Ursula Georgy in diesem Handbuch. 16 Digitalisierung verweist hierbei auf die mit der zunehmenden Nutzung und Verbreitung digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien einhergehenden Veränderungen in Wirtschafts- und Arbeitswelt. Die digitale Transformation beschreibt daher einen grundlegenden Wandel von Prozessen, Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen aufgrund von technologischen Entwicklungen, der auch mit steigender Automatisierung einhergeht („Industrie 4.0“). 17 Dieses Modell wird vor allem in hierarchisch strukturierten Unternehmen eingesetzt. Projekte werden linear und nicht iterativ geplant und durchgeführt. Die Spezifikation des Projektes erfolgt bindend zu Beginn. 18 Agilität beschreibt zunächst die Fähigkeit, flexibel, proaktiv und anpassungsfähig zu agieren. Mit Blick auf eine agile Organisation kann Agilität als die Fähigkeit eines Unternehmens verstanden werden, sich kontinuierlich an seine komplexe, dynamische und unsichere Umwelt anzupassen (beispielsweise die Organisationsform (netzwerkartig statt hierarchisch) beweglich zu gestalten oder iterative Arbeitsmethoden zu implementieren, die Veränderungen schneller berücksichtigen).
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Kanban, Lean Startup) bei Produktentwicklung und Projektmanagement zunehmend gefordert sind. Dies setzt jedoch erweiterte Kompetenzen, neue Denkweisen und flexible Prozesse voraus, um sich schnell auf sich verändernde Kundenbedürfnisse und Marktanforderungen einstellen zu können.19 Mit Blick auf die dargestellten Herausforderungen haben in den letzten Jahren kundenzentrierte Managementansätze und Vorgehensweisen wie Design Thinking an Bedeutung gewonnen. Design Thinking ist eine systematische Herangehensweise an komplexe Fragestellungen. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen dabei die Bedürfnisse der Kunden und Nutzer. Mit dem Ziel, neue und innovative Lösungen zu entwickeln, verbindet Design Thinking einen strukturierten Prozess und bewährte Methoden verschiedener Disziplinen20 mit multidisziplinärer Teamarbeit. Damit lassen sich innovative Ideen entwickeln und beurteilen, Kunden- und Nutzerbedürfnisse ermitteln oder Lösungsansätze für komplexe Probleme aus allen Arbeits- und Lebensbereichen finden. Darüber hinaus vereint Design Thinking unter anderem die Denkweise von Designern mit Methoden aus dem Bereich der empirischen Forschung. So gehören etwa die Erforschung von Konsumenten- und Nutzerbedürfnissen, die Entwicklung kundenorientierter Produkte sowie auch das Testen von Konzepten und Prototypen bei den Zielgruppen zum Methodenspektrum der Marktforschung.
2 Grundlagen des Design Thinking: Elemente, Prinzipien und Prozess Im Folgenden werden die zentralen Elemente und Prinzipien sowie das Vorgehen im Design Thinking dargestellt. Kernelement: Mensch als Ausgangspunkt Das zentrale Element, das Grundhaltung und Aktivitäten von Design Thinking prägt, ist Human Centered Design: Menschen und die Erkenntnisse über ihre Bedürfnisse stellen den Ausgangspunkt für Lösungen dar – „The Human Rules“21, die nicht nur attraktiv, sondern auch realisierbar und marktfähig sind. Ideen werden in Prototypen zu greifbaren Lösungen umgewandelt, die auf folgenden Komponenten basieren: (menschliche) Erwünschtheit, (technologische) Machbarkeit und (wirtschaftliche) Tragfähigkeit.22 Der Ansatz des Design Thinking kann daher verstanden werden als
19 20 21 22
Vgl. Vonhof 2016, S. 190 f. Vgl. Protostart 2017a. Meinel, Leifer 2015. Vgl. Hasso-Plattner-Institut 2018a.
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[…] a discipline that uses the designer’s sensibility and methods to match people’s needs with what is technologically feasible and what a viable business strategy can convert into customer value and market opportunity.23
Vorgehen: iterativer Prozess Ein Design-Thinking-Prozess besteht aus mehreren Phasen, in denen man sich schrittweise an die Lösung annähert: Verstehen, Beobachten, Sichtweise definieren, Ideen generieren, Prototypen erstellen und testen. Der Prozess ist nicht linear und iterativ. Den Startpunkt für jedes Design-Thinking-Projekt bildet zunächst das Verstehen des Problems, nach dem Prinzip „Echtes Problemverständnis kommt vor der Problemlösung“. Ein iteratives Vorgehen im Design-Thinking-Prozess ermöglicht, flexibel zwischen den einzelnen Phasen zu wechseln und auch bereits durchlaufene Schritte zu wiederholen.24 Durch diese zirkulären Lernprozesse können Ideen weiterentwickelt und verbessert werden.
Verstehen
Beobachten
Sichtweise definieren
Ideen finden
Prototypen entwickeln
Testen
Abb. 1: Design-Thinking-Prozess: Vorgehensmodell nach dem Hasso-Plattner-Institut25
Denk- und Arbeitsweise Ein Wechsel aus divergentem und konvergentem Denken26 prägt den Prozess. So gilt es u. a. bei der Exploration des Problems und der Ideengenerierung die Variationsbreite zu erfassen (divergent, öffnend); bei der Synthese und beim Prototyping geht es um die Konkretisierung von Ergebnissen (konvergent, fokussierend). In divergierenden Phasen gilt es daher, methodisch gestützt den Ideenraum zu einer Problemstellung zu erweitern und einen „Blick über den Tellerrand“ zu gewinnen. In konver
23 Brown 2009, S. 86. 24 Vgl. Hasso-Plattner-Institut, HPI School of Design Thinking 2018a. 25 Eigene Darstellung in Anlehnung an Hasso-Plattner-Institut, HPI School of Design Thinking 2018b. 26 Divergent = öffnend; Ausweitung des Blickfeldes, um die Anzahl der Informationen, Perspektiven und Ideen zu erhöhen; entdeckungsfreudig, um auch unkonventionelle Möglichkeiten zu finden. Konvergent = zusammenführend; Analyse und Synthese der generierten Informationen und Ideen; rational-logisches, lineares Denken (s. auch die Erläuterung zum Modell des „doppelten Diamanten“).
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gierenden Phasen hingegen werden die Erkenntnisse der divergierenden Phasen ausgewertet und konkretisiert. Angestrebt wird insgesamt eine Balance aus analytischem und intuitivem (non-linearem) Denken, sodass Lösungen nicht nur valide, sondern auch zuverlässig sind.27 Weitere Prinzipien, die die Arbeits- und Denkweise des Design Thinking kennzeichnen, sind:28 – das Zulassen von Fehlern und das Lernen aus Fehlern („fail early, fail often“; „fail forward“); – der Bau von Prototypen, um Lösungen frühzeitig ausprobieren zu können („make it tangible“); – das direkte Testen und Validieren durch Kunden und Nutzer; – das iterative Vorgehen im Prozess, um die Lösung ständig weiterzuentwickeln („lernend nach vorne gehen“); – die Arbeit in einem kreativen Arbeitsumfeld mit passenden Räumen und den richtigen Materialien. Heterogenes Team und interdisziplinäre Kollaboration Ein Design-Thinking-Team wird mit Personen aus unterschiedlichen Disziplinen bzw. Fachrichtungen gebildet und bringt kollaborativ Know-how und Erfahrungen aus verschiedenen Bereichen ein, um von unterschiedlichen Sichtweisen und Strategien zu profitieren und neue Perspektiven zu schaffen (Prinzip „Multidisziplinarität/Diversität“).29 Nutzerzentrierung und Prozessintegration Der nutzerzentrierten Vorgehensweise im Design Thinking wird – insbesondere im Hinblick auf die Innovationsfähigkeit von Unternehmen – eine hohe Relevanz zugeschrieben: Die Ausrichtung an den Bedürfnissen der Nutzer (user-driven approach) gilt zunehmend als bedeutsamer Faktor, um möglichen Fehlentwicklungen schon frühzeitig begegnen zu können (s. Kap. 1.2). Essenziell bei Design Thinking ist, Kunden frühzeitig in den Design-ThinkingProzess einzubinden. Der potenzielle Kunde kann schon in relativ frühen Konzeptionsstadien den Prototypen ausprobieren und seine Meinung rückmelden sowie eventuelle Probleme bei der Nutzung sichtbar machen, was wiederum sehr wertvolle Informationen für die Weiterentwicklung geben und das Floprisiko reduzieren kann.30
27 28 29 30
Vgl. Freudenthaler-Mayrhofer, Sposato 2017, S. 37. Vgl. u. a. Brenner et al. 2016; Kerguenne et al. 2017. Vgl. u. a. Gürtler, Meyer 2013, S. 77 ; Uebernickel, Brenner 2016. Vgl. u. a. Schallmo 2017.
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Nachfolgend werden der Design-Thinking-Prozess und die einzelnen Phasen am Praxisbeispiel eines eintägigen Design-Thinking-Workshops näher erläutert sowie konkrete Beispiele angeführt.
3 Praxisbeispiel: Design-Thinking-Workshop Für die Umsetzung von Design Thinking steht generell ein breites Methodenspektrum zur Verfügung. Auf die jeweilige Fragestellung und den spezifischen Anwendungsbereich zugeschnitten können für die einzelnen Phasen eines Design-Thinking-Prozesses unterschiedliche Techniken und Methoden eingesetzt werden. In diesem Kapitel wird am Beispiel eines an der TH Köln durchgeführten eintägigen Workshops die Vorgehensweise von Design Thinking erläutert.
3.1 Design-Thinking-Workshop an der TH Köln Im Juli 2017 fanden sich an der TH Köln 35 Teilnehmer aus Praxis und Hochschule zusammen, um die Arbeitsweise des Design Thinking kennenzulernen.31 Der DesignThinking-Workshop wurde in Zusammenarbeit mit der Design-Thinking-Agentur Protostart GmbH und dem Institut für Informationswissenschaft durchgeführt. Ziel des eintägigen Workshops war es, das Vorgehen und die Methoden praxisnah zu vermitteln und an nur einem Tag einfache Lösungen für komplexe Fragen zu finden. Während dieses interdisziplinären Workshops erlebten die Teilnehmer daher selbst die Phasen eines Design-Thinking-Prozesses und entwickelten eigene Lösungen zu realen Fragestellungen. Aufgeteilt in fünf heterogene Teams durchliefen sie – in einem Wechsel von methodischen Inputs und intensiver Teamarbeit – die Stufen des Design-Thinking-Prozesses und wendeten verschiedene praktische Methoden und Werkzeuge der jeweiligen Phase an. Die Aufgabenstellungen, zu denen die jeweiligen Teams innerhalb eines Tages neue Ideen und Prototypen entwickelten, waren: – Gestalte ein Parksystem für Menschen in überfüllten Innenstädten. – Gestalte etwas, was Menschen dabei hilft, die Zeit im öffentlichen Nahverkehr sinnvoll zu nutzen. – Gestalte eine digitale Lernumgebung, die Studierenden und Dozenten das Leben erleichtert. – Gestalte etwas, was Menschen die erste Woche im neuen Job erleichtert.
31 S. auch den Blogartikel von Protostart zum Design-Thinking-Prozess unter http://www.protostart. de/design-thinking und den Videobeitrag „Design Thinking-Workshop TH Köln 1. Juli 2017“ unter https://youtu.be/vTPllUrAA5I (Abruf: 2018.03.05).
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–
Gestalte etwas, was Unternehmen ermöglicht, in Zeiten des Fachkräftemangels dringend benötigte Mitarbeiter zu finden.
Im Folgenden werden anhand konkreter Beispiele aus den Teamarbeiten die einzelnen Phasen des Prozesses sowie die Methoden vorgestellt und veranschaulicht.32
3.2 Ablauf eines Design-Thinking-Workshops: Phasen und Methoden Nachfolgend wird eine Auswahl an Methoden vorgestellt, die im Rahmen des eintägigen Design-Thinking-Workshops eingesetzt wurden. Sie werden entlang der sechs Phasen eines Design-Thinking-Prozesses beschrieben.
Verständnis
Erkundung
Synthese
Ideen
Prototyp
Test
Abb. 2: Sechsstufiger Design-Thinking-Prozess mit divergenten und konvergenten Phasen33
32 Weiterführende Literatur zu Design Thinking und den eingesetzten Methoden, sowohl einführend als auch vertiefend, bieten neben dem Methodenreader zum Design Thinking aus den WorkshopUnterlagen von Protostart auch: Bleuel, Flavia; Weinreich, Uwe; Puget, Annabelle: CoObeya Innovation Toolkit. Ein Werkzeugkasten für agile Innovation und Transformation. 2018: https://coobeya.net/ download/innovationcards_basic_de.pdf (Abruf: 2018.03.05); Freudenthaler-Mayrhofer, Daniela; Sposato, Teresa: Corporate Design Thinking. Wiesbaden: Springer Gabler, 2017; Kerguenne, Annie; Schaefer, Hedi; Taherivand, Abraham: Design Thinking – die agile Innovations-Strategie. Freiburg i. Br.: Haufe Lexware, 2017; Lewrick, Michael; Link, Patrick; Leifer, Larry (Hrsg.): Das Design Thinking Playbook. Mit traditionellen, aktuellen und zukünftigen Erfolgsfaktoren. München: Vahlen, 2017; Schallmo, Daniel R. A.: Design Thinking erfolgreich anwenden. So entwickeln Sie in 7 Phasen kundenorientierte Produkte und Dienstleistungen. Wiesbaden: Springer Fachmedien, 2017; Uebernickel, Falk; Brenner, Walter; Naef, Therese; Pukall, Britta; Schindlholzer, Bernhard: Design Thinking: Das Handbuch. Frankfurt a. M.: Frankfurter Allgemeine Buch, 2015. 33 Eigene Darstellung in Anlehnung an Protostart 2017a. Der Prozessverlauf integriert ein sog. „Double Diamond“-Modell (s. auch British Design Council: https://www.designcouncil.org.uk/newsopinion/design-process-what-double-diamond, Abruf: 2018.03.05): Die zwei „Diamanten“ stehen für zwei Bereiche, in denen jeweils zunächst öffnende, divergierende Techniken bei der Erkundung und
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3.2.1 Erste Phase: Verstehen – ein gemeinsames Verständnis der Fragestellung entwickeln (Challenge) In der ersten Phase des Design-Thinking-Prozesses beschäftigt man sich intensiv damit, ein Verständnis der zugrunde liegenden Fragestellung und der Nutzer zu entwickeln. Anhand verschiedener Methoden erschließt sich das Team die Fragen: – Was ist die Aufgabenstellung? – Welche Nutzergruppen betrifft sie? – In welchen Kontext ist sie eingebettet (Problemfeld)? Semantische Analyse Um ein erstes gemeinsames Verständnis von der Aufgabenstellung zu erhalten, starten die Teams jeweils mit einer sogenannten semantischen Analyse. Hierbei wird die Fragestellung Wort für Wort analysiert und unterschiedliche Auffassungen sowie Assoziationen der Teammitglieder werden mittels Brainstorming generiert, um ein einheitliches Verständnis und einen gemeinsamen Wissensstand im Team zu erreichen. Charette Die Analyse von Nutzern, Kontexten und Problemen liefert einen Überblick über mögliche Nutzer und Stakeholder sowie deren Bedürfnisse. Brainstorming zu der Frage, wer die möglichen Nutzer sind, öffnet den Blickwinkel auf mögliche Nutzer, deren Bedürfnisse und Probleme, die an einer Wand zunächst gesammelt werden. Als Struktur dient eine Tabelle mit drei Spalten (Nutzer, Problem, Kontext), die mit Informationen gefüllt werden: Das Team beginnt zuerst mit Überlegungen zu möglichen Nutzern und deren Situation und befüllt die erste Spalte. Anschließend wird ein Nutzer ausgewählt und die (vermuteten) Bedürfnisse dieses Nutzers werden in der zweiten Spalte aufgelistet. Danach werden in der dritten Spalte Überlegungen zum Kontext gesammelt, d. h. dazu, was hinter den Bedürfnissen/Problemen liegen könnte. Im Anschluss beginnt das Team wieder bei der ersten Spalte, wählt einen neuen Nutzer aus und notiert die jeweiligen Überlegungen. Diese gesammelten Informationen werden danach diskutiert und nach ähnlichen Bedürfnissen gruppiert. Diese Gruppierung ermöglicht es, erste Hypothesen aufzustellen und einzelne Nutzergruppen zu identifizieren.
Ideensammlung angewendet werden und dann zusammenlaufend, konvergierend gearbeitet wird, um durch Selektieren/Priorisieren den Problem- und Lösungsraum einzugrenzen.
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Extremnutzer-Map Eine Analyse der Extremnutzer deckt Intentionen und Interessen verschiedener Kundensegmente und deren jeweiligen Nutzungskontext auf. Bei dieser Methode werden verschiedene Nutzer anhand ihrer Nutzungsintensität auf einem Kontinuum von „nutzt nie“ bis „Extremnutzer“ angeordnet und die jeweiligen Besonderheiten diskutiert. Hiermit wird der Blickwinkel nochmals erweitert und die gesamte Breite der Nutzersegmente aufgespannt. Darüber hinaus kann dieses Mapping helfen, typische Nutzer in der Mitte zu finden und Nischen zu identifizieren. In dieser ersten Phase wird bereits der Human-Centered-Ansatz im Design Thinking deutlich, da die Teams die Annäherung an den Problemkontext aus der Sicht des Nutzers vornehmen. So überlegte etwa ein Team, welche unterschiedlichen Gruppen eine digitale Lernplattform nutzen und welche individuellen Motive, Bedürfnisse und Hindernisse damit verbunden sein könnten. Hierbei wurde für die Teams auch das Potenzial einer heterogenen und interdisziplinären Teamzusammensetzung konkret erfahrbar, da die Ansichten der einzelnen Mitglieder je nach Alter, beruflichem Hintergrund und Erfahrungen, aber auch nach der jeweiligen Lebenssituation stark variierten. Dieser vielschichtige Austausch erweiterte das allgemeine Verständnis in den Teams und half dabei, eine Map von Extremnutzern sowie deren Nutzungszusammenhängen aufzustellen. So wurden erste Blickwinkel darauf eröffnet, welche Anforderungen die verschiedenen Nutzersegmente – wie etwa betreuungssuchende oder spielerisch orientierte Studierende (Gamification) oder usabilitybezogene Dozenten – an Lernplattformen im Bildungsbereich haben könnten. Research Planning Das Research Planning stellt den Übergang zwischen der ersten und der zweiten Phase dar. Hierbei wird eine Struktur entwickelt und die Herangehensweise geplant, die in der Folgephase gezielt genutzt wird, um potenzielle Nutzergruppen zu beobachten. In der nachfolgenden Erkundungsphase (s. Abb. 2) ist es daher für die Teams bedeutsam, den Nutzer nicht nur zu verstehen, sondern sich auch mit qualitativen Vorgehensweisen bestmöglich in ihn hineinversetzen zu können. Hierfür bieten sich im Rahmen eines eintägigen Workshops34 qualitative Interviews mit Nutzern vor Ort an. Zur Vorbereitung auf die Gespräche werden in den Teams Grundstruktur und Phasen eines Interviews erläutert sowie Hilfestellungen zur Formulierung von Fragen besprochen. Hieran orientiert erarbeiten die Gruppen einen Leitfaden und entwickeln erste Fragestellungen zum jeweiligen Themenbereich.
34 In zeitlich umfänglicheren Design-Thinking-Projekten werden ein breites Spektrum an Forschungsmethoden sowie weitere Datengrundlagen wie Marktinformationen und Kundendaten genutzt (z. B. Markt-/Kundensegmentierungen, Trendanalysen, Customer Journey, Contextual Maps, (N)Ethnografie).
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Für die Durchführung bilden sich in den Gruppen jeweils Zweierteams, sodass sich eine Person auf die Gesprächsführung konzentrieren kann, während der Partner intensiver beobachten und sich Notizen machen kann. Phasen und Ablauf eines Interviews (s. Abb. 3) Einstieg: Ansprache und Vertrauensaufbau – kurze Vorstellung (Person, Thema); – Einstiegsfrage.
Exploration: Vertiefung und aktives Zuhören – Themenfeld aufspannen und eintauchen; – nach Geschichten/Erlebnissen fragen; – Emotionen wahrnehmen; – vertiefende Fragen stellen (dig deeper). Ausklang: Reflexion und Verabschiedung – zusammenfassen und nachfragen; – Rückfragen zulassen; – bedanken und verabschieden. Entwicklung von Fragen Offene Fragen formulieren (wie, warum/weshalb, was ...?), zum Beispiel: – Wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt mit/zu XX? – Was war das (positiv/negativ) prägendste Erlebnis mit XX? (Emotionen) – Was war ein gutes/schlechtes Erlebnis? (Kriterien, interessante Details) – Was hätte geholfen, wie hätte eine ideale Lösung aussehen können? – …
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Abb. 3: Übersicht und Struktur eines Interviews – Beispiel aus dem Workshop35
Zusammenfassung In der ersten Phase gilt es zunächst, ein einheitliches Verständnis von der Aufgabenstellung (Challenge) und einen gemeinsamen Wissensstand im Team zu erlangen. Hierzu wird erarbeitet, wen diese Fragestellung betrifft und in welchen Kontext sie eingebettet ist, um das Problemfeld und die Breite der Nutzergruppen aufzuspannen.
35 Protostart 2017a.
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3.2.2 Zweite Phase: Erkundung – Beobachten und Nutzer verstehen In der Erkundungsphase gilt es, durch Beobachtung und Tiefeninterviews die aufgestellten Hypothesen zu den Nutzern vor Ort zu überprüfen. Bei dieser Feldforschung gilt es daher, die Nutzer aufzusuchen und in ihren Lebensalltag einzutauchen. Tiefeninterviews Ziel der Interviews ist es, relevante Motive, das Verhalten, die Absichten oder Einschätzungen von Menschen zu verstehen und ein empathisches Verständnis für die Nutzer und ihre Situation zu erlangen. Um tiefergehende Eindrücke in den Interviews zu sammeln, können die folgenden Fragetechniken eine öffnende, Vertrauen aufbauende Herangehensweise unterstützen: – 80/20-Regel: 80 Prozent Zuhören und 20 Prozent Sprechen; – Fragen nach dem Wie, Warum, Wieso, Weshalb (Bezug Eisberg-Modell); – offene Fragen stellen; – Dialog führen; – Beispiele, Geschichten und Emotionen vertiefen und – ggf. Zitate aufschreiben.
So begaben sich die Interview-Tandems auf die Straße und interviewten anhand ihres aufgestellten Leitfadens Passanten zu ihren Erfahrungen zur jeweiligen Themenstellung. Um die Situation des Nutzers noch genauer nachempfinden zu können, tauchte ein Team in die Rolle eines Kunden des öffentlichen Nahverkehrs ein: Sie suchten Verbindungen, fuhren Bahn, wechselten die Verkehrsmittel und erlebten die Situationen am eigenen Leib (Immersion). Mapping Mit Mapping bezeichnet man Methoden, um Einsichten über Nutzer darzustellen und zu strukturieren. Bei der Dokumentation und Nachbereitung des Interviews können damit wichtige Zusammenhänge oder überraschende Erkenntnisse ersichtlich werden. Um die in den Interviews gewonnenen Eindrücke über die Nutzer festzuhalten, können verschiedene Schemata zur Strukturierung genutzt werden. Diese lassen sich auf Papier in eine Vier-Felder-Matrix übertragen und zur Dokumentation der Interviews einsetzen, z. B. nach folgender Struktur: 1. Dinge, die die Person gesagt oder getan hat, die überraschen, und/oder besondere Zitate; 2. Dinge, die für die Person besonders wichtig sind; 3. grundsätzliche Themen oder Erkenntnisse, die bei diesem Interview besonders waren; 4. neue Aspekte oder Fragen, die sich ergeben haben.
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Geeignet ist auch das Schema: „Was war ...“ (1) ... interessant, (2) ... überraschend, (3) ... widersprüchlich, (4) ... das Bedürfnis der Nutzer? Empathy Map: Wahrnehmungen und Empfindungen aus Nutzerperspektive36 darstellen Die Notizen zum Tiefeninterview werden in eine „empathieorientierte“ Struktur überführt, deren vier Segmente die Empfindungen und Wahrnehmungen aus der Sicht des Nutzers abbilden. Diese Segmente werden ausgerichtet an folgenden Fragen: Was denkt und fühlt der Nutzer? Was sagt und tut der Nutzer? Was hört der Nutzer und was sieht er? (s. Abb. 4): – Denken und Fühlen (think and feel): Was denkt der Nutzer? Was beschäftigt ihn und was ist ihm wichtig? Was fühlt der Nutzer? Und: Welche Hoffnungen, welche Sorgen hat er? – Sagen und Tun (say and do): Welche Aussagen trifft der Nutzer? Was sagt er anderen? Welche Verhaltensweisen und Reaktionen zeigt der Nutzer? In welchen Situationen sagt oder tut er etwas? – Hören (hear): Was hört der Nutzer? Von wem hört er es? Wodurch und wie wird er beeinflusst? – Sehen (see): Was sieht der Nutzer und wo sieht er es? Wie sieht er seine Umwelt/ den Markt?
Darüber hinaus werden auch Hindernisse und Ziele als weitere Einflussfaktoren festgehalten: – Schmerz/Frust: Welche Hindernisse, welche Ängste begegnen dem Nutzer/Kunden? Was frustriert oder stört ihn? Was kann helfen, seinen Frust abzubauen? – Gewinn/Lust: Welche Wünsche, Bedürfnisse, Ziele hat der Nutzer/Kunde? Was bereitet ihm Freude? (Was kann helfen, dies zu fördern?)
36 Empathy Maps werden als Tools u. a. auch im Marketingkontext eingesetzt, um Kunden und deren (unbewusste) Bedürfnisse zu erfassen sowie ihre Sichtweisen – z. B. auf bestimmte Themen und Leistungen eines Unternehmens – zu erfahren. Der Ansatz des Empathy Mapping geht davon aus, dass Kunden nicht immer rational (bewusst) handeln und dass sie sich in einem bestimmten Kontext bewegen, der ihre Wahrnehmungen und Handlungen beeinflusst. Mithilfe einer Customer Empathy Map wird daher versucht, Beweggründe und Denkmuster von (typischen/potenziellen) Kunden zu identifizieren und diese Erkenntnisse in Maßnahmengestaltungen zu integrieren. S. u. a. DIM – Deutsches Institut für Marketing: Empathy Map. https://www.marketinginstitut.biz/blog/empathy-map/ (Abruf: 2018.03.05)
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Hoffnung
Denken & Fühlen
Sorgen
Markt
Wer beeinflusst Umwelt
Hören
Sehen
Von Freunden
Familie
Außenwelt
Sagen & Tun
Umgang
Hindernisse
Frust
Lust
Ängste
Ziele
Wünsche
Abb. 4: Beispiel einer Empathy-Map37
Zusammenfassung In dieser Erkundungsphase geht es darum, Empathie für den Nutzer aufzubauen und sich in dessen Lage hineinzuversetzen, um Wünsche, Motive und Hindernisse sowie deren Kontext zu verstehen – aber darüber hinaus auch Details zwischen den Zeilen wahrzunehmen und somit mögliche Widersprüche zwischen Gesagtem und tatsächlichem Nutzerverhalten aufzudecken.
3.2.3 Dritte Phase: Sichtweise definieren – Synthese aller Erkenntnisse In dieser Phase ist es bedeutsam, alle gewonnenen Informationen und Einsichten aus der Erkundungsphase zusammenzuführen. Hierdurch zeigen sich Zusammenhänge und Strukturen, die ein tiefergehendes Verständnis von den latenten Bedürfnissen der Nutzer und wertvolle Erkenntnisse für die darauffolgende Phase der Lösungsfindung ermöglichen.
37 Eigene Darstellung nach Konzeptwerkstatt 2018, S. 9.
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Storytelling: Die gesammelten Informationen aus der Beobachtungsphase geschichtenhaft austauschen Jedes Teammitglied berichtet detailliert von seinen Beobachtungen und Einsichten: In Form einer Erzählung aus der Sicht der interviewten Person werden die Ergebnisse präsentiert und Interessantes notiert. In einer „Nutzer-Galerie“ werden diese sogenannten Personas nebeneinander dargestellt. Hierdurch werden einerseits die einzelnen Erfahrungen für das gesamte Team zugänglich, andererseits die Daten über die Nutzer „lebendig“. In dieser Phase des Design-Thinking-Prozesses wird auch nochmals der Stellenwert von Visualisierungen und Strukturierungen deutlich. So wird durch diese Skizzen (z. B. auf farbigen Haftzetteln) das vorhandene Wissen klar visualisiert und damit kommunizierbar gemacht. Anhand dieser Visualisierungen und eines anschließenden Clusterings werden die Informationen zusammengefasst und strukturiert und Muster identifiziert.
Persona: Synthese der in der Phase der Beobachtung erkannten Kundentypen und -gruppen Die Personas werden hinsichtlich ihrer Motive, Hintergründe, Wünsche, Werte und Normen jeweils als „greifbare“ Person beschrieben. Sie bilden im Design Thinking die Stellvertreter der fokussierten Kundengruppen, um sich im weiteren Prozessverlauf bei der Entwicklung und Bewertung von Ideen konsequent an dieser Person auszurichten. An dieser Stelle wird noch einmal die nutzerzentrierte Vorgehensweise im Design Thinking deutlich, bei der der Mensch als zukünftiger Nutzer und sein sichtbares Gesamtbild den Ausgangspunkt bilden. In den Fokus der Problemlösungen rückt dadurch der lebendige Kunde, der – im Vergleich zu einer Zielgruppendefinition – nicht z. B. als anonymer Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel dargestellt, sondern als konkrete Person vorgestellt wird, z.B als Markus, 45 Jahre, mit folgendem Statement: „Ich pendele – und zwar morgens am liebsten in Stille.“ Die Personas werden anschließend mit Schlagworten zu den Elementen ihres jeweiligen Profils untereinander angeheftet, gefolgt von einem farblichen Clustering nach interessanten, überraschenden und widersprüchlichen Beobachtungen zur Person. Durch den Austausch und die Diskussion im Team werden diese Einsichten zu einem Gesamtbild verdichtet.
Point of View Die gewonnenen Einsichten werden nun in einem gemeinsamen Standpunkt zusammengeführt. Aus den gesammelten Daten wird eine (Nutzer-)Person synthetisiert, die für die zugrunde liegende Problemstellung besonders relevant ist. Diese Synthese der Ergebnisse dient in der nachfolgenden Phase als Sprungbrett für die Ideenfindung. Diese Persona erhält einen markanten Blickwinkel, der in einem Satz aus dem zentralen Bedürfnis und einer zentralen Erkenntnis zusammengefasst wird. Der Point of View fokussiert somit auf einen spezifizierten Nutzer und dessen Wünsche und
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weist auch auf die Vision hinter dem weiteren Prozess hin. Die Struktur eines Point of View besteht aus folgenden Facetten: – Wir haben … (Nutzer) getroffen. – Wir waren inspiriert (überrascht) zu entdecken, dass … (Erkenntnis). – Wir wollen ihm dabei helfen, … (Bedürfnis).
Aus allen aufgezeigten Profilen entscheiden sich die Teams schließlich jeweils für eine Persona, für deren Bedürfnisse und Anforderungen dann in der nächsten Phase konkrete Lösungsansätze entwickelt werden sollen. Zusammenfassung In dieser Phase werden die gesammelten Informationen in ihrer Gesamtheit sowie ihren Zusammenhängen sichtbar gemacht – verbunden mit der Zielsetzung, tiefer gehende Erkenntnisse über die Nutzergruppen zu gewinnen und in einem finalen Standpunkt zu vereinen. Ferner werden Personas erstellt, auf die der weitere DesignThinking-Prozess ausgerichtet ist und aus deren Perspektive das Team die entwickelten Ideen und Lösungen bewerten kann.
3.2.4 Vierte Phase: Ideen finden – Ideengenerierung und Weiterentwicklung zu Lösungen In dieser Phase werden zunächst Ideen entwickelt. Hierbei gilt es, den Blickwinkel wieder zu öffnen und divergentes Denken zur Ideenfindung mit verschiedenen Kreativitätstechniken anzuregen. Die Vorschläge zur Problemlösung werden strukturiert und anschließend selektiert, um in eine Konzeptidee zu münden, für die in der darauffolgenden Phase ein Prototyp erstellt wird. Hierfür eignen sich beispielsweise folgende Methoden: Reverse Brainstorming, Hot-Potato-Methode und Superhero-Brainstorming Eingesetzt werden kann ein Reverse Brainstorming (Kopfstand-Methode), um zu überlegen, was die Situation des ausgewählten Nutzers eher verschlimmern als verbessern würde. Aus negativen Assoziationen lassen sich vielfach leichter Verbesserungspotenziale ermitteln. Bei der Hot-Potato-Methode darf der scheinbar „heiße“ Ball erst weitergegeben werden, wenn man eine neue Idee äußert. Beim Superhero-Brainstorming werden Ideen dazu generiert, wie ein Superheld der Persona helfen würde. 6-3-5-Methode: Brainwriting und systematische Vertiefung durch Iteration im Schnelldurchlauf Jedes der sechs Teammitglieder entwickelt drei Ideen. Diese Ideen werden nach Ablauf einer bestimmten Zeit im Uhrzeigersinn weitergegeben und das nächste Teammit-
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glied entwickelt neue, hierauf aufbauende Ideen. Die Blätter mit den Ideen werden insgesamt fünf Mal weitergereicht. WKW-Fragen (Wie können wir/How might we ...?) Bei dieser Methode geht es darum, neue „Wie können wir …?“-Fragen aufzuwerfen, angeregt durch Trigger wie „Verstärke das Gute!“, „Nutze eine Analogie!“, „Erforsche das Gegenteil!“ oder „Nutze unerwartete Ressourcen!“. Diese neuen Blickwinkel helfen, den Lösungsraum zu erweitern, und dienen als Sprungbrett für die weitere Ideenentwicklung. So wurde beispielsweise in einem Team für das Parkproblem in der Innenstadt die Idee einer „Veedels-App“38 entwickelt, bei der die Bewohner eines Viertels (Veedel) die raren freien Parkplätze melden können – gestützt insbesondere auch durch die älteren Nachbarn (Rentner als unerwartete Ressource). Inspiriert durch die Analogie „Geheimdienst“ wurde diese Anregung zu einer positiven Problemlösung gewendet.
Zusammenfassung In der Ideenfindungsphase haben diese Techniken das Ziel, zunächst auf schnelle, impulsartige Weise so viele kreative Lösungsvorschläge wie möglich zu generieren, um sich schließlich auf einen Ansatz daraus zu fokussieren, der in der anschließenden Phase als Prototyp umgesetzt wird.
3.2.5 Fünfte Phase: Prototypen entwickeln – Prototypen der Lösungen erstellen In dieser Phase geht es darum, die ausgewählten Ideen zunächst mit einfachen Materialien in kurzer Zeit umzusetzen. Ziel ist hierbei, die Kernfunktionen der Idee anhand von Prototypen erfahr- und anfassbar zu machen, um diese frühzeitig in einer Interaktion mit den Nutzern zu erproben. Prototyping Das Ziel beim Prototyping ist es, Ideen für den Nutzer einfach und schnell erlebbar zu machen. Diese Prototypen können vielfältige Visualisierungsformen und materielle, physische Darstellungen annehmen: von Konstruktionen als Papiermodell oder Collagen über Storyboards und Lego-Szenarien bis hin zu Rollenspielen und Storytelling. Die Anfertigung eines Prototyps in dieser Prozessphase hat keinesfalls den Anspruch, ein fertig einführbares Produkt zu erstellen, sondern vielmehr den Zweck,
38 Veedel ist das kölsche Wort für Stadtviertel.
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einen Gegenstand oder eine Dienstleistung erlebbar zu machen und sie unmittelbar von den potenziellen Nutzern testen zu lassen.39 In zeitlich umfangreicheren Design-Thinking-Prozessen steigt aufgrund von Iterationsrunden der Detailgrad des Prototyps.40 Im Workshop galt es für die Teams, innerhalb von 30 Minuten ihre Ideen in Prototypen umzusetzen und sie in einer Abschlussrunde den anderen Teams vorzustellen. So präsentierte beispielsweise ein Team seine „Veedels-Parking-App“ als ein Zusammenspiel aus Storytelling und App-Demonstration anhand eines Papiermodells. Die Mitglieder zeigten im Rollenspiel einerseits die – zunächst verzweifelte – Situation eines Parkplatzsuchers, der jedoch durch seine App auf einen freien Parkplatz aufmerksam wird, und andererseits den Veedel-Bewohner, der diese frei werdende Parkmöglichkeit in der App sehr unkompliziert über Geodaten angibt. Ein anderes Team entwickelte ein interaktionsförderndes „Welcome-Board“ für die ersten Tage im neuen Job und stellte seinen greifbaren Produkt-Prototyp vor. Diese Schreibtischunterlage beinhaltet vor allem Elemente, die das reale, physische Kennenlernen und die Vernetzung im neuen Büro aktiv fördern, wie etwa das „Meet & Eat“, bei dem Kollegen bereits einen Gruß und erste Vorschläge für ein gemeinsames Mittagessen anpinnen.
Zusammenfassung In dieser Phase wird die entwickelte Idee anhand eines Prototyps umgesetzt – verbunden mit dem Ziel, die Ideen schnell und frühzeitig in greifbare Modelle zu überführen. Prototypen ermöglichen es, das Zusammenwirken von (Nutzer-)Bedürfnissen/ Motivation und entsprechendem Kontext/entsprechender Situation zu simulieren und damit eine ganzheitliche Reaktion auf eine Idee aus der Sicht der Nutzer zu erhalten. So wird eine Idee nicht nur auf rational-logischer Ebene verstehbar, sondern anhand eines Prototyps wird ein „greifbarer“ Eindruck davon vermittelt, wie sich z. B. das Produkt, der Prozess oder die Dienstleistung für den potenziellen Kunden „anfühlen“ und welchen Nutzen sie stiften können.41 Bei Änderungswünschen oder festgestellten Nutzungsproblemen kann der Prototyp dementsprechend angepasst bzw. weiterentwickelt werden. Diese „Einfachheit“ ermöglicht innerhalb des Design Thinking auch eine wiederholte Durchführung von einzelnen Phasen (Iterationen), ohne dabei zuvor hohe Kosten oder viel Zeit investiert zu haben.
39 Vgl. Brown 2008, S. 3: „The goal of prototyping isn’t to finish. It is to learn about the strengths and weaknesses of the idea.“ 40 Einfache Prototypen wie etwa Skizzen und Papiermodelle dienen in frühen Projektphasen zunächst der Darstellung von Ideen, damit diese frühzeitig und kostengünstig durch den Kunden beurteilt werden können. In Iterationen werden zunehmend detailliertere Versionen erstellt, z. B. KlickDummys mit umfangreichen Interaktionsmöglichkeiten (vgl. Deutsche Telekom AG 2017). 41 Vgl. u. a. Grots, Pratschke 2009.
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3.2.6 Sechste Phase: Test – Prototypen testen und weiterentwickeln Das vorausgehende Prototyping ist eng mit der Testphase verbunden. In dieser Phase werden die erarbeiteten Prototypen mit realen Kunden hinsichtlich ihrer Nutzenwirkung erprobt, um den Bedarf an Weiterentwicklung zu erfassen und die Lösungen zu optimieren.
3.3 Anwendungsbereiche von Design Thinking Das nutzerorientierte Vorgehen im Design Thinking ermöglicht nicht zuletzt, Kunden und zukünftige Nutzer bereits frühzeitig in Entwicklungsprozesse miteinzubeziehen, z. B. als Co-Gestalter im Marketing, Innovations- oder Developmentbereich.42 Zunehmend gewinnt der partizipative Ansatz des Design Thinking auch im Management und in der Organisationsentwicklung43 sowie im öffentlichen Sektor44 und im Bibliotheksbereich45 an Relevanz. Darüber hinaus integrieren einige Unternehmen Design Thinking als Führungsund Managementansatz auch in der gesamten Organisation (Corporate Design Thinking). Zielsetzung ist hierbei, die Innovationstätigkeit auf allen Ebenen zu etablieren sowie ganzheitlich zu fördern und gleichzeitig den Kundenkontakt bei der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen zu erhöhen.46
Fazit Digitalisierung, Innovations- und Wettbewerbsdruck sowie eine neue, einflussnehmende Rolle der Kunden bestimmen das heutige Wirtschaftsumfeld von Unternehmen in einer global vernetzten Welt. Unternehmen sind daher mehr denn je gefordert, kontinuierlich agil und innovativ zu sein und den Kunden noch stärker in den Fokus des unternehmerischen Handelns zu stellen. Um jedoch Produkte, Dienstleistungen, Prozesse und Geschäftsmodelle kontinuierlich weiterentwickeln zu können, bedarf es neuer Ansätze, um Kundenbedürfnisse tiefergehend zu analysieren, innovative Ideen zu generieren und Ideen zu Lösungen weiterzuentwickeln, die menschlich erwünscht, (technologisch) realisier-
42 Weitere Ansätze zur Einbeziehung von Kunden in Produktentwicklungs- und -gestaltungsprozesse sind Open Innovation oder Co-Creation (z. B. die Ideenplattformen der Kunden-Community von Tchibo oder Ritter-Sport-Schokolade). 43 Vgl. u. a. Grots, Creuznacher 2012; Eppler, Hoffmann 2012. 44 Z. B. in der Hochschullehre, vgl. Preusser et al. 2018. 45 Vgl. u. a. Bergmann 2018; Design Thinking Toolkit for Libraries o. J. 46 Vgl. Freudenthaler-Mayrhofer, Sposato 2017, S. 5.
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bar und wirtschaftlich tragfähig sind. Design Thinking bietet hierfür nicht nur ein breites Spektrum an Methoden, sondern vor allem eine nutzerzentrierte Vorgehensweise, die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden als Ausgangspunkt nimmt, um Lösungsansätze für Fragestellungen aus unterschiedlichen Arbeits- und Lebensbereichen zu finden.
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Ivonne Preusser
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Christina Kläre
Prozessexzellenz in Bibliotheken Abstract: Spätestens seit Bibliotheken an Zertifizierungsmaßnahmen teilnehmen und diese mitgestalten, hat sich das Prozessmanagement als Teilaspekt des Qualitätsmanagements in Bibliotheken etabliert. Zwar wird i.d.R. von Geschäftsgängen anstelle von Prozessen gesprochen, doch werden Anleitungen und Abläufe dokumentiert, überprüft, verändert und im Sinne des Wissensmanagements organisiert. Prozessexzellenz bedeutet allerdings mehr, als punktuell einzelne Prozesse zu verzeichnen und sie effizienter sowie effektiver zu gestalten; Prozessexzellenz versteht sich als ganzheitlicher und nachhaltiger Ansatz, um die Herausforderungen, denen sich Bibliotheken stellen müssen, zu meistern. Besondere Bedeutung kommt dem Kundenmanagement zu, um die Kundenteilnahme an Wertschöpfungsprozessen zu eruieren. In diesem Beitrag wird ein allgemeiner Leitfaden zur Implementierung von Prozessexzellenz erarbeitet. Ergänzend werden Praxisbeispiele zur Anwendung des Leitfadens vorgestellt.
Einleitung „Die Art und Weise, in der Ablauforganisation durchgeführt wird, zeigt, inwieweit sich eine Bibliothek zum ‚Service Gedanken‘ bekennt.“1 Bereits in den 1970er Jahren stellte Kissel die Relevanz von Prozessmanagement für den Dienstleistercharakter von Bibliotheken heraus. Um tatsächlich kundenorientiert zu handeln und folglich den Servicegedanken umzusetzen, bedarf es jedoch mehr, als den Kunden2 in Prozesse, wie die Erwerbung mittels Patron-Driven Acquisition (PDA), zu integrieren. Vielmehr müssen die Prozessabläufe geplant, analysiert und unter Berücksichtigung der aktiven Kundenteilnahme und der Kundenprozesse aufeinander abgestimmt und optimiert werden.3
1 Kissel 1971, S. 85. 2 Auch wenn der Begriff Nutzer anstelle von Kunde im bibliothekarischen Sprachgebrauch stärker vertreten ist, wird in dieser Arbeit aufgrund der betriebswirtschaftlichen Schnittstellen lediglich der Kundenbegriff auf der Basis folgender Definition verwendet: „Direkte Kunden sind entweder unmittelbare Leistungsempfänger einer Dienstleistung, d. h., sie profitieren unmittelbar von der Leistung einer Nonprofit-Organisation, die sie in Anspruch nehmen, oder sie erwerben Produkte, die die NonprofitOrganisation zum Kauf anbieten“ (Helmig et al. 2009, S. 476). 3 Dem Beitrag liegt die Masterarbeit „Prozessexzellenz in Bibliotheken“ von Christina Kläre, betreut von Prof. Dr. Simone Fühles-Ubach und Dr. Miriam Albers, TH Köln, zugrunde (vgl. Kläre 2017).
https://doi.org/10.1515/9783110539011-011
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1 Vom Prozessmanagement zur Prozessexzellenz in Bibliotheken „MPE [Management of Process Excellence] applies the newest developments in methods, approaches, and IT, and uses them in a consistently business-driven manner.“4 In diesem Beitrag wird Prozessexzellenz jedoch nicht nur auf einen spezifischen Prozess und dessen Innovationspotenzial bezogen. Um Prozessexzellenz zu erreichen, müssen die Rahmenbedingungen von Bibliotheken und Schnittstellen zu den Organisationseinheiten, wie dem Marketing, dem Innovationsmanagement und der Dienstleistungserstellung, berücksichtigt und dadurch Prozessmanagement mit einer ganzheitlichen Bibliotheksbetrachtung sowie vor dem Ziel der Nachhaltigkeit umgesetzt werden. Zudem gilt es insbesondere das Kundenmanagement in die Prozessgestaltung einzubeziehen. Ein exzellenter Prozess berücksichtigt demnach die Bibliotheksstrategie, technische Innovationen, Schnittstellen zu anderen Prozessen und interne Schnittstellen zwischen Teilprozessen sowie die optimale Form der Kundenbeteiligung. Die Optimierung eines funktionsübergreifenden Prozesses zu einem exzellenten Prozess hat immer Einfluss auf die Organisationsstruktur der Bibliothek.
1.1 Ganzheitliches und nachhaltiges Prozessmanagement Im Kontext der Prozessexzellenz bedeutet Ganzheitlichkeit, Prozesse nicht als einzelne unabhängige Bausteine unter Funktionsverantwortung zu betrachten, sondern sämtliche Schnittstellen sowohl innerhalb der Bibliothek als auch zu externen Prozessteilnehmern zu berücksichtigen. Demnach reicht es nicht, einzelne Prozessschritte oder Teilprozesse im Hinblick auf die funktionale Bereichssicht zu optimieren, sondern Kernprozesse sind bereichsübergreifend zu betrachten und „so wie der Kunde sie wahrnimmt, zu steuern“5. Die Nachhaltigkeit ergänzt den Aspekt der Ganzheitlichkeit, indem eine langfristige Orientierung hinsichtlich der Umsetzung von Prozessmanagement zu Prozessexzellenz führt. Eine Bibliothek kann zwar einzelne Prozesse oder ganze Bereiche optimieren, wird dies aber befristet umgesetzt, führt dies höchstens zu einer zeitlich begrenzten Prozessexzellenz.
4 Kirchmer 2009, S. 8. 5 Knuppertz, Feddern 2011, S. 1.
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1.2 Kundenorientierung, Kundennutzen, Kundenintegration Aufgrund der Interaktionsprozesse zwischen Kunden und Bibliotheken bei der Erbringung von Dienstleistungen spielen die Aspekte des Kundennutzens, der Kundenorientierung und der Kundenintegration eine besondere Rolle bei der Umsetzung von Prozessexzellenz. Kundenorientierung bedeutet hier, die Kundeninteressen zu priorisieren, ohne andere Stakeholder-Interessen zu vernachlässigen.6 Bibliotheken können den Kundennutzen bezüglich der bereitgestellten Dienstleistung an den Moments of Truth7 beeinflussen, denn diese Kundenkontaktsituationen bedingen die wahrgenommene Leistungsqualität. Grönroos bezeichnet diese Situationen dementsprechend auch als Moments of Opportunity.8 Deshalb erfordert Prozessmanagement v. a. die genaue Planung und Analyse der Kundenkontaktsituationen – unabhängig davon, ob es sich um einen persönlichen Kontakt oder z. B. um den Kontakt über eine Weboberfläche handelt.9
Die Erhebung aktueller sowie potenzieller Kundenprozesse stellt zusätzlich einen wichtigen Aspekt zur Kundenorientierung dar: Indem die Kundenprozesse der Literaturrecherche, -beschaffung und -nutzung eruiert werden, können die Bibliotheksdienstleistungen entsprechend angepasst werden. Z. B. kann der Online-Katalog für mobile Geräte optimiert sowie um Printbestände anderer Bibliotheken erweitert werden. Auf diese Weise kann der Kunde von seinem Smartphone aus eine umfassende Recherche durchführen und in anderen Bibliotheken verfügbare Printbestände per Fernleihe bestellen oder zur Anschaffung vorschlagen, ohne die Titelinformationen manuell zu ergänzen oder den Online-Katalog bewusst zu verlassen. Diese Berücksichtigung der Kundenprozesse kommt einer Nutzensteigerung für den Kunden gleich. Sie betrifft sowohl die Mitwirkung bei der Entwicklung neuer Dienstleistungen als auch bei der Erbringung von Dienstleistungen in Form von Kundenintegration.10 Integration bezeichnet für Non-Profit-Organisationen „jegliche Form der Beteiligung der unterschiedlichen Kunden [...] am Prozess der Sicherstellung der Zweck- bzw. Missionserfüllung“11. Demnach handelt es sich z. B. bei Anschaffungsvorschlägen von Wissenschaftlern für ihre Studierenden, die an eine Hochschulbibliothek gerichtet werden, auch dann um eine Form der Kundenintegration, wenn der betreffende Wissenschaftler kein Exemplar des Buchtitels aus der Hochschul
6 Vgl. Deshpandé et al. 1993, S. 27. 7 Der Begriff wurde geprägt von Normann. S. z. B. Normann, Richard: Service Management. Strategy and Leadership in Service Business. Chichester: Wiley, 2000, S. 20–21 und S. 68–69. 8 Vgl. Grönroos 2015, S. 100 . 9 Vgl. ebd. 10 Vgl. Helmig et al. 2009, S. 477 . 11 Ebd., S. 478.
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bibliothek nutzt.12 Folglich müssen ebenso die Kunden-Kunden-Prozesse – im Fall von Hochschulbibliotheken z. B. diejenigen zwischen Lehrenden und Studierenden sowie bei Stadtbibliotheken z. B. diejenigen zwischen Eltern und Kindern – in die kundenorientierte Prozessgestaltung einbezogen werden. Die zu eruierenden Kundenprozesse dürfen sich dabei nicht auf die Interaktion mit dem Dienstleister beschränken; vielmehr muss das gesamte Kundenerlebnis – wie z. B. von der Recherche über die Titelauswahl und -nutzung bis hin zur Nachnutzungsphase – berücksichtigt werden.13 Der Fokus liegt auf dem Verständnis der homogenen Kundensegmente, um durch Standardisierung die Effizienz der Kundenprozesse zu verbessern. Die Identifizierung homogener kaufverhaltensrelevanter Merkmale ist wichtig, um darauf aufbauend Kundengruppen zu bilden und für diese Kundengruppen standardisierte Prozesse generieren zu können. Beispielsweise kann der Prozess zur Bereitstellung eines elektronischen Semesterapparats standardisiert werden, indem die Bedürfnisse des homogenen Kundensegments Lehrende erhoben werden und darauf aufbauend eine Online-Applikation zur Beantragung eines elektronischen Semesterapparats entwickelt wird.
2 Leitfaden zur Prozessexzellenz in Bibliotheken Der folgende Leitfaden zur Prozessexzellenz richtet sich an alle Bibliothekstypen. Es werden die Schritte (1) Zielfestlegung und -formulierung, (2) Rollen im Prozessmanagement, (3) Potenzialanalyse, (4) Prozessmodellierung, (5) Prozessanalyse und -optimierung, (6) Prozess(re-)design und -einführung sowie (7) kontinuierliche Verbesserung und (8) Implementierung vorgestellt.
2.1 Zielfestlegung und -formulierung Bevor mit der praktischen Umsetzung eines exzellenten Prozessmanagements begonnen werden kann, müssen die Ziele festgelegt und formuliert werden. Die verbindlichen Prozessziele und definierten Kundenanforderungen basieren auf den Vorgaben des strategischen Bibliotheksmanagements. Neben internen Zielvorgaben kann auch ein externer Einfluss – z. B. durch die Trägerorganisation oder geänderte gesetzliche
12 An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass der Wissenschaftler beim beschriebenen Buchvorschlag als indirekter Kunde agiert, da er den Titel nicht selbst nutzt. „Zu den indirekten Kunden zählen sämtliche Personen oder Organisationen (z. B. Unternehmen), die die Leistungen/Produkte der Nonprofit-Organisation nicht selbst in Anspruch nehmen, jedoch in einem weiteren Sinne an der Leistungserstellung beteiligt sind […] oder in anderer Form von der Missionserfüllung partizipieren“ (Helmig et al. 2009, S. 477). 13 Vgl. Verhoef et al. 2009, S. 32.
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Vorgaben, wie die Modifikation des Urheberrechtsgesetzes – bestehen.14 Ein strategisches Ziel kann z. B. lauten: „Etablierung als Partner im Publikationsprozess“. Hieraus kann das operative Ziel „Nutzung des Publikationsfonds durch mindestens einen Mitarbeiter je Fakultät“ abgeleitet werden, aufgrund dessen u. a. der Prozess „Finanzielle Open-Access-Publikationsförderung“ bzw. dessen Anwendungsfälle analysiert werden.
2.2 Rollen im Prozessmanagement Prozessexzellenz erfordert die Einführung und Besetzung neuer Rollen innerhalb der Bibliothek. Die ausführende Rolle nehmen Prozessteams ein, die aktiv an den Prozessen beteiligt waren, sind und/oder sein werden. Sie weisen Kompetenzen auf, die es ihnen ermöglichen, einen oder mehrere Prozessschritte durchzuführen, wodurch sie über wertvolles Insiderwissen verfügen. Um zusätzlich einen objektiven Blickwinkel zu berücksichtigen, ist es vorteilhaft, das Team für die Prozessanalyse und -optimierung mittels Prozess-Outsidern zu einem Reengineering-Team zu erweitern.15 Dem Reengineering-Team obliegt die Aufgabe, einen spezifischen Prozess gemeinsam zu designen, kritisch zu analysieren und zu optimieren. Prozessverantwortliche tragen die Verantwortung für mindestens einen (Teil-) Prozess in der Bibliothek. Sie motivieren und beraten die Prozessteams, agieren koordinierend und geben das Leistungsdesign vor; sie moderieren innerhalb von Prozessteams und initiieren Veränderungen.16 Neben der Funktion als Spezialist für Prozessexzellenz obliegt die Moderation zwischen einzelnen Prozessverantwortlichen dem Prozessmanagement-Berater. Dieser koordiniert z. B. als Stabsstelle die Aktivitäten und garantiert die nötige Infrastruktur sowohl seitens der technischen als auch der personellen Ressourcen durch Zusammenarbeit mit der IT-Abteilung sowie der Personalentwicklung und ‑auswahl.17 Zusätzlich berichtet der Prozessmanagement-Berater dem Prozessmanagement-Leader, der ein Mitarbeiter des strategischen Bibliotheksmanagements ist. Der Prozessmanagement-Leader trägt maßgeblich die Verantwortung für die Einführung und Umsetzung von Prozessexzellenz in der Bibliothek. Er muss sowohl über die nötige Autorität als auch über Führungspersönlichkeit verfügen, um „als Visionär zu überzeugen“18.19
14 15 16 17 18 19
Vgl. Knuppertz, Feddern 2011, S. 104. Vgl. Hammer, Champy 2003, S. 143–149; Hammer 1997, S. 132 . Vgl. Hammer, Champy 2003, S. 141–142; Hammer 1997, S. 131 . Vgl. Hammer, Champy 2003, S. 150–152; Hammer 1997, S. 133 . Hammer, Champy 2003, S. 136. Vgl. ebd., S. 135–141.
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Christina Kläre
Ein Modellierer erstellt ein Prozessmodell in einer vorher festgelegten Modellsprache (Notation) und Software. Je nach Komplexität der Notation und der Software kann ein einzelner oder eine Gruppe von Modellierern benannt werden. Handelt es sich beispielsweise um eine schnell zu lernende Notation und Software, kann in jeder Abteilung ein Modellierer benannt werden; wird stattdessen eine komplexe Notation genutzt, ist es sinnvoller, einen Experten innerhalb der Bibliothek zu benennen, der die Modellierung vornimmt.
2.3 Potenzialanalyse In der Potenzialanalyse werden die für die Analyse und Optimierung relevanten Prozesse sowie die Prozessschnittstellen identifiziert.20 Mithilfe der Analyse der gegenwärtigen strategischen Situation der Bibliothek oder einzelner Bibliotheksbereiche werden die nötigen Informationen, wie Kundenanforderungen und die Kernkompetenzen der Bibliothek, geliefert.21 Hierbei ist zunächst ein bedarfsorientierter Ansatz zu verfolgen. Daraufhin wird festgehalten, welche Prozesskategorien existieren und bei welchen Prozessen es sich um Kernprozesse handelt. Bedarfsorientierung Prozessexzellenz erfordert innerhalb der Potenzialanalyse die Orientierung an den Bedarfen der Bibliothek. Hierzu zählt, die Zielgruppen der Bibliothek, ihre Segmente und Bedürfnisse möglichst genau zu definieren.22 Prozessarten Auf der Basis der erhobenen Zielgruppenbedürfnisse und -anforderungen können die über eine Nutzung entscheidenden Leistungsmerkmale bestimmt, gewichtet und bewertet werden. Diesen Leistungsmerkmalen werden die Kernkompetenzen der Bibliothek gegenübergestellt.23 Mithilfe eines Leistungskatalogs, der die Dienstleistungen der Bibliothek listet, kann bottom-up durch Zusammenfassen von mehreren Dienstleistungen in Kategorien eine Prozesslandkarte erstellt werden. Exzellentes Prozessmanagement erfordert nicht, dass alle Bibliotheksprozesse betrachtet werden; es sind jedoch mindestens diejenigen von Relevanz, die „in ihrem Zusammenwirken wichtige Wertschöpfungsketten […] bilden“24, wozu i. d. R. zwei der Kernprozesse – nämlich das Medien-/Informationsmanagement und die Informations(kompetenz-)vermittlung – zählen.
20 21 22 23 24
Vgl. Fließ 2006, S. 25. Vgl. Best, Weth 2010, S. 33. Vgl. Hewing 2014, S. 110. Vgl. Best, Weth 2010, S. 53 . Scholz 1995, S. 84.
Prozessexzellenz in Bibliotheken
153
2.4 Prozessmodellierung Auf der Basis der festgestellten Potenziale zur Prozessanalyse und ‑optimierung können Prozessmodelle skizziert werden. Der Fokus liegt nicht nur auf der Transparenz für die Bibliotheksleitung, sondern auch auf dem Wertbeitrag für die Mitarbeiter, insbesondere wenn sie am betrachteten Prozess beteiligt sind.25 Wird dieser Aspekt entsprechend berücksichtigt und kommuniziert, kann mit einer höheren Akzeptanz der Mitarbeiter gegenüber dem Prozessmanagement gerechnet werden. Auf der Basis der Modellierungszwecke erfolgt die Auswahl der Modellierungssoftware und -notation. Der Modellierungsgegenstand – z. B. ein spezifischer Prozess – muss daraufhin eingegrenzt und durch Austausch zwischen Modellierer und Fachexperten, insbesondere dem Prozessteam, erhoben werden. Hierbei sind sowohl das Erfahrungswissen als auch die Bereitstellung nötiger Dokumente von Relevanz.26 Selbst wenn es sich beim Modellierer um einen Prozessbeteiligten handelt, kann dieser Austausch nicht entfallen, da Prozesse i. d. R. abteilungsübergreifend ablaufen, wodurch auch hier Wissenslücken vorliegen können. Für diesen Austausch existieren unterschiedliche Instrumente, wie Workshops und Interviews. „Wichtig dabei ist es, Prozesse immer mit denselben und standardisiert festgelegten Informationen zu beschreiben.“27 Mitwirkende sollten Prozessverantwortliche, Prozessteams, ProzessmanagementBerater sowie IT-Experten sein, um bereits bei der Erhebung der erforderlichen Informationen potenzielle Ressourcenmängel – z. B. seitens der Personalkompetenz oder der IT-Systeme – festzustellen. Zusätzlich kann das Hinzuziehen eines für die strategische Koordinierung verantwortlichen Prozessmanagement-Leaders vorteilhaft sein.28
2.5 Prozessanalyse und -optimierung Mithilfe der zuvor erstellten Prozessmodelle lässt sich unter Berücksichtigung weiterer Dokumente, Kennzahlen und der gesammelten Erfahrungen der Prozessteams die Analyse und Optimierung von Prozessen durchführen. Hierzu müssen weiterhin die strategischen und operativen Ziele als Grundlage der Analyse und Optimierung dienen. Zur Optimierung schlägt Gaitanides folgende Optionen vor: – Eliminieren ganzer Teilprozesse, Prozessschritte oder Schnittstellen; – Änderung der Reihenfolge; – Hinzufügen fehlender Schritte; – Kundenintegration; 25 26 27 28
Vgl. Gaitanides 2013, S. 162. Vgl. Becker et al. 2009, S. 51 . Knuppertz, Feddern 2011, S. 113. Vgl. ebd., S. 114 .
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– – – – – –
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Automatisieren und Beschleunigen; Parallelisieren; Konsolidieren von Arbeiten; Optimierung der Systemkosten; Reduktion der Ablaufkomplexität; kreativer Einsatz von Informationstechnologie.29
Es gilt der Anspruch: „Even a good process can be made better“30. Zudem wird jeder Prozess individuelle Optimierungspotenziale aufweisen. Ein als ganzheitliche „Rundumbearbeitung“ organisierter Prozess verzichtet völlig auf bibliotheksinterne Schnittstellen über ein Team oder gar eine Person hinaus.31 Dies kann insbesondere Dienstleistungen für eine spezifische Zielgruppe – z. B. Wissenschaftler – betreffen. So können die bibliometrischen Leistungen, wie Beratung, Kennzahlenberechnung und ‑recherche, durch ein fest definiertes Team ohne Einbezug weiterer Bibliotheksmitarbeiter erfolgen. Diese Organisationsform entspricht der Umsetzung des One-Face-to-the-Customer-Prinzips, durch das Kundennähe und Kundenbewusstsein gefördert werden sollen.32 Zur Kundenintegration bestehen in der Regel bereits E-Services, wie die Bibliothekskontenverwaltung inkl. Vormerkfunktion sowie die selbstständige Fernleihbestelloption in Bibliotheken. Vorteile für die Bibliothek können die Beschleunigung der Leistungserstellung, die Verringerung der Komplexität und Varianz durch Standardisierung und Begrenzung der Einflussmöglichkeiten des Kunden sowie geringere fixe Stückkosten durch höhere und besser bearbeitbare Nachfrage und Automatisierung sein.33 Gleichzeitig kann damit gerechnet werden, dass der Kunde Gegenleistungen erbringt, wie „Aufmerksamkeit, Informationsübermittlung, Recht auf Informationssammlung durch Beobachtung und Analyse von Seiten der Anbieter, Verhalten des Kunden in einer vom Anbieter intendierten Weise“34. Besonders Prozesse mit starken Informationsasymmetrien – d. h. Prozesse, bei denen ein Prozessakteur über mehr Informationen verfügt als ein oder mehrere Prozesspartner35 – können von der Kundenintegration profitieren.36 Beispielsweise liegen Informationsasymmetrien zwischen der Hochschulbibliothek und dem Wissenschaftler der Hochschule vor: Der Wissenschaftler hat einen besseren Überblick über seinen Publikationsoutput als die Hochschulbibliothek, sodass die Hochschulbiblio
29 30 31 32 33 34 35 36
Vgl. Gaitanides 2013, S. 58. Hammer 2015, S. 12. Vgl. Gaitanides 2013, S. 162. Vgl. ebd. Vgl. Gersch et al. 2006, S. 16 . Ebd., S. 2. Vgl. Akerlof 1970, S. 489. Vgl. Hofbauer 2013, S. 8.
Prozessexzellenz in Bibliotheken
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thek bei der Erstellung und Aktualisierung einer möglichst vollständigen Hochschulbibliografie auf die Informationen des Wissenschaftlers angewiesen ist. Anstelle der Integration des Kunden ist es möglich, Prozesse transparenter zu gestalten. Mithilfe von Tracking-Funktionen37 können der Status der Fernleihbestellung, des Anschaffungsvorschlags, der gemeldeten Publikation oder der Anfrage per E-Mail durch den Kunden abgerufen werden. Man kann davon ausgehen, dass durch eine solche Transparenz der Leistungserstellung beim Kunden sowohl die Unsicherheit verringert, wie auch Vertrauen beim Kunden geschaffen wird, welches neben einem gesteigerten Nettonutzen für den Kunden auch zu höherer Zufriedenheit und einer geringeren Beschwerdehäufigkeit führen wird.38 Werden auf diesem Weg allerdings Informationen vermittelt, die für den Kunden negative Auswirkungen haben, z. B. exorbitante Wartezeiten, muss mit einer ebenso negativen Reaktion des Kunden gerechnet werden.39 Dennoch sollte in den genannten Beispielen der Transparenzgewinn überwiegen.
2.6 Prozess(re-)design und -einführung Prozessexzellenz bedeutet nicht nur Probleme im Prozessablauf zu analysieren und mittels Optimierung zu eliminieren, sondern auch innovationsgetriebenes Prozessmanagement durch Einführung neuer Prozesse oder Prozessstrukturen zu betreiben. Das Prozessdesign kann deshalb sowohl im Anschluss an die Potenzialanalyse für neue bzw. neu konzipierte Prozesse als auch – und das wird häufiger für Bibliotheken der Fall sein – auf der Basis eines bestehenden, analysierten und zu optimierenden Prozesses stattfinden. Im letzten Fall wird von Prozessredesign gesprochen. Die Vorgehensweise eines Prozeß-Redesign ist es, den gesamten Prozeßablauf inklusive der Outputnorm in Frage zu stellen und losgelöst von bestehenden Abläufen einen Alternativprozeß zu entwickeln.40
2.7 Kontinuierliche Verbesserung „Every good process eventually becomes a bad process“41, deshalb gilt:
37 Tracking bezeichnet die Möglichkeit, räumlich zu verfolgen, wo sich bspw. gerade ein Paket befindet, oder einen Prozessstatus zu ermitteln, z. B. ob ein Anschaffungswunsch zur Entscheidung dem Fachreferenten vorliegt oder bereits durch die Medienbearbeitung bearbeitet worden ist. 38 Fließ, Völker-Albert 2002, S. 280. 39 Vgl. Fließ, Völker-Albert 2002, S. 281; Corsten 1985, S. 379. 40 Scholz, Vrohlings 1994, S. 120. 41 Hammer 2015, S. 12.
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Die Veränderung von Prozessen im Zeitablauf sollte durch ein kontinuierliches Erlernen von Fähigkeiten im effektiven Umgang mit Problemen und dem effizienten Einsatz von knappen Ressourcen getragen werden.42
Der kontinuierliche Verbesserungsprozess steht gegenüber dem klassischen, kurzfristig angelegten und drastischen Innovationsgedanken in Bibliotheken im Vordergrund, da die Mitarbeiter die Veränderung in Form der Erhaltung und Verbesserung bestehender Strukturen hier langsam, aber stetig mitgestalten.43 Anhand des Shewart-Deming-Zyklus (Plan-Do-Check-Act-Zyklus, PDCA-Zyklus)44 kann die kontinuierliche Verbesserung als Instrument zur Prozessexzellenz wie folgt erreicht werden: Neue Prozesse müssen zunächst geplant (1. Plan) und im Anschluss, z. B. innerhalb eines Projektes, hinsichtlich der Praxistauglichkeit erprobt werden (2. Do). Die hierdurch entstandenen Evaluationsergebnisse werden gesammelt und analysiert (3. Check). Auf der Basis der Evaluationsergebnisse werden Änderungsoptionen gesammelt (4. Act), die wiederum eine Veränderung des bestehenden Prozesses und damit die Fortführung des Zyklus verursachen.45
Abb. 1: Shewart-Deming-Zyklus (PDCA-Zyklus) nach Deming46
42 43 44 45 46
Bleicher 2001, S. 451. Vgl. Imai 1994, S. 47–49. Vgl. Deming 2000, S. 88. Vgl. ebd. Ebd.
Prozessexzellenz in Bibliotheken
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2.8 Implementierung Die Konzeptions- bzw. Einführungsphase der Prozessexzellenz wird geprägt durch die Entwicklung „eine[r] klare[n] Zielvorstellung einer prozessorientierten Unternehmensführung“47. Mit ihr und neuen bzw. veränderten Prozessen verhält es sich wie mit jedem anderen Projekt: Es handelt sich um einen Spagat zwischen Vorgaben des Managements und der Beteiligung der Mitarbeiter, der mithilfe von Instrumenten des Change-Managements und des Projektmanagements umgesetzt werden kann.48
3 Praxisbeispiele für die Implementierung und Umsetzung von Prozessexzellenz in Bibliotheken Die folgenden Praxisbeispiele sollen das Potenzial in der Umsetzung von Prozessexzellenz veranschaulichen. Hierzu werden die Iplementierung der Open-AccessGold-Förderung (OA-Gold-Förderung) in der Universitätsbibliothek (UB) Dortmund als Prozessdesign-Beispiel sowie das Service-Redesign des National Library Board in Singapur vorgestellt.
3.1 Prozessdesign – Die Open-Access-Gold-Förderung an der Universitätsbibliothek Dortmund49 Auf der Basis der von der Technischen Universität (TU) Dortmund verabschiedeten OA-Erklärung sollte die Dienstleistung der OA-Gold-Förderung das Portfolio der Publikationsdienstleistungen der UB Dortmund erweitern. Hierzu werden sowohl Gelder durch die TU Dortmund als auch eingeworbene Fördermittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) durch die UB Dortmund verwaltet. Die Rollen des Prozessmanagements wurden wie folgt übertragen: – Die Bibliotheksdirektion stellte einen Prozessmanagement-Leader. – Die Prozessverantwortung wurde einer Fachreferentin zugewiesen, die sich vertieft mit Publikationsdienstleistungen und insbesondere OA-Publikationen befasst. Hierzu erhielt sie die Rolle der OA-Beauftragten. – Das Prozessteam basiert auf der OA-Beauftragten und Mitarbeitern der Abteilung für Informationskompetenz und Publikationsunterstützung (IKPU), der die
47 Knuppertz, Feddern 2011, S. 19. 48 Vgl. den Beitrag „Change-Management: Wie Führungskräfte durch Kommunikation zum Gelingen der notwendigen Veränderungen beitragen können“ von Petra Düren in diesem Handbuch. 49 Das Praxisbeispiel basiert auf dem Stand Februar 2017, sodass die bereits durchgeführte Optimierung seit 2015 in die folgende Erläuterung einfließt.
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Dienstleistung auf der Grundlage der Aufbauorganisation der UB Dortmund zugeordnet wird. Als Prozessmanagement-Beraterin und -Modelliererin wurde die Autorin aufgrund ihrer Vorkenntnisse im Prozessmanagement hinzugezogen. In diesem Sinne sollte das Prozessmanagement bottom-up erprobt und hinsichtlich der Umsetzungsform evaluiert werden. Im Anschluss wurde die Berater- und Modelliererrolle einer Mitarbeiterin aus der Bibliotheksverwaltung übertragen.
Die reine OA-Förderung ist keine Kernleistung von Bibliotheken, sodass nicht sofort auf vollständig bestehende Teilprozesse, jedoch z. T. auf Teilprozessmodule zurückgegriffen werden konnte. So waren die nötigen internen Ressourcen, wie die Universitätsbibliografie zur Verzeichnung und das Repositorium zur potenziellen Archivierung der geförderten Publikation, bereits vorhanden. Aufgrund der fehlenden Kernleistung durfte der Prozess nur geringe Personalressourcen verbrauchen, weshalb der Kunde am Prozess sowohl durch persönlichen Antrag als auch durch Prüfungsmechanismen bezüglich der Förderberechtigung und in diesem Sinne aktiv beteiligt werden sollte. Dafür wurde ein interaktives Webformular eingerichtet. Schließlich konnte in mehreren Meetings zwischen der Prozessverantwortlichen und der Prozessmanagement-Beraterin unter Hinzuziehen des Prozessteams ein effizienter und effektiver Prozessablauf modelliert und dokumentiert werden.50
3.2 Vom Prozess- zum Service-Redesign – Einführung von RFID im Bibliothekssystem des National Library Board in Singapur Die Neustrukturierung der Bibliotheksprozesse durch das National Library Board in Singapur, das die Nationalbibliothek, 26 öffentliche Bibliotheken und das Landesarchiv verwaltet, zeigt, dass das Design und Redesign von Prozessen nicht mit einzelnen Prozessen in einer Bibliothek endet.51 Mit dem strategischen Ziel der Kundenorientierung wurde 1995 ein Reengineering-Team aus 50 Mitarbeitern gegründet, das Ist-Prozesse überprüfen sollte. Hierzu wurden sowohl das Personal geschult als auch Nutzerevaluationen durchgeführt. Die Kundenbedürfnisse im Sinne der Prozessexzellenz wurden insbesondere durch Erhebung und Prüfung der Moments of Truth berücksichtigt. Die Ursachen für lange Wartezeiten, z. B. für die Ausleihe von Büchern, die den Kundenprozessanteil erheblich hinsichtlich des Kundennutzens beeinflussten, wurden ermittelt. Der kritische Aspekt der Durchlaufzeit wurde durch Berücksichtigung von zu diesem Zeitpunkt
50 Vgl. Kläre 2015. 51 Vgl. About NLB 2018. S. http://www.nlb.gov.sg/About/AboutNLB.aspx (Abruf: 2018.03.16).
Prozessexzellenz in Bibliotheken
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neuen Technologien und damit eine Umstrukturierung der Prozesse hin zur Umsetzung als Kundenaktivitäten im Sinne von Self-Services gelöst. Dieses Vorgehen entspricht einem Service-Redesign. Der Schlüsselbegriff lautete Radio Frequency Identification (RFID), mit deren Hilfe die selbstständige Ausleihe und Rückgabe von Medien umgesetzt und dadurch die Wartezeit um 99,9 Prozent verkürzt werden konnte.52 Die Reorganisation begann demnach auf der Basis eines strategischen Bibliotheksziels mit einer Analyse des bestehenden Prozesses unter Fokussierung der Kundensicht. Hierbei wurden Wartezeiten als kritisches Element identifiziert. Daraufhin wurde die Prozessbeteiligung der Kunden erhöht und die der Bibliotheksmitarbeiter reduziert. Die auf dem Markt verfügbaren technischen Lösungen wurden gegeneinander abgewogen und letztendlich die RFID-Technik implementiert, weil sie die Durchlaufzeit am positivsten beeinflusst sowie weitere Vorteile beinhaltet.
Fazit Wird Prozessmanagement nicht nur als Modellierungsinstrument der Ablauforganisation, sondern als nachhaltiges und ganzheitliches Instrument betrachtet, kann Prozessexzellenz erreicht werden. Hierbei nimmt die Kundenorientierung als strategisches Ziel eine herausragende Rolle ein, indem neben den internen Prozessen v. a. Schnittstellenprozesse erhoben, dokumentiert, analysiert und optimiert werden. Ergänzend dazu gilt es, IT bestmöglich einzusetzen. Wie bei jeder organisationalen Veränderung ist mit der Implementierung von Prozessexzellenz erheblicher Aufwand und ggf. Widerstand der Mitarbeiter verbunden. Werden jedoch die Vorteile, wie die interne Transparenz und die Partizipation, anstelle eines Optimierungs- und ressourceneinsparenden Instruments hervorgehoben, kann das Personal und damit der „Motor“ der Bibliothek diesen vormals langsam wendenden Tanker53 flexibel in eine Zukunft als exzellenter Dienstleister lenken.
Literatur Letztes Abrufdatum der folgenden Internet-Dokumente ist der 2018.06.19. About NLB. National Library Board Singapore. http://www.nlb.gov.sg/About/AboutNLB.aspx Akerlof, George A.: The Market for „Lemons“. Quality Uncertainty and the Market Mechanism. In: The Quarterly Journal of Economics 84, 1970, H. 3, S. 488–500.
52 Vgl. Choh 2014, S. 151. 53 Vgl. Wirtz 2006, S. 172.
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Christina Kläre
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Prozessexzellenz in Bibliotheken
161
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Franziska Klatt und Beate Guba
Implementierung eines nachhaltigen Innovationsmanagements auf Basis des EFQM-Modells Abstract: Ein nachhaltiges Innovationsmanagement ist in Zeiten sich schnell ändernder Informationstechnologien notwendig, um Trends rechtzeitig zu erkennen, Innovationen zu entwickeln und sie erfolgreich in den Markt einzuführen. Das Gütesiegel „Ausgezeichnete Bibliothek“ der Hochschule der Medien (HdM) folgt den acht Exzellenzkonzepten des Modells der European Foundation for Quality Management (EFQM) und adaptiert diese für Informationseinrichtungen. Indem Qualitätsmanagement als ganzheitliches Steuerungs- und Führungskonzept verstanden wird, liefert dieses Modell einen geeigneten Bezugsrahmen zur Verankerung eines nachhaltigen Innovationsmanagements. Dieser Beitrag gibt einen Einblick in das Innovationsmanagement der Bibliothek Wirtschaft & Management der Technischen Universität Berlin (TU Berlin), die unter der Leitung von Beate Guba zweifach als „Ausgezeichnete Bibliothek“ zertifiziert wurde. Das Bibliotheksteam hat seit der Einführung eines Ideenpools 2011 über 250 Ideen entwickelt, von denen bisher mehr als 40 umgesetzt wurden.
Einleitung Da sich durch die Digitalisierung1 unsere Umwelt und damit die Kundenanforderungen sowie -bedürfnisse rasant verändern, werden Innovationen im universitären Kontext zunehmend relevanter und haben mittlerweile auch in vielen Bibliotheken eine große Bedeutung erlangt.2 Dabei ist es nicht ausreichend, Ideen zu sammeln, vielmehr müssen Bibliotheken ihre Innovationsanstrengungen fokussieren und gezielt managen, um mit dem hohen Tempo des technologischen Fortschritts mithalten und eine effektive Ressourcenallokation sicherstellen zu können. Die Fähigkeit einer Organisation, Innovationen hervorzubringen, hängt stark von den kulturellen Werten und Normen der Organisation ab. Der Wille aller Beteiligten zur kontinuierlichen Verbesserung ist dafür essenziell. Daher hilft es, wenn das Innovationsmanagement in ein ganzheitliches Qualitätsmanagement-Modell eingebettet ist, das Strategie, Führung, Mitarbeiterorientierung, Prozesse, Ergebnisse und 1 Darunter werden die zunehmende Computerisierung unserer Arbeits- und Freizeitwelt und die digitale Revolution mit ihren disruptiven Technologien, innovativen Geschäftsmodellen und Möglichkeiten der Individualisierung und Flexibilisierung verstanden. Vgl. Bendl o. J. (Version 4), o. S. 2 Vgl. Mumenthaler 2011, S. 1.
https://doi.org/10.1515/9783110539011-012
Nachhaltiges Innovationsmanagement
163
vor allem Kundennutzen verknüpft. Ferner ermöglicht ein Qualitätsmanagement (QM), die verschiedenen Teilaspekte des Innovationsmanagements von der Marktforschung über die Ideenentwicklung bis hin zu ihrer Umsetzung zu verbinden und zu einem stimmigen und sich wechselseitig beeinflussenden Kreislauf zu formen. Die Bibliothek Wirtschaft & Management (DBWM) der Technischen Universität Berlin (TU Berlin) führte ihr Innovationsmanagement mit ihrem Qualitätsmanagement im Jahr 2011 ein. Im Jahr 2013 erhielt sie als erste wissenschaftliche Bibliothek Deutschlands von der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart das Gütesiegel „Ausgezeichnete Bibliothek“ für ihr Qualitätsmanagement, das 2016 durch ein erneutes Audit bis 2020 verlängert wurde. In diesem Zusammenhang wurde ein neues Instrument, die Ideenliste, angelegt, um alle Ideen systematisch an einem Ort zu sammeln und zu bewerten. Bisher wurden über 250 Ideen gesammelt, von denen etwas mehr als 40 in der Bibliothek umgesetzt wurden. Die nachfolgende Abbildung gibt einen Überblick über den Status aller Ideen mit Stand September 2017.
Abb. 1: Ideenstatus
Nur fünf Prozent der Ideen wurden nach ihrer Genehmigung nicht weiter verfolgt, darunter beispielsweise eine Joint-Paper-Börse3 für wissenschaftliche Mitarbeiter, die auf ein unzureichendes Interesse in der Zielgruppe stieß. Ziel des Beitrages ist es zu zeigen, dass auch kleine oder mittelgroße wissenschaftliche Fachbibliotheken eine hohe Anzahl von Innovationen hervorbringen können, wenn ihr Innovationsmanagement integraler Bestandteil eines übergeordneten
3 Bei der Joint-Paper-Börse können sich Forscher zum Verfassen gemeinsamer Publikationen finden und austauschen.
164
Franziska Klatt und Beate Guba
Führungs- und Managementkonzeptes ist. Darüber hinaus soll anderen Bibliotheken ein Baukasten aus Instrumenten und Methoden zur Umsetzung eines nachhaltigen Innovationsmanagements an die Hand gegeben sowie Einblicke in die Erfahrungen von DBWM gegeben werden.
1 Innovationsmanagement Es gibt viele verschiedene Sichten auf den Begriff Innovation. Auch Bibliotheken haben den Innovationsbegriff für sich unterschiedlich definiert. In diesem Kapitel werden der Innovationsbegriff definiert und Innovationsarten aufgezeigt. Beides dient als Grundlage des Überblicks der in DBWM entwickelten Innovationen. Für Georgy und Mumenthaler (2012) geht es bei Innovationen in Bibliotheken und Informationseinrichtungen vor allem darum, „aktuellen Trends folgen zu können und den eigenen […] Kunden attraktive Dienstleistungen und Produkte mit einem größtmöglichen Nutzen bieten zu können“4. Dies entspricht auch dem Innovationsverständnis von DBWM, weshalb diese Definition als Grundlage für diesen Beitrag herangezogen wird. Die ETH-Bibliothek stellt dagegen den Neuigkeitsgrad einer Innovation bei ihrem Innovationsverständnis heraus. So sind für die ETH-Bibliothek nur Dienstleistungen und Produkte innovativ, die bisher noch nicht im Bibliothekswesen allgemein und in der Schweiz in den Markt eingeführt wurden.5 Der Neuigkeitsgrad allein sagt jedoch noch nichts über den Kundennutzen aus. So definieren Georgy und Mumenthaler 2012 für die Bayerische Staatsbibliothek (BSB) den Innovationsbegriff unter Berücksichtigung des Kundennutzens wie folgt: „Innovation ist etwas, das weltweit einmalig ist, dem State-of-the-Art um Jahre voraus ist und das beim Nutzer einen ‚Wow-Effekt‘ auslöst.“6 Die Bayerische Staatsbibliothek geht also von radikalen Innovationen aus, bei denen neue Technologien in neue Märkte eingeführt werden. Radikale Innovationen finden sich jedoch in der Realität in Bibliotheken selten. So zeigt die Studie von Georgy (2010), dass Innovationen in Bibliotheken überwiegend neue Produkte und Dienstleistungen mit geringem und mittlerem Neuigkeitsgrad sind.7 Die kontinuierliche Verbesserung des Produktportfolios zur Steigerung des Kundennutzens wird durch das Qualitätsmanagement induziert, weshalb in DBWM inkrementale Neuerungen zur Steigerung des Kundennutzens fokussiert werden. Inkrementale Neuerungen sind Innovationen, die nur für die Bibliothek oder ihre Kunden neu sind, beispielsweise Produkte mit leicht verbesserten Funktionen.8
4 5 6 7 8
Georgy, Mumenthaler 2012, S. 319. Vgl. ebd., S. 321. Ebd., S. 71. Vgl. Georgy 2010, S. 38. Vgl. Trommsdorff, Steinhoff 2007, S. 35.
165
Nachhaltiges Innovationsmanagement
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Qualitätsmanagements (QM) ist die Effizienzsteigerung interner Prozesse und Organisationsstrukturen, die Gegenstand von Innovationen sein können.9 DBWM definiert Innovativität daher als […] die Fähigkeit, neue Services zu identifizieren und zu entwickeln, die den Nutzen für Kunden und das Bibliotheksteam signifikant steigern.10
Dies impliziert auch eine regelmäßige Überprüfung des Nutzens der Bibliotheksangebote, -maßnahmen und -aktivitäten für die verschiedenen Zielgruppen. Abb. 2 zeigt einige der über 40 seit 2011 in DBWM eingeführten Innovationen, die Bereiche, denen sie sich zuordnen lassen, sowie ihren Einführungs-, Relaunch- und Beendigungszeitpunkt.
Abb. 2: Innovationen – Bereiche und Timing
Tab. 1 liefert eine Beschreibung der Innovationen und ordnet ihnen die Innovationsart sowie den Innovationsgrad zu, der vor dem Hintergrund des Einführungszeitpunktes zu betrachten ist.
9 Vgl. Fingerle, Mumenthaler 2016, S. 71. 10 Klatt, Guba 2014.
166
Franziska Klatt und Beate Guba
Tab. 1: Innovationsbeispiele aus DBWM
Name
Beschreibung
Typ
Grad
Embedded WiMi
Teilzeitbeschäftigung eines wissenschaftlichen Mitarbeiters der Fakultät Wirtschaft und Management in der Bibliothek
Organisation hoch
Marktforschung
Nutzerumfragen werden für jede der Hauptzielgruppen (Professoren, wissenschaftliche Mitarbeiter und Studierende) separat erhoben; Lead User der drei Gruppen werden in Workshops integriert
Prozess
Prozessmodellierung
Modellierung der Prozesse mit Bizagi
Organisation hoch
Systematisches Feedback-Management
Integration des Kundenfeedbacks aus einer Vielzahl von Kanälen (Comment Cards, persönliches Gespräch, Social Media, Verhaltensbeobachtungen)
Prozess
mittel
Geocache
Schatzsuche mit dem Smartphone über den Campus und in der Bibliothek
Service
hoch
Wiki
Interne Informationsbereitstellung für Ausleih- und Informationsdienst
Prozess
gering
App
Bibliotheksapp für die Recherche und Verwaltung des Bibliothekskontos unterwegs
Service
mittel
Beziehungsmarketing
Persönlicher Mentor für Forscher der Fakultät
Service
mittel
Cloud Computing
Umstieg auf einen virtuellen Server
Prozess
hoch
Count the Traffic
Zählung der Nutzer sowie deren Aktivitäten durch Beobachtung
Prozess
mittel
Library Toolbars
Suchmaschinenerweiterung mit relevanten Links wie Katalogen, Tables of Contents von Fachzeitschriften
Service
mittel
Mitarbeiterstelle für Marketing
Eine Bibliotheksstelle wird mit einer Person mit Fachkenntnissen im Marketing besetzt
Organisation hoch
YouTube
Videokanal für selber produzierte Marketingund Lernvideos
Service
gering
Website
Zweimaliger Relaunch für höhere Usability
Service
gering
Facebook
Social-Media-Kanal zur Kommunikation mit studentischen Nutzern
Service
gering
Google+
Social-Media-Kanal zur Kommunikation mit studentischen Nutzern
Service
gering
mittel
167
Nachhaltiges Innovationsmanagement
Tab. 1: (fortgesetzt) Name
Beschreibung
Typ
Grad
Information Expert Passport
Service Blended-Learning-Schulungsprogramm zur Vermittlung von Informationskompetenz auf Anfänger-, Fortgeschrittenen- und Expertenniveau
mittel
In Design-Hands-onTraining
Forscher werden in die Programme Adobe Illustrator und das Programm InDesign eingearbeitet zur Erstellung hochauflösender Grafiken für ihre Publikationen
Service
hoch
Lernvideos
17 szenariobasierte Lernvideos in Comicform
Service
mittel
Ruheraum
Separater Raum mit großen Sitzkissen und angenehmer Beleuchtung für Erholungspausen
Service
mittel
Streetteams
Bibliotheksmitarbeiter tragen bei Events Service Bauchladen und verteilen Informationsunterlagen
gering
Workshop Erfolgreich Artikel publizieren: Meet the Editors
Workshop für wissenschaftliche Mitarbeiter mit Herausgebern wissenschaftlicher Fachzeitschriften
Service
mittel
Barco ClickShare
Projektion der Bildschirme von bis zu vier Endgeräten auf einen großen Monitor zur Förderung der Teamarbeit
Service
mittel
Beratung Forschungsdatenmanagement
Beratung zum Forschungsdatenmanagement
Service
hoch
Newsletter
Marketinginstrument, um drei- bis viermal jährlich Forschende, Präsidium und Verwaltung über Entwicklungen der Bibliothek, anstehende Termine etc. zu informieren
Service
gering
2 Innovationsmanagement, strategisches Marketing und Qualitätsmanagement „Innovationen bedürfen einer grundlegend anderen Behandlung als Routineaufgaben“.11 Daher ist es sinnvoll, die Innovationsanstrengungen durch ein Innovationsmanagement zu fokussieren. Innovationsmanagement kann in die drei Ebenen normativ, strategisch und operativ unterteilt werden. Auf der normativen Ebene werden Vision, Mission, Leitbilder und Werte definiert.12 Die strategische Ebene beschäftigt
11 Fingerle, Mumenthaler 2016, S. 1. 12 Vgl. Albers, Gassmann 2011, S. 5 f.
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sich mit Ressourcen, Technologien, Kompetenzen, Wissen, Märkten, Kunden, Kooperationen und Wettbewerbern und die operative Ebene mit dem Innovationsmanagement-Prozess sowie der Leistungserstellung. Wie die Dreiteilung zeigt, überlappt Innovationsmanagement mit vielen Bereichen des strategischen Managements und Marketings, allerdings mit einem Fokus auf ständiger Weiterentwicklung und Verbesserung, da Innovationsmanagement längerfristig für neue Impulse sowie für einen kontinuierlichen Veränderungsprozess sorgen soll.13 Da dies dem Grundgedanken von Qualitätsmanagement-Modellen entspricht und das Qualitätsmanagement viele Parallelen zum strategischen Marketing aufweist, ist eine Verzahnung von Innovationsmanagement und QM sinnvoll.14 Zudem empfiehlt es sich, das Innovationsmanagement-Modell in bereits implementierte Managementprozesse zu integrieren.15 So wird die Hürde der Einführung eines Innovationsmanagements in eine Organisation reduziert. Das Modell „Ausgezeichnete Bibliothek“ basiert weitgehend auf dem Modell der European Foundation for Quality Management (EFQM)16 und integriert Teile des Common Assessment Framework (CAF), das in der öffentlichen Verwaltung Anwendung findet.17 Das EFQM-Modell definiert Grundkonzepte der Exzellenz, die Erfolgsfaktoren und Leitlinien für das Management einer Organisation darstellen. 2013 erfolgte eine Umbenennung der EFQM-Grundkonzepte, um Veränderungen angemessen abzubilden. Die acht Grundkonzepte der Exzellenz von 2013 dienen in weiterer Folge als Gliederungsstruktur des Beitrags. Sie sind nämlich auch für das Innovationsmanagement relevant und lassen sich für dieses konkretisieren. Sie werden im Folgenden dargestellt.
2.1 Mit Vision, Inspiration und Integrität führen Die Instrumente Vision und Leitbild lassen sich der normativen Ebene des strategischen Marketings und Managements zuordnen. Sie sind wichtig, um allen Mitarbeitenden klare Zukunftsvorstellungen der Organisation zu vermitteln und so das Gemeinsamkeitsgefühl zu steigern. Eine Vision beschreibt den gewünschten Istzustand einer Organisation in den nächsten drei bis fünf Jahren. Wird sie klar definiert und kommuniziert, führt sie zu einem stärkeren Commitment der Mitarbeitenden und zu
13 Vgl. Fingerle, Mumenthaler 2016, S. 56. 14 Vgl. Vonhof 2012. 15 Vgl. Mumenthaler 2011. 16 Für eine Beschreibung des Modells s. The EFQM Excellence Model. European Foundation for Quality Management. http://www.efqm.org/the-efqm-excellence-model (Abruf: 2018.06.19). 17 Vgl. Vonhof 2012, S. 303.
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einer höheren Arbeitszufriedenheit.18 Sie steigert Kreativität und führt damit zu neuen Ideen und einer innovativen Organisationskultur. Dies wiederum zeigt sich in einer besseren Performance einer Bibliothek.19 Die Visualisierung der Vision unterstützt deren Kommunikation im Bibliotheksteam, aber auch nach außen und hilft, neue Ideen und Projekte mit ihr in Einklang zu bringen. Abb. 3 zeigt die Vision von DBWM für die Jahre 2015 bis 2020.
Abb. 3: DBWM-Vision 2020
Neben der Vision ist für eine Organisation ein Leitbild wichtig, da es die Werte der Organisation definiert. Das 2011 definierte Leitbild von DBWM wurde von allen Mitarbeitenden unterschrieben und zeigt so, dass sich das Handeln aller an diesen Werten orientiert.20 Eine besondere Rolle kommt den Führungskräften zu, die in Bezug auf diese Werte als Vorbilder agieren sollen. In DBWM wurde das Leitbild partizipativ mit dem gesamten Team entwickelt und aus einer umfangreichen SWOTAnalyse hergeleitet.
18 Vgl. Jantz 2017, S. 234. 19 Vgl. Jantz 2017, S. 238. 20 S. Leitbild. Die Bibliothek Wirtschaft & Management. http://www.dbwm.tu-berlin.de/menue/ue ber_uns/leitbild/ (Abruf: 2018.06.19).
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2.2 Nachhaltig die Zukunft gestalten Exzellente Organisationen beeinflussen ihre Umwelt positiv, indem sie die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Bedingungen der Akteure aus ihrem Umfeld verbessern.21 Die Bibliothek hat den Nachhaltigkeitsaspekt bereits in ihrer Vision und dem Leitbild verankert. So strebt sie u. a. den Status einer Green Library an und zielt auf einen effizienten Umgang mit Ressourcen. Ferner nehmen die Aspekte Diversität und Kompetenzvermittlung einen hohen Stellenwert ein, wie die Zusammensetzung des Bibliothekspersonals und die englischsprachigen Dienstleistungsangebote zeigen. Zur Integration des Nachhaltigkeitsaspektes in eine Organisation ist die SWOTAnalyse ein geeignetes Instrument, indem die Umfeldanalyse mithilfe der PESTELMethode durchgeführt wird.22
2.3 Dauerhaft herausragende Ergebnisse erzielen Exzellente Organisationen erfüllen die langfristigen und kurzfristigen Bedürfnisse ihrer Stakeholder. Dazu müssen die Bedürfnisse der verschiedenen Interessengruppen gemessen sowie verstanden und daraus Handlungsmaßnahmen abgeleitet werden. Die Bedürfnisse der Stakeholder werden mithilfe von Trendforschung, Marktforschung und SWOT-Analyse erhoben. Außerdem kann eine sogenannte StakeholderMatrix aus dem Projektmanagement herangezogen werden, bei der die Erwartungen und Einstellungen der verschiedenen Interessengruppen gegenüber der Bibliothek sowie ihr Einfluss auf die Bibliothek und ihre Dienstleistungen festgehalten werden.23 Jedes Serviceangebot muss einen Beitrag zur Erfüllung der Bedürfnisse der Zielgruppen leisten. Wichtig ist, dass sich die zielgruppenspezifischen Bedürfnisse in deutlich zu unterscheidenden Services der Bibliothek widerspiegeln. Dies ist beim zielgruppenspezifischen Aufbau der DBWM-Website der Fall, wie auch bei den klaren Zieldefinitionen sowohl für die Forschenden – „Wir als Partner für Forschung und Lehre“ – als auch für die Studierenden – „Bibliothek als Lernoase und Ort des Wohlfühlens“. Die Produkt- bzw. Serviceevaluation erfolgt auf der Basis der kontinuierlich erhobenen Statistiken. Abb. 4 zeigt exemplarisch Beratungen zum Forschungsdatenmanagement als Auszug aus dem Dienstleistungsportfolio der Bibliothek und Abb. 5 ein Beispiel der Messung der Nutzung dieser Dienstleistung.
21 Vgl. Fundamental Concepts o. J. 22 PESTEL steht für die politischen (political), ökonomischen (economical), soziokulturellen (social), technischen (technological), ökologischen (environmental) und rechtlichen (legal) Umweltfaktoren, die bei der Definition einer Strategie zu berücksichtigen sind. Zur Methode vgl. Oehlrich 2013, S. 219 f. 23 Vgl. Krips 2017, S. 15, 19, 20.
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Abb. 4: Auszug aus dem DBWM-Dienstleistungsportfolio
Abb. 5: Auszug aus der DBWM-Dienstleistungsstatistik
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Das DBWM-Dienstleistungsportfolio beinhaltet neben der Beschreibung eines Service auch seine nutzenstiftenden Aspekte für die verschiedenen Zielgruppen. Bei der DBWM-Dienstleistungsstatistik ist zunächst das Ziel der Messung entscheidend. Neben dem Zyklus und dem Berichtszeitraum werden darüber hinaus die jeweils verantwortlichen Personen definiert. Zur Sicherstellung einer Einheitlichkeit sind die Messgrößen sowie die zu verwendenden Instrumente festgelegt.
2.4 Nutzen für Kunden schaffen Kundenorientierung ist ein wesentlicher Bestandteil des Qualitätsmanagements und für das Innovationsmanagement insofern besonders relevant, als dadurch Marktakzeptanz sichergestellt wird. Methoden der Marktforschung und des strategischen Marketings finden in Form von Befragungen, Fokusgruppeninterviews und Verhaltensbeobachtungen einerseits und Umweltanalysen, Trendbeobachtung und Benchmarking mit Vorreitern im Bibliothekswesen andererseits Eingang. Kundenumfragen werden in DBWM differenziert nach Kundengruppen regelmäßig, d. h. in einem Abstand von maximal zwei Jahren, durchgeführt. Die Beurteilung der Relevanz der Services durch die Kunden wird dabei in Relation zu deren Zufriedenheit gesetzt. Außerdem haben die Kunden die Möglichkeit, Vorschläge zu machen, also eigene Ideen einzubringen und so an der Weiterentwicklung des Dienstleistungsportfolios zu partizipieren. Der Mehrwert steht dabei besonders im Fokus, da er den Wert des betreffenden Service steigert und somit erfolgreich zur Kundenbindung eingesetzt werden kann. Die folgende Tabelle zeigt die Mehrwertstrategie der Bibliothek anhand ausgewählter Beispiele.
Tab. 2: Mehrwertstrategie
Service
Kernwert
Auftragsrecherche – Beratung bei der Auswahl der Recherchequellen – Erhalt deduplizierter bibliografischer Informationen – Auswahl des gewünschten Formats (EndNote, Citavi) – Detaillierte Recherchehistorie InDesign-Handson-Training
– Fachliche Expertise der Bibliotheksmitarbeiter – Individuelle Unterstützung – Schnelle Terminvereinbarung
Mehrwert – Lerneffekt durch Transparenz – Verwertbarer Output für Systematic Literature Reviews
– Zeitersparnis durch gezielte Beantwortung der Fragestellungen – Verwertbarer Output in Form von Infografiken oder Postern
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Tab. 2: (fortgesetzt)
Service
Kernwert
Mehrwert
Lernvideos
– Zeitlich und örtlich uneingeschränkter Zugang zu Selbstlernmaterialien – Geringer Aufwand als Folge der kurzen Videodauer von max. fünf Minuten und anschaulicher Erklärungen – Lernstoff von Anfänger- bis Fortgeschrittenenniveau – Auswahl zwischen deutscher und englischer Sprache
– Passgenaues Schließen von Wissenslücken – Nachweis im Information Expert Passport (IEP)
2.5 Veränderungen aktiv managen Um Veränderungen durch Innovationen aktiv zu steuern, werden Instrumente des operativen Managements sowie des internen Marketings eingesetzt. Als Prozess kommt in der Bibliothek ein Stage-Gate-Modell in Anlehnung an Cooper (2002) zum Einsatz, bei dem sehr viele Ideen berücksichtigt, an den einzelnen „Gates“ schnellstmöglich durch einen neutralen Gatekeeper auf ihre Erfolgsaussichten hin geprüft und aussortiert werden (Go/No-Go-Entscheidung).24 Auf diese Weise können Ressourcen gespart werden. Die folgende Darstellung zeigt einen Auszug aus dem Stage-Gate-Modell von DBWM und den Kriterien, die auf der jeweiligen Stufe erfüllt werden müssen (s. Abb. 6). Für die Ideenfindung werden verschiedene Quellen einbezogen.25 Die Ideen werden auf den zweiwöchentlich stattfindenden Teamsitzungen vorgestellt. Stimmt die Mehrheit der Anwesenden der Idee zu, wird sie von einem oder mehreren Teammitgliedern mit der VIS-26 sowie der PMI-Methode27 differenziert und dokumentiert. Häufig erfolgt die Ideenauswahl in Bibliotheken willkürlich, da Selektionskriterien für Innovationen fehlen.28 Die Ideenbewertung in DBWM erfolgt mindestens zweimal jährlich durch einen Innovationszirkel, bestehend aus der Bibliotheks- und den Bereichsleitungen. Das Scoringmodell basiert auf dem Bewertungsschema der Bücherhallen Hamburg und wird in Abb. 7 dargestellt.29
24 Vgl. Cooper 2002. S. auch Fingerle, Mumenthaler 2016, S. 77. 25 Zum Beispiel wird nicht nur geschriebenes oder verbales Feedback der Nutzer aufgenommen, sondern es werden auch Serviceideen durch die Beobachtung des Nutzerverhaltens (z. B. Count the Traffic) generiert. 26 VIS steht für verrückt, innovativ, sofort umsetzbar. 27 PMI steht für positive (plus), negative (minus) und interessante Aspekte (interesting). 28 Vgl. Georgy 2015, S. 30. 29 Vgl. Jährig, Paul 2014, S. 4.
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Abb. 6: DBWM-Stage-Gate-Prozess
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Abb. 7: DBWM-Scoringmodell
Jedes Kriterium wird von allen Personen des Innovationszirkels mit Punkten bewertet. Anschließend wird der Gesamtwert einer Idee unter Berücksichtigung der Gewichtung der einzelnen Kriterien ermittelt. Die maximal zu erreichende Punktzahl pro Idee beträgt 235. Die Mindestpunktzahl ist 100, darunter wird eine Idee automatisch von
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dem Zirkel abgelehnt. Aber: Auch verworfene Ideen verbleiben in der Liste, weil sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder relevant werden könnten.30 Nachdem eine Idee für positiv befunden wurde, wird ein erstes Konzept für seine Umsetzung erstellt und in Form eines Projektantrages der Bibliotheksleitung vorgelegt. Anhand dieses Antrages wird der Projektfortschritt nach Freigabe des Projektes quartalsweise durch die Bibliotheksleitung geprüft. Hier beginnt also das Projektmanagement, das den operativen Qualitätsmanagement-Instrumenten zuzuordnen ist.31 Auf der Basis der Konzeptskizze werden der „Fit“ mit den Bibliothekszielen, die beteiligten Akteure, die Prozessschritte und das Timing definiert. Ferner wird festgehalten, wie der Projekterfolg gemessen wird. Nach der Freigabe des Projektantrages erfolgt die Ausarbeitung eines Detailkonzeptes, bei dem u. a. die Prozessmodellierung im Vordergrund steht. Prozesse unterstützen das Wissensmanagement und sorgen für Transparenz, insbesondere im Hinblick auf Neuerungen. Die Bibliothek arbeitet mit 38 Kern-, zehn Management- und neun Supportprozessen. Sämtliche Prozesse sind in einer Prozesslandkarte dokumentiert. Eng verzahnt mit den Prozessen sind Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, was die Effizienz in der Leistungserbringung steigert. Daher werden Prozesssteckbriefe sowie die RACI-Methode eingesetzt, die die verschiedenen Verantwortlichkeiten aller beteiligten Akteure festlegt.32 Die Prozessmodellierung erfolgt mit der Bizagi-Software im Rahmen des kostenlosen, aber registrierungspflichtigen Zugangs. Die Entscheidung für dieses Softwaretool fiel aufgrund seiner einfachen Bedienbarkeit, der Vielfalt an Darstellungsmöglichkeiten (Export von Word, PDF, Excel, verschiedenen Bildformaten, Web, Microsoft Sharepoint) und der Verknüpfungsfunktion von Dokumenten und Prozessen. Es gibt eine Vielzahl anderer kostenloser und kostenpflichtiger Programme wie beispielsweise Processhub, ARIS express und Microsoft Visio. Abb. 8 zeigt exemplarisch den Feedback-Management-Prozess von DBWM, der den Managementprozessen zuzuordnen ist.
30 Vgl. Fingerle, Mumenthaler 2016, S. 141 . 31 Vgl. Vonhof 2012, S. 288. 32 RACI bedeutet: – Responsible: Person, die verantwortlich für die Durchführung der Aktivität ist. – Accountable: Person, die die Kosten- und Gesamtverantwortung für die Aktivität trägt. – To be consulted: Person, die zum Erhalt von Informationen einbezogen wird. – To be informed: Person, die nach der Aktivität zu informieren ist. Zur RACI-Methode vgl. Bach et al. 2017, S. 218 f. In einem Innovationsprojekt sollte jeweils nur eine Person „responsible“ oder „accountable“ sein, wobei es dieselbe Person sein kann. Die Attribute „to be informed“ und „to be consulted“ können auf mehrere Teammitglieder einer Bibliothek zutreffen.
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Abb. 8: DBWM-Feedback-Management-Prozess
Wenn im Laufe der Erstellung des Detailkonzeptes keine neuen Erkenntnisse auftauchen, die der Umsetzung entgegenstehen, wird das Innovationsprojekt umgesetzt. Hier wird der konkrete Service entwickelt und wenn möglich durch „Lead User“ getestet und modifiziert. „Lead User“ sind besonders fortschrittliche Kunden, die Kundenbedürfnisse vor allen anderen Kunden wahrnehmen und stark an einer Lösung zur Befriedigung dieser Bedürfnisse interessiert sind, da sie in besonderem Maße davon profitieren.33 Die Innovation wird in das Dienstleistungsportfolio-Dokument eingearbeitet sowie ihre Key Performance Indicators (KPIs) in die Statistik-Datei der Bibliothek eingetragen, die der Überprüfung des Erfolges einer Innovation dient. Das Innovationscontrolling erfolgt einmal jährlich durch die Bibliotheksleitung und wird in einem Strategie-Meeting mit den Mitarbeitenden besprochen. Innovationen, bei denen das Verhältnis von Nachfrage und Aufwand des Serviceangebots nicht mehr ausgewogen ist, werden wieder vom Markt genommen. So hat die Bibliothek beispielsweise ihren Geocache „Das schwarze Schaf“ und die Library Toolbars aufgrund sinkender Nachfrage eingestellt.34
33 Vgl. Trommsdorff, Steinhoff, 2017, S. 173. 34 Dabei ist das Innovationscontrolling nicht mit dem Projektcontrolling zu verwechseln, welches lediglich bis zur Umsetzung eines Projektes Bestand hat und unterschiedliche Erfolgskennzahlen aufweisen kann. Der Erfolg einer Innovation wird in der Regel an ihrer Akzeptanz oder Nutzung gemessen.
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Die Markteinführung wird mit Maßnahmen des Innovationsmarketings begleitet, um einerseits die Kunden auf neue Angebote aufmerksam zu machen, andererseits auch innerhalb des Bibliotheksteams die Vorteile der Neuerungen aufzuzeigen, Wissen über die Innovation zu teilen und über den Entwicklungsfortschritt zu berichten. Zur internen Kommunikation verwendet DBWM Team-, Fokus- und Strategie-Meetings sowie eine transparente, für alle Mitarbeitenden zugängliche Dokumentation aller Innovationsprojekte. Darüber hinaus ist es hilfreich, innerhalb des Bibliotheksteams, aber auch innerhalb der Kundengruppen Fürsprecher und damit Multiplikatoren für Innovationsprojekte zu gewinnen, die die echte Nachfrage belegen. Um an dieser Stelle wieder auf das Stage-Gate-Modell zurückzukommen: Dabei sollte grundsätzlich darauf geachtet werden, dass eine Ausgewogenheit zwischen Projekten mit schnell sichtbaren Erfolgen und langfristigen Innovationsprojekten mit langen Vorlaufzeiten gegeben ist. Dies ist für die positive Innovationskultur einer Organisation wichtig, da die Motivation für Neuerungen steigt, wenn immer wieder Erfolge gefeiert werden können.
2.6 Durch Mitarbeiter erfolgreich sein Die systematische Entwicklung der Fähigkeiten und Fertigkeiten der Mitarbeitenden ist notwendig, um benötigtes Wissen im Hinblick auf die Innovationsentwicklung in der Bibliothek verfügbar zu machen. Personalentwicklung ist damit ein wichtiger Erfolgsfaktor für Innovationen.35 In Bibliotheken werden innovationsbezogene fachliche Qualifikationen zwar als sehr wichtig erachtet, dennoch sind sie nicht in dem Ausmaß vorhanden, wie sie benötigt werden.36 DBWM verwendet zur Mitarbeiterentwicklung eine Kompetenzmatrix, bei der die Ist- und Sollzustände bezüglich der Qualifikation der Mitarbeitenden in den Bereichen Bibliotheksverwaltung und Recht, IT, soziale Kompetenzen und Management auf einer Skala von null bis drei bewertet werden.37 Zunächst führt die Bibliotheksleitung jährlich eine Einschätzung über die vorhandenen Kompetenzen der Mitarbeitenden durch, die dann in einem bilateralen Gespräch mit deren Wahrnehmung abgeglichen wird. In dem Gespräch werden Lücken aufgezeigt und neue „Soll-Level“ definiert, aus denen sich Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für das gesamte Team ableiten lassen. Durch das systematische Vorgehen wurde die durchschnittliche Anzahl der Fort- und Weiterbildungstage pro
35 Vgl. Fingerle, Mumenthaler 2016, S. 25. 36 Vgl. Georgy 2012, S. 17. 37 Drei Punkte stehen für das Vorhandensein sehr guter Fähigkeiten, sodass Mitarbeiter Experten in diesem Bereich sind. Zwei Punkte bedeuten, dass die entsprechende Aufgabe selbstständig erledigt werden kann, und ein Punkt besagt, dass die betreffende Person noch am Anfang der Lernkurve steht. Null Punkte bedeuten, dass bei der Person keine entsprechenden Kenntnisse vorhanden sind, aber auch, dass diese Kenntnisse nicht benötigt werden.
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Person im Jahr von eins auf zehn erhöht und so benötigtes Wissen zur Umsetzung von Innovationen im Bibliotheksteam erworben.
2.7 Kreativität und Innovation fördern „Ohne die Einbindung und Akzeptanz der Mitarbeitenden könnten tragende Elemente des Innovationsmanagements wie z. B. Kreativität, organisationales Lernen, Flexibilität und Veränderungsbereitschaft nicht gewährleistet sein.“38 DBWM bindet daher alle Mitarbeiter in den Innovationsprozess ein. Jederzeit können Ideen eingebracht werden. Nach eingehender Prüfung von webbasierten Ideenplattformen hat sich die Bibliothek für die niedrigschwellige Lösung einer Excel-Tabelle entschieden, um die Barrieren der Ideensammlung möglichst gering zu halten. In Kreativitätsworkshops und Strategie-Meetings werden Kreativitätstechniken genutzt, um das gesamte kreative Potenzial der Mitarbeitenden auszuschöpfen. Ferner werden Mitarbeiter entsprechend ihrer Kompetenzen und Interessen in Innovationsprojekte eingebunden, was ihre Motivation steigert.
2.8 Die Fähigkeiten der Organisation entwickeln Neben den Fähigkeiten und dem Engagement der Mitarbeiter ist es für die Exzellenz einer Organisation entscheidend, die richtigen Partnerschaften und Kooperationen einzugehen und zu pflegen. Dazu zählt nicht nur der Buchhandel mit seinen Vertretern, sondern auch Partner in der Bibliothekswelt, dem Bildungswesen, den Unternehmen der Kreativwirtschaft u.v.m. Die Bibliothek hat beispielsweise bei der Entwicklung ihrer Lernvideos anfänglich auf die Expertise eines Mediendesigners zurückgegriffen und dadurch rasch eigene Expertise und eine hohe Professionalität in der Produktion von Comic-Videos aufgebaut. Aber auch andere Externe und Kunden können Teil des Innovationsprozesses werden.39 Die folgende Abbildung zeigt angelehnt an Georgy (2011) einen Überblick über die am Innovationsprozess von DBWM beteiligten Akteure und ihre Rollen.
38 Rieckenbach 2015, S. 90. 39 Vgl. Georgy 2011, S. 17.
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Abb. 9: Akteure und ihre Rollen im Innovationsprozess von DBWM40
Das durch die Count-the-Traffic-Methode41 gewonnene größere Verständnis der vielfältigen Bedürfnisse der Nutzergruppe der Studierenden war beispielsweise eine Grundvoraussetzung, um ein sinnvolles Konzept für eine räumliche Neugestaltung der Bibliothek zu entwickeln, einen paritätisch besetzten Kundenbeirat zu installieren und so die Weiterentwicklung der gesamten Organisation entscheidend voranzutreiben.
Fazit Der Beitrag gibt einen umfassenden Überblick über das auf dem EFQM-Modell basierende Innovationsmanagement von DBWM. Die acht Grundkonzepte des Modells lassen sich für das Innovationsmanagement konkretisieren und helfen, Innovation
40 Eigene Darstellung nach Georgy 2011, S. 17. 41 Bei der Count-the-Traffic-Methode bewegen sich Bibliotheksmitarbeiter durch die Bibliothek, sie beobachten und erfassen, welchen Aktivitäten die Kunden in unterschiedlichen Bereichen der Bibliothek nachgehen. Die Messung erfolgt in DBWM mehrmals im Jahr jeweils eine Woche hindurch zu festgelegten Tageszeiten. Da die Messungen jedes Jahr wiederholt werden, liegt bereits eine längere Zeitreihe vor.
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und kontinuierliche Veränderungsbereitschaft in der DNA der Organisation zu verankern. Ein entscheidender Anteil an einem erfolgreichen Innovationsmanagement kommt der Bibliotheksleitung zu, die zum einen als Vorbildfunktion Mut zu und Interesse an Neuerungen zeigen und zum anderen dem Bibliotheksteam Freiräume zur Identifizierung und Umsetzung von Innovationsprojekten gewähren sollte. Danksagung: Die Autorinnen danken der Mediendesignerin und Angestellten der DBWM, Katarina Hribar, für ihre Unterstützung bei der Erstellung der Grafiken in diesem Beitrag.
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Ursula Georgy
Open Innovation und Crowdsourcing: Das Management von Offenheit Abstract: Bibliotheken und Informationseinrichtungen tun sich teilweise schwer mit systematischem Innovationsmanagement. Dies liegt u.a. an begrenzten Ressourcen. Open Innovation und Crowdsourcing können dazu beitragen, dieses Defizit zu reduzieren, da beide Methoden auch auf externes Know-how setzen. So haben vor allem auch kleinere Einrichtungen die Chance, z.B. ihren Ideenpool wesentlich zu erweitern. Der Beitrag beschreibt diese beiden Innovationsstrategien und stellt dabei das strategische Management in den Vordergrund.
Einleitung Bibliotheken und Informationseinrichtungen stehen vor der großen Herausforderung, technologische Entwicklungen systematisch zu beobachten und sie für neue Dienstleistungen zu nutzen.1 Bisher gibt es jedoch nur wenige Bibliotheken und Informationseinrichtungen, die dies im Sinne eines systematischen Innovationsmanagements2 tun. Bisher folgen wenige einer klar definierten Strategie, mit der Folge, dass Innovation häufig das Ergebnis von Zufällen bleibt. In der Einordnung von Shapiro verbleibt Innovationsmanagement auf der ersten Stufe des Innovationsmanagements: Innovation ist ein einmaliges Event.3 Innovation in most organizations is episodic. It is unpredictable. And it is certainly not repeatable.4
Level zwei bezeichnet Shapiro als „Innovation als Fähigkeit“, wobei Strukturen und Prozesse des Innovationsmanagements eingeführt werden. Erst mit Level drei wird Innovation zu einem System: Innovation ist in alles eingebettet, was die Mitarbeiter tun, d. h., Innovation wird nicht losgelöst vom Tagesgeschäft und den zentralen Tätigkeiten betrachtet. Die Anforderungen an die Bibliothek steigen: Kunden erwarten regelmäßig neue, innovative Produkte und Dienstleistungen. Damit befinden sich Bibliotheken zuneh
1 Vgl. Georgy, Schade 2012, S. 9. 2 Unter Innovationsmanagement wird nach Vahs und Burmester die systematische Vorbereitung, Durchführung, Koordination sowie Kontrolle aller Innovationsaktivitäten verstanden. Vgl. Vahs, Burmester 2005, S. 47. 3 Vgl. Shapiro 2010. 4 Ebd.
https://doi.org/10.1515/9783110539011-013
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mend in einem technologischen, ökonomischen, infrastrukturellen und medialen Spannungsfeld; nur wenn sie sich den Herausforderungen von Innovationen stellen, werden sie langfristig ihre Legitimität sichern können. Ein Blick in die Literatur zeigt, dass sich Kunden in den 1960er und 1970er Jahren mit einer kleinen und eher begrenzten Produktvielfalt begnügen mussten. Die Nachfrage wurde weitgehend durch die Unternehmen „konditioniert“, sodass Kunden von dem vorhandenen Angebot „abhängig“ waren.5 Heute ist das Angebot so groß, dass Kunden selbst aktiv nach den passenden Angeboten suchen – idealerweise fordern sie in hohem Maße individualisierte und personalisierte Angebote. Für Innovation gilt: Neues muss sich stets gegen Bestehendes durchsetzen. Dies gelingt nur, wenn die Innovation eine bessere Leistung aufweist und dies von Kunden auch wahrgenommen wird. Zahlreiche Produkte und Dienstleistungen werden im Rahmen von Innovation nur in deren (bestehenden) Schlüsselattributen – im Sinne von inkrementellen Verbesserungen/Veränderungen6 – weiterentwickelt.7 Indem Produkte und Dienstleistungen auf die von Kunden geforderte Weise optimiert werden, bedienen viele Einrichtungen den Markt auf kurze Zeit perfekt. Damit laufen sie aber Gefahr, mittel- bis langfristig nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein, da sie keine Produkte und Dienstleistungen anbieten, für die es scheinbar (noch) keinen Markt gibt. Wie viele andere Unternehmen auch stehen Bibliotheken vielfach vor dem Innovatorʼs Dilemma8: Auf der einen Seite müssen sie ihre bisherigen Kunden und Zielgruppen bedienen, d. h., die Dienstleistungen, die zum Standardangebot einer jeden Bibliothek gehören, auch weiterhin anbieten, auf der anderen Seite müssen sie aber hinsichtlich Innovationen aktiv sein, um sich verändernde und neue Märkte bedienen bzw. sich diese erschließen zu können.9 Bibliotheken ähneln hinsichtlich ihres Innovationsmanagements in weiten Teilen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU): Die Mitarbeiter sind häufig zurückhaltend gegenüber neuen Medien und Technologien sowie gegenüber Innovationen an sich. Es besteht eine gewisse Resistenz oder zumindest Reaktanz. Zudem dominiert das Alltagsgeschäft; Managementkenntnisse und -kompetenzen fehlen häufig.10 Eine weitere Gemeinsamkeit besteht darin, dass es im Innovationsmanagement nur eine geringe Zahl an qualifiziertem Personen gibt und auch die Zahl derjenigen Mitarbeiter, die an Innovationen mitwirken, eher niedrig ist.11 Trotzdem muss gelten:
5 Vgl. Karpik 2011, S. 130. 6 Kontinuierliche und schrittweise Verbesserungen/Veränderungen von bereits bestehenden Produkten, Dienstleistungen, Prozessen und Geschäftsmodellen werden als inkrementell bezeichnet. 7 Vgl. Georgy 2017, S. 9 . 8 S. Christensen, Clayton M.: The Innovatorʼs Dilemma. Reprint. Brighton: Harvard Business Review Press, 2016. 9 Vgl. Georgy 2017, S. 13. 10 Vgl. Georgy 2014, S. 5 und Georgy 2016, S. 81. 11 Vgl. Georgy 2016, S. 81.
Open Innovation und Crowdsourcing
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Zentrale Aspekte von Innovation sind, dass durch systematische, zielgerichtete Prozesse neue Ideen in neuartige Produkte und Dienstleistungen umgesetzt und diese auch erfolgreich am ‚Markt‘ platziert werden.12
In klassischen Innovationsprozessen geht es häufig um Pionierstrategien, die besonders dann erfolgreich sind, wenn der Markteintritt schnell und wirksam erfolgt.13 Für Bibliotheken und Informationseinrichtungen sind solche Strategien in den wenigsten Fällen das Ziel, da es in den seltensten Fällen um Schutzrechte wie Patente geht und zudem eine First-Mover-Strategie nur von wenigen großen Bibliotheken angestrebt wird bzw. werden muss. Vielmehr muss es darum gehen, Innovationen mehrheitsfähig zu machen. Sie sollen zum Nachahmen – und das durchaus weltweit – einladen, sodass sie möglichst vielen Einrichtungen nutzen und der Legitimität von Bibliotheken und Informationseinrichtungen dienlich sind. In der Industrie hat man erkannt, dass man sich hinsichtlich einer dauerhaften Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr nur auf die eigenen Kernkompetenzen verlassen darf und kann.14 Daher setzen immer mehr Unternehmen auf Open Innovation und auf Crowdsourcing (Definitionen s. Kap. 1.1 und 1.2). Open Innovation bzw. Crowdsourcing bedeutet, dass externes Know-how in den Innovationsprozess integriert wird. Damit muss das Innovationspotenzial nicht zwangsläufig in der Institution selbst vorhanden sein bzw. aufgebaut werden. Für das Innovationsmanagement stellt sich dies als Paradigmenwechsel dar: von einem kundenorientierten hin zu einem kundenintegrierenden Innovationsmanagement.15 Open Innovation und Crowdsourcing verlangen jedoch „klare Rahmenwerke aus Zielen und hohe Freiheitsgrade ohne festgeschriebene Strukturen“16. Der Kunde ist bei Dienstleistungen17 vielfach passiv oder auch aktiv am Dienstleistungserstellungsprozess beteiligt oder auch in diesen integriert, womit er Einblick in die Potenzial- und Prozessebene einer Dienstleistung erhält.18 Da er somit auch Einfluss auf die Dienstleistungsqualität nehmen kann, liegt es nahe, Kunden aktiv in den Innovationsprozess zu integrieren.19 Open Innovation und Crowdsourcing sind Methoden des Customer Active Paradigm (CAP),20 bei dem der Kunde Wertschöpfungsaufgaben auch vollständig und autonom übernehmen kann, d. h. Lösungen
12 Georgy 2015, S. 82. 13 Vgl. Endlein 2014, S. 168. 14 Vgl. Größer 2014, S. 68. 15 Vgl. Leopold 2015, S. 28. 16 Ebd. 17 Zu den konstituierenden Merkmalen von Dienstleistungen s. Georgy, Ursula; Schade, Frauke: Marketing für Bibliotheken – Implikationen aus dem Non-Profit- und Dienstleistungsmarketing. In: Praxishandbuch Bibliotheks- und Informationsmarketing. Georgy, Ursula et al. (Hrsg.). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2012, S. 7–40, hier: S. 14 f. 18 Vgl. Meyer, Mattmüller 1987, S. 191 f. 19 Vgl. Georgy 2010, S. 84. 20 Vgl. von Hippel 1978, S. 40.
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selbstständig entwickelt. Reichwald und Piller bezeichnen die Methodik als interaktive Wertschöpfung.21 Die Motivation, an Open Innovation und Crowdsourcing teilzunehmen, ist häufig intrinsischer Natur, da z. B. ein persönliches Interesse an Projekten oder neuen Produkten/Dienstleistungen besteht, was es für Bibliotheken und Informationseinrichtungen noch interessanter macht, die beiden strategischen Methoden einzusetzen, da sie kaum Möglichkeiten haben, Externe zu entlohnen bzw. Preise für Gewinner auszuloben.
1 Definitionen und Ziele Sowohl für Open Innovation (OI) als auch für Crowdsourcing gibt es nicht die eine Definition. Noch unterschiedlicher als bei Open Innovation sind die Definitionen für Crowdsourcing, was auch damit zusammenhängen mag, dass die Ausprägungen sehr unterschiedlich sind. Eines ist jedoch den Definitionen gemeinsam: Es geht um die Integration externer Akteure in den Innovations- bzw. den Wertschöpfungsprozess, die maßgeblich vom internetbasierten Einsatz profitieren.
1.1 Open Innovation Der „Closed“-Innovationsprozess entspricht dem klassischen Innovationsprozess; er erfolgt durch den kreativen Input und das Wissen der eigenen Mitarbeiter, wobei es sich meistens um eine kleine Gruppe von Fachleuten handelt. Externe – z. B. Kunden – werden nur selten in den Innovationsprozess aktiv mit einbezogen. Dies aber ist genau der Ansatz von Chesbrough, der den Begriff Open Innovation prägte:
Open Innovation is a paradigm that assumes that firms can and should use external ideas as well as internal ideas, and internal and external paths to market, as the firms look to advance their technology. Open Innovation combines internal and external ideas into architectures and systems whose requirements are defined by a business model.22
Zentraler Aspekt der Definition ist, dass Open Innovation sowohl internes als auch externes Know-how nutzt, die Hoheit über die Innovationen aber immer noch in der eigenen Einrichtung bleibt und das interne Know-how keinesfalls an Relevanz verliert. Die Externen, die in das Innovationsmanagement integriert werden, können Kunden, aber auch jegliche anderen Personen oder Institutionen sein, die sehr unterschiedliche Motive und Motivationen haben können, an Innovationen mitzuwirken.
21 Vgl. Reichwald, Piller 2009, S. 9. 22 Chesbrough 2003, zitiert nach Chesbrough, Vanhaverbeke 2006, S. 1.
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Gründe für das Engagement [Externer] können z. B. die eigene Unzufriedenheit mit dem bisherigen Angebot, eine intrinsische Motivation (Freude an der Tätigkeit), soziale Motivation (Zugehörigkeit zu einer Gruppe), Erlangung individueller Vorteile durch die Einführung und Nutzung der Innovation oder die Erlangung materieller Vorteile (Bezahlung) sein.23
Ziel von Open Innovation ist es, sich bei Innovationen nicht nur auf Bedürfnisinformationen (Need Information) – wie man sie z. B. aus Kunden- und Nichtkundenbefragungen ermittelt – stützen zu müssen, sondern auch Lösungsinformationen (Solution Information) zu erhalten. Need Information reduziert sich auf die aktuellen und momentanen Wünsche, Bedürfnisse und den grundsätzlichen Bedarf, nicht jedoch auf die Merkmale einer Innovation, die zur Lösung des Problems beiträgt:
[…] Open Innovation is the use of purposive inflows and outflows of knowledge to accelerate internal innovation, and expand the markets for external use of innovation, respectively.24
Insbesondere die Ergänzung der Definition von Chesbrough umfasst für Bibliotheken und Informationseinrichtungen eine wichtige zusätzliche Dimension, denn es geht darum, Innovationen auch extern nutzbar zu machen. 2007 ging Chesbrough noch einen Schritt weiter: Er entwickelte das Konzept der Open Business Models25, die auch als kollaborative Geschäftsmodelle bezeichnet werden. Diese Form der Öffnung nach außen bedeutet, dass Institutionen „gemeinsam Nutzen für den Kunden schaffen und darauf abgestimmt gemeinsam Komponenten des Geschäftsmodells formulieren und einsetzen“26, womit erreicht werden kann, dass nicht mehr eine einzelne Einrichtung sich dem Wettbewerb stellen muss, sondern spezialisierte Einrichtungen – in diesem Fall z. B. gleichartige Bibliotheken und Informationseinrichtungen – ein Netzwerk bilden, bei dem Ressourcen und Kompetenzen verteilt sind, was auch in einer Streuung und Reduktion des Risikos zum Ausdruck kommt.27 So können sogenannte Innovationsökosysteme28 entstehen, die netzwerkartig strukturiert sind und sich „durch relativ stabile kollaborative Beziehungen zwischen mehreren rechtlich selbständigen und zugleich wirtschaftlich verbundenen Organisationen auszeichnen“29. Denkbar wäre es z. B., dass eine große Bibliothek die Koordination in einem solchen Netzwerk übernimmt und die anderen beteiligten Einrichtungen weiteres Know-how
23 Georgy, Mumenthaler 2012, S. 328. 24 Chesbrough 2006, S. 1. 25 Vgl. Chesbrough 2007, S. 22 f. 26 Heil, Enkel 2014, S. 190. 27 Vgl. ebd. 28 Ein Innovationsökosystem kann auch als Konsortium verstanden werden, bei dem sich die gemeinsame Abwicklung von Geschäften auf Innovationen bezieht. 29 Heil, Enkel 2014, S. 190.
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und ihre Ressourcen mit einbringen. Idealerweise sind diese in einem solchen Netzwerk komplementär.30 Gassmann und Enkel beschreiben in diesem Kontext drei Kernprozesse, die Einrichtungen nutzen können:31 – Outside-in-Prozess: Ideen, Erkenntnisse, Wissen von außen werden in den eigenen Innovationsprozess integriert. – Inside-out-Prozess: Eigene Ideen, Erkenntnisse, Produkte und Dienstleistungen werden auf den Markt gebracht. – Coupled Process: Im Idealfall kombinieren Institutionen beide Ansätze: Innovationsprozesse werden kooperativ mit komplementären Partnern in strategischen Allianzen durchgeführt. Wenn Bibliotheken stärker in Netzwerken zusammenarbeiten, sollte ein Coupled Process angestrebt werden. Beim Coupled Prozeß ist die Auswahl der richtigen Kooperationspartner bezüglich Ziel der Kooperation und gewünschtem Innovations-Output wichtig (collaborative oder relational capability).32
Open Innovation kann sehr unterschiedlich gestaltet werden. Die häufigsten Organisationsformen sind nach Fingerle und Mumenthaler:33 – Innovationswettbewerbe: Diese können sehr unterschiedliche Ausprägungen haben. Sie können als Ideenwettbewerbe, aber auch als Hackathons34 oder Wettbewerbe für konkrete (technische) Probleme organisiert werden. – Communities for Open Innovation: In den meisten Fällen handelt es sich um Internet-Communitys, die aus Kunden, Experten oder auch ganz Fachfremden zusammengesetzt werden, um auf diese Weise Anregungen für Innovationen zu erhalten. – Lead-User-Integration: Lead User sind anspruchsvolle, sehr fortschrittliche Kunden, die aber auch sehr kritisch sind. Sie beherrschen in weiten Teilen die Fachsprache und sehen sich als die Elite der Kunden an. Lead User haben häufig Bedürfnisse, die die Mehrheit der Kunden erst viel später hat. Und um diese eigenen Bedürfnisse möglichst frühzeitig befriedigt zu bekommen, sind sie vielfach auch bereit, dafür Lösungen zu erarbeiten.35
30 S. den Beitrag „Licence to Operate: Interessen von Bibliotheken im politischen Raum vertreten“ von Frauke Schade in diesem Handbuch. 31 Vgl. Gassmann, Enkel 2006, S. 134. 32 Gassmann, Enkel 2005, S. 13. 33 Vgl. Fingerle, Mumenthaler 2016, S. 94 . 34 Unter Hackathons werden kollaborative Programmierveranstaltungen verstanden, die häufig auch als Wettbewerbe gestaltet werden. 35 Vgl. Georgy 2010, S. 110.
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Toolkits für Open Innovation: Es handelt sich in der Regel um im Internet angebotene Entwicklungsumgebungen, die es ermöglichen, nach einer Art BaukastenPrinzip neue Produkte konkret zu konfigurieren und auch zu visualisieren.
1.2 Crowdsourcing Crowdsourcing bezeichnet die Auslagerung von Aufgaben durch Unternehmen oder Institutionen an eine nicht näher definierte Masse an Menschen. Der Begriff Crowdsourcing wurde 2006 von Jeff Howe erstmals verwendet, als er einen Aufruf zu einem neuen Produktionsmodus startete.36 Seine Kurzdefinition lautet: Crowdsourcing is the act of taking a job traditionally performed by a designated agent (usually an employee) and outsourcing it to an undefined, generally large group of people in the form of an open call.37
Howe versteht Crowdsourcing somit als Arbeitsprozess und als ökonomisches Instrument, bei dem interne Aufgaben ausgelagert werden, und zwar an eine Gruppe Freiwilliger. In der Industrie hat sich Crowdsourcing in diesem Sinne durchgesetzt. Darin unterscheidet sich Crowdsourcing auch von Open Innovation. Der Aufruf richtet sich stets an eine Gruppe – die Crowd. Für Non-Profit-Organisationen, wie Bibliotheken, ist diese Definition jedoch nur bedingt geeignet. Eine Definition von Gassmann ist für den informatorischen Bereich weitaus besser geeignet: Crowdsourcing ist eine interaktive Strategie des Auslagerns von Wissensgenerierung und Problemlösung an externe Akteure durch einen öffentlichen oder semi-öffentlichen Aufruf an eine große Gruppe. Typischerweise stehen kreative Themen im Zentrum, aber es sind auch repetitive Aufgaben möglich. In der Regel wird dieser Aufruf durch eine Webseite realisiert. In Kürze: Crowdsourcing ist eine interaktive, community-basierte Innovationsstrategie.38
Kunden werden so zu Prosumenten – ein Kofferwort aus Produzent und Konsument –, da sie die Möglichkeit haben, aktiv Einfluss auf Trends und Entscheidungen von Unternehmen zu nehmen.39 Prosumenten verfügen häufig über notwendiges (Fach-) Wissen, sodass sie in der Lage sind, Produkte und Dienstleistungen eigenständig zu verbessern oder neu zu kreieren.
36 37 38 39
Vgl. Howe 2006, S. 1. Howe 2010. Gassmann 2013, S. 6. Vgl. Jahnke, Prilla 2008, S. 132.
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Nach Brabham [...] verfügen [sie] über genug Know-How [sic!] und die richtige Ausrüstung, um (semi-)professionell in ihrer Freizeit den hauptberuflich Tätigen auf ihrem eigenen Territorium Konkurrenz zu machen.40
Damit reduziert sich die Gefahr deutlich, am Bedarf des Marktes vorbei zu innovieren. Bruhn geht noch einen Schritt weiter und sieht Crowdsourcing als eine Form des Mitmach-Marketings an, da es sich um eine Kommunikationsstrategie handelt, die [...] stark dialogorientiert [ist], um die kontinuierliche Interaktion des Managements und der [...] Zielgruppen zu initiieren und zu fördern.41
Zielsetzungen sind somit u. a. der Abbau von Distanz, die Steigerung von Motivation, die Erhöhung des Engagements und die Verstärkung der Kundenbindung. Unternehmen setzen heute auf multiple Kundenbindung, d. h., dass Kundenbindung auf verschiedenen Geschäftsmodellebenen erfolgt, um ein Bündel von Beziehungen aufzubauen, das das Bindungspotenzial maximiert.42 Hinsichtlich des Nutzens für Bibliotheken und Informationseinrichtungen ist es wichtig, Crowdsourcing von Outsourcing und Open Source abzugrenzen. Unter Outsourcing versteht man das Auslagern von Aufgaben oder sogar ganzen Bereichen eines Unternehmens oder einer Institution an Dritte. Werden dagegen Produkte, Dienstleistungen oder Werke als Open Source hergestellt, so gehört das Ergebnis der Arbeit der Allgemeinheit und nicht einem Initiator. Beteiligt sind meistens mehrere Personen, zwischen denen es keine Beziehungen gibt. Die Leistungen sind häufig ideeller Art und beruhen auf intrinsischer Motivation. Gemeinsam haben die drei Geschäftsmodelle, dass die Aufgaben üblicherweise von Dritten, die nicht in der eigenen Einrichtung tätig sind, erledigt werden. Crowdsourcing kann somit zwischen Outsourcing und Open Source eingeordnet werden.43
2 Zielsetzung Bibliotheken und Informationseinrichtungen fördern mit ihren Angeboten die gesellschaftliche Teilhabe, indem sie u. a. freien Zugang zu Informationen ermöglichen. Mit der gesellschaftlichen Teilhabe ist aber auch verbunden, neue Technologien einzusetzen und anzubieten, um die entsprechenden Nutzungskompetenzen zu vermitteln,44 da Teilhabe auch Kenntnisse zur Nutzung digitaler Technologien voraussetzt.
40 41 42 43 44
Brabham 2008, S. 83. Bruhn 2014, S. 1158. Vgl. Semar o. J., S. 18. Vgl. Unterberg 2010, S. 126 . Vgl. Becker, Flicker 2012, S. 283.
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Für die Institutionen wird es immer schwieriger, diese Aufgaben allein zu bewältigen, da personelle, technische und vor allem finanzielle Ressourcen fehlen. So bieten sich vor allem Kooperationen und Partnerschaften an, um dem Auftrag auch künftig gerecht werden zu können. Open Innovation und Crowdsourcing sind – auch für kleinere Einrichtungen – probate Instrumente. Damit Open Innovation und Crowdsourcing erfolgreich durchgeführt werden können, ist es notwendig, eine Gruppe von Personen zu rekrutieren, die Freude an Kreativität und der Entwicklung neuer Ideen und Konzepte haben, aber auch konkret etwas zu Problemlösungen beitragen können. Das Web 2.0 bietet dafür heute die Möglichkeiten. Idealerweise passen die Ziele und Werte der Gemeinschaft in das eigene Wertesystem der Beitragenden und sind mit den Zielen des Herstellers vereinbar. Erfahren innovative Kunden durch ihre Mitwirkung am Innovationsprozess eine positive soziale Rückkopplung, kann ihre Zufriedenheit mit dem Gesamtprozess steigen.45
Gründe für das Mitwirken sind entweder eigene ungelöste Probleme, unerfüllte Wünsche oder die Freude daran, an etwas Neuem mitzuwirken oder sogar etwas Neues zu erschaffen.
2.1 Open Innovation Auch Bibliotheken und Informationseinrichtungen sind heute mit teilweise rein wirtschaftlich orientierten Marktbedingungen konfrontiert. Große private Anbieter wie Google, Amazon etc. sind inzwischen zum direkten Wettbewerb zu zählen. Zudem verändert die zunehmende Digitalisierung46 vorhandene Geschäftsmodelle, sodass sich auch Bibliotheken künftig in immer kürzeren Zyklen durch den Einsatz neuer Technologien neu erfinden müssen, um damit einen Unique Value Proposition (UVP) im Sinne eines Wert- und Kundenversprechens zu schaffen. ‚Wake up! Open up!‘ is a simple, two-step process small firms have to take to create and seize new business opportunities.47
Voraussetzung für erfolgreiches Innovationsmanagement ist zunächst einmal, neue Ideen mit in die eigene Zukunftsstrategie zu integrieren. Im zweiten Schritt gilt es zu realisieren, dass eine offene Innovationsstrategie mit Externen eine Chance ist, langfristig erfolgreich zu sein. Open Innovation wird häufig nur im Kontext großer Unter-
45 Reichwald, Piller 2009, S. 169. 46 Digitalisierung soll in diesem Kontext nicht als ein spezifisches Handlungsfeld, sondern als Querschnittsaufgabe in verschiedenen Handlungsfeldern wie Arbeit 4.0, Bildung 4.0, Industrie 4.0, Wissenschaft 4.0, aber z. B. auch selbstbestimmtes Leben oder Nachhaltigkeit verstanden werden. 47 Vanhaverbeke 2017, S. 5.
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nehmen wie z. B. Procter & Gamble48, Lego49 etc. diskutiert; kleinere Unternehmen und Institutionen stehen in Publikationen seltener im Fokus. Gründe dafür können sein, dass sie ihre Strategien nicht oder weniger publik machen oder dass sie die Methode selbst nur selten einsetzen. Insbesondere im Bereich der Dienstleistungen bietet sich Open Innovation auch für kleinere Unternehmen/Institutionen an, da mit dieser Methode besser Wünsche von Kunden umgesetzt werden können, Schutzrechte hinsichtlich Patenten etc. kaum eine Rolle spielen und die Organisationen weniger bürokratisch organisiert sind. So haben auch Bibliotheken und Informationseinrichtungen die Chance, Mehrwert für ihre Kunden mit ihren Innovationspartnern – unter anderem den Kunden selbst – zu schaffen. Mehrwert entsteht dabei immer dann, wenn die Erwartungen von Kunden übertroffen werden. Vor allem bieten sich Kooperationen unter Bibliotheken, aber auch mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen, z. B. der Leibniz-Gemeinschaft, an, um neue Werte für Kunden zu schaffen, wodurch Bibliotheken und Informationseinrichtungen selbst zu Werttreibern werden. Gleichzeitig können sie aber auch von diesen Kooperationen profitieren, indem sie z. B. Zugang zu Know-how erhalten, das in der eigenen Einrichtung nicht oder nicht in dem notwendigen Umfang vorhanden ist. Damit kann Open Innovation auch wesentlich zu einer Verkürzung der Innovationszyklen beitragen, sodass Bibliotheken und Informationseinrichtungen wettbewerbsfähig bleiben bzw. künftig noch wettbewerbsfähiger werden.
[Damit] [...] steigt [auch] die Bedeutung branchenübergreifender Wertschöpfungsnetzwerke bzw. sogenannter ,Innovationsökosysteme‘ mit Anbindungsmöglichkeiten mehrerer externer Partner und Kunden.50
Für Bibliotheken und Informationseinrichtungen bietet sich die Möglichkeit, mit anderen, auch völlig fachfremden Branchen wie (Innen-)Architektur, Design, Informatik, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften in Kontakt zu kommen und auf diese Weise den eigenen Horizont zu erweitern. Die Teilnehmer an Open Innovation sollten also nicht zwingend bzw. eigentlich nur in Ausnahmefällen bibliothekarische und informatorische Kenntnisse aufweisen müssen. Es erfordert Mut, sich mit Branchen auseinanderzusetzen, die bislang völlig fremd erscheinen. Aus der Praxis gibt es jedoch ganz bekannte Beispiele: Die Bionik greift Funktionen, Strukturen und Organisationsprinzipien aus der Biologie auf und nutzt sie für technische Entwicklungen. Aber auch Branchenanalogien können bei der Entwicklung diskontinuierlicher Innovationen hilfreich sein.
48 S. http://www.pgconnectdevelop.com/ (Abruf: 2018.03.19). 49 S. https://ideas.lego.com/dashboard (Abruf: 2018.03.19). 50 Heil, Enkel 2014, S. 188.
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Während kontinuierliche Service-Innovationen auf die Verbesserung vorhandener Dienstleistungen abzielen, bieten diskontinuierliche Service-Innovationen das Potenzial, mit Innovationssprüngen radikal neue Dienstleistungsangebote und -prozesse zu gestalten.51
Beispiele sind u. a. das Steuerungssystem iDrive von BMW, bei dem die JoystickTechnologie zur Steuerung von Operationsrobotern in der Chirurgie als Vorbild und Inspiration diente,52 oder die Flywire-Technologie bei Nike-Schuhen, bei der die Fasern des extrem leichten Schuhs wie Tragseile einer Hängebrücke funktionieren und so für die notwendige Stabilität sorgen.53 Auch Bibliotheken und Informationseinrichtungen sollten den Mut haben, sich Ideen und Anregungen aus anderen Branchen zu holen, zumal heute Branchen und Märkte immer mehr verschmelzen bzw. neue Branchen hervorbringen, die es in der Form bisher nicht gab. Beispiele sind die Verschmelzung klassischer Branchen und Leitindustrien wie der Fahrzeugindustrie, der Logistik etc. mit der IT-Branche. Diese Entwicklung darf nicht verschlafen werden, da neue oder verschmelzende Branchen auch immer neue Akteure als potenzielle Wettbewerber hervorbringen, die nicht auf derselben Marktstufe agieren (müssen) wie die eigene Einrichtung und daher besonders gefährlich sind.54
2.2 Crowdsourcing Crowdsourcing setzt auf das Wissen der Vielen, d. h. die Masse – die Crowd ist intelligenter und schafft mit geringerem Einsatz mehr als eine einzelne Person.
Surowiecki stellt in der ‚Weisheit der Vielen‘ – [...] ‚Wisdom of the Crowd‘ – die Formel auf, dass eine heterogene Gruppe individuell entscheidender Menschen die Gesamtheit aller möglichen Ausgänge eines Ereignisses eher repräsentieren kann, als einzelne Experten.55
Vielfach werden auch die Begriffe Schwarmauslagerung bzw. Schwarmarbeit verwendet. Schwärme sind Kollektive ohne Zentrum und ohne hierarchische Struktur sodass sie im Sozialen als Organisationsformen mit größeren Freiheitsgraden und im Denken kreativer und schneller erscheinen.56 Es geht um eine Organisation, die im gleichzeitigen, koordinierten, selbstgesteuerten ZusammenHandeln von Einzelindividuen besteht, gleichartigen Einzelindividuen, die sich – auf Dauer oder nur für einen Moment – zu einem Ganzen zusammenschließen.57
51 52 53 54 55 56 57
Reichwald et al. 2008, S. 5. Vgl. Gassmann et al. 2004. Vgl. Nike o. J. Vgl. Claßen 2016, S. 90. Unterberg 2010, S. 125. Vgl. Horn 2007, S. 7. Ebd., S. 8.
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Das bedeutet aber auch, dass die Individuen im Rahmen ihres Handelns weitgehend autonom bleiben, ihre Meinungen und Ideen unabhängig von denen der anderen Gruppenmitglieder einbringen, wobei sie auf sehr unterschiedliche Wissensquellen und Erfahrungen zurückgreifen.58 Die Autonomie der Schwarm- bzw. Gruppenmitglieder kann jedoch auch dazu führen, dass viele Individuen das Gleiche tun, d. h., es gibt eine hohe Redundanz der Aktivitäten, sodass das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag (zunächst) nicht effektiv sein kann bzw. ist.59 Das ist auch dem Umstand geschuldet, dass Schwärme keine zentrale Steuerungsinstanz haben.60 Daher bedarf es einer kontinuierlichen Betreuung und Steuerung der Crowd, die möglichst divers zusammengesetzt sein sollte, um Redundanzen zu reduzieren und maximalen Erfolg zu ermöglichen. Crowdsourcing sollte somit vor allem für Aufgaben eingesetzt werden, die die Bibliothek nicht allein bewältigen kann und die auch nur von einer größeren Crowd bewältigt werden können. Dem Crowdsourcing werden vier Dimensionen zugeschrieben: – Crowdwisdom: Ausnutzen der Schwarmintelligenz, wobei Lösungen oder Hinweise der Crowdmitglieder gefragt sind;61 – Crowdcreation: Erstellung eines neuen Werks, Produkts oder einer Dienstleistung;62 – Crowdfunding: webbasiertes und partizipatives Finanzierungsmodell;63 – Crowdvoting/Crowdtesting: Abfragen von Meinungen z. B. zu einem Design, einer Marke oder einem (neuen) Gut.64
Auf die Schwarmintelligenz setzt insbesondere Crowdcreation, denn durch die Kreativität der Crowd soll ein neues Werk/Produkt entstehen. Eine der ersten Crowdsourcing-Aktivitäten war die Erstellung des Oxford English Dictionary, das genau durch dieses Prinzip entstand: Die Begründer des Oxford English Dictionary hatten Mitte des 19. Jahrhunderts ein ehrgeiziges Vorhaben: Geschaffen werden sollte ein Inventar der gesamten englischen Sprache zum damaligen Zeitpunkt, das zudem die historische Entwicklung einzelner Wörter abbildete. Schnell wurde den Beteiligten klar, dass ein solches Mammutprojekt durch einzelne Personen nicht zu bewälti
58 Vgl. Unterberg 2010, S. 126. 59 Vgl. Horn 2007, S. 12. 60 Vgl. ebd., S. 13. 61 Vgl. Howe 2008, S. 47 f. 62 Vgl. Tacke 2010, S. 17. 63 Das Thema Crowdfunding wird in diesem Beitrag nicht diskutiert, da es eine alternative Finanzierungsmöglichkeit darstellt und keine Form des Innovationsmanagements. Für weitergehende Informationen zu dem Thema s. u. a. Schneider, Raphaela: Erfolgreiches Crowdfunding als alternative Finanzierungsmethode in Bibliotheken: Ein Kriterienkatalog (b.i.t.online Innovativ; 48). Wiesbaden: Dinges & Frick, 2014. 64 Vgl. Leimeister, Zogaj 2013, S. 5.
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gen war. Deshalb startete der Philosoph James Murray 1879 den Aufruf an die gesamte englische Leserschaft mit der Bitte, ihm Belegstellen für alltägliche und ungewöhnliche Wörter zuzusenden. Der Erfolg war überwältigend, das Oxford English Dictionary gilt bis heute als Standardwörterbuch.65
Bekanntestes Beispiel für Crowdsourcing ist aber sicher die Wikipedia. Zu „Werken“ sind aber auch Filme sowie optimierte und neue Produkte/Dienstleistungen zu zählen. In den Bereich von Crowdwisdom fällt das betriebliche Wissensmanagement. Ein Beispiel für Crowdvoting gibt z. B. Amazon mit den Bewertungsskalen bei Produkten. Es können aber auch Ergebnisse der Crowd aus einem Crowdcreation-Prozess an die Crowd zur Bewertung zurückgespiegelt werden. Initiatoren von Crowdsourcing (Crowdsourcer) sollten immer darauf achten, dass nur Vorschläge zur Abstimmung gestellt werden, die auch in das Konzept und die Strategie der eigenen Einrichtung passen. Wenn eine Institution am Ende nicht den Vorschlag mit den meisten Stimmen umsetzt, kann dies zu einem PR-Debakel führen oder, noch schlimmer, zu einem Shitstorm66. Abstimmungen können aber auch unbewusst erfolgen. Am bekanntesten ist die Suchmaschinenfunktion von Google, bei der die Relevanz von Dokumenten über die Suchresultate der Nutzer erfasst wird (PageRank).67
3 Das Management von Open Innovation und Crowdsourcing Damit Open Innovation und Crowdsourcing erfolgreich durchgeführt werden können, ist es notwendig, eine Gruppe von Personen zu rekrutieren, die Freude an Kreativität und der Entwicklung neuer Ideen und Konzepte hat, aber auch konkret etwas zu Problemlösungen beitragen kann. Das Web 2.0 bietet dafür heute genau die Möglichkeiten. Vanhaverbeke ruft in seinem Buch „Managing Open Innovation in SMEs68“ kleine und mittelständische Unternehmen auf: „Wake Up! Be Aware of the Need to Change“69 und „Open Up! The Need for External Resources”70. Das Gleiche kann und sollte für Bibliotheken und Informationseinrichtungen gelten. Open Innovation und Crowdsourcing bedeuten für viele Institutionen – insbesondere kleinere – einen
65 Lizarazu 2012, S. 2. 66 Ein Shitstorm beschreibt die massenhafte öffentliche, auch oft unsachliche Kritik an einer Einrichtung/Institution oder auch einer Person über soziale Netzwerke. Er beginnt meistens mit der Kritik einzelner Personen, der sich dann in kürzester Zeit eine große Anzahl weiterer Personen anschließt. 67 Vgl. Kaltenbeck 2011, S. 7. 68 SME: small and medium-sized enterprise. 69 Vanhaverbeke 2017, S. 194. 70 Ebd., S. 196.
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Paradigmenwechsel, aber sie stellen aufgrund der vielfach geringen Ressourcen eine probate Strategie dar. Aber Open Innovation darf auch nicht überbetont werden. Damit muss sich aber auch die Rolle der Leitung von Institutionen ändern – weg von hierarchischen Strukturen und hin zu kooperativen Netzwerken. Open Innovation und Crowdsourcing erfordern ein systematisches Management dieser Netzwerke, denn diese organisieren sich nicht selbst.71 Dies bedeutet, dass es gilt, internes und externes Management in Einklang zu bringen. Bei allen Vorteilen, die es hat, Externe in den Innovationsprozess zu integrieren, dürfen die eigenen Mitarbeiter nicht vernachlässigt werden. Sie könnten das Gefühl bekommen, dass ihr Know-how nicht mehr benötigt wird bzw. dass ihre Ideen nicht hinreichend gewürdigt werden. Open Innovation und Crowdsourcing müssen in der „Unternehmenskultur“ verankert werden; Fehlertoleranz muss zur Leitidee werden.72 3M, ein Unternehmen, das seit vielen Jahren als eines der innovativsten gilt, bewertet im Rahmen dessen seine Mitarbeiter u. a. danach, „inwieweit der Einzelne externe Ideen nutzt und Entscheidungen unter Risiko trifft“73. Beiersdorf fördert intern den Gedanken von Open Innovation, indem das Unternehmen sogenannte Innovation Scouts benannt hat. Jeder Scout kümmert sich um klar umrissene (Technologie-)Felder, sammelt extern verfügbare Informationen und bereitet diese für das Unternehmen auf.74 Für Bibliotheken ist es besonders wichtig, dass sie ein Klima der Innovationskultur schaffen, bei der Fehler toleriert und als Lernchance begriffen werden. Agile(re) Führung kann zudem dazu beitragen, dass sich Beschäftigte aller Hierarchiestufen an Ideenfindung und Innovationen beteiligen.
Literatur Letztes Abrufdatum der folgenden Internet-Dokumente ist der 2018.03.19. Becker, Tom; Flicker, Anja: Wissensmanagement und Wissensbilanzen in Öffentlichen Bibliotheken – ein Exkurs. In: Praxishandbuch Bibliotheks- und Informationsmarketing. Georgy, Ursula et al. (Hrsg.). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2012, S. 257–286. Brabham, Daren C.: Crowdsourcing as a Model for Problem Solving. In: Convergence 14 (1) 2008, S. 75–90. Bruhn, Manfred: Unternehmens- und Marketingkommunikation. Handbuch für ein integriertes Kommunikationsmanagement. 3. Auflage. München: Vahlen, 2014. Chesbrough, Henry: Why Companies Should Have Open Business Models. In: MIT Sloan Management Review 48, 2007, H. 2, S. 22–28. Chesbrough, Henry: A New Paradigm for Understanding Industrial Innovation. In: Open Innovation: Researching a New Paradigm. Chesbrough, Henry et al. (Hrsg.). Oxford: Oxford University Press, 2006, S. 1–16.
71 72 73 74
Vgl. Vanhaverbeke 2017, S. 198. Vgl. Gassmann, Widenmayer 2010, S. 57. Ebd. Vgl. ebd., S. 56 .
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Neue Geschäftsmodelle auf Informationsmärkten Abstract: Veränderungen des Informationsmarktes – maßgeblich bedingt durch die zunehmende Digitalisierung nahezu aller Lebensbereiche – erfordern die Weiterentwicklung oder Erneuerung angebotener Leistungen. Analogien und damit verbundene Theorien finden sich in der Biologie und lassen sich auf weitere Bereiche, so auch auf Informationsmärkte, Bibliotheken und weitere Non-Profit-Organisationen in diesem Segment, übertragen. Chancen ergeben sich aus dem Erkennen der Änderungsnotwendigkeit, der daraus folgenden Anpassung des Geschäftsmodells und der damit verbundenen Geschäftsprozesse. Letztendlich resultieren aus der Veränderungsnotwendigkeit Innovationen, die wiederum in den Geschäftsprozessen derart abzubilden sind, dass deren Ergebnis von den Abnehmern, den Kunden, wahrgenommen wird und Kundennutzen entsteht. Besondere Bedeutung haben Kunden-, Nutzen- und Wertschöpfungsperspektive. Auf dem Informationsmarkt findet sich, insbesondere bei den Bibliotheken, eine Vielzahl von Einflussfaktoren. Gleichzeitig verändert sich das Umfeld der Bibliotheken. In Anlehnung an das „Fünf-Kräfte-Modell“ von Michael E. Porter werden beispielhaft Einflussfaktoren aufgezeigt, die auf die Bibliotheken wirken. Die nachhaltig erfolgreiche Neuausrichtung des Geschäftsmodells erfordert das gezielte Wissen um die Kunden, deren Erwartung und ihre Wahrnehmung der Unternehmensleistung sowie das Wissen um die mit der Leistungserstellung verbundenen Geschäftsprozesse. Dieses Wissen kann durch die gezielte Anwendung wissenschaftlicher Methoden generiert werden und den gezielten Aufbau zukunftsfähiger, nachhaltig erfolgreicher Geschäftsmodelle unterstützen.
Einleitung Der Informationsmarkt verändert sich rasant. Immer mehr Informationen mit immer kürzeren Lebenszyklen kennzeichnen dies. Die zunehmende Informationsmenge, die Erwartung seitens der Kunden hinsichtlich der Transparenz, welche Informationen verfügbar sind, verbunden mit der Erwartung eines schnellen und problemlosen Zugriffs auf selbige, gewinnen vor allem durch die zunehmende Digitalisierung an Bedeutung.1
1 Für weitere Ausführungen zur digitalen Transformation s. Kreutzer, Ralf; Neugebauer, Tim; Pattloch, Annette: Digital Business Leadership – Digitale Transformation – Geschäftsmodell – Innovation – Agile Organisation – Change Management. Wiesbaden: Springer, 2017, S. 1 ff.
https://doi.org/10.1515/9783110539011-014
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Neue Wettbewerber drängen mit neuen Ideen, Produkten und Dienstleistungen auf den Markt und verändern diesen – die Wettbewerbsintensität nimmt zu. Produkte und Dienstleistungen, die lange die Basis des Erfolgs darstellten, verlieren in der ursprünglichen Form an Bedeutung. Traditionelle Angebote sind durch neue, für den Kunden nutzenstiftende Dienstleistungen oder Services zu ergänzen. Viele traditionelle Dienstleister oder Intermediäre von Informationen im Informationsmarkt, zu denen Bibliotheken zählen, stellt diese neue Situation vor immense Herausforderungen. Die Denkhaltung der Bibliotheken ist oftmals durch deren ehemals monopolähnlichen Status beeinflusst, wodurch auch ihr Handeln maßgeblich geprägt wird. Die aufgezeigten Rahmenbedingungen, die zunehmend an Dynamik gewinnen, erfordern eine veränderte Denk- und Vorgehensweise. Neue, zukunftsfähige Geschäftsmodelle sind gefordert, die permanent weiterzuentwickeln sind, um auch zukünftigen kundenseitigen Anforderungen gerecht zu werden. Von diesen oder vergleichbaren Weiterentwicklungserfordernissen ist keineswegs nur der Informationsmarkt betroffen: Analogien finden sich im Handel. War bei den Discountern vor einigen Jahren eine ausgeprägte Dominanz des Verkaufspreises mit einer untergeordneten Bedeutung der Verkaufsraumgestaltung festzustellen, finden sich heute bei vielen Discountern neben einer attraktiven Preisgestaltung eine ansprechende und innovative Verkaufsraumgestaltung wie auch das Angebot zusätzlicher, teils „artfremder“ Dienstleistungen. Dass das Umsatzwachstum de Discounter über dem Branchenschnitt liegt, zeigt, dass diese Veränderungen durch den Kunden honoriert wurden, während andere Handelsvertriebstypen, wie die SB-Warenhäuser, die diese Entwicklung nicht durchführten, ein negatives Wachstum verzeichnen.2 Generell geht es nicht darum, Lösungsansätze aus anderen Branchen oder von anderen Unternehmen unreflektiert zu kopieren, sondern darum, ihren Kern zu verstehen und verbessert auf die eigenen Erfordernisse zu adaptieren. Ein Kopieren führt zu einem Hinterherhechten und nicht zu einem Einholen oder gar Überholen des Wettbewerbers. Es sind andere, innovative Denkansätze und Vorgehensweisen erforderlich, um einen nachhaltigen Wettbewerbsvorsprung zu erreichen. Vor diesem Hintergrund werden in diesem Beitrag – neben der theoretischen Fundierung und der Darstellung wissenschaftlicher Methoden – Möglichkeiten aufgezeigt, sich den zukünftigen Herausforderungen erfolgreich zu stellen. Besondere Berücksichtigung finden die Bibliotheken.
2 Direkter Vergleich der Umsatzentwicklung der Vertriebstypen im Handel von 2004 bis 2016 (vgl. HDE 2017, S. 9).
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1 Veränderungsnotwendigkeit und Betrachtungsgegenstände Veränderungen sind unbequem, bedeuten sie doch, vertrautes und einst Bewährtes hinter sich zu lassen und neue Wege zu beschreiten. Ein Beharren auf den gewohnten Zuständen hat den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit zur Folge, da sich das Umfeld weiterentwickelt, mit der Konsequenz der Gefährdung des Fortbestands der eigenen Institution.
1.1 Notwendigkeit des Handelns Kern der Diskussion ist die fortschreitende Veränderung der Umwelt, die nicht ohne Einfluss auf die Anbieter von Produkten oder Dienstleistungen bleibt. Den veränderten Rahmenbedingungen gilt es sich zu stellen, um Legitimität zu bewahren. Die theoretische Grundlage bildet die Evolutionstheorie. Veränderungsprozesse initiieren eine Selektion, Survival of the Fittest3, wobei ein kontinuierlicher und inkrementeller Wandel unterstellt wird.4 Dies findet auch auf Informationsmärkten statt. Hinweise, wie auf solche Veränderungsnotwendigkeiten reagiert werden kann, finden sich in der Anpassungs- und der Marktlückentheorie. Bei der Anpassungstheorie wird angenommen, dass sich Innovationen als Folge von Umweltveränderungen ergeben, aus denen die Notwendigkeit entsteht, dass sich die Marktteilnehmer der neuen Situation anpassen. Es werden nur die Marktteilnehmer überleben, die diese Anpassung meistern und sich weiterentwickeln. Neue Formen von Marktteilnehmern oder Geschäftsmodelle entwickeln sich.5 Eine andere Sichtweise beinhaltet die Marktlückentheorie. Dieser liegt die Annahme zugrunde, dass neue Formen des Marktauftritts dadurch entstehen, dass aus veränderten Rahmenbedingungen spezielle Kundenanforderungen erwachsen, die durch die Marktteilnehmer nicht erfüllt werden. Es entstehen Marktlücken, die dazu führen, dass neue Geschäftsmodelle mit dem Ziel entstehen, die veränderten Kundenanforderungen zu befriedigen.6 Dies kann zu einer Spezialisierung im Leistungsangebot oder zu dessen Ausweitung führen. Einen zentralen Ansatzpunkt stellt die Erzielung von kundenseitig wahrgenommenen Vorteilen durch die neuen Geschäftsmodelle dar,7 die sich u. a.
3 4 5 6 7
Vgl. Ven 1992, S. 179; Ven, Poole 1995, S. 517 ; Scholz 2000, S. 521 f. Vgl. Zentes et al. 2012, S. 320 . Vgl. ebd., S. 321 . Vgl. Tietz 1993, S. 1318. Vgl. Böhler 1993, S. 20.
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durch die Konzentration auf die Kernkompetenzen8 und weitere Kriterien erklären lassen. Die fortschreitende Digitalisierung9 aller Lebensbereiche beeinflusst die Entwicklung nahezu aller Branchen. Ein digitaler Darwinismus ist insbesondere dann festzustellen, wenn Veränderungen in der Technologie und der Gesellschaft schneller voranschreiten, als sich die Fähigkeiten und die Anpassung der Unternehmen oder Institutionen verändern.10 Besonders betroffen sind Dienstleistungsunternehmen, da deren Geschäftsmodell auf der Befriedigung von Kundenwünschen aufbaut. Die Ausführungen verdeutlichen, dass ein Ignorieren der Veränderungsnotwendigkeit zwangsläufig zu einem Ausscheiden der sich nicht anpassenden Marktteilnehmer aus dem Marktgeschehen führt, was im weiteren Verlauf anhand konkreter Hinweise, bezogen auf den Informationsmarkt, unterstrichen wird.
1.2 Geschäftsprozesse und Geschäftsmodelle als Betrachtungsgegenstand Unternehmen oder Institutionen begründen ihre Daseinsberechtigung durch eine am Markt wahrgenommene nutzenstiftende Leistungserstellung. Auch wenn die Leistungserstellung, insbesondere bei verschiedenen Institutionen, Restriktionen unterliegt, bedeutet das nicht, dass es opportun ist, sich hinter diesen zu verstecken. Vielmehr geht es darum, Freiräume der Leistungserstellung zu erkennen und zu nutzen. Die Basis der Leistungserstellung sind die dahinterliegenden Geschäftsprozesse. Dies sind betriebliche Prozesse, die zur Erstellung einer Organisationsleistung beitragen.11 Trotz des spezifischen Charakters von Services/Dienstleistungen12 gelten hinsichtlich der Gestaltung von deren Geschäftsprozessen vergleichbare Anforderungen
8 Weitere Ausführungen zu dem Themenfeld der Kernkompetenzen finden sich bei Hinterhuber, Hans; Handlbauer, Gernot; Matzler, Kurt: Kundenzufriedenheit durch Kernkompetenzen. 2. Auflage. Wiesbaden: Gabler, 2003 und Hinterhuber, Hans; Stahl, Heinz; Eichen von den, Stephan; Matzler, Kurt: Kundenzufriedenheit und Kundenwert. In: Kundenorientierte Unternehmensführung – Kundenorientierung – Kundenzufriedenheit – Kundenbindung. Hinterhuber, Hans et al. (Hrsg.). 6. Auflage. Wiesbaden: Gabler, 2009, S. 248–266. 9 Für weitere Ausführungen zum Thema digitaler Darwinismus s. Kreutzer, Ralf; Neugebauer, Tim; Pattloch, Annette: Digital Business Leadership – Digitale Transformation – Geschäftsmodell – Innovation – Agile Organisation – Change Management. Wiesbaden: Springer, 2017, S. 3 . 10 Vgl. Kreutzer et al. 2017, S. 4. 11 Vgl. Gadatsch 2017, S. 176. 12 Für weitere Ausführungen hierzu s. Zeithaml, Valarie A.; Parasuraman, A.; Berry, Leonard L.: Problems and Strategies in Services Marketing. In: Journal of Marketing, 49. Jg., 1985, Nr. 2, S. 33–46.
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an das Gesamtsystem wie bei der Produktion von physischen Gütern.13 Es ist elementar, dass sich das Gesamtsystem (die Organisation) der Anzahl und der Charakteristik der einzelnen Geschäftsprozesse bewusst ist und diese dokumentiert14 und dass der Nutzen, der durch sie beim Kunden entsteht, bekannt ist. Jeder Geschäftsprozess geht vom Kunden aus und endet wieder bei diesem.15 Der Rahmen für die Geschäftsprozesse ist das Geschäftsprozessmodell, welches nicht mit dem Geschäftsmodell zu verwechseln ist. Die Geschäftsprozesse und das Geschäftsprozessmodell sind lediglich die logische Konsequenz des Geschäftsmodells. Als Geschäftsmodell wird die Grundlogik eines Unternehmens oder einer Institution bezeichnet; es [...] beschreibt, welcher Nutzen auf welche Weise für Kunden und Partner gestiftet wird. Ein Geschäftsmodell beantwortet die Frage, wie der gestiftete Nutzen in Form von Umsätzen an das Unternehmen zurückfließt. Der gestiftete Nutzen ermöglicht eine Differenzierung gegenüber Wettbewerbern, die Festigung von Kundenbeziehungen und die Erzielung eines Wettbewerbsvorteils.16
Folgende Dimensionen sind kennzeichnend für ein Geschäftsmodell (s. Abb. 1):
Kennzeichnende Dimensionen eines Geschäftsmodells Was wäre unser Leben so schön, ohne den „Störfaktor“ Kunde!
Kennzeichnende Dimensionen
Kundendimension
Nutzendimension
Wertschöpfungsdimension
Partnerdimension
Finanzdimension
Abb. 1: Kennzeichnende Dimensionen eines Geschäftsmodells17
13 Für weitere Ausführungen zu den Charakteristika, die einen Geschäftsprozess kennzeichnen, s. Gadatsch, Andreas: Grundkurs Geschäftsprozess-Management. Analyse, Modellierung, Optimierung und Controlling von Prozessen. Wiesbaden: Springer, 2017, S. 177. 14 Hinsichtlich der Notwendigkeit der Dokumentation der Geschäftsprozesse s. auch Gadatsch, Andreas: Grundkurs Geschäftsprozess-Management. Analyse, Modellierung, Optimierung und Controlling von Prozessen. Wiesbaden: Springer, 2017, S. 178. 15 Vgl. Gadatsch 2017, S. 177. 16 Schallmo 2014, S. 6. 17 Eigene Darstellung nach Schallmo 2014, S. 6.
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Von besonderem Interesse sind Kunden-, Nutzen- und Wertschöpfungsdimension. Die Kundendimension beinhaltet die Kundensegmente, die Kundenkanäle und die Kundenbeziehungen, während sich innerhalb der Nutzendimension die Leistungen und der damit verbundene Nutzen wiederfinden. Die Wertschöpfungsdimension umfasst die für die Leistungserstellung erforderlichen und vorhandenen Ressourcen und die damit verbundenen Fähigkeiten sowie die notwendigen Prozesse. Die Zielsetzung besteht darin, die verschiedenen Dimensionen so miteinander zu kombinieren, dass sie sich gegenseitig stärken18 und der Gesamtnutzen der Beteiligten gesteigert wird. Eine Veränderung von Rahmenbedingungen wird zu Innovationen in den Geschäftsprozessen führen (s. Abb. 2). Von besonderem Interesse sind die Leistungsund die Prozessinnovation.
Formen von Innovationen Was wäre unser Leben so schön, ohne den „Störfaktor“ Kunde!
Innovationen
Leistungsinnovationen
Prozessinnovationen
Marktinnovationen
Sozialinnovationen
Abb. 2: Innovationen im Geschäftsprozess19
Als Leistungsinnovation wird die Erneuerung oder Verbesserung von Produkten oder Dienstleistungen bezeichnet, während die Prozessinnovation die effizientere Erstellung einer Leistung zum Ziel hat. Marktinnovationen beinhalten die Identifikation neuer und die Entwicklung bestehender Märkte, während sich Sozialinnovationen mit Veränderungen im Rechts-, Personal- oder Organisationsbereich befassen.20 Aus dem teils unterschiedlich intensiven Zusammenspiel der Innovationen ergeben sich Ge-
18 Vgl. Schallmo 2014, S. 6. 19 Eigene Darstellung nach Schallmo 2014, S. 7. 20 Für weitere Ausführungen hierzu s. auch Schallmo, Daniel R. A.: Theoretische Grundlagen der Geschäftsmodell-Innovation – Definitionen, Ansätze, Beschreibungsraster und Leitfragen. In: Kompendium Geschäftsmodell-Innovation. Schallmo, Daniel R. A. (Hrsg.). Wiesbaden: Springer, 2014, S. 8.
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schäftsmodellinnovationen.21 Welche Innovationen für die jeweilige Institution relevant sind, muss diese, unter Berücksichtigung der strategischen Ziele, selbst entscheiden. Innovationen, sowohl auf der Prozess- als auch auf der Geschäftsmodellebene, dienen der Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb. Dies bietet die Chance, Kundenbeziehungen zu festigen und nachhaltiges Wachstum zu generieren.22
1.3 Bibliothek als Bestandteil des Informationsmarkts Treffen Informationsanbieter und Informationsnachfrager organisiert, räumlich und zeitlich in Form eines Marktes aufeinander, handelt es sich hierbei um einen Informationsmarkt, wobei die Ausgestaltung eines solchen sehr unterschiedlich sein kann.23 Die Ausgestaltung des Informationsmarktes kann sowohl physisch als auch virtuell oder kombiniert sein. Ein Player auf dem Informationsmarkt, der von den Veränderungen besonders betroffen ist, ist die Bibliothek,24 die als Dienstleistungseinrichtung ihren Kunden Medien zur Verfügung stellt, diese kuratiert und speichert.25 Welche Bedeutung den Bibliotheken zukommt, verdeutlichen die Zahlen der Bibliotheksstatistik. Beispielhaft wird dies durch die Anzahl der Bibliotheksstandorte, die damit verbundenen beeindruckenden Besucher- und Nutzerzahlen, die Anzahl der vorgehaltenen Informationsquellen oder die angebotenen Service- und Dienstleistungen dokumentiert.26 Die auf dem Informationsmarkt agierenden Bibliotheken treten sehr unterschiedlich auf. Beispielhaft sind öffentliche Bibliotheken unterschiedlichster Größe neben Staats-, Hochschul- und Universitätsbibliotheken oder Spezialbibliotheken zu nennen, die sich hinsichtlich ihrer individuellen Merkmale teils signifikant unterscheiden (s. Abb. 3).
21 Für weitere Ausführungen hierzu s. auch Schallmo, Daniel R. A.: Theoretische Grundlagen der Geschäftsmodell-Innovation – Definitionen, Ansätze, Beschreibungsraster und Leitfragen. In: Kompendium Geschäftsmodell-Innovation. Schallmo, Daniel R. A. (Hrsg.). Wiesbaden: Springer, 2014, S. 6 f. 22 Vgl. Schallmo 2014, S. 13. 23 Vgl. Disselkamp 2005, S. 147, allgemeiner formuliert bei Kuhlen 1995, S. XXIII; tiefergehende Ausführungen zum Informationsmarkt finden sich bei Kuhlen, Rainer: Informationsmarkt – Chancen und Risiken der Kommerzialisierung von Wissen. 2. Auflage. Konstanz: Universitätsverlag, 1995, S. 4 f. 24 Für weitere Ausführungen zum Strukturwandel realer Bibliotheken s. Kuhlen, Rainer: Informationsmarkt – Chancen und Risiken der Kommerzialisierung von Wissen. 2. Auflage. Konstanz: Universitätsverlag, 1995, S. 518 f. 25 Vgl. Bonte 2015, S. 95. 26 Vgl. Deutscher Bibliotheksverband 2017, S. 4.
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Unterscheidungsmerkmale (beispielhaft)
Prozesse der Leistungserstellung Anzahl der Gesamtkunden Öffnungszeiten Anzahl der aktiven bzw. passiven Kunden Grad der Digitalisierung der vorgehaltenen Publikationen
Aufwand bei der Gewinnung neuer Kunden
Anzahl der vorgehaltenen Publikationen Vorhandene Ressourcen personeller, finanzieller Natur oder des vorhandenen Know-hows
Angebotene Serviceleistungen
Infrastrukturelle Ausstattung
Abb. 3: Unterscheidungsmerkmale von Bibliotheken (Beispiele)
Zwischen den einzelnen Erscheinungsformen bestehen erhebliche Unterschiede. Wird die Detailebene verlassen und eine höhere Ebene eingenommen, finden sich signifikante Übereinstimmungen, nämlich hinsichtlich des Kerns der Aktivitäten einer Bibliothek, der in der Kuratierung und Bereitstellung von Medien gesehen wird.27 Dieser Kern vereint die Bibliotheken und bildet die Ausgangsbasis für ein gemeinsames zielgerichtetes Handeln, um aus den zukünftigen Anforderungen gestärkt hervorzugehen. Besondere Herausforderungen sind durch die zunehmende Digitalisierung28 bedingt,29 die als Chance gesehen werden muss, um alte Pfade zu verlassen und neue
27 Vgl. Deutscher Bibliotheksverband 2017, S. 4, 95 sowie f/21 2016, S. 5. 28 Digitalisierung sowie digitale Transformation bezeichnen die Veränderung von Produkten, Dienstleistungen, Prozessen oder Geschäftsmodellen, die durch die zunehmende Nutzung digitaler Geräte notwendig wird; vgl. Kreutzer et al. 2017, S. 1. 29 Mit den Herausforderungen, die aus der zunehmenden Digitalisierung erwachsen, befassen sich zahlreiche Veröffentlichungen. S. beispielsweise Bonte, Achim: Was ist eine Bibliothek? Physische Bibliotheken im digitalen Zeitalter. In: ABI-Technik: Zeitschrift für Automation, Bau und Technik im Archiv-, Bibliotheks- und Informationswesen 35, 2015, H. 2, S. 95–104; f/21 Büro für Zukunftsfragen: Bibliothekswelten im Umbruch. Die Bibliothek im Internetzeitalter, 2016. http://www.f-21.de/down loads/f21_zukunftsperspektiven_zukunft-bibliotheken.pdf (Abruf: 2018.05.03); Deutscher Bibliotheksverband e.V.: Bericht zur Lage der Bibliotheken 2016/17, Zahlen und Fakten, 2016. http://www. bibliotheksverband.de/dbv/publikationen/bericht-zur-lage-der-bibliotheken.html (Abruf: 2018.05.03);
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Wege zu gehen. Nicht selten werden nicht aufhaltbare Veränderungen als Bedrohung wahrgenommen, besonders dann, wenn die Ausgangssituation – sehr bequem – monopolähnlich war. Diese Bequemlichkeit schwindet derzeit und zukünftig möglicherweise noch verstärkt. Woher potenzielle Gefahren zu erwarten sind, ist Gegenstand des nachfolgenden Kapitels.
2 Veränderte Rahmenbedingungen als Treiber von Veränderungen Die Attraktivität des Informationsmarktes wird maßgeblich durch dessen Struktur bestimmt.30 Ehemals monopol- oder oligopolähnliche Strukturen wandeln sich zu oligopolistischen, mit Auswirkungen auf das strategische Verhalten der Marktteilnehmer, das eigene Verhalten sowie das der Kunden. Ausdruck findet dies in der eigenen Wettbewerbsstrategie, die – um erfolgreich am Markt zu agieren – zwingend erforderlich und zwischen den Bibliotheken unterschiedlich ist. Erst aus der formulierten Strategie lassen sich Geschäftsmodelle ableiten. Mithilfe einer Branchenstrukturanalyse, basierend auf dem von Michael E. Porter publizierten „Fünf-Kräfte-Modell“ (Five Forces)31, lassen sich Veränderungen für den Informationsmarkt, insbesondere Veränderungen, die Bibliotheken betreffen, aufzeigen. Die fünf Kräfte sind: – Wettbewerber in der Branche und die damit einhergehende Intensität der Rivalität; – Lieferanten; – neue Anbieter; – Ersatzprodukte sowie – Abnehmer32 bzw. Kunden. Beispielhaft wird im Folgenden auf die verschiedenen Elemente eingegangen. Neue Wettbewerber oder veränderte Leistungsangebote bestehender Wettbewerber führen zu einer Verstärkung der Intensität des Wettbewerbs. Beispielhaft zu nennen sind die Dominanz von Amazon, dessen Einfallsreichtum und Dynamik, innovative Leistungsangebote am Markt zu etablieren, ebenso Google Books, Suchmaschinen,
Deutscher Bibliotheksverband e.V.: Bericht zur Lage der Bibliotheken 2017/18, Zahlen und Fakten, 2017. http://www.bibliotheksverband.de/dbv/publikationen/bericht-zur-lage-der-bibliotheken. html (Abruf: 2018.05.03) u. v. m. 30 Vgl. Porter 2014, S. 25 f. 31 Eine schematische Darstellung findet sich in Porter, Michael E.: Wettbewerbsvorteile. 8. Auflage. Frankfurt a. M.: Campus, 2014, S. 25. 32 Vgl. Porter 2014, S. 29; vgl. Porter 2013, S. 38.
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virtuelle Bibliotheken, soziale Netzwerke, Nachbarschaftsbibliotheken oder neue Formen des (traditionellen) Buchhandels oder von Content-Marketing. Thalia33 oder Hugendubel bieten ihren Kunden Kaffeeecken an, innerhalb derer die Kunden Bücher in Ruhe einsehen und lesen können. Geschäftsmodelle im Ausland gehen noch einen Schritt weiter. In Brasilien finden sich Anbieter, die im Consumer-Electronic-Handel, analog MediaSaturn oder Expert, tätig sind und Hörbücher und deren Peripherie anbieten. Direkt angeschlossen ist ein traditioneller, sehr ansprechender Buchhandel und zwischen den beiden befindet sich eine Art Café, das zum Lesen oder Hören der Angebote einlädt. Im Spätjahr 2017 eröffnete das größte Buchhandelsunternehmen der USA, Barnes & Noble Inc., eine neue Buchhandlung, in der das traditionelle Sortiment durch ein umfängliches Restaurantkonzept ergänzt wird. Auf der dort vorzufindenden Speisekarte finden sich neben Burger-, Lachs- und Beef-Gerichten auch Kaffee, Softdrinks, eine Auswahl Premiumweine sowie lokale Craftbiere. Neben Theken- und Arbeitsplätzen mit Stromversorgung bietet das Konzept Rückzugsmöglichkeiten für Einzelpersonen zur konzentrierten Buchlektüre, Loungeplätze sowie traditionelle Tische mit Kellner-Service für ein geselliges Beisammensein in kleinen Gruppen in einem gesamtheitlich ansprechenden Ambiente, das eher einem Restaurant als einer Buchhandlung ähnelt.34 Dem Verhalten der digitalen Gesellschaft kommt das Angebot von Google Books näher, das einem Kunden den meist auszugsweisen Zugriff auf verschiedene Werke jederzeit und an jedem beliebigen Ort ermöglicht. Veränderungen im Wettbewerb bewirken die Elemente des Feldes „Lieferant“. Neben Amazon treten neue Lieferanten im Web auf. Ebenso bleiben semantische Suchlogiken oder die Dominanz der sozialen Medien und Plattformen nicht ohne Wirkung. Einfluss haben u. a. auch die Bestrebungen der VG Wort. Eine besondere Dynamik ist derzeit bei neuen Anbietern, die als zusätzliche Player in den Informationsmarkt drängen, festzustellen. Hierzu zählen Sharing-Plattformen genauso wie Sekundärmärkte für Bücher, insbesondere E-Books (z. B. Rebuy). Neue Anbieter ermöglichen eine digitale Ausleihe von Büchern bzw. Audiodateien, kombiniert mit einem zeitlich beschränkten Zugriff, analog der Ausleihe von Filmstreams. Ergänzend sei die Professionalisierung der Blogosphäre und von User-Generated Content genannt. Dazu kommt die zunehmende Anzahl von Open-Access-Publikationen, auf die oftmals direkt digital zugegriffen werden kann. Apps gestatten ihren Nutzern den Zugang zu verschiedenen Informationsbereitstellern. Einhergehend mit der Veränderung aufseiten der Marktteilnehmer drängen Ersatzprodukte auf den Markt. Die Digitalisierung von Produkten oder Services ist ebenso zu nennen – als Beispiel ist die Suchmaschine Google Scholar zu nennen, die mit ihren Angeboten direkt in das Kernangebot einer klassischen Bibliothek eindringt. Die
33 Vgl. Sieweke 2017, o. S. 34 Vgl. Scholz 2017, S. 9.
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Beispiele zeigen, dass sich die Gefahren oftmals nicht nur einer Überschrift zuordnen lassen. Dies ist durch eine Verflechtung verschiedener Aspekte verbunden mit ihren unterschiedlichen Wirkrichtungen bedingt. Schließlich muss auf die „Gefahren“ hingewiesen werden, die vonseiten des Kunden ausgehen können. Die fortschreitende Digitalisierung wirkt unterschiedlich auf diese. Während die Babyboomer, also die bis 1965 Geborenen, noch weitgehend als traditionell bezeichnet werden können, sind bei den nachfolgenden Generationen, vielfach als XYZ-Generation35 benannt, Verhaltensänderungen festzustellen. Das gilt besonders für die Digital Natives, die bereits mit den digitalen Möglichkeiten aufgewachsen sind. Diese Generation erwartet, dass ihre Konsumbedürfnisse zu jeder Zeit an jedem Ort befriedigt werden können. Allen ist gemeinsam, dass die Lebensstilorientierung an Bedeutung gewinnt. Damit stellt sich die Frage, ob beispielsweise die Öffnungszeiten einer Bibliothek den Bedürfnissen oder Möglichkeiten der Kunden entsprechen. Ist es sinnvoll, dass eine öffentliche Gemeindebibliothek am Sonntagmorgen zwischen zehn und zwölf Uhr geöffnet hat, während die Familie ausschläft oder gemeinsam ein entspanntes Frühstück genießt?36 Ist es sinnvoll, eine Bibliothek während der üblichen Arbeitszeiten der Kunden offen zu halten und dann zu schließen, wenn die Kunden nach Feierabend die Möglichkeit hätten, sie aufzusuchen? Dies sind nur wenige Beispiele, die verdeutlichen sollen, dass sich die Anforderungen und Bedürfnisse der Kunden verändert haben, die Leistungen der Bibliotheken aber nur bedingt. Eine Nichtbeachtung der Kundenbedürfnisse führt zwangsläufig zu einer nachhaltigen Abwanderung von Kunden. Welche Konsequenzen aus der Ignorierung der Gefahren entstehen können, zeigen Beispiele aus der Vergangenheit. Das einst führende Unternehmen im Bereich Filme/Fotografie, Kodak,37 verschwand nahezu vollständig vom Markt, während Apple, das sich im Wettstreit mit IBM zeitweise in einer kritischen Situation befand, die Veränderung der Rahmenbedingungen zu deuten und entsprechende Geschäftsmodelle abzuleiten wusste und heute eine dominierende Position in der Kommunikationsbranche einnimmt.38
35 Zur Abgrenzung der Generationen (Geburtsjahre) s. Oertel, Jutta: Baby Boomer und Generation X – Charakteristika der etablierten Arbeitnehmer-Generationen. In: Generationen-Management. Klaffke, Martin (Hrsg.). Wiesbaden: Springer, 2014, S. 28. 36 Zur aktuellen Diskussion der Sonntagsöffnung in öffentlichen Bibliotheken s. u. a. http://www.bibinfo.de/verband/publikationen/aktuell.html?tx_ttnews%5Btt_news%5D=4262&cHash=8a932de103 (Abruf: 2018.05.03). 37 S. hierzu auch Kreutzer, Ralf; Neugebauer, Tim; Pattloch, Annette: Digital Business Leadership – Digitale Transformation – Geschäftsmodell – Innovation – Agile Organisation – Change Management. Wiesbaden: Springer, 2017, S. 17 . 38 Weitere Beispiele für den digitalen Darwinismus finden sich in Kreutzer, Ralf; Neugebauer, Tim; Pattloch, Annette: Digital Business Leadership – Digitale Transformation – Geschäftsmodell – Innovation – Agile Organisation – Change Management. Wiesbaden: Springer, 2017, S. 7.
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Die Gefahren, die beispielhaft und sicher nicht vollständig dargestellt wurden und das traditionelle Geschäftsmodell der Bibliotheken beeinflussen, sind teils absehbar,39 teils verborgen oder auch (noch) nicht bewusst. Um zukünftig ein erfolgreicher Player auf dem Informationsmarkt zu sein, ist es unerlässlich, sich mit den vorhandenen und zukünftigen Gefahren strukturiert und konstruktiv auseinanderzusetzen.
3 Wesentliche Erfolgsfaktoren in einem dynamischen Umfeld Um nachhaltig erfolgreich am Markt agieren zu können, ist es unerlässlich, die für den Erfolg relevanten Bestimmungsgrößen, die Erfolgsfaktoren, zu kennen.40 Wesentliche Erfolgsfaktoren im Sinne der Abhandlung sind das Wissen um den Kundenwunsch, den Kunden und die eigene Leistungserstellung sowie das Wissen, welche der angebotenen Leistungen dem Kunden tatsächlich einen Mehrwert vermitteln.
3.1 Erfolgsfaktor: Wissen Weit verbreitet ist, dass Entscheider zu wissen glauben, was ihre Kunden wünschen. Tatsächlich handelt es sich um Vermutungen, deren Basis nicht oder nur bedingt belastbar ist. Tatsächliches Wissen wird durch zielgerichtete Analysen mithilfe adäquater Methoden generiert, sofern die Daten qualifiziert ausgewertet und interpretiert werden. Wesentliche Wissensfelder in einem innovativen Geschäftsprozessmanagement sind das Wissen um und über den Kunden, die eigene Leistungserstellung und deren Wahrnehmung durch den Kunden.
3.2 Erfolgsfaktor: Kenntnis des Kunden Kunden sind der Quell der Wertschöpfung. Die Orientierung an ihren Belangen ist unerlässlich,41 und daher ist die oben beschriebene Kundendimension von besonderer Bedeutung.
39 Vgl. Porter 2013, S. 222 f. 40 Vgl. Müller-Hagedorn 2012, S. 240 ff. Hier finden sich auch weitere Ausführungen zu den Themen Erfolg, Erfolgsgrößen und Erfolgsfaktoren, insbesondere S. 241. 41 S. hierzu auch Zentes, Joachim; Swoboda, Bernhard; Foscht, Thomas: Handelsmanagement. 3. Auflage. München: Vahlen, 2012, S. 366 sowie auf den Informationsmarkt bezogen Kuhlen, Rainer: Informationsmarkt – Chancen und Risiken der Kommerzialisierung von Wissen. 2. Auflage. Konstanz: Universitätsverlag, 1995, S. 94 f., zur Kundenintegration s. Kiefer, Marie Luise; Steininger, Christian: Medienökonomik. 3. Auflage. München: Oldenbourg, 2014, u. a. S. 148.
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Unerlässlich ist das Wissen um die vorhandenen Kunden, dabei ist unerheblich, ob es sich um externe oder interne Kunden handelt. Wer sind diese, was sind ihre Bedürfnisse? Welche Leistungen werden wie wahrgenommen und genutzt? Welcher Nutzen entsteht beim Kunden durch die Leistungen?42 Ebenso wichtig ist das Wissen um Nicht-Kunden und die Gründe von Kundenabwanderungen. Die Bemühung um Neukunden oder eine Kundenrückgewinnung ist weitaus kosten- und aufwandsintensiver als die Bindung vorhandener Kunden. Demnach sind die angebotenen Leistungen einer Institution vornehmlich an deren Bedürfnissen zu orientieren. Letztendlich nehmen Kunden das Ergebnis einer Leistungserstellung wahr und bewerten dieses. Entspricht es nicht ihren Erwartungen, reagieren Kunden. Es ist unerlässlich, die Geschäftsprozesse gezielt auf die tatsächlichen und nicht die vermuteten Kundenbedürfnisse auszurichten. Die Anwendung geeigneter Methoden43 unterstützt die gezielte Ausgestaltung von Geschäftsmodellen mit dem Fokus auf den Kundennutzen (s. Abb. 4).
Der Kunde, das unbekannte Wesen! Was wäre unser Leben so schön, ohne den „Störfaktor“ Kunde!
Kennen Sie Ihre Kunden? Kennen Sie die Wünsche Ihrer Kunden?
...
Mysterium Kunde Warum sind die NichtKunden nicht Kunden?
Ist die Anzahl der Kunden größer als die Anzahl der NichtKunden?
Wissen Sie, welchen Nutzen Ihr Kunde durch Ihre Leistungen hat?
Abb. 4: Mysterium Kunde
42 Vgl. den Beitrag „Age of the Customer: Interne und externe Daten zur Beschreibung von Zielkunden und ihre Eignung für die Marktsegmentierung“ von Frauke Schade in diesem Handbuch. 43 S. hierzu Kap. 3.4.
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3.3 Erfolgsfaktor: Kenntnis der eigenen Leistungen Elementar ist – neben der vom Kunden wahrgenommenen und bewerteten Leistung – die vollständige Kenntnis der damit verbundenen Prozesse. Prozesse mit einem für den Kunden nicht relevanten Ergebnis stellen eine Verschwendung von Ressourcen dar, ebenso nicht wertschöpfende Prozesselemente. Verwiesen sei auf die oben genannte Wertschöpfungsdimension. Wertschöpfung im Informationsmarkt44 ist nur bedingt mit der eines Produktionsunternehmens vergleichbar, aber dennoch beispielsweise durch das Angebot von Mehrwerten oder die Schaffung eines informellen Mehrwertes vorhanden.45 Als Mehrwerte bezeichnet man Leistungen, die über die Kernleistungen von Organisationen hinausgehen und in der Regel von Kunden nicht erwartet werden. Dahingehend ist das Wert- oder Nutzenverständnis des Kunden relevant. Hilfreich ist, neben der Benennung der Prozesse, auch deren detaillierte Analyse in Form einer Prozessbeschreibung und Prozessanalyse mit Bezug zur Wertschöpfungskomponente.46 Dies ermöglicht die Identifikation von Verschwendung und Blindleistungen47 im Sinne des Wertschöpfungsmanagements. Bei der Leistungserstellung ist es unabdingbar, dass ihr Ergebnis mit den Kundenerwartungen weitestgehend übereinstimmt. Ist dies nicht der Fall, werden seitens des Leistungserstellers Kosten generiert, denen kein Kundennutzen gegenübersteht. Beim Kunden werden dessen Erwartungen nicht erfüllt. Es entsteht Enttäuschung mit der großen Gefahr der Abwanderung (s. Abb. 5).
44 Zur Theorie des informellen Mehrwertes bzw. der Wertschöpfung im Informationsmarkt s. Kuhlen, Rainer: Informationsmarkt – Chancen und Risiken der Kommerzialisierung von Wissen. 2. Auflage. Konstanz: Universitätsverlag, 1995, S. 80 ff. sowie Kiefer, Marie Luise; Steininger, Christian: Medienökonomik. 3. Auflage. München: Oldenbourg, 2014, u. a. S. 167. 45 Vgl. Kuhlen 1995, S. 80. 46 Für weitere Ausführungen zu möglichen Analysemethoden s. Rock, Stefan: Effizienzsteigerung der innerbetrieblichen Logistikleistung im großflächigen Einzelhandel – Methoden, Konzepte und Instrumente. München: TCW, 2006, S. 207 f. 47 Für weitere Ausführungen zum Themenfeld der Verschwendung und Blindleistung s. Wildemann, Horst: Produktivitätsmanagement. 2. Auflage. München: TCW, 1997.
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Leistungserstellung und Kundenwunsch ... zwei unbekannte Welten treffen aufeinander.
Ist Leistung der Bibliothek
Leistungen, denen kein Kundennutzen gegenübersteht = unnötige Kosten
Soll Kundenwunsch
Unerfüllte Kundenwünsche = Enttäuschung
Leistung der Bibliothek
Leistungen, denen kein Kundennutzen gegenübersteht
Kundenwunsch
Unerfüllte Kundenwünsche
Übereinstimmung von Erwartung und Leistung
Übereinstimmung von Erwartung und Leistung
Abb. 5: Leistungserstellung und Kundenwunsch
3.4 Erfolgsfaktor: Angebot nutzenstiftender und zukunftsfähiger Leistungen Die zukunfts- und kundennutzenorientierte Ausrichtung der Leistungserstellung erfordert das Wissen um den vom Kunden wahrgenommenen und bewerteten Nutzen. Die Anwendung wissenschaftlicher Methoden, wie der KANO- oder der ConjointMethode, ersetzt den Glauben in Bezug auf den Kundennutzen durch ein fundiertes Wissen. Insbesondere bei der Neuausrichtung der Geschäftsprozesse ist dies zur Vermeidung von Blindleistungen unerlässlich. Während mithilfe der KANO-Methode48 bestehende Prozesse nach ihrer Bedeutung für den Kunden in Basis-, Zusatz-, Begeisterungs- oder Rückweisungsleistungen und indifferente Leistungen differenziert
48 Für weitere Ausführungen zur KANO-Methode s. Huber, Frank; Herrmann, Andreas: Der Zusammenhang zwischen Produktqualität, Kundenzufriedenheit und Unternehmenserfolg. In: Kundenorientierte Unternehmensführung – Kundenorientierung – Kundenzufriedenheit – Kundenbindung. Hinterhuber, Hans et al. (Hrsg.). 6. Auflage. Wiesbaden: Gabler, 2009, S. 78 sowie Hölzing, Jörg: Die KanoTheorie der Kundenzufriedenheitsmessung – Eine theoretische und empirische Überprüfung. Wiesbaden: Gabler, 2008.
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werden, eignet sich die Conjoint-Methode49 vor allem für innovative Elemente, da diese Methode Aussagen hinsichtlich der Nutzenstiftung einer Leistung zulässt. Auf beide Methoden wird im Weiteren kurz eingegangen. Die erfolgreiche Anwendung der KANO-Methode erfordert die vollständige Aufnahme der dem Kunden angebotenen Leistungen. Um die Leistungen den oben beschriebenen Leistungsklassen zuordnen zu können, ist den Probanden je abgefragte Leistung eine funktionale und eine dysfunktionale Frage50 zu stellen, woraus auf die kundenseitige Wertung der Leistung geschlossen werden kann.51 Sind die Ergebnisse nicht eindeutig, geben Bewertungs- oder Entscheidungsregeln Hilfestellung zur Einordnung der Leistungen.52 Für innovative Leistungen eignet sich diese Methode nur bedingt. Da der Kunde die Leistungen nicht kennt und sie damit nicht bewerten und einordnen kann, wird diese oftmals als indifferente Leistung identifiziert.53 Wird dem Kunden durch eine geeignete Kommunikationspolitik die Leistung und der daraus entstehende Nutzen vermittelt, besteht die Möglichkeit, dass sie sich zur Begeisterungsleistung entwickelt und damit zu einem differenzierenden Element gegenüber dem Wettbewerb aufsteigt. Leistungen haben einen Lebenszyklus, innerhalb dessen eine Erosion erkennbar ist. Begeisterungsleistungen werden im Zeitverlauf durch den kundenseitigen Gewöhnungseffekt zu Zusatzleistungen. In der Folge werden Zusatzleistungen zu Basisleistungen, was sich an der Ausstattung eines Pkw verdeutlichen lässt: Vor einigen Jahren waren Ausstattungspakete wie eine Klimaanlage oder ein CD-Player nahezu ausschließlich in Fahrzeugen der Oberklasse zu finden. Mittlerweile sind sie zu einer Basisausstattung erodiert. Ein Fahrzeug ohne diese Ausstattungspakete ist nahezu unverkäuflich. Dies verdeutlicht, wie elementar das Angebot von Begeisterungsleistungen ist, um nachhaltig Bestandteil des Informationsmarktes zu sein. Die Messung des Kundennutzens, insbesondere bei innovativen Leistungen, kann mithilfe der Conjoint-Methode erfolgen. Leistungen zeichnen sich durch Merkmale aus, deren Ausprägungen jedoch unterschiedlich sind. Hier setzt die Conjoint-Methode an. Unterstützt durch einen Algorithmus werden dem Kunden merkmalsübergreifend Ausprägungskombinationen vorgelegt. Er muss sich für die von ihm präferierte Kombination entscheiden. Aus der Vielzahl der Entscheidungen identifiziert der Algorithmus das Merkmal, das dem Kunden den größten Nutzen stiftet. Ebenso ist es
49 Für weitere Ausführungen zur Conjoint-Analyse s. Backhaus, Klaus; Erichson, Bernd; Plinke, Wulff; Weiber, Rolf: Multivariate Analysemethoden: eine anwendungsorientierte Einführung. Berlin: Springer, 2003, S. 543 f. 50 Funktionale Frage: „Wie fänden Sie es, wenn die Leistung angeboten würde?“ Dysfunktionale Frage: „Wie fänden Sie es, wenn die Leistung nicht angeboten würde?“ 51 Vgl. Hölzing 2008, S. 116. 52 Für weitere Ausführungen hierzu s. Hölzing, Jörg: Die Kano-Theorie der Kundenzufriedenheitsmessung – Eine theoretische und empirische Überprüfung. Wiesbaden: Gabler, 2008, S. 123 . 53 Vgl. Rock 2013, S. 753 f.
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mithilfe dieser Methode möglich, eine kundennutzenoptimale Kombination von Merkmalsausprägungen zu erhalten, die wiederum die Basis für eine kundennutzenoptimale Ausgestaltung einer Leistung sein kann. Die Methode ermöglicht zusätzlich, Informationen über die Höhe der Zahlungsbereitschaft für Leistungen zu erhalten.54 Dies geschieht dadurch, dass dem Probanden verschiedene „Preise“ genannt werden, die mit der Inanspruchnahme einer Leistung verbunden sein können. Damit sind die einzelnen Werte nichts anderes als die unterschiedlichen Ausprägungen des Merkmals „Zahlungsbereitschaft“ und können in gleicher Weise gehandhabt werden wie die weiteren Merkmale mit ihren Ausprägungen. Die Anwendung geeigneter wissenschaftlicher Methoden zur Ermittlung der Kundenwahrnehmung ermöglicht die Vereinigung mehrerer der oben genannten Dimensionen im Geschäftsprozessmanagement und führt somit in eine Win-win-Situation für den Kunden und die Leistungsersteller.
Fazit Um dem Selektionsprozess, der in der zunehmend digitalen Gesellschaft rasant fortschreitet,55 zu begegnen, sind Veränderungen und Anpassungen des Geschäftsmodells zwingend erforderlich. Wesentliche Treiber der Veränderungsnotwendigkeit sind – neben einer nahezu exponentiellen Entwicklung der Technologien und deren Leistungsfähigkeit – die zunehmende Digitalisierung vieler Lebens- und Wertschöpfungsbereiche sowie die Kombinatorik verschiedener Entwicklungslinien, verbunden mit der zunehmenden Bedeutung des Internets,56 mit signifikanten Auswirkungen auf die Änderungsdynamik. Der Lebenszyklus von Geschäftsmodellen wird zunehmend kürzer. Damit steigt die Anforderung, in immer kürzeren Zyklen die eigenen Geschäftsmodelle hinsichtlich ihrer Zukunftsfähigkeit zu überprüfen. Die Dynamisierung der Leistungserstellung ist daher unerlässlich. Das Change-Management in der Organisation gewinnt an Bedeutung57, was sich in einer agilen Organisation niederschlägt.58 Die Notwendigkeit, sich dieser Herausforderung zu stellen, ist gegeben, was durch den angeführten evolutionstheoretischen Ansatz begründet und durch die aufgezeigten Veränderungen und Einflüsse hinreichend aufgezeigt wurde. Beispiele aus der Vergangenheit
54 Vgl. Bruhn 2017, S. 106 f.; Backhaus et al. 2003, S. 543 f. 55 S. hierzu auch Kreutzer, Ralf; Neugebauer, Tim; Pattloch, Annette: Digital Business Leadership – Digitale Transformation – Geschäftsmodell – Innovation – Agile Organisation – Change Management. Wiesbaden: Springer, 2017, S. 4. 56 Vgl. Kreutzer et al. 2017, S. 8 f. 57 S. den Beitrag „Change-Management: Wie Führungskräfte durch Kommunikation zum Gelingen der notwendigen Veränderungen beitragen können“ von Petra Düren in diesem Handbuch. 58 S. ebd.
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zeigen, dass jene, die diese Veränderungsnotwendigkeit ignorieren, aus dem Markt verschwinden werden. Dies zu verhindern erfordert ein bewusstes, strukturiertes und zielorientiertes Vorgehen, unterstützt durch wissenschaftliche Methoden als Hilfestellung zur Gestaltung eines zukunftsfähigen Geschäftsmodells. Die Friedrich Schiller zugeschriebene Erkenntnis „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“ ist aktueller denn je. Die fortschreitende Digitalisierung nahezu aller Lebensbereiche erfordert die konsequente Überprüfung der eigenen Leistungserstellung und des damit verbundenen Kundennutzens. Häufig verwendete Alibi-Argumentationen wie „das haben wir schon immer so gemacht“, „das haben wir noch nie so gemacht“ oder „das geht bei uns nicht, weil“ beschleunigen den Prozess des Ausscheidens aus dem Informationsmarkt. Dass eine ausgesprochene Handlungsnotwendigkeit besteht, untermauern nicht nur die dargestellten Theorien, sondern zeigen auch die Beispiele aus der Praxis. Die Abkehr von bisherigen Denkweisen, ein bewusster Perspektivenwechsel unter Beachtung der zukünftigen Entwicklungstendenzen kann ein Weg sein, die Zukunft der eigenen Institution erfolgreich und nachhaltig mit zu gestalten.
Literatur Letztes Abrufdatum der folgenden Internet-Dokumente ist der 2018.06.19. Backhaus, Klaus; Erichson, Bernd; Plinke, Wulff; Weiber, Rolf: Multivariate Analysemethoden: eine anwendungsorientierte Einführung. Berlin: Springer, 2003. Böhler, Joachim: Betriebsform, Wachstum und Wettbewerb. Wiesbaden: Gabler, 1993. Bonte, Achim: Was ist eine Bibliothek? Physische Bibliotheken im digitalen Zeitalter. In: ABI-Technik: Zeitschrift für Automation, Bau und Technik im Archiv-, Bibliotheks- und Informationswesen 35, 2015, H. 2, S. 95–104. Bruhn, Manfred; Hadwich, Karsten: Produkt- und Servicemanagement. Konzepte – Prozesse – Methoden. 2. Auflage. München: Vahlen, 2017. Deutscher Bibliotheksverband e.V.: Bericht zur Lage der Bibliotheken 2017/18, Zahlen und Fakten, 2017. http://www.bibliotheksverband.de/dbv/publikationen/bericht-zur-lage-der-bibliotheken. html Disselkamp, Marcus: Innovationsmanagement. Instrumente und Methoden zur Umsetzung im Unternehmen. Wiesbaden: Springer, 2005. f/21 Büro für Zukunftsfragen: Bibliothekswelten im Umbruch. Die Bibliothek im Internetzeitalter, 2016. www.f-21.de/downloads/f21_zukunftsperspektiven_zukunft-bibliotheken.pdf Gadatsch, Andreas: Grundkurs Geschäftsprozess-Management. Analyse, Modellierung, Optimierung und Controlling von Prozessen. Wiesbaden: Springer, 2017. HDE – Handelsverband Deutschland: Der deutsche Einzelhandel. Stand November 2017. https:// www.einzelhandel.de/presse/zahlenfaktengrafiken/1895-derdeutscheeinzelhandel Hölzing, Jörg: Die Kano-Theorie der Kundenzufriedenheitsmessung – Eine theoretische und empirische Überprüfung. Wiesbaden: Gabler, 2008. Kreutzer, Ralf; Neugebauer, Tim; Pattloch, Annette: Digital Business Leadership – Digitale Transformation – Geschäftsmodell – Innovation – Agile Organisation – Change Management. Wiesbaden: Springer, 2017.
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Christoph Deeg
Gaming und Gamification im Kontext des Bibliotheksmarketings Abstract: In den letzten Jahren hat sich die Welt der Bibliotheken nachhaltig verändert. Die Digitalisierung hat einen immer größeren Einfluss auf nahezu alle Funktionen und Aufgaben einer Bibliothek. In diesem Zusammenhang wird auch der Themenbereich Gaming/Gamification diskutiert. Der Beitrag beleuchtet einige wichtige Elemente dieser Diskussion im Kontext des Bibliotheksmarketings.
Einleitung Die digitale Transformation1 hat einen immer größeren Einfluss auf die heutige und zukünftige Bibliotheksarbeit. Bibliotheken befinden sich dabei in einer Zwickmühle: Einerseits werden Institutionen benötigt, die den digitalen Wandel unserer Gesellschaft gestalten, andererseits befinden sich Bibliotheken selbst in diesem Veränderungsprozess und sind teilweise unsicher, was Bibliothek jetzt und vor allem in Zukunft bedeuten könnte. Diese Unsicherheit kann man in Kommentaren und Diskussionen online wie offline gut erkennen.2 Es wird immer offensichtlicher, dass nahezu alle Funktionen und Bereiche der klassischen Bibliotheksarbeit infrage gestellt, zumindest aber kritisch bewertet werden müssen. Die hohe Innovationsdynamik der Informations- und Medienentwicklung sowie der radikale Wandel sowohl im Medienangebot als auch im Informations- und Mediennutzungsverhalten stellen z. B. das Bestandsmanagement auf den Kopf. In der Arbeit der letzten Jahre zeigte sich immer wieder: Die Ressourcen der Bibliotheken reichen nicht aus, um in dem immer schneller werdenden Transformationsprozess mithalten zu können. Die aktuelle Personalstruktur kann das zukünftige Aufgabenspektrum nur bedingt abdecken, und auch die technischen und strukturellen Rahmenbedingungen ließen und lassen teilweise bis heute eine erfolgreiche Arbeit im digitalen Raum kaum zu. Kurz gesagt: Die vorherrschenden Rahmenbedingungen erlauben nur bedingt eine zukunftsweisende
1 Mit dem Begriff der digitalen Transformation ist hier zum einen die immer stärker werdende Nutzung digitaler Medien und Werkzeuge im Kontext der Bibliotheksarbeit gemeint; zum anderen geht es um die damit verbundenen Veränderungen in den Funktionen, den Strukturen und der Kultur der Bibliotheksarbeit. 2 Diese Unsicherheit wurde und wird vom Autor in einer Vielzahl seiner Transformationsprojekte in Bibliotheken erlebt. https://doi.org/10.1515/9783110539011-015
Gaming und Gamification im Kontext des Bibliotheksmarketings
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Bibliotheksarbeit. Um die nächsten Schritte zu gehen, werden neue Konzepte und vor allem neue Rahmenbedingungen benötigt.
1 Bibliotheksmarketing im Kontext der digitalen Transformation Bibliotheksmarketing ist in besonderem Maße dem digitalen Transformationsprozess unterworfen. Ging es in der Vergangenheit vor allem darum, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, zielgruppenorientierte Angebote und Services zu entwickeln, Communitys aufzubauen und sich – vor allem im Kontext der Digitalisierung – zu vernetzen, muss Bibliotheksmarketing heute und in der Zukunft als Managementfunktion für die kontinuierliche Weiterentwicklung der Bibliothek als Ganzes verstanden werden. Damit geht es nicht mehr nur darum, die Bibliothek auf dem Markt sichtbar zu machen, sondern darum, sie als Akteur dieses Marktes bzw. der Märkte zu entwickeln, d. h., die Bibliothek muss sich positionieren. In Bezug auf die digitale Transformation müssen Bibliotheksstrategien mehr denn je aktuelle Entwicklungen antizipieren. In diesem Kontext soll es in diesem Beitrag um die Entwicklung und Nutzung von Gaming und Gamification gehen.
2 Gaming und Gamification – eine Einführung Was bedeuten die Begriffe Gaming und Gamification? Der Begriff Gaming meint zumeist das Spielen digitaler Spiele. Diese basieren auf den gleichen Mechaniken und Prinzipien wie analoge Spiele. Beide erschaffen einen fiktiven Optionsraum. Das bedeutet, es entsteht eine künstliche Welt, in der eine Vielzahl von Möglichkeiten ausprobiert werden kann. Ist dieser Optionsraum der realen Welt ähnlich, können auf diesem Weg reale Szenarien simuliert werden, ohne jedoch unmittelbar in der Realität Wirkung zu entfalten. Beide bieten die Möglichkeit, einfache Aufgaben sehr kompliziert und zugleich sehr komplizierte Aufgaben sehr einfach zu gestalten. Wenn man z. B. die Aufgabe bekommt, einen Ball in ein Loch zu legen, dann ist dies eine vermeintlich einfache Aufgabe. Wenn das Loch aber dreihundert Meter entfernt ist und man zusätzlich einen Schläger benutzen muss, um den Ball in das Loch zu bewegen, dann wird aus einer einfachen Aufgabe eine sehr komplexe Anforderung. Golf ist also nichts anderes als ein spielerisches System, in dem man die Beförderung eines Balls in ein Loch erschwert hat. In gleicher Weise ermöglichen Spiele den Zugang zu und Umgang mit komplexen Systemen bzw. Aufgaben. Spiele beinhalten die Option, Komplexität zu reduzieren, indem sie sich auf den Kern eines Problems konzentrieren. Hat man diesen Kern und den Umgang damit verstanden, kann das
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Aufgabenportfolio kontinuierlich komplizierter und komplexer gestaltet werden. Dabei passt sich das Spiel dem Wissen und den Kompetenzen des Spielers an. Um dies zu ermöglichen und Menschen zu motivieren, Spiele zu spielen, werden verschiedene Spielmechaniken3 verwendet. Dazu gehören klare Ziel- und Feedbacksysteme. Ein weiteres Element von Spielen ist der sogenannte Path of Mastery. Path of Mastery bedeutet, sowohl den Schwierigkeitsgrad kontinuierlich zu steigern als auch den Schwierigkeitsgrad der Aufgaben an das jeweilige Können anzupassen. Die Entwicklung dieser Lernkurve wird durch die kontinuierliche Anwendung und sehr kleine Schritte bzw. Level ermöglicht. Damit verbunden ist die Möglichkeit, freie Entscheidungen zu treffen und das Konzept der Information Transparency umzusetzen. Das Konzept besagt, dass alle Informationen, die man braucht, um ein Spiel zu spielen bzw. die Aufgaben des Spiels zu lösen, im Spiel vorhanden sein müssen – auch wenn sie versteckt sind. Diese und einige weitere Mechaniken gelten auch für analoge Spiele. Digitale Spiele ermöglichen aber völlig neue Kombinationen dieser Mechaniken. Dieser erweiterte Optionsraum basiert im Wesentlichen auf zwei Mustern. Da ist zum einen die Fähigkeit der Maschine – also des Computers bzw. der Spielkonsole –, Kreativräume zu erschaffen, die scheinbar über die Kreativität des menschlichen Gehirns hinausgehen. Die Maschinen können – von Menschen programmierte – komplexe Erfahrungsräume bzw. Spielewelten darstellen, die konkret auf die Handlungen eines Spielers reagieren und immer wieder neue Entscheidungen und Erfahrungen ermöglichen bzw. erfordern. Dies schließt auch eine nicht mehr überschaubare Anzahl an Interaktionsmustern mit ein. Zum anderen ermöglicht eine Maschine die Vernetzung Tausender Spieler untereinander. Nachdem der Begriff Gaming definiert wurde, gilt es nun, das Thema Gamification zu beleuchten. Gaming und Gamification beruhen auf den gleichen, oben beschriebenen Mechaniken. Bei Gamification geht es jedoch darum, diese Mechaniken in NichtGame-Kontexten anzuwenden. Es geht also nicht um Spiele. Wenn man Prozesse durch Gamification verändert, wendet man einzelne Spielmechaniken an, um den realen Prozess direkt zu verändern. Es entsteht kein fiktiver Rahmen; vielmehr werden spieltypische Elemente und Vorgänge in spielfremde Kontexte gesetzt. Somit ist die Breite der möglichen Nutzungsformen der Gamification weitaus größer als die Anzahl möglicher Nutzungsformen von Spielen, da es hier z. B. um Einstellungs- und Verhaltensänderungen und eine Motivationssteigerung der Anwender geht.
3 Als Mechanik eines Spiels wird dessen Ablauf bezeichnet, d. h. wie aus der Ausgangssituation, den Spielregeln und den Aktionen des Spielers ein Spielerlebnis wird.
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3 Vor- und Nachteile von Games und von Gamification Beide Ansätze haben ihre Vor- und Nachteile. Spiele sind fiktive Erfahrungsräume, deren weitergehende Nutzung nur durch eine Übersetzung in reale Zusammenhänge möglich wird. Sie eignen sich sehr gut, um vorhandenes Wissen anzuwenden. Dies bedeutet, dass das Wissen auf einem anderen Weg erworben wird und durch die Anwendung im Spiel vertieft wird bzw. werden kann. Des Weiteren eignen sich Spiele für die Entwicklung verschiedener Kompetenzen, z. B. den Umgang mit komplexen Systemen, das Arbeiten und Lernen im Team, die Aneignung technischer bzw. digitaler Kompetenzen etc. Gamification hingegen greift direkt in existierende Prozesse bzw. Systeme der realen Welt ein. Damit ist der Transfer von Fiktion in die Realität nicht mehr notwendig und der im Spiel so wichtige fiktive Rahmen wird obsolet.
4 Gaming, Gamification und Bibliotheksmarketing Im Folgenden soll die Frage beantwortet werden, wie Gaming und Gamification als Element des Bibliotheksmarketings genutzt werden können. Grundsätzlich ist es notwendig, zwei Bereiche zu unterscheiden: – die Anwendung bzw. Nutzung von Gaming und Gamification als Element des Angebotsportfolios der Bibliothek; – die Anwendung bzw. Nutzung beider Bereiche als Querschnittsfunktion des strategischen Bibliotheksmanagements bzw. im Kontext des Bibliotheksmarketings (s. Kap. 8).
Gaming und Gamification als Elemente des Angebotsportfolios der Bibliothek Wenn man sich aus der Sicht des Bibliotheksmarketings mit der Frage beschäftigt, warum Bibliotheken im Bereich Gaming und Gamification aktiv sein sollten, muss man sich zunächst von vermeintlich einfachen Begründungen und Antworten trennen. Wenn in Workshops die Bibliotheksmitarbeiter gefragt werden, warum ihre Bibliothek etwas in diesem Bereich anbieten möchte/soll, bekommt man fast immer die gleichen Antworten. Zumeist steht dahinter die Intention, vor allem ein jüngeres Publikum in die Bibliothek zu locken. Dieser Ansatz ist nicht nur falsch, sondern unter Umständen auch kontraproduktiv. Gaming in Bibliotheken kann nur dann nachhaltig funktionieren, wenn Spielen als gleichberechtigte Kulturtechnik neben Lesen und Schreiben und das Medium Spiel z. B. als dem Medium Buch gleichgestellt akzeptiert wird. Dabei geht es nicht um einen Konflikt im Sinne von Konkurrenz, sondern vielmehr um die Bereitschaft, die beiden Bereiche zu vernetzen. Um sie zu Elementen der Bibliotheksarbeit zu machen, müssen alle Aspekte des Spiels bzw. des
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Spielens verstanden werden. Das ist nicht trivial. So wie das Buch hat auch das Spiel einen eigenen, umfassenden Kulturraum entwickelt. Eine Bibliothek ist historisch primär dem Kulturraum Buch gewidmet. Andere Medien- und Kulturformen müssen sich dort also erst behaupten bzw. ihre Relevanz nachweisen. Eine Bibliothek wird nicht allein dadurch „cooler“ oder „spannender“, dass sie über eine Playstation verfügt.
5 Gaming ist kein buntes Jugendthema Die Antwort liegt in den Charakteristika und Mechaniken von Spielen selbst. Spielen ist eine Kulturtechnik, die nicht erlernt werden muss. Sie ist vielmehr Teil der menschlichen „Basisprogrammierung“. Die Mechaniken, mit denen der Mensch sich seine Welt erschließt, sind mit denen des Spielens vergleichbar. Man könnte auch sagen, der Mensch erschließt sich seine Welt durch Spielen. Gerade bei Kindern kann man dies gut beobachten. Die Fähigkeit zu spielen – und damit: zu lernen – ist allen Kindern gegeben. Die Kulturtechniken Lesen und Schreiben kommen erst später hinzu und müssen zudem über Jahre hinweg erlernt und verfeinert werden. Natürlich basiert unser gesellschaftliches und vor allem unser berufliches Umfeld viel stärker auf dem Lernen durch Lesen und Schreiben als auf Lernen durch Spiel. Dies ist aber eine kulturelle und auch eine „künstliche“ Entscheidung. Es geht nicht darum, Lesen und Schreiben zu diskreditieren, sondern darum, ein sinnvolles, vernetztes und gleichberechtigtes Nebeneinander zu ermöglichen. Gaming und Gamification sind deshalb so erfolgreich, weil sie grundsätzliche menschliche Funktionen „triggern“. Dies sorgt dafür, dass diese Kulturtechnik weitaus mehr Menschen aktiviert und zum Lernen motiviert als z. B. die Vermittlung von Wissen durch Texte. Spielen bedeutet nichts anderes, als zu lernen. Möchte man also möglichst viele Menschen unabhängig von ihrem Bildungsstand oder ihrem kulturellen Hintergrund erreichen, eignen sich Spiele als Werkzeug weitaus besser als andere Medien, z. B. Bücher. Auch im Kontext der digitalen Transformation haben Spiele eine große Bedeutung. Auf praktisch allen digitalen Geräten finden sich inzwischen vorinstallierte Spiele. Für einen sehr großen Teil unserer Gesellschaft ist das Computerspiel der erste intrinsisch motivierte Kontakt mit einem Computer bzw. anderer digitaler Hardware. Spielen ist heute einer der wichtigsten Gründe dafür, moderne und leistungsfähige Hardware zu besitzen. Für nahezu alle Funktionen und Optionen, die heutige Apps auf mobilen Geräten ermöglichen, benötigt man kein hochgerüstetes Smartphone. Im Wesentlichen sind es die Spiele, die eine immer höhere Rechen- und Grafikleistung erfordern. Was bedeutet das für Bibliotheken? Games und Gamification können nicht einfach als ein weiteres Medium oder Angebot verstanden werden. Vielmehr muss die Kulturtechnik Spiel in ihren heterogenen digitalen, analogen und digital-analogen
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Gaming und Gamification im Kontext des Bibliotheksmarketings
Nutzungsformen zu einer Querschnittsfunktion der Bibliotheksarbeit werden. Insbesondere im Kontext der digitalen Transformation hat dies eine besondere Bedeutung: Es ermöglicht der Bibliothek, als Schnittstelle zwischen digitaler und analoger Lebensrealität zu agieren. Darüber können immer neue Zielgruppen erreicht werden. Dies erfordert ein Umdenken hinsichtlich der kulturellen Identität der Bibliotheken bzw. der Bibliothekswelt.
6 Gaming braucht Bibliotheken nicht – aber Bibliotheken brauchen Gaming Die Gaming-Welt hat nicht auf Bibliotheken gewartet, und das wird sie auch künftig nicht tun. Diese Kulturform hat sich – losgelöst von anderen Kulturwelten – eigenständig entwickelt. Kontinuierlich infrage gestellt und teilweise diskriminiert, entwickelte sie eigene Strukturen, Symboliken und Kommunikationsformen. Es gab keine Institutionen, es gab „nur“ die Spieler und die Spielentwickler. Und als sich die „renommierten“ Medienorganisationen weigerten, die Relevanz dieser digital-analogen Revolution wahrzunehmen, schuf sich die Gaming-Community eigene Medienformate. So entstand eine heterogene, offene, digital-analoge und vor allem sehr selbstbewusste Community. Und genau damit eignet sich die Gaming-Community hervorragend als Testsystem für die Fähigkeit von Bibliotheken, sich neue Zielgruppen zu erschließen. In den letzten Jahren wurde vielfach diskutiert, ob sich Bibliotheken nicht auf bestimmte Zielgruppen konzentrieren sollten. Eine Abkehr von der „Bibliothek für alle“ birgt jedoch auch Risiken, da sich die öffentliche Finanzierung durch die Erfüllung eines relevanten Gemeinschaftsinteresses legitimieren muss. Hiermit ist nicht die gesellschaftliche Dimension gemeint, auch wenn diese durchaus (mit-)diskutiert werden sollte, sondern vor allem, dass durch die mediale Entwicklung sowohl aufseiten der Anbieter als auch aufseiten der Konsumenten das Risiko hoch ist, dass früher oder später Kundengruppen wegfallen und weitere Zielgruppen nicht erreicht werden. Wie relevant Gaming ist, zeigen die Zahlen des Bundesverbandes Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) von 2016 auf: Rund jeder zweite Deutsche ist ein Gamer: 34,3 Millionen Menschen in Deutschland spielen Computer- und Videospiele. Das entspricht 46 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Mit 16,2 Millionen sind knapp die Hälfte (47 Prozent) davon Frauen. Das gab der BIU – Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware auf Basis von Daten des Marktforschungsunternehmens GfK bekannt. Dabei stieg das Durchschnittsalter der Gamer weiter an, innerhalb eines Jahres von 34,5 auf 35 Jahre. Entsprechend gab es den größten Anstieg der Spielerzahlen in der Altersgruppe 50+: Innerhalb von 12 Monaten ist die Anzahl der Spieler in diesem Alter um 500.000 auf 8,4 Millionen
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Menschen gewachsen. Damit stellen die über 50-Jährigen ein Viertel (25 Prozent) aller Spieler in Deutschland.4
Wenn sich Bibliotheken eine Gaming-Community als neue Zielgruppe erschließen möchten, dann müssen sie sich fragen, wie eine Bibliothek mit einer solchen Community kompatibel werden kann. Die Entwicklung oder das Kopieren – im Sinne des Nachahmens – von Einzelaktionen ist nicht sinnvoll. Es ist vielmehr ein umfassenderer strategischer Ansatz notwendig. Nur dann kann dieser Prozess als Simulation für die Fähigkeit dienen, mit kultureller Diversität umzugehen und sich neue Zielgruppen zu erschließen. Dies betrifft z. B. auch die Bibliothek in ihrer Funktion als (Dritter) Ort. Gaming bedeutet denn auch, neue Anforderungen an die Bibliothek als Ort zu formulieren. Bewegte, digitale Bilder und eine gewisse Lautstärke, hervorgerufen durch die Spiele und die Spieler, stellen für viele Bibliotheken eine große Herausforderung dar, der es sinnvoll zu begegnen gilt.
7 Das Vier-Säulen-Modell In diesem Zusammenhang wurde das Vier-Säulen-Modell entworfen.5 Dieses Modell soll einen umfassenden strategischen Ansatz im Kontext der Nutzung von Gaming in Bibliotheken ermöglichen. Mit diesem Modell wird die Arbeit im Bereich Gaming unter vier Aspekten betrachtet: – Bestand; – Services; – Ort; – Gamified Library. Im Folgenden sollen diese vier Bereiche kurz beschrieben werden. Im Bereich Bestand geht es um jegliche Formen der Zusammensetzung eines Bestandes, der für die Zielgruppe relevant sein könnte. Dieser umfasst sowohl digitale als auch analoge Spiele. Darüber hinaus geht es um Bücher und Filme mit den zugehörigen Geschichten aus den verschiedenen Spieluniversen sowie allen anderen damit verbundenen Themen. Dabei geht es aber nicht nur um digitale und analoge Medien, für die die Bibliothek einen exklusiven Zugang bieten kann. Frei zugängliche Medien sollten ebenfalls im Fokus des Bestandsmanagements liegen. Dies betrifft z. B. Let’s-Play-Videos auf YouTube, die einen gänzlich anderen Ansatz im Bestandsmanagement erfordern. In Let’s-Play-Videos dokumentieren Gamer ihre Spielerlebnisse,
4 BIU 2016. 5 Vgl. Deeg 2014a; Deeg, Salvatore 2017, S. 2 .
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die vielfach von Zehntausenden geschaut werden. Eine Bibliothek sollte daher nicht nur die Spiele kennen, sondern auch dazugehörige Let’s-Play-Videos, und dies auch kommunizieren.6 Daraus ergibt sich auch eine unmittelbare Verbindung zum zweiten Bereich, dem der Services. Mit Services sind Aktivitäten gemeint, die über das Bestandsmanagement hinausgehen und nicht den Veranstaltungen und Events zuzuordnen sind. Darunter fallen z. B. Dienstleistungen, die ein breites Wissen im Bereich der Plattformen und Communitys voraussetzen, sowie die Vermittlung von Informations- und Medienkompetenz oder die Beratung zu Games und Gaming. Der dritte Bereich, der des Ortes, thematisiert die Aktivitäten in den Räumen der Bibliothek. Es geht also um alle Formen und Formate des Spielens in der Bibliothek sowie damit verbundene Formate, z. B. Lesungen und Events zu verschiedenen Gaming-Themen. Schließlich gibt es den vierten Bereich, die Gamified Library. Damit ist gemeint, dass Aktivitäten und Angebote der Bibliotheken um Spielmechaniken erweitert werden. Dazu geeignet sind z. B. Benutzeroberflächen von Datenbanken, der OPAC7 etc. sowie die Benutzerkontenführung. Spielmechaniken können zudem bei Aufgaben im Rahmen von Bibliotheksführungen eingesetzt werden. Voraussetzung dafür ist, dass lineare, klassische Führungen nicht einfach durch Multiple-ChoiceFragen erweitert werden. Ziel wäre vielmehr, die Bibliothek als multioptionale „Playful Experience“ auf der Grundlage einer Story zu verstehen.
8 Die Anwendung bzw. Nutzung der beiden Bereiche als Querschnittsfunktion Im letzten Teil dieses Beitrags geht es um die Anwendung bzw. Nutzung der beiden Bereiche als Querschnittsfunktion des strategischen Bibliotheksmanagements bzw. im Kontext des Bibliotheksmarketings. Dies soll am Beispiel der Anwendung von Gaming und Gamification bei der Entwicklung und Umsetzung einer digital-analogen Bibliotheksstrategie beschrieben werden. Dafür lohnt sich nochmals ein Blick auf das Gamedesign. Spiele haben üblicherweise zwei zusammenhängende Strategieansätze. Der Spieleentwickler Spieleentwickler können und wollen im Vorfeld nicht genau festlegen, wie das von ihnen entwickelte Spiel tatsächlich gespielt wird. Sie schaffen lediglich den Rahmen, innerhalb dessen das Spielen möglich ist bzw. „funktioniert“. Funktionieren bedeutet in diesem Kontext, dass die einzelnen Spielelemente komplementär ineinandergrei-
6 Vgl. Deeg 2014b, S. 154. 7 OPAC = Online Public Access Catalogue, öffentlich zugänglicher Online-Katalog.
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fen und gleichermaßen motivieren. Spielen ist immer eine freiwillige Tätigkeit und somit primär intrinsisch motiviert. Der Spieldesigner entwickelt also ein Rahmenmodell, das durch Regeln beschrieben wird. Dieses Framework beinhaltet Zielsysteme, Feedback- und Analysemodelle, Handlungsanweisungen und Handlungsoptionen, Sprach- und Kulturelemente, eine Story, Ressourcen etc. Auf der anderen Seite ist der Spieler, der während des Spiels einzelne Aufgaben zu lösen bzw. zu bewältigen hat. Dazu benutzt er die vorgegebenen Rahmenbedingungen, bewegt sich in diesen und entwickelt innerhalb des vorgegebenen Frameworks seine individuelle „Spielstrategie“. Dies kann u. a. auch dazu führen, dass er versucht, das Framework zu umgehen bzw. Schwachstellen zu finden, um sich einen individuellen Vorteil zu verschaffen. Überträgt man dieses narrativ präsentierte Gedankenmodell auf die Logik einer Bibliotheksstrategie, können bei der Strategieentwicklung im Management und im Marketing von Bibliotheken neue Wege beschritten werden. Die Vorteile davon liegen auf der Hand. Die Leitungsebene definiert ein Framework, innerhalb dessen Mitarbeiter, Kunden und weitere Stakeholder agieren. Auf der anderen Seite stehen die Mitarbeiter, Kunden etc., die ihrerseits eigene Strategiemodelle entwickeln oder schon haben, um ihre verschiedenen „Aufgaben“ zu lösen. Die Anwendung von Gamification als Werkzeug zur Strategieentwicklung bedeutet also, dass einzelne oder auch alle Fragestellungen und Abläufe der Bibliotheksarbeit in ein auf Spielmechaniken basierendes Framework übertragen werden. Dieses Framework basiert auf einem umfassenden Gamification-Design, das sich auf die individuellen Motivationsmuster aller beteiligten Gruppen sowie die damit verbundenen Wechselwirkungen konzentriert. Dieser mit „Game Thinking“ beschriebene Prozess stellt eine Mischung aus Design Thinking und Gamification dar.8 Spielmechaniken wirken in diesem Zusammenhang wie Managementmechanik. Dies soll am Beispiel der Spielmechanik Information Transparency beschrieben werden. Diese Mechanik besagt, dass bei einem Spiel alle Informationen, die für die Lösung eines Problems erforderlich sind, auch im Spiel vorhanden sein müssen. In manchen Fällen mögen diese Informationen versteckt sein, aber sie sind vorhanden, und es gibt einen motivierenden Pfad, der zu diesen Informationen führt. Diese Mechanik ist Teil des Ziel- und des Feedbacksystems eines Spiels. Im Kontext der Entwicklung einer digital-analogen Bibliotheksstrategie kann diese Mechanik u. a. für die Personalentwicklung genutzt werden. Dazu ist festzustellen, dass in Bibliotheksprojekten die meisten Mitarbeiter weder den Begriff der digitalen Transformation definieren noch deren Auswirkungen auf die eigene Arbeit abschätzen können. Um
8 S. dazu Werbach, Kevin; Hunter, Dan: For the Win. How Game Thinking Can Revolutionize Your Business. Pennsylvania: Wharton Digital Press, 2012. Vgl. auch den Beitrag „Design Thinking: Agilität und Nutzer im Fokus der Arbeitswelt 4.0“ von Ivonne Preusser in diesem Handbuch.
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diesen Zustand zu verbessern, ist es notwendig zu analysieren, welche einzelnen digitalen Kenntnisse und Fähigkeiten für die Bibliotheksarbeit erforderlich sind. In der Regel erfolgt dies über einen individuellen und umfassenden Fragenkatalog. In einem nächsten Schritt werden die Wechselwirkungen zwischen diesen Fähigkeiten analysiert. Auf der Basis dieser Daten kann im Folgenden ein „Erfahrungsbaum“ als Levelsystem erstellt werden. Dies gibt Bibliotheksmitarbeitern einen Überblick über die einzelnen anstehenden Inhalte, die erschlossen werden müssen. Gleichzeitig wird dadurch sichtbar, welche Kenntnisse in welchem Zeitraum schon erworben wurden und welche Aufgaben damit umsetzbar sind. Schließlich kann ebenso abgeschätzt werden, wie diese weiteren Kenntnisse entwickelt werden können. Gleichzeitig kann die Bibliotheksleitung auf der Basis dieser Daten individuelle Weiterbildungsportfolios erstellen und zugleich den Fortschritt der Entwicklung einsehen. Darüber hinaus kann auf der Basis dieser Daten eine neue Zeit- und Arbeitsplanung entwickelt werden, damit die Mitarbeiter der Bibliothek für ihren individuellen Entwicklungsprozess auch genügend Zeit und Ressourcen bekommen. Die Vermittlung dieser Informationen an die Mitarbeiter kann über verschiedene Feedbacksysteme erfolgen.9 Schließlich können Spielmechaniken auch zu Modellen in Workshops werden. So kann der Prozess des Design Thinking durch weitere Kreativtechniken aus dem Spielebereich erweitert werden.10
Fazit Dieser Beitrag gibt einen ersten Einblick darein, welche Optionen professionelles Gaming und Gamification im Management und im Marketing von Bibliotheken ermöglichen. Es ist wichtig zu verstehen, dass Gaming und Gamification keine Werbeoder/und PR-Maßnahmen darstellen, um neue Zielgruppen für die Bibliothek zu gewinnen. Es geht vielmehr um einen umfassenden Ansatz, der Gaming und Gamification als Querschnittsfunktionen über die gesamte Bibliotheksarbeit hinweg definiert. Wird dieser Ansatz umgesetzt, ergeben sich völlig neue Möglichkeiten sowohl aus strategischer als auch aus operativer Perspektive.
9 S. dazu MacGonigal, Jane: SuperBetter: How a Gameful Life Can Make You Stronger, Happier, Braver and More Resilient. London: Harper Collins, 2016. 10 S. dazu Gray, Dave; Brown, Sunni; Macanufo, James: Gamestorming: A Playbook for Innovators, Rulebreakers, and Changemakers. Sebastopol/CA: OʼReilly Media, 2010.
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Literatur Letztes Abrufdatum der folgenden Internet-Dokumente ist der 2018.05.21. BIU – Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware: Der durchschnittliche Gamer in Deutschland ist 35 Jahre alt. 2016. https://www.game.de/blog/2016/06/07/der-durchschnittliche-gamer-indeutschland-ist-35-jahre-alt/ Deeg, Christoph: Bibliotheken ohne Gaming sind möglich aber sinnlos – Wie Bibliotheken durch Gaming weiterentwickelt werden. Vortrag im Rahmen des Berliner Bibliothekswissenschaftlichen Kolloquiums des Instituts für Bibliotheks- und Informationswissenschaften an der HumboldtUniversität zu Berlin am 11. Juli 2014. 2014a. https://www.youtube.com/watch?v=VC_rLcoBdns Deeg, Christoph: Gaming und Bibliotheken. Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2014b. (Reihe Praxiswissen.) Deeg, Christoph; Salvatore, Michele: Gaming in Bibliotheken. Handout für den Züricher Bibliothekstag 2017. 2017. https://ajb.zh.ch/content/dam/bildungsdirektion/ajb/kinderjugendhilfe/dateien/ bibliotheken/weiterbildungen/bibliothekstag_2017_dateien/01c_Handout%20Gaming%20Parc ours.pdf
III Operatives Marketing Ursula Georgy und Frauke Schade Einführung in das operative Marketing und aktuelle Entwicklungen Markus Putnings Zertifizierung und Indexierung als Instrument des Marketings und der Qualitätsmanagementdarlegung 249 Susanne Blumesberger Metadaten als Mehrwerte
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Dirk Tunger und Andreas Meier Altmetrics: Ein innovativer Service für Bibliotheken
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Sabine Stummeyer OER – Open Educational Resources: Chancen für wissenschaftliche Bibliotheken durch den Einsatz von freien Lehr- und Lernmaterialien in der Hochschullehre 303 Günther Neher Offene Standards als Marketinginstrument
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Dirk Lewandowski Personalisierung und Kontextualisierung Frank Seeliger Smart Services als Marketinginstrument
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Dirk Lewandowski Zugänglichkeit von Information Services und ihren Inhalten über Suchmaschinen 358 Sebastian Sünkler und Friederike Hanisch Sprachsteuerung und digitale Assistenten im Informationsmarketing Ulrike Spree Usability und User Experience von Informationsdienstleistungen Frauke Schade Das Portal als Marketinginstrument Ursula Georgy Lokales Marketing
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Richard Stang Orte zwischen Vergangenheit und Zukunft: Die komplexe Geschichte der Verortung von Bibliotheken 457 Christine Gläser Vom Lernort Bibliothek zum Lernraum Hochschule
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Frauke Schade Licence to Operate: Interessen von Bibliotheken im politischen Raum vertreten 479 Rita Kamm-Schuberth Mit öffentlichen Bibliotheken Themen in der Stadtgesellschaft nachhaltig setzen 498 Johannes Neuer E-Mail-Marketing
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Deborah Kyburz Corporate Storytelling als Marketinginstrument
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Joachim Griesbaum (Social) Display Advertising Johannes Neuer Crossmediale Kampagnen
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Einführung in das Operative Marketing und aktuelle Entwicklungen Im operativen Marketing wird die Marketing-Strategie umgesetzt. Ziele und Kunden im Fokus, ist der Modus des operativen Marketings das konkrete Handeln und das aktiv Gestaltende. Im Mittelpunkt stehen alle Austauschprozesse zwischen Kunden und Unternehmen bzw. Bibliothek. Um diese Aufgaben zielführend und umfassend angehen zu können, gibt die „klassische“ Marketing-Literatur die Systematik des Marketing-Mixes vor. Dieser Marketing-Mix bezieht sich im Kern auf die Produkt-, Preis-1, Distributions- und Kommunikationspolitik. Um den besonderen Merkmalen von Dienstleistungen gerecht zu werden, wird der Marketing-Mix im Dienstleistungsmarketing um die Politiken Prozess, Personal2 und Ausstattung erweitert; die Produktpolitik wird als Leistungspolitik bezeichnet.3 Um möglichst alle Gestaltungsoptionen für sämtliche Merkmale von Gütern auf diversifizierten Märkten zu erfassen, wurde die Systematik des Marketing-Mixes bis heute stetig ausdifferenziert. Das Ausloten der spezifischen Bedingungen in den verschiedenen Austauschkanälen des operativen Marketings hat analytisches Kalkül: Einerseits ist es sinnvoll, um Gestaltungsoptionen möglichst optimal, dezidiert und kanalspezifisch auszuarbeiten, andererseits ist dies heute kaum mehr möglich. Die Innovationsdynamik der Digitalisierung, die Charakteristik von Online-Märkten und die Merkmale von Informationsgütern bestätigen, dass Konvergenz ein Prinzip von Digitalität ist, das Agilität als Maxime unternehmerischen Handelns auch im operativen Marketing herausfordert. Der Begriff des Marketing-Mixes kann hier also im besten Sinne noch wörtlicher genommen werden, ohne jedoch grundsätzlich eine systematische Herangehensweise an sich infrage zu stellen. Die Einordnung der folgenden Beiträge folgt dem Narrativ des Marketing-Mixes. Es wird einerseits gezeigt, wo und wie dieses Narrativ in den Austauschkanälen noch resonanzfähig ist und durch neue Gestaltungsoptionen modifiziert und bereichert werden kann, andererseits, wo es brüchig geworden ist, weil die Eindimensionalität
1 Bei öffentlich finanzierten Einrichtungen wird statt Preispolitik der Begriff Gebührenpolitik verwendet. Darunter fallen Entgelte und Konditionen, die festschreiben, zu welchen Bedingungen die Angebote der Bibliothek in Anspruch genommen werden können. Bei Bibliotheken sind dies vor allem Benutzungsgebühren und Eintrittsgelder, aber auch Rabatte und nach Kundengruppen differenzierte Gebühren auf der Grundlage der Benutzungs- bzw. Gebührenordnung. 2 Aspekte der Personalpolitik werden in diesem Handbuch im Themenfeld Strategisches Marketing behandelt. 3 Vgl. Meffert et al. 2018, S. 268, 269.
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des Kanals kontraproduktiv wäre.4 Hierbei wird deutlich, wie Synergien in der Konvergenz der Austauschkanäle genutzt werden können. Es zeigt sich, dass sich das operative Marketing zielführend nur in einer 360-Grad-Betrachtung realisieren lässt, die alle Instrumente strategisch und taktisch aufeinander bezieht, um Zielgruppen online und offline in einem Multi- oder Omni-Channel-Management zu erreichen und die Vision und die Mission des Unternehmens bzw. der Einrichtung lebendig werden zu lassen.
1 Leistungspolitik Herzstück des operativen Marketings ist bei Dienstleistungsunternehmen die Leistungspolitik. Sie umfasst alle Strategien zur Modifikation, Differenzierung, Variation, Innovation und Eliminierung von Leistungen. Zu den Kernleistungen von Bibliotheken gehören beispielsweise alle Dienstleistungen, die sich den Basisfunktionen Sammeln, Archivieren, Erschließen, Bereitstellen und Vermitteln zuordnen lassen.5 Darüber hinaus gehören zur Leistungspolitik sogenannte Mehrwerte sowie die Externalisierung von Leistungen, die die Mitwirkung und die Mitgestaltung von Leistungen als Co-Creator miteinbeziehen.6 Qualität Insbesondere bei Dienstleistungen im Allgemeinen und bei Informationsdienstleistungen im Besonderen hat das Qualitätsmanagement aufgrund der Gütereigenschaften eine zentrale Bedeutung. Qualität bezieht sich dabei auf die Potenzial-, die Prozess- und die Ergebnisqualität.7,8 Zeithaml, Parasuraman und Berry zeigten bereits in den 1980er Jahren, dass die Erfüllung der Kundenerwartungen entscheidend die Qualitätsbewertung von Dienstleistungen prägt. Dienstleistungsqualität ergibt sich dabei vor allem aus dem Vergleich von erwarteter und wahrgenommener Leistung
4 Unter dem Aspekt der Qualität wird die Prozesspolitik bei der Leistungspolitik behandelt. Die Gebührenpolitik öffentlich finanzierter Einrichtungen kommt im Wesentlichen nicht auf der Grundlage marktlicher Mechanismen von Angebot und Nachfrage zustande, sondern beruht auf sozialen und politischen Überlegungen, was sich nicht zuletzt in dem verwendeten Terminus Gebühr im Gegensatz zu dem Begriff Preis bei privatwirtschaftlichen Unternehmen ausdrückt. Dabei steht die Gebührenpolitik generell unter den Vorgaben des Verwaltungsrechts. Da Bibliotheken bisher wenig Steuerungsmöglichkeiten zur Gestaltung von Entgelten und Konditionen haben, wird diese Politik in diesem Handbuch nicht behandelt. 5 Vgl. Plassmann et al. 2011, S. 219–221. 6 Vgl. Meffert et al. 2018, S. 270–274. 7 Vgl. ebd., S. 272. 8 Das Thema Qualitätsmanagement wurde in Band 1 behandelt. S. Vonhof, Cornelia: Strategisches Qualitätsmanagement als Aspekt des strategischen Marketings – Strategisches Marketing als Aspekt des Qualitätsmanagements. In: Praxishandbuch Bibliotheks- und Informationsmarketing. Georgy, Ursula et al. (Hrsg.). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2012, S. 287–318.
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seitens der Nachfrager. Damit ist die Bewertung von Qualität aufseiten des Nachfragers stets subjektiv.9 Die hohen Anteile an Vertrauens- und Erfahrungseigenschaften weitgehend immaterieller Leistungen führen zu Bewertungsunsicherheiten. Qualität, Wert und Brauchbarkeit der Leistung erschließen sich dem Kunden nicht unmittelbar und oft erst nach ihrer Inanspruchnahme. Daraus ergibt sich eine ungleiche Informationsverteilung zwischen Anbietern und Nachfragern, die auch als „Informationsasymmetrie“10 bezeichnet wird. Für das Marketing resultieren daraus mindestens zwei Anforderungen, die es im operativen Marketing zu erfüllen gilt: Erstens müssen hohe Anstrengungen unternommen werden, um die Qualität von Leistungen hinsichtlich der Prozess- und der Ergebnisebene sicherzustellen. Zweitens muss die Qualität von Leistungen gut dokumentiert werden, z. B. über Zertifikate, Referenzen oder die Marke, um Bewertungsunsicherheiten abzubauen und Informationsasymmetrien zu kompensieren (Signaling). Von hoher Bedeutung ist deshalb die Markenpolitik und Markenkommunikation.11 Ein wirksamer Nachweis der Qualität ist u. a. die Zertifizierung des Qualitätsmanagements, bei der Leistungen und Prozesse im Mittelpunkt stehen. Markus Putnings stellt in seinem Beitrag Zertifizierung und Indexierung als Instrument des Marketings und der Qualitätsmanagementdarlegung Formen der Zertifizierung des Qualitätsmanagements vor und zeigt, wie eine Zertifizierung die Vermarktung unterstützen und Wettbewerbsvorteile generieren kann.
Mehrwerte Von herausragender Bedeutung in der Leistungspolitik sind Mehrwerte. Während Kernleistungen zu den originären Geschäftsfeldern eines Unternehmens oder einer Organisation gehören, die von Kunden erwartet werden, gehen Mehrwerte darüber hinaus und stiften in Kombination mit den Kernleistungen für Kunden einen Zusatznutzen, den die Kunden so nicht erwartet haben. Die Bedeutung von Mehrwerten resultiert aus der Tatsache, dass infolge zunehmender Leistungsgleichheit insbesondere bei Produkten eine Differenzierung am Markt fast nur noch durch Mehrwerte erreicht werden kann.12 Bei Informationsdienstleistungen von Bibliotheken und Informationseinrichtungen lassen sich Mehrwerte vor allem durch investive Leistungen schaffen, die kollaborativ in arbeitsteiligen Systemen entstehen. Dies zeigt sich beispielsweise bei der Erschließung von Information und Informationsressourcen. Die formale und inhalt-
9 Vgl. Zeithaml et al. 1992, S. 62. 10 Vgl. Meffert et al. 2015, S. 38; Plassmann et al. 2011, S. 218. 11 Vgl. Meffert et al. 2018, S. 272. – Das Thema Markenentwicklung wurde in Band 1 behandelt. S. Schade, Frauke: Markenentwicklung für Bibliotheken. In: Praxishandbuch Bibliotheks- und Informationsmarketing. Georgy, Ursula et al. (Hrsg.). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2012, S. 341–368 und Schade, Frauke: Praxishandbuch Digitale Bibliotheksdienstleistungen. Strategie und Technik der Markenkommunikation. Unter Mitarbeit von Johannes Neuer. Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2016. 12 Vgl. Meffert et al. 2015, S. 5.
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liche Beschreibung mit Metadaten gehört zu den Kernkompetenzen von Bibliotheken und Informationseinrichtungen. Metadaten sind potenzielle Sucheinstiege (Suchbegriffe) in den verschiedenen Nachweissystemen, wie Datenbanken, Katalogen und Discovery-Systemen, oder auch in Suchmaschinen im Internet. Sie sollen Kunden eine effiziente Suche ermöglichen, zu relevanten Suchergebnissen führen und die Bewertungssicherheit steigern. Die in Bibliotheken eingesetzten Metadaten beruhen auf gemeinsamen Regeln, Richtlinien, Normen, Standards und Datenmodellen sowie auf technischen Austauschformaten und Schnittstellen, die von Bibliotheken kooperativ als investive Leistungen entwickelt wurden und weiterhin werden. Durch die erreichte Standardisierung bieten sie durch ihre Interoperabilität Kunden einen Mehrwert. Susanne Blumesberger zeigt in ihrem Beitrag Metadaten als Mehrwerte die Entwicklung und Bedeutung von Metadaten auf. Im Fokus steht die Frage, wie Metadaten mit Mehrwerten so angereichert werden können, dass sie schnell auffindbar sind und nachhaltig genutzt werden können. Auch bibliometrische Analysen gehören als aktive Informationsservices zu den Kernleistungen von Bibliotheken und Informationseinrichtungen. Durch die Entwicklung des Internets und insbesondere des Web 2.0 entwickelt sich dieses Feld beständig weiter. Altmetrics sind ein neues Handlungsfeld und heute ein Sammelbegriff für alternative Indikatoren, die webbasierte Informationen über wissenschaftliche Veröffentlichungen beinhalten und klassische bibliometrische Indikatoren ergänzen. Dirk Tunger und Andreas Meier stellen in ihrem Beitrag Altmetrics: Ein innovativer Service für Bibliotheken den aktuellen Forschungsstand zu Altmetrics dar, geben einen Überblick über die verschiedenen Metriken und diskutieren die Aussagekraft von Indikatoren. Anhand von Beispielen wird dargestellt, welche Mehrwerte mit alternativen Indikatoren entwickelt werden können, aber auch, wo ihre Grenzen liegen. Openess Ausgehend von der Open-Access-Initiative Mitte der 1990er Jahre zeigt die OpenBewegung heute, wie wichtig sie ist, um informationelle Mehrwerte zu schaffen. Die Open-Bewegung hat sich beständig weiterentwickelt. Der Begriff Open Source beschränkt sich nicht auf Software, sondern bezieht sich auch auf freies Wissen und auf Information durch freie Inhalte generell. Dazu gehören Open-Access-Publikationen ebenso wie Open Hardware oder Open Standards sowie weitere Initiativen wie Open Education, Open Knowledge oder Open Innovation. Stellvertretend für Mehrwerte, die durch Openness erreicht werden, stehen die Beiträge von Sabine Stummeyer und von Günther Neher. Sabine Stummeyer zeigt in ihrem Beitrag OER – Open Educational Resources: Chancen für wissenschaftliche Bibliotheken durch den Einsatz von freien Lehr- und Lernmaterialien in der Hochschullehre, wie Hochschulbibliotheken ihre Kernleistungen in der
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Kuratierung von Medien und Informationsressourcen konsequent unter der Idee von Open weiterentwickeln und damit Mehrwerte schaffen können. Dazu gehört die Entwicklung neuer Dienstleistungsangebote, die ebenso in der Bereitstellung von OERMaterialien liegen wie in Beratungs- und Schulungsangeboten zu OER, der Entwicklung von didaktischen Konzepten, der Langzeitarchivierung, der Verbesserung der Auffindbarkeit und der Ermöglichung der Nachnutzung von OER-Materialien. Günther Neher zeigt in seinem Beitrag Offene Standards als Marketinginstrument, dass offene Standards, die den interoperablen Datenaustausch zwischen Systemen ermöglichen, ein zentraler Erfolgsfaktor für die Entwicklung des Internets im Allgemeinen und des World Wide Web (WWW) im Besonderen waren und sind. Er stellt die unterschiedlichen Facetten offener Standards vor und legt dar, dass Offenheit eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass informationeller Mehrwert geschaffen werden kann. Deutlich wird, dass Konzepte wie Linked Open Data wichtig sind, um heterogene Datenräume im Internet zu verknüpfen und die Qualität standardisierter Erschließung im Internet sichtbar, nutzbar und weiterverwendbar zu machen. Dabei wird deutlich, dass die Weiterentwicklung von offenen Standards nicht nur der Leistungspolitik zuzuordnen ist, sondern in deutlicher Nähe zur Distributionspolitik steht. Personalisierung Um ein positives Kundenerlebnis zu verstärken und passgenaue Angebote zu unterbreiten, werden in der Leistungspolitik Verfahren der Personalisierung eingesetzt. Personalisierung bezeichnet einen Trend, bei dem Inhalte automatisch an das individuelle Nutzungsverhalten von Subjekten angepasst werden. Die automatisierten Verfahren beziehen sich dabei sowohl auf die Navigations- und Interaktionselemente als auch auf das Layout sowie auf die Positionierung von Textelementen, Bildern und Illustrationen etc.13 Automatisierte Verfahren der Personalisierung nutzen dabei langfristig angelegte Datensammlungen aus vorangegangenen Transaktionen, die über einen Algorithmus ausgewertet werden und individuelle Empfehlungen liefern. Diese können sich auf den Inhalt oder auch auf die Anordnung von Informationsobjekten beziehen. Dirk Lewandowski stellt in seinem Beitrag Personalisierung und Kontextualisierung diese beiden Verfahren am Beispiel der Suche gegenüber. Dabei setzt er sich kritisch mit der Frage auseinander, in welchem Umfang Daten erhoben werden und auf individuelle Nutzer rückführbar sein müssen, um Suchergebnisse zu verbessern. Sein Beitrag schließt mit Empfehlungen dazu ab, was bei der Bereitstellung von Information Services beachtet werden sollte.
13 Vgl. Hoberg 2018, S. 73.
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Smart Services Ein junges Feld im Marketing bildet der Trend Smart. Als Smart Services bezeichnet man digital anschlussfähige Leistungen, die auf eine Verschmelzung von physischen und internetbasierten Leistungen ausgerichtet sind. Frank Seeliger stellt in seinem Beitrag Smart Services als Marketinginstrument Smart Services aus der Privatwirtschaft vor und lotet das Potenzial von Smart Services in Anwendungsbereichen für Bibliotheken und Informationseinrichtungen hinsichtlich Chancen und Risiken aus.
2 Distributionspolitik In der Distributionspolitik werden die Absatzkanäle von Dienstleistungen in ihrer zeitlichen und räumlichen Erreichbarkeit gestaltet. Die Strategien der Distributionspolitik richten sich dementsprechend danach, den Zugang zu Leistungen zu optimieren. Ziel der Distributionspolitik ist somit die Optimierung von Lieferzeit, Lieferbereitschaft und Lieferzuverlässigkeit. Insbesondere bei Dienstleistungen haben die Bekanntheit und das Image der Absatzkanäle eine hohe Bedeutung. Zentrale Herausforderungen sind die Einbeziehung des Kunden und die Erfüllung des raumzeitlichen Präsenzkriteriums, um eine optimale Erreichbarkeit von Angeboten zu gewährleisten. Dabei beziehen sich die Gestaltungsoptionen der Distributionspolitik auf die einstufige, aber auch auf die mehrstufige Distribution über Absatzvermittler.14 Sichtbarkeit und Zugänglichkeit Die Suche im Internet ist häufig der erste Schritt, um sich zu informieren und Information „on demand“ abzurufen.15 Das World Wide Web (WWW) stellt neben E-Mail den bisher populärsten Dienst im Internet dar.16 Zentralen Zugang zu den Dokumenten im WWW bieten insbesondere Suchmaschinen, die zu dessen wichtigsten und beliebtesten Diensten gehören.17 Dies erklärt die hohe Bedeutung, die Suchmaschinen insgesamt, aber auch für die Sichtbarkeit und Zugänglichkeit von Informationsdienstleistungen haben. Dirk Lewandowski beschreibt in seinem Beitrag Zugänglichkeit von Information Services und ihren Inhalten über Suchmaschinen die unterschiedlichen Zugangswege über Suchmaschinen zu Information Services. Er stellt dar, welche grundlegenden Herausforderungen es bei der Bereitstellung der Daten von Information Services für Suchmaschinen im Hinblick auf die Auffindbarkeit, die Beschreibung von Items und die Exklusivität von Inhalten gibt.
14 15 16 17
Vgl. Meffert et al. 2018, S. 373–377. Vgl. Hennig-Thurau et al. 2014, S. 31. Vgl. ebd. Vgl. Lewandowski 2015, S. 3.
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Sprachgesteuerte Dienste Sprachgesteuerte Dienste stellen einen Paradigmenwechsel bei der Bereitstellung und Auffindbarkeit von Informationsgütern dar. Ein wichtiger Erfolgsfaktor von sprachgesteuerten Diensten ist dabei die Fähigkeit der dialogorientierten Sprachsuche. Sebastian Sünkler und Friederike Hanisch geben in ihrem Beitrag Sprachsteuerung und digitale Assistenten im Informationsmarketing einen Überblick über das Anwendungspotenzial von Sprachassistenten im sogenannten Voice-Marketing und diskutieren Chancen und Risiken. Dabei stellen sie heraus, dass Einrichtungen mit einem Informationsversorgungsauftrag sich dieser Entwicklung nicht verschließen dürfen, und zeigen mögliche Anwendungen für Bibliotheken und Informationseinrichtungen auf. User Experience Bei der Bereitstellung von Leistungen ist das Kundenerlebnis ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Eine gute Customer Experience ist dann gegeben, wenn Kunden und Mitarbeiter die Interaktion mit einem Unternehmen als angenehm, professionell und hilfreich erleben. Customer Experience setzt sich zusammen aus den Aspekten Customer Journey, Marken-Touchpoints und Umgebungen, in denen die Kunden diese Erfahrungen machen. User Experience, also die Nutzererfahrung oder das Nutzererlebnis auf einer Website, einem Portal oder anderen Kommunikationskanälen, ist ein wichtiges Element der Customer Experience. Sie berücksichtigt die Interaktion mit Leistungen und die sich daraus ergebenden Emotionen in der Mensch-MaschineInteraktion. Ulrike Spree zeigt in ihrem Beitrag Usability und User Experience von Informationsdienstleistungen, welche Anforderungen sich hinsichtlich einer guten User Experience bei der Bereitstellung von Informationsdienstleistungen stellen und mit welchen Methoden User Experience evaluiert werden kann. Dabei zeigt sie Schwachstellen in der User Experience von Informationsdienstleistungen auf, die in unklaren Ziel- und Zielgruppendefinitionen, einer für Nutzer unverständlichen Terminologie sowie einer unzureichenden Berücksichtigung des Informationsverhaltens der Zielgruppe und ihrer Bedürfnisse liegen. Portal – Absatz- und Kommunikationskanal Das Portal ist das zentrale Medium im Marketing von Bibliotheken und Informationseinrichtungen. Ihm kommt sowohl eine informierende als auch eine imageprägende Funktion zu. Werden Produkte und Dienstleistungen über das Portal vertrieben, wird dieses zudem zum Absatzkanal. Das Portal richtet sich an alle internen und externen Zielgruppen des Unternehmens und liefert im Vergleich zu allen anderen Kommunikationsmedien die umfassendste Information zu allen relevanten Themen. Gleichermaßen integriert und präsentiert das Portal alle eingesetzten digitalen Kommunikations- und Distributionskanäle der internen und externen Kommunikation; alle digitalen Kommunikationsinstrumente verlinken wiederum auf das Portal. Im Wettbewerb mit anderen Anbietern ist die Serviceexzellenz eines Portals von herausragender Bedeutung. Die Wechselbereitschaft von Kunden ist hoch und andere Anbieter
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sind zu jeder Zeit, an jedem beliebigen Ort nur einen Klick weit entfernt. Ziel muss es daher sein, auf dem Bibliotheksportal Servicequalität, Joy of Use und Kundenzufriedenheit zu erreichen. In dem Beitrag Das Portal als Marketinginstrument von Frauke Schade wird gezeigt, welche Anforderungen sich an das Bibliotheksportal als Distributions- und Kommunikationskanal stellen und wie diesen Anforderungen im Wettbewerb mit kommerziellen Anbietern in der Content-Strategie, dem Corporate Design und dem Branding, der User Experience und der Web Usability, in der Suche und der Ergebnispräsentation sowie in der Dialogkommunikation und bei der Beteiligung von Kunden durch externalisierte Leistungen begegnet werden kann. Zugang zum Dritten Ort Die Frage der Auffindbarkeit und Zugänglichkeit bezieht sich nicht nur auf das Internet und hier insbesondere auf das World Wide Web. Digitale Vernetzung und Globalisierung forcieren als Gegenbewegung eine stabile Verankerung im Persönlichen und Lokalen. Nach dem Soziologen Ray Oldenburg ist der Dritte Ort neben dem Zuhause und dem Arbeitsplatz der Ort der Begegnung und essenziell für das Funktionieren einer Gesellschaft.18 Für Dienstleistungsunternehmen und insbesondere für Bibliotheken bietet die Bedeutung des Dritten Ortes die Chance, ihre Rolle als Drehkreuz der Stadtgesellschaft oder der Hochschulöffentlichkeit neu zu behaupten. Insbesondere unter dem Aspekt der Daseinsvorsorge öffentlich finanzierter Einrichtungen hat der Standort dabei auch eine politische Dimension, indem die Bibliothek einen Beitrag zur Daseinsvorsorge leistet und damit infrastrukturelle Aufgaben des Trägers einlöst. Deshalb ist es wichtig, die Sichtbarkeit und Auffindbarkeit entsprechender Einrichtungen vor Ort zu steigern. In der Distributionspolitik geht es deshalb auch darum, den Zugang zu Leistungen vor Ort zu erhöhen. Dies bezieht sich sowohl auf die Erreichbarkeit der Einrichtung als auch auf ihre Anbindung an die Infrastruktur im kommunalen oder im Hochschulraum. „Just in Time“ am „Point of Need“ sind dabei die herausfordernden Paradigmen der Distributionspolitik vor Ort. Neben dem Standort an sich gehören zur Distributionspolitik deshalb auch das Vertriebsnetz bzw. die Außenstellen, die auf die Fragestellungen und Problemlagen vor Ort spezifisch reagieren können. An Bedarfen orientierte Öffnungszeiten sind ein relevantes und gerade bei Bibliotheken ein viel diskutiertes Thema (z. B. Sonntagsöffnung bei öffentlichen Bibliotheken). Das Konzept der Open Library repräsentiert in der physischen Welt das, was in der digitalen Welt bereits Wirklichkeit ist: die Öffnung 7/24. Durch den demografischen Wandel und den Anstieg des Anteils älterer Bürger an der Bevölkerung sowie die durch Zeitknappheit und Bequemlichkeit verursachten Trends von Delivery Services und Online-Shopping gewinnt darüber hinaus die direkte Lieferung nach Hause oder an andere präferierte Orte des Kunden zu definierten Zeiten an Bedeutung.
18 S. Oldenburg, Ray: The Great Good Place. Cafés, Coffee Shops, Bookstores, Bars, Hair Salons and other Hangouts at the Heart of a Community. New York: Marlowe & Company, 1999.
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Das verbindende Element bei der Gestaltung des Zugangs zu Services an der Schnittstelle zwischen Internet und Leistungen vor Ort stellen häufig mobile Anwendungen dar. Ein konstitutives Merkmal mobiler Anwendungen ist die geografische Identifikation von Nutzern.19 Standortbezogene Dienste werden auch als Location Based Services bezeichnet und eingesetzt, um aktuelle und personalisierte Information an jedem Ort und zu jeder Zeit verfügbar zu machen und reale Orte durch zusätzliche Informationen anzureichern.20 Die Ergänzung von Location Based Services mit Usergenerated Content (z. B. durch Empfehlungen und Bewertungen) wird als Location Based Social Networks bezeichnet.21 Prominentes Beispiel hierfür ist Qype.22
Die vielen Aspekte der Distributionspolitik vor Ort können in diesem Handbuch nicht umfassend dargestellt werden. Der Beitrag Lokales Marketing von Ursula Georgy zeigt jedoch stellvertretend für die Distributionspolitik vor Ort, wie der Weg in die physische Bibliothek mit einem Mix aus Offline- und Online-Instrumenten anregend gestaltet werden kann. Dabei überträgt die Autorin den Ansatz des Omni-ChannelManagements auf das Thema der Zugänglichkeit vor Ort und stellt bewährte, aber oft vernachlässigte Services neben neuere Technologien wie beispielsweise Radio-Frequency Identification (RFID) und iBeacons.
3 Ausstattungspolitik Die Gestaltung der Service- und der Aufenthaltsqualität vor Ort ist im operativen Marketing der Ausstattungspolitik (Physical Evidence) zuzuordnen. Ziel ist es, Kunden zum Hereinkommen, Verweilen und Wiederkommen zu animieren und eine optimale Orientierung innerhalb der Räumlichkeiten und hinsichtlich der Angebote zu gewährleisten. In einer qualitativen Perspektive geht es darum, den Besuch als angenehme, erlebnisreiche und inspirierende Erfahrung zu inszenieren. In einer quantitativ ausgerichteten Perspektive wird eine Steigerung der Marktdurchdringung, des Absatzes sowie der Kundenzufriedenheit und -bindung angestrebt. Konkret bezieht sich die Ausstattungspolitik auf die Innenraumgestaltung. Im Hinblick auf die Orientierung im Raum und die schnelle Auffindbarkeit von Angeboten geht es um Raumgestaltung, Wegeführung, Präsentationslogik und die Unterstützung der Auffindbarkeit durch Leit- und Orientierungssysteme. Im Hinblick auf die atmosphärische Qualität stehen Interieur, Dekoration, Farb- und Lichtgestaltung sowie die Ver-
19 Vgl. Olbrich et al. 2015, S. 125. 20 Vgl. Griesbaum 2014, S. 420. 21 Vgl. Olbrich et al. 2015, S. 129. 22 Das Thema Mobiles Marketing und Location Based Services wurde in Band 1 behandelt. S. Vatter, André: Mobiles Marketing für Bibliotheken. In: Praxishandbuch Bibliotheks- und Informationsmarketing. Georgy, Ursula et al. (Hrsg.). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2012, S. 457–474.
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wendung von akustischen Stimuli (z. B. Hintergrundmusik) und haptischen Stimuli (z. B. Beschaffenheit von Möbeln) im Fokus, um die empfundene Aufenthaltsqualität zu beeinflussen und Entscheidungsprozesse zu unterstützen. Der stationäre Handel und Dienstleistungsunternehmen setzen hier hohe Standards; sie nutzen Erkenntnisse aus der Konsumentenforschung und dem Einzelhandelsmarketing.23 Die Entwicklung geht hier sehr deutlich dahin, die Grenzen zwischen physischer und virtueller Welt mittels mobiler Technologien aufzuheben und ein synästhetisches und immersives Einkaufserlebnis“ zu ermöglichen. Mit Augmented Reality wird die Realität dabei um virtuelle Zusatzinformationen angereichert, die sich bisher weitgehend über Apps oder AR-Browser abrufen lassen und auf dem Display von Smartphones, Tablets oder 3D-Brillen angezeigt werden.24 Augmented Reality (AR) kann in Bibliotheken genutzt werden, um den Raum durch kontextspezifische Informationen anzureichern und digitale Angebote im physischen Raum zu verorten. Verbunden mit Technologien wie RFID liegen mögliche Anwendungsfelder in der Standortanzeige von Medien im physischen Raum, in der Vermittlung von weiterführenden Informationen zu Medien und Themengebieten des Bibliotheksbestands, in der Anreicherung des Bibliotheksortes durch lokalspezifische Information (Lagepläne, historische Informationen, Anleitungen) und darüber hinaus in der Ergänzung von Ausstellungen durch kontextspezifische Informationen.25
Bibliothek als Ort In seinem Beitrag Orte zwischen Vergangenheit und Zukunft: Die komplexe Geschichte der Verortung von Bibliotheken stellt Richard Stang die Bedeutung des Ortes Bibliothek für die digitale Gesellschaft heraus. Ausgehend vom „Genius Loci“ der Bibliothek und seinen tradierten Narrativen stellt er die Frage, welche neuen Geschichten der Ort Bibliothek in Zukunft erzählen könnte, wie Menschen damit in den Bann gezogen werden können, dass sie den Ort Bibliothek immer wieder neu für sich erobern. In dem Beitrag zeigt Stang, wie das Instrument des Storytelling auf den Ort Bibliothek angewendet werden kann. Lernort Christine Gläser beschreibt in ihrem Beitrag die Transformation Vom Lernort Bibliothek zum Lernraum Hochschule. Sie zeigt auf, welch rascher Entwicklung Lernortkonzepte in den vergangenen 20 Jahren durch die Digitalisierung unterworfen waren und welche Anforderungen und Standards heute für zeitgemäße Lernraumkonzepte gel
23 Das Thema Einzelhandelsmarketing wurde in Band 1 behandelt. S. Kunst, Hanneke; Woerkom van, Isabelle: Einzelhandelsmarketing in niederländischen Bibliotheken. In: Praxishandbuch Bibliotheksund Informationsmarketing. Georgy, Ursula et al. (Hrsg.). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2012, S. 627–648. 24 Vgl. Schuldt, Wolf 2013, S. 299. 25 Vgl. ebd., S. 301.
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ten. Mit dem Konzept von Learning Commons stellt sie einen integrativen Ansatz vor, der auf verschiedenen Ebenen wirksam ist und im angloamerikanischen Raum auch mit Super-Convergence bezeichnet wird. Es wird deutlich, dass sich dieser Ansatz nicht mehr allein auf den Lernort an sich und seine Ausstattung beziehen lässt. Auf der Ebene der Akteure betont dieser Ansatz die Rolle der Bibliothek im Zusammenspiel mit anderen Serviceeinrichtungen der Hochschule oder mit externen Partnern. Auf der Ebene von Lehren und Lernen wird die Notwendigkeit von Vernetzung, Partizipation und Kollaboration in adaptiven Lernumgebungen aufgezeigt, die Übergänge von Online- und Offline-Welt verschmelzen. Auf der Ebene der Services zeigt die Autorin den engen Zusammenhang von Bedarfsanalyse und der Optimierung von Angeboten auf. Lernumgebungen, die die Ausstattung und Infrastruktur für Lernen als „One-Stop-Shop-Lösung“26 bereitstellen, zeigen dabei, dass die physische Bibliothek der zentrale Referenzpunkt für physische und digitale Medien und Informationsressourcen sowie weitere Serviceleistungen ist.
4 Kommunikationspolitik Die Kommunikationspolitik beschreibt, wie Produkte und Dienstleistungen den verschiedenen Zielgruppen nahegebracht werden. Sie umfasst neben Mediawerbung auch Direktkommunikation, Veranstaltungsarbeit, Medienarbeit sowie die Kommunikation in sozialen Medien mittels verschiedener Techniken und Instrumente. Im Sinne von Unternehmenskommunikation wird eine gut funktionierende interne Kommunikation heute als Voraussetzung für eine gute externe Kommunikation angesehen. Die Kommunikationspolitik hat zum Ziel, die Sichtbarkeit von Leistungen zu erhöhen, diese bei Zielgruppen bekannt zu machen und die Nachfrage zu steigern. Bei (Informations-)Dienstleistungen geht es vor allem darum, Wert und Qualität der Angebote darzustellen. Weitere Ziele sind Imageprofilierung und Reputationssteigerung durch den Aufbau von Glaubwürdigkeit und Vertrauen sowie die Pflege von Beziehungen und die Kundenbindung.27 Die Entwicklung des Internets hat die Kommunikationsbedingungen entscheidend verändert. Information ist heute „anytime“, „anywhere“ und „anyhow“ verfügbar.28 Im Kommunikationswettbewerb geht es zunehmend um die „Ökonomie der Aufmerksamkeit“29. Die Masse an Information trifft auf die Informationsverarbeitungskapazitäten der Rezipienten; Desorientierung, Reaktanzen und sinkende Kundenloyalität sind mögliche Folgen. Kurze Aufmerksamkeitsspannen von Kunden
26 27 28 29
Stang 2014, S. 57. Vgl. Meffert et al. 2018, S. 309 f. Vgl. Meffert et al. 2015, S. 9. S. Franck, Georg: Ökonomie der Aufmerksamkeit. München: Hanser, 1998.
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müssen effizient genutzt werden. Wichtig sind attraktive, emotionale, visuelle und vor allem relevante Informationen.30 Marken und Markenkommunikation Marken sind das herausragende Instrument, um Orientierung und Differenzierung im Wettbewerb zu schaffen und Bekanntheit bei Kunden zu erreichen. Sie erzeugen „Vorstellungsbilder in den Köpfen von Rezipienten“31, die nachhaltig erinnert werden und Identifikation stiften sollen. Die Markenkommunikation geht über die Kommunikationspolitik weit hinaus, da sowohl im strategischen als auch im operativen Bereich angestrebt wird, die Kommunikation aller Kanäle mit Bezug zur Marke zu gestalten und zu konsistenten Botschaften zu verdichten.32 Wenige Bibliotheken und Informationseinrichtungen haben bislang ihre Kommunikationspolitik konsequent an einer durchdachten Markenpolitik ausgerichtet. Eine an Zielgruppen orientierte Kommunikationsstrategie ist jedoch zentrale Bedingung dafür, das Image zu profilieren und die Bekanntheit von Angeboten und die Nachfrage zu steigern. Public Affairs Insbesondere für öffentlich finanzierte Einrichtungen wie Bibliotheken ist die Kommunikation mit Mandatsträgern aus Politik und Verwaltung, Vertretern aus Verbänden und Interessengruppen sowie weiterer Multiplikatoren aus der Kommune und/ oder Hochschulöffentlichkeit von hoher Relevanz. Angebote öffentlich Einrichtungen kommen nicht auf der marktlichen Grundlage von Angebote und Nachfrage zustande, sondern sind das Ergebnis politischer Willensbildungsprozesse. Die öffentliche Subventionierung muss sich durch den kollektiven Wert und die Erfüllung eines relevanten Gemeinschaftsinteresses legitimieren.33 Ein Instrument, um Legitimität herzustellen, ist Public Affairs. Public Affairs zielt darauf ab, die Interessen von Bibliotheken generell oder einer bestimmten Bibliothek zu artikulieren, zu begründen und durchzusetzen, um „Politik zu beeinflussen, bevor sie entschieden ist“34. In dem Beitrag Licence to Operate: Interessen von Bibliotheken im politischen Raum vertreten von Frauke Schade werden die Akteure, die Public Affairs auf internationaler, europäischer und nationaler sowie auf Landes- und kommunaler Ebene bestreiten vorgestellt. Neben direkter Kommunikation und Netzworking werden mit Public Campaign-
30 Die Relevanz von Emotionen wurde in Band 1 behandelt. S. Georgy, Ursula: Emotionale Nutzenberechnung des Gehirns. Erfolg durch Emotion Marketing. In: Praxishandbuch Bibliotheks- und Informationsmarketing. Georgy, Ursula et al. (Hrsg.). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2012, S. 611–626. 31 Esch 2014, S. 22. 32 S. Schade, Frauke: Praxishandbuch Digitale Bibliotheksdienstleistungen. Strategie und Technik der Markenkommunikation. Unter Mitarbeit von Johannes Neuer. Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2016. 33 Vgl. Bekmeier-Feuerhahn, Ober-Heilig 2014, S. 33. 34 Lux 2012, S. 531.
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ing und Grassroots Lobbying neuere Instrumente in Strategien und Best Practices dargestellt, die Bibliotheken dabei unterstützen sollen, ihre Interessen im politischen Raum besser zu vertreten.35 Content-Marketing und Themenmanagement „Content is King.“36 Bill Gatesʼ berühmtes Zitat hat auch nach über 20 Jahren nichts von seiner Aussagekraft verloren und ist weiterhin für die Kommunikationspolitik relevant. Content-Marketing ist und bleibt ein wichtiges Instrument im Kommunikationswettbewerb. Ziel von Content-Marketing ist es, Rezipienten, anstatt sie mit Werbebotschaften zu überhäufen, mit qualitativ hochwertigen, wertvollen und kreativen Inhalten zu versorgen, ohne dabei das Produkt oder die Dienstleistung unmittelbar zu benennen und zu bewerben. Rita Kamm-Schuberth zeigt in ihrem Beitrag Mit öffentlichen Bibliotheken Themen in der Stadtgesellschaft nachhaltig setzen, wie mithilfe eines partizipativen Prozessmodells relevante Themen mit der Bürgerschaft eruiert, in das Angebot der Bibliothek integriert und durch Content-Marketing unterstützt werden können. Sie geht darauf ein, dass insbesondere Veranstaltungen Impulse für das Themenmanagement und das Content-Marketing geben können, und stellt als Instrument für eine konkrete Zielgruppenplanung das Konzept der Buyer Personas vor.
E-Mail-Marketing E-Mail-Marketing gilt bis heute als eine der ertragreichsten Formen des ContentMarketings. Es wird vor allem als Instrument der Dialogkommunikation, Beziehungspflege und Kundenbindung eingesetzt. Das Potenzial von E-Mail-Marketing liegt in der persönlichen Ansprache und der Kontinuität der Kommunikation, die damit kostengünstig geleistet werden kann. In seinem Beitrag E-Mail-Marketing zeigt Johannes Neuer Erfolgsfaktoren von E-Mail-Marketing anhand zahlreicher Beispiele aus der Kommunikationspraxis der New York Public Library (NYPL) auf und stellt – neben bewährten Methoden – moderne Anwendungen wie Customer Journey, Lebenszyklus-Kampagnen und Marketing-Automation vor. Social-Media-Kommunikation Soziale Medien haben einen Paradigmenwechsel in der Kommunikationspolitik ausgelöst. Charakteristisch an Web 2.0-Anwendungen und an der Social-Media-Kommunikation ist die Peer-to-Peer-Kommunikation unter Gleichgesinnten. Das sogenannte „Mitmach-Web“ lebt von der Gestaltung, Mitgestaltung, Veränderung und Verfrem
35 Das Thema Lobbyarbeit wurde in Band 1 behandelt und wird hier um neuere Entwicklungen und Instrumente ergänzt. S. Lux, Claudia: Bibliothekspolitische Forderungen und Lobbyarbeit für Bibliotheken. In: Praxishandbuch Bibliotheks- und Informationsmarketing. Georgy, Ursula et al. (Hrsg.). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2012, S. 525–536. 36 S. http://www.nidap.com/wordpress2/wp-content/uploads/Content-Is-King.pdf (Abruf: 2018.06.09).
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dung von Inhalten durch die Nutzer. Der Austausch via Social Media befriedigt dabei nicht nur Bedürfnisse der Selbstdarstellung, Identifikation und Zugehörigkeit, sondern bietet auch kulturelle, marktbezogene und gesellschaftliche Orientierung. Soziale Medien stellen einen „vormedialen Raum der Meinungsbildung“37 dar, der eigene soziale Praktiken und Regeln ausgebildet hat. Neben Authentizität und Reichweite ist „Word of Mouth“ die Währung in sozialen Medien. Die Mundpropaganda von Dritten über das Unternehmen hat dabei eine höhere Glaubwürdigkeit als die Informationen des Unternehmens selbst.38 Darüber hinaus bieten Social Media die Möglichkeit, Beziehungen zu gestalten und auf Meinungsäußerungen direkt zu reagieren.39 Wollen Unternehmen in sozialen Medien eine Rolle spielen, müssen sie sich auf den Dialog mit Netzaktivisten und insbesondere Meinungsführern (Influencern) einlassen. Der Austausch muss relevant, glaubwürdig und an den verschiedenen Touchpoints sozialer Medien erfahrbar sein.40 Emotionale Inhalte, die für die Prosumenten eine Bedeutung haben und im persönlichen Umfeld geteilt werden, haben dabei eine hohe Bedeutung. Zu einem wichtigen Instrument der Social-Media-Kommunikation und des Content-Marketings hat sich Storytelling entwickelt. Storytelling Storytelling zielt darauf ab, Fakten und Inhalte einfach zu erzählen und emotional aufzuladen, um Identifikation zu stiften.41 Geschichten wirken emotional und können leichter verstanden und auch erinnert werden als faktenbasierte Information.42 Herbst bezeichnet Storytelling als „gehirngerechte Kommunikation“43, die an die Grundprinzipien des Gehirns bei der Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Information anknüpft.44 Auch für Informationsdienstleistungen kann Storytelling ein wichtiges Marketinginstrument sein, um das Leistungspotenzial darzustellen.45 Am Beispiel der Storytelling-Plattform Explora der ETH-Bibliothek Zürich zeigt Deborah Kyburz in ihrem Beitrag Corporate Storytelling als Marketinginstrument, wie man Geschichten über Bestände und Themen der Bibliothek lebendig werden lässt, sie konzipiert und multi- und crossmedial umsetzt, um damit einen hochwertigen Beitrag für ContentMarketing zu liefern.
37 Pleil, Zerfaß 2014, S. 742. 38 Lis, Korchmar 2013, S. 5 f. 39 Vgl. Röttger et al. 2014, S. 216; Griesbaum 2014, S. 412; Heun 2014, S. 2. 40 Das Thema Social-Media-Kommunikation wurde in Band 1 behandelt. S. Trapp, Markus: Markenkommunikation im Web 2.0. In: Praxishandbuch Bibliotheks- und Informationsmarketing. Georgy, Ursula et al. (Hrsg.). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2012, S. 287–318. 41 Vgl. Frenzel et al. 2006, S. 3. 42 Vgl. Huck-Sandhu 2014, S. 661. 43 Herbst 2014, S. 226. 44 Vgl. ebd. 45 Vgl. ebd., S. 225.
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Social Display Advertising Ein noch junges Feld der Social-Media-Kommunikation ist Social Display Advertising. Social Display Ads sind Werbeanzeigen, die auf der Basis demografischer, psychografischer, geografischer und verhaltensorientierter Merkmale von Nutzern in sozialen Netzwerken geschaltet werden.46 Ziel ist es, auf Zielgruppen ausgerichtete Werbebotschaften unmittelbar im persönlichen Umfeld zu positionieren, um die Ziele der Kommunikationspolitik zu erreichen. Joachim Griesbaum ordnet in seinem Beitrag das (Social) Display Advertising in das Online-Marketing und in Bezug auf kommunikationspolitische Ziele ein und zeigt Rezeption und Wirkung dieser Form des Online-Marketings sowie zentrale Trends auf. Auf dieser Grundlage erörtert er die spezifischen Eigenheiten und Vorteile von sozialen Medien in Bezug auf Reichweite, Werbemittelgestaltung und Zielgruppenansprache. Kampagnen Die Königsdisziplin der Kommunikationspolitik ist und bleibt die Kampagnenkommunikation, da mit Kampagnen Botschaften crossmedial inszeniert werden können. Sie sind durch ihre zeitliche Fokussierung, ihre Dramaturgie und den crossmedialen Einsatz ein starkes Instrument, um die Aufmerksamkeit zu lenken und Bekanntheit, Interesse und Nachfrage zu steigern. Insbesondere das Internet bietet für die Kampagnenkommunikation Chancen, da intermediäre Grenzen leichter überwunden werden können. Johannes Neuer stellt in seinem Beitrag Crossmediale Kampagnen Ziele, Erfolgsfaktoren und Strategien vor, um crossmediale Kampagnen zu inszenieren und damit Angebote zielgenau auf den Markt zu bringen sowie Auftrag, Angebote und politische Ziele zu legitimieren. Anhand zahlreicher Beispiele aus der Kampagnenkommunikation der NYPL zeigt er einerseits, wie wirksam Campaigning bei der Umsetzung von Zielen sein kann, andererseits aber auch, wie herausfordernd dies ist.
Literatur Bekmeier-Feuerhahn, Sigrid; Ober-Heilig, Nadine: Kulturmarketing: Theorien, Strategien und Gestaltungsinstrumente. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 2014. Esch, Franz-Rudolf: Strategie und Technik der Markenführung. 8. Auflage. München: Vahlen, 2014. Franck, Georg: Ökonomie der Aufmerksamkeit . München: Hanser, 1998. Frenzel, Karolina; Müller, Michael; Sottong, Hermann J.: Storytelling: Das Praxisbuch. München: Hanser, 2006. Griesbaum, Joachim: Online-Marketing. In: Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation. Kuhlen, Rainer et al. (Hrsg.). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2014, S. 411–423. Hennig-Thurau, Thorsten; Esche, Jonas vor dem; Wege, Egbert: Marketing in der digitalen Welt. In: Harvard Business Manager, 2014, H. 9, S. 34–43.
46 Vgl. Griesbaum 2014, S. 414; Lammenett 2015, S. 266.
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Herbst, Dieter: Digital Brand Storytelling: Geschichten am digitalen Lagerfeuer? In: Marke und digitale Medien: Der Wandel des Markenkonzepts im 21. Jahrhundert. Dänzler, Stefanie et al. (Hrsg.). Wiesbaden: Springer Gabler, 2014, S. 223–241. Heun, Thomas: Total Digital? Zum Wandel des Markenkonzepts im 21. Jahrhundert. In: Marke und digitale Medien: Der Wandel des Markenkonzepts im 21. Jahrhundert. Dänzler, Stefanie et al. (Hrsg.). Wiesbaden: Springer Gabler, 2014, S. 1–13. Hoberg, Philipp: Die Individualisierung des Informationsangebots im E-Commerce. Möglichkeiten und Grenzen der Generierung strategischer Wettbewerbsvorteile. Wiesbaden: Springer, 2018. (Medienmanagement und E-Business.) Huck-Sandhu, Simone: Corporate Messages entwickeln und steuern: Agenda Setting, Framing, Storytelling. In: Handbuch Unternehmenskommunikation: Strategie. Management. Wertschöpfung. Zerfaß, Ansgar et al. (Hrsg.). 2., vollständig überarbeitete Auflage. Wiesbaden: Springer Gabler, 2014, S. 651–668. Lammenett, Erwin: Praxiswissen Online-Marketing. Wiesbaden: Springer Fachmedien, 2015. Lewandowski, Dirk: Suchmaschinen verstehen. Berlin, Heidelberg: Springer Vieweg, 2015. Lis, Bettina; Korchmar, Simon: Digitales Empfehlungsmarketing: Konzeption, Theorien und Determinanten zur Glaubwürdigkeit des Electronic Word of Mouth (EWOM). Wiesbaden: Springer, 2013. Lux, Claudia: Bibliothekspolitische Forderungen und Lobbyarbeit für Bibliotheken. In: Praxishandbuch Bibliotheks- und Informationsmarketing. Georgy, Ursula et al. (Hrsg.). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2012, S. 525–536. Meffert, Heribert; Bruhn, Manfred; Hadwich, Karsten: Dienstleistungsmarketing: Grundlagen, Konzepte, Methoden. 9., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Wiesbaden: Springer Gabler, 2018. Meffert, Heribert; Burmann, Christoph; Kirchgeorg, Manfred: Marketing: Grundlagen marktorientierter Unternehmensführung: Konzepte, Instrumente, Beispiele. 12., überarbeitete und aktualisierte Auflage. Wiesbaden: Springer, 2015. Olbrich, Rainer; Schultz, Carsten D.; Holsing, Christian: Electronic Commerce und Online-Marketing: Ein einführendes Lehr- und Übungsbuch. Berlin u. a.: Springer Gabler, 2015. Plassmann, Engelbert; Rösch, Hermann; Seefeldt, Jürgen; Umlauf, Konrad: Bibliotheken und Informationsgesellschaft in Deutschland: Eine Einführung. 2. Auflage. Wiesbaden: Harrassowitz, 2011. Pleil, Thomas; Zerfaß, Ansgar: Internet und Social Media in der Unternehmenskommunikation. In: Handbuch Unternehmenskommunikation: Strategie. Management. Wertschöpfung. Zerfaß, Ansgar et al. (Hrsg.). 2., vollständig überarbeitete Auflage. Wiesbaden: Springer Gabler, 2014, S. 731–753. Röttger, Ulrike; Preusse, Joachim; Schmitt, Jana: Grundlagen der Public Relations: Eine kommunikationswissenschaftliche Einführung. 2., aktualisierte Auflage. Wiesbaden: Springer Gabler, 2014. Schuldt, Karsten; Wolf, Sabine: Nur ein weiterer Hype oder eine Technologie vor dem Durchbruch? Augmented Reality in Bibliotheken: Die Potenziale der „erweiterten Bibliothek“. In: BuB 65, 2013, H. 4, S. 299–301. Stang, Richard: Räume als Rahmung : Konstitutionen von realen Informations- und Bildungsräumen. In: Formulierungen von Wissensräumen: Optionen des Zugangs zu Information und Bildung. Eigenbrodt, Olaf et al. (Hrsg.). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2014, S. 50–64. Zeithaml, Valarie A.; Parasuraman, A.; Berry, Leonard L.: Qualitätsservice : was Ihre Kunden erwarten – was Sie leisten müssen. Frankfurt a. M.: Campus, 1992.
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Zertifizierung und Indexierung als Instrument des Marketings und der Qualitätsmanagementdarlegung Abstract: Ein wirksamer Nachweis der Qualität von Informationen, Infrastrukturen und Servicedienstleistungen nach außen hin lässt sich durch deren Zertifizierung und/oder Listung in einem renommierten Index erzielen. Dies lässt sich auf mehreren Ebenen realisieren. Eine Zertifizierung gemäß DIN EN ISO 9001 oder EFQM1 Excellence Model zielt auf die Evaluierung des gesamten Qualitätsmanagementsystems einer Bibliothek oder Informationseinrichtung ab. Daneben existieren auch diverse Angebote zur Qualitätsprüfung einzelner Aufgabenbereiche. Im Bereich des elektronischen Publizierens lassen sich beispielsweise Repositorien für das DINI-Zertifikat und CoreTrustSeal zertifizieren sowie OpenAIRE2-konform validieren und indexieren. Auch die Aufnahme von Universitätsverlagen und deren Veröffentlichungen in das Directory of Open Access Books (DOAB) ist ein marketingwirksamer Beleg für die Qualität der Verlags- und Begutachtungsprozesse. In diesem Beitrag werden die Marketing- sowie Wettbewerbsvorteile der Zertifizierung und Indexierung mit Blick auf die Umfeldbedingungen beschrieben und Zertifizierungsmodelle für Bibliotheken bzw. Informationseinrichtungen vorgestellt.
Einleitung Die Messung, der Nachweis und die entsprechende Vermarktung der Qualität von Leistungen ist seit Langem ein zentrales Thema von Bibliotheken.3 Die diesbezügliche Aktivität dient keiner leeren Selbstdarstellung, sondern bedient interne und externe Erfordernisse zur Qualitätsverbesserung. Normen, Gesetze, politische und weitere Forderungen formulieren dabei die Anforderungen an die Qualitätssicherung in Bibliotheken: – Hochschul- und Bibliotheksgesetze verpflichten dazu, Systeme zur Sicherung der Qualität einzuführen und externe Evaluationen durchführen zu lassen.4
1 European Foundation for Quality Management. 2 Open Access Infrastructure for Research in Europe. 3 Vgl. Borchardt 1998, S. 5. 4 Vgl. Bauer 2013, S. 1–2 oder BayHSchG 2018, Art. 10 als Beispiele. Einen Überblick über Hochschulund Bibliotheksgesetze in Deutschland liefern die Seiten des Deutschen Bibliotheksverbands und der Kultusministerkonferenz S. Deutscher Bibliotheksverband e.V.: Bibliotheksgesetze. 2018. http://www. bibliotheksverband.de/dbv/themen/bibliotheksgesetze.html (Abruf: 2018.03.12); Ständige Konferenz
https://doi.org/10.1515/9783110539011-017
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Markus Putnings
Auf der Ebene der Bundesländer forcieren Hochschul- und Bibliotheksentwicklungspläne äquivalente Ziele und fördern gezielt Maßnahmen zur Qualitätssicherung.5 Hochschulverträge sowie Hochschul-, Ziel- und Leistungsvereinbarungen schreiben die zwischen Ministerien und Bildungsträgern abgesteckten Qualitätsziele fest; zur Umsetzung der Ziele werden Mittel zweckgebunden zur Verfügung gestellt oder bei Nichterreichen der Ziele gekürzt.6 Drittmittelgeber formulieren durch ihre Policies und Empfehlungen direkt und indirekt Postulate an Bibliotheken: Die Policies richten sich an die Forschenden, die hierfür adäquate Unterstützungsangebote vor Ort erwarten. Ein Beispiel sind Forschungsdatenpolicies von Drittmittelgebern und die entsprechende Nachfrage der Forschenden nach Datenrepositorien bei der Bibliothek und Tools zur Erstellung von Datenmanagementplänen. Die Vorgaben der Drittmittelgeber bedingen demnach neue Infrastrukturen und Beratungsdienstleistungen an den Bibliotheken, um die Bedürfnisse ihrer Forschenden bedienen zu können. Darüber hinaus richten sich Programme einzelner Drittmittelgeber direkt an die Bibliotheken, etwa im Bereich der wissenschaftlichen Literaturversorgungs- und Informationssysteme; hierbei werden zum großen Teil Qualitätssicherungsverfahren eingefordert, deren Umsetzungsgrad über die Mittelbewilligung entscheidet.7 Auch die Hochschulen selbst benennen Ziele, Strategien und Satzungen im Bereich Qualitätsmanagement, die direkt oder indirekt Anfordernisse an ihre Hochschulbibliotheken stellen und diese bei Qualitätsbewertungsverfahren miteinbeziehen.8 Weitere verpflichtende Eckpfeiler werden durch Normen sowie Spezifikationen nach DIN SPEC9 gesetzt. Diese betreffen z. B. Anforderungen an den Bau
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der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland: Grundlegende rechtliche Regelungen zu Hochschulen und anderen Einrichtungen des Tertiären Bereichs in der Bundesrepublik Deutschland. 2017. https://www.kmk.org/dokumentation-statistik/rechtsvorschriften-lehrplaene/ueb ersicht-hochschulgesetze.html (Abruf: 2018.03.12). 5 Vgl. Freistaat Thüringen 2015, S. 18–19, 23 als Beispiel. 6 Vgl. TMWWDG 2016, S. 17 als Beispiel. Einen Überblick über Zielvereinbarungen bzw. Hochschulverträge im Länder- und Hochschulvergleich liefern die Seiten der Hochschulrektorenkonferenz. S. Hochschulrektorenkonferenz: Zielvereinbarungen bzw. Hochschulverträge im Länder- und Hochschulvergleich. Stiftung zur Förderung der HRK. 2012. https://www.hrk.de/fileadmin/redaktion/hrk/0 2-Dokumente/02-06-Hochschulsystem/Hochschulfinanzierung/Zielvereinbarungen_der_Laender.pdf (Abruf: 2018.03.12). 7 Vgl. z. B. DFG 2017, S. 5–6. 8 Vgl. z. B. Universität Hamburg 2007, S. 2. 9 DIN-SPEC-Spezifikationen sind eine Vorstufe zur eigentlichen Norm. Sie können als Konzept dem Deutschen Institut für Normung (DIN) vorgelegt werden, das daraufhin das Standardisierungspotenzial prüft und ein Gremium zur Erarbeitung der Spezifikation einrichtet. Die vom Gremium verab
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und die Ausstattung von Bibliotheken, d. h. an die Aufenthalts- und Raumqualität.10 Daneben gibt es aus der Branche vielfältige Normen, Qualitätsvorgaben, Maßnahmen und Messmethoden von bibliothekarischen Kompetenznetzwerken11, dem Deutschen Bibliotheksverband und dessen Landesverbänden sowie Landesfachstellen12, Berufsverbänden bzw. deren Qualitätsmanagementfortbildungen sowie von Bibliotheksverbünden und deren Kommissionen13. Ein enormer Druck erfolgt direkt durch die Kunden sowie das Wettbewerbsumfeld der Bibliotheken, z. B. durch Google Scholar, ResearchGate oder die urheberrechtsverletzende Plattform SciHub, die alle einen komfortablen und bequemen Zugang zu Literatur bieten. Schließlich verändern gesellschaftspolitische Entwicklungen die Erwartungen an Bibliotheksdienstleistungen: Wissenschaftler fragen Bibliotheken heutzutage u. a. auch nach Publikationsunterstützung, etwa bei der Auswahl qualitativer Zeitschriften oder der Bereitstellung von Publikationsfonds, und sie erwarten Beratungsdienstleistungen bei der Einwerbung von Drittmitteln, z. B. hinsichtlich Open-Access- und Forschungsdaten-Policies.
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Die Aufstellung14 zeigt, in welch dichtem Forderungsgeflecht zur Qualitätssicherung und Qualitätsverbesserung sich Bibliotheken heute befinden. Tatsächlich sind interne Prozessverbesserungen von außen schwer erkennbar und normiert messbar. Darüber hinaus sind einige der Kerndienstleistungen von Bibliotheken – die Bereitstellung von Information und die Information von Kunden an sich – immateriell. Dem Ruf nach einem Nachweis der Qualität kann am besten mit einer Zertifizierung des Qualitätsmanagements begegnet werden. Diese ist allen genannten Parteien gegenüber sofort sichtbar und eingängig, ohne in interne Strukturen einführen zu müssen. Durch externe Audits bieten Zertifizierungen darüber hinaus einen hohen Grad an Verbindlichkeit zur Erfüllung der externen (Mindest-)Anforderungen.
schiedete Spezifikation wird nach drei Jahren überprüft und daraufhin überarbeitet, zurückgezogen, beibehalten oder in eine Norm überführt. 10 Vgl. Giebenhain et al. 2017, S. 168–169. 11 Bspw. die Erstellung der Deutschen Bibliotheksstatistik durch das Kompetenznetzwerk für Bibliotheken (knb) sowie das Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen (hbz). 12 Bspw. der Qualitätsmanagement-Verbund von öffentlichen Bibliotheken in Sachsen-Anhalt, der vom Landesverband Sachsen-Anhalt im Deutschen Bibliotheksverband initiiert wurde und Qualitätskriterien für öffentliche Bibliotheken benennt (vgl. Landesverband Sachsen-Anhalt im Deutschen Bibliotheksverband 2018a). 13 Bspw. sieht sich die Kommission für Aus- und Fortbildung im Bibliotheksverbund Bayern (BVB) für die Qualitätssicherung der bibliothekarischen Aus- und Fortbildung in Bayern zuständig (vgl. BVB 2016). 14 Vgl. hierzu auch Balagué, Saarti 2011; Borchardt 1998, S. 76 f., 173 f.; Bruhn 2016, S. 3 f.; Jaksch 2014, S. 16–19.
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1 Implikationen für das Marketing Resultierende Marketing- sowie Wettbewerbsvorteile durch die Zertifizierung des Qualitätsmanagements können folgende sein:15 – Die Anforderungen an die Vermarktung von Informationen und Dienstleistungen sind hoch und teilweise vom externen Faktor abhängig, d. h. der Mitwirkung des Nachfragers zur Externalisierung der Informationsansprüche. Ein Zertifikat bescheinigt werbewirksam, dass gängige Anforderungen der Anspruchsgruppen erfüllt werden, und gleichzeitig erzeugt es Aufmerksamkeit und Bewusstsein für die Dienste. – Insbesondere bei den neuen Aufgabenfeldern der Bibliotheken, z. B. beim Forschungsdatenmanagement oder der Unterstützung beim Publizieren, ist ein entsprechender Qualitätsnachweis wichtig, da hier noch wenig (Kunden-)Erfahrung zur Qualität vorherrscht und somit das Vertrauen in diese Dienste gestärkt werden kann; dies kann sich wiederum positiv in Form einer Intensivierung der Nutzung auswirken. – Angesichts knapper Mittel der Träger liefert ein Zertifikat den Nachweis eines effizienten und kundenorientierten Handelns und der Erfüllung der Forderung nach Qualitätssicherungssystemen, was Argumente im Verteilungskampf um die zur Verfügung stehenden Mittel liefert. – Bei der Einwerbung von Drittmitteln und der Suche nach Kooperationspartnern mit äquivalenten Qualitätsmerkmalen, z. B. für EU-Projekte, ist die Zertifizierung ein Argument mit weithin sichtbarer positiver Image- und Signalwirkung. – Die Forderung nach der Implementierung und Zertifizierung eines Qualitätsmanagementsystems ist in der Praxis oft (hochschul-)politisch bedingt, z. B. nach Zäsuren, wie organisatorischen Änderungen, Restrukturierungen oder neuen Zielvereinbarungen in Hochschulverträgen. Die Zertifizierung signalisiert intern und extern, dass man diese Zäsur mitträgt und besondere Reform- und Innovationsbereitschaft zeigt. Die bidirektionale Kommunikation mit den Akteuren, z. B. mit der Hochschulleitung, bietet im Zertifizierungsprozess zudem die Möglichkeit, Bibliotheksanliegen wie eine hinreichende Ressourcenausstattung für den Wandel anzusprechen und die eigenen Dienste zu bewerben.16 – Der Zertifizierung gehen eine Evaluierung und im Allgemeinen auch ein internes Audit, d. h. eine Selbstbewertung voraus. Die prozessinhärenten Qualitätsverbesserungen können zu einem besseren Abschneiden in Rankings führen. Somit wird der aktuelle Trend zur Qualitätsbewertung durch interne und externe Evaluie
15 Vgl. Atkinson 2016, S. 11–12, 57–58, 138, 278–279, 284; Becker 2011, S. 18–21, 30; Bruhn 2013, S. 174–176; Bruhn 2016, S. 466–469; Jaksch 2014, S. 19–21; Mittelstaedt 2014, S. 11 f.; Pauleweit 1996, S. 37–38; Schade 2016, S. 111–113; Sprung 2015, S. 1040–1041; Stavridis, Tsimpoglou 2012, S. 72–74. 16 Vgl. Atkinson 2016, S. 57–58; Balagué, Saarti 2011; Bauer 2013, S. 5–6; Zoller, Dolch 2017, S. 692.
Zertifizierung und Indexierung als Instrument des Marketings
– –
–
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rungen sowie zu Qualitätsvergleichen und Rankings bedient. Dabei kann die Platzierung in Rankings ein öffentlich sichtbarer Wettbewerbsvorteil gegenüber den im Ranking niedriger eingestuften Einrichtungen sein. Das Gelingen des Umsetzungs- und Zertifizierungsprozesses ist ein Erfolgserlebnis, das die Motivation der Mitarbeiter fördert. Die bei der Zertifizierung getroffenen Festlegungen, Dokumentationen und Standardisierungen der Arbeitsabläufe schaffen zudem Transparenz, Sicherheit und einen gemeinsamen „Qualitätsgeist“, sodass das Humankapital gestärkt wird. Neben den genannten Aspekten der Personalentwicklung können Zertifizierungen auch die Personalbeschaffung positiv unterstützen, z. B. indirekt über die Image- und Breitenwirkung oder direkt durch eine entsprechende Zertifizierung als „Top-Ausbildungsbetrieb“.17
Öffentlichkeitsarbeit mit dem Instrument der Zertifizierung entspricht demnach dem von Hobohm et al. 2017 deklarierten Grundsatz: [Öffentlichkeitsarbeit] muss das Vertrauen in den Informationsdienstleister nachhaltig fördern und festigen sowie dem Unterhaltsträger, den potenziellen und vorhandenen Kunden, der allgemeinen Öffentlichkeit, aber auch den Mitarbeitern Wert und Bedeutung der Bibliothek bzw. Informationseinrichtung und den Nutzen ihrer Dienstleistungen […] erklären.18
Abb. 1 fasst die demnach erhoffte positive Wirkung der Zertifizierung auf die Prozess-, Produkt- und Dienstleistungsqualität sowie deren Vermarktbarkeit und Rezeption durch die Anspruchsgruppen zusammen. Diese beeinflussen über ihre Anforderungen und Erwartungen maßgeblich die Zertifizierer und deren Kriterienkataloge zur Zertifizierung. Unter dem Begriff Zertifizierung wird in diesem Beitrag nicht nur das klassische Zertifikat, d. h. der Erhalt eines schriftlichen und/oder durch ein Logo repräsentierten Gütenachweises verstanden, sondern auch die Listung in einem renommierten Index nach einer dem Zertifizierungsprozess gleichkommenden Prüfung von Qualitätsindikatoren aus einem vordefinierten Kriterienkatalog.
17 Vgl. DIQP 2018. Hierbei werden vom Deutschen Institut für Qualitätsstandards und -prüfung (DIQP) die Leistungen als Ausbildungsbetrieb geprüft. Kriterien sind u. a. die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten, die Einhaltung gesetzlicher Erfordernisse und die Zufriedenheit derzeitiger und ehemaliger Auszubildender. Nach bestandenem Audit vergibt das DIQP das Gütesiegel „Top-Ausbildungsbetrieb“; zusätzlich erhält der Ausbildungsbetrieb ein Zertifikat, welches für (Personal-)Marketingzwecke eingesetzt werden kann. Neben dem DIQP gibt es weitere Anbieter, die Ausbildungsbetriebe entsprechend prüfen und zertifizieren. Da Bibliotheken diese Anbieter bzw. Zertifizierungsmöglichkeiten bis dato nicht ersichtlich nutzen, werden sie in Kap. 4 nicht gelistet. 18 Hobohm et al. 2017, Kap. 7.1.1, S. 3.
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Anforderungen und Erwartungen an die Qualitätsfähigkeit der Bibliothek bzw. Informationseinrichtung
Kriterienkatalog des jeweiligen Modells
Anspruchsgruppen und potenzielle Partner
ZERTIFIZIERER
Zertifizierung BIBLIOTHEK BZW. INFORMATIONSEINRICHTUNG
Produkt- und Dienstleistungsqualität
Prozessqualität
deren Außenwirkung und Vermarktung
Abb. 1: Wirkung der Zertifizierung19
2 Definitionen Die Definition der Begriffe ist die Grundlage für das Verständnis der in Kap. 3 vorgenommenen Einordnung der Zertifizierung in den Qualitätsmanagementprozess und für die Auswahl der Modelle in Kap. 4. Im Folgenden werden hierfür zentrale Begriffe erläutert.
2.1 Qualität In der DIN EN ISO 9000:2015 wird die […] Qualität der Produkte und Dienstleistungen einer Organisation [...] durch die Fähigkeit bestimmt, Kunden zufrieden zu stellen[,] sowie durch die beabsichtigte und unabsichtliche Auswirkung auf relevante interessierte Parteien. Die Qualität von Produkten und Dienstleistungen umfasst nicht nur deren vorgesehene Funktion und Leistung, sondern auch ihren wahrgenommenen Wert und Nutzen für den Kunden.20
19 Eigene Darstellung nach Vedder 2001, S. 60. 20 DIN 2015a, S. 10.
Zertifizierung und Indexierung als Instrument des Marketings
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Zu ergänzen ist der Hinweis, dass damit nicht zwangsläufig die Anforderung verknüpft ist, den höchstmöglichen Grad an Qualität zu erfüllen, sondern nur den Grad, den die einzelnen Parteien wünschen und wahrzunehmen fähig sind. Die Erwartungen der verschiedenen Parteien können somit differieren bzw. sogar entgegengesetzt sein, was die Realisierung der Qualitätsmerkmale teils verkomplizieren kann.21
2.2 Qualitätsmanagementsystem Die DIN EN ISO 9000:2015 beschreibt ein Qualitätsmanagementsystem (QMS) primär funktional: Ein QMS umfasst Tätigkeiten, mit denen die Organisation ihre Ziele ermittelt und die Prozesse und Ressourcen bestimmt, die zum Erreichen der gewünschten Ergebnisse erforderlich sind. Das QMS führt und steuert in Wechselwirkung stehende Prozesse und Ressourcen, die erforderlich sind, um Wert zu schaffen und die Ergebnisse für relevante interessierte Parteien zu verwirklichen. Das QMS ermöglicht der obersten Leitung, den Ressourceneinsatz, unter Berücksichtigung der langfristigen und kurzfristigen Folgen ihrer Entscheidung zu optimieren.22
Um die erwähnten Ziele des QMS definieren zu können, ist es laut DIN EN ISO 9001:2015 notwendig, sich über die Rahmenbedingungen der Organisation klar zu werden, die „sich aus dem gesetzlichen, technischen, wettbewerblichen, marktbezogenen, kulturellen, sozialen oder wirtschaftlichen Umfeld ergeben, ob international, national, regional oder lokal“23. In diesem Kontext sei auf die Einleitung dieses Beitrages und entsprechende Verpflichtungen, etwa aus den Ziel- und Leistungsvereinbarungen zwischen Ministerien und Bildungsträgern, verwiesen.
2.3 Zertifizierung Die Zertifizierung ist nach DIN EN ISO/IEC 17000 eine Bestätigung durch eine dritte Seite, dass festgelegte Anforderungen bezogen auf ein Produkt bzw. eine Dienstleistung, einen Prozess, ein System oder das Personal erfüllt werden.24 Dies kann bedeuten, dass dabei auch ein komplettes QMS als Metaebene zur Qualitätssicherung zertifiziert wird. Alternativ ist es jedoch auch legitim, die Qualität einzelner Systeme zertifizieren zu lassen, z. B. das Repositorium.25 Als Zertifizierungssystem werden
21 22 23 24 25
Vgl. Boekhorst, Poll 2007, S. 13. DIN 2015a, S. 10, 11. DIN 2015b, S. 18. Vgl. DIN 2005, S. 9, 15. Hierzu bietet sich das DINI-Zertifikat 2016 an.
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dabei die Gesamtheit der festgelegten Anforderungen sowie die Spielregeln der Zertifizierungsstelle – z. B. der Ablauf der einzelnen Schritte im Zertifizierungsprozess, herangezogene Qualitätsstandards oder Richtwerte, Messmethoden etc. für die Durchführung der Zertifizierung – bezeichnet.26
2.3.1 Zertifikat Am Ende einer erfolgreichen Zertifizierung steht in der Regel das Zertifikat als Bestätigungsform gemäß oben erfolgter DIN EN ISO/IEC 17000-Definition. Es bescheinigt die Mindesterfüllung der Anforderungen des spezifischen Zertifizierungssystems mit einem schriftlichen Dokument.27
2.3.2 Indexierung Alternativ kann die Bestätigung der Erfüllung der festgelegten Anforderungen gemäß DIN EN ISO/IEC 17000-Definition jedoch auch auf andere Art und Weise erfolgen, z. B. durch die Listung in einem Index, der durch die vorab erfolgte Qualitätsprüfung das Renommee der indexierten Organisationen und ihrer Produkte bzw. Dienstleistungen widerspiegelt. Als Index wird hier eine öffentlich sichtbare Listung – z. B. Register, Datenbank oder gelistete Nennung auf einer Homepage28 – einer Organisation, eines materiellen oder immateriellen Produkts (z. B. eines E-Books) oder einer Dienstleistung verstanden, die bestimmte festgelegte Anforderungen erfüllt und sich deshalb gemäß den Regelungen der Indexierungsstelle für die Indexierung qualifiziert hat. Populär ist dies vor allem im Publikationsbereich, z. B. bei der Listung der Verlagserzeugnisse in bedeutsamen Datenbanken und dem hierüber erzielten Reputationszugewinn.29 In einigen Fällen erfolgt nach einer Zertifizierung sowohl eine Indexierung als auch eine Zertifikatserteilung. Hierfür ist der EFQM Global Excellence Index ein Beispiel. In diesem sind mehrere Bibliotheken, v. a. aus dem spanischsprachigen Raum, und ihre EFQM-Zertifikate nebst weiteren Leistungen, Zertifikaten und Qualitätspreisen indexiert.30
26 27 28 29 30
Vgl. Friedel et al. 2016, S. 8, 9. Vgl. Bruhn 2013, S. 157, 158. Entsprechende Listungen sind in Kap. 4 bei den Beispielanwendern verlinkt. Vgl. Putnings 2017, S. 313, 314. Vgl. EFQM 2018a.
Zertifizierung und Indexierung als Instrument des Marketings
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2.3.3 Abgrenzung zu Qualitätspreisen Konträr zur Zertifizierung sind Qualitätspreise wie z. B. der internationale „EFQM Excellence Award“ oder die „Bibliothek des Jahres“ nicht für jede Organisation gleichermaßen erreichbar, selbst wenn die Summe der festgelegten Mindestanforderungen erfüllt wird. Stattdessen wird in der Regel nur eine geringe Zahl an Bibliotheken prämiert, basierend auf dem besten Abschneiden unter allen Mitbewerbern. Entsprechend der Fokussetzung dieses Beitrags werden Qualitätspreise in den folgenden Kapiteln nicht weiter behandelt.
3 Einordnung der Zertifizierung in den Qualitätsmanagementprozess Es wird in der Literatur oftmals der Eindruck vermittelt, dass der Qualitätsmanagementprozess i. d. R. ganzheitlich und sequenziell angegangen werden muss. Hierzu werden vier Phasen angeführt, die aus dem klassischen Projektmanagement abgeleitet werden und auf den Schritten Projektplanung, Projektsteuerung, Projektkontrolle und Projektabschluss samt Projektbericht und einer Vermarktung der Ergebnisse beruhen:31 1. Qualitätsplanung: Definition aller Qualitätsziele und -anforderungen unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen und Erwartungen der Anspruchsgruppen, Planung der Realisierungskonzepte und Ressourcen; 2. Qualitätslenkung: u. a. Personalentwicklung, Mitarbeitermotivation und Anreizsysteme zur Schaffung einer Qualitätskultur und Realisierung der Qualitätsziele und -anforderungen; 3. Qualitätsprüfung: u. a. durch Leistungsbeurteilungen, Kundenbefragungen, Auswertung von Beschwerden und Verbesserungsvorschlägen; 4. Qualitätsmanagementdarlegung: interne und externe Qualitätskommunikation durch Qualitätsmanagementhandbücher, Qualitätsstatistiken, Qualitätsaudits und hieraus erfolgte Zertifikate, Indexierungen sowie weitere Gütesiegel.
Da Teilaspekte der Qualitätsmanagementdarlegung wiederkehrend angelegt sind, z. B. jährliche Qualitätsstatistiken für die Bibliotheksstatistik, Überwachungsaudits oder Rezertifizierungen, wird hierbei vom Regelkreis des Qualitätsmanagements gesprochen. In der Praxis kann jedoch davon ausgegangen werden, dass viele Qualitätssicherungs- und -verbesserungsmaßnahmen auf den Stufen eins bis vier zunächst isoliert
31 Vgl. u. a. Bruhn 2013, S. 119, 120; Bruhn 2016, S. 287, 288; Nelles 2000, S. 41.
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und einzeln in den Abteilungen einer Bibliothek oder Informationseinrichtung vorgenommen werden. Die Summe der Maßnahmen kann dann dazu beitragen, dass sich die Einrichtung ab einem bestimmten Entwicklungsstand in der Lage sieht, den Aufwand und die Komplexität zur Implementierung eines QMS zu bewältigen und die ggf. noch fehlenden Normforderungen für die Zertifizierung zu erfüllen.32 Entsprechend wird für die Praxis Folgendes konstatiert: – Der sogenannte Regelkreis des Qualitätsmanagements muss nicht zwangsläufig nur sequenziell in eine Richtung ablaufen, sondern es können sich Wechselwirkungen zwischen den Phasen ergeben. So können z. B. Kundenbefragungen Eingang in die Qualitätsplanung finden und Leistungsmessungen bzw. -beurteilungen bei der Qualitätsprüfung und deren Besprechung mit den Mitarbeitern zur Schaffung einer Qualitätskultur beitragen. – Es kann bzw. muss nicht nur einen holistischen Qualitätsmanagementprozess geben, sondern auch viele kleine Prozesse, etwa in Abteilungen und/oder Referaten, die jedoch in einem ganzheitlichen QMS und dessen Gesamtzertifizierung münden können. – An den verschiedenen Stellen können jeweils eigene Möglichkeiten der Normerfüllung, Zertifizierung und entsprechenden Qualitätskommunikation geschaffen werden, z. B. hinsichtlich des institutionellen Repositoriums33, der bibliothekarischen Auskunft34 oder bei der Leseförderung35. – Neben den genannten Instrumenten der Qualitätsmanagementdarlegung können auch Aspekte der anderen Phasen zur internen und externen Qualitätskommunikation genutzt werden, z. B. die Vermarktung der – Bibliothekszielsetzungen aus der Qualitätsplanung, – Kundenzufriedenheitsumfragen aus der Qualitätsprüfung oder – Personalentwicklungsmaßnahmen zur Qualitätslenkung.36
Abb. 2 zeigt die entsprechende Einordnung der Zertifizierung im Qualitätsmanagementprozess.
32 33 34 35 36
Vgl. Becker 2011, S. 30; Düren 2012, S. 43; Pauleweit 1996, S. 176. Vgl. Kap. 5.4.1 bis 5.4.3. Vgl. Hobohm et al. 2017, Kap. 3.5.11.3, S. 47 f. Vgl. ebd., Kap. 3.5.11.6, S. 100 f. Vgl. Bruhn 2016, S. 370.
Zertifizierung und Indexierung als Instrument des Marketings
- Qualitätsmanagementhandbücher (u.a. Beschreibung des QMS)
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Qualitätsplanung
- Qualitätsstatistiken (u.a. auch für Jahresberichte und die Bibliotheksstatistik) Qualitätsmanagementdarlegung
- Qualitätsaudits
Qualitätslenkung
- Zertifizierung
- Qualitätskommunikation als Teil des (Informations-) Marketings
Qualitätsprüfung
Abb. 2: Regelkreis des Qualitätsmanagements37
4 Modelle In diesem Kapitel wird eine Übersicht über die verschiedenen Modelle zur Zertifizierung und Indexierung gegeben. Abb. 3 liefert hierzu einen Überblick. Die Beschreibung der Modelle wurde weitgehend einheitlich gestaltet und dient praktischen Zwecken. So werden direkt Links auf die jeweiligen Zertifizierungsstellen und Kriterienkataloge geliefert und, soweit vorhanden, auch auf Listen der Beispielanwender, um diese für einen Erfahrungsaustausch kontaktieren zu können.38 Darüber hinaus wird eine Einschätzung zu den Kosten der Erstzertifizierung gegeben, sofern direkt über die Homepage oder indirekt über Erfahrungsberichte in der Literatur ermittelbar. Bei den genannten Kosten müssen i. d. R. noch die Fahrt- und Unterbringungskosten der Auditoren addiert werden sowie interne Kosten, z. B. die Personalkosten für alle Vorarbeiten.39
37 Eigene Darstellung nach Bruhn 2013, S. 143. 38 Das letzte Abrufdatum dieser Links ist der 2018.03.12. 39 Vgl. Becker 2011, S. 31; Zoller, Dolch 2017, S. 692.
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International Öffentlicher Sektor Deutschland
ISO 9001
Italien Bozen, Südtirol: Hallo Qualität!
Regional SQD NI: Bibliothek mit Qualität und Siegel
EFQM
Ausgezeichnete Bibliothek
CAF
Zertifikate für Spezialbibliotheken und spezielle Services
TH: Erlesene Bibliothek
SH: Qual. Bibliothek zwischen den Meeren
Legende: CAF = Common Assessment Framework, EFQM = European Foundation for Quality Management, NI = Niedersachsen, SQD = ServiceQualität Deutschland, SH = Schleswig-Holstein, TH = Thüringen
Abb. 3: Übersicht der Modelle
4.1 (Inter-)Nationale Modelle Mit den nachfolgenden Modellen lassen sich sowohl wissenschaftliche als auch öffentliche Bibliotheken bzw. Informationseinrichtungen mit allen ihren Services zertifizieren. Als Zeitaufwand für eine entsprechende Erstimplementierung eines ganzheitlichen QMS werden 6 bis über 24 Monate veranschlagt, je nach Modell, Größe der Einrichtung und bereits vorhandenen Qualitätsmanagementprozessen.40 Dies beinhaltet die Zeitdauer der Zertifizierung selbst sowie alle nötigen Prozessanpassungen und Vorarbeiten, etwa die Dokumentationen im Qualitätsmanagementhandbuch. Nach Implementierung und regulärer Fortführung aller dokumentierenden Maßnahmen ist der Zeitaufwand für Rezertifizierungen geringer. Einen detaillierteren Vergleich ausgewählter Modelle findet man u. a. bei Jaksch 2014 und Sprung 2015.41
40 Vgl. Becker 2011, S. 31; Bruhn 2013, S. 163; Bruhn 2016, S. 452, 453; Düren 2012, S. 45. 41 Vgl. Jaksch 2014, S. 33; Sprung 2015, S. 1042, 1043.
Zertifizierung und Indexierung als Instrument des Marketings
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Tab. 1: Normenfamilie ISO 9000 mit ISO 9001 als Zertifizierungsstandard für Qualitätsmanagementsysteme
Homepage
https://www.iso.org/iso-9001-quality-management.html
Kriterienkatalog
https://www.iso.org/standard/62085.html
Zertifizierungsstellen Es wird eine akkreditierte ISO 9001-Zertifizierungsstelle mit Erfahrung in der Bibliotheks-, Informations- oder Dienstleistungsbranche bzw. dem öffentlichen Sektor empfohlen. Einige Bibliotheken nutzen hierfür den Technischen Überwachungsverein (TÜV) oder den Deutschen KraftfahrzeugÜberwachungs-Verein (DEKRA).42 Zur Recherche geeigneter Zertifizierungsstellen kann die „Datenbank akkreditierter Stellen“ der Deutschen Akkreditierungsstelle genutzt werden.43 Beispielanwender
Es gibt keine zentrale Übersicht von ISO 9001-zertifizierten Bibliotheken. Als Beispielanwender sind z. B. die Zentralbibliothek des Forschungszentrums Jülich, die Universitätsbibliothek der TU München und mehrere öffentliche Bibliotheken (z. B. Dormagen, Erkrath, Hilden, Krefeld, Leichlingen, Neuss, Radevormwald und Wesel)44 zu nennen.
Kosten
Bruhn schätzt 4 500 Euro für kleine Einrichtungen, 10 000 Euro für mittlere Einrichtungen und mindestens 15 000 Euro für große Einrichtungen.45 Die Universitätsbibliothek der Technischen Universität München beziffert laut Becker einen konkret gezahlten Betrag von 11 000 Euro an die Zertifizierungsstelle für den dreijährigen Zertifizierungszeitraum.46
Tab. 2: Zertifizierung durch die European Foundation for Quality Management („Committed to Excellence” und „Recognised for Excellence”)
Homepage
http://www.efqm.org/the-efqm-excellence-model
Kriterienkatalog
http://www.efqm.org/efqm-model/model-criteria
Zertifizierungsstellen Die Zertifizierung erfolgt direkt durch die European Foundation for Quality Management (EFQM). Beispielanwender
Mehrere Bibliotheken, Informations- und Bildungseinrichtungen sind in der „EFQM Recognition Database“ zu finden.47
42 Vgl. Landesverband Sachsen-Anhalt im Deutschen Bibliotheksverband 2018b. 43 Vgl. DAkkS 2018. Über die Volltextsuche und den Filter „Zertifizierung für Managementsysteme 2“ ist es möglich, nach ISO 9001 zu recherchieren. Es bietet sich zudem ein Filter auf das Bundesland an, um Zertifizierungsstellen in der Nähe zu finden und entsprechend die Reisekosten der Auditoren zu reduzieren. 44 Die genannten öffentlichen Bibliotheken haben sich zu einem Qualitätsmanagement-Verbund zusammengeschlossen. 45 Vgl. Bruhn 2016, S. 453. 46 Vgl. Becker 2011, S. 31. 47 Vgl. EFQM 2018b.
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Markus Putnings
Tab. 2: (fortgesetzt)
Kosten
Die Kosten hängen von der Art der gewünschten Zertifizierung ab. Im Folgenden die Listung mit ansteigendem Renommee des Zertifikats: – EFQM „Committed to Excellence 1 Star“: zwischen 3 500 und 4 500 Euro für EFQM-Mitglieder und zwischen 5 000 und 6 429 Euro für Nichtmitglieder. – EFQM „Committed to Excellence 2 Star“: zwischen 5 000 und 7 000 Euro für EFQM-Mitglieder und zwischen 7 143 und 10 000 Euro für Nichtmitglieder. – EFQM „Recognised for Excellence“: zwischen 7 000 und 11 000 Euro für EFQM-Mitglieder innerhalb Europas, zwischen 9 000 und 14 000 Euro für EFQM-Mitglieder außerhalb Europas und ab 10 000 Euro aufwärts für Nichtmitglieder. Je nach Kriterienerfüllung werden drei, vier oder fünf Sterne vergeben.48 Die exakten Kosten variieren in den genannten Spannen je nach Größe und Komplexität der Einrichtung.
Ergänzender Hinweis Vom EFQM-Modell gibt es eine verschlankte Anpassung für die Organisationen des öffentlichen Sektors („Common Assessment Framework“) und einen branchenspezifischen Ableger für Bibliotheken („Ausgezeichnete Bibliothek“). Die beiden Modelle sind in den nachfolgenden Tabellen beschrieben.
Tab. 2.1: Zertifizierung als „Effektiver CAF-Anwender“ mit dem Common-Assessment-FrameworkGütesiegel („CAF-Gütesiegel“)
Homepage
https://www.eipa.eu/portfolio/european-caf-resource-centre/
Kriterienkatalog
https://www.eipa.eu/wp-content/uploads/2017/05/CAF_Manual_2013.pdf
Zertifizierungsstellen Die Zertifizierung als „Effektiver CAF-Anwender“ mit dem CAF-Gütesiegel erfolgt bei kommunalen öffentlichen Bibliotheken und Informationseinrichtungen in Deutschland durch das Kommunale CAFZentrum der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt).49 Da das Deutsche CAF-Zentrum derzeit keinen Träger hat,50 müssen sich nichtkommunale Einrichtungen wie z. B. wissenschaftliche Bibliotheken einstweilen an andere nationale CAF-Zentren wie z. B. das CAF-Zentrum am Zentrum für Verwaltungsforschung in Wien (KDZ) oder direkt an das European Institute of Public Administration (EIPA) wenden.51
48 Vgl. entsprechende Unterseiten von EFQM 2018c. 49 Vgl. KGSt 2018. 50 Das deutsche Bundesverwaltungsamt hat die Aufgaben des Deutschen CAF-Zentrums zum 31.12.2016 eingestellt, vgl. Bundesverwaltungsamt 2018. 51 Vgl. KDZ 2018a; EIPA 2018a.
Zertifizierung und Indexierung als Instrument des Marketings
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Tab. 2.1: (fortgesetzt)
Beispielanwender
Das CAF-Gütesiegel wurde in der Bibliothekswelt bislang eher sporadisch wahrgenommen.52 Die Anwender sind in der Listung des CAF-Zentrums in Wien und in der europäischen CAF Users Database zu finden.53
Kosten
Die Kosten für die Antragstellung der Zertifizierung belaufen sich auf 1 950 Euro beim CAF-Zentrum in Wien54 bzw. sind bei der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) anhand der Zahl der Vollzeitäquivalente (VZÄ) gestaffelt: bis 100 VZÄ 1 000 Euro, bis 500 VZÄ 1 500 Euro, bis 1 000 VZÄ 1 950 Euro und über 1 000 VZÄ 2 400 Euro.55
Ergänzender Hinweis Das CAF-Gütesiegel ist nicht speziell für Bibliotheken bzw. Informationseinrichtungen ausgelegt, sondern dient generell dem Einsatz im öffentlichen Sektor. Theoretisch gäbe es hierbei noch weitere Zertifizierungsmöglichkeiten für den öffentlichen Sektor und für Non-ProfitOrganisationen wie z. B. das NPO-Label für Management Excellence.56 Da beim NPO-Label bislang kein Beispielanwender aus der Branche zu finden ist, wird es nicht näher behandelt.
Tab.2.2: Zertifizierung als „Ausgezeichnete Bibliothek“
Homepage
https://www.hdm-stuttgart.de/bi/forschung/iqo/ab
Kriterienkatalog
https://www.hdm-stuttgart.de/bi/forschung/iqo/ab/modell
Zertifizierungsstellen Die Zertifizierung erfolgt durch das Institut für Qualitätsmanagement und Organisationsentwicklung in Bibliotheken und Hochschulen (IQO) an der Hochschule der Medien Stuttgart. Beispielanwender
Die ausgezeichneten Bibliotheken sind auf der Homepage des IQO in einer entsprechenden Listung zu finden.57 Als wissenschaftliche Bibliothek wurde bislang zudem z. B. die Hochschulbibliothek Heilbronn zertifiziert.58
Kosten
Die Gesamtkosten für die Selbst- und Fremdbewertung im Laufe der Zertifizierung belaufen sich auf etwa 4 000 bis 6 000 Euro, je nach Bibliotheksgröße.59
52 53 54 55 56 57 58 59
Vgl. Vonhof 2012, S. 306. Vgl. KDZ 2018b; EIPA 2018b. Vgl. KDZ 2010. Telefonische Auskunft von einem verantwortlichen Ansprechpartner der KGSt am 09.10.2017. Vgl. Bruhn 2013, S. 179. Vgl. HdM 2018. Vgl. Bibliothek der Hochschule Heilbronn 2018. Vgl. Jaksch 2014, S. 43.
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Tab. 3: Zertifizierung durch ServiceQualität Deutschland (SQD)
Homepage
https://www.q-deutschland.de/
Kriterienkatalog
https://www.q-deutschland.de/system/
Zertifizierungsstellen
Die Zertifizierung erfolgt direkt durch ServiceQualität Deutschland (SQD)
Beispielanwender
Die Anwender sind auf der Homepage in der SQD-Datenbank zu finden.60
Kosten
Die Kosten hängen von der Art der gewünschten Zertifizierung ab. Im Folgenden die Listung mit ansteigendem Renommee des Zertifikats: – „SQD Stufe 1“: 295 Euro bei 1–5 VZÄ, 395 Euro bei 6–20 VZÄ und 495 Euro ab 21 VZÄ. – „SQD Stufe 2“: zwischen 795 und 1 490 Euro. – „SQD Stufe 3“: 95 Euro für die Zertifizierung des QMS.61 Zusätzlich ist die Ausbildung eines Qualitätscoachs („SQD Stufe 1“) bzw. Qualitätstrainers („SQD Stufe 2“) nötig; die entsprechende Seminargebühr beträgt jeweils 295 Euro pro Person.
Ergänzender Hinweis
Die Zertifizierung der Servicequalität durch SQD hat sich in der Bibliotheksbranche vor allem durch das diesbezügliche Qualitätsmanagementprojekt des Landesverbands Sachsen-Anhalt im Deutschen Bibliotheksverband (dbv) etabliert und hierüber auch Verbreitung über Sachsen-Anhalt hinaus gefunden.62 Neben SQD bieten jedoch auch mehrere Technische Überwachungsvereine und Prüfgesellschaften eine Zertifizierung der Servicequalität mit Verleih der entsprechenden (z. B. TÜV-)Prüfplakette als normbestätigendes Zertifikat an. Exemplarisch seien folgende genannt: – Beim TÜV SÜD gibt es zur Service-Zertifizierung verschiedene Kriterienkataloge für die Standards Kundenzufriedenheit, Mitarbeiterzufriedenheit, Servicequalität und Serviceexcellence.63 – Der TÜV NORD vergibt die Plakette „Geprüfte Service-Qualität“ basierend auf der Prüfung eines branchenübergreifenden Kriterienkatalogs.64 – Beim TÜV Rheinland existiert eine gleichlautende Zertifizierung, darüber hinaus wird die Einrichtung anschließend in der OnlineZertifikatsdatenbank „Certipedia“ indexiert.65 – Auch der TÜV Hessen bietet ein TÜV PROFiCERT-plus-Verfahren namens „geprüfte Servicequalität“ an, das explizit auf Elementen der DIN EN ISO 9001-Norm basiert, entsprechend auch als Vorstufe zur DIN EN ISO 9001Zertifizierung dienen kann.66
60 61 62 63 64 65 66
Vgl. SQD 2018a. Vgl. entsprechende Unterseiten von SQD 2018b. Vgl. Herrmann 2010, S. 582–583; Sprung 2015, S. 1031, 1039, 1040. Vgl. TÜV SÜD 2018. Vgl. TÜV NORD 2018. Vgl. TÜV Rheinland 2018. Vgl. TÜV Hessen 2018.
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4.2 Modelle in bestimmten Regionen Die nachfolgenden Modelle richten sich ausschließlich an die öffentlichen Bibliotheken bestimmter Bundesländer in Deutschland oder, im Fall der Autonomen Provinz Bozen in Südtirol, Italien, einer überwiegend deutschsprachigen Region im Ausland. Die Modelle werden durch die örtlichen Fachstellen (z. B. Büchereizentrale, Landesfachstelle) konzipiert und weiterentwickelt.67
4.2.1 Niedersachsen Tab. 4: Zertifizierung öffentlicher Bibliotheken in Niedersachsen als „Bibliothek mit Qualität und Siegel“
Homepage
https://www.bz-niedersachsen.de/bibliothek-mit-qualitaet-und-siegel.html
Kriterienkatalog
https://www.bz-niedersachsen.de/die-kriterienkataloge-und-das-bewer tungsverfahren.html
Zertifizierungsstellen Die Zertifizierung erfolgt durch die Büchereizentrale Niedersachsen bzw. dem von der dortigen Lenkungsgruppe eingesetzten Zertifizierungsausschuss. Beispielanwender
Die Anwender sind auf der Homepage in der Listung zertifizierter Bibliotheken zu finden.68
Kosten
Es fallen keine Kosten an.
4.2.2 Thüringen Tab. 5: Zertifizierung öffentlicher Bibliotheken in Thüringen als „Erlesene Bibliothek“.
Homepage
http://www.bibliotheken-thueringen.de/fachinformation-statistik.html
Kriterienkatalog
https://www.bibliotheken-thueringen.de/uploads/pdf/Standards_mit_Erläu terungen_final.pdf. Der Kriterienkatalog basiert auf dem Bibliotheksentwicklungsplan Thüringen, der auf der vorab genannten Homepage zu finden ist.
Zertifizierungsstellen Die Zertifizierung erfolgt durch einen externen Auditor, der von der Landesfachstelle für Öffentliche Bibliotheken in Thüringen eingesetzt ist.
67 Auch wenn sich das Angebot der Zertifizierung nur an die jeweiligen betreuten regionalen Bibliotheken richtet, können die Kriterienkataloge unter Umständen zur qualitativen Ausrichtung und Orientierung für öffentliche Bibliotheken in anderen Bundesländern dienen. 68 Vgl. Büchereiverband Lüneburg-Stade 2018.
266
Markus Putnings
Tab. 5: (fortgesetzt) Beispielanwender
Eine der ersten Bibliotheken, die derzeit den Zertifizierungsprozess durchlaufen, ist die Stadtbibliothek Eisenach.
Kosten
250 Euro.69
4.2.3 Schleswig-Holstein Tab. 6: Zertifizierung öffentlicher Bibliotheken in Schleswig-Holstein als „Qualifizierte Bibliothek zwischen den Meeren“
Homepage
http://bz-sh.de/index.php/buechereiverein/zertifizierung
Kriterienkatalog
http://bz-sh.de/index.php/downloadbereich/download/122-zertifizierung/ 800-qualitatskriterien-weltversion-stand-250118
Zertifizierungsstellen Die Zertifizierung erfolgt durch den Büchereiverein Schleswig-Holstein. Das Verfahren wird von der Büchereizentrale Schleswig-Holstein in Zusammenarbeit mit dem Zertifizierungsausschuss und den Auditierenden durchgeführt. Beispielanwender
Die ersten zertifizierten Bibliotheken sind die Stadtbücherei Wedel und die Deutsche Zentralbücherei Apenrade.70
Kosten
Es fallen keine Kosten an.
4.2.4 Autonome Provinz Bozen, Südtirol, Italien Tab. 7: Zertifizierung öffentlicher Bibliotheken in der Autonomen Provinz Bozen in Südtirol, Italien, mit dem Qualitätszertifikat „Hallo Qualität!“
Homepage
http://www.provinz.bz.it/kulturabteilung/bibliotheken/qualitaet-in-biblio theken.asp
Kriterienkatalog
http://www.provinz.bz.it/kulturabteilung/bibliotheken/Downloads.asp
Zertifizierungsstellen Die Zertifizierung erfolgt durch das Amt für Bibliotheken und Lesen der Autonomen Provinz Bozen, Südtirol.
69 Vgl. Landesfachstelle für Öffentliche Bibliotheken in Thüringen 2018. 70 Vgl. Büchereizentrale Schleswig-Holstein 2017.
267
Zertifizierung und Indexierung als Instrument des Marketings
Tab. 7: (fortgesetzt) Beispielanwender
Die Anwender sind auf der Homepage in der Listung auditierter Bibliotheken zu finden.71
Kosten
Es fallen keine Kosten für die Zertifizierung an.
4.3 Modelle für Spezialbibliotheken Unter Spezialbibliotheken werden Bibliotheken verstanden, die sich in der Erbringung ihrer Dienstleistungen eng auf eine spezielle Zielgruppe fokussieren. Ein Beispiel könnte etwa eine Schulbibliothek, eine Kunst- und Museumsbibliothek oder eine Fahrbibliothek sein. Teils sind die Zertifikate nur regional erwerbbar, z. B. als Teil eines Zertifizierungsangebots der Büchereizentrale des Bundeslands. Neben den genannten Modellen existieren weitere Orientierungsmöglichkeiten für das Qualitätsmanagement bei Spezialbibliotheken, z. B. gängige Standards für Krankenhausbibliotheken.72 Im Folgenden sind jedoch ausschließlich Modelle gelistet, die zu einem Zertifikat führen.
4.3.1 Kunst- und Museumsbibliotheken Tab. 8: Zertifizierung von Kunst- und Museumsbibliotheken anhand der Qualitätsstandards der Arbeitsgemeinschaft der Kunst- und Museumsbibliotheken (AKMB)
Homepage
https://www.arthistoricum.net/netzwerke/akmb/fachgruppen/fachgruppequalitaetsmanagement/
Kriterienkatalog
https://www.arthistoricum.net/fileadmin/groups/arthistoricum/Netzwerke/ AKMB/2016/3_Standards_6___Empfehlungen_klein.pdf
Zertifizierungsstellen Die Zertifizierung erfolgt durch das Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin. Beispielanwender
Die Anwender sind auf der vorab genannten Homepage in der Listung zertifizierter Bibliotheken zu finden.
Kosten
900 Euro.73
71 Vgl. Autonome Provinz Bozen – Südtirol 2017a. 72 Vgl. AGMB 2014. 73 Vgl. AKMB 2016.
268
Markus Putnings
4.3.2 Fahrbibliotheken in Niedersachsen Tab. 9: Zertifizierung von Fahrbibliotheken in Niedersachsen als „Bibliothek mit Qualität und Siegel“
Homepage
https://www.bz-niedersachsen.de/bibliothek-mit-qualitaet-und-siegel.html
Kriterienkatalog
https://www.bz-niedersachsen.de/die-kriterienkataloge-und-das-bewer tungsverfahren.html?file=files/bzn-c3/content/Qualitaetssiegel/QS%20Krit erienkatalog%20Fahrbibliotheken_gueltig%20%20Juni%202016%20mit%20 aktual.%20Erlaeuterungen%202-2017.pdf
Zertifizierungsstellen Die Zertifizierung erfolgt durch die Büchereizentrale Niedersachsen bzw. den von der dortigen Lenkungsgruppe eingesetzten Zertifizierungsausschuss. Beispielanwender
Die Anwender sind auf der Homepage in der Listung zertifizierter Bibliotheken zu finden.74
Kosten
Es fallen keine Kosten an.
4.3.3 Schulbibliotheken in der Autonomen Provinz Bozen, Südtirol, Italien Tab. 10: Zertifizierung von Schulbibliotheken in der Autonomen Provinz Bozen in Südtirol, Italien, mit dem Qualitätszertifikat „Hallo Qualität!“
Homepage
http://www.provinz.bz.it/kulturabteilung/bibliotheken/2475.asp
Kriterienkatalog
http://www.provinz.bz.it/kulturabteilung/bibliotheken/2475.asp (am Ende der Seite unter „Downloads“)
Zertifizierungsstellen Die Zertifizierung erfolgt durch das Amt für Bibliotheken und Lesen der Autonomen Provinz Bozen, Südtirol. Beispielanwender
Die Anwender sind auf der Homepage in der Listung bereits auditierter Schulbibliotheken zu finden.75
Kosten
Es fallen keine Kosten für die Zertifizierung an.
74 Vgl. Büchereiverband Lüneburg-Stade 2018. 75 Vgl. Autonome Provinz Bozen – Südtirol 2017b.
Zertifizierung und Indexierung als Instrument des Marketings
269
4.4 Modelle für bestimmte Services Die nachfolgende Listung darf nicht als vollständig angesehen werden. Es lassen sich fast alle Ressourcen von Bibliotheks- und Informationseinrichtungen zertifizieren, um deren Qualität nachzuweisen. Dies beinhaltet z. B. – personelle Ressourcen;76 – die Arbeitsumgebung und Infrastruktur;77 – alle kundenbezogenen Prozesse und – die Art und Technik der Produktrealisierung.78
4.4.1 Repositorien Vor allem die Publikationsservices bedürfen im Vorfeld einer Erst- oder Zweitpublikation der Qualitätsmanagementdarlegung, um die Anliegen der Autorinnen und Autoren mit Blick z. B. auf sichere (Langzeit-)Archivierung, Konnektivität der Systeme79 und optimierte Sichtbarkeit ihrer Publikationen erfüllen zu können.80 In diesem und dem nächsten Kapitel werden entsprechende Qualitätsnachweise in Form von Zertifizierungen und Indexierungen genannt.
Tab. 11: Zertifizierung von Repositorien mit dem DINI-Zertifikat 2016 „Open-Access-Repositorien und -Publikationsdienste“
Homepage
https://dini.de/dini-zertifikat/
Kriterienkatalog
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:kobv:11-100239432
Zertifizierungsstellen
Die Zertifizierung erfolgt direkt durch die Deutsche Initiative für Netzwerkinformation (DINI).
Beispielanwender
Die Anwender sind in einer Liste der DINI mit dem jeweils erworbenen Zertifikat gekennzeichnet.81
76 Einzelne Personen können sich z. B. als Qualitätsmanager ausbilden und zertifizieren lassen. 77 Etwa durch eine ISO 14001-Zertifizierung der Arbeitsumgebung und der Arbeitsschutzorganisation, um eine Arbeitsumgebung zu schaffen, die den gesetzlichen Vorgaben entspricht, eine Gefährdung der Mitarbeitenden und der Umwelt ausschließt und die Mitarbeiterzufriedenheit erhöht. 78 Vgl. Klüber et al. 2006, S. 56 ff. Im letzteren Bereich kommen in der Branche neuerdings verstärkt Cloud-Services zum Einsatz. Einen Überblick über deren Zertifizierungsmöglichkeiten bietet z. B. Krcmar et al. 2016, S. 160, 161. 79 Etwa Schnittstellen für Open Archives Initiative Protocol for Metadata Harvesting (OAI-PMH) und Simple Web-service Offering Repository Deposit (SWORD). 80 Vgl. Schmitz 2017, S. 299. 81 Vgl. DINI 2018a.
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Markus Putnings
Tab. 11: (fortgesetzt) Kosten
Die Kosten liegen bei Non-Profit-Organisationen für DINI-Mitglieder bei 50 Euro, ansonsten bei 100 Euro, bei Profit-Organisationen für DINIMitglieder bei 150 Euro, ansonsten bei 250 Euro.82
Tab. 12: Zertifizierung von Repositorien mit dem „CoreTrustSeal“
Homepage
https://www.coretrustseal.org/
Kriterienkatalog
https://www.coretrustseal.org/why-certification/requirements/
Zertifizierungsstellen
Die Zertifizierung erfolgt direkt durch CoreTrustSeal.
Beispielanwender
Die Anwender sind in der Liste „Core Certified Repositories“ auf der Homepage zu finden.83 Ein deutschsprachiger Anwender ist z. B. das GESIS Datenarchiv für Sozialwissenschaften (DAS).
Kosten
Ab dem 1. Februar 2018 wird eine administrative Gebühr von 1 000 Euro eingeführt.
Tab. 13: Indexierung von Repositorien als „OpenAIRE Compatible Data Provider“
Homepage
https://www.openaire.eu/participate/join-oa-network-validate-register-re pository
Kriterienkatalog
https://www.openaire.eu/support/faq/dataproviders-faq
Zertifizierungsstellen
Die Indexierung als „OpenAIRE Compatible Data Provider“ erfolgt durch OpenAIRE nach entsprechenden, primär technischen Validierungen.
Beispielanwender
Die Anwender sind unterscheidbar nach der jeweiligen Normerfüllung indexiert. In Übereinstimmung mit den OpenAIRE Guidelines 3.0 sind aktuell 34 Einrichtungen aus Deutschland indexiert.84
Kosten
Es fallen keine Kosten für die Indexierung an.
82 Vgl. DINI 2018b. 83 Vgl. CoreTrustSeal 2018. 84 Vgl. OpenAIRE 2018.
Zertifizierung und Indexierung als Instrument des Marketings
271
4.4.2 Universitätsverlage Tab. 14: Indexierung von Verlagserzeugnissen im Directory of Open Access Books (DOAB) und Directory of Open Access Journals (DOAJ).
Homepages
DOAB: https://www.doabooks.org/; DOAJ: https://doaj.org/
Kriterienkataloge
DOAB: https://www.doabooks.org/doab?func=apply&uiLanguage=en unter Berücksichtigung von https://oaspa.org/membership/membershipcriteria/; DOAJ: https://doaj.org/application/new unter Berücksichtigung von https://doaj.org/publishers#advice. Um das DOAJ Seal of Approval zu erreichen, müssen spezielle Kriterien erfüllt sein.85 Für beide Verzeichnisse müssen zudem Metadatenstandards eingehalten werden.
Zertifizierungsstellen
Die Indexierung erfolgt direkt durch die und in den beiden Verzeichnissen DOAB bzw. DOAJ.
Beispielanwender
Im DOAB gibt es ein Verzeichnis aller indexierten Verlage. Als nationale Beispiele können Heidelberg University Publishing oder KIT Scientific Publishing genannt werden.
Kosten
Es fallen keine Kosten für die Indexierung an.
Tab. 15: Indexierung von Zeitschriftenerzeugnissen im Index Copernicus International (ICI)
Homepage
https://journals.indexcopernicus.com/
Kriterienkatalog
http://www.indexcopernicus.com/index.php/en/parametrisation-1/jour nals-master-list-2/the-methodology-en und http://www.indexcopernicus. com/index.php/en/parametrisation-1/journals-master-list-2/the-indexa tion-procedure
Zertifizierungsstellen
Die Indexierung erfolgt direkt durch ICI in der ICI Journals Master List.
Beispielanwender
In der ICI Journals Master List kann nach Verlagen gesucht werden. Derzeit sind noch keine deutschen, jedoch ausländische Universitätsverlage indexiert.
Kosten
Es fallen keine Kosten für die Indexierung an. Für 250 Euro kann jedoch eine beschleunigte Prüfung innerhalb 14 Tagen beantragt werden.86
Ergänzender Hinweis
Neben dieser Indexierung gibt es insbesondere im Zeitschriftensektor vielfältige Möglichkeiten der Indexierung mit Vorabprüfung von Qualitätskriterien. Die ICI-Indexierung wird hier exemplarisch erwähnt, da sich mit der Indexierung auch ein diesbezügliches Zertifikat erwerben lässt.87
85 Vgl. DOAJ 2018. 86 Vgl. ICI 2018a. 87 Vgl. ICI 2018b.
272
Markus Putnings
4.4.3 Umgang mit Altbestand Das Meldeverfahren über den Umgang mit Altbestand kann nur bedingt als echte Zertifizierungsmöglichkeit genannt werden, da hier im Gegensatz zur in Kap. 2 erfolgten Definition keine externe Überprüfung durch eine Zertifizierungsstelle erfolgt. Da es sich allerdings um rechtsverbindliche Verpflichtungserklärungen handelt, wird das Altbestandszertifikat im Folgenden trotzdem gelistet.
Tab. 16: Meldeverfahren für das Altbestandszertifikat
Homepage
Jeder Bibliotheksverbund bietet eine entsprechende Informationsseite zum Meldeverfahren und Nachweis. Exemplarisch sei die Seite des Gemeinsamen Bibliotheksverbunds (GBV) genannt, da sie umfangreiche Informationen und z. B. auch Verweise auf Informationsseiten anderer Verbünde liefert: https://verbundwiki.gbv.de/display/VZG/Altbestandszer tifikat
Kriterienkatalog
https://verbundwiki.gbv.de/display/VZG/Altbestandszertifikat#Altbestan dszertifikat-WortlautdesZertifikates
Zertifizierungsstellen
Das Meldeverfahren beinhaltet eine formelle Selbstverpflichtung zur Einhaltung der Bedingungen des Altbestandszertifikates und die Zustimmung zur Veröffentlichung des Bibliotheksnamens durch die jeweilige Verbundzentrale.
Beispielanwender
Die Anwender sind auf den Altbestandszertifikat-Informationsseiten der jeweiligen Verbünde zu finden.
Kosten
Es fallen keine Kosten an.
Fazit Einleitung und Kap. 1 lieferten einen Einblick in die intrinsischen und extrinsischen Gründe zur Qualitätszertifizierung mit den Zielen, das Zertifikat im Marketing als „Aushängeschild“ zu verwenden, das die Bibliothek und ihre Dienstleistungs- und Produktqualität bewirbt, und es daneben gleichermaßen als „Schutzschild“ gegen den Druck externer Parteien einzusetzen.88 In Kap. 2 wurden die relevanten Begrifflichkeiten näher definiert, woraufhin Kap. 3 die Zertifizierung und die entsprechende Qualitätskommunikation in den Regelkreis des Qualitätsmanagements einordnete. Hierbei wurde konstatiert, dass es nicht nur einen Qualitätsmanagement- und Zertifizierungsprozess geben kann, sondern mehrere, die in einem ganzheitlichen QMS
88 Vgl. Becker, Vonhof 2010, S. 14–15.
Zertifizierung und Indexierung als Instrument des Marketings
273
münden können. In Kap. 4 wurde schließlich eine aktuelle Liste relevanter Zertifizierungsmodelle dargeboten. Die Entscheidung für eines der Modelle hängt primär von folgenden Aspekten ab, die aus der Listung von Kap. 4 extrahiert oder über die dort genannten Webseiten ermittelt werden können: 1. Welche Kosten kommen auf den Mittelträger zu? 2. Ist das Zertifikat den Anspruchsgruppen der Einrichtung bekannt und gilt es als gleichwertiges Testat zu den explizit (z. B. Bibliotheksgesetz, Bibliotheksentwicklungspläne) oder implizit gestellten Anforderungen? 3. Ist die Bibliothek bzw. Informationseinrichtung dem Aufwand zur Umsetzung des Kriterienkatalogs des Modells gewachsen? 4. Hat die Zertifizierung einen Einfluss auf die (Dritt-)Mitteleinwerbung?89
So kann sich z. B. eine öffentliche Bibliothek in Thüringen durchaus gewappnet sehen, eine ISO 9001-Zertifizierung zu erlangen, jedoch liefert die Zertifizierungsmöglichkeit als „Erlesene Bibliothek“ hier bereits einen Standard, der den Erfordernissen aus dem Bibliotheksentwicklungsplan Thüringen genügt und nur 250 Euro kostet. Damit ließen sich die Mehrkosten einer ISO 9001-Zertifizierung in Höhe von mehreren Tausend Euro dem Träger gegenüber kaum vermitteln und würden schwerlich von einem ressourcenbewussten Handeln zeugen. Dagegen wird eine Hochschule, die eine ISO 9001-Zertifizierung durchläuft, diese durchaus als probates Instrument zum Qualitätsnachweis für ihre Hochschulbibliothek sehen. Es entscheidet also die jeweilige Wirtschaftlichkeit basierend auf den Erwartungen der Stakeholder über die positive Rezeption der Qualitätsmaßnahmen.90
Die Vor- und Nachteile der branchenspezifischen Modelle sind dabei weitgehend spiegelbildlich zu den Vor- und Nachteilen der internationalen Modelle zu sehen (s. Abb. 4). Bei Letzteren wird vor allem der hohe Dokumentationsaufwand bemängelt. Deshalb sehen z. B. Friedel et al. die einfacheren und kostengünstig anzuwendenden Modelle als richtungsweisend für die nächsten sechs bis zehn Jahre an.91 Speziell die servicespezifischen Zertifizierungen belasten nur einzelne Abteilungen oder Referate und sind auch im Hinblick auf die Kosten eine geringe Bürde. Zu beachten ist jedoch, dass bei punktuellen Maßnahmen stets die Auswirkungen auf andere Anspruchsgruppen berücksichtigt werden müssen. So kann z. B. die Zertifizierung von Repositorien die Notwendigkeit der Einführung neuer Pflichteingabefelder mit sich bringen, was positiv für die Nutzer dieser Felder ist, jedoch für andere Nutzer lästigen Zusatzaufwand bedeutet; oder das an dieser Stelle geschaffene Vertrauen wird durch die schlechte Nutzbarkeit anderer, noch nicht optimierter (z. B. Publikations-)Dienste
89 Vgl. Schmidt 2016, S. 167. 90 Vgl. Mühlenkamp, Simonji 2004, S. 11, 80–81. 91 Vgl. Friedel et al. 2016, S. 553, 556–558.
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Markus Putnings
wieder zunichte gemacht.92 Das langfristige Ziel sollte also nicht nur darin bestehen, mit dem Instrument der Zertifizierung die auditierten Dienstleistungen anzupreisen, sondern hiermit die konsequente Orientierung auf die Kunden und deren Wünsche widerzuspiegeln.93
Vorteile internationaler, branchenübergreifender Modelle: Vorteile von branchenspezifischen Modellen:
- Internationale Bekanntheit - Vollwertiges Testat mit Standards und Konzepten aus der Industrie - Branchenübergreifend vergleichbar
- Branchenspezifisch, dadurch schlanker, leichter verständlich und weniger komplex - Kostengünstiger und weniger aufwändig - Geringere Zeitdauer für Implementierung
Nachteile internationaler, branchenübergreifender Modelle: - Hohe Kosten und hoher Aufwand für Implementierung - Die Industriestandards und -konzepte sind nur schwer auf die Branche transferierbar
Nachteile von branchenspezifischen Modellen: - Mangelnde Vergleichbarkeit mit anderen Branchen - Geringere Bekanntheit und politische Wirkung - Hat eher projektspezifischen Charakter, ein „Total Quality Management“ wird selten erreicht
Abb. 4: Vor- und Nachteile der Modelle94
92 Vgl. Kostagiolas 2011, S. 75. 93 Vgl. Hobohm et al. 2017, Kap. 3.4.1, S. 1–3; Albu et al. 2012, S. 153. 94 Eigene Darstellung nach Balagué 2009, S. 288–289; Balagué, Saarti 2009, S. 231 f.; Balagué, Saarti 2011; Bauer 2013, S. 5 f.; Becker 2011, S. 30, 31, 50–56; Becker, Vonhof 2010, S. 18; Bruhn 2013, S. 178; Jaksch 2014, S. 23 f.; Nelles 2000, S. 38–40; Pauleweit 1996, S. 173, 174; Sprung 2015, S. 1030 f.; Vonhof 2012, S. 303 f.
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Zertifizierung und Indexierung als Instrument des Marketings
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Susanne Blumesberger
Metadaten als Mehrwerte Abstract: Der Beitrag gibt zunächst einen allgemeinen Überblick über die Bedeutung von Metadaten und erläutert den Wandel des Begriffs durch die Digitalisierung. Waren früher mit Metadaten vor allem Daten über Daten gemeint, zum Beispiel in Form von bibliografischen Angaben zu Büchern, hat sich der Begriff heute ausgeweitet; zugleich übernehmen Metadaten heute mehr Funktionen als früher. Darüber hinaus werden verschiedene Aspekte von Metadaten vorgestellt: Die Vorteile von hochqualitativen Metadaten werden ebenso aufgezeigt wie die heutigen und zukünftigen Herausforderungen – insbesondere auch im technischen Bereich. Beleuchtet wird zudem das Verständnis von Metadaten in den unterschiedlichen Fachdisziplinen. Im Fokus steht die Frage, wie Metadaten Daten im weitesten Sinne – also Bilder, Texte, Video- oder Audiofiles – so anreichern können, dass diese schnell auffindbar sind und möglichst langfristig, breit sowie darüber hinaus auch nachhaltig genutzt werden können. Ebenso wird dargestellt, welche Auswirkungen es hat, wenn nicht mehr – so wie früher – nur wenige hochqualifizierte Experten Metadaten vergeben.
Einleitung Bis vor wenigen Jahren hatten Metadaten ausschließlich die Aufgabe, physisch vorhandene Objekte, wie Bücher, Texte oder auch audiovisuelle Materialien, zu beschreiben. Heute benötigt man darüber hinaus Metadaten auch für die Beschreibung von sogenannten Digital-born-Materialien, also von Texten oder Bildern, die nur digital vorhanden sind, bzw. von digitalisierten Objekten wie beispielsweise Büchern oder Karten, die nach wie vor physisch vorhanden sind, von denen aber auch digitale Versionen in Repositorien angeboten werden. Metadaten sind potenzielle Sucheinstiege (Suchbegriffe) in den verschiedenen Nachweissystemen wie Datenbanken, Katalogen, Discovery-Systemen oder auch in Suchmaschinen im Internet. Sie sollen Kunden eine effiziente Suche ermöglichen, zu relevanten Suchergebnissen führen und die Relevanzbeurteilung unterstützen.
1 Die Entwicklung der Metadaten Bibliothekare entwickelten über Jahrhunderte hinweg komplexe Systeme, um die wachsende Fülle an zu archivierenden Materialien – vor allem Bücher, aber auch Handschriften, Nachlässe und Karten – in Katalogen zu repräsentieren, sie dadurch handhabbar und den Lesern zugänglich zu machen.
https://doi.org/10.1515/9783110539011-018
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Susanne Blumesberger
1.1 Metadaten sind Daten Heute werden Metadaten durch die Online-Verfügbarkeit der Daten nicht mehr nur im bibliothekarischen Umfeld verwendet und auch nicht mehr ausschließlich von ausgewiesenen Informationsexperten erstellt und verwaltet. Damit kam es gewissermaßen zu einem Paradigmenwechsel und zu einer Neudefinition von Metadaten. Metadaten weiterhin nur als Daten über Daten zu beschreiben, würde unter den aktuellen Bedingungen zu kurz greifen. Metadaten können je nach Blickwinkel sehr unterschiedlich definiert werden. Man könnte darunter beispielsweise auch HTML-Seiten verstehen, die die Auffindbarkeit von Webseiten unterstützen. Metadaten können in verschiedenen Fachrichtungen auch zu Daten, zu Forschungsdaten werden. Denkt man beispielsweise an die Literaturgeschichte, sind bibliografische Angaben in einem Bibliothekskatalog oft wichtige Informationen, manchmal sogar Primärquellen der jeweiligen Forschung.
1.2 Zahlreiche Vorteile durch hochqualitative Metadaten Ausführliche Metadaten steigern die Sichtbarkeit im Netz. Für Wissenschaftler, die sich z. B. mit auf Tonträgern festgehaltenen Interviews beschäftigen, geben Metadaten Auskunft, wie sie zu der Information auf den Tonträgern kommen und wie diese zu interpretieren sind. Für Archivare geben Metadaten Hinweise darauf, wie sie Informationen verlustfrei für die Zukunft speichern können. Außerdem erlauben standardisierte Metadaten den Austausch von Informationen zwischen Gedächtnisinstitutionen. Metadaten unterstützen Open Science1, vor allem verlinkte offene Daten (Linked Open Data)2 erlauben den Zugriff und den Verweis auf offene Ressourcen und eröffnen damit im Bildungsbereich und in der Wissenschaft neue Möglichkeiten. Im Sinne der „FAIR Data Principles“ sollen Daten findable (auffindbar), accessible (zugänglich), interoperable (austauschbar) und reusable (wiederverwendbar sein).3 Metadaten liefern hier einen sehr wichtigen Beitrag. Im Umgang mit personenbezogenen Daten garantieren Metadaten Sicherheit und Datenschutz. Das sind aber nur einige Beispiele. Metadaten sind auch aus unserem Alltag nicht wegzudenken: Sie beschrei
1 Offene oder öffentliche Wissenschaft hat zum Ziel, Wissenschaft möglichst ohne Barrieren einer großen Anzahl von Menschen zugänglich zu machen; dazu zählen der freie Zugang zu wissenschaftlicher Literatur (Open Access), offene Daten (Open Data), offene Bildungsressourcen, offene Quellen usw. 2 Dabei handelt es sich um frei verfügbare Daten, die mit einem permanenten Identifier versehen sind, per http abgerufen werden können und wieder auf andere Daten verweisen. 3 Vgl. https://www.force11.org/group/fairgroup/fairprinciples (Abruf: 2018.03.12).
Metadaten als Mehrwerte
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ben Produkte, die wir über das Internet bestellen wollen, man findet sie auf Büchern, in Beschreibungen von Geräten und vielem mehr.
1.3 Metadaten und Repositorien Ein breites Aufgabenspektrum übernehmen Metadaten in digitalen Repositorien.4 Dort präsentieren sie nach wie vor das archivierte digitale Objekt, können aber auch den Zugang zu Objekten barrierefrei gestalten, indem sie beispielsweise Bilder mit einer Beschreibung versehen, sie in mehreren Sprachen verfügbar machen oder zusätzliche Hinweise für die Nutzung des digitalen Objekts anbieten. Metadaten können aber noch viel mehr. Forschungsdaten, Sammlungsobjekte usw. werden erst durch eine umfassende Beschreibung verständlich und so auch für andere Disziplinen und für spätere Generationen wiederverwendbar. Daraus entstehen neue Herausforderungen. Metadaten müssen – wie die archivierten Daten und Informationsressourcen selbst – stets gepflegt und langzeitarchiviert werden. Um hochqualitative Metadaten – wenn möglich – automatisch zu generieren und sie optimal zu visualisieren, ist sowohl bibliothekarisches als auch fachspezifisches Wissen notwendig. Im Bereich der Digital Humanities5 werden qualitativ hochwertige Metadaten dazu genutzt, Forschungsergebnisse zu visualisieren und spannende Projekte umzusetzen. Eine Herausforderung der Zukunft wird sein, Forschern den Wert der Metadaten bewusst zu machen, denn das Erstellen und Pflegen sowie die langfristige Verfügbarkeit sind ressourcenintensiv. Bibliotheken können hier eine zentrale Rolle einnehmen, indem sie Wissen einbringen und die Forscher unterstützen. Schließlich entstehen daraus auch neue Tätigkeitsfelder wie beispielsweise Metadaten-Manager.6 Aufgrund der vielfältigen Funktionen, die Metadaten heute übernehmen, kann man sie als strukturierte Informationen über Objekte definieren.7 Die Archivierung von digitalen Objekten aller Art, beispielsweise Digitalisaten von Büchern, Karten, Texten, Videos, Audiodateien und multimedialen Objekten, hat dazu geführt, dass diese Objekte mit weiteren Informationen versehen werden müs-
4 Weiterführende Informationen in Blumesberger, Susanne: Die Welt der Metadaten im Universum von Repositorien. In: Mitteilungen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare 68/3, 2015, S. 515–528. 5 Das interdisziplinär ausgerichtete Fach Digital Humanities (digitale Geisteswissenschaften) bezieht sich auf die Anwendung von computergestützten Verfahren und die Verwendung von digitalen Ressourcen in den Geistes- und Kulturwissenschaften. 6 Weitere Informationen in Krier, Laura; Strasser, Carly A.: Data Management for Libraries. An Imprint of the Library Association. Chicago: ALA TechSource, 2014. 7 Vgl. Rühle o. J.
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Susanne Blumesberger
sen, um eine sinnvolle, nachhaltige und zum Teil auch globale Nutzung unterschiedlicher Zielgruppen zu ermöglichen. Dazu gehört zum Beispiel die Verwendung von standardisiertem Vokabular, von Linked Data8, aber auch die mehrsprachige Beschreibung der Daten. Gleichzeitig werden die Nutzer der Daten oft auch zu jenen, die die Daten mit weiteren Informationen anreichern. Ersteller und Nutzer dieser Objekte sprechen oft von Tags, Schlagwörtern, die von Nutzern vergeben werden, Folksonomies, die die Sammlung dieser Schlagwörter darstellen, oder Social Bookmarks.9 Die Verantwortung, Objekte zu beschreiben und diese Beschreibungen auch zu pflegen, liegt nicht mehr nur in den Händen von wenigen hochspezialisierten Experten, sondern auch oder vor allem bei jenen, die diese Objekte erstellen und nutzen. Mitte der 1990er Jahre wurde der Begriff Metadaten vor allem für Geodaten10 verwendet, die man für die Dokumentation, den Austausch und das Archivieren von Informationen über räumliche Positionierungen benötigte. Der Aufbau von Repositorien in wissenschaftlichen Institutionen – zumeist Hochschulund anderen wissenschaftlichen Bibliotheken – hat zu einer intensiven Auseinandersetzung mit Metadaten und damit zu vielen weiteren Fragen geführt. Unter anderem wurde und wird diskutiert, welches Metadatenschema man nutzen sollte, um die Inhalte möglichst rasch und ohne Informationsverlust mit anderen Systemen austauschen zu können. Daraus ergibt sich wiederum die Diskussion, ob ein Schema für alle Arten von Objekten passt und wenn nicht, welches vor allem für die jeweilige Fachdisziplin passend ist.11 Mit der Etablierung von digitalen Archivierungssystemen stellte sich auch die Frage, wer für die Erstellung der Metadaten zuständig ist. Waren früher selbstverständlich die Bibliothekare unangefochtene Experten auf diesem Gebiet, reicht dieses rein bibliothekarische Wissen heute nicht mehr aus, um den Gesamtkomplex der Metadaten abzudecken, der nicht nur die reine Beschreibung von Daten umfasst, sondern auch (technisches) Wissen über Metadatenstandards, Schnittstellen, die die Kommunikation zwischen Systemen ermöglichen, Mapping, also das Übersetzen von einem Standard zum anderen, und vor allem fachspezifisches Wissen über die Objekte selbst enthält. Vor allem Letzteres verlangt die Einbeziehung von Fachwissenschaftlern der verschiedenen Disziplinen in den Beschreibungsprozess der Daten, also
8 Weitere Informationen in Neubauer, Gregor: Visualisierung von typisierten Links in Linked Data. In: Mitteilungen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare 70/2, 2017, S. 179– 199. 9 S. auch https://www.e-teaching.org/technik/kommunikation/socialbookmarking (Abruf: 2018.03.12). 10 Geodaten beschreiben Objekte, die durch eine Position im Raum referenzierbar sind. Sie sind in Georeferenzdatenbanken abrufbar und stellen wichtige Basisdaten für die Stadtplanung, Archäologie, Kartografie, aber auch für das Gesundheitssystem dar. Mithilfe dieser Daten können beispielsweise Evakuierungspläne erstellt werden. 11 Einen Überblick findet man unter https://en.wikibooks.org/wiki/Open_Metadata_Handbook/Meta data_Standards (Abruf: 2018.03.12).
Metadaten als Mehrwerte
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in die Erstellung von Metadaten. Dies führt einerseits zu einer Mehrbelastung der Forscher, die im Rahmen ihrer Forschungsarbeit oft nicht über ausreichende Ressourcen verfügen, um die generierten Daten adäquat zu beschreiben, andererseits gibt es den Wissenschaftlern zugleich die Möglichkeit, selbst zu bestimmen, wie ihre Forschungsergebnisse zugänglich und gut auffindbar gemacht werden. Autoren von Büchern oder Zeitschriftenartikeln hatten bisher kaum bis gar keinen Einfluss darauf, wie ihre Publikationen in Bibliotheken auffindbar gemacht wurden. Die Einbindung der Forscher in die Metadatenerstellung führt zu einer engen Zusammenarbeit der beiden Gruppen; Forschungsdatenmanagement12, wie man es heute versteht, ist ohne diese enge Kooperation schwierig, da nur die Wissenschaftler selbst wissen, was ihre Daten konkret beinhalten und aussagen, und nur sie diese Daten korrekt beschreiben können. Dabei kommt den Bibliotheken die Aufgabe zu, Forscher bei der Erstellung und Archivierung ihrer Objekte und der Metadaten möglichst effektiv zu unterstützen und vor allem auch bewusstseinsbildend zu wirken, da vielen Wissenschaftlern das Thema Metadaten bisher wenig bis gar nicht vertraut ist. Daten werden im Forschungsprozess verwendet und in großen Mengen generiert, oft jedoch nur lokal gespeichert und auch nur unzulänglich beschrieben. Das führt dazu, dass diese oft aufwendig und teuer erstellten Daten weder von den Forschern selbst noch von anderen nachgenutzt werden können. Drittmittelgeber haben zum Teil bereits darauf reagiert und fordern sogenannte Datenmanagementpläne ein, die unter anderem eine Vorausschau für den Umgang mit Finanzen, Verantwortlichkeiten, Zeitbudget, Sicherheits- und Ethikfragen, Langzeitverfügbarkeit und auch die Handhabung der Metadaten beinhalten müssen. Damit sind all jene, die in Drittmittelprojekten arbeiten, verpflichtet, sich mit dem Thema Metadaten auseinanderzusetzen. Dies hat zur Konsequenz, dass Bibliothekare jener Bibliotheken, die Forschungsunterstützung betreiben, sich verstärkt mit den unterschiedlichen Fachrichtungen auseinandersetzen müssen, um die Forscher möglichst gut in ihrem Forschungsprozess begleiten zu können. Zahlreiche Wissenschaftler kennen sich mittlerweile gut mit verschiedenen Metadatenschemata wie Dublin Core13 – einem standardisierten Vokabular für die Erzeugung von Metadaten –, „Metadata Objects Description Schema“ (MODS)14, dem XMLFormat für bibliografische Metadaten, oder „Metadata Encoding and Transmission Standard“ (METS)15 aus. Aber viele spezielle Metadatenstandards, etwa der Darwin
12 „Forschungsdatenmanagement bezeichnet den Prozess, der alle Methoden und Verfahren umfasst, die zur Sicherung der langfristigen Nutzbarkeit von Forschungsdaten angewendet werden: die Generierung, die Bearbeitung, die Anreicherung, die Archivierung und die Veröffentlichung.“ http:// www.forschungsdaten.org/index.php/Forschungsdatenmanagement (Abruf: 2018.03.12). 13 S. http://dublincore.org/ (Abruf: 2018.03.12). 14 S. http://www.loc.gov/standards/mods/ (Abruf: 2018.03.12). 15 S. http://www.loc.gov/standards/mets/ (Abruf: 2018.03.12).
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Susanne Blumesberger
Core16 für die Biologie oder die „Text Encoding Initiative“ (TEI)17 für Digital-Humanities-Projekte erfordern spezielles Wissen. In Zukunft wäre es zielführend, wenn sich auch Bibliothekare mit unterschiedlichen Metadatenschemata beschäftigen würden und die Möglichkeit hätten, sich auf diesem Gebiet weiterzubilden. Das Verwenden geeigneter Schemata ermöglicht erst den Austausch der Daten in den jeweiligen Communitys und macht die Interoperabilität, also die Zusammenarbeit und den Austausch von Metadaten zwischen den Systemen möglich.18 Verwenden die Forscher strukturierte Metadatenschemata, garantieren sie damit gleichzeitig eine konsistente Beschreibung ihrer Daten, die auch von künftigen Wissenschaftlern genutzt werden können. Wichtig sind strukturierte und hochqualitative Metadaten auch für die Auffindbarkeit der Daten und somit für die Sichtbarkeit der Forschung, was aufgrund der heutigen immensen Fülle an Forschungsoutput für den Wissenschaftsbetrieb immer wichtiger wird. Eine gute Beschreibung der Daten ermöglicht es auch den Repositorien-Managern, für eine langfristige Verfügbarkeit der Daten und die Möglichkeit eines Austausches zu sorgen.
2 Arten von Metadaten Metadaten beziehen sich auf folgende zentrale Aspekte: auf den Inhalt, auf den Kontext und auf die Struktur. Demnach werden unterschieden: – beschreibende Metadaten; – administrative Metadaten; – strukturelle Metadaten und – technische Metadaten.19
2.1 Beschreibende Metadaten Beschreibende Metadaten umfassen Informationen über die Objekte. So wäre ein Bild „Boot auf einem Teich“ mehr oder weniger wertlos, würde nicht die Information mitgeliefert, dass es sich dabei um eine Fotografie handelt, die die Weltreise dokumentiert, die Ludwig Lorenz von Liburnau 1892/93 als wissenschaftlicher Begleiter im Gefolge des Erzherzogs Franz Ferdinand von Österreich-Este unternommen hat.20
16 S. http://rs.tdwg.org/dwc/ (Abruf: 2018.03.12). 17 S. http://www.tei-c.org/index.xml (Abruf: 2018.03.12). 18 Weitere Informationen in Baca, Mutha: Introduction to Metadata. 2. Auflage. Los Angeles: Getty Research Institute, 2008. 19 Vgl. bspw. https://wiki.dnb.de/pages/viewpage.action?pageId=95651769 (Abruf: 2018.03.12). 20 Vgl. http://phaidra.univie.ac.at/o:576159 (Abruf: 2018.03.12), http://dublincore.org/ (Abruf: 2018. 03.12), http://www.loc.gov/standards/mods/ (Abruf: 2018.03.12), http://www.loc.gov/standards/mets/
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Diese Metadaten können auch Informationen zu unterschiedlichen Versionen der Objekte beinhalten sowie Links zu anderen Objekten und Annotationen umfassen. Bei Forschungsdaten kann man zwei Varianten unterscheiden: einerseits die Metadaten, die die Datensets beschreiben, und andererseits die Metadaten, die die einzelnen Daten beschreiben. Metadaten, die Datensets beschreiben, umfassen Informationen wie den Urheber, das Entstehungsdatum und auf welche Weise die Daten entstanden sind – zum Beispiel, welche Tools für die Datengewinnung verwendet wurden oder welche Messverfahren verwendet wurden. Damit erhalten die Daten relevante Zusatzinformationen, um auch in der Zukunft verstanden und besser nachvollzogen werden zu können. Forscher sollten sich möglichst früh mit den geplanten Repositorien vertraut machen, um die verlangten Pflichtfelder adäquat befüllen und somit die Daten möglichst genau beschreiben zu können. Meist ist es sinnvoll, sich auf Dublin Core zu stützen, da dieses Schema kein Expertenwissen voraussetzt und 15 überschaubare Elemente enthält: Beitragende, Ort und Zeit, Ersteller, Datum, Beschreibung, Format, Identifizierer, Sprache, Verlag/Herausgeber, Beziehungen, Rechte, Quelle, Stichworte, Titel, Dokumententyp.21 Benötigt man weitere Informationen, steht Qualified Dublin Core22, das unter anderem auch Hinweise auf Provenienz und Verhältnisse zwischen den Objekten enthält, zur Verfügung. In letzter Zeit wird auch oft das „DataCite Metadata Schema“23 herangezogen, vor allem um „Digital Object Identifiers“ (DOI)24 registrieren zu können. Bei der Beschreibung der einzelnen Daten sollten sich die Forschenden bewusst sein, dass es für den wissenschaftlichen Austausch und die Wiederverwendbarkeit der Daten wichtig ist, immer gleiche Begriffe, möglichst aus Thesauri, zu verwenden, die das Verstehen der Daten für alle erleichtern.25 Hier sollten die Bibliothekare unterstützend eingreifen. Selbstverständlich muss auch darauf geachtet werden, dass auch die Metadaten vor Verlust und unberechtigtem Zugriff sicher gespeichert werden, und dies bereits vor der Archivierung in einem Repositorium. Für Bibliotheken ergeben sich damit neue Aufgaben im Bereich der Forschungsunterstützung. Das traditionelle Wissen der Bibliothekare über Metadaten kann genutzt werden, um Forschern bewusst zu machen, wie wertvoll Metadaten sind.
(Abruf: 2018.03.12), http://rs.tdwg.org/dwc/ (Abruf: 2018.03.12), http://www.tei-c.org/index.xml (Abruf: 2018.03.12). 21 Vgl. https://glossar.hs-augsburg.de/Dublin_Core_Metadata (Abruf: 2018.03.12). 22 Vgl. http://dublincore.org/documents/2000/07/11/dcmes-qualifiers/ (Abruf: 2018.03.12). 23 Vgl. https://www.datacite.org/ (Abruf: 2018.03.12). 24 Vgl. https://www.doi.org/ (Abruf: 2018.03.12). 25 Weitere Informationen in Kopácsi, Sándor; Hudak, Rastislav; Ganguly, Raman: Implementierung eines Klassifikationsservers für Metadatenorganisation für Langzeitarchivierungssysteme. In: Mitteilungen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare 70/2, 2017, S. 225–243.
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Susanne Blumesberger
2.2 Administrative Metadaten Administrative Metadaten geben Auskunft darüber, um welchen Ressourcentyp und welches Format es sich handelt, über Identifier sowie über die Auswahlkriterien für die Digitalisierung. Metadaten beschreiben die rechtliche Situation der Daten, informieren über Zugriffsrechte bzw. darüber, ob es sich um kein Born-digital-Objekt handelt, sowie über den Aufbewahrungsort des analogen Objekts. Diese Angaben sind grundlegend, um Daten langfristig verfügbar zu halten. Das von der Digital Library Federation (DLF) entwickelte METS-Schema26, das von der Library of Congress (LoC) gepflegt wird, gibt in sieben Bereichen Auskunft über technische Aspekte, Formate, die rechtliche Situation, über den Inhaber der Daten, Rechte, über die zugrunde liegenden Quellen und die Provenienz der Daten und wird vor allem für digitalisierte Fotografien und Karten eingesetzt. All dies hilft dabei, während des gesamten Lebenszyklus der Daten Veränderungen in den Daten wahrzunehmen und nachvollziehen zu können. Mitprotokolliert werden sollte auch, wer wann welche Änderungen an den Metadaten vorgenommen hat. Bei den rechtlichen Angaben haben sich vor allem die Creative-Commons-Lizenzen durchgesetzt. Die gemeinnützige Organisation Creative Commons (CC) bietet Lizenzen zur Veröffentlichung von Texten, Bildern, Musik oder Videos an, um Urhebern die Möglichkeit zu geben, anderen Personen die Nutzung ihrer Werke unter bestimmten Bedingungen zu erlauben.27
2.3 Strukturelle Metadaten Strukturelle Metadaten, die man zu den administrativen Metadaten zählen kann, helfen ebenfalls dabei, die Daten langfristig zu sichern und nachnutzbar zu machen.
26 Der Kopfteil enthält Metadaten, die das jeweilige METS-Dokument selbst beschreiben, einschließlich der Angaben zum Bearbeiter oder Herausgeber des METS-Dokuments. Der Abschnitt für die Erschließungsangaben kann sowohl Verweise auf ein externes Dokument wie auch in das METSDokument eingebettete Angaben oder beides enthalten. Der Abschnitt für die Verwaltungsangaben liefert Informationen über die Herstellung und Speicherung von Dateien, über Urheberrechte und über die digitalisierte Vorlage. Im Dateienabschnitt werden alle Dateien mit Inhalten, aus denen das digitale Objekt besteht, aufgelistet. Die Strukturbeschreibung bildet den inneren Aufbau des digitalen Objekts ab und verknüpft die Elemente der Struktur mit den Dateien, aus denen der Inhalt des digitalen Objekts besteht, sowie mit deren Metadaten. Der Abschnitt mit den Strukturverknüpfungen erlaubt es den Erstellern von METS-Dokumenten, das Vorhandensein von Hyperlinks zwischen einzelnen Knoten des im Strukturabschnitt dargestellten hierarchischen Aufbaus des digitalen Objekts zu beschreiben. Ein Abschnitt über das Verhalten des digitalen Objekts kann verwendet werden, um ausführbare Anweisungen für das Verhalten mit den Inhalten in METS-Objekten zu verknüpfen. S. http://www.loc.gov/ standards/mets/METSOverview.v2_de.html (Abruf: 2018.03.12). 27 Vgl. https://creativecommons.org/licenses/?lang=de (Abruf: 2018.03.12).
Metadaten als Mehrwerte
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Sie beschreiben die physische und logische Struktur des digitalen Objekts, was vor allem dann entscheidend ist, wenn es sich um Daten handelt, die sich aufeinander beziehen, wie z. B. digitale Bücher, die in Kapitel unterteilt sind, die wiederum Seiten beinhalten. Hier ist es wichtig, dass diese Struktur gut beschrieben ist. Auch bei im Repositorium miteinander verknüpften Daten ist es wichtig zu dokumentieren, auf welche Art und Weise diese Daten miteinander korrespondieren. Sammlungen von Objekten können durch Unterordner klar strukturiert werden und erleichtern damit die Suche nach ähnlichen Daten. Bilder, Texte und Videos können somit in einen thematischen Zusammenhang gebracht werden.
2.4 Technische Metadaten Technische Metadaten enthalten eine Dokumentation über Soft- und Hardware, Information zu den Formaten, zu Komprimierung oder Skalierungsmöglichkeiten. Ein Beispiel dafür ist das „Exchangeable image file format“ (Exif), das bei der digitalen Fotografie Standard ist.28 Metadaten, die sich auf die langfristige Sicherung der Daten beziehen, enthalten Angaben zu Migrationen der Daten, also z. B. zum Wechsel von einem Format zu einem anderen, und sämtliche Änderungen, die an den Daten vorgenommen wurden. Zusätzlich sind auch Metadaten zu nennen, die statistische Daten enthalten und sich auf die Nutzung und Nutzungshäufigkeit der Objekte beziehen.
Metadaten in Repositorien erlauben auch neue Suchmöglichkeiten durch die unterschiedlichen Vernetzungen der einzelnen Beschreibungen und erleichtern damit auch das Auffinden von Informationen durch unterschiedliche Zielgruppen, die bei der Suche individuell vorgehen und anders als früher unterschiedliche Zugänge haben, die nicht mehr voraussetzen, dass bestimmte Suchstrategien eingehalten werden. Sammlungen an Informationen – beispielsweise digitalisierte Nachlässe –können damit auch von einem einzelnen Objekt ausgehend durchsucht und entdeckt werden, der Nutzer muss nicht mehr die oberste Ebene kennen und von dort aus seine Suche starten. Die Hierarchie bzw. die Struktur muss also nicht schon von vornherein bei Beginn der Suche bekannt sein. Metadaten ermöglichen virtuelle Ausstellungen, die Repräsentation von Sammlungen, sind aber auch beispielsweise für den Einsatz in der Lehre unverzichtbar. Mithilfe des „Learning Object Metadata“-Schemas (LOM)29, das 2002 vom „Institute of Electrical and Electronics Engineers“ (IEEE)30 entwickelt wurde, können Angaben wie Alter 28 Herstellerunabhängiges Metadatenformat für den Austausch von Bild- und Fotodateien für die Kommunikation zwischen Digitalkamera und Drucker, Notebook, Tablet, Smartphone etc. 29 S. z. B. http://edutechwiki.unige.ch/en/Learning_Object_Metadata_Standard (Abruf: 2018.03.12). 30 https://www.ieee.org/index.html (Abruf: 2018.03.12)
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Susanne Blumesberger
der Zielgruppe, Art der Lernressource (z. B. Experiment, Text, Übung, Grafik) und voraussichtlicher Zeitaufwand, aber auch rechtliche Bedingungen usw. festgehalten werden.31 Durch diese Zuschreibungen werden Daten zu Lernressourcen, die in Schulen und Universitäten genutzt werden können.
3 Das Generieren von Metadaten Das Erzeugen und Managen von Metadaten ist zu einem hochkomplexen Vorgang geworden, der sowohl inhaltliches Fachwissen als auch technisches Spezialwissen erfordert. Ein wichtiger Punkt ist auch, dass Metadaten und Daten fix miteinander verbunden sein sollen, dass die Metadaten ein fixer Bestandteil der Daten sind, denn sie begleiten die Daten während ihres gesamten Lebenszyklus. Vorteilhaft ist es daher, wenn nicht nur eine Person für das Erstellen von Metadaten zuständig ist, damit Arbeitsabläufe in Institutionen klar definiert und eingehalten werden können. Metadaten können auch durch Crowdsourcing erzeugt werden, indem man das Wissen vieler Menschen, vor allem auch Externer, zu einem Thema/Sachverhalt nutzt und sie einlädt, beispielsweise Personen oder Orte auf Fotos zu identifizieren bzw. schon vorhandene Beschreibungen anzureichern oder auch zu korrigieren. Ein Fotoarchiv einer Gemeinde könnte beispielsweise die Einwohner bitten, abgebildete Personen zu benennen, damit würde man das Archiv aufwerten. Dies erfordert eine gewisse Qualitätskontrolle, aber es bietet den Bibliotheken die Möglichkeit, auf diese Weise Bestände verfügbar zu machen, die ansonsten der Öffentlichkeit verwehrt wären, da die Bibliothek weder über das Wissen noch über die Kapazitäten verfügt, um z. B. große Sammlungen an Fotos zu erschließen.32
Fazit Metadaten in Repositorien eröffnen neue Suchmöglichkeiten durch die unterschiedlichen Vernetzungen der einzelnen Beschreibungen und erleichtern damit das Auffinden von Informationen durch unterschiedliche Zielgruppen, die bei der Suche anders als früher (wo bestimmte Suchstrategien eingehalten werden mussten) indivi-
31 S. z. B. IEEE Standards Association: IEEE Learning Technology Standards Committee (LTSC) Systems Interoperability in Education and Training, 2017, https://ieee-sa.imeetcentral.com/ltsc/ (Abruf: 2018.03.12). Einen Kurseditor findet man unter ftp://ftp.kom.e-technik.tu-darmstadt.de/papers/HFM +01-1-paper.pdf (Abruf: 2018.03.12). Das Leibniz-Institut für Wissensmedien bietet unter https://www. e-teaching.org (Abruf: 2018.03.12) zahlreiche Informationen für die Gestaltung der Hochschullehre mit digitalen Medien an. 32 Vgl. den Beitrag „Open Innovation und Crowdsourcing: Das Management von Offenheit“ von Ursula Georgy in diesem Handbuch.
Metadaten als Mehrwerte
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duell unterschiedliche Zugänge haben. Sammlungen an Informationen, beispielsweise digitalisierte Nachlässe, können damit von einem einzelnen Objekt ausgehend durchsucht und entdeckt werden, der Nutzer muss nicht mehr die oberste Ebene kennen und von dort aus seine Suche starten. Die Hierarchie bzw. die Struktur muss also nicht bei Beginn der Suche bekannt sein. Zusammenfassend lassen sich unter anderem folgende Vorteile von Metadaten auflisten: – Sie ermöglichen den Zugang zu den Daten. Keine Bibliothek kommt ohne Metadaten – in diesem Fall Katalogen, Discovery-Systemen und Suchmaschinen – aus. Vor allem in der „digitalen“ Welt sind Metadaten unverzichtbar, will man Objekte auffinden. – Daten werden erst durch Metadaten sichtbar. Ähnlich wie Bücher in einer Bibliothek durch den Katalog erschlossen werden, informieren Metadaten über die archivierten Daten. – Die Weitergabe von Metadaten ermöglicht den Aufbau von Portalen und Datenbanken wie beispielsweise der Europeana33. – Forschungsdaten ohne (weitere) Erklärungen sind kaum nutzbar. – Metadaten reduzieren die Komplexität von Systemen. – Metadaten erlauben den internationalen und fächerübergreifenden Austausch der Daten. – Metadaten ermöglichen die globale Nutzung der Daten. – Durch die mehrsprachige Beschreibung und die Verwendung von Thesauri, aber auch natürlichsprachlichen Texten sowie Verlinkungen auf andere Ressourcen werden Daten für eine breite Nutzerschicht zugänglich. – Metadaten erleichtern den Zugang zu Informationen für Personen mit körperlichen Einschränkungen. Beschreibungen von Bildern oder Grafiken erleichtern sehbehinderten oder blinden Personen den Zugang zu Daten, ebenso verhelfen Videos mit Gebärdensprache gehörlosen Personen zur Nutzung von digitalen Inhalten. – Metadaten bewahren den Kontext der Daten auf. – Metadaten machen die Daten für die Lehre zugänglich. – Metadaten dokumentieren die Nutzung von Daten. – Sie verwalten unterschiedliche Versionen von Daten. – Metadaten geben Auskunft über rechtliche Aspekte. Sie zeigen, wer die Rechte an den jeweiligen Objekten besitzt, welche Lizenzen vergeben wurden und wie die Zugriffsrechte gestaltet sind. – Sie enthalten Informationen darüber, wie die digitalen Objekte auch zukünftig am Leben erhalten und weiter genutzt werden können.
33 S. https://www.europeana.eu/portal/de (Abruf: 2018.03.12).
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Metadaten geben Auskunft über unterschiedliche kulturell oder politisch bedingte Benennungen von Personen oder Orten. Sie geben Hinweise auf eventuell analog nicht mehr vorhandene Objekte. Durch die Angabe des Urhebers, dessen Lebensdaten und der Entstehungsdaten des Werks sind wertvolle Hinweise auf die jeweilige rechtliche Situation vorhanden. Die Angabe von Lizenzen erleichtert die Nachnutzung, ebenso die Information, ob ein Text bereits publiziert ist oder nicht. Kontrolliertes und standardisiertes Vokabular ermöglicht ein rasches Auffinden der Daten, da unterschiedliche Schreibweisen bzw. historische Benennungen miteinander verlinkt sind bzw. Homonyme kenntlich gemacht werden. Persistente Identifier, wie beispielsweise die Digital Object Identifiers (DOI), garantieren die Zitierung der Objekte, die Open Researcher and Contributor ID (ORCID) wird als einmalige „Adresse“ für Forscher eingesetzt; Namensgleichheiten führen nicht mehr zu Verwechslungen, Namensänderungen sind bei der Nachverfolgung wissenschaftlicher Karrieren kein Hindernis mehr. Metadaten ermöglichen virtuelle Ausstellungen sowie die Repräsentation von Sammlungen.
Die Metadaten selbst, aber auch der Umgang mit ihnen hat sich in der letzten Zeit stark gewandelt. Durch die zunehmende Digitalisierung von Objekten stehen zwar immer mehr Informationen zur Verfügung, die Auffindbarkeit ist allerdings nur mehr dann wirklich gegeben, wenn die Informationen gut beschrieben sind und von Mensch und Maschine gelesen werden können. Wie Metadaten möglichst rasch, zeitsparend und wenn möglich maschinell gewonnen werden können, wird nur eine der vielen Fragen sein, die uns in dieser Hinsicht noch beschäftigen werden.34
Literatur Letztes Abrufdatum der folgenden Internet-Dokumente ist der 2018.03.12. Baca, Mutha: Introduction to Metadata. 2. Auflage. Los Angeles: Getty Research Institute, 2008. Blumesberger, Susanne: Die Welt der Metadaten im Universum von Repositorien. In: Mitteilungen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare 68/3, 2015, S. 515–528. Fensel, Anna: Auf dem Weg zu semantischen APIs für Forschungsdatendienste. In: Mitteilungen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare 70/2, 2017, S. 157–169. Kopácsi, Sándor; Hudak, Rastislav; Ganguly, Raman: Implementierung eines Klassifikationsservers für Metadatenorganisation für Langzeitarchivierungssysteme. In: Mitteilungen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare 70/2, 2017, S. 225–243.
34 Weitere Informationen in Fensel, Anna: Auf dem Weg zu semantischen APIs für Forschungsdatendienste. In: Mitteilungen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare 70/2, 2017, S. 157–169.
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Krier, Laura; Strasser, Carly A.: Data Management for Libraries. An Imprint of the Library Association. Chicago: ALA TechSource, 2014. Neubauer, Gregor: Visualisierung von typisierten Links in Linked Data. In: Mitteilungen der Vereinigung österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare 70/2, 2017, S. 179–199. Pomerantz, Jeffrey: Metadata. Cambridge, London: The MIT Press, 2015. Rühle, Stefanie: Kleines Handbuch Metadaten. O.J. http://www.kim-forum.org/Subsites/kim/Shared Docs/Downloads/DE/Handbuch/metadaten.pdf?__blob=publicationFile
Dirk Tunger und Andreas Meier
Altmetrics: Ein innovativer Service für Bibliotheken Abstract: Die Einführung alternativer Indikatoren (Altmetrics) für die Quantifizierung wissenschaftlichen Outputs und darauf entfallender Resonanz geht auf eine Diskussion vor einigen Jahren zurück, ob die Fokussierung auf die klassischen bibliometrischen Indikatoren im Internetzeitalter noch die wissenschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung von Forschungsarbeiten adäquat widerspiegelt. Im Verlauf dieser Diskussion wurde der Begriff „Altmetrics“ als Sammelbegriff für alternative Indikatoren eingeführt, die webbasierte Informationen über wissenschaftliche Veröffentlichungen beinhalten. Altmetrics können somit als Ergänzung zu den klassischen bibliometrischen Indikatoren gesehen werden, die neue und bisher nicht vorhandene Informationen vor allem aus dem Bereich Social Media beinhalten. Diese neuen Informationen beleuchten die Rezeption wissenschaftlicher Veröffentlichungen, beispielsweise auf Newsseiten, in wissenschaftlichen Blogs und anderen webbasierten Angeboten. Der Beitrag befasst sich mit dem aktuellen Stand dieses neuen Themas, gibt einen Überblick über die verschiedenen Metriken und darüber, was damit gemessen werden kann und welche Aussage diese Indikatoren treffen. Es wird deutlich, dass Altmetrics der Erwartung, wissenschaftlichen Impact zu messen, nicht gerecht werden, weil die Daten hierfür zu heterogen sind, ihre Interpretation noch nicht ausreichend geklärt ist und eine Indikatorik mit aussagekräftigen und belastbaren Benchmarks noch nicht vorhanden ist. Vielmehr wird mit Altmetrics aufgezeigt, welche Arten von Veröffentlichungen in Social Media besprochen werden und welche Aufmerksamkeit damit generiert wird. Weiter geht der Beitrag der Frage nach, welche Rolle Bibliotheken und Marketing bei der Weiterentwicklung dieses Themas einnehmen können und welche Strategien Wissenschaftseinrichtungen mit Altmetrics verfolgen können, und diskutiert die Erfolgsaussichten und wichtige Erfolgsfaktoren beim Umgang mit diesem Thema.
Einleitung Die Wissenschaft verlagert sich zunehmend in die digitale Welt: Wissenschaftlicher Output wird nicht nur in etablierten sozialen Medien, wie Twitter und Facebook, geteilt und diskutiert, sondern vermehrt auch auf eigens für Wissenschaftler erstellten Plattformen wie Academia.edu, ResearchGate oder Mendeley.1 Der Vormarsch des
1 S. Academia.edu: http://www.academia.edu; ResearchGate: http://www.researchgate.net; Mendeley: http://www.mendeley.com (Abruf: 2018.03.08).
https://doi.org/10.1515/9783110539011-019
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sogenannten Science 2.0-Zeitalters steigert gleichzeitig auch den Bedarf an Indikatoren, die imstande sind, die webbasierte Resonanz wissenschaftlicher Veröffentlichungen zu messen, also jenen Impact, den die Publikationen nicht in wissenschaftlichen Veröffentlichungen von Fachkollegen generieren, sondern in Quellen wie Newsseiten, Blogs und ähnlichen digitalen Medien. Eine reine Betrachtung der Zitationszahlen aus der klassischen Bibliometrie2 ist aufgrund des Voranschreitens der Digitalisierung3 nicht mehr zeitgemäß, da nur ein limitiertes Bild des Impacts zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen abgegeben wird. Dieser Impact wird in den sozialen Medien u. a. durch die Anzahl der Downloads, die Anzahl der Klicks oder durch eigens kreierte Indikatoren, wie z. B. den RG-Score von ResearchGate4, gemessen. Diese webbasierten Metriken werden unter dem Oberbegriff Altmetrics zusammengefasst, der seit dem Jahr 2010 für alternative Metriken steht.5 Das Thema wird auch aus politischer Sicht immer interessanter und wurde u. a. in einer Machbarkeitsstudie im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) untersucht.6 Das Grundmotiv für die Einführung von Altmetrics ist die Ergänzung der klassischen Bibliometrie, da deren Konzepte zwar u. a. mit dem Konzept des klassischen Peer Review, nicht aber mit den Konzepten der digitalen Welt konform sind. Dennoch sollen Altmetrics ebenfalls einmal eine evaluative Rolle einnehmen, um als Erweiterung zur Bibliometrie z. B. eine frühe Einschätzung zur Wahrnehmung zu vermitteln.7 Dass man in Bezug auf Altmetrics stets von Aufmerksamkeit und weniger von Impact ausgehen muss, wird in diesem Beitrag aufgezeigt. In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass der Begriff Metriken zu falschen Erwartungen im Sinne einer Impactmessung führen kann.
Dieser Beitrag gibt einen Überblick über den aktuellen Stand der Wissenschaft zur Altmetrics-Forschung und zeigt auf, welche Metriken es gibt und welche Schlüsse
2 Bibliometrie bezeichnet die quantitative Auswertung wissenschaftlicher Veröffentlichungen und beinhaltet z. B. statistische Auswertungen zu Publikationsoutput, Zitation der Veröffentlichungen und Vernetzung bzw. Kooperation von Autoren und Einrichtungen. Weitere Informationen sind auf www. bibliometrie.de zu finden. 3 In der Gegenwart erzielen wissenschaftliche Veröffentlichungen im Gegensatz zu Zeiten vor der fortschreitenden Digitalisierung nicht nur Resonanz in rein wissenschaftlichen Quellen, sondern auch in neuen Medien, wie Blogs, Facebook, Twitter usw. Digitalisierung im Sinne dieses Beitrags meint also vor allem die Entstehung neuer Kommunikationskanäle, auf denen wissenschaftliche Beiträge eine Rolle spielen. 4 Der RG-Score setzt sich aus dem Impact der wissenschaftlichen Veröffentlichungen und der sozialen Aktivität auf ResearchGate zusammen. Nähere Informationen zum RG-Score unter http://www. researchgate.net/RGScore/FAQ (Abruf: 2018.03.08). 5 Vgl. Priem et al. 2010. 6 Vgl. Tunger et al. 2017. 7 Vgl. Haustein 2016.
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daraus gezogen werden können. Anhand eines Beispiels werden die Anwendungsmöglichkeiten von Altmetrics mithilfe des Altmetric-Explorers veranschaulicht. Darauf aufbauend wird der Frage nachgegangen, in welcher Form Bibliotheken und Marketing sich beim Voranbringen des Themas einbringen können und welche Strategien Wissenschaftseinrichtungen durch die Anwendung von Altmetrics entwickeln können.
1 State of the Art In diesem Kapitel wird der derzeitige State of the Art zum Thema Altmetrics aufgezeigt. Dabei steht die wissenschaftliche Verortung im Fokus, gespiegelt mit dem Spannungsverhältnis zur Bibliometrie und dem besonderen Blick auf die Aufmerksamkeit, die mit Altmetrics einhergeht.
1.1 Wissenschaftliche Verortung von Altmetrics Seit der Einführung des Begriffs Altmetrics durch Priem et al.8 kann die AltmetricsCommunity auf rund sieben Jahre Forschung zu diesem Thema zurückblicken. Doch eine exakte Definition oder ein Konsens darüber, was genau gemessen wird und was die Metriken aussagen, ist bis dato nicht vorhanden. Allerdings ist das Thema omnipräsent und zeigt durchaus Sichtbarkeit, indem bereits weltweit zahlreiche Publikationen veröffentlicht wurden, Altmetrics von Wissenschaftsverlagen als Marketinginstrument eingesetzt werden und Konferenzen zum Thema stattfinden.9 Alternative Metrics, oder kurz Altmetrics, sollen die Aufmerksamkeit für wissenschaftlichen Output dort messen können, wo die Bibliometrie ihre Grenzen erreicht – im Web. Hierbei handelt es sich u. a. um Diskussionen auf Twitter, Downloads auf wissenschaftlichen Plattformen, wie Academia.edu oder ResearchGate, oder Erwähnungen in Online-Nachrichtenbeiträgen. Grundsätzlich sind Altmetrics nicht genau abgegrenzt, da es weiterhin am zuvor erwähnten Konsens bezüglich definierter Indikatoren und Quellen fehlt.
Ein signifikantes Problem, das die Community bei Altmetrics sieht, ist das sogenannte Gaming. Hierbei handelt es sich um eine gezielte Manipulation der Online-Metriken, die durch die Nutzer selbst herbeigeführt werden. Der RG-Score, ein eigens entwickelter Indikator von ResearchGate, lässt sich beispielsweise durch die bloße soziale Aktivität oder das Hinzufügen von fremden Publikationen zum eigenen Profil in
8 Vgl. Priem et al. 2010. 9 Vgl. Haustein 2016.
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kürzester Zeit vervielfachen.10 Dieses Problem ist einer der Gründe, warum die Metriken noch nicht als ausgereift genug anzusehen sind sowie als noch nicht robust genug gegen Gaming-Aktivitäten.
1.2 Spannungsverhältnis zur Bibliometrie Aufgrund desselben Gegenstands der Betrachtung besteht zwischen Altmetrics und Bibliometrie ein Spannungsverhältnis: Beide Disziplinen sollen den Zweck erfüllen, ein Bild des wissenschaftlichen Impacts zu vermitteln, wenn auch auf der Basis unterschiedlicher Grundlagen. Fast schon reflexartig werden daher beide oft ins Verhältnis zueinander gesetzt, miteinander verglichen oder zu einer Entweder-oder-Auswahl gestellt. Bornmann und Haunschild11 haben in einer Studie untersucht, inwiefern das „Leiden Manifesto for Research Metrics“12, das für Metriken in der Wissenschaftsevaluation von Hicks et al. 2015 verfasst wurde, auch auf Altmetrics angewandt werden kann. Die Autoren kommen zu dem Fazit, dass bis dato keine normalisierten Indikatoren Bestand haben, dass die Daten oft nicht offen zugänglich und nicht transparent sind und Autoren wissenschaftlicher Veröffentlichungen ihre Zahlen durch Gaming manipulieren können. So gesehen, ist man noch weit davon entfernt, dass die Regeln, die für die Bibliometrie gelten, auch auf Altmetrics angewandt werden können. In der Community ist man sich allerdings weitestgehend einig, dass die beiden Disziplinen sich ergänzen und nicht ausschließen. Altmetrics sollen das klassische Peer Review dabei nicht ersetzen, sondern vielmehr als zweite Meinung angesehen werden und eine neue Perspektive auf die Kommunikation von und über Wissenschaft in Social Media abbilden. Die Expert Group on Altmetrics, die 2017 einen Report im Auftrag der Europäischen Kommission erstellt hatte, plädiert ebenfalls dafür, dass Altmetrics und Bibliometrie gemeinsam „komplementäre Ansätze zur Evaluation“ bilden.13 Die Autoren dieses Beitrags sehen in Bezug auf Altmetrics den Vorteil, dass sie ein breiteres Publikum einbeziehen, das nicht zwingend dem Wissenschaftssystem zuzuordnen ist, und dass Informationen deutlich schneller erhoben und verarbeitet werden können, als dies in der klassischen Bibliometrie möglich ist. Des Weiteren ist es auch möglich, die Aufmerksamkeit für unkonventionelle Veröffentlichungsformen, wie Datensets oder Software, zu messen.
10 11 12 13
Vgl. Meier, Tunger 2017. Vgl. Bornmann, Haunschild 2016. Vgl. Hicks et al. 2015. Vgl. European Commission 2017.
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1.3 Aufmerksamkeit als Währung Es kann vorausgesetzt werden, dass ein Wissenschaftler nicht nur wegen des Erkenntnisfortschritts publiziert, sondern auch, um seine Reputation zu steigern: Er muss nicht unbedingt viel publizieren, aber mit seinen Veröffentlichungen muss er eine möglichst hohe Wahrnehmung erzielen, um eine möglichst hohe Reputation zu erlangen: Für jeden Wissenschaftler ist es Ausdruck der Anerkennung, wenn seine Arbeit von einem Kollegen wahrgenommen, als relevant eingeschätzt und zitiert wird.14
Dies gilt sowohl für den Weg des klassischen Publikationsprozesses als auch für Veröffentlichungen im Web: In der Mediengesellschaft genügt es nicht mehr, nur reich zu sein, man muss auch prominent sein.15
Diese Entwicklung bezeichnet Franck als „Ökonomie der Aufmerksamkeit“16. Dieser Ansatz ist zwar nicht identisch auf die Wissenschaft übertragbar, dennoch versuchen auch viele Wissenschaftler, ein bestimmtes Maß an Bekanntheit oder Prominenz in der Fachcommunity zu erreichen, um hiermit die eigene Position zu stärken. Man kann dies auch mit dem Begriff Visibilität umschreiben: Wer etwas zu sagen hat, braucht Sichtbarkeit. In sozialen Medien geht man über die reine Fachcommunity und die Kommunikation im Wissenschaftssystem hinaus und spricht ein breiteres Publikum an. Je stärker Mediengesellschaft und Wissenschaft zusammenrücken, beispielsweise durch den Einsatz sozialer und Webmedien in der Wissenschaft, desto stärker überträgt sich die von Franck beschriebene Maxime auch auf die Wissenschaft. Durch Altmetrics wird dieser Effekt noch weiter verstärkt, wenn die Kommunikation in den neuen Medien Grundlage der Darstellung von wissenschaftlichem Impact wird.
2 Anwendungsmöglichkeiten von Altmetrics In diesem Kapitel wird anhand des Altmetric-Explorers von Altmetric.com mit Beispielen veranschaulicht, wie Altmetrics auf der Plattform explizit angewandt werden und welche Aussagen sie beinhalten. Darüber hinaus wird ergründet, wie die Metriken als Marketinginstrument eingesetzt werden können – insbesondere von Bibliotheken.
14 Jokić, Ball 2006, S. 145. 15 Franck 1996, S. 1. 16 Franck 1998.
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2.1 Der Altmetric-Explorer im Überblick Mit dem Altmetric-Explorer können bisher nicht zusammengefasste Informationen zur Wahrnehmung von einzelnen Publikationen angezeigt werden. Vom einzelnen Wissenschaftler bis hin zu Wissenschaftsmanagern kann nun jeder Informationen über die Nennung von Publikationen auf News-Seiten, in wissenschaftlichen Blogs, Policy Papers und Social Media erhalten. Erstmals wird sichtbar, wer in überregionaler Presse und Social Media Jülicher Artikel zitiert, diskutiert oder weiterleitet und wer sich außerhalb der Wissenschaftswelt mit den Publikationen beschäftigt.17 Möglich wird dies mithilfe von Identifiern, wie dem Digital Object Identifier (DOI), der PubmedID18 oder der HandleID19: Diese Identifier sind stets eindeutig, und sie sind das Verbindungsstück zwischen der originären wissenschaftlichen Veröffentlichung und den Mentions, Tweets, Posts etc. der sozialen und Netzmedien.20 Das Markenzeichen des Altmetric-Explorers ist der Altmetric-Donut, mit dem jeder wissenschaftliche Artikel in der Datenbank versehen wird (s. Abb. 1). Hierbei handelt es sich um eine kreisförmige Grafik, die eine Zahl in der Mitte beinhaltet. Diese Zahl soll die Aufmerksamkeit, die eine Veröffentlichung im Web erhalten hat, quantifizieren. Die Berechnung dieser Attention Scores beruht auf einem Algorithmus, der ein Vorkommen einer wissenschaftlichen Publikation beispielsweise in Newsbeiträgen, in Social Media oder Policy Documents unterschiedlich gewichtet und aufaddiert. Der Donut eignet sich sehr gut als Eyecatcher mit Marketingfunktion und wird daher auch von vielen Wissenschaftseinrichtungen und -verlagen auf ihren Webseiten platziert. So hat beispielsweise die Universität Zürich den Donut in ihrem Repositorium platziert. Artikel von Zeitschriften, wie Nature oder Science, sind ebenfalls mit dem Donut versehen. Die Expert Group on Altmetrics kritisiert, dass eine einfache Aufsummierung von Erwähnungen, Likes, Tweets, Mentions etc. zu einer Metrik nicht möglich21 und auch nicht erwünscht sein sollte.22 Franzen ist der Meinung, dass der Donut „eine gelungene Spielerei“ darstellt, „aber für die Wissenschaft
17 Vgl. Forschungszentrum Jülich 2017; vgl. Zentralbibliothek des Forschungszentrums Jülich 2018; vgl. Tunger 2018. 18 Identifier der medizinischen Meta-Datenbank PubMed. Jede Veröffentlichung in der Datenbank erhält eine eigene PubmedID und ist anhand dieser eindeutig identifizierbar. 19 Identifier der Corporation for National Research Initiatives (CNRI). HandleIDs können generiert werden, um Veröffentlichungen eindeutig identifizierbar zu machen. 20 Mit dem Begriff soziale Medien sind vor allem Kommunikationsplattformen wie Facebook und Twitter gemeint, während mit Netzmedien beispielsweise Newsseiten bezeichnet werden. 21 Die Datengrundlage, auf der die unterschiedlichen genannten Belohnungen vergeben werden, und der Einfluss, den der Autor der Originalveröffentlichung auf diese Belohnungen hat, sind in den einzelnen Systemen unterschiedlich. Einen Tweet oder Facebook-Eintrag in eigener Sache abzusetzen ist jederzeit ohne Probleme möglich, während eine Erwähnung in einem Newsbeitrag eine wesentlich höhere Hürde bedeutet, die der Wissenschaftler vor allem nicht allein beeinflussen kann. 22 Vgl. European Commission 2017.
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bedeutungslos ist“23. Der Impact von wissenschaftlicher Leistung wird daher nicht in einer einzigen Zahl abzubilden sein, sondern vielmehr dabei helfen, die Aufmerksamkeit in Social-Media-Plattformen aufzuzeigen.
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Mentioned by 97 news outlets 59 blog 2289 tweeters 10 weibo users 164 Facebook pages 3 Wikipedia pages 77 Google+ users 1 research highlight platform 1 Q&A thread 3 video uploaders
Abb. 1: Beispiel für die Darstellung des Altmetric-Donut
Im Folgenden soll nun ein explizites Anwendungsbeispiel eines Eintrags im Altmetric-Explorer veranschaulicht werden. Dieses Beispiel zeigt auf, welche Vorteile die hohe Reaktionsgeschwindigkeit von Altmetrics mit sich bringt. Dafür wurde ein aktueller Artikel von Waldron et al. aus der Zeitschrift Nature ausgesucht. Dieser Artikel wurde am 25. Oktober 2017 online veröffentlicht. Er war zu diesem Zeitpunkt noch nicht im „Web of Science“ indexiert und war – aufgrund des langwierigen Zitationsprozesses – noch weit davon entfernt, einen Impact zu generieren (s. Abb. 2).
Abb. 2: Screenshot zum Artikel von Waldron et al. (2017), der am 26. Oktober (noch) nicht im Web of Science zu finden war
23 Franzen 2017, S. 31.
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Am 26. Oktober 2017, also einen Tag nach der Veröffentlichung, konnte der Artikel bereits einen Attention Score von 220 auf Altmetric.com aufweisen (s. Abb. 3). Innerhalb eines Tages war die Publikation bereits Thema von acht Nachrichtenartikeln und wurde in 238 Tweets erwähnt. Gleichzeitig gehört sie bereits zu den ersten fünf Prozent aller Outputs, die einen Altmetric-Score besitzen, und konnte in den diversen Ranglisten, u. a. in der Altmetric-Datenbank insgesamt und unter allen Nature-Artikeln, bereits relativ gut abschneiden (s. Abb. 3).
Abb. 3: Auszug aus dem Altmetric-Explorer zum Artikel von Waldron et al. (2017)
Dieses Beispiel macht deutlich, wie man mit Altmetrics die Aufmerksamkeit für eine wissenschaftliche Veröffentlichung in kürzester Zeit messen kann. Die Nachhaltigkeit der Daten ist nicht immer gewährleistet, denn Tweets, Likes auf der eigenen Facebook-Seite etc. können durchaus gelöscht werden und somit auch Einfluss auf den Altmetric-Score nehmen.
2.2 Altmetrics als Marketinginstrument in Bibliotheken Welchen Mehrwert bieten Altmetrics nun ganz konkret, welche Anwendungsfelder gibt es und wo werden sie bereits genutzt? Auch wenn sich das Thema Altmetrics noch mitten in einer Entwicklungsphase befindet, so zeichnen sich bereits erste
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Anwendungen ab:24 Eine Wissenschaftseinrichtung kann Altmetrics in die Publikationsdatenbank der Einrichtung einbinden, beispielsweise neben Daten aus „Web of Science“ oder Scopus25. Diesen Weg geht die ETH Zürich, die die Daten von Altmetric. com in Form von Donuts und Einzelübersichten in die Publikationslisten von Instituten einbindet. Auf diesem Weg wird dem Nutzer die Wahrnehmung der betreffenden Veröffentlichungen in sozialen Medien aufgezeigt, inklusive der Möglichkeit, sich die entsprechenden Details anzeigen zu lassen: Ein hoher Score in einem rein hellblauen Donut zeigt nur an, dass über diese Publikation viel getwittert wurde. Das können, wie erwähnt, auch Bots sein, die automatisch arbeiten. Es kann aber auch sein, dass eine Autorin oder ein Autor mit einem Tweet eine interessante Unterhaltung anstößt, und diejenigen, die so auf den Artikel aufmerksam werden und ihn lesen, dabei kennenlernt. Rote Bänder für News Outlets, also überregionale Zeitungen, sind in diesem Sinne also viel interessanter, ebenso wie lilafarbene Bänder mit Hinweisen zur Aufnahme in Policy Documents. Welche Autoren würde es nicht freuen, wenn ihre Publikation Grundlage für ein Gesetz, eine Verordnung oder Empfehlung würde? Je bunter der Donut ist, desto vielfältiger und potentiell interessanter die Ergebnisse.26
Der Mehrwert, den die Bibliothek hier anbietet, besteht also darin, den Wissenschaftlern Daten zur Verfügung zu stellen, die neue Informationen beinhalten, die komplementär und ergänzend zu bisherigen Informationsangeboten sind. Das Angebot in Zürich ist ähnlich dem Angebot der University of Cambridge, die den Altmetric-Donut ebenfalls auf den eigenen Webseiten implementiert hat. Dies geschieht bewusst vor dem Hintergrund, dass das Themenfeld sich noch weiterentwickelt, sowohl von der Seite der Möglichkeiten wie auch vonseiten der Aussagekraft. Auch das Forschungszentrum Jülich wagt den Schritt, den Altmetric-Explorer zu lizenzieren und darin den Jülicher Output abzubilden. Aktuell hat man damit begonnen, die Altmetrics-Daten in die Jülicher Publikationsdatenbank JuSER27 zu integrieren.28
24 Welche Perspektiven Altmetrics für Bibliotheken bieten, wurde von Kerstin Gimpl in ihrer Masterarbeit an der TH Köln umfassend untersucht; s. Gimpl, Kerstin: Evaluation von ausgewählten Altmetrics-Diensten für den Einsatz an wissenschaftlichen Bibliotheken. Master-Thesis im Studiengang Bibliotheks- und Informationswissenschaft/MALIS (Master in Library and Information Science). Technische Hochschule Köln, Fakultät für Informations- und Kommunikationswissenschaften, 2017. urn: nbn:de:hbz:79pbc-opus-10341 (Abruf: 2018.03.19) 25 „Web of Science“ und „Scopus“ sind, gemessen an der Anzahl der gecoverten Journale bzw. der gelisteten Literaturnachweise, die größten multidisziplinären wissenschaftlichen Literaturdatenbanken. 26 Renn, Schnabl 2017, S. 232. 27 JuSER (Juelich Shared Electronic Resources) ist die Publikationsdatenbank des Forschungszentrums Jülich, erreichbar unter: http://juser.fz-juelich.de/ (Abruf: 2018.03.09). 28 Die aktuellen Entwicklungen zu Altmetrics in Jülich werden hier frei zugänglich kommuniziert: http://www.fz-juelich.de/zb/DE/altmetrics (Abruf: 2018.03.19).
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Fazit und Ausblick Dieser Beitrag hat den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschung zum Thema Altmetrics ebenso auf wie Anwendungsmöglichkeiten und Beispiele aufgezeigt. In der kritischen Auseinandersetzung mit Aussagen, die auf Altmetrics fokussieren, konnten wir mit unserer eigenen Forschung zeigen, wie schwierig derartige Composite-Indikatoren29 zu handhaben sind, dass gleichzeitig aber auch ein großes Interesse an sozialen Medien bei Wissenschaftlern besteht. Die zunehmende Anwendung in wissenschaftlichen Einrichtungen wie in Cambridge, Zürich und Jülich zeigt, dass es anwendungsfähige Informationsprodukte gibt, die nun auch in der Praxis zur Anwendung kommen, weil mit ihrem Einsatz ein informationeller Mehrwert verbunden wird. Dies führt zur Annahme, dass sich die Forschung im Bereich Altmetrics weiterentwickeln wird und an den bestehenden Bottlenecks – Aussagekraft der Daten, Datacleaning und Entwicklung aussagekräftiger Indikatoren – weiterarbeiten wird, um auf diesem Weg von der Betrachtung einzelner Veröffentlichungen weiter in Richtung aggregierter Daten zu gehen. Auch das Interesse des BMBF an Altmetrics lässt darauf schließen, dass in Forschungsfördereinrichtungen sehr viel Hoffnung damit verbunden wird, zukünftig auch Fragestellungen wie die Wirkung von Forschung auf die Zivilgesellschaft mit altmetrischen Daten bearbeiten zu können und zu neuen, bisher nicht möglichen Antworten zu kommen.
Literatur Letztes Abrufdatum der folgenden Internet-Dokumente ist der 2018.07.27, sofern nicht anders angegeben. Bornmann, Lutz; Haunschild, Robin: To What Extent Does the Leiden Manifesto Also Apply to Altmetrics? A Discussion of the Manifesto against the Background of Research into Altmetrics. In: Online Information Review 40, 2016, S. 529–543. European Commission: Next-Generation Metrics: Responsible Metrics and Evaluation for Open Science. 2017. Forschungszentrum Jülich: Altmetrics: Neuer Bibliometriedienst beleuchtet Zitationen auf Social Media, 2017. http://www.fz-juelich.de/SharedDocs/Meldungen/PORTAL/DE/2017/17-09-20altmetrics.html?nn=448936 Franck, Georg: Ökonomie der Aufmerksamkeit. München: Carl Hanser, 1998. Franck, Georg: Aufmerksamkeit – Die neue Währung. Das Zeitalter der Geldökonomie geht zuende. In: Telepolis vom 20.03.1996. https://web.archive.org/web/20110501074409/http://www.heise. de/tp/artikel/2/2003/1.html
29 Composite-Indikatoren sind aus unterschiedlichen Komponenten mit unterschiedlicher Aussage zusammengesetzte Indikatoren, z. B. eine Komponente soziale Aktivität und eine zweite Komponente wissenschaftliche Publikationstätigkeit und Wahrnehmung.
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Sabine Stummeyer
OER – Open Educational Resources: Chancen für wissenschaftliche Bibliotheken durch den Einsatz von freien Lehr- und Lernmaterialien in der Hochschullehre Abstract: Open Educational Resources (OER) ermöglichen eine kostenfreie und urheberrechtskonforme Nutzung von Lehr- und Lerninhalten durch die Vergabe von offenen Lizenzen. In Deutschland sind freie Lehr- und Lernmaterialien hauptsächlich im Schulbereich verbreitet. Ihr Potenzial für die Hochschullehre ist erkannt, aber längst noch nicht ausgeschöpft. Dies könnte sich im Rahmen der Digitalisierung der Hochschullehre und der Transformation von Lehr- und Lernprozessen ändern. Der Beitrag erläutert die drei gängigsten Definitionen von OER und geht auf zentrale Fragen im Zusammenhang mit der Lizenzierung von OER ein. Er gibt einen kurzen Überblick über unterschiedliche OER-Formate und zeigt die Vorteile auf, die OER beim Einsatz in der Hochschullehre bieten. Die Herausforderungen und Chancen, die sich aus dieser Entwicklung für Hochschulbibliotheken ergeben, werden dargestellt und ein Ausblick auf ihre mögliche Rolle bei der Verbreitung von OER skizziert. Dabei wird gezeigt, wie Hochschulbibliotheken ihren Auftrag konsequent weiterentwickeln und sich mit neuen Services profilieren können.
Einleitung Universeller Zugang zu qualitativer Bildung [ist] der Schlüssel zur Entwicklung von Frieden und nachhaltiger sozialer und ökonomischer Entwicklung und kulturellem Dialog.1
Mit dieser Aussage bezog sich die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) zunächst darauf, den Zugang zu Bildung in Entwicklungsländern durch die Nachnutzung bereits existierender Bildungsmaterialien (Open Educational Resources) zu erleichtern. Mit der zunehmenden Digitalisierung des europäischen und deutschen Bildungsbereiches, spätestens jedoch seit der Initiative der Europäischen Kommission (EC) „Die Bildung öffnen – Innovation durch digitale Kompetenzen in Schulen und Hochschulen“2 aus dem Jahr 2013 halten Open Educational Resources (OER) Eingang in den Hochschulbereich.
1 UNESCO in der Übersetzung von Neumann 2013, F. 9. 2 Vgl. Europäische Kommission 2013a.
https://doi.org/10.1515/9783110539011-020
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In Deutschland fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in seiner Förderlinie „OERinfo“3 24 Projekte4, um die Bekanntmachung und Verbreitung von OER in Deutschland zu beschleunigen. Mit Projekten wie „MainstreamingOER – Kompetenzentwicklung für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in Schule, Hochschule und Erwachsenenbildung“5, „openUP – Lehrende für OER gewinnen“6 oder „OERsax: Etablierung von Open Educational Resources an sächsischen Hochschulen“7 sollen der Einsatz und die Erprobung von OER an Hochschulen ausgebaut werden. In diesem Kontext bietet sich den Hochschulbibliotheken die Möglichkeit, ihre Dienstleistungen an die veränderten Bedingungen anzupassen und neue Serviceangebote zu OER in Zusammenarbeit mit den Hochschulen zu entwickeln. Die sich hieraus ergebenden positiven Marketingeffekte ermöglichen es den Bibliotheken, sich als innovativer und zuverlässiger Partner der Hochschullehre zu positionieren.
1 Was sind Open Educational Resources? Drei Definitionen Im Rahmen des „Forum on the Impact of Open Course Ware for Higher Education in Developing Countries“ kamen im Jahr 2002 17 Vertreter internationaler Organisationen und Nichtregierungsorganisationen in Paris zusammen. Sie folgten einer Einladung der UNESCO, die zu dieser Veranstaltung zusammen mit der William and Flora Hewlett Foundation – die Organisation zählt zu den größten Unterstützern der OERBewegung – und der Western Cooperative for Educational Telecommunication (WCET) eingeladen hat. Diskutiert wurden Fragen des Urheberrechts im Zusammenhang mit dem freien Zugang zu OpenCourseWare8 durch das Internet. In ihrem gemeinsamen Abschlussbericht wurde erstmals für eine „universal education resource available for the whole of humanity“9 der Begriff Open Educational Resources geprägt. Dieser wurde in den folgenden Jahren weiter diskutiert und entwickelt, sodass heute mehrere Definitionen zu OER existieren. Zu den bekanntesten zählen die Definition der Hewlett Foundation (2007)10, die der Europäischen Kommission (2013)11 sowie die der UNESCO
3 Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2016. 4 Vgl. OERinfo o. J. 5 Vgl. Universität Duisburg-Essen o. J. 6 Vgl. ILIAS Open Source E-Learning o. J. 7 Vgl. OERsax o. J. 8 Als OpenCourseWare bezeichnet man frei, als Open Access, über das Internet verfügbare Lehr- und Lerneinheiten von Hochschulen. 9 UNESCO 2002, S. 6. 10 Vgl. Atkins et al. 2007, S. 4. 11 Vgl. Europäische Kommission 2013b, S. 3, Fn. 8.
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(2015), in der Übersetzung von Muuß-Merholz12. Ein Blick auf die verschiedenen Definitionen macht einige Unterschiede deutlich.
1.1 OER-Definition der Hewlett Foundation OER are teaching, learning, and research resources that reside in the public domain or have been released under an intellectual property license that permits their free use or re-purposing by others. Open educational resources include full courses, course materials, modules, textbooks, streaming videos, tests, software, and any other tools, materials, or techniques used to support access to knowledge.13
Die Hewlett Foundation fasst ihre Definition von OER sehr weit. Für sie gehören neben Lehr- und Lernmaterial, das über eine öffentliche Domäne zugänglich ist oder mit einer offenen Lizenz versehen wurde, auch Materialien oder Technik, die den Zugang zu Wissen ermöglichen, ebenso zu OER wie Forschungsliteratur (Research Resources). Im Hochschulbereich kann es so zu Überschneidungen kommen, da z. B. in Deutschland Forschungsliteratur eher dem Bereich Open Access zugeordnet wird. OER und Open Access gemeinsam ist das Ziel, den offenen Zugang zu Wissen sowie den niedrigschwelligen Austausch von Wissen zu ermöglichen.
1.2 OER-Definition der Europäischen Kommission Laut Definition der Europäischen Kommission sind OER [...] Lernressourcen, die frei und kostenlos genutzt, an die jeweiligen Bedürfnisse des Lernenden angepasst und weiterverbreitet werden können.14
Die Europäische Kommission weist in ihrer Definition nicht nur auf die freie, sondern auch auf die kostenlose Nutzung von OER hin. Somit darf es keinerlei Schranken, wie beispielsweise ein Abonnement, eine Mitgliedschaft oder eine Paywall als Voraussetzung für die Nutzung von OER geben.
12 Vgl. Muuß-Merholz 2015a. 13 Atkins et al. 2007, S. 4. 14 Europäische Kommission 2013b, S. 3.
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1.3 OER-Definition der UNESCO Die UNESCO definiert OER folgendermaßen: Open Educational Resources (OER) [sind] jegliche Arten von Lehr-Lern-Materialien, die gemeinfrei oder mit einer freien Lizenz bereitgestellt werden. Das Wesen dieser offenen Materialien liegt darin, dass jedermann sie legal und kostenfrei vervielfältigen, verwenden, verändern und verbreiten kann. OER umfassen Lehrbücher, Lehrpläne, Lehrveranstaltungskonzepte, Skripte, Aufgaben, Tests, Projekte, Audio-, Video- und Animationsformate.15
Für die UNESCO liegt der Unterschied von OER zu anderen im Internet frei verfügbaren und zugänglichen Inhalten in deren didaktischen Konzepten. Durch die Qualität dieser Konzepte unterscheiden sie sich deutlich von freien Angeboten. Allen drei Definitionen gemeinsam ist, dass es sich bei OER um Lehr- und Lernmaterialien handelt, die gemeinfrei oder unter einer freien Lizenz zur weiteren Nutzung und Anpassung an individuelle Lernbedürfnisse bereitgestellt werden. Unterschiedliche Ansichten werden hingegen bei der Frage vertreten, ob diese Materialien auf didaktischen Konzepten beruhen müssen, wie beispielsweise im Hochschulbereich für Lehrbücher, Lehrpläne, Lehrveranstaltungskonzepte u. Ä. (UNESCO), oder ob bereits die Unterstützung des Zuganges zu Wissen (Hewlett Foundation) eine OER ausmacht. Hierzu könnten dann u. a. auch Blogposts, Podcasts u. Ä. gehören. Ein weiterer Unterschied besteht in der Frage, ob auch „research resources“ (Hewlett Foundation) zu den OER gezählt werden oder – wie in Deutschland – Forschungsdaten eher dem Open-Access-Bereich zugerechnet werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine allgemeingültige Definition für OER nicht existiert; in Deutschland ist jedoch die Definition der UNESCO weit verbreitet.
2 OER-Formate OER weisen eine große Bandbreite von Materialien und Medien auf. Im Hochschulbereich am weitesten verbreitet sind Lehrbücher, Lehrpläne, Lehrveranstaltungskonzepte, Skripte, Tests u. v. m. Durch die Nutzung innovativer technischer Werkzeuge wie Shotcut16 oder Audacity17 können OER nicht nur als Text oder Tabelle erstellt werden, sondern auch als Audio-, Video- oder Bildformate.
15 Muuß-Merholz 2015a. 16 Shotcut ist ein kostenloses Open-Source-Videobearbeitungsprogramm, mit dem sich Filme schneiden lassen. S. https://shotcut.org (Abruf: 2018.01.19). 17 Audacity ist ein Open-Source-Audio-Editor und -rekorder. Selbst erstellte Audiodateien können mit der Software bearbeitet werden. S. http://www.audacity.de (Abruf: 2018.01.19).
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Auch wenn die oben genannten Definitionen von OER nicht explizit die Nutzung offener Software und Dateiformate benennen, ergibt sich dies doch zwangsläufig, da nur so die Adaption und der Austausch von Inhalten zwischen unterschiedlichen Systemen ermöglicht werden.18 Beispiele für offene Audio-, Video- oder Bildformate gibt etwa der „Leitfaden zu Open Educational Resources für Bibliotheken und Informationseinrichtungen“19.
3 Rechtliche Aspekte von OER Die Vergabe einer offenen Lizenz ist die Voraussetzung dafür, aus einem Inhalt eine OER werden zu lassen. Die offene Lizenz ermöglicht – ohne die vorherige Rücksprache mit dem Rechteinhaber – das Verwahren, Vervielfältigen, Verwenden, Verarbeiten und Verbreiten. Da Inhalte durch das Internet heute weltweit Verbreitung finden, nennt die „Pariser Erklärung zu OER“20 die Förderung des Verständnisses und der Nutzung offener Lizenzen als eine der vordringlichsten Aufgaben ihrer Mitgliedsländer. Das Ziel ist, die [...] weltweite Wiederverwendung, Überarbeitung, Vermischung und Weiterverbreitung von Bildungsmaterialien durch offene Lizenzen [zu] ermöglichen, was sich auf eine Reihe von Rahmenbedingungen bezieht, die verschiedene Nutzungsarten zulassen und gleichzeitig die Rechte jedes Urheberrechtsinhabers respektieren.21
3.1 Nutzungsrechte Mit der Vergabe einer offenen Lizenz legt der Rechteinhaber/Autor die dauerhafte und kostenfreie Nutzung seiner Ressource durch andere verbindlich fest. Die dadurch entstehenden Nutzungsrechte beschreibt David Wiley22 – ein Pionier der OpennessBewegung – in seinen 5R als „Retain, Reuse, Revise, Remix und Redistribute“: – Retain (Verwahren/Vervielfältigen): das Recht, Kopien des Inhalts anzufertigen, zu besitzen und zu kontrollieren (z. B. Download, Speicherung und Vervielfältigung);
18 Vgl. Weitzmann 2014, S. 15. 19 S. https://handbuch.tib.eu/w/Leitfaden_zu_Open_Educational_Resources_für_Bibliotheken_und _Informationseinrichtungen (Abruf: 2018.01.19). 20 Vom 20. bis zum 22. Mai 2012 fand in Paris der erste UNESCO-Weltkongress zum Thema OER statt. In der „Pariser Erklärung“ fordert die UNESCO ihre Mitgliedstaaten auf, die Erstellung und Nutzung von OER zu fördern. 21 UNESCO 2012, Spiegelstrich d. 22 Vgl. Wiley o. J.
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Reuse (Verwenden): das Recht, den Inhalt in unterschiedlichen Zusammenhängen einzusetzen (z. B. im Klassenraum, in einer Lerngruppe, auf einer Webseite, in einem Video); Revise (Verarbeiten): das Recht, den Inhalt zu bearbeiten, anzupassen, zu verändern oder umzugestalten (z. B. einen Inhalt in eine andere Sprache zu übersetzen); Remix (Vermischen): das Recht, einen Inhalt im Original oder in einer Bearbeitung mit anderen offenen Inhalten zu verbinden und aus ihnen etwas Neues zu schaffen (z. B. beim Einbauen von Bildern und Musik in ein Video); Redistribute (Verbreiten): das Recht, Kopien eines Inhalts mit anderen zu teilen, im Original oder in eigenen Überarbeitungen (z. B. einem Freund eine Kopie zu geben oder sie online zu veröffentlichen).23
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3.2 Lizenzen Zu sogenannten Jedermannlizenzen oder Public Licenses zählen die GNU24 Free Documentation Licenses (GFDL)25 für die Beschreibung von Software und anderen Produkten, vor allem aber auch die Creative Commons Public Licenses (CC-Lizenzen)26 für alle Arten von Inhalten, an denen Urheber- oder Leistungsschutzrechte bestehen könnten. Letztere haben sich als die gängigste Lizenzart im Bereich der OER etabliert. Wichtig ist hierbei, dass sich die CC-Lizenzen im rechtlichen Rahmen des jeweiligen Landes bewegen und dadurch der Schutz durch das Urheberrecht (in Deutschland beispielsweise § 2 „Geschützte Werke“ im Deutschen Urheberrecht)27 nicht aufgegeben wird. Das dem Wesen der OER widersprechende „All Rights Reserved/Alle Rechte vorbehalten“ des Urheberrechts wird durch die Vergabe einer CC-Lizenz vom Rechteinhaber in ein „Some Rights Reserved/Einige Rechte vorbehalten“ umgewandelt und ermöglicht somit weiterhin die Nutzungsfreiheiten einer OER.28 Angepasst an das deutsche Recht, stehen zur Zeit sechs CC-Lizenzen der Version 3.0 zur Verfügung (s. Abb. 1).
23 24 25 26 27 28
Vgl. Muuß-Merholz 2015b. GNU steht für „GNU’s not Unix“. Vgl. GNU-Lizenzen für freie Dokumentation 2017. Vgl. Creative Commons 2016. Vgl. Urheberrechtsgesetz 1965/2016. Vgl. Weitzmann 2014, S. 10.
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Abb. 1: Übersicht der aktuellen deutschen CC-Lizenzen29
3.3 Lizenz- und Urheberrechtsfragen in der Hochschullehre Im Rahmen der Hochschullehre besteht ein großer Informationsbedarf sowohl vonseiten der Lehrenden als auch der Studierenden hinsichtlich Lizenzen und Urheberrecht. Dies wurde zuletzt durch die Diskussion um den § 52a Urheberrechtsgesetz (UrhG) deutlich, der die öffentliche Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung30 im Zusammenhang mit der Bereitstellung von Lehr- und Lernmaterialien auf Lernplattformen regelte. Hierdurch wurden Lehrende sensibilisiert, besonders sorgfältig mit Quellenangaben in den eigenen Materialien zu Lehrveranstaltungen umzugehen. Gleichzeitig liegen hier aber auch große Bedenken hinsichtlich der Zugänglichmachung eigener Inhalte „für alle“, da rechtliche Konsequenzen befürchtet werden, sollten den Lehrenden hier Fehler unterlaufen. Ein weiterer Grund für die zurückhaltende Veröffentlichung von OER liegt in der Befürchtung der Lehrenden, die „Kontrolle“ über ihre eigenen Materialien zu verlieren, wenn diese für andere frei und veränderbar zur Verfügung stehen. Diese Befürchtung lässt sich durch die Nutzung der CC-BY-Lizenz, die die Namensnennung des Autors bei einer Nachnutzung erfordert, entkräften. Die Befürchtungen überwiegen aus Sicht der Lehrenden die Vorteile. Diese liegen in der Erhöhung der Sichtbarkeit der eigenen Lehre und in der Möglichkeit, die Reputation zu steigern.31 Allerdings lassen sich in jüngster Zeit gerade ein Interesse und eine Offenheit besonders jüngerer Lehrender an Hochschulen am Thema OER feststellen. Sie stehen dem Thema OER im Rahmen der Open Education offener gegenüber und ermutigen auch ihre Studierenden, sich mit dem Thema des Teilens und der Verfügbarmachung eigener Forschungsergebnisse und der Nachnutzung bereits vorhandener Materialien auseinanderzusetzen.
29 Vgl. Creative Commons o. J. 30 Vgl. Urheberrechtsgesetz 1965/2016, § 52a. 31 Vgl. Mandausch, Riar 2017.
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Die Verwendung der CC-Lizenzen schafft Sicherheit für den Rechteinhaber (Some Rights Reserved/Einige Rechte vorbehalten) und sorgt für die urheberrechtskonforme Nachnutzung von Inhalten.
4 Der Einsatz von OER in der Hochschullehre Durch das Internet steht Studierenden heute eine unüberschaubare Menge an Daten und Informationen zur Verfügung. Diese zu filtern, zu bewerten und an die persönliche Lernsituation anzupassen, stellt sie hinsichtlich ihrer Medien- und Informationskompetenz immer wieder vor neue Herausforderungen. Gut konzipierte Lernressourcen führen hier zu [...] eine[r] intensivere[n] individuelle[n] Beschäftigung mit Informationen, Ideen und Inhalten als dies durch Vorlesungen allein möglich ist.32
Die Weiterentwicklung dieser Materialien in Teamarbeit eröffnet Studierenden und Lehrenden neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Hierdurch wird es den Studierenden ermöglicht, individuelle Lernpfade zu beschreiten, bei denen auf ihre persönlichen Bedürfnisse eingegangen werden kann. Dies wird als Open Education bezeichnet. Das Joint Research Centre (JRC) der Europäischen Kommission (EU) definiert Open Education als [...] eine Art und Weise Bildung durchzuführen, oftmals unter Einsatz digitaler Technologien. Ihr Ziel ist es, den Zugang zu und die Beteiligung an ihr jedermann zu ermöglichen, indem Beschränkungen überwunden und Lernen für jedermann zugänglich, breit verfügbar und anpassbar gemacht wird. Sie eröffnet zahlreiche Wege des Lehrens und des Lernens, des Wissensaufbaus und des Wissensteilens. Sie eröffnet zudem eine Vielzahl von Zugängen zu formaler und non-formaler Bildung und verbindet die beiden.33
Für Bibliotheken ergeben sich durch diese Definition von Open Education zahlreiche Anknüpfungspunkte an ihre bisherige Arbeit. Bibliotheken – ermöglichen einen einfachen Zugang zu Informationen für jedermann; – machen Informationen zugänglich, die breit verfügbar und anpassbar sind; – ermöglichen den eigenen Wissensaufbau und das Teilen von Wissen und – bieten eine Vielzahl von Zugängen zu Wissen, für jeden auf individuelle Weise.
32 Deutsche UNESCO-Kommission 2015, S. 9. 33 Surmann 2017 nach Inamorato dos Santos et al. 2016, S. 5.
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5 Open Educational Resources in der Hochschullehre Nach Auffassung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) entsteht durch die Nutzung von OER eine neue Kollaborationskultur des Lernens und Lehrens, die Motivation und Gemeinschaftsgefühl zwischen Lehrenden und Studierenden steigert. Sie geht einher mit einem Kulturwandel für Lehrende hinsichtlich des Teilens von Lehrmaterialien und der Steigerung der Sichtbarkeit ihrer Lehre.34 Hierbei entwickeln sich Lernprozesse, die [...] die Publikation sowie die darauf aufbauende Diskussion von Erkenntnissen als spezielles didaktisches Element begreifen und nutzen. Dies kann zu einer aktiveren und stärkeren Einbeziehung der Lernenden in die Lehrprozesse führen [...]35
Dies führt auch zu einer veränderten Wahrnehmung der Hochschule als Ort: weg von einem Ort, an dem Inhalte vermittelt werden, hin zu einem Ort, an dem kollektiv Wissen erstellt und geteilt wird.36
5.1 Verbreitung von Open Educational Resources in der Hochschullehre Hochschullehrende haben eine sehr genaue Vorstellung von den Materialien, die sie Studierenden für ihre Lehrveranstaltungen an die Hand geben wollen. Hierbei gehen sie davon aus, dass diese Materialien nicht als OER vorhanden sind, ebenso wenig wie andere geeignete Publikationen. Um diesbezüglich eine Veränderung zu bewirken, bietet es sich an, OER in das Informationskompetenzkonzept von Bibliotheken zu integrieren und in Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen der Hochschule – beispielsweise dem Medienzentrum oder der hochschuldidaktischen Weiterbildung – entsprechende Schulungsangebote für Lehrende und Studierende zu initiieren. Denkbar wären z. B. Einführungsveranstaltungen zu OER als neues Medienangebot. Besonders herausgestellt werden könnten die Vorteile kollaborativer Arbeitstechniken und Werkzeuge innerhalb didaktischer Konzepte sowie die Veränderungen im Lehr- und Lernverhalten von Lehrenden und Studierenden und die sich für beide Seiten bietenden Chancen und Synergieeffekte. Im Hochschulbereich sind OER in den verschiedenen Fächern und Disziplinen sehr unterschiedlich weit verbreitet. Während es z. B. in technisch-naturwissenschaftlichen Fächern bereits ein breites Angebot an OER gibt – beispielsweise vom Massa
34 Vgl. Hochschulrektorenkonferenz 2016, S. 2. 35 Deimann et al. 2015, S. 34. 36 Vgl. Deimann et al. 2015, S. 40, nach Robertson 2010, S. 2, 3, und den Beitrag „Vom Lernort Bibliothek zum Lernraum Hochschule“ von Christine Gläser in diesem Handbuch.
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chusetts Institute of Technology (MIT)37 oder von der Stanford University38 –, sind sie in den geisteswissenschaftlichen Fächern noch nicht so weit verbreitet. Die geringere Verbreitung führt hier zu eingeschränkten Auswahlmöglichkeiten und somit zu einer nur zögerlichen Weiterverbreitung von OER-Inhalten. Ein Ausbau des Angebotes ist wünschenswert.
5.2 Herausforderungen und Entwicklungspotenziale von OER in der Hochschullehre Trotz der dargestellten Vorteile werden OER bislang nur sehr zurückhaltend von Lehrenden und Studierenden genutzt. Aufseiten der Lehrenden gibt es Vorbehalte, Inhalte „von anderen einfach so“ zu nutzen. Dies wird als unethisches Verhalten betrachtet, da jeder Lehrende für die Erarbeitung der Inhalte seiner Lehrmaterialien selbst verantwortlich ist. Auch die Frage nach der Qualitätsprüfung wird kritisch betrachtet: Wer hat diese durchgeführt und welche Qualifikation ist hierfür vorhanden? Durch die Entwicklung und Einführung einer OER-Strategie wäre es Hochschulen möglich, die Bereitschaft der Lehrenden zu fördern und sich im Rahmen von Open Education mit dem Thema OER zu beschäftigen. Dies würde den Umgang mit OER innerhalb der Hochschule unterstützen, sodass Lehrende beispielsweise die Möglichkeit hätten, innerhalb ihres Arbeitsauftrages bereits bestehendes Material im Sinne einer OER anzupassen, mit einer offenen Lizenz zu versehen und zu veröffentlichen. Aufgrund der großen Menge bereits jetzt in Lernmanagementsystemen vorhandener Lehr- und Lernmaterialien ist eine Umwandlung dieser in eine OER ohne eine umfassende Unterstützung durch die Hochschule nicht realisierbar. Für die Durchsetzung von OER im Hochschulbereich entscheidend wird der Mehrwert sein,39 den Lehrende durch sie für ihre Lehre und Forschung sehen. So könnte in Zukunft nicht nur die Anzahl der Veröffentlichungen eines Lehrenden Auskunft über seine Forschung und Lehre geben, sondern auch, wie oft eine von ihm erstellte OER von anderen nachgenutzt und weiterverbreitet wurde. Hierfür gilt es neue bibliometrische Verfahren zu entwickeln, die dies ermöglichen.40 In Kooperation mit Bibliotheken und Medienzentren könnte die Hochschule entsprechende Anreiz- und Unterstützungssysteme etablieren.41 Diese Kooperationschancen werden im Folgenden vorgestellt.
37 Vgl. MITOpenCourseWare o. J. 38 Vgl. Stanford Online o. J. 39 Vgl. Stummeyer 2017, S. 56. 40 Vgl. den Beitrag „Altmetrics: Ein innovativer Service für Bibliotheken“ von Dirk Tunger und Andreas Meier in diesem Handbuch. 41 Vgl. Hochschulrektorenkonferenz 2016, S. 4.
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6 Welche Chancen ergeben sich für Hochschulbibliotheken durch OER? Durch die zunehmende Digitalisierung der Hochschullehre und die politischen Entwicklungen in der Europäischen Union sind OER auch zu einem Thema für Universitäts- und weitere Hochschulbibliotheken geworden. Auf deutschen OER-Fachveranstaltungen – wie dem „OERcamp“42 oder dem „OERFestival“43 – sind Bibliotheken und Informationseinrichtungen derzeit allerdings nur vereinzelt vertreten, um in einen Erfahrungsaustausch über gemeinsame Interessen und Handlungsfelder mit OER-Produzenten und -Experten einzutreten. Hochschulbibliotheken sichern die Literaturversorgung der Lehrenden und Studierenden durch die Bereitstellung von Materialien, die diese für Lehre und Studium benötigen. Rein textbasierte Materialien werden hierbei zunehmend ergänzt durch nichttextuelle Materialien, wie Vorlesungsmitschnitte oder Videos, z. B. als Flipped Classroom44. Daneben fördern Bibliotheken die Publikation wissenschaftlicher Ergebnisse in institutionellen Repositorien und durch die Bereitstellung von Publikationsfonds, die die Article Processing Charges (APC)45 für die Veröffentlichung in Open-Access-Zeitschriften bzw. die Book Processing Charges (BPC) für die Veröffentlichung in Monografien übernehmen. Dabei verfügen Bibliotheken durch ihr langjähriges Engagement im Bereich von Open Access (OA) bereits über Erfahrungen mit der Produktion, Erschließung und Speicherung von digitalen Medien,46 die sich auch auf OER übertragen und anwenden lassen. Daneben ergeben sich aber auch neue Handlungsfelder für Bibliotheken, die im Folgenden dargestellt werden.
6.1 Recherche nach Open Educational Resources Die Recherche nach OER gestaltet sich derzeit noch aufwändig, da bisher weder fächerübergreifende OER-Suchmaschinen existieren noch sie in Bibliothekskatalogen
42 Vgl. Zentralstelle für Lehren und Lernen im 21. Jahrhundert – ZLL21 e.V 2017a. 43 Vgl. ebd. 44 Bei der Methode Flipped Classroom eignen sich die Lernenden die von den Lehrenden (digital) zur Verfügung gestellten Inhalte selbstständig an. Die Präsenzveranstaltungen werden dann zur (gemeinsamen) Vertiefung und Diskussion des Gelernten genutzt. 45 Article Processing Charges (APC) sind Gebühren, die von den Autoren für Open-Access-Publikationen in einem OA-Journal gezahlt werden müssen. Analog dazu entwickeln sich Book Processing Charges (BPC), für die Veröffentlichung von einzelnen Buchkapiteln bis hin zu ganzen Büchern. Diese Gebühren werden vom Autor, der arbeitgebenden Institution oder Drittmittelgebern entrichtet. 46 Vgl. Plieninger 2015, S. 1074.
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nachgewiesen werden. Einzig die Suchmaschine BASE47 bietet die Möglichkeit, in der „Erweiterten Suche“ gezielt nach Lehrmaterialien mit einer offenen Lizenz zu suchen. Aufwendige Recherchen in unterschiedlichen Repositorien, Webseiten oder auf Sharing- und Upload-Diensten wie Zenodo48 oder ResearchGate49 sind die Folge. Mit dem „Zentralen OER-Repositorium der Hochschulen in Baden-Württemberg“ (ZOERR) steht den dortigen Hochschulen seit November 2017 ein zentrales OERRepositorium im Pilotbetrieb zur Verfügung. Sein Bestand wird über akademische Suchmaschinen, wie BASE oder Google Scholar, ebenso verfügbar sein wie über Bibliothekskataloge.50 Nachhaltig relevante OER könnten somit nicht nur durch Suchmaschinen in Referatorien oder Repositorien auffindbar sein, sondern – über Ländergrenzen hinweg – auch in Bibliothekskatalogen und Bibliotheksverbünden. Die Zugänge zu Repositorien sowie zu OER-Suchmaschinen und anderen Suchmöglichkeiten könnten dabei direkt über die Lernplattform der Hochschule – wie beispielsweise Stud.IP, ILIAS oder Moodle – eingebunden werden. Zur Verbesserung der Suche und der Erzielung relevanter Suchergebnisse ist die Vergabe von qualitativ hochwertigen Metadaten notwendig. Hierzu ist die Entwicklung eines Metadatenstandards erforderlich, der entweder auf bereits bestehenden Standards aufbaut oder auf dieser Grundlage weiterentwickelt wird. Alternativ ist aber auch eine komplette Neuentwicklung denkbar. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass dieser Standard einerseits genügend Felder enthalten muss, um aussagekräftige Suchergebnisse durch Suchmaschinen zu erhalten, andererseits aber auch „schlank“ genug sein muss, um potenzielle Anwender nicht von ihrer Nutzung abzuhalten. Mit einem Metadatenservice der Bibliothek, der die hochschuleigenen OER mit qualitativ hochwertigen Metadaten versieht und vorhandene ggf. ergänzt, lässt sich ihre Auffindbarkeit durch Suchmaschinen erhöhen. Darüber hinaus ermöglicht die Vergabe eines Digital Object Identifier (DOI)51 die dauerhafte und eindeutige Identifizierung der OER.
6.2 Einsatz- und Wiederverwendungsmöglichkeiten von OER in der Hochschullehre Im Rahmen des Einsatzes und der Wiederverwendung von OER kommen auf Bibliotheken vielfältige und herausfordernde Aufgaben zu. Elektronische, digitale und
47 Vgl. BASE – Bielefeld Academic Search Engine o. J. 48 S. https://zenodo.org/about (Abruf: 2018.01.19). 49 S. https://www.researchgate.net/about (Abruf: 2018.01.19). 50 Vgl. e-teaching.org 2017. 51 Die Vergabe eines Digital Object Identifier ermöglicht, digitale Inhalte eindeutig und nachhaltig zu identifizieren und diese auch standardisiert und korrekt zu zitieren.
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audiovisuelle Medien sind in Bibliotheken heute keine Seltenheit mehr. Die Erweiterung des Erwerbungsprofils der Bibliothek um OER sowie deren formale und inhaltliche Erschließung stellt eine konsequente Weiterentwicklung der Kernleistungen der Bibliotheken dar. Dazu wird für die Verwaltung der OER – neben einem Erwerbungssystem – auch ein Versionierungssystem benötigt, das in der Lage ist, sämtliche vorgenommenen Änderungen nachzuvollziehen, zu dokumentieren und auf die ursprüngliche Version zurückzuführen.52 Zur weiteren Erhöhung der Sichtbarkeit und der Verbreitung der Hochschul-OER können darüber hinaus Sharing- und Upload-Dienste wie beispielsweise Zenodo, Slideshare oder ResearchGate genutzt werden, auf denen die Bibliothek die OER ihrer Hochschule hochlädt. Im Vorfeld des Uploads hat sich der Ersteller für eine der CCLizenzen entschieden und damit die weiteren Nutzungsrechte verbindlich festgelegt. Der damit verbundene Informationsbedarf zu CC-Lizenzen könnte und sollte durch Beratungsangebote der Bibliotheken gedeckt werden, die sich an den Bedürfnissen der Hochschullehrenden orientieren, beispielsweise einen Lizenzcheck für Abbildungen oder eine Lizenzberatung für die eigenen OER.
6.3 Praktische Anwendung von OER – Community of Practice Eine der größten Herausforderungen für die Akzeptanz von OER im Hochschulbereich stellt die ethische Diskussion53, inwieweit die Übernahme und Nachnutzung (Sharing) von Inhalten anderer vertretbar ist, dar. Im Rahmen von Informationskompetenzschulungen der Bibliotheken kann die Bedeutung der Kultur des Teilens innerhalb der Lehre vorgestellt und erläutert werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidung über die Nutzung von OER im Hochschulbereich der Freiheit von Forschung und Lehre unterliegt und damit grundsätzlich beim Lehrenden selber liegt. Dies schließt jedoch eine hochschulweite Diskussion zu diesem Thema und die Einführung einer OER-Policy der Hochschule nicht aus. Letztere sollte idealerweise in die Digitalisierungsstrategie der Hochschule integriert sein. Im Zusammenhang mit der Bandbreite dessen, was die unterschiedlichen Definitionen als OER bezeichnen (z. B. Blogposts), und der Diskussion, ob OER zwangsläufig didaktische Konzepte als ein Indikator für ihre Ressourcenqualität zugrunde liegen müssen, wird häufig unterstellt, dass OER über keine hohe Qualität verfügen. Hierbei bleibt jedoch unberücksichtigt, dass auch Lern- und Lehrmaterialien hochschulinternen Qualitätsstandards unterliegen und/oder Peer-Review-Verfahren durchlaufen können bzw. müssen. Diese Verfahren können bzw. sollten insbesondere bei der
52 Vgl. Stummeyer 2017, S. 62. 53 Vgl. ebd.
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Sabine Stummeyer
Veröffentlichung im Hochschulrepositorium und bei der Übernahme in den Bibliothekskatalog zur Anwendung kommen. Der Mehrwert von OER in der Hochschule wird erst dann deutlicher sichtbar werden, wenn sich OER durch Nachnutzung weiter verbreiten. Dieser Besonderheit von OER sollten auch neue bibliometrische Verfahren Rechnung tragen. Sie würden nicht nur die Anzahl der Publikationen eines Lehrenden berücksichtigen, sondern auch deren Nachnutzung und Weiterverbreitung, und so zu einer Reputationssteigerung der Lehrenden beitragen. Für die Hochschule können sich hierdurch Werbeeffekte für die Qualität ihrer Lehre und Forschung ergeben. Auch könnte die Herstellung und Nachnutzung von OER zukünftig bei der Vergabe von Fördermitteln durch die Forschungsförderer eine wichtige Rolle spielen. OER tragen so zu einer Verbesserung der Lehre und zur Verbreitung von guten Lehrbeispielen bei.54
Fazit und Ausblick Durch tiefgreifende Veränderungen der Lehr- und Lernprozesse an Hochschulen wird sich auch ein Wandel hin zu einer Open Education vollziehen. Schon heute zeichnet sich der Paradigmenwechsel von der Qualität der Lehre zur Qualität der Lernprozesse ab. In diesem Kontext sollten Bibliotheken ihre Rolle neu definieren und OER als eine neue „Medienform“ in ihr Sammelspektrum aufnehmen. Dazu gehört auch die Entwicklung neuer Dienstleistungsangebote, die – wie bereits bei Open Access – Mehrwerte generieren und neue Profilierungschancen für Bibliotheken bieten. Hierzu gehören insbesondere das Management von OER – inklusive einer Langzeitarchivierungsstrategie – sowie die Verbesserung der Auffindbarkeit der OER-Materialien, um die Chancen ihrer Nachnutzung zu erhöhen und damit einen Beitrag zur Verbesserung der Studien- und Lehrprozessqualität zu leisten. Schwerpunkte in den Beratungs- und Schulungsangeboten werden – neben für OER geeigneten didaktischen Konzepten – vor allem bei Lizenz- und Urheberrechtsfragen sowie auf der Veränderung der Publikationsprozesse innerhalb der Hochschule liegen. In einer engen Kooperation mit der Hochschulleitung als Entscheider sowie weiteren Hochschuleinrichtungen als Kooperationspartnern kann die Bibliothek weiter in das Zentrum des Publikationsprozesses rücken. Indem sie eigene Inhalte z. B. auf der Webseite als OER aufbereitet und zur Verfügung stellt, geht sie nicht nur mit gutem Beispiel voran, sondern nutzt auch die sich hieraus ergebenden Marketingeffekte. Das Engagement von Bibliotheken in diesem Prozess wird dabei auch immer stark von der Umsetzung und der Unterstützung der eigenen Hochschule abhängen. Ohne die Förderung von OER im Rahmen von Open Education an den einzelnen
54 Vgl. Mandausch, Riar 2017.
OER – Open Educational Resources
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Hochschulen werden sich OER nur schwer etablieren können. Neben den Hochschulen können hier auch Forschungsförderer wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) oder die Leibniz-Gemeinschaft eine wichtige Rolle bei der Etablierung von OER einnehmen.
Literatur Letztes Abrufdatum der folgenden Internet-Dokumente ist der 2018.01.19. Atkins, Daniel E.; Seely Brown, John; Hammond, Allen L.: A Review of the Open Educational Resources (OER) Movement: Achievements, Challenges, and New Opportunities. Herausgegeben von der William and Flora Hewlett Foundation. 2007. http://www.newcultureoflearning.com/openedre sources.pdf BASE – Bielefeld Academic Search Engine: Erweiterte Suche. O.J. https://www.base-search.net/Searc h/Advanced Bundesministerium für Bildung und Forschung: Richtlinie zur Förderung von Offenen Bildungsmaterialien (Open Educational Resources – OERinfo). Bekanntmachung. Bundesanzeiger vom 15.01.2016. https://www.bmbf.de/foerderungen/bekanntmachung-1132.html Creative Commons. In: Wikipedia. Herausgegeben von Wikimedia. Berlin. 2016. https://de.wikipedia. org/wiki/Creative_Commons Creative Commons: Was ist CC? O.J. https://de.creativecommons.org/index.php/was-ist-cc/ Deimann, Markus; Neumann, Jan; Muuß-Merholz, Jöran: Whitepaper Open Educational Resources (OER) an Hochschulen in Deutschland. Bestandsaufnahme und Potenziale 2015. 2015. 1. Auflage. https://open-educational-resources.de/materialien/oer-whitepaper/oer-whitepaper-hoch schule/ Deutsche UNESCO-Kommission: Leitfaden zu Open Educational Resources in der Hochschulbildung. Empfehlungen für Politik, Hochschulen, Lehrende und Studierende. Bearbeitete Übersetzung von „Guidelines for Open Educational Resources in Higher Education“, hrsg. von Commonwealth of Learning und UNESCO 2011. Unter Mitarbeit von Barbara Malina. Bonn, 2015. https://www.unesc o.de/fileadmin/medien/Dokumente/Bildung/DUK_Leitfaden_OER_in_der_Hochschulbildun g_2015_barrierefrei.pdf e-teaching.org: Ein zentrales OER-Repositorium für die Hochschulen in Baden-Württemberg. 2017. https://www.e-teaching.org/praxis/erfahrungsberichte/ein-zentrales-oer-repositorium-fuerdie-hochschulen-in-baden-wuerttemberg Europäische Kommission: EU-Kommission will mit Initiative „Die Bildung öffnen“ Innovation und digitale Kompetenzen in Schulen und Hochschulen fördern. Pressemitteilung vom 25.09.2013. Brüssel, 2013a. http://europa.eu/rapid/press-release_IP-13-859_de.htm Europäische Kommission: Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen. Die Bildung öffnen: Innovatives Lehren und Lernen für alle mithilfe neuer Technologien und frei zugänglicher Lehr- und Lernmaterialien. (COM/2013/0654.) Brüssel, 2013b. http://ec.europa.eu/transpar ency/regdoc/rep/1/2013/DE/1-2013-654-DE-F1-1.Pdf GNU-Lizenzen für freie Dokumentation. In: Wikipedia. Herausgegeben von Wikimedia. Berlin, 2017. https://de.wikipedia.org/wiki/GNU-Lizenz_f%C3 %BCr_freie_Dokumentation Hochschulrektorenkonferenz: Senatsbeschluss zu Open Educational Resources (OER). Beschluss des 132. Senates der HRK am 15. März 2016 in Berlin. 2016. https://www.hrk.de/ positionen/position/beschluss/detail/senatsbeschluss-zu-open-educational-resources-oer/
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Sabine Stummeyer
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Günther Neher
Offene Standards als Marketinginstrument Abstract: Offene Standards sichern den interoperablen Datenaustausch zwischen Systemen und ermöglichen damit eine weite Verbreitung von Inhalten. Sie sind ein Erfolgsfaktor bei der Entwicklung des Internets im Allgemeinen und bei der Entwicklung des World Wide Web (WWW) im Besonderen. Dieser Beitrag stellt die unterschiedlichen Facetten offener Standards vor. Dabei wird dargestellt, dass Offenheit eine unbedingte Voraussetzung dafür ist, dass informationeller Mehrwert geschaffen werden kann – sei es durch die Informationsanreicherung aus externen Quellen mithilfe offener Dateninfrastrukturen, z.B. der Linked Data Cloud, oder durch Datenaggregation, wie z.B. bei OAI-PMH im Bereich XML-basierter Verbundsysteme. Im Fazit zeigt sich, dass offene Standards ein relevantes Instrument des Marketings sind, Standardisierung aber immer auch Vereinfachung bedeutet, die zu einer semantischen Verarmung führen kann.
Einleitung Sogenannte offene Standards (Open Standards) waren und sind ein entscheidender Erfolgsfaktor bei der Entwicklung des Internets und des World Wide Web (WWW). Das WWW ist mittlerweile die dominierende Plattform für Information, Kommunikation und Dienstleistungsangebote und aufgrund der enormen Reichweite in Bezug auf potenzielle Zielgruppen folgerichtig einer der wichtigsten Kommunikationskanäle im Bereich des Marketings. In diesem Beitrag wird beleuchtet, wo offene Standards im Marketing bereits eine zentrale Rolle spielen und in welchen Bereichen weiteres Nutzungspotenzial besteht. Nach einer Begriffsklärung in Bezug auf „Offenheit“ werden dazu zunächst die unterschiedlichen Ebenen offener Standards erläutert, bevor anhand von konkreten Beispielen deren Nutzung bzw. ihr Nutzungspotenzial als Marketinginstrument untersucht wird.
1 Was sind offene Standards? Die offizielle Definition des Begriffs Open Standard der International Telecommunication Union (ITU)1, einer Sonderorganisation für Informations- und Kommunikationstechnologien der Vereinten Nationen, lautet:
1 S. https://www.itu.int (Abruf: 2018.05.30). https://doi.org/10.1515/9783110539011-021
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‚Open Standards‘ are standards made available to the general public and are developed (or approved) and maintained via a collaborative and consensus driven process. ‚Open Standards‘ facilitate interoperability and data exchange among different products or services and are intended for widespread adoption.2
Diese Definition benennt als die drei Kernelemente eines offenen Standards: den kollaborativen und konsensgetriebenen Entstehungsprozess, die allgemeine Verfügbarkeit bzw. Nutzbarkeit sowie die Zielsetzung, den interoperablen Datenaustausch zwischen unterschiedlichen Services zu erleichtern und damit eine möglichst weite Verbreitung zu schaffen. Die ITU benennt weitere Kriterien, die einen Standard als (bedingt) offen kennzeichnen können. Other elements of ‚Open Standards‘ include, but are not limited to: – Collaborative process – voluntary and market driven development (or approval) following a transparent consensus driven process that is reasonably open to all interested parties. – Reasonably balanced – ensures that the process is not dominated by any one interest group. – Due process – includes consideration of and response to comments by interested parties. – Intellectual property rights (IPRs) – IPRs essential to implement the standard to be licensed to all applicants on a worldwide, non-discriminatory basis, either (1) for free and under other reasonable terms and conditions or (2) on reasonable terms and conditions (which may include monetary compensation). Negotiations are left to the parties concerned and are performed outside the SDO3. – Quality and level of detail – sufficient to permit the development of a variety of competing implementations of interoperable products or services. Standardized interfaces are not hidden, or controlled other than by the SDO promulgating the standard. – Publicly available – easily available for implementation and use, at a reasonable price. Publication of the text of a standard by others is permitted only with the prior approval of the SDO. – On-going support – maintained and supported over a long period of time.4
Hervorzuheben ist hier das Kriterium, dass ein Standard durchaus unter das Recht auf geistiges Eigentum fallen kann, z. B. durch ein Patent oder das Copyright geschützt sein kann. Der Inhaber kann dann kostenfrei oder gegen eine angemessene (Lizenz-) Gebühr die Nutzung durch alle interessierten Parteien weltweit in vollem Umfang erlauben, z. B. für eigene darauf aufbauende Softwareentwicklungen oder Dienstleistungsangebote. Die Bedeutung von „offen“ liegt hier also darauf, keine Nutzergruppen auszugrenzen. Dies bezieht sich damit auch auf Wettbewerber. Als konkretes Beispiel für ein solches Szenario kann das von dem Unternehmen Adobe entwickelte Dokumentformat PDF genannt werden.5 Ein weiterer – unter dem Gesichtspunkt des Investitionsschutzes – wichtiger Punkt in der oben zitierten Liste ist der des lang
2 3 4 5
ITU 2018. SDO ist die Abkürzung für Standards Developing Organization. ITU 2018. S. https://www.adobe.com/pdf/pdfs/ISO32000-1PublicPatentLicense.pdf (Abruf: 2018.05.30).
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fristigen Supports. Die Offenheit ist hier i. d. R. ein Garant dafür, dass eine genügend große Community sich an der Weiterentwicklung bzw. dem Fortbestehen des Standards beteiligt und damit die langfristige Nutzbarkeit gewährleistet.
2 Typologie offener Standards Obwohl in einigen Fällen keine eindeutige Abgrenzung der einzelnen Ebenen möglich ist, soll hier zunächst versucht werden, eine grobe Systematisierung der betrachteten Standardisierungsbereiche vorzunehmen. Ziel nachfolgender Einordnung ist es, die Relevanz offener Standards als Marketinginstrument aufzuzeigen. Abb. 1 zeigt die vorgeschlagene Systematisierung in schematischer Form.
Metadatenstandards XML-Anwendungen
Semantic Web Linked Open Data SKOS-Vokabulare
APIs Webservices
Identifier-Systeme
HTTP-Cookies Web-Tracker
Webstandards – W3C Recommendations z.B. HTML, CSS, XML, RDF(a), OWL, SPARQL
Internetstandards – RFCs z.B. TCP/IP, DNS, SMTP, HTTP/S, URI/IRI ...
Abb. 1: Typologie offener Standards
Die technologische Basis der gesamten Internet-Infrastruktur bilden Internetstandards. Diese Standards, die in Form von sogenannten Requests for Comments (RFC) dokumentiert sind, legen u. a. in Form der Protokollfamilie Transmission Control Protocol/Internet Protocol (TCP/IP) das Adressierungsschema und das Datenübertragungsprotokoll für alle an das Internet angeschlossenen Rechner fest, ebenso wie die Datenübertragungsformate für spezifische Internetdienste wie E-Mail – in Form des Simple Mail Transfer Protocol (SMTP) – oder das WWW – in Form des Hypertext Transfer Protocol (HTTP) – oder den essenziellen Internetdienst Domain Name System (DNS), welcher die sogenannte Namensauflösung, d. h. die Übersetzung von Domainnamen in Internet-Protocol-Adressen (IP-Adressen) bewerkstelligt. Auch das Schema der sogenannten Uniform Resource Identifiers (URI) zur eindeutigen Lokalisierung von Dokumenten (allgemein: Ressourcen) im Internet ist in Form eines Internetstandards
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festgelegt. All diese Standards sind offene Standards im strengen und im besten Sinn der oben genannten Definition der International Telecommunication Union (ITU): Sie werden unter dem Dach der Internet Engineering Task Force (IETF)6 in offenen Arbeitsgruppen und in einem transparenten Prozess entwickelt und nach einem ebenso transparenten Modus validiert, diskutiert und gegebenenfalls am Ende in Form eines RFC-Dokuments publiziert und öffentlich zugänglich gemacht.7 Das WWW, das häufig fälschlich als mit dem Internet identisch betrachtet wird, ist einer unter vielen sogenannten Internetdiensten, wenngleich der wohl populärste. Die Standards des WWW, die auf der zweiten Ebene der in Abb. 1 dargestellten Typologie erscheinen, setzen auf den Internetstandards der ersten Ebene auf. Die Dachorganisation, die die Standardisierungsaktivitäten des WWW koordiniert, ist das World Wide Web Consortium (W3C)8, gegründet 1992 von dem „Erfinder“ des WWW, Tim Berners-Lee. Auch hier erfolgt die Entwicklung von Standards im Rahmen von prinzipiell offenen Arbeitsgruppen als kollaborativer Prozess, dessen Verlauf für Interessierte in Form eines Mailinglistenarchivs9 öffentlich zugänglich ist. Auch beim W3C existiert ein offizielles Dokument, das den Ablauf des Standardisierungsprozesses im Detail beschreibt.10 Die Standards des WWW, zu denen u. a. die Hypertext Markup Language (HTML) und die Cascading Style Sheets (CSS) gehören, definieren die Art, wie Informationen und Daten im Webbrowser dargestellt werden, und prägen damit unmittelbar die Wahrnehmung des Internets aufseiten der Nutzer. Während die Standards der ersten und zweiten Ebene den generellen technologischen Rahmen für jegliche Art von Webangebot gleichermaßen vorgeben, stellen die Standardisierungsbereiche der dritten Ebene eine Form von Spezialisierungen dar, die eine starke Differenzierung in Bezug auf die Bedarfe bestimmter Zielgruppen ermöglichen und daher von besonderem Interesse mit Blick auf ihre Rolle als potenzielles Marketinginstrument sind.
2.1 HTTP-Cookies Hypertext Transfer Protocol Cookies (HTTP-Cookies) wurden ursprünglich von der Firma Netscape Mitte der 1990er Jahre als proprietäre Erweiterung des NetscapeBrowsers eingeführt. Ziel war es, mehrstufige Transaktionen, wie sie typischerweise
6 S. https://www.ietf.org/ (Abruf: 2018.05.30). 7 Die Verfahrensweise ist in RFC 2026 unter dem Titel „The Internet Standards Process“ detailliert beschrieben; s. https://tools.ietf.org/html/rfc2026. Die Publikation aller RFCs erfolgt zentral über die Website https://www.rfc-editor.org (Abruf: 2018.05.30). 8 S. https://www.w3.org/Consortium/ (Abruf: 2018.05.30). 9 S. https://www.w3.org/Mail/Archives (Abruf: 2018.05.30). 10 S. https://www.w3.org/2018/Process-20180201/ (Abruf: 2018.05.30).
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z. B. in Onlineshops erforderlich sind, mit dem von Hause aus zustandslosen HTTPProtokoll durchführen zu können. HTTP-Cookies sind kleine Textdateien, die beim Aufruf einer Website über das HTTP-Protokoll vom Server an den Client/Browser der Nutzer geschickt und dort gespeichert werden und beim nächsten Besuch wieder abgerufen werden können. In den Cookies können in codierter Form Informationen jedweder Art, z. B. Suchanfragen, zuletzt aufgerufene Seiten etc., gespeichert und beim nächsten Seitenbesuch wieder ausgelesen werden. Auf der Basis der in den Cookies dokumentierten Nutzungshistorie können dann z. B. individualisierte Informationsangebote präsentiert werden. Diese Möglichkeit macht HTTP-Cookies zu einem sehr wirkungsvollen Marketinginstrument zur gezielten Ansprache von potenziellen Zielgruppen. Das ursprünglich proprietäre Cookie-Konzept von Netscape wurde 1997 in modifizierter Form als RFC 2109 unter dem Titel „HTTP State Management Mechanism“11 von der Internet Engineering Task Force (IETF) als Internetstandard verabschiedet und wurde damit Bestandteil des offenen HTTP-Protokollstandards mit der Konsequenz, dass alle Browser- und Webserver-Hersteller – z. B. Microsoft – den Cookie-Mechanismus in ihrer jeweiligen Software implementierten. Dies wiederum hatte zur Folge, dass die Cookie-Nutzung in den darauffolgenden Jahren u. a. im Bereich des Online-Marketings massiv zunahm. Bereits 2009 wurde daher eine EU-Richtlinie – die sogenannte Cookie-Richtlinie12 – erlassen, die vorschreibt, dass Nutzer, von speziellen Ausnahmen abgesehen, über die Verwendung von Cookies informiert werden müssen und ihnen die Möglichkeit zur Ablehnung gegeben werden muss. Die Nutzungsszenarien von HTTP-Cookies haben sich nichtsdestotrotz in den letzten Jahren stark diversifiziert und „verfeinert“, insbesondere durch das Konzept der sogenannten Third-Party Cookies13, bei denen Werbenetzwerke (Advertising Networks) cookiebasierte Informationen auch über Website-Grenzen hinweg aggregieren können und damit potenziell ein umfassendes Web-Tracking von Nutzern ermöglichen. Am Beispiel der HTTP-Cookies wird eine zentrale Problematik offener Standards deutlich: Die Offenheit und die daraus resultierende potenzielle weite Verbreitung und Nutzung ermöglichen eine weitreichende Interoperabilität und damit den Datenaus
11 S. https://www.ietf.org/rfc/rfc2109.txt, zuletzt aktualisiert im Jahr 2011 als RFC 6265 https://www. ietf.org/rfc/rfc6265.txt (Abruf: 2018.05.30). 12 S. http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2009:337:0011:0036:de:PDF, dort insbesondere Absatz 66 (Abruf: 2018.05.30). 13 Auszug aus RFC 6265: „Particularly worrisome are so-called ‚third-party‘ cookies. In rendering an HTML document, a user agent often requests resources from other servers (such as advertising networks). These third-party servers can use cookies to track the user even if the user never visits the server directly. For example, if a user visits a site that contains content from a third party and then later visits another site that contains content from the same third party, the third party can track the user between the two sites.“ (https://www.ietf.org/rfc/rfc6265.txt, Abruf: 2018.05.30) Zur Definition von „Third Party Cookies“ s. z. B. http://www.digitalmarketing-glossary.com/What-is-Third-party-cookie-d efinition (Abruf: 2018.05.30).
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tausch zwischen Systemen unterschiedlichster Anbieter sowie eine automatisierte Selektion von Informationsangeboten. Positiv betrachtet bietet dies die Möglichkeit, den Nutzer bei der Navigation im Informationsdschungel durch Komplexitätsreduktion zu unterstützen. Gleichzeitig bergen die Möglichkeiten offener Standards jedoch auch die Gefahr, dass durch den ungehinderten Datenfluss zwischen unterschiedlichen Systemen, den die offenen Standards ermöglichen, Nutzern zum einen die Kontrolle über die eigenen Daten verloren geht und zum anderen auch ihre Entscheidungsfreiheit, z. B. in der Auswahl von Informationsquellen, weitgehend unbemerkt eingeschränkt werden kann. Die am 25. Mai 2018 in Kraft getretene Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)14, mit der die rechtlichen Vorgaben in Bezug auf die Speicherung und Auswertung nutzerbezogener Daten präzisiert und verschärft werden, spiegelt insbesondere auch die zunehmende Sensibilisierung der Politik in Bezug auf datenschutzrechtliche Herausforderungen offener Standards im Web wider.
2.2 Identifier-Systeme Unter dem Gesichtspunkt der informationellen Selbstbestimmung wesentlich unproblematischer sind Identifier-Systeme. Gleichermaßen sind sie unter dem Aspekt der Produktqualität ein Marketinginstrument von essenzieller Bedeutung.15 IdentifierSysteme gewährleisten, wie der Name vermuten lässt, in einem bestimmten Anwendungskontext die eindeutige Referenzierbarkeit von individuellen Objekten – im Idealfall weltweit. Die referenzierten Objekte können dabei physischer (z. B. ISBNNummern bei Büchern), digitaler (z. B. Digital Object Identifiers (DOI) bei digitalen Informationsressourcen) oder auch abstrakter Natur sein wie z. B. bei terminologischen Ordnungssystemen, wo abstrakte Konzepte durch Uniform Resource Identifiers (URI) repräsentiert werden und damit weltweit eindeutig referenzierbar sind.16 Aufgrund der Tatsache, dass in allen Bereichen der maschinellen Datenverarbeitung Identifier Anwendung finden, gibt es eine unüberschaubar große Zahl an IdentifierSystemen. Formal sind Identifier Zeichenketten, die nach bestimmten, für das jeweilige Identifier-System typischen Regeln aufgebaut sind, wobei organisatorisch sichergestellt wird, dass ein und derselbe Identifier nicht an zwei unterschiedliche Objekte vergeben wird. Das grundlegendste Identifier-System im Web ist das der Uniform
14 S. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32016R0679 (Abruf: 2018. 05.30). 15 Dies gilt in besonderem Maße für den Bereich der Informationswirtschaft, in dem die Präzision und Relevanz der gelieferten Information das entscheidende Qualitätsmerkmal darstellt. 16 Als Beispiel für ein solches terminologisches Ordnungssystem seien hier die Library of Congress Subject Headings (LCSH) genannt, wo z. B. das abstrakte Konzept „Information services“ durch den URI http://id.loc.gov/authorities/subjects/sh85066157 repräsentiert wird (Abruf: 2018.05.30).
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Resource Identifiers (URI), dessen formaler Aufbau in RFC 3986 festgelegt ist.17 Die Zeichencodierung wurde mit dem Internationalized Resource Identifier (IRI) internationalisiert.18 Obwohl er wegen seiner universellen Verwendung und existenziellen Bedeutung für das WWW als selbstverständlich betrachtet wird, wird hier dezidiert darauf hingewiesen, dass der URI unter dem Marketingaspekt der Sichtbarkeit einer Marke, eines Produkts oder eines Unternehmens als ein zentrales Marketinginstrument zu betrachten ist und Unternehmen nicht ohne Grund großen Wert darauf legen, das Nutzungsrecht des Markennamens als Domainnamen zu besitzen. In den Anfangszeiten des WWW waren Rechtsstreitigkeiten um Domainnamen an der Tagesordnung,19 z. B. wenn Marke und gleichlautende Domain aufeinandertrafen, aber auch, wenn eine Internetadresse vergeben wurde und erst danach zugunsten eines Dritten eine gleichlautende Marke eingetragen wurde bzw. werden sollte. Exemplarisch werden hier zwei Identifier-Systeme betrachtet, die zum einen im Wissenschaftskontext von Bedeutung sind und an denen zum anderen bestimmte Charakteristika der Nutzung als Marketinginstrument deutlich gemacht werden können: das Identifier-System Digital Object Identifier (DOI)20, das die dauerhafte, eindeutige Referenzierbarkeit wissenschaftlicher Publikationen im Web sicherstellt, sowie – als Beispiel für terminologische Begriffssysteme – die Library of Congress Subject Headings (LCSH)21. Digital Object Identifiers (DOI) gehören zur Klasse der sogenannten Persistent Identifiers (PI)22. Persistent Identifiers realisieren ein Konzept, das gewährleistet, dass eine einmal vergebene Referenz auf ein digitales Objekt – z. B. eine Publikation oder einen Forschungsdatensatz – dauerhaft gültig bleibt. Dies bedeutet, dass unter diesem Identifier die entsprechende digitale Ressource abgerufen werden kann, selbst dann, wenn sich der tatsächliche URI im Laufe der Zeit ändert, z. B. durch eine Umstrukturierung der Website durch den Anbieter der jewei
17 S. https://tools.ietf.org/html/rfc3986 (Abruf: 2018.05.30). Auszug: „A Uniform Resource Identifier (URI) is a compact sequence of characters that identifies an abstract or physical resource.“ 18 S. https://tools.ietf.org/html/rfc3987 (Abruf: 2018.05.30). IRIs erweitern die erlaubten Zeichen in URIs von einer Teilmenge des ASCII-Zeichensatzes zu fast allen Zeichen des Universal Character Set (Unicode/ISO 10646). 19 S. hierzu z. B. WIPO Internet Domain Name Process. Final Report, 1999. http://www.wipo.int/amc/ en/processes/process1/report/finalreport.html (Abruf: 2018.05.30). 20 Obwohl die Vergabe von DOIs an bestimmte Vorgaben geknüpft ist, kann im Sinne der zu Beginn des Kapitels referierten Definition der International Telecommunication Union (ITU) von einem offenen System gesprochen werden, da die Kriterien der allgemeinen Nutzungsmöglichkeit, der Interoperabilität sowie des dauerhaften Supports erfüllt sind. Die Details der DOI-Infrastruktur im Detail zu erläutern würde den Rahmen des vorliegenden Beitrags sprengen. S. hierzu z. B. http://www.doi.org/ faq.html (Abruf: 2018.05.30). 21 S. http://id.loc.gov/authorities/subjects.html (Abruf: 2018.05.30). 22 S. z. B. Klump, Jens; Murphy, Fiona; Weigel, Tobias; Parsons, Mark A.: Editorial: 20 Years of Persistent Identifiers – Applications and Future Directions. Data Science Journal 16, 2017, S. 52.
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Günther Neher
ligen digitalen Ressource. Die Bedeutung als Marketinginstrument resultiert aus der breiten Akzeptanz und Nutzung im Bereich wissenschaftlicher Publikationen sowie der dadurch erzeugten Sichtbarkeit und Reichweite. In der Fluidität des WWW wird zudem Produktqualität gewährleistet, indem die digitale Ressource dauerhaft auffindbar und abrufbar ist. Das zweite Beispiel, die Library of Congress Subject Headings (LCSH), steht hier stellvertretend für eine große Zahl offener terminologischer Ordnungssysteme (Taxonomien, Thesauri, Klassifikationssysteme).23 Terminologische Ordnungssysteme werden zur inhaltlichen Beschreibung von Ressourcen verwendet – der sogenannten Erschließung. Durch die Verwendung von kontrolliertem Vokabular sind sie wichtige Hilfsmittel zur Reduktion sprachlicher Komplexität und semantischer Mehrdeutigkeit und ermöglichen potenziell gegenüber einer Volltextsuche qualitativ bessere Rechercheergebnisse bei einer Informationssuche.24 Der Nutzen dieser offenen terminologischen Ordnungssysteme wird mittlerweile noch dadurch erhöht, dass die Library of Congress (LoC) und mit ihr eine zunehmende Zahl von Einrichtungen dazu übergegangen sind, die terminologischen Konzepte ihrer Ordnungssysteme von einer rein lexikalischen Repräsentation (z. B. die Zeichenkette „Jaguar“) umzustellen auf eine Identifier-basierte – i. d. R. URI-basierte – Repräsentation im Simple-KnowledgeOrganization-System-Format (SKOS-Format)25. Durch die Repräsentation von Begriffen durch URIs wird u. a. das generelle Problem lexikalischer Mehrdeutigkeit (z. B. „Jaguar“ als Raubtier und „Jaguar“ als Automarke) aufgelöst und eine präzisere semantikorientierte maschinelle Verarbeitung wesentlich erleichtert.26
23 LCSH werden zwar nicht in einem offenen Community-Prozess entwickelt, aber alle anderen wesentlichen Kriterien der Offenheit der ITU sind erfüllt, insbesondere die der freien Nutzbarkeit, der breiten Akzeptanz sowie der Dauerhaftigkeit. 24 Die qualitative Verbesserung bezieht sich auf die klassischen Qualitätsmaße „Precision“ und „Recall“ (Genauigkeit und Vollständigkeit) aus dem Bereich des Information Retrieval. Es muss an dieser Stelle allerdings neidlos anerkannt werden, dass die Suchmaschinentechnologie mit ihren stetig sich verfeinernden Ranking-Algorithmen auch auf der Basis einer Volltextsuche qualitativ hochwertige Ergebnisse liefert. 25 S. https://www.w3.org/2004/02/skos/ (Abruf: 2018.05.30). Für ein konkretes Anwendungsszenario s. z. B. Summers, Ed; Isaac, Antoine; Redding, Clay; Krech, Dan: LCSH, SKOS and Linked Data. In: Proceedings of the International Conference on Dublin Core and Metadata Applications (DC2008), Berlin, 22. bis 26. September 2008, S. 25–34. Eine Liste von offenen Begriffssystemen im SKOS-Format findet sich unter https://www.w3.org/2001/sw/wiki/SKOS/Datasets (Abruf: 2018.05.30). 26 Der LCSH-Identifier für „Jaguar“ in der Bedeutung von Raubtier lautet z. B. http://id.loc.gov/autho rities/subjects/sh85069247, während der für „Jaguar“ im Sinne der Automarke http://id.loc.gov/autho rities/subjects/sh85069246 lautet (Abruf: 2018.05.30).
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Offene Standards als Marketinginstrument
2.3 Metadatenstandards/XML-Anwendungen In diesem Kapitel wird eine Kategorie offener Standards betrachtet, die insbesondere im Bereich der Bibliotheken und der Informationseinrichtungen eine zentrale Rolle spielt: der Bereich der sogenannten Metadatenstandards, insbesondere Metadatenstandards auf der Basis des offenen Webstandards Extensible Markup Language (XML)27. XML ist ein vom W3C 1998 als W3C-Recommendation verabschiedetes Regelwerk, mit dem eigene Auszeichnungssprachen – sogenannte XML-Anwendungen – definiert werden können.28 XML ermöglicht auf vergleichsweise einfache Art und Weise den Austausch, die automatisierte Verarbeitung und die Integration von strukturierten Metadaten über die vorhandene Web-Infrastruktur. XML war die Antwort des W3C auf die Anforderung, insbesondere auch aus der Wirtschaft, Daten in strukturierter, eindeutig maschineninterpretierbarer Form und maßgeschneidert auf einen jeweiligen Anwendungskontext (z. B. Datenaustausch zwischen Besteller und Lieferanten) verfügbar zu machen. XML hat sich nach seiner Einführung 1998 aufgrund seiner einfachen Grundprinzipien sehr schnell als zentraler Standard für den Austausch strukturierter Daten im WWW etabliert. Eine Community kann ein auf ihre Bedarfe zugeschnittenes Datenmodell in Form eines Regelwerks, des sogenannten XML-Schemas, definieren. Durch dieses XML-Schema werden die erlaubten Auszeichnungselemente, die (hierarchischen) Elementstrukturen sowie inhaltliche Vorgaben (z. B. erlaubte Datentypen) als spezifisches Auszeichnungsformat festgelegt, in dem dann die eigentlichen Daten „transportiert“ werden. Die Konformität und damit die Interoperabilität der XML-Daten wird dadurch sichergestellt, dass die XML-Dateien gegenüber dem XML-Schema validiert, d. h. auf Einhaltung der Strukturregeln überprüft werden. Das XML-Schema wird i. d. R. online über einen URI verfügbar gemacht, sodass weltweit auf dieses Schema Bezug genommen werden kann. Abb. 2a und Abb. 2b illustrieren diese Grundkonzepte.
27 S. https://www.w3.org/TR/xml/ (Abruf: 2018.05.30). 28 Eine Einführung in die Grundlagen der XML-Technologie bietet z. B. das Lehrbuch Becher, Margit: XML. DTD, XML-Schema, XPath, XQuery, XSLT, XSL-FO, SAX, DOM. Berlin, Dortmund: Springer Campus (Informatik), 2017.
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Günther Neher
(a)
(b) myML XML-Daten
XML-Daten
XML
XML-Schema
OAI-PMH
XML-Schema
XML-Daten
XML-Daten
MARCXML
Abb. 2: XML-Grundkonzepte: (a) Definition eigener Datenstrukturen durch XML-Schema, (b) Validierung der XML-Daten
Die korrekte maschinelle Interpretation des jeweiligen Bedeutungskontextes der Auszeichnungselemente wird durch die Zuordnung zu sogenannten Namensräumen29 gewährleistet: Den Auszeichnungselementen werden Kürzel – sogenannte Namensraum-Präfixe – vorangestellt, die mit einem weltweit eindeutigen URI verknüpft sind.30 Die Fülle der XML-Anwendungen im Bereich der Metadatenstandards ist sehr groß. Einen sehr guten Eindruck von der Menge und Diversität der Anwendungen vermittelt die Arbeit von Jenn Riley aus dem Jahr 2010 mit dem Titel „Seeing Standards“31. Das Potenzial von XML zur webbasierten Bereitstellung von informationellen Mehrwertdiensten wurde sehr schnell von Bibliotheken, Archiven und anderen Informationseinrichtungen erkannt und umgesetzt. Als Beispiele seien hier MARCXML32, die XML-Version des zentralen bibliografischen Metadatenstandards MARC2133 der Library of Congress sowie der XML-basierte Standard Open Archive Initiative – Protocol for Metadata Harvesting (OAI-PMH) zum Aufbau von webbasierten Verbundsystemen genannt.34
29 S. https://www.w3.org/TR/xml-names/ (Abruf: 2018.05.30). 30 Beispielsweise ist das Namensraum-Präfix „dc:“ des bibliografischen Metadatenstandards Dublin Core mit dem URI http://purl.org/dc/terms/ verknüpft, sodass die Bedeutung eines Auszeichnungselements automatisch als Publikationstitel interpretiert werden kann (und nicht z. B. als akademischer Titel). S. http://www.dublincore.org/documents/dcmi-namespace/ (Abruf: 2018.05.30). 31 S. http://jennriley.com/metadatamap/ (Abruf: 2018.05.30). 32 Machine Readable Cataloguing Extensible Markup Language, s. http://www.loc.gov/standards/m arcxml/ (Abruf: 2018.05.30). 33 Machine-Readable Cataloguing, s. https://www.loc.gov/marc/bibliographic/ (Abruf: 2018.05.30). 34 S. https://www.openarchives.org/pmh/ (Abruf: 2018.05.30).
Offene Standards als Marketinginstrument
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2.4 Semantic Web/Linked Data Ein für den Bereich der Informationswirtschaft besonders interessantes Entwicklungsfeld bietet das von Tim Berners-Lee entwickelte Konzept des sogenannten Semantic Web.35 Die Idee des Semantic Web baut auf Konzepten der Wissensrepräsentation auf, deren Grundlagen bereits in den 1970er Jahren entwickelt wurden, und überträgt diese auf die aktuelle Web-Infrastruktur. Zentral ist dabei das Konzept der sogenannten Ontologie, die in einer Definition von Gruber wie folgt beschrieben wird: In the context of computer and information sciences, an ontology defines a set of representational primitives with which to model a domain of knowledge or discourse. The representational primitives are typically classes (or sets), attributes (or properties), and relationships (or relations among class members).36
Formal betrachtet, handelt es sich beim Semantic Web um eine aufeinander aufbauende Sammlung offener Webstandards, die es ermöglicht, domänenspezifisches Wissen in Form von Ontologien in maschineninterpretierbarer Form zu repräsentieren. Das Konzept kann an dieser Stelle nur stark verkürzt beleuchtet werden. Für eine detaillierte Darstellung muss auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen werden.37 Abb. 3a zeigt in Form des sogenannten Semantic Web Stack die zugehörigen Webstandards: das Resource Description Framework (RDF)38 als grundlegendes Datenmodell sowie RDF-Schema (RDFS)39 und die Web Ontology Language (OWL)40, die standardisierte Sprachkonstrukte zur Formulierung von Ontologien bereitstellen. Abb. 3b illustriert schematisch, wie auf der Basis von RDF, RDFS und OWL domänenspezifische Wissensrepräsentation erfolgt.
35 Eine sehr gute Darstellung der ursprünglichen Vision des Semantic Web findet sich in Berners-Lee, Tim; Hendler, James; Lassila, Ora (2001): The Semantic Web. In: Scientific American 284, 2001, Nr. 5, S. 34–43. 36 Gruber 2009. 37 Für eine thematisch breit gefächerte Übersicht von Semantic-Web-Konzepten und Anwendungsszenarien s. z. B. Pellegrini, Tassilo; Blumauer, Andreas (Hrsg.): Semantic Web. Wege zur vernetzten Wissensgesellschaft; mit vier Tabellen. Berlin: Springer (X.media.press), 2006. Eine detaillierte Darstellung der Implementierungsaspekte in RDF, RDFS und OWL bietet z. B. Hitzler, Pascal; Krötzsch, Markus; Rudolph, Sebastian; Sure, York: Semantic Web. Grundlagen. 1. Auflage. Berlin: Springer (eXamen.press), 2008. 38 S. https://www.w3.org/TR/rdf11-concepts/ (Abruf: 2018.05.30). 39 S. https://www.w3.org/TR/rdf-schema/ (Abruf: 2018.05.30). 40 S. https://www.w3.org/TR/owl2-syntax/ (Abruf: 2018.05.30).
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(a)
(b) User Interface & Applications
W3C-Standards RDF (Resource Description Framework) RDFS (RDF-Schema) OWL (Web Ontology Language)
Trust Proof
Sprachkonstrukte zur Modellierung einer Domänen-Ontologie (Definition von Klassen, Attributen und semantischen Relationen)
Unifying Logic
RDFS
Data Interchange: RDF
Rule: RIF
Crypto
Ontology: OWL
Query: SPARQL
Domänenspezifische Ontologien Dublin Core, dc: Simple Knowledge Org. Sys., skos: Friend-of-a-Friend, foaf: Wissensrepräsentation durch standardisierte Formulierung domänenspezifischer Aussagen („Statements“)
XML
URI/IRI Wissensrepräsentation dc:creator skos:narrower foaf:knows
Abb. 3: (a) Screenshot Semantic Web Stack41; (b) domänenspezifische Wissensrepräsentation auf der Basis der W3C-Standards RDF, RDFS und OWL
Resource Description Framework (RDF) ist das grundlegende Datenmodell, in welchem domänenspezifische Aussagen („Statements“) der Art „Person X ist der Autor von Publikation Y“ oder „Person X kennt Person Y“ als sogenannte Tripel „Subjekt – Prädikat – Objekt“ formuliert werden können. Der domänenspezifische Interpretationskontext der Subjekte und Prädikate der jeweiligen Aussagen wird dabei durch die Zuordnung zu Namensräumen42 – erkennbar an den sogenannten NamensraumPräfixen (z. B. skos: und foaf:) – erreicht. Die Leistungsfähigkeit des RDF-Datenmodells ergibt sich aus folgenden zusätzlichen Eigenschaften: 1. Subjekt und Prädikat eines RDF-Statements müssen durch Uniform Resource Identifiers (URI) repräsentiert werden, wodurch ein präziser semantischer Interpretationskontext garantiert und sprachliche Mehrdeutigkeit ausgeschlossen wird.43
41 https://www.w3.org/2007/03/layerCake.png (Abruf: 2018.05.30) 42 Es handelt sich hierbei um das Konzept der Namensräume, welches bereits in Kap. 2.3 im Kontext XML-basierter Metadatenstandards erläutert wurde. 43 Das Konzept, Identifier-Systeme zu nutzen, um das Problem sprachlicher Mehrdeutigkeit zu lösen, wurde in Kap. 2.2 am Beispiel des terminologischen Ordnungssystems Library of Congress Subject Headings (LCSH) erläutert.
Offene Standards als Marketinginstrument
2.
3.
331
Das Objekt eines RDF-Statements kann unter bestimmten Bedingungen als Subjekt eines weiteren RDF-Statements fungieren. Diese Möglichkeit der Verkettung erlaubt die Formulierung komplexer semantischer Sachverhalte auf eine sehr flexible Art und Weise. Die Web Ontology Language (OWL) stellt eine Fülle an Sprachkonstrukten bereit, um allgemeine semantische Sachverhalte zu formulieren, beispielsweise die Bedeutungsäquivalenz von Klassen bzw. Attributen (owl:equivalentClass, owl:equivalentProperty) oder die Symmetrie bzw. Transitivität von Attributen (owl:symmetricProperty, owl:transitiveProperty). Mithilfe dieser Sprachkonstrukte und des zusätzlichen Webstandards Rule Interchange Format (RIF)44 können dann – basierend auf dem Formalismus der Beschreibungslogik („Description Logic“, DL) – durch automatisches Schlussfolgern (Inferenz) neue Relationen abgeleitet werden.45
Die sehr ambitionierte ursprüngliche Vision des Semantic Web, die Idee, durch Inferenz das gegenwärtige Web der Dokumente in ein Web des Wissens zu transformieren, scheint noch in ziemlich weiter Ferne zu liegen. Im Gegensatz dazu hat sich auf der Basis der oben genannten Semantic-Web-Standards in den letzten Jahren ein Anwendungsbereich entwickelt, der als Linked Data Cloud bezeichnet wird.46 Das Konzept von Linked Data nutzt die oben beschriebenen Charakteristika von RDF, RDFS und OWL, um in RDF codierte Datenbestände (Wissensbasen) unterschiedlicher Anwendungsdomänen gezielt semantisch miteinander zu verknüpfen und damit eine spezielle, wissensorientierte Form der Datenintegration zu schaffen. Die Wissensbasis einer Anwendungsdomäne kann über die vom W3C entwickelte und standardisierte Abfragesprache SPARQL47 zugänglich gemacht werden, wobei der Abruf über eine ebenfalls standardisierte Schnittstelle, den sogenannten SPARQL Endpoint, erfolgt. Die Zahl der auf diese Art zugänglich gemachten Wissensbasen hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Abb. 4 illustriert das Wachstum der Linked Data Cloud anhand von zwei Momentaufnahmen aus den Jahren 2007 und 2018.
44 S. https://www.w3.org/TR/rif-bld/ (Abruf: 2018.05.30). 45 Eine gut verständliche Darstellung dieses Prinzips mit Beispielen findet sich z. B. beim W3C unter https://www.w3.org/standards/semanticweb/inference (Abruf: 2018.05.30). 46 Eine praxisorientierte Einführung in das Linked-Data-Konzept bieten z. B. Heath, Tom; Bizer, Christian: Linked Data. Evolving the Web into a Global Data Space. In: Synthesis Lectures on the Semantic Web: Theory and Technology 1, 2011, H. 1, S. 1–136. 47 SPARQL steht für Protocol And RDF Query Language, s. https://www.w3.org/TR/sparql11-query/ (Abruf: 2018.05.30).
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Günther Neher
(a)
(b)
Abb. 4: Momentaufnahmen der Linked Data Cloud: (a) 2007, Zahl der Domänen: 12; (b) 2018, Zahl der Domänen: 1 18448
Die in der Momentaufnahme von 2007 (s. Abb. 4a) noch erkennbaren Pfeile zeigen an, in welche Richtung der „Informationstransfer“ verläuft (z. B. importiert „Geonames“ Informationen aus „Linked Data Cloud“, „DBPedia“ importiert Informationen aus „FOAF“). Trotz aller gegenwärtig noch vorhandenen Schwachpunkte kann davon ausgegangen werden, dass das Linked-Data-Konzept eine zunehmend wichtige Komponente innerhalb einer wissensbasierten Web-Infrastruktur werden wird, nicht zuletzt deshalb, weil zunehmend auch bedeutende Informationseinrichtungen, wie z. B. die Library of Congress (LoC) oder die Deutsche Nationalbibliothek (DNB), ihre Bestände als Linked Data zur Verfügung stellen.
Fazit Für diesen Beitrag wurden, mit Ausnahme des Kapitels zu HTTP-Cookies, bewusst nur Beispiele zur Illustration ausgewählt, die keinen Personenbezug im engeren Sinne haben. Offene Standards in diesem Bereich – wiewohl selbstverständlich unter Marketing-Gesichtspunkten besonders reizvoll – werfen eigene Fragen auf, die den Rahmen dieses Beitrags sprengen würden. Der hier dargestellte Überblick über unterschiedliche Facetten offener Standards zeigt zum einen, dass die Offenheit unbedingte
48 Linked Open Data Cloud o. J.
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Offene Standards als Marketinginstrument
Voraussetzung dafür ist, dass informationeller Mehrwert geschaffen werden kann – sei es durch Informationsanreicherung aus externen Quellen mithilfe offener Dateninfrastrukturen wie der Linked Data Cloud oder durch Datenaggregation, wie z. B. bei OAI-PMH im Rahmen von XML-basierten Verbundsystemen. Zum anderen sollten jedoch insbesondere Informationswissenschaftler immer im Blick behalten, dass Standardisierung Vereinheitlichung bedeutet und diese Vereinheitlichung speziell im Bereich wissensbasierter Anwendungen in der Regel auch eine Reduktion/Verarmung semantischer Reichhaltigkeit zur Folge hat. Hier im Einzelfall jeweils eine adäquate, kompetente Abwägung der Vor- und Nachteile vorzunehmen, dürfte zukünftig eine immer wichtigere Aufgabe werden.
Literatur Letztes Abrufdatum der folgenden Internetquellen ist der 2018.07.25. Gruber, Tom: Ontology. In: Encyclopedia of Database Systems. Liu, Ling et al. (Hrsg.). Boston/MA, Springer, 2009. https://link.springer.com/referenceworkentry/10.1007/978-0-387-39940-9_ 1318 ITU: Definition of „Open Standards“. 2018. https://www.itu.int/en/ITU-T/ipr/Pages/open.aspx Linked Open Data Cloud. O.J. http://lod-cloud.net/, Lizenz: CC-BY
Dirk Lewandowski
Personalisierung und Kontextualisierung Abstract: In diesem Beitrag werden die Verfahren der Personalisierung und der Kontextualisierung beschrieben und kritisch diskutiert. Bei der Personalisierung handelt es sich um die Anpassung auf der Basis längerfristig gespeicherter personenbezogener Daten; bei der Kontextualisierung werden Anpassungen aufgrund momentaner Nutzerdaten in Verbindung mit Massendaten aus dem System vorgenommen. Die beiden Verfahren unterscheiden sich vor allem in Bezug auf die Datensammlung und die Rückführung der Daten auf individuelle Personen. Unterschiede ergeben sich auch hinsichtlich der Genauigkeit und der Reichweite, bei denen die Personalisierung der Kontextualisierung überlegen ist. Der Beitrag schließt mit einer Liste von fünf Empfehlungen, die Information Services beachten sollten, wenn sie ihre Angebote an individuelle Nutzer bzw. Nutzungskontexte anpassen möchten: (1) Verfahren der Kontextualisierung sollten Vorrang vor Verfahren der Personalisierung haben. (2) Verfahren der Personalisierung und Kontextualisierung müssen abschaltbar sein. (3) Den Nutzern muss vermittelt werden, dass individuelle Anpassungen erfolgen. (4) Es muss für jeden Nutzer möglich sein, die über ihn gesammelten Daten vollständig einzusehen und zu bearbeiten. (5) Auf die Datensammlung muss klar hingewiesen werden.
Einleitung Das Thema Personalisierung ist in aller Munde. Meist wird es in der Öffentlichkeit kritisch diskutiert unter der Annahme, dass Personalisierung zu einer Verengung des Informationsspektrums führt, das ein Nutzer zu sehen bekommt. Während dieses Problem vor allem bei den von den großen Anbietern – wie Google und Facebook – verwendeten Verfahren nicht von der Hand zu weisen ist, bietet Personalisierung doch erhebliche Vorteile gegenüber nicht personalisierten Verfahren, die „alle Nutzer über einen Kamm scheren“. In diesem Beitrag wird Personalisierung mit ihren Vor- und Nachteilen am Beispiel von Suchmaschinen diskutiert sowie mit dem Verfahren der Kontextualisierung verglichen. Die bei Suchmaschinen verwendeten Verfahren werden beschrieben und kritisch bewertet, um Schlüsse für die Gestaltung von Information Services, die an individuelle Bedürfnisse ihrer Nutzer angepasst sind, zu ziehen. Abschließend werden Empfehlungen gegeben, welche Voraussetzungen Personalisierung und Kontextualisierung erfüllen sollten, damit sie bei Information Services eingesetzt werden können.
https://doi.org/10.1515/9783110539011-022
Personalisierung und Kontextualisierung
335
1 Personalisierung und Kontextualisierung Es existiert eine sehr allgemeine Definition, die das zentrale Merkmal der Personalisierung auf den Punkt bringt: Mit Personalisierung wird allgemein das Anpassen eines Objekts an die Bedürfnisse eines Subjekts bezeichnet.1
Bezieht man dies auf die Informationssuche, dann sind Informationsobjekte oder die Anordnung von Informationsobjekten so zu gestalten, dass sie an einen individuellen Nutzer angepasst sind. Dieser Ansatz steht im Gegensatz zu dem klassischen Ansatz der Darstellung von Informationsobjekten, bei denen jeder Nutzer das gleiche Ergebnis sieht und damit die Anordnung der Ergebnisse nach „objektiven“ Kriterien erfolgt. Um Personalisierung betreiben zu können, werden Informationen über den individuellen Nutzer benötigt. Dabei handelt es sich um Informationen aus vergangenen (Such-)Interaktionen, aus deren Analyse auf Wünsche und Bedürfnisse in dem aktuellen (Such-)Vorgang geschlossen wird. Im Kontext der Informationssuche lautet das Versprechen der Personalisierung, die Informationsbedürfnisse individueller Nutzer besser befriedigen zu können als mittels konventioneller Verfahren, bei denen alle Nutzer die gleichen Ergebnisse erhalten. White fasst unter Personalisierung Verfahren, die auf einer langfristigen Datensammlung beruhen, da die Anpassungen an die Interessen des einzelnen Nutzers sinnvoll nur durch eine umfassende Kenntnis seiner Interessen möglich seien. Bei einer nur kurzfristigen Datensammlung würden dagegen nicht genug Daten anfallen, um die tatsächlichen (und wechselnden) Interessen der Nutzer abbilden zu können.2 Es ist unstrittig, dass durch die Anpassung von Suchergebnissen an individuelle Bedürfnisse Ergebnisse erreicht werden können, die von den Nutzern als passender bewertet werden. Fraglich ist allerdings, auf welcher Datenbasis die Anpassung der Ergebnisse erfolgen soll. Hier kommt die Kontextualisierung ins Spiel. Dabei handelt es sich nach White um die Anpassung an die aktuelle Suchsituation eines Nutzers. Darunter fallen beispielsweise Anpassungen an den Standort, an die Tageszeit und Anpassungen, die auf Massendaten aus vergangenen Suchinteraktionen anderer Nutzer zurückgreifen.3 Ein einfaches Beispiel für die Kontextualisierung ist die Anpassung an den Standort des Nutzers. Dies ermöglicht beispielsweise bei der Suche nach einem Café, auch ohne explizite Eingabe von Standortinformationen, passende Ergebnisse in der Umgebung anzuzeigen. Bei beiden Verfahren geht es also um die Anpassung von Informationsobjekten, beispielsweise Suchergebnissen, auf der Basis von Informationen, die über die Such-
1 Riemer, Brüggemann 2009, S. 153. 2 Vgl. White 2016, S. 267. 3 Vgl. ebd., S. 268.
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anfrage selbst und den Datenbestand eines Systems hinausreichen (Kontextinformationen). Der wesentliche Unterschied zwischen den Verfahren liegt darin, dass bei der Personalisierung personenbezogene Daten eines einzelnen Nutzers gesammelt und ausgewertet werden, während bei der Kontextualisierung nur temporär Daten gesammelt werden, die für einen konkreten Interaktionsvorgang (Session) innerhalb eines Systems verwendet werden. Besondere Vorteile der Personalisierung ergeben sich also dann, wenn Systeme an dauerhafte Interessen oder Verhaltensweisen der Nutzer angepasst werden sollen.
2 Entwicklung der Personalisierung In den letzten Jahren gab es einen Boom personalisierter Angebote. Die bekanntesten Beispiele sind die personalisierten Suchergebnisse von Google und der Stream von Facebook, der auf der Basis vergangener Interaktionen des individuellen Nutzers mit dem System geordnet wird. Generell kann die Frage gestellt werden, warum Personalisierung überhaupt notwendig ist. Die naheliegende Erklärung ist, dass es aufgrund der immens angewachsenen Menge verfügbarer Informationen für Nutzer schlicht nicht mehr möglich ist, vollständige Treffermengen zu sichten. Dies betrifft vor allem die Websuche, bei der die verfügbare Informationsmenge solche Ausmaße erreicht hat, dass die Trefferlisten zu einzelnen Suchanfragen nur in den seltensten Fällen vollständig gesichtet werden können und zu vielen Suchanfragen auch weit mehr relevante Dokumente existieren, als von einem Nutzer benötigt werden. Damit stellt sich die Frage nicht mehr allein nach der Relevanz eines Suchergebnisses, sondern auch nach den bestmöglichen Dokumenten für einen individuellen Nutzer in seiner aktuellen Situation. Das Problem der immensen Informationsmenge und der zu großen Ergebnismengen kann allerdings auch von einer anderen Seite betrachtet werden: Die Steuerung von Treffermengen wäre sehr wohl möglich, den meisten Nutzern fehlen allerdings schlicht die Kenntnisse, um Suchanfragen qualifiziert zu stellen.4 So stellt sich für Suchsysteme das große Problem, dass sie zu unterkomplexen Suchanfragen relevante Suchergebnisse generieren müssen. Aus der Websuche ist bekannt, dass Suchanfragen dort nur eine geringe Länge aufweisen, im Deutschen durchschnittlich nur 1,6 Wörter.5 Anfragen in Bibliothekssuchsystemen sind etwas länger. So ermittelte Linhart 2015 einen Median von 2,5 Wörtern für das Suchsystem EconBiz des Leibniz-Informationszentrums Wirtschaft (ZBW).6 Problematisch daran ist nicht nur, dass Nutzer offensichtlich Probleme ha
4 Vgl. Lewandowski 2015, S. 10. 5 Vgl. Höchstötter, Koch 2009. 6 Vgl. Linhart 2015, S. 24.
Personalisierung und Kontextualisierung
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ben, ihr Informationsbedürfnis in eine Suchanfrage zu übersetzen, sondern auch, dass sehr kurze Suchanfragen von Suchsystemen kaum sinnvoll zu verarbeiten sind. Eine Lösung für dieses Problem besteht in der automatischen Interpretation der Anfragen. Dabei werden Suchanfragen durch Kontextinformationen so angereichert, dass sie sinnvoll verarbeitet werden können.7 Bei der Anreicherung von Suchanfragen durch Kontextinformationen ist zwischen der expliziten und der impliziten Anfrageinterpretation zu unterscheiden: Bei der expliziten Anfrageinterpretation wird dem Nutzer die automatische Interpretation durch das Suchsystem nachvollziehbar gemacht. Ein Beispiel für eine solche explizite Anfrageinterpretation findet sich bei der Faktensuchmaschine Wolfram Alpha. Gibt man dort beispielsweise die Suchanfrage „London“ ein, wird oberhalb des Suchergebnisses angezeigt, wie die Suchanfrage interpretiert wurde: Es wurde angenommen, dass es sich um die Stadt handeln soll, und zwar um die Stadt in Großbritannien. Alternativen werden dem Nutzer zur Auswahl angeboten, beispielsweise London als Vorname oder Nachname, die Stadt London in Kanada oder die in den USA. Dem gegenüber steht die weit häufiger eingesetzte implizite Anfrageinterpretation, bei der zwar ähnliche Annahmen über das Informationsbedürfnis des Nutzers getroffen werden, diesem allerdings nicht angezeigt werden. Ein typisches Beispiel hierfür ist Google: Auch hier wird die Suchanfrage „London“ interpretiert und die Ergebnisse werden entsprechend angeordnet, allerdings ist für einen Nutzer nicht erkennbar, dass erstens Ergebnisse angepasst wurden und wie zweitens die Anpassung erfolgte. Zu beachten ist jedoch, dass im Fall von Wolfram Alpha alle Ergebnisse, die sich auf eine andere Interpretation der Suchanfrage beziehen, gar nicht angezeigt werden, während bei Google nur die Reihung der Treffer verändert wird, dem Nutzer aber potenziell alle Ergebnisse zu den verschiedenen Interpretationen in der gleichen Liste angezeigt werden.
3 Explizite versus implizite Personalisierung Neben der Unterscheidung zwischen expliziten und impliziten Verfahren der Anfrageinterpretation kann auch die Personalisierung selbst explizit oder implizit vorgenommen werden. Bei der expliziten Personalisierung legt der Nutzer ein Profil an, in dem er seine Interessen ausdrücklich benennt. Dabei ist er sich dessen bewusst, dass dieses Profil seine Suchergebnisse beeinflusst. Ein Beispiel ist die Personalisierung bei Google News: Dort können in den Einstellungen Interessenbereiche festgelegt werden, zu denen dann Nachrichten im Reiter „Für mich“ angezeigt werden. Allerdings handelt es sich hier nicht um eine Reinform der expliziten Personalisierung, da auch automatisch – aufgrund des Nutzerverhaltens – Vorschläge in diesem Reiter
7 Vgl. Lewandowski 2011.
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Dirk Lewandowski
generiert werden. Bei einer solchen impliziten Personalisierung werden Daten des Nutzers gesammelt, um auf deren Basis später für den Nutzer relevante Suchergebnisse zu generieren. Der große Unterschied zwischen den beiden Verfahren liegt darin, dass sich der Nutzer bei der impliziten Personalisierung meist nicht bewusst ist, dass seine Ergebnisse personalisiert werden, zumindest aber die Gründe für die Anzeige bestimmter Ergebnisse meist nicht transparent sind. Auch bei Empfehlungssystemen wie dem von Amazon, die explizit anzeigen, warum eine Empfehlung gegeben wurde („Diesen Artikel haben wir empfohlen, weil Sie u. a. Artikel X gekauft haben.“), wird nicht der vollständige Grund für die Empfehlung genannt, sondern dem Nutzer wird nur ein Hinweis gegeben, worauf die Empfehlung unter anderem beruht. Die großen Vorteile impliziter Verfahren liegen darin, dass auf der einen Seite sehr umfangreiche Daten über jeden Nutzer zusammengestellt werden können und zum anderen Nutzer nicht aktiv zur Erstellung ihres Profils beitragen müssen. Insbesondere Letzteres dürfte erklären, warum Verfahren der expliziten Personalisierung nur in wenigen Fällen erfolgreich sind: Nutzer müssen erst umfangreiche Profilinformationen angeben, bevor sie von der Personalisierung profitieren können. Dazu sind sie jedoch in der Regel nur dann bereit, wenn sie von dem Profil einen konkreten, weitgehenden Nutzen erwarten. So ist es verständlich, dass Nutzer zwar beim Online-Dating dazu bereit sind, umfangreiche Profile auszufüllen, in der Weboder E-Commerce-Suche aber kaum. Inzwischen wurde die explizite Personalisierung weitgehend durch implizite Verfahren ersetzt.
Das Wesen der personalisierten Suchergebnisse ist, dass jedem Nutzer auf der Basis seines Profils unterschiedliche Ergebnisse bzw. eine unterschiedliche Ergebnisreihung angezeigt werden. Damit soll eine bessere Qualität der Ergebnisse erreicht werden, indem die Reihenfolge der Ergebnisse so verändert wird, dass diejenigen Ergebnisse, die für den individuellen Nutzer als besonders relevant ermittelt wurden, bevorzugt angezeigt werden. Das können Treffer sein, die in der Vergangenheit von diesem Nutzer bereits angesehen wurden (unter der Annahme, dass ein Treffer, der früher einmal nützlich war, dies auch später wieder sein wird), oder Treffer, die zu einem aus dem vergangenen Verhalten des Nutzers ermittelten thematischen Suchprofil gut passen.
4 Kritik an der Personalisierung Die Personalisierung von Suchergebnissen wird vielfach kritisch gesehen: Neben der Erstellung von Persönlichkeitsprofilen führe sie dazu, dass die Ergebnisse der Suchmaschinen vor allem die eigene Meinung bestätigten und andere Meinungen unterdrückt würden. Außerdem seien Entdeckungen, wie sie in nicht personalisierten Suchergebnissen möglich gewesen wären, nun nicht mehr möglich oder zumindest
Personalisierung und Kontextualisierung
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unwahrscheinlicher. Die Kritik von Eli Pariser in seinem Buch „The Filter Bubble“8 berücksichtigt, dass Nutzer schon immer Medien nach ihrem Geschmack ausgewählt haben, allerdings werde durch die Personalisierung durch Suchmaschinen und soziale Netzwerke eine neue Dimension erreicht. So sei die Filterblase erstens dadurch gekennzeichnet, dass sie auf jeden Nutzer individuell angepasst sei und jeder Nutzer eben unterschiedliche Ergebnisse zu sehen bekomme, zweitens dadurch, dass sie für den Nutzer unsichtbar bleibe, und drittens dadurch, dass sich Nutzer nicht für oder gegen die Personalisierung ihrer Ergebnisse entscheiden könnten, sondern die Verfahren ohne Rückfrage von den Systemen angewendet würden.9 In der Diskussion um die Personalisierung taucht häufig das Missverständnis auf, dass Suchmaschinen bestimmte Treffer bestimmten Nutzern nicht mehr anzeigen würden. Dagegen ist einzuwenden, dass die Treffermenge nur neu angeordnet wird und potenziell alle Treffer weiterhin sichtbar bleiben. Naheliegend ist jedoch, dass Treffer, die erst weit hinten in der Trefferliste auftauchen, von den Nutzern nur selten wahrgenommen werden. Dies ist jedoch ein Effekt aller Rankings und kein Spezifikum der Personalisierung. Die Debatte hat sich mit der Diskussion der Filterblase von einer Kritik an den Suchmaschinen dafür, dass sie auf die Masse ausgerichtete, oberflächliche Ergebnisse anzeigen würden, hin zu einer Kritik an der (zu starken) Anpassung an den einzelnen Nutzer verlagert. Wenig berücksichtigt wird, dass es auch andere Formen der Personalisierung geben könnte, die nicht notwendigerweise auf der Erfassung möglichst aller Daten jedes Nutzers beruhen, sondern nur ausgewählte Daten für einen eng begrenzten Zeitraum verwenden. Ebenso ließen sich Algorithmen erstellen, die dafür sorgen, dass Nutzern nicht das immer Gleiche, sondern im Gegenteil neue und inspirierende Ergebnisse angezeigt werden. Unstrittig ist, dass die Personalisierung von Suchergebnissen zu einer weit besseren Ergebnisqualität führen kann, da eben gerade die individuelle Anpassung an den einzelnen Nutzer viele Ergebnisse, die für die Masse relevant sein mögen, für den einzelnen Nutzer jedoch nicht, durch die neue Reihung aus dem für ihn sichtbaren Bereich verschwinden. Die individuelle Anpassung der Suchergebnisse wird auch von den Nutzern weitgehend positiv eingeschätzt, auch wenn die dafür erforderliche Sammlung persönlicher Daten kritisch gesehen wird.10 Hier kann die Kontextualisierung einen Ausweg bieten – sie verspricht einen Großteil der Vorteile der Personalisierung, ohne jedoch auf einer umfassenden Datensammlung über individuelle Nutzer aufzubauen.
8 S. Pariser, Eli: The Filter Bubble: What the Internet Is Hiding from You. London: Viking, 2011. 9 Vgl. ebd. 10 Vgl. Jürgens et al. 2014, S. 107.
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5 Kontextualisierung Die Kontextualisierung beruht, wie oben beschrieben, nur auf Daten, die unmittelbar in einem Nutzungszusammenhang, also einer Session, ermittelt werden. Dies bedeutet beispielsweise, dass zwar vorangegangene Suchanfragen eines Nutzers aus derselben Session verwendet werden, nicht jedoch Anfragen aus vergangenen Sessions. Es ist also nicht notwendig, personenbezogene Daten über einen längeren Zeitraum zu speichern. Der Preis dafür ist, dass unterbrochene Sessions nicht fortgesetzt werden können und die Ergebnisse weniger zielgenau ausgesteuert werden können. Insofern eignet sich die Kontextualisierung beispielsweise nicht für die Unterstützung länger dauernder explorativer Suchen.11 Bei der Erfassung und Auswertung von Daten für die Kontextualisierung sind der Fantasie kaum Grenzen gesetzt: Neben offensichtlichen Daten – wie dem Standort des Nutzers und dem verwendeten Endgerät – können alle Verhaltensdaten, die über das benutzte Endgerät erfasst werden können, Verwendung finden. Neben den eingegebenen Suchanfragen, den Selektionen (Klicks) und der Verweildauer auf Dokumenten können das auch Sensordaten wie der Neigungswinkel des mobilen Endgeräts oder die aktuelle Fortbewegungsgeschwindigkeit sein. Was lässt sich nun mithilfe dieser Daten an Suchergebnissen verändern? Am einfachsten ist die Anpassung auf der Basis bereits gestellter Suchanfragen und ausgewählter Ergebnisse: Weitere Ergebnisdarstellungen können die vergangenen erfolgreichen oder nicht erfolgreichen Suchanfragen einbeziehen, um so zu immer präziseren Ergebnissen zu gelangen. Auch Informationen über die Verweildauer auf den angesehenen Dokumenten erlauben Rückschlüsse auf die Interessen und Relevanzurteile des Nutzers. Auf der Basis von implizit als positiv eingeschätzten Dokumenten können weitere, ähnliche Dokumente angezeigt werden. Schließlich können die Sensordaten Aufschluss über den aktuellen Nutzungskontext geben: Befindet sich ein Nutzer in einer Ruheposition, so ist er wahrscheinlich eher zu einer ausführlichen Recherche bereit. Aus einer Bewegung mit regelmäßigen Stopps und einer typischen Geschwindigkeit kann dagegen beispielsweise festgestellt werden, dass sich ein Nutzer auf einer U-Bahn-Fahrt befindet. Daraus könnte geschlossen werden, dass er schnell an ein paar relevanten Ergebnissen zum Überblick interessiert ist und seine Recherche nicht vertiefen möchte. Die Kontextualisierung auf der Basis von Sensordaten ist zwar noch nicht besonders weit fortgeschritten – und in vielen Bereichen nicht oder nur zu geringen Teilen implementiert –, sie bietet allerdings gute Möglichkeiten, Ergebnisse an individuelle Nutzer anzupassen, auch wenn diese Nutzer dem System bislang nicht bekannt sind oder schlicht eine übermäßige Sammlung personenbezogener Daten vermieden werden soll.
11 Vgl. White, Roth 2009.
Personalisierung und Kontextualisierung
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6 Voraussetzungen für Personalisierung und Kontextualisierung in Information Services Die Folge sowohl der Personalisierung als auch der Kontextualisierung ist, dass die Suchergebnisse für den Nutzer noch weniger transparent sind als beim konventionellen Ranking ohnehin schon. Dies ist jedoch ein Problem, das viel weitreichender ist und nicht allein auf diese beiden Verfahren bezogen werden kann. Es ergibt sich in allen Systemen, in denen große Datenmengen gesammelt und ausgewertet werden.12 Aus den beschriebenen Vor- und Nachteilen der beiden Verfahren ergeben sich folgende Handlungsempfehlungen für die Anbieter von Information Services, die ihre Suchergebnisse an individuelle Nutzer anpassen möchten: 1. Verfahren der Kontextualisierung sollten Vorrang vor Verfahren der Personalisierung haben: In vielen Fällen lässt sich eine Sammlung personenbezogener Daten vermeiden, indem Sessiondaten mit vorher gesammelten anonymen Massendaten kombiniert werden. Nur in Fällen, in denen die Personalisierung einen erheblichen Vorteil gegenüber der Kontextualisierung bietet, sollten Verfahren der Personalisierung eingesetzt werden. 2. Verfahren der Personalisierung und Kontextualisierung müssen abschaltbar sein: Nutzer müssen entscheiden können, ob sie eine Kontextualisierung und/oder Personalisierung wünschen. Dies ist notwendig, um die Suchergebnisse zwischen Nutzern vergleichen und die Zusammenstellung der Ergebnisse nachvollziehen zu können. 3. Den Nutzern muss vermittelt werden, dass individuelle Anpassungen erfolgen: Anpassungen auf der Basis von Kontextualisierung und/oder Personalisierung müssen verständlich gekennzeichnet sein. Es muss dem Nutzer möglich sein, leicht detaillierte Informationen über die Anpassung der Ergebnisse in seinem aktuellen Suchvorgang zu erhalten. 4. Es muss für jeden Nutzer möglich sein, die über ihn gesammelten Daten vollständig einzusehen und zu bearbeiten: Besonders bei der langfristigen Datensammlung muss es möglich sein, die Daten vollständig einzusehen, zu verändern und zu löschen. Dabei sind die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) selbstverständlich einzuhalten. 5. Auf die Datensammlung muss klar hingewiesen werden: Die DSGVO gibt vor, dass auf die Sammlung von Daten für die Kontextualisierung und die Personalisierung hingewiesen werden muss, unabhängig davon, ob diese Daten einem individuellen Nutzer zugeordnet werden können oder nicht.
12 Vgl. Weigend 2017.
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Dirk Lewandowski
Fazit Sowohl Personalisierung als auch Kontextualisierung bieten große Chancen, die Suchergebnisse für individuelle Nutzer zu verbessern. Allerdings ist stets zu hinterfragen, in welchem Umfang dafür Daten erhoben werden müssen, die auf einen individuellen Nutzer rückführbar sind. Vor allem öffentlich finanzierte Information Services haben eine besondere Verantwortung für den verantwortungsvollen Umgang mit den Daten ihrer Nutzer. Dies entbindet kommerzielle Anbieter natürlich nicht von dem Grundsatz der zweckbezogenen Datenminimierung; hier ist jedoch zu berücksichtigen, dass Geschäftsmodelle durchaus auf dem Grundsatz „Bezahlen durch persönliche Daten“ aufgebaut sein können. Allerdings ist auch hier die Transparenz in Bezug auf die Datenerhebung und -verarbeitung auf der Grundlage der DSGVO einzuhalten. Wie gezeigt wurde, eignen sich in vielen Fällen Verfahren der Kontextualisierung, deren wesentlicher Vorteil darin besteht, dass Ergebnisse zwar angepasst werden können, dies jedoch nicht auf der Basis langfristig erhobener Daten, die sich auf einzelne Nutzer beziehen, geschieht. Insofern hat die Kontextualisierung ein großes Potenzial, das in Information Services bisher kaum ausgenutzt wird.
Literatur Letztes Abrufdatum der folgenden Internet-Dokumente ist der 2018.03.08. Höchstötter, Nadine; Koch, Martina: Standard Parameters for Searching Behaviour in Search Engines and Their Empirical Evaluation. In: Journal of Information Science 35, 2009, S. 45–65. Jürgens, Pascal; Stark, Birgit; Magin, Melanie: Gefangen in der Filter Bubble? Search Engine Bias und Personalisierungsprozesse bei Suchmaschinen. In: Die Googleisierung der Informationssuche. Stark, Birgit et al. (Hrsg.). Berlin, Boston: De Gruyter, 2014, S. 98–135. Lewandowski, Dirk: Suchmaschinen verstehen. Berlin, Heidelberg: Springer, 2015. http://link. springer.com/10.1007/978-3-662-44014-8 Lewandowski, Dirk: Query Understanding. In: Handbuch Internet-Suchmaschinen 2: Neue Entwicklungen in der Web-Suche. Lewandowski, Dirk (Hrsg.). Heidelberg: Akademische Verlagsgesellschaft AKA, 2011, S. 55–75. Linhart, Alexandra Svantje: Query Understanding in EconBiz. Wie suchen die Nutzer von EconBiz? Eine Analyse der Suchlogs des Suchportals der Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften. Hamburg: Hochschule für Angewandte Wissenschaften, 2015. http://www.librank.info/wp-con tent/uploads/2016/07/Linhart-2015-Query-Understanding-in-EconBiz.-Wie-suchen-die-Nutzervon-EconBiz-Eine-Analyse-der-Suchlogs-des-Suchportals-der-Zentral.pdf Riemer, Kai; Brüggemann, Fabian: Personalisierung der Internetsuche – Lösungstechniken und Marktüberblick. In: Handbuch Internet-Suchmaschinen. Lewandowski, Dirk (Hrsg.). Heidelberg: Akademische Verlagsgesellschaft AKA, 2009, S. 148–171. Weigend, Andreas: Data for the People: How to Make Our Post-Privacy Economy Work for You. New York: Basic Books, 2017. White, Ryen: Interactions with Search Systems. New York: Cambridge University Press, 2016. White, Ryen W.; Roth, Resa A.: Exploratory Search: Beyond the Query-Response Paradigm. In: Synthesis Lectures on Information Concepts, Retrieval, and Services 1, 2009, S. 1–98.
Frank Seeliger
Smart Services als Marketinginstrument Abstract: Bei einem ubiquitären Attribut wie dem hier bedeutungstragenden „smart“ überkommt einen schnell das Gefühl, dass man es nur schwer zu fassen bekommt. Was ist nicht smart? Die drei Autoren der HPI-Studie zur Blockchain-Technologie verstehen konkret unter fehlender „Smartness“ eine nicht zielführende Wertschöpfung in dem Sinne, dass es nicht ausreiche, Geräte um ihrer selbst willen zu vernetzen, ohne ihnen eine sinnvolle Funktionalität zu verleihen. Gemeint sind damit „expressis verbis“ die uns in Bibliotheken vertraute RFID-Technologie und das Internet of Things oder zu Deutsch: Internet der Dinge.1 Es ist nicht einfach, Smartness zu beschreiben, und trotzdem ist sie in aller Munde. Smart Services sind ein topaktuelles Thema, das in zahlreichen Publikationen nicht nur bezogen auf industrielle Produktionsprozesse diskutiert wird, sondern auch im Zusammenhang mit dem öffentlich finanzierten Dienstleistungssektor. Unter diesen Gegebenheiten werden in diesem Beitrag Smart Services untersucht, um die Erkenntnisse auf Bibliotheken und Informationseinrichtungen zu übertragen und ihr Potenzial abzuschätzen, das Dienstleistungsportfolio von Bibliotheken und Informationseinrichtungen zu ergänzen.
Einleitung Damit das Versprechen im Titel des Beitrags eingelöst werden kann und dies vielleicht zu einem konzeptionellen Programm für Bibliotheken anregt, ist eine schrittweise Annäherung an diese Art der Dienstleistung, das Verständnis davon in anderen Branchen und ihr vermeintliches Potenzial unerlässlich. So viel Zukunftseuphorie im Titel steckt, so nahe liegt zugleich die Gefahr, das Thema lediglich auf wenige Aspekte zu verknappen. Gerade Modewörter wie Industrie 4.0, Internet of Things, Cloud etc. und die unterschiedlichen hergestellten Bezüge und Kontexte in den jeweiligen Branchen und Domänen erzeugen eine Unschärfe, die es schwierig macht, solche Hypes konkret und präzise darzustellen, um sie im eigenen Umfeld als Anregung zu antizipieren. Es folgen zwei Beispiele für Smart Services, wie sie für noch zu erwartende Dienstleistungen im Umfeld von Informationseinrichtungen umgesetzt werden können.
1 Vgl. Meinel et al. 2018, S. 80. https://doi.org/10.1515/9783110539011-023
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1 Marketing und Dienstleistungen Marketing beschreibt vereinfacht ausgedrückt im Allgemeinen die Aufgabe, ein Produkt oder eine Dienstleistung als Ergebnis eigenen gestalterischen und unternehmerischen Handelns in einer Weise dem Kunden anzubieten, dass dieser das Angebot als wünschenswert wahrnimmt. In der idealen Zielsetzung der Bedürfnisbefriedigung hat man dabei das mantraähnliche Bonmot von Theodore Levitt vor Augen, wonach „people do not want to buy a quarter-inch drill, they want a quarter-inch hole“2. Der Kunde will also nicht zwingend einen Bohrer, sondern ein Resultat: das Loch in der Wand. Ein anderes Beispiel: Will man stets online auf alle (Streaming-)Dienste seines Smartphones zurückgreifen, interessiert weniger der konkrete Mobilfunkstandard wie UMTS, 3G oder 4G, sondern der ungestörte und stetige Empfang. Überträgt man diesen Marketing-Ansatz im Kontext von smart auf Bibliotheken, kann dies z. B. bedeuten, dass eine Bibliothek dem Kunden nicht nur einen gewünschten (Zeitschriften-)Beitrag oder ein selbstständiges Werk besorgt bzw. liefert, sondern darüber hinaus auf die konkret gesuchte Information in dem Beitrag bzw. dem Werk hinweist. Denn in vielen Fällen sucht der Kunde nur ein Zitat, einen Absatz oder eine Referenz. Am besten erfolgt ein solcher Hinweis noch während des Lern- und Schaffensprozesses, also z. B. unmittelbar beim Verfassen eines wissenschaftlichen Textes. Taktgeber sind in diesem Feld viele alternative Informationsdienste wie Google, ResearchGate oder Wikipedia, aber auch illegale Plattformen wie z. B. Sci-Hub.
Bibliotheksdienstleistungen sind weitgehend öffentliche bzw. nicht kommerzielle Güter, die weitgehend kostenfrei offeriert werden. Gewinn und schwarze Zahlen sind nicht der unmittelbare Antrieb des unternehmerischen, verantwortungsvollen Handelns. Der allgemeine Zugang zu Information und Wissen in jedweder publizierten Form verkörpert dabei den Archetypus von Bibliotheksdienstleistungen für eine sich stetig ausdifferenzierende Zielgruppe. Was mit Kettenbüchern für eine auserwählte und privilegierte Klientel begann, öffnete sich sukzessive zu öffentlichen Leihbibliotheken und entwickelt sich beständig zum modernen Dienstleistungsbetrieb weiter. Bibliotheken bieten über die Generationen hinweg immer neue und vielfältigere Services an – sowohl in der physischen als auch in der digitalen Welt. Dabei darf Bibliotheksarbeit nicht auf den unmittelbaren Service am Kunden reduziert werden. Sie umfasst auch nachhaltige Arbeit, bei der übergeordnete gesellschaftliche Belange an Bedeutung gewinnen und die damit über Momentaufnahmen extemporierter Bedarfe und den obwaltenden Zeitgeist hinausgehen. Ist man mit der Welt unterwegs, teilt man mit ihr die Vorläufigkeit. Bibliotheken und Informationseinrichtungen unterscheiden sich deutlich von Mitbewerbern, da sie ihre Erfolge nicht nur auf Kurz-
2 Norman 2016, S. 41.
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fristigkeit ausrichten, sondern auch auf Langfristigkeit und Beständigkeit. Man denke z. B. an selten konsultierte Werke im Bestand, die trotz der geringen Nachfrage ihren festen und keinesfalls nur antiquarischen Platz in der Sammlung haben und durch besondere Ereignisse, z. B. den Literaturnobelpreis, wieder zu einem Star im Sinne der Portfolioanalyse avancieren können. Für diese „Backstage“-Aufgaben schaffen präsentable Dienstleistungen durchaus Chancen, den Long Tail3 auszunutzen und neue Freiräume zu gestalten. Vielleicht sind es gerade diese Aufgaben, die einmal die Grundlage für neue Angebote (z. B. Linked Open Data) und Smart Services sein werden. Was macht aber nun den „Smart Service“ im Dienstleistungsportfolio von Informationseinrichtungen aus?
2 Smart und Smart Services Worin liegen die etymologischen, lexikalischen und im Sprachgebrauch zu suchenden eindeutigen Bedeutungen des Begriffs „smart“? Wie lässt sich das Wort disambiguieren, und worauf weist es im vorliegenden Fall bezogen auf eine Serviceleistung von Bibliotheken hin? Der Terminus technicus „smart“ wird als Modewort und „Epitheton ornans“4 im Alltag heute inflationär verwendet. Das Wort verrät manche Substitutionsnähe zum keineswegs durchweg unternehmensbezogenen „i“, oder hätte es auch Bibliotheksservice 2.0 heißen können?5 Bekannte Kombinationen sind Smart TV, Smart City, Smart Factory, Smart Home, Smartphone, Smartwatch, Smartboard, Smart Fortwo als eigenständige Automarke, in Kombination mit Radiowellen, wie RFID/NFC, als Smart-Tag oder Smartcard. Blickt man auf den bekannten Gartner Hype Cycle for Emerging Technologies6 aus dem Jahr 2017, dann sind weitere Kombinationen im Aufwind, wie Smart Dust, Smart Robots oder Smart Workspace.7 Teilweise wird der Begriff „smart“ auf die gesamte Bibliothek übertragen, so z. B. im Land
3 Eingeführt wurde der Begriff 2006 von Chris Anderson; s. dazu Anderson, Chris: The Long Tail. Why the Future of Business Is Selling Less of More. New York: Hyperion, 2006. Auf Informationseinrichtungen bezogen könnte man diesen Ansatz in dem Sinne umschreiben, dass weniger nachgefragte Medien durch die Virtualisierung – sozusagen als Nische – an Bedeutung für quantifizierbare Nutzungen gewinnen. 4 Epitheton ornans bedeutet schmückendes Beiwort. 5 Man denke in dem Zusammenhang an die bibliothekarischen Workshops zum Thema Science 2.0 und die mögliche strategische Allianz mit Dienstleistungen, die von Informationseinrichtungen erbracht werden. S. bspw. https://www.zbw-mediatalk.eu/2015/06/wie-koennte-eine-science-2-0-strate gie-fuer-bibliotheken-aussehen/ (Abruf: 2018.05.23). 6 Zu dem Hype Cycle, der den Verlauf vom Erscheinen einer neuen Technologie und der Erwartungshaltung ihr gegenüber bis zur Produktivität beschreibt, s. https://en.wikipedia.org/wiki/Hype_cycle (Abruf: 2018.05.23). 7 S. https://www.gartner.com/smarterwithgartner/top-trends-in-the-gartner-hype-cycle-for-emergingtechnologies-2017/ (Abruf: 2018.05.23).
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Brandenburg, wo manche Stakeholder ihre Bibliotheken als Smart Library bezeichneten, nachdem sie die RFID-Technologie eingeführt hatten. In seiner Bedeutung geht das Konzept „smart“ weit hinaus über die einfache Übersetzung aus dem Englischen mit schlau, klug, pfiffig, intelligent und gewitzt, um nur einige der Quellsprache entlehnte Bedeutunbgen zu nennen. Diese semantische Weitung des Adjektivs „smart“ lässt sich nach umfänglicher Lektüre in verschiedenen branchenbezogenen Echoräumen paraphrasieren mit vernetzt und den Medien- und Kommunikationsbruch von online versus offline überwindend oder als Service der technologischen Avantgarde im Zusammenspiel von Realität und Virtualität fassen.
3 Smart Services im Spannungsfeld zwischen Bibliothek 2.0 und Industrie 4.0 Eine Suche im Internet nach Smart Services liefert, auch bei wissenschaftlichen Suchmaschinen, unzählige Referenzen inklusive des Hinweises auf die Wissensallmende schlechthin. Wikipedianer sehen in Smart Services eine Kombination physischer und digitaler Mehrwertleistungen, die als technische Infrastruktur auf ein cyber-physisches System (CPS) aufsetzen. Ein Beispiel für ein CPS in Bibliotheken ist z. B. ein mit RFID ausgestattetes Buch, worüber dessen aktuelle Position in den Räumen der Bibliothek über das Internet permanent ermittelt werden kann. Ein anderes Anwendungsbeispiel von Smart Services sind z. B. Produktionsstrecken oder Aufzüge, die über eine Sensorik verfügen, die drohende Ausfälle meldet oder eine anstehende Reparatur automatisch umsetzt. Das mit Smart Services verknüpfte große Zukunftsprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung namens „Smart Service Welt – Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Internetbasierte Dienstleistungen für die Wirtschaft“8 zielt bereits auf Industrie 4.0. Damit drängt sich zwangsläufig folgende Frage auf: Welche Form von Bibliothek 2.0 verknüpft man mit Smart Services? Sind die in den Beiträgen dieses Handbuchs angeführten Beispiele zu Tagging-Systemen, Suchmaschinen, mobilen Angeboten, Gaming, Social-Web-Aktivitäten, kollaborativen Plattformen schon Smart Services im engeren Sinne? Und: Bedeuten Smart Services bereits einen Quantensprung zur „Bibliothek 4.0“? Hierzu würde passen, dass z. B. die „Arbeitsgemeinschaft für juristisches Bibliotheks- und Dokumentationswesen“ (AjBD) bereits Ende 2015 eine Veranstaltung zum Thema „Juristische Bibliotheken zwischen Fachreferat und Web 4.0“ in München durchführte.
8 S. https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Digitale-Welt/smart-service-welt-internetba sierte-dienste-fuer-die-wirtschaft.html (Abruf: 2018.05.23).
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Worin besteht insgesamt der Zusammenhang zwischen Smart Services und Industrie 4.0? In den gängigen Nachschlagewerken versteht man retrospektiv unter Industrie 1.0 gemeinhin die Phase der mit Dampf- und Wasserantrieb vorangebrachten Mechanisierung der Arbeit im 18. Jahrhundert. Ab Ende des 19. Jahrhunderts folgten mit Fordismus, Taylorismus u. a. Verfahren der Massenproduktion, die bereits durch Elektrifizierung einen hohen Grad an Automatisierung und Prozessoptimierung erreichten und rückblickend Industrie 2.0 betitelt werden. Mit dem Einfluss von Elektronik, Rechentechnik und Informatik setzte ab Ende der 1960er Jahre die Phase Industrie 3.0 ein. Heute befinden wir uns im Zeitalter von Industrie 4.0, dessen charakteristische Merkmale sogenannte cyber-physische Systeme (CPS) sind, die kurz gesagt alle Realien und Veränderungen mechanischer Systeme digital erfassen, verbinden und webtauglich in Echtzeit präsentieren.9 Analog zur Zahlenfolge in der Industrie existieren im Internet Versionierungen des Web, von den Anfängen mit statischen Seiten unter Web 1.0 über das um die Social-Web-Komponenten ergänzte Web 2.0 bis hin zum semantischen Web 3.0. In einigen Jahren soll mit der Versionierung 4.0 ein sogenanntes intelligentes Web folgen, das KI-basiert ist. Das Konzept Bibliothek 2.0 möge als Surrogat für die These stehen, dass der Kunde sich im Sinne von Teilhabe, Interaktion, Kollaboration und Partizipation über verschiedene Plattformen aktiv in die Bibliotheksarbeit einbringen kann und sich so die Rollen von Bibliothekar und Kunde verschieben. Ob es rückblickend eine feingliedrigere Versionierung als numerisches Suffix zum Begriff Bibliothek geben wird, sei dahingestellt. Für alle Entwicklungen der uns naheliegenden Serviceeinrichtung sollte aber der althergebrachte Begriff Bibliothek, darauf liegt mein Primat, bindend sein.
4 Smart Services in der Industriewelt Riemensperger definiert Smart Services folgendermaßen: „Smart Services sind Dienstleistungen auf Grundlage von Produktinformationen. Diese können neue Einnahmequellen sein sowie die Kundenbeziehungen und -bindung über den Kauf der Produkte hinaus verlängern.“10 Er führt weiter aus: „Smart Services entstehen durch Produkte, die mit internetfähigen Kommunikationstechnologien ausgestattet sind und die so auch nach dem Verlassen der Fabrik für Kunden oder Hersteller digital erreichbar sind.“11 Ähnlich formulieren es Gerberich und Schweigart in einer aktuellen Anthologie zu dem Thema:
9 Vgl. Reinhart 2017. 10 Riemensperger 2016, S. 40. 11 Ebd.
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Smart Services umfassen das gesamte Spektrum physischer sowie digital anschlussfähiger Leistungen und entstehen durch die Verschmelzung von physischen und internetbasierten Dienstleistungen.12
Abb. 1 verortet das Konzept Smart Services im Verhältnis zu angrenzenden Feldern.
Individualisierung Digitalisierung Vernetzung
Neue Geschäftsmodelle Cyber-physische Systeme
Flexibilität
Kunde als Prosumer
Smart Services
Big Data One Piece Flow Agilität Open Innovation
Abb. 1: Hype-Schlagworte der Industrie 4.013
Interessant ist bei der neuen Betrachtung der informationszentrierten Logistikkette zum Kunden durch Hersteller und Dienstleister via Online-Kommunikation, dass sich die Wareneingangs- und -ausgangsszenarien von vorwiegend einmaligen und auf Produkte ausgerichteten Transaktionen verändern. Abb. 2 zeigt in einer schematischen Darstellung produktbegleitender Dienstleistungen, dass aus linearen Kundenbeziehungen zunehmend kreislaufähnliche Kundenbindungszyklen werden. Diese kommerziell induzierten Transformationsprozesse der produktbezogenen Kundenbindung kommen über den Smart Service der Grundidee von Informationseinrichtungen sehr nahe. Bibliotheken sehen sich als eine Art kreislaufförmiges Logistikzentrum für qualifizierte Informationen. Das gleiche Produkt kann immer wieder neu von „Bestands- oder Neukunden“ ausgeliehen werden. Recycling bzw. Upcycling und Sharing Economy beschreiben Nutzungskonzepte, die Bibliotheken inhärent sind, wobei Bib
12 Gerberich, Schweigart 2017, S. 110. 13 Eigene Darstellung in Anlehnung an Gerberich, Schweigart 2017, S. 111.
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liotheken es in weiten Teilen versäumt haben, daraus neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, wie dies Unternehmen, z. B. Airbnb, getan haben. Neben dem inneren Kreis um ein Medium würde der äußere Kreislauf z. B. das Faktum beschreiben, dass die Anschaffungswünsche der Kunden in Bezug auf aktuelle Publikationen in das Bestandsmanagement mit einfließen. Der kommerzielle Vertrieb ähnelt damit mehr noch als früher den Prinzipien von Bibliotheksprodukten, wodurch in diesem industriellen Bereich entfaltete Kreativität ebenfalls Anregungen für Informationseinrichtungen geben kann.
Digitaler Dienstleistungsprozess vor dem Kauf
Digitaler Dienstleistungsprozess beim Kauf
Produkt
Digitaler Dienstleistungsprozess nach der Nutzung
Digitaler Dienstleistungsprozess bei der Nutzung
Abb. 2: Die vier Felder der produktbegleitenden Dienstleistungen14
Man begegnet solcher technologischer Avantgarde als Kunde, wenn man beispielsweise bei verschiedenen Automarken zunächst individualisiert sein Auto im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten browserbasiert nach verschiedenen Kriterien zusammenstellt. Nach der Bestellung kann man den Produktions- und Ausstattungsprozess verfolgen und lässt sich darüber informieren, wie das Wunschprodukt konfektioniert und zur Abholung bereitgestellt wird. In ähnlicher Weise werden Benachrichtigungen darüber versendet, in welchem Auslieferstatus Paketsendungen vorliegen, die sich bei Bedarf auch noch verändern lassen.
14 Eigene Darstellung in Anlehnung an Gerberich, Schweigart 2017, S. 116.
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Status quo der Serviceleistungen von Bibliotheken Sieht man das gedruckte Werk als Produkt an, dann liegen in Bibliotheken vergleichbare Dienstleistungen oder Smart Services bereits vor, z. B. bei der technisch unterstützten Bereitstellung vorgemerkter oder ferngeliehener Werke (inkl. Fernleihautomaten mit 24/7-Zugang, wie am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), bei der Umsetzung von Anschaffungsvorschlägen, bei Erinnerungen und Mahnungen zu Medien, bei Merklisten zu Suchstrategien sowie bei Alert-Services. Der weithin bekannte und etablierte Dokumentenlieferdienst Subito muss nicht nur in diesem Zusammenhang genannt werden, sondern es muss hervorgehoben werden, dass er durch den „gelebten“ Servicegedanken besticht, der sich z. B. durch die direkte Lieferung an die Wohnadresse des Kunden mit genauer Terminierung (binnen eines oder dreier Tage) zeigt. Mit diesen Beispielen wird deutlich, dass vom „Unternehmen“ Bibliothek bereits intelligente Dienstleistungen zum Produkt und seinem Status für die Nutzer angeboten werden. Ist somit durch das Label „Smart Service“ lediglich „alter Wein in neue Schläuche“ gegossen worden? Wohl kaum, denn gerade weil sich Informationsmärkte neu aufstellen, müssen Bibliotheken aktuelle Entwicklungen antizipieren und dafür ggf. sinnvolle Anwendungen finden. Amazon, Apple, Google und Facebook prägen in hohem Maße Erwartungen, die als Maßstab auch an Bibliotheken angelegt werden. Der hohe Veränderungsdruck schließt auch die intrinsische Motivation nicht aus, mit den neuen, gerade den technischen Möglichkeiten Bedarfen kundennäher zu entsprechen. Der Auftrag an die Bibliotheken und Informationseinrichtungen geht dabei weniger in die Richtung von Demut vor den auch BAADD15 genannten Tech-Giganten als vielmehr in Richtung kritische Distanz, Re-Engineering und Neues versuchen.
5 Von Smart Services zu Smart Libraries Gibt es schon Smart Services in Bibliotheken? Folgende Beispiele zeigen, dass man sich mit diesem Thema bereits auseinandersetzt: Die #VisDom2016 thematisierte auf ihrer Tagung 2016 in Potsdam das Thema „Smart Libraries“ und fokussierte dabei auf die Sichtbarkeit sowohl der Institution Bibliothek als auch ihrer Bestände und Dienstleistungen im Internet. Im Cluster „Smart Libraries“ ging es um das iLab als Forschungslabor für das Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Hum-
15 Das Akronym wurde von der wöchentlich erscheinenden Zeitschrift The Economist geprägt und wird im Leitartikel der Ausgabe vom 18. Januar 2018 unter dem Titel „Competition in the digital age – How to tame the tech titans“ erklärt: „Not long ago, being the boss of a big Western tech firm was a dream job. As the billions rolled in, so did the plaudits: Google, Facebook, Amazon and others were making the world a better place. Today these companies are accused of being BAADD—big, anticompetitive, addictive and destructive to democracy. Regulators fine them, politicians grill them and one-time backers warn of their power to cause harm.“ The Economist 2018. https://www.economist. com/leaders/2018/01/18/how-to-tame-the-tech-titans (Abruf: 2018.07.28)
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boldt-Universität zu Berlin (HU Berlin) mit Möglichkeiten für Usability-Studien, Eyetracking, Retrieval-Experimente etc. sowie um eine Reception-App der ZBW – LeibnizInformationszentrum Wirtschaft. Diese erlebniszentrierte App verbindet anschaulich die Räumlichkeiten der großen Informationseinrichtung mit physischen und digitalen Angeboten. Zudem fand mit Studierenden des sechsten Semesters des Studienganges Bibliotheksmanagement an der Fachhochschule Potsdam (FH Potsdam) ein „SmartLibraries-Seminar“ statt, im Rahmen dessen Konzepte und Entwürfe zum Thema „Bibliothek der Zukunft“ entwickelt wurden. Die Entwürfe beinhalten sowohl neue intelligente Möbel und Digital Desks als auch vollautomatisierte Buchrückgabesysteme.16 Oder man denke an den von Marshall Breeding über die ALA schon seit vielen Jahren herausgegebenen „Smart Libraries Newsletter“17, versehen mit dem Untertitel „Smarter Libraries through Technology“. Breeding selbst schrieb zu einer Anfrage hinsichtlich der Namensgebung: The name ‚Smart Libraries Newsletter‘ was created by the publisher, ALA TechSource, replacing the previous name ‚Library Systems Newsletter‘. There is no specific definition of what constitutes a ‚smart library‘ underlying the content of the newsletter other than making good use of technology in support of its operations and strategies. It is interesting to learn how the word is being used in Germany, but my use of the term is much less specific.18
Wieder eine Trendwende? In Anbetracht der vielschichtigen Bedeutungsebenen des Schlagwortes Smart Services wird dieser Begriff im Folgenden im Sinne eines kombinierten On- und Offline-Services am Kunden verstanden als ein Produkt, das die physische mit der virtuellen Welt über eine moderne technologische Lösung verbindet. Einige Anwendungsszenarien sollen die Bedeutung von Smart Services herausstellen.
6 Smart Service: Pull-Marketing Push-Marketing nennt man die klassische Bewerbung von Produkten mit ihrer plakativen Dauerpräsenz in der realen und in der Online-Welt. Doch zunehmend geht der Anstoß einer Kommunikation nicht mehr nur vom Anbieter, sondern auch vom Kunden aus. Beim Pull-Marketing werden Kunden selbst aktiv und recherchieren beispielsweise nach Informationen zu bestimmten Produkten oder Dienstleistungen. 65 00019 Suchanfragen verarbeitet allein Google in jeder Sekunde.20 100 000 ernst zu nehmende Suchsysteme gibt es laut Fischer in Deutschland, an erster Stelle steht der
16 17 18 19 20
Vgl. Freyberg 2016, S. 366. S. https://journals.ala.org/index.php/sln (Abruf: 2018.05.23). E-Mail-Auskunft von Marshall Breeding vom 21. Dezember 2017. Stand Mai 2018. Die aktuelle Zahl kann z. B. über http://live-counter.com abgerufen werden.
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Online-Versandhändler Amazon.21 In der Konsequenz müssen alle Anbieter von Dienstleistungen sich die Fragen stellen: Wie komme ich in dieses Suchspiel mit hinein? Was sind die Spielregeln? Wie werde ich auffindbar?22 Wie sich Bibliotheken in diesem Feld der Suchmaschinen behaupten können, ist nicht unbekannt: angefangen bei der sogenannten Suchmaschinenoptimierung, die z. B. mit der Verschlagwortung des eigenen Webauftritts beginnen kann. Berücksichtigt werden sollten auch geografische Angaben, die in Karteneinblendungen auf den konkreten Ort referenzieren. Zusätzlich gibt es weitere Angaben. Diese betreffen z. B. die Raumnutzung nach Uhrzeiten gestaffelt als relative Häufigkeiten (Popular Times bei Google) oder ggf. über Indexierung andere Angaben zu zentralen Diensten, zu Bestands- und Verfügbarkeiten (indirekt mittels OCLC WorldCat über den Service Google Books). Bei wissenschaftlichen Suchmaschinen und Plattformen, wie z. B. Google Scholar, Scopus, Web of Science etc., sind Linkresolver wie SFX von Ex Libris eine elegante Lösung. In letzter Konsequenz verzichtet so manche Bibliothek, wie z. B. die Utrecht University Library, auf ein hauseigenes Discovery-System und weist ihre Bestände über den klassischen webOPAC und in den gängigen Datenbanken und deren Suchumgebungen nach. Weiteres Potenzial für Discovery Services sind der Einsatz transparenter RankingAlgorithmen, Facettierungen nach verschiedensten Qualitätskriterien und die Ermöglichung der semantischen Suche, die bisher konkurrenzlos ist, wie etablierte Dienste, z. B. Google Scholar, zeigen. Die Bayerische Staatsbibliothek (BSB) in München bietet hierfür Yewno als semantischen Discovery Service auf der Grundlage englischsprachiger Open-Access-Volltexte an:
Yewno findet Themen und Konzepte (Suchbegriffe und ihre Abstraktionen) in englischsprachigen digitalen Texten mit Methoden des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz. Als Ergebnis Ihrer Suchanfrage werden die Konzepte, die Ihre Anfrage betreffen, in vielfältigen sachlichen Beziehungen als graphisches Netzwerk präsentiert, über das Sie einfach navigieren können. Auch versteckte thematische Beziehungen werden hier sichtbar gemacht, die vom Bekannten zu neuen Entdeckungen führen. Der Yewno-Zugang über die Bayerische Staatsbibliothek ermöglicht Ihnen, über einen interdisziplinären Ausschnitt aus aktuellen englischsprachigen Fachzeitschriften verschiedenster Fachgebiete [zu] recherchieren. Die zu den Themen gehörigen Artikel werden in Ausschnitten unmittelbar angezeigt und können in den meisten Fällen direkt als Volltext aufgerufen werden.23
In maschineller Nacharbeit werden nach den Regeln der Informationsverarbeitung aktuell automatisch Konzepte in den Textkorpora extrahiert und logisch miteinander
21 Vgl. Fischer 2017. 22 S. den Beitrag „Zugänglichkeit von Information Services und ihren Inhalten über Suchmaschinen“ von Dirk Lewandowski in diesem Handbuch. 23 Bayerische Staatsbibliothek 2018.
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verknüpft, sodass z. B. das Konzept „Library“ nicht nur das favorisierte Konzept referiert, sondern auch die innerhalb der Biologie und der Informatik genutzten Bibliothekskonzepte zur Disambiguierung anzeigt.24
7 Smart Service: Virtualisierung des aktuellen Raumangebots Die Bibliothek als Lern- und Arbeitsort ist „en vogue“ und „Locus amoenus“. Welche Smart Services wurden um die Bibliothek als Dritten Ort herum geschaffen? Beispielsweise sind sogenannte „Parkscheiben“ als Instrument gegen die Blockierung von Plätzen, z. B. in Universitätsbibliotheken in Berlin, Bremen, Freiburg im Breisgau, München und Münster, ebenso verbreitet wie Leitsysteme, die freie Arbeitsplätze anzeigen. Standard, vor allem bei wissenschaftlichen Bibliotheken, ist die grafische Anzeige zu dem aktuellen Standort eines Werkes in den jeweiligen Räumlichkeiten der Bibliothek sowie seiner Verfügbarkeit. Zwei- bis dreidimensionale Darstellungen des oft mehretagigen Bibliotheksraumes weisen das jeweilige Regal – oft optisch hervorgehoben – aus, um für die erste Orientierung dem Interessenten einen schnellen Zugriff auf das Medium zu ermöglichen. Steht man vor dem passenden Regal bzw. Regalsegment, sucht man das konkrete Werk zur Feinjustierung nach der Buchsignatur im jeweiligen Regalboden. Kaum eine Bibliothek kann sich den technischen Aufwand leisten, tagesaktuell die Standorte und die Verfügbarkeit der Inhouse-Medien zu ermitteln. Die Ausnahme bildet seit 2010 die Kunstbibliothek im Sitterwerk in St. Gallen. Im Kontext einer dynamischen Ordnung bietet sie jedem Kunden an, sich „seine“ Themenfelder selbst zusammenzustellen. Die mehrmals täglich erfolgende und vollautomatisch organisierte RFID-Inventur ermöglicht die Ermittlung aller aktuellen Medienstandorte. Über den klassischen Online-Katalog sind die Werke wieder sehr genau im jeweiligen Regalsegment auffindbar. Zudem lassen sich inzwischen die Bücher und Materialien einer Suchabfrage im Katalog in einer Übersicht im Regal und Schubladenstock anzeigen. Damit wird unmittelbar einsehbar, wie sich die Themenfelder darin formieren.25 Die Neuerungen gehen aber noch weiter:
Eine wichtige Ergänzung im neuen Katalog ist die integrierte Suchfunktion der Zusammenstellungen, d. h. der spezifischen Buch- und Materialrecherchen, die von Besucherinnen und Besuchern des Sitterwerks festgehalten werden. Mit dem neuen Online-Katalog kann man nach
24 S. dazu Gillitzer, Berthold: Vom Recherchesystem zum inferentiellen Service – ein Paradigmenwechsel? Yewno, ein semantischer Discovery Service im Pilotversuch an der Bayerischen Staatsbibliothek. In: Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 64, 2017, H. 2, S. 71–78. 25 Vgl. Sitterwerk 2018.
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Frank Seeliger
Belieben in unseren Sammlungen stöbern, mit wenigen Mausklicks die Regale der Kunstbibliothek absuchen und verfolgen, was vor Ort auf der Werkbank, unserer analog-digitalen Tischoberfläche, erarbeitet und dokumentiert wird.26
In reduzierter Form existiert ein solcher Service an der TH Wildau für die sogenannten Rückstelltische. Legen Nutzer die Medien nach dem Gebrauch auf den mit RFIDTechnik ausgestatteten Rückstelltischen zur späteren Feinsortierung und zum Reponieren durch das Fachpersonal ab, werden diese Standorte außerhalb der Aufstellungssystematik in den Recherchetools als aktuelle Position ausgewiesen.27 Bei großen Universitätsbibliotheken erweist sich häufig die Anzahl der verfügbaren Arbeitsplätze im Sinne eines Angebots als zu gering. Hier liegt die Nachfrage weit über dem Platzangebot. Reglementierungen des Zugangs und Parkscheiben-Vergabe waren die Folge. Einen anderen Weg ging man u. a. in der Bibliothek des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT): Hier wurde ein webbasiertes Leitsystem für Arbeitsplätze entwickelt, das den Kunden freie Lern- und Arbeitsplätze anzeigt. Ähnlich einem Parkleitsystem stellt das Leitsystem in einer Balkengrafik dar, wie viele Plätze an den verschiedenen Standorten und in den einzelnen Räumen der KIT-Bibliothek insgesamt vorhanden und wie viele davon aktuell frei sind. Die technische Grundlage für diesen Service bieten vorhandene WLAN Access Points, bei denen u. a. ausgezählt wird, wie viele Geräte online sind.28 Weitere Technologien, wie die Bluetooth-basierte iBeacon-Technologie, die u. a. an der BSB München, am KIT oder in der Bibliothek der TH Wildau eingesetzt wird, erweitern das Angebot des sogenannten Behavioral Enrichment.29 Gerade die Idee von 24/7 sowie das Konzept der Open Library30 zielen darauf ab, Kunden auch nachts und an Feiertagen in der Bibliothek zu unterstützen. Die ersten Testreihen mit dem Einsatz humanoider Roboter als kommunikative und mobile Litfaßsäulen, wie an der TH Wildau, versprechen hier weiteren Smart Service am Kunden. Diese Entwicklung folgt dem Trend sprachgesteuerter Dienste, von Siri und Cortana über Watson bis hin zu Alexa.31 Zudem geht es darum, humanoide Roboter mit selbstlernenden Verfahren auszustatten.
26 Sitterwerk 2018. 27 S. den Beitrag „Lokales Marketing“ von Ursula Georgy in diesem Handbuch. 28 Vgl. Dierolf et al. 2013, S. 216 f. 29 S. den Beitrag „Lokales Marketing“ von Ursula Georgy in diesem Handbuch. 30 Open Library bezeichnet ein Konzept, das den Zugang zu Bibliotheken auch außerhalb der regulären Öffnungs- und Servicezeiten gewährleistet. 31 S. den Beitrag „Sprachsteuerung und digitale Assistenten im Informationsmarketing“ von Sebastian Sünkler und Friederike Hanisch in diesem Handbuch.
Smart Services als Marketinginstrument
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Fazit Versteht man unter Smart Service eine ebenso ergebnis- wie ereignisorientierte Dauerbindung zwischen der Serviceeinrichtung, dem Kunden und dem Produkt bzw. der Dienstleistung, wie sie gerade über verschiedenste Webservices technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar ist, so sind Bibliotheken in diesem Marketingsegment bereits erfahren und schon lange erfolgreich aktiv. Die Entwicklung schreitet jedoch schnell voran und Bibliotheken stehen im Wettbewerb nicht nur mit weiteren Gedächtnisinstitutionen (z. B. Archiven, Museen), sondern auch mit global und kommerziell aufgestellten Playern auf dem Informationsmarkt. Bibliothekskunden sind auf intuitive Usability, die Lieferung Just in Time am Point of Need sowie vielfältige Mehrwerte konditioniert. Sie erwarten dies auch von Bibliotheken. Meines Erachtens liegt es nahe, gerade den persönlichen Kontakt zum Kunden und die Kenntnis der Klientel zu nutzen, um individualisierte und passgenaue Angebote in entsprechender Qualität zu unterbreiten – ob im Rahmen der genannten Beispiele oder für andere Produkte und Dienstleistungen. Dazu gehören auch Dienste, die in diesem Beitrag nicht vorgestellt wurden, z. B. die verschiedenen Recommender-Systeme, die breite Palette an Möglichkeiten durch Smartphone-Apps, wie Push Notification, iBeacon etc., sowie die webbasierten und smartphonetauglichen Buchungssysteme für Lernräume und Carrels,32 wie sie beispielsweise in dem Projekt cUBe der Universitätsbibliothek Bern angewendet werden.33 Insgesamt wird jede Bibliothek für sich abwägen müssen, ob sie solche Entwicklungen mit eigenen Ressourcen stemmen kann oder über Outsourcing-Modelle und Entwicklungspartnerschaften realisiert. Smart Services sind eine Handlungsoption, um neue Dienstleistungen im vertretbaren Rahmen zu kreieren, die die vertraute Qualität der Beziehung zum Produktbzw. Dienstleistungsempfänger fortsetzen und vertiefen. Am anschaulichsten sind immer wieder smarte Dienste, die aus den ubiquitären Smartphones für die beiden gängigen Betriebssysteme erwachsen und unter Preisgabe privater Informationen (z. B. dem Standort) die Anforderungen des realen Lebens bewältigen helfen. Die Symbiose von Mensch und Maschine ist nirgends unmittelbarer als zwischen Mensch und Smartphone (oder Smartwatch). Dabei gilt es stets auf der einen Seite die Persönlichkeitsrechte der Kunden gemäß der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu beachten, auf der anderen Seite gleichzeitig den bestmöglichen Service zu bieten. Man darf gespannt sein, welche handfesten Ideen aus den smarten Möglichkeiten Eingang in die Bibliothekswelt finden, so wie der Karlsruher Virtuelle Katalog (KVK)
32 Für die TH Wildau s. den Eintrag „Raumplaner“ unter https://www.th-wildau.de/hochschule/orga nisation/stabsstellen-und-zentrale-einrichtungen/hochschulbibliothek/ueber-die-bibliothek/projek te/ (Abruf: 2018.05.23). 33 S. http://www.unibe.ch/universitaet/dienstleistungen/universitaetsbibliothek/ub/cube/index_ger. html (Abruf: 2018.05.23).
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vor mittlerweile über 20 Jahren ganz neue Möglichkeiten der verbundübergreifenden Bestandsrecherche ermöglichte. Man kann auch einen anderen Blickwinkel wählen. In der Ausgabe von The Economist vom 17. Juni 2017 stand:
THE most influential business idea of recent years is Clayton Christensen’s theory of disruptive innovation. It is celebrated because it explains why so many tech companies come from nowhere to revolutionise their industries. Mr Christensen, who teaches at the Harvard Business School, argues that the most interesting businesses start life on the margins. They succeed by spotting underserved markets and inventing ways of reaching them. Disruptive innovators start off by producing unpolished products for the bottom of the market. Successful incumbents dismiss them as cranks. But as they improve their products they end up revolutionising their markets and humbling yesterday’s incumbents. Think of classified ads (Craigslist), long-distance calls (Skype), record stores (iTunes), taxis (Uber) and newspapers (Twitter).34
Sind Bibliotheken schon zu lange im Geschäft, um den „underserved market“ zu erkennen, oder agieren sie immer schon erfolgreich vom Rande her als unterschätzter Underdog? Wir wissen um Letzteres. Und so schließt der Beitrag mit der Erkenntnis, dass Smart Service Bibliotheken eine weitere Chance für neue Dienstleistungen bietet.
Literatur Bayerische Staatsbibliothek: Recherche und Service – Entdecken mit Yewno. 2018. https://www. bsb-muenchen.de/recherche-und-service/suchen-und-finden/yewno/ (Abruf: 2018.05.21) Dierolf, Uwe; Mönnich, Michael W.; Schnalke, Markus: Ein Leitsystem für Lern- und Arbeitsplätze in den Bibliotheken des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). In: b.i.t.online 16, 2013, H. 3, S. 216–222. Fischer, Karl Peter: Der Sog geht vom Kunden aus. In: Die Zeit [online] vom 13. Dezember 2017. http:// www.zeit.de/2017/52/werbung-psychologie-manipulation-interview (Abruf: 2018.01.10) Freyberg, Linda: Smarte Bibliotheken – Bericht über die #VisDom2016 an der FH Potsdam. In: b.i.t. online 19, 2016, H. 4, S. 363–366. Gerberich, Claus W.; Schweigart, Teresa: Smart Services und die Dematerialisierung der Geschäfte. In: Smart Services und Internet der Dinge – Geschäftsmodelle, Umsetzung und Best Practices. Borgmeier, Arndt et al. (Hrsg.). München: Hanser, 2017. Meinel, Christoph; Gayvoronskaya, Tatiana; Schnjakin, Maxim: Blockchain: Hype oder Innovation. Potsdam: Universitätsverlag, 2018. https://publishup.uni-potsdam.de/frontdoor/index/index/ docId/10314 (Abruf: 2018.05.21) Norman, Donald: The Design of Everyday Things. Berlin: Vahlen, 2016. Reinhart, Gunther: Handbuch Industrie 4.0. Geschäftsmodelle, Prozesse, Technik. München: Carl Hanser, 2017.
34 The Economist 2017.
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Smart Services als Marketinginstrument
Riemensperger, Frank: Smart Services: Wettbewerbsvorteile durch maßgeschneiderte neue Services. In: IM+io – Das Magazin für Innovation, Organisation und Management 2016, H. 3, S. 40–44. Sitterwerk: Der Sitterwerk Katalog mit neuen Funktionen. 2018. http://www.sitterwerk.ch/de/sitter werk/ereignisse/ereignisdetail/article/der-sitterwerk-katalog-mit-neuen-funktionen-2.html (Abruf: 2018.05.27) The Economist: Jeremy Corbyn, Entrepreneur. 15. Juni 2017. https://www.economist.com/britain/ 2017/06/15/jeremy-corbyn-entrepreneur (Abruf: 2018.05.27)
Dirk Lewandowski
Zugänglichkeit von Information Services und ihren Inhalten über Suchmaschinen Abstract: Anbieter von Information Services müssen nicht nur sicherstellen, dass Kunden das eigene Angebot optimal nutzen können, sondern auch, dass dieses Angebot über Intermediäre – wie Suchmaschinen – auffindbar ist. Nach der Auffindbarkeit und damit der Generierung von Benutzerströmen (Traffic) steht allerdings die Umsetzung dieses Traffics in sinnvolle Nutzerinteraktionen. Den Nutzern, denen ein Information Service oft noch gar nicht bekannt ist, wenn sie eine Website erreichen, muss eine schnelle Orientierung und sinnvolle Nutzung des Angebots ermöglicht werden. In diesem Beitrag werden die unterschiedlichen Zugangswege über Suchmaschinen auf Information Services beschrieben und es wird auf die grundlegenden Probleme der Bereitstellung der Daten von Information Services für Suchmaschinen eingegangen: (1) Deep Web/Öffnung der Datenbanken, (2) Beschreibung der Items, (3) Exklusivität der Inhalte.
Einleitung Der Zugang zu Information Services wird mittlerweile nicht mehr nur über das Anbieten solcher Services gewährleistet, sondern es muss sichergestellt werden, dass die Services bzw. die von ihnen angebotenen Informationen gefunden werden. Ein Grund hierfür liegt darin, dass Nutzer zum einen häufig Quellen nicht direkt ansteuern, sondern bei Intermediären – vor allem Suchmaschinen – nach den Inhalten solcher Quellen suchen. Zum anderen scheint für Nutzer keine Notwendigkeit mehr zu bestehen, sich über die Auswahl einer Quelle überhaupt Gedanken zu machen, da die allgemeinen Suchmaschinen zu nahezu jeder Suchanfrage Treffer ausgeben, die zumindest relevant erscheinen. Eine Frage, die sich schon lange stellt, ist, inwieweit Bibliotheken und andere Anbieter von Information Services – neben direkten Zugriffen auf ihre Angebote – auch Nutzer über Intermediäre erreichen können, seien dies Suchmaschinen, wie Google, oder soziale Netzwerke, wie Facebook. Im Erfolgsfall könnten über diese Intermediäre nicht nur Nutzer (besser) erreicht, sondern auch neue Zielgruppen erschlossen werden. Die Motivation für die Anbieter von Information Services sollte sein, Zielgruppen über allgemeine Suchmaschinen zu gewinnen und zu qualitativ hochwertigen Informationen zu führen.1
1 Vgl. Lewandowski 2008. https://doi.org/10.1515/9783110539011-024
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Informationen über externe Anbieter zugänglich zu machen, ist eine Form des Marketings. Im kommerziellen Bereich ist Suchmaschinen- und Social-Media-Marketing mittlerweile Standard.2 Suchmaschinenmarketing unterteilt sich in Suchmaschinenwerbung und Suchmaschinenoptimierung.3 Suchmaschinenwerbung (Search Engine Advertising, SEA) konzentriert sich auf das Schalten von Anzeigen in Suchmaschinen. Bei der Suchmaschinenoptimierung (Search Engine Optimization, SEO) geht es darum, die Position im organischen Ranking der Suchergebnisse zu verbessern. In diesem Beitrag werden Suchmaschinen als Quellen für Besucherströme („Traffic“) betrachtet. Sie werden unter der Frage behandelt, wie Information Services den durch Suchmaschinen generierten Traffic erhöhen und mit den so erreichten Besuchen ihrer Angebote sinnvoll umgehen können.
1 Suchmaschinen als Traffic-Lieferanten Zunächst ist die Frage zu stellen, über welche externen Kanäle Websites überhaupt Traffic erhalten. Hier sind vor allem die allgemeinen Suchmaschinen, Spezialsuchmaschinen und Social-Media-Sites zu nennen. Der Fokus wird im Folgenden bei den beiden Typen von Suchmaschinen liegen, da die Nutzung von Information Services letztlich auf einer gezielten Informationsrecherche beruht. Die Nutzung von Social Media ist dagegen meist ungerichtet, d. h., ein Nutzer verwendet Social Media nicht zu – mehr oder weniger – systematischen Informationsrecherchen. Suchmaschinen sind einer der wichtigsten, wenn nicht gar der wichtigste, TrafficLieferant für Informationsangebote im Web. Viele Angebote erzielen einen großen Teil ihres Traffics über Suchmaschinen und damit vor allem über Google. Nach den Erhebungen von SimilarWeb4 bekommt etwa ikea.com 44 Prozent seines Traffics über Suchmaschinen, ibm.com 46 Prozent und Wikipedia.org sogar 84 Prozent.5 Zu vergleichbaren Ergebnissen kommt auch eine Untersuchung von Adobe im Weihnachtsgeschäft 2012, die etwa 500 E-Commerce-Websites betrachtete. So wurden etwa 40 Prozent des Traffics durch direkte Aufrufe der Websites generiert, 34 Prozent über Suchmaschinen, 25 Prozent über Links von anderen Websites und nur zwei Prozent über soziale Medien.6 Es ist allerdings anzumerken, dass sich der Anteil des Suchmaschinentraffics je nach Bereich deutlich unterscheiden kann; so spielen etwa beim Zugriff auf Nachrichten Social Media eine weit größere Rolle.7
2 3 4 5 6 7
S. den Beitrag „(Social) Display Advertising“ von Joachim Griesbaum in diesem Handbuch. Vgl. Griesbaum 2013. S. http://www.similarweb.com, Stand Dezember 2017 (letzter Abruf: 2018.06.17). Vgl. SimilarWeb 2017. Vgl. White 2013. Vgl. Mitchell, Page 2014.
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Dass Suchmaschinen auch für einen wesentlichen Teil der Zugriffe auf Information Services sorgen, soll am Beispiel einer Untersuchung des Suchportals EconBiz erläutert werden: Auf der Basis einer Logfileuntersuchung wurde ermittelt, dass 80 Prozent der Nutzer das Portal über eine Suchmaschine erreichen, wobei 97 Prozent dieser Aufrufe über Google erfolgten. Besonders interessant ist die Verteilung auf die Typen von Unterseiten, auf denen die über die Suchmaschinen vermittelten Nutzer ankamen: 66 Prozent erreichten eine Einzeltrefferseite, 28 Prozent eine Suchergebnisseite und nur etwa fünf Prozent die Startseite.8 Dies verdeutlicht, dass Anbieter von Information Services auf der einen Seite eine nennenswerte Anzahl von Zugriffen über Suchmaschinen erzielen können, und zwar nicht für Suchen nach dem Information Service selbst, sondern auch nach Inhalten, die von diesem angeboten werden. Auf der anderen Seite bedeutet dies jedoch, dass sich diese Anbieter nicht darauf verlassen können, dass Nutzer das Angebot gezielt anwählen, um ihre Suche dort durchzuführen.
Abb. 1: Zugang zu den Inhalten von Information Services über Suchmaschinen
Abb. 1 zeigt mögliche Wege eines Nutzers zu den Angeboten eines Information Service. Zunächst einmal kann der Information Service natürlich direkt aufgerufen werden, entweder über die direkte Eingabe der URL oder über ein Lesezeichen. Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass ein Nutzer über einen Link zu dem Information Service gelangt.
8 Vgl. Linhart 2015, S. 67.
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In diesem Beitrag geht es um den dritten Weg, nämlich den Zugang über Suchmaschinen. Es ist zunächst zwischen den allgemeinen Suchmaschinen und den Spezialsuchmaschinen zu unterscheiden. Allgemeine Suchmaschinen haben den Anspruch, die Inhalte des Webs möglichst vollständig zu erfassen; sie wenden sich potenziell an alle Suchenden und haben keine thematischen Beschränkungen. Spezialsuchmaschinen hingegen „sind solche, die sich thematisch oder anhand formaler Dokumentenmerkmale (Bsp. Dateityp) beschränken“9. Der Vorteil einer solchen Beschränkung liegt vor allem darin, dass die ausgesuchten Inhalte vollständiger erfasst und tiefer erschlossen werden sowie die Suchoberfläche und das Ergebnisranking an individuelle Nutzergruppen angepasst werden können. Spezialsuchmaschinen werden häufig in Universalsuchmaschinen eingebunden; sie werden auch als vertikale Suchmaschinen bezeichnet. Bei den meisten Angeboten im Web ist davon auszugehen, dass der wichtigste Weg der Nutzer über die allgemeinen Suchmaschinen führt. Der genaue Weg kann wie folgt unterteilt werden: 1. Der Standardfall ist, dass ein Nutzer über ein sogenanntes organisches Suchergebnis, also ein aus dem Web-Index der Suchmaschine automatisch nach gleichen Bedingungen für alle Dokumente ermitteltes Ergebnis, auf die Website gelangt. 2. Weiterhin können Nutzer über einen Klick auf eine Anzeige auf eine Website gelangen. 3. Der dritte Weg führt über einen Klick auf ein in einem sogenannten UniversalSearch-Container angezeigtes Ergebnis. Dabei handelt es sich um Ergebnisse aus zu der allgemeinen Suchmaschine gehörenden Spezialsuchmaschinen, etwa für Nachrichten oder wissenschaftliche Inhalte, die in die Suchergebnisseite der allgemeinen Suchmaschine eingebunden werden.10 Betrachtet man die Seite der Information Services, so ist zu differenzieren nach der aufgerufenen (Unter-)Seite: Ein Nutzer kann entweder auf die Startseite des Information Service gelangen oder auf eine Unterseite. Im Jargon der Suchmaschinenoptimierung handelt es sich bei jeder Seite, auf der ein Nutzer von einer externen Quelle ausgehend ankommt, um eine Landing Page. Im Kontext dieses Beitrags geht es vor allem um Unterseiten, da die Ankunft eines Nutzers auf der Startseite eines Angebots üblicherweise unproblematisch ist. Startseiten sind in der Regel so ausgerichtet, dass sie sowohl neuen als auch wiederkehrenden Nutzern eine schnelle Orientierung im Angebot erlauben, während dies bei Unterseiten meist nicht der Fall ist.
9 Lewandowski 2009, S. 57. 10 Vgl. Lewandowski 2015, S. 136 f.
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Bei den Unterseiten von Information Services ist in der Regel zwischen drei Typen zu unterscheiden: – Kategorienseiten; – Suchergebnisseiten; – Einzeltrefferanzeigen, d. h., ein Treffer wird in der Vollansicht angezeigt.
Für Nutzer, die auf einer dieser Formen von Unterseiten ankommen, ist erst einmal schnelle Orientierung wichtig. Das Angebot sollte deutlich machen, um was es sich handelt, welche Optionen sich für den Nutzer dort ergeben und wie er gegebenenfalls seine Suche weiterführen kann.11
2 Optimierung der Auffindbarkeit der Inhalte von Information Services Möchte man den eigenen Information Service für Zugriffe über Suchmaschinen optimieren, so ist zunächst zu fragen, welche Ziele damit erreicht werden sollen. Die wichtigste Unterscheidung ist die zwischen der Gewinnung neuer Zielgruppen und dem Erreichen bereits bestehender Nutzer. Im letzteren Fall würde ein Nutzer ein ihm bekanntes Angebot beispielsweise in der Trefferliste einer Suchmaschine sehen und es gerade deshalb anklicken, weil ihm der Anbieter bereits bekannt ist. Dieser Effekt bei der Trefferauswahl ist vor allem von starken Marken, wie Amazon und Wikipedia, bekannt, lässt sich aber auch für eigene Zwecke ausnutzen. Bei allen Maßnahmen, die die Auffindbarkeit von Angeboten verbessern sollen, ist zwischen zwei Möglichkeiten zu unterscheiden: 1. Es geht um die verbesserte Auffindbarkeit des Angebots selbst, d. h., ein Information Service soll über externe Quellen besser/häufiger gefunden werden. 2. Die Inhalte des Angebots sollen besser aufgefunden werden, d. h., Nutzer sollen über externe Quellen häufiger auf einzelne Informationsobjekte oder Zusammenstellungen von Informationsobjekten – beispielsweise Suchergebnisseiten des Information Service – gelangen.
Je nachdem, welches der beiden Ziele verfolgt wird, sind unterschiedliche Maßnahmen erforderlich. Die verbesserte Auffindbarkeit des Information Service lässt sich dabei – sofern überhaupt notwendig – meist leicht erreichen. Hier geht es vor allem um die Identifizierung geeigneter Keywords, die den Information Service im Vokabu-
11 Vgl. Thurow, Musica 2009, S. 71 f.
Zugänglichkeit von Information Services und ihren Inhalten über Suchmaschinen
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lar der (intendierten) Nutzer beschreiben.12 Außerdem eignen sich alle Maßnahmen, die das Angebot insgesamt bekannter machen, etwa durch Social-Media-Marketing oder Strategien des Linkaufbaus. Bei Letzterem handelt es sich um das Sammeln von Verlinkungen von externen Seiten, um den Suchmaschinen eine gewisse Popularität des eigenen Angebots zu suggerieren. Die Verbesserung der Auffindbarkeit der Inhalte des Service ist eine weit komplexere Angelegenheit, da hier die Optimierung des Angebots vor allem für Nutzer, denen dieses Angebot (noch) nicht bekannt ist, im Vordergrund steht. So gelangen Nutzer von Suchmaschinen direkt auf eine Unterseite (Einzeltitelanzeige oder Suchergebnisseite) des Information Service und müssen sich dort zurechtfinden können. Ist dies nicht der Fall, verlassen sie das Angebot meist sehr schnell wieder.13 Alle Formen des Online-Marketings sind geeignet, um Traffic für einen Information Service zu generieren.14 Im Folgenden wird vor allem auf die Suchmaschinenoptimierung als Set von Methoden, um Traffic nicht nur zu generieren, sondern diesen auch optimal auszunutzen, eingegangen. Natürlich ist es aber auch möglich, Traffic beispielsweise über Suchmaschinenwerbung zu gewinnen. Der Vorteil besteht vor allem in der Möglichkeit, sehr schnell eine genau abgegrenzte Zielgruppe zu erreichen. Der Nachteil liegt in den direkten und dauerhaften Kosten; bei der Suchmaschinenoptimierung entstehen Kosten vor allem initial für die Optimierung der Website bzw. der Inhalte; der Effekt der Suchmaschinenoptimierung ist dafür in der Regel lang anhaltend.
3 Suchmaschinenoptimierung als Methodenset für Information Services Eine naheliegende Methode, Inhalte über Suchmaschinen besser auffindbar zu machen, ist die Suchmaschinenoptimierung:
12 Zur Frage des Vokabulars der Nutzer s. z. B. Fauldrath, Jens; Rembow, Andreas: Evaluierung der Selbstbeschreibungsfähigkeit von Webnavigationen anhand von Suchpopularitäten. In: 29. DGI-Online-Tagung. Ockenfeld, Marlies (Hrsg.). Frankfurt a. M.: DGI, 2007, S. 1–14. http://www.fauldrath.net/ evaluierung-der-selbstbeschreibungsfahigkeit-von-webnavigationen-anhand-von-suchpopularitaten/ 40 (Abruf: 2018.06.17). 13 Zu den entsprechenden Trafficzahlen wissenschaftlicher Angebote s. Rowlands, Ian; Nicholas, David; Williams, Peter; Huntington, Paul; Fieldhouse, Maggie; Gunter, Barrie; Withey, Richard; Jamali, Hamid R.; Moallem, Tarbiat; Dobrowolski, Tom; Tnopir, Carol: The Google Generation: The Information Behaviour of the Researcher of the Future. In: Aslib Proceedings 60, 2008, H. 4, S. 290–310. 14 S. Griesbaum, Joachim: Online-Marketing. In: Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation. Kuhlen, Rainer et al. (Hrsg.). 6. Ausgabe. Berlin: De Gruyter, 2013, S. 411–423.
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Unter Suchmaschinenoptimierung (search engine optimization; SEO) versteht man alle Maßnahmen, die dazu geeignet sind, die Position von Webseiten im Ranking der Suchmaschinen zu verbessern.15
Damit ist Suchmaschinenoptimierung nicht auf eine einzige Methode beschränkt, vielmehr handelt es sich um ein ganzes Bündel von Methoden, das für das übergreifende Ziel eingesetzt wird. Unter anderem enthält Suchmaschinenoptimierung Elemente aus den Bereichen Informationsarchitektur, Information Retrieval und Usability. Neben der Optimierung für Produkte und Dienstleistungen wird inzwischen auch immer häufiger für informationsorientierte Inhalte optimiert. Zu nennen sind hier vor allem die Optimierung von Nachrichteninhalten16 und die Optimierung von wissenschaftlichen Werken.17 Für die Suchmaschinenoptimierung hat sich inzwischen eine etablierte Menge von Techniken herausgebildet, die in den bekannten Handbüchern zum Thema beschrieben werden.18 Diese Techniken lassen sich zum größten Teil auf Information Services übertragen; allerdings sind einige Besonderheiten zu beachten, die weiter unten beschrieben werden. Suchmaschinenoptimierung hat sich in den letzten Jahren immer weiter ausdifferenziert. Neben der Unterscheidung nach Inhalten erfolgt die Optimierung inzwischen nicht mehr nur für die allgemeine Websuche, sondern für jede in diese eingebundene Spezialsuche, z. B. nach Bildern, Videos, Nachrichten usw. Auch hat sich das Spektrum der Suchmaschinenoptimierung erweitert: von der Fokussierung auf Suchmaschinen hin zur Optimierung für alle Portale, die einen hohen Traffic versprechen. Die bekanntesten Beispiele in diesem Bereich sind die Optimierung für YouTube und für Amazon.19 Da auch Bibliothekssuchmaschinen einen hohen Traffic erzeugen können, ist zu erwarten, dass Verlage, die ihre Angebote heute schon für Suchmaschinen, wie Google, optimieren, dies in Zukunft auch zumindest für den bibliothekarischen Angeboten zugrunde liegenden Index Primo Central tun werden. Aus der Differenzierung der Suchmaschinenoptimierung ergibt sich die Notwendigkeit, Zielportale/-suchmaschinen zu identifizieren, für die eine Optimierung angestrebt wird.
15 Lewandowski 2015, S. 161. 16 Vgl. Enge et al. 2012, S. 484 f. 17 Vgl. Beel et al. 2010. 18 S. hierzu Erlhofer, Sebastian: Suchmaschinen-Optimierung: Das umfassende Handbuch. 8. Auflage. Bonn: Rheinwerk Computing, 2016; Enge, Eric; Spencer, Stephan; Stricchiola, Jessie; Fishkin, Rand: Die Kunst des SEO: Strategie und Praxis erfolgreicher Suchmaschinenoptimierung. Köln: O’Reilly, 2012. 19 Vgl. Enge et al. 2012, S. 453 f.
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Suchmaschinenoptimierung wird klassisch in die Bereiche on the page und off the page unterteilt: On-the-Page-Maßnahmen betreffen alles, was auf der eigenen Website selbst verbessert werden kann, also vor allem den Umfang und die Qualität der Inhalte sowie die Informationsarchitektur und Usability. Off-the-Page-Maßnahmen beziehen sich dagegen auf Maßnahmen, die auf externen Angeboten durchgeführt werden müssen und durch den Websiteanbieter in der Regel nur angestoßen werden können. Dies betrifft vor allem Links von externen Quellen. Dieser Linkaufbau ist auch für Information Services möglich; die Institutionen, die Information Services anbieten, haben aber in der Regel bereits eine gute Reputation im Web erreicht. Das Problem liegt hier eher in der Verwertung des Traffics. Insbesondere aufseiten öffentlicher Informationsanbieter wird dem Thema Suchmaschinenoptimierung oft skeptisch begegnet. Das Hauptargument lautet hier, dass mittels Suchmaschinenoptimierung die objektive Reihung von Suchergebnissen verfälscht würde. Allerdings kann keine Suchmaschine eine solche objektive Reihung erreichen, da Ranking per se eine subjektive Bewertung der Informationsobjekte enthält. Die Trefferlisten der allgemeinen Suchmaschinen sind vielmehr als ein Marktplatz anzusehen, auf dem verschiedene Anbieter um Aufmerksamkeit kämpfen, sich dabei aber in den meisten Fällen an die vom Suchmaschinenbetreiber vorgegebenen Regeln halten. Zu betonen ist, dass Suchmaschinenoptimierung durchaus positive Effekte hat: Neben der Tatsache, dass viele Inhalte erst durch Suchmaschinenoptimierung überhaupt für Suchmaschinen indexierbar und damit für den allgemeinen Nutzer auffindbar werden, können diese Maßnahmen auch die barrierefreie Zugänglichkeit von Websites20 und deren Usability21 stärken. Dies verdeutlicht, dass das letztendliche Ziel der Suchmaschinenoptimierung nicht darin liegt, Seiten besser für die Suchmaschinen aufzubereiten, sondern Informationen für Suchende besser auffindbar zu machen: Many information professionals misinterpret SEO as a group of strategies and techniques used for the benefit of search engines only. In reality, search engine optimization is optimizing a website, individual web documents, or even a database for people who use search engines—site search engines as well as web search engines. In other words, the beneficiary and target of SEO techniques are not only search engines. The ultimate target and beneficiary are searchers.22
Hinzu kommt, dass Suchmaschinenoptimierung genau die Kenntnisse erfordert, die Information Professionals haben:
20 Vgl. Moreno, Martinez 2013. 21 Vgl. Thurow, Musica 2009. 22 Thurow 2015, S. 44.
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SEO responsibilities should fall in the hands of people who have optimized documents for findability for many, many centuries: librarians. […] Librarians and other information scientists have much to learn from commercial search engine optimizers.23
Es ist insofern verwunderlich, dass kaum Durchlässigkeit zwischen der Welt der Information Services und der der Suchmaschinenoptimierung besteht. Zu begrüßen ist, dass erste Bibliotheken inzwischen das Potenzial der Suchmaschinenoptimierung erkannt und entsprechende Positionen geschaffen haben.24
4 Spezielle Anforderungen an Information Services Die Probleme der Information Services, ihre Inhalte über Suchmaschinen und andere Intermediäre zugänglich zu machen, sind vor allem in drei Bereichen zu sehen: – dem Deep Web; – der Beschreibung der Items und – der fehlenden Exklusivität der Inhalte. Das Problem des Deep Web liegt darin, dass Inhalte aus Datenbanken von den Suchmaschinen-Crawlern nicht erfasst werden können.25 Dies lässt sich auf die simple Formel bringen, dass Suchmaschinen keine (Such-)Formulare ausfüllen können. Diese Formulare stellen die Grenze zwischen dem, was eine Suchmaschine finden kann, und dem Deep Web dar. Allerdings ist es durchaus möglich, ganze Datenbanken in Form von HTML-Seiten umzusetzen, um sie für die Suchmaschinen erfassbar zu machen. Solche Maßnahmen wurden auch für Information Services ergriffen.26 Wenn es sich aber bei den Inhalten nicht um Volltexte handelt, sondern nur um mehr oder weniger umfangreiche Repräsentationen, dann ergibt sich das Problem der zu wenig umfangreichen Beschreibung der Dokumente durch in der Regel wenig umfangreiche Metadaten. Suchmaschinen (und Nutzer) bevorzugen Volltexte; Repräsentationen werden vor allem dann gelistet, wenn keine relevanten Volltexte gefunden werden. Ein Ausweg aus der Problematik besteht in der Anreicherung der Repräsentationen. Ein besonderes Problem der Information Services ist die meist fehlende Exklusivität ihrer Inhalte, d. h., die Inhalte sind in gleicher oder ähnlicher Form auch bei anderen Anbietern zu finden, während Suchmaschinen versuchen, Dubletten in den Trefferlisten zu vermeiden. Sie versuchen, zu jedem Dokument herauszufinden, bei welcher Version es sich um das Original handelt. In aller Regel kann es also in der Trefferliste
23 24 25 26
Thurow 2015, S. 46. Vgl. Burrell 2016. Vgl. Lewandowski 2015, S. 227 f. Vgl. Lewandowski 2006.
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nur einen Gewinner geben; andere Anbieter des gleichen Inhalts werden im Ranking abgewertet. In den folgenden Abschnitten werden die drei Problembereiche anhand konkreter Information Services erläutert. Deep Web Im Web finden sich zahlreiche Beispiele für Information Services, die ihre Datenbanken für die allgemeinen Suchmaschinen geöffnet haben. Beispiele hierfür sind EconBiz (s. o.), WorldCat und Genios. Diesen ist gemeinsam, dass die Inhalte damit zwar erreichbar sind, es sich jedoch lediglich um relativ inhaltsarme Repräsentationen der eigentlich vom Nutzer gewünschten Dokumente handelt. Bei den Bibliothekssuchmaschinen verweisen diese auf die Bücher bzw. Artikel, bei dem kommerziellen Informationsanbieter Genios auf die hinter einer Bezahlschranke liegenden Vollversionen der repräsentierten Dokumente. Eine Ausnahme sind in EconBiz enthaltene (Links auf) Volltexte, auf die ohne weitere Beschränkungen zugegriffen werden kann.
Beschreibung der Items Die Bereitstellung der Repräsentationen allein reicht nicht aus, um die Inhalte von Information Services erfolgreich in den Suchmaschinen zu platzieren. Dies haben die meisten Anbieter erkannt und reichern ihre Inhalte daher entsprechend an, beispielsweise mit Inhaltsverzeichnissen oder Daten zu „verwandten“ Dokumenten. Diese Anreicherung stellt eine besondere Herausforderung dar: Oft fehlen relevante Zusatzinformationen, mit denen die Repräsentationen angereichert werden können. Ein Ausweg wird oft darin gesehen, die Repräsentationen mit weiteren Informationen, die nur mittelbar mit dem Dokument zusammenhängen, zu ergänzen. Dabei kann es sich zum Beispiel um Hinweise auf ähnliche Dokumente handeln. Eine solche Anreicherung führt zu einer textlich reicheren Repräsentation und kann damit auch dazu führen, dass das Dokument zu unterschiedlichen Kombinationen von Suchbegriffen in den Suchmaschinen aufgefunden wird. Damit wird die Wahrscheinlichkeit von „Zufallstreffern“ für den Nutzer erhöht, allerdings kann an der unmittelbaren Nützlichkeit dieser Zusatzinformationen für den suchenden Nutzer gezweifelt werden, da die zusätzlichen Wörter oft nicht in einem direkten Sinnzusammenhang zu dem Gesuchten stehen. Hier lohnt sich ein Blick auf kommerzielle Information Services: Die großen wissenschaftlichen Verlage haben ihre Datenbestände (in der Form von Metadaten und Volltexten) nicht nur für die Suchmaschinen geöffnet, sondern auch sinnvolle Repräsentationen aus den ihnen zur Verfügung stehenden (Zusatz-)Informationen geschaffen. Doch auch sie sind immer noch weit entfernt von angereicherten Repräsentationen, wie sie beispielsweise Amazon zu seinen Produkten bietet: Hier werden – auch unter Zuhilfenahme der Kunden – umfangreiche textliche Repräsentationen geschaffen, die nicht nur für die Auffindbarkeit in Suchmaschinen sinnvoll sind, sondern dem Nutzer einen großen Mehrwert bieten.
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Dirk Lewandowski
Versuche, solche Repräsentationen auch im Bereich der öffentlichen Information Services zu schaffen, sind bislang nicht erfolgreich. Ein wesentlicher Grund mag hier in der sogenannten Kaltstartproblematik auf Nutzerseite liegen, d. h. es muss erst eine kritische Masse solcher nutzergenerierten Inhalte geschaffen werden, bevor Nutzer bereit sind, sich an einer kollaborativen Plattform zu beteiligen.27 Außerdem stellt sich die Frage, welcher Information Service eine solche Plattform allein aufbauen könnte.
Fehlende Exklusivität der Inhalte Wie oben beschrieben, bewerten Suchmaschinen doppelte Inhalte negativ und versuchen, jeweils das Original eines Inhalts zu ermitteln. Dies führt bei Information Services, die nicht ihre eigenen Inhalte, sondern fremde Inhalte in einer eigenen Zusammenstellung vorhalten, zu Problemen. So finden sich zu allen Inhalten, die von solchen Aggregatoren angeboten werden, auch konkurrierende Repräsentationen im Web. Beispiele sind verschiedene Bibliothekskataloge, die sich untereinander Konkurrenz machen, oder die Nachrichtendatenbanken, die bei verschiedenen Aggregatoren verfügbar sind. Einen interessanten Ausweg bietet auf Suchmaschinenseite Google Scholar: Dort werden verschiedene Versionen des gleichen Artikels zusammengefasst; der Nutzer kann somit eine der verschiedenen Versionen auswählen. Letztlich lässt sich aber aufseiten der Information Services kaum ein Ausweg aus der Problematik finden. Natürlich können sich unterschiedliche Angebote untereinander mit den gleichen Inhalten Konkurrenz machen; sinnvoller ist es jedoch, die eigenen Angebote so zu gestalten, dass auch über Suchmaschinen eine klar definierte Zielgruppe angesprochen wird. Dies mag zwar zu einem Verlust an Traffic führen, dieser wird dafür allerdings wesentlich qualifizierter sein.
Fazit Wenn Anbieter von Information Services ihre Angebote über Suchmaschinen verbreiten möchten, reicht es nicht aus, die Inhalte von Websites und Datenbanken indexierbar zu machen. Vielmehr müssen die Inhalte auch für Suchende, die über externe Suchmaschinen auf das Angebot gelangen, optimiert werden. Es reicht also nicht, Traffic für einen Information Service zu generieren, sondern dieser Traffic muss auch genutzt werden. Dazu sind vor allem eine klare Definition der Zielgruppe und eine Fokussierung auf die suchenden Nutzer erforderlich. Der Kern hierbei liegt in der sinnvollen Anreicherung der eigenen Inhalte und der Optimierung von Landing Pages. Nutzer müssen ohne großen Aufwand in die Lage versetzt werden, sich auf einem ihnen noch fremden Angebot schnell und sicher zu orientieren. Ein Vorbild
27 Vgl. Höhfeld 2007, S. 268.
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Zugänglichkeit von Information Services und ihren Inhalten über Suchmaschinen
sind die großen E-Commerce-Websites. Websites dürfen nicht unter der Annahme gestaltet werden, dass den Nutzern die Struktur und die Funktionen der Website bei einem Besuch bereits bekannt sind oder dass sie, da sie über die Startseite des Angebots einsteigen, die Struktur und die Funktionen auf ihrem Weg zu den gewünschten Ergebnissen intuitiv erlernen können.
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Sebastian Sünkler und Friederike Hanisch
Sprachsteuerung und digitale Assistenten im Informationsmarketing Abstract: Sprachassistenten sind auf dem Vormarsch. Die Verkaufs- und Nutzungszahlen von Amazon Echo und Google Assistant nehmen stetig zu. So verwenden bereits sechs von zehn Nutzern die Sprachassistenten ihrer mobilen Endgeräte, um beispielsweise im Internet zu recherchieren, Texte zu diktieren oder Anrufe aufzubauen. Die Stärken von Sprachassistenten liegen darin, dass diese Befehle per Sprache verarbeiten können. Dadurch entsteht der Komfort, freihändig mit den Diensten agieren zu können und natürlichsprachige Anfragen zu formulieren. Die Intelligenz der Sprachassistenten führt zu einer gezielten Ansprache des Nutzers und liefert proaktiv Informationen, die zu den Interessen des Anwenders passen. Die Entwicklung von Sprachassistenten stellt das Marketing vor neue Herausforderungen. Es stellt sich die Frage, wie Sprachassistenten als Teil des Distributions- und des ContentMarketings integriert werden können. Bisher haben sich durch die sehr junge Geschichte und Verbreitung der Assistenten keine festen Strategien für den Marketingmix etabliert. Auch Informationseinrichtungen sind angehalten, den Trend der Sprachsuche zu verfolgen und Strategien zu entwickeln, um Sprachassistenten als Kanal der Informationsvermittlung einzubinden. Das Potenzial für das sogenannte Voice-Marketing ist vorhanden. Die Herausforderung zeigt sich jedoch darin, dass die richtigen Dienste für die entsprechenden Einsatzbereiche entwickelt werden. Dabei müssen Datenschutzbestimmungen erfüllt und eine fehlerfreie Funktionalität gewährleistet werden, damit die Reputation der Informationseinrichtungen nicht beschädigt wird.
Einleitung Die Steuerung elektronischer Geräte mittels Sprache ist nicht neu, war jedoch lange Zeit auf Spezialanwendungen und Forschungskontexte beschränkt1 oder früher Gegenstand der Science-Fiction-Literatur. Der jüngste technische Fortschritt in Form von internetfähigen Mobilgeräten samt (kostengünstigen) Daten-Flatrates sowie der damit einhergehende hohe weltweite Absatz von Smartphones in den letzten zehn Jahren haben eine neue Dynamik in
1 Zum Beispiel im Rahmen des DoDʼs DARPA Speech Understanding Research (SUR) Program, gefördert durch das U. S. Department of Defense, das zwischen 1971 und 1976 mit dem Ziel durchgeführt wurde, ein System zu entwickeln, das mindestens 1 000 Wörter versteht (vgl. Waibel, Lee 1990).
https://doi.org/10.1515/9783110539011-025
Sprachsteuerung und digitale Assistenten im Informationsmarketing
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Gang gesetzt und die Voraussetzungen für die massenhafte Verbreitung digitaler Dienste, u. a. von Sprachassistenten geschaffen.2 Hinzu kommen aktuell rasante Entwicklungen in den Bereichen Big Data, Machine Learning und Sprachverarbeitung, die es ermöglichen und attraktiv machen, diese Dienste fortlaufend weiterzuentwickeln, um sie zuverlässiger und ausgereifter in ihrer Leistungsfähigkeit werden zu lassen. Nur durch die Möglichkeit, große Datenmengen massenweise zu verarbeiten, war es möglich, dass sowohl Spracherkennung als auch die Lernfähigkeiten der Sprachdienste sich so stark weiterentwickelt haben, dass diese nun auch für den durchschnittlichen Anwender attraktiv sind. Allein für die Spracherkennung ist es notwendig, dass eine große Bibliothek an gesprochenen Wörtern und Texten verschiedener Nutzer verarbeitet wird, damit eine hohe Genauigkeit im Verständnis der Sprachbefehle erreicht werden kann.
Die Steuerung von Smartphones, Navigationsgeräten oder bildschirmlosen Smart Home3 Devices per Sprache im Allgemeinen sowie die Suche per Sprache im Speziellen kennzeichnen einen Paradigmenwechsel bei der Bereitstellung von Informationen und Informationsgütern (Produkten und Dienstleistungen). Das Marktpotenzial dieser Dienste ist bislang noch kaum erforscht; Einigkeit besteht jedoch darin, dass dieser Trend nicht unberücksichtigt bleiben kann.4 Große Potenziale werden vor allem im Distributions- und Content-Marketing gesehen.5 Im Bereich des Informationsmarketings gibt es bisher keinen nennenswerten Diskurs zu diesem Thema. Ziel dieses Beitrages ist es, Beispiele und Erfahrungen aus dem Marketing allgemein auf den speziellen Bereich des Informationsmarketings zu übertragen und Perspektiven für das Informationsmarketing aufzuzeigen. Dem hohen Innovationsgrad dieses Themas geschuldet und mangels wissenschaftlicher Auseinandersetzung damit basieren die verwendeten Informationen nahezu ausschließlich auf praxisorientierten OnlineQuellen, v. a. Blogs und Podcasts. Bei den beschriebenen Fallbeispielen und konkreten Handlungsempfehlungen für Bibliotheken und Informationseinrichtungen liegt der Fokus auf der Amazon-Echo-Geräteserie bzw. auf Amazons Sprachassistent Alexa, der sich auch unabhängig von den Geräten als App auf Smartphones nutzen lässt.
2 Dies wird dadurch deutlich, dass vor allem Sprachassistenten auf Smartphones genutzt werden. Vergleichbare Dienste auf Computern oder die Smartspeaker spielten bislang für die Nutzer eine untergeordnete Rolle (vgl. Olmstead 2017). 3 „Smart Home“ (auch Smart Living oder Intelligent Home) bezeichnet das informations- und sensortechnisch aufgerüstete vernetzte Zuhause. Beispiele sind automatisch oder manuell über mobile Geräte wie Smartphones steuerbare Heizungen, Lüftungen, Türen, Fenster, Markisen, Jalousien oder Lampen (vgl. Bendel 2017). 4 Prognosen gehen von einem immensen Wachstum von 18 Millionen US-Dollar Umsatz im Jahr 2015 bis auf 12 Milliarden US-Dollar weltweit bis zum Jahr 2021 aus (vgl. Horizont 2015). 5 Vgl. Pleil 2017.
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Sebastian Sünkler und Friederike Hanisch
Amazon bietet mit Alexa momentan eine der besten Plattformen für Marketingzwecke für Einrichtungen und Unternehmen, da die Geräte mithilfe selbstentwickelter Apps (sogenannte Skills) um eigene Angebote erweitert werden können. In dem vorliegenden Beitrag werden zunächst die Entstehungsgeschichte und die aktuellen Trends von sprachgesteuerten Diensten vorgestellt. Sprachgesteuerte Dienste werden definiert und eingeordnet. Kap. 2 wendet sich dem Marketing zu, beschreibt Potenziale und Beispiele des Produkt- und Distributionsmarketings mit Sprachassistenten allgemein und speziell für Bibliotheken und Informationseinrichtungen. Mögliche Risiken und kritisch zu beleuchtende Aspekte von Marketingmaßnahmen mit Sprachassistenten werden im dritten Kapitel behandelt, ebenso wie die Risiken, der sich Kultur- und Informationseinrichtungen aussetzen, sofern sie sich mit diesen neuen Technologien nicht auseinandersetzen. Der Beitrag endet mit einem zusammenfassenden Fazit und einem Ausblick auf zukünftige Entwicklungen und die zu erwartende Relevanz von Sprachsteuerungen und digitalen Assistenten im Informationsmarketing.6
1 Sprachsteuerung und digitale Assistenten Die Sprachsteuerung ist ein Hauptbestandteil digitaler Assistenten. Für ein besseres Verständnis dieser Begriffe werden im Folgenden der technische Hintergrund dieser Dienste, deren Entwicklungsgeschichte sowie aktuelle Trends beschrieben.
1.1 Definitionen und technischer Hintergrund Der Begriff der Sprachsteuerung wird in Wissenschaft und Praxis gemeinhin als Befehlseingabe per Stimme an ein elektronisches Gerät verstanden und bildet damit – neben den bisher gängigen Benutzerschnittstellen Tastatur, Maus oder Touchscreen – eine weitere Zugangsmöglichkeit zu Systemen und Anwendungen. Die Einsatzfelder von Sprachsteuerungen im Allgemeinen sind vielfältig. Sie kommen zur Anwendung beispielsweise als – alternatives Eingabegerät zur Steuerung von Betriebssystemen, Fernsehern oder Spielkonsolen; – Speech-to-Text Application zur Umwandlung gesprochener Sprache in geschriebenen Text, z. B. als assistive Technologie für Menschen mit Behinderung; – In-Car-System, z. B. zur Steuerung von Navigationssystemen in Fahrzeugen;
6 Der Beitrag bezieht sich dabei auf Entwicklungen bis November 2017. Es ist davon auszugehen, dass bis zum Erscheinen des Handbuchs weitere Entwicklungen im Bereich Sprachassistenten und VoiceMarketing stattfinden werden.
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Bestandteil der Medizintechnik, z. B. zur Anzeige von Patientendaten im Operationssaal; Personal Assistant, entweder in Form des Intelligent Personal Assistant (IPA) – eines Softwareagenten, der mithilfe aller verfügbaren Online- und Offline-Ressourcen Aufgaben für den Nutzer erledigt bzw. diesen bei seiner Aufgabenerfüllung unterstützt – oder als Intelligent Voice Assistant (IVA) – eines IPA, der hauptsächlich oder ausschließlich mittels Sprache gesteuert wird.7
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Im Rahmen dieses Beitrags liegt das Augenmerk auf den sprachgesteuerten persönlichen Assistenten. Hier lassen sich abhängig von ihrer Einbindung in das Gerät drei Formen differenzieren: – intelligente persönliche Assistenten auf Smartphones, die parallel auch mit Touch-Interaktionen bedienbar sind (z. B. Google Assistant oder Apple Siri); – sogenannte Voice-First Devices, die als Intelligent Voice Assistants ausschließlich über Sprache gesteuert werden und die entweder ganz ohne grafische Oberfläche auskommen (z. B. Lautsprecher wie Amazon Alexa, Google Home oder Apple HomePod) oder als Voice-First Devices mit Touchdisplay zu den gesprochenen Anfragen zusätzliche visuelle Informationen ausliefern (z. B. Amazon Echo Show); – holistische Assistenten, wie Microsoft Cortana, die direkt in das Windows-Betriebssystem integriert sind und geräteübergreifend agieren.
Zur Verarbeitung der Spracheingaben nutzen alle genannten Systeme vergleichbare Technologien. Es sind selbstlernende Systeme, die auf Cloud-Server-Architekturen8 zugreifen, um die Eingaben per Stimme durch ihre Nutzer zu verarbeiten und Websuchen durchzuführen. Für die Sprachsuche nutzen die Anbieter entweder eigene Suchmaschinen (Google, Microsoft Bing), oder sie verwenden eine Kombination vorhandener Suchtechnologien (Apple nutzt beispielsweise Google, Bing, Yandex und weitere Suchmaschinen).9 Die Ergebnisdarstellung und die Verarbeitung von Suchanfragen hängen von den Betriebssystemen ab, in die die Assistenten integriert sind. So werden akustische Suchanfragen
7 Zu den Personal Assistants zählen auch die sogenannten Personal Digital Assistants (PDA), die als eigenständige mobile Geräte insbesondere als persönliche Organizer für Kalender-, Adress- und Aufgabenverwaltung genutzt werden. Da die klassischen PDAs heute am Markt praktisch jedoch keine Relevanz mehr haben und weitestgehend durch Smartphones ersetzt wurden, werden sie in diesem Beitrag nicht weiter berücksichtigt. Sogenannte Virtual Personal Assistants (VPA), die gelegentlich fälschlicherweise sprachlich mit Intelligent Personal Assistants oder Personal Digital Assistants vermischt werden, sind davon jedoch abzugrenzen, da es sich hierbei um reale Personen handelt, die ihrem Auftraggeber als Assistent dienen, wobei lediglich die Zusammenarbeit bzw. Kommunikation virtuell erfolgt. 8 D. h. Daten und Programme, die nicht auf dem lokalen Endgerät des Nutzers installiert sind, sondern über verbundene Rechnernetze (Cloud) bereitgestellt werden. 9 Vgl. Sünkler, Kerkmann 2016.
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entweder in Text umgewandelt und als textuelle Anfrage/Antwort an die Suchmaschine/den Nutzer weitergeleitet, oder sie werden je nach Dienst anderweitig weiterverarbeitet, z. B. indem eine unmittelbare akustische Antwort auf eine Frage erfolgt, ohne dass der Zwischenschritt über die Websuchmaschine deutlich wird.10 Im Vergleich zu den genannten Systemen auf Smartphones nehmen stationäre intelligente Lautsprechersysteme wie Amazon Echo, Google Home oder Apple HomePod als Voice-First Devices eine Sonderstellung ein, da diese ausschließlich über Sprache gesteuert werden und auch nur durch Sprachausgabe auf Befehle und Suchanfragen reagieren. Eine visuelle Schnittstelle als Eingabe-Interface fehlt.11
1.2 Ursprung und Entwicklungsgeschichte In Film und Literatur spielten Sprachsteuerungen, „sprechende Geräte“ und digitale Assistenten schon früh eine zentrale Rolle, z. B. in der Fernsehserie „Raumschiff Enterprise“ (1966–1969), bei der die Besatzung den Schiffscomputer über Sprache steuert, oder in dem Film „2001: Odyssee im Weltraum“ (1968) mit der künstlichen Intelligenz HAL 9000, einem Schiffscomputer mit einem Interface aus Kameraauge und Lautsprecher. Zur praktischen Anwendung kamen derartige Systeme dann zunächst im Umfeld der Forschung sowie als Spezialanwendung in ausgewählten Nutzungskontexten. So entwickelte Joseph Weizenbaum am Massachusetts Institute of Technology (MIT) schon in den 1960er Jahren eine Konversationssoftware, die eine natürliche Unterhaltung mit einem Computer ermöglichte.12 Weizenbaum erfand damit den ersten Chatbot, der bereits damals eine Art künstliche Intelligenz simulierte und als Vorreiter für heutige digitale Assistenten gilt. Die erste Spracherkennung außerhalb der Forschung präsentierte IBM im Jahr 1984 für Großrechner. Etwa zehn Jahre später konnte sie auch auf PCs genutzt werden. 2007 wurde Spracherkennung erstmals in einem Betriebssystem – in Windows Vista – eingesetzt. Den eigentlichen Durchbruch auf dem Massenmarkt erzielte Apple im Jahr 2011 mit seiner Spracherkennungssoftware Siri.13 Seitdem werden die Systeme – dank entscheidender Fortschritte in den Bereichen Big Data, Machine Learning und Sprachverarbeitung – immer leistungsstärker, zuverlässiger und gegen Störungen stabiler, da insbesondere die Verarbeitung von Massendaten eine korrekte Spracherkennung ermöglicht, damit die gesprochenen Eingaben und Befehle richtig erkannt werden.
10 Vgl. Sünkler, Kerkmann 2016. 11 Eine Ausnahme bilden Dashboards, die praktisch im Hintergrund der Sprachsteuerung aufgerufen werden können. So lassen sich z. B. bei Amazon über eine Smartphone-App oder ein Web-Interface Suchhistorie und zusätzliche Informationen anzeigen. 12 Vgl. Weizenbaum 1966. 13 Vgl. Bitkom 2016.
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Sprachsteuerung und digitale Assistenten im Informationsmarketing
Insbesondere bei vielen mobilen Anwendungen sind Sprachassistenten inzwischen Standard. So sind Google Assistant, Apple Siri und Microsoft Cortana oft integraler Bestandteil von Betriebssystemen und damit entsprechend weit verbreitet.14 Sie sind stets verfügbar, überall nutzbar und bieten neben der Sprachsuche auch eine proaktive Unterstützung der Nutzer im Alltag. Die Dienste liefern Informationen und Suchergebnisse aus, die der Nutzer nicht explizit anfragt, die ihn aber bei verschiedenen Tätigkeiten ‚ungefragt‘ unterstützen. Dazu werden der Kontext, die Suchhistorie sowie das Nutzungsverhalten automatisch analysiert. Beispiele für proaktive Anwendungen sind die Anzeige von Fahrtverbindungen und Verkehrsbehinderungen vom aktuellen Standort zum Standort eines im Kalender eingetragenen Termins oder die Anzeige von Nachrichtenartikeln zu Themen, die auf den identifizierten Vorlieben des Anwenders basieren. Bei stationären Geräten – den intelligenten Lautsprechern – dominiert momentan Amazon mit der Echo-Geräteserie, auch wenn Google mit Google Home und Apple mit Apple HomePod inzwischen mit vergleichbaren Systemen nachgezogen haben. Die Marktführung von Amazon ist u. a. auf die Verbreitung der Echo-Lautsprecher zurückzuführen, die seit 2015 in den USA und seit 2016 in Deutschland angeboten werden.
1.3 Aktuelle Trends Die Geschichte der modernen sprachgesteuerten Websuche und der digitalen Assistenten ist noch jung; dennoch ist Sprachsteuerung bereits in weiten Teilen der Gesellschaft angekommen und hat zunehmend auch für den durchschnittlichen Anwender Relevanz.15 Schon sechs von zehn Nutzern bedienen ihr Smartphone per Spracheingabe und nutzen verschiedene Anwendungen, um Unterstützung im Alltag zu erhalten.16 Device Control wie Anrufaufbau oder das Diktieren von Textnachrichten sowie die Online-Recherche via Web Voice Search stellen dabei die beliebtesten Applikationen dar.17 Auch bildschirmlose Geräte, wie der Amazon-Echo-Lautsprecher mit seinem digitalen Assistenten Alexa, verfügen inzwischen über einen beeindruckenden Bekanntheitsgrad. Wenige Monate nach der Markteinführung in Deutschland kennen bereits 78 Prozent der Deutschen Alexa, fünf Prozent nutzen das System und weitere 13 Prozent planen dies.18
14 Vgl. Sünkler, Kerkmann 2016. 15 Vgl. Statista 2017. S. dazu u. a. Bitkom: Das Smartphone gehorcht aufs Wort. Presseinformation vom 17. April 2017. https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Das-Smartphone-gehorcht-auf s-Wort.html (Abruf: 2018.06.17) 16 Vgl. Bitkom 2017. 17 Vgl. ebd. 18 Vgl. Pwc.de 2017.
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In Bezug auf die Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen mittels Sprachassistenten zeichnet sich zum jetzigen Zeitpunkt ein hohes Potenzial ab. So gab laut der Studie „The Future of Retail 2017“19 ein Viertel der Befragten an, bereits einen digitalen Sprachassistenten im Haus zu haben. Ein Fünftel bestellt Waren über Sprache und ein Drittel der Befragten plant, in Zukunft Bestellungen über Sprachdienste durchzuführen.20 Ein wichtiger Erfolgsfaktor der modernen Systeme ist dabei die Fähigkeit der dialogorientierten Sprachsuche (Conversational Search). Mit dieser Simulation von Dialogen werden die Assistenten „menschlicher“ und können mit den Kunden in eine Konversation treten, die über die einfache Umwandlung von Sprache zu Text in Suchanfragen hinausgeht. Diese dialogorientierte Suche hebt sich damit von der traditionellen Suche dadurch ab, dass sie im Dialog bleibt und einen direkten Bezug zu vorangegangenen Suchen herstellt, z. B.: „Wie heißt der Präsident der Vereinigten Staaten?“ → Antwort → „Und wie alt ist er?“ → Antwort. Zusätzlich zur Dialogfähigkeit zeichnen sich die aktuellen Systeme auch durch die Kommunikationsfähigkeit mit anderen Smart Home Devices aus. So lassen sich beispielsweise intelligente Beleuchtungs- oder Heizsysteme durch Schnittstellen in die Assistenten integrieren und ebenfalls per Sprachbefehl steuern. Neben der technischen Realisierung der Sprachsteuerung samt Schnittstellen zu anderen Systemen, die alle aufgezeigten Formen gemeinsam haben, ist die „Intelligenz“ dieser Systeme eine weitere wichtige Eigenschaft, die als Erfolgsfaktor gewertet werden kann, die Nutzung als Marketinginstrument in Zukunft jedoch vor große Herausforderungen stellen wird. Die persönlichen Assistenten arbeiten als selbstlernende Systeme, die aus dem Verhalten des Benutzers lernen und zukünftige Bedürfnisse vorausahnen sollen. Die Analyse der zur Verfügung stehenden Informationen führt zur Gestaltung eines sehr individuellen Informationsraums, der auf die Bedürfnisse des einzelnen Anwenders zugeschnitten ist. Der Nutzer soll ausschließlich die für ihn relevanten Informationen erhalten sowie proaktive Unterstützung durch den Assistenten erfahren.21 Damit findet eine Personalisierung statt, die in dieser ausgeprägten Form als Hyperpersonalisierung bezeichnet wird. Hyperpersonalisierung ist ein zentraler Begriff im digitalen Marketing und stammt ursprünglich aus dem E-MailMarketing. Er bezeichnet Methoden, die dazu dienen, Kunden mit passgenauen Daten
19 In der Studie wurden 1 622 Teilnehmer in den USA im Alter von 26 bis 35 Jahren befragt. 20 Vgl. Parro, Jordan 2017. 21 Persönliche Assistenten agieren reaktiv und proaktiv, wobei reaktiv bedeutet, dass Nutzer direkt Anfragen stellen und die Systeme mit den möglichst besten Informationen, angepasst an das erlernte Nutzerprofil, antworten. Proaktiv hingegen beschreibt die Fähigkeit der Systeme, die Bedürfnisse des Nutzers zu befriedigen und Probleme zu lösen, ohne dass der Anwender explizit um Unterstützung bittet. Ein einfaches Beispiel dafür ist die Angabe von Verkehrsinformationen für die Strecke von der Wohnung zur Arbeitsstelle ohne direkte Anfrage des Anwenders.
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und hoch individualisierten Angeboten zu versorgen.22 Dabei lassen sich Sprachsuche und (personalisierte) Assistenzfunktionen im Zusammenhang mit den digitalen Assistenten nicht getrennt betrachten. Daher ist es entscheidend, diese Zusammenhänge auch im Rahmen der Nutzung als Marketinginstrument zu berücksichtigen. Sie bedienen vor allem das Prinzip des One-to-One-Marketings.23
2 Marketing mit Sprachassistenten Sprachassistenten bieten mit ihrer Technologie ein hohes Potenzial im Bereich des Dienstleistungs- und des Produktmarketings. Diese Möglichkeiten werden in dem folgenden Abschnitt zunächst aus allgemeiner Perspektive betrachtet und anschließend speziell für Informationseinrichtungen konkretisiert.
2.1 Potenziale für das Marketing im Dienstleistungs- und Produktmarketing Die Vorteile der Gerätesteuerung per Sprache liegen aus Anwenderperspektive vor allem in einem deutlich wahrnehmbaren Gewinn an Geschwindigkeit und Komfort. Durch die inzwischen standardmäßige Integration der persönlichen Assistenten in das Betriebssystem stehen diese sofort zur Nutzung bereit. Die natürlichsprachige Bedienung muss nicht erlernt werden, sondern ist – von den Aktivierungsworten für einige Skills abgesehen – jedem Nutzer ohne Einarbeitung geläufig. Hinzu kommt ein beträchtlicher Zeitgewinn, da Sprechen deutlich schneller als Schreiben ist.24 Auch empfinden Anwender das Sprechen als komfortabler, weil sie bei Navigation und Eingabe nicht auf möglicherweise verwirrende Menüführungen angewiesen sind, sondern intuitiv und natürlichsprachig vorgehen können. Die Tatsache, während der Bedienung die Hände frei für andere Aktivitäten zu haben bzw. nicht auf ein Display schauen zu müssen, steigert den Komfort und schafft zusätzlich neue Anwendungsbereiche insbesondere in Bezug auf Smart-Home-Anwendungen, wie beispielsweise die Steuerung von Lampen und Jalousien. Nicht zuletzt üben innovative Technologien einen gewissen Reiz des Neuen aus und werden durchaus auch rein aus Neugier und zum Spaß genutzt.25 Diese sich wandelnden Bedürfnisse der Nutzer und die Potenziale dieser neuen Form der Benutzerschnittstelle wollen und können Unternehmen nicht ungenutzt lassen.
22 Vgl. Von Lieven, Pieper 2017. 23 Vgl. Bachner 2016. 24 Der Faktor liegt hier bei drei. Spracheingabe ist ungefähr dreimal schneller als die Eingabe über Touchscreens (vgl. Ruan et al. 2017). 25 Vgl. Sünkler 2016; MindMeld 2016.
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Voice-Marketing, also Marketing, das Voice-First-Mediengeräte bedient, bietet auf vielen Ebenen sowohl extern zum Kunden als auch intern in Unternehmen und Institutionen Anknüpfungspunkte mit unterschiedlichem Potenzial. Tab. 1 beschreibt eine Auswahl möglicher Einsatzbereiche und gibt eine Einschätzung ihrer praktischen Wirksamkeit.
Tab. 1: Einsatzmöglichkeiten von Voice-Marketing und Bewertung ihrer praktischen Relevanz26
Einsatzmöglichkeit
Bewertung
Reputationsmanagement: Angebot von sprachbasierten Diensten, um sich als innovatives Unternehmen und ‚First Mover‘ zu positionieren (Imagegewinn)
Für die Reputation eines Unternehmens ist es wichtig, aktuelle technische Trends aktiv aufzugreifen. Mit dem Angebot von sprachbasierten Diensten zum jetzigen Zeitpunkt lassen sich Markenbekanntheit und Image steigern, sofern die Dienste einfach zu nutzen sind und fehlerfrei arbeiten. Allerdings bestehen vielfach Bedenken hinsichtlich des Umgangs der Unternehmen mit persönlichen Daten der Kunden. Die Anbieter der sprachbasierten Dienste müssen daher klare Richtlinien zum Datenschutz formulieren und kommunizieren.
Kundenbindung: Angebot von sprachbasierten Diensten als zusätzlicher Service und ergänzender Kanal für bestehende Kunden
Ein ergänzender Kanal durch das Angebot von sprachbasierten Diensten sorgt für einen besseren Zugang. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass solche Dienste zunächst für einfache und verständliche Transaktionen entwickelt werden, damit bei der Nutzung Erfolgserlebnisse garantiert sind und sie keinen abschreckenden Effekt haben.
Content-Marketing und Distribution: Angebot von sprachbasierten Diensten zum „Verteilen“ der eigenen Inhalte (z. B. Vorlesen des RSS-Feeds, Abspielen eines Podcasts) und zur Beantwortung von Sprachsuchen
Sprachassistenten müssen auch im Bereich des Content-Marketings eingebunden werden, da der Bereich der Sprachsuche nach Informationen eine immer stärkere Verbreitung findet. So ist die Recherche nach Informationen die drittbeliebteste Anwendung bei der Sprachsteuerung.27 Ein erfolgreiches Content-Marketing stellt die Unternehmen vor zahlreiche Herausforderungen. Zum einen müssten die Inhalte, die durch Sprache abgefragt werden, am besten auch akustisch zurückgegeben werden. Dafür müssen sie entsprechend aufbereitet werden. Zum anderen ergeben sich Schwierigkeiten im Hinblick auf Maßnahmen zur Suchmaschinenoptimierung und im Suchmaschinenmarketing. Es geht nicht mehr nur – wie bisher – um die besten Plätze (z. B. in den ersten zehn Treffern zu einer Suchanfrage), sondern darum, auf dem ersten Platz im Ranking vertreten zu sein. Durch die rein akustische Wiedergabe der Treffer ist davon auszugehen, dass nur dieser heiß umkämpfte Platz bei Anfragen akustisch wiedergegeben wird und damit relevant ist.28
26 In Anlehnung an Pleil 2017. 27 Vgl. Brandt 2016. 28 Vgl. Bartels 2017.
Sprachsteuerung und digitale Assistenten im Informationsmarketing
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Tab. 1: (fortgesetzt) Einsatzmöglichkeit
Bewertung
Point of Sale: Angebot von sprachbasierten Diensten in der Verkaufsstelle (z. B. zur Beantwortung von Fragen zum Angebot)
Sprachdienste vor Ort bieten die Möglichkeit, Servicefragen zu beantworten und dies mit Informationen zu Produkten zu verknüpfen. Damit können Unternehmen ihre Reputation durch einen erweiterten Service steigern und weitere Möglichkeiten für die Vermarktung ihrer Produkte vor Ort schaffen.
Interne Kommunikation und Schulung: Angebot von sprachbasierten Diensten für Mitarbeiter (z. B. zur Kommunikation mit dem Warenwirtschaftssystem, zur Recherche oder zum Zwecke der Schulung)
Sprachbasierte Dienste sollten nicht nur für das Content-Marketing und als Service für Kunden eingesetzt werden. Auch Mitarbeiter können direkt davon profitieren, wenn sie einen Zugang zu relevanten Informationen für ihre Arbeit durch einfache Fragen erhalten. Dies steigert die Reputation des Unternehmens innerhalb der Belegschaft.
Digitale Sprachassistenten bieten damit im Rahmen des operativen Marketings sehr unterschiedliche Einsatzfelder. Eine Eigenentwicklung solcher Systeme jedoch ist sehr aufwendig und ressourcenintensiv und somit für kaum ein Unternehmen wirtschaftlich leistbar.29 Als zielführender bzw. derzeit fast einzig gangbarer Weg kann die Nutzung vorhandener Infrastrukturen, allen voran die der Amazon-Sprachtechnologie Alexa, empfohlen werden. Der Online-Versandhändler bietet als Geschäftsmodell anderen Unternehmen die Möglichkeit, an Alexa zu partizipieren und dem Sprachassistenten eigene Dienste als sogenannte Alexa Skills – kurze, möglichst einfache Wortkombinationen, die nach dem Aktivierungswort „Alexa …“ den entsprechenden Dienst starten – zuzuschalten. Angesichts der kurzen Zeit, die Echo-Geräte erst auf dem (deutschen) Markt angeboten und Skills über den Alexa Skills Shop zur Verfügung gestellt werden, können die bereits erzielten Reichweiten als beeindruckend gewertet werden. So gibt es mittlerweile 15 000 Alexa Skills für den US-amerikanischen Markt30 und ungefähr 2 000 Skills für den deutschsprachigen Raum.31 Prominente Beispiele sind u. a. die Skills von der Deutschen Bahn (nennt Ankünfte und Abfahrten von Zügen, Straßenbahnen oder Bussen der DB und liefert (Echtzeit-) Informationen zu Reiseverbindungen) oder von Chefkoch (bietet Zugriff auf das gesamte Rezepterepertoire von Chefkoch.de), die die Reichweite ihrer Angebote durch
29 Allein Amazon stellt über den sogenannten Alexa-Fonds 100 Millionen Dollar Risikokapital für die (Weiter-)Entwicklung von Sprachtechnologien zur Verfügung (vgl. Amazon 2017). 30 Zum Vergleich: Für den Google Assistant werden weniger als 400 Apps gezählt, für Microsoft Cortana gerade einmal 65 (vgl. Kinsella 2017). 31 Eine Übersicht zu aktuellen Skills kann auf der Plattform von Amazon eingesehen werden, s. https:// www.amazon.de/alexa-skills/b/ref=sd_allcat_k_a2s_all&node=10068460031 (Abruf: 2018.01.03).
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das Zurverfügungstellen von Skills erweitern. Das Angebot solcher Apps, die einen deutlichen Mehrwert für den Verbraucher bieten, stärkt die eigene Marke und kann auch für die Vermarktung eigener Produkte eingesetzt werden. Einschränkungen bestehen allerdings in Bezug auf die Schaltung von Werbung in Alexa Skills. Werbung in Skills ist bis auf wenige Ausnahmen verboten.32 Eine Schaltung von Werbung ist nur innerhalb des eigenen Skills erlaubt und muss sich auf diesen beziehen. Produkte und Dienstleistungen des Anbieters dürfen nur in dem Skill beworben werden. Eine skillübergreifende Werbung, z. B. wenn ein Unternehmen mehrere Skills anbietet, die für verschiedene Zwecke gedacht sind, ist nicht erlaubt. Auch Sonderangebote dürfen beworben werden, jedoch nur, wenn Nutzer ausdrücklich danach fragen. Beispiele für Skills, die für den Erwerb von Produkten genutzt werden können, finden sich in den verschiedensten Kategorien. Die Auswahl ist zur Zeit jedoch noch sehr beschränkt. Gründe dafür liegen u. a. in einem fehlenden Standard für In-SkillVerkäufe, d. h., es ist nicht ohne Weiteres möglich, Produkte auch tatsächlich in den Skills zu kaufen, da noch kein standardisiertes Zahlungsverfahren implementiert ist, was eine Abwicklung von Transaktionen ermöglicht.33 Sollte Amazon Mechanismen für In-Skill-Verkäufe anbieten, wird die Anzahl von Skills für das Online-Shopping (vermutlich) stark ansteigen.34 Die genannten Eigenschaften und Chancen für das Produkt- und Dienstleistungsmarketing lassen sich auch auf Informationseinrichtungen übertragen. Diese können das Potenzial von Sprachassistenten nutzen, um einen Mehrwert für ihre Kunden zu generieren und ihre Reputation zu steigern.
2.2 Marketing mit Sprachassistenten für Informationseinrichtungen Auch oder insbesondere Informationseinrichtungen, deren (Unternehmens-)Ziel in der zielgruppengerechten Zugänglichmachung von Informationen liegt, müssen wandlungsfähig bleiben, sich an aktuellen und zukünftigen Entwicklungen ausrichten und ihr Angebot fortlaufend den sich verändernden Kundenbedürfnissen anpassen. Bislang jedoch ist der Einsatz digitaler Assistenten und Sprachsteuerungen in diesem Umfeld noch gering. Konkrete Beispiele dafür, wie Bibliotheken und Informationseinrichtungen Sprachassistenten dazu nutzen, ihre Inhalte und Dienstleistungen zu bewerben oder zu distribuieren, finden sich bislang wenig. Informationseinrichtungen, Kulturinstitutionen und Bibliotheken werden den finanziellen, zeitlichen und technischen Entwicklungsaufwand eines eigenen Sprach32 Vgl. Eggert 2017. 33 Vgl. ebd. 34 Ein Beispiel für einen Skill, über den Essen online bestellt werden kann, ist der Lieferando-Skill, s. https://www.lieferando.de/blog/lieferando-skill-amazon-alexa/ (Abruf: 2018.01.03).
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assistenten in absehbarer Zeit auch nicht stemmen können. Durch das Bereitstellen von geeigneten Alexa Skills können sie jedoch einen zusätzlichen Kanal für die Vermarktung ihrer Dienstleistungen und Produkte schaffen und ihren (potenziellen) Kunden einen individuellen Mehrwert bieten. Denkbar sind beispielsweise die Entwicklung bzw. Erweiterung von Apps durch Sprachkomponenten und Maßnahmen der Personalisierung im mobilen Bereich sowie die Möglichkeit der Suche im Informationsangebot und Bestand mittels Sprache. Tab. 2 listet eine Auswahl konkreter Entwicklungsansätze und Skill-Ideen für die bibliothekarische Praxis auf und bewertet sie hinsichtlich ihres Marketingpotenzials.
Tab. 2: Mögliche Entwicklungsansätze für Skills und Bewertung ihrer praktischen Relevanz.
Einsatzmöglichkeit
Bewertung
Reputationsmanagement: Angebot eines sprachbasierten Dienstes, um sich als innovative Institution zu positionieren
Informationseinrichtungen haben den Auftrag, innovativ zu sein und moderne Technologien für den Zugang zu Informationen bereitzustellen bzw. sie zu nutzen, um innovative Dienstleistungen anzubieten. Verpassen Einrichtungen aktuelle Trends, besteht die Gefahr eines Reputationsverlustes. Wie bei dem Produktmarketing ist es allerdings notwendig, Transparenz in Bezug auf die Verarbeitung der persönlichen Kundendaten zu schaffen und Dienste anzubieten, die einfach nutzbar sind und fehlerfrei arbeiten.
Kundenbindung: – Angebot eines sprachbasierten Dienstes, der dem Nutzer zu Hause Service- und Informationsanfragen beantwortet („Wie lange hat die Bibliothek morgen geöffnet?“) – Angebot eines sprachbasierten Dienstes, der für den Nutzer zu Hause simple Transaktionen durchführt („Suche im Katalog nach Titel XY. Reserviere mir diesen.“) – Angebot eines personalisierten sprachbasierten Dienstes, der persönliche Informationen aus dem Account des Nutzers zur Verfügung stellt („Bei wie vielen Medien ist die Leihfrist abgelaufen? Wie hoch sind die Mahngebühren?“) – Angebot eines sprachbasierten Dienstes, der auf anstehende Events in der Einrichtung hinweist und entsprechende Kalendereinträge koordiniert
Die genannten Beispiele für Anwendungen in den sprachbasierten Diensten zum Zweck der Kundenbindung bieten einen direkten Mehrwert, der die Reputation der Einrichtung steigert. Der Zugang über Sprache erleichtert die Nutzung der Informationsangebote und stärkt damit die Nutzung und die Kundenbindung. Die Einrichtung kann sich durch das Angebot von sprachbasierten Diensten noch serviceorientierter aufstellen.
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Tab. 2: (fortgesetzt)
Einsatzmöglichkeit
Bewertung
Content-Marketing und Distribution: Angebot eines sprachbasierten Dienstes, der E-Books oder Rezensionen zu vorhandenen Werken im Bestand vorliest
Wie im Produktmarketing stehen auch Informationseinrichtungen vor der Herausforderung, Inhalte so zu gestalten, dass sie durch sprachbasierte Dienste verarbeitet werden können. Während Audiobücher ohne Schwierigkeiten durch Sprachdienste wiedergegeben werden könnten, müssen andere Werke in den Beständen zunächst technisch aufbereitet werden. Hier fehlen zum jetzigen Zeitpunkt technische Standards, da E-Books und andere elektronische Publikationen in einer Vielzahl von Formen und Formatierungen bereitgestellt werden. Momentan besteht allerdings die Möglichkeit, Alexa E-Books im Kindle-Format vorlesen zu lassen.
Point of Sale (PoS): – Angebot eines stationären sprachbasierten Dienstes, der vor Ort beispielsweise Fragen zum Bestand beantwortet und Auskünfte über die Einrichtung erteilt („Wo finde ich die aktuellen Bestseller?“, „Wie lange haben Sie heute geöffnet?“) – Angebot eines stationären sprachbasierten Dienstes, der die Recherche im OPAC oder einer Datenbank übernimmt
Der Point of Sale (PoS) steht in engem Zusammenhang mit den beschriebenen Möglichkeiten im Bereich der Kundenbindung. Die sprachbasierten Dienste, die der Kunde vor Ort nutzen kann, sollten auch direkt in der Informationseinrichtung nutzbar sein. Hier steht wieder der Servicegedanke im Vordergrund. Durch die Platzierung von smarten Lautsprechern innerhalb der Einrichtung, z. B. in einer Bibliothek, erhalten Kunden Zugang zu virtuellen Assistenten, die Anfragen zur Einrichtung und zum Bestand beantworten können. Dadurch kann eine Entlastung der Mitarbeiter stattfinden.
Interne Kommunikation und Schulung: Angebot eines sprachbasierten Dienstes für Mitarbeiter, um z. B. mit dem Katalog zu kommunizieren („Wie viele Vormerkungen gibt es für Titel XY?“) oder um sich über Neuerungen zu informieren
Sprachbasierte Dienste lassen sich auch innerhalb der Belegschaft einsetzen, indem einfache Vorgänge durch Sprachanfragen verarbeitet werden können. Das spart Zeit und führt zu einer Vereinfachung der Arbeitsvorgänge.
Eine Recherche im Alexa Skills Shop (zu finden als Produktkategorie auf der AmazonSeite) zeigt, dass bereits erste bibliothekarische Einrichtungen im Zuge der Kundenbindung diesbezüglich aktiv sind. So stellt beispielsweise die Stadtbücherei Buchholz in der Nordheide einen Skill zur Verfügung, der über die Öffnungszeiten und die Adresse der Einrichtung informiert.35 Für die Stadtbibliothek Duisburg existiert ein
35 Der Skill kann unter https://www.amazon.de/ZHApps-Buchholz-Bücherei/dp/B06XKHNQFH/ ref=sr_1_1?s=digital-skills&ie=UTF8&qid=1514981862&sr=1-1&keywords=bücherei aufgerufen werden (Abruf: 2018.01.03).
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inoffizieller Skill, mithilfe dessen sich der aktuelle Ausleihstatus abfragen lässt.36 Das Angebot ist allerdings noch sehr überschaubar. Es fehlt momentan zudem an Projekten, die smarte Lautsprecher in den Einrichtungen aufstellen, um das Potenzial dort zu testen. Handelsunternehmen z. B. sind diesbezüglich deutlich weiter. So hat z. B. das Hosenlabel Alberto in seinem Concept Store in Mönchengladbach Amazon-EchoLautsprecher positioniert, um die Kundenbindung zu steigern und den Service vor Ort zu verbessern. So beantwortet Alexa dort u. a. Fragen zum Produktsortiment, zum Unternehmen und zu Lieferanten und steht Kunden und Mitarbeitern gleichermaßen zur Verfügung.37 Neben den genannten Marketingpotenzialen und -chancen des Voice-Marketings für Informationseinrichtungen bestehen aber auch Risiken und Herausforderungen, die sich insbesondere auf Aspekte des Datenschutzes beziehen.
3 Risiken und Herausforderungen des Marketings mit Sprachassistenten Die Frage nach den Risiken muss aus zweierlei Perspektiven beleuchtet werden: Zum einen stellen sich Einrichtungen auf dem Informationsmarkt die Frage, welches Risiko sie eingehen, sofern sie sich neuen digitalen Diensten, wie Sprachsteuerungen, gegenüber verschließen und ihr Angebot nicht an die veränderten Bedürfnisse der Kunden anpassen. Zum anderen ergeben sich – für den Fall, dass sie sich für die Integration derartiger neuer Dienste in ihr Angebot entscheiden – ganz konkrete Vorbehalte im Hinblick auf Datenschutz und Datenmissbrauch. Fragen bezüglich Datenerfassung und -speicherung, Zugriffsrechte und Auswertung sowie eine eventuelle Weitergabe von Daten an Dritte müssen sorgfältig und unter Beachtung der aktuellen Gesetzeslage geklärt und für den Kunden transparent aufbereitet werden. Nur so kann ein solch innovatives Angebot seine vollen Marketingeffekte entfalten, ohne sich ins Gegenteil zu verkehren und negative Wirkung zu erzielen. Zu diesen branchenunabhängigen und praktischen Risiken kommen möglicherweise bibliotheksspezifische Herausforderungen im Hinblick auf die Nutzerautonomie und den eigenen Anspruch an die Vermittlung von Medienkompetenz. Groß ist die Gefahr einer Forcierung der „Filter Bubble“, in der die Kunden nur noch Informationen erhalten könnten, die auf ihre Vorlieben und Interessen zugeschnitten werden.
36 Der Skill kann unter https://www.amazon.de/Emil-Thies-Stadtb%C3 %BCcherei-Duisburg/dp/B07 4ZQYBJ8 aufgerufen werden (Abruf: 2018.01.03). 37 Vgl. Rondinella 2017.
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Durch diese Isolation entsteht eine Abgrenzung zu Informationen, die nicht dem Standpunkt des Kunden entsprechen:38 – Vorteile, die sich aus dem proaktiven Verhalten von Sprachassistenten ergeben, können ins Gegenteil verkehrt werden. Es kann zu einer Fremdbestimmung und Manipulation des Kunden durch nicht angeforderte Informationen und Handlungsempfehlungen kommen.39 – Informationseinrichtungen haben den Auftrag, die Medien- und Informationskompetenz ihrer Kunden zu fördern. Sprachassistenten müssen in die Konzepte zur Vermittlung dieser Kompetenzen richtig eingebunden werden, da sie nur akustische Antworten wiedergeben, die in der Regel lediglich aus einer Quelle stammen und zumeist ungeprüft vom Nutzer übernommen werden dürften. Entscheiden sich Informationseinrichtungen angesichts dieser Herausforderungen und Risiken oder aus anderen Gründen gegen das Angebot von sprachbasierten Diensten, setzen sie sich jedoch einem anderen Risiko aus: Wenn Unternehmen und somit auch Bibliotheken und Informationseinrichtungen gesellschaftliche Entwicklungen ausblenden und damit auch neue technologische Entwicklungen vernachlässigen, gehen sie das Risiko ein, Stammkunden zu verlieren, die sich nach etwas „Jüngerem“ umsehen. Die Einrichtungen sind damit nicht mehr auf der Höhe ihrer Zeit.40 Ein noch größeres Risiko entsteht dadurch, dass Nutzer, die die Anwendung neuer Technologien als selbstverständlich ansehen, sich nicht angesprochen fühlen, wenn die Informationseinrichtungen diese nicht unterstützen. Wenn ein Nutzer in Zukunft erwartet, an Inhalte auch mittels Sprachsuche zu gelangen, könnten Informationseinrichtungen, die diese Dienste nicht anbieten, nicht attraktiv für diese Nutzergruppen sein, auch wenn Sprachsuche nur einen weiteren Informationszugang bietet und nicht als Hauptzugang dient.
Fazit und Ausblick Sprachbasierte Dienste werden in naher Zukunft immer stärker in den Alltag vordringen und das Verhalten im Umgang mit Informationen und Medien verändern. Trotz der Datenschutzthematik und möglicher Risiken ist es absehbar, dass ein neuer relevanter Marketingkanal durch das Voice-Marketing entsteht, der nicht nur durch Unternehmen als Produkt- und Dienstleistungsanbieter bedient werden muss, sondern insbesondere auch für Bibliotheken und Informationseinrichtungen relevant ist.
38 Vgl. Pariser 2011. 39 Vgl. Sünkler 2016. 40 Vgl. Riedmann-Streitz 2017.
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Diese haben den Auftrag, zielgruppengerechte Informationszugänge zu schaffen und moderne Technologien dafür einzusetzen. Suche über Sprache und virtuelle Assistenten sind u. a. solche Zukunftstechnologien und bieten für den Informationsmarkt zahlreiche Chancen auf verschiedenen Ebenen. Die Einrichtungen haben die Möglichkeit, bereits durch das Angebot sprachbasierter Dienste ihr Image zu verbessern, sofern die Dienste einen deutlich wahrnehmbaren Mehrwert bieten. Der Mehrwert kann dabei zunächst insbesondere durch das Angebot von Sprachdiensten entstehen, die den Service verbessern und sowohl als Anwendungen bei dem Nutzer vor Ort als auch in den Informationseinrichtungen selbst angeboten werden müssen. Für die Einrichtungen besteht das Risiko, den Trend zu verpassen und damit insbesondere neue Zielgruppen nicht zu erreichen. Zu diesen Zielgruppen gehören beispielsweise Senioren oder Menschen mit Behinderungen, die durch die Möglichkeiten von Sprachsteuerung und Sprachsuche im Rahmen von assistiven Technologien einen vereinfachten Zugang zu Informationen erhalten. Bei dem Angebot sprachbasierter Anwendungen liegt es allerdings in der Verantwortung der Informationseinrichtung, diese Dienste so einzubinden, dass die Medien- und Informationskompetenz der Kunden weiterhin gefördert und nicht beschränkt wird. Daher dürfen sprachbasierte Dienste die Aufgaben von Informationseinrichtungen nur unterstützen, nicht aber ablösen. Die Dienste müssen so gestaltet werden, dass Kunden weiterhin lernen, Informationen kritisch zu hinterfragen und zu bewerten, neugierig auf mehr und Neues bleiben und am Ende nicht nur auf sie zugeschnittene Informationen erhalten, die sie in die Falle einer „Filter Bubble“ führen. Für die Entwicklung von Sprachdiensten ist zu empfehlen, auf bestehenden Infrastrukturen und Technologien aufzubauen, da die Schaffung eigener Infrastrukturen sehr zeit- und kostenintensiv ist. Die populärste Plattform bietet momentan Amazon an, da zum einen die Geräte dazu kostengünstig erworben werden können und zum anderen durch die Entwicklungsplattform für die Skills eigene Dienste darauf aufbauend entwickelt werden können. Es ist allerdings absehbar, dass Google und Microsoft nachziehen und auch entsprechend zu berücksichtigen sein werden. Sie stellen ebenfalls bereits Plattformen für Entwickler bereit und sind mit den entsprechenden smarten Lautsprechern in den Verkauf gegangen.
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Von Lieven, Stefan; Pieper, Sebastian: Marketing Engineering im E-Commerce – den Kunden in den Fokus des Dialogs rücken. In: Praxis der Personalisierung im Handel. Mit zeitgemäßen E-Commerce-Konzepten Umsatz und Kundenwert steigern. Stüber, Eva et al. (Hrsg.). Wiesbaden: Springer Gabler, 2017, S. 25–45. Weibel, Alexander; Lee, Kai-Fu: Readings in Speech Recognition. Burlington/Massachusetts: Morgan Kaufmann, 1990. Weizenbaum, Joseph: ELIZA – A Computer Program for the Study of Natural Language Communication between Man and Machine. In: Communication of the ACM, Vol. 9, H. 1, 1966, S. 36–45.
Ulrike Spree
Usability und User Experience von Informationsdienstleistungen Abstract: User Experience und Usability sind als Aufgabenfelder in deutschen Informationseinrichtungen und Bibliotheken angekommen. Während die meisten Einrichtungen sich darauf beschränken, gelegentlich ihre (digitalen) Angebote evaluieren zu lassen, bauen andere eigene Teams oder ganze Arbeitsbereiche auf. Die eingesetzten Methoden reichen von pragmatischen Low-Budget-Evaluationen mit einem Convenience Sample von Probanden bis hin zu Repräsentativität anstrebenden, groß angelegten quantitativen Erhebungen. Die User Experience von Informationsdienstleistungen wird beeinträchtigt durch unklare Ziel- und Zielgruppendefinitionen, eine für die Nutzerinnen und Nutzer unverständliche Terminologie, die unzureichende Berücksichtigung des Informationsverhaltens der Zielgruppe und ihrer Bedürfnisse sowie das Wecken falscher Erwartungen. Immer noch werden Nutzerinnen und Nutzer nur unzureichend oder zu spät in den Entwicklungsprozess einbezogen. Verbesserungsbedürftig ist vor allem die Auffindbarkeit von Informationsangeboten über Suchmaschinen.
Einleitung: User Experience und Usability im Informationsmarketing The store, which is anxious to see every one of its things pass into the customersʼ hands, allows complete open access even to its tiny articles. Customers are allowed to come in crowds, browse round and handle any article. [...] Exactly, the same method should be adopted by a library that wants to find a reader for every book on its shelves. It is a matter of common experience that the majority of readers do not know their requirements and that their interests take a definite shape only after seeing and handling a well-arranged collection of books.1
Im „Zeitalter des Kunden“2 wird das individuelle Kundenerlebnis (Customer Experience) neben Produkt und Preis zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem ökonomischen Erfolg von Unternehmen und dem Stellenwert, der einer guten Customer und User Experience in der Unternehmensstrategie beigemessen wird.3 Eine gute Customer Experience ist gege-
1 Ranganathan 1931, S. 301. 2 Blasingame 2013. 3 Vgl. Watermark Consulting 2015, S. 4.
https://doi.org/10.1515/9783110539011-026
Usability und User Experience von Informationsdienstleistungen
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ben, wenn Kunden und Mitarbeitende die Interaktion mit einem Unternehmen als angenehm, professionell und hilfreich erleben. Customer Experience setzt sich aus den drei – häufig miteinander verwobenen – Aspekten Customer Journey, MarkenTouchpoints, mit denen der Nutzer interagiert, und Umgebungen (inklusive digitaler), in denen die Kundinnen und Kunden diese Erfahrungen machen, zusammen. Die User Experience, also die Nutzererfahrung oder das Nutzererlebnis, ist ein wichtiges Element der Customer Experience. Sie berücksichtigt die Interaktion einer Nutzerin/eines Nutzers4 mit einem (digitalen) Produkt oder einer Dienstleistung und die sich daraus ergebenden Emotionen. Marketingexperten sehen einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Markenbild eines Produktes oder einer Anwendung und der User Experience.5 Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den Besonderheiten der User Experience von Informationsdienstleistungen mit einem Fokus auf bibliothekarischen Produkten und Dienstleistungen.
1 Digitale Informationsdienstleistungen und User Experience Digitale Informationsdienstleistungen haben die Funktion, lokale Serviceleistungen an eine breite Öffentlichkeit zu vermitteln. Sie bieten Zugang zu den verschiedenen digitalen Diensten, vor allem zu Katalogen und Fachdatenbanken. Mit dem Social Web und den immer umfangreicher werdenden digitalisierten Beständen kommen weitere Aufgaben hinzu, wie die Präsentation und Bereitstellung der Medien (Texte, Bilder, Videos etc.), die direkte Interaktion mit dem Nutzer (z. B. über Webformulare/ Chats) und die Informationskompetenzvermittlung, beispielsweise durch schriftliche Informationen, interaktive Tutorials oder E-Learning-Angebote. Informationsdienstleister sehen sich heute mit einer Vielzahl technischer Entwicklungen und daraus resultierender, sich teilweise widersprechender Erwartungen ihres Publikums konfrontiert: – Informationseinrichtungen und Bibliotheken haben ihr Monopol für die Bereitstellung des Zugangs zu Informationen verloren. – Nutzerinnen und Nutzer erwarten, dass Informationsdienstleistungen einfach und ohne weitere Einarbeitung nutzbar sind, so wie die Angebote kommerzieller Anbieter, z. B. Google oder Amazon. Der Wunsch nach unmittelbar und intuitiv nutzbaren Anwendungen, die so aussehen und so funktionieren wie Google und so einfache Benutzerschnittstellen haben wie den „Google-Suchschlitz“, geht ein
4 In diesem Beitrag werden möglichst geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen verwendet. Sofern dies nicht anwendbar ist, wird sowohl die weibliche als auch die männliche Form verwendet. 5 Vgl. van de Sand 2017, S. 15.
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her mit der Erwartung einer besonders hohen inhaltlichen Qualität kuratierter und vertrauenswürdiger Inhalte.6 Bibliotheken haben die schwierige Aufgabe, unterschiedliche heterogene Kataloge und Datenbanken mit unterschiedlichem Erscheinungsbild und unterschiedlichen Funktionalitäten in einen Auftritt einzubinden. Einzelinformationen, Daten, Dokumente erscheinen den Nutzerinnen und Nutzern leicht zugänglich, sind aber häufig aus dem Zusammenhang gerissen und ohne Kenntnis der Erschließungsregeln deswegen schwer interpretierbar. Traditionell sind Bibliotheken ein relativ geschlossenes System mit festen Regeln (Standardisierung, Metadaten), deren Verständnis eine gewisse Einarbeitung voraussetzt. Wie die meisten Professionen haben auch Information Professionals eine eigene Terminologie entwickelt.7 Vor allem öffentliche Bibliotheken bieten ihre Dienstleistungen für sehr heterogene Zielgruppen an. Die Rollenerwartungen des Publikums und der Anbieter unterscheiden sich je nachdem, ob Bibliotheken ihre Zielgruppen als Kunden, Bürger, (aktiv partizipierende) Nutzer oder sogar Teilhaber betrachten.8
Der Anspruch, nützliche und intuitiv nutzbare Informationsdienstleistungen zu entwickeln, bereitzustellen und zu pflegen, ist seit jeher – bevor die Begriffe Usability und User Experience überhaupt eingeführt wurden – prägend für das bibliothekarische Selbstverständnis. Exemplarisch seien drei Meilensteine vorgestellt. 1931 nennt Shiyali Ramamrita Ranganathan in den „Fünf Gesetzen der Bibliothekswissenschaft“ den freien Zugang zu Büchern, die Fokussierung auf Kerndienstleistungen, die den (unterschiedlichen) Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden entsprechen, sowie die Bereitschaft zur Veränderung als wesentliche Anforderungen an Bibliotheken: 1. Bücher sind zum Benutzen da; 2. Jedem Buch seinen Leser; 3. Jedem Leser sein Buch; 4. Die Zeit des Lesers sparen; 5. Eine Bibliothek ist ein wachsender Organismus.9 1989, zehn Jahre nach der Einführung des ersten Online Public Access Catalogue (OPAC) in Bibliotheken,10 gibt die Informationswissenschaftlerin Marcia Bates den Anstoß für ein Umdenken bei der Gestaltung von Suchinterfaces für Online-Datenbanken. Benutzerschnittstellen sollten sich laut Bates nicht an den Eigenheiten des
6 Vgl. Bredemeier 2017. 7 Vgl. Weinhold et al. 2014, S. 44 f. 8 Vgl. Sternheim 2017. 9 Vgl. Ranganathan 1931, S. 1, 75, 91. Das bisher nicht vollständig ins Deutsche übersetzte Buch ist unter dem Orignialtitel „The Five Laws of Library Science“ erschienen. 10 Vgl. Gantert 2016, S. 228–240.
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(technischen) Systems orientieren, sondern die Arbeits- und Denkweise der Nutzerinnen und Nutzer in den Vordergrund stellen. Suchinterfaces für bibliografische OnlineDatenbanken, speziell OPACs, sollten gängige Techniken der Literaturrecherche wie die Suche von Literatur in den Fußnoten anderer Publikationen, die Zitationsrecherche, die Auswertung aktueller Fachzeitschriften, das Stöbern am Regal sowie die thematische Suche in Bibliografien unterstützen.11 1998, also weitere zehn Jahre später, zeigen Peter Morville und Louis Rosenfeld, wie in den Bibliotheks- und Informationswissenschaften angewandte und ständig weiterentwickelte Prinzipien und Techniken der Wissensorganisation, also der Strukturierung, Benennung und Indexierung sowie der Gestaltung von Navigationssystemen, genutzt werden können, um die Suche und das Stöbern nach Inhalten von Webseiten zu unterstützen.12 Die Beispiele verweisen auf das Spannungsverhältnis, in dem traditionell Informationswissenschaft und -praxis einerseits und User Experience andererseits zueinander stehen: 1. Bibliothekare und Bibliothekarinnen kennen sich mit der Organisation und Strukturierung von Informationen und Medien aus. Wie alle Experten laufen sie jedoch Gefahr, Opfer einer „déformation professionnelle“13 zu werden. 2. Eng verbunden mit dieser – niemals ganz vermeidbaren – Betriebsblindheit ist die Überschätzung der Bereitschaft des Publikums, sich in die interne Informationsorganisation eines Informationsanbieters einzuarbeiten. 3. Information Professionals entwickeln in der Regel keine (technischen) Informationssysteme, sondern sie sind selbst Anwender bzw. Early Adopters dieser Systeme und stellen sie für ihre verschiedenen Zielgruppen bereit. 4. Bibliotheken organisieren vorrangig den Zugang zu Informationen und Medien für ihr Publikum; sie erstellen aber auch selber Informationsangebote und konkurrieren damit auf dem Informationsmarkt mit anderen Anbietern.
2 Usability und User Experience Der Anstoß zu einer intensiven Beschäftigung mit Fragen der Gebrauchstauglichkeit von technischen Produkten, speziell Benutzeroberflächen, ging ab den späten 1980er Jahren von der Softwareergonomie aus.14 Wichtige Impulse für die Verbreitung der
11 Vgl. Bates 1989. 12 Vgl. Rosenfeld, Morville 1998, S. 20. 13 Julia Bönisch übersetzt in einem launigen Artikel in der Süddeutschen Zeitung den Begriff als „beruflich bedingte Missbildung“ und argumentiert, dass sich eine gewisse „déformation professionnelle“ nie vermeiden lasse, es sei denn, man gehe seinem Beruf „vollkommen leidenschaftslos“ nach (Bönisch 2010). 14 Vgl. Shneiderman 2000.
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Ideen der Usability und der User Experience geben bis heute Pioniere wie Jakob Nielsen und Don Norman15 sowie Steve Krug. Immer neue Wirklichkeitsbereiche werden auf Usability und User Experience überprüft. Untersucht werden spezielle Aspekte der Nutzung, wie Barrierefreiheit, Joy of Use (Spaßfaktor), die Auffindbarkeit von Inhalten über Suchmaschinen durch Suchmaschinenoptimierung (Search Engine Optimisation, SEO), sowie die Auswirkungen neuer technologischer Entwicklungen, wie mobiler Anwendungen.16. Mit Usability und User Experience beschäftigen sich vor allem die Disziplinen Softwareergonomie, Mensch-Maschine-Kommunikation und Marketing. Seit 1997 werden Anforderungen und Grundsätze der Usability in dem internationalen Standard DIN EN ISO 9241 normiert. In der deutschen Fassung der Norm wird Usability mit „Gebrauchstauglichkeit“17 übersetzt. Der Standard definiert Usability als […] das Ausmaß, in dem ein System, ein Produkt oder eine Dienstleistung durch bestimmte Benutzer in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden können, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und zufriedenstellend zu erreichen.18
Die Kriterien, nach denen die Usability einer Anwendung oder eines Produktes bewertet wird, sind abhängig von den Zielen, die ein Produkt erfüllen soll, den individuellen Anforderungen und Besonderheiten des jeweiligen Nutzers bzw. der Nutzerin sowie den Rahmenbedingungen, unter denen eine Nutzung stattfindet. Die Norm formuliert sieben „Grundsätze der Dialoggestaltung“: Aufgabenangemessenheit, Selbstbeschreibungsfähigkeit, Erwartungskonformität, Lernförderlichkeit, Steuerbarkeit, Individualisierbarkeit, Fehlertoleranz für gebrauchstaugliche Nutzerschnittstellen.19 Für die Darstellung der einzelnen Informationselemente, z. B. auf einem Bildschirm, gelten die „sechs Grundsätze zur Informationsdarstellung“20: Entdeckbarkeit, Ablenkungsfreiheit, Unterscheidbarkeit, eindeutige Interpretierbarkeit, Kompaktheit, Konsistenz. Die aktuelle Fassung der „Grundsätze der Informationsdarstellung“ von 2010 berücksichtigt besonders die veränderten Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit durch mobile Anwendungen, z. B. durch die gleichzeitige Kommunikation auf unterschiedlichen Kanälen. Die Grundsätze müssen jeweils für den spezifischen Anwendungsfall operationalisiert und konkretisiert werden. Zudem kann ein Element einer Anwendung mehrere Grundsätze erfüllen oder gegen diese verstoßen. In einem Discovery-System einer wissenschaftlichen Bibliothek wäre die Möglichkeit, aus den bibliografischen Anga
15 Einen guten Überblick zu den Ansätzen von Nielsen und Norman bieten auch die Webseiten von Don Norman und der Nielsen Norman Group (vgl. Nielsen Norman Group 1998–2017; Norman o. J.). 16 Vgl. Nielsen, Budiu 2013. 17 DIN EN ISO 9241-11:2016, S. 7. 18 Ebd. 19 Vgl. DIN EN ISO 9241-110:2006, S. 7. 20 DIN EN ISO 9241-112:2017.
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ben einer oder mehrerer Listen ein Literaturverzeichnis in einem frei wählbaren Zitationsformat erstellen zu können, aufgabenangemessen und erwartungskonform. Dieselbe Funktion wäre im Katalog einer kleinen öffentlichen Bibliothek vermutlich eher verwirrend und würde von der Zielgruppe als überflüssig empfunden. Neben der reinen Gebrauchstauglichkeit spielen weitere Aspekte eine Rolle dafür, ob ein Produkt oder eine Anwendung von der Zielgruppe akzeptiert wird. Dies sind die Nützlichkeit (Usefulness)21 und der Spaßfaktor (Joy of Use). Usefulness bedeutet, dass die Nutzer und Nutzerinnen überhaupt einen Bedarf für die angebotenen Inhalte und Anwendungen erkennen. Joy of Use bezieht sich auf die Emotionen, die mit der Nutzung verbunden sind. Die Norm DIN EN ISO 9241-210 definiert User Experience als [...] Wahrnehmungen und Reaktionen einer Person, die aus der tatsächlichen und/oder der erwarteten Benutzung eines Produkts, eines Systems oder einer Dienstleistung resultieren.22
User Experience bezieht sich auf alle Phasen der Nutzung (s. Abb. 1) und geht von der psychologischen Erkenntnis aus, dass sich objektive Belastungen und subjektiv empfundene Beanspruchung gegenseitig bedingen. Dies kommt auch in den Veranschaulichungen und Visualisierungen des Konzeptes der User Experience zum Ausdruck, z. B. als Stufenmodell23 mit den Treppenstufen Usefulness, Usability und Joy of Use, in Form von Bienenwaben24, die um die Anforderung „valuable“ angeordnet sind, oder als Regenschirm25 mit Vorschlägen zur Vermeidung von Usability-Problemen.
21 Ein Konzept, wie sich die wahrgenommene Nützlichkeit von digitalen Bibliotheken evaluieren lässt, liefern Blezon et al. 2011, S. 59. 22 DIN EN ISO 9241-210:2010, S. 7. 23 Vgl. Garret 2000. 24 Vgl. Morville 2016. 25 Vgl. Willis 2016.
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Antizipierte Nutzung
Während der Nutzung
Nach der Nutzung
Erwartungen der Nutzer an das Produkt
Aufgabe wird effektiv und effizient ohne Hürden gelöst
Verarbeitung und Reflexion der Nutzererfahrung
Beispiel: Suche im Bibliothekskatalog funktioniert wie „GoogleSuche“
Beispiel: Kombination der Eingabe von Titelstichwort und Autor führt zum gewünschten Treffer
Beispiel: Der Nutzer konnte alle gewünschten Medien im OPAC finden und anschließend im Regal finden und ohne langes Anstehen über die Selbstausleihe verbuchen
Usability (DIN EN ISO 9241-11)
User Experience (DIN EN ISO 9241-210) Abb. 1: Phasen der User Experience
3 Anforderungen an die User Experience mit Informationsdienstleistungen Studien zum Informationsverhalten belegen, dass im Umgang mit digitalen Informationen gerne der Weg des geringsten Widerstandes gewählt wird. Webseiten werden nicht gelesen, sondern überflogen; die Nutzerinnen und Nutzer analysieren die Webseiten selten systematisch, sondern geben sich zufrieden mit dem, was gerade gut genug ist. Kurz: Sie neigen dazu, sich durch ein Angebot oder eine Anwendung „durchzuwursteln“, und wollen nicht unbedingt immer genau verstehen, wie etwas funktioniert.26 Mit dem Titel seines Buches „Don’t make me think“ bringt Steve Krug auf den Punkt, was das Geheimnis aller intuitiv nutzbaren Produkte ist: Der kognitive Aufwand aufseiten der Anwender wird so gering wie möglich gehalten,27 sie sorgen sogar für kognitive Entlastung. Krug gibt eine Reihe von pragmatischen Empfehlun-
26 Vgl. Krug et al. 2014, S. 22–25. 27 Vgl. ebd., S. 9.
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gen für die Darstellung einzelner Informationselemente sowie die Gestaltung einer intuitiv nachvollziehbaren Navigation.28 Die Startseiten der Webauftritte des Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft (ZBW) und der Staatsbibliothek zu Berlin (SBB) weisen eine Reihe von Gestaltungselementen auf, die für eine gute User Experience sorgen (s. Abb. 2 und 3). Der Aufbau folgt gängigen Konventionen. Die ZBW richtet das Design (abgerundete Ecken, klare Blöcke) vor allem auf die Nutzung mit mobilen Endgeräten aus und visuelle Hierarchien sind gut erkennbar. Die einzelnen Seiten sind klar strukturiert, anklickbare Elemente sind deutlich gekennzeichnet. Ablenkung durch überflüssige Texte und/oder (Eigen-) Werbung wird vermieden. Die (kurzen) Texte sind durch Absätze und Zwischenüberschriften so formatiert, dass sie leicht erfasst werden können. In einer guten Navigation verbindet sich das Ziel der Nutzer, Informationen rasch zu finden, mit den Unternehmenszielen der Anbieter, die Wahrnehmung und das Verhalten der Nutzer zu steuern.29 Eine gute Navigation stärkt die Marke, indem sie die Professionalität des Anbieters vermittelt.30 Das Navigationssystem einer Webseite beantwortet dem Nutzer die Fragen: Wo bin ich? Wo war ich? Wo kann ich hingehen? Im virtuellen Raum bietet die Navigation Ersatz für räumliche Orientierung. Sie liefert eine Übersicht über die verfügbaren Inhalte und gibt Hinweise, wie ein Angebot zu nutzen ist.31 In beiden Beispielen unterstützen das gut sichtbare Logo und die Suche am oberen rechten Rand die Navigation. Die Unterscheidung zwischen Seitensuche und Katalog löst die Staatsbibliothek mit Auswahl-Buttons und die ZWB über das Angebot von zwei Suchfeldern. Die Brotkrümel-Navigation32 (bei der ZWB erst ab der ersten Unterseite sichtbar) bietet Orientierung, wo man sich gerade auf der Seite befindet.
28 Vgl. Krug et al. 2014, S. 29, 63 f. 29 Vgl. Kalbach 2007, S. 7. 30 Vgl. Krug et al. 2014, S. 63, 64. 31 Vgl. ebd., S. 64–81. 32 Als Brotkrümel-Navigation oder Ariadnefaden bezeichnet man Pfadangaben am oberen oder unteren Seitenrand einer Webseite, aus denen erkennbar wird, auf welcher Unterseite innerhalb eines Webauftritts sich ein Nutzer gerade befindet.
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Abb. 2: Screenshot der Startseite der ZBW33
33 https://www.zbw.eu/de/ (Abruf: 2018.01.11)
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Abb. 3: Screenshot der Startseite der Staatsbibliothek zu Berlin34
1 Logo. 2 Suche. Die Unterscheidung zwischen Seitensuche und Katalog löst die Staatsbibliothek mit Auswahl-Buttons und die ZWB über das Angebot von zwei Suchfeldern. 3 Globale Navigation. 4/5 Header-/Footer-Navigation für zusätzliche Detailinformationen, z. B. zu Services oder Kontakten, 6 (Eigen-)Werbung. 7 Inhalt/Seitenübersicht. 8 Aktuelle Inhalte. 9 Brotkrümel-Navigation (in der ZWB erst ab der ersten Unterseite sichtbar).
34 http://staatsbibliothek-berlin.de/ (Abruf: 2017.12.22)
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Die beiden Beispiele illustrieren, was Informationseinrichtungen im Hinblick auf die Schaffung einer guten Nutzererfahrung bereits erreicht haben. Aus den in Kap. 1 dieses Beitrags genannten technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen lässt sich eine Reihe von Herausforderungen ableiten, auf die sich Informationsanbieter einstellen müssen, wenn sie ihren Zielgruppen auch in Zukunft ein angenehmes Nutzungserlebnis bieten möchten: – Angesichts der Diversifizierung der Zielgruppen und ihrer Zugangswege sowie der damit einhergehenden komplexen Erwartungshaltung, mit der Informationsanbieter konfrontiert werden, müssen Informationseinrichtungen ihre One-FitsAll-Haltung aufgeben. Die Anforderungen an die User Experience mit Informationsdienstleistungen sind abhängig von den jeweiligen Inhalten, Zielsetzungen und Zielgruppen. – In diesem Zusammenhang werden auch die ethischen Ansprüche im Hinblick auf barrierefreien Zugang und Inklusion weiterhin steigen. – Als Folge des Verlustes des Monopolanspruchs, z. B. von Bibliotheken als Informationsanbieter, wächst der Anspruch an die visuelle Gestaltung – das Look & Feel – der Angebote. Usability wird zur Ware. Zielgruppen erwarten, dass die Produkte bestimmten standardisierten Design Patterns, die sie aus anderen Zusammenhängen (z. B. E-Commerce) kennen, entsprechen. Mobile Anwendungen müssen forciert werden. – Der anhaltende Erfolg von Video-Tutorials weist darauf hin, dass die Ansprüche an – auch textfreie – Kommunikation, z. B. im Hinblick auf Digital Storytelling oder den Einsatz von Infografiken, Video oder digitale Assistenten, noch weiter steigen werden. – Parallel zur Virtualisierung und Digitalisierung wird aber auch die Erwartung steigen, dass Bibliotheken „echte Erfahrungen“ bieten sollen. Die Kundinnen und Kunden erwarten von einer guten User Experience die nahtlose Verknüpfung der Vor-Ort-Angebote mit den digitalen Angeboten. – Mit der exponentiellen Zunahme digitaler Inhalte gewinnen die Interaktion und Weiterverarbeitung von Daten und die Schaffung von Arbeitsumgebungen an Bedeutung.
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4 Evaluation der User Experience von Informationsdienstleistungen Evaluation löst keine Probleme, aber zeigt sie auf.35
Mit den technischen, sozialen und gesellschaftlichen Entwicklungen verändern sich die Möglichkeiten der Umsetzung einer guten User Experience. Jede technische Neuentwicklung bringt neue mögliche Hürden der Usability mit sich. In der Praxis bedeutet das, dass Informationsangebote regelmäßig aktualisiert und evaluiert werden sollten.
4.1 Evaluationsmethoden Es gibt eine Vielzahl an Methoden, mit denen die User Experience eines Produktes oder einer Anwendung evaluiert werden kann. Diese Methoden lassen sich den verschiedenen Phasen des User-Experience-Design-Prozesses zuordnen. Methoden zur Analyse des Nutzungskontextes und Ableitung der Nutzungsanforderungen Aus dem Marketing bekannte Methoden der Markt- und Nutzerforschung finden bei der Analyse des Nutzungskontextes Anwendung. Zur Erforschung des Nutzerverhaltens kann man auf vorhandene (eigene) Daten wie Logfiles36, Klickdaten, Ausleihstatistiken und/oder Studien zum Informationsverhalten – unterschieden nach Zielgruppen oder Nutzungskontext37 – zurückgreifen. Als Open-Source-Anwendungen zur Verfügung stehende Analysetools wie die KNIME Analytics Platform erleichtern die Verarbeitung und Auswertung sehr großer Datensätze mit mehreren Millionen Zeilen.38 Zur Erforschung des Nutzerverhaltens werden Interviews und zunehmend ethnografische Methoden39 wie Feldforschung (Beobachtung), Tagebuchstudien, Cultural Probes40 und Fokusgruppen eingesetzt. Der Rückgriff auf Personas – prototypische fiktive Benutzer,
35 Heimgärtner 2017, S. 299. 36 Aus einer Analyse der Logfiles des Discovery-Systems beluga der Staatsbibliothek Hamburg kann Sebastian Schultheiß beispielsweise wertvolle Optimierungsvorschläge zur Rechtschreibprüfung und zur Präsentation der Facettenfilterung ableiten (vgl. Schultheiß 2018). 37 Vgl. Case, Given 2016. 38 Vgl. KNIME AG 2017. 39 Vgl. George, Foster 2013, S. 66; Wakimoto 2013. 40 In der Dokumentation der Ergebnisse ethnologischer Feldstudien bezeichnet man mit dem Begriff Cultural Probes Zusammenstellungen von Arbeitsergebnissen einer Kultur, z. B. um bestimmte Webetechniken zu illustrieren. Im Bibliothekskontext schaut man sich z. B. wissenschaftliche Publikationen genau daraufhin an, wie Autorinnen und Autoren Fundstellen aus der Literatur in ihren eigenen Texten weiterverarbeiten.
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die unterschiedliche Ziele, Eigenschaften und Verhaltensweisen einer Zielgruppe repräsentieren – und auf Nutzungsszenarien erleichtert es den Evaluierenden, sich in die Rolle der potenziellen Nutzerinnen und Nutzer zu versetzen.41 Prototypisches Design – iteratives Vorgehen Gegenstand der Evaluierung müssen nicht unbedingt bereits fertige (interaktive) Produkte und Dienstleistungen sein. In allen Stadien der Entwicklung können (und sollten) Prototypen (Skizzen, Papierprototypen, Wireframes42, Klick-through Dummies43) evaluiert werden. Evaluation Das Spektrum der in der Praxis angewandten Evaluationsmethoden wächst beständig. Methoden werden häufig danach unterschieden, in welchen Phasen des UserExperience-Prozesses (UX Process) sie eingesetzt werden können und ob die Methoden von Expertinnen und Experten durchgeführt werden oder direkt die Endnutzerinnen und -nutzer getestet werden. In den letzten Jahren wurde das Spektrum der Messmethoden erweitert um Verfahren, die physiologische Reaktionen wie den Blickverlauf oder die Pulsfrequenz messen. Zu den am häufigsten angewandten Methoden gehören die von Expertinnen und Experten durchgeführte Evaluation einer Anwendung nach einem Kriterienkatalog44, Befragungen und Usability-Tests, die überwiegend in Laboren durchgeführt werden. Bei einem Usability-Test werden Probandinnen und Probanden dabei beobachtet, wie sie Aufgaben mit der zu evaluierenden Anwendung lösen. Die Ergebnisse werden qualitativ daraufhin ausgewertet, ob die Probanden die Aufgaben überhaupt lösen können und auf welche Hürden sie während der Nutzung stoßen. Bei quantitativen Auswertungen werden z. B. Werte wie die benötigte Zeit für die Aufgabenerfüllung oder die Fehlerhäufigkeit ausgewertet.45 Kontrollierte Experimente (A/B-Tests) werden vor allem von großen Unternehmen in Form von Online-Experimenten durchgeführt.46 Zahlreiche Methodensammlungen geben Hinweise zur Anwendung der Methoden und zu Fallstudien.47 Die Hochschule
41 Vgl. Richter, Flückiger 2016, S. 57–65. 42 Ein Wireframe ist eine mehr oder weniger detailliert ausgearbeitete Visualisierung der Informationsarchitektur einer Webseite, in der die Position einzelner Elemente wie Inhaltsbereich und Navigation veranschaulicht wird. 43 Als Click-through Dummy bezeichnet man einen klickbaren Prototypen einer Anwendung, mit dessen Hilfe sich bereits Interaktionen der Nutzer mit einer Anwendung evaluieren lassen. 44 Vgl. Weinhold, Bekavac 2010. 45 Eine Einführung in Usability-Metriken und die Durchführung und Auswertung von (quantitativen) Usability-Tests mit einer größeren Anzahl Probanden geben Tullis, Albert 2013. 46 Vgl. Tang et al. o. J. 47 Über Jahre gut gepflegt ist das Angebot des amerikanischen Gesundheitsministeriums (U. S. Department of Health & Human Services o. J.). Inspirierend sind auch die Artikel im Webauftritt der Nielsen Norman Group (1998–2017). Im deutschsprachigen Bereich ist das Angebot der HTW Chur
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für Technik und Wirtschaft Chur (HTW Chur) bietet mit BibEval einen speziell auf Online-Bibliotheksangebote zugeschnittenen Evaluationsleitfaden für die Komponenten Webseite, Katalog und Fachdatenbanken an (s. Abb. 4).48
Abb. 4: Screenshot aus dem Evaluationsleitfaden von BibEval49
hilfreich: http://www.cheval-lab.ch/was-ist-usability/usabilitymethoden/ (Abruf: 2018.06.17); ebenso das Glossar der Agentur usability.de: https://www.usability.de/usability-user-experience/glossar. html (Abruf: 2018.06.17). 48 Vgl. Weinhold et al. 2014. 49 HTW Chur 2013.
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4.2 Usability und User Experience von Informationsdienstleistungen Auf der Basis der Sichtung ausgewählter Usability- und User-Experience-Evaluationen von Informationsdienstleistungen lassen sich sechs Problemfelder50 identifizieren. Dies sind: 1) unklare Ziel- und Zielgruppendefinition; 2) eine für die Nutzerinnen und Nutzer unverständliche Terminologie; 3) in anderen Kategorien denken als die Nutzerinnen und Nutzer; 4) Erwartungen wecken und enttäuschen; 5) mangelhafte Auffindbarkeit über Suchmaschinen; 6) unzureichende Qualität der Metadaten bzw. ihrer Aufbereitung. Die nachfolgenden Beispiele von Evaluationsergebnissen geben Hinweise darauf, wie wichtig ein kontinuierliches Monitoring der User Experience ist, um den Fallstricken der déformation professionnelle vorzubeugen. 1. Unklare Ziel- und Zielgruppendefinition: Die Deutsche Digitale Bibliothek (DDB) verzichtet auf jegliche Zielgruppenansprache.51 George Oates, Gründerin der Fotosharing-Anwendung Flickr, weist in einem Interview darauf hin, welche Chance Informationsdienstleister vergeben, wenn sie die speziellen Inhalte kuratierter Sammlungen, die für einzelne Zielgruppen wie beispielsweise Lehrerinnen und Lehrer oder Heimatforscher besonders interessant sein könnten, hinter einem einfachen Suchschlitz verbergen.52 Die Technische Informationsbibliothek (TIB) z. B. experimentiert mit der Nutzerführung über ‚Suchräume‘, um unterschiedliche Zielgruppen direkt ansprechen zu können.53 2. Eine für die Nutzer unverständliche Terminologie: Die Verwendung bibliotheksspezifischer Fachterminologie in Katalogen, Formularen und Hilfetexten54 ist wie
50 Die Ergebnisse unterscheiden sich wenig von den Ergebnissen von Schulz 2013. 51 Vgl. DDB 2017: „Wissenschaftler, (Hobby-)Historiker, Familienforscher, Journalisten, Studierende, Schüler, Lehrer – die DDB wendet sich an alle Interessierten.“ 52 „Wenn Sie an eine tolle Sammlung von Kulturerbe denken und Ihre erste Anlaufstelle ein Suchfeld ist, ist das einfach nur tragisch. [...] Dinge wie Google sind gut, wenn Sie überall nach allem suchen wollen, aber in unserer Welt wissen wir, um welche Art von Inhalt es geht, also sollten wir diesem Inhalt und dem Design drum herum ein wenig Aufmerksamkeit schenken“ (Finden ohne Suche 2015). 53 Vgl. Hinterberg 2017, S. 8. 54 Was fangen Nutzerinnen und Nutzer der DDB mit der Bezeichnung „Sparte“ an? Wissen sie, was ein Discovery-System ist? Ein Fallstrick ist auch immer wieder die uneditierte Übernahme von wortreichen Werbetexten der Anbieter von Informationssystemen (vgl. Kühne Logistics Library 2017). Darüber hinaus werden Begriffe wie „Anbieter“ und „Content Provider“ im Bibliothekskontext anders verwendet als im Alltagsgebrauch und sind deswegen schwer verständlich.
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schon bei Schulz 201355 weiterhin ein Problem. Hinzu kommen unnötig lange Belehrungen und Selbstdarstellungen. 3. In anderen Kategorien denken als die Nutzer: Drop-down-Menüs mit Zugang zu angebotenen Datenbanken sind für die Nutzerinnen und Nutzer schwer verständlich. Eine besondere Herausforderung sind Filterfunktionen. Häufig werden diese nicht verstanden, da die Handhabung der Filter intransparent ist oder Filter und Voreinstellungen von Operatoren falsch eingesetzt werden.56 4. Erwartungen wecken und enttäuschen: Tests zeigen, dass die prominente Präsentation der einfachen Suche in Form eines einzigen Suchschlitzes häufig dazu führt, dass Autorensuchen scheitern, da die Nutzerinnen und Nutzer die leicht mögliche Einschränkung auf das Feld „Autor“ in der erweiterten Suche nicht nutzen. Erkenntnisse aus UX-Evaluationen decken sich nicht unbedingt mit dem „NMC Horizon Report 2017“, demzufolge ein Bedürfnis nach Kommunikation grundsätzlich vorausgesetzt wird.57 Die Nutzerinnen und Nutzer wollen in bestimmten Situationen einfach nur funktionierende Anwendungen und keine zusätzliche Kommunikation mit dem Anbieter oder anderen Nutzerinnen und Nutzern. 5. Fehlende Suchmaschinenoptimierung: Die Optimierung von digitalen Angeboten für Suchmaschinen (SEO) ist in Informationseinrichtungen noch nicht die Regel. Viele Angebote berücksichtigen die Auffindbarkeit, Positionierung und Zugänglichkeit über Suchmaschinen noch unzureichend.58 6. Unzureichende Metadaten: Die User Experience mit digitalen Sammlungen hängt eng mit der Qualität der Metadaten zusammen. Bibliotheken und Kultureinrichtungen waren in den vergangenen zehn Jahren sehr produktiv und stellen mittlerweile Metadaten und Inhalte in umfangreichen Repositorien zur Verfügung. Die Nutzeroberflächen orientieren sich allerdings bislang noch sehr daran, wie Maschinen diese Daten sehen, und nicht daran, was die Nutzerinnen und Nutzer mit diesen Daten tun können und möchten.59 Um eine bessere User Experience mit diesen Datenmengen zu schaffen, ist – über die genaue Kenntnis der Nutzerbedürfnisse (klare Informationsstruktur) und der (vorhandenen) mentalen Modelle hinaus – eine hohe Qualität der Metadaten unabdingbare Voraussetzung. Angesichts fehlender, unvollständiger, ungenauer oder doppeldeutiger Metadaten und fehlender Metadatenelemente für die Zuordnung der Ressourcen zu Themen oder
55 Vgl. Schulz 2013, S. 2. 56 Beispiel DDB: Dass eine ODER-Verknüpfung in der einfachen Suche voreingestellt und ausschließlich möglich ist, ist nicht evident. 57 Vgl. Adams Becker et al. 2017, S. 7. 58 Vgl. Schade 2016, S. 221–228. 59 Vgl. Finden ohne Suche 2015.
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Wissensgebieten bleiben Suchergebnisse undurchschaubar und damit die User Experience unbefriedigend.60 Hauptursache für Mängel – wie die oben genannten – ist, dass die Nutzerinnen und Nutzer bei vielen Projekten gar nicht oder zu spät einbezogen werden und Tests häufig erst am Ende des Entwicklungsprozesses durchgeführt werden. Dies hat zur Folge, dass sie dann nur noch eine ‚Alibifunktion‘ haben, da die empfohlenen Veränderungen aufgrund des internen Zeitdrucks nur noch schwer umsetzbar sind.61
5 Usability Engineering an deutschen Bibliotheken Die Library Edition des „NMC Horizon Report 2017“ identifiziert die Wertschätzung der User Experience als einen Technologietrend. Der Bericht hebt die Ausrichtung der Angebote an den Verhaltensmustern der Nutzerinnen und Nutzer hervor. User Experience wird nicht auf digitale Angebote begrenzt, sondern bezieht – mit der Betonung der proaktiven Kundenansprache – die gesamte Customer Journey mit ein.62 In der Expertendiskussion im begleitenden Wiki wird – neben der Gewinnung neuer Zielgruppen – die besondere Herausforderung hervorgehoben, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Studierende bei der Navigation in umfangreichen Datenmengen von Bibliotheken zu unterstützen.63 User Experience und Usability ist in deutschen Informationseinrichtungen und Bibliotheken angekommen. Je nach Einrichtungstyp nehmen Informationseinrichtungen diese Aufgabe jedoch sehr unterschiedlich wahr und ernst. Während sich die meisten Bibliotheken darauf beschränken, gelegentlich ihre Angebote evaluieren zu lassen, z. B. in Form einer Kooperation mit Ausbildungseinrichtungen,64 bauen andere eigene
60 Vgl. García et al. 2017, S. 220. 61 Vgl. Schulz 2013. 62 Vgl. Becker et al. 2017, S. 20–21. 63 Vgl. NMC Horizon Report 2017. 64 Evaluationen werden häufig in Form supervidierter studentischer Arbeiten durchgeführt, die in informations- und bibliothekswissenschaftlichen Fachzeitschriften und auf den Publikationsservern der informationswissenschaftlichen Ausbildungseinrichtungen publiziert werden. S. Pössel, Jana: Auf Nutzerbedürfnisse abgestimmtes Design: Usability-Untersuchung des neuen ZB MED-Suchportals LIVIVO. In: GMS Medizin, Bibliothek, Information 16, 2016, H. 1/2: https://www.egms.de/static/de/jou rnals/mbi/2016-16/mbi000361.shtml (Abruf: 2018.06.17); Stiller, Juliane; Meiners, Hanna-Lena; Thoden, Klaus; Bulatovic, Natasa; Boukhelifa, Nadia: Nutzerorientierte Entwicklungsmethoden in den digitalen Geisteswissenschaften: Erfahrungen aus den Infrastrukturprojekten DARIAH und CENDARI. In: ABI-Technik 37, 2017, H. 1, S. 0–11; Duda, Wiebke: Stadtbibliothek Wolfsburg: Eine UsabilityStudie. Bachelorarbeit. Hochschule Hannover, Fakultät III – Medien, Information und Design, 2016: https://serwiss.bib.hs-hannover.de/frontdoor/index/index/docId/1009 (Abruf: 2018.06.17); Illmer,
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Teams65 oder ganze Arbeitsbereiche66 auf.67 Die eingesetzten Methoden reichen von pragmatischen Low-Budget-Evaluationen mit einem Convenience Sample68 von Probanden bis hin zu Repräsentativität anstrebenden, groß angelegten quantitativen Erhebungen.69 Gegenwärtig lässt sich ein Trend zum Einsatz ethnografischer Methoden und zur Schaffung standardisierter, nachnutzbarer Evaluationsinstrumente erkennen. An der ZBW wurde mit SquaLL ein standardisierter Fragebogen zur Evaluierung der Qualität von Suchergebnissen aus Datenbanken entwickelt.70 Die Zielsetzungen derartiger Projekte gehen häufig über das unmittelbare Ziel, die User Experience mit den eigenen Dienstleistungen zu verbessern, hinaus, etwa dann, wenn es darum geht, in Benchmarks die Leistungsfähigkeit der eigenen Einrichtung im Vergleich zu anderen messbar zu machen.71
Fazit If we want users to like our software we should design it to behave like a likeable person: respectful, generous and helpful.72
In diesem Beitrag wurden Anforderungen an eine gute User Experience von Informationsdienstleistungen formuliert und Evaluationsmethoden vorgestellt.
Alisa: Usability-Studie zur Website der Bibliothek der Medizinischen Hochschule Hannover. Bachelorarbeit. Hochschule Hannover, Fakultät III – Medien, Information und Design, 2017: https://serwiss. bib.hs-hannover.de/frontdoor/index/index/docId/1067 (Abruf: 2018.06.17); Hinterberg, Lou: Usability-Studie des TIB-Portals: Eine Evaluation der Website der Technischen Informationsbibliothek. Bachelorarbeit im Studiengang Informationsmanagement. Hochschule Hannover, Fakultät III – Medien, Information und Design, 2017: http://f2.hs-hannover.de/organisation/labore/analytik/pflan zliche-biotechnologie/index.html (Abruf: 2018.01.09). 65 Das Projekt beluga der Staatsbibliothek Hamburg war eines der ersten in Deutschland, das von Beginn an im Rahmen eines Usability-Engineering-Prozesses die Nutzerinnen und Nutzer in allen Projektphasen an der Entwicklung beteiligt hat. S. beluga – katalog der hamburger bibliotheken (Blog): http://beluga-blog.sub.uni-hamburg.de/blog/ (Abruf: 2018.06.17). 66 Die Zentralbibliothek Wirtschaft (ZBW) unterhält einen eigenen Arbeitsschwerpunkt Usability, der dem Bereich Science 2.0 zugeordnet ist. Die Staatsbibliothek zu Berlin hat im Rahmen ihrer Strategie zur digitalen Transformation einen Lenkungsausschuss eingesetzt, in dem ebenfalls der Aspekt User Experience explizit berücksichtigt wird (vgl. ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft o. J.; Altenhöner 2017). 67 Vgl. ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft o. J. 68 Als Convenience Sample oder auch „Freunde und Familie“ bezeichnet man eine zufällige, nicht repräsentative Auswahl von Probanden, wobei diese z. B. über persönliche Ansprache rekrutiert werden. 69 Vgl. Rutgers University Libraries’ Staff Resources o. J. 70 Vgl. Linek 2015. 71 Vgl. Linek 2015; Paramita et al. 2017, S. 23. 72 Cooper 1999, S. 60.
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Voraussetzung dafür, dass User Experience in einer Einrichtung wirklich ankommt, ist darüber hinaus eine offene, zugewandte Haltung, die die Bedürfnisse aller an der Nutzung beteiligten Personen respektiert, wobei zu den Nutzerinnen und Nutzern auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Unternehmens oder einer Einrichtung gehören. Dass dies noch keine Selbstverständlichkeit ist, konnte die Autorin erleben, als sie kürzlich die folgende Mail erhielt: Liebe Mitglieder der [...], nach der Umstellung der xy_Version [...] werden mir von verschiedenen Seiten Probleme gemeldet. Zunächst einmal ganz herzlichen Dank dafür! […] Wir arbeiten nun daran, die Probleme zeitnah zu beheben. Bitte verzichten Sie vorerst darauf, neue Probleme zu melden. Ich werde Sie mit einer Mail erneut informieren, wenn aus unserer Sicht alles wieder laufen sollte. Mit freundlichen Grüßen [...]
Aus der Perspektive des Entwicklerteams ist der Wunsch, Probleme, die mit der Neueinführung einer Leistung verbunden sind, zunächst einmal in Ruhe zu bearbeiten, nachvollziehbar. Aber welche Botschaft wird mit einer solchen Mail vermittelt? Viel einfacher wäre es gewesen, die Mails in ein separates Postfach umzuleiten, eine automatisierte freundliche Antwortmail zu schicken und die Fehlermeldungen als willkommenes Feedback zu akzeptieren und auszuwerten. Ein offenes Ohr für Rückmeldungen erspart möglicherweise aufwendige Befragungen. Professionelle Informationsdienstleister und Bibliotheken haben ein Bewusstsein dafür, dass sie es sich angesichts des Verlusts ihres Informationsmonopolanspruchs nicht leisten können, mäßig gebrauchstaugliche Informationsdienstleistungen mit einer mittelmäßigen Nutzererfahrung anzubieten. User Experience in Bibliotheken ist mehr als die Gestaltung hübscher User Interfaces für Online-Angebote. (Zukünftige) Nutzerinnen und Nutzer müssen frühzeitig in den Prozess eingebunden werden und nehmen so idealerweise die Rolle von Co-Designern wahr, die „echten“ Nutzen schaffen. Anforderungen und Erwartungen verändern sich dynamisch und eine hohe Qualität setzt kontinuierliches Beobachten und Optimieren voraus. Während des gesamten Prozesses sind abhängig von der entsprechenden Leistung, dem Evaluierungsziel, der jeweiligen Entwicklungsphase und der Größe der Einrichtung eine Reihe von Entscheidungen durch Beantwortung der folgenden Fragen zu treffen: 1. Wird (projektbezogen oder dauerhaft) ein eigenes UX-Team aufgebaut oder wird die Evaluation extern vergeben? Für umfangreichere Projekte an größeren Einrichtungen hat sich der Aufbau eines eigenen UX-Teams bewährt, vor allem auch, weil auf diese Weise intern das Bewusstsein der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Bedeutung einer kontinuierlichen Evaluation gestärkt wird und langfristig Expertise im eigenen Haus aufgebaut wird. 2. Lassen sich die Evaluationsziele bereits mit kostengünstigen Tests mit wenigen Testpersonen erzielen oder ist eine umfangreiche, repräsentative quantitative Evaluation notwendig?
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3.
Soll die Einrichtung die Evaluation selber durchführen oder ist es in der entsprechenden Situation besser, das Usability Engineering extern zu vergeben, oder empfiehlt sich eine Kombination aus beiden Varianten? 4. Die Verantwortung für das Projektmanagement sollte frühzeitig geklärt werden. Wie wird das Team zusammengesetzt? Wie werden die Anforderungen formuliert? Sind Ausschreibungen notwendig?73 Es reicht also nicht aus, nur gut zu sein. Die nächste Disruption, z. B. durch die Einführung neuer Technologien und Verbreitungswege und in der Folge nicht mehr funktionierende Geschäftsmodelle, ist nicht weit.74 Joyce Sternheim und Rob Bruijnzeels, die unter dem Namen „Ministry of Imagination“ in den Niederlanden Bibliotheken beraten, machen auf die sich verändernden Erwartungen an Informationsdienstleistungen aufmerksam, mit denen Bibliotheken konfrontiert werden. Von Bibliotheken wird in Zukunft noch mehr als bisher eine Unterstützung für den Umgang mit dem Informationsüberfluss erwartet werden und eine für die Bedürfnisse unterschiedlichster Zielgruppen maßgeschneiderte Unterstützung bei der Interpretation und Nutzung von Informationen und Ressourcen.75 Eine Folge wird sein, dass sich Bibliotheken in Zukunft noch mehr als bisher voneinander unterscheiden und individuelle Wege – auch was die User Experience angeht – gehen werden. Einen methodischen Weg hierzu bietet der Ansatz des Design Thinking.76
Literatur Letztes Abrufdatum der folgenden Internet-Dokumente ist der 2018.06.17. Adams Becker, Samantha; Cummins, Michele; Davis, Annie; Freeman, Alex; Giesinger Hall, Courtney; Ananthanarayanan, V.; Langley, K.; Wolfson, N.: NMC Horizon Report – 2017 Library Edition. The New Media Consortium (Hrsg.). Austin/Texas, 2017. Altenhöner, Reinhard: Zwischen Disruption und Transformation: Bibliotheken in der digitalen Herausforderung am Beispiel der Staatsbibliothek zu Berlin. Beitrag auf dem Deutschen Bibliothekartag Frankfurt am Main 2017. Konferenzveröffentlichung (Vortragsfolien), 2017. http://nbn-resolving. de/urn/resolver.pl?urn:nbn:de:0290-opus4-29853 Bates, Marcia: The Design of Browsing and Berrypicking Techniques. In: Online Review 13, 1989, H. 5, S. 407–424.
73 Vgl. Blumesberger 2017, S. 189. 74 Vgl. Rodriguez, Cronk 2016. 75 Vgl. Sternheim 2017. 76 S. auch den Beitrag „Design Thinking: Agilität und Nutzer im Fokus der Arbeitswelt 4.0“ von Ivonne Preusser in diesem Handbuch.
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Ulrike Spree
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Frauke Schade
Das Portal als Marketinginstrument Abstract: Das Bibliotheksportal ist das dominante und zentrale Medium im Marketing von Bibliotheken. Ihm kommt sowohl eine informierende als auch eine imagefördernde Funktion zu. Werden Produkte und Dienstleistungen über das Portal vertrieben, hat das Portal zudem die Funktion eines Absatzkanals. Das Portal richtet sich an alle internen und externen Zielgruppen der Bibliothek und liefert im Vergleich zu allen anderen Kommunikationsmedien die umfassendste Information zu allen relevanten Themen. Gleichermaßen integriert und präsentiert das Portal alle eingesetzten digitalen Kommunikations- und Distributionskanäle der internen und externen Kommunikation; alle digitalen Kommunikationsinstrumente verlinken wiederum auf das Portal. Im Wettbewerb mit anderen Anbietern ist das Bibliotheksportal von herausragender Bedeutung. Die Wechselbereitschaft von Kunden ist hoch und andere Anbieter sind zu jeder Zeit, an jedem beliebigen Ort nur einen Klick weit entfernt. Ziel muss es daher sein, auf dem Bibliotheksportal maximale Serviceexzellenz, Joy of Use und Kundenzufriedenheit zu erreichen. In diesem Beitrag wird gezeigt, welche Anforderungen sich im Hinblick darauf an das Bibliotheksportal stellen und wie diesen Anforderungen im Wettbewerb mit kommerziellen Anbietern in der Content-Strategie, dem Corporate Design und Branding, der User Experience und der Web Usability, in der Suche und der Ergebnispräsentation sowie in der Dialogkommunikation und bei der Beteiligung von Kunden durch externalisierte Leistungen begegnet werden kann.
Einleitung Das Portal ist neben der Bibliothek selbst die Visitenkarte der Bibliothek. Wenn es nicht überzeugt, „verliert der Nutzer vielleicht schon beim ersten Kontakt das Interesse am Unternehmen und dessen Angeboten“1. Das Portal richtet sich an alle internen und externen Zielgruppen der Bibliothek und liefert im Vergleich zu allen anderen Kommunikationsmedien die umfassendste Information zu allen relevanten Themen, die aktuell und in nahezu beliebiger Tiefe auf dem Portal abgebildet werden können.2 Gleichermaßen integriert und präsentiert das Portal alle eingesetzten digitalen Kommunikations- und Distributionskanäle der internen und externen Kommunikation; alle digitalen Kommunikationsinstrumente verlinken wiederum auf das Portal.3
1 Kreutzer 2014, S. 95. 2 Vgl. Pleil 2015, S. 1027. 3 Vgl. ebd., S. 1028.
https://doi.org/10.1515/9783110539011-027
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Das Portal ist das dominante und zentrale Medium im Marketing, dem sowohl eine imagefördernde als auch eine informierende Funktion zukommt.4 Werden zudem Produkte und Dienstleistungen über das Portal vertrieben, verschmelzen Kommunikations- und Distributionskanal, und das Portal erhält zusätzlich die Funktion eines Point of Sale (PoS).5 Abhängig von der Kommunikationsstrategie bieten Portale Möglichkeiten der Kollaboration, Partizipation und Interaktion, indem sie Feedback-Formulare, Chats, Foren sowie weitere Dialoginstrumente integrieren und Möglichkeiten der Interaktion und Beteiligung eröffnen. Als dominantem Medium im Marketing geht es bei einem Portal darum, die Sichtbarkeit des Unternehmens bzw. der Bibliothek und ihrer Angebote im Internet zu steigern, die Marke zu kommunizieren und zu profilieren, externe und interne Zielgruppen zu informieren, ihnen einen Nutzen und Mehrwert zu stiften sowie den Absatz von Bibliotheksdienstleistungen zu steigern. Dabei können die Ziele folgendermaßen zusammengefasst werden: – Aufbau und Pflege digitaler Reputation durch die Steigerung von Traffic und Verweildauer; – Bereitstellung aktueller und umfassender Information über die Bibliothek und ihre Dienstleistungen; – Steigerung der Bewertungs- und Entscheidungssicherheit bei der Inanspruchnahme von Dienstleistungen und der Auswahl von Medien und Informationsressourcen; – Steigerung der Vernetzung durch die Integration aller digitalen Kommunikationsund Absatzkanäle der Bibliothek; – Steigerung der Nachfrage nach digitalen und physischen Angeboten der Bibliothek; – Förderung des Dialogs und der Interaktion mit Zielgruppen der Bibliothek sowie deren Beteiligung an Dienstleistungen, Entwicklungen und Innovationsprozessen der Bibliothek; – die Pflege von Beziehungen und die Stärkung der Kundenbindung.6
1 Bibliotheksportal Ein Portal unterscheidet sich von einer Website insofern, als es mehrere Dienste und dialogorientierte Funktionen in die Online-Präsenz integriert. Über eine einheitliche Benutzeroberfläche als Einstiegsseite wird der zentrale Zugriff auf verschiedene digi-
4 Vgl. Kreutzer 2014, S. 95. 5 Vgl. Große Holtforth, Metallidis 2013, S. 169; Kreutzer 2014, S. 103. 6 Vgl. Schade 2016, S. 229, 230.
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tale Informationsdienstleistungen gewährleistet. Rösch definiert das Bibliotheksportal als internetbasiertes Informationssystem und als Kommunikationsplattform, wobei die klassische Bestandsorientierung dabei durch eine Kunden- und Dienstleistungsorientierung erweitert wird:7 Portale bieten Funktionen des Informationsmanagements, wie einen zentralen und intuitiven Einstieg, leistungsfähige Such- und Navigationsinstrumente, Aggregation großer Informationsmengen und adäquate Strukturierung und Aufbereitung der Informationen. Konstitutiv für Portale [...] sind personalisierte Dienstleistungen, die Bereitstellung virtueller Kommunikationsund Kollaborationsräume [...].8
Bibliotheken bieten auf Portalen ein breites Spektrum an Leistungen an. Dazu gehören die Suchwerkzeuge – wie Bibliothekskataloge oder Discovery-Systeme –, Bestell- und Vormerkfunktionen für konventionelle und digitale Medien, Fernleihdienste, thematische und/oder bibliografische digitale Auswahlverzeichnisse, fachliche und institutionelle Repositorien sowie der direkte Zugriff auf digitale Ressourcen, die von der Bibliothek erworben, lizenziert und gemeinfrei oder über ein funktional differenziertes Bibliothekssystem in einem definierten Informationsraum der Bibliothek organisiert werden. Der Anspruch einer hohen Kunden- und Dienstleistungsorientierung an ein Bibliotheksportal wurde unter Einbeziehung weiterer digitaler Kommunikationskanäle mit dem Konzept Bibliothek 2.0 aufgegriffen, das auf den von O’Reilly geprägten Begriff Web 2.0 rekurriert.9 Bezogen auf ein Bibliotheksportal bedeutet dies, dass auf diesem im Idealfall alle Dienstleistungen integriert sind, die Partizipation, Kollaboration und Interaktion mit Zielgruppen gewährleisten. Dazu gehören beispielsweise E-Mail- und/ oder Chatauskünfte, Chatbots, Messenger-Dienste und die Beteiligung von Kunden durch die Externalisierung von Leistungen.
Insgesamt bietet das Bibliotheksportal – den zeitlich und für den Nutzerkreis räumlich unbeschränkten Zugang zu physischen und digitalen Bibliotheksdienstleistungen, die digital auf Portalen und über digitale Kommunikationskanäle zugänglich gemacht werden; – den Nachweis von physischen Bibliotheksbeständen und/oder digitalen Medien und Informationsressourcen, die systematisch selektiert, erschlossen und über Suchwerkzeuge bereitgestellt werden;
7 Vgl. Rösch 2016, S. 232 . 8 Ebd. 9 Web 2.0 beschreibt das Nutzungsverhalten, das die eindimensionale Kommunikation zwischen Anbieter und Nachfrager zugunsten einer dialogorientierten und interaktiven Kommunikation ablöst und auf Partizipation, Kollaboration und Interaktion basiert.
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den strukturierten Zugriff auf digitale Sammlungen und digitale Informationsressourcen, unabhängig von Dokumententypen, Speicherformen und Speicherorten, über Remote Access als Download oder Streaming; die Möglichkeit der kooperativen und vernetzten Bereitstellung von digitalen Informationsressourcen in Informationsinfrastrukturen; erweiterte Suchfunktionalitäten durch Volltextsuche; das Angebot (personalisierter) digitaler Bibliotheksdienstleistungen über Push- und PullDienste; die Möglichkeit der Kommunikation, Interaktion und Kollaboration über digitale und Kommunikationskanäle sozialer Medien.10
2 Anforderungen an ein Bibliotheksportal Im Internet sind andere Anbieter „anytime“, „anywhere“ und „anyhow“ nur einen Klick entfernt.11 Die Wechselbereitschaft von Kunden steigt, und die Frustrationstoleranz und Loyalität der Kunden sinkt. Deshalb geht es auf einem Bibliotheksportal darum, „bestmögliche Serviceexzellenz“ und „maximale Kundenzufriedenheit“ zu erreichen.12 Eine eindeutige Darstellung des Angebots – verbunden mit Mehrwerten, der intuitiven Bedienbarkeit des Portals sowie der Gewährleistung einer hohen Servicequalität – ist erfolgsentscheidend.13 Die Qualität der Domain ist dabei ebenso von Bedeutung wie die Suchmaschinenoptimierung und die Suchwortwerbung, die eine Top-Platzierung im Ranking von externen Suchmaschinen und eine möglichst optimale Darstellung von Suchergebnissen gewährleisten sollten.14 Insbesondere in der intermediären Rolle, in der Bibliotheken Medien und Informationsressourcen anbieten, muss das Angebotsportfolio klar profiliert sein, eine glaubhafte Verbindung zum Gesamtauftritt herstellen und einen deutlichen Mehrwert gegenüber weiteren Wettbewerbern konsistent vermitteln.15 Im Internet müssen Angebote einfach erklärt und mit Emotionen verknüpft werden, um Informationsasymmetrien auszugleichen. Es geht darum, das Involvement sowie die Bewertungssicherheit zu steigern und Entscheidungen zu unterstützen.16 Dabei sind sowohl die Nutzungsmodalitäten als auch die technischen Anforderungen digitaler Angebote und ihre rechtlichen Rahmenbedingungen einfach und plausibel darzustellen. Bibliotheken stehen häufig vor der Herausforderung, dass das Bibliotheksportal eingebunden ist in die Online-Präsenz ihrer Träger. Dies erschwert nicht nur ihr Auffinden,
10 11 12 13 14 15 16
Schade 2016, S. 21. Vgl. Meffert et al. 2015, S. 9. Heinemann 2016, S. 97. Vgl. ebd., S. 97, 176, 193. Vgl. Griesbaum 2014, S. 414. Vgl. Heinemann 2016, S. 169. Vgl. Justus et al. 2009, S. 67.
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sondern auch die Differenzierung und die klare Auszeichnung von Angeboten und Leistungen. Portale sollen eine schnelle Orientierung, eine schlüssige Navigation, eine benutzerfreundliche Bedienung sowie einen barrierefreien Zugang gewährleisten.17 Eine einfache und intuitive Bedienbarkeit des Portals ist Voraussetzung dafür, dass Nutzer ihre Ziele effektiv, effizient und zufriedenstellend erreichen (s. Kap. 5). Ebenso kommt der Suchfunktion sowohl für die Seiten des Portals als auch für die kuratierten und erschlossenen Informationsräume der Bibliothek eine hohe Bedeutung zu, weil das Risiko besteht, dass enttäuschte Nutzer die Online-Präsenz umgehend wieder verlassen. Anbieter, wie Google, Amazon, eBay oder Zalando, setzen hinsichtlich Navigation, Suche und Präsentation von Inhalten Standards, die Nutzungsroutinen konditionieren und daher auch von Bibliotheken erwartet werden (s. Kap. 6).
Für ein Bibliotheksportal ist zudem die Frage relevant, wie der optimale und integrierte Zugang zu physischen und digitalen Medien und Informationsressourcen für Kunden konsistent realisiert und eine Konvergenz zwischen physischen und digitalen Medien so gesteigert werden kann, dass sich die beiden Präsentationsräume nicht nur ergänzen, sondern gegenseitig bereichern.18 Dabei ist der crossmediale Einsatz von physischen und digitalen Absatzkanälen nachfragerelevant und steigert die Kundenzufriedenheit dann, wenn es gelingt, ein einheitliches und konsistentes Bild vom Angebot und vom Leistungsversprechen der Bibliothek zu vermitteln (s. Kap. 4).19
Aufgrund der Immaterialität von Bibliotheksdienstleistungen kommt dem KundenMitarbeiter-Kontakt eine hohe Bedeutung zu. Auf einem Bibliotheksportal ist der unmittelbare und persönliche Austausch jedoch nur virtuell möglich. Dialog- und Interaktionsinstrumente, die den direkten „Draht“ zur Bibliothek herstellen und der Geschwindigkeit des Mediums gerecht werden, sind deshalb relevant. Weil kein direkter persönlicher Kundenkontakt besteht, sind Nutzungsdaten wesentlich, um Informationen über Kunden und ihr Informationsverhalten zu gewinnen, um Angebote zu profilieren (s. Kap. 7). Dabei gewinnen zunehmend Verfahren der Personalisierung an Relevanz, die anhand von Kaufverhalten und Klickhistorie sowie ihrer Zuordnung zu den jeweiligen Kundenprofilen ermöglichen, Angebote passgenau an individuelle Bedarfe anzupassen, und eine maximale Kundenorientierung gewährleisten (s. Kap. 6.3). Der Trend der Personalisierung stellt für Bibliotheken eine weitere Herausforderung dar. Personalisierung bedeutet, dass durch die Individualisierung von Leistun
17 Vgl. Ruisinger 2011, S. 39. 18 Vgl. Eigenbrodt 2014, S. 209, 211. 19 Vgl. Meffert et al. 2015, S. 526.
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gen und von Zugängen Kunden ein Mehrwert angeboten wird. Sowohl Daten als auch User-generated Content bilden dabei häufig die Grundlage für personalisierte Angebote und Empfehlungen, die gleichermaßen einen Mehrwert stiften, da der Basisnutzen durch die kollektive Beteiligung eines Netzwerkes steigen kann. Damit können einerseits individuelle Eins-zu-eins-Lösungen für Kunden realisiert werden, andererseits können Netzwerkeffekte durch die kollektive Beteiligung erreicht werden. Daraus ergibt sich die weitere Chance, dass Leistungen und Informationen über Leistungen auf Social-Media-Kanälen zielgruppenspezifisch geteilt werden, zumindest dann, wenn die Kanäle eng miteinander verzahnt sind und das Bibliotheksportal alle SocialMedia-Kanäle integriert. Mit der Verbreitung mobiler Endgeräte muss die Optimierung von Unternehmenswebsites bzw. -portalen im responsiven Design oder als mobile Website als gesetzt betrachtet werden, um Inhalte und Angebote zu jeder Zeit an jedem Ort verfügbar zu machen. Unterschiedliche Anbieter, Betriebssysteme, Displaygrößen und verfügbare Bandbreiten stellen dabei Anforderungen an Lesbarkeit, Navigation und Ladezeiten, die bei der Entscheidung für ein responsives Design oder eine mobile Website berücksichtigt werden müssen. Durch die zentrale Funktion, die ein Portal als Kommunikationsmedium und als Absatzkanal im Marketing online und offline erfüllt, sind die Anforderungen an seine Gestaltung bezüglich Inhalten, Suche, Navigation, Usability, Corporate Design und Media Richness sowie Dialog- und Interaktionsmöglichkeiten besonders hoch. Inhalte und Serviceangebote stehen deshalb auf dem Bibliotheksportal in enger Beziehung zur Content-Strategie, zum Webdesign, der Usability, Media Richness, der Suche sowie der Integration von Nutzern durch Personalisierung und Externalisierung.20
3 Content-Strategie Ein Portal liefert im Vergleich zu allen anderen Kommunikationsmedien die umfassendste Information zu allen relevanten Themen, die aktuell und in nahezu beliebiger Tiefe abgebildet werden können.21 Die Content-Strategie bezieht sich dabei darauf, welche Inhalte auf dem Portal präsentiert werden, wie diese Inhalte mit multimedialen und interaktiven Elementen angereichert werden und wie weitere Kommunikationskanäle integriert werden. Die Content-Strategie sollte sich aus der Kommunikationsstrategie des Unternehmens bzw. der Bibliothek ableiten. Grabs et al. schlagen
20 Vgl. Pleil 2015, S. 1028. 21 Vgl. ebd., S. 1027.
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vor, das Prinzip des Long Tail22 auf die Content-Strategie anzuwenden und die SocialMedia-Kommunikation miteinzubeziehen.23 Mit Berichten und Geschichten zu aktuellen Themen, Entwicklungen und Neuigkeiten zu Angeboten können Zielgruppen dabei spezifisch adressiert werden, was durch die Vernetzung der Kommunikationskanäle und Beiträge im Long Tail realisiert wird, der ein lebendiges und authentisches Bild des Unternehmens und seiner Aktivitäten gibt. Intendiert wird damit, einerseits breit Interesse zu wecken, andererseits ein Nischenpublikum gezielt anzusprechen.24 Ein Portal sollte dabei alle Kommunikationskanäle miteinbeziehen und aktuelle wie umfassende Information bereithalten. Die inhaltliche Gestaltung eines Bibliotheksportals zielt dabei nicht nur darauf ab, die Positionierung der Bibliothek darzustellen, zu informieren und eine optimale Orientierung zu ermöglichen, sondern auch darauf, die Verweildauer auf dem Portal sowie die Nachfrage nach Leistungen zu steigern. Berücksichtigt werden dabei die verschiedenen Ziele, die Interessen und das Involvement, mit denen Nutzer das Portal aufsuchen. Involvement beschreibt den Grad der Aufmerksamkeit, mit dem ein Nutzer sich auf dem Bibliotheksportal aufhält und agiert. Wenig involvierte Nutzer haben in der Regel kein konkretes Suchziel und streben eher danach, inspiriert und unterhalten zu werden. Hoch involvierte Nutzer suchen hingegen gezielt nach für sie relevanter Information.25 Während sich wenig involvierte Nutzer von emotionalen Impulsen und einer hohen Media Richness ansprechen lassen, bevorzugen Nutzer mit hohem Involvement sachlich präsentierte Information in einer klaren Navigation, die sie ihrem Suchziel rasch näher bringt.26 Abhängig von der Motivation und der Zielsetzung, mit denen Nutzer das Portal aufsuchen, berücksichtigt die Content-Strategie Informations-, Unterhaltungs- und Dialoginteressen sowie Bedarfe der direkten Versorgung mit Medien, Informationsressourcen oder/und weiteren Dienstleistungen. Dementsprechend wird die ContentStrategie auf verschiedenen Ebenen entwickelt: 1) Die Informationsebene dient vor allem der Vermittlung der grundlegenden Informationen zu einem Unternehmen, beispielsweise durch ein Firmenprofil, die Darstellung von Produkten und Leistungen, Referenzen und Kontaktmöglichkeiten. Auch der Pressebereich zählt hierzu. 2) Die Serviceebene hat das Ziel, eine Nutzerbindung herzustellen. Typisch hierfür sind regelmäßige Publikationen wie Onlinemagazine oder Newsletter, aber auch das Bereitstellen bestehender Publikationen wie Geschäftsberichte.
22 Die Theorie des Long Tail von Chris Anderson geht von der Annahme aus, dass Anbieter im E-Commerce den Großteil ihrer Umsätze über Nischenprodukte generieren. 23 Vgl. Meffert et al. 2015, S. 665. 24 Vgl. Grabs et al. 2015, S. 47. 25 Vgl. Esch et al. 2009, S. 132. 26 Vgl. ebd., S. 145.
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3) Die Unterhaltungsebene wird zum Erfolgsfaktor einer Website, wenn entsprechende Angebote die Verweildauer erhöhen. Dies kann beispielsweise durch Onlinespiele bzw. Gewinnspiele geschehen oder durch Onlineevents. 4) Die Dialogebene: Sieht man von technischer Interaktion ab, wird erst durch spezielle Maßnahmen ein Dialog und damit ein Rückkanal von den Stakeholdern zur Organisation möglich. Dies kann durch kommentierbare Seiten geschehen, aber zum Beispiel auch durch Chats, integrierte Foren oder andere Maßnahmen.27 Die Inhalte sollten prägnant und nutzerfreundlich aufbereitet und durch Überschriften klar strukturiert sein, um kurze Aufmerksamkeitsspannen optimal zu nutzen, Interesse zu wecken und Vertrauen in die Marke der Bibliothek und ihre Dienstleistungen aufzubauen. Es gilt: „Keep it short and simple.“28 Das Webdesign setzt dabei nicht nur das Corporate Design um, sondern unterstützt die Präsentation und die Auffindbarkeit von Inhalten. In enger Abstimmung zur Navigation und Usability ist es sinnvoll, Inhalte hierarchisch und nach abnehmender Wichtigkeit auf verschiedenen Ebenen nach dem Prinzip „form follows function“ zu präsentieren (s. Kap. 4 sowie Kap. 5).29
Um den verschiedenen Ebenen und Zielsetzungen des Bibliotheksportals zu entsprechen, gehört zur Content-Strategie auch eine Auseinandersetzung mit Media Richness. Media Richness bewertet die Reichhaltigkeit eines Mediums in Bezug auf seine Vielfältigkeit im Einsatz von Text-, Bild-, Bewegtbild- und Tonelementen sowie seine Vernetzungs-, Feedback- und Personalisierungsmöglichkeiten.30 Dabei eignen sich Medien mit geringer Media Richness vor allem für die Vermittlung von Sachinformation. Mehrdeutige Sachverhalte, wie z. B. die Verständigung auf gemeinsame Unternehmenswerte oder der Abgleich von Interessen, benötigen Kommunikationsmittel mit höherer Media Richness.31 Bilder transportieren Information dabei eingängiger und/oder unterstützen schriftlich niedergelegte Information. Im Vergleich zu Texten lassen sich Bilder schneller entschlüsseln, adressieren vielfach Emotionen und können eine identifikationsstiftende Wirkung haben.32 Zudem ist Bewegtbildkommunikation relevant:
Bewegtbildkommunikation im Internet umfasst alle Angebote, Aufzeichnungen oder Livestreams, die über das Netz verbreitet werden und bewegte Bildsequenzen beinhalten. Hierzu zählen neben
27 28 29 30 31 32
Pleil 2015, S. 1028 . Vgl. Kreutzer 2014, S. 126. Vgl. Esch et al. 2009, S. 142. Vgl. Pfannenberg 2014, S. 1129. Vgl. ebd. Vgl. Böhringer et al. 2008, S. 337.
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den als klassisch zu bezeichnenden Film- und Videoangeboten, auch Live-Cams, V-Blogs, Tutorials, Clips, Animationen oder auch Footage (Rohmaterial).33
Neben Imagefilmen können Interviews, Hintergrundberichte, Livestreams über die Aktivitäten der Bibliothek informieren. Online-Tutorials eignen sich zur Erläuterung der Nutzungsbedingungen, der technischen Voraussetzungen und Nutzungsmodalitäten von E-Medien oder der Nutzung von Bibliotheksangeboten generell. Darüber hinaus werden Online-Tutorials eingesetzt, um wissenschaftliches Arbeiten anzuleiten oder Informationskompetenz zu schulen.34 Weitere Anwendungsbereiche der Bewegtbildkommunikation auf Portalen sind Schulungs- und Coaching-Programme, Mitarbeiterporträts, Making-of-Videos sowie Branded Entertainment35.36 Die Content-Strategie muss zudem Aspekte der Suchmaschinenoptimierung berücksichtigen, da die Algorithmen von Suchmaschinen Aktualität, Verlinkung, Reputation der Seite und weitere Faktoren, wie z. B. die Verweildauer, in ihr Ranking miteinbeziehen.37 Unter Nutzungs- und technischen Aspekten geht es insgesamt um die Präsentation von hochwertigen und aktuellen Inhalten, die von Suchmaschinen indexiert werden und den kurzen Aufmerksamkeitsspannen gerecht werden, dabei informieren, unterhalten und im Hinblick auf das Dienstleistungsangebot von Bibliotheken Orientierung bieten sowie Leistungsfähigkeit und Qualität dokumentieren.
3.1 Startseite Das Zentrum eines Portals und der passenden Content-Strategie ist die Startseite. Sie ist von elementarer Bedeutung und sollte auf alle Online- und Offline-Aktivitäten der Bibliothek verweisen.38 Die Startseite muss das Angebot und das Leistungsversprechen der Bibliothek prägnant auf den Punkt bringen. Dabei ist zu gewährleisten, dass Nutzer je nach Intention des Portalbesuchs entweder ihr Suchziel mit wenigen Klicks erreichen können oder aber angeregt werden, auf den Seiten zu browsen und zu verweilen. Kontaktdaten, Öffnungszeiten sowie die Möglichkeit der direkten Kontaktaufnahme gehören ebenfalls direkt auf die Startseite. Nur wenige wissenschaftliche und auch öffentliche Bibliotheken nutzen bisher das Potenzial, das insbesondere die Startseite
33 Rau 2014, S. 805. 34 Vgl. Gantert 2016, S. 338 . 35 Als Branded Entertainment bezeichnet man Unterhaltungsmedien, die mit dem Ziel eingesetzt werden, Produkte, Dienstleistungen oder Unternehmen als Marke zu bewerben. 36 Vgl. Rau 2014, S. 814. 37 Vgl. Lewandowski 2015, S. 92; Pleil, Zerfaß 2014, S. 746. 38 Vgl. Kreutzer 2014, S. 95.
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bietet, um ihr Leistungsversprechen auf den Punkt zu bringen und zu zeigen, was Zielgruppen von ihnen erwarten können. Die Startseite der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) kommuniziert mit Logo, Mission Statement und Claim prägnant ihre Positionierung und verweist darüber hinaus nicht nur direkt auf einzelne Dienstleistungen, sondern auch auf ihre Social-Media-Kanäle. Darüber hinaus beinhaltet die Startseite auch alle weiteren wichtigen Kontaktinformationen (s. Abb. 1).
Abb. 1: Screenshot der Startseite der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB)39
39 https://www.slub-dresden.de/startseite/ (Abruf: 2018.06.18)
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3.2 Landing Pages Bei diversifizierten Unternehmen und Angebotsportfolios kann es in der internen wie auch in der externen Kommunikation sinnvoll sein, Landing Pages einzurichten, die als Microsites auf den spezifischen Bedarf von Zielgruppen optimiert sind und entsprechende Orientierungshilfen bieten sollten, um das dort präsentierte Angebot zu nutzen. Diese schlanken Websites stellen ein bestimmtes Angebot oder Thema in den Mittelpunkt, das bei der Suche im Netz oder durch Verlinkung (z. B. Banner) direkt erreicht werden kann. Ziel ist es, Absprungraten von Nutzern zu verringern, indem ihnen Mehrwerte durch die direkte Erreichbarkeit, die anschauliche Präsentation sowie Servicefunktionen geboten werden. Charakteristisch an Landing Pages ist die Integration eines Response-Sets, das mit einer direkten Handlungsaufforderung verknüpft wird, z. B. ein Anfrageformular, ein Link auf den Katalog oder ein Call-backButton. Bibliotheken können Landing Pages nutzen, um den Zugang zu ihren digitalen Dienstleistungen zu verbessern, indem die Landing Page alle notwendigen Informationen bereithält, um diese Angebote nutzen zu können.40
3.3 Newsroom Vor dem Hintergrund, dass das Internet für Journalisten ein wichtiges RechercheInstrument ist, haben Newsrooms auf Portalen eine hohe Bedeutung. Sie erfüllen nicht nur eine Archivfunktion, indem sie alle Pressemitteilungen enthalten, sondern liefern auch weiterführende Informationen, Hintergrundmaterial (z. B. Statistiken), Bilder und audiovisuelle Medien (z. B. O-Töne, Mitschnitte).41 Zu den für Journalisten besonders wichtigen Angaben zählen Kontaktdaten von Ansprechpartnern der Medienarbeit.42 Insgesamt können Newsrooms einen wichtigen Beitrag zum Themenmanagement der Bibliothek liefern und haben Relevanz für das Ranking von Suchmaschinen.
4 Corporate Design und Branding Ziel des Corporate Design ist es, Identifikation, Differenzierung und Wiedererkennbarkeit zu erreichen:43
40 41 42 43
Vgl. Lewandowski 2019b, S. 368. Vgl. Pleil 2015, S. 1029. Vgl. ebd., S. 1030. Vgl. Mayer-Johanssen 2014, S. 832.
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Im Corporate Design (CD) manifestieren sich die grundlegenden Aussagen einer Marke. Sie bieten Orientierung und geben Hinweise für schlüssige Ableitungen im Sinne der Marke. Wiedererkennbarkeit und Selbstähnlichkeit sind dabei zentrale Voraussetzungen, die einer Marke Stabilität verleihen.44
Um in der Informationsflut des Internets nicht unterzugehen, muss das Corporate Design klare, differenzierende und aufmerksamkeitsstarke Impulse setzen, die sympathisch wirken und Akzeptanz und Identifikation bei den Zielgruppen wecken.45 Signalgebende Funktion hat dabei vor allem das Branding, das aus Markennamen und Markenzeichen (Logo) besteht.46 Das Branding muss sich klar von anderen Marken unterscheiden und sich im Kundenkontakt sofort erschließen, Orientierung bieten und leicht erlernbar sein, um nachhaltig und assoziationsreich erinnert werden zu können.47 Beispielgebend ist hier Amazon. Der Markenname nimmt Bezug auf den wasserreichsten Fluss der Erde – den Amazonas – und repräsentiert die Fülle des Angebots und die Marktführerschaft des Online-Händlers. Der Pfeil im Logo unterstreicht das Leistungsversprechen, indem er sowohl auf die Angebotspalette von A bis Z als auch auf die schnelle Lieferbereitschaft des Unternehmens verweist. Zudem symbolisiert der Pfeil ein Lächeln, das für zufriedene Kunden stehen soll. Eingebunden in die Markenarchitektur des Trägers und in verschiedene Funktionszusammenhänge, haben Bibliotheken häufig nicht die Chance, ein treffendes, aussagekräftiges und assoziationsreiches Branding und Corporate Design zu entwickeln. Bis auf wenige Ausnahmen favorisieren öffentliche Träger – ob das nun Hochschulen, Institute oder Kommunen sind – geschlossene Markenarchitekturen und verpflichten die von ihnen finanzierten Einrichtungen, den Markenauftritt der Dachmarke zu übernehmen.48 Oftmals bleibt Bibliotheken hier nur die Möglichkeit, die eigene Einrichtung und ihre Leistungen innerhalb des vorgegebenen Corporate Design durch ein eigenes Farb- und/oder Bildkonzept sowie durch Namenszusätze oder Gestaltungsraster auszuzeichnen und die Marke des Trägers als sogenanntes Subbrand zu erweitern.49 Daher sollte auf dem Bibliotheksportal die Chance genutzt werden, die dort integrierten Bibliotheksdienstleistungen durch definierte Farben und/oder Gestaltungsraster auszuzeichnen, um damit Zusammenhänge dazustellen, die Orientierung bieten und eine intuitive Bedienung unterstützen.50
44 Mayer-Johanssen 2014, S. 830. 45 Vgl. ebd., S. 833. 46 Vgl. Langner-Esch 2014, S. 111. 47 Vgl. Schade 2016, S. 146. 48 Vgl. Burckhardt 2010, S. 10. 49 Zur Markenentwicklung und ‑führung von Bibliotheken s. Schade, Frauke: Praxishandbuch Digitale Bibliotheksdienstleistungen. Strategie und Technik der Markenkommunikation. Unter Mitarbeit von Johannes Neuer. Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2016, S. 154–178. 50 Vgl. Mayer-Johanssen 2014, S. 863.
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Heute gilt die strikte Einhaltung von Corporate-Design-Richtlinien als unbedingte Anforderung an ein Corporate Design als überholt. Vielmehr geht es heute insbesondere bei der Selbstpräsentation im Internet darum, dass das Corporate Design die Flexibilität besitzt, eine möglichst hohe inhaltliche und visuelle Kohärenz der Positionierung in Abhängigkeit von den verschiedenen Medienkanälen herzustellen und der medienspezifischen Ikonografie von Kommunikationskanälen gerecht zu werden. Von Lepel empfiehlt deshalb ein schlankes Corporate-Design-Konzept, das sich auf grundlegende verpflichtende Designelemente – wie Branding, Farben, Typografie – als Richtlinien beschränkt und darüber hinaus fakultative Designelemente anbietet, die situations- und medienspezifisch angewendet oder frei gestaltet werden können.51 Bibliotheken können diese Entwicklung als Argument nutzen, um auf eine flexiblere Handhabung des Corporate Design hinzuwirken, die neben verpflichtenden Kernelementen des Corporate Design eine spezifischere Auszeichnung der Bibliothek und ihrer Angebote ermöglicht.
5 User Experience und Web Usability Das individuelle Kundenerlebnis ist ein entscheidender Erfolgsfaktor im Web. Im Mittelpunkt steht der Nutzer mit seinen Erfahrungen und Fertigkeiten, der eine Zielhandlung auf dem Portal durchführen soll.52 User Experience bezieht sich dabei auf Aspekte der Nutzung wie die Auffindbarkeit von Inhalten durch Suchmaschinen, Joy of Use und Barrierefreiheit sowie die Auswirkungen neuer technologischer Entwicklungen (z. B. mobile Anwendungen).53 Zentraler Aspekt ist die intuitive und einfache Bedienbarkeit, also die Gebrauchstauglichkeit von Websites (Usability):54 „Bad usability equals no customers.“55
Usability wird unter verschiedenen Anwendungsperspektiven betrachtet. Die DIN EN ISO 9241-11 definiert als Standard für die „Ergonomie der Mensch-System-Interaktion“ Usability als das Ausmaß, in dem ein System, ein Produkt oder eine Dienstleistung durch bestimmte Benutzer in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden können, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und zufriedenstellend zu erreichen.56
51 52 53 54 55 56
Vgl. von Lepel 2014, S. 292. Vgl. Jahnke et al. 2008, S. 5. Vgl. Spree 2019, S. 392. Vgl. Sarodnick, Brau 2016, S. 19. Nielsen 2001, S. 14. DIN EN ISO 9241-11:2016, S. 7.
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In der Norm werden sechs Grundsätze zur Informationsdarstellung definiert. Dazu gehören die Entdeckbarkeit, die Ablenkungsfreiheit, die Unterscheidbarkeit sowie Kompaktheit, Konsistenz und eindeutige Interpretierbarkeit.57 Usability steht in einem engen Zusammenhang zur Content-Strategie (s. Kap. 3) und zum Corporate Design (s. Kap. 4). Es geht darum, dass erwartete Inhalte vorhanden sind und durch Architektur, Navigation, Design und Beschreibung so präsentiert werden, dass sie sich intuitiv erschließen oder einfach erlernt werden können.58 Häufig genügen Websites nicht den Erwartungen von Nutzern. Zu typischen Usability-Problemen gehören ein schwieriger Einstieg in die Website, die fehlende Möglichkeit, sich zu orientieren und sich einen Überblick zu verschaffen, die Enttäuschung, das erwartete Angebot nicht zu finden, sowie der Verlust der Orientierung während des Suchprozesses.59 Die am Zentrum für Medien und Interaktivität (ZMI) der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) durchgeführte DFG-Studie „Web-Usability des Informations- und Interaktionsangebots von Hochschulbibliotheken“ zeigt am Beispiel von Bibliotheksportalen wissenschaftlicher Bibliotheken, dass häufig „zwei Welten“ aufeinandertreffen: die Welt der Nutzer und die Welt der Bibliotheken. Ergebnis der Studie ist, dass wissenschaftliche Bibliotheken bei ihren Nutzern erhebliches Wissen über die Bibliothek und ihre Angebote voraussetzen.60 Informationsarchitektur, Navigation und Bezeichnungen orientieren sich dabei an den Strukturen der Institution und nicht am Nutzer. So scheitern die Nutzer häufig bereits beim Einstieg in das Angebot, weil Begriffe wie Digitale Bibliothek, Datenbank oder Fachinformation für sie nicht selbsterklärend sind.61 Zu diesen sprachlichen Barrieren bibliothekarischer Fachtermini kommt fehlendes Funktions- und Handlungswissen von Nutzern über Kataloge, Datenbanken, Aus- und Fernleihe oder Magazinbestellungen.62 Die Ergebnisse der DFG-Studie werden bestätigt von Spree, die ausgewählte Usability- und User-Experience-Analysen von Informationsdienstleistungen ausgewertet hat.63 Zusätzlich nennt Spree als Problemfelder eine unklare Ziel- und Zielgruppendefinition, eine unzureichende Qualität von Metadaten sowie die schlechte Auffindbarkeit in Suchmaschinen.64 Eine konsequente Ausrichtung an Nutzern, ihren Kenntnissen, Fertigkeiten und Bedarfen ist jedoch erfolgsentscheidend dafür, dass Angebote von Bibliotheken – und
57 Vgl. DIN EN ISO 9241-12; Spree 2019, S. 390. 58 Vgl. Volckmann, Lippert 2006, S. 8. 59 Vgl. Gesikowski 2009, S. 13. 60 Vgl. Dynkowska 2006, S. 6. 61 Vgl. ebd., S. 5. 62 Vgl. ebd., S. 6. 63 S. den Beitrag „Usability und User Experience von Informationsdienstleistungen“ von Ulrike Spree in diesem Handbuch. 64 Vgl. Spree 2019, S. 402, 403.
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insbesondere digitale Bibliotheksdienstleistungen – Aufmerksamkeit, Interesse und Nachfrage wecken, sowie auch dafür, dass Kundenzufriedenheit und -bindung dadurch entstehen, dass Angebote intuitiv gefunden und genutzt und Bedarfe gedeckt werden. Eine optimale Bedienbarkeit des Portals und seiner Angebote muss daher immer Ziel der Web Usability auf Bibliotheksportalen sein, gerade weil andere Anbieter immer nur „einen Klick weit entfernt“ sind.65 Mentale Repräsentationen, die durch Nutzungsroutinen im Internet und insbesondere durch Anbieter wie Google (einfacher Suchschlitz), Amazon (z. B. Warenkorb oben rechts) oder Zalando (Visualisierung von Angeboten) konditioniert werden, sollten dabei berücksichtigt werden.66 Informationsarchitektur und Navigation sollten einen konkreten Überblick über das Angebot geben und eine einfache Orientierung ermöglichen.67 Dabei bieten Untermenüs die Möglichkeit, die Navigationsstruktur schlank zu halten.68 Durch die Benutzungsführung sollte der Nutzer zu jedem Zeitpunkt seines Besuches wissen, wo er sich auf dem Portal befindet, wo er bereits auf dem Portal war und wo er noch fündig werden könnte, um seinen Bedarf zu decken.69 Gerade durch die Heterogenität von Informationsdienstleistungen und Suchsystemen, die Bibliotheken auf Portalen präsentieren, müssen diese zielgruppenspezifisch aufbereitet und für Nutzer verständlich dargestellt werden.70 Sinnvoll ist es, bereits im Vorfeld zu vermitteln, wann der Nutzer das Angebot der Bibliothek verlässt und wie er wieder auf die Seiten der Bibliothek zurückfindet. Dies ist insbesondere dann relevant, wenn Bibliotheken Zugriff auf lizenzierte Informationsressourcen bieten, die nicht auf ihren eigenen Servern gehostet werden. Auf dem Portal der Bibliothek kann die Navigation mit temporärer farblicher Unterlegung von Links oder durch die sogenannte Brotkrümel-Navigation, die die hierarchischen Pfade der verschiedenen Navigationsebenen bis zum aktuellen Standpunkt aufzeigt, unterstützt werden.71 Eine verständliche Bezeichnung von Angeboten und Navigationselementen ist dabei ebenso notwendig wie prägnante und aktuelle textliche und visuelle Beschreibungen von Angeboten, die dem Lesefluss und den kurzen Aufmerksamkeitsspannen im Internet gerecht werden.72 Wie immer im Internet gilt das Prinzip „keep it short and simple“73 und insbesondere für das Design „form follows function“. Darüber hinaus sollte durch den maßvollen und durchdachten Einsatz von Grafiken, Ton- und Videoelementen auf die Ladegeschwindigkeit der Seite geachtet
65 66 67 68 69 70 71 72 73
Vgl. Kreutzer 2014, S. 121. Vgl. Spree 2019, S. 389. Vgl. ebd. Vgl. Georgy 2002 f., S. 4. Vgl. Gesikowski 2009, S. 28. Vgl. Spree 2019, S. 398. Vgl. Gesikowski 2009, S. 32. Vgl. Pleil, Zerfaß 2014, S. 745. Kreutzer 2014, S. 126.
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werden.74 Die Web Usability sollte im Rahmen von Usability-Tests regelmäßig überprüft werden, da es das zentrale Ziel von Web Usability ist, Websites aus der Perspektive der Nutzer zu optimieren.75 Usability bezieht sich auch auf den barrierefreien Zugang zu Websites für behinderte Menschen: Barrierefreiheit ist im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) in § 4 geregelt. Gerade bei öffentlich finanzierten Einrichtungen sollte Barrierefreiheit in besonderem Maße gewährleistet werden. Dies bedeutet für Bibliotheken, dass sie ihre Portale, Dienstleistungen und Informationsressourcen so einrichten, dass sie für „behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind“.76
6 Suchsysteme und Ergebnispräsentation Bei Bibliotheken bezieht sich die Suche sowohl auf die unternehmensweite Suche als auch auf die Suche in den verschiedenen Suchsystemen, die auf dem Portal angeboten werden. Unabhängig davon, wo der Besucher sucht, ist auch die effiziente Suche mit relevanten Ergebnissen ein erfolgskritischer Faktor.77 Die Suche soll gewährleisten, dass Suchergebnisse relevant sind (Precision) und die Suchanfrage möglichst vollständig beantwortet werden kann (Recall). Zeitaufwand und Nutzen sollten dabei für eine effiziente Suche in einem angemessenen Verhältnis stehen.78 Gleichermaßen stellt sich an Suchsysteme die Anforderung, anregendes Browsen zu ermöglichen. Das Web liefert hier den unmittelbaren Kontext dafür, dass enttäuschte und frustrierte Nutzer das Bibliotheksportal oder die Suchsysteme, die darauf bereitgestellt werden, sofort wieder verlassen. Für den Erfolg der Suche ausschlaggebend sind das Suchsystem, die formale und inhaltliche Beschreibung von Suchergebnissen (Metadaten), die Ergebnispräsentation sowie die mögliche Interaktion und Beteiligung von Kunden.
6.1 Bibliothekarische Suchsysteme Suchmaschinen und Portale großer Anbieter konditionieren in hohem Maße die Nutzungsroutinen von Internetnutzern. Machill et al. konnten in einer Studie zum Verhalten deutscher Internetnutzer zeigen, dass ein Großteil der Nutzer nicht bereit
74 75 76 77 78
Vgl. Heinemann 2016, S. 197. Vgl. Sarodnick, Brau 2016, S. 51. Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz o. J. Vgl. Heinemann 2016, S. 196. Vgl. ebd.
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dazu ist, einen hohen zeitlichen und kognitiven Aufwand bei der Suche zu investieren.79 Nur etwa die Hälfte der Suchmaschinennutzer weiß, dass es Boolesche Operatoren überhaupt gibt, und nur knapp 60 Prozent ist bekannt, dass es erweiterte Suchmöglichkeiten über die Profilsuche gibt.80 Lewandowski zeigt auf, dass diese Ergebnisse durch zahlreiche weitere Studien bestätigt werden konnten.81 Entsprechend problematisch ist für Nutzer die Suche in klassischen Bibliotheks- und Metakatalogen, da diese nach wie vor ein hohes Maß an Retrievalkenntnissen voraussetzen. Hinzu kommt, dass Bibliothekskataloge (OPAC)82 und Metakataloge83 kein relevanzbasiertes Ranking liefern und sich Nutzer oft mühsam und zeitintensiv durch die Ergebnisseiten arbeiten müssen, um relevante Information zu finden. Zu den entscheidenden Nachteilen von Metasuch portalen gehört zudem, dass die Antwortzeiten abhängig von der Leistungsfähigkeit der verschiedenen Anbieter sind. Computerlinguistische Verfahren zur Erhöhung des Recalls können hier nur auf der QueryEbene, nicht jedoch auf der Indexierungsebene eingesetzt werden.84
Katalogsuchmaschinen und Discovery-Systeme hingegen nutzen die für Websuchmaschinen entwickelten Technologien.85 Sie bieten ein einfaches Benutzerinterface (Suchschlitz), das ein unaufwendiges und fehlertolerantes Retrieval ermöglicht, Wortvervollständigungen (Autocompletion) und Flexionen von Suchbegriffen berücksichtigt.86 Ebenso wie Websuchmaschinen basieren sie auf einem Index.87 Während Katalogsuchmaschinen auf die Suche im (physischen oder digitalen) Buch- und Zeitschriftenbestand eines Informationsraumes beschränkt sind, ermöglichen es Discovery-Systeme darüber hinaus, heterogene Datenformate aus unterschiedlichen Da-
79 Vgl. Machill et al. 2003, S. 169, zit. nach Lewandowski 2015, S. 74. 80 Vgl. ebd., S. 168 ., zit. nach Lewandowski 2015, S. 83. 81 Vgl. Lewandowski 2016, S. 76. 82 Im Bibliothekskatalog Online Public Access Catalogue (OPAC) werden die Metadaten zu physischen Medien und digitalen Ressourcen verzeichnet. Bibliothekskataloge sind dabei – auf der Grundlage von relationalen Datenbanksystemen und komplexen Tabellenstrukturen – für die Erfassung von Metadaten eigener „Bibliotheksbestände“ entwickelt worden. Sie ermöglichen komplexe, jedoch auch zeitintensive Recherchen unter Einbeziehung von Booleschen Operatoren, die beim Information Retrieval einiges Know-how des Konsumenten voraussetzen. 83 Metakataloge ermöglichen die parallele Suche in mehreren Katalogen und Verzeichnissen, wobei die bibliografischen Angaben der Trefferanzeigen aus den jeweiligen Zielsystemen in die Oberfläche des Suchportals integriert werden. Metasuchportale halten keine eigenen Daten und keinen eigenen Index vor, ermöglichen jedoch über eine Authentifizierung die Einbeziehung von lizenzpflichtigen Datenquellen in die Recherche. 84 Vgl. Kostädt 2014, S. 515. 85 Vgl. ebd., S. 518. 86 Vgl. ebd., S. 517. 87 Als Index bezeichnet man einen für die Suche aufbereiteten Datenbestand (vgl. Lewandowski 2015, S. 295).
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tenquellen zu aggregieren und zu indexieren.88 Die Ergebnispräsentation ist relevanzbasiert und lässt sich zudem über Facettierung verfeinern, indem über dynamisch erzeugte Filter (Facetten) die Treffer eingeschränkt werden können.89 Zugriffsund Bestelloptionen werden mittels Linkresolver90 und Verfahren wie Shibboleth91 angezeigt und gewährleisten – je nach Dokumententyp – den direkten Zugriff auf Inhalte.92
6.2 Metadaten Metadaten, die Informationen zu formalen und inhaltlichen Merkmalen von Medien und Informationsressourcen liefern, sind potenzielle Sucheinstiege (Suchbegriffe) in den verschiedenen Suchsystemen, wie Datenbanken, Katalogen, Discovery-Systemen oder auch Suchmaschinen im Internet.93 Sie sollen Zielgruppen eine effiziente Suche ermöglichen, zu relevanten Suchergebnissen führen und die Relevanzbeurteilung von Quellen unterstützen. Auskunft geben Metadaten beispielsweise zu Autor, Titel, Verlag und Dokumententyp. Insbesondere mit der Einführung des Regelwerkes „Resource Description and Access“ (RDA) seit 2015 im deutschsprachigen Raum verbinden Bibliotheken das Ziel, Nutzerbedürfnissen stärker zu entsprechen und die Sucheinstiege zu verbessern, indem Informationsobjekte in Bezug auf das Werk einerseits übersichtlich, andererseits möglichst differenziert beschrieben werden. Mit RDA verbindet sich zudem der Anspruch, nicht nur physische Medien, sondern auch digitale Informationsressourcen, insbesondere auch Datenbanken, abzubilden und die Interoperabilität zwischen Daten und Materialien aus Verlagen, Museen und Archiven zu steigern sowie bibliografische Daten für das Semantic Web verfügbar zu machen, also insgesamt den Zugang zu sowie den Austausch und die Sichtbarkeit von Informationsressourcen im Internet zu steigern.94
88 Vgl. Kostädt 2014, S. 518. 89 Vgl. ebd., S. 518. 90 Linkresolver ermöglichen bei der Literaturrecherche, von den ermittelten Treffern entweder unmittelbar zu den entsprechenden Volltexten zu gelangen, das Vorhandensein und die Standortangaben eines Mediums in einem Bibliotheks- oder Verbundkatalog zu ermitteln oder eine Bestellung über Fernleihe, Dokumentlieferdienste oder den Internetbuchhandel anzustoßen. 91 Shibboleth ist ein Single-Sign-on-Verfahren zur verteilten Authentifizierung und Autorisierung von Webanwendungen und -services, das es ermöglicht, dass sich Benutzer bei ihrer Heimatinstitution (z. B. Hochschule) nur einmal anmelden, um auf ortsunabhängige Dienste oder lizenzierte Inhalte verschiedener Anbieter zugreifen zu können. 92 Vgl. Kostädt 2014, S. 521; Hilpert et al. 2014, S. 170. 93 Vgl. Gantert 2016, S. 225. 94 Vgl. Meßmer, Müller 2014, S. 346. – RDA integriert dazu das „Dublin Core Metadata Element Set“, das als interoperabler Standard für Onlinedaten für die automatische Indexierung von Metadaten
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Neben diesen formalen Beschreibungen liefern Suchergebnisse in Katalog- und/oder Discovery-Systemen inhaltliche Merkmale, die Kunden bei der Einschätzung der Nützlichkeit von Informationsressourcen unterstützen sollen. Dazu gehören Klassifikationen95, Abstracts, Annotationen und Schlagworte, die im Vergleich zu kommerziellen Suchsystemen für Kunden einen deutlichen Mehrwert liefern können, da sie nach definierten Standards erfolgen (z. B. bei der Schlagwortvergabe auf der Grundlage der „Gemeinsamen Normdatei“ (GND)96). Die systematische Erschließung von Wissensgebieten durch Klassifikationen unterstützt zudem das Auffinden von thematisch ähnlichen Ressourcen. Dabei ist es für den Einsatz von Klassifikationen in Online-Katalogen unter dem Aspekt der Nutzerfreundlichkeit sinnvoll, die Notationen durch eindeutige verbale Benennungen zu ersetzen. Neben der Klassifikation unterstützt das Abstract die Suche, indem es die wichtigsten Inhalte der Informationsressource präzise und ohne Wertung bzw. Interpretation auf den Punkt bringt.97 Anders als bei der bibliothekarischen Inhaltserschließung folgt die Schlagwortvergabe durch den Nutzer (Social Tagging, Folksonomy) keinem Standard, sondern bezieht den Nutzer in die inhaltliche Erschließung mit ein (s. Kap. 8.1).
6.3 Personalisierung und Empfehlungen Ziel von Empfehlungen ist es, auf Angebote aufmerksam zu machen und Anreize zu schaffen, die Kunden aufgrund der Menge an Information nicht gefunden haben oder nach denen sie gar nicht gesucht hätten.98 Empfehlungen beziehen sich auf dem Portal insbesondere auf den Absatz von Leistungen und sollen dabei unterstützen, die Relevanz und Eignung von Angeboten, inklusive Medien und Informationsressourcen, einzuschätzen und die Bewertungssicherheit zu steigern.
digitaler Informationsressourcen von der Dublin Core Metadata Initiative (DCMI) entwickelt wurde (vgl. Plassmann et al. 2011, S. 204). 95 Klassifikationen sind geeignet zur strukturierten Beschreibung eines Wissensgebietes. Bei präkombinierten Klassifikationen, auch monohierarchische Klassifikationen genannt, werden die Inhalte in Haupt- und Unterklassen unterteilt. Die untergeordneten Klassen „erben“ die Eigenschaften der übergeordneten Klasse. Zusätzlich zu ihrer natürlichsprachlichen Benennung erhalten die Klassen in einem Klassifikationssystem auch einen Code, die sogenannte Notation. Notationen lassen sich leichter sortieren und bezeichnen die Stelle einer Klasse in der Abfolge aller Klassen in einem Klassifikationssystem. 96 Die GND berücksichtigt das Regelwerk RDA und fasst die Schlagwortnormdatei (SWD), die Personennamendatei (PND), die Gemeinsame Körperschaftsdatei (GKD) sowie die Einheitssachtiteldatei des Deutschen Musikarchivs (ESTDMA) in einer Normdatei zusammen (vgl. Schade 2016, S. 60). 97 Vgl. Stumpf 2014, S. 372. 98 Vgl. Reimers 2013, S. 238.
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Empfehlungen können auf ganz unterschiedliche Arten von Kunden, Mitarbeitern und Kooperationspartnern oder im Rahmen von Verfahren der Personalisierung und von Empfehlungssystemen zustande kommen.99 In Bibliotheken beziehen sich Expertenempfehlungen vor allem auf Neuerwerbungslisten und Auswahlverzeichnisse sowie auf Current-Contents-Dienste aktiver Informationsservices. Ein Beispiel, wie Leseempfehlungen in Bibliotheken umgesetzt werden können, gibt die New York Public Library (NYPL) mit den sogenannten Reader Services. Zusammen mit Bibliothekaren aus dem ganzen System der NYPL erstellen die zwei Mitarbeiter der Reader-ServicesAbteilung regelmäßig Leselisten und Blogeinträge, neue Empfehlungen für die NYPLStaff-Picks-Seite, Leseempfehlungen in Echtzeit auf Twitter und einen Podcast.100 Durch die hohe Glaubwürdigkeit, die Kundenempfehlungen haben, können sie – zumindest bei positiver Bewertung – zur Marken- und Imageprofilierung beitragen und das Involvement von Kunden stärken (s. Kap. 8.2). Im E-Commerce sind Verfahren der Personalisierung mittlerweile Standard. Personalisierung bezeichnet die Anpassung von Inhalten an das individuelle Nutzungsverhalten von Subjekten. Daten aus Kaufverhalten und Klickhistorie sowie ihre Zuordnung zu den jeweiligen Kundenprofilen geben Aufschluss über individuelle Präferenzen von Zielkunden und lassen sich zur Gestaltung und/oder Präsentation von Angeboten sowie in der Kundenkommunikation zur Zielkundenansprache im Vorfeld, in Echtzeit-Interaktion oder im Nachgang von Interaktionsprozessen mit Zielkunden nutzen.101 Personalisierte Verfahren nutzen dabei langfristig angelegte Datensammlungen aus vorangegangenen Transaktionen, die über einen Algorithmus ausgewertet werden und individuelle Empfehlungen – z. B. in Inhalt, Anordnung und Gestaltung von Informationsobjekten – geben. Verfahren der Personalisierung werden für Empfehlungssysteme genutzt:
Unter einem Empfehlungssystem versteht man ein System, das einem Benutzer in einem gegebenen Kontext aus einer gegebenen Menge von Empfehlungsobjekten eine Teilmenge als nützlich empfiehlt.102
Die Bestimmung von Empfehlungen basiert auf der Berechnung von Ähnlichkeiten, die sich entweder auf Empfehlungsobjekte untereinander (inhaltsbasiert = Contentbased Filtering) oder zwischen Nutzern (kollaborativ = Collaborative Filtering) bezieht bzw. eine Kombination von beidem darstellt.103 Beispiele für die Filterung auf der Grundlage von Ähnlichkeitsmaßen gibt Amazon mit „Wird oft zusammen gekauft“ bzw. „Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch ...“.
99 Vgl. Reimers 2013, S. 239. 100 Vgl. Neuer 2016, S. 252. 101 Vgl. Hoberg 2018, S. 72. 102 Reimers 2013, S. 238. 103 Vgl. ebd., S. 239; Heinemann 2016, S. 205.
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Verfahren der Personalisierung streben eine maximale Kundenorientierung an, die vor allem in der Reduktion von Komplexität zu einer besseren Ergebnisqualität und Bedürfnisbefriedigung beitragen kann.104 Dabei ist bei der Ergebnispräsentation relevant, dass sie die kurzen Aufmerksamkeitsspannen im Internet berücksichtigt. Personenbezogene Daten werden von Bibliotheken bisher jedoch selten erfasst, obwohl die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Kundendaten mit ausdrücklicher Einwilligung der Betreffenden grundsätzlich unter Einhaltung der Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) möglich ist.105 Auf der anderen Seite stößt die Sammlung von personenbezogenen Daten bei Nutzern häufig auf geringe Akzeptanz. Zudem bergen Verfahren der Personalisierung das Risiko, dass immer das Gleiche wiedergegeben wird und wenig neue Entdeckungszusammenhänge angeregt werden (Filter Bubbles).106
6.4 Media Richness in der Ergebnispräsentation Im Internet geht es jedoch nicht nur darum, Objekte zu beschreiben, sondern sie „möglichst real [...] und direkt erlebbar [...] zu präsentieren“107. Portale wie Amazon, eBay oder Zalando setzen auch hier Standards, die auch von Bibliotheken erwartet werden. Sie inszenieren mit einer Kombination von Multimediakomponenten in Text, Bild, Grafik, Ton, Video und Animation ein Erlebnisumfeld mit Media Richness, das das gesuchte Gut möglichst real erscheinen lässt.108 Dabei bildet beispielsweise Amazon die verschiedenen Medienformate und Ausgaben ab und erlaubt mit der Funktion „Search Inside [the Book]“, das Medium in Augenschein zu nehmen (s. Abb. 2).
104 Vgl. Hoberg 2018, S. 71. 105 Das Recht auf die informationelle Selbstbestimmung wird seit Mai 2018 auf europäischer Ebene durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) geregelt. Die DSGVO gilt für alle EU-Mitgliedstaaten und wird im Gegensatz zur Richtlinie 95/46/EG nicht einer nationalen Gesetzgebung umgesetzt. Ziel ist sowohl der Schutz personenbezogener Daten als auch die Regelung des freien Datenverkehrs auf dem europäischen Binnenmarkt. Die Verordnung gilt für die vollständig oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten als auch für die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die digital gespeichert werden (vgl. Europäisches Parlament, Europäischer Rat 2016). 106 Vgl. Lewandowski 2019a, 338, 339. 107 Esch et al. 2009, S. 143. 108 Vgl. Heinemann 2016, S. 179.
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Abb. 2: Kommentierter Screenshot Ergebnispräsentation bei Amazon109
Die Anreicherung von Metadaten durch Coverabbildungen, Inhaltsverzeichnisse, Rezensionen und Empfehlungen in den Suchsystemen von Bibliotheken ist heute mindestens notwendig, um im Wettbewerb mit anderen Anbietern Schritt zu halten. Eine interessante Erweiterung für die Präsentation von Medien und Informationsressourcen in den Suchsystemen von Bibliotheken stellen sogenannte Blended Shelfs dar, die Medien in einem virtuellen Bücherregal abbilden. Neben kommerziellen Diensten wie shelfari, iBooks und adiVerse gibt es mit ShelfLife und Rotunda auch Dienste, die für oder von Bibliotheken entwickelt wurden.110 Bisher setzen nur wenige Bibliotheken diese Dienste ein, um ihre Medien attraktiver zu präsentieren.111 Kleiner
109 https://www.amazon.de/Die-Bibliothekare-unsichtbare-Bibliothek-Roman/dp/3404208706/ref =sr_1_1?ie=UTF8&qid=1529399705&sr=8-1&keywords=Unsichtbare+Bibliothek (Abruf: 2018.06.19) 110 Vgl. Kleiner 2013, S. 33. 111 Vgl. ebd., S. V.
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kommt in dem Marktüberblick seiner Studie über Blended Shelfs vorerst zu dem Schluss, dass es bisher keinen Dienst gibt, der in der Lage ist, die Größe der Bestände mit Regalbrowsing sinnvoll und adäquat abzubilden,112 was ein Grund für die bisherige Zurückhaltung der Bibliotheken sein mag. Diesen Trend gilt es aber weiter zu beobachten. Abschließend ist anzumerken, dass mit Landing Pages, die insbesondere die notwendige Kontextinformation zum Verständnis von Suchsystemen und digitalen Dienstleistungen in Bibliotheken sowie weitere Mehrwerte liefern, der Zugang maßgeblich verbessert werden kann (s. Kap. 3.2).
7 Dialogkommunikation und Interaktion Durch die „Entkörperlichung von Leistungen“ im Internet sind exzellente Services der Dialogkommunikation ein zentraler Erfolgsfaktor.113 Im persönlichen Kontakt können Fragen direkt geklärt, der Kenntnisstand über Angebote und Leistungen verbessert, Informationsdefizite abgebaut und das Vertrauen in die Bibliothek und ihre Angebote gestärkt werden.114 In der Dialogkommunikation geht es vor allem darum, individuelle Eins-zu-eins-Services zu realisieren, Beziehungen zu pflegen und den Absatz von Dienstleistungen zu steigern.115 Ziel der Dialogkommunikation ist es, [...] einen direkten Kontakt zum Adressaten herzustellen und einen unmittelbaren Dialog zu initiieren oder durch eine indirekte Ansprache die Grundlage eines Dialogs in einer zweiten Stufe zu legen, um Kommunikations- und Vertriebsziele eines Unternehmens zu erreichen.116
Digitale Kommunikationskanäle bieten dabei Möglichkeiten, sich mit Zielgruppen asynchron (z. B. E-Mail, Webformulare, Benachrichtigungsfunktion sozialer Netzwerke) und/oder synchron (z. B. Chats, Instant Messaging) auszutauschen.
Zu den zentralen Serviceleistungen der Dialogkommunikation von Bibliotheken gehören passive Informationsservices. Anfragen von Kunden können sich dabei auf die Orientierung in den Räumlichkeiten, auf Benutzungsmodalitäten, auf Medien und Informationsressourcen oder auf konkrete Themen und/oder Inhalte beziehen.117 Diese Anfragen werden von Bibliotheken via E-Mail, SMS, WhatsApp, Webformular oder Dialogfunktionen sozialer Netzwerke in der asynchronen Kommunikation be-
112 113 114 115 116 117
Vgl. Kleiner 2013, S. 43. Vgl. Meffert et al. 2015, S. 327. Vgl. ebd., S. 328. Vgl. ebd., S. 326; Heinemann 2016, S. 169. Meffert et al. 2015, S. 330. Vgl. Rösch 2012, S. 104; Plassmann et al. 2011, S. 238 .
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antwortet. Chats, Instant Messaging, Chatbots sowie Web-Content-Center nutzen die Möglichkeiten der synchronen Kommunikation.118 Relevant ist, dass Instrumente der Dialogkommunikation am Point of Need prominent präsentiert werden und der Zugang zu ihnen durch intelligente Benutzerführung und/ oder durch Landing Pages optimiert wird.119 Die Erwartung von Kunden, dass digitale Leistungen just in time erbracht werden, stellt Services der asynchronen Dialogkommunikation vor die Herausforderung, Reaktionszeiten an Kundenerwartungen anzupassen und zumindest in großen Bibliothekssystemen durch adäquate Softwarelösungen zu unterstützen. Dies ermöglichen Service-Request-Management-Systeme wie z. B. QuestionPoint120 oder RefTracker. Über Ticketing-Systeme kann nicht nur der jeweilige Bearbeitungsstatus angezeigt, sondern auch die kollaborative Beantwortung von Anfragen gewährleistet werden. Darüber hinaus bieten diese Systeme die Möglichkeit, eine (system-)interne Wissensbasis aufzubauen, die dazu genutzt werden kann, aus den automatisch erzeugten Antworten Frequently-asked-Questions-Listen (FAQ) zusammenzustellen.
Sowohl Services der asynchronen als auch solche der synchronen Dialogkommunikation sind für die Dialogpartner nicht nur zeitaufwendig, sondern bergen zudem das Risiko, dass Anfragen nicht und/oder falsch verstanden werden.121 Chats und InstantMessaging-Dienste, die die Livekommunikation multimedial und interaktiv ermöglichen, sind deshalb deutlich überlegen, da sie Anfragen exakt und für Kunden zufriedenstellend beantworten. Web-Content-Center liefern in der Dialogkommunikation einen echten Mehrwert, da sie Möglichkeiten des multimedialen und interaktiven Dialogs beinhalten und über Funktionen verfügen, die es erlauben, Navigationsprozesse gemeinsam zu gestalten. So erlauben beispielsweise Page-Pushing-Dienste von Web-Content-Centern, dass Websites direkt auf den Browser des Kunden verschickt werden. Escorting-Dienste ermöglichen die Versendung eines Navigationsprozesses des Auskunftsbibliothekars auf den Browser des Kunden. Beim Co-Browsing können Bibliothekar und Kunde den Navigationsprozess gemeinsam gestalten. Diese Dienste eignen sich ausgesprochen gut dazu, Informationskompetenz zu vermitteln, werden von Bibliotheken jedoch bisher selten eingesetzt.
118 Vgl. Plassmann et al. 2011, S. 251; Schade 2016, S. 78 f. 119 Vgl. Gläser 2002 f., S. 29 f. 120 QuestionPoint ist ein kooperativer Auskunftsverbund, der von der Library of Congress und dem Online Computer Library Center (OCLC) initiiert wurde. Über ein Ticketsystem mit einer aus Auskunftsfragen aufgebauten Wissensdatenbank ermöglicht QuestionPoint die kollaborative Beantwortung von Auskunftsfragen in einem weltweiten Netz von Partnerbibliotheken über E-Mail, Chat, Short Messenge Service (SMS) sowie Voice- und Video-over-IP-Techniken. 121 Vgl. Plassmann et al. 2011, S. 252.
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Die Dialogkommunikation sollte auf dem Bibliotheksportal durch Selbsthilfesysteme unterstützt werden. Dazu gehören beispielsweise FAQ, Support Widgets122 sowie Online-Tutorial s. Sie tragen nicht nur dazu bei, den Aufwand in der Dialogkommunikation zu reduzieren, sondern bestärken auch Kunden durch deren eigenständige Fehlerbehebung in ihrer Selbstwirksamkeit. Die Erfolgserlebnisse haben unmittelbare Auswirkungen auf die Kundenzufriedenheit.123 Ebenso ist eine smarte Integration und Transparenz von Interaktionsprozessen auf dem Bibliotheksportal von hoher Bedeutung. Dazu gehören beispielsweise die einmalige Anmeldung im Bibliothekssystem (Single Sign-on), im Rahmen der Datenschutzbestimmungen auch eine Übersicht über die Bestell- und Ausleihhistorie sowie die Möglichkeit der Weiterverarbeitung von Informationen in anderen Systemen, z. B. in Literaturverwaltungsprogrammen und über Social-Bookmarking-Dienste.
Wie auch immer passive Informationsservices auf dem Bibliotheksportal integriert werden: Es kommt darauf an, den Zugang zu Bibliotheksdienstleistungen durch intelligente Benutzerführung zu erhöhen, die Reichweite und Verfügbarkeit bibliothekarischer Auskünfte zu erhöhen sowie die Effizienz von Arbeitsprozessen zu steigern, indem beispielsweise Standardfragen rationalisiert und kollaborative Arbeitsumgebungen genutzt werden.124 Entscheidend ist, dass der digitale Auskunftskanal am „Point of Need“, also in der Webumgebung, integriert wird, in der relevante Rechercheressourcen angeboten werden.125
8 Externalisierung Interaktive Kommunikationsumgebungen bieten auf dem Bibliotheksportal neue Möglichkeiten, Kunden als Partner in den Leistungserstellungsprozess direkt miteinzubeziehen. Die Beteiligung von freiwilligen Externen bei der Erstellung und Bereitstellung von Leistungen wird als Externalisierung bezeichnet.126 Externalisierung kann individuell mit einzelnen Nutzern gestaltet werden oder die Schwarmintelligenz von Netzcommunitys nutzen, was als Crowdsourcing bezeichnet wird (s. Kap. 8.3). Für Kunden – wie auch für die Bibliotheken – kann durch Externalisierung eine Win-winSituation realisiert werden, die im Kern auf eine Wertsteigerung von Leistungen
122 Als Widget wird eine Komponente eines grafischen Fenstersystems bezeichnet. Das Widget kann über Maus-, Touchscreen- und/oder Tastaturereignisse angesteuert werden und Hilfestellung bei der Lösung von Problemen in technischen Systemen bieten. 123 Vgl. Heinemann 2016, S. 204. 124 Vgl. Hilpert et al. 2014, S. 353. 125 Vgl. Gläser 2002 f., Stichwort 8.2.4.29. 126 Vgl. Heinemann 2016, S. 189, 209.
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abzielt. Für Kunden stellen Angebote, die passgenau auf ihren individuellen Bedarf zugeschnitten sind, Mehrwerte dar. Die Bereitschaft zur Beteiligung von Nutzern setzt jedoch Involvement voraus. Wenn es Bibliotheken gelingt, ihre Netzcommunity zu motivieren, kann sie dies nutzen, um Services kundenorientiert auszurichten. Ziel ist es darüber hinaus, sich eine eigene Netzcommunity aufzubauen, die Dienstleistungen, Prozesse und Themen der Bibliothek mitgestaltet. Externalisierung findet auf verschiedenen Ebenen von Wertschöpfungsprozessen unter den Begriffen Build to Order, Match to Order oder Develop to Order statt.
8.1 Build to Order Externalisierung auf der Basis von Build to Order bezieht sich auf Sonderwünsche und Lösungen für individuelle Anforderungen.127 Den typischen Anwendungsfall für Bibliotheken geben hier funktionale Informationsservices. Dabei handelt es sich um spezialisierte und/oder personalisierte Dienstleistungen, die auf den konkreten Bedarf von Kunden oder Kundengruppen passgenau zugeschnitten sind, wie beispielsweise Auftragsrecherchen, die Bereitstellung von spezifischen Informationsmaterialien, die Unterstützung bei Publikationsprozessen oder bei bibliometrischen Analysen. Auf dem Bibliotheksportal, ggf. auf den entsprechenden Landing Pages, sind diese „Ask-a-Librarian-Services“ gut sichtbar und dialogorientiert über Kontaktdaten oder spezielle Webformulare zu präsentieren. Die direkte Integration von Informationsdienstleistungen und von Bibliothekaren in das Umfeld von Kunden beschreibt das Konzept des „Embedded Librarian“.128 Hier werden (individualisierte) Dienstleistungen der Bibliothek direkt in die virtuellen Umgebungen (z. B. OnlineKursräume) eingebunden und der Bibliothekar wird über Forums- bzw. Chatfunktion, Wiki, Blog oder E-Mail beteiligt.129
8.2 Match to Order und Mass Customization Handelt es sich um die individualisierte Bereitstellung von Services oder personalisierte Distributionsstrategien, findet die Externalisierung Match to Order statt.130 Diese Form der Wertsteigerung durch Kunden findet in Bibliotheken beispielsweise bei Patron-Driven Acquisition (PDA) statt. Je nachdem, welches Modell Anwendung
127 128 129 130
Vgl. Heinemann 2016, S. 214. Vgl. Betker 2014, S. 18. Vgl. ebd., S. 39. Vgl. Heinemann 2016, S. 214.
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findet, werden Kunden in die Erwerbung miteinbezogen, indem sie die Kaufentscheidung selbst treffen oder Erwerbungsvorschläge einbringen. Dabei bietet PDA Kunden auch den direkten und unmittelbaren Zugang zu digitalen Publikationen, die außerhalb ihrer gekauften und/oder lizenzierten Bestände liegen. Auch My-Library-Systeme, die unter einem eigenen Account die Individualisierung der Einstiegsseite durch eine spezielle Zusammenstellung von Dienstleistungen ermöglichen, und Single Sign-on stellen Mehrwerte durch das Co-Design oder die Beteiligung von Kunden dar. Ebenso gehören elektronische Semesterapparate, die für Lehrende und Studierende speziell zusammengestellte Informationsressourcen aus Bibliotheken beinhalten, die Integration von Bibliotheksdienstleistungen in OnlineKurse und virtuelle Forschungsumgebungen zu dieser Form der Externalisierung.131 Ein aktueller Trend, um Mehrwerte durch Externalisierung zu erzielen, ist Customization bzw. Mass Customization. Mass Customization bezeichnet die individuelle Modifikation von massenhaft gefertigten Produkten. Produkte werden dabei an den individuellen Bedarf angepasst, indem Kunden in den Designprozess miteinbezogen werden.132 Ein bekanntes Beispiel ist der Produktkonfigurator von MyMuesli, der eine individuelle Zusammenstellung von Zutaten für Müsli ermöglicht (s. Abb. 3). An diesem Beispiel wird deutlich, dass eine individuelle Zusammenstellung von Komponenten auch für Bibliotheksdienstleistungen denkbar wäre, indem zum Beispiel Aufsätze aus verschiedenen Ressourcen zu einem Thema zusammengestellt werden. Bisher findet Mass Customization in Bibliotheken jedoch kaum Anwendung.
131 Vgl. Schade 2016, S. 75, 76. 132 Vgl. Hoberg 2018, S. 75.
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Abb. 3: Screenshot des Produktkonfigurators MyMuesli133
8.3 Develop to Order und Crowdsourcing Die Kollaboration mit Externen zur Bereitstellung von Services oder zur Entwicklung neuer Angebote wird als Develop to Order bezeichnet. Dies stellt die höchste Form der Wertschöpfungssteigerung durch die Beteiligung von Nutzern dar.134 Develop-toOrder-Strategien nutzen weitgehend die Schwarmintelligenz oder User-generated Content eines Netzwerkes z. B. im Rahmen von Crowdsourcing gezielt aus. Crowdsourcing – ein Kofferwort aus den Begriffen Crowd (dt.: Masse) und Outsourcing – ist eine Unternehmensstrategie, um Ressourcen von freiwilligen Externen gezielt in Wertschöpfungsprozesse einzubinden.135
133 https://www.mymuesli.com/mixer/ingredients/124,38,35,84 (Abruf: 2018.06.19) 134 Vgl. Heinemann 2016, S. 213. 135 Vgl. Georgy 2015, S. 16. S. auch den Beitrag „Open Innovation und Crowdsourcing: Das Management von Offenheit“ von Ursula Georgy in diesem Handbuch.
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Ein typisches Beispiel sind Support-Communitys. Serviceleistungen des Unternehmens – bzw. hier der Bibliothek – werden dabei in den Verantwortungsbereich von Externen auf Social-Media-Plattformen (z. B. Foren) übergeben. Blogger und weitere Netzaktivisten unterstützen sich dabei gegenseitig bei der Beantwortung von technischen oder inhaltlichen Fragen. Damit werden nicht nur Netzwerkeffekte, sondern auch Kostensenkungspotenziale genutzt.136 Ein typisches Beispiel sind Ratings und Leseempfehlungen von Nutzern. Sie besitzen durch die authentische Meinungsäußerung eine hohe Glaubwürdigkeit. Damit unterstützen sich Kunden gegenseitig bei der Einschätzung von Dienstleistungen der Bibliothek im Allgemeinen und von Medien- und Informationsressourcen in den Nachweissystemen im Besonderen. Ratings, die auf einer Skala abgebildet und/oder als Durchschnittsnote dargestellt werden, vermitteln einen schnellen Eindruck von der möglichen Qualität, Eignung und Relevanz von Dienstleistungen.137
Auch die intuitive Schlagwortvergabe durch Nutzer (Tagging, Folksonomy) kann die Qualität bibliothekarischer Inhaltserschließung ergänzen und Kunden einen Mehrwert durch Externalisierung bieten. Im Gegensatz zur bibliothekarischen Inhaltserschließung ist die Schlagwortvergabe durch Nutzer nicht nur inhaltlich beschreibend, sondern häufig auch persönlicher und wertender Natur. Die Schlagwortvergabe durch den Nutzer kann die Qualität der Inhaltserschließung steigern, da die Vergabehäufigkeit eines Schlagwortes und die Vielfalt an Schlagworten aus Nutzersicht Hinweise auf die Relevanz der Informationsressource geben, die grafisch in einer Tag Cloud dargestellt werden kann und dabei gleichermaßen semantische, deskriptive und Relevanzinformationen beinhaltet, was die bibliothekarische Inhaltserschließung nicht leisten kann (s. Kap. 6.2).138 Die Möglichkeit der kollaborativen Beteiligung von Externen setzt allerdings voraus, dass die Bibliothek über ein ausreichend großes und engagiertes Netzwerk verfügt, das zur Kollaboration bereit ist. Viele Bibliotheken verfügen über Sammlungen von Daten, die für die Kunden nur bedingt nutzbar sind, da sie nicht digitalisiert sind bzw. nicht formal und inhaltlich erschlossen wurden. Eines der bekanntesten und ersten Crowdsourcing-Projekte im Bibliotheksbereich stammt von der NYPL, die mittels Crowdsourcing genau dies ermöglicht hat. „What’s on the Menu?“139 wurde 2011 initiiert. Den Anstoß zu diesem Projekt gab eine Sammlung von über 45 000 Speisekarten aus Restaurants, Bars, Reisezügen, Ozeandampfern sowie anderen gastronomischen Betrieben, die aus dem Zeitraum von 1840 bis in die Gegenwart stammen und weitgehend nicht genutzt wurden, da diese Sammlung schwer zugänglich war. Einzelne Gerichte und Getränke
136 Vgl. Heinemann 2016, S. 214. 137 Vgl. ebd., S. 205; auf das Thema der Manipulation bei Bewertungen kann in diesem Beitrag nicht weiter eingegangen werden. 138 Vgl. Peters 2013, S. 231 f. 139 S. http://menus.nypl.org/ (Abruf: 2018.06.19).
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sowie deren Zusammenstellung und Preise waren im Katalog der NYPL nicht erfasst. Die Metadaten konnten nur durch manuelle Transkription erschlossen werden, da dezidierte Informationen, wie die Namen der Gerichte und deren Preise, als separate Daten erschlossen werden sollten und die Karten eine große typografische und handschriftliche Vielfalt aufwiesen, die eine Erkennung durch Optical Character Recognition (OCR) wenig ertragreich machten.140 Zur Erschließung der Speisekarten entwickelte die NYPL eine Web-App, mit deren Hilfe die Crowdworker digitalisierte Speisekarten Eintrag für Eintrag „abschreiben“ und kommentieren konnten. Zudem wurde ein Application Programming Interface (API) entwickelt, mit dem Wissenschaftler und Anwendungsentwickler die Daten der Sammlung direkt in ihre Projekte einbinden können. Wird die Schwarmintelligenz einer Crowd für die Neuentwicklung von Angeboten genutzt, steht Crowdsourcing in einem engen Zusammenhang zu Open Innovation. Open Innovation bezeichnet dabei die Öffnung von Innovationsprozessen für Externe.141 Ressourcen und insbesondere Wissen von Dritten werden dabei gezielt genutzt, um die Ideenbasis für Innovationen zu erhöhen und so Neuentwicklungen von Services, Prozessen oder Themen schneller voranzutreiben und kundenorientierter auszurichten.142 Für Open Innovation, die Rekrutierung und das Management der Crowd ist dazu eine Strategie auszuarbeiten, die sicherstellt, dass eine kritische Masse auf der Crowdsourcing-Plattform zusammenkommt.143
Fazit Der Beitrag hat aufgezeigt, welche Anforderungen sich an Bibliotheksportale im Wettbewerb mit anderen Anbietern im Internet in Content-Strategie, Corporate Design und Branding, User Experience und Web Usability, Suche und Ergebnispräsentation sowie in der Dialogkommunikation und bei der Externalisierung von Leistungen stellen. Ziel sollte es sein, auf dem Bibliotheksportal maximale Servicequalität und Kundenzufriedenheit zu erreichen. Im Ergebnis zeigt sich, dass Bibliotheken bisher wenig systematisch die Content-Strategie des Portals aus der Kommunikationsstrategie ableiten und insbesondere das Potenzial der Startseite und von erläuternden und erklärenden
140 S. http://menus.nypl.org/about (Abruf: 2018.06.19). 141 Vgl. Springer Gabler Verlag o. J. 142 Vgl. Georgy 2015, S. 19. 143 Vgl. ebd., S. 79–112. S. auch den Beitrag „Open Innovation und Crowdsourcing: Das Management von Offenheit“ von Ursula Georgy in diesem Handbuch. – Das Magazin Entwickler gibt in seiner Online-Ausgabe einen Überblick über Crowdsourcing-Plattformen, die in Deutschland eingesetzt werden. https://entwickler.de/online/webmagazin/crowdsourcing-plattformen-aus-deutschland-2117 .html (Abruf: 2018.05.05)
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Landing Pages bisher noch nicht voll ausschöpfen. Im Corporate Design und im Branding können Wettbewerbsnachteile von Bibliotheken damit erklärt werden, dass Bibliotheken weitgehend in die Markenarchitektur ihrer Träger eingebunden sind und deshalb häufig keine eindeutige Auszeichnung ihres Auftrages, ihrer Botschaft und ihrer Angebote erreichen. Ausbaufähig sind ebenso die Web Usability wie auch die Suche und die Ergebnispräsentation von Bibliotheksangeboten auf Portalen, die in besonderem Maß erfolgskritische Faktoren im Wettbewerb mit anderen Informationsanbietern im Netz darstellen. Deutlich im Vorteil sind Bibliotheken in der Standardisierung von Metadaten. Ein besonderes Augenmerk ist insbesondere auch auf die Dialogkommunikation und die Externalisierung von Leistungen zu richten. Aktuelle Entwicklungen und Trends wie Mass Customization, Crowdsourcing und Open Innovation dürfen von Bibliotheken nicht verpasst werden.
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Lokales Marketing Abstract: Lokales Marketing gewinnt für Bibliotheken und Informationseinrichtungen zunehmend an Bedeutung, da es eine Möglichkeit ist, gegen die großen OnlineAnbieter bestehen zu können. Dabei sind sowohl Offline- als auch Online-Instrumente einzusetzen. Entscheidend ist, den richtigen Mix zu wählen, der zu der Situation und Lage der einzelnen Bibliothek passt. Der Beitrag stellt die Bedeutung sowie die Rahmenbedingungen des stationären Handels heraus. Zudem werden einige Möglichkeiten des lokalen Marketings vorgestellt, die sich auch für Bibliotheken eignen: bessere Sichtbarkeit, Kombination online – offline durch QR-Codes, lokale Suchmaschinenoptimierung, Beacons und Geofencing.
Einleitung Bibliotheken stehen heute vor ähnlichen Problemen wie der stationäre Handel: Sie müssen sich gegenüber Wettbewerbern, die (fast) ausschließlich auf den OnlineHandel setzen, behaupten. Der Online-Handel verfügt heute nur noch selten über einen physischen Ort, an dem die Waren verkauft werden. Vielmehr werden die Produkte vom Kunden online bestellt und an einen Ort seiner Wahl geliefert. Der persönliche Kontakt entfällt beim Distanzhandel1, doch nimmt der Kunde dieses Defizit in Kauf; an die Stelle der persönlichen Beratung tritt zunehmend die Orientierung an Bewertungen anderer Kunden. Die Vorteile des Online-Handels liegen u. a. in der großen Produktvielfalt, der Verfügbarkeit rund um die Uhr, den bequemen Liefermöglichkeiten und in weiten Teilen auch in der Personalisierung von Produkten und Dienstleistungen2. Aber weiterhin möchten Kunden Produkte ausprobieren, fühlen, schmecken und riechen. Insbesondere die haptische, gustatorische und olfaktorische Wahrnehmung lässt sich über den Distanzhandel nicht bzw. nur bedingt transportieren. Das ist der Grund dafür, dass viele große Unternehmen, die fast ausschließlich auf den OnlineHandel gesetzt haben, in vielen Großstädten Showrooms eröffnen, um Defizite der Produktpräsentation ausschließlich über die Webseite auszugleichen. Die Zukunft heißt für diese Unternehmen Omni-Channel-Management:
1 Unter Distanzhandel wird der Handel mittels unterschiedlicher Kommunikationsmedien – z. B. Internet – über eine räumliche Distanz verstanden (vgl. Springer Gabler Verlag o. J.a). 2 Unter Personalisierung wird hier die Anpassung von Produkten und Dienstleistungen an die Präferenzen von Kunden verstanden.
https://doi.org/10.1515/9783110539011-028
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Omni-Channel-Management, Omni-Channel-Retailing oder ,All-Kanal-Vertrieb‘ bezeichnet das synergetische Planen, Steuern und Kontrollieren der zahlreichen verfügbaren Vertriebskanäle und Kundenkontaktpunkte (,Customer-Touchpoints‘), um das Kundenerlebnis und den Unternehmenserfolg über die verschiedenen Vertriebskanäle und Prozessschritte hinweg zu optimieren. Kunden können zu jeder Zeit zwischen den verschiedenen Kanälen (stationär, online, mobil, Callcenter, Soziale Medien, Kataloge) wechseln. Kanäle und Marken stehen miteinander in Wechselwirkung. Kundenkontaktpunkte sind eine Folge von direkten oder indirekten Berührungen mit einer Marke oder Firma (inklusive Einzelhändlern).3
Der stationäre Handel4 ist somit gefordert, ebenfalls gleichzeitig auf verschiedene Kanäle und Kundenkontaktpunkte in dieser Weise zu setzen. Nicht für alle Unternehmen und Einrichtungen ist es sinnvoll und notwendig, global präsent zu sein, doch das muss jedes Unternehmen, jede Einrichtung individuell für sich klären. Vielmehr geht es darum, auch und insbesondere im lokalen Umfeld verstärkt auf sich aufmerksam zu machen – sowohl online als auch offline. Der Beitrag stellt einige Möglichkeiten für den lokalen Handel dar, die auch auf Bibliotheken – zumindest in Ansätzen – übertragbar sind.
1 Bedeutung des lokalen Marketings Durch die über das Internet verfügbaren Informationen zu Produkten, Dienstleistungen, Marken und Herstellern, z. B. über Test- und Kundenberichte, aber auch Fachportale, kommen die (potenziellen) Kunden heute vielfach bereits sehr gut informiert in ein Geschäft, teilweise sind sie sogar bereits Produkt- und Dienstleistungsexperten. Und als solche möchten sie vom stationären lokalen Handel auch wahrgenommen werden, d. h., sie erwarten eine Kommunikation und Beratung auf Augenhöhe. Trotz der großen Bedeutung des Internethandels hat der stationäre Handel für den Kunden weiterhin eine hohe Relevanz, was u. a. durch folgende Studien belegt wird: Nach einer Studie von PricewaterhouseCoopers (PwC) aus dem Jahr 2015 zum deutschen Handel recherchieren 64 Prozent der Kunden online vor dem Kauf in einem Laden, gleichzeitig recherchieren 62 Prozent der Kunden in einem Geschäft vor einem Onlinekauf.5 Diese Ergebnisse werden gestützt durch die Studie Local Consumer Review Survey 2017 von BrightLocal, die das Verhalten des lokalen Konsumenten in den USA untersucht: – 97 Prozent der Befragten nutzen das Internet, um ein lokales Geschäft zu finden; – 12 Prozent der Konsumenten suchen jeden Tag nach einem lokalen Anbieter;
3 Springer Gabler Verlag o. J.b. 4 Unter stationärem Handel wird der Handel von einem festen Standort – Ladenlokal, Verkaufsstätte – aus verstanden. 5 Vgl. PwC 2015, S. 10.
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54 Prozent der Befragten suchen mindestens einmal im Monat nach einem lokalen Geschäft und 93 Prozent der Befragten lesen Online-Bewertungen von lokalen Geschäften.6
Diese Ergebnisse, die zumindest in Teilen auf Deutschland übertragbar sein dürften, verdeutlichen, dass der lokale Handel durchaus große Zukunft hat, wenn er gutes lokales Marketing betreibt, das online und offline miteinander verzahnt ist. Online bedeutet für das Marketing heute gleichzeitig mobil7. Dass aber auch Offline-Marketing nicht zu vernachlässigen ist, zeigen die Ergebnisse einer Untersuchung von JCDecaux in Deutschland aus dem Jahr 2015 unter Onlinern (n = 1 000), was diese während des Wartens in einem öffentlichen Raum, z. B. in einem Bahnhof, schon einmal getan haben.8 Danach haben – 64 Prozent der Befragten Plakatwerbung im Umfeld, z. B. an einer Haltestelle, angesehen; – 18 Prozent Nachrichten und Wetterberichte auf digitalen Bildschirmen im öffentlichen Raum angesehen; – 15 Prozent ein Plakat fotografiert; – 11 Prozent einen QR-Code9 eingescannt und – 10 Prozent haben sich online über ein beworbenes Angebot informiert.10
Die Ergebnisse verdeutlichen die Relevanz des Omni-Channel-Managements, das gleichzeitig eine Verknüpfung von Online- und Offline-Kanälen darstellt und vom stationären lokalen Handel in aller Konsequenz verfolgt werden sollte. Eine Studie von Google aus dem Jahr 2014 kommt zu folgendem Ergebnis: Consumers are searching for local information everywhere, on every device, at every point in the purchase process.11
Besonders beeindruckend ist zudem das Verhalten im Anschluss an eine lokale Suche. 50 Prozent der Konsumenten (n = 5 000) in den USA, die eine lokale Suche über ein Smartphone getätigt haben, suchen innerhalb eines Tages ein Geschäft auf, bei den Computer- und Tabletnutzern sind es immerhin noch 34 Prozent.12 Und rund ein Drittel aller Befragten würde den Kauf in einem lokalen Geschäft dem OnlineEinkauf vorziehen,
6 Vgl. BrightLocal 2017. 7 Unter mobilem Marketing werden alle Marketingaktivitäten verstanden, die auf mobile Endgeräte ausgerichtet sind. 8 Vgl. JCDecaux 2015. 9 Quick Response (QR). 10 Vgl. JCDecaux 2015. 11 Google 2014, S. 12. 12 Vgl. ebd., S. 15.
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wenn sich das Geschäft in der Nähe befindet (30 Prozent), wobei das Geschäft online gut auffindbar sein muss; wenn sie das gewünschte Produkt dort schnell erhalten (35 Prozent); wenn sie das Produkt dort zu einem besseren Preis bekämen (31 Prozent).13
2 Anforderungen an den stationären Handel E-Commerce befindet sich im Aufwind, gleichermaßen ist stationärer Handel weiterhin wichtig. Hierbei stellen sich jedoch besondere Anforderungen, die insbesondere der Kunde definiert. In Deutschland sind es immerhin noch 46 Prozent der Kunden, die den stationären Handel als Einkaufskanal bevorzugen; die Tendenz ist jedoch sinkend.14 Und der Anteil für den Bereich „Bücher, Musik, Filme und Videospiele“, der auch für Bibliotheken besonders relevant ist, ist mit 21 Prozent besonders gering.15 PWC sieht als Grund für die kontinuierlich sinkende Präferenz vor allem die Diskrepanz zwischen der Kundenerwartung und den gebotenen Leistungen.16 In der Studie sind verschiedene In-Store-Attribute nach ihrer Relevanz für den Kunden aufgeführt: – Für 77 Prozent ist Verkaufspersonal mit umfassendem Wissen relevant, aber nur 58 Prozent sind mit dem Verkaufspersonal zufrieden; – 59 Prozent erwarten ein ansprechendes Ambiente mit Sitzgelegenheiten und – 58 Prozent erwarten, dass die Verfügbarkeit eines Produktes in einer anderen Filiale oder im Online-Shop direkt vom Verkaufspersonal geprüft wird.17
Die größte Diskrepanz zwischen Relevanz und Zufriedenheit besteht beim Verkaufspersonal.18 Da der Kunde im Allgemeinen bereits gut informiert in ein Geschäft kommt, möchte er nicht die gleichen Informationen noch einmal erhalten; vielmehr erwartet er, dass auf seine individuellen Bedürfnisse und Fragen konkret eingegangen wird und er entsprechend beraten wird. Daraus lassen sich folgende Schlüsse ziehen: – – –
Kundenservice wird entscheidend für das Marken- und Einkaufserlebnis und Bestandteil des adaptiven Marketings19 sein. Je nach Branche und Produktkategorie müssen Händler verstärkt in die Qualifikationen ihrer Mitarbeiter investieren oder aber spezialisierte und gelernte Fachkräfte einstellen. [...]
13 Vgl. Google 2014, S. 16 . 14 Vgl. PwC 2017, S. 15. 15 Vgl. ebd., S. 16. 16 Vgl. ebd., S. 17. 17 Vgl. ebd. 18 Vgl. ebd. 19 Unter adaptivem Marketing wird hier die Befriedigung von Kundenwünschen durch Real-TimeDaten verstanden.
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Investitionen in digitale Technologien für das Verkaufspersonal sind notwendig, um eine individuellere Kundenansprache zu ermöglichen und die Informationsqualität in Beratungsgesprächen zu erhöhen.20
Gleichzeitig werden auch unterschiedliche Ladenformate mit spezifischem Angebot in unterschiedlicher Umgebung relevant. Gab es früher in den Städten noch Baumärkte, so wurden diese aufgrund des immer größeren Angebots und der damit benötigten Fläche immer mehr „auf die grüne Wiese“ verlagert und sind heute fast nur noch mit einem Auto erreichbar. Doch nicht immer werden Baustoffe in großen Mengen benötigt. Manchmal sind es nur einzelne Schrauben oder andere Kleinigkeiten, die in den Innenstädten nicht mehr angeboten wurden. Inzwischen haben z. B. in Österreich die ersten City-Baumärkte, z. B. in Wien, eröffnet, um genau diese Lücke wieder zu schließen.21 Sie decken mit einem kleineren Sortiment genau den Alltagsbedarf an Bastel- und Handwerksartikeln ab. Und gleichzeitig kann man sich Produkte bis 80 Kilogramm innerhalb von 24 Stunden per Lastenfahrrad liefern lassen.22 Auch Rewe investiert seit einigen Jahren in sehr unterschiedliche Store-Konzepte. Gleichzeitig werden aber auch unterschiedliche Ladenformate relevant. So hat z. B. Rewe neben Läden mit Vollsortiment mit seinem Store-Konzept „Rewe to go“ für hochfrequentierte Lagen, wie Einkaufsstraßen und Bahnhöfe, Geschäfte mit einem begrenzten Sortiment eröffnet und damit auf eine zunehmend mobile Gesellschaft und eine sich verändernde Esskultur reagiert. In den kleineren Shops werden vor allem Produkte wie Salate, Wraps, Sandwiches, bereits geschältes und geschnittenes Obst sowie Smoothies verkauft.23 Die Bibliotheken in Helsinki verfolgen ein ähnliches Konzept mit unterschiedlichen Schwerpunkten. So bietet die „Kirjasto 10“ – die Stadtteilbibliothek direkt am Hauptbahnhof über einem Supermarkt – ein begrenztes Angebot an Medien, dafür aber Musikschneideplätze, 3-D-Drucker, Nähmaschinen, elektronische Leseplätze für Tageszeitungen etc. Das Angebot und die Öffnungszeiten sind stark am Besucher orientiert, der in der Innenstadt andere Einkäufe tätigt und mit den Einkäufen auch andere Erledigungen verbinden kann. So sind Taschen, Mäntel und Hunde erlaubt. Die Bibliothek hat montags bis donnerstags von 8 bis 22 Uhr, freitags von 8 bis 20 Uhr und samstags, sonntags von 12 bis 18 Uhr geöffnet.24 Betrachtet man die Webseite der Bibliotheken in Helsinki, so fällt sofort auf, dass dort separat nach jeder Dienstleistung, die in mindestens einer Bibliothek angeboten wird, gesucht werden kann. So sind z. B. in 34 Bibliotheken Hunde erlaubt, 14 Bibliotheken verfügen über Gruppenarbeitsräume, in 41 Bibliotheken kann mit Kreditkarte bezahlt werden, acht Bibliothe
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PwC 2016, S. 20. Vgl. DFH 2015. Vgl. CityBaumarkt 2016. Vgl. Rewe o. J. Vgl. Helmet 2018a.
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ken verfügen über 3-D-Drucker etc.25 Damit haben die Bibliotheken in Helsinki genau auf den Bedarf der Kunden reagiert. Möglich wird dies z. B. durch das Konzept von Teamsitzungen, die während der Öffnungszeiten im Publikumsbereich stattfinden, sodass sich Kunden direkt daran beteiligen können.26
3 Lokales Marketing für Bibliotheken Da der Kunde heute mit mobilen Endgeräten unterwegs ist, ist es Grundvoraussetzung, dass die eigene Webseite mit Smartphone oder/und Tablet ebenso und mit dem gleichen Komfort zu bedienen ist wie über einen Desktop-Rechner oder ein Notebook. Responsive Webdesign27 ist bei einer guten Webseitengestaltung inzwischen Standard. Heute sollte bei der Webseitengestaltung mobile first gelten, d. h., die Gestaltung der mobilen Version sollte im Vordergrund stehen und keine lästige Pflicht sein.28 Wie gut die eigene Webseite den Anforderungen an mobile Endgeräte gerecht wird, kann über verschiedene kostenlose Tools getestet werden.29 Für Bibliotheken bieten sich eine Reihe von Möglichkeiten, lokal ihr Marketing zu optimieren, und zwar sowohl offline als auch online. Im Folgenden werden einige dieser Instrumente exemplarisch vorgestellt. Darüber hinaus können natürlich auch andere Marketinginstrumente an lokale Gegebenheiten angepasst werden, z. B. die verschiedenen Social-Media-Kanäle.
3.1 Örtlichkeit und Sichtbarkeit Düren hat 2015 in ihrem Buch „Bibliotheken als lernende Organisation“ zur Bibliothek Berlin-Mitte u. a. folgende Schwächen herausgearbeitet:
– – –
Örtlichkeiten (einige der Standorte sind renovierungsbedürftig) [...] Geringe „Visibility“ (die Bibliotheksstandorte erscheinen im Stadtbild kaum; veraltete Beschilderung und Außenwerbung) [...] Historisch gewachsene Standorte (deren Lage nicht immer optimal ist) [...].30
25 Vgl. Helmet 2018b. 26 Vgl. Galka 2015, S. 11. 27 Responsive Webdesign passt mit dynamischem Aufbau von Text und Grafiken die Webseite an verschiedene Displaygrößen mobiler Endgeräte an. 28 Vgl. Beilharz 2017, S. 233 . 29 Tests mobiler Webseiten sind u. a. möglich über http://be-responsive.de, http://responsive.cc und http://www.responsive-design-test.de. Aber auch Google selbst bietet ein solches Tool an. https:// search.google.com/test/mobile-friendly (Abruf: 2018.04.02). 30 Düren 2015, S. 25.
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Damit sind wesentliche Aspekte angesprochen, die für viele Bibliotheken relevant sind. Viele Bibliotheken sind z. B. schlecht ausgeschildert und von außen nur schwer als Bibliothek erkennbar. Öffentliche Bibliotheken sind aufgefordert, Teil des Stadtmarketings zu werden. Hierbei handelt es sich um Maßnahmen von öffentlichen Verwaltungen, Betrieben und Gewerbeorganisationen wie der IHK „zur Profilierung einer Stadt als attraktiven Standort für Industrie, Gewerbe und Dienstleistungen, als einen Ort mit einem breiten Handels-, Freizeit- und Infrastrukturangebot, insgesamt als eine Stadt mit hoher Lebensqualität (Standortmarketing)“31. Aber auch wissenschaftliche Bibliotheken sollten gut ausgeschildert und für alle Zielgruppen als Bibliothek erkennbar sein. Zahlreiche Bibliotheken – seien es öffentliche oder wissenschaftliche – befinden sich in keinem attraktiven Zustand. Nicht immer müssen es große Renovierungen sein, um ihre Attraktivität zu steigern. Ein Durchforsten der Bibliothek nach Verbotsschildern32, längst überholten Veranstaltungshinweisen, vertrockneten Pflanzen etc. kann bereits viel bewirken. Gleichzeitig helfen Beobachtungen nach dem Konzept „Count the Traffic“ (CTT), die Bibliotheksnutzer nach den Kriterien Zeit (Uhrzeit, Dauer), Tätigkeit und (Aufenthalts-)Ort in folgenden Kategorien zu beobachten bzw. zu zählen:
A: Walks or stands alone; B: Walks or stands in company; C: Sits alone; D: Sits in a group without media; E: Browses alone; F: Browses in company; G: Sits alone reading (or writing), […] includes listening to music, watching videos and using other media – but not the use of computers; H: Sits in a group with media; I: Sits alone with mobile computer; J: Sits in a group with mobile computer(s); K: Sits alone with stationary computer; L: Sits in a group with stationary computer(s); M: Contact with staff; N: Queuing; O: Other – Activities not covered by 1–14.33
Aus dieser Beobachtung, die regelmäßig wiederholt werden sollte, lassen sich konkrete Bedarfe der Kunden an Ausstattung, Kapazitäten etc. formulieren.
31 Springer Gabler Verlag o. J.c. 32 S. dazu Georgy, Ursula: Verbote als Marketinginstrument in Bibliotheken. In: Bibliothek Forschung und Praxis 34/3, 2010, S. 311–322. 33 Samstat 2012.
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3.2 Kombination von Offline- und Online-Marketing Wie in Kap. 1 bereits erläutert, gibt es verschiedene Möglichkeiten, Offline- und Online-Marketingaktivitäten zu kombinieren. Die einfachste Möglichkeit ist es, auf ein Plakat oder einen Flyer gut sichtbar die URL zu drucken, damit der Kunde direkt die Möglichkeit hat, diese einzutippen. Einfacher für den Kunden ist jedoch das Einscannen eines QR-Codes. Die Technik bietet enorme Möglichkeiten, da jeder Besitzer eines Smartphones den Scanner für die QR-Codes praktisch immer bei sich trägt.34 QR-Codes werden abfotografiert/gescannt und mittels Lesesoftware decodiert. Diese Software schlägt anschließend die entsprechende Aktion vor. In vielen Fällen verweisen die QR-Codes auf Webseiten. In QR-Codes können aber auch andere Informationen integriert werden, z. B. Termine, Geokoordinaten, SMS- und WhatsApp-Nachrichten, Kontaktdaten wie Telefonnummern und E-Mail-Adressen sowie WLANZugangsdaten. Laut einer Studie von SKOPOS hat praktisch jeder Deutsche schon einmal QR-Codes gesehen und 64 Prozent wussten bereits 2014 darüber Bescheid, wofür QR-Codes einsetzbar sind.35 Laut einer Studie der Arbeitsgemeinschaft Verbrauchs- und Medienanalyse (VuMA) nutzten 2017 0,84 Millionen Personen ab 14 Jahre QR-Codes häufig und 6,38 Millionen immerhin gelegentlich.36 QR-Code-Marketing bietet sich vor allem dort an, wo der Interessent Zeit hat und wenig durch andere Reize abgelenkt wird, also z. B. an Haltestellen, in Bus und Bahn etc., aber auch in Bürgerämtern, anderen Wartezonen oder in der Bibliothek selbst. Voraussetzung ist jedoch ein attraktives Offline-Medium, z. B. ein Plakat und/oder ein auffälliger Flyer, die Aufmerksamkeit erregen. Die Bibliothek der Technischen Universität München (TUM) z. B. nutzt QR-Codes wie folgt:
QR-Codes finden Sie in der Bibliothek an verschiedenen Stellen: In unserem Online-Katalog können Sie sich den Standort eines Buches ganz einfach per QR-Code abspeichern. Unsere Plakate und Aushänge sind häufig mit QR-Codes versehen, die auf Webseiten mit weiterführenden Informationen verweisen.37
3.3 Lokale Suchmaschinenoptimierung Die lokale Suchmaschinenoptimierung ist für Unternehmen und damit auch für Bibliotheken deutlich einfacher geworden, da Google „Suchanfragen mittlerweile
34 Seit iOS 11 kann die iPhone-Kamera QR-Codes direkt erfassen, d. h., das Download einer separaten App ist nicht mehr notwendig. S. u. a. Heise Medien 2017. https://www.heise.de/mac-and-i/meldung/ iOS-11-liest-QR-Codes-und-NFC-Tags-3737072.html (Abruf: 2018.04.02). 35 Vgl. SKOPOS 2014, S. 3 . 36 Vgl. VuMA 2018. 37 Universitätsbibliothek Technische Universität München o. J.
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sehr stark [lokalisiert]. Das bedeutet, für alle Anfragen, die einen lokalen Bezug haben, werden überwiegend oder ausschließlich [...] Treffer aus der räumlichen Nähe ausgespielt“38. Die lokalen Ergebnisse werden z. B. in Google Maps und in der GoogleSuche in einem abgegrenzten Bereich der Suchergebnisse angezeigt. Dies bedeutet, dass neben den zentralen relevanten Keywords unbedingt lokale Keywords auch auf den Unterseiten verankert werden müssen, z. B. der Stadtteil, in dem sich die öffentliche oder wissenschaftliche Bibliothek befindet. Auch sollte die URL z. B. auf den Stadtteil hinweisen, Bilder sollten entsprechend beschriftet werden.39
3.4 Beacons Die Beacon40-Technologie wird von einigen Bibliotheken bereits für die Ortung in geschlossenen Räumen genutzt. Dazu zählen die Bayerische Staatsbibliothek (BSB)41 und die Hochschulbibliothek der TH Wildau42. Mit Beacon wird ein Sender oder Empfänger bezeichnet, der auf der Bluetooth Low Energy (BLE) oder auch Bluetooth Smart Technologie basiert. Im Grunde genommen ist dies eine Funktechnologie, die als Weiterentwicklung von Bluetooth verstanden werden kann.43
Alle modernen Tablets und Smartphones sind inzwischen mit dieser Technologie ausgestattet. Eine entsprechende App ist jedoch Voraussetzung dafür, dass ein Gerät von Beacons angesteuert werden kann. Die Beacons haben eine Reichweite von ca. zehn Metern. Im Gegensatz zu GPS schließen Beacons auch vertikale Koordinaten wie Stockwerke mit ein.44 In Bibliotheken wird die Technologie bisher dazu genutzt, einen gesuchten Ort auf direktem Weg anzusteuern und an dem gesuchten Ort den Kunden mit weiteren Informationen zu versorgen. Darüber hinaus können mit dieser Technologie geführte Rundgänge angeboten werden. So umfasst der BSB-Navigator der Bayerischen Staatsbibliothek u. a.:
38 Beilharz 2017, S. 173. 39 Für weiterführende Informationen s. auch Google: Das Ranking lokaler Suchergebnisse auf Google verbessern, 2018, https://support.google.com/business/answer/7091?hl=de (Abruf: 2018.04.02); Beilharz, Felix: Crashkurs Social.Local.Mobile-Marketing. Freiburg: Haufe-Lexware, 2017, S. 173 f.; T3n: Local SEO: Das sind die wichtigsten Ranking-Faktoren 2017, 12.04.2017, https://t3n.de/news/local-se o-ranking-faktoren-2017-814514/ (Abruf: 2018.04.02). 40 Deutsch: Leuchtfeuer. 41 S. Bayerische Staatsbibliothek: BSB-Navigator. O.J. https://www.bsb-muenchen.de/recherche-un d-service/apps/bsb-navigator/ (Abruf: 2018.04.02). 42 S. Bibliothek der Technischen Hochschule Wildau: Indoor-Ortung. O.J. https://icampus.th-wildau. de/bewerbung-bdj-2017/mobileinformation.html (Abruf: 2018.04.02). 43 OnlineMarketing.de o. J. 44 Vgl. Khorolinskyy 2016.
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Einen ,Entdeckermodus‘, der im Vorbeigehen auf interessante Objekte, Orte und Sachverhalte, die im Zusammenhang mit der Bibliothek stehen, aufmerksam macht. Eine Tour-Funktionalität, die auf einer zuvor gewählten Route entlang bestimmter Points of Interest durch die Bibliothek führt.45
Dabei können über den BSB-Navigator Audio- und Video-Beiträge, ein Quiz oder auch kurze, interaktive Spiele empfangen werden. Der Einzelhandel nutzt Beacons z. B., um innerhalb eines Ladenlokals Push-Nachrichten mit entsprechenden Angeboten, Rabattaktionen etc. an den Kunden zu senden.
Darüber hinaus können aktuelle Veranstaltungen, [...] Vorträge, Führungen etc. sofort an den Nutzer der App kommuniziert werden. Falls gewünscht, lassen sich solche Funktionen mit weiteren Social-Media-Schnittstellen versehen, sodass auch eine virale Verbreitung außerhalb des [...] [Gebäudes] stattfindet.46
Für Unternehmen und Bibliotheken haben Beacons zudem den Vorteil, dass der Beacon „die Anwesenheit des Kunden messen und ein Tracking-Signal an die App auslesen [kann]“47. Damit bietet sich die Möglichkeit, zu messen, wie viele Personen sich wann wo aufgehalten haben. So können durch Auswertung der Kundenpfade und Laufwege z. B. die Raumaufteilung optimiert und die Produkte besser platziert werden. Dadurch könnten Expertenbeobachtungen zumindest teilweise durch die Beacon-Technologie ersetzt werden (s. Kap. 3.1).
3.5 Geofencing Geofencing48 ist nicht mit Geocaching zu verwechseln. Geht es beim Geocaching um das Suchen, steht beim Geofencing das Gefundenwerden im Vordergrund. Dazu werden virtuelle Bereiche ab- bzw. eingezäunt, innerhalb derer der Kunde Push-Nachrichten erhält. Technologisch nutzt Geofencing GPS49 oder RFID50.51 Geht es bei Beacons primär um Indoor-Navigation, setzt Geofencing primär auf den Bereich außerhalb eines Ladenlokals. Das System erkennt automatisch, wenn mobile Objekte – wie z. B. Smartphones – bestimmte Bereiche betreten und wieder verlassen. Kunden können dann z. B. eine Nachricht empfangen, wenn sie an einem Ladenlokal oder einer Bibliothek vorbeigehen. Der Vorteil liegt darin, an den Kunden
45 46 47 48 49 50 51
Bayerische Staatsbibliothek o. J. IT Intouch o. J. Beilharz 2017, S. 281 . Der Begriff setzt sich zusammen aus Geography (Geografie) und Fencing (Einzäunung). GPS: Global Positioning System. RFID: Radio Frequency Identification. Vgl. Ryte o. J.
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Nachrichten in Echtzeit zu versenden. Das folgende Szenario skizziert einen Anwendungsfall: Es regnet und mittels Geofencing wird folgende Nachricht übermittelt: „Die Bibliothek – 50 m rechts – hält für Sie Regenschirme zum Verleih bereit. XX Facebook-Freunde haben diesen Service bereits mit Sehr gut bewertet.“
Fazit Die Möglichkeiten des lokalen Marketings sind in den letzten Jahren für den stationären Handel, aber auch für Bibliotheken gestiegen. Neue Technologien spielen hierbei eine wesentliche Rolle. Für ein strategisches, lokales Marketing ist es unerlässlich, dass Bibliotheken sich zunächst die Frage beantworten, wie sie lokal gefunden werden wollen und wie sie ihre lokale(n) Zielgruppe(n) erschließen möchten. Aber auch klassisches operatives Marketing ermöglicht es Bibliotheken, gegen den Trend des Online-Handels zu bestehen. Doch dazu bedarf es einer systematischen Strategie und der richtigen Instrumente, die nach Situation und Rahmenbedingungen anzuwenden und einzusetzen sind. Anschließend sollten sie die richtigen und notwendigen Kanäle im Sinne des Omni-Channel-Managements auswählen und umsetzen.
Literatur Letztes Abrufdatum der folgenden Internet-Dokumente ist der 2018.04.02, sofern nicht anders angegeben. Bayerische Staatsbibliothek: BSB-Navigator. O.J. https://www.bsb-muenchen.de/recherche-undservice/apps/bsb-navigator/ Beilharz, Felix: Crashkurs Social.Local.Mobile-Marketing. Freiburg: Haufe-Lexware, 2017. BrightLocal: Local Consumer Review Survey 2017. 2017. https://www.brightlocal.com/learn/local-con sumer-review-survey/ Bruhn, Manfred: Qualitätsmanagement für Dienstleistungen: Handbuch für ein erfolgreiches Qualitätsmanagement Grundlagen – Konzepte – Methoden. 10. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Berlin, Heidelberg: Springer Gabler, 2016. CityBaumarkt: „Lieferservice per Fahrradboten“ – CASH 08.03.2016. 2016. http://www.citybaumarkt. at/aktuelles/detail-ansicht/news/lieferservice-per-fahrradboten-cash-08032016/?tx_news_ pi1 %5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1 %5Baction%5D=detail&cHash=8a5b7dcd3c56c c9089fbf100878971aa DFH: Neueröffnung – City Baumarkt Wien. 2015. http://www.dfh.at/Neueroeffnung-City-BaumarktWien.863.0.html Düren, Petra: Bibliotheken als lernende Organisationen (Praxiswissen). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2015. Galka, Judith: Das Helsinki Prinzip – Die Bibliothek als Quelle, Antrieb und Plattform neuer Ideen. Fachaufenthalt Helsinki. Berlin: BI-International für internationalen Fachaustausch, 2015. http://www.bi-international.de/download/file/353_150304_helsinki_bericht_final.pdf (Abruf: 2018.05.06)
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Richard Stang
Orte zwischen Vergangenheit und Zukunft: Die komplexe Geschichte der Verortung von Bibliotheken Abstract: Die Geschichten von Bibliotheken sind vielfältig erzählt. Doch beziehen sie sich oft stark auf die Vergangenheit. In Anbetracht der gesellschaftlichen Herausforderungen bedarf es neuer Geschichten. In diesem Beitrag werden Perspektiven eröffnet, die Hinweise geben, wie ein neues Narrativ als sinnstiftendes Erzählmotiv die Zukunft des Ortes Bibliothek beschreiben helfen könnte. Dabei ist die Frage nach der Aura und dem Mythos von Bibliotheken genauso von Relevanz wie die Inszenierung der Verführung, die bei den Kundinnen und Kunden Hochgefühle produziert. Der physische Ort Bibliothek wird in Zukunft von größerer Bedeutung sein, als im Diskurs um die Digitalisierung der Bibliothek aufscheint. Die Geschichte der Zukunft der Verortung von Bibliotheken ist noch zu schreiben. Am besten wäre es, wenn Bibliothekarinnen und Bibliothekare dies tun würden.
Einleitung Die Frage, warum Dinosaurier ausgestorben sind, beschäftigt die Wissenschaft schon lange. Waren sie am falschen Ort, haben sie sich wegen fehlender Feinde den sich verändernden Rahmenbedingungen nicht angepasst oder sind sie Opfer eines Naturereignisses oder Meteoriteneinschlags geworden?1 Warum beginnt ein Beitrag über die Verortung der Bibliotheken mit diesen Fragen? Über die dramatischen gesellschaftlichen Veränderungen unter anderem durch die Digitalisierung2 ist viel geschrieben worden,3 über die Auswirkungen auf die Bibliotheken wird vielfältig diskutiert.4 Doch die Geschichte der Verortung von Bibliotheken – hier nicht nur im historischen Verständnis, sondern auch als Narrativ verstanden – ist komplex. Je nach Perspektive wird eine Geschichte der Vergangenheit oder eine Geschichte der Zukunft erzählt. Während die Vergangenheit aller Entscheidungsanforderungen enthoben ist und die Zukunft Entscheidungsoptionen offenhält, ist die Gegenwart eine Herausforderung, denn in ihr müssen die Entscheidungen getroffen werden. Geschichten
1 Vgl. Wulf 2015. 2 Unter Digitalisierung werden in diesem Beitrag die durch Informations- und Kommunikationstechniken ausgelösten Wandlungsprozesse hin zu digitalisierten Informations- und Kommunikationsstrukturen verstanden. 3 Vgl. Castells 2001; Stang 2018. 4 Vgl. Umlauf 2018. https://doi.org/10.1515/9783110539011-029
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werden im Hier und Jetzt geschrieben und es stellt sich die Frage, welches die Geschichte der Verortung von Bibliotheken ist, die zukunftsfähig sein könnte. Im Zusammenhang mit Bibliotheken wird oft vom „dritten Ort“5 gesprochen, obwohl dieser Ortstyp als zusätzlicher Ort – neben dem Zuhause und dem Arbeitsplatz – unter Oldenburgs Perspektive nur bedingt auf Bibliotheken anwendbar ist, wie Eigenbrodt zu Recht anmerkt.6 Doch welcher Typ von Ort ist die Bibliothek? Der folgende Beitrag soll Perspektiven eröffnen, die Hinweise geben, wie ein neues Narrativ als sinnstiftendes Erzählmotiv die Zukunft des Ortes Bibliothek beschreiben helfen könnte.
1 Orte mit Aura Wenn man den Begriff Aura im Sinne von Benjamin – bei ihm bezogen auf Kunstwerke – in den Blick nimmt, dann geht es in einem erweiterten Verständnis dabei um Einmaligkeit, die innewohnende Geschichte, das Ritual und den Kult, die die Aura eines Objektes beschreiben helfen.7 Dies gilt auch für Orte, wenn sie atmosphärisch dichte Erfahrungen ermöglichen. So sind zum Beispiel Wallfahrtsorte solche auratischen Orte, weil sie durch die Hoffnung auf Heilung und besondere Spiritualität aufgeladen sind.8 Auch Kirchen können solche Orte sein, doch nicht jede Kirche ist ein solcher auratischer Ort. Erst durch ihre Einmaligkeit und ihre besondere Geschichte wird eine Kirche zu einem auratischen Ort und kann auch als Wallfahrtsstätte fungieren. Betrachtet man die Entwicklungen des Tourismus, zeigt sich, dass immer mehr Städte und bestimmte Landschaften zu Orten der Sehnsucht werden. Mit ihnen werden Geschichten verbunden, die gut erzählt sind. Venedig ist ein solches Beispiel. Wer im Sommer in Venedig ist, wird in Anbetracht der Massen an Touristinnen9 und Touristen die Aura dieser Stadt allerdings nur bedingt entdecken und spüren. Aus der Aura wird ein Mythos, der sich unhinterfragt in unser Wissen einbrennt und sich erst bei gegenteiliger konkreter Erfahrung aufzulösen beginnt. Ein solcher Mythos rankt sich auch um die Bibliothek von Alexandria, die als idealtypischer Ort des Wissens angesehen wird und das Bild von Bibliotheken noch häufig prägt – vor allem bei denjenigen, die noch nie eine Bibliothek besucht haben. Auch heute verbindet sich dieser Mythos vor allem im bildungsbürgerlichen Milieu mit der Vorstellung, wie eine Bibliothek aussehen sollte. Die Diskussion um den Umbau der New York Public Library (NYPL), der schließlich unter anderem wegen der
5 Oldenburg 1989. 6 Vgl. Eigenbrodt 2014, S. 29, 30. 7 Vgl. Benjamin 1963, S. 16–18. 8 Vgl. Mikunda 2005. 9 In diesem Beitrag werden möglichst geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen verwendet. Sofern dies nicht anwendbar ist, wird sowohl die weibliche als auch die männliche Form verwendet.
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Proteste aus dem bildungsbürgerlichen Milieu nicht realisiert wurde, war ein Zeichen bezogen auf die Verortung von Bibliothek im Modus der Vergangenheit.10 Dies spiegelt sich auch in einem Kommentar einer Bibliothekarin wider, die bezogen auf den Bau von Dokk1 in Aarhus äußerte, dass es sich hier nicht um eine Bibliothek handle11, obwohl dort der Medienbestand weiter ein wichtiges Angebotssegment darstellt. Doch welche Aura wird die Verortung der Bibliothek der Zukunft prägen, und kann sich daraus ein neuer Mythos entwickeln? Hierzu gibt es vielfältige Vorstellungen, die in den letzten Jahren intensiv diskutiert wurden. In den Niederlanden wurde Anfang der 2000er Jahre an innovativen Konzepten für die Bibliotheken der Zukunft gearbeitet. Im Rahmen des Projekts „Bibliothek 2040: Die Zukunft neu entwerfen“12 wurden visionäre Konzepte präsentiert, die dann in grundlegenden Überlegungen konzeptionell weiterentwickelt13 und in konkreten Bibliotheksbauten umgesetzt wurden.14 Die Veränderung von einer Produktorientierung, die sich vor allem in der Präsentation des Medienbestandes abbildet, hin zu einer Dienstleistungs- und Prozessorientierung, die die Kundinnen und Kunden sowie deren Bedürfnisse in den Fokus rückt, steht hier im Zentrum. Der Medienbestand ist Teil der Inspiration, die eingebettet ist in Möglichkeiten der Gestaltung (Schöpfung) und der Kommunikation (Beteiligung).15 Eine ähnliche Zielrichtung hat das Vier-Räume-Modell von Jochumsen, Skot-Hansen und Hvenegaard-Rasmussen.16 Die Bibliothek hat ihrer Meinung nach idealerweise vier Funktionen: Treffpunkt, Lernraum, Inspirationsraum und Gestaltungsraum.17 Die Aktivitätsoptionen für die Kundinnen und Kunden werden erweitert und aus dem Informationsspeicher Bibliothek wird ein Anregungsraum für Wissensgenerierung, Kompetenzentwicklung und sozialen Austausch. Die Konzeption des Dokk1 in Aarhus bezieht sich auf diese grundlegenden Überlegungen. Mit der Gestaltung der neuen Deichmanske Bibliotek Tøyen und der Jugendbibliothek Biblio Tøyen in Oslo wird die Bibliothek zu einem „kommunalen Wohnzimmer“18. Menschen nutzen diese Orte, um Neues kennenzulernen, mit anderen zu kommunizieren, neue Dinge zu entwickeln und sich bedeutend zu fühlen.19 Bezieht man diese Entwicklungen auf die Bibliothekswelt insgesamt, zeigt sich: Die öffentliche Bibliothek wird zu einem Kno10 Vgl. Sherman 2014. 11 Statement auf einer Veranstaltung, bei der der Autor einen Vortrag hielt und das Konzept des Dokk1 vorstellte. 12 Vgl. Bruijnzeels, van Tiggelen 2003. 13 Vgl. Bruijnzeels, Sternheim 2014. 14 Vgl. Bruijnzeels 2015. 15 Vgl. ebd. 16 Vgl. Jochumsen et al. 2014. 17 Vgl. ebd., S. 70–77. 18 Vos 2017. 19 Vgl. ebd., S. 107.
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tenpunkt des gesellschaftlichen Diskurses und der kommunalen Entwicklung, die wissenschaftliche Bibliothek zum Scharnier von Forschung, Wissensgenerierung und Lernen.20 Betrachtet man diese Entwicklungen vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung des Zugangs zu Information und gleichzeitig der hohen Nachfrage bezogen auf den Ort Bibliothek, scheint in den physischen Ort Bibliothek in Zukunft etwas eingeschrieben zu sein, was die Aura des Wissensspeichers verblassen lässt und mit einer Aura des Diskursiven und Sozialen überschreibt. Der Ort Bibliothek ist nicht länger (nur) der Ort des Erhabenen, sondern Heimat bzw. Zuhause, die den Kundinnen und Kunden grundlegende Orientierung bieten.
2 Neue Geschichten Menschen lieben Geschichten und verbinden diese auch immer mit Orten. Und sie lieben auch Geschichten von Dinosauriern, denn Geschichten aus der Vergangenheit sind einfacher zu erzählen als Geschichten der Zukunft. Einige Bibliothekarinnen und Bibliothekare erzählen gerne Geschichten aus der Vergangenheit. Es sind Geschichten von der Systematisierung und Erschließung von Information, der Aufbereitung von Wissen, der Vermittlung von Einblicken in alle Bereiche des Lebens sowie von Informations- und Medienkompetenz. Doch es gibt auch Geschichten von Menschen, von Kindern und Jugendlichen, von Kundinnen und Kunden, denen nicht nur Medien übergeben werden, sondern auch Hinweise gegeben wurden, die zu intellektuellen Erweckungserlebnissen führen können; von Menschen, die Inspiration von inspirierten Bibliothekarinnen und Bibliothekaren oder durch zufällig Entdecktes erhalten haben; von Menschen, die in der Bibliothek einen sicheren Ort finden, an dem sie sich ungestört aufhalten dürfen, oder einen Ort finden, an dem sie kreativ oder auch nur sie selbst sein dürfen. Allerdings gibt es auch Geschichten von Bibliotheken, in denen die Kundinnen und Kunden stören, da sie das ästhetische Konzept der Architektin bzw. des Architekten konterkarieren, das Ruhebedürfnis der Bibliothekarinnen und Bibliothekare verletzen oder Dinge tun, für die eine Bibliothek nicht „gemacht“ ist. Oder es gibt Geschichten von Bibliotheken, die keine Bibliotheken mehr sein sollen, da der Medienbestand nicht mehr im Fokus steht. Doch eine Geschichte durchzieht die Geschichten der Bibliotheken. Allein das Verfügbarmachen von Information hätte keine gesellschaftliche Entwicklung gebracht. Erst die Wissensgenerierung, die Neukombination der Informationen und das Überschreiten vorhandener Wissensstrukturen durch den Menschen haben aus dem Ort „toter“ Information einen Ort „lebendiger“ Veränderung gemacht. Bibliotheken
20 Vgl. Stang, Eigenbrodt 2014.
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haben Hilfestellung geleistet, doch ohne die Kundinnen und Kunden stünde ihre Daseinsberechtigung infrage. Vielleicht ist es notwendig, die Geschichte der Zukunft von Bibliotheken eher als Geschichte der potenziellen Kundinnen und Kunden zu erzählen und nicht als Geschichte einer Institution. Hierzu bedarf es allerdings des Perspektiven- bzw. Ortswechsels, das heißt, Bibliothekarinnen und Bibliothekare müssen ihren Ort verlassen, um von einem anderen Ort die Perspektive der Kundinnen und Kunden einzunehmen. Die Frage danach, welche Geschichte eigentlich „meine“ Bibliothek erzählt, lässt sich am besten mit einem Besuch der eigenen Bibliothek mit dem Blick der Kundinnen und Kunden beantworten. Oft ist der Einstieg in die Geschichte der eigenen Bibliothek mit Verboten gepflastert. Die Kundinnen und Kunden erfahren sehr schnell, was sie alles nicht machen dürfen. Das ist allerdings ein schwieriger Einstieg für eine gute Geschichte. Deshalb sollten neue Geschichten erdacht werden, zum Beispiel solche, wie sie in kommerziellen Dienstleistungsbereichen geschrieben werden: Geschichten von der Erzeugung von Hochgefühlen.
3 Geschichte von den Hochgefühlen Christian Mikunda hat sich in seinen Arbeiten mit der Inszenierung von Verführung beschäftigt.21 Er spricht bezogen auf Städte von Landkarten im Kopf, die entscheidend für die Wahrnehmung eines Ortes, hier einer Stadt, sind: [H.i.O] Die kognitive Psychologie hat entdeckt, dass alle Menschen möglichst schnell versuchen, sich ein inneres Bild eines Ortes zu machen, eine so genannte Cognitive Map aufzubauen. Dazu suchen wir nach bestimmten Anhaltspunkten. Europäische, ursprünglich mittelalterlich geprägte Städte sind ein gutes Beispiel für psychologisch gestylte Orte. Da gibt es immer eine wichtige Achse, eine Hauptstraße. Die Schnittpunkte der Achsen, die großen Straßenkreuzungen, sind bedeutsame Knoten. So entstehen zentrale Plätze, die durch einen Merkpunkt betont sind – mit dem Dom, dem Rathaus, einer Pestsäule oder einem Siegerdenkmal. Schließlich registriert man noch die Unterschiedlichkeit der Stadtviertel. Das waren früher die Viertel der Metzger, der Handwerker, das jüdische Ghetto. Das sind heute das Bankenviertel, das Museumsviertel, das Rotlichtviertel oder die Gegend, wo der Wein fließt, wie Grinzing in Wien oder Sachsenhausen in Frankfurt. Achsen, Knoten, Merkpunkte, Viertel sind die vier typischen Merkmale einer Cognitive Map.22
Eine solche Cognitive Map gilt es auch für eine Bibliothek anzulegen. Sie bestimmt in entscheidendem Maße, welche Geschichte der jeweilige Ort erzählt: Ist es ein Ort, den ich schnell wieder verlassen will, oder lädt er zum Flanieren und zum Aufenthalt ein? Die Dramaturgie des Ortes wird in diesem Zusammenhang zu einem wichtigen Faktor
21 Vgl. Mikunda 2005; Mikunda 2007; Mikunda 2009. 22 Mikunda 2007, S. 34.
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dafür, wie er von den Besucherinnen und Besuchern wahrgenommen wird, wie es sich zum Beispiel in der Inszenierung von Ladengeschäften zeigt.23 Atmosphäre wird zur zentralen Kategorie für das Erleben eines Ortes: [H.i.O] Um zu verstehen, wie es zu diesem Effekt kommt, muss man sich vor Augen führen, wie überhaupt das Flair eines Ortes entsteht. Es ist ein Verpackungseffekt, der dabei wirksam ist. Jeder weiß aus eigener Erfahrung, dass die Verpackung ein Geschenk aufwerten oder gänzlich zerstören kann. Sie gibt sozusagen einen Imagekommentar auf das Verpackte ab. Inferential Beliefs, gefolgerte Meinungen, nennt die Psychologie diesen Mechanismus und meint damit, dass Architektur und Design eine Art Vorurteil in Bezug auf das Image, die Atmosphäre eines Ortes lostreten. Eine Burg mit verfallenem Gemäuer kann auf uns romantisch wirken, ohne es tatsächlich zu sein. Das Flair eines Ortes ist ein Bild, das man sich macht und eigentlich Produkt der eigenen Imagekonstruktion ist. Ausgelöst wird diese innere Konstruktion von der Materialwirkung, dem Stil, dem Sound an einem Ort, seinen Gerüchen.24
Gerade hierauf gilt es für Bibliotheken ein besonderes Augenmerk zu richten, will man, dass die Zielgruppen sich länger aufhalten. Durch Zonierungen können Aufenthaltsqualitäten gestaltet werden.25 Dies kann zum Beispiel durch eine differenzierte WLAN-Ausleuchtung erfolgen. Dort, wo das WLAN schwach ist, werden sich andere Gruppen aufhalten als dort, wo es stark ist. Dort, wo es gemütlich ist, werden sich Kundinnen und Kunden anders verhalten als dort, wo die Rauminszenierung eigentlich nicht zum Verweilen gedacht ist. Doch wie lassen sich die unterschiedlichen Zielgruppen für den Ort Bibliothek begeistern? Mikunda hat aus seiner Analyse der Inszenierung der Verführung sieben menschliche Hochgefühle herausgearbeitet, die es zu berücksichtigen gilt, wenn man einen Ort gestalten möchte, der die Menschen anspricht.26 Für Bibliotheken bedeuten diese Folgendes: – Glory – das Erhabene im Gegensatz zum Hochmut: Kundinnen und Kunden sind die Königinnen und Könige und stehen im Mittelpunkt. Für Bibliotheken hat dies Konsequenzen. – Joy – der Freudentaumel im Gegensatz zur Völlerei: Das Visuelle ist bei der Gestaltung von Bibliotheken von zentraler Bedeutung. – Power – die Kraftstärke im Gegensatz zum Zorn: Körperlichkeit spielt eine große Rolle, deshalb bedarf es auch in Bibliotheken Aktions- bzw. Spielflächen. – Bravour – die Raffinesse im Gegensatz zum Neid: In Bibliotheken bedarf es Menschen, die Kundinnen und Kunden mitreißen können. – Desire – die Begierde im Gegensatz zur Gier: Es muss in Bibliotheken gelingen, die Angebote begehrenswert zu machen.
23 24 25 26
Vgl. Mikunda 2007, S. 37–39. Mikunda 2007, S. 44. Vgl. Umlauf, Stang 2018. Vgl. Mikunda 2009, S. 51–247.
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Intensity – die Verzückung im Gegensatz zur Wollust: Der Inszenierung von Ankerpunkten, die immer wieder neue Entdeckungen ermöglichen, ist besonderes Augenmerk bei der Gestaltung von Bibliotheken zu widmen. Chill – das Entspannende im Gegensatz zur Trägheit: Bibliotheken sollen auch Oasen der Entspannung bieten.
Es sind viele Aspekte, die dazu beitragen, dass eine Bibliothek ein auratischer Ort für die Kundinnen und Kunden wird bzw. werden kann. Rezepte für die Gestaltung gibt es allerdings nicht, weil jedes Gebäude, jede Umgebung, jede Gruppe von Kundinnen und Kunden sowie jedes Bibliotheksteam unterschiedlich ist. Doch wer (ehrlich) die Kundinnen und Kunden ins Zentrum ihrer/seiner Planungen stellt, wird fast automatisch zu Lösungen kommen, die deren Bedürfnissen entgegenkommen. Dabei ist die Inszenierung von Verführung für eine sehr heterogene Struktur von Kundinnen und Kunden eine äußerst spannende Herausforderung. Die beste Geschichte wird den größten Erfolg haben.
Fazit In den virtuellen Welten sind die Dinosaurier längst wieder auferstanden. Ausgestattet mit Datenbrillen können wir ihnen wieder zuschauen. Auch im Diskurs über die Zukunft der Bibliotheken werden die informationstechnischen Dienstleistungen als Perspektive in den Vordergrund gerückt. Dabei wird manchmal vergessen, dass der Mensch auch in absehbarer Zeit noch physische Räume benötigen wird.27 Die Frage, die sich jede Bibliothek stellen muss, ist die Frage nach der Verortung und der Gestaltung. Dabei ist weniger relevant, was in schönen Broschüren vorgestellt wird, sondern welche Geschichte den (potenziellen) Kundinnen und Kunden im Alltag erzählt wird. Manche mögen vielleicht noch gerne die Geschichten aus der Vergangenheit hören – auch diese haben selbstverständlich ihre Berechtigung –, doch spannender erscheinen die Geschichten zur Zukunft, da diese noch selbst geschrieben werden können und müssen.
Literatur Letztes Abrufdatum der folgenden Internet-Dokumente ist der 2018.04.24. Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1963. Bruijnzeels, Rob: Die Bibliothek: aussterben, überleben oder erneuern? In: Bibliothek Forschung und Praxis 39, 2015, H. 2, S. 225–234.
27 Vgl. Stang 2017.
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Richard Stang
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Christine Gläser
Vom Lernort Bibliothek zum Lernraum Hochschule Abstract: Das Thema Lernort Bibliothek beschäftigt die internationale Fachcommunity seit über 20 Jahren. Der Beitrag bietet einen kompakten Überblick der Entwicklungen und schafft eine Verortung der aktuellen Anforderungen und Standards für zeitgemäße Konzepte von Hochschulbibliotheken. Dazu werden die veränderten Rahmenbedingungen für das Lehren und Lernen an Hochschulen, die damit einhergehenden Entwicklungen im Lehr- und Lernraum Hochschule sowie grundlegende Gestaltungsprinzipien für die Lehr- und Lernraumgestaltung betrachtet. Schließlich werden die dargestellten Entwicklungen im Hinblick auf die Rolle der Bibliotheken im Zusammenhang mit dem Lernraum Hochschule reflektiert.
Einleitung Mit dem Schlagwort Lernort Bibliothek werden in den letzten beiden Jahrzehnten Entwicklungen bezeichnet, die den physischen Bibliotheksort mit neuen Aufenthaltsqualitäten und damit mehr Attraktivität versehen. Dabei entstehen neue Raum- und Servicekonzepte in Hochschulbibliotheken, die den Fokus bewusst auf die aktuellen und zukünftigen Bedarfe der studentischen Nutzer legen. Dieser Beitrag geht der Frage nach, wie dieser Trend nachhaltig und erfolgreich für die Hochschulbibliotheken genutzt werden kann. Dazu werden die Entwicklungen kursorisch dargestellt und mit den aktuellen Rahmenbedingungen in Hochschulen in Verbindung gebracht und verortet.
1 Internationale Lernortentwicklung Bis in die 1980er Jahre hinein wurden Raumkonzeptentwicklungen in Bibliotheken fokussiert auf den physischen Bestand und die bibliothekarischen Prozesse. In dem Maße, in dem sich Bibliotheken zu Informationsportalen weiterentwickeln, werden auch die Raumkonzepte in Bibliotheken vielfältiger gestaltet. Aus den traditionellen Leseplätzen im bestandsorientierten Bibliothekssystem, die geprägt sind von überwiegend passiver Nutzung vorhandener Ressourcen, entwickelten sich zunehmend Multifunktionsarbeitsplätze. International können seit den 1990er Jahren Entwicklungslinien für neue Raum- und Servicekonzepte in Bibliotheken festgehalten werden.1
1 Vgl. Bulpitt 2012. https://doi.org/10.1515/9783110539011-030
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Christine Gläser
In der ersten Phase wirkten sich vor allem die Informationstechnologie (IT) und das World Wide Web (WWW) als wichtige Treiber der Entwicklungen aus. Zunehmend ist das Informations- und Nutzungsverhalten wissenschaftlich Arbeitender viel stärker von Prozessen der Wissensproduktion geprägt. Die Schritte der Informationssuche und ‑rezeption gehen nahtlos über in die Verarbeitung von Information und die Kommunikation von Ergebnissen. Hierbei spielt die Digitalisierung von Lehre und Forschung eine wichtige Rolle. Das hat entsprechende Auswirkungen auf den Ausstattungsbedarf der Nutzerarbeitsplätze in Bibliotheken. Die zunehmende Konvergenz von Information und IT steht im Mittelpunkt der Entwicklungen von Learning Resource Centers (LRC) und Information Commons (IC) im angloamerikanischen Sprachraum. Die wesentlichen Merkmale dieser Entwicklung sind: – IT-Ausstattung; – Gruppenarbeitsplätze; – digitale Medien und Zugänge; – Ausstattung zur Medienproduktion und – Integration von Informations-, IT- und Medienservices. Seal formuliert als Konzept der Information Commons die „‚4 C philosophy‘ of connectivity, collaboration, creation of knowledge, and community“2. Dies macht die hinter den Infrastrukturen und Ausstattungen der Information Commons liegenden Ziele deutlich, die Vernetzung, Zusammenarbeit, Wissensproduktion und Gemeinschaft ermöglichen sollen.3 In der nächsten Phase erweitert sich der Fokus der Raum- und Servicekonzepte in Bibliotheken um das Lernen und die Lernunterstützung; dabei wird besonders die soziale Dimension des Lernens in den Angeboten stärker berücksichtigt, indem z. B. Kommunikationsbereiche, Bibliotheks-Cafés und Lounges eingerichtet werden: „Libraries are truly becoming learning centers“4. Wegweisend für diese Entwicklungen entstehen in Großbritannien „Learning Centers“, wie das Saltire Center der Glasgow Caledonian University. In den USA und Kanada haben sich die Learning Commons (LC) etabliert, die an den meisten Orten eine Weiterentwicklung der Information Commons darstellen.
Bei aller Vielfalt der Konzepte können doch eine Reihe von typischen Merkmalen für diese Entwicklungen hin zu Learning Centers identifiziert werden:
2 Seal 2014, S. 13. 3 Vgl. ebd. 4 Marques de Oliveira 2017, S. 6.
Vom Lernort Bibliothek zum Lernraum Hochschule
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Vielfalt an Arbeitsplätzen: Gruppenbereiche, Einzelarbeitsplätze, Lounge-Bereiche, Cafés, Medienproduktionsplätze, Carrels für Präsentations- und Projektarbeiten; Zonierungen: Areale für Kommunikation und Begegnung, für Stillarbeit mit und ohne IT-Infrastruktur, für Schulungen; flexible Gestaltung und Ausstattung: Möbel sind beweglich, technische Geräte können nach Bedarf angepasst und ergänzt werden; erweiterte Services: bibliothekarische Auskunft, technischer Support, Peer-toPeer-Angebote5 wie z. B. Tutorenservices; technische Infrastruktur: WLAN, Bring Your Own Device (BYOD)6, Recherche-PCs, Geräteausleihe für Bildschirme, Tablets, Multimedia-PCs etc.
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In einer weiteren Entwicklungsphase bauen die Hochschulen ihr Serviceangebot in Kooperation mit weiteren Partnern – über Bibliotheks-, IT- und Mediensupport hinaus zu Studierendenservices, Studienberatung, Schreibcenters – aus, um den Studierenden alle lernrelevanten Dienste unter einem Dach anbieten zu können: Typically, the learning commons houses a range of academic services, often including the writing center, the speech center, technology support, library reference, services for students with disabilities, subject area tutoring, and first-year student programs. Usually, the commons includes many types of work spaces: soft seating, tables, group study rooms, traditional study carrels, multimedia bays, and more. In this environment, students can work two or three to a computer, debate with their peers in casual lounge settings, collaborate at project tables, and engage with library, technology, or media staff.7
Diese Öffnung und Erweiterung der Serviceangebote über den Bibliothekskontext hinaus zu Services der Hochschule wird als Meilenstein der Weiterentwicklung der Servicekonzepte beschrieben. In Großbritannien ist dafür der Begriff „Super-Convergence“8 entstanden und in den USA wird hiermit an vielen Orten die Entwicklung von den Information Commons hin zu den Learning Commons verbunden: Thus, partnering with other student-centered, campus-wide initiatives is a marked distinction between the learning commons and information commons.9
Die Ansätze und Umsetzungen in Deutschland orientieren sich seit Anfang der 2000er Jahre an diesen angloamerikanischen Konzepten und firmieren vielfach unter dem
5 Für Peer-to-Peer-Angebote werden studentische Mitarbeiter eingesetzt, die Beratungen und Services für Studierende, als Gleiche unter Gleichen, erbringen. 6 BYOD unterstützt die Nutzung eigener mobiler Endgeräte wie z. B. Smartphones, Tablets und Notebooks. 7 Holmgren 2010, S. 178. 8 Bulpitt 2012. 9 Marques de Oliveira 2017, S. 13.
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Christine Gläser
Begriff Lernraum oder auch Lernort.10 Die Entwicklungen sind an vielen Orten durch bauliche oder technische Maßnahmen der Hochschulentwicklung, wie Neubau und Umbau, bereits initiiert. Die Konzepte nehmen den veränderten Nutzungsbedarf auf und werten somit die Aufenthaltsqualitäten der Bibliotheksräume maßgeblich auf.11 Weitergehende Konzepte unterstützen die hochschulweiten Initiativen zur Verbesserung der Qualität der Lehre mit geeigneten Lernräumen und lernunterstützender Ausstattung und Services.12 Je stärker diese Bibliotheks- und Servicekonzepte das Lernen in das Zentrum der Entwicklungen stellen, desto wichtiger ist es für Bibliotheken, die aktuellen Rahmenbedingungen für das Lehren und Lernen an der Hochschule genauer zu kennen. Lernunterstützende Services in Hochschulbibliotheken müssen sich an dem aktuellen Verständnis von Lernprozessen und dem daraus entstehenden Bedarf für Lernumgebungen an der Hochschule ableiten.
2 Lehren und Lernen an Hochschulen Das veränderte Paradigma in der Lehr- und Lerntheorie hin zum Konstruktivismus betont die individuelle Ausgangssituation des Lernenden mit den jeweiligen Erfahrungen und Prägungen, die zur individuellen Konstruktion von Wissen führt. Damit erfahren die Selbststeuerung und die Selbstorganisation des Lernprozesses durch die Studierenden eine größere Bedeutung; die Lehrenden fungieren verstärkt als Berater und Coaches. In der Folge werden die Lernumgebungen für die Lernenden immer wichtiger.13 Der oft zitierte „shift from teaching to learning“14 macht die veränderte didaktische Praxis der Hochschulen deutlich: Studierende finden neue Lernszenarien vor, die ein hohes Maß an Eigeninitiative und Selbstbestimmung verlangen und ebenso stark auf die Fähigkeit zu Zusammenarbeit und Austausch abzielen. Schlüsselqualifikationen erhalten im Rahmen von Bachelor- und Master-Studiengängen eine zentrale Funktion. Sie beinhalten persönliche und soziale Kompetenzen, Methodenund technische Kompetenz. Informations- und Medienkompetenz sind darüber hinaus wichtige Bestandteile dieses Kompetenzportfolios.
10 Vgl. Gläser, Weckmann 2011, S. 371. 11 Als Beispiele seien hierzu das Lern- und Kommunikationszentrum O.A.S.E. an der Universität Düsseldorf mit der Fachbibliothek Medizin (http://www.medizin.hhu.de/studium-und-lehre/oase. html, Abruf: 2018.06.17) sowie das „Learning Center“ der Universitätsbibliothek Mannheim (https:// www.bib.uni-mannheim.de/learning-center/, Abruf: 2018.06.17) genannt. 12 Als Beispiele sei auf die Lernraumentwicklung am KIT Karlsruhe (http://www.bibliothek.kit.edu/ cms/projekt-lernraumentwicklung.php, Abruf: 2018.06.17) sowie den „Lernort plus!“ der UB Bielefeld (https://www.ub.uni-bielefeld.de/library/learn/lernort_plus.htm, Abruf: 2018.06.17) verwiesen. 13 Vgl. Hawelka 2007, S. 48. 14 Barr, Tagg 1995, S. 13.
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Zukunftsorientierte Kompetenzmodelle, wie das „P21 Framework for 21st Century Learning“, erweitern das für die digitale Arbeitswelt notwendige Kompetenzportfolio um die vier Kernkompetenzen creative thinking, communication, collaboration und creativity.15 Lernende können diese Kompetenzen in der praktischen Anwendung und der selbstständigen Umsetzung am besten entwickeln (s. Abb. 1).16
Learning and Innovation Skills – 4Cs Critical Thinking • Communication Collaboration • Creativity
Life and Career Skills
Key Subjects – 3Rs and 21st Century Themes
S ta n
dards and Assessmen
Information, Media, and Technology Skills
ts
Curricu lum and Instruction Professio t nal Developmen
Learning Environments
Abb. 1: P21 Framework for 21st Century Learning17
Projektarbeit gehört in dieses zeitgemäße Methodenrepertoire. Sie ist in der Regel praxis- und fallorientiert (problembasiertes Lernen) angelegt und ermöglicht mehr Selbstständigkeit und Unabhängigkeit für die Lernenden. Projektarbeit findet meist außerhalb des Seminarraums in Teamzusammenhängen und an ganz unterschiedlichen Orten statt. Jenseits der formalen Lehrumgebungen in Seminarräumen und Hörsälen gewinnt das informelle und non-formale Lernen an Bedeutung.18 Digitalisierte Lernelemente, wie Videomitschnitte von Vorlesungen oder Web-Tutorials, speisen virtuelle Lernumgebungen, z. B. in Lernmanagementsystemen. So findet das Lernen an Hochschulen heute ganz selbstverständlich auch im digitalen Umfeld statt.
15 Vgl. P21 2017. 16 Vgl. Schnabel 2017. 17 Eigene Darstellung nach P21 2017. 18 Informelles Lernen gilt als Selbst- und Erfahrungslernen und non-formales Lernen wird als außercurriculare Lernaktivität im Rahmen von Bildungseinrichtungen verstanden.
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Präsenzlehre wird durch digitale Anteile zu hybriden oder Blended-Learning-Konzepten ergänzt, bei denen sich Präsenzlehre und virtuelle Lehre abwechseln. Das Spektrum reicht bis zu vollständig onlinebasierten Veranstaltungsformaten wie Massive Open Online Courses (MOOCs)19 oder Onlineseminaren.20 Studierende erwarten ganz selbstverständlich digitalen Komfort und hohe Standards in der IT-Ausstattung, um die digitalen Inhalte nutzen zu können: HEIs [Higher Education Institutions] today face rising student expectations, which can include greater personalisation of the study experience, a reliable technological infrastructure, digitally literate staff and support for developing their own digital literacies.21
3 Lehr- und Lernräume in den Hochschulen Mit den beschriebenen Veränderungen in der hochschuldidaktischen Praxis, vom konstruktivistischen Lehr- und Lernparadigma über die Kompetenzorientierung, die Intensivierung der Projektlehre sowie die digitalisierte und virtualisierte Lehre, erweitert sich der Radius der Lernumgebungen stark. Dieser Sachverhalt der rasanten Vermehrung von lernrelevanten Orten wird mit dem metaphorischen – von der Praxis und der Wissenschaft gleichermaßen genutzten – Terminus ,Lernort‘ bezeichnet. Interessant ist dabei, […] dass sich alle Segmente der Pädagogik zunehmend mit alternativen Lernorten jenseits ihrer traditionellen Kernbereiche konfrontiert sehen.22
Die Vervielfältigung und Virtualisierung der lernrelevanten Orte führt verstärkt zu einer Entgrenzung der klassischen und formalen Lehr- und Lernszenarien. Aus der Perspektive der Lernenden geht es aber nicht nur um die einzelnen Lernorte, sondern vor allem um die Möglichkeit, diese im Rahmen ihrer Aktivitäten und Lernprozesse komfortabel zu verbinden. Wie vielfältig und komplex Lernaktivitäten von Studierenden sind, wird am Beispiel eines typischen Studienszenarios wie einem Referat deutlich, das von einer Studierendengruppe angefertigt werden soll. Zu dem mit der Aufgabe verbundenen Prozess gehören verschiedene Lernaktivitäten im Team oder allein, an verschiedenen Orten, mit wechselnden Infrastrukturen und unter Nutzung bedarfsgerechter Services, wie
19 Massive Open Online Courses stehen für eine neue Generation von Onlinekursen, die frei verfügbar für eine große Teilnehmerzahl angeboten werden. 20 Vgl. Hochschulforum Digitalisierung 2016. 21 Pates, Sumner 2016, S. 160. 22 Seitter 2001, S. 225.
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Informationsdiensten oder technischem Support. Der Prozess verläuft nicht nur linear in fester Reihenfolge, sondern vollzieht sich iterativ (s. Abb. 2).
Chill-out-Zone
- Aufgabe für Studierendengruppe
- Rechercheaufträge der einzelnen Studierenden
- Gruppentreffen - Diskussion und Brainstorming
Referat
- Treffen der Gruppe - Arbeit am Referat
Peer-to-Peer - Beratung bei Recherche in Datenbanken
Bibliothek
PC-Arbeitsplätze
- Upload und Austausch der Referatdateien
- Weiterarbeit an einzelnen Referatteilen
IT-Carrel
LMS
- Gemeinsame Lektüre eines PDF-Artikels - Diskussion Internet-Café
Gruppenraum
- Präsentation
- Treffen der Gruppe zur Übung der Präsentation Referat
Abb. 2: Lernprozess zur Teamarbeit Referat
An diesem praktischen Einblick wird deutlich, wie wichtig die Verbindung zwischen den formalen, non-formalen und informellen Lernumgebungen ist. Auch die Räume formaler Lehre wandeln sich zunehmend; die Bedarfe nach mehr Interaktion, Medieneinsatz und Flexibilität finden Eingang in die Raumkonzepte.23 Die Hochschule für Angewandte Wissenschaften München (HM) unterscheidet sogenannte Interaktionsgeometrien, die für die aktivierenden Lehrmethoden angewendet werden.24 Zu diesen Interaktionsgeometrien gehören Frontalpräsentation, Plenarinteraktion, Gruppenarbeit und Einzelarbeit.25 Als funktionale Merkmale von Lehrräumen werden Größe, Geometrie, Klima, Akustik, Licht, technische Ausstattung, Mobiliar und Lehrmedien bestimmt.26
23 Für weitere Informationen s. EDUCAUSE: 7 Things You Should Know about Research on Active Learning Classroom. https://library.educause.edu/~/media/files/library/2017/9/eli7148.pdf (Abruf: 2018.03.20). 24 Weitere Informationen zum „Transdisziplinären Projekt Lehrraum der Zukunft“ sind zu finden unter https://www.fh-muenchen.de/allgemein/lehren/lehrraum_der_zukunft/index.de.html (Abruf: 2018.06.17). 25 Vgl. Hochschule München 2017, S. 7. 26 Vgl. ebd., S. 14.
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In der Umsetzung entstehen Lehr- und Lernräume, deren technische Ausstattung und Mobiliar flexibel und anpassbar gestaltet sind (s. Abb. 3).
Changes in the physical environment within some of these HE [Higher Education] learning spaces have included the provision of more flexible furniture, which facilitate the reconfiguration of the teaching and learning space in multiple ways, expanded writing surfaces, the decentring of the teaching podium as the sole focus of the direction of attention, an expansion in the availability of power sockets and ubiquitous wifi connectivity.27
Abb. 3: Flexibler Seminarraum28
Lehren und Lernen rücken in der Umsetzung immer näher zusammen, daher nähern sich auch die Konzeptelemente für Lehr- und Lernräume immer stärker an. Die grundlegenden Dimensionen für die Lernortgestaltung können von dem von Radcliffe 2009 vorgeschlagenen „Pedagogy-Space-Technology (PST) Design & Evaluation Framework” abgeleitet werden (s. Abb. 4). Dieser Zusammenhang zwischen Pädagogik, Technologie und Raumgestaltung ist von gegenseitigen Bezügen und Einflüssen geprägt. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass die für den jeweiligen Themenbereich Zuständigen – Architekten, Verwaltung, Studierende und Fakultäten – in die Lernortkonzepte mit einbezogen wer
27 Pates, Sumner 2016, S. 161. 28 University of Lethbridge 2015.
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den. Lernorte in diesen verschiedenen Dimensionen zu gestalten, ist eine kooperative Aufgabe. Immer mehr Hochschulen stellen sich dieser Aufgabe und gestalten ihren Campus nach zeitgemäßen didaktischen Prinzipien.29
Abb. 4: Pedagogy-Space-Technology (PST) Design & Evaluation Framework30
4 Anforderungen an Lernräume in Hochschulen Im Jahr 2006 hat das Joint Information Systems Committee (JISC)31 mit der Publikation „Designing Spaces for Effective Learning: A Guide to 21st Century Learning Space Design“ einen Meilenstein geschaffen, indem wichtige Anforderungen für die Entwicklung von Lernräumen formuliert wurden. Die Erfahrungen der Learning Resource Centers (LRC) und Learning Centers (LC) wurden hierzu ausgewertet: Flexible – to accommodate both current and evolving pedagogies; Future proofed – to enable space to be re-allocated and reconfigured; Bold – to look beyond tried and tested technologies and pedagogies; Creative – to energise and inspire learners and tutors;
29 Am 30. November 2017 fand an der SRH Hochschule Heidelberg die internationale CORE-Conference statt. Sie stand unter dem Motto „Innovation in Higher Education – LEARNING SPACES – formal, informal, virtual, real.“ 30 Eigene Darstellung nach Radcliffe 2009, S. 11. 31 Das Joint Information Systems Committee ist eine britische Non-Profit-Organisation, die digitale Entwicklungen in Forschung und Lehre systematisch durch Informationsangebote und Services unterstützt.
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Supportive – to develop the potential of all learners; Enterprising – to make each space capable of supporting different purposes.32
Zehn Jahre später legte die Universities and Colleges Information Systems Association (UCISA) Designprinzipien für Lernräume in Hochschulen vor, die in Kooperation mit weiteren Hochschulinfrastruktureinrichtungen33 entstanden sind. Diese Prinzipien sind noch differenzierter und stärker auf die Umsetzung angelegt: Create a sense of community and encourage participation […]; Integrate and connect learning […]; Meet a range of different learning needs […]; Offer a comfortable working environment […]; Offer support […]; Make effective use of technology […]; Be inclusive and sustainable […]; Involve, inspire and motivate students.34
Der Bedarf an Konzepten im Bereich der Lehr- und Lernraumentwicklung, die diese sich dynamisch verändernden Anforderungen aufnehmen, ist groß. So ist es verständlich, dass die Auseinandersetzung mit der Thematik in den Fachcommunitys (Hochschulen, Bibliotheken, Rechen- und Medienzentren) und auf hochschulpolitischer Ebene ungebrochen intensiv erfolgt. Orientierungshilfen, Erfahrungen und Anwendungsbeispiele aus der Hochschulpraxis sind entsprechend wichtig. Dabei steht zunehmend eine ganzheitliche Sicht auf die Lehr- und Lernräume im Gesamtkontext der Campusentwicklung im Vordergrund: Universities have recognised the need for investment in both formal and informal learning spaces to support the student experience […].35
5 Lernort Hochschulbibliothek im Kontext des Lernraums Hochschule Was muss getan werden, um die Lernraumentwicklungen systematisch voranzutreiben, welche Rolle spielen Bibliotheken hierbei?
32 JISC 2006, S. 3. 33 Die Publikation wurde kooperativ von der „Universities and Colleges Information Systems Association“ (UCISA), der „Standing Conference for Heads of Media Services“ (SCHOMS) und der „Association of University Directors of Estates“ (AUDE) erarbeitet. 34 UCISA 2016, S. 10–11. 35 Ebd., S. 5.
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Die zu Beginn des Beitrags ausgeführten Entwicklungen der letzten 20 Jahre zeigen eine „rasante Vermehrung von lernrelevanten Orten“36 in den Bibliotheken der Hochschulen. Die Servicekonzepte der Lernräume wurden zunehmend über die eigene Einrichtung hinaus erweitert bis hin zur Servicekooperation mit weiteren Infrastruktureinrichtungen, die Unterstützung und Services für Lernprozesse und Studienbelange der Studierenden anbieten. In vielen Fällen sind diese Angebote bisher allerdings nicht konzeptionell integriert in die Lehr- und Lernraumentwicklungen der Hochschulen als Gesamtheit:
Die Investitionen in Konzeption, Planung und Durchführung von Bauprojekten lohnen sich, weil es den Bibliotheken damit gelingt, Aufmerksamkeit zu erzeugen und sich mit der Dienstleistung ‚Lernort‘ neu im universitären Umfeld zu platzieren. Dabei fällt jedoch auf, dass Bibliotheken ihre Aktivitäten zur Lernort-Gestaltung in der Regel unabhängig von den Fakultäten bzw. anderen Einrichtungen der Universität betreiben.37
Erfolgreiche Konzepte, die eine ganzheitliche Sicht auf die Lernprozesse der Studierenden einnehmen, begrenzen den Lernort nicht auf die Räume der Bibliothek: As an extension of the classroom, library space needs to embody new pedagogies, including collaborative and interactive learning modalities.38
Der Auftrag und das Rollenverständnis der Bibliothek verändern sich mit diesen Entwicklungen; sie wird mit ihren neuen Aufenthaltsqualitäten als Erweiterung des Seminarraums gesehen oder gar als Lernprozessbegleiter charakterisiert. Das neue Ziel ist somit […] to transform the library’s role on campus from a provider of information to a facilitator of learning.39
Die Entwicklungen in den Bibliotheken können auch Katalysator für die hochschulweite Auseinandersetzung mit neuen Lernszenarien sein, um über die Servicekooperation hinaus die Lernraumstrategie der Hochschule zu unterstützen. Die strategische Dimension der Lernraumkonzepte wird zunehmend wichtiger für die Hochschulen und Bibliotheken,40 bieten sie doch eine große Chance, sich im Wettbewerb der Hochschulen durch attraktive Lernräume für Studierende zu profilieren. Die Erfahrungen der Bibliotheken in der Funktion als erweiterter Lernort mit ihren Angeboten und Services für die Zielgruppe der Studierenden sind besonders wertvoll für den Gesamtkontext des Lernraums Hochschule. Bibliotheken sind erfahren darin,
36 37 38 39 40
Seitter 2001, S. 225. Christensen 2017, S. 250. Freeman 2005, S. 2. Holmgren 2010, S. 177. Vgl. DINI 2013, S. 21.
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ihre Informationsdienstleistungen den Bedarfen und Erwartungen ihrer Kunden anzupassen. Kontinuierliche Nutzerforschung schafft hierzu eine wichtige Basis: Thus, it is imperative that in this intensive learning setting, librarians possess a holistic understanding and knowledge of how students learn in the spaces they prefer to use and what their learning goals are.41
Das von den Bibliotheken ausgehende Lernortverständnis ist nicht nur durch Aspekte des Raums, der Technologie, der Ausstattung, der Möblierung oder der Informationsressourcen geprägt. Die Services und vor allem auch die Serviceorientierung sind von zentraler Bedeutung: Auskunft, Beratung, Technik-Support, Schulungen, Workshops, Tutorials – das Spektrum der aktuellen Angebote und Inhalte ist weit gespannt. Darüber hinaus können „[a]uf operativer Ebene […] aus Lernräumen Schnittstellen werden zur Implementation neuer Dienstleistungen, Technologien und Infrastrukturen in die Hochschule“42. Diese Schnittstellenfunktion erweitert sich mit Servicekooperationen – IT, Medien, Studierendenservices – zunehmend und entwickelt die Bibliotheken zu gut vernetzten Service-Hubs der Hochschulen.43
Fazit Der Beitrag, den Hochschulbibliotheken für den Lernraum Hochschule leisten, ist von zentraler Bedeutung. Sie unterstützen die zeitgemäßen Lehr- und Lernaktivitäten der Hochschule. Die vielfältigen erfolgreichen Lernortkonzepte geben wertvolle Anregungen und initiieren die Auseinandersetzung mit der Thematik im Hochschulkontext und darüber, wie Hochschulen einen wirklich ganzheitlichen und institutionsübergreifenden Ansatz zur Entwicklung von Lernräumen entwickeln können.44 Dazu müssen Bibliotheken eine aktive Rolle in der Lernraumentwicklung übernehmen. Wie bei den aktuellen forschungsnahen Themenbereichen Open Access oder Forschungsdatenmanagement gilt es, im Sinne der Nutzer institutionelle Grenzen zu überwinden und in die Prozesse der Hochschulen hineinzuwirken. Gut vernetzt, serviceorientiert und mit ganzheitlichem Ansatz werden die Lernortkonzepte der Bibliotheken im Lernraum Hochschule weiter erfolgreich sein.
41 42 43 44
Marques de Oliveira 2017, S. 16. DINI 2013, S. 15. Vgl. Ilg 2016, S. 423. Vgl. UCISA 2016, S. 6.
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Christine Gläser
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Frauke Schade
Licence to Operate: Interessen von Bibliotheken im politischen Raum vertreten Abstract: Die Produkte und Dienstleistungen von Bibliotheken kommen nicht nach dem marktlichen Prinzip von Angebot und Nachfrage zustande, sondern sind vor allem das Ergebnis politischer Willensbildungsprozesse. Die Interessenvertretung von Bibliotheken im politischen Raum ist deshalb von hoher Relevanz, um ihre Legitimität sicherzustellen. In diesem Beitrag wird gezeigt, welche Dimensionen Public Affairs umfasst, welche Ziele damit verfolgt werden und wie Public Affairs in das Non-ProfitMarketing von Bibliotheken eingeordnet werden kann. Vorgestellt werden die Akteure, die Public Affairs auf internationaler, europäischer und nationaler sowie auf Landes- und kommunaler Ebene bestreiten. Mit direkter Kommunikation, Networking, Public Campaigning und Grassroots Lobbying werden relevante Instrumente in Strategien und Best Practices dargestellt, die Bibliotheken dabei unterstützen sollen, ihre Interessen im politischen Raum besser zu vertreten.
Einleitung Bibliotheken verfolgen mit ihren Angeboten wohlfahrtsorientierte Zielsetzungen, die auf die Erfüllung eines gesellschaftlichen Auftrages ausgerichtet sind. Sie erbringen sogenannte meritorische Leistungen, d. h., die öffentliche Hand greift gezielt in den Markt ein, weil das Angebot als so relevant bewertet wird, dass es den Bürgern unabhängig von der individuellen Gegenleistung zur Verfügung stehen soll. Meritorische Güter leisten einen Beitrag zur Daseinsvorsorge, zu Bildung, Gesundheit, Freizeit oder Kultur. Die Rahmenbedingungen für bibliothekarisches Handeln geben vor allem politische Entscheidungen und nicht das marktliche Prinzip von Angebot und Nachfrage vor.1 Die öffentliche Subventionierung muss sich allerdings durch den kollektiven Wert und die Erfüllung eines relevanten Gemeinschaftsinteresses legitimieren.2 Legitimität im Sinne von an die Erwartungen des Umfeldes angepasstem und akzeptiertem Handeln ist für Bibliotheken deshalb ein wichtiger strategischer Erfolgsfaktor und in der Finanzierungskonkurrenz mit anderen öffentlich finanzierten Einrichtungen vor Ort ein Distinktionsmerkmal, das darauf ausgerichtet ist, die Existenz der Bibliothek sicherzustellen.3 Licence to Operate kann jedoch nur durch die Zu
1 Vgl. Bekmeier-Feuerhahn, Ober-Heilig 2014, S. 31. 2 Vgl. ebd., S. 33. 3 Vgl. Sandhu 2015, S. 1164; Schade 2016, S. 106.
https://doi.org/10.1515/9783110539011-031
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Frauke Schade
schreibung von Akzeptanz durch Dritte erworben werden. Sie entsteht in den „Arenen der öffentlichen Meinungsbildung“4. Legitimität wird dabei stets neu verhandelt und misst sich an der Fähigkeit, aktuelle Entwicklungen zu antizipieren und sich dazu mit einem innovativen, bedarfsgerechten und gesellschaftlich relevanten Angebot zu positionieren.5 Im Spannungsfeld gesellschaftlicher, technologischer, ökonomischer, infrastruktureller und medialer Herausforderungen müssen Bibliotheken beweisen, welchen Beitrag zur Daseinsvorsorge sie leisten. Ein Instrument, Legitimität herzustellen, ist Public Affairs. Public Affairs zielt darauf ab, die Interessen von Bibliotheken generell oder einer bestimmten Bibliothek zu artikulieren, zu begründen und durchzusetzen, um „Politik zu beeinflussen, bevor sie entschieden ist“6. Public Affairs geht über reine Marketingaspekte hinaus, da es hier nicht ausschließlich um die Steigerung der Nachfrage nach Bibliotheksangeboten geht, sondern darum, Bibliotheken auf strategischer Ebene langfristig abzusichern. Da sich das Angebot von Bibliotheken jedoch auch über die Nachfrage legitimiert und Bibliotheken im Auftrag ihrer Träger handeln, sind die Sichtbarkeit von Bibliotheken im politischen Raum sowie die Durchsetzung ihrer Interessen von hoher Relevanz. Dabei muss gezeigt werden, wie sich Bibliotheken zu aktuell relevanten Themen und Fragestellungen positionieren.
1 Definition und Ziele von Public Affairs Der Begriff Public Affairs wird in einem neueren Begriffsverständnis heute verwendet, um die Interessenvertretung und -vermittlung von Organisationen und Unternehmen im politischen Raum gegenüber Korruption und Bestechung abzugrenzen, von denen der Begriff Lobbyarbeit teilweise gefärbt ist.7 Public Affairs legitimiert Profit- und Non-Profit-Organisationen mittels nicht öffentlicher und öffentlicher Kommunikationsformen gegenüber dem politischen System.8
Ziel von Public Affairs ist es, bibliothekspolitische Interessen und Forderungen zu formulieren, diese auf die politische Agenda zu bringen und Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen.9 Im Einzelnen werden mit Public Affairs folgende Zielsetzungen verfolgt:
4 5 6 7 8 9
Sandhu 2014, S. 1164. Vgl. Schade 2016, S. 2, 106 f. Lux 2012, S. 531. Vgl. Filzmaier, Fähnrich 2014, S. 1186. Hoffjann 2015, S. 888 . Vgl. Filzmaier, Fähnrich 2014, S. 1195; Lux 2012, S. 525.
Licence to Operate: Interessen von Bibliotheken im politischen Raum vertreten
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–
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Aufbau und Pflege eines Netzwerkes zu Politik, Gremien, Verwaltung und Interessengruppen; Mobilisierung der Öffentlichkeit bzw. bestimmter Teilöffentlichkeiten für die Interessen der Bibliothek; Positionierung von Interessen und Themen der Bibliothek im politischen Diskurs durch den Austausch mit redaktionellen Medien und Fürsprechern, um insgesamt politische Entscheidungen zu verändern, zu beschleunigen, zu verzögern oder zu verhindern.10
Politische Kommunikation findet heute im Umfeld eines schnellen Wandels wirtschaftlicher, kultureller und politischer Verhältnisse sowie steigender Komplexität gesellschaftlicher Herausforderungen statt und wird durch die Medialisierung zunehmend im öffentlichen Raum geführt.11 Für Bibliotheken ist es dabei herausfordernd, die Breite des Angebots, ihre Relevanz und den gesellschaftlichen Wert anschaulich auf den Punkt zu bringen. Das tendenziell anachronistische Image von Bibliotheken und Bibliothekaren sowie die Tatsache, dass der Wandel von Bibliotheken in der digitalen Gesellschaft vom traditionellen Aufbewahrungsort von Büchern hin zum modernen Dienstleistungsunternehmen auch bei politischen Entscheidungsträgern noch nicht durchschlagend angekommen ist, stellen weitere Herausforderungen für Public Affairs von Bibliotheken dar.12 Im Rahmen von Public Affairs ist dabei häufig „die Frage zu beantworten, warum Bibliothekare und Bibliotheken auch heute noch notwendig sind“13.
2 Zielgruppen und Akteure Zielgruppen von Public Affairs sind einerseits Mandatsträger von Parlamenten, Regierungen, Ministerien, Parteien sowie Mitarbeitern der öffentlichen Verwaltung, andererseits Vertreter von Verbänden, Interessenvertretungen, Initiativen und weiteren Multiplikatoren sowie die Öffentlichkeit bzw. verschiedene Teilöffentlichkeiten.14 Abhängig von ihrer Finanzierung auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene spielt Public Affairs für Bibliotheken auf den verschiedenen Ebenen der föderalen Struktur Deutschlands sowie international eine Rolle. Die Akteure, die Public Affairs für Bibliotheken bestreiten, arbeiten in einer horizontalen und vertikalen Vernetzung eng zusammen. Vor dem Hintergrund einer globalisierten Welt ist dies heute wichtig.
10 11 12 13 14
Vgl. Filzmaier, Fähnrich 2014, S. 1195. Vgl. Hoffjann 2015, S. 887. Vgl. Schade 2012b, S. 343. Lux 2012, S. 528. Vgl. Filzmaier, Fähnrich 2014, S. 1187.
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Frauke Schade
Denn politische Entscheidungen fallen nicht nur auf nationaler Ebene, sondern der Willensbildungsprozess findet auch auf internationaler und/oder europäischer Ebene statt und wird anschließend häufig in der Gesetzgebung und insbesondere auch in der Förderpolitik national umgesetzt. Dies war und ist beispielsweise beim Urheberrecht und beim Datenschutz sowie bei der Förderung von Forschung und Entwicklung der Fall.15
2.1 Akteure auf internationaler Ebene International Federation of Library Associations and Institutions (IFLA) Für die Interessenvertretung der bibliothekarischen Verbände und Einrichtungen ist auf internationaler Ebene die International Federation of Library Associations and Institutions (IFLA)16 maßgeblich. Ziel der IFLA ist es, die Entwicklung qualitativ hochwertiger Bibliotheksservices und Informationsinfrastrukturen zu fördern und das Bewusstsein für die steigende Bedeutung von Bibliotheken in der digitalen Welt zu stärken. Wichtige Themen der IFLA sind aktuell u. a. der freie Zugang zu Information und Meinungsfreiheit, das Urheberrecht, die E-Ausleihe, die Umsetzung der Milleniumsziele in Bibliotheken, der Schutz des Kulturerbes sowie die Normierung und Standardisierung bibliothekarischer Standards.17 Um diese Ziele zu erreichen, erarbeitet die IFLA in ihren Sektionen Positionspapiere, Stellungnahmen und Publikationen mit der Expertise von Fachvertretern aus der ganzen Welt. Impulsgebende Veröffentlichungen der letzten Jahre waren u. a. der „IFLA Trend Report“18, die „Lyoner Erklärung“19, das „IFLA-Internet-Manifest“20 sowie der „IFLA Code of Ethics for Librarians and other Information Workers“21.
Der IFLA gehören mehr als 1 500 Bibliotheksverbände, bibliothekarische Einrichtungen sowie persönliche Mitglieder aus 150 Ländern an, darunter auch fünf Fachverbände und nahezu 60 Einrichtungen aus Deutschland, die vom deutschen IFLANationalkomitee koordiniert werden, das beim Kompetenznetz für Bibliotheken angesiedelt ist. Darüber hinaus arbeitet die IFLA mit einer Reihe weiterer nichtstaatlicher Organisationen, Mittelgeber und internationaler Einrichtungen wie der UNESCO oder
15 Vgl. Seefeldt, Syre 2017, S. 110, 111. 16 S. https://www.ifla.org/about/more (Abruf: 2018.05.06). 17 Vgl. IFLA 2018. 18 S. https://trends.ifla.org/files/trends/assets/documents/ifla_trend_report_2017.pdf (Abruf: 2018.05.06). 19 S. https://www.lyondeclaration.org/content/pages/lyon-declaration-de.pdf (Abruf: 2018.05.06). 20 S. https://www.ifla.org/publications/node/224 (Abruf: 2018.05.06). 21 S. https://www.ifla.org/publications/node/11092 (Abruf: 2018.05.06).
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der World Intellectual Property Organization (WIPO) zusammen.22 Die IFLA organisiert zahlreiche Seminare und Workshops und jährlich den „World Library and Information Congress“, der immer auf einem anderen Kontinent stattfindet. Ein Meilenstein der IFLA war die „Lyoner Erklärung“ aus dem Jahr 2014, die die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen aufforderte, den freien Zugang zu Information anzuerkennen. Auf Initiative der IFLA wurde durch die Lyoner Erklärung erreicht, dass der freie Zugang zu Information in die „2030 Agenda“ der Vereinten Nationen aufgenommen wurde. Dieser „Weltzukunftsvertrag“ formuliert nachhaltige soziale, ökonomische und ökologische Entwicklungsziele, auf die sich die Mitgliedstaaten im September 2015 verständigt haben, und löste 2016 die Millenniumsentwicklungsziele der Vereinten Nationen (UN) ab.23
2.2 Akteure auf europäischer Ebene Auf europäischer Ebene sind vor allem die Verbände EBLIDA und LIBER für Bibliotheken und Informationseinrichtungen aktiv. European Bureau of Library, Information and Documentation Associations (EBLIDA) Zentrales Ziel von EBLIDA24 ist es, den Weg für den ungehinderten Zugang zu Information und Wissen im Zuge der Digitalisierung zu ebnen und die Expertenrolle der Bibliothek bei der Bereitstellung und Vermittlung von Information und Wissen zu stärken.25 In dem europäischen Dachverband, der als Stiftung geführt wird, erarbeiten Vertreter der Fachverbände aus allen EU-Mitgliedstaaten in Expertengruppen Positionen und Stellungnahmen zu Themen des europäischen Rechts, insbesondere des Urheberrechts und des Datenschutzes, und betreiben bibliothekspolitische Lobbyarbeit in enger Zusammenarbeit mit der IFLA.26 Zum Thema E-Lending initiierte EBLIDA beispielsweise die Kampagne „The Right to E-Read“, die in Deutschland unter dem Titel „E-Medien in der Bibliothek: mein gutes Recht!“ vom Deutschen Bibliotheksverband (dbv) umgesetzt wurde.
22 Vgl. Seefeldt, Syre 2017, S. 111; s. http://www.wipo.int/portal/en/index.html (Abruf: 2018.05.06). 23 S. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ): Der Zukunftsvertrag für die Welt. Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. 2017. http://www.bmz.de/de/medi athek/publikationen/reihen/infobroschueren_flyer/infobroschueren/Materialie270_zukunftsvertrag. pdf (Abruf: 2018.05.06). 24 S. http://www.eblida.org/ (Abruf: 2018.05.06). 25 Vgl. EBLIDA o. J. 26 Vgl. Seefeldt, Syre 2017, S. 111.
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Ligue des Bibliothèques Européennes de Recherche (LIBER) LIBER27 ist ein Zusammenschluss wissenschaftlicher Bibliotheken und steht unter der Schirmherrschaft des Europarats. In LIBER sind über 400 wissenschaftliche Bibliotheken aus 45 Ländern vertreten, darunter auch ca. 50 Staats-, Landes- und Hochschulbibliotheken aus Deutschland.28 LIBER setzt sich für die Vernetzung wissenschaftlicher Bibliotheken über die Nationalgrenzen hinweg ein. Zentrale Themen sind aktuell Open Science, Erhalt des europäischen Kulturerbes sowie innovative Forschungsumgebungen und ‑infrastrukturen.29
2.3 Akteure auf Bundesebene Für die Interessenvertretung der Bibliotheken in Deutschland sind maßgeblich Verbände zuständig. Mit Stellungnahmen und Positionspapieren versuchen sie, Einfluss auf die gesetzlichen und politischen Rahmenbedingungen zu nehmen und Bibliotheken bei der Umsetzung ihrer Ziele zu unterstützen. Bibliothek & Information Deutschland (BID) Bibliothek & Information Deutschland30 ist der Dachverband aus dem Berufsfeld Bibliothek und Information. Der BID gehören der Institutionenverband Deutscher Bibliotheksverband (dbv), die Personalverbände Berufsverband Information Bibliothek (BIB) und der Verein der Deutschen Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VDB) mit ihren Vorsitzenden sowie die ekz.Bibliotheksservice und das Goethe-Institut an.31 Die BID versteht sich als Forum, um aktuelle bibliotheks- und bildungspolitische Themen zu diskutieren und Strategien gemeinsam zu entwickeln. Dazu bündelt die BID die Interessen und Positionen ihrer Mitglieder zu einer Stimme gegenüber der Politik auf Bundes- und Länderebene, der Fachcommunity und der Öffentlichkeit. Hintergrundinformationen bringen dazu die Kommissionen und Expertengruppen der Mitgliedsverbände oder von der BID eingesetzte Arbeitsgruppen ein.32 Aktuell wird unter der Ägide der BID eine Strategie zur Imageprofilierung und zur Personalgewinnung erarbeitet, die dem Fachkräftemangel in Bibliotheken entgegenwirken soll. Zuletzt hat die BID „Ethische Grundsätze der Bibliotheks- und Informationsberufe“33
27 S. https://libereurope.eu/ (Abruf: 2018.05.06). 28 Vgl. Seefeldt, Syre 2017, S. 112. 29 Vgl. LIBER o. J. 30 S. http://www.bideutschland.de/ (Abruf: 2018.05.06). 31 S. http://www.bideutschland.de/deutsch/organisation/mitglieder/ (Abruf: 2018.03.11). 32 Vgl. Seefeldt, Syre 2017, S. 96, 97. 33 S. BID: Ethische Grundsätze. http://www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_upload/DBV/pos itionen/Positionspapier_Umstrittene_Werke.pdf (Abruf: 2017.03.07), http://www.bideutschland.de/ download/file/Ethische%20Grundsaetze.pdf (Abruf: 2018.03.11).
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sowie das „Positionspapier zum bibliothekarischen Umgang mit umstrittenen Werken“34 veröffentlicht. Alle drei Jahre organisiert die BID den „Kongress für Bibliothek und Information“ in Leipzig als größte Fortbildungsveranstaltung in Deutschland. Die Kontakte ins Ausland pflegt die BID über „Bibliothek & Information International“ (BII). BII koordiniert als ständige Kommission die Aktivitäten auf internationaler und europäischer Ebene, fördert über Programme den internationalen Austausch, die Teilnahme an Tagungen, Konferenzen und Kongressen im Ausland sowie die weitere Vernetzung. Auf internationaler Ebene ist die BID Mitglied in der IFLA und in EBLIDA, auf nationaler Ebene in der deutschen UNESCO-Kommission, dem Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE) und der Deutschen Literaturkonferenz, womit sie auch mittelbares Mitglied im Deutschen Kulturrat ist.35 Deutscher Bibliotheksverband (dbv) Der Deutsche Bibliotheksverband ist der Institutionenverband, in dem rund 3 000 Bibliotheken und weitere Einrichtungen organisiert sind.36 Der dbv vertritt die Interessen der Bibliotheken gegenüber Entscheidungs- und Mandatsträgern aus Parlamenten, Regierungen, Ministerien, Spitzenverbänden und Gebietskörperschaften auf Bundes- und – zusammen mit seinen Landesverbänden – auf Landesebene.37 Primäres Ziel des dbv ist es, die finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen für Bibliotheken in einer nationalen Bibliotheksstrategie sicherzustellen und die Sichtbarkeit von Bibliotheken zu steigern. Weitere wichtige Anliegen des Verbandes sind die Aktualisierung des Urheberrechtes, insbesondere die Gleichstellung gedruckter und elektronischer Publikationen sowie die Stärkung von Informationsinfrastrukturen in Wissenschaft und Forschung.38 Darüber hinaus begleitet der Verband den digitalen Wandel aktiv und setzt sich für die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund und für Medienkompetenzförderung sowie lebenslanges Lernen in Kooperation mit weiteren Bildungs- und Kultureinrichtungen ein.39 Der Verband erarbeitet bibliothekspolitische Positionen, Forderungen und Stellungnahmen. Im März 2018 organisierte der dbv den ersten Bibliothekspolitischen Bundeskongress mit dem Ziel, relevante Themen und Interessen der Bibliothek stärker im politischen Diskurs auf Bundesebene zu verorten.40 Im Mai 2016 veröffentlichte der dbv gemeinsam mit dem Deutschen Städtetag und dem Deutschen Städte- und
34 S. http://www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_upload/DBV/positionen/Positionspapier_U mstrittene_Werke.pdf (Abruf: 2018.05.06). 35 Vgl. Seefeldt, Syre 2017, S. 97, 110, 111. 36 Vgl. dbv o. J. 37 Vgl. Seefeldt, Syre 2017, S. 99. 38 Vgl. ebd., S. 98. 39 Vgl. ebd., S. 99. 40 S. Erster Bibliothekspolitischer Bundeskongress: http://www.dbv-bundeskongress.de/ (Abruf: 2018.05.06).
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Gemeindebund (DStGB) die Leitlinien „Bibliotheken als starke Vermittler für Bildung und Kultur“41. Das Positionspapier stellt aktuelle Anforderungen und Aufgaben von Bibliotheken dar und zeigt auf, wie öffentliche Bibliotheken sich weiterentwickeln können. Jährlich wird zum Tag der Bibliotheken der „Bericht zur Lage der Bibliotheken“42 veröffentlicht. Weitere wichtige Anliegen des Verbandes sind die Profilierung des Images des Berufsfeldes und die Steigerung der Bekanntheit bibliothekarischer Angebote. Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Kampagne „Netzwerk Bibliothek“43 ging im August 2017 in die zweite Förderphase und hat zum Ziel, die Sichtbarkeit vielfältiger Services und Projekte von Bibliotheken zu steigern, ein modernes Bibliotheksimage zu profilieren und den fachlichen Austausch der bibliothekarischen Community zu digitalen Services zu stärken.44 Organisatorisch sitzt dem dbv ein Präsidium mit Vertretern aus Beratungsgremien der Gebietskörperschaften und der Wissenschaft vor. Die Geschäfte werden vom Bundesvorstand geführt. Weiterhin hält der Bundesvorstand den Kontakt zu politischen Gremien und vertritt dort die Interessen der Bibliotheken. Im Weiteren strukturiert sich der Verband durch seine Landesverbände. Bibliotheken und weitere Einrichtungen sind darüber hinaus nach Bibliotheksgrößenklassen Sektionen zugeordnet, die sich mit den spezifischen Anforderungen auseinandersetzen. Im Januar 2018 verabschiedete beispielsweise die für wissenschaftliche Bibliotheken zuständige Sektion 4 des dbv ein Positionspapier mit zentralen Anforderungen, Handlungsfeldern und Leitlinien für wissenschaftliche Bibliotheken bis ins Jahr 2025.45 In Kommissionen wird darüber hinaus die fachliche Expertise zu speziellen Themen, z. B. Rechtsfragen, interkultureller Bibliotheksarbeit, Management und kundenorientierten Services, gebündelt und es werden Positionen zu aktuellen Fragestellungen ausgearbeitet.
Kompetenznetzwerk für Bibliotheken (knb) Das knb46 wurde auf Initiative des dbv von der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (Kultusministerkonferenz, KMK) eingesetzt und wird von den Ländern finanziert. Auftrag des Netzwerkes ist es, über41 S. Deutscher Städtetag, DStGB, dbv 2016. http://www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_up load/DBV/positionen/final_160504_KS_Erkl%C3 %A4rung_%C3 %96ffentliche_Bibliotheken.pdf (Abruf: 2018.05.06). 42 S. http://www.bibliotheksverband.de/dbv/publikationen/bericht-zur-lage-der-bibliotheken.html (Abruf: 2018.05.06). 43 S. Netzwerk Bibliothek: https://netzwerk-bibliothek.de/ (Abruf: 2018.05.06). 44 Vgl. dbv 2017. 45 S. dbv: Wissenschaftliche Bibliotheken 2025. http://www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_ upload/Sektionen/sektion4/Publikationen/WB2025_Endfassung_endg.pdf (Abruf: 2018.05.06). 46 S. http://www.bibliotheksverband.de/dbv/projekte/kompetenznetzwerk-fuer-bibliotheken.html (Abruf: 2018.05.06).
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regionale fachliche und politische Fragestellungen und Themen als Planungs- und Entscheidungsgrundlage auf Bundes- und Landesebene zu erarbeiten. Dem Netzwerk gehören die Bibliotheksverbundsysteme, die Bibliotheken mit nationalen Aufgaben, die staatlichen Fachstellen sowie jeweils ein Vertreter des dbv und der KMK an. Darüber hinaus forcieren zwei Arbeitsbereiche des knb, die beim dbv angesiedelt sind, die EU- und Drittmittelberatung sowie die Pflege internationaler Beziehungen. Dem Arbeitsbereich Internationale Kooperation ist dabei auch das IFLA-Nationalkomitee zugeordnet, das über die Aktivitäten der IFLA informiert, die deutsche Vertretung in den IFLA-Sektionen organisiert und die Übersetzung von IFLA-Publikationen verantwortet. Als externer Partner unterstützt das Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen (hbz) das knb. Das hbz unterhält und pflegt die Deutsche Bibliotheksstatistik (DBS), die die Leistungen von Bibliotheken in Kennzahlen abbildet und damit auch eine wichtige Grundlage dafür liefert, politische Forderungen zu untermauern und zu belegen.47 Berufsverband Information Bibliothek (BIB) Der BIB48 vertritt als Personalverband die Interessen seiner Mitglieder. Ihm gehören rund 6 300 Bibliothekare, Medienarchivare und Dokumentare, Fachangestellte, Bibliotheksassistenten, Studierende und Auszubildende an.49 Primäre Ziele des BIB sind die Verbesserung der Arbeitsbedingungen seiner Mitglieder, die Imageprofilierung der Fachcommunity und Nachwuchsförderung. Politisch setzt sich der BIB für eine ausbildungsadäquate Besoldung und tarifliche Eingruppierung, die berufliche Weiterqualifizierung sowie ein modernes Berufsbild ein. Ein wichtiges Anliegen des BIB war es in den vergangenen Jahren auch, das Thema der Sonntagsöffnung im Kreis der Mitglieder, der Personalräte und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) zu diskutieren und Positionen dazu zu entwickeln. Zudem engagiert sich der Verband in der Weiterbildung, indem er u. a. über seine Landesgruppen ein umfangreiches Fort- und Weiterbildungsprogramm anbietet. Zusammen mit dem VDB organisiert der BIB den Bibliothekartag als größte Fortbildungsveranstaltung in Deutschland und gibt die Zeitschrift „Forum Bibliothek und Information“50 (BuB) heraus.51
Kopf des BIB ist der Bundesvorstand, dem ein Vereinsausschuss, bestehend aus Vertretern der Landesgruppen und Kommissionen, beiseitesteht. Fachliche und politische Positionen werden in den Kommissionen entwickelt. Dazu gehören die Kommission für Ausbildung und Berufsbilder (KAUB), die Kommission für Eingruppie-
47 48 49 50 51
Vgl. Seefeldt, Syre 2017, S. 102, 111. S. http://www.bib-info.de/ (Abruf: 2018.05.06). Vgl. BIB 2018. S. http://b-u-b.de/ (Abruf: 2018.05.06). Vgl. Seefeldt, Syre 2017, S. 103.
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rungsberatung (KEB), die Kommission für Fortbildung (FobiKom), die One-PersonLibrary-Kommission sowie die Special Interest Group „New Professionals“.52 Verein Deutscher Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VDB) Ebenso wie der BIB ist der VDB53 ein Personalverband mit einem ähnlichen Aufgabenprofil. Der Verband vertritt rund 1 700 Mitglieder, die jedoch überwiegend aus wissenschaftlichen Bibliotheken auf der Ebene des höheren Dienstes kommen. Ziele des VDB sind insbesondere die Interessenvertretung sowie die Verbesserung der Vernetzung und die Weiterqualifizierung seiner Mitglieder. Der VDB initiiert Fortbildungsveranstaltungen, Tagungen und Weiterbildungsprogramme. Darüber hinaus gibt er die Open-Access-Zeitschrift „o-bib. Das offene Bibliotheksjournal“54 und alle zwei Jahre das „Jahrbuch für Bibliotheken“ heraus.55
Dem VDB sitzt ein Bundesvorstand vor, und er strukturiert sich in acht Landes- und Regionalverbände sowie in drei Kommissionen, die sich auf die berufliche Qualifizierung, Rechtsfragen und Fachreferatsarbeit beziehen.56 Deutsche Gesellschaft für Information und Wissen (DGI) Die DGI57 fördert die Entwicklung der Informationswissenschaft und ‑praxis. Sie vertritt die Interessen von Dokumentaren und allen Informationsfachleuten in ihrem beruflichen Feld, in der Öffentlichkeit und gegenüber der Informationspolitik und ‑wirtschaft und hat derzeit rund 700 Mitglieder.58 Ein besonderes Anliegen der DGI ist die Informationskompetenzvermittlung und die Entwicklung von neuen Konzepten, Methoden und Instrumenten für Informationsdienstleistungen. Die DGI organisiert zahlreiche Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen sowie einmal jährlich das Wittenberger Forum, die DGI-Praxistage sowie alle zwei Jahre die DGI-Konferenz. Sie gibt die Zeitschrift „Information, Wissenschaft und Praxis“ (IWP)59 heraus.
2.4 Akteure auf Landesebene Die Länder sind für die Alimentierung und Unterhaltung der Landes- und der meisten Regional- sowie der Hochschulbibliotheken zuständig.60 Public Affairs richtet sich 52 53 54 55 56 57 58 59 60
Vgl. Seefeldt, Syre 2017, S. 103. S. https://www.vdb-online.org/ (Abruf: 2018.05.06). S. https://www.o-bib.de/index.php/bib/ (Abruf: 2018.05.06). Vgl. Seefeldt, Syre 2017, S. 104. Vgl. ebd., S. 104. S. https://dgi-info.de/ (Abruf: 2018.05.06). Vgl. Seefeldt, Syre 2017, S. 110. S. https://www.degruyter.com/view/j/iwp (Abruf: 2018.05.06). Vgl. Umlauf 2012, S. 19.
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deshalb primär an die Landespolitik. Das Berufsfeld Bibliothek und Information wird hier insbesondere durch die Landesverbände und -gruppen der genannten Verbände in der föderalen Struktur Deutschlands vertreten. Bei wissenschaftlichen Bibliotheken haben zudem Beratungsgremien der Wissenschaftspolitik wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), der Wissenschaftsrat (WR), die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) für Bund und Länder, die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK), die Hochschulrektorenkonferenz (HRK), der Rat für Informationsinfrastrukturen (RfII) sowie weitere Einrichtungen und Initiativen einen maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung von einzelnen Bibliotheken und von Informationsinfrastrukturen. Sie positionieren sich zu aktuellen Fragen und Entwicklungen der Informationsversorgung und Digitalisierung, beraten Politik, Träger und Bibliotheken, entwickeln Modelle, geben Empfehlungen und formulieren Forderungen.61 Die in den Empfehlungen und Programmen hinterlegten Fördersummen sind zum Teil erheblich, was sich insgesamt vor allem in der DFG-Förderung zeigt.62 Sie haben in der Vergangenheit zum Aufbau der Sondersammelgebiete, zur Neuausrichtung der überregionalen Literaturversorgung und zur Transformation der Sondersammelgebiete in „Fachinformationsdienste für die Wissenschaft“ (FID)63, zur Digitalisierung historischer Bestände in großem Umfang sowie zur Erwerbung und Lizenzierung von digitalen Publikationen im Rahmen der Nationallizenzen geführt oder liegen bei Programmen der digitalen Langzeitarchivierung.64 Als integraler Bestandteil zur Gestaltung der Digitalisierung in Bildung, Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft kommen Bibliotheken in Deutschland – trotz aller Anstrengungen der Verbände – als Institutionen jedoch selten vor – weder die öffentlichen Bibliotheken in Strategiepapieren, wie „Lehren und Lernen im digitalen Zeitalter“ des DST65 oder „Bildung in der digitalen Welt“ der KMK66, noch die wissenschaftlichen Bibliotheken in Strategiepapieren wie „The Digital Turn“ des Hochschulforums Digitalisierung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK).67
61 Vgl. Hohoff 2014, S. 59. 62 Vgl. ebd., S. 41. 63 S. den Beitrag „Services in Informationsinfrastrukturen: Überregionale Literaturversorgung im Recht, einfach?“ von Ivo Vogel in diesem Handbuch. 64 Vgl. Hohoff 2014, S. 41. 65 S. http://www.staedtetag.de/imperia/md/content/dst/veroeffentlichungen/mat/170428_popa_di gitale_bildung.pdf (Abruf: 2018.05.06). 66 S. https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/PresseUndAktuelles/2016/Bildung_digitale_Welt _WEBVERSION.PDF (Abruf: 2018.05.06). 67 S. Hochschulforum Digitalisierung: The Digital Turn. Hochschulbildung im digitalen Zeitalter (Arbeitspapier Nr. 27). Berlin: Hochschulforum Digitalisierung. https://hochschulforumdigitalisier ung.de/sites/default/files/dateien/Abschlussbericht.pdf (Abruf: 2018.05.06).
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2.5 Akteure auf kommunaler Ebene Als freiwillige kommunale Einrichtungen sind öffentliche Bibliotheken in vielen Bundesländern nicht über ein Bibliotheksgesetz abgesichert und auf eine Licence to Operate politischer Mandatsträger und der Öffentlichkeit angewiesen. Zielgruppen im Rahmen der Public Affairs sind auf kommunaler Ebene einerseits Mandatsträger von Parteien und Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung, andererseits Vertreter von Verbänden, Interessenvertretungen, Initiativen sowie weiterer Multiplikatoren in der Öffentlichkeit.68 Im Spannungsfeld gesellschaftlicher, technologischer, ökonomischer, infrastruktureller und medialer Herausforderungen müssen öffentliche Bibliotheken darstellen, welchen Beitrag sie zur Daseinsvorsorge in dem sozialen Setting und bei aktuellen Problemlagen vor Ort leisten: bei der informationellen Grundversorgung, der Verbesserung von Partizipationschancen und Open Science, der Integration und Inklusion, der Förderung von Lese-, Informations- und Medienkompetenz sowie für die Alltagsbewältigung, Bildung, Unterhaltung und Freizeitgestaltung. Bibliothekarische Richtlinien, Planungs- und Positionspapiere, Themendienste der Verbände sowie Kampagnen und Best-Practice-Beispiele weltweit geben hier Orientierung und Anregungen, um eigene Positionen zur spezifischen Profilierung der Bibliothek im lokalen Kontext auszuarbeiten. Sie werden über die Websites der Verbände bereitgestellt. Darüber hinaus hat der dbv einen „Werkzeugkasten für Lobbyarbeit“69 ausgearbeitet, der auf dem Bibliotheksportal verfügbar ist. Im kommunalen Raum beraten zusätzlich die Fachstellen zu kommunalpolitischen Strategien und zur Absicherung von Bibliotheken.
3 Handlungsfelder Wer sich in den politischen Diskurs einbringen will, muss umfassend informiert sein über Zuständigkeiten, Willensbildungsprozesse und Entscheidungsstrukturen im politischen Raum sowie über aktuelle gesellschaftliche und politische Entwicklungen und Programme.70 Die Phasen und die zeitliche Abstimmung von politischen Willensbildungsprozessen geben sowohl in der öffentlichen als auch in der nichtöffentlichen Kommunikation die Taktung für Strategien von Public Affairs vor.71 Darüber hinaus müssen Bibliotheken über Argumente verfügen, um bibliothekspolitische Zielsetzungen im Kontext lokaler oder gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen zu verorten und zu vertreten. Dies setzt die Kenntnis und das aktive Monitoring aktueller politischer
68 Vgl. Filzmaier, Fähnrich 2014, S. 1187. 69 S. dbv: Werkzeugkasten für Lobbyarbeit. http://www.bibliotheksverband.de/dbv/themen/werk zeugkasten-fuer-lobbyarbeit.html (Abruf: 2018.05.06). 70 Vgl. Filzmaier, Fähnrich 2014, S. 1130. 71 Vgl. ebd., S. 1195.
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Entwicklungen und Initiativen ebenso voraus wie die Kenntnis von Förderprogrammen und -initiativen. Auf der operativen Ebene verwendet Public Affairs Formen der nichtöffentlichen und der öffentlichen Kommunikation. Die politische Kommunikation reicht dabei von der kontinuierlichen Beziehungspflege zu politischen Akteuren, Kooperationspartnern und Netzwerken bis hin zur Mobilisierung der breiten Öffentlichkeit durch Public Campaigning und Grassroots Lobbying.72
3.1 Direkte Kommunikation Die kontinuierliche Beziehungspflege mit politischen Akteuren, Partnern, Journalisten und weiteren gesellschaftlichen Meinungsführern ist die Grundlage für eine erfolgreiche direkte Kommunikation. Sie reicht von persönlichen Treffen, parlamentarischen Abenden, Podiumsdiskussionen bis hin zu öffentlichen Veranstaltungen. Darüber hinaus gehören schriftlich formulierte Stellungnahmen und Positionspapiere, die die direkte Kommunikation und Interessenvermittlung und -durchsetzung untermauern, zum Handlungsfeld von Public Affairs.73
3.2 Networking Neben politischen Mandatsträgern ist ein tragfähiges Netzwerk mit weiteren Akteuren im öffentlichen Raum erfolgsentscheidend, um gemeinsam Interessen und Ziele umzusetzen. Bibliotheken unterhalten vor Ort als zentrale Einrichtungen häufig ein vielfältiges Netzwerk an Partnerschaften und Kooperationen sowie an Beziehungen zu weiteren Stakeholdern, die im Rahmen des Partnerschaftsmanagements an der Bibliotheksstrategie ausgerichtet werden müssen, um Zielsetzungen der Bibliothek zu erreichen. Vonhof versteht unter Partnerschaftsmanagement eine Win-win-Situation. Diese kann durch „ein systematisches, professionelles Entwickeln und Steuern von Beziehungen die Strategien der Bibliothek unterstützen und dazu beitragen, ihre Ziele umzusetzen“74 sowie ihre Vernetzung zu stärken.75 Der Einfluss der Akteure auf die Politik und die öffentliche Meinungsbildung ist in der Wertigkeit von Netzwerkbeziehungen abzuwägen und klar in einer Strategie herauszuarbeiten, die zeigt, wie Kontakte und Kooperationen für die Zusammenarbeit in Projekten sowie für die
72 73 74 75
Vgl. Hoffjann 2015, S. 888; ebd., S. 1193. Vgl. ebd., S. 1196. Vonhof 2015, S. 18. Vgl. ebd., S. 25.
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Durchsetzung gemeinsamer Interessen genutzt und langfristig entwickelt werden können.76 Je geringer der Zugang zu politischen Entscheidungsträgern und Netzwerken ist, desto höher ist die Notwendigkeit von Public Campaigning und Formen des Protests durch Grassroots Lobbying.77
3.3 Public Campaigning Nach der Agenda-Setting-Hypothese schätzt eine Gesellschaft ein Thema als umso bedeutsamer ein, je mehr Medien und je häufiger diese über dieses Thema berichten.78 Die Bedeutung der Berichterstattung zur Legitimierung der Bibliothek, ihrer Aufgaben und Interessen kann dabei sowohl mit der Glaubwürdigkeit redaktioneller Medien als auch mit den Reichweiten von Massenmedien begründet werden. Gelingt es, Medienvertreter für die Ziele, Themen und Positionen der Bibliothek zu gewinnen, wird die Bedeutung und Glaubwürdigkeit dieser Selbstthematisierung durch die Berichterstattung nicht nur gesteigert, sondern auch legitimiert. Im Idealfall werden Public-Affairs-Strategien deshalb eng mit der Medienarbeit verzahnt. Werden Themen dabei gezielt politisiert, um über die mediale Agenda politische Entscheidungen zu forcieren, bezeichnet man dies als Public Campaigning: Public Campaigning als öffentliche Form der Public Affairs versucht, die öffentliche Meinung mit dem Ziel zu beeinflussen, dass Politiker die öffentliche Meinung nicht mehr ignorieren können. In der Regel versucht Public Campaigning, eigene Themen mit verbundenen Interpretationsschemata zu setzen.79
Um Teil der medialen Agenda zu werden, geht es darum, Anreize für die Berichterstattung zu schaffen, die an den Selektionskriterien von Medienvertretern und an den Nachrichtenfaktoren orientiert sind. Folgende Nachrichtenfaktoren sind dabei relevant: – Aktualität: Dauer des Geschehens, Kontinuität eines Themas; – Nähe: räumliche, politische, kulturelle Nähe, Betroffenheit, Relevanz für den Rezipienten; – Status: Status der Ereignisnation, persönlicher Einfluss, Prominenz; – Dynamik: Überraschung, Struktur im Sinne von geringer Komplexität eines Ereignisses, Intensität als Überwinden einer Aufmerksamkeitsschwelle; – Valenz: Good News und Bad News, Negativismus (Konflikte, Kriege, Katastrophen, Gewalt, Kriminalität); 76 77 78 79
Vgl. Vonhof 2015, S. 18, 22. Vgl. Hoffjann 2015, S. 898. Vgl. Röttger 2014, S. 640. Hoffjann 2015, S. 897.
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Identifikation: Human Touch, Personalisierung, Ethnozentrismus, Gefühlswert (Emotionen); Umsetzbarkeit in Bilder (beim Fernsehen als Leitmedium, aber zunehmend auch bei Print- und Online-Medien).80
Die Nachrichtenfaktoren machen deutlich, dass es wichtig ist, über die Selbstthematisierung der Bibliothek hinauszugehen und sich mit konkreten Themen in den gesellschaftlichen Diskurs einzubringen. Es geht darum, spezifische Anlässe zu nutzen und zu zeigen, welchen Beitrag die Bibliothek damit bei der Gestaltung der digitalen Gesellschaft, beim lebenslangen bzw. lebensbegleitenden Lernen für die verschiedenen Zielgruppen der Bibliothek, bei der Entwicklung von Informationsinfrastrukturen, bei Open Science oder bei der Integration von Geflüchteten oder gesellschaftlich benachteiligten Gruppen leistet. Dabei sind vor allem Themen erfolgreich, die die Öffentlichkeit aktuell beschäftigen, die Identifikation stiften und zudem einfach und verständlich dargestellt werden können.81 Die bildliche Darstellung sowie die emotionale Aufladung von Themen werden dabei immer bedeutsamer,82 bergen jedoch auch das Risiko, dass Inhalte, die sich weniger zur bildlichen Darstellung oder Emotionalisierung eignen, den Wettbewerb um Aufmerksamkeit verlieren. Je mehr Nachrichtenfaktoren bedient werden, desto höher ist jedoch insgesamt der Nachrichtenwert.83 Der dbv bietet mit seinem Themendienst journalistisch aufbereitete Beiträge und professionelles Bildmaterial zu gesellschaftlich relevanten Themen bibliothekarischer Arbeit und kann auch für das Public Campaigning vor Ort genutzt werden.84 Das Themenmanagement im Rahmen von Public Campaigning kann dabei zwei Funktionen erfüllen: Mit der Thematisierungsfunktion vermittelt die Bibliothek, welche Themen, Entwicklungen und Ereignisse für sie relevant sind. Mit der Themengestaltungsfunktion stellt sie dar, wie sie sich zu aktuellen Themen positioniert und ihr Handeln legitimiert.85 Ausgehend von dem Selbstverständnis und der Positionierung der Bibliothek werden Interessen, Kernbotschaften und Themen identifiziert, die im kommunalen oder im Hochschulkontext aktuell relevant sind und im Hinblick auf die Eignung für das Themenmanagement der Bibliothek bewertet werden. Darauf aufbauend werden Thematisierungsstrategien in Form von Pressemitteilungen, Stellungnahmen, Berichten für die Medien- und die Netzöffentlichkeit ausgearbeitet.86 In einem
80 Vgl. Ruß-Mohl 2003, S. 128 f. 81 Vgl. Röttger 2014, S. 640 . 82 Vgl. Ruhrmann, Göbbel 2007, S. 68; Schade 2016, S. 263. 83 Röttger 2014, S. 640. 84 S. dbv: Themendienst. http://www.bibliotheksverband.de/dbv/presse/themendienst.html (Abruf: 2018.05.06) 85 Vgl. Schade 2016, S. 264. 86 Vgl. Huck-Sandhu 2014, S. 660, 666.
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ersten Schritt geht es darum, Themen in der Medien- und der Netzöffentlichkeit aufzubauen. In einem zweiten Schritt müssen Themen und Botschaften regelmäßig überprüft und ggf. angepasst werden.87 Wichtig ist zudem, dass Themen suchmaschinenoptimiert sind und aus Nutzersicht die zentralen Suchbegriffe im Titel und im Text beinhalten. Sinnvoll ist es zudem, diese Mitteilungen nicht nur über die eigenen Verteiler und über eigene Kanäle zu verbreiten, sondern auch über geeignete Presseportale.88 Kamm-Schuberth stellt in ihrem Beitrag mit dem partizipativen Prozessmodell einen alternativen Ansatz zur Implementierung von Themen vor. Sie verortet das Themenmanagement im Content-Marketing und zeigt dabei ein weiteres Einsatzfeld auf, bei dem die strategische Positionierung von Themen von Relevanz ist. Im Gegensatz zum Public Campaigning, bei dem Themen gezielt politisiert werden, um über die mediale Agenda politische Entscheidungen zu forcieren, geht es beim Content-Marketing darum, Mehrwerte über informative, beratende oder unterhaltende Inhalte im Rahmen der Unternehmens- bzw. Markenkommunikation zu schaffen, die authentisch für die Bibliothek und ihren Auftrag stehen.89
3.4 Grassroots Lobbying Grassroots Lobbying stellt eine Mischform von Public Campaigning sowie Formen der direkten und der nichtöffentlichen Kommunikation im politischen Raum dar. Ziel ist es, nicht die redaktionellen Medien, sondern zivilgesellschaftliche Fürsprecher für eigene Interessen zu mobilisieren. Mit der direkten Kommunikation von Public Affairs verbindet Grassroots Lobbying, dass die Fürsprecher sich gegenüber Entscheidungsträgern stellvertretend für die Vermittlung und Durchsetzung von Interessen einsetzen. Interessen werden so über das Engagement von Dritten legitimiert. GrassrootsLobbyisten können Gremienvertreter, aktuelle und ehemalige Mitarbeiter, Mitglieder aus Freundeskreisen, Kunden, Vertreter von Initiativen sowie weitere Multiplikatoren der kommunalen oder der Hochschulöffentlichkeit sowie sogenannte Influencer einer Netzcommunity sein, die sich mit der Bibliothek verbunden fühlen.90 Grassroots Lobbying nutzt Instrumente der direkten und der nichtöffentlichen Kommunikation, wie Briefe, E-Mails, Anrufe oder persönliche Treffen. Darüber hinaus kommen Instrumente der öffentlichen Kommunikation zum Einsatz. Dazu gehören die Teilnahme an politischen Veranstaltungen, die Veröffentlichung von Kommenta-
87 Vgl. Huck-Sandhu 2014, S. 660, 666. 88 Vgl. Lammenett 2015a, S. 197. 89 S. den Beitrag „Mit öffentlichen Bibliotheken Themen in der Stadtgesellschaft nachhaltig setzen“ von Rita Kamm-Schuberth in diesem Handbuch. 90 Vgl. Neuer 2016, S. 266, 267.
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ren und Leserbriefen in Zeitungen und Zeitschriften sowie Protestaktionen, wie Demonstrationen, Kundgebungen, Petitionen und Unterschriftenaktionen.91 Steigende Relevanz für Public Affairs im Allgemeinen und für Grassroots Lobbying im Besonderen haben digitale Kommunikationskanäle, wie soziale Netzwerke, Blogs oder Foren, da politische Interessen und Themen im Internet schnell, kostengünstig und mit hohen zielgruppenspezifischen Reichweiten verbreitet werden können. Eine immer wichtigere Funktion nimmt dabei der Microblogging-Dienst Twitter ein, da er ein Sprachrohr im digitalen Raum für aktuelle politische Diskurse sein kann, die darüber rasch und zielgruppenspezifisch verbreitet werden können. Zudem können Proteste und Petitionen auch über offene Plattformen, wie change.org92 oder openPetition93, initiiert werden. Die Mundpropaganda für Themen und politische Interessen setzt allerdings eine hohe Sichtbarkeit der Themen im Netz und eine starke Netzcommunity des Initiators voraus, die Interessen teilt, auf Blogs, in Foren und sozialen Netzwerken weiterverbreitet sowie durch Kommentare, Likes und Retweets die Bedeutung von Themen unterstreicht.94 Mit der schnellen, kostengünstigen und einfachen Verbreitung im Internet hat Grassroots Lobbying allerdings auch ein Glaubwürdigkeitsproblem, das in der Masse und Beliebigkeit der Protestaktionen liegt, die im Internet schnell angezettelt werden können.95
Fazit Public Affairs ist für Bibliotheken ein unverzichtbares Instrument, um Interessen im politischen Raum zu vertreten und Legitimität zu bewahren. Verbände und weitere Initiativen arbeiten auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene eng zusammen und erarbeiten Positionen, Stellungnahmen und Materialien, die auch für die Public Affairs vor Ort wichtige Argumente liefern und genutzt werden können. Public Affairs ist ein Instrument, das insbesondere auf der Grundlage einer guten Vernetzung im Wirkungskreis der jeweiligen Einrichtung funktioniert. Je geringer der Zugang zu politischen Entscheidungsträgern und Netzwerken ist, desto höher ist die Notwendigkeit, neuere Formen wie Public Campaigning und/oder Grassroots Lobbying anzuwenden. Strategien von Public Affairs sollten dabei im engen Zusammenspiel mit weiteren Kommunikationsinstrumenten, insbesondere der Medienarbeit und Social-Media-Kommunikation geplant und durchgeführt werden.
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Vgl. Hoffjann 2015, S. 898 . S. https://www.change.org (Abruf: 2018.05.06). S. https://www.openpetition.de (Abruf: 2018.05.06). Vgl. Filzmaier, Fähnrich 2014, S. 1198. Vgl. Hoffjann 2015, S. 898.
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Frauke Schade
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Rita Kamm-Schuberth
Mit öffentlichen Bibliotheken Themen in der Stadtgesellschaft nachhaltig setzen Abstract: Öffentliche Bibliotheken befinden sich durch die Digitalisierung in einem grundlegenden Veränderungsprozess. In Zukunft könnten sie sich zu einem zentralen Dialograum in der Stadtgesellschaft entwickeln. Als ein wichtiger Knotenpunkt für den Zugang zu Information und Wissen sind sie prädestiniert dafür, in der kommunalen Bildungs- und Kulturlandschaft Themen nachhaltig zu setzen. Durch die konsequente Ausrichtung relevanter Themenstellungen im Sinne von Zielgruppenentwicklung lassen sich bislang nicht erreichbare neue Zielgruppen aktivieren. In diesem Beitrag wird gezeigt, wie mithilfe eines partizipativen Prozessmodells relevante Themen mit der Bürgerschaft analysiert, selektiert, im Angebot der Bibliothek implementiert und durch Content-Marketing unterstützt werden können. Dabei sichert die frühe Beteiligung der Rezipienten mittels analoger und digitaler Instrumente den Erfolg. Neben der Verankerung der Themenstellungen im Leistungsportfolio der Bibliothek ist das Veranstaltungsmanagement der Nukleus bei der Implementierung von Themen. Über Buyer-Personas-Konzepte1 lassen sich Veranstaltungen zielgenau auf den Adressaten ausrichten und mit strategischem Content-Marketing der Dialog mediengerecht und crossmedial in Gang setzen.
Einleitung Öffentliche Bibliotheken befinden sich durch die Digitalisierung in einem grundlegenden Transformationsprozess. Informationen werden heute schnell und unkompliziert im Web von zu Hause aus oder unterwegs recherchiert. Der Zugang zum Internet ist für die deutsche Bevölkerung selbstverständlich: 92 Prozent der Haushalte verfügen über einen Internetanschluss.2 Der bundesdeutsche Durchschnittsbürger surft täglich durchschnittlich 149 Minuten im World Wide Web (WWW).3 Der Gang in die Bibliothek erscheint auf den ersten Blick obsolet, zumindest zu bloßen Recherchezwecken. Da nicht alle Bundesländer ein Bibliotheksgesetz verabschiedet haben, sind öffent
1 Das Buyer-Personas-Konzept stammt aus dem Jahr 1998 und geht auf den amerikanischen Softwareentwickler Alan Cooper zurück. Eine Buyer Persona ist ein konstruierter, idealtypischer Wunschkunde. Die Entwicklung der Persona basiert auf Ergebnissen empirischer Studien und beschreibt das konkrete Verhalten des Kunden, seine Wünsche und Ziele, sein Kauf- und Kommunikationsverhalten anhand messbarer Kriterien. 2 Vgl. Statista 2017a. 3 Vgl. Statista 2017b. https://doi.org/10.1515/9783110539011-032
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liche Bibliotheken in den Kommunen nach wie vor weitgehend freiwillige Leistungen. In Zeiten chronisch defizitärer Haushalte werden daher diese Angebote immer wieder infrage gestellt bzw. gekürzt. Insgesamt ist es durch die Breite des Angebotsportfolios sowie durch die Immaterialität [digitaler] Bibliotheksleistung für Bibliotheken nicht einfach, die Relevanz und den gesellschaftlichen Wert ihres Angebots anschaulich auf den Punkt zu bringen.4
Durch Public Affairs und Public Campaigning können politische Entscheidungsträger als Fürsprecher für Bibliotheken gewonnen werden. Dies ist allerdings ein länger währender Prozess, auch der Erfolg ist nicht garantiert. Haben öffentliche Bibliotheken in der heutigen Form ausgedient? Sie befinden sich jedenfalls in einem umfangreichen Veränderungsprozess. Es zählen nicht mehr die üblichen Bestands- und Ausleihzahlen als zentrale Größen. Bücher und andere Medien spielen in Zukunft mit größter Wahrscheinlichkeit eine untergeordnete(re) Rolle. Einen möglichen Weg in die Zukunft zeigt beispielsweise die neue Bibliothek Dokk1 im dänischen Aarhus5. Dort dreht sich vieles um Kommunikation, Dienstleistungen – nicht nur bibliothekarischer Art – und um ein zeitgemäßes, attraktives Veranstaltungsprogramm: Nicht die Bücher und Medien stehen im Vordergrund, sondern es gibt ein ‚Reparatur-Café‘ und ‚Maker Spaces‘, in denen gewerkelt werden kann, Nähmaschinen stehen bereit, genauso wie 3DDrucker und Tonstudios. Das Gesundheitsamt wirbt für Workshops, eine Drohnenflugschau wird annonciert.6
Gefragt ist in Zukunft die Bibliothek als Innovationshub, in dem sich die Stadtgesellschaft trifft, austauscht und gesellschaftlich engagiert. Um dieses Ziel zu erreichen, können Bibliotheken z. B. einen Dialograum mit aktuellen Themen für die Stadtgesellschaft schaffen. Sie sind gefordert, eine strategische Themensetzung für die Stadtgesellschaft zu entwickeln, diese in einem systematischen Ansatz in das gesamte Aufgabenportfolio zu implementieren und über Content-Marketing vor Ort transparent erlebbar zu machen. Content-Marketing bietet dabei als Kommunikationsinstrument zur Erschließung neuer Zielgruppen einen Mehrwert über informative, beratende oder unterhaltende Inhalte. Die Unverzichtbarkeit einer öffentlichen Bibliothek in der städtischen Bildungs- und Kulturlandschaft wird dadurch offensichtlich. ContentMarketing stiftet Nutzen und unterstreicht die Notwendigkeit der Bibliotheken in einer digitalen Welt vor Ort.
4 Schade 2016, S. 271. 5 Vgl. Dokk1 2018. 6 Strauss 2015.
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1 Die Ausgangslage öffentlicher Bibliotheken ist günstig Öffentliche Bibliotheken sind ein Knotenpunkt mit niedrigschwelligem Zugang zur Bildungslandschaft. Sie sind durch ihre Tradition, ihre Kernaufgaben, ihre Bereitstellung von Zugang zu Wissen in attraktiven Innenstadtlagen geradezu prädestiniert, in der kommunalen Bildungs- und Kulturlandschaft die Themensetzung zu prägen und voranzutreiben.
1.1 Im Trend: Sharing Economy in Bibliotheken Das Verleihen von Medien ist durch den Trend zur Sharing Economy moderner denn je. Um Güter und Dienstleistungen zu nutzen, muss man sie nicht mehr besitzen. Nach dem amerikanischen Ökonomen und Soziologen Jeremy Rifkin geht es heute weniger um das individuelle Eigentum an Konsum- und Investitionsgütern, sondern der rasche und einfache Zugang ist entscheidend.7 Autos, Fahrräder, Handtaschen und Jeans werden heute gemietet und geteilt.8 Bücher zu teilen bzw. zu leihen ist erlernt. Medien werden einerseits von der Bibliothek zum Nutzer verliehen, andererseits tauschen auch die Bibliotheken untereinander ihre Medien aus. Bibliotheken liegen im Zeitgeist des Wandels von der Eigentums- zur Besitzgesellschaft. Damit sind Bibliotheken und ihr Auftrag, Zugang zu Medien zu verschaffen, positiv konnotiert.
1.2 Begehrte Innenstadtlagen Bibliotheken sind dort, wo sich Menschen treffen und Dialog stattfindet, nämlich in der Stadtmitte, hübsch und ansprechend eingerichtet. Es kommen jeden Tag Tausende Menschen freiwillig und ohne Konsumzwang in die Bibliotheken mitten in der Stadt. Menschen sehnen sich nach Orten im Zentrum einer Stadt, wo sie sich aufhalten, entspannen und wo sie genussvoll flanieren können. Bibliotheken sind die bildungs- und gesellschaftspolitischen Alternativen zu den eingehausten Einkaufszentren privater Investoren. Sie sind Treffpunkt im Stadtzentrum, wo absichtsvolles und absichtsloses Zusammentreffen unterschiedlichster Bevölkerungsgruppen möglich ist: In Vierteln, in denen überwiegend Immigranten leben, sind öffentliche Bibliotheken heute beliebter und wichtiger denn je. Sie sind in der Post-Buch-Ära faktisch Zentren der Integration
7 Vgl. Rifkin 2000, S. 154 f. 8 Vgl. Böpple 2013.
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und Inklusion geworden: Hier kommen Menschen zusammen und nutzen diese wichtige öffentliche Einrichtungen, um die Netzwerke aufzubauen und die Kontakte zu knüpfen, die man benötigt, um auch Eingang in die übrigen Gemeinschaften der Stadt zu finden.9
1.3 Attraktive Zielgruppen mit hohen Reichweiten, analog und digital Öffentliche Bibliotheken verfügen über große Reichweiten quer durch alle Gesellschaftsschichten, Alterskohorten und Geschlechter. Viele öffentliche Großstadtbibliotheken können es quantitativ gut mit der in Deutschland beliebtesten Sportart aufnehmen: dem Fußball.10 Kamen 2014 beispielsweise 672 560 Zuschauer zum 1. FCN in die Zweite Bundesliga ins Nürnberger Fußballstadion, verbucht die Stadtbibliothek Nürnberg im gleichen Zeitraum einen Besucherzustrom von einer Million Besuchern an knapp 300 Öffnungstagen im Jahr. Der Unterschied: Die Zielgruppen sind heterogener und bilden teilweise den Querschnitt der Bevölkerung breiter ab als bei Sportveranstaltungen.11 Aber nicht nur durch eine hohe Besucherzahl vor Ort sind die Bibliotheken reichweitenstark. Sie können durch ihre hohen digitalen Zugriffsraten über ihre Websites und Social-Media-Seiten Themen in der Stadtgesellschaft prägen.12
2 Besucherentwicklung in Bibliotheken Seit geraumer Zeit wird in der Kultur- und Kunstwelt das Thema Besucherentwicklung stark diskutiert. Eingeführt in den 1990er Jahren im angloamerikanischen Raum, steht im Mittelpunkt die Frage, wie Kultureinrichtungen zu ihrem Publikum – insbesondere zu bislang nicht erreichten Zielgruppen – kommen. Beim Audience Development [...] geht es um das Publikum bzw. das potentielle Publikum für Kunst und Kultur, es geht um die Rezipienten und die Nutzer. Für öffentliche Kulturinstitutionen und Kulturpolitik war das KulturPublikum lange von untergeordneter Bedeutung. Auch war es kaum Gegenstand von wissenschaftlicher Forschung.13
Besucherentwicklung ist aber nur möglich, wenn die angebotenen Inhalte für die jeweiligen Zielgruppen Relevanz haben. Bereits 1996 stellte Microsoft-Gründer Bill Gates fest: „Content is king“14. Bibliotheken haben täglich unmittelbaren Kontakt zu
9 Saunders 2016, S. 35. 10 Vgl. Kamm-Schuberth 2016a, S. 23. 11 Vgl. ebd. 12 Vgl. Kamm-Schuberth 2016b, S. 18. 13 Mandel o. J. 14 Craig 2010.
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ihren Besuchern, sodass Feedback unmittelbar möglich bzw. gegeben ist. Was jedoch häufig fehlt, ist die Konsequenz, die Erkenntnisse strategisch in die eigene Arbeit und systematisch in das Angebotsportfolio einzuarbeiten. Managementmodelle helfen hier, geplante und zielorientierte Prozesse aus Kundensicht und als Querschnittsthema für die Gesamtorganisation anzugehen. Bei der strategischen Themensetzung empfiehlt es sich, über ein partizipatives Prozessmodell nachzudenken, das mit analogen und/oder digitalen Instrumenten arbeitet.
3 Ein partizipatives Prozessmodell zur Themensetzung durch öffentliche Bibliotheken Das partizipative Prozessmodell zur Themensetzung geht von drei aufeinanderfolgenden Teilprozessen aus (s. Abb. 1). In der Themenanalyse werden zunächst die relevanten Themen identifiziert, die auf die Stadtgesellschaft aktuell von außen Einfluss nehmen und die die Bürger in der Stadt unmittelbar als Einzelne und/oder als Gemeinschaft tangieren. Im weiteren Verlauf der Themenanalyse werden die einzelnen Themen selektiert, bewertet und bestimmt. Der zweite Schritt des Prozessmodells sieht die systematische Implementierung der Themenstellungen im Kernangebot der Bibliothek vor. Das geschieht durch die Verankerung der Themen im Leistungsangebot der Bibliothek und im besten Fall die Übernahme der Steuerungsfunktion für das festgelegte Themenfeld in der Stadtgesellschaft. Im dritten Schritt geht es letztlich um die Verbreitung der Themen in der Stadtgesellschaft über digitale und analoge Kommunikationsinstrumente. Das Prozessmodell sieht vor, dass bei allen Schritten die Bürgerschaft zunehmend partizipativ an dem Themensetzungsprozess beteiligt wird. Ziel sollte sein, die Bürgerschaft zu animieren, die Bibliothek und ihre Dienstleistungen „in Besitz“ zu nehmen.
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Schritt 3: Schritt 2: Schritt 1:
Themen penetrieren
Themen implementieren
Themen analysieren, bewerten, festlegen
Zunehmende Partizipation der Bürgerinnen und Bürger
Abb. 1: Partizipatives Prozessmodell zur nachhaltigen Setzung von Themen in der Stadtgesellschaft durch öffentliche Bibliotheken
4 Die Themen analysieren, segmentieren, bewerten und festlegen Das partizipative Prozessmodell zur Themensetzung lässt sich im ersten Schritt in die Analyse der Themen, die Themenselektion und die Themenfestsetzung unterteilen.
4.1 Prozessschritt eins im Überblick Geübt im analogen und digitalen Bestandsmanagement, wissen Bibliothekare zwar, welche Medien in der Stadtgesellschaft gelesen werden und über welche Thematik nachgedacht wird. Doch reicht diese Kenntnis allein nicht aus. Eine systematische Analyse, Selektion und Bewertung der Themen ist unerlässlich. Abb. 2 gibt einen Überblick über den Einsatz von analogen und digitalen Instrumenten im Themenfindungsprozess.
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Themen analysieren
Analoge Analysen
Digitale Analysen (Medienresonanz, Suchmaschinen etc.)
Themen selektieren und bewerten
Panel (persönliche Interviews etc.)
Panel Online-Umfrage
Themen festlegen
Veranstaltungen (z.B. World Café, Fish Bowl etc. )
Voting
Ergebnis
Steigende Partizipation im Prozessverlauf mit analogem und digitalem Toolmix Abb. 2: Überblick über den Prozess der Themenfindung durch den Einsatz analoger und digitaler Tools
4.2 Frühe Partizipation der Rezipienten sichert Erfolg Es empfiehlt sich, bereits im ersten Prozessschritt – bei der Analyse, Selektion und Festlegung der Themen – über eine sukzessive Teilhabe der Bürgerschaft oder zumindest der Meinungsführer nachzudenken. Die Analyse selbst kann bibliotheksintern im Team erfolgen. Über digitales Monitoring lassen sich Trends ermitteln und Trendsowie Themencluster bilden. Medienresonanzanalysen oder Suchmaschinen wie Google, Bing, Yahoo etc. helfen hier durch Nutzung von Keyword-Analyse und Keyword-Ranking weiter. In Deutschland laufen 95 Prozent der Online-Suchanfragen über Google.15
Google bildet die Wirklichkeit ab. [...] Diese Suchen wiederum bedeuten nichts anderes als die Nachfrage nach bestimmten Themen und somit oft – direkt oder indirekt – auch nach Produkten. Die Suchmaschine weiß also, wonach die Menschen suchen und sammelt und speichert diese Daten in einer Datenbank.16
15 Vgl. Geisler 2017. 16 Ebd.
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Neben der Keyword-Analyse gibt es eine steigende Anzahl von digitalen Tools, um Themenstellungen in Erfahrung zu bringen. Sie reichen von der internen WebsiteAnalyse über Google Analytics bis zu Buzzsumo.17 Spätestens in der Selektionsphase sollte die Mitwirkung von Akteuren, z. B. Meinungsführern, der Stadtgesellschaft erfolgen. Als Meinungsführer im kommunalen Umfeld sind vor allem Vertreter von Volkshochschulen, Presseinstitutionen, kirchlichen und gewerkschaftlichen Weiterbildungseinrichtungen, Schulen, Kindertagesstätten, Universitäten und weiteren Hochschulen, aber auch von Industrie- und Handelskammern, Theatern, Migrantenvereinen usw. zu nennen. Eine Möglichkeit zur Bewältigung der Vielfalt der Akteure ist die Bildung eines Panels von Meinungsmittlern, die die verschiedenen Themen bewerten und priorisieren. Das Panel kann über persönliche Gespräche, Telefoninterviews oder Online-Befragungen bedient werden, wobei ein Mix der Instrumente empfehlenswert ist, um ein quantitatives Ergebnis qualitativ zu präzisieren. Statistisch und quantitativ am besten auswertbare und verwertbare Resultate lassen sich durch schriftliche Befragungen erzielen, wobei der Online-Befragung eine immer größere Bedeutung zukommt. Qualitative Ergebnisse ergeben sich vor allem aus persönlichen Gesprächen und Telefoninterviews, wobei insbesondere Kommentaren und Zwischenbemerkungen eine hohe Bedeutung zukommt.
Aber auch in der frühen Phase der Themenfindung kann bereits eine breite Beteiligung der Bevölkerung – z. B. durch offene Denkfabriken und Workshops – erreicht werden. Darüber erfahren die Bibliotheken von den Interessen und Bedürfnissen der Bürger. Eine Themensetzung durch die Bevölkerung ist die beste Garantie für ihre Relevanz. Im analogen Veranstaltungsbereich helfen Großgruppenformate wie WorldCafé, Barcamp oder Fish Bowl o.Ä. weiter.18 Man kann aber über eine digitale Partizipation mittels interaktiver Tools, wie Blogs, Instagram Walks oder PodcastWettbewerbe organisieren. Beispielsweise können über einen crossmedial beworbenen Instagram Walk „Was bewegt unsere Stadt?“ über Bilderwelten die aktuellen Themen in der Stadtgesellschaft fokussiert werden. Um Mitmach-Anreize zu generieren, kann der Instagram-Wettbewerb mit zielgruppenspezifischen materiellen und immateriellen Preisen hinterlegt werden. Nach Abschluss der Prüfungs- und Screeningschritte werden die Kernthemen und Botschaften im Team und/oder durch einen Themenkurator abschließend festgelegt und ggf. durch die Entscheidungsträger determiniert. Die Themenstellungen gilt es nun im zweiten Prozessschritt systematisch in der Bibliothek und mit/bei möglichen Kooperationspartnern zu platzieren.
17 Buzzsumo ist ein kostenpflichtiges Online-Recherche-Tool zur Ermittlung aktueller Themenstellungen (z. B. häufig geteilte Posts u.v.m.) s. http://buzzsumo.com/ (2018.07.27). 18 Vgl. Seliger 2015.
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5 Themen systematisch implementieren Beim Prozessschritt der systematischen Implementierung steht im Vordergrund, wie die erarbeiteten Themenstellungen unmittelbar und mittelbar über Kooperationspartner in das System „Bibliothek“ integriert werden können.
5.1 Verankerung im Leistungsangebot Unabdingbar ist im ersten Implementierungsschritt, die gesetzten Themenstellungen in das unmittelbare Leistungsangebot der Bibliothek zu integrieren. Z. B. sollten die Medien zu den verschiedenen Themendossiers im analogen und digitalen Bestand der Bibliothek verfügbar und in der Bibliothek gut sichtbar sein. Peinlich und kontraproduktiv ist es, wenn Themen in die Öffentlichkeit gespielt werden und Kunden in der Bibliothek dann vergebens nach aktuellen und umfangreichen Medien zum beworbenen Thema suchen. Die Erstellung z. B. von Linklisten und Thementischen ist weiterhin als Basisangebot unerlässlich. Zusätzlich können Führungen, Ausstellungen, Schulungen oder Leseförderungsaktionen, Gaming-Aktivitäten und Maker Spaces usw. die Themenpräsentationen vervollständigen. Verfügt die öffentliche Bibliothek über eine Spezialbibliothek wie z. B. eine historisch-wissenschaftliche Sammlung, sollte diese in das Vorhaben integriert werden.
5.2 Veranstaltungsmanagement als Kern der Themenimplementierung Veranstaltungen gehören zu den wichtigsten Instrumenten, um gesetzte Themen in der Stadtgesellschaft zu verankern. Sie bringen Menschen real und virtuell zusammen; es wird informiert, diskutiert, und die verschiedenen Bevölkerungsgruppen kommen miteinander in Kontakt. Öffentliche Bibliotheken können daher ein Knotenpunkt für Veranstaltungen im Koordinatensystem der Kommune sein. Sie können Veranstaltungen in Eigenregie konzipieren und als Veranstalter auftreten. Sie können aber auch ihre Räumlichkeiten und ihr Know-how anderen Veranstaltern zur Verfügung stellen. Idealerweise geht die Netzwerkfunktion so weit, dass die Bibliotheken ihre Bürger ermutigen und sie dabei unterstützen, z. B. im privaten Umfeld der Bürger Literaturveranstaltungen durchzuführen, um so das bürgerliche Engagement und den Salongedanken zu stärken. Die Bibliothek verbleibt trotz externer Veranstaltungskreation und -durchführung und/oder räumlicher Auslagerung der Veranstaltungen der Knotenpunkt, der die Themen steuert, differenziert und weiterentwickelt. Die Bibliotheken werden dadurch zu einem unverzichtbaren Innovations- und Inspirationshub für die Stadtgesellschaft.
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5.3 Mit Buyer Persona zielgruppengerechte Veranstaltungen konzipieren Veranstaltungsmanagement ist keine leichte Sache. Auch wenn Themen für Zielgruppen relevant sind, ist dies noch keine Garantie für erfolgreiche Veranstaltungen. Veranstaltungsformate folgen den Inhalten und den Zielgruppen. Passende Veranstaltungen für die Kunden zu konzipieren setzt voraus, die Kunden hinreichend zu kennen. Wie bereits in Kap. 2 über das Thema Audience Development erwähnt, ist eine präzise Zielgruppenkenntnis und -ansprache bis dato nur bedingt im Fokus vieler Kultur- und Bildungseinrichtungen – auch wenn genügend „Bauchgefühl“ vorhanden ist, um den Kunden zu charakterisieren und seine möglichen Entscheidungen zu prognostizieren. Zielgruppen können jedoch sehr konkret anhand von sogenannten (Buyer) Personas beschrieben werden. Bei einer (Buyer) Persona handelt es sich um eine fiktive Persönlichkeit innerhalb einer Zielgruppe. Die Person wird durch Namen, Verortung in einem Stadtteil, beruflichen Hintergrund, demografische Daten, Kommunikationsverhalten, Ziele, Herausforderungen und Einwände möglichst exakt beschrieben. Damit werden Kunden aus ihrer Anonymität herausgeholt. Sie erhalten ein konkretes Gesicht. Im Gegensatz zu abstrakten Datenansätzen helfen (Buyer) Personas, Empathie für Zielgruppen zu entwickeln und sich in ihre Lage zu versetzen. Der Veranstalter kann durch die (Buyer) Persona die Adressaten seiner Veranstaltung zielgenau konzipieren: Inhalt, Format, Ort, Zeitfenster, Preis- und Servicevorstellungen können konkret dargestellt werden. Beispiel: Für einen karrierebewussten jungen Mann namens Nico im Alter von 32 Jahren mit zwei Kleinkindern und einem überdurchschnittlichen Nettoeinkommen, der sich nur digital über Social Media informiert, braucht man ein anderes Veranstaltungsangebot als für die ältere literaturaffine Erika mit 73 Jahren, die über viel Tagesfreizeit verfügt und sich vor allem über die örtliche Tageszeitung oder für sie wichtige WhatsApp-Gruppen informiert. Kunden werden nur dann die Veranstaltung besuchen, wenn diese für sie interessant und relevant ist und das Marketing über den richtigen Kommunikationskanal und in der entsprechenden Tonalität erfolgt. So reicht es heute bei Veranstaltungen z. B. nicht mehr aus, diese ausschließlich vor Ort in der Bibliothek durchzuführen. Ein Livestream mit Dialogangeboten im Netz – z. B. über Twitter oder/und Bewertungsfunktion über Social Media – wird teilweise schon als selbstverständlich angesehen.
6 Die Themen über Content-Marketing platzieren Die beste Veranstaltung nützt nichts, wenn sie in der Stadtgesellschaft nicht hinreichend bekannt ist. Die Auslage von Flyern, Pressemitteilungen, die Veröffentlichung auf der Homepage sowie Veranstaltungsportalen, Plakate und Anzeigen reichen in Zukunft nicht mehr aus, um das beabsichtigte Zielpublikum zu erreichen.
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Die alleinige Gatekeeper-Rolle haben Journalisten längst verloren. Das Aussterben klassischer Medien trägt zu dieser Entwicklung bei. Durch Corporate Publishing und Social Media sind Unternehmen selbst in der Lage, die Öffentlichkeit zu informieren und mit ihren Zielgruppen in Dialog zu treten.19
Über Erfolg oder Misserfolg bei der Themenumsetzung in der Stadtgesellschaft entscheiden die Inhalte, die Kommunikationskanäle und die Nutzer, beispielsweise im Influencer Marketing20 selbst. Die Verbreitung von Themeninhalten über ContentMarketing zeigt den Weg in die Zukunft. Content Marketing zielt darauf ab, durch die Bereitstellung von hochwertigem und relevantem Content neue Zielgruppen zu erschließen. Die Inhalte müssen der Buyer Persona in der Zielgruppe einen Nutzen und Mehrwert bieten. Sie können zum Beispiel informativ, beratend, unterhaltsam oder emotional sein. Zu den verbreiteten Formaten im Content Marketing zählen Texte, Bilder, Videos, Infografiken, Podcasts, Studien und Umfragen.21
Content-Marketing ist keine Erfindung der Gegenwart. Im deutschen Sprachraum setzte August Oetker Maßstäbe, als er 1891 als Apotheker das Backpulver Backin auf den Markt brachte. Das Backpulver wurde in kleine Tütchen verpackt und diese auf der Rückseite mit Rezepten versehen. Die Rezepte waren und sind ein echter Mehrwert. Content-Marketing ist nicht zu verwechseln mit Werbung. Werbung will das Angebot positiv darstellen und ist primär darauf ausgerichtet, den Rezipienten zum Kauf eines Gutes oder einer Dienstleistung zu bewegen. Dagegen steht beim ContentMarketing nicht die eigene Einrichtung oder deren Angebot im Vordergrund. Durch hochwertige Inhalte soll langfristig ein Vertrauensverhältnis bei Kunden und potenziellen Kunden entstehen. Beim Content-Marketing „sollen dem Publikum nützliche Inhalte geboten und mit diesen in erster Linie aktiv zur Interaktion angeregt werden“22. Das inhaltliche Konzept sollte sich wie bei jeder Profilierung auf wenige Themenschwerpunkte konzentrieren, um klar und deutlich bei der Buyer Persona anzukommen. Die Inhalte sind mediengerecht und crossmedial zu konzipieren. Insbesondere der Dialog mit dem Interessenten steht im Vordergrund. Nicht zuletzt deshalb sind Online-Medien das Mittel erster Wahl bei Content-Marketing-Formaten, wenngleich es auch sehr funktionsfähige analoge Formate gibt. Nach Mirko Lange braucht man „eine ‚holistische Sicht‘ über alle möglichen ‚Touch Points‘“23. Dies bedeutet, dass die Kommunikatoren die Berührungs- und Interaktionspunkte des Unterneh-
19 Geisel 2012. 20 Influencer Marketing ist die digitale Weiterempfehlung eines Produktes oder einer Dienstleistung durch Kunden gegen Bezahlung. Die digitale Mundpropaganda greift auf die Reputation reichweitenstarker Akteure zu, die über Blogs, Foren, Social Media das anvisierte Zielpublikum erreichen. 21 Gründerszene 2017. 22 Ebd. 23 Vgl. Lange o. J.
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mens mit dem Kunden im Auge haben. Daraus ableitend können die Marketingverantwortlichen sich aller zur Verfügung stehenden Möglichkeiten bedienen. Lange unterscheidet vier Content-Arten mit jeweils vier Schnittstellen innerhalb der ContentArten. Es stehen somit vier unmittelbare Hebel im strategischen Content-Marketing zur Verfügung: – Mit Paid Content kauft man sich gezielt Werbeplätze ein und hat – ähnlich wie beim Owned Content – die volle Kontrolle über die Inhalte. – Beim Owned Content generiert und platziert der Kommunikator den Content z. B. über Corporate Publishing selbst. – Social Content entsteht in Zusammenarbeit mit der Öffentlichkeit und man gestaltet die öffentliche Debatte, z. B. durch Veranstaltungen oder Social-MediaAktionen. Eine Themensteuerung ist nur bedingt möglich. Sie kann höchstens moderiert werden. – Über geschickte redaktionelle Public-Relations-Aktivitäten erhält man Earned Content, den man sich „verdienen“ muss. Earned Content hat den Vorteil einer hohen Glaubwürdigkeit gepaart mit einer hohen Akzeptanz und den Nachteil mangelnder eigener Kontrolle über die veröffentlichten Inhalte.
Insbesondere Bibliotheken können im Vergleich zu anderen Akteuren in der Stadtgesellschaft über geschickte Themensetzung an der Schnittstelle zwischen Social und Owned Content einen Dialog entfachen. An der Schnittstelle zwischen Social und Earned Content können sie durch Journalisten und Blogger in der Kommune die fixierten Themen ohne unmittelbares eigenes Zutun setzen. Gerade die Weiterempfehlungsfunktion durch Dialog und Beratung kombiniert mit Suchmaschinenoptimierung (Search Engine Optimisation, SEO) generiert Reichweite und Glaubwürdigkeit, die mit vergleichbarem Mitteleinsatz analog nicht in dem Umfang erreicht werden können. Eine Content-Marketing-Strategie ist aus der Bibliotheksstrategie abzuleiten und muss zum Markenkern passen. Und wie immer bei der Kommunikation sind auch beim Content-Marketing Nachhaltigkeit und Kontinuität wichtige Erfolgsfaktoren. Als Best-Practice-Beispiel sei hier die gesellschaftspolitische Aufgabe der Integration von Geflüchteten in die Stadtgesellschaft und ihrer Alphabetisierung durch öffentliche Bibliotheken angeführt. Bibliotheken können in diesem Themenfeld der Knotenpunkt in den Kommunen sein. Sie bieten eine Vielzahl von Aktivitäten für Geflüchtete und deren Betreuer. Letztlich sind die Bibliotheken auch ein wichtiges Bindeglied zur Aufnahmegesellschaft. Denn gerade in den Bibliotheken treffen die beiden Bevölkerungsgruppen bewusst oder unbewusst aufeinander. Mit Leseförderungsaktivitäten, Mentorenprogrammen, mehrsprachigen Bibliotheksführungen, Autorenlesungen, Vortrags- und Schulungsveranstaltungen für Geflüchtete, Helfer, Mentoren und die Bürgerschaft wird über Corporate Publishing, z. B. durch Websites, Printprodukte u.v.m., Owned Content zu Social Content und letztendlich zu Earned Content. Durch SEO-optimierte Presse- und Blogveröffentlichungen kommt in
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der Stadtgesellschaft ein Dialog in Gang, der von den öffentlichen Bibliotheken initiiert, akzentuiert und moderiert wird.
Fazit Es bleibt festzuhalten, dass öffentliche Bibliotheken durch strategisches Management Themen in der Stadtgesellschaft nachhaltig setzen können und die nachhaltige Themensetzung ein wichtiger werdender Bestandteil der Aufgabenerfüllung einer funktionierenden Bibliothek ist. Öffentliche Bibliotheken haben das Potenzial, die Akzeptanz und die Reputation, urbane Narrative in der Stadt aufzugreifen und durch ihre Gatekeeper-Funktion inhaltlich, örtlich und innovativ zu platzieren. Das Vorhandensein ausreichender finanzieller und personeller Kapazitäten ist dabei eine „conditio sine qua non“. Ohne Zweifel wird dieser Weg in die Zukunft sowohl das Berufsfeld der Bibliothekare und deren fachliche Qualifikationen verändern als auch die bisherigen Indikatoren zur Leistungs- und Erfolgsmessung einer Bibliothek infrage stellen. Aber „eine Großstadt ohne funktionierende Bibliothek gerät in einen Teufelskreis, an dessen Ende der Verfall der interkulturellen Stadtgesellschaft sowie der völlige Statusverlust als Metropole lauern“24.
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24 Rickum 2016, S. 56.
Mit öffentlichen Bibliotheken Themen in der Stadtgesellschaft nachhaltig setzen
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Johannes Neuer
E-Mail-Marketing Abstract: Im Zeitalter von sozialen Medien ist E-Mail-Marketing nach wie vor eine der ertragreichsten Formen des Online-Marketings, die von Unternehmen und Organisationen aller Größen und Ausrichtungen praktiziert wird. Johannes Neuer erörtert in diesem Beitrag die Grundlagen dieses Kanals und präsentiert neben bewährten Methoden, wie zum Beispiel dem Versand von E-Mail-Newslettern, moderne Anwendungen des Dialog-Marketings, wie zum Beispiel E-Mail-Marketing-Automation, Customer Journeys und Lebenszyklus-Kampagnen. Neuer belegt seine Ausführungen mit einschlägiger Literatur aus dem deutschen Sprachraum und repräsentativen Studien zur Marktsituation. Er ergänzt diese mit praktischen Beispielen aus seiner langjährigen Erfahrung im Informationsmarketing als leitender Angestellter in der Communications-und-Marketing- sowie der Customer-Experience-Abteilung der New York Public Library, wo er erfolgreiche E-Mail-, Social-Media- und Customer-Experience-Programme aufgebaut hat.
Einleitung E-Mail ist eine der ältesten und verbreitetsten Formen der Online-Kommunikation. 2016 haben 84 Prozent der deutschen Bevölkerung das Internet für das Versenden und Empfangen von E-Mails genutzt.1 E-Mails werden bis heute von vielen Unternehmen als effizientes Kommunikationsmedium eingestuft, weil sie die Möglichkeit bieten, Zielpersonen individuell anzusprechen.2 E-Mail-Marketing hat sich über die letzten Jahrzehnte weiterentwickelt und ist nun ein etabliertes und komplexes Marketinginstrument. Früher reichte es, in regelmäßigen Abständen einen Newsletter gleichzeitig an alle Zielgruppen zu verschicken. Heute vollzieht sich in der Online-Kommunikation eine schnelle Entwicklung vom One-to-Many- hin zum One-to-One-Marketing (Individualmarketing).3 Diese bis heute andauernde Relevanz von E-Mails begründet sich unter anderem damit, dass E-Mails durch geringe Kosten, hohe Reichweiten sowie direkte Steuerund Messbarkeit einen hervorragenden Return on Investment (ROI) bieten. Für den Empfänger besteht der Vorteil darin, dass Informationen von Absendern seines Vertrauens einfach erhalten werden können. Des Weiteren ist bei fast allen OnlineAnwendungen die E-Mail-Adresse das primäre Identifikationsmittel.4 Dies trifft zum
1 2 3 4
Vgl. Eurostat o. J. Vgl. Kreutzer 2014, S. 289. Vgl. Strzyzewski 2014, S. 23. Vgl. ebd., S. 5.
https://doi.org/10.1515/9783110539011-033
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Beispiel auch auf viele soziale Netzwerke zu, die E-Mail-Bestätigungen zur Verifizierung von neuen Nutzern und Angeboten versenden. Einem umfassenden Einsatz von E-Mail-Marketing stehen aber auch hemmende Sachverhalte entgegen: Gefordert ist eine Auseinandersetzung mit den rechtlichen Rahmenbedingungen. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU regelt in Artikel 7, dass vor der Kontaktaufnahme die ausdrückliche Genehmigung (Permission) des Kunden eingeholt werden muss.5 Deshalb wird E-Mail-Marketing auch dem sogenannten Permission-Marketing zugeordnet, einem Konzept, das von Seth Godin 1999 in seinem gleichnamigen Buch eingeführt wurde.6 Hinzu kommt, dass durch die Entwicklung von sozialen Netzwerken und von Messenger-Diensten, wie zum Beispiel WhatsApp, die E-Mail-Kommunikation insbesondere bei jüngeren Zielgruppen abnimmt.7 Darüber hinaus bringen E-Mails auch eine zunehmende Flut an unerwünschten sogenannten Spam-Nachrichten mit sich, die bei Internetnutzern auf immer größeren Widerstand stoßen.8 Darunter ist auch eine zunehmende Anzahl an Phishing- oder Ransomware-E-Mails, die für Personen, die den dort angegebenen Links folgen, große finanzielle Einbußen bringen und sicherheitsrelevante Folgen haben können.
1 Rechtliche Grundlagen für das E-Mail-Marketing Marketing über E-Mail ist laut DSGVO nur dann rechtlich zulässig, wenn vom jeweiligen Empfänger ein ausdrückliches Einverständnis (Opt-in) erteilt wurde oder wenn der in § 7 Abs. 3 UWG9 beschriebene Ausnahmetatbestand vorliegt, nach dem unter den dort ausgeführten engen Voraussetzungen der Versand solcher Mails an Bestandskunden als zumutbar betrachtet wird. Dies ist u. a. dann der Fall, wenn die E-Mail-Adresse im Zusammenhang mit dem Verkauf von Waren oder Dienstleistungen erfasst wurde und es sich bei der in den E-Mails enthaltenen Werbung um ähnliche Produkte und Leistungen des Anbieters handelt. Außerdem ist es erforderlich, dass dem Empfang solcher Werbung jederzeit widersprochen werden kann.10 Wenn die Einwilligung des Empfängers elektronisch eingeholt wird, ist das sogenannte DoubleOpt-in-Verfahren erforderlich.11 In diesem Verfahren wird dem Interessenten eine E-Mail mit Bestätigungslink geschickt, der angeklickt werden muss, um den Anmeldeprozess erfolgreich abzuschließen. Dieser Schritt verhindert, dass beliebige Personen
5 Vgl. Europäisches Parlament, Europäischer Rat 2016. 6 Vgl. Godin 1999, S. 20. 7 Vgl. Kreutzer 2014, S. 289–290. 8 Vgl. ebd., S. 290. 9 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. 10 Vgl. Kreutzer 2014, S. 535–536. 11 Vgl. ebd.
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Dritte ohne deren Wissen auf E-Mail-Verteilern eintragen können. Die Einwilligung gilt, bis der Abonnent ihr widerspricht. Auf der Grundlage der DSGVO kann der Empfänger jederzeit auch der Verwendung von personenbezogenen Daten widersprechen.12 Alle im Rahmen des E-Mail-Marketings versandten Nachrichten sollten daher einen gut erkennbaren Link zum Abbestellen enthalten. Moderne E-Mail-Dienste und -Programme haben in den letzten Jahren diese Verweise fest in ihr User Interface integriert, um ein Abbestellen weiter zu vereinfachen. Die eingangs erwähnten SpamE-Mails, die ohne Einwilligung des Empfängers versandt werden, sind grundsätzlich verboten.13 Allerdings sind die Verantwortlichen dieser Spams meistens nicht oder nur schwer ausfindig zu machen, da sie häufig im Ausland ihren Sitz haben und Mechanismen verwenden, die die Rückverfolgung dieser Mails fast unmöglich machen.
2 Erfassung von E-Mail-Adressen Einrichtungen, die einen E-Mail-Verteiler aufbauen oder pflegen, ist zu empfehlen, jeden Kontaktpunkt – sogenannte Touchpoints – mit Interessierten und Kunden zu nutzen, um entweder eine E-Mail-Adresse zu gewinnen oder das Benutzerprofil eines Abonnenten weiter auszubauen.14 Der Neuerwerb von E-Mail-Adressen ist für den Erhalt eines Verteilers unbedingt nötig, da ein Unternehmen im Durchschnitt 15 bis 30 Prozent der aktiven E-MailAdressen durch Abmeldungen, Bounces15 und Spam-Blocker verliert.16 Am einfachsten gestaltet sich die Gewinnung von neuen E-Mail-Abonnenten online, z. B. durch Formulare auf der Homepage, Nutzerausweisanträge, Anmeldung zu Veranstaltungen, Games und Umfragen. E-Mail-Adressen im stationären Geschäft, am Telefon oder auf sozialen Netzwerken zu erfassen ist dagegen viel schwieriger.17 Das liegt zum einen daran, dass die Erhebung von E-Mail-Adressen offline zeitaufwendiger ist, wenn diese erst auf Formularen notiert und dann von Mitarbeitern händisch in das System eingepflegt werden müssen. Zum anderen sehen Nutzer von sozialen Medien oft wenig Mehrwert darin, die Kommunikation auf einen von ihnen nicht bevorzugten zweiten Kanal auszuweiten.
12 Vgl. Europäisches Parlament, Europäischer Rat 2016. 13 Vgl. Kreutzer 2014, S. 535. 14 Vgl. ebd., S. 293. 15 Ein Bounce ist eine Fehlermeldung, die von einem Mailserver automatisch erzeugt wird, wenn eine E-Mail nicht zugestellt werden kann. 16 Vgl. Strzyzewski 2014, S. 5. 17 Vgl. Kreutzer 2014, S. 293.
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Der Grundsatz der Datenminimierung in Artikel 5 der DSGVO verlangt, dass nur Daten erhoben werden, die für die Nutzung des angefragten Dienstes wirklich notwendig sind.18 Darüber hinaus definiert Artikel 5 der DSGVO weitere Grundsätze zum Umgang mit personenbezogenen Daten. Diese beziehen sich u. a. auf die Grundsätze der Transparenz, der Zweckbindung und der Richtigkeit sowie auf die Speicherbegrenzung der Daten. Der Grundsatz der Transparenz wird in Artikel 13 und 14 DGSVO noch weiter konkretisiert. Demnach muss jeder betroffenen Person bei der Datenerhebung Auskunft über den Zweck, Empfänger, Verantwortliche der Datenerhebung, Dauer der Datenspeicherung, Maßnahmen zur Berichtigung sowie Sperrung, Löschung und Verwendung der Daten gegeben werden.19 Bei E-Mail-Newslettern z. B. darf zunächst nur die E-Mail-Adresse gefordert werden, alle anderen Angaben müssen freiwillig sein.20 Diese ergänzenden Angaben sind allerdings wichtig, um ein langfristig relevantes und interessantes E-Mail-Marketing-Programm aufzubauen.21 Für Organisationen im kulturellen Bereich sind hier Angaben wie Alter, Geschlecht, Interessen sowie bevorzugte Veranstaltungsformate, Themen und Örtlichkeiten von großem Nutzen.
Abschließend sei noch erwähnt, dass im E-Mail-Marketing „bigger“ nicht unbedingt „better“ ist. Es ist wichtig, die Qualität der Liste zu pflegen, indem man zum Beispiel Adressen nach Inaktivität (keine E-Mail-Öffnung oder Klicks auf Links in der Mail oder dem Newsletter) aus dem Verteiler nimmt, um einerseits Kosten zu sparen und andererseits Frustration aufseiten der Empfänger zu vermeiden. Am wichtigsten ist es, durch Erfolgsmessung Konzepte und Taktiken zu entwickeln, die beim Abonnenten positive Wirkung zeigen.22
3 E-Mail-Marketing ist Content-Marketing E-Mail-Marketing ist eine Form des Content-Marketings, eine Methode, die Zielgruppen ansprechen soll, um diese direkt oder indirekt vom Leistungsangebot eines Unternehmens oder einer Marke zu überzeugen.23 Content-Marketing zielt darauf ab, Kunden mit Inhalten zu gewinnen oder/und zu halten, ohne dabei aufdringlich oder störend zu wirken.24
18 Vgl. Europäisches Parlament, Europäischer Rat 2016. 19 Vgl. ebd. 20 Vgl. Strzyzewski 2014, S. 64. 21 Vgl. ebd., S. 313. 22 Vgl. ebd., S. 43. 23 Vgl. den Beitrag „Mit öffentlichen Bibliotheken Themen in der Stadtgesellschaft nachhaltig setzen“ von Rita Kamm-Schuberth in diesem Handbuch. 24 Vgl. Lammenett 2017, S. 271.
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Content-Marketing bezeichnet vor allem im Online-Marketing und hier die Social-Media-Kommunikation die informierende, beratende und/oder unterhaltende Bereitstellung von Unternehmensinformationen in der Kundenkommunikation mit dem Ziel, dass sie sich mit den Informationen überhaupt beschäftigen und im Idealfall virale Prozesse bewirken. [...] Das ContentMarketing als ein zentrales Handlungsfeld von Marketing 4.0 steht für eine methodische Verschiebung des Marketings weg von der verkaufsorientierten Marketing-Kommunikation und hin zur Öffentlichkeitsarbeit.25
Dies ist besonders für kulturelle Einrichtungen relevant, die einen Mehrwert bieten wollen und können, um eine langfristige Kundenbindung aufzubauen und zu pflegen. Als Beispiel sei hier genannt, dass ein Newsletter einen Link zur Videoaufnahme einer vorangegangenen Lesung oder Diskussion enthält, die der Empfänger kostenlos anschauen kann und die ihn möglicherweise dazu bewegt, eine derartige Veranstaltung in Zukunft „live“ zu besuchen. Wichtig ist es, für jede Zielgruppe eigene Inhalte zu erstellen bzw. gut zu überlegen, ob mit dem gleichen Inhalt mehrere Zielgruppen erreicht werden können. Neben Videos eignen sich Texte unterschiedlicher Art, Bilder und Podcasts hervorragend, um den Mehrwert einer Einrichtung oder Marke zu kommunizieren, ohne dabei ein Produkt selbst in den Mittelpunkt zu stellen.26 Bei der Erstellung des Contents gilt es auch, die Tonalität der jeweiligen Zielgruppe anzupassen, z. B. siezt man oder duzt man. Gleiches gilt für die Wirkung von (bewegten) Bildern oder/und Texten. Insgesamt ist es wichtig, Content-Marketing als Prozess zu betrachten, der Zielgruppen über einen längeren Zeitraum mit interessanten Inhalten anspricht.27 Daher bietet es sich an, einen Redaktionsplan zu erstellen.
4 Formen des E-Mail-Marketings E-Mail-Marketing lässt sich in zwei Formen unterteilen: manuell versendete E-Mails und Trigger-E-Mails.
4.1 Manuell versendete E-Mails Bei manuell versendeten E-Mails handelt es sich um E-Mails, die in regelmäßigen oder unregelmäßigen Abständen von Mitarbeitern eines Unternehmens oder einer Organisation an eine definierte Gruppe von Abonnenten verschickt werden. Die häufigste Form von manuell versendeten Nachrichten sind E-Mail-Newsletter. Die Newsletter-
25 Springer Gabler Verlag o. J. 26 Vgl. ebd. 27 Vgl. Kreutzer 2014, S. 26.
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Inhalte können für alle Abonnenten gleich sein oder durch bestimmte Profilattribute (automatisch) angepasst werden. Letzteres setzt voraus, dass Profildaten der Abonnenten vorliegen und dezidiert durch ein leistungsstarkes E-Mail-System analysiert werden. E-Mails für Kampagnen, die über einen begrenzten Zeitraum versendet werden, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, werden in vielen Fällen auch manuell versendet. Bei Kampagnen besteht das Potenzial jedoch darin, eine Erfolgssteigerung durch Marketing-Automation zu erreichen. Dies ist besonders relevant, wenn Kampagnen Abschnitte im Lebenszyklus eines Kunden begleiten, dadurch wiederholbar sind und auf alle Kunden mit ähnlichem Profil angewendet werden können.
4.2 Trigger-E-Mails Trigger-E-Mails sind E-Mails, die an einzelne Personen durch automatisierte Vorgänge versendet werden, wenn ein sogenanntes Trigger-Event vorliegt. Trigger-Events setzen ein bestimmtes Ereignis voraus, das den Impuls für das Versenden der E-Mail gibt. Als Beispiele sind hier Willkommensnachrichten, Bestellungsbestätigungen, Versandbestätigungen, Rückgabeerinnerungen und ähnliche Kommunikationsformen zu nennen. Das Trigger-Event kann entweder durch den Benutzer selbst, zum Beispiel durch das Abschicken eines Online-Formulars, oder algorithmisch vom E-Mail- oder Customer-Relationship-Management-System (CRM) durch die Erfüllung einer bestimmten Logik, zum Beispiel den Geburtstag eines Kunden, ausgelöst werden. Bei TriggerE-Mails sind Inhalte zumeist genau auf den Empfänger zugeschnitten und personalisiert, was eine Profilierung des Empfängers durch einen soliden Datensatz (z. B. Datum der Kontoeröffnung, Geburtsdatum, Datum der letzten Aktivität, bevorzugte Sachgebiete und Interessen) voraussetzt.
5 E-Mail-Newsletter E-Mail-Newsletter haben zumeist das Ziel, mit Interessierten und/oder Kunden eine regelmäßige Kommunikation aufzubauen, die das Potenzial hat, eine hohe Kundenbindung zu erreichen, und zu einer intensiven Auseinandersetzung mit Inhalten und Leistungen führt.28 Für manche Einrichtungen ist ein monatlicher Newsletter ausreichend, während Online-Shops bis zu (mehrmals) täglich E-Mail-Newsletter versenden. Diese Taktik hat den Vorteil, dass E-Mails über den Tag hinaus immer wieder oben in der Inbox der Kunden auftauchen und damit den Handlungsanreiz erhöhen. Mit den meisten E-Mail-Newslettern wird versucht, einen direkten Handlungsimpuls auszulösen. Durch ansprechende Texte und Grafiken, Handlungsaufforderun-
28 Vgl. Kreutzer 2014, S. 288–289.
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gen und Links werden Abonnenten auf Internetseiten geleitet, um dort bestimmte Aktivitäten vorzunehmen,29 zum Beispiel Waren zu bestellen, Artikel zu lesen, Veranstaltungskarten zu reservieren, Videos anzuschauen und vieles mehr. Die New York Public Library (NYPL) versendet einen monatlichen Hauptnewsletter (Top Picks), vierzehntäglich jeweils einen Newsletter mit Veranstaltungshinweisen für Erwachsene (NYPL Now) und für Kinder (NYPL Kids) sowie einen wöchentlichen Newsletter mit interessanten Produkten aus dem Library Shop. Daneben gibt es noch weitere Newsletter, die sich spezifisch an verschiedene Zielgruppen richten: Forscher und Akademiker (Research Matters), Interessenten der Veranstaltungsreihe „LIVE from the NYPL“, Nutzer und Besucher des Schomburg Center for Research in Black Culture in Harlem (Schomburg Connection)30 und Nutzer und Besucher der Library for the Performing Arts auf dem Campus des Lincoln Center (LPA News).
6 Kampagnen Kampagnen sind zumeist Kommunikationsketten, die in einem begrenzten Zeitrahmen mit einem bestimmten Ziel ausgeführt werden. Kampagnen setzen eine genaue Planung und Erfolgsmessung voraus. Eine Kampagne ist ein zeitlich befristeter und thematisch fokussierter Kommunikationsprozess, der sich an eine definierte Zielgruppe richtet, um ein spezifisches Unternehmens- bzw. Kommunikationsziel zu erreichen.31 Die New York Public Library führt zwei Arten von E-Mail-Kampagnen durch: 1. Fundraising-Kampagnen, die auf eine Landing Page mit einem Spendenformular verlinkt sind. 2. Advocacy-Kampagnen, die auf eine Landing Page mit einem Petitionsformular verlinkt sind. Beide Arten von Kampagnen bestehen in der Regel aus mehreren E-Mail-Nachrichten, die an Personen im Verteiler geschickt werden, die die gewünschte Aktion noch nicht ausgeführt haben. Folgenachrichten unterscheiden sich zumeist durch eine andere, aber sehr überzeugende Betreffzeile und kurze Einleitungstexte, die einen stärkeren Handlungsaufruf beinhalten, damit die gewünschte Aktion entweder online durch Klick oder offline durch den Besuch einer Zweigstelle ausgeführt wird.
29 Vgl. Kreutzer 2014, S. 288–289. 30 Vgl. Schade 2016, S. 328 f. 31 Vgl. den Beitrag „Crossmediale Kampagnen“ von Johannes Neuer in diesem Handbuch.
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7 Marketing-Automation Trigger-E-Mails sind häufig auch Bestandteil längerfristiger, systematisierter Kommunikationsketten, die als Marketing-Automation bezeichnet werden. Die Ausführung wiederkehrender Kommunikationsaufgaben wird durch Informationstechnologie mit dem Ziel unterstützt, die Effizienz von Marketingprozessen zu steigern.32 Durch die Auswertung von Daten und die Automatisierung des Versands rücken Interessenten und Kunden zunehmend als Individuen in den Mittelpunkt der Kommunikation. Die persönliche und individualisierte Ansprache beruht auf spezifischen Informationen über die Person und ihre Beziehung zur Organisation oder zum Unternehmen.33 Daten – wie das Datum der Eröffnung des Kundenkontos bzw. der Ausstellung des Bibliotheksausweises, Geburtstag, Mitgliedschaftsjubiläen und andere Events – können hier als Trigger für E-Mails verwendet werden, die auf eine Steigerung der Kundenbindung abzielen. Automatisierte Kommunikationsketten begleiten Kunden in sogenannten Customer Journeys34, die Marketing Automation und Customer Experience miteinander verbinden.35 Dabei stellt das Customer Experience Management alle Aktivitäten eines Interessenten/Kunden in den Mittelpunkt. Dessen Bedürfnisse und Wünsche werden als Maßstab für die strategischen Entscheidungen angesehen.36 Automatisierte Kommunikationsprozesse können auch crossmedial ausgeführt werden. Ist ein Kunde zum Beispiel durch eine ungültige E-Mail-Adresse nicht mehr über diesen Kanal zu erreichen, kann die Marketing-Software automatisch eine SMS versenden, einen Anruf tätigen oder eine auf den Kunden abgestimmte Postkarte verschicken.
8 Customer Journeys und Marketing-Automation der NYPL Customer Journey bezeichnet eine Methode, die den Weg eines (potenziellen) Kunden über verschiedene Kontaktpunkte (sogenannte Touchpoints) mit einem Produkt, einer 32 Vgl. Hummel 2017, S. 177. 33 Vgl. Kreutzer 2014, S. 12. 34 Als Customer Journey bezeichnet man den Weg, dem ein Kunde/Interessent über sogenannte Kontaktpunkte mit einem Produkt, einer Marke oder einer Einrichtung folgt, bevor er eine Kaufentscheidung trifft bzw. eine Zielhandlung vollführt. Zielhandlungen können z. B. Anfragen, die Anforderung von Informationsmaterial oder Bestellungen sein. 35 Vgl. Hummel 2017, S. 184. 36 S. auch den Beitrag „Design Thinking: Agilität und Nutzer im Fokus der Arbeitswelt 4.0“ von Ivonne Preusser und den Beitrag „Usability und User Experience von Informationsdienstleistungen“ von Ulrike Spree in diesem Handbuch.
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Dienstleistung, einer Marke oder einem Unternehmen darstellt und diese Kontaktpunkte zur Kommunikation nutzt, um bestimmte Zielhandlungen bei (potenziellen) Kunden zu aktivieren. Welcome Journey Eine häufig verwendete Customer Journey ist zum Beispiel die Begrüßung von Neukunden. Die NYPL hat eine „Welcome-Serie“ entwickelt, die Neukunden in drei E-Mails über einen Zeitraum von mehreren Wochen willkommen heißt. Der Trigger ist in diesem Fall die erstmalige Ausstellung und Abholung eines Benutzerausweises. Am folgenden Morgen wird in der ersten E-Mail das große Angebot an physischen und digitalen Sammlungen, Dienstleistungen und Veranstaltungsangeboten der NYPL vorgestellt. In der zweiten E-Mail der Serie, die automatisch nach zwei Wochen zugestellt wird, werden die Kunden darauf hingewiesen, wie sie außer über E-Mail, zum Beispiel über soziale Medien, mit der Bibliothek kommunizieren können.37 Die dritte und letzte E-Mail der Serie lädt Neukunden sechs Wochen nach Erhalt des Bibliotheksausweises ein, die NYPL durch Freiwilligenarbeit oder eine Spende zu unterstützen. Dazu muss man wissen, dass die NYPL eine private Stiftung ist, die zu einem großen Teil aus Spenden mitfinanziert wird. Auch wenn es zu einem so frühen Zeitpunkt im Lebenszyklus eines Kunden noch zu keiner Spende kommt, wurde in dieser Willkommensserie doch schon der Gedanke gesät, dass die Bibliothek auf Spenden angewiesen ist, um ihre Dienstleistungen dauerhaft kostenlos anbieten zu können. Damit werden die Kunden bereits von Beginn an darauf vorbereitet, E-Mails aus Fundraising-Kampagnen zu erhalten. Conversion Journey Die NYPL erlaubt es Interessenten, den Antrag auf einen Bibliotheksausweis online auszufüllen. Um den Ausweis zu bekommen, muss der Antragsteller innerhalb von 90 Tagen in eine der 92 Einrichtungen kommen und sich ausweisen, um dann den Ausweis in Empfang zu nehmen. Als nicht verifizierter Antragsteller kann der Kunde bereits physische Medien vorbestellen. Falls der Antragsteller auf dem Formular angegeben hat, dass die NYPL per E-Mail Kontakt aufnehmen darf, wird auch hier eine automatische Conversion Journey ausgelöst, die darauf abzielt, den begonnenen Antrag zu Ende zu führen, um damit eine erfolgreiche Konversion mit dem Kunden herbeizuführen. Hat der Antragsteller nicht binnen einer Woche den Ausweis validiert und abgeholt, bekommt er die erste Erinnerung, dies in einer nahe gelegenen Bibliothek zu tun. Außerdem wird noch einmal mitgeteilt, mit welchen Dokumenten man sich ausweisen kann. Diese Erinnerung wird bei Nichtabholung drei Wochen nach Antragstellung und eine Woche vor Ablauf des 90-tägigen temporären Zugangs erneut versandt.
37 S. https://www.nypl.org/connect (Abruf: 2018.06.18).
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Renewal Journey Eine weitere wichtige Journey ist die Verlängerung einer Mitgliedschaft. Dazu hat die NYPL eine weitere automatisierte Serie entwickelt. Vier Wochen vor Ablauf des Bibliotheksausweises bekommen Kunden eine E-Mail-Nachricht, die darauf hinweist, dass der Ausweis bald abläuft, und in der erläutert wird, wie dieser einfach in einer der 92 Einrichtungen der NYPL verlängert werden kann. Weitere E-Mails mit dem gleichen Inhalt, aber Betreffzeilen mit etwas mehr Nachdruck werden jeweils zwei Wochen sowie eine Woche vor Ablauf des Ausweises verschickt, falls der Kunde eine Verlängerung noch nicht vorgenommen hat. In einem Pilotprojekt konnte nachgewiesen werden, dass bei Versenden dieser Erinnerungs-E-Mails die Ausweisverlängerungen um 45 Prozentpunkte höher sind als bei Kunden, die keine E-Mails erhielten.38
9 Redaktionsplan Allen Formen des E-Mail-Marketings sollten grundlegende Kommunikationsstrategien zugrunde liegen, die aus der Marke abgeleitet werden. Es ist zu empfehlen, dass für alle E-Mail-Newsletter, Kampagnen und Customer Journeys ein Redaktionsplan sorgfältig ausgearbeitet wird, der mit anderen Kommunikationskanälen der Einrichtung wie Social-Media-, Print- und Display-Werbung verzahnt ist. Dieser Plan sollte auch festhalten, wie viele E-Mails die verschiedenen Zielgruppen im Durchschnitt pro Tag/Woche/Monat bekommen. Damit kann einer Ermüdung der Zielgruppen vorgebeugt werden. Darüber hinaus sollten Abgabetermine, Redaktionsschlüsse, zuständige Personen, die Daten der geplanten E-Mails bzw. der Postings in den sozialen Medien sowie weitere Aspekte im Redaktionsplan festgeschrieben werden. Wichtig ist es dabei, die Zielgruppen zur richtigen Uhrzeit zu erreichen (eher am frühen Morgen, mittags oder am späten Nachmittag bzw. Abend). Zudem sollte eine Datenbank mit Bildern existieren, sodass E-Mails damit angereichert werden können.
10 Erfolgsmessung Der Erfolgsmessung jeglichen Marketings liegt eine klare Zielformulierung zugrunde. Dabei kann zwischen ökonomischen Zielen (quantitative Größen) und psychografischen Zielen (qualitative Größen) unterschieden werden. Mögliche Ziele des E-MailMarketings können die Steigerung des Umsatzes (quantitativ) oder die Verbesserung der Kundenbindung (qualitativ) darstellen.39 Innerhalb der Kommunikationsstrate-
38 Vgl. Neuer 2017, S. 12. 39 Vgl. Strzyzewski 2014, S. 24.
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gien werden diese Ziele in Maßnahmen operationalisiert, die wiederum gemessen werden können. Dabei geht es primär darum, das Ergebnis (Outcome) und nicht die Leistung (Output) zu messen. So ist ein kleiner Verteiler mit einer größeren Konversionsrate40 und mehr Umsatz einem großen Verteiler mit wenig Umsatz vorzuziehen. Klassische E-Mail-Kennzahlen,41 wie Öffnungsrate und Klickrate, sind nützlich, um eine Optimierung der Kommunikation zu erreichen. Sie sind kein Selbstzweck. Die Öffnungsrate kann durch sogenannte A/B-Tests42 feststellen, welche Absendernamen, Betreffzeilen und Preheaders (ein Kurztext, der in der Vorschau der E-Mail angezeigt wird) bei Empfängern besser dazu animieren, die E-Mail zu öffnen. Die Klickrate kann ein Indiz dafür sein, wie gut Texte, Handlungsaufrufe (Calls to Action) und das Layout den Empfänger anregen, mehr über die Angebote herauszufinden oder eine Bestellung aufzugeben. Die wichtigsten Messgrößen sind die Konversionsrate und der Umsatz. Den Umsatz kann man rechnerisch auf eine E-Mail-Adresse umlegen und daraus ableiten, welchen Wert eine E-Mail-Adresse über den gesamten Lebenszyklus eines Kunden hat. Das wiederum hilft dem Marketingpersonal einzuschätzen, wie viel man für den Erwerb einer E-Mail-Adresse an Werbekosten ausgeben kann und möchte. Wenn Content-Marketing bei der Zielsetzung im Vordergrund steht, kann man alternativ auch Größen wählen, die Einblick in den Konsum und das Teilen von Inhalten gewähren, wie zum Beispiel die Anzahl der Seitenaufrufe, die Häufigkeit geteilter Inhalte und die Verweildauer. Um diese Ergebnisse messen zu können, ist es erforderlich, dass das Verhalten von Abonnenten über die gesamte Wertschöpfungskette verfolgt werden kann. Dies setzt voraus, dass alle Links in E-Mails sogenannte Tracking-Codes enthalten, damit Analyse-Software wie Google Analytics43 oder Matomo44 erkennen kann, welcher Kampagne welche Aktionen auf der Webseite zuzuordnen sind. Diese Information sollte auch automatisch in das E-Commerce-System eingepflegt werden, um den Erfolg einer crossmedialen Kampagne effektiv messen zu können. Die Herausforderung im Informationsmarketing liegt darin, dass gängige Bibliotheksmanagement- und Discovery-Systeme auf eine solche Art der Erfolgsmessung
40 Die Konversionsrate gibt an, wie viele Besucher z. B. einer Webseite eine gewünschte Aktion ausgeführt haben. 41 Vgl. Schade 2016, S. 396 f. 42 Ein A/B-Test ist ein Verfahren, mit dessen Hilfe die Performanz z. B. einer Webseite oder eines Newsletters durch Leistungsvergleiche verbessert werden kann. Dabei werden die Reaktionen einer Gruppe A mit denen einer Gruppe B verglichen, wobei die beiden Gruppen z. B. eine Webseite mit unterschiedlichem Design präsentiert bekommen. 43 S. https://www.google.com/analytics (Abruf: 2018.06.18). 44 S. https://matomo.org (Abruf: 2018.06.18).
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bislang noch nicht bzw. kaum ausgelegt sind. Ein Tracking über Webanalyse-Systeme sollte allerdings zumindest ansatzweise erfolgen.
11 Erfolgssteigerung E-Mail-Marketing sollte einer ständigen Optimierung unterliegen. Folgende Taktiken lohnt es sich dabei einzusetzen: – Öffnet ein Abonnent die E-Mail nicht, kann der gleiche Inhalt mit neuer, attraktiverer Betreffzeile erneut versandt werden. – Öffnet der Abonnent die E-Mail, klickt jedoch keine Links an, gilt es, die Handlungsaufrufe zu verbessern. Es gilt, darüber nachzudenken, welche Botschaften für die Zielgruppe attraktiv sind. – Klickt der Abonnent einen Link an, führt die gewünschte Handlungsoption jedoch nicht aus, so sind die Anreize dafür zu verbessern. – Bricht der Abonnent die gewünschte Handlungsoption ab, können automatisch Erinnerungen verschickt werden, die zusätzliche Anreize wie zum Beispiel den Entfall von Gebühren bieten. – Schließt der Abonnent die Handlungsoption erfolgreich ab, bieten sich Cross-Selloder Upsell-Programme an, um Wiederholungskäufe zu erreichen.45 Bei CrossSell werden dem Kunden sich ergänzende Produkte bzw. Dienstleistungen verkauft, bei Upsell wird dem Kunden beim nächsten Mal ein höherwertiges Produkt angeboten.
12 E-Mail-Design Gute E-Mail-Kommunikation zeichnet sich durch klar gegliederte und übersichtliche Inhalte aus. Die Texte sind kurz und prägnant zu formulieren, denn die Kernbotschaften sollten mit wenig Scrollen präsentiert werden. Bei längeren Newslettern ist ein Inhaltsverzeichnis zu empfehlen, in dem die Überschriften der Abschnitte aufgeführt werden und die Links zu den jeweiligen Abschnitten hinterlegt sind.46 Eine E-Mail ist eine mit HTML erstellte Webseite mit Links zu Bildern und Webseiten, die verschickt wird und im E-Mail-Programm des Empfängers angezeigt wird. Im Gegensatz zum modernen Webdesign wird im E-Mail-Marketing noch immer mit HTML-Tabellen gearbeitet. In den letzten zehn Jahren haben E-Mail-Programme die Unterstützung von Cascading Style Sheets (CSS) ausgebaut. Im Gegensatz zu Websei-
45 Vgl. Kreutzer 2014, S. 308–309. 46 Vgl. Lammenett 2017, S. 117.
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ten, wo CSS meist aus dem Netz geladen wird, sollte CSS in E-Mail-Nachrichten eingebettet sein. Das bedeutet, dass der Code, der für die korrekte Darstellung der E-Mail notwendig ist, komplett in der E-Mail vorhanden ist und beim Öffnen der E-Mail nicht aus dem Internet abgerufen werden muss. Bilder werden jedoch nachgeladen, weil sie nicht als Anhang, sondern als Link verknüpft sind. Eine Vorbereitung des E-Mail-Designs auf mobile Geräte ist zur Zeit der Veröffentlichung dieses Handbuches unerlässlich. 68 Prozent aller Deutschen hatten im Frühjahr 2017 ein Smartphone. Bei den unter 30-Jährigen lag der Anteil sogar bei 94 Prozent.47 ReturnPath, ein Dienstleister, der sich darauf spezialisiert hat, die Zustellbarkeit von E-Mails zu verbessern, gibt an, dass weltweit der Anteil der gelesenen E-Mails, die auf Mobilgeräten geöffnet werden, bei 64 Prozent liegt. Web-Mail liegt mit 61 Prozent auf Rang zwei und Desktop-E-Mail-Programme mit 45 Prozent auf Rang drei.48 Formatvorlagen (Templates) sollten daher in einem responsiven Design angelegt sein. Das bedeutet, dass sich das Layout der E-Mail mittels eingebetteter CSS an die Bildschirmgröße des jeweiligen Endgerätes anpasst. Aus einer zweispaltigen Darstellung auf einem Desktop-Rechner wird zum Beispiel ein einspaltiges Design, wenn die gleiche E-Mail auf einem Smartphone geöffnet wird. Viele E-Mail-Dienstleister bieten in ihren Systemen eine Vorschau mit verschiedenen Bildschirmgrößen an. Für ausführliche Tests auf verschiedenen Konsolen, Betriebssystemen und Softwareversionen bietet die Firma Litmus49 Lösungen an, die zusätzlich zu einem E-Mail-Anbieter eingesetzt werden können.
Ausblick Die Anzahl der weltweit versendeten E-Mail-Nachrichten wird weiter zunehmen.50 E-Mail-Marketing wird auf absehbare Zeit eine wichtige und zunehmend komplexere Disziplin des Informationsmarketings bleiben, die deshalb einen hohen Grad an Spezialisierung erfordert. Insbesondere das Potenzial an Marketing-Automation ist bei vielen Unternehmen noch lange nicht ausgeschöpft. Im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit in der Inbox müssen diese technischen Taktiken mit möglichst exklusiven Inhalten gepaart werden, um Empfänger zu überzeugen, die Handlungsaufforderungen in den E-Mails auszuführen. Clevere Betreffzeilen, Preheaders und Calls to Action müssen durch klassisches Storytelling in Wort und Bild unterstrichen werden. Ein responsives Design mit großen Buttons, die auf die taktile Bedienung mit den Fingern optimiert sind, und qualitativ hochwertige Bilder, die zugleich schnell ge47 48 49 50
Vgl. Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse 2017. Vgl. ReturnPath 2017, S. 14. S. https://litmus.com (Abruf: 2018.06.18). Vgl. The Radicati Group 2018.
E‑Mail‑Marketing
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laden werden, sind weitere essenzielle Bestandteile für ein erfolgreiches E-MailMarketing. Bei der Evaluation werden weiterhin nicht Benchmarks anderer Unternehmen im Vordergrund stehen, sondern eigene Erfahrungswerte, die durch sorgfältiges Testen und Verändern die Erfolge steigern.
Literatur Letztes Abrufdatum der folgenden Internet-Dokumente ist der 2018.06.18. Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse 2017. http://www.ifd-allensbach.de/awa/ergebnisse/ 2017.html Europäisches Parlament; Europäischer Rat: Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung). 2016. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri= celex%3A32016R0679 Eurostat: Personen, die das Internet zum Senden/Empfangen von E-Mails genutzt haben. O.J. http:// ec.europa.eu/eurostat/tgm/table.do?tab=table&init=1&plugin=1&language=de&pcode= tin00094 Godin, Seth: Permission Marketing: Turning Strangers into Friends, and Friends into Customers. New York: Simon & Schuster, 1999. Hummel, Felix: Wirkungsvolle Kundenerlebnisse durch Marketing Automation. In: Marketing und Sales Automation: Grundlagen – Tools – Umsetzung. Alles, was Sie wissen müssen. Hannig, Uwe (Hrsg.). Wiesbaden: Springer Gabler, 2017. Kreutzer, Ralf T.: Praxisorientiertes Online-Marketing: Konzepte – Instrumente – Checklisten. Lehrbuch. 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Wiesbaden: Springer Gabler, 2014. Lammenett, Erwin: Praxiswissen Online-Marketing: Affiliate- und E-Mail-Marketing, Suchmaschinenmarketing, Online-Werbung, Social Media, Facebook-Werbung. 6. Auflage. Wiesbaden: Springer Gabler, 2017. Neuer, Johannes: How Coffee Shapes Our Customer Experience Strategy: Using Ongoing Staff Focus Group Data to Inform Library-Wide Projects. Präsentation auf der ALA Annual Conference & Exhibition. Chicago, 2017. ReturnPath: E-Mail Öffnungen: Wo, wann und wie lange? Eine Studie zum Abonnentenverhalten 2012–2017. 2017. https://returnpath.com/de/downloads/email-client-experience/ Schade, Frauke: Praxishandbuch Digitale Bibliotheksdienstleistungen. Strategie und Technik der Markenkommunikation. Unter Mitarbeit von Johannes Neuer. Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2016. Springer Gabler Verlag (Hrsg.): Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Content-Marketing. O.J. http:// wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/-2045879794/content-marketing-v1.html Strzyzewski, Frank: Generierung von qualifizierten E-Mail-Adressen. 111 Taktiken für mehr Erfolg im E-Mail-Marketing, mit über 300 Praxisbeispielen und einem Beitrag von Michael Ceyp. Wiesbaden: Springer Gabler, 2014. The Radicati Group Inc.: Email Statistics Report, 2018–2022. 2018. https://www.radicati.com/?p= 15185
Deborah Kyburz
Corporate Storytelling als Marketinginstrument Abstract: Storytelling macht zunehmend von sich reden und wurde besonders als neues Marketinginstrument in der Unternehmenskommunikation entdeckt. NewsMeldungen und Informationen über Produkte oder Dienstleistungen werden durch ihre Aufbereitung in einer Geschichte greifbarer und emotionaler, sodass sich die Zielgruppen stärker mit dem Unternehmen und seinen Angeboten identifizieren. Doch wie genau lässt sich Storytelling definieren und was verbirgt sich hinter Schlagwörtern wie Multimedia Storytelling oder Transmedia Storytelling? Der Beitrag geht auf wichtige Aspekte der Konzeption von Geschichten ein, wie beispielsweise die FünfAkt-Struktur, die Figur des Helden oder auch auf Grundtypen von Storys in der Unternehmenskommunikation. Auch die operative Umsetzung von Geschichten wird anhand einzelner Themen aufgegriffen. Einblick in die Praxis des Storytelling im Rahmen des Content-Marketings wird abschließend anhand der Storytelling-Plattform Explora, die von der ETH-Bibliothek Zürich betrieben wird, gegeben.
Einleitung Corporate Storytelling basiert auf einem einfachen Prinzip: Abstrakte oder komplexe Themen sowie Informationen zu neuen Produkten oder Dienstleistungen werden in Geschichten verpackt, die bei der Zielgruppe Emotionen wecken und Bilder im Kopf erzeugen. Gute Geschichten zeigen den Nutzen eines Themas oder einer Leistung auf, leben von der Figur des Helden und eröffnen die Chance eines Perspektivwechsels, sodass Leser eine Institution in einem neuen Licht sehen.1 Der vorliegende Beitrag spannt das Feld des Corporate Storytelling im Marketingkontext auf: Ziel ist es, die verschiedenen Aspekte des Storytelling zu beleuchten und einige zentrale Elemente bei der Konzeption sowie bei der operativen Umsetzung von Geschichten aufzuzeigen. Abschließend wird anhand der Storytelling-Plattform der ETH-Bibliothek Zürich Explora Einblick in die Praxis des Storytelling im Rahmen des Content-Marketings einer Informationseinrichtung gegeben. In den letzten Monaten und Jahren wurde viel zum Thema Storytelling publiziert, was einerseits auf die Aktualität des Themas hinweist, andererseits auch ein Indiz für die große Spannweite des Feldes ist. Dieser Beitrag kann darum nur auf ausgewählte Aspekte und Themen eingehen.
1 Vgl. Mayer-Grenu 2017, o. S.
https://doi.org/10.1515/9783110539011-034
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1 Storytelling – aktueller Trend trotz langer Tradition Die Tradition des Erzählens von Geschichten ist kein neuer Trend, sondern wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst. Noch bevor sich die Schrift etablieren konnte, wurden Geschichten in der oralen Tradition von Generation zu Generation weitergegeben. Heute hat die Kommunikationsbranche ein überaus erfolgreiches Geschäftsmodell auf der Basis von Storytelling in verschiedenen Medien aufgebaut. So war es nur eine logische Konsequenz, dass sich Geschichten nach ihrem Einsatz in Marketing- und PR-Kampagnen auch in der Unternehmenskommunikation etablieren konnten und so eine zentrale Bedeutung für die Kommunikationswissenschaft erhielten.2 Längst sind die Potenziale für Unternehmen bekannt, sodass beispielsweise News-Meldungen greifbarer, teilbarer und emotionaler werden. Storytelling ermöglicht es, sich von Wettbewerbern abzuheben, eigene Produkte oder Dienstleistungen als einzigartig darzustellen, und es veranlasst Kunden, eine emotionale Bindung zum Unternehmen aufbauen.3 Fuchs stellt vier Dimensionen des Storytelling auf und hebt somit die Komplexität des Begriffs hervor: – Storytelling als Denkhaltung bezieht sich auf die Tatsache, dass das Gehirn komplexe Information automatisch als Geschichten verarbeitet und entgegen der Annahme vieler eben nicht Fakten bevorzugt. Sobald eine Botschaft in Form einer Geschichte emotional verarbeitet wird, kann sie viel besser abgespeichert werden. – Die zweite Dimension ist Storytelling als Sichtweise: Große Geschichtenerzähler wie Steven Spielberg oder George Lucas lassen nicht nur Menschen Geschichten erzählen, sondern erkennen auch das Potenzial von Tieren, Pflanzen und Objekten. So überrascht es nicht, dass in Animationsfilmen auch Tiere, Autos oder sogar Schwämme menschliche Züge erhalten, sprechen können und zentraler Teil, wenn nicht sogar Hauptdarsteller ihrer Geschichte sind. – Storytelling als Methode wiederum lässt Geschmacksfragen in den Hintergrund treten oder lässt zumindest Argumente mehr zählen als persönliche Ansichten. Bei der Anwendung von Storytelling als Methode gibt es klare Elemente, Vorgehensweisen und Strukturen, die bei der Konzeption und Umsetzung von Geschichten grundlegend sind, sodass diese auch von Lesern als „gut“ empfunden werden. – Die vierte Dimension des Storytelling nach Fuchs ist die Funktionsweise des menschlichen Gehirns: Anders als Rechenmaschinen sind Menschen in der Lage, semantische Verbindungen aus Fakten und Information aus dem Kontext heraus zu generieren.4
2 Vgl. Herbst, Musiolik 2016, S. 9 3 Vgl. ebd., S. 9, 13–16. 4 Vgl. Fuchs 2017, S. 42–45.
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Heute haben sich verschiedene Varianten des Storytelling etabliert: Die Spannbreite reicht von Digital Storytelling, Multimedia Storytelling, Crossmedia Storytelling bis hin zu Transmedia Storytelling. Diese Varianten von Storytelling unterscheiden sich im Einsatz der Medienform und der Medienkanäle. Digital Storytelling stellt Fakten anstelle einer eigentlichen Geschichte in den Vordergrund. Meistens wird hierzu Video als Medium gewählt, um es dann im Social Web zu verbreiten. Diese Form des Storytelling eignet sich besonders, wenn es darum geht, Begriffe näher zu erläutern oder Fakten zu vertiefen.5 Multimedia Storytelling zeichnet sich durch eine Mischung verschiedener Medienformen aus. Besonders Zeitungen und Zeitschriften haben diese Form des Geschichtenerzählens aufgegriffen und publizieren ihre Reportagen nicht mehr nur in Text- und Bildform, sondern ergänzen diese durch Infografiken, Audio- und Videobeiträge. Ein Paradebeispiel für Multimedia Storytelling und eine der ersten Geschichten dieser Art wurde von der New York Times im Jahr 2012 produziert: „Snow Fall – The Avalanche at Tunnel Creek“. Die Story erzählt von einer realen Begebenheit, nämlich dass bei Tunnel Creek im Bundesstaat Washington im Februar 2012 ein tragisches Unglück geschah, als eine Lawine mehrere Skifahrer unter sich begrub. Der Autor John Branch rekonstruiert die Ereignisse in Form von Text, Bild, Videointerviews mit Betroffenen, Animationen und Infografiken.6 Beim Crossmedia Storytelling wird ein und dieselbe Geschichte über verschiedene Kanäle wiedergegeben. Dies kann beispielsweise eine Werbeanzeige sein, zu der eine Story im Printformat, online und im Radio erzählt wird. Beim Transmedia Storytelling schließlich wird eine Story über mehrere Kanäle hinweg erzählt, sodass ein eigenes Universum um die Geschichte herum entsteht.7 Ein Beispiel des transmedialen Storytelling ist „The Matrix“8. Die Film-Trilogie wird gleichzeitig von Comicbüchern und Computerspielen begleitet. Alle Kanäle erzählen die Geschichte weiter und bilden so als Ganzes eine eigene Welt.9
2 Von der Idee zur Konzeptskizze: Konzeption von Storys Um eine Geschichte spannend zu erzählen, braucht es einen klaren Spannungsbogen. Bereits Aristoteles stellte fest, dass gute Geschichten aus einem Anfang (Exposition),
5 Vgl. Spliess 2012, o. S. 6 Vgl. Branch 2012, o. S. 7 Vgl. Moloney 2014, o. S. 8 Einen Einstieg ins „Matrix-Universum“ bietet beispielsweise Matrix Wiki, http://matrix.wikia.com/ wiki/The_Matrix (Abruf: 2018.06.16). 9 Vgl. Holmes 2011, o. S.
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einem Mittelteil (Klimax) und einem Ende (Katharsis) bestehen sollten. Schließlich fügte Gustav Freytag im 19. Jahrhundert zwischen Exposition und Klimax die aufsteigende Handlung als eigenes Element hinzu, um zusätzliche Spannung zu erzeugen. Ebenso stellte er fest, dass die absteigende Handlung als retardierendes Element zwischen Klimax und Schluss die Spannung vor dem vermeintlichen Ende anhebt und so den Schluss hinauszögert.10 Diese Fünf-Akt-Struktur lässt sich nicht nur auf Geschichten im klassischen Sinne anwenden, sondern auch auf Storytelling im Rahmen von Content-Marketing. Ohne Spannungsbogen wird es schwierig, Leser zu animieren, eine Geschichte bis zum Ende zu verfolgen. Des Weiteren braucht jede Geschichte einen Helden. Joseph Campbell hat in seiner 1949 veröffentlichten Publikation11 zu Ergebnissen einer Analyse von über 4.000 Mythen festgestellt, dass sämtliche Storys nach demselben Muster aufgebaut sind. Sammer fasst treffend zusammen:
Es ist die Geschichte eines Helden, der aus seiner vertrauten Welt auszieht, in der Fremde vor Aufgaben gestellt wird und Prüfungen besteht, die ihn verändern. Als veränderte Person kehrt er schliesslich [sic!] in seine alte Welt zurück und verändert diese ebenfalls.12
Für Unternehmen gelten im erfolgreichen Storytelling deshalb folgende Prinzipien: – Der Held ist kein abstraktes Konstrukt, sondern eine konkret identifizierbare Persönlichkeit, sei dies ein Mensch, ein Tier oder ein Gegenstand. – Die Figur des Helden besitzt nicht unbedingt übermenschliche Kräfte, sondern wird so dargestellt, dass sich Leser mit ihr identifizieren können. – Schließlich verändert sich die Hauptfigur einer Story zwischen Anfang und Ende der Story.13 Spannung wird aufgebaut, indem ein Konflikt oder eine zentrale, zu überwindende Herausforderung in die Geschichte eingebaut wird. Besonders im Rahmen des Content-Marketings empfiehlt es sich, zu Beginn anhand einer Schlagwortrecherche die genauere thematische Ausrichtung einer Story festzulegen. Idealerweise behandelt eine Geschichte ein Thema, das oft im Web gesucht wird und zu dem es noch kein allzu großes Konkurrenzangebot gibt. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Story im Suchmaschinenranking auch gut sichtbar unter den ersten Ergebnissen gelistet wird. Van Laak listet drei Grundtypen von Storys für Unternehmen auf, die sich besonders gut eignen: Der Gründungsmythos erzählt vom Entstehen des Unternehmens, während die Produktstory nachzeichnet, wie die Idee zu einem Produkt entstanden ist oder welche Auswirkungen es auf Menschen hat. Die Unternehmensgeschichte schließlich ist besonders in der klassischen Unternehmens-
10 Vgl. Funke 2016, S. 129–130. 11 Joseph Campbells Publikation erschien unter dem Titel „The Hero with a Thousand Faces“, s. https://www.jcf.org/works/hero-with-a-thousand-faces-the-36/ (Abruf: 2018.06.16). 12 Sammer 2017, S. 26. 13 Vgl. ebd., S. 25–26.
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kommunikation häufig, wobei hier nicht nur das Wo und Wann beachtet, sondern besonders das Warum ins Zentrum gestellt wird. Auch hier geht es wieder um den konkreten Mehrwert, den Kunden für sich entdecken sollen. Darüber hinaus gibt es weitere Arten von Storys, die sich für die Unternehmenskommunikation eignen, beispielsweise Kundengeschichten oder ein Blick hinter die Kulissen eines Unternehmens.14 Um einen ersten Überblick über strategische Ausrichtung, Zweck, Publikum und Ziel einer Story zu erhalten, ist es sinnvoll, anfangs zentrale Aspekte festzulegen. Ein nützliches Instrument hierzu ist das Story Canvas, eine Abwandlung des Business Model Canvas15 (s. Abb. 1). Besonders im Corporate Storytelling ist es zentral, sich der Schlüsselbotschaften bewusst zu sein und den Handlungsaufruf (Call to Action) frühzeitig zu definieren: Was sollen Leser nach dem Lesen der Story tun? Zudem müssen Stil und Ton der Story unbedingt zu Unternehmen und Marke passen. Auf der Basis des Story Canvas kann anschließend eine Konzeptskizze erstellt werden, in der Helden, Herausforderung sowie die Struktur der Story festgelegt werden.
Abb. 1: Story Canvas nach der Vorlage von Digital Storytellers16
14 Vgl. Van Laak 2017, S. 223–228. 15 Das Business Model Canvas liefert eine einfache Struktur aus neun Elementen, auf der Basis derer ein Geschäftsmodell erstellt wird: Partner, Aktivitäten, Ressourcen, Leistungsversprechen, Customer Relationship, Kanäle, Kundensegmente, Kostenstruktur und Einnahmequellen, s. auch https://www.alexandercowan.com/business-model-canvas-templates/#Whatrsquos_the_Business_M odel_Canvas (Abruf: 2018.06.16). 16 Digital Storytellers o. J.
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3 Operative Umsetzung von Storys Nach der grundlegenden Ausrichtung der Story und der Erstellung einer groben Struktur in drei Akten geht es darum, die Geschichte auszuformulieren. Wichtig ist ein bildhafter, emotionalisierender Einstieg, damit sich Leser gleich von Beginn an angesprochen fühlen. Des Weiteren sollte die Story nicht Fakten ins Zentrum stellen, sondern deren Auswirkungen. Schließlich muss auf Verständlichkeit geachtet werden: Zu viele Fachbegriffe schrecken ab. Auch eine strukturelle Gliederung in verschiedene Unterkapitel mit sprechenden Zwischentiteln unterstützt die Orientierung der Rezipienten. Leser müssen einen klaren Mehrwert für sich selbst aus der Story herausziehen können und werden mittels Call to Action animiert, sich weiter mit dem Thema auseinanderzusetzen.17 Storytelling – als Multimedia-, Crossmedia- oder Transmedia-Format – lebt von der Verbindung von Text und multimedialen Inhalten. Bild, Ton und Video ergänzen die Geschichte komplementär, stellen also eine Erweiterung zum Text dar und wiederholen nicht dieselben Inhalte. Nur so werden Leser motiviert, sich damit zu beschäftigen und sich beispielsweise ein Videointerview in seiner vollen Länge anzuschauen. Bilder sind ein zentrales Element von Geschichten: Sie werden bis zu 60 000-mal schneller aufgenommen als Text18 und brauchen idealerweise keine Erklärung, um verstanden zu werden. Bei der Wahl von Bildern sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass sie authentisch wirken. Auch die kulturelle Relevanz ist wichtig: Aktuelle Bilder, die im Jetzt verankert sind und einen Aspekt der Story betonen respektive herausgreifen, lassen den Leser viel stärker eine emotionale Bindung aufbauen und dadurch den Inhalt der Geschichte besser in Erinnerung behalten. Bilder verfügen über eine sinnliche Qualität, die dazu anregt, gewisse Dinge zu fühlen, zu schmecken oder zu riechen – sei es auch nur im eigenen Kopf.19 Noch stärker kann dieser emotionale Aspekt per Video vermittelt werden, wo multisensuale Reize nebst Bewegtbild auch per Ton stimuliert werden.
Die fertige Story muss abschließend über geeignete Kanäle publiziert werden, sei es auf einer eigenen Plattform, im Corporate Blog oder an gut sichtbarer Stelle auf der eigenen Website. Die Veröffentlichung allein genügt jedoch nicht. Die publizierte Geschichte muss crossmedial beworben werden. Kurze Ausschnitte aus der Story, die das Interesse der Zielgruppe wecken, werden am besten über Social Media, Newsletter, Mailinglisten und andere Online-Kanäle, auf denen sich das Zielpublikum befindet, verbreitet. Auch im Printbereich ist eine Bewerbung über Flyer und/oder Plakate denkbar. Unter Berücksichtigung der Schnelllebigkeit, insbesondere von Online-Inhalten, reicht eine einmali17 Vgl. Mayer-Grenu 2017, o. S. 18 Vgl. Pyczak 2017, S. 153. 19 Vgl. ebd., S. 153–155.
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ge Bewerbung der Story nicht mehr aus, um einen langfristigen Marketingeffekt zu erzielen. Daher sollten z. B. zwei bis vier Wochen nach Publikation einer Story weitere Marketingmaßnahmen, unter anderem mit einem neuen Aufhänger, gestartet werden.
4 Explora – Eine Erlebniswelt der ETH-Bibliothek: Multimedia Storytelling im Kontext des Content-Marketings Die ETH-Bibliothek setzt seit 2016/17 Storytelling auf der Content-Marketing-Plattform Explora20 ein. Ziel ist es, durch Storytelling und qualitativ hochwertige MultimediaInhalte neue Zielgruppen zu erreichen. Ganz nach dem Prinzip des Content-Marketings sollen die Besucher von Explora in erster Linie auf die kostbaren Bestände respektive die angebotenen Dienstleistungen der ETH-Bibliothek aufmerksam werden. Es geht also nicht primär darum, möglichst viele Klicks oder Downloads zu erzielen, sondern um den Aufbau einer positiven Wahrnehmung und einer Beziehung zwischen Besucher und Organisation. Dies ist zugleich eine wichtige Abgrenzung zu anderen Online-Plattformen der ETH-Bibliothek, die in die Kategorie Content-DeliveryPlattformen fallen. Auf diesen Plattformen stehen das Bereitstellen und – sofern rechtlich möglich – der freie Download von Inhalten im Zentrum.21 Der Produktionsaufwand, den eine Story für die Plattform Explora mit sich bringt, ist jedoch sehr hoch: Neben der Erstellung des Textes werden aus den eigenen Beständen passende Bilder ausgesucht. Des Weiteren geben Fachexperten aus Forschung und Wissenschaft in Videointerviews Auskunft zu ausgewählten Fragen. Bei abstrakteren Themen, wie zum Beispiel Open Data, werden Grafiken und Animationen in Zusammenarbeit mit einem Illustrator konzipiert und umgesetzt. Alle Storys sind sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch verfügbar. Somit erklärt sich auch die relativ niedrige Publikationsfrequenz von vier bis fünf Storys pro Jahr. Die der Plattform zugrunde liegende Struktur ist für Nutzer möglichst intuitiv angelegt: Von der Startseite aus sind alle Storys mit einem Klick zu erreichen, eine einzelne Geschichte wird als Einseiter dargestellt. Die ETH-Bibliothek präsentiert auf Explora die Bestände ihrer Sammlungen und Archive22 neu kontextualisiert. Dies bedeutet, dass eine Story anhand eines Themas
20 S. ETH-Bibliothek: Explora. Eine Erlebniswelt der ETH-Bibliothek. https://www.explora.ethz.ch/ (Abruf: 2018.06.16). 21 Vgl. Kyburz 2017, o. S. 22 Zur ETH-Bibliothek gehören zwölf Sammlungen und Archive, unter anderem das Hochschularchiv der ETH Zürich, zwei Literaturarchive, die Graphische Sammlung ETH Zürich, das Bildarchiv, die
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die Bestände mehrerer Sammlungen und Archive miteinander verknüpft. Die erste Story dieser Art ist jene zu wissenschaftlichen Pflanzenillustrationen.23 Anhand ausgewählter Schlaglichter führt die Geschichte durch die Jahrhunderte und zeigt wichtige Entwicklungen auf. Dank der eigens für die Plattform entwickelten Zoom-Funktion lassen sich die eingebundenen Illustrationen bis ins kleinste Detail betrachten und bieten so einen großen Mehrwert für die Leser der Geschichte (s. Abb. 2 und Abb. 3). Des Weiteren sind sämtliche Multimedia-Inhalte mit anderen Online-Plattformen der ETH-Bibliothek verknüpft. Von dort können die Inhalte frei heruntergeladen und weiterverwendet werden. Zudem laden diese Verlinkungen ein, das weitere Angebot der ETH-Bibliothek zu erkunden.
Abb. 2: Flos Solis maior24
Materialsammlung oder auch die Sammlung Alte und Seltene Drucke, s. http://www.library.ethz.ch/ de/Kontakt/Standorte-Adressen-Oeffnungszeiten/Sammlungen-Archive (Abruf: 2017.11.10). 23 S. https://www.explora.ethz.ch/s/malve-iris-orchidee (Abruf: 2018.06.16).
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Abb. 3: Mit Zoom-Funktion vergrößerter Ausschnitt der Flos Solis maior25
Der zweite thematische Schwerpunkt auf Explora ist die Darstellung von Dienstleistungen und strategischen Schwerpunkten der ETH-Bibliothek in Form von Storys. Während Geschichten zu Sammlungen und Archiven sich in erster Linie an die allgemeine Öffentlichkeit richten, sollen Storys zu Serviceleistungen der Bibliothek primär Angehörige der ETH Zürich ansprechen. Diese Zielgruppe ist schließlich auch Adressatin der dargestellten Dienstleistungen. Eine dieser Storys behandelt das Thema Open Data:26 Anhand verschiedener Beispiele wird das Thema illustriert und seine Relevanz für die aktuelle Forschung aufgezeigt. Einblick in die Praxis und weiterführende Links auf entsprechende Angebote komplettieren die Geschichte. So sollen Angehörige der ETH Zürich an das Thema Open Data herangeführt und auf weiterführende Informationen sowie Angebote der ETH-Bibliothek, wie beispielsweise Digitalisate zum freien Download, aufmerksam gemacht werden. Besonders gut eignen sich zu diesem Zweck auch erklärende Animationen, die in Zusammenarbeit mit einem Illustrator erstellt werden. Diese Animationen geben Einblick ins Thema, greifen bestimmte Aspekte und Fragestellungen auf oder erklären bestimmte Sachverhalte. Beim Thema Open Data wird beispielsweise gezeigt, wie Daten zu offenen Daten gemacht werden können (s. Abb. 4).
24 Besler 1713. 25 Besler 1713. 26 S. https://www.explora.ethz.ch/s/open-data (Abruf: 2018.06.16).
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Abb. 4: Screenshot aus der Animation „Open Data – Transparenz für alle“27
Mit Aufschaltung der ersten Storys konnte die ETH-Bibliothek wichtige Erkenntnisse hinsichtlich der Gestaltung des Storytelling gewinnen. So darf die Leselänge für eine Story beispielsweise maximal 15 bis 20 Minuten betragen, da die Geschichte sonst als zu lang empfunden und folglich nicht mehr gelesen wird. Des Weiteren ist vor allem textlich die richtige Balance zwischen Wissenschaft und allgemeiner Öffentlichkeit als Zielgruppe zu finden. Aber auch der Ressourcenaufwand darf nicht unterschätzt werden: Die Aufbereitung respektive Produktion der Multimedia-Inhalte sollte beispielsweise sorgfältig budgetiert und mit genügend Zeit eingeplant werden. Die neu publizierten Geschichten müssen zielgruppengerecht und crossmedial beworben werden, um hohe Aufmerksamkeit zu generieren. Ein Newsletter sowie ein eigener Instagram-Account28 geben zudem Einblick in die Arbeit hinter Explora, auch in der Zeit während der Produktion von Storys. Gerade die beiden zuletzt genannten Kanäle sind wichtige Instrumente, um sicherzustellen, dass Leser nach ihrem ersten Besuch auf Explora auch später wieder den Weg zur Plattform zurückfinden.
Fazit Abschließend lässt sich feststellen, dass Explora als Content-Marketing-Plattform viel positive Aufmerksamkeit erzielt, Besucher auf unterhaltsame Weise an die Bestände
27 https://www.explora.ethz.ch/s/open-data (Abruf: 2018.06.16) 28 S. https://www.instagram.com/explora_ethlibrary/ (Abruf: 2018.06.16).
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und Dienstleistungen der ETH-Bibliothek heranführt und so die Institution in einem neuen positiven Licht zeigt und damit einen wichtigen Beitrag zum Hochschulmarketing der ETH Zürich selbst leistet.
Literatur Letztes Abrufdatum der folgenden Internet-Dokumente ist der 2018.06.16. Besler, Basilius: Hortus Eystettensis. 1713. Verfügbar auf e-rara.ch. Branch, John: Snow Fall. The Avalanche at Tunnel Creek. In: The New York Times. 2012. http://www. nytimes.com/projects/2012/snow-fall/#/?part=tunnel-creek Digital Storytellers: The Story Canvas. O.J. http://digitalstorytellers.com.au/the-story-canvas Fuchs, Werner T.: Crashkurs Storytelling. Grundlagen und Umsetzungen. Freiburg: Haufe-Lexware, 2017. Funke, Sven-Oliver: Video ist King! Erfolgreiches Online-Marketing mit YouTube. Bonn: Theinwerk, 2016. Herbst, Dieter Georg; Musiolik, Thomas Heinrich: Digital Storytelling. Spannende Geschichten für interne Kommunikation, Werbung und PR. Konstanz, München: UVK, 2016. Holmes, Peter: The Differences between Multimedia, Crossmedia and Transmedia, Somewhat Explained. In: Reason Partners. 17.04.2011. http://www.reasonpartners.com/the-differences-betw een-multimedia-crossmedia-and-transmedia-somewhat-explained/ Kyburz, Deborah: Explora. Eine Erlebniswelt der ETH-Bibliothek. In: Archive 2.0. 25.07.2017. https:// archive20.hypotheses.org/4996 Mayer-Grenu, Andrea: Wenn Gefühl auf Forschung trifft. Storytelling in der Wissenschaftskommunikation. In: Zukunft4 – das Magazin für moderne Wissenschaftsverwaltung. 17.10.2017. https:// zukunfthoch4.euroacad.eu/wissenschaftskommunikation-storytelling/ Moloney, Kevin: Multimedia, Crossmedia, Transmedia … What’s in a Name? In: Transmedia Journalism. Porting Transmedia Storytelling to the News Business. 21. April 2014. https://transmedia journalism.org/2014/04/21/multimedia-crossmedia-transmedia-whats-in-a-name/ Pyczak, Thomas: Tell me! Wie Sie mit Storytelling überzeugen. Bonn: Rheinwerk, 2017. Sammer, Petra: Von Hollywood lernen? Erfolgskonzepte des Corporate Storytelling. In: Storytelling. Geschichten in Text, Bild und Film. Schach, Annika (Hrsg.). Wiesbaden: Springer Fachmedien, 2017, S. 13–32. Spliess, Christian: Storytelling-ABC oder crossmedial, transmedial, digital … In: Steady News. 2012. https://steadynews.de/fuehrung/storytelling-abc-oder-crossmedial-transmedial-digital Van Laak, Petra: Clever texten fürs Web. So bringen Sie Ihr Unternehmen zum Glänzen – auf Homepage, Blog, Facebook und Co. Berlin: Dudenverlag, 2017.
Joachim Griesbaum
(Social) Display Advertising Abstract: Der Beitrag behandelt Social Display Advertising als spezielle Form der Online-Werbung. Unter Display Advertising versteht man die Einblendung grafischer Werbemittel auf Webseiten oder in sogenannten Apps. Social Display Advertising betrachtet die Nutzung grafischer Werbemittel in Social Media. Social Display Advertising weist insbesondere in Bezug auf Werbemittelgestaltung und Zielgruppenansprache Besonderheiten auf. Nachfolgend wird zunächst eine kurze Einordnung von Display Advertising in Bezug auf kommunikationspolitische Ziele, Rezeption und Wirkung sowie zentrale Trends bereitgestellt. Auf dieser Grundlage werden die spezifischen Eigenheiten und Vorteile von sozialen Medien in Bezug auf Reichweite, Werbemittelgestaltung und Zielgruppenansprache erörtert.
Einleitung Display Advertising lässt sich als eine der Formen des Online Marketings bezeichnen, die ihre Ursprünge in der „Offline-Welt“ haben. Bereits in den 1990er Jahren wurde es aus der klassischen Printmedienwelt für das Internet adaptiert. In dem Maße, wie das Internet als Informationsraum an Bedeutung in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat und weiter zunimmt, steigt auch die Bedeutung des Display Advertising als Werbekanal. Der folgende Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die Themenfelder Display Advertising und dessen spezielle Anwendung in Social Media. Zunächst wird hierzu eine kurze Einordnung zur Rezeption und Wirkung von Display Advertising und zu Trends im Themengebiet bereitgestellt. Im zweiten Schritt werden die Spezifitäten des Social Display Advertising angesprochen. Diese betreffen insbesondere die Reichweite, die Zielgruppenansprache sowie die Frage der Werbemittelgestaltung und -platzierung.
1 Einordung des Display Advertising Unter Display Advertising versteht man die Einblendung von grafischen, teilweise auch interaktiven Werbemitteln wie Bildern oder Videos auf Webseiten oder Apps. Mit Display Advertising lassen sich sowohl ökonomische als auch psychografische Ziele im Rahmen der Kommunikationspolitik einer Organisation anstreben.1 Verfolgt Display Marketing das Ziel, direkt eine Handlung, etwa zur Verkaufsförderung, zu indu-
1 Vgl. Meffert et al. 2015, Kap. 1.3.4.
https://doi.org/10.1515/9783110539011-035
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zieren (direct response)2, bezeichnet man dies oftmals als Performance Marketing.3 Bei der Verfolgung psychografischer Ziele steht der Aufbau von Marken (Branding) im Fokus. Display Advertising folgt einem Push-Paradigma. Potenziellen Kunden werden ohne explizite Aufforderung Werbemittel präsentiert, während diese eine Webseite oder App zu Informations-, Unterhaltungs- oder anderen Zwecken nutzen. Dieses Push-Paradigma ist zugleich ein Vor- und ein Nachteil von Display Advertising. So zeigt sich Display Advertising im Vergleich zur Werbung in Suchdiensten, die einem Pull-Paradigma folgt, in Bezug auf performanceorientierte Ziele, wie die Absatzmengensteigerung, deutlich unterlegen. Der Grund hierfür ist, dass anfragenbezogene Werbeeinblendungen in Suchdiensten nicht nur einen inhaltlichen Bezug zum aktuellen Kontext des Nutzers aufweisen, sondern eine direkte Unterstützung bei der Aufgabenerfüllung anbieten.4 Im Kontrast dazu sind Display Ads darauf angelegt, den Nutzer bei seiner aktuellen Tätigkeit zu stören und die Aufmerksamkeit auf das Werbemittel zu lenken.5 Somit wird es möglich, auch bislang Unbekanntes zu bewerben oder/und den Bekanntheitsgrad bzw. die Einstellungen zu Produkten und Marken aktiv zu beeinflussen. Unter dieser Perspektive des Markenaufbaus betrachtet, ist der Einsatz von Display Advertising insbesondere zu Beginn der Consumer Journey6, in der Phase der initialen Erwägung, zielführend, um in den Bestand der anfänglich bekannten Marken aufgenommen zu werden. Auch Booth und Koberg argumentieren dieses Zusammenspiel von suchbezogener Internetwerbung und Display Advertising.7 Man spricht die Nutzer vor und nach der Suche an. Darüber hinaus erhält man eine hohe Reichweite, da die Nutzer die meiste Zeit nicht auf Suchmaschinen verbringen.
2 Rezeption und Wirkung von Display Advertising In Bezug auf die Wirksamkeit von Display Advertising werden Qualität und Häufigkeit der Werbekontakte als entscheidend betrachtet. Zur Häufigkeit von Ad-Kontakten gibt es unterschiedliche Zahlen. So führen Booth und Koberg die Zahl von sieben sogenannten Touchpoints an.8 Aufseiten der Nutzer werden Werbemitteleinblendungen oft als handlungsstörend empfunden. Nutzer entwickeln Werbemitteln gegenüber
2 Vgl. IAB Wiki 2015. 3 Vgl. Springer Gabler Verlag o. J. 4 Vgl. Griesbaum 2013, S. 414. 5 Vgl. Booth, Koberg 2012, S. 14. 6 Vgl. Court et al. 2009. Consumer Decision Journey ist die von den Autoren verwendete Bezeichnung für den in mehreren Phasen ablaufenden Informations- und Entscheidungsprozess der nutzerbezogenen Bedarfsklärung und Bedarfsbefriedigung. 7 Vgl. Booth, Koberg 2012, S. 9–15. 8 Vgl. ebd., S. 14.
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eine Reaktanz und versuchen alle Elemente einer Webseite, die sie für Werbeeinblendungen halten, zu ignorieren. Der zugehörige Begriff „Banner Blindness“ wurde bereits 1998 durch Benway und Lane geprägt.9 Zur Vermeidung von Streuverlusten und der Erhöhung der Relevanz aus Nutzersicht werden unter dem Schlagwort Targeting unterschiedliche Verfahren der Zielgruppenansprache eingesetzt.10 Dabei wird versucht, auf der Grundlage von soziodemografischen und verhaltensbasierten Nutzerprofilen die Relevanz von Werbeeinblendungen zu erhöhen. Erhebungsmethoden stellen u. a. Befragungen, primär aber die Aufzeichnung des Nutzerverhaltens mithilfe automatischer Systeme dar (Behavioral Targeting). Neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass ein zu genaues Targeting für die Werbeindustrie wenig zielführend ist, da die meisten Nutzer keine maßgeschneiderte Werbung möchten11, vielmehr eher in Bezug auf den Datenschutz misstrauisch werden12 und teilweise aus diesem Grund auch sogenannte Ad-Blocker installieren.13 Die zunehmende Verbreitung von AdBlockern wird als grundlegende Gefährdung des Geschäftsmodells von Inhaltsanbietern und der Werbeindustrie eingeschätzt.14 Die Akzeptanz von Display Advertising durch die Nutzer ist eher gering.
Zur Effektivität des Display Advertising existiert eine Vielzahl von Studien. Hier seien nur einige wenige Literaturstellen aufgeführt. Higgins et al. konstatieren die bereits angeführte Vermeidung von Werbeeinblendungen seitens der Nutzer.15 Courbet et al. untersuchen Effekte der Markenpräferenz in Bezug auf Werbemittel, welche sieben Tage bzw. drei Monate zuvor betrachtet wurden,16 dabei zeigt sich eine Bevorzugung der beworbenen Marke. Dies gilt auch dann, wenn sich die Testpersonen nicht mehr an die Werbung erinnern können. Display Advertising ist also effektiv. Kim zeigt für Werbevideos, dass eine inhaltliche Ähnlichkeit mit dem Video, zu dem die Werbung geschaltet wird, zu einer besseren Einstellung zur Werbung und zu einer geringeren Werbevermeidung führt.17 Eine inhaltsbezogene Aussteuerung von Werbeeinblendungen scheint also lohnenswert zu sein. Die Ergebnisse von Goldstein et al. deuten an, dass lästige Ads Nutzer von Webseiten vertreiben und die Reputation der werbenden Marke unterminieren können.18 Dabei werden vor allem animierte Werbemittel und -formate als lästig empfunden.
9 Vgl. Benway, Lane 1998. 10 Vgl. Hass, Willbrandt 2011. 11 Vgl. Turow et al. 2009. 12 Vgl. Thode et al. 2015. 13 Vgl. Pagefair, Adobe 2015. 14 Vgl. Pagefair 2017. 15 Vgl. Higgins et al. 2014. 16 Vgl. Courbet et al. 2014. 17 Vgl. Kim 2015. 18 Vgl. Goldstein et al. 2013.
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3 Display-Advertising-Trends Im Bereich des Display Advertising werden derzeit insbesondere zwei Trends diskutiert: Online-Videowerbung und Programmatic Advertising. Online-Videowerbung hat sich, nicht zuletzt durch die Verbreitung mobiler Endgeräte, zu einem signifikanten Werbekanal entwickelt. Es wird geschätzt, dass die entsprechenden Werbeausgaben 2018 ungefähr einem Drittel aller digitalen Online-Werbeausgaben entsprechen werden.19 Im Vergleich zu anderen Display-Werbeformen sind Videos besonders geeignet, Emotionen zu stimulieren bzw. komplexe Sachverhalte darzustellen.20 Diese Eigenschaften können als mögliche Erklärungsmuster dienen, um die vergleichsweise hohe Effektivität von Werbevideos, z. B. die hohe Klickrate, im Vergleich zu anderen Werbeformaten zu erklären. Aber auch hier versuchen die Nutzer, nach Möglichkeit die Werbung zu vermeiden.21 Den zweiten Trend stellt das Themenfeld Programmatic Advertising dar. Im Kern wird die Frage der Automatisierung von Werbekampagnen diskutiert. Diese beinhaltet die Allokation von Werbeplätzen sowie die Aussteuerung und Schaltung von Werbemitteln auf der Ebene einzelner Seitenbesuche oder App-Aufrufe (Impressions) mittels automatisierter Zielgruppenidentifikations- und Preisfindungsmechanismen.22 Die Grundlage hierfür bilden Plattformen, die einen umfassenden und einheitlichen Zugriff auf Werbeplattformen und Nutzersegmente bieten und echtzeitbasierte Aushandlungs- und Auslieferungsprozesse ermöglichen. Durch die Einbeziehung von First-, Second- und Third-Party-Datenbeständen, die das Verhalten der Netznutzer erfassen, und die darauf aufsetzende Anwendung von Data-Mining-Techniken und MachineLearning-Verfahren lassen sich das Management von Kampagnen und die Schaltung von Werbemitteln (automatisch) optimieren.23
4 Display Advertising in sozialen Medien Nach einer Prognose von Zenithmedia werden die Ausgaben für Social-Media-Werbung bis 2019 auf 50 Milliarden US-Dollar steigen und damit auf 20 Prozent der gesamten Internetwerbung anwachsen.24 Es stellen sich die Fragen, warum soziale Medien für das Display Advertising eine besondere Rolle spielen und weshalb soziale Medien für Werbetreibende so interessant sind. Als Antwort lassen sich im Wesentlichen drei Aspekte anführen: zunächst die hohe Reichweite der populären Dienste,
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Vgl. Barnard 2016. Vgl. Appiah 2006; Nottingham 2012. Vgl. Kim 2015, S. 33. Vgl. Busch 2016. Vgl. BVDW 2016. Vgl. Zenithmedia 2016.
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des Weiteren die Genauigkeit, mit der Werbetreibende spezifische Zielgruppen ansprechen können, und schließlich die Optionen der Werbemittelgestaltung, die z. B. von den Gestaltungsmöglichkeiten für Werbemittel auf redaktionellen oder anderen Webseiten abweichen bzw. deutlich darüber hinausgehen.
4.1 Reichweite Der erste Punkt, die hohe Reichweite sozialer Medien, ist weitgehend für sich selbst sprechend. Nach eigenen Angaben weist das größte Soziale Online-Netzwerk Facebook derzeit knapp zwei Milliarden Nutzer auf und erwirtschaftete 2016 einen Umsatz von 27,6 Milliarden Euro.25 Betrachtet man die Nutzungszahlen der populären SocialMedia-Dienste wie Facebook, Instagram, Twitter oder Pinterest, ist unmittelbar einleuchtend, dass sich mit Social Display Advertising eine sehr hohe Reichweite erreichen lässt.26 Hinzu kommt die hohe Nutzungsintensität sozialer Dienste, viele Nutzer verwenden diese täglich.27
4.2 Zielgruppenansprache Hinsichtlich der Zielgruppenansprache sind soziale Medien geradezu ideale Marketingkanäle. Einerseits verfügen sie über Nutzerprofile, in denen zunächst soziodemografische Daten und/oder auch Interessen von den Nutzern selbst eingetragen werden. Des Weiteren sammeln sie im Verlauf der Dienstnutzung vielfältige Informationen zu konsumierten und/oder generierten Inhalten und sozialen Verbindungen zu anderen Nutzern, wobei für die Zielgruppenansprache wiederum die Informationen der vernetzten Nutzer zur Verfügung stehen. Roth gibt zu den Targeting-Optionen in Facebook eine sehr anschauliche Übersicht.28 Neben soziodemografischen Optionen (z. B. Ort, Ausbildung, Beziehungsstatus etc.) beinhalten diese Möglichkeiten der Zielgruppenansprache die Interessen (z. B. Business, Food, Hobbys), das Verhalten (z. B. Spenden, Reisen, Gerätenutzung, Produktkäufe) und die Verbindungen (z. B. Nutzer von Apps, Fans, Freunde von Fans) der Nutzer. Diese Optionen lassen sich kombinieren. So ist es z. B. möglich, um bei der genannten Quelle Roth zu bleiben, gezielt Mütter, die aus Nebraska stammen, Bodybuilding betreiben und Fotos hochladen, anzusprechen. Weiterhin ist es möglich, Anzeigenzielgruppen mit Nutzern zu spezifizieren, die ähn
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Vgl. Allfacebook 2017. Vgl. SMI o. J. Vgl. Tippelt, Kupferschmitt 2015. Vgl. Roth 2016.
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liche Profile aufweisen oder statistische Zwillinge29 von Personen aus vorhandenen Nutzerstichproben darstellen, etwa Bestandskunden oder Vielkäufer eines Unternehmens. Diese vielfältigen Möglichkeiten, Zielgruppen zu definieren, können als ein entscheidender Erfolgsfaktor von Werbung in Social Media angeführt werden. Verschiedene Feldstudien deuten des Weiteren darauf hin, dass die Nutzung sozialer Hinweise bzw. Kontakte zur Zielgruppenansprache zu einer höheren Effektivität von Display Advertising führt als die Anwendung konventioneller demografischer und verhaltensbasierter Targetingansätze.30 So zeigt ein Experiment von Tucker, dass Werbemittel einer Non-Profit-Organisation, die an soziale Kontakte („Freunde“) in Facebook ausgespielt wurden, mehr Klicks und Conversions erzielten als Werbemittel, die ohne Targeting bzw. nach demografischen Kriterien ausgeliefert wurden.31 Betrachtungen bzw. Aussagen zur Effektivität spezifischer Verfahren der Zielgruppenansprache sind allerdings jenseits spezifischer Kontexte nur schwer zu verallgemeinern. So weist Rixecker darauf hin, dass der Konsumgüterhersteller Procter & Gamble das Targeting reduzierte, um den Erfolg der Werbekampagnen in Facebook zu erhöhen.32
4.3 Werbemittelgestaltung und -platzierung Die Optionen der Werbemittelgestaltung und ‑platzierung in sozialen Medien sind sehr vielfältig. Der interessierte Leser findet unter Adjelly.com33 eine Übersicht über die wichtigsten Werbeformate der populärsten Social-Media-Dienste. Allein für Facebook sind folgende Typen gelistet: Canvas, Events, Lead Ads, Collections, Single Image Ads, Carousel Ads, Video Ads, Video Slideshow Ads, Cover Image, Profile Image, Posts Image. Zum Einsatz kommt eine große Spannweite visueller Werbemittel, die in unterschiedlichen Bereichen der jeweiligen Dienste eingeblendet werden. Die folgende Abbildung gibt einen ersten visuellen Eindruck von der Art und Vielfalt der Werbemittelgestaltung und -platzierung bei Facebook.
29 Statistische Zwillinge sind Personen, die sich ähnlich verhalten wie die bekannten Nutzer. Damit weisen sie eine überdurchschnittlich hohe Wahrscheinlichkeit auf, sich ebenfalls für das beworbene Produkt zu interessieren. 30 Vgl. Tucker 2012; Bakshy et al. 2012. 31 Vgl. Tucker 2012. 32 Vgl. Rixecker 2016. 33 S. https://www.adjelly.com/ (Abruf: 2018.06.17).
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Abb. 1: Screenshot zu Werbemitteln bei Facebook34
Insbesondere scheint die Platzierung von Werbemitteln im sogenannten Newsfeed sinnvoll, da sie dort aufgrund der Tatsache, dass sie inmitten der Nachrichten von Freunden eingeblendet werden, besonders starke Aufmerksamkeit erfahren. Des Weiteren lassen sich auch redaktionell erstellte Inhalte promovieren (promoted content). Ebenso können Nutzer mit Ads interagieren,35 z. B. können die Nutzer Werbemittel „liken“ oder weiterleiten. Durch diese inhärente Option, Kundenempfehlungen zu erlangen, wird eine direkte Verbindung zu empfehlungsbasierten Formen des Marketings hergestellt. Im Kontext dieser digitalen und potenziell viralen Mundpropaganda (Electronic Word of Mouth) sprechen z. B. Dehghani und Tumer von einem „trust-based advertising“36. Demgemäß wird es zunehmend wichtiger, die Nutzer partizipativ in die Kommunikation einzubeziehen, denn erst das Engagement der Nutzer sichert die Sichtbarkeit und markenbezogene Wirkung der Werbemittel in sozialen Medien. Nach Hunga et al. sind wiederum Faktoren wie die Qualität, die Authentizität, die Autorität der Nachricht und das Interesse des Empfängers an der Botschaft bestimmend für die Wahrscheinlichkeit, mit der Inhalte weitergeleitet werden.37 In einer ersten Näherung zeigt sich somit eine Vielzahl von Optionen der Werbemittelgestaltung. Unterschiede zum „traditionellen“ Display Advertising werden primär aber im Bereich der Promotion auch redaktioneller Inhalte, der Platzierung der Werbemittel und des vorhandenen Empfehlungscharakters sichtbar.
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https://www.facebook.com/business/inspiration (Abruf: 2017.11.16) Vgl. Alhabash et al. 2017. Dehghani, Tumer 2015, S. 598. Vgl. Huang et al. 2008.
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4.4 Einschätzung von Display Advertising in sozialen Medien Zunächst ist festzuhalten, dass auch Display Advertising in sozialen Medien in erster Linie Display Advertising ist. D. h., die Befunde, die zu Display Advertising im Allgemeinen vorliegen, sollten sich grundlegend auch auf die Werbung in sozialen Medien beziehen lassen. Im Folgenden wird eine Einschätzung zur Akzeptanz und Effektivität von Display Advertising in sozialen Medien gegeben. Nach Bannister et al. wird, gemäß einer Befragung unter Studierenden, Werbung in Facebook insgesamt eher negativ eingeschätzt.38 Sie wird überwiegend als irrelevant, nicht informativ und uninteressant bezeichnet. Die Ergebnisse von Interviews mit 20 Studierenden von Hadija et al. weisen auf eine Werbevermeidung hin.39 Die Kernaussage dieser Untersuchung deutet weniger darauf hin, dass die Nutzer Werbung in sozialen Medien nicht mögen, sondern darauf, dass sie sie nicht bewusst wahrnehmen. Eine Befragung von 500 Facebook-Nutzern durch Greenlight deutet eine Segmentierung der Nutzerschaft an.40 Diese unterteile sich in Nutzer, welche niemals auf Werbemittel klicken (44 Prozent), und Nutzer, die selten (31 Prozent) bzw. oft (zehn Prozent) oder regelmäßig (drei Prozent) Werbung auswählen. Insgesamt weisen diese Befunde auf eine eher geringe Nutzerakzeptanz für Display-Werbung in sozialen Medien hin.
Was zeigt sich nun in Bezug auf die Effektivität? Duffet ermittelt durch eine Befragung von 3 521 südafrikanischen Nutzern, dass Werbung in Facebook durchaus eine positive Wirkung auf die Kaufabsicht und das Kaufverhalten aufweist, der Effekt dabei aber eher klein ausfällt.41 Die Klickraten von Werbemitteln in sozialen Medien wurden insbesondere in der Vergangenheit teilweise als niedrig eingeschätzt.42 Irving gibt hierzu eine aktuelle Übersicht. Danach bewegen sich die Klickraten typischerweise und in Abhängigkeit der beworbenen Branche im Promille- bzw. im niedrigen Prozentbereich.43 Gemäß der von Chaffey kompilierten Übersicht zu Klickraten im Display Advertising sind die Klickraten bei Social Ads niedriger als bei Search Ads, aber durchaus vergleichbar mit bzw. leicht höher als bei Display Ads auf Webseiten.44
Weiterführende experimentelle oder nutzerbezogene Forschung im Themenfeld ist durchaus noch ausbaufähig. Ein interessanter Befund liegt gemäß der Untersuchung von Tucker bezüglich des Zusammenhangs zwischen wahrgenommener Kontrolle über persönliche Daten und der Klickwahrscheinlichkeit auf Ads in Facebook
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Vgl. Bannister et al. 2013. Vgl. Hadija et al. 2012. Vgl. Greenlight 2012. Vgl. Duffett 2015. Vgl. Holahan 2007; Webtrends Whitepaper 2011. Vgl. Irvine 2017. Vgl. Chaffey 2017.
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vor.45 Das ist insbesondere deshalb interessant, weil de facto die beiden Aspekte unverbunden sind, d. h. nichts miteinander zu tun haben. Dennoch zeigt sich bei einer Analyse der Werbedaten einer Non-Profit-Organisation vor und nach einer Anpassung der Datenschutzoptionen durch Facebook, mit der den Nutzern mehr Kontrolle über die persönlichen Informationen gegeben wurde, eine deutlich gestiegene Klickwahrscheinlichkeit, und dies, obwohl sich nichts an der Art und Weise änderte, wie persönliche Informationen der Nutzer zur Werbemittelaussteuerung herangezogen wurden. Nach der Erhöhung der Kontrolle wurden personalisierte Ads fast doppelt so oft geklickt wie zuvor. Sind diese Ergebnisse valide und übertragbar, so deuten sie darauf hin, dass möglicherweise schon die Illusion einer Kontrolle über die Werbung deren Akzeptanz und Effektivität zu erhöhen vermag.
Fazit Zusammenfassend wird deutlich, dass Display Advertising das gesamte Spektrum möglicher Kommunikationsziele im Marketing abdeckt. Die primäre Stärke des Display Advertising liegt dabei in der Verfolgung psychografischer Ziele, insbesondere dem des Aufbaus von Marken. Das ist zumindest die Auffassung des Autors. Dieser Perspektive folgt auch der vorliegende Text. Beim sogenannten Performance Marketing, der direkten Verkaufsförderung mittels nicht nachgefragter Werbemittel, ist Display Advertising der Werbung in Suchdiensten via Search Ads konzeptionell unterlegen, da Letztere den Nutzer in seinem aktuellen Aufgabenkontext nicht stören, sondern potenziell unterstützen. Die angeführten Forschungsbefunde zu Display Advertising verdeutlichen, dass Nutzer Display Advertising zwar nicht mögen,46 es aber dennoch effektiv sein kann, um markenbezogene Präferenzen zu stimulieren.47 Zugleich wird deutlich, dass ein „Bombardement“ mit lästiger Werbung auch kontraproduktiv wirken kann.48 Auch und gerade aus diesem Grund ist eine zielgenaue Aussteuerung der Werbemittel wichtig. Aber auch hier gilt es im jeweiligen Kontext Augenmaß zu behalten. Zu genaues Targeting konfligiert mit dem datenschutzbezogenen Empfinden der Nutzer.49 Schließlich zeigt sich im Display Advertising schon seit Längerem ein Trend zur Nutzung audiovisueller Medien, d. h. von Videofilmen.50 Des Weiteren wird zunehmend versucht, den Prozess der Gestaltung und Steuerung von Werbekampagnen zu automatisieren.51
45 46 47 48 49 50 51
Vgl. Tucker 2014. Vgl. Benway, Lane 1998; Higgins et al. 2014. Vgl. Courbet et al. 2014. Vgl. Goldstein et al. 2013. Vgl. Turow et al. 2009; Thode et al. 2015. Vgl. Barnard 2016. Vgl. Busch 2016.
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Im zweiten Teil der Darstellung wurde deutlich, dass soziale Medien einen wichtigen Kanal zur Verbreitung von Werbebotschaften, d. h. zur Auslieferung von OnlineWerbemitteln darstellen. Aus quantitativer Perspektive ergibt sich das schon aufgrund der hohen Reichweite der populären Social-Media-Dienste.52 Facebook ist derzeit klarer Marktführer und wird es wohl auch selbst dann zunächst einmal bleiben, wenn der Dienst von Nutzerseite an Popularität bzw. Nutzungsintensität verliert.53 Nicht zuletzt aus diesem Grund ist dieser Beitrag in den entsprechenden Abschnitten auch stark auf den Dienst Facebook fokussiert. Dennoch wäre es ohne Zweifel interessant und wünschenswert, eine breiter angelegte Übersicht zu erarbeiten. In Bezug auf die inhärenten Eigenschaften sozialer Medien für das Display Advertising erweisen sich insbesondere die vielfältigen Targetingoptionen als zentral. Sie sind wohl diejenigen Kanäle des Web mit den vielfältigsten Möglichkeiten, Zielgruppen zu identifizieren und anzusprechen.54 Gemäß den angeführten Studien von Tucker und Bakshy et al. ist insbesondere auch soziales Targeting effektiv.55 Aber auch hier gilt es den jeweiligen Kontext zu beachten und die Befunde nicht vorschnell zu generalisieren. Bei der Werbemittelgestaltung zeigt sich eine Vielzahl von Optionen sowohl bezüglich des Formats als auch der Platzierung. Daneben wird aber auch deutlich, dass Werbung in sozialen Medien kommunikativ über typische unidirektional angelegte Werbebotschaften hinausreicht und auch eine reziproke Kommunikationskomponente aufweist, welche potenziell eine Inhaltspromotion durch die Rezipienten zu bewirken vermag. Die vorliegenden empirischen Befunde zur Akzeptanz und Effektivität von Display Advertising in sozialen Medien sind dennoch vergleichsweise skeptisch. Dies gilt zumindest für den recht spärlichen Raum vorliegender wissenschaftlicher Studien.56 Die Publikation von Erfolgskennzahlen wie Klickraten57 bzw. Umsatzangaben von Facebook etc. sprechen wiederum eine andere Sprache. Es wird deutlich, dass noch erheblicher Bedarf an weiterer Werbewirkungsforschung besteht. Dies gilt insbesondere für die zuvor angeführten spezifischen Aspekte des Display Advertising wie das Targeting, die Werbemittelgestaltung und ‑platzierung sowie Interaktion.
Auch der Bereich des Datenschutzes ist dabei von hohem Interesse. Dies gilt gerade auch deshalb, weil die Nutzung sozialer Medien oftmals mobil stattfindet. Dabei werden die vielfältigen profil- und verhaltensbezogenen Nutzerinformationen weitergehend mit standortbezogenen Informationen ergänzt. In einem solchen Kontext stellt sich die Frage des Datenschutzes neu. Dies ist vor allem durch die neuen Aspekte des Datenschutzes bedingt, die ein Nutzer, der etwa Mitte der letzten Dekade,
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Vgl. Zenithmedia 2016. Vgl. Eisenbrand 2016. Vgl. Roth 2016. Vgl. Tucker 2012; Bakshy et al. 2012. Vgl. Bannister et al. 2013; Hadija et al. 2012; Greenlight 2012; Duffett 2015. Vgl. Irvine 2017.
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typischerweise auf seinem Desktop-Computer, Webseiten auswählte und aufsuchte und dabei von sogenannten Third-Party-Trackern erfasst wurde, noch nicht zu bedenken hatte. Diesen Punkt erfolgreich aufzulösen ist eine der Schlüsselfragen des Display Advertising und insbesondere des Social Display Advertising. Nicht zuletzt davon wird abhängen, ob und wie Display Advertising zukunftsfähig bleibt.
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Johannes Neuer
Crossmediale Kampagnen Abstract: Mit einer „Build-It-and-They-Will-Come-Mentalität“ können Bibliotheken und Informationseinrichtungen einen Kundenstamm kaum mehr erhalten, geschweige denn ausbauen. Um im Wettbewerb um Aufmerksamkeit1 erfolgreich zu sein, müssen Angebote und Produkte nicht nur kundengerecht gestaltet werden; sie müssen außerdem durch Kampagnen zielgenau an den Markt gebracht werden. Dies setzt eine sorgfältige Planung voraus. Basierend auf aktueller Fachliteratur und langjähriger Erfahrung in der Kommunikationspolitik werden in diesem Beitrag Grundlagen für die Konzeption von crossmedialen Kampagnen vorgestellt. Diese Grundlagen werden anhand einer Beispielkampagne der New York Public Library (NYPL) erläutert, die mit dem 1. Preis des „IFLA BibLibre International Marketing Award“ 2018 ausgezeichnet wurde.2
Einleitung Kampagnen sind zeitlich begrenzte Kommunikationsmaßnahmen mit einem bestimmten Ziel und einer Ausdrucksform, die über verschiedene Medien hinweg identisch bleibt.3 Die zeitliche Begrenzung der Durchführung von Kampagnen muss dabei nicht zwangsläufig bedeuten, dass Kampagnen von kurzer Dauer sind. Gerade im Zusammenhang mit Marketing-Automation4 können Kampagnen über Zeiträume von Wochen bis Monaten völlig selbstständig ablaufen. Kampagnen stellen eine Form der integrierten Kommunikation dar, die auf ein optimales Zusammenspiel von verschiedenen Kommunikationsformen und ‑kanälen abzielen. Dies setzt die systematische Analyse, Planung und Organisation sowie Durchführung und Erfolgskontrolle voraus, um das Ziel einer konsequenten Kommunikation für Einrichtungen, Produkte, Dienstleistungen oder soziale Anliegen zu gewährleisten.5 Neben dem Ziel, weitreichende Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu erlangen, können Kampagnen auch folgende Absichten umfassen: – Beeinflussung der Prozesse öffentlicher Meinungsbildung; – Entwicklung von Vertrauen in die Organisation; – Profilierung eines vorteilhaften Images der Organisation; 1 2 3 4 5
Vgl. Röttger 2014, S. 634. S. https://www.ifla.org/node/34315 (Abruf: 2018.03.18). Vgl. Pietzcker 2016, S. 23. Vgl. den Beitrag „E-Mail-Marketing“ von Johannes Neuer in diesem Handbuch. Vgl. Pietzcker 2016, S. 78.
https://doi.org/10.15159783110539011-036/
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Erwirkung von Zustimmung zu den eigenen Intentionen; Aktivierung von Anschlusshandeln, z. B. Kauf- oder Wahlentscheidungen, sowie Einstellungs- oder Verhaltensänderung.6
Während sich die Ziele der Kampagnenkommunikation nur unwesentlich fortentwickelt haben, hat der digitale Wandel die Kampagnenentwicklung sowie Techniken und Instrumente zur Durchführung von Kampagnen grundlegend verändert. Digitale Kampagnen verlaufen schnell und verändern sich, da sie durch eine konstante Wechselbeziehung mit dem Empfänger kontrolliert und regelmäßig angepasst werden können.7 Diese Interaktion kann im schlimmsten Fall einen Verlust der Steuerbarkeit einer Kampagne bedeuten, hat aber auch entscheidende Vorteile: Durch sofortiges Feedback auf Botschaften kann schnell ermittelt werden, wie es um die öffentliche Meinung zum Kampagnengut steht. Das bedeutet, dass Kampagnen mit wenig Zeitverlust modifiziert und korrigiert werden können und auch müssen. Botschaften lassen sich justieren und erzeugen Relevanz, wodurch mehr Menschen schneller erreicht werden können.8 Um dieses Feedback wahrzunehmen und Anpassungen zeitnah umsetzen zu können, bedarf es einer kontinuierlichen und systematischen Analyse durch Monitoring von Kommunikationskanälen.9 Dies kann von kleineren Organisationen durch gezielte Twitter-Suchen10 und Google Alerts11 bewerkstelligt werden. Größere Einrichtungen, die einen umfassenden Überblick über den Online-Diskurs ihrer Marke, Kampagnen, Themen, Produkte und Dienstleistungen benötigen, sind auf professionelle Instrumente des Social Media Listenings angewiesen. Derartige Software erfasst nicht nur die Kommunikationen selbst, sondern auch deren Frequenz und Reichweite. Darüber hinaus ist die Software hilfreich, um sogenannte Influencer zu identifizieren, mit denen Beziehungen aufgebaut und kultiviert werden können, damit sie diese Botschaften verstärken. Zunächst können Kampagnen nach ihrer Zielsetzung unterschieden werden. Geht es in erster Linie darum zu informieren, bezeichnet man dies als Informationskampagnen; stehen die Mobilisierung von Zielgruppen und eine Änderung von deren Einstellungen und Verhalten im Vordergrund, bezeichnet man dies als Mobilisierungskampagne.12 Oft kommt es zu Mischformen, wie es auch bei der Kampagne „Fine-
6 Vgl. Röttger 2014, S. 635. 7 Vgl. Pietzcker 2016, S. 52. 8 Vgl. ebd., S. 27. 9 Vgl. Röttger 2014, S. 641. 10 S. https://twitter.com/search-home (Abruf: 2018.03.10). 11 S. https://www.google.de/alerts (Abruf: 2018.03.10). 12 Vgl. Röttger 2014, S. 636.
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Forgiveness-Kampagne“13 der New York Public Library (NYPL) der Fall ist, die in diesem Beitrag vorgestellt wird. Kampagnen haben insbesondere für Non-Profit-Einrichtungen, wie Kultur- oder Bildungseinrichtungen, eine hohe strategische Bedeutung, da diese öffentlich finanziert werden, jedoch nur begrenzten Zugang zu den Entscheidungsprozessen der Politik haben und die mediale Öffentlichkeit von Kampagnen nutzen können, um auf die Politik einzuwirken.14 Beispiele für Kampagnen mit politischen Zielsetzungen geben die crossmedial inszenierten Advocacy-Kampagnen der NYPL, der Brooklyn Public Library und der Queens Library. Advocacy-Kampagnen sind Aufklärungs-, Protestund Hilfskampagnen, die die Lösung sozialer Probleme oder die Thematisierung von Solidaritätsdefiziten zum Ziel haben.15 Die jährlichen Kampagnen der drei New Yorker Bibliotheken zielen darauf ab, mit Grassroots-Lobbyarbeit durch Mitarbeiter und Freiwillige so viele Petitionen wie möglich an den Bürgermeister und die Stadträte zu schicken, um zu zeigen, wie wichtig den Bürgern die Arbeit der Bibliotheken ist, und die weitere finanzielle Unterstützung der Stadt New York zu legitimieren.16 Ziel dieser Advocacy-Kampagnen ist es darüber hinaus, Inhalte in lokalen, regionalen Massenmedien zu platzieren, um die öffentliche Meinung für Themen der Bibliothek und deren Wert zu sensibilisieren. Mit diesem sogenannten Agenda-Building, dem aktiven Einwirken auf die Medienagenda seitens politischer und medialer Akteure, wird versucht, die öffentliche Agenda so weit wie möglich so zu steuern, dass Themen beeinflusst, neu besetzt oder gar durch neue Themen ergänzt werden.17 In diesem Sinne ist das Ziel erreicht, wenn ein Bewusstseinswandel stattfindet und eine Aktion – in diesem Fall eine Haushaltsentscheidung der Stadtregierung zugunsten der Bibliothek – ausgeführt wird.18 Neben diesen klassischen Kampagnenstrategien bietet das Internet heute Organisationen die Möglichkeit, Zielgruppen jenseits dieser Verbreitungswege differenziert und auf verschiedenen digitalen Kanälen anzusprechen.19 Das bedeutet, dass erfolgreiche Kampagnen heute nicht nur die Interessen der Organisation mit den Bedürfnissen der Zielgruppe bündeln müssen,20 sondern die Zielgruppen auch auf ihren bevorzugten Kanälen ansprechen müssen, was zwangsläufig eine synchronisierte 360Grad-Kommunikation voraussetzt.
13 14 15 16 17 18 19 20
Vgl. https://www.nypl.org/blog/2017/10/19/fine-forgiveness (Abruf: 2018.03.10). Vgl. Röttger 2014, S. 635. Vgl. Baringhorst 1998, S. 72. Vgl. Schade 2016, S. 275 f. Vgl. Röttger 2014, S. 639. Vgl. Pietzcker 2016, S. 4. Vgl. Röttger 2014, S. 646. Vgl. Pietzcker 2016, S. 4.
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1 Zielsetzung und Konzept Durch eine zunehmende Ausdifferenzierung der Gesellschaft muss die Frage gestellt werden, was eine Organisation mit einer Kampagne erreichen möchte: Soll eine bestimmte Zielgruppe angesprochen werden oder eine breitere Wirkung erzielt werden?21 Dabei ist es wichtig, den Adressatenkreis genau zu definieren, einzugrenzen22 und anzusprechen. Darüber hinaus müssen die zu verwendenden Kommunikationskänale festgelegt und die verfügbaren Mittel und Personalressourcen austariert werden.23 Ziele einer Kampagne lassen sich aus den Organisations- und aus den allgemeinen Kommunikationszielen ableiten. Das Konzept einer Kampagne ist als Lösungsprozess zu interpretieren, der von diesen Zielen und den angestrebten Wirkungen ausgehend dramaturgisch entwickelt und inszeniert wird. Somit bilden Ziele, Ressourcen und die Gestaltung einer Kampagne die Koordinaten.24 Für Bibliotheken ist beispielhaft denkbar, dass eine Kampagne entwickelt wird, die Zielgruppen auf die Dienstleistungen der Onleihe aufmerksam macht, um neue Kunden zu gewinnen und die Ausleihe von E-Medien zu steigern (Ziele). Die Kampagne erfüllt die Mission (Auftrag) der Bibliothek, der unter anderem darin besteht, einen Beitrag zur Freizeitgestaltung zu leisten und Lesen sowie lebenslanges Lernen zu fördern. Ein Kommunikationskonzept muss drei inhaltliche Qualitäten aufweisen: 1. Es muss einen empirisch-analytischen Ansatz haben, der eine Ausgangssituation neutral betrachtet und existierende Marktinformation erhebt und auswertet. 2. Es muss sich strategisch-visionär ausgehend vom momentanen Zustand auf einen zu erreichenden zukünftigen Zustand beziehen, der veranschaulicht und begründet werden muss. 3. Es muss kreativ-operational alle textlichen, grafischen und technischen Ideen bündeln und umsetzen.25 Der Kristallisationspunkt eines Konzeptes ist seine Leitidee (Kernaussage), die eine Botschaft treffend auf den Punkt bringt, an der die gesamte Kampagne ausgerichtet wird. Diese Leitidee adressiert ein konkretes Thema, das in der Ausführung des Konzeptes aufgegriffen, modifiziert und zu einem logischen Schluss geleitet wird.26
21 22 23 24 25 26
Vgl. Pietzcker 2016, S. 32. Vgl. ebd., S. 15. Vgl. ebd., S. 21. Vgl. Röttger 2014, S. 642. Vgl. Pietzcker 2016, S. 9 f. Vgl. ebd., S. 11.
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Die Kampagnenkommunikation verhält sich insofern opportunistisch, als Inhalte an die medienspezifische Ikonografie der Kanäle angepasst werden können und nur solche Kanäle angesteuert werden, die von den Zielgruppen auch tatsächlich genutzt werden. Besonders wichtig ist es dennoch, medienübergreifend identische oder zumindest ähnliche Aussagen und visuelle Anreize zu setzen, die einen großen Wiedererkennungswert haben.27 Konkret bedeutet dies, dass Botschaften so formuliert werden, dass sie als grafische Inhalte in verschiedenen Kommunikationskanälen kommuniziert werden können.28
2 Planung Das Phasenmodell strategischer Public Relations (PR) mit seinen vier zentralen Elementen Situationsanalyse, Strategiephase, Umsetzung und summative Evaluation bestimmt die Planung und Umsetzung von Kampagnen29 und ist auch im digitalen Zeitalter nützlich (s. Abb. 1). Die formative Evaluation läuft begleitend parallel zu diesen vier Phasen ab und ermöglicht somit korrektive Eingriffe während der Ausführung der Kampagne. Wie bildlich dargestellt, basieren Kampagnen auf einer Reihe von Kommunikationsereignissen, die sowohl aufeinander aufbauen als auch ineinandergreifen.30 31 Durch die hohe Komplexität ist eine genaue Kampagnenführung durch ein dezidiertes Kampagnenmanagement unerlässlich. Die Kampagnenführung muss bidirektional erfolgen – sowohl in die Öffentlichkeit hinaus als auch in die eigene Organisation hinein.32 Organisationen müssen daher eine Struktur und Unternehmenskultur schaffen, die es ermöglicht, stimmige Botschaften mit strategischer Signifikanz zu entwickeln und zu kommunizieren.33 Die Entwicklung solch einer Struktur sollte mit einer Professionalisierung des Personals einhergehen: Es müssen entweder intern oder extern Kommunikationsexperten zur Verfügung stehen, die klassische Media-Relations und Public Relations (PR), Dialogmarketing, E-Mail-Marketing, soziale Medien und klassische und Online-Werbung abdecken können, damit crossmediale Kampagnen konsequent geplant und durchgeführt werden können.
27 Vgl. Pietzcker 2016, S. 17. 28 Vgl. ebd., S. 26. 29 Vgl. Röttger 2014, S. 643. 30 Vgl. ebd. 31 Aufgrund der Kürze dieses Beitrages kann hier nicht auf die jeweiligen Ereignisse der vier Phasen eingegangen werden. Der Autor empfiehlt, die zitierte weiterführende Literatur zu konsultieren. 32 Vgl. Pietzcker 2016, S. 23. 33 Vgl. ebd., S. 33.
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Situationsanalyse
Problemdefinition Analyse Ist-Positionierung SWOT-Analyse Soll-Positionierung
Strategie
Ist-Soll-Abgleich Kommunikationsziele Positionierung Kommunikative Kernbotschaften Maßnahmenplan Zielgruppen Kommunikationsmix (Instrumente) Zeit-/Kostenplan
Umsetzung
Gestaltung Produktion Durchführung
Summative Evaluation
Resonanz- und Wirkungsanalyse
Abb. 1: Phasen der strategischen Kampagnenkommunikation36
34 Vgl. Röttger 2014, S. 644. 35 Vgl. ebd., S. 646. 36 Eigene Darstellung nach Röttger 2014, S. 643.
Formative Evaluation Bewertung des gesamten PR-Prozesses
Kampagnenkommunikation ist aber auch mit einem professionellen Team mit zahlreichen Unsicherheiten und Risiken behaftet, da die Kampagne im öffentlichen Raum lanciert wird und sowohl Wirkung als auch Reaktionen kaum beeinflusst werden können. Deshalb ist der Erfolg von Kampagnen nicht oder nur bedingt planbar.34 Es besteht außerdem die Gefahr, dass Inhalte von erfolgreich geteilten Kampagnen Empfängern zwar bekannt sind, diese aber entweder nicht oder gar mit einem falschen Absender assoziiert werden.35 Diese Tendenz hat sich im sogenannten „postfaktischen Zeitalter“ unter dem Einfluss von sozialen Medien und Social Advertising noch verstärkt.
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3 Erfolgsfaktoren von Kampagnen Für erfolgreiche Kampagnen müssen folgende Voraussetzungen geschaffen werden: – ein attraktives Empfehlungsobjekt (Kampagnengut), das sich durch Vergnügen, Spaß und Unterhaltung, Emotionalität, Neuheit oder Einzigartigkeit, Nützlichkeit, kostenfreie Bereitstellung und einfaches Teilen auszeichnet; – Empfehlungsanreize, die auf starkem Mitwirken und sozialer Gratifikation aufbauen und durch Belohnungen, wie Gutscheine oder Preise, noch verstärkt werden können; – eine zielgruppenspezifische Verbreitung (Seeding), die sicherstellt, dass von Anfang an möglichst viele Menschen adressiert werden, um mit der Kampagne eine kritische Masse zu erreichen. Dabei gilt es zwei Arten der Streuung zu unterscheiden: erstens einfaches Seeding, mit dem die Zielgruppe das Kampagnengut entweder selbst entdeckt oder durch Mailings direkt darauf aufmerksam gemacht wird; zweitens erweitertes Seeding, mit dem das Kampagnengut über möglichst viele Kanäle und Netzwerke simultan und schnell verbreitet wird, was eine genaue Planung und Abstimmung der Streuung voraussetzt.37
4 Medienauswahl Im digitalen Zeitalter, das von einer Zersplitterung der Zielgruppen geprägt ist, ist es zu empfehlen, dass Kampagnen auf allen wirtschaftlich vertretbaren Kanälen durchgeführt werden, um eine optimale Streuung und Wirkung zu erzielen. An dieser Stelle soll im Besonderen auf zwei Kanäle eingegangen werden, zum einen, um aufzuzeigen, dass Printmedien am Ende des zweiten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts immer noch relevant sind, und zum anderen, um deutlich zu machen, dass soziale Medien die Kommunikation zwischen Organisationen, deren Marken und Einzelpersonen neu definiert haben. Das Thema E-Mail-Marketing wird ausführlicher in einem eigenen Beitrag beleuchtet.38
Printmedien haben auch heute noch eine hohe Relevanz, weil sie nach wie vor als besonders seriös empfunden werden. Online-Kanäle erreichen bisher keine ebenbürtige Autorität und Glaubwürdigkeit. Allerdings kann Print ohne eine Online-Präsenz de facto am Markt kaum mehr bestehen.39 Printmedien besitzen bis heute eine besondere Eignung, Markenwerte zu kommunizieren. Das geschieht zum Beispiel durch die Auswahl des Papiers, die Qualität des Druckes, spezielle Falzungen und
37 Vgl. Röttger 2014, S. 646 . 38 Vgl. den Beitrag „E-Mail-Marketing“ von Johannes Neuer in diesem Handbuch. 39 Vgl. Pietzcker 2016, S. 27.
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Prägungen. Digitale Medien hingegen eignen sich besser, um Kundenbeziehungen aufzubauen und zu stärken.40 Darüber hinaus sind Drucksachen in Unternehmen und Einrichtungen mit einer physischen Präsenz relevant, da dort z. B. Plakate aufgehängt und/oder Flyer verteilt werden können. Print wird auch dann eingesetzt, wenn Zielgruppen nicht auf digitalen Wegen erreicht werden können – zum Beispiel, wenn keine E-Mail-Adressen vorliegen oder Personen aus technischen oder sozioökonomischen Gründen nicht über einen Internetzugang verfügen. Print hat auch eine längerfristige Wirkung, da Prospekte und Sendungen aufbewahrt werden und dadurch auch von mehr als einer Person gesehen werden können.
Soziale Medien haben die klassische Beziehung von Absender und Empfänger dahingehend verändert, dass jeder Teilnehmer des Netzwerkes sowohl Absender als auch Empfänger sein kann, und das auf verschiedenen Kanälen und im Dialog mit verschiedenen Personengruppen. Der einstige Konsument wird zum Prosumer, der sowohl Empfänger als auch Gestalter von Medieninhalten ist und Inhalte neu interpretiert oder herstellt.41 Wie oben bereits erwähnt, kann diese neue Rollenverteilung in Kampagnen genutzt werden, um die Reichweite durch den Netzwerkeffekt und daraus resultierende Viralität zu steigern. Durch soziale Medien können Organisationen soziale Nähe zu ihren Zielgruppen simulieren. Freiwillig bereitgestellte Nutzerdaten und Algorithmen schaffen eine Datenbasis, die es erlaubt, Personen gezielt mittels Kampagnen über ihre Bedürfnisse, Interessen und Vorzüge anzusprechen.42 Diese Art der Ansprache ist – neben organischen Inhalten (kostenlosen Postings) – besonders im Zusammenhang mit Social Advertising wirkungsvoll, weil kreative Inhalte sehr genau auf eine genau definierte Zielgruppe abgestimmt und durch sofortiges Feedback im Rahmen der formativen Evaluation optimiert werden können.43 Welche Wirkung diese Taktik haben kann, war im US-Wahlkampf 2016 zu beobachten, in dem russische Anzeigen etwa 126 Millionen amerikanische Nutzer über deren Facebook-Timeline erreicht haben und dadurch möglicherweise das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen beeinflusst haben.44 Um diesen Netzwerkeffekt voll ausschöpfen zu können, ist es wichtig, dass Organisationen die Anzahl der Abonnenten, Fans und Followers stetig erhöhen, um diese als potenzielle Vermittler gewünschter Kampagneninhalte zu gewinnen,45 denn
40 Vgl. Pietzcker 2016, S. 53, und den Aspekt des Lebenszyklus-Marketings in dem Beitrag „E-MailMarketing“ von Johannes Neuer in diesem Handbuch. 41 Vgl. Pietzcker 2016, S. 37. 42 Vgl. ebd., S. 39. 43 S. den Beitrag „(Social) Display Advertising“ von Joachim Griesbaum in diesem Handbuch. 44 S. http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-10/us-wahlkampf-facebook-russland-polit-werbungeinflussnahme (Abruf: 2018.01.10). 45 Vgl. Pietzcker 2016, S. 38.
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Rezipienten erzielen in ihren Kanälen nun selbst eine globale Reichweite46 jenseits der Kommunikationskanäle der Kampagne. Inhaltlich ist bei sozialen Medien ein Trend zum Storytelling zu erkennen. Die Marke tritt mit dieser Methode in den Hintergrund; es werden Geschichten erzählt, die insbesondere die Identität und die Werte der Marke kommunizieren.47
5 Fine Forgiveness: Eine Initiative und Kampagne der New York Public Library Im Folgenden wird die Kampagne der Fine-Forgiveness-Initiative der New York Public Library (NYPL), die im Oktober 2017 gestartet wurde, anhand des Phasenmodells strategischer Public Relations Schritt für Schritt vorgestellt (s. Abb. 1).
5.1 Situationsanalyse Mahngebühren von Bibliotheken sind für viele Familien eine Barriere, da sie den Zugang zu den Sammlungen von Bibliotheken verlieren können und dann keine Chance mehr haben, kostenfrei Medien auszuleihen und sich weiterzubilden. Dies tritt ein, wenn die Mahngebühren eines Benutzers der NYPL 15 US-Dollar erreichen. Ende 2017 hatten 20 Prozent der 400 000 New Yorker Kinder und Jugendlichen mit einem NYPL-Benutzerausweis gesperrte Kundenkonten; fast die Hälfte dieser Nutzer kam aus dem unteren Viertel der ärmsten Stadtteilbibliotheken des Bibliothekssystems. Manche Familien sahen aus Angst vor Mahngebühren von einem Besuch und der Nutzung der NYPL gänzlich ab. Aus ähnlichen Gründen hatten verschiedene Bibliotheken in den USA Mahngebühren bereits teilweise oder ganz abgeschafft. Mitarbeiter der NYPL waren schon vor der Kampagne dazu befugt, von Fall zu Fall selbst zu entscheiden, ob Mahngebühren in einem Härtefall erlassen werden. Dieser stückchenweise Ansatz ist allerdings wenig effektiv. Obwohl die NYPL aus wirtschaftlichen Gründen Mahngebühren zum Zeitpunkt der Initiative nicht komplett abschaffen konnte, wollte NYPL-Präsident Tony Marx dennoch einen Weg finden, diesen Familien zu helfen.48
46 Vgl. Pietzcker 2016, S. 43. 47 Vgl. ebd., S. 55 und den Beitrag „Corporate Storytelling als Marketinginstrument“ von Deborah Kyburz in diesem Handbuch. 48 S. https://qz.com/1158839/the-case-against-library-fines-according-to-the-head-of-the-new-yorkpublic-library/ (Abruf: 2018.03.10).
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5.2 Strategie Die NYPL hatte von einer Stiftung Drittmittel eingeworben, die es allen drei New Yorker Bibliothekssystemen (Brooklyn Public Library, NYPL und Queens Library) erlaubte, in einer einmaligen Aktion die gesamten Mahngebühren von Kindern und Jugendlichen zu erlassen und ihnen damit einen Neuanfang zu ermöglichen, und dies sogar, ohne ein einziges Buch oder ein anderes Medium zurückzubringen.49 Nach Absprache mit der Stiftung wurde ein Teil der Mittel für die Durchführung einer Kampagne verwendet. Ziel der Kampagne war es, so viele junge Nutzer wie möglich über Fine Forgiveness, also darüber, wie man Mahngebühren vermeidet, und über die kostenlosen Angebote der Bibliotheken zu informieren, um sie als aktive Kunden zurückzugewinnen und dadurch ihr Lesen und Lernen weiter zu fördern. Dieses Kampagnenziel ist Teil des erweiterten Auftrags (Mission) der New Yorker Bibliotheken, der darin liegt, sicherzustellen, dass niemand – egal welchen Glaubens und welcher Herkunft – daran gehindert wird, zu lernen, sich zu entfalten und damit die Gemeinschaft zu stärken. Der Auftrag wird in schon bestehenden Programmen und Angeboten, wie zum Beispiel dem Wi-Fi-HotSpot-Verleih, Englisch- und Einbürgerungskursen sowie Veranstaltungen, die frühes Lesen fördern, aktiv erfüllt.50 Ziel war es darüber hinaus, den öffentlichen Dialog über Mahngebühren zu fördern, um Wege zu finden, diese Barriere langfristig zu beseitigen. Die Hauptzielgruppe der Kommunikationskampagne stellten die jungen Kunden selbst dar, gefolgt von ihren Eltern, Vormunden, Verwandten und Freunden sowie den weiteren Kunden, der Stadtgesellschaft und der Politik. Begründet wurde die Initiative mit dem Wertversprechen „Libraries help kids and teens succeed in school“. Diese sogenannte Value Proposition stellte zugleich einen Zusammenhang mit dem Motto „Back to School“51 her, das von Juli bis September in den USA das Marketing des Einzelhandels dominierte und in den kreativen Elementen der Kampagne ebenfalls aufgegriffen wurde. Die Kernbotschaft und Handlungsaufforderung der Fine-Forgiveness-Kampagne lautete: „Kids & Teens! Get a New Start at NYC Libraries“. Betont wurde diese Botschaft durch die Zusätze „For one time only, we are clearing all fines on all kids’ and teens’ library cards“ und „On October 19, 2017, you owe: $ 0“. Diese Aussagen befanden sich auf allen textlichen und kreativen Elementen der Kampagne.
49 Vgl. New York Public Library 2017a. 50 Vgl. ebd. 51 S. https://en.wikipedia.org/wiki/Back_to_school_(marketing) (Abruf: 2018.03.10).
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Der Kommunikationsmix bestand aus folgenden Instrumenten: Media Relations – Einer Pressemitteilung, die vom Media-Relations-Team verschickt und auch auf der NYPL-Webseite eingepflegt wurde.52 Die Kampagne wurde mit einem Artikel in der New York Times (NYT) eröffnet, der kurz vor Kampagnenstart online veröffentlicht wurde und am Tag vor der Fine Forgiveness in der Printausgabe erschien. – Einer Pressekonferenz mit den drei Bibliothekspräsidenten und Repräsentanten der Stadtpolitik in der NYPL-Zweigstelle mit den meisten gesperrten Bibliotheksausweisen. – Einem Op-Ed (Gastbeitrag) von NYPL-Präsident Tony Marx, der Wochen nach der Kampagne erschien und Mahngebühren als Barriere thematisierte, für die Politik und Gesellschaft Lösungen finden müssen, damit alle Kunden die gleichen Chancen auf Bildung und Lernen haben. Print – Postkarten, die an fast 150 000 Haushalte mit Kindern und Jugendlichen geschickt wurden, die von den Mahngebühren und blockierten Konten am schlimmsten betroffen waren (s. Abb. 2). Diese Form des Dialogmarketings wurde bewusst gewählt, um Familien zu erreichen, die über die digitalen und über die In-Store-Kanäle (vor Ort) schwer oder gar nicht anzusprechen sind. 20 000 weitere Postkarten ohne Adressfeld wurden Mitarbeitern zur Verfügung gestellt, die sie in ihren Bibliotheken und Stadtvierteln verteilten. – Poster, die in allen Stadtteilbibliotheken aufgehängt wurden. – Flyer, die Kommunen gezielt zu Open House Events einluden (s. Aktivitäten vor Ort). Diese Flyer wurden Mitarbeitern als Formatvorlage zur Verfügung gestellt, damit sie auf die lokalen Termine abgestimmt und dort gedruckt werden konnten. – FAQs-Flyer mit Antworten zu häufig gestellten Fragen über die Fine-ForgivenessInitiative, die Mitarbeitern zur Verfügung gestellt wurden und nach Bedarf für Kunden vor Ort ausgedruckt werden konnten. – Welcome-Lesezeichen, die junge Kunden willkommen heißen und fünf Gründe/ Anreize nennen, warum es sich lohnt, die Bibliothek zu besuchen: 1. kostenlose Bücher, 2. Computer & Wi-Fi, 3. coole Veranstaltungen, 4. freundliche Räumlichkeiten und 5. Hilfsmittel für Hausaufgaben, wie Datenbanken und Nachhilfe. Gleichzeitig stellt das Lesezeichen auch dar, wie Medien ausgeliehen und OnlineBestellungen getätigt werden. Darüber hinaus gibt das Lesezeichen Auskunft über Ausleihfristen, darüber, wie man die Ausleihfrist verlängert und wie damit
52 S. https://www.nypl.org/press/press-release/october-19-2017/new-york-city-public-libraries-anno unce-citywide-fine (Abruf: 2018.03.10).
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Mahngebühren vermieden werden können. Dieses Evergreen-Kampagnenelement53 hatte eine Druckauflage von 100 000 und konnte nun von Mitarbeitern im regulären Betrieb ausgegeben werden, wenn Kinder ihren ersten Benutzerausweis bekamen.
Online – E-Mail-Mitteilung an alle Mitarbeiter vor Start der Kampagne, denn erfolgreiche Kommunikation muss auch intern funktionieren;54 – E-Mail-Nachrichten an 100 000 Jugendliche und mehr als 600 000 NewsletterAbonnenten; – Social Media mit Postings auf Facebook55, Twitter56 und Instagram57; – Video einer Kundin als Testimonial58, die beschreibt, welche Auswirkungen Mahngebühren auf ihre Familie hatten. Dieses Video wurde sowohl auf YouTube59 als auch nativ auf Facebook eingepflegt, um den Netzwerkeffekt der beiden Plattformen jeweils voll ausschöpfen zu können; – Fine-Forgiveness-Facts-Animation, die ohne Ton die wichtigsten Punkte und Handlungsaufforderungen der Kampagne illustriert;60 – Feature auf der NYPL-Homepage; – Blog Post von Chief Library Officer Christopher Platt;61 – Landing Page auf nyclibraries.org, eine Webadresse, die eigens für diese Initiative eingerichtet wurde und nun für weitere gemeinsame Projekte der drei Bibliotheken NYCs zur Verfügung steht. Diese Landing Page enthielt Verknüpfungen auf die jeweiligen Landing Pages der drei Einrichtungen, auf denen die Details und das Kleingedruckte näher erläutert wurden.62
53 Evergreen-Inhalte behalten über einen langen Zeitraum ihre Gültigkeit. Dieser englische Begriff leitet sich aus der Botanik ab: Evergreens sind immergrüne Pflanzen. 54 Vgl. Pietzcker 2016, S. 79. 55 S. https://www.facebook.com/nypl (Abruf: 2018.03.10). 56 S. https://twitter.com/nypl (Abruf: 2018.03.10). 57 S. https://www.instagram.com/nypl/ (Abruf: 2018.03.10). 58 Vgl. Pietzcker 2016, S. 28. 59 S. https://www.youtube.com/watch?v=c_TNvl27XHs (Abruf: 2018.03.10). 60 S. https://www.instagram.com/p/Babs5W_FzLP/ (Abruf: 2018.03.10). 61 S. https://www.nypl.org/blog/2017/10/19/fine-forgiveness (Abruf: 2018.03.10). 62 Die jungen Nutzer wurden darauf aufmerksam gemacht, dass für Medien, die nach dem 19. Oktober fällig waren und verspätet zurückgegeben wurden, wie zuvor Mahngebühren anfielen. Für Nutzer unter 18 Jahren wurden die Gebühren automatisch erlassen. Jugendliche, die 18 Jahre und älter sind und einen Highschool-Abschluss anstreben, konnten ihr Konto bis zum 2. November auf Anfrage von Mitarbeitern auf null zurücksetzen lassen.
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Aktivitäten vor Ort – Eine Back-to-School-Open-House-Veranstaltung pro Zweigstelle, die in der Woche nach dem Kampagnenstart durchgeführt wurde. Besonders bedürftige Stadtteile erhielten eine kleine Zuwendung in Form von weiteren für diesen Zweck eingeworbenen Drittmitteln, um ihren Kommunen etwas mehr bieten zu können. Alle Textelemente wurden zweisprachig in Englisch und Spanisch erstellt und enthielten ebenso einen Verweis auf die Landing Page der Kampagne, die auch in einer Übersetzung auf Chinesisch zur Verfügung stand. Die häufig gestellten Fragen wurden in allen drei Sprachen zur Verfügung gestellt. Der Zeitplan sah vor, dass alle Elemente, bis auf den Gastbeitrag von Tony Marx, vor dem Kampagnenstart am 19. Oktober 2017 fertig sein würden. Ein fester Kostenplan wurde für den Druck von Postkarten, Postern, Lesezeichen, das Versenden der Postkarten und das Übersetzen der Texte aufgestellt. Jedes Bibliothekssystem hatte dafür ein eigenes Budget.
5.3 Umsetzung Die zentrale Steuerung der Initiative oblag der Customer-Experience-Abteilung der NYPL, die in wöchentlichen Telefonkonferenzen vor dem Kampagnenstart mit Mitarbeitern aller drei Bibliotheken die Vorbereitung leitete, die Genehmigung von Elementen, wie Texten, Grafiken, Videos etc., abstimmte und den Produktionsplan überwachte. Der Produktionsplan enthielt Einträge zur Erstellung von kreativen Elementen, der technischen Umsetzung und der Evaluation. Das interdisziplinäre Projektteam setzte sich aus Mitarbeitern in Library Sites & Services (Stadtteilbibliotheken), Development (Fundraising), Kommunikation und Marketing, Government Relations, NYPL Digital Strategic Research and Analytics (Evaluation) zusammen. Die Gestaltung und Produktion aller digitalen und Printmedien wurde von der NYPL-Abteilung für Kommunikation und Marketing durchgeführt. Das zentrale Element war die Postkarte, auf der die anderen Elemente aufbauten (Abb. 2). Alle Elemente wurden den zwei Partnerbibliotheken als Formatvorlagen zur Verfügung gestellt, die diese mit kleinen Änderungen selbst produzierten.
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Abb. 2: Fine-Forgiveness-Postkarte (Vorder- und Rückseite)63
5.4 Evaluation Die Evaluation der Fine-Forgiveness-Initiative war von Anfang an fester Bestandteil des Gesamtkonzepts und zielte insbesondere darauf ab, den Langzeiteffekt einer derartigen Aktion festzustellen und darüber zu berichten. Die Kampagne stieß mit mehr als 50 Medienberichten sowohl regional als auch national und international auf ein positives Echo, wodurch insgesamt eine große
63 New York Public Library 2017b.
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Reichweite erzielt wurde. Die Berichterstattung erfolgte hauptsächlich in OnlineMedien und Blogs und zu kleineren Anteilen im Radio, im Fernsehen und in PrintMedien. Die Beteiligung in sozialen Medien war beträchtlich und konnte über einen Zeitraum von mehreren Tagen aufrechterhalten werden. Hierbei waren Postings von Influencern mit vielen Followers und wiederholte Einträge auf den Kanälen der NYPL hilfreich. Einzelne Nutzer haben sogar angefragt, wie sie dieses Projekt durch eine Spende mitfinanzieren könnten. Das Ergebnis war, dass die Bibliotheken schon früh einen Erfolg verzeichnen konnten: Etwa 41 000 Kinder und Jugendliche (zehn Prozent der betroffenen Kunden) hatten innerhalb des ersten Monats nach der Fine Forgiveness bereits wieder ihre Ausweise verwendet. 11 000 dieser 41 000 jungen Kunden hatten zuvor gesperrte Konten oder waren inaktive Kunden, was bedeutet, dass sie die Bibliotheken seit mehr als einem Jahr nicht mehr benutzt hatten.64 NYPL-Präsident Tony Marx beabsichtigt, sich mit Leitern anderer Bibliotheken in den USA zu treffen, um das Thema Mahngebühren zu erörtern und innovative Lösungen zu entwickeln, die es kleinen und großen Einrichtungen ermöglichen, diese Hürde aus dem Weg zu räumen. Seine Hoffnung ist, dass er Partner in Politik und Gesellschaft findet, die ebenfalls frühes Lesen, das Überbrücken des Digital Divide und Chancengerechtigkeit unterstützen, um Bibliotheken zu helfen, Einnahmen von Mahngebühren mit anderen Mitteln zu ersetzen und zu untersuchen, wie Mahngebühren abgeschafft werden können.65 Nicht zuletzt leistete diese Initiative einen weiteren Beitrag dazu, die Zusammenarbeit der drei Bibliothekssysteme zu stärken. Diese haben im Februar 2018 durch weitere Impulse dazu beigetragen, dass noch mehr Kinder und Jugendliche zurückkehren, um die Angebote der drei Bibliotheken im Bibliothekssystem der NYPL wahrzunehmen.66 Im März 2018 wurde die Kampagne mit dem 1. Preis des IFLA BibLibre International Marketing Award 2018 ausgezeichnet. Dieser Preis wird jährlich Bibliotheken und Informationsdienstleistern verliehen, die kreative und ergebnisorientierte Projekte und Kampagnen durchgeführt haben.67
Ausblick Bibliotheken und Informationseinrichtungen im deutschsprachigen Raum haben noch viel Entwicklungspotenzial, was die Planung und Ausführung von Kampagnen
64 S. https://qz.com/1158839/the-case-against-library-fines-according-to-the-head-of-the-new-yorkpublic-library/ (Abruf: 2018.03.10). 65 S. ebd. 66 Weitere Fallstudien des Autors über die Kommunikation der NYPL finden sich in Schade 2016. 67 S. https://www.ifla.org/node/34315 (Abruf: 2018.03.18).
Crossmediale Kampagnen
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angeht. Leitungsebenen und Träger müssen davon überzeugt werden, dass Kampagnen sowohl sinnvoll als auch essenziell sind, um Einrichtungen zu legitimieren und eine rege Nutzung zu erhalten. Hierbei geht es vielfach nicht um die Vermarktung von neuen Produkten oder Dienstleistungen, sondern primär um die Verortung der klassischen Angebote als Teil des öffentlichen Guts und dessen positive Wirkung auf die Gesellschaft. Das beginnt bei der Lobbyarbeit gegenüber der Politik und endet bei der gezielten Vermarktung von Angeboten unter Kunden und Nichtkunden. Dabei ist zu bedenken, dass es immer einfacher und günstiger ist, Public Relations und Werbung unter Kunden zu machen und deren Engagement mit der Einrichtung im physischen und digitalen Raum auszubauen und zu intensivieren. Kampagnenarbeit zu vertiefen verlangt unbedingt die Bereitstellung von größeren Budgets und Fachpersonal, denn die Dynamik einer komplexen Mediengesellschaft wird auch in Zukunft Organisationen mit neuen und weitreichenden Anforderungen konfrontieren.68 Die Fragmentierungstendenzen in digitalen Medien werden sich weiter beschleunigen und verstärken.69 Mitarbeiter müssen kontinuierlich neue Netzwerke, Technologien und Besonderheiten der jeweiligen Nutzergruppen beobachten, kennenlernen und beherrschen, um sie in die Kampagnenplanung miteinzubeziehen. Dabei dürfen altbewährte Methoden und Kanäle nicht außer Acht gelassen werden, wenn sie für bestimmte Zielgruppen weiterhin relevant sind und effektiv genutzt werden können. Zuletzt sei noch angemerkt, dass alle Formen der Kommunikation von guten Leitideen und einer guten Geschichte, die das Menschliche ansprechen, leben. Dieses Kernelement kann durch keine technische und grafische Umsetzung kompensiert werden.
Literatur Baringhorst, Sigrid: Politik als Kampagne: Zur medialen Erzeugung von Solidarität. Opladen: Westdeutscher Verlag, 1998. New York Public Library: New York City Public Libraries Announce Citywide Fine Forgiveness for all Youth. 2017a. https://www.nypl.org/press/press-release/october-19-2017/new-york-citypublic-libraries-an nounce-citywide-fine (Abruf: 2018.03.10) New York Public Library: Fine-Forgiveness-Postkarte (Vorder- und Rückseite). 2017b. New York: New York Public Library, 2017. Pietzcker, Dominik: Kampagnen führen: Potenziale professioneller Kommunikation im digitalen Zeitalter. Wiesbaden: Springer Gabler, 2016. Röttger, Ulrike: Kommunikationskampagnen planen und steuern: Thematisierungsstrategien in der Öffentlichkeit. In: Handbuch Unternehmenskommunikation: Strategie, Management, Wertschöpfung. Zerfaß, Ansgar et al. (Hrsg.). 2., vollständig überarbeitete Auflage. Wiesbaden: Springer Gabler, 2014. Schade, Frauke: Praxishandbuch Digitale Bibliotheksdienstleistungen. Strategie und Technik der Markenkommunikation. Unter Mitarbeit von Johannes Neuer. Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2016.
68 Vgl. Röttger 2014, S. 648. 69 Vgl. Pietzcker 2016, S. 1.
IV Best Practice Ursula Georgy und Frauke Schade Best Practice: Integriertes und konvergentes Marketing
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Ivo Vogel Services in Informationsinfrastrukturen: Überregionale Literaturversorgung im Recht, einfach? 570
Ursula Georgy und Frauke Schade
Best Practice: Integriertes und konvergentes Marketing Die Struktur des Handbuchs folgt dem Narrativ, das der Marketing-ManagementProzess vorgibt, und gliedert sich in die Themenfelder Marketinganalyse, strategisches und operatives Marketing.1 Fast alle Beiträge dieses Handbuchs lassen sich einem dieser drei Bereiche zuordnen, zumindest haben sie einen deutlichen Schwerpunkt. Der Beitrag von Ivo Vogel mit dem Titel Services in Informationsinfrastrukturen: Überregionale Literaturversorgung im Recht, einfach? kann allen drei Bereichen nahezu gleichermaßen zugeordnet und damit als integrativ verstanden werden. Er konstituiert sich aus Marketinganalyse, strategischem und operativem Marketing. Am Beispiel des Fachinformationsdienstes für internationale und interdisziplinäre Rechtsforschung zeigt Vogel auf, wie man sich der Herausforderung eines zeitgemäßen und maßgeschneiderten Dienstleistungsportfolios stellt und wie eng heute Aspekte der Marketinganalyse, des strategischen und des operativen Marketings sowie die Evaluation des Erfolgs zusammenhängen. Insbesondere die Fachinformationsdienste für die Wissenschaft (FID) müssen sich dabei heute deutlich von Standardservices abheben und einen Mehrwert bieten. Im Mittelpunkt steht dabei der Kunde mit seinen Bedarfen, wie es das Konzept der Service-dominant Logic for Marketing von Vago und Lusch2 darstellt.
1 S. die Einleitung zu diesem Handbuch. 2 S. Vargo, Stephen L.; Lusch, Robert. F.: Evolving to a New Dominant Logic for Marketing. In: Journal of Marketing 68, 2004, H. 1, S. 1–17. https://doi.org/10.1515/9783110539011-037
Ivo Vogel
Services in Informationsinfrastrukturen: Überregionale Literaturversorgung im Recht, einfach? Abstract: Services in Informationsinfrastrukturen leben von der Wahrnehmung und Akzeptanz durch die Zielgruppe. Dies gilt selbstverständlich auch für bibliothekarische Fachinformationssysteme und besonders dann, wenn den Fördergrundsätzen nach ein enger Austausch mit der Fachcommunity bezüglich bereitzustellender Mehrwertdienste abverlangt wird. Zu einer solchen Infrastruktur zählt die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte überregionale Literaturversorgung in ihrer modernisierten Ausprägung der „Fachinformationsdienste für die Wissenschaft“ (FID). In einem Transformationsprozess aus den Sondersammelgebieten (SSG) hervorgegangen und als Infrastrukturprojekte nunmehr ständig evaluiert, müssen sich die Fachinformationsdienste der Aufgabe annehmen, Serviceangebote zu schaffen, die sich von einer bibliothekarischen Grundversorgung abheben und einen tatsächlichen Mehrwert bieten, der von der Fachgemeinschaft erwartet und nachhaltig benötigt wird. Am Beispiel des Fachinformationsdiensts für internationale und interdisziplinäre Rechtsforschung wird in diesem Beitrag aufgezeigt, wie man sich der Herausforderung eines zeitgemäßen und maßgeschneiderten Dienstleistungsportfolios gestellt hat. Eine vorangestellte Genese soll dabei die elementaren Unterschiede zwischen der alten Struktur der Sondersammelgebiete und den neuen Fachinformationsdiensten für die Wissenschaft verdeutlichen.
Einleitung Von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) werden im Bereich der Wissenschaftlichen Literaturversorgungs- und Informationssysteme Projekte an wissenschaftlichen Einrichtungen gefördert, deren Ziel es ist, leistungsfähige, am Bedarf der Forschung orientierte Informationsdienstleistungen und Services sowie innovative Informationsinfrastrukturen an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Deutschland aufzubauen.1 Zu den Förderangeboten zählen – neben Erschließung, Digitalisierung, Open-Access-Publizieren, E-Research-Technologie, Informationsinfrastrukturen für Forschungsdaten und der Erwerbung geschlossener Nachlasse und Sammlungen – auch die „Fachinformationsdienste für die Wissenschaft“ (FID).2 Alle
1 Vgl. Deutsche Forschungsgemeinschaft o. J. 2 Vgl. ebd.
https://doi.org/10.1515/9783110539011-038
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zur Verfügung stehenden Forschungsinfrastrukturen in Deutschland werden über RIsources3, das Informationsportal der DFG für wissenschaftliche Forschungsinfrastrukturen, erschlossen.4 Im Vorfeld bzw. unmittelbar während der Einleitung des Transformationsprozesses von den Sondersammelgebieten (SSG) hin zu den „Fachinformationsdiensten für die Wissenschaft“ (FID) durch die DFG sind aus den Reihen der Bibliothekscommunity zahlreiche Publikationen zum Thema erschienen.5 Diese setzen sich jedoch im Wesentlichen mit den Vor- und Nachteilen der jeweiligen Förderlinie auseinander. Wie der Transformationsprozess konkret erfolgen soll bzw. bestmöglich erfolgen kann und welche Marketingstrategie hierfür erfolgversprechend ist, blieb weitestgehend ein Geheimnis. Auf jeden Fall bedurfte es einer solchen Strategie, da ein enger Austausch mit der Fachcommunity und eine maßgeschneiderte Zielgruppenadressierung Kernelemente der FID sind.6 Sondersammelgebiete funktionierten über Jahrzehnte hinweg nach dem Prinzip des möglichst umfassenden Bestandsaufbaus ausländischer Literatur oder anderer Medien in einem bestimmten Fach. Ein Austausch zwischen diesen SSGs erfolgte fast ausschließlich über die Arbeitsgemeinschaft der Sondersammelgebiete bei der Sektion IV des Deutschen Bibliotheksverbands (dbv).7 Das SSG-Recht wurde bis 1975 von der Universitätsbibliothek Heidelberg und bis 2013 durch die Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz betreut. Darüber hinaus gab es Teilbereiche des Rechts (Versicherungsrecht, Seerecht, Atomenergierecht, Kriminologie), die wiederum durch andere Bibliotheken betreut wurden.8 In einen FID wurden lediglich das SSG Rechtswissenschaft und die Kriminologie überführt, wobei der „Fachinformationsdienst für internationale und interdisziplinäre Rechtsforschung – FID Recht“ die Bereiche Atomenergierecht und Seerecht nunmehr mit abdeckt. Bis zum Ende der 1990er Jahre gab es keine planmäßigen Vermarktungsstrategien im SSG Rechtswissenschaft. Es war bibliotheksbekannt, dass die Staatsbibliothek zu Berlin einen hervorragenden Bestand an ausländischer Rechtsliteratur besitzt. Über die Fernleihe wurde in einem beachtlichen Umfang auf diese Bestände zugegriffen, ohne dass den bundesweit ausleihenden Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschaftlern
3 RI = Research Infrastructure. 4 Vgl. Deutsche Forschungsgemeinschaft 2018. 5 Vgl. u. a. Illig 2015, S. 5 f.; Dörr 2014, S. 130 f.; Griebel 2014, S. 130 f.; Sühl-Strohmenger et al. 2013, S. 211 ff. 6 Vgl. Deutsche Forschungsgemeinschaft 2016b. 7 S. hierzu Deutsche Forschungsgemeinschaft: Das Netzwerk der Sondersammelgebiete und virtuellen Fachbibliotheken – Bibliotheken und wissenschaftliche Fachinformation in Deutschland. Frankfurt a. M.: AGSSG, 2007. 8 S. http://wikis.sub.uni-hamburg.de/webis/images/2/2f/Ssg-verteilungsplan-geschichte.xlsx (Abruf: 2018.06.18).
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oftmals bekannt war, woher die Literatur tatsächlich stammt. Damit trug die Fernleihe jedoch nur zu einem indirekten Austausch bzw. Kontakt mit den Zielgruppen bei. Im Ergebnis hielt das SSG Recht bis circa zur Jahrtausendwende eine Art Dornröschenschlaf. So ist es nicht verwunderlich, dass Umfragen zur Vorbereitung einer Antragstellung zum Aufbau einer Virtuellen Fachbibliothek Recht keinen großen Bekanntheitsgrad des SSG in der Wissenschaft bescheinigten. Zwar gab es seinerzeit auch bereits das Webis-Portal9, das über die Sammelaktivitäten und Einzelservices der SSGs informierte, jedoch interessierte dies die Bibliothekswelt oftmals mehr als die Wissenschaft, was wohl auch daran lag, dass die angebotenen Services eher indirekter Art und auf eine konventionelle Versorgung ausgerichtet waren, die elektronische Medien nahezu unberücksichtigt ließ. Infolge der technologischen und strukturellen Veränderungen der Informationsversorgung und der sich damit verändernden Nutzungsanforderungen wurde um die Jahrtausendwende das Konzept der Virtuellen Fachbibliothek (ViFa) zum Leitbild eines umfassenden Serviceangebotes, das die SSGs in Kooperation mit anderen Informationseinrichtungen erbringen sollten, um einen stärkeren Bekanntheitsgrad bei der Wissenschaft zu erreichen und neue – insbesondere digitale – Services zu etablieren.10 Seinerzeit moderne Services, wie Subject Gateways, Metasuchen, Fachauszüge aus Katalogen oder die Erschließung unselbstständiger Literatur, hielten Einzug und sollten der Wissenschaft direkt über die Virtuellen Fachbibliotheken zugänglich gemacht werden. Es wurde aber schnell erkennbar, dass ein SSG nicht ausschließlich mit einer Internetpräsenz in der Wissenschaft bekannter wird. Vielmehr war dies der Zeitpunkt, zu dem es einer ersten Vermarktungsstrategie bedurfte. Nun sind Bibliothekarinnen und Bibliothekare11 nicht von Natur aus Marketingfachleute, sodass auch die Aktivitäten der „Virtuellen Fachbibliothek Recht“ (ViFa Recht)12, deren Onlinegang 2005 erfolgte, zunächst eher bescheiden und konventionell ausfielen – Artikel für Bibliotheksmagazine schreiben, Flyer erstellen und Schulungen anbieten. In Erwartung besserer Nutzungszahlen durch die DFG mussten die PR-Aktivitäten ausgeweitet wer-
9 S. https://wikis.sub.uni-hamburg.de/webis/index.php/Hauptseite (Abruf: 2018.06.18). 10 S. Deutsche Forschungsgemeinschaft: Weiterentwicklung der überregionalen Literaturversorgung. Memorandum. Bonn, 1998, http://www.dfg.de/download/pdf/foerderung/programme/lis/weiterent wicklung_literaturversorgung.pdf (Abruf: 2018.06.18); Deutsche Forschungsgemeinschaft: Das DFGSystem der überregionalen Sammelschwerpunkte im Wandel. Weitere Schritte zur Umsetzung des Memorandums zur Weiterentwicklung der überregionalen Literaturversorgung. Bonn, 2004, http:// www.dfg.de/download/pdf/foerderung/programme/lis/strategiepapier_ueberreg_lit_versorgung.pdf (Abruf: 2018.06.18). Für weitere Hintergrundinformationen zur Entwicklung der Virtuellen Fachbibliotheken s. die Übersicht bei Hohlfeld, Michael; Lindstädt, Birte; Rosemann, Uwe; Tempel, Bernhard: Bibliotheksverbünde, Virtuelle Fachbibliotheken. In: Handbuch Bibliothek. Geschichte, Aufgaben, Perspektiven. Umlauf, Konrad et al. (Hrsg.). Stuttgart: Metzler, 2012, S. 129–138. 11 In diesem Beitrag werden möglichst geschlechtsneutrale Bezeichnungen verwendet. Sofern dies nicht anwendbar ist, wird sowohl die weibliche als auch die männliche Form verwendet. 12 S. https://www.vifa-recht.de (Abruf: 2018.06.18).
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den, was in der Herstellung und Verteilung von Werbegeschenken (Kugelschreiber, Schlüsselbänder), in Fachvorträgen auf Bibliothekartagen, der Durchführung eigener Tagungen mit der „Arbeitsgemeinschaft für juristisches Bibliotheks- und Dokumentationswesen“ (AjBD)13, dem Berufsverband für Rechtsbibliothekarinnen und Rechtsbibliothekare, und schließlich in der Organisation einer Roadshow für die ViFa Recht mündete. Zwischen 2008 und 2010 wurden über 20 Standorte in ganz Deutschland besucht. Dabei erfolgte die Organisation vor Ort meistens durch die Universitäts- oder Fachbereichsbibliotheken und nicht über die Fakultäten, sodass ein direkter Kontakt zur Fachwissenschaft nicht zwangsläufig entstand. Schließlich wurden in der Folgezeit flankierend die sozialen Netzwerke, wie Twitter, Facebook sowie Google+, eingeführt und zunächst verhalten bedient. Seinen Höhepunkt erreichte die „Welt der ViFas“ mit dem Aufbau von Vascoda.14 Vascoda war als Einstiegsportal in die Virtuellen Fachbibliotheken und Fachportale der wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland gedacht und sollte eine interdisziplinäre Suche über alle Inhalte der ViFas ermöglichen.15 Dieses sehr ambitionierte Drittmittelprojekt der DFG, für das eigens ein Verein gegründet wurde, musste 2011 eingestellt werden, was nicht am Marketing gelegen haben kann, da dafür erhebliche finanzielle und personelle Mittel zur Verfügung gestanden haben und mit professionellen Marketingagenturen zusammengearbeitet wurde.16 Nach Einstellung der Arbeiten am Rechercheportal sollte Vascoda die Koordination, die strategische Unterstützung, das übergeordnete Marketing sowie die Vernetzung und den Wissensaustausch unter den beteiligten Fachportalen übernehmen. Aber auch diese neue Zielausrichtung hatte nicht mehr lange Bestand, da der Verein Vascoda im November 2011 durch die Mitglieder aufgelöst wurde. Am Ende ging das Ziel, Sondersammelgebiete in Virtuelle Fachbibliotheken zu überführen, insoweit auf, als diese Fachportale bekannter waren als die dahinter stehenden Sondersammelgebiete, obwohl sich der Bekanntheitsgrad weiterhin zu einem größeren Teil auf die Bibliothekscommunity beschränkte. Dies erfuhr eine deutliche Änderung mit dem Transformationsprozess der Sondersammelgebiete in „Fachinformationsdienste für die Wissenschaft“ (FID). Es zeichnete sich ein Paradigmenwechsel im System der überregionalen Literaturversorgung ab, das sich weg von einem Subventionsbetrieb hin zu einer marktwirtschaftlichen Bedingungen unterworfenen Projektstruktur wandeln sollte. Dabei manifestiert sich die Zielsetzung der FIDs in den folgenden Grundsätzen: „Bei der Ausgestaltung der Fachinformationsdienste stehen die Interessen der Forschung im Mittelpunkt“ und „[d]ie Leistungen der Fachinformationsdienste grenzen sich von den Grundaufgaben wissenschaftlicher Bibliotheken ab und stellen einen Mehrwert gegenüber den be-
13 S. http://www.ajbd.de/ (Abruf: 2018.06.18). 14 Die ursprüngliche Domain http://www.vascoda.de ist nunmehr auf https://de.wikipedia.org/wiki/ Vascoda (Abruf: 2018.06.18) umgeleitet. 15 Zur generellen Ausrichtung von Vascoda vgl. Hohlfeld et al. 2012, S. 135 . 16 Schon der Name ist von einer Namensagentur entwickelt worden.
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stehenden Angeboten dar“17. Beide Grundsätze sind Kernelemente der neuen Förderlinie und stellten hohe Anforderungen an die neuen FIDs.18 Die erste Hürde, die es auch für das ehemalige SSG Recht zu nehmen galt, war die Antragstellung eines entsprechenden FID mit dem Ziel, eine Förderung durch die DFG zu erreichen. Obwohl die Richtlinien der DFG genügend Anhaltspunkte für die Antragstellung enthielten, war eine solche für das SSG Recht eine große Herausforderung, da in der ersten Antragsrunde die Erfahrungen vorausgegangener Antragsverfahren fehlten und einige Details des neuen Förderprogramms immer noch ungeklärt waren. Sicherlich gab es kein Patentrezept für die damalige Antragssituation;19 zusammenfassend können jedoch folgende Grundsätze aufgestellt werden, die zumindest förderlich für die Bewilligung des Antrages zur Einrichtung eines Fachinformationsdienstes für internationale und interdisziplinäre Rechtsforschung gewesen sind: – Offenheit gegenüber dem Transformationsprozess; – Abkehr von hergebrachten Services der Sondersammelgebiete hin zu nutzungsorientierten Mehrwertdiensten; – konsequente und wissenschaftlich begründete inhaltliche (Neu-)Ausrichtung bzw. Profilbildung; – Konzeption eines zumindest schrittweisen Aufbaus nachhaltiger Nutzerkommunikation; – klare Zielgruppendefinition. Nach der Bewilligung durch die DFG ist der FID Recht in der ersten Förderperiode (2014 bis 2016) mit dem folgenden Programm gestartet: – Neubestimmung des Inhalts, Umfangs und Spezialisierungsgrades des Bestandsaufbaus bei Verbesserung der Beschaffungswege; – Aufbau und Etablierung eines direkten Leihverkehrsservice; – bedarfsgerechte Digitalisierung gemeinfreier Rechtsmaterialien (Digitalisierungon-Demand (DoD) Recht); – Profilierung der Virtuellen Fachbibliothek als Sucheinstieg und Serviceportal; – Austausch und direkter Kontakt mit der rechtswissenschaftlichen Community. Schwerpunkt des Transformationsprozesses in der ersten Projektphase20 war der Aufbau neuer Services mit dem Ziel, den Kontakt und den Austausch mit den Wissen17 http://www.dfg.de/formulare/12_102/12_102_de.pdf (Abruf: 2018.06.18). 18 Vgl. insbesondere Kümmel, Strohschneider 2014, S. 120 f.; Kümmel 2013, S. 5 f. 19 Vgl. Vogel 2014, S. 21 f. 20 S. hierzu ausführlich Mathieu, Christian; Vogel, Ivo: Rechtswissenschaftliche Fachinformationsversorgung im Wandel: Zur Transformation des Sondersammelgebiets Recht in einen Fachinformationsdienst für internationale und interdisziplinäre Rechtsforschung. Fachinformationsdienst für internationale und interdisziplinäre Rechtsforschung. In: Recht, Bibliothek, Dokumentation 44, 2014, H. 1, S. 1–14.
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schaftlerinnen und Wissenschaftlern anzubahnen. Diesen galt es in der zweiten Projektphase erheblich zu intensivieren, wobei weiterhin die auf dem Gebiet der internationalen und interdisziplinären Rechtsforschung tätigen Professuren im Fokus des FID Recht standen, denen eine zentrale Multiplikatorfunktion zugeschrieben wird. Die für die zweite Projektphase aufgestellten Handlungsfelder orientierten sich an den Programmpunkten der ersten Projektlaufzeit und entwickelten diese weiter und konzentrierten sich inhaltlich auf Community-Kommunikation und Forschungsevaluation, hybride Literatur- und Informationsversorgung, Relaunch der ViFa Recht, Wissenschaftsblogging, On-Demand-Digitalisierung sowie Open-Access-Publizieren. Nachfolgend wird exemplarisch die Umsetzung von einzelnen Programmpunkten in Kombination mit den korrespondierenden Handlungsfeldern näher beleuchtet, ohne dass das vollständige Serviceportfolio des FID Recht beschrieben werden kann.
1 Von der Etablierung eines direkten Leihverkehrsservice hin zu einer hybriden Literatur- und Informationsversorgung Die aus der Zeit der Sondersammelgebiete gewonnene Erkenntnis, dass trotz der im Rahmen der Fernleihe umfangreich vermittelten gedruckten Werke an die Fachcommunity keine Rückschlüsse auf die Angebote des SSG gezogen wurden, legte die Etablierung eines neuen Service nahe, der ebendiese Funktion erfüllen sollte, eines „Direkten Leihverkehrs“ (DLV). Hierzu wurden erstmals Ende 2015 rund 1 300 an rechtswissenschaftlichen Fakultäten deutscher Universitäten und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften lehrende Professorinnen und Professoren auf elektronischem Weg zur Teilnahme am DLV eingeladen. Eine weitere Einladung erfolgte im Januar und Februar 2016, an ausgewählte Einrichtungen auch per Briefpost. Dabei wurde festgestellt, dass die Einrichtungen, die zusätzlich mit Briefpost eingeladen wurden, prozentual einen höheren Teilnahmegrad am direkten Leihverkehrsservice aufweisen als Einrichtungen, die nur elektronisch kontaktiert wurden. Um einen schnellen Zugriff auf die Druckbestände des FID zu erreichen, wurde ein Workflow erarbeitet, der es den Teilnehmenden ermöglicht, innerhalb weniger Tage nach Eingang des Anmeldeformulars und des unterschriebenen Vertrags ein Benutzungskonto zu erhalten, das zu einer einjährigen Inanspruchnahme des Service berechtigt. Um auch die Nutzung von Literatur zu den Randbereichen des Rechts und der interdisziplinären Rechtsforschung zu ermöglichen, wurde der Service nicht auf den Rechtsbestand der Staatsbibliothek zu Berlin beschränkt. Bestellung und Vormerkung der gewünschten Medien werden direkt über den Online-Katalog der Staatsbibliothek zu Berlin vorgenommen und ein bestellter Band nach Aushebung direkt von der Poststelle an die Teilnehmenden des DLV versandt. Unter Berücksichtigung
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der räumlichen Nähe zur Staatsbibliothek zu Berlin wurde für Berliner Professuren eine Selbstabholungsmöglichkeit eingerichtet. Mittlerweile wird dieser Service von den unterschiedlichsten rechtswissenschaftlichen Forschungseinrichtungen im gesamten Bundesgebiet genutzt. Insgesamt liegt die jährliche Anzahl der über den DLV ausgeliehenen Titel im vierstelligen Bereich und erhöht die ohnehin hohen Fernleihzahlen von Rechtsmaterialien aus der Staatsbibliothek zu Berlin enorm. Tendenziell zeichnet sich jedoch ab, dass der Service in hohem Maße von Professuren in Anspruch genommen wird, die starke Bezüge zur internationalen und interdisziplinären Rechtsforschung aufweisen. Um auch dem gestiegenen Bedarf an der Nutzung elektronischer Publikationen in der Rechtswissenschaft gerecht zu werden, wurde den Teilnehmenden am DLV perspektivisch die Nutzung eines überregionalen Lizenzraums für elektronische Fachinformationsressourcen in Aussicht gestellt. Der DLV kann zu Recht als „Motor“ für den direkten Kontakt der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit der Serviceeinrichtung FID gesehen werden, da damit auch Zusatzservices, wie ein Anschaffungsvorschlagstool und benutzergesteuerte Erwerbung, verbunden sind. Aus diesem Grunde wird die Bewerbung des DLV systematisch und kontinuierlich fortgesetzt, um weitere Teilnehmende, die insbesondere weiterhin die wissenschaftliche Arbeit mit gedruckten Publikationen bevorzugen, zu gewinnen. Obwohl in der Rechtswissenschaft das gedruckte Buch immer noch überwiegend als die bevorzugte Medienart angesehen werden kann, wurde aufgrund von Umfrageergebnissen ersichtlich, dass ein Teil der Fachcommunity lediglich Bedarf an elektronischen Publikationen hat, wenn diese einen hohen Spezialisierungsgrad bzw. eine geringe Lizenzierungsdichte in Deutschland aufweisen. Für die Umfrage hat der FID ein Portfolio von Informationsressourcen ausgewählt, für die aus bibliothekarischer Sicht eine gute Prognose für den Abschluss einer FID-Lizenz erstellt werden konnte. Unberücksichtigt sind hingegen die Produkte geblieben, die den Erwerbungsgrundsätzen der DFG21 widersprachen oder die der FID bereits lokal mit vertraglich zugesicherter Fernleihkomponente lizenziert hatte, um die Inhalte auf dem Wege der konventionellen Fernleihe überregional zur Verfügung zu stellen. Im Ergebnis der Umfrage beauftragte der FID das „Kompetenzzentrum für die Lizenzierung elektronischer Ressourcen“ (KfL)22 im DFG-geförderten FID-System mit der Verhandlung einer Auswahl an forschungsrelevanten Ressourcen, für die ein gesteigerter Bedarf durch die Forschenden angemeldet worden war. Trotz intensiver Vertragsverhandlungen durch das KfL konnten – zumeist aufgrund überzogener Preisvorstellungen der Anbieter – nicht für alle Ressourcen Abschlüsse erzielt werden. Für fünf Spitzenprodukte aus renommierten Verlagshäusern ist dies jedoch gelungen.
21 Vgl. Deutsche Forschungsgemeinschaft 2016a. 22 S. Kompetenzzentrum Lizenzierung: http://www.fid-lizenzen.de/ (Abruf 2018.06.18).
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Auch wenn das KfL für die Bereitstellung und Verwaltung von FID-Lizenzen eine technische Infrastruktur anbietet, entschied sich der FID, eine an der Staatsbibliothek zu Berlin entwickelte „Lightweight Directory Access Protocol“-Struktur (LDAP-Struktur), die mit dem Ausleihsystem der Bibliothek kommunizieren kann, zu nutzen. Diese ermöglicht es den Teilnehmenden am DLV automatisch, den überregionalen virtuellen Lesesaal (früher Lizenzraum) zu nutzen, da hierfür keine neuen Login-Daten zur Authentifizierung benötigt werden, sondern die des DLV gleichfalls Gültigkeit haben. Für den Teil der Lehrenden, die auf die Teilnahme am DLV verzichten, wurde ein Webformular zur Registrierung auf den Seiten der ViFa Recht eingerichtet, um den virtuellen Lesesaal als eigenständiges Servicemodul attraktiv zu gestalten und den verschiedenen Nutzungs- und Anmeldeszenarien der Fachcommunity gerecht zu werden. Eine Shibboleth-Kompatibilität23 des eigenen LDAP-Systems, die ein Single Signon mit den Anmeldedaten der Heimateinrichtung gewährleistet, soll perspektivisch den Nutzungskomfort abrunden, da die Verwendung von unterschiedlichen LoginDaten als Nutzungsbarriere angesehen wird. Der virtuelle Lesesaal steht seit August 2017 auf den Seiten der ViFa Recht zur Verfügung,24 wobei die einzelnen Produkte je nach Vertragsstand fortlaufend freigeschaltet werden. Insbesondere der Bereich der überregionalen Bereitstellung von elektronischen Ressourcen verlangt einen hohen Grad an Nutzerkommunikation, da auch dieser Service des FID Recht nur einer konkret definierten Zielgruppe offensteht (Professorinnen und Professoren) und nur begrenzte Mittel hierfür verfügbar sind. Weiterhin besteht teilweise ein großer Bedarf an elektronischen Medien, die im Rahmen der Förderstruktur der DFG dem Grundbedarf zugerechnet werden. Die oftmals überzogenen Preisvorstellungen der Verlage und Datenbankanbieter sind in der Fachcommunity jedoch nicht bekannt. Insofern ist für Information, Aufklärung und Transparenz zu sorgen, die essenziell für die PR- und Marketingaktivitäten des FID sind. Die Steigerung der Bekanntheit der Services und die Information über die Nutzungsmodalitäten werden über das Portal selbst, durch gezielte Werbekampagnen und im direkten und persönlichen Austausch mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hergestellt.
2 Wissenschaftsblogging Mit dem Wissen, dass rechtswissenschaftliche Forschungsergebnisse nicht nur über Produkte kommerzieller Anbieter – wie Verlage und Datenbankanbieter – verbreitet werden, hat sich der FID Recht der Beförderung und Exponierung eines Bereichs der sozialen Medien angenommen, der mittelfristig hinsichtlich seiner Sichtbarkeit und 23 Bei Shibboleth handelt es sich um ein Verfahren zur verteilten Authentifizierung und Autorisierung für Webanwendungen und Webservices. 24 S. https://vifa-recht.de/service/virtueller-lesesaal/ (Abruf: 2018.06.18).
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der Rezeption innerhalb der Rechtswissenschaften einen rapiden Aufschwung erfahren hat. Die Rede ist von den juristischen Wissenschaftsblogs.25 Zunächst nur von ausgewählten Gruppen der forschenden Juristinnen und Juristen wahrgenommene und mit wenigen Beiträgen versehene Blogs26 haben inzwischen erheblich an Bedeutung gewonnen und sich zu brennpunktartigen Quellen rechtswissenschaftlicher Forschung mit institutionellem Rang entwickelt, sodass sie sich nunmehr mit einem Stab an Redakteuren, einem beträchtlichen Zuwachs an Beiträgen jeglicher akademischer Couleur und eigenen Kongressen in den rechtswissenschaftlichen Diskurs vorgearbeitet haben. Aber nicht nur die Rechtswissenschaft selbst hat den wissenschaftlichen Wert von Blogartikeln zu lange unbeachtet gelassen. Auch Bibliotheken nehmen sich dieser Publikationsform bisher kaum an, um sie zu katalogisieren, persistent zu adressieren und möglichst breit nachzuweisen, wozu etablierte kommerzielle AggregatorPortale nicht oder nur bedingt in der Lage sind. Bisher konnte mit zwei Wissenschaftsblogs vertraglich die Katalogisierung, die persistente Adressierung (URN und DOI), die Langzeitarchivierung im Open-Access-Fachrepositorium des FID Recht (²Dok27) und die Verbreitung über zentrale – auch weltweit sichtbare – Kataloge und Nachweisinstrumente vereinbart werden. Im Ergebnis ist eine starke Bindung zwischen den Vertragspartnern entstanden, womit sich die anfänglich intensive Adressierung dieses Service an die in diesem Bereich stark dominierenden Blogs insofern rentiert hat, als sich diese von der Qualität des Angebotes schnell überzeugen ließen und die ihnen daraus erwachsenden Vorteile weiterkommuniziert haben. Im Ergebnis streben bis heute andere Blogbetreiber eine Servicevereinbarung mit dem FID an.
3 Bedarfsgerechte Digitalisierung gemeinfreier Rechtsmaterialien Dass die hartnäckige Bewerbung und Weiterentwicklung von Dienstleistungen des FID Recht ein Erfolgskriterium für das jeweilige Angebot darstellt, zeigt sich besonders gut am kostenfreien Digitalisierung-on-Demand-Service (DoD). Dieser erfreute sich schnell einer hohen Nachfrage, schloss er doch eine Lücke im bisherigen Serviceportfolio der überregionalen Literaturversorgung. Mit Fug und Recht kann hier behauptet werden, dass es sich dabei – mit der Antragstellung durch den FID Recht – um ein Novum handelte, das im Laufe des gesamten Transformationsprozesses von den SSG zu den FID zur Nachahmung ermuntert hat. Obwohl in Bezug auf das Desiderat Abhilfe ge-
25 Vgl. Birkenkötter, Steinbeis 2015, S. 23 f. 26 Exemplarisch seien hier genannt: Junge Wissenschaft im Öffentlichen Recht (JuWiss), s. http:// www.juwiss.de/; VölkerrechtsBlog, s. http://voelkerrechtsblog.org/; Verfassungsblog, s. http://verfas sungsblog.de/ (Abruf: 2018.06.18). 27 Gesprochen: Inter-Zwei-Dok.
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schaffen wurde, gelang eine anhaltende Inanspruchnahme des DoD nur über kontinuierliche Anstrengungen des FID in Form von Blogbeiträgen, Informationen über Newsgroups28 oder im direkten Kontakt mit den Forschenden. Erst mit dem Erreichen einer kritischen Anzahl von regelmäßig Nutzenden hat sich schließlich der DoDService – innerhalb der relativ kleinen rechtshistorisch forschenden Fachgemeinschaft – herumgesprochen und Forschende haben den Dienst sodann auch untereinander weiterempfohlen. Gerade aber auch die Präsentation der Digitalisate im Open Access (OA)29 sowie die damit verbundene möglichst uneingeschränkte Nachnutzbarkeit der Ergebnisse der Dienstleistung sorgten für eine weitere Verbesserung des Bekanntheitsgrades. Im Ergebnis der ersten Förderphase galt es, zusätzlich das Serviceangebot auszuweiten, um nicht weiterhin bestimmte Zeitsegmente gemeinfreien Materials für die Kunden auszuschließen. Mit der Einbeziehung vergriffener Titel deutscher Verlage mit Publikationsdatum vor 1966 sowie zwischen den Jahren 1 501 und 1 700 erschienener Werke aus dem Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin konnte DoD auf sein größtmögliches Servicelevel ausgedehnt werden. Darüber hinaus wurden im Zuge der Evaluation der bis dahin bearbeiteten einzelnen Digitalisierungswünsche besonders stark beforschte Themengebiete eruiert, die – in der Annahme, dass sich die rechtshistorische Forschung nur selten auf ein Einzelwerk konzentriert, sondern auch andere Titel dieses Forschungssegments von Interesse sind – flankierend zu den weiter eingehenden Einzelaufträgen digitalisiert und – in gewohnter Art und Weise – im OA präsentiert werden. Ein Angebot für Fachgesellschaften, ihre bisher nur im Druck erschienenen Schriftenreihen digitalisieren und im OA veröffentlichen zu lassen, rundet diesen Service ab.
4 Open-Access-Publizieren Die zuweilen immer noch überschaubaren Aktivitäten der Rechtswissenschaft in Deutschland auf dem Feld von OA30 und die Erkenntnis, dass in bestimmten Projektzusammenhängen das Wissen um eine Pflicht zur Publikation im OA fehlt, haben den FID nicht nur veranlasst, das erste disziplinäre OA-Repositorium in der Rechtswissenschaft (²Dok) aufzubauen, sondern auch eine umfassende Kampagne zur
28 Exemplarisch sei hier die Kommunikations- und Fachinformationsplattform für die Geschichtswissenschaften, H-Soz-Kult, genannt, s. http://www.hsozkult.de/index.php/news/page (Abruf: 2018. 06.18). 29 S. http://digital.staatsbibliothek-berlin.de/suche/?formquery0=intR2DoD (Abruf: 2018.06.18). 30 Vgl. Verch, Wiesner o. J. Zur aktuellen Debatte s. z. B. Riegner, Michael; Kunz, Raffaela: Open Access on the Shores of International Legal Scholarship. Völkerrechtsblog’s Experience with Providing Open Access to Scholars from 156 Countries around the World. In: Völkerrechtsblog, 16. Dezember 2016. http://voelkerrechtsblog.org/open-access-on-the-shores-of-international-legal-scholarship/ (Abruf 2018.06.18).
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OA-Beratung zu starten, die das Ziel verfolgt, über möglichst alle Belange des OA, wie Urheberrecht, Lizenzvergabe, Publikationsmöglichkeiten etc., zu informieren und dabei die Vorteile dieses Paradigmas hervorzuheben. Der damit verbundene hohe Kommunikationsaufwand konnte ab der zweiten Projektphase nur durch zusätzliches Personal bewältigt werden, das durch die DFG antragsgemäß bewilligt wurde. Die Erfahrung des FID Recht lehrt, dass lediglich allgemeine Information über die eigenen OA-Angebote wenig bis kaum Wirkung zeigt. Vielmehr bedarf es einer gezielten Kontaktierung von rechtswissenschaftlichen Forschungseinrichtungen, Fachgesellschaften oder Verantwortlichen von Forschungsprojekten, um die zunächst geringe Aufmerksamkeit für dieses Thema mit gut vorbereiteten und validen Informationen auszubauen. Nur so ist es u. a. dem FID gelungen, sich als Informationsinfrastrukturpartner für aus DFG- oder ERC-Mitteln finanzierte Forschungsprojekte, rechtswissenschaftliche Arbeitskreise oder interdisziplinär ausgerichtete juristische Forschungsinstitute zu etablieren. Bis dahin war es ein langer Weg, der zu einem großen Teil auch nur deshalb zum Ziel führte, weil den gewonnenen Partnern ein erstklassiges Repositorium bereitgestellt wurde, das den neuesten technischen Anforderungen bezüglich der Datenerstellung, des Uploads von Dokumenten, der persistenten Adressierung (URN und DOI), der Langzeitarchivierung, der Präsentation und Auffindbarkeit, des Einsatzes von Metriken und des Angebots von gängigen Zitierformaten sowie der Bereitstellung leistungsfähiger Schnittstellen zum Datenaustausch u.v.m. standhält. Die Investition in solche technischen Infrastrukturen lohnte sich, ermöglicht sie doch z. B. Projekten, ihren Berichts- und OA-Pflichten gegenüber dem Drittmittelgeber komfortabel und mit geringem Aufwand zu genügen und die weltweite Sichtbarkeit und Rezipierbarkeit ihrer Forschungsergebnisse zu garantieren, die über die gängigen sozialen Netzwerke geteilt werden können. Das Erreichen des technischen Höchststandards von ²Dok wurde durch die Deutsche Initiative für Netzwerkinformation e.V. (DINI) im Oktober 2017 zertifiziert.
5 Profilierung der ViFa Recht als Serviceportal und Relaunch Die Virtuelle Fachbibliothek Recht ist und bleibt das Aushängeschild des FID im Internet und dient zunehmend als Servicemarktplatz zur infrastrukturellen Unterstützung rechtswissenschaftlicher Forschung. Aus diesem Grunde ist es zwingend notwendig, ausreichend Ressourcen zu ihrer Verstetigung, aber auch Weiterentwicklung bereitzustellen. Eine zu Beginn des Transformationsprozesses unter technischen Aspekten erfolgte Modernisierung sorgte für die Erweiterung um eine rechtswissenschaftliche Suchmaschine sowie ein disziplinäres OA-Repositorium. Damit wurde zwar die grundlegende konzeptionelle wie gestalterische Neustrukturierung der Virtuellen Fachbibliothek noch nicht vollständig umgesetzt, aber zusammen mit der Einführung weiterer
Services in Informationsinfrastrukturen
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personalisierter Dienste, wie virtueller Lesesaal, Blog-Aggregator31 (übersichtliche Darstellung aktueller Blogartikel), Zeitschrifteninhaltsdienst32, zählt sie zu den zentralen Handlungsfeldern der zweiten Förderphase. Insgesamt musste das Nutzungserlebnis der ViFa Recht noch klarer strukturiert, vereinfacht und einer zeitgerechten Optik zugeführt werden. Der mit der Fertigstellung dieses Beitrags finalisierte grundlegende Relaunch der ViFa Recht schafft für die verschiedenen Angebote des FID eine einheitliche technische Plattform und firmiert unter dem eigens hierfür entwickelten Label ² als Virtuelle Fachbibliothek für internationale und interdisziplinäre Rechtsforschung33. Auch die Realisierung des Portals im endgeräteunabhängigen Responsive Design ist damit vollzogen, steht doch außer Frage, dass auch in der Rechtswissenschaft elektronische Angebote zunehmend über mobile Endgeräte abgefragt werden.
6 Rückkopplung mit der Fachcommunity und Community-Kommunikation Alle vorab beschriebenen Serviceleistungen dienten nicht nur dazu, der rechtswissenschaftlichen Forschung bisher nicht vorhandene qualitativ hochwertige Mehrwertdienste anzubieten, sondern auch dazu, die Wissenschaftsgemeinde über die Angebote an den FID zu binden sowie den Weg zu einem direkten Kontakt zu ebnen und zu stärken. Trotz der bereits erwähnten stark erhöhten Sichtbarkeit des FID vonseiten der juristischen Fachcommunity bedarf es einer weiteren Stabilisierung der Kommunikationswege. Dabei hat der FID sowohl die zentralen Multiplikatoren – etwa von Sonderforschungsbereichen oder Graduiertenkollegs sowie Fachgesellschaften – im Blick als auch die rechtswissenschaftlichen Instituts- und Seminarbibliotheken in ihrer Vermittlungsfunktion gegenüber den Forschenden vor Ort. Im Hinblick auf die Community-Kommunikation wurde verstärkt auf die Bedienung der sozialen Medien gesetzt, etwa durch die täglich auf Twitter, Google+ sowie über den eigenen Newsletter kommunizierten Hinweise auf Tagungen, Ausschreibungen und Stellenangebote im Bereich der internationalen und interdisziplinären Rechtsforschung. Darüber hinaus nimmt der FID verstärkt an Tagungen rechtswissenschaftlicher Fachgesellschaften teil. Dies eröffnet einerseits die Möglichkeit, einen Überblick über aktuelle Entwicklungen in der internationalen und interdisziplinären Rechtsforschung zu erlangen,
31 S. https://vifa-recht.de/informieren/blog-aggregator/ (Abruf: 2018.06.18). 32 S. https://vifa-recht.de/informieren/table-of-contents/ (Abruf: 2018.06.18). 33 ² (Inter-Zwei) steht für internationale und interdisziplinäre Rechtsforschung, wobei die Spitzklammer (angelehnt an HTML-Tagklammern) auf die elektronischen Angebote referenzieren soll. Eine rund um dieses Label geführte Debatte ist noch nicht vollständig abgeschlossen. Aufgrund des sehr hohen Bekanntheitsgrades und der starken Verlinkung wurde auf eine Änderung der Domain www. vifa-recht.de bewusst verzichtet.
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andererseits lassen nur solche Veranstaltungen einen breiten und direkten Austausch mit der Fachcommunity zu. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Teilnehmenden gerne die Gelegenheit nutzen, sich im persönlichen Gespräch über die Serviceangebote des Fachinformationsdiensts zu informieren.
Ausblick Damit die künftigen Entwicklungen des FID, wie Serviceportfolio, Erwerbungsprofil, Ausbau des Lizenzraums etc., gemeinsam mit der Wissenschaft koordiniert und abgestimmt werden können, ist es von besonderer Bedeutung, eine feste Struktur zu etablieren, die eine direkte Steuerung ermöglicht. Dies könnte z. B. in Gestalt eines wissenschaftlichen Beirats oder eines ähnlichen Gremiums erfolgen, wobei zur Umsetzung dessen zwei Workshops geplant sind. Zunächst werden gemeinsam mit den Forschenden die bisherigen Aktivitäten des FID im Hinblick auf die Erfüllung der von der DFG formulierten Programmziele wie auch der Anforderungen der Community an eine zeitgemäße Fachinformationsinfrastruktur überprüft und künftige Serviceangebote konzipiert. Die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse werden anschließend in einem zweiten Workshop mit Angehörigen rechtswissenschaftlicher Instituts- und Spezialbibliotheken beraten. Damit kann das bibliothekarische Personal vor Ort in den rechtswissenschaftlichen Fakultäten und Forschungseinrichtungen noch stärker als Multiplikator der Dienstleistungsangebote des FID gewonnen werden.
Literatur Letztes Abrufdatum der folgenden Internet-Dokumente ist der 2018.06.18. Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG): RIsources. 2018. http://risources.dfg.de/ Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG): Grundsätze für den Erwerb von Publikationen im DFG-geförderten System der Fachinformationsdienste für die Wissenschaft. Bonn: DFG, 2016a. http:// www.dfg.de/formulare/12_101/12_101_de.pdf Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG): Richtlinien. Fachinformationsdienste für die Wissenschaft. DFG-Vordruck 12.102 – 11/16. Bonn: DFG, 2016b. http://www.dfg.de/formulare/12_102/12_102_ de.pdf Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG): Das DFG-System der überregionalen Sammelschwerpunkte im Wandel. Weitere Schritte zur Umsetzung des Memorandums zur Weiterentwicklung der überregionalen Literaturversorgung. Bonn: DFG, 2004. http://www.dfg.de/download/pdf/foerder ung/programme/lis/strategiepapier_ueberreg_lit_versorgung.pdf Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG): Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme (LIS). O.J. http://www.dfg.de/foerderung/programme/infrastruktur/lis/index.html Dörr, Marianne: Vom Sondersammelgebiet zum Fachinformationsdienst: Ein Praxisbericht. In: ZfBB 61, 2014, H. 3, 130–137. Griebel, Rolf: Ein „folgenreicher“ Paradigmenwechsel: Die Ablösung der Sondersammelgebiete durch die Fachinformationsdienste für die Wissenschaft. In: ZfBB 61, 2014, H. 3, S. 138–157.
Services in Informationsinfrastrukturen
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Hohlfeld, Michael; Lindstädt, Birte; Rosemann, Uwe; Tempel, Bernhard: Bibliotheksverbünde, Virtuelle Fachbibliotheken. In: Handbuch Bibliothek. Geschichte, Aufgaben, Perspektiven. Umlauf, Konrad et al. (Hrsg.). Stuttgart: Metzler, 2012, S. 129–138. Illig, Steffen: Von den SSG zu den FID. Eine kritische Reflexion von Anspruch und Wirklichkeit. In: Perspektive Bibliothek 4, 2015, H. 1, S. 5–28. Kümmel, Christoph: Nach den Sondersammelgebieten. Fachinformationen als forschungsnaher Service. In: ZfBB 60, 2013, H. 1, S. 5–15. Kümmel, Christoph; Strohschneider, Peter: Ende der Sammlung? Die Umstrukturierung der Sondersammelgebiete der Deutschen Forschungsgemeinschaft. In: ZfBB 61, 2014, H. 3, S. 120–129. Sühl-Strohmenger, Wilfried; Bürger, Thomas; Depping, Ralf: Kontrovers. „Fachinformationsdienste für die Wissenschaft“ statt „Sondersammelgebiete“ – Gewinn oder Verlust? In: b.i.t.online 19, 2013, H. 2, S. 211–213. http://www.b-i-t-online.de/heft/2013-03-kontrovers.pdf Verch, Ulrike; Wiesner, Julia: Der freie Zugang zu wissenschaftlicher Information. Rechtswissenschaft. In: Open Access. O.J. https://open-access.net/informationen-fuer-verschiedene-faecher/rechts wissenschaft/ Vogel, Ivo: Vom Sondersammelgebiet zum Fachinformationsdienst für die Wissenschaft: Strategien, Prozesse, Verfahren – ein persönlicher Erfahrungsbericht. In: o-bib: Das offene Bibliotheksjournal 1, 2014, H. 1, S. 21–29.
Weiterführende Literatur Letztes Abrufdatum der folgenden Internet-Dokumente ist der 2018.06.18. Arbeitsgemeinschaft für juristisches Bibliotheks- und Dokumentationswesen. http://www.ajbd.de/ Astor, Michael; Klose, Georg; Heinzelmann, Susanne; Riesenberg, Daniel: Evaluierung des DFG-geförderten Systems der Sondersammelgebiete. Bonn: DFG, 2011. http://www.dfg.de/download/ pdf/dfg_im_profil/geschaeftsstelle/publikationen/evaluierung_ssg.pdf Birkenkötter, Hannah; Steinbeis, Maximilian: Rechtswissenschaftliche Blogs in Deutschland. Zu Möglichkeiten und Grenzen eines neuen Formats in den Rechtswissenschaften. In: Jura: Juristische Ausbildung 37, 2015, H. 1, S. 23–29. Depping, Ralf: Das Ende der Sondersammelgebiete: Ende einer Infrastruktur. In: Bibliothek: Forschung und Praxis 38, 2014, H. 3, 398–402. Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG): Merkblatt. Fachinformationsdienste für die Wissenschaft. DFG-Vordruck 12.10 – 11/16, Bonn: DFG, 2016. http://www.dfg.de/formulare/12_10/12_10_de. pdf Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG): Positionspapier. Die digitale Transformation weiter gestalten – Der Beitrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu einer innovativen Informationsinfrastruktur für die Forschung. Bonn: DFG, 2012. http://dfg.de/download/pdf/foerderung/ programme/lis/positionspapier_digitale_transformation.pdf Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG): Evaluierung des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Systems der Sondersammelgebiete. Empfehlungen der Expertenkommission SSG-Evaluation auf Grundlage der Ergebnisse der Evaluierungsuntersuchung der Prognos AG. Hervorgegangen aus der Sitzung der Expertenkommission SSG. Bonn: DFG, 2011. http://www. dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/geschaeftsstelle/publikationen/studien/studie_evaluier ung_sondersammelgebiete_empfehlungen.pdf Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG): Evaluierung des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Systems der Sondersammelgebiete. Eckpunkte der Evaluierung. Hervorge
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gangen aus der Sitzung der Expertenkommission SSG-Evaluation am 10. März 2010 in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt. Bonn: DFG, 2010. http://www.dfg.de/download/pdf/ foerderung/programme/lis/eckpunkte_ssg_evaluation.pdf Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG): Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme. Schwerpunkte der Förderung bis 2015. DFG-Positionspapier. Bonn: DFG, 2006. http:// dfg.de/download/pdf/foerderung/programme/lis/positionspapier.pdf Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG): Weiterentwicklung der überregionalen Literaturversorgung. Memorandum. Bonn: DFG, 1998. http://www.dfg.de/download/pdf/foerderung/programme/lis/ weiterentwicklung_literaturversorgung.pdf Hillenkötter, Kristine; Huber, Maria; Stanek, Ursula; Steilen, Gerald: Das Kompetenzzentrum für die Lizenzierung elektronischer Ressourcen im DFG-geförderten System der „Fachinformationsdienste für die Wissenschaft“ (FID): Betriebsorganisation, Verhandlung und Bereitstellung von FIDLizenzen – ein Statusbericht. In: Bibliothek: Forschung und Praxis 40, 2016, H. 1, 33–49. http:// resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?gs-1/14113 ²Dok. http://intr2dok.vifa-recht.de/ Junge Wissenschaft im Öffentlichen Recht (JuWiss). http://www.juwiss.de/ Kümmel, Christoph: Sondersammelgebiete und Fachinformationsdienste. In: Handbuch Hochschulbibliothekssysteme. Leistungsfähige Informationsinfrastrukturen für Wissenschaft und Studium. Söllner, Konstanze et al. (Hrsg.). Berlin, Boston: De Gruyter Saur, 2014, S. 410–420. Kümmel, Christoph: Virtuelle Fachbibliotheken – Förderziele und Fördermöglichkeiten der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Vortrag. Göttingen, 18. November 2010. http://www.vdb-online.org/ veranstaltung/520/1_kuemmel_dfg.pdf Lipp, Anne: „Die digitale Transformation weiter gestalten“ – Das Positionspapier der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu einer innovativen Informationsinfrastruktur. In: ZfBB 59, 2012, H. 6, S. 291–300. Lipp, Anne: Auf dem Prüfstand. Das DFG-geförderte System der Sondersammelgebiete wird evaluiert. In: ZfBB 57, 2010, H. 5, S. 235–244. Mittler, Elmar: Nachhaltige Infrastruktur für die Literatur- und Informationsversorgung: im digitalen Zeitalter ein überholtes Paradigma – oder so wichtig wie noch nie? (Preprint). In: Bibliothek: Forschung und Praxis 38, 2014, H. 3, S. 344–364. Riegner, Michael; Kunz, Raffaela: Open Access on the Shores of International Legal Scholarship. Völkerrechtsblog’s Experience with Providing Open Access to Scholars from 156 Countries around the World. In: Völkerrechtsblog, 16. Dezember 2016. http://voelkerrechtsblog.org/openaccess-on-the-shores-of-international-legal-scholarship/ Staatsbibliothek zu Berlin: Digitalisierte Sammlungen (Suche: intR2DoD). http://digital.staatsbiblio thek-berlin.de/suche/?formquery0=intR2DoD Vascoda. http://www.vascoda.de Verfassungsblog. http://verfassungsblog.de/ Virtuelle Fachbibliothek Recht (ViFa Recht). https://www.vifa-recht.de Virtuelle Fachbibliothek Recht (ViFa Recht): Virtueller Lesesaal. https://vifa-recht.de/service/virtuel ler-lesesaal/ Völkerrechtsblog. http://voelkerrechtsblog.org/ Webis. https://wikis.sub.uni-hamburg.de/webis/index.php/Hauptseite Woywod, Kathrin: Sondersammelgebiete werden Fachinformationsdienste für die Wissenschaft. Auswirkungen eines Strukturwandels. Berlin: Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft, 2017. (Berliner Handreichungen zur Bibliotheks- und Informationswissenschaft, 420.)
Abkürzungsverzeichnis ² ²Dok
Fachinformationsdienst und Virtuelle Fachbibliothek für internationale und interdisziplinäre Rechtsforschung Publikationsplattform des Fachinformationsdienstes für internationale und interdisziplinäre Rechtsforschung
A ACRL AjBD AKMB ALA APC
Association of College & Research Libraries Arbeitsgemeinschaft für juristisches Bibliotheks- und Dokumentationswesen Arbeitsgemeinschaft der Kunst- und Museumsbibliotheken American Library Association Article Processing Charges
B b4p BASE BDSG BGG BI BIB BID BII BIP BIU BLE BMBF BSB BuB BYOD
Best for Planning Bielefeld Academic Search Engine Bundesdatenschutzgesetz Behindertengleichstellungsgesetz Bibliothek & Information Berufsverband Information Bibliothek Bibliothek & Information Deutschland Bibliothek & Information International Bruttoinlandsprodukt Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware Bluetooth Low Energy Bundesministerium für Bildung und Forschung Bayerische Staatsbibliothek Forum Bibliothek und Information, ehemals Buch und Bibliothek Bring Your Own Device
C CAF CAP CC CNRI COAR COUNTER CPS CRM CSS CTT
Common Assessment Framework Customer Active Paradigm Creative Commons Corporation for National Research Initiatives Confederation of Open Access Repositories Counting Online Usage of Networked Electronic Resources Cyber-physisches System Customer Relationship Management Cascading Style Sheet Count the Traffic
D DAkkS DAS DBS dbv
Deutsche Akkreditierungsstelle Datenarchiv für Sozialwissenschaften Deutsche Bibliotheksstatistik Deutscher Bibliotheksverband
https://doi.org/10.1515/9783110539011-039
586
Abkürzungsverzeichnis
DBWM DCMI DDB DEKRA DFG DGI DIE DIN DINI DIQP DL DLF DLV DNS DOAB DOAJ DOD DOI DSA DSGVO DStGB
Die Bibliothek Wirtschaft & Management an der FU Berlin Dublin Core Metadata Initiative Deutsche Digitale Bibliothek Deutscher Kraftfahrzeug-Überwachungs-Verein Deutsche Forschungsgemeinschaft Deutsche Gesellschaft für Information und Wissen Deutsches Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen Deutsches Institut für Normung | Deutsche Industrienorm Deutsche Initiative für Netzwerkinformation Deutsches Institut für Qualitätsstandards und -prüfung Description Logic Digital Library Federation Digitaler Leihverkehr Domain Name System Directory of Open Access Books Directory of Open Access Journals Digitalisierung-on-Demand Digital Object Identifier Data Seal of Approval Datenschutz-Grundverordnung Deutscher Städte- und Gemeindebund
E EBLIDA EC EFQM EFR EIC EIPA EIT EN EOSC ERA ERC ERIC ERP ESFRI ESTDMA ETH EU EXIF
European Bureau of Library, Information and Documentation Associations European Commission, Europäische Kommission European Foundation for Quality Management Europäischer Forschungsraum European Innovation Council European Institute of Public Administration European Institute of Innovation and Technology, Europäisches Innovations- und Technologieinstitut Europäische Norm European Open Science Cloud European Research Area European Research Council, Europäischer Forschungsrat European Research Infrastructure Consortium Enterprise Resource Planning European Strategy Forum for Research Infrastructures Einheitssachtiteldatei des Deutschen Musikarchivs Eidgenössische Technische Hochschule Europäische Union Exchangeable Image File Format
F FAQ FAU FhG FID FobiKom
Frequently Asked Questions Friedrich-Alexander-Universität Fraunhofer-Gesellschaft Fachinformationsdienste für die Wissenschaft Kommission für Fortbildung
Abkürzungsverzeichnis
FRIDA
Verein zur Förderung und Vernetzung frauenspezifischer Informations- und Dokumentationseinrichtungen in Österreich
G GB GBV GFDL GIK GKD GND GNU GNU GPL GPS GWK
Gigabyte Gemeinsamer Bibliotheksverbund GNU Free Documentation Licence Gesellschaft für integrierte Kommunikationsforschung Gemeinsame Körperschaftsdatei Gemeinsame Normdatei GNU’s not Unix GNU General Public Licence Global Positioning System Gemeinsame Wissenschaftskonferenz
H hbz HdM HEI HGF HM HRK HTML HTTP HTW HU Berlin
Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen Hochschule der Medien Higher Education Institution Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren Hochschule für angewandte Wissenschaften München Hochschulrektorenkonferenz Hypertext Markup Language Hypertext Transfer Protocol Hochschule für Technik und Wirtschaft Humboldt-Universität zu Berlin
I IAIS IC IEC IEEE IETF IFLA IKPU IoT IP IPA IPR IQO IRI ISO IT ITU ITZ IVA
Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme Information Commons International Electrotechnical Commission Institute of Electrical and Electronics Engineers Internet Engineering Task Force International Federation of Library Associations and Institutions Informationskompetenz und Publikationsunterstützung Internet of Things Internet Protocol Intelligent Personal Assistant Intellectual Property Rights Institut für Qualitätsmanagement und Organisationsentwicklung Internationalized Resource Identifier International Organization for Standardization Informationstechnologie International Telecommunication Union Institut für Trend- und Zukunftsforschung Intelligent Voice Assistant
587
588
Abkürzungsverzeichnis
J JISC JLU JRC JuSER
Joint Information Systems Committee Justus-Liebig-Universität Gießen Joint Resource Centre Juelich Shared Electronic Resources
K KAUB KDZ
KMU knb KPI KVB KVP
Kommission für Ausbildung und Berufsbilder Zentrum für Verwaltungsforschung, ehemals Kommunalwissenschaftliches Dokumentationszentrum Kommission für Eingruppierungsberatung Kompetenzzentrum für Lizenzierung Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement Knowledge and Innovation Community, Wissens- und Innovationsgemeinschaft Karlsruher Institut für Technologie Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, kurz: Kultusministerkonferenz Kleine und mittlere Unternehmen Kompetenznetzwerk für Bibliotheken Key Performance Indicator Kommission Virtuelle Bibliothek Kontinuierlicher Verbesserungsprozess
L LC LCSH LDAP LIBER LIS LoC LOM LRC
Learning Commons Library of Congress Subject Headings Lightweight Directory Access Protocol Ligue des Bibliothèques Européennes de Recherche Library and Information Science Library of Congress Learning Object Metadata Learning Resource Center
M MALIS MARC MARCXML MBA METS MIT MODS MOOC MPG
Master in Library and Information Science MAchine Readable Cataloguing MAchine Readable Cataloguing Extensible Markup Language Master of Business Administration Metadata Encoding and Transmission Standard Massachusetts Institute of Technology Metadata Objects Description Schema Massive Open Online Course Max-Planck-Gesellschaft
N NMC NoSQL NPO
The New Media Consortium Not only SQL Non-Profit-Organisation
KEB KfL KGSt KIC KIT KMK
Abkürzungsverzeichnis
NYPL NYT O OA OAI-PMH OCLC OCR OECD
New York Public Library New York Times
ÖG-KJLF OER OI OPAC OpenAIRE ORCID OWL
Open Access Open Archive Initiative – Protocol for Metadata Harvesting Online Computer Library Center Optical Character Recognition Organisation for Economic Cooperation and Development, Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung Open Educational Resources Open Innovation Online Public Access Catalogue Open Access Infrastructure for Research in Europe Open Researcher and Contributor ID Web Ontology Language
P PB PDA PDCA-Zyklus PI PND PoS PR PST PwC
Petabyte Personal Digital Assistant | Patron-Driven Acquisition Plan-Do-Check-Act-Zyklus Persistent Identifier Personennormdatei Point of Sale Public Relations Pedagogy-Space-Technology PricewaterhouseCoopers
Q QM QMS QR
Qualitätsmanagement Qualitätsmanagementsystem Quick Response
R RACI RDA RDF RDFS RFC RFID RfII RI RIF RIO ROI RSS
Responsible, Accountable, Consulted, Informed Resource Description and Access Resource Description Framework Resource Description Framework Schema Request for Comments Radio Frequency Identification Rat für Informationsinfrastrukturen Research Infrastructure Rule Interchange Format Research and Innovation Observatory Return on Investment Rich Site Summary, später: Really Simple Syndication
589
590
Abkürzungsverzeichnis
S SBB SDL SDO SEA SEO SKOS SME SMTP SPARQL SQD SSG STI SWD
Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz Service-Dominant Logic Standards Developing Organization Search Engine Advertising, Suchmaschinenwerbung Search Engine Optimisation, Suchmaschinenoptimierung Simple Knowledge Organization System Small and Medium-sized Enterprise Simple Mail Transfer Protocol Simple Protocol and RDF Query Language ServiceQualität Deutschland Sondersammelgebiet Science, Technology and Innovation Schlagwortnormdatei
T TCP/IP TEI TH TIB TMWWDG TPF TU TUM TÜV
Transmission Control Protocol/Internet Protocol Text Encoding Initiative Technische Hochschule Technische Informationsbibliothek Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft Technologie-Portfolio Technische Universität Technische Universität München Technischer Überwachungsverein
U UB UCISA UN URI UVP UWG UX
Universitätsbibliothek Universities and Colleges Information Systems Association United Nations, Vereinte Nationen Uniform Resource Identifier Unique Value Proposition Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb User Experience
V VDB ver.di ViFa VPA VuMA VZÄ
Verein Deutscher Bibliothekarinnen und Bibliothekare Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Virtuelle Fachbibliothek Virtual Personal Assistant Arbeitsgemeinschaft Verbrauchs- und Medienanalyse Vollzeitäquivalente
W W3C WCET WDS WGL
World Wide Web Consortium Western Cooperative for Educational Telecommunication World Data System Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz e.V., Leibniz-Gesellschaft
Abkürzungsverzeichnis
591
WIPO WLAN WR WWW
World Intellectual Property Organization Wireless Local Area Network Wissenschaftsrat World Wide Web
X XML
Extensible Markup Language
Z ZB ZB MED ZBIW ZBW ZMI ZOERR
Zettabyte Deutsche Zentralbibliothek für Medizin – Informationszentrum Lebenswissenschaften Zentrum für Bibliotheks- und Informationswissenschaftliche Weiterbildung Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft Zentrum für Medien und Interaktivität Zentrales OER-Repositorium der Hochschulen in Baden-Württemberg
Über die Autorinnen und Autoren Mag. Dr. Susanne Blumesberger Susanne Blumesberger hat ein Studium der Publizistik und Kommunikationswissenschaft/Germanistik an der Universität Wien absolviert. Seit 2007 in der Universitätsbibliothek Wien tätig, ab Juli 2016 Leitung der Abteilung Phaidra – das digitale Langzeitarchivierungssystem der Universität Wien. 2015 bis 2017 Universitätslehrgang „Library and Information Studies“ (M. Sc.). Lehrbeauftragte der Universität Wien für Kinder- und Jugendliteratur. Seit 2013 Vorsitzende der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung (ÖG-KJLF), Obfrau-Stellvertreterin des Vereins zur Förderung und Vernetzung frauenspezifischer Informations- und Dokumentationseinrichtungen in Österreich (FRIDA). ORCID Identifier: 0000-0001-9018-623X Website: http://www.blumesberger.at Kontakt: [email protected] Christoph Deeg Christoph Deeg ist ein international tätiger Speaker und Berater für digital-analoge Bibliotheksstrategien und Gamification. In diesem Zusammenhang berät und begleitet er Bibliotheken bei der Entwicklung und Realisierung umfassender digital-analoger Gesamtstrategien und der strategischen Implementierung von Gaming und Gamification in die Bibliotheksarbeit. Darüber hinaus entwickelt er ortsbasierte Playful Experiences und Local-based Games. Er ist Autor des Buches „Gaming und Bibliotheken“ und Gründer des Netzwerks „games4culture“. Websites: http://www.christoph-deeg.com und http://www.bibliotheksstrategien.de Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Petra Düren Petra Düren ist seit 2010 Professorin für Betriebswirtschaftslehre für die Informations- und Dienstleistungsbranche an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Ihre Forschungsschwerpunkte reichen von Change-Management: Führungsverhalten in wissenschaftlichen und öffentlichen Bibliotheken in Zeiten des Wandels über New Public Management und seine Auswirkungen auf Bibliotheken, Qualitätsmanagement in Bibliotheken sowie den demografischen Wandel und seine Bedeutung für Bibliotheken bis zu Wissensmanagement: Bibliotheken als lernende Organisationen. Sie verfügt zudem über neun Jahre Erfahrung als Mitglied des Topmanagements der Technischen Informationsbibliothek (TIB) – Leibniz-Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften – Universitätsbibliothek. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Ursula Georgy Ursula Georgy, Diplom-Chemikerin, ist seit dem Jahr 2000 Professorin für Informationsmarketing am Institut für Informationswissenschaft der TH Köln – Technology, Arts, Sciences. Von 1986 bis 2000 war sie Geschäftsführerin und Gesellschafterin des Wissenschaftlichen Informationsdienstes – WIND GmbH. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Kunden-, Qualitätsmanagement sowie Zukunfts- und Innovationsmanagement für öffentliche Einrichtungen. In ihrem aktuellen Forschungsprojekt beschäftigt sie sich mit der Gestaltung von Innovationsprozessen, insbesondere in Bibliotheken und Informationseinrichtungen. Ursula Georgy ist zudem Leiterin des ZBIW – Zentrum für Bibliotheks- und Informationswissenschaftliche Weiterbildung der TH Köln. ORCID Identifier: 0000-0002-0701-1170 Kontakt: [email protected]
https://doi.org/10.1515/9783110539011-040
Über die Autorinnen und Autoren
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Prof. Christine Gläser Christine Gläser ist seit 2008 Professorin für Informationsdienstleistungen, elektronisches Publizieren, Metadaten und Datenstrukturierung an der HAW Hamburg. Aktuelle Lehr- und Forschungsschwerpunkte: Lernraum Hochschule, Teaching/Learning Library, Bibliotheksethnografie, Forschungsdatenmanagement. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Joachim Griesbaum Joachim Griesbaum wurde 1971 in Lahr (Schwarzwald) geboren. Er promovierte 2006 an der Universität Konstanz. Seit 2008 forscht und lehrt er an der Universität Hildesheim. Seine Forschungsschwerpunkte sind Informationsverhalten, Online-Marketing, E-Learning und Wissensmanagement. Kontakt: [email protected] Beate Guba Beate Guba studierte Germanistik, Klassische Philologie und Bibliotheks- und Informationsmanagement. Nach mehrjähriger Forschungs- und Lehrtätigkeit an Universitäten sammelte sie umfangreiche Erfahrungen im Bibliothekswesen. Von 2008 bis 2016 leitete sie Die Bibliothek Wirtschaft & Management der Technischen Universität Berlin. Seit Juli 2016 ist Beate Guba Direktorin der Bibliothek der Technischen Universität Wien. Kontakt: [email protected] Friederike Hanisch Friederike Hanisch (geb. Kerkmann): 2004 bis 2008 Studium des Bibliotheks- und Informationsmanagements an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. 2008 Diplomarbeit in der Forschungsabteilung eines internationalen Automobilkonzerns. 2008 bis 2010 Tätigkeit in einem wissenschaftlichen Fachverlag. Seit 2010 Mitarbeiterin an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, u. a. in den Bereichen Usability, Accessibility und Forschungsmanagement. Kontakt: [email protected]
Kristina Hermann Kristina Hermann, Jahrgang 1979, Studium der Soziologie und des Kulturmanagements in Dresden, Görlitz und Rom. Zertifizierung als agile Beraterin 2018. Zunächst über zwölfjährige Erfahrung im Weiterbildungsmanagement mit den Themen Automobil, Kultur und Erneuerbare Energien. Seit 2017 freie Unternehmensberaterin mit dem Schwerpunkt auf digitalen Projekten, speziell bei der Einführung von Webseiten und Datenbanken. Als Beraterin beim Change-Management, Projektmanagement und bei der Prozessoptimierung kombiniert Kristina Hermann klassische und agile Methoden des Projektmanagements. Kontakt: [email protected] Rita Kamm-Schuberth Rita Kamm-Schuberth leitet seit Februar 2010 den Bereich Marketing am Bildungscampus der Stadt Nürnberg. Der Bildungscampus Nürnberg ist das gemeinsame Dach von Stadtbibliothek, Bildungszentrum und Planetarium. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet die Volkswirtin verantwortlich im systematischen Aufbau, der Positionierung und Pflege von Unternehmensmarken durch strategisches Marketing in unterschiedlichen Branchen, insbesondere der öffentlichen Daseinsvorsorge wie Energie- und Wasserversorgung, öffentlicher Personennahverkehr und Holding öffentlicher Unternehmen, sowie in der Privatwirtschaft. Kontakt: [email protected]
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Über die Autorinnen und Autoren
Christina Kläre Christina Kläre studierte Management and Economics an der Ruhr-Universität Bochum (Abschluss Master of Science 2013). Nach der Leitung von Bachelor- und Master-Übungen sowie -Seminaren am Lehrstuhl für Quantitative Analyse (Ruhr-Universität Bochum) wirkte sie in der AG Learning Services der Hochschulbibliothek Bielefeld mit. In der Universitätsbibliothek Dortmund und der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft war sie an Projekten zum Prozessmanagement sowie zur Nutzung statistischer Software in den Wirtschaftswissenschaften beteiligt. 2017 hat sie das Studium Bibliotheks- und Informationswissenschaften (MALIS) an der TH Köln abgeschlossen. Seit 2016 ist sie Fachreferentin für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften an der Universitätsbibliothek Duisburg-Essen. Kontakt: [email protected] Dr. Franziska Klatt Franziska Klatt ist Betriebswirtin mit Beratungs- und Lehrerfahrung im Innovationsmarketing und -management. Seit 2013 verantwortet sie das Marketing der Bibliothek Wirtschaft & Management der Technischen Universität Berlin. 2015 wurde sie für die Entwicklung des Blended-Learning-Schulungsprogramms „Information Expert Passport“ als Zukunftsgestalterin in Bibliotheken ausgezeichnet. Kontakt: [email protected] Deborah Kyburz Deborah Kyburz studierte Kunstgeschichte, allgemeine Geschichte und englische Literatur sowie in einem zweiten Studiengang Informationswissenschaft. Seit 2013 ist sie an der ETH-Bibliothek in Zürich tätig und hat sich laufend im Bereich Content-Marketing und Social-Media-Management fortgebildet. Neben ihrer Tätigkeit als Social-Media-Managerin ist sie z. B. auch für die strategische Weiterentwicklung der Website der ETH-Bibliothek zuständig. Deborah Kyburz leitete das Projekt Multimedia Storytelling, in dessen Rahmen die Content-Marketing-Plattform Explora konzipiert und umgesetzt wurde, und trägt seither die Produktverantwortung. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Dirk Lewandowski Dirk Lewandowski ist Professor für Information Research und Information Retrieval an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Seine Forschungsinteressen sind Suchmaschinen mit einem speziellen Fokus auf das Nutzerverhalten und die gesellschaftlichen Auswirkungen von Suchmaschinen(nutzung). Website: http://www.searchstudies.org/dirk Kontakt: [email protected] Andreas Meier Andreas Meier ist seit Mai 2014 im Team Bibliometrie der Zentralbibliothek des Forschungszentrums Jülich beschäftigt. Im Jahr 2016 schloss er sein Masterstudium im Studiengang Informationswissenschaft und Sprachtechnologie an der Universität Düsseldorf erfolgreich ab. Das Thema Altmetrics stand bereits in seiner Masterarbeit im Mittelpunkt. Im Rahmen seiner Tätigkeit etabliert er alternative Metriken am Campus des Forschungszentrums Jülich und publiziert regelmäßig über dieses Thema. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Haike Meinhardt Haike Meinhardt ist seit Ende 2002 Hochschullehrerin am Institut für Informationswissenschaft der TH Köln – Technology, Arts, Sciences. Lehr- und Forschungsgebiete: Strukturen des Bibliotheks- und Informationswesens, Bibliothekskonzeptionen öffentlicher Bibliotheken, Bibliotheks- und Wissen
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Über die Autorinnen und Autoren
schaftspolitik, Bibliothekssoziologie, Bibliotheksgeschichte. Zuvor Redakteurin bei BuB sowie stellvertretende Leiterin einer öffentlichen Bibliothek. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Günther Neher Günther Neher ist Professor für Webtechnologie und Semantic-Web-Anwendungen am Fachbereich Informationswissenschaften der Fachhochschule Potsdam. Seine Forschungsinteressen sind Datenintegration mit Schwerpunkt auf Linked Data sowie Text Mining mit dem Fokus auf Wissensextraktion. Günther Neher studierte Experimentalphysik an der LMU München und promovierte an der FU Berlin in Physikalischer Chemie. Seit 2005 ist er Professor an der Fachhochschule Potsdam. Kontakt: [email protected] Johannes Neuer Johannes Neuer hat Anglistik, Musik und Kommunikationswissenschaften studiert. Seine Berufserfahrung liegt in den Bereichen Marketing, Customer Service und Digitale Medien. Von 2009 bis 2018 war er an der New York Public Library (NYPL) tätig und baute als Director of Digital Engagement eine E-Mail- und Social Media Community von mehr als einer Million Abonnenten, Fans und Followers auf. Zuletzt war er als Director of Customer Experience der NYPL damit beauftragt, die Kundenzufriedenheit ganzheitlich zu steigern. Johannes Neuer promoviert derzeit am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaften der HU Berlin. Seit November 2018 ist er Bibliothekarischer Direktor der ekz.bibliotheksservice GmbH. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Ivonne Preusser Ivonne Preusser ist Wirtschaftswissenschaftlerin und Diplom-Psychologin und seit dem Jahr 2016 Professorin am Institut für Informationswissenschaft der TH Köln – Technology, Arts, Sciences. Ihre Lehrgebiete sind u. a. Kundenorientierung und Führung (Customer Centricity), Psychologie und Marktforschung sowie Design Thinking. Aus der Praxis bringt sie langjährige Erfahrungen mit, u. a. als Marketing-Managerin im E-Commerce-Sektor, Head of Consulting bei Globalpark AG und Unternehmensberaterin bei energy factory AG in den Bereichen Kunden- und Organisationsforschung. Sie promovierte an der Universität St. Gallen in Strategy & Management und war dort als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Führung und Personalmanagement tätig. Ihre derzeitigen Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind Kundenemotionen und Mitarbeiterengagement, kundenzentrierte Unternehmensführung sowie Leadership, Unternehmenskultur und Arbeitswelt 4.0. Kontakt: [email protected]
Markus Putnings Markus Putnings, Diplom-Wirtschaftsinformatiker, leitet das Referat Open Access, mehrere Fachreferate und stellvertretend die Abteilung I: Medienbearbeitung, Open Access, Fachinformationsdienste sowie das Referat Forschungsdatenmanagement der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg. Seit 2017 ist er zudem als Verlagsleiter für den Universitätsverlag FAU University Press zuständig. In diesen Tätigkeiten ist er auch für die Qualitätssicherung und die Bewerbung der entsprechenden Dienstleistungen der Universitätsbibliothek verantwortlich. Gremienarbeit: Mitarbeit in der Kommission Virtuelle Bibliothek (KVB) im Bibliotheksverbund Bayern, in den Arbeitsgruppen der Confederation of Open Access Repositories (COAR e.V.) und in der Arbeitsgemeinschaft der Universitätsverlage. Kontakt: [email protected]
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Über die Autorinnen und Autoren
Prof. Dr. Stefan Rock Stefan Rock ist seit 2007 Professor für Internationales Handelsmanagement und Handelslogistik an der Technischen Hochschule Ingolstadt. Praktische Erfahrung erlangte er in den Jahren zuvor als Berater und als verantwortliche Führungskraft im großflächigen Lebensmitteleinzelhandel. Ergänzt und aktualisiert wird die Erfahrung durch einen sehr engen Kontakt mit Handelsunternehmen und handelsnahen Unternehmen. Kontakt: [email protected] Prof. Frauke Schade Frauke Schade ist seit 2006 Professorin für Informationsmarketing, Unternehmenskommunikation und Bestandsmanagement am Department Information der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Ihre Forschungsinteressen sind Geschäftsmodelle auf dem Informationsmarkt und Marktsegmentierung von (digitalen) Öffentlichkeiten. Sie war Beraterin für Unternehmenskommunikation beim „Kompetenznetz Schlaganfall“ an der Charité Berlin, Referentin für Medienkultur bei der Stadt Reutlingen sowie Leiterin der Abteilung Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit bei der Stadtbibliothek Reutlingen. Frauke Schade hat Bibliothekswesen und Kulturmanagement studiert und promoviert aktuell am Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft an der HU Berlin. Kontakt: [email protected] Dr. Frank Seeliger Frank Seeliger erlernte zunächst den Beruf des Elektromonteurs und studierte an der TH Leipzig zwei Semester Elektrotechnik. 1993 wechselte er zur Universität nach Bonn und studierte Altamerikanistik und Geografie. Die ethnohistorische Tätigkeit setzte er für seine Promotion und seine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter ab dem Jahr 2000 an der Universität Ulm fort. Seit 2006 leitet er die Wildauer Hochschulbibliothek und schloss 2008 erfolgreich den berufsbegleitenden Weiterbildungsstudiengang „Master in Library and Information Science“ an der HU Berlin ab. Kontakt: [email protected] Prof. Ragna Seidler-de Alwis, MBA Ragna Seidler-de Alwis, Dokumentarin und Betriebswirtin, ist seit 2003 Professorin für Wirtschaftsinformationen und Market Intelligence am Institut für Informationswissenschaft der TH Köln – Technology, Arts, Sciences. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Wirtschaftsinformationen verbunden mit Informationsvermittlung und Informationsanalyse und die Markt- und Wettbewerbsanalyse (Competitive Intelligence). Interdisziplinarität und projekt- und problembasiertes Lernen sind Themen, die bei ihr sowohl in der Lehre als auch in der Forschung aktuell im Fokus stehen. Vormals war sie viele Jahre als Leiterin der Informationsabteilung einer großen, internationalen Unternehmensberatung tätig. Kontakt: [email protected] Prof. Dr. Ulrike Spree Ulrike Spree ist seit 1999 Professorin an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg für die Fachgebiete Informationsdienstleistung und -vermittlung in der Mediendokumentation. Sie beschäftigt sich mit den Themen Wissensorganisation, Informationsverhalten und User Experience. Voraus gingen berufliche Tätigkeiten als Dokumentarin im Schallarchiv des Landesfunkhauses Niedersachsen des NDR in Hannover und als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Sonderforschungsbereich „Sozialgeschichte des neuzeitlichen Bürgertums: Deutschland im internationalen Vergleich“ (Sonderforschungsbereich 177 der DFG). 1995 Promotion zum Dr. phil. an der Fakultät für Geschichtswissenschaften der Universität Bielefeld mit der Arbeit „Das Streben nach Wissen: Eine vergleichende Gattungsgeschichte der populären Enzyklopädie in Deutschland und Großbritannien im 19. Jahrhundert“. Kontakt: [email protected]
Über die Autorinnen und Autoren
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Prof. Dr. Richard Stang Richard Stang, Dr. phil., Diplom-Pädagoge und Diplom-Soziologe, ist Professor für Medienwissenschaft im Studiengang „Bibliotheks- und Informationsmanagement“ der Fakultät „Information und Kommunikation“ der Hochschule der Medien Stuttgart (HdM). Er leitet u. a. das Learning Research Center der HdM (www.learning-research.center). Arbeitsschwerpunkte sind u. a. Lernwelten, Bildungs- und Kulturzentren, Lernarchitektur, Medienentwicklung, Medienpädagogik und Innovationsforschung. Er leitet derzeit Forschungsprojekte zur Entwicklung von Bildungs- und Kulturzentren und zur Lernwelt Hochschule. Darüber hinaus berät er Kommunen und Einrichtungen (Bibliotheken, Volkshochschulen usw.) bei der Gestaltung von Lernräumen und kooperativen Strukturen. Kontakt: [email protected]
Sabine Stummeyer Sabine Stummeyer studierte Informationsmanagement (BA) berufsbegleitend an der Hochschule Hannover. Ihre Bachelorarbeit beschäftigte sich mit dem Thema „Open Educational Resources als neue Aufgabe für Wissenschaftliche Bibliotheken“. Das Semesterprojekt ihrer Studiengruppe „Leitfaden zu Open Educational Resources für Bibliotheken und Informationseinrichtungen“ wurde mit dem TIP-Award 2017 ausgezeichnet. Seit 2000 arbeitet Sabine Stummeyer an der TIB Hannover im Bereich Bestandsentwicklung und Metadaten. Kontakt: [email protected] Sebastian Sünkler Sebastian Sünkler hat Informationswissenschaft und -management an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg studiert und arbeitet dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter hauptsächlich in einem Projekt zur automatisierten Kontrolle des Lebensmittelmarktes im Internet. Neben der Projektarbeit beschäftigt er sich v. a. mit der Evaluierung von Suchmaschinen und der Entwicklung eigener Such- und Evaluierungssysteme sowie seit 2015 mit den Themen Sprachsuche und Sprachassistenten. Kontakt: [email protected]
Dr. Dirk Tunger Dirk Tunger studierte Informationswissenschaft in Hamburg an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften und promovierte zwischen 2004 und 2007 an der Universität Regensburg im Fachgebiet Informationswissenschaft bei Prof. Dr. Christian Wolff. Er war von 2003 bis 2017 in der Zentralbibliothek des Forschungszentrums Jülich als Informationswissenschaftler tätig und in dieser Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit dem Aufbau und der Weiterentwicklung der Arbeitsgruppe „Bibliometrie“ befasst, die seit 2013 auch von ihm geleitet wird. Seit 2018 ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Kompetenzzentrum „Analysen, Studien, Strategien“ des Projektträgers im Forschungszentrum Jülich im Themenfeld Evaluation und Wirkungsanalyse tätig. Kontakt: [email protected] Ivo Vogel Ivo Vogel ist Volljurist und absolvierte von 2002 bis 2004 sein Bibliotheksreferendariat in Berlin und München. 2004 übernahm er die Leitung des Sondersammelgebietes und der Virtuellen Fachbibliothek Recht an der Staatsbibliothek zu Berlin, wo er derzeit als Bibliotheksoberrat dem Fachinformationsdienst für internationale und interdisziplinäre Rechtsforschung vorsteht und die kommissarische Leitung der Wissenschaftlichen Dienste übernommen hat. ORCID Identifier: 0000-0002-2602-0726 Kontakt: [email protected]
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Über die Autorinnen und Autoren
Die Korrektorin Dr. Ingrid Furchner Ingrid Furchner hat Romanistik und Linguistik studiert und 1996 an der Universität Bielefeld promoviert. Nach mehrjähriger Tätigkeit in der universitären Schreibberatung und Mitarbeit in verschiedenen linguistischen und soziologischen Forschungsprojekten arbeitet sie seit 2005 als freie Lektorin.
Register 2030 Agenda 483 Advertising Network 323 Advocacy siehe Public Affairs 518, 552 Agenda Setting siehe Themenmanagement Agenda-Building siehe Themenmanagement Agilität 95, 123–124, 126, 233, 519 AjBD 346, 573, 583 Algorithmus 45, 60–65, 76, 80, 237, 297, 326, 339, 352, 419, 430 Alleinstellungsmerkmal 1, 15, 93 Alternative Metrics siehe Altmetrics Alternativer Indikator siehe a. Altmetrics 236, 292 Altmetric-Explorer 294, 296–297, 299–300 Altmetrics 236, 292–301, 312 AR siehe Augmented Reality Arbeit 4.0 43, 123–124, 126, 145, 191, 226, 407, 519 Arbeitsgemeinschaft für juristisches Bibliotheks- und Dokumentationswesen siehe AjBD Arbeitswelt 4.0 siehe Arbeit 4.0 Ask-a-Librarian-Service 436 Audience Development 501, 507 Audit siehe a. Zertifizierung 163, 251–253, 259, 261, 265–266 Aufenthaltsqualität siehe a. Lernraum 241–242, 462, 465, 468, 475 Aufmerksamkeit 49, 52, 73, 81, 101, 124, 154, 243, 247, 252, 292–299, 365, 402, 417– 419, 425, 431, 452, 475, 492–493, 524, 535, 538, 543, 550, 580 Augmented Reality 45, 112, 121, 176, 242, 328, 331, 370, 404, 473, 585, 588, 590, 595 Ausgezeichnete Bibliothek 162–163, 168, 262– 263 Ausstattungspolitik siehe a. Operatives Marketing 241 b4p siehe Best for Planning Barrierefreiheit 392, 423, 426 Beacon 241, 354–355, 445, 453–454 Befragung siehe Empirische Sozialforschung Benutzerforschung siehe a. Empirische Sozialforschung 22, 71, 77, 87 Beobachtung siehe Empirische Sozialforschung Berufsverband Information Bibliothek siehe BIB https://doi.org/10.1515/9783110539011-041
Best for Planning 79, 83–84, 86–89, 585 BI-International 485 BIB 484, 487–488 Bibliometrie 293–295, 594, 597 Bibliothek 2.0 346–347 Bibliotheksportal, siehe Portal Bibliothekssuchmaschine siehe a. Suchmaschine 364, 367 BID 484–485 Big Data 30, 45, 59–66, 76, 79–80, 334–335, 341, 371, 374 Blended Shelf 432–433 Blog 315, 413, 419, 430, 436, 439, 495, 505, 508–509, 531, 561, 564, 578–579, 581 Blogging 495, 575, 577 BMBF 26, 29, 31–34, 38, 293, 301, 304, 486 Brainstorming 41, 132, 140 Branding, siehe Marke Bundesministerium für Bildung und Forschung siehe BMBF Bürgerwissenschaften siehe Citizen Science CAF 168, 262–263 CC siehe Creative Commons Change-Prozess 94–95, 99–103, 105–108 Citizen Science 30, 33–39 Clusteranalyse 64 Co-Creation 37, 143 Common Assessment Framework siehe CAF Conjoint-Analyse 213–214 Conjoint-Methode siehe Conjoint-Analyse Content-Marketing 208, 245–246, 370–371, 378–379, 382, 498–499, 507–509, 515– 516, 526, 529, 532, 535 Conversational Search siehe Sprachsuche Conversion Journey 520 Corporate Design 240, 411, 416, 418, 421–424 Corporate Storytelling siehe Storytelling Count the Traffic 173, 451, 456 CPS siehe Cyber-physisches System Creative Commons 104, 286, 308–310, 315 Creator of Value 2 Crossmedia Storytelling siehe a. Storytelling 528 Crossmediale Kampagne siehe a. Kampagne 247, 518, 522, 550, 554 Crowd 45, 96–97, 183–196, 288, 435, 438–441 CTT siehe Count the Traffic Current-Contents-Dienst 430
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Register
Customer Centricity 123–125 Customer Empowerment 124 Customer Experience siehe a. User Experience 125, 239, 388–389, 519 Customer Journey 239, 389, 404, 512, 519–521 Customization 436–437, 441 Cyber-physisches System 346–347 Dachmarke siehe a. Marke 422 Data Mining siehe a. Big Data 64, 79 Datenauswertung 66, 68 Datengenerierung 59, 61 Datenmanagement 64, 250, 283 Datenqualität 60, 65, 78, 80 Datensammlung 59, 61–62, 64, 67, 80–81, 88, 334–335, 339, 341, 430 Datenschutz 45, 69, 78, 82, 119, 280, 324, 341, 355, 370, 378, 383–384, 431, 435, 482– 483, 513, 539, 545–546, 586 Datenspeicherung 59–61, 82, 515 DBS 82, 259, 487 dbv 206, 215, 249, 264, 483–487, 490, 493, 571 Deep Web 358, 366–367 Descriptive Analytics siehe a. Big Data 79 Design Thinking 8, 95, 123–124, 127–133, 139–140, 142–143, 226–227, 407 Deutsche Bibliotheksstatistik siehe DBS Deutsche Forschungsgemeinschaft siehe DFG Deutsche Gesellschaft für Information und Wissen siehe DGI 488, 586 Deutsche Initiative für Netzwerkinformation siehe DINI Deutscher Bibliotheksverband siehe dbv DFG 32–34, 37, 157, 258, 489, 570–577, 580 Dialogmarketing 554, 560 Dienstleistungsmarketing 94, 185, 233, 380 Dienstleistungsqualität 185, 234, 253 Digital Divide 564 Digital Object Identifer 285, 290, 324–325 Digital Storytelling siehe Storytelling DINI 249, 255, 269–270, 475, 580 Direkte Kommunikation 491, 494 Direkter Leihverkehr 574–575 Discovery-System 236, 279, 289, 352, 392, 399, 402, 413, 427–429, 522 Diskriminanzanalyse 76, 78, 86–87 Display Advertising siehe a. Social Display Adverstising 247, 359, 537–548, 557
Distanzhandel 445 Distribution233, 237–241, 370–372, 378, 382, 411–412 Diversität 129, 170, 224, 328 DOI 285, 290, 297, 314, 324–325, 578, 580 Dritter Ort 46, 240 Drittmittel 50, 250–252, 283, 313, 487, 559, 562, 573, 580 E-Ausleihe 482 E-Mail-Marketing 83, 245, 376, 512–516, 521, 523–524, 550, 554, 556–557 EBLIDA 483, 485 EFQM siehe a. Qualitätsmanagement 96, 162, 168, 180, 249, 256–257, 261–262 EIC siehe European Innovation Council EIT siehe European Institute of Innovation and Technology Electronic Word of Mouth siehe Mundpropaganda Embedded Librarian 436 Empathy Map 137 Empfehlungssystem 80–81, 338, 430 Empirische Sozialforschung 19, 41, 47, 50, 52, 54–60, 67, 72, 76–78, 87, 136, 139, 172, 281, 351, 399–400, 410, 451, 505, 542, 547 EOSC siehe European Open Science Cloud ERA siehe European Research Area ERC siehe European Research Council Ethnografische Methode siehe User Experience EU 25–31, 34–35, 59, 69, 84, 88, 252, 310, 313, 323, 431, 483, 487, 513 Europäische Union siehe EU European Innovation Council 31, 38 European Institute of Innovation and Technology 28, 31, 38 European Open Science Cloud 30, 34 European Research Area 25 European Research Council 29, 31, 580 Evaluation 33, 102–103, 156, 170, 249, 252– 253, 295, 300, 363, 388, 399–407 Evaluierung siehe Evaluation Experiment siehe Empirische Sozialforschung Externalisierung 234, 252, 413, 416, 435–437, 439–441 Fachinformationsdienst für die Wissenschaft 569–582 FAIR Data Principles 280
Register
FID siehe Fachinformationsdienst für die Wissenschaft First-Copy-Cost-Effekt 5 Fokusgruppe siehe User Experience siehe a. Empirische Sozialforschung Folksonomy 282, 429, 439 Forschungsdaten 24, 29, 34, 250–252, 280– 285, 289, 306, 325, 570 Forschungsinfrastruktur siehe Informationsinfrastruktur Forschungsorganisation 24, 33 Forschungspolitik 20, 23, 25–31, 35 Fünf-Kräfte-Modell 16, 18, 199, 207 Game 220–227, 514, 592 Gamification 8, 16, 97, 133, 218–222, 225–227, 592 Gaming 16, 97, 218, 294–295, 346, 506 Gap-Modell 94 Gartner Hype Cycle 49, 345 Gebrauchstauglichkeit siehe Usability Gebührenpolitik siehe a. Operatives Marketing 233–234 Gemeinsame Normdatei 429 Gemeinsame Wissenschaftskonferenz siehe GWK 32–33, 35–36, 489, 587 Geofencing 445, 454–455 Geschäftsfeld 17, 235 Geschäftsmodell 42, 49, 51, 59, 97–100, 162, 184, 187, 190–191, 211, 215, 349, 379 Geschäftsprozess 60–61, 199, 202–204, 210– 211, 213, 215–216 GND siehe Gemeinsame Normdatei 429, 437 Google Analytics 83, 505, 522 Google Assistant siehe Sprachassistent 370– 375, 379 Google Home siehe Sprachassistent Google Home siehe Sprachassistent Governance 27, 66 Grassroots Lobbying siehe a. Public Affairs 245, 479, 491–495 GWK 32, 34, 36, 489 hbz 259, 300, 487 Hewlett Foundation 304–306 Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen siehe hbz Hochschullehre 143, 236, 288, 303–304, 309– 315
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Hochschulrektorenkonferenz siehe HRK Horizon 2020 26–27, 30 HRK 258, 311–312, 489 iBeacon siehe Beacon 241, 354–355 Identifier 280, 285–286, 297, 314, 321, 324– 326, 330 IFLA 50, 482–483, 485, 487, 550, 564 IFLA Trend Report siehe Trendreport 50, 482 Image 238, 243–244, 252–253, 378, 385, 419, 430, 462, 481, 484, 486–487, 542, 550 Indoor-Navigation 454 Industrie 4.0 45, 126, 191, 343, 346–348 Influencer siehe Meinungsführer 246, 494, 508, 551, 564 Information (Begriff) 1–9, 572 Informationsinfrastruktur 20, 23–37, 414, 482, 489, 570, 580–582 Informatisierung 1 Innovation 25–34, 36–38, 53–56, 96–97, 100, 123–126, 129, 131, 143–144, 148, 162–168, 172–173, 175, 177–191, 201–205 Instant-Messaging-Dienst 434 Intelligent Voice Assistant siehe Sprachassistent 373 Intermediär 16, 32, 200, 358, 366 International Federation of Library Associations and Institutions siehe IFLA 482, 587 Internationalisierung 21, 27, 33, 38, 59–60 Interne Kommunikation 8, 95, 107, 111, 113, 117–121, 178, 243, 379, 382 Internet of Things siehe IoT Interoperabilität 236, 284, 320, 323, 325, 327, 428 Involvement 73–74, 101, 414, 417, 430, 436 IoT 18, 61, 125, 343 ISO 9001 249, 255, 261, 264, 273 Jedermannlizenz siehe Public License Kaizen 95 Kampagne 517–522 Katalogsuchmaschine siehe Suchmaschine Kennzahl 44, 76, 153–154, 487, 522 Key Performance Indicator siehe a. Kennzahl, Evaluation 177 KfL siehe Kompetenzzentrum für die Lizenzierung elektronischer Ressourcen
602
Register
Klassifikation 64, 66, 84, 88, 293, 326, 429, 437 KMK 32, 258, 486–487, 489 knb 259, 486–487 Kollaboration 126, 129, 243, 311, 347, 412–414, 438–439, 466, 469 Kommunikationspolitik siehe a. Operatives Marketing 100, 214, 233, 243–245, 247, 537, 550 Kompetenznetzwerk für Bibliotheken siehe knb Kompetenzportfolio 54, 468–469 Kompetenzzentrum für die Lizenzierung elektronischer Ressourcen 576–577 Kontextualisierung 82, 237, 334–336, 339–342 Kontinuierlicher Verbesserungsprozess 95, 588 Kulturtechnik 221–222 Kunde 64, 69, 71–83, 87–88, 93–97, 119, 123– 129, 133, 136–137, 139, 142–144, 152–155, 172, 173, 177–178, 183–194, 207–215, 226, 233–241, 388–390, 411–416, 445–446, 448, 498, 502, 506–509, 519–523, 543, 564–565 Landing Page 361, 368, 421, 433–434, 436, 441, 518, 561–562 Langzeitarchivierung 237, 293, 316, 489, 578, 580 Learning Commons siehe a. Lernraum 243, 466–467 Learning Relationship siehe a. Lernraum 81 Lebensstiltypologie 83, 86 Legitimität 35, 71, 188, 201, 244, 479–480, 490 Leistungserstellung 150, 154–155, 168, 199, 202, 204, 210–213, 215–216, 435 Leistungspolitik siehe a. Operatives Marketing 233, 235 Leitbild 167–170 Lernort siehe Lernraum Lernraum 8, 242–243, 311, 459, 464–476 LIBER 483–484 Licence to Operate siehe Legitimität Linked Data siehe a. Semantic Web 282, 319, 326, 329, 331–333 Linked Open Data siehe a. Semantic Web 237, 280, 332–333, 345 LIS 300 Lobbyarbeit siehe a. Public Affairs 245, 480, 483, 490, 552, 565
Logo 113, 253, 395, 397, 420, 422 Lokales Marketing 241, 354, 445–447, 450, 455 Maker Space 499, 506 Mapping 133, 136, 282 Marke 240, 244–249, 412, 418–423, 430, 441, 445, 448 Markt- und Wettbewerbsanalyse 8, 20–22, 59– 60, 62–64, 66–68, 79 Marktabgrenzung 16 Marktattraktivität 16 Marktbedingung 15–17, 191 Marktforschung 52, 66–68, 71, 76–88, 127, 170, 172 Marktlücke 97, 201 Marktsegment 21–22, 71–79, 81, 84–85, 211 Marktstruktur 15 Marktteilnehmer 15, 19, 72–74, 201–202, 207– 208 Marktversagen 6 Mass Customization siehe Customization Massendaten siehe Big Data Mechanik siehe Spielmechanik Media Richness 416–418, 431 Media-Relations siehe Medienarbeit Medienarbeit 243, 421, 492–495, 554, 560 Megatrend siehe a. Trend 20–21, 41–44 Mehrwert 234–237, 530–531, 533, 569–570, 573–574, 581 Meinungsfreiheit 482 Meinungsführer 246, 491, 504–505 Meritorisches Gut 6–7, 17, 479 Metadaten 66, 236, 271, 279–290, 293, 314, 327–328, 366–367, 426–428, 432, 440– 441 Metasuche siehe a. Suche 572 Microsite siehe Landing Page Milieutypologie siehe a. Lebensstiltypologie 71, 84 Moment of Opportunity 149 Moment of Truth 149, 158 Mundpropaganda 247, 542 My-Library-System 437 Nachhaltigkeit 148, 170, 299, 509 Networking 479, 491 New Work siehe Arbeit 4.0 New York Public Library 245, 430, 458, 512, 518, 550–564
Register
Newsletter siehe a. E-Mail-Marketing 111–113, 118–119, 121, 167, 351, 417, 512, 515–518, 521–523, 535, 561, 581 Newsroom 421 NMC Horizon Report siehe Trendreport 51, 403– 404 Notation siehe a. Klassifikation 152, 429, 437 Nutzerzentrierung siehe Customer Centricity 129 NYPL siehe New York Public Library 550, 552, 558–562, 564 OECD 25–26, 28 OER 16, 47, 236–237, 303–316 Offene Lizenz siehe a. Open Standard 237, 303, 307, 319–324, 327, 332 Offener Standard siehe Open Standard Öffentliches Gut 5, 565 Öffentlichkeitsarbeit 253, 516, 554, 558, 565 Omni-Channel-Management 234, 241, 445–447 On-Demand-Digitalisierung 575 Online-Handel 445 Online-Tutorial 419, 435 Ontologie 329–331 OPAC 225, 352, 382, 390–391, 427 Open Access 29, 65, 157, 249, 269, 271, 280, 304–306, 313, 316 Open Business Model 187 Open Data 29, 34, 37–38, 61, 65, 237, 280, 332, 532, 534–535 Open Educational Resource siehe OER Open Innovation 37, 45, 96–97, 126, 143, 183, 196, 236, 440–441 Open Review 30 Open Science 28–30, 34, 37, 280, 490, 493 Open Source 190, 236, 304 Open Standard 236, 319–333 Patentrecherche 51 Patron-Driven Acquisitions siehe PDA PDA 147, 373, 436–437 PDCA-Zyklus 156 Pearson-Korrelation 64 Persistent Identifier 128, 177, 290, 325 Persona 399, 493, 498, 507–508 Personal Assistant siehe Sprachassisstent PESTEL-Methode 170 PI, siehe Persistant Identifier 128, 177, 290, 325, 440
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Plan-Do-Check-Act-Zyklus siehe PDCA-Zyklus PMI-Methode 173 Point of Sale 64, 379, 382, 385, 412, 452, 456 Portal 78, 81, 239–240, 289, 360, 364, 411, 490, 572, 577–578, 581 PoS siehe Point of Sale PR siehe Öffentlichkeitsarbeit Predictive Analytics siehe a. Big Data 45, 61, 79 Preispolitik siehe a. Operatives Marketing 233 Prescriptive Analytics siehe a. Big Data 79 Primärforschung siehe a. Empirische Sozialforschung 21–22, 62, 71–72, 76, 87 Produktqualität siehe a. Qualität 213, 272, 324, 326 Prosument 189, 246 Prototyp 49, 96, 127–130, 140–143, 400 Prototyping siehe a. User Experience 142 Prozess 147–159, 165–166, 168, 173–174, 176– 177, 188, 202–206, 212–213, 216, 224, 226–227, 233–235, 245, 251, 253, 255, 258, 260, 269, 283 Public Affairs 244, 479–481, 488, 490–492, 494–495, 499 Public Campaigning 245, 479, 491–495, 499 Public License 308 Public Relations siehe Öffentlichkeitsarbeit QMS siehe Qualitätsmanagementsystem 258, 260, 272 QR-Code 445, 447, 452 Qualität 5–6, 8, 33, 37, 41, 65, 80, 94–96, 147, 162–165, 167–168, 172, 176, 234–235, 237, 241, 243, 249–261, 263–269, 271–273, 288, 306, 312, 315–316, 324, 326, 338, 352, 355, 365, 390, 402–403, 405–406, 414, 419, 424, 439, 468, 515, 531, 538, 543, 553, 556, 578 Qualitätsmanagement 96, 147, 162–168, 234– 272 Qualitätsmanagementsystem 258, 260, 272 Quellenbewertung siehe a. Qualitätsmanagement 60, 66 Ranking 28, 339, 341, 359, 361, 364–365, 367, 378, 414, 419, 421, 427 Rating 439 Raumzeitliches Präsenzkriterium 238 RDA 428, 437
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Repositorium 158, 249, 255, 258, 269–270, 273, 281–284, 287–288, 313–314, 579– 580 Reputation siehe a. Image 29, 66, 243, 256, 296, 316, 365, 370, 381, 412, 419, 508, 539 Request for Comments siehe RFC Research Metrics 295 Resource Description and Access siehe RDA Responsive Science 36 RFC 321–323, 325 Roboter 354 Schwarmintelligenz 96, 194, 435, 438, 440 SDL siehe Service-dominant Logic for Marketing 2 SEA siehe Suchmaschinenwerbungs siehe a. Online-Marketing 359 Search Engine Advertising siehe Suchmaschinenwerbung siehe a. Online-Marketing 359 Search Engine Optimization, siehe Suchmaschinenoptimierung siehe a. Online-Marketing 359, 392, 509 Segmentierung 71, 74–76, 79, 82–83, 86, 88, 544 Sekundärforschung 21–22, 71–72, 76, 87–88 Semantic Web 329–331, 428 Sentiment Analysis 63 Service-Ökonomie 2–3 Shewart-Deming-Zyklus siehe PDCA-Zyklus Signaling 235 Skill siehe a. Sprachassistent 121, 372, 377, 379–383, 385 Smart siehe a. Smart Library, Smart Service 343–348, 350–351, 353–356, 370 Social Advertising siehe a. Display Advertising, Online-Marketing 549, 555, 557 Social Display Advertising siehe a. Display Advertising, Online-Marketing 247, 537, 541 Social Media 245–246, 297, 359, 446, 520, 540–541, 546, 561 Social Tagging siehe Folksonomy 429 Social-Media-Kommunikation siehe a. Social Media 245–247, 417, 495, 516 Sondersammelgebiet 489, 570–571, 573–575 Soziale Medien siehe Social Media 245–246, 297, 359, 446, 520, 540–541, 546, 554, 556–557
Spiel siehe a. Gaming 219–227 Spielmechanik 219–220, 222, 226 Sprachassistent 239, 370–385 Sprachsteuerung 239, 354, 370, 372, 373, 374– 376, 378, 380, 382–386 Sprachsuche siehe a. Suche 239, 370, 373, 375–378, 384–385 SSG siehe Sondersammelgebiet Stage-Gate-Modell 173, 178 Stakeholder siehe a. Zielgruppe 66, 74, 132, 149, 170, 226, 273, 346, 418, 491 Standardisierung 150, 154, 236, 253, 258, 319, 321–322, 333, 390, 441, 482 Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland siehe KMK Stationärer Handel 445, 448, 455 Stimmungserkennung siehe Sentiment Analysis 63 Storytelling 139, 141–142, 242, 246, 524, 526, 558 Subtrend siehe a. Trend 43–45 Suche 335–342, 359–363, 365, 368, 371, 375– 376, 381, 385 Suchfeld siehe a. Trendanalyse 48, 395, 397, 402 Suchmaschine 207, 208, 238, 313–314, 334, 337–339, 358–368, 373–374, 378, 392, 403, 426–427, 536, 538 Suchmaschinenoptimierung 352, 359, 361, 363–366, 378, 392, 403, 414, 419, 445, 452, 509 Support Widget 435 SWOT-Analyse 94, 169–170 Targeting siehe a. 80, 539, 541–542, 545–546 Themenmanagement 9, 245, 248, 421, 492– 496, 510, 552 Tiefeninterview 136–137 Touchpoint siehe a. Customer Journey 239, 246, 389, 446, 514, 519, 538 Traffic 166, 173, 180, 358–359, 363–365, 368, 412, 451 Transmedia Storytelling siehe a. Storytelling 526, 528 Trend 26–28, 41–43, 46–50, 52–56, 60–61, 64, 74, 85, 133, 162, 164, 170, 172, 189 Tutorial siehe Online-Tutorial 389, 398, 419, 435, 469, 476
Register
UNESCO 303–304, 306–307, 310, 482, 485 Uniform Resource Identifier 321, 324–325, 330 Unternehmensmarke siehe a. Marke Urheberrecht 151, 286, 304, 307–309, 316, 482–483, 485, 580 URI, siehe Uniform Resource Identifier 321, 324–328, 330 Usability siehe a. User Experience 78, 126, 133, 166, 172, 239–240, 351, 355, 364–365, 388, 390–407, 413, 416, 418, 423–426, 440, 519 User Experience siehe a. Usability 78, 126, 239–240, 388–395, 398–399, 402–407, 413, 423–424, 440, 519 UX siehe User Experience Value in Context 2 VDB 484, 487–488 Veränderungsprozess siehe a. Veränderungsmanagement 46, 94, 108, 118, 120, 168, 201, 218, 498–499 Veranstaltung 498–499, 505–507, 509 Verein der Deutschen Bibliothekarinnen und Bibliothekare siehe VDB ViFa siehe Virtuelle Fachbibliothek Virtuelle Fachbibliothek 571–574, 575, 577, 580–581 Visibility 450 Vision 29, 100, 102, 112, 140, 151, 167–170, 234, 329, 331, 459, 472, 553 Web 2.0 siehe a. Social Media 191, 195, 236, 347, 413 Web-Content-Center 434 Website siehe a. Portal 66, 77, 81, 166, 170, 239, 322–323, 325, 358–359, 361, 365, 368, 412–413, 416, 418, 421, 423–424, 426, 434, 490, 501, 505, 509, 531
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Webstandard 327, 329, 331 Wertewandel 71 Wertschöpfung 6, 17–18, 31, 45, 59, 97, 147, 152, 185–186, 192, 204, 210, 212, 215, 343, 436, 438, 522 Wettbewerb 15–22, 26–27, 35, 59–64, 66–68, 74, 95, 168, 185, 187–188, 200–201, 203, 205, 207–208, 214–216 WIPO 325, 483 Wissenschaftsblog siehe Blog 575, 577–578 Wissenschaftscontrolling 35–36 Wissenschaftspolitik 20, 23–25, 31–33, 35–36, 489 Wissenschaftsrat 24, 31–32, 34–35, 37, 40, 489 Wissenschaftssystem 23–26, 32, 35–36, 295– 296 Wissensgenerierung 19, 189, 459–460 Word of Mouth siehe Mundpropaganda 246, 543 World Intellectual Property Organization siehe WIPO Zählpixel 77 Zertifikat siehe a. Zertifizierung 235, 249, 252– 253, 255–257, 262, 264, 267, 269, 271–273 Zertifizierung 17, 147, 235, 249, 251–275 Zielgruppe 71–74, 78, 82, 84–87, 97, 344, 358, 362–363, 385, 388, 390–391, 393, 398– 400, 402, 404, 411–413, 417, 498–499, 501, 507–508 Zugänglichkeit siehe a. Suchmaschine 238, 240–241, 352, 358–369, 403 Zukunftsforschung 41, 47 Zukunftsinstitut 43–48 Zukunftsstrategie 191