Praxishandbuch Flexible Einsatzformen von Arbeitnehmern: Der rechtssichere Umgang mit atypischen Beschäftigungsverhältnissen für Unternehmer 9783110261455, 9783110261486

Professionals involved in company and personnel management are facing increasingly difficult tasks concerning the correc

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German Pages 958 [957] Year 2012

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Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Bearbeiterverzeichnis
Teil 1 Bedeutung
Teil 2 Grundlagen
Teil 3 Erscheinungsformen im Unternehmen
Kapitel 1 Altersteilzeit
Kapitel 2 Arbeit auf Abruf
Kapitel 3 Arbeitnehmerüberlassung
Kapitel 4 Aufsichtsratsmandat
Kapitel 5 Aushilfen
Kapitel 6 Außendienstmitarbeiter
Kapitel 7 Befristung
Kapitel 8 Datenschutzbeauftragter
Kapitel 9 Ehrenamt
Kapitel 10 Ein-Euro-Jobber
Kapitel 11 Elternzeit
Kapitel 12 Entsendung
Kapitel 13 FamiliäreMitarbeit
Kapitel 14 Freelancer
Kapitel 15 Freistellung
Kapitel 16 Grenzgänger
Kapitel 17 Hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis
Kapitel 18 Home-Office
Kapitel 19 Interimsmanager
Kapitel 20 Job-Sharing
Kapitel 21 Künstlersozialversicherung
Kapitel 22 Kurzarbeit
Kapitel 23 Lebensarbeitszeitkonten
Kapitel 24 Minijobber
Kapitel 25 Mitarbeitender Gesellschafter
Kapitel 26 Mitarbeiter als Unternehmer
Kapitel 27 Nebentätigkeit
Kapitel 28 Niedriglohnbeschäftigung
Kapitel 29 Praktikum
Kapitel 30 Probezeit/Einfühlungsverhältnis
Kapitel 31 Prozessbeschäftigung
Kapitel 32 Referendare
Kapitel 33 Rentnerbeschäftigung
Kapitel 34 Sabbatical
Kapitel 35 Selbstständige Arbeit
Kapitel 36 StudentischeAushilfsarbeitsverhältnisse
Kapitel 37 Teilzeit
Kapitel 38 Telearbeit
Kapitel 39 Transferarbeitsverhältnis
Stichwortverzeichnis
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Praxishandbuch Flexible Einsatzformen von Arbeitnehmern: Der rechtssichere Umgang mit atypischen Beschäftigungsverhältnissen für Unternehmer
 9783110261455, 9783110261486

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Nicole Elert, Petra Raspels (Hrsg.) Praxishandbuch Flexible Einsatzformen von Arbeitnehmern De Gruyter Praxishandbuch

Praxishandbuch Flexible Einsatzformen von Arbeitnehmern Der rechtssichere Umgang mit atypischen Beschäftigungsverhältnissen für Unternehmer Herausgegeben von Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Dr. iur. Nicole Elert, Partnerin, PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberaterin Dipl.-Volkswirtin Petra Raspels, Partnerin, PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Bearbeitet von* Rechtsanwalt Christian W. Baumann, LL.M.**; Rechtsanwalt Christian Berg, LL.M.; Rechtsanwältin Iris Brandes; Dipl.-Finanzwirt (FH) Michael Breuer**; Dipl.-Jurist Manfred Cichon; Dipl.-Finanzwirtin (FH) Brigitte Dusolt; Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Dr. iur. Nicole Elert; Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Arne Ferbeck; Rechtsanwältin Stephanie Gather**; Dipl.-Betriebswirtin (BA) Sabrina Hottenbach; Frank Kaiser; Steuerberater Dipl.-Kaufmann Manfred Karges; Rechtsanwalt Sebastian Kohl; Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Ulla Kuniß; Steuerberater und Rentenberater Dipl.-Kaufmann (FH) Marco Libudda; Rentenberater Hans-Peter Limbach; Rechtsanwalt Patrick Maihöfer; Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht Ulla Mauer, LL.M.EUR; Rechtsanwalt Ansgar A. Mues; Rechtsanwalt Dr. iur. Jan-Peter Ohrtmann; Steuerberaterin Dipl.-Kauffrau Petra Peitz-Ziemann; Rechtsanwalt Martin Preiss; Steuerberater Dipl.-Finanzwirt (FH) Daniel Riehle, M.A.; Dipl.-Betriebswirt (FH) Joachim Sartoris, M.B.A.; Rechtsanwältin Yvonne Speier; Rechtsanwältin Lidija Spirovic; Rechtsanwalt Dipl.-Finanzwirt (FH) Can Tüzel; Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. iur. Sebastian Ulbrich, LL.M. * Sämtliche Autoren sind Mitarbeiter der PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfergesellschaft. ** Zwischenzeitlich aus dem Unternehmen ausgeschieden.

Zitiervorschlag: Elert/Raspels/Bearbeiter, Teil 1 Rn 5 oder Teil 3 Kap. 1 Rn 8. Hinweis: Alle Angaben in diesem Werk sind nach bestem Wissen unter Anwendung aller gebotenen Sorgfalt erstellt worden. Trotzdem kann von dem Verlag und den Autoren keine Haftung für etwaige Fehler übernommen werden.

ISBN 978-3-11-026145-5 e-ISBN 978-3-11-026148-6 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2013 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandabbildung: Comstock/Thinkstock Datenkonvertierung/Satz: Werksatz Schmidt & Schulz GmbH, Gräfenhainichen Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort Aus Sicht der Unternehmer und der Unternehmen schaffen sogenannte atypische Beschäftigungsverhältnisse größere Flexibilitätsspielräume. Sei es, um wirtschaftliche Herausforderungen zu meistern oder sei es, um den Wünschen von Mitarbeitern nach zunehmender örtlicher und zeitlicher Flexibilität sowie der Vereinbarkeit von Arbeitswelt und Privatleben Rechnung zu tragen. Der verstärkte Einsatz atypischer Beschäftigungsverhältnisse führte in Deutschland zu zusätzlichen Arbeitsplätzen. Insbesondere können so auch Einstiegsmöglichkeiten zu Beginn des Berufslebens, nach Erwerbsunterbrechungen, nach Arbeitslosigkeit oder bei mangelnder Qualifikation, aber auch Aufstiegschancen geschaffen werden. Der Trend zu atypischen Beschäftigungsformen hat sich in den vergangenen zehn bis zwanzig Jahren nicht nur in Deutschland beschleunigt. In Ländern mit vergleichbaren Arbeitsmarktinstitutionen (also z.B. den kontinentaleuropäischen Staaten wie Frankreich, Belgien und den Niederlanden) ist eine ähnliche Entwicklung zu beobachten. Das Handbuch beschreibt die verschiedenen Beschäftigungsformen und stellt sie zusammen. Es zeigt die relevanten Bestimmungen des Arbeits-, Sozialversicherungsund Lohnsteuerrechts zu diesen flexiblen Einsatzformen von Arbeitnehmern auf. Es gibt Tipps für den Umgang mit den Fragestellungen der Praxis und soll ein Arbeitsmittel für den täglichen Einsatz sein. Das Handbuch gliedert sich in seinem Hauptteil in 39 Kapitel in alphabetischer Reihenfolge. Im Fokus steht dabei nicht das „klassische unbefristete Vollzeitarbeitsverhältnis vor Ort“, sondern diejenigen Beschäftigungsformen, die es in zeitlicher, örtlicher und organisatorischer Hinsicht flexibilisieren. Dazu zählen sowohl Befristungen und Teilzeitbeschäftigung, aber auch beispielsweise Jobsharing, Telearbeit, Flex Work, Transferarbeit, Ehrenamt etc. Das Handbuch ist an alle adressiert, die sich im täglichen Arbeiten mit Fragen rund um das Thema des flexiblen Personaleinsatzes beschäftigen. Dazu zählen Unternehmer und Unternehmen, Juristen und Steuerberater, sowie Kaufleute und Rentenberater. Die Autorinnen und Autoren sind Rechtsanwälte, Fachanwälte für Arbeitsrecht, Steuer- oder Rentenberater und haben ihre langjährigen Erfahrungen aus ihrer täglichen Beratungspraxis im Bereich Human Resources in dieses Handbuch eingebracht. Die aufgenommenen Praxistipps und Checklisten spiegeln ihre Erfahrungen wieder und sind als Hinweis auf mögliche Fallstricke zu verstehen. Rechtsprechung, Literatur, Gesetzgebung und Richtlinien sowie Handlungsanweisungen sind bis zum 30.6.2012 berücksichtigt. Die Herausgeberinnen danken den Autorinnen und Autoren für ihr großes Engagement bei der Erstellung dieses Werkes. Besonderer Dank gilt den Assistentinnen Britta Czeremchora und Anika Kästner, die mit großem Einsatz die zahlreichen Werk-

VI 

 Vorwort

stücke der Autorinnen und Autoren sowie der Herausgeberinnen gefertigt und Änderungen eingearbeitet haben. Für Bemerkungen, Anregungen und Kritik sind wir stets aufgeschlossen und dankbar. Sie erreichen uns unter: PricewaterhouseCoopers AG WPG Rechtsanwältin Dr. iur. Nicole Elert Moskauer Straße 19, 40227 Düsseldorf Tel.: 0211/ 981-4196, Fax: 0211/ 981-1074 [email protected] www.pwclegal.de PricewaterhouseCoopers AG WPG Steuerberaterin Dipl.-Volkswirtin Petra Raspels Moskauer Straße 19, 40227 Düsseldorf Tel.: 0211/ 981-7680, Fax: 069/ 9585-926140 [email protected] www.pwc.de

Düsseldorf, 30.6.2012

Nicole Elert und Petra Raspels

Inhaltsübersicht Literaturverzeichnis— LI Abkürzungsverzeichnis— LV Bearbeiterverzeichnis— LXIII Teil 1 Bedeutung — 1 Teil 2 Grundlagen — 7 Teil 3 Erscheinungsformen im Unternehmen — 39 Kapitel 1 Altersteilzeit — 39 Kapitel 2 Arbeit auf Abruf — 73 Kapitel 3 Arbeitnehmerüberlassung — 93 Kapitel 4 Aufsichtsratsmandat — 119 Kapitel 5 Aushilfen — 141 Kapitel 6 Außendienstmitarbeiter — 171 Kapitel 7 Befristung — 195 Kapitel 8 Datenschutzbeauftragter — 211 Kapitel 9 Ehrenamt — 217 Kapitel 10 Ein-Euro-Jobber — 237 Kapitel 11 Elternzeit — 249 Kapitel 12 Entsendung — 281 Kapitel 13 Familiäre Mitarbeit — 359 Kapitel 14 Freelancer — 375 Kapitel 15 Freistellung — 395 Kapitel 16 Grenzgänger — 415 Kapitel 17 Hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis — 429 Kapitel 18 Home-Office — 443 Kapitel 19 Interimsmanager — 461 Kapitel 20 Job-Sharing  — 475 Kapitel 21 Künstlersozialversicherung — 487 Kapitel 22 Kurzarbeit — 505 Kapitel 23 Lebensarbeitszeitkonten — 555 Kapitel 24 Minijobber — 587 Kapitel 25 Mitarbeitender Gesellschafter — 609 Kapitel 26 Mitarbeiter als Unternehmer — 625 Kapitel 27 Nebentätigkeit — 643 Kapitel 28 Niedriglohnbeschäftigung — 663 Kapitel 29 Praktikum — 683 Kapitel 30 Probezeit/Einfühlungsverhältnis — 699 Kapitel 31 Prozessbeschäftigung — 713 Kapitel 32 Referendare — 725

VIII 

 Inhaltsübersicht

Kapitel 33 Rentnerbeschäftigung — 737 Kapitel 34 Sabbatical — 761 Kapitel 35 Selbstständige Arbeit — 771 Kapitel 36 Studentische Aushilfsarbeitsverhältnisse — 791 Kapitel 37 Teilzeit — 809 Kapitel 38 Telearbeit — 825 Kapitel 39 Transferarbeitsverhältnis — 851 Stichwortverzeichnis — 863

Inhalt Literaturverzeichnis — LI Abkürzungsverzeichnis — LV Bearbeiterverzeichnis — LXIII Teil 1 Bedeutung — 1 A. Rahmenbedingungen — 1 B. Statistische Beispiele — 1 C. Kategorisierung der Flexibilitätskriterien — 2 I. Örtlich — 2 II. Zeitlich — 3 III. Entgeltbezogen — 3 IV. Dispositionsbezogen — 4 V. Rechtlich — 5 VI. Sonstige — 5 Teil 2 Grundlagen — 7 A. Arbeitsrecht — 7 I. Bedeutung — 7 II. Begrifflichkeiten — 8 1. Arbeitsverhältnis und Arbeitsvertrag — 8 2. Arbeitgeber — 10 3. Arbeitnehmer — 11 B. Steuerrecht — 13 I. Bedeutung — 13 II. Begrifflichkeiten — 13 1. Arbeitgeber — 13 2. Arbeitnehmer — 16 a) Begriff — 16 b) Steuerpflicht — 17 c) Lohnsteuer — 18 3. Arbeitslohn — 19 III. Pflichten des Arbeitgebers — 21 1. Melde- und Aufzeichnungspflichten — 21 2. Korrektur der Lohnsteuer — 23 3. Lohnsteuerjahresausgleich — 24 4. Lohnsteuer-Außenprüfung — 24 C. Sozialversicherungsrecht — 25 I. Bedeutung — 25 II. Begrifflichkeiten — 26 1. Beschäftigungsverhältnis — 26

X 

 Inhaltsverzeichnis

2. Arbeitsentgelt — 27 3. Höhe des Entgelts — 30 4. Sozialversicherungspflicht — 30 5. SV-Entgeltverordnung — 31 III. Berechnung und Abführung der Beiträge — 32 1. Gehaltsabrechnung — 32 2. Beitragsbemessungsgrenzen — 33 3. Beitragssätze — 33 4. Fälligkeit der Beiträge — 34 5. Zu Unrecht gezahlte Beiträge — 35 IV. Pflichten des Arbeitgebers — 36 1. Melde- und Aufzeichnungspflichten — 36 2. Betriebsprüfung — 38 Teil 3 Erscheinungsformen im Unternehmen — 39 Kapitel 1 Altersteilzeit — 39 A. Arbeitsrecht — 39 I. Einleitung — 39 II. Grundsätze — 40 1. Voraussetzungen Altersteilzeit — 40 2. Altersteilzeitverhältnis — 40 a) Anspruch auf Vertragsabschluss — 40 b) Inhalt und Form — 42 c) Kein Zwang zum Abschluss eines Altersteilzeitverhältnisses — 43 d) Ruhen und Erlöschen des Anspruchs — 43 3. Ausgestaltungsmöglichkeiten — 44 a) Gleichmäßige Verteilung — 44 b) Arbeit und Freistellung in regelmäßigem Wechsel — 44 c) Blockmodell — 45 d) Dauer — 46 4. Gesamtentgeltleistungen des Arbeitgebers — 47 5. Beendigung/Streitigkeiten — 48 a) Reguläre Beendigung — 48 b) Störfälle — 48 c) Insolvenzsicherung — 50 d) Rechtsweg — 51 6. Betriebsverfassungsrechtliche/tarifliche Aspekte — 51 a) Betriebsverfassungsrecht — 51 b) Tarifvertragsrecht — 52 III. Langzeitkonten einschließlich Altersteilzeit — 53 IV. Checkliste zur Vertragsgestaltung — 54

Inhaltsverzeichnis 

 XI

B. Steuerrecht — 54 I. Steuerfreiheit im Rahmen der Altersteilzeit — 54 1. Voraussetzungen der Steuerfreiheit von Aufstockungsbeträgen — 55 a) Begriff des Regelarbeitsentgelts — 56 b) Steuerfreiheit bei Aufstockung über gesetzliche Mindestbeträge — 57 2. Aufstockung der Rentenversicherungsbeiträge — 58 3. Zahlungen nach § 187a SGB VI — 59 4. Zuschläge für Aufstockung nach Beamtenrecht — 60 II. Verfahrensrechtliche Aspekte — 60 III. Steuerrechtliche Behandlung von Blockmodellen — 60 1. Steuerfreiheit des Aufstockungsbetrages bei Störfällen — 61 2. Gewährung von Sachbezügen als Aufstockungsbetrag im Block­ modell (Überlassung eines Firmenwagens) — 62 3. Steuerrechtliche Behandlung der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit — 63 4. Arbeitslohnrückzahlung bei rückwirkender Inanspruchnahme von Altersteilzeit — 64 C. Sozialversicherungsrecht — 65 I. Checkliste Altersteilzeitarbeit — 65 II. Sozialversicherungspflicht in der Altersteilzeit — 66 1. Versicherungspflicht in allen Zweigen — 66 2. Krankenversicherung — 66 III. Regelarbeitsentgelt aus beitragsrechtlicher Sicht — 67 1. Grundsatz — 67 2. Festsetzung des Regelarbeitsentgelts — 67 IV. Mehrarbeit — 67 V. Nebenbeschäftigung — 68 VI. Altersteilzeitarbeit bei Auslandstätigkeit bzw. Auslandsaufenthalt — 68 VII. Altersteilzeitarbeit und Arbeitsunfähigkeit — 69 1. Arbeitsunfähigkeit zu Beginn der Altersteilzeitarbeit — 69 2. Arbeitsunfähigkeit während Altersteilzeitarbeit — 69 3. Altersteilzeitarbeit und Erwerbsminderungsrente — 69 a) Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung — 69 b) Rente wegen voller Erwerbsminderung — 70 VIII. Beschäftigungsverhältnis in der Altersteilzeitarbeit — 71 IX. Störfälle — 71 X. Altersteilzeitarbeit und Insolvenz — 72 1. Insolvenz in der Arbeitsphase — 72 2. Insolvenz in der Freistellungsphase — 72

XII 

 Inhaltsverzeichnis

Kapitel 2 Arbeit auf Abruf — 73 A. Arbeitsrecht — 73 I. Bedeutung für die Praxis — 73 II. Grundsätze — 75 1. Personenkreis — 75 2. Formerfordernis — 75 3. Arbeitszeit — 76 a) Mindestarbeitszeitvolumen — 76 b) Tägliche Mindestarbeitszeit — 79 4. Ankündigungsfrist — 80 a) Gesetzliche Ankündigungsfrist — 80 b) Verkürzung Ankündigungsfrist — 82 5. Beschäftigungspflicht und Annahmeverzug — 82 6. Überstunden — 83 7. Entgelt — 84 a) Höhe Arbeitsvergütung und Annahmeverzugslohn — 84 b) Besondere Zuschläge und Sondervergütung — 85 c) Mehrarbeitsvergütung — 85 d) Feiertagsvergütung — 85 e) Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall — 87 f) Entgeltfortzahlung bei persönlicher Verhinderung — 87 8. Urlaub — 88 9. Einschränkung des Direktionsrechts — 90 III. Arbeitsvertragliche Gestaltung — 90 IV. Mitbestimmung des Betriebsrates — 91 B. Steuerrecht — 91 C. Sozialversicherungsrecht — 92 Kapitel 3 Arbeitnehmerüberlassung — 93 A. Arbeitsrecht — 93 I. Bedeutung für die Praxis — 93 1. Begriffsbestimmung — 93 2. Rechtliche Historie bis zum 30.10.2011 — 93 3. Interessenlagen bei der Arbeitnehmerüberlassung — 94 4. Statistik und Praxisbedeutung — 95 II. Gesetzliche Regelung der Arbeitnehmerüberlassung ab dem 1.12.2011 — 95 1. Wirtschaftliche Tätigkeit — 96 2. Vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung — 96 a) Gelegentliche Überlassung — 97 b) Gleichstellung der Leiharbeitnehmer — 98 c) Informationspflicht des Entleihers — 98 d) Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen — 99

Inhaltsverzeichnis 

 XIII

III. Abgrenzung des Anwendungsbereichs des AÜG — 99 1. Werkvertrag — 99 2. Dienst- oder Geschäftsbesorgungsvertrag — 101 3. Andere Formen des Personaleinsatzes bei Dritten — 101 IV. Rechte und Pflichten der Beteiligten — 102 1. Verhältnis zwischen Verleiher und Entleiher – Arbeitnehmerüberlassungsvertrag — 102 a) Form und Inhalt — 102 b) Rechtsfolgen bei Unwirksamkeit — 103 c) Gegenseitige Rechte und Pflichten — 103 2. Verhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer — 104 a) Individualarbeitsrecht — 104 b) Betriebsverfassungsrecht — 105 3. Verhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer — 106 V. Ordnungswidrigkeiten — 108 1. Ordnungswidrigkeiten des Entleihers — 109 2. Ordnungswidrigkeiten des Verleihers — 109 B. Steuerrecht — 110 I. Allgemeines — 110 II. Verleiher als Arbeitgeber — 110 1. Inländischer Verleiher — 110 2. Ausländischer Verleiher — 110 III. Haftung des Entleihers für die Lohnsteuer — 111 1. Gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung — 111 2. Rechtsfolgen der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung — 112 3. Besonderheiten im Baugewerbe — 112 4. Reichweite der gesamtschuldnerischen Haftung — 113 5. Arbeitslohn Dritter (Entleiher) — 113 IV. Regelmäßige Arbeitsstätte des Leiharbeitnehmers — 114 V. Keine Tariffähigkeit und die Folgen daraus — 115 C. Sozialversicherungsrecht — 116 I. Verleiher als Arbeitgeber — 116 II. Haftung des Entleihers für Sozialversicherung — 116 III. Meldewesen — 117 Kapitel 4 Aufsichtsratsmandat — 119 A. Arbeitsrecht — 119 I. Bedeutung für die Praxis — 119 II. Verhältnis Aufsichtsratsmandat und Arbeitsverhältnis — 120 III. Behinderungs- und Benachteiligungsverbot — 120 IV. Direktionsrecht — 121 V. Aufsichtsratsvergütung — 122 1. Vergütungsgrundsätze — 122

XIV 

 Inhaltsverzeichnis

a) Vergütung gemäß Satzung oder Gesellschafterbeschluss — 122 b) Vergütung gemäß Dienst- oder Werkvertrag — 122 c) Vergütung aus Arbeitsverhältnis — 124 2. Aufwendungsersatz — 125 3. Darlehensgewährung — 126 4. Annahme von Geschenken — 127 VI. Freistellung — 127 VII. Überstunden — 128 VIII. Schulungen — 128 IX. Arbeitskampf — 129 X. Kündigungsschutz — 130 XI. Altersteilzeit — 131 XII. Arbeitnehmervertreter im Konzern — 132 1. Konzernbelegschaft — 132 2. Konzernzurechnung — 133 XIII. Rechtsstellung von Gewerkschaftsvertretern — 134 B. Steuerrecht — 134 I. Bedeutung für die Praxis — 134 II. Einkommensteuerliche Aspekte — 135 1. In Deutschland wohnhafte Aufsichtsräte inländischer Unternehmen — 135 2. Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat — 136 3. Im Ausland wohnhafte Aufsichtsräte inländischer Unternehmen — 136 III. Steuerabzug durch das Unternehmen — 137 1. Grundlagen — 137 2. Aufzeichnungsverpflichtungen — 137 3. Bruttobesteuerung — 138 4. Abzug von Betriebsausgaben (Nettobesteuerung) — 138 IV. Umsatzsteuerliche Aspekte — 139 C. Sozialversicherungsrecht — 139 Kapitel 5 Aushilfen — 141 A. Arbeitsrecht — 141 I. Bedeutung für die Praxis — 141 II. Vertragliche Ausgestaltung eines Aushilfsarbeitsverhältnisses — 142 1. Nachweispflicht — 142 2. Befristetes Aushilfsarbeitsverhältnis — 143 a) § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG — 143 aa) Vorübergehender betrieblicher Bedarf an der Arbeitsleistung — 143 bb) Projektbefristung — 144

Inhaltsverzeichnis 

 XV

b) § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG — 145 c) § 14 Abs. 2 TzBfG — 147 3. Unbefristetes Aushilfsarbeitsverhältnis — 147 4. Arbeit auf Abruf — 148 5. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall — 148 6. Urlaubsansprüche — 149 7. Beendigung des Aushilfsverhältnisses/Kündigungsschutz — 149 8. Anspruch auf ein Zeugnis — 149 III. Betriebsverfassungsrecht — 150 1. Berücksichtigung von Aushilfskräften bei der erstmaligen Einrichtung eines Betriebsrats — 150 2. Aktives Wahlrecht und passives Wahlrecht von Aushilfskräften — 150 B. Steuerrecht — 151 I. Entscheidungsrecht des Arbeitgebers — 152 II. Pauschalierungsvoraussetzungen für Aushilfskräfte — 152 1. Kurzfristige Beschäftigung — 152 2. Durchschnittlicher Arbeitslohn je Arbeitstag — 153 3. Beschäftigung zu einem unvorhersehbaren Zeitpunkt — 153 4. Durchschnittlicher Stundenlohn — 154 5. Keine pauschalierungsfähige Nebentätigkeit bei demselben Arbeitgeber — 155 III. Bemessungsgrundlage der pauschalen Lohnsteuer — 155 IV. Aufzeichnungs- und andere Arbeitgeberpflichten — 155 V. Rechtsfolgen — 156 1. Pauschalierung der Lohnsteuer — 156 2. Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers — 156 3. Aushilfen in der Land- und Forstwirtschaft — 156 VI. Übersicht — 157 C. Sozialversicherungsrecht — 157 I. Allgemeines — 157 II. Versicherungsrechtliche Regelung — 158 1. Zeitgeringfügigkeit — 158 2. Zwei Monate oder 50 Arbeitstage — 160 3. Ausschluss der Zeitgeringfügigkeit wegen Berufsmäßigkeit — 161 4. Zusammenrechnung von mehreren kurzfristigen Beschäftigungen (§ 8 Abs. 2 SGB IV) — 163 5. Abgrenzung zur geringfügig entlohnten Beschäftigung i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV — 165 6. Überschreiten der Zeitgrenzen — 165 III. Beitragsrechtliche Regelungen — 167

XVI 

 Inhaltsverzeichnis

1. Kranken- und Pflege- und Arbeitslosenversicherung — 167 2. Rentenversicherung — 167 3. Unfallversicherung — 168 4. Umlagepflicht des Arbeitgebers für kurzfristige Beschäftigte — 168 a) Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall — 168 b) Mutterschaftsleistungen — 168 c) Insolvenzgeldumlage — 168 5. Meldungen — 169 Kapitel 6 Außendienstmitarbeiter — 171 A. Arbeitsrecht — 171 I. Bedeutung für die Praxis — 171 II. Arbeitsrechtliche Aspekte — 172 1. Arbeitsvertrag — 172 a) Tätigkeitsbeschreibung — 172 b) Arbeitsort — 172 c) Arbeitszeit — 173 d) Dienstwagen — 173 e) Vergütung — 177 f) Spesen — 177 g) Weitere Regelungen — 177 2. Betriebliche Altersversorgung — 178 3. Schutzvorschriften — 178 4. Gerichtsstand — 179 III. Betriebsverfassungsrecht — 180 IV. Kontrollmöglichkeiten — 180 1. Tätigkeitsbericht — 181 2. Leistungskontrolle durch technische Mittel, insbesondere durch EDV — 181 3. Kontroll-Fahrten — 182 4. Kontrolle unter Einsatz von Detektiven — 182 5. Veröffentlichung von sog. „Rennerlisten“ — 183 B. Steuerrecht — 183 I. Allgemeines — 183 II. Lohnsteuerliche Konsequenzen bei Vorliegen einer regelmäßigen Arbeitsstätte — 184 III. Steuerfreier Reisekostenersatz bei Auswärtstätigkeit — 187 IV. Behandlung von Sonderzahlungen — 189 C. Sozialversicherungsrecht — 190 I. Allgemeines — 190 1. Abgrenzung zwischen abhängiger und selbstständiger Beschäftigung — 190

Inhaltsverzeichnis 

 XVII

2. Abgrenzungskriterien — 190 II. Beitragspflicht — 191 1. Provisionen — 191 2. Beitragsrechtliches Entgelt bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses — 191 a) Beitragspflicht bei Nachzahlungen — 191 b) Beitragsrechtliche Behandlung von Abfindungen bei Außendienstmitarbeitern — 192 c) Beitragsrechtliche Behandlung von Aufwandsentschädigungen bei Außendienstmitarbeitern — 193 Kapitel 7 Befristung — 195 A. Arbeitsrecht — 195 I. Bedeutung für die Praxis — 195 II. Befristung — 195 1. Zeitbefristung — 195 a) Befristungsdauer — 195 b) Anschlussverbot — 196 c) Verlängerung — 197 d) Tariföffnungsklausel — 198 e) Sonderregelung für Unternehmensneugründungen — 198 2. Sachgrundbefristung — 198 a) Kongruenz zwischen Vertragsdauer und Befristungsgrund — 199 b) Sachgründe — 199 aa) Vorübergehender betrieblicher Bedarf — 200 bb) Erstbeschäftigung — 201 cc) Vertretung — 201 dd) Erprobung — 203 ee) Gründe in der Person des Arbeitnehmers — 204 ff) Gerichtlicher Vergleich — 205 gg) Sonstige Gründe — 206 3. Schriftform — 207 III. Befristung von älteren Arbeitnehmern — 208 B. Steuerrecht — 210 C. Sozialversicherungsrecht — 210 I. Allgemeines — 210 II. Beitragspflicht — 210 III. Meldewesen — 210 Kapitel 8 Datenschutzbeauftragter — 211 A. Arbeitsrecht — 211 I. Regulatorischer Rahmen — 211 1. Pflicht zur Bestellung — 211

XVIII 

 Inhaltsverzeichnis

2. Aufgaben — 211 3. Stellung — 212 II. Bedeutung für die Praxis — 212 1. Wahlmöglichkeit — 212 2. Personelle Voraussetzungen — 212 3. Interner Datenschutzbeauftragter — 213 a) Trennung vom Beschäftigtenverhältnis — 213 b) Interessenkonflikte — 213 c) Widerruf — 214 d) Kündigungsschutz — 214 4. Externer Datenschutzbeauftragter — 215 B. Steuerrecht — 216 C. Sozialversicherungsrecht — 216 Kapitel 9 Ehrenamt — 217 A. Arbeitsrecht — 217 I. Bedeutung für die Praxis — 217 1. Nutzen — 217 2. Begriffsbestimmungen und Abgrenzung — 218 3. In der Praxis auftretende Fallgruppen — 219 II. Arbeitnehmer mit (freiwilligem) Ehrenamt — 219 1. Freistellung und Vergütung — 220 a) Privates Ehrenamt — 220 b) Öffentliches Ehrenamt — 222 c) Betriebliches Ehrenamt — 223 2. Kündigung wegen ehrenamtlicher Tätigkeit — 224 a) Privates Ehrenamt — 224 b) Besonderer Kündigungsschutz — 225 3. Verbot der ehrenamtlichen Tätigkeit — 225 III. Beschäftigung eines Ehrenamtlichen — 226 1. Abgrenzung zum Arbeitsverhältnis — 226 2. Bundesfreiwilligendienst — 229 3. Zeugnis — 229 4. Mitbestimmungsrechte — 230 IV. Verpflichtung zu ehrenamtlicher Tätigkeit — 230 1. Regelungen im Arbeitsvertrag — 230 2. Regelungen im Gesetz — 230 B. Steuerrecht — 231 I. Bedeutung für die Praxis — 231 II. Steuerliche Behandlung von Aufwands­entschädigungen — 231 III. Abgrenzung zu anderen Einkunftsarten — 232 1. Allgemeines — 232

Inhaltsverzeichnis 

 XIX

2. Nebenberufliche ehrenamtliche Tätigkeit bei demselben Arbeitgeber — 232 3. Nebenberufliche ehrenamtliche Tätigkeit bei einem fremden Arbeitgeber — 233 IV. Behandlung von Tätigkeitsvergütungen und Ersatz von Auslagen und Aufwendungen — 233 V. Freibeträge — 234 C. Sozialversicherungsrecht — 235 Kapitel 10 Ein-Euro-Jobber — 237 A. Arbeitsrecht — 237 I. Einleitung — 237 II. Ein-Euro-Job Rechtsverhältnis — 238 1. Begründung des Rechtsverhältnisses — 238 a) Rechtsbegründungsakt — 238 b) Beteiligte — 239 2. Inhalt des Rechtsverhältnisses — 239 a) Tätigkeit — 239 b) Umfang und Dauer — 241 c) Arbeitnehmerstatus — 242 d) Betriebsverfassungsrecht — 243 e) Arbeitnehmerschutzvorschriften, Urlaubsregelung — 244 f) Haftung — 244 g) Sanktionsmaßnahmen — 245 3. Beendigung des Rechtsverhältnisses — 245 III. Prozessuales — 245 B. Steuerrecht — 247 I. Kein steuerrechtliches Arbeitsverhältnis — 247 II. Mehraufwandentschädigung (§ 16d SGB II) — 247 C. Sozialversicherungsrecht — 247 I. Beschäftigungsverhältnis — 247 II. Mehraufwandsentschädigung — 247 Kapitel 11 Elternzeit — 249 A. Arbeitsrecht — 249 I. Bedeutung für die Praxis — 249 II. Anspruchsberechtigte — 250 III. Elternzeitanspruch — 251 1. Dauer und Verteilung — 251 2. Erklärung zur Inanspruchnahme — 253 a) Erklärungsinhalt — 253 b) Form — 255 c) Frist — 255 3. Verkürzung und Verlängerung — 256

XX 

 Inhaltsverzeichnis

a) Zustimmungspflicht — 256 b) Verkürzung — 256 c) Verlängerung — 257 IV. Teilzeitbeschäftigungsanspruch — 257 1. Grundsätze — 258 2. Vereinbarungslösung — 259 3. Einseitiges Verfahren — 260 a) Anspruchsvoraussetzungen — 260 aa) Mindestarbeitnehmerzahl — 260 bb) Wartezeit — 261 cc) Mindestlaufzeit und Mindestumfang — 261 dd) Entgegenstehen dringend betrieblicher Gründe — 261 ee) Form und Frist — 262 b) Antrag — 262 4. Anderer Arbeitgeber — 263 V. Urlaub — 264 VI. Krankheit — 266 VII. Betriebliche Altersversorgung — 266 VIII. Sonderzuwendungen — 266 IX. Kündigung — 267 X. Befristete Vertretung — 269 1. Befristungsabrede — 269 2. Kündigungsrecht — 270 XI. Betriebsverfassungsrecht — 270 B. Steuerrecht — 271 I. Arbeitgeberpflichten während der Elternzeit — 272 1. Bescheinigung der Höhe des Arbeitslohnes — 272 2. Lohnsteuerabzug bei Gewährung von Sachlohn während der Elternzeit — 272 II. Praktische Hinweise zur Elternzeit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer — 273 1. Optimierungsmöglichkeiten hinsichtlich des Nettogehalts — 273 a) Steuerklassenwechsel beeinflusst Elterngeldanspruch — 273 b) Zahlungen zur Altersvorsorge — 273 c) Gehaltszuschläge — 274 2. Progressionsvorbehalt — 274 3. Doppelte Haushaltsführung während der Elternzeit — 274 4. Teilzeiterwerbstätigkeit während der Elternzeit — 275 C. Sozialversicherungsrecht — 275

Inhaltsverzeichnis 

I. Inanspruchnahme von Elternzeit ohne die Ausübung einer Teilzeitbeschäftigung — 275 1. Kranken- und Pflegeversicherung — 275 2. Arbeitslosenversicherung — 276 a) Versicherungspflicht während der Elternzeit — 276 b) Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld — 276 3. Rentenversicherung — 277 4. Unfallversicherung — 278 II. Inanspruchnahme von Elternzeit unter Ausübung einer Teilzeitbeschäftigung — 279 1. Kranken- und Pflegeversicherung — 279 2. Arbeitslosen-, Renten- und Unfallversicherung — 279 Kapitel 12 Entsendung — 281 A. Arbeitsrecht — 281 I. Einleitung — 281 1. Begrifflichkeiten — 281 2. Überlegungen im Vorfeld/Vorbereitung — 283 3. Visa, Arbeitserlaubnis und Aufenthaltsgenehmigung — 286 II. Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland — 286 1. Vertragliche Grundlagen — 286 a) Abschluss einer Zusatzvereinbarung für Auslandseinsatz (Entsendevereinbarung) — 287 b) Versetzung für die Dauer des Auslandseinsatzes — 288 c) Einstellung zum Zwecke der Entsendung — 288 2. Rechtswahl/IPR — 289 a) Regelungen für Altverträge — 289 b) Regelungen für Neuverträge — 290 3. Gerichtsstand, Gerichtsbarkeit, Gerichtsstandsvereinbarungen — 290 4. Direktionsrecht und Fürsorgepflicht des Arbeitgebers — 291 5. Störungen der Entsendung — 292 a) Einsatz in Krisengebieten/Kriegsausbruch — 292 b) Naturkatastrophe — 294 c) Krankheit — 294 d) Rückrufpflichten/-kosten — 294 6. Beendigung der Entsendung/des Zusatzvertrages — 295 a) Kündigung — 295 b) Abschluss eines Aufhebungsvertrages — 296 c) Befristung — 297 d) Rückruf — 297 7. Beteiligung der Arbeitnehmervertretungen — 298

 XXI

XXII 

 Inhaltsverzeichnis

a) Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes — 298 b) Mitbestimmung in personellen und sozialen Angelegenheiten — 299 c) Leitender Angestellter — 300 8. Regelung der betrieblichen Altersversorgung — 300 III. Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern in Deutschland — 301 1. Arten von Aufenthaltstiteln — 302 2. Geschäftsreise — 303 a) Visumpflichtige Staatsangehörige — 303 b) Nichtvisumspflichtige Staatsangehörige — 303 c) Staatsangehörige aus EU Mitgliedstaaten — 304 3. Aufnahme einer Beschäftigung in Deutschland — 304 a) Grundsatz Genehmigungspflicht — 304 aa) Genehmigungsverfahren mit Visum — 304 bb) Genehmigungsverfahren ohne Visum — 305 b) Wichtige Ausnahmeregelungen – Konzerninterne Weiterbildung — 306 c) Einzelne Arbeitsgenehmigungsverfahren von Drittstaatlern — 306 aa) Internationaler Personalaustausch nach § 31 Nr. 1 BeschV — 307 bb) Auslandsprojekte nach § 31 Nr. 2 BeschV — 307 cc) Verfahren für Fachkräfte nach § 27 Nr. 1 BeschV — 308 dd) Verfahren für Fachkräfte nach § 27 Nr. 2 BeschV — 308 ee) Verfahren für Fachkräfte nach § 27 Nr. 3 BeschV — 308 ff) Verfahren für leitende Anstellte und Spezialisten nach § 28 Nr. 1 BeschV — 308 gg) Verfahren für privilegierte Staatsangehörige nach § 34 BeschV — 309 hh) Verfahren für Führungskräfte nach § 4 Nr. 1 BeschV — 309 ii) Verfahren für Führungskräfte nach § 4 Nr. 2 BeschV — 310 jj) Verfahren für Führungskräfte nach § 4 Nr. 3 BeschV — 310 kk) Verfahren für Führungskräfte nach § 4 Nr. 4 BeschV — 310 ll) Niederlassungserlaubnis — 311 mm)Verfahren für Staatsangehörige aus EU Mitgliedstaaten — 311 4. Auslaufen von Aufenthaltstiteln — 312

Inhaltsverzeichnis 

 XXIII

5. Sanktionen bei illegaler Beschäftigung — 312 6. Anwendbares Recht — 313 7. Problemstellungen in der Praxis (Gleichbehandlungsgrundsatz, AGG-Tatbestände, Anpassungsschwierigkeiten) — 313 8. Beendigung des Arbeitsverhältnisses — 315 a) Beendigung durch Fristablauf — 315 b) Beendigung durch Aufhebungsvertrag — 315 c) Beendigung durch Kündigung — 315 9. Tarifrechtliche Problemstellungen — 316 10. Beteiligung der Arbeitnehmervertretungen — 317 11. Arbeitsschutzgesetze und Arbeitnehmer-Entsendegesetz — 317 B. Steuerrecht — 318 I. Wirtschaftlicher Arbeitgeber — 318 1. Arbeitgeberbegriff im Lohnsteuerrecht — 318 2. Arbeitgeberbegriff nach DBA — 319 II. Freistellung vom Lohnsteuerabzug — 320 1. Doppelbesteuerungsabkommen DBA — 320 a) Besteuerung des Arbeitslohnes — 321 b) Aufteilung des Arbeitslohnes — 323 c) Lohnsteuerabzug und Freistellungsbescheinigung — 324 2. Auslandstätigkeitserlass — 325 a) Freistellung des Arbeitslohns bei Entsendung in Nicht-DBA-Staaten — 325 b) Lohnsteuerabzug und Freistellungsbescheinigung — 325 III. Lohnsteuer bei beschränkter Steuerpflicht des Arbeitnehmers — 326 1. Beschäftigung von Arbeitnehmern ohne Wohnsitz in Deutschland — 326 2. Auswirkungen auf den Lohnsteuerabzug — 326 3. Besonderheit bei Arbeitnehmern eines ausländischen Arbeitgebers — 327 IV. Behandlung von Sonderzahlungen — 327 1. Behandlung von Aktienoptionen im Entsendungsfall — 327 2. Boni, Abfindungen und weitere Sonderzahlungen — 329 a) Boni — 329 b) Abfindungen — 329 c) Betriebliche Altersvorsorge — 330 C. Sozialversicherungsrecht — 331 I. Allgemeines — 331 II. Vertragsloses Ausland — 332 1. Allgemeines — 332 2. Ausstrahlung — 332 a) Voraussetzungen einer Ausstrahlung — 333

XXIV 

 Inhaltsverzeichnis

b) Entsendung — 333 c) Inländisches Beschäftigungsverhältnis — 333 d) Weiterbelastung des Arbeitsentgeltes — 334 e) Kurzzeitige Entsendungen — 334 f) Rumpfarbeitsverhältnis — 335 g) Weisungsrecht — 335 h) Zeitliche Befristung der Entsendung — 336 aa) Befristung durch Vertrag — 336 bb) Befristung durch die Eigenart der Beschäftigung — 337 i) Kettenentsendung — 337 j) Repräsentanzen — 338 k) Ortskräfte — 338 l) Arbeitgeberwechsel während einer Auslandsbeschäftigung — 338 m) Unterbrechung der Entsendung — 339 n) Beendigung einer Ausstrahlung — 339 o) Doppelversicherung — 339 3. Einstrahlung — 340 III. Entsendungen innerhalb der EU, des EWR und der Schweiz — 341 1.  Allgemeines — 341 2. EU-Mitgliedstaaten/Schweiz — 341 a) Persönlicher Geltungsbereich — 341 b) Gebietlicher Geltungsbereich — 342 c) Sachlicher Geltungsbereich — 343 3. Entsendung — 344 a) Entsendung in einen Mitgliedstaat des EWR — 345 aa) Generelle Kriterien — 345 bb) Zeitliche Befristung — 346 cc) Verlängerung der Entsendung — 346 b) Entsendungen in die Mitgliedstaaten der EU/den EWR/ die Schweiz — 347 4. Ausnahmevereinbarungen — 348 5. Beschäftigung in zwei oder mehr Mitgliedstaaten — 350 a) Personen, die in einem Mitgliedstaat wohnen und gewöhnlich sowohl im Wohnstaat als auch in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten für einen Arbeitgeber oder mehrere Arbeit­ geber mit Sitz im gleichen Staat beschäftigt sind — 351 b) Personen, die für zwei oder mehrere Arbeitgeber, die ihren Sitz in verschiedenen Mitgliedstaaten haben, beschäftigt sind — 352 c) Personen, die für einen Arbeitgeber in zwei oder mehr Mitgliedstaaten beschäftigt sind, nicht aber im Wohnstaat — 353

Inhaltsverzeichnis 

 XXV

6. Übergangsregelungen — 354 IV. Entsendung in Staaten mit bilateralem Abkommen über soziale Sicherheit — 355 1. Sachlicher Geltungsbereich — 355 2. Gebietlicher Geltungsbereich — 356 3. Entsendungen — 356 4. Ausnahmevereinbarungen — 357 Kapitel 13 Familiäre Mitarbeit — 359 A. Arbeitsrecht — 359 I. Bedeutung für die Praxis — 359 II. Verschiedene Rechtsgrundlagen — 360 1. Auf familienrechtlicher Grundlage — 360 a) Voraussetzungen — 360 b) Rechtsfolge — 360 2. Auf Grundlage eines Arbeitsverhältnisses — 361 a) Voraussetzungen — 361 b) Rechtsfolgen — 363 3. Auf Grundlage eines Dienstverhältnisses über freie Mitarbeit — 364 a) Voraussetzungen — 364 b) Rechtsfolgen — 364 4. Auf Grundlage eines Gesellschaftsvertrages — 365 a) Voraussetzungen — 365 b) Rechtsfolgen — 365 5. Auf Grundlage eines Gefälligkeitsverhältnisses — 365 B. Steuerrecht — 366 I. Angehörige — 366 II. Steuerliche Anerkennung von Beschäftigungsverhältnissen unter Angehörigen — 367 1. Beschäftigungsverhältnis zwischen Ehegatten — 367 a) Vorteile der steuerlichen Anerkennung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Ehegatten — 367 b) Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung des Beschäftigungsverhältnisses zwischen Ehegatten — 367 c) Problemfälle bei Gesellschafter-Ehegatten — 369 2. Beschäftigungsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern — 370 a) Kinder als Arbeitnehmer der Eltern — 370 b) Eltern als Arbeitnehmer der Kinder — 370 3. Beschäftigungsverhältnisse zwischen Geschwistern — 370 III. Praxishinweise — 370 1. Verfahren zur Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft eines mitarbeitenden Angehörigen — 370

XXVI 

 Inhaltsverzeichnis

2. Rechtsfolgen — 371 3. Betriebliche Altersversorgung bei Ehegattendienstverhältnissen — 371 C. Sozialversicherungsrecht — 372 I. Einleitung — 372 II. Angehörigen-Beschäftigungsverhältnis — 372 III. Rechtssicherheit — 373 Kapitel 14 Freelancer — 375 A. Arbeitsrecht — 375 I. Bedeutung für die Praxis — 375 1. Nutzen — 375 2. Begriffsbestimmung und typische Merkmale — 376 a) Definition — 376 b) Praktische Erfahrungen — 377 3. Abgrenzung — 377 a) Freiberufler — 378 b) Arbeitnehmer — 378 II. Scheinvertrag und Scheinselbstständigkeit — 382 III. Betriebsverfassungsrecht — 384 IV. Prozessuales — 385 B. Steuerrecht — 387 I. Allgemeines — 387 II. Abgrenzung zwischen selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit — 387 1. Nichtselbstständige Tätigkeit — 388 2. Selbstständige Tätigkeit — 389 3. Praxishinweise — 390 C. Sozialversicherungsrecht — 391 I. Allgemeines — 391 II. Abgrenzungskriterien zur abhängigen Beschäftigung — 392 1. Fehlendes Weisungsrecht — 392 2. Keine Eingliederung in die betriebliche Organisation — 392 3. Unternehmerrisiko und eigener Kapitaleinsatz — 392 III. Rechtssicherheit durch Statusfeststellungsverfahren — 393 Kapitel 15 Freistellung — 395 A. Arbeitsrecht — 395 I. Bedeutung für die Praxis — 395 II. Freistellungsmöglichkeiten — 395 1. Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers — 396 2. Freistellungsmöglichkeiten des Arbeitgebers — 398 a) Einvernehmliche Freistellung — 398

Inhaltsverzeichnis 

 XXVII

b) Einseitige (arbeitgeberseitige) Freistellungsanordnung — 401 c) Widerrufliche und unwiderrufliche Freistellungserklärung — 402 d) Urlaubsanrechnung während der Freistellung — 403 e) Annahmeverzugslohn bei Freistellungsanordnung — 404 f) Freistellungsanordnung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses — 405 III. Betriebsverfassungsrecht — 407 B. Steuerrecht — 407 I. Allgemeines — 407 II. Beendigung eines Arbeitsverhältnisses — 408 III. Entlassungsabfindungen — 409 C. Sozialversicherungsrecht — 410 I. Allgemeines — 410 II. Freistellung in besonderen Fällen — 411 III. Freistellung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses — 411 Kapitel 16 Grenzgänger — 415 A. Arbeitsrecht — 415 I. Bedeutung für die Praxis — 415 1. Neun Grenzen — 415 2. Begriff — 415 3. Nutzen — 416 II. EU-Grenzgänger — 416 III. EWR/Schweiz — 417 IV. Drittstaaten-Grenzgänger — 417 B. Steuerrecht — 418 I. Zuordnung des Besteuerungsrechts nach DBA — 418 1. Allgemeines — 418 2. DBA Frankreich — 418 3. DBA Österreich — 420 4. DBA Schweiz — 421 II. Grenzpendler — 422 III. Besonderheiten beim Lohnsteuerabzug — 422 1. Grenzgänger — 422 2. Grenzpendler — 423 IV. Einkommensteuerpflicht — 424 1. Grenzgänger — 424 2. Grenzpendler — 425 C. Sozialversicherungsrecht — 425 I. Allgemeines — 425 II. Definition und Abgrenzung innerhalb der EU — 426

XXVIII 

 Inhaltsverzeichnis

III. Leistungsrechtliche Besonderheiten innerhalb der EU — 426 Kapitel 17 Hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis — 429 A. Arbeitsrecht — 429 I. Bedeutung für die Praxis — 429 1. Hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnisse im Alltag — 429 2. Begriff — 429 3. Risiko Schwarzarbeit — 430 II. Arbeitsrechtliche Aspekte — 431 1. Arbeitsvertrag — 431 2. Betriebsverfassungsrecht — 433 3. Arbeitsschutz/-sicherheit — 433 4. Kündigungsschutz/Sonderschutzrechte — 434 5. Arbeitnehmerhaftung — 434 6. Einsatz von Ausländern — 434 7. Einsatz von Kindern und Jugendlichen — 435 B. Steuerrecht — 435 I. Haushaltsscheckverfahren — 435 1. Pauschalversteuerung — 435 2. Beteiligung von nahen Angehörigen — 436 3. Zuständigkeit und Verfahren — 436 II. Tarifbegünstigung — 436 C. Sozialversicherungsrecht — 437 I. Allgemeines zur Sozialversicherung — 437 II. Privathaushalte und geringfügig Beschäftigte gem. § 8a SGB IV — 438 III. Haushaltsscheckverfahren für in Privathaushalten geringfügig Beschäftigte — 438 1. Begriff — 438 2. Inhalt der Meldung — 438 3. Einzugsermächtigung — 439 4. Zuständige Einzugsstelle — 439 IV. Haushaltshilfe als „Sozialleistung“ — 439 V. Beschäftigung von ausländischen Haushaltshilfen in Haushalt mit Pflegebedürftigen — 440 1. Dauer der Beschäftigung — 440 2. Zulassung als Haushaltshilfe und Umfang der Tätigkeiten — 440 3. Versicherungspflicht — 440 4. Arbeits-/Lohnbedingungen — 440 5. Bemessungsgrundlage für die zu entrichtenden Beiträge — 440 6. Beiträge/Meldungen — 441 Kapitel 18 Home-Office — 443 A. Arbeitsrecht — 443

Inhaltsverzeichnis 

 XXIX

I. Begriff und Nutzen — 443 II. Home-Office im Arbeitsvertrag — 444 1. Einführung von Home-Office durch den Arbeitgeber — 444 2. Umfang des Home-Office — 445 3. Persönlicher Geltungsbereich — 446 4. Voraussetzungen der Nutzungsmöglichkeit — 447 5. Home-Office Arbeitsplatz — 448 a) Eignung von Räumlichkeiten — 448 b) Zustimmung Dritter — 449 c) Zugang des Arbeitgebers und des Betriebsrates — 449 d) Kosten für Einrichtung und Unterhalt des Home-Office Arbeitsplatzes sowie Fahrtkosten — 450 e) Störungen — 450 f) Verschwiegenheitspflicht und Datenschutz — 451 6. Arbeitszeit — 451 a) Verteilung der Arbeitszeit — 451 b) Erreichbarkeit im Home-Office — 452 c) Einhaltung Arbeitszeitgesetz — 452 7. Widerrufsvorbehalt — 453 III. Home-Office-Betriebsvereinbarung — 454 1. Umfang der Mitbestimmungsrechte — 454 2. Informationsrechte des Betriebsrates — 455 B. Steuerrecht — 455 I. Bedeutung — 455 II. Vom Arbeitgeber gestellte Arbeitsmittel — 456 III. Qualifikation der Fahrten vom Home-Office zum Betrieb des Arbeitgebers — 456 1. Allgemeines — 456 2. Rechtsprechung des BFH — 457 IV. Home-Office als regelmäßige Arbeitsstätte — 457 1. Überblick — 457 2. Überlassung einer Dienstwohnung mit Home-Office — 458 3. Anmietung des Home-Office durch den Arbeitgeber — 458 a) Qualifikation der Mieteinnahmen — 458 b) Vermietetes Home-Office als regelmäßige Arbeitsstätte — 459 C. Sozialversicherungsrecht — 460 Kapitel 19 Interimsmanager — 461 A. Arbeitsrecht — 461 I. Bedeutung für die Praxis — 461 1. Ausgangssituation und Begriffsbestimmung — 461 2. Abgrenzung von der Unternehmensberatung — 462

XXX 

 Inhaltsverzeichnis

3. Abgrenzung zur Arbeitnehmerüberlassung — 462 II. Interimsmanager als Organe — 463 1. Bestellung zum Organ — 463 2. Beendigung der Organstellung — 464 3. Anstellungsvertrag des Organs — 465 III. Interimsmanager auf zweiter Führungsebene — 467 IV. Vermittlung des Interimsmanagers durch eine Agentur — 468 V. Kosten des Einsatzes — 469 B. Steuerrecht — 470 I. Bedeutung für die Praxis — 470 II. Tätigkeitsgebiet des Interimsmanagers — 470 1. Frage der selbstständigen oder einer nichtselbstständigen Tätigkeit — 470 2. Möglichkeiten der Feststellung einer selbstständigen oder einer nichtselbstständigen Tätigkeit — 471 3. Gesellschafter-Geschäftsführer: Arbeitnehmer oder Selbstständiger? — 471 4. Vermittlung über eine Personaldienstleistung — 472 C. Sozialversicherungsrecht — 472 I. Einleitung — 472 II. Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit — 472 III. Rechtssicherheit — 472 Kapitel 20 Job-Sharing — 475 A. Arbeitsrecht — 475 I. Definition und Bedeutung für die Praxis — 475 II. Rechtsbeziehungen — 477 1. Job-Sharing-Vertrag — 477 a) Begründung — 477 b) Formelle Voraussetzungen — 477 c) Tätigkeit und Arbeitsvolumen — 477 d) Vergütungsanspruch — 478 e) Individuelle Arbeitszeit — 479 f) Vertretungsverpflichtung — 480 aa) Voraussetzungen eines Vertretungsfalls — 480 bb) Zustimmung zur Vertretung gem. § 13 Abs. 1 S. 2 TzBfG — 480 cc) Dringendes betriebliches Erfordernis gem. § 13 Abs. 1 S. 3 TzBfG — 481 g) Urlaubsanspruch — 482 III. Kündigungsschutz — 482 IV. Tarifvertrag — 482 V. Checkliste — 483

Inhaltsverzeichnis 

 XXXI

B. Steuerrecht — 483 I. Aufteilung eines Arbeitsverhältnisses — 483 1. Allgemeines — 483 2. Geringfügig Beschäftigte — 484 3. Teilzeitkräfte — 484 II. Praktische Hinweise — 484 1. Steuerklassenwahl bei Eheleuten — 484 2. Möglichkeit der Verknüpfung einer Teilzeitstelle mit einer gering­ fügen Beschäftigung — 485 C. Sozialversicherungsrecht — 485 Kapitel 21 Künstlersozialversicherung — 487 A. Arbeitsrecht — 487 I. Bedeutung für die Praxis — 487 II. Finanzierung — 488 III. Verbot der Abwälzung der Künstlersozialabgabe — 488 B. Steuerrecht — 488 I. Steuerrechtliche Behandlung von Künstlern — 488 1. Nutzen — 488 2. Abgrenzung von selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit — 489 a) Tätigkeit bei Theaterunternehmen — 489 aa) Spielzeitverpflichtete Künstler — 489 bb) Gastspielverpflichtete Künstler — 489 b) Tätigkeit bei Kulturorchestern — 490 c) Tätigkeit bei Hörfunk und Fernsehen — 490 d) Tätigkeit bei Film- und Fernsehproduktionen — 491 e) Musiker — 492 3. Lohnsteuerabzug bei nichtselbstständigen Künstlern — 492 a) Allgemeines — 492 b) Besonderheiten im Lohnsteuerabzug bei Künstlern — 492 aa) Erweiterter Lohnzahlungszeitraum — 492 bb) Verlängerung des Lohnzahlungszeitraums auf einen Monat — 493 cc) Permanente Lohnabrechnung — 493 dd) Permanenter Lohnsteuer-Jahresausgleich — 493 II. Praktische Hinweise — 493 1. Maßgeblichkeit der Vertragsgestaltung und tatsächlichen Ausführung — 493 2. Steuerfreibetrag für nebenberuflich tätige Künstler bei gemein­ nützigen Organisationen — 494 C. Sozialversicherungsrecht — 494

XXXII 

 Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung — 494 II. Abgabepflichtige Unternehmen — 495 1. Typische Verwerter — 495 a) Verlage, Presseagenturen und Bilderdienste (§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KSVG) — 495 b) Theater, wobei Filmtheater ausgenommen sind (§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KSVG) — 495 c) Orchester (§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KSVG) — 496 d) Theater-, Konzert- und Gastspieldirektionen sowie sonstige Unternehmen (§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KSVG) — 496 e) Rundfunk und Fernsehen (§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 KSVG) — 496 f) Hersteller von bespielten Bild- und Tonträgern (§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 KSVG) — 496 g) Galerien und Kunsthandel (§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 KSVG) — 496 h) Werbung und Öffentlichkeitsarbeit für Dritte (§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 KSVG) — 496 i) Varieté- und Zirkusunternehmen (§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 KSVG) — 497 j) Museen — 497 k) Aus- und Fortbildungseinrichtungen für künstlerische oder publizistische Tätigkeiten (§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 KSVG) — 497 2. Eigenwerber — 497 a) Beispiele für Eigenwerbung und Öffentlichkeitsarbeit — 497 b) Regelmäßige Auftragserteilung — 498 3. Generalklausel — 498 a) Sonderfall für Veranstaltungen — 498 b) Sonderregelung für Musikvereine — 498 4. Privatpersonen und Endverbraucher — 499 III. Abgabepflichtige Leistungen an Auftragnehmer — 499 1. Natürliche Personen — 499 2. Kapitalgesellschaften — 499 IV. Künstler und Publizisten im Sinne des KSVG — 499 1. Künstler — 499 2. Publizist — 500 3. Sonderfall Webdesigner — 500 4. Ausnahmen — 500 V. Feststellung und Überwachung der Abgabepflicht — 501 VI. Bemessungsgrundlage der Künstlersozialabgabe — 501 VII. Melde- und Abgabeverfahren — 502 VIII. Monatliche Vorauszahlung — 502 IX. Säumniszuschläge und Verjährung — 503

Inhaltsverzeichnis 

 XXXIII

1. Säumniszuschläge — 503 2. Verjährung — 503 X. Bußgeldvorschriften — 503 Kapitel 22 Kurzarbeit — 505 A. Arbeitsrecht — 505 I. Bedeutung für die Praxis — 505 II. Rechtliche Grundlagen von Kurzarbeit und Kurzarbeiter­geld — 506 1. Voraussetzungen für Kurzarbeit — 507 a) Erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall — 507 b) Betriebliche Voraussetzungen — 510 c) Persönliche Voraussetzungen, die der Arbeitnehmer zu erfüllen hat — 511 d) Arbeitnehmer mit Auslandsbezug — 514 e) Ausschlussgründe — 514 f) Ruhen des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld — 516 g) Anzeigeverfahren — 517 2. Vereinbarungen zur Kurzarbeit — 519 a) Arbeitsvertrag — 520 b) Tarifvertrag — 523 c) Betriebsvereinbarung — 525 d) Richtlinie — 527 e) Änderungskündigung — 528 f) Spezialfall: Kurzarbeit bei beabsichtigter Massenentlassung (§ 19 KSchG) — 529 g) Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats — 530 3. Inhalt und Wirkung der Kurzarbeitsvereinbarung — 532 a) Reduzierung der Arbeitszeit — 532 b) „Kurzarbeit Null“ — 532 c) Reduzierung des Vergütungsanspruchs — 533 d) Beendigung der Kurzarbeit — 534 e) Kündigung während der Kurzarbeit — 535 f) Kurzarbeit während eines Arbeitskampfes — 536 g) Anzeige- und Mitteilungspflichten — 538 III. Kurzarbeitergeld — 539 1. Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld — 539 2. Rechtsnatur — 539 3. Höhe des Kurzarbeitergeldes — 540 4. Auszahlung — 543 5. Anrechnung von Nebeneinkommen — 543 6. Bezugsdauer, Verlängerung der Bezugsdauer — 544 a) Beginn und Ende — 544 b) Erneute Gewährung — 545

XXXIV 

 Inhaltsverzeichnis

7. Sonderformen — 546 a) Transferkurzarbeitergeld — 546 b) Saison-Kurzarbeitergeld — 546 c) Kurzarbeitergeld für Heimarbeiter — 547 IV. Befristete Änderungen im Rahmen des sog. Konjunktur­pakets II — 547 V. Prozessuales — 549 1. Entscheidung, Rechtsbehelfe — 549 2. Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers — 549 3. Ordnungswidrigkeit — 549 VI. Übersicht der für Kurzarbeit relevanten Paragraphen — 549 B. Steuerrecht — 550 I. Lohnsteuerrechtliche Folgen der Kurzarbeit — 550 1. Allgemeines — 550 2. Progressionsvorbehalt — 550 3. Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld — 551 II. Praktische Hinweise — 551 1. Maßgeblichkeit der Lohnsteuerklassen — 551 2. Drohende Nachzahlung — 552 3. Lohnzahlungszeitraum — 552 C. Sozialversicherungsrecht — 552 I. Sozialversicherung des Kurzarbeitergeldes — 552 1. Allgemeines — 552 2. Berechnung der Beiträge — 552 a) Istentgelt — 552 b) Fiktives Entgelt — 553 3. Entgeltbescheinigung zur Sozialversicherung — 553 4. Beitrags- und Meldeverfahren — 554 Kapitel 23 Lebensarbeitszeitkonten — 555 A. Arbeitsrecht — 555 I. Bedeutung für die Praxis — 555 II. Begriffsbestimmung und rechtliche Grundlagen — 556 1. Definition — 556 2. Rechtliche Grundlagen — 556 3. Ansparphase — 558 a) Einbringung — 558 b) Kontoführung und Anlagevorgaben — 559 c) Information der Arbeitnehmer — 561 4. Freistellungsphase — 561 a) Beschäftigungsfiktion — 561 b) Entgeltfortzahlung, Urlaub und Sonderzahlungen — 562 5. Störfall — 564

Inhaltsverzeichnis 

 XXXV

a) Voraussetzung — 564 b) Rechtsfolge — 565 6. Kombinationsmöglichkeiten — 566 7. Übertragung von Guthaben — 567 a) Arbeitgeberwechsel — 567 b) Übertragung auf die Deutsche Rentenversicherung Bund — 567 8. Insolvenzschutz — 568 a) Contractual Trust Arrangement-Modelle — 569 b) Versicherungsmodell — 571 c) Bürgschaftsmodell — 571 d) Kontrolle und Sanktionen — 572 B. Steuerrecht — 573 I. Einleitung — 573 II. Steuerliche Definition von Wertkonten — 573 III. Arbeitnehmerperspektive — 574 1. Begünstigter Personenkreis — 574 2. Einbringung von Entgeltbestandteilen bzw. von Arbeitgeberbeiträgen — 575 3. Verzinsung des Wertguthabens — 577 4. Insolvenzsicherung — 578 5. Besteuerung bei Freistellung (Planmäßige Inanspruchnahme) — 579 6. Planwidrige Verwendung des Wertguthabens — 579 a) Störfall — 579 b) Auszahlung bei laufendem Arbeitsverhältnis ohne Freistellung — 579 c) Übertragung auf den Folgearbeitgeber — 580 d) Übertragung auf die Deutsche Rentenversicherung Bund — 580 e) Einbringung des Wertguthabes in eine betriebliche Altersversorgung — 581 IV. Arbeitgeberperspektive — 582 1. Bilanzielle Erfassung des Erfüllungsrückstands — 582 2. Bilanzielle Erfassung bei tatsächlicher Anlage der Wertguthaben — 584 3. Steuerliche Besonderheiten bei Einbringung der Wertguthaben in eine betriebliche Altersversorgung — 584 C. Sozialversicherungsrecht — 585 Kapitel 24 Minijobber — 587 A. Arbeitsrecht — 587 I. Bedeutung für die Praxis — 587

XXXVI 

 Inhaltsverzeichnis

II. Begriffsdefinition und Abgrenzung — 587 III. Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Grundsätze — 588 IV. Minijob-Vertrag — 588 1. Vertragsniederschrift/Nachweisgesetz — 589 2. Befristung — 589 3. Vergütung/Betriebliche Sonderzahlung — 589 4. Urlaub — 590 5. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall — 591 6. Wettbewerbsverbot — 591 7. Beendigung/Kündigungsschutz — 592 8. Betriebsverfassungsrecht — 593 B. Steuerrecht — 594 I. Überblick — 594 1. Geringfügige Beschäftigung — 594 a) Pauschalierung mit 2 % — 594 b) Pauschalierung mit 20 % — 595 2. Bemessungsgrundlage der pauschalen Lohnsteuer — 597 3. Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenzen — 598 4. Übersicht — 599 C. Sozialversicherungsrecht — 600 I. Allgemeines — 600 II. Versicherungsrechtliche Regelung — 600 1. Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung — 600 2. Regelmäßigkeit — 600 3. Arbeitsentgelt — 601 4. Überschreiten der 400 €-Grenze — 601 5. Zusammenrechnung von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen — 602 a) Mehrere geringfügige Beschäftigungsverhältnisse — 602 b) Geringfügige Beschäftigung neben nicht geringfügiger Beschäftigung — 603 c) Geringfügige Beschäftigung neben zeitgeringfügiger Beschäftigung — 603 d) Rechtsfolge der Zusammenrechnung — 604 III. Beitragsrechtliche Regelung — 604 1. Pauschalbeiträge zur Krankenversicherung — 604 2. Pauschalbeiträge zur Rentenversicherung — 605 3. Verzicht auf die Rentenversicherungspflicht — 605 a) Bindender Verzicht durch schriftliche Erklärung — 605 b) Arbeitgeberanteil beim Verzicht auf Versicherungsfreiheit — 605 4. Meldungen — 606

Inhaltsverzeichnis 

 XXXVII

Kapitel 25 Mitarbeitender Gesellschafter — 609 A. Arbeitsrecht — 609 I. Bedeutung für die Praxis — 609 1. Problemaufriss — 609 2. Zugrundeliegende Vertragsverhältnisse — 609 3. Weitere allgemeine Grundsätze — 611 II. Gesellschafter-Geschäftsführer — 611 1. Doppelstellung des Gesellschafter-Geschäftsführers — 612 2. Organschaftliche Bestellung — 612 3. Anstellungsvertrag — 613 4. Sonderfall: Ein-Mann-GmbH — 614 B. Steuerrecht — 615 I. Allgemeines — 615 II. Gesellschafter von Personengesellschaften — 616 III. Gesellschafter von Kapitalgesellschaften — 617 C. Sozialversicherungsrecht — 620 I. Gesellschafter von Personengesellschaften — 620 1. Kommanditgesellschaft — 620 a) Kommanditist — 620 b) Komplementär — 620 2. Gesellschaft bürgerlichen Rechts und Offene Handelsgesellschaft — 621 II. Gesellschafter von Kapitalgesellschaften — 621 1. Gesellschaft mit beschränkter Haftung — 621 a) Gesellschafter-Geschäftsführer — 621 b) Gesellschafter ohne Geschäftsführerstellung — 623 Kapitel 26 Mitarbeiter als Unternehmer — 625 A. Arbeitsrecht — 625 I. Einleitung — 625 II. Formen der Mitarbeiterbeteiligungen — 625 1. Eigenkapitalbeteiligungen — 625 2. Fremdkapitalbeteiligungen — 626 3. Mischformen — 626 4. Arbeits-, Gesellschafts- und Schuldrecht — 627 5. AGB Anforderungen — 627 6. Gleichbehandlungsgrundsatz — 628 8. Gerichtszuständigkeit — 629 III. Stock Options (Aktienoptionen) — 629 1. Aktienoptionen für Mitarbeiter — 629 2. Aktienoptionen als Bestandteil der Vergütung — 630 3. Aktienoptionen von Muttergesellschaften — 630 4. Weitere Besonderheiten bei Aktienoptionsbedingungen — 630

XXXVIII 

 Inhaltsverzeichnis

5. Aktienoptionen und Gleichbehandlungsgrundsatz — 631 6. Aktienoptionen und betriebliche Mitbestimmung — 631 7. Aktienoptionen und Arbeitsgerichte — 631 8. Aktienoptionen bei Betriebsübergang, Verschmelzung oder Squeeze-Out — 632 a) Betriebsübergang — 632 b) Verschmelzung — 632 c) Squeeze-Out — 633 IV. Deputate — 633 1. Deputatlohn — 633 2. Truckverbot — 633 V. Checkliste bei Aktienoptionen — 634 B. Steuerrecht — 634 I. Überblick über die Standardinstrumente der Mitarbeiterbeteiligung — 634 1. Stock-settled Instruments (reale Pläne) — 635 a) Stock Options (Aktienoptionen) — 635 b) Restricted Stock Units — 635 c) Restricted Stock — 635 d) Employee Share Purchase Plan — 635 2. Cash-settled Instruments (virtuelle Pläne) — 635 a) Stock Appreciation Rights — 635 b) Phantom Stocks — 636 3. Andere Formen der Mitarbeiterbeteiligung — 636 II. Vorliegen von Arbeitslohn — 636 1. Bestimmung der Einkunftsart — 636 2. Zeitpunkt des Zuflusses von Arbeitslohn — 636 3. Bewertung des zugewandten Vorteils — 637 III. Steuerliche Förderung von Mitarbeiterbeteiligungen — 638 1. Förderung durch § 19a EStG — 638 2. Förderung durch § 3 Nr. 39 EStG — 638 3. Förderung nach § 34 EStG — 639 4. Förderung durch das 5. Vermögensbildungsgesetz — 640 IV. Besonderheiten beim Lohnsteuerabzug — 640 C. Sozialversicherungsrecht — 641 I. Grundsätzliches — 641 II. Sonderfall Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetz — 642 III. Aktien und Aktienoptionen — 642 Kapitel 27 Nebentätigkeit — 643 A. Arbeitsrecht — 643 I. Bedeutung für die Praxis — 643 II. Genehmigungserfordernis/Anzeigepflicht — 643

Inhaltsverzeichnis 

 XXXIX

1. Gesetzliche Regelungen — 644 2. Regelungen in Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung — 644 3. Vertragliche Regelungen — 645 4. Anspruch auf Genehmigung — 645 5. Rücknahme der Genehmigung — 645 6. Anzeigepflicht — 646 III. Grenzen der Nebentätigkeit — 646 1. Konkurrenztätigkeiten — 647 2. Überschreitung der Arbeitszeithöchstgrenzen — 647 3. Erhebliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers durch die Nebentätigkeit — 648 4. Tätigkeit während des Urlaubs — 649 5. Tätigkeit während krankheitsbedingter Abwesenheit — 649 IV. Verletzung von arbeitsvertraglichen Pflichten – Sanktionsmöglichkeiten — 649 1. Abmahnung — 650 2. Ordentliche Kündigung — 650 3. Außerordentliche Kündigung — 651 4. Schadensersatz — 652 5. Anspruch auf Unterlassung — 652 6. Anspruch auf Auskunft — 653 V. Rechtsschutz — 653 B. Steuerrecht — 654 I. Nebenberuflichkeit — 654 1. Ausübung der Nebentätigkeit in einem Arbeitsverhältnis — 654 2. Zurechnung der Nebentätigkeit zum Hauptberuf — 655 a) Tätigwerden bei demselben Arbeitgeber — 655 b) Tätigwerden bei einem anderen Arbeitgeber — 656 c) Mehrere nebenberufliche Tätigkeiten — 656 3. Nebenberufliche ehrenamtliche Tätigkeit — 657 II. Steuerlich begünstigte Nebentätigkeiten — 657 1. Begünstigte Tätigkeiten — 657 2. Auftraggeber/Arbeitgeber — 658 3. Steuerfreier Auslagenersatz — 659 4. Höhe der Steuerbegünstigung — 659 C. Sozialversicherungsrecht — 659 I. Mehrfachbeschäftigung als Arbeitnehmer — 659 II. Mehrfachbeschäftigung im Nebenberuf als Arbeitnehmer mit selbstständiger Tätigkeit — 661 III. Mehrfachbeschäftigung als Selbstständiger und Tätigkeit im Neben­ beruf als Arbeitnehmer — 661 Kapitel 28 Niedriglohnbeschäftigung — 663

XL 

 Inhaltsverzeichnis

A. Arbeitsrecht — 663 I. Bedeutung für die Praxis — 663 1. Nutzen — 663 2. Praktische Erfahrungen und Entstehung — 665 a) Lohnwettbewerb — 665 b) Sinkende Tarifbindung — 666 c) Gewerkschafts- und Tarifvertragskonkurrenz — 666 d) Staatliche Deregulierung — 667 e) Fehlen von Mindestlöhnen — 667 f) Abschaffung einkommensabhängiger Arbeitslosenhilfe — 668 II. Begriffsbestimmung und Abgrenzung — 668 1. Definition — 668 2. Abgrenzung — 669 a) Ein-Euro-Job — 669 b) Mini-Job — 670 c) Midi-Job — 670 d) Lohndumping — 671 e) Lohnwucher — 671 III. Arbeitskräfte im Niedriglohnsektor — 673 1. Gering-/Höherqualifizierte — 674 2. Frauen — 674 3. Jugendliche und junge Erwachsene — 674 4. Leiharbeitnehmer — 675 5. Ausländer — 676 B. Steuerrecht — 676 C. Sozialversicherungsrecht — 677 I. Grundsätzliches — 677 II. Midi-Job — 677 1. Beitragsrechtliche Handhabung — 677 2. Regelmäßiges Arbeitsentgelt — 677 3. Beitragsberechnung — 678 4. Beitragsermittlung in den einzelnen Versicherungszweigen — 679 a) Krankenversicherung — 679 b) Renten- und Arbeitslosenversicherung — 680 c) Pflegeversicherung — 680 d) Ausnahmen — 681 e) Verzicht auf die Reduzierung des Arbeitnehmerbeitrags — 681 III. Beschäftigungen mit einem monatlichen Arbeitsentgelt über 800 € — 681

Inhaltsverzeichnis 

 XLI

IV. Beitragsrechtliche Hinweise bei nichtiger Lohnvereinbarung — 681 Kapitel 29 Praktikum — 683 A. Arbeitsrecht — 683 I. Bedeutung für die Praxis — 683 II. Abgrenzung zu anderen Beschäftigungsformen — 683 1. Praktikantenverhältnis — 684 2. Arbeitsverhältnis — 684 3. Werkstudenten — 685 4. Hochschulpraktikanten — 685 5. Betriebspraktikum/Schülerpraktikum — 686 III. Praktikantenvertrag i.S.d § 26 BBiG — 686 1. Gegenstand des Praktikums — 686 a) Grundsatz — 686 b) Besonderheit Hochschulpraktikum — 687 2. Schriftform — 687 3. Befristung — 687 a) Grundsatz — 687 b) Besonderheit Hochschulpraktikum — 687 4. Vergütung — 688 a) Grundsatz — 688 b) Besonderheit Hochschulpraktikum — 689 5. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub — 689 a) Grundsatz — 689 b) Besonderheit Hochschulpraktikum — 689 6. Beendigung und Kündigungsschutz — 690 a) Grundsatz — 690 b) Besonderheit Hochschulpraktikum — 690 IV. Betriebsverfassungsrecht — 690 1. Grundsatz — 690 2. Besonderheit Hochschulpraktikum — 691 B. Steuerrecht — 692 I. Allgemeines — 692 II. Besonderheiten bei ausländischen Praktikanten — 693 C. Sozialversicherungsrecht — 694 I. Allgemeines — 694 II. Hochschulpraktikum — 694 1. Vorgeschriebenes Praktikum — 694 a) Vorgeschriebenes Zwischenpraktikum (während des Studiums) — 694 b) Vorgeschriebenes Vor-/Nachpraktikum (vor Beginn bzw. direkt nach Ende des Studiums) — 695 aa) Mit Arbeitsentgelt — 695

XLII 

 Inhaltsverzeichnis

bb) Ohne Arbeitsentgelt — 696 2. Nicht vorgeschriebenes Praktikum — 696 III. Betriebspraktikum/Schülerpraktikum — 697 Kapitel 30 Probezeit/Einfühlungsverhältnis — 699 A. Arbeitsrecht — 699 I. Bedeutung und Nutzen für die Praxis — 699 II. Unbefristetes Arbeitsverhältnis mit vorgeschalteter Probezeit — 701 1. Vereinbarung — 701 2. Probezeitkündigungsfrist — 701 3. Verlängerung und Verkürzung der Probezeitkündigungsfrist — 702 4. Rechtzeitiger Zugang der Kündigung – Kündigungszeitpunkt — 703 5. Arbeitsunfähigkeit — 703 6. Beendigung außerhalb der Probezeitkündigungsfrist (§ 622 Abs. 3 BGB) — 704 7. Sonderkündigungsschutz — 705 8. Mitbestimmung — 705 III. Befristetes Probearbeitsverhältnis — 706 1. Abschluss und Inhalt — 706 2. Beendigungsmöglichkeiten — 707 IV. Einfühlungsverhältnis — 708 B. Steuerrecht — 710 C. Sozialversicherungsrecht — 711 Kapitel 31 Prozessbeschäftigung — 713 A. Arbeitsrecht — 713 I. Bedeutung für die Praxis — 713 II. Fallgruppen der Prozessbeschäftigung — 713 1. Prozessbeschäftigung aufgrund gesetzlicher Anordnung nach Betriebsratswiderspruch gem. § 102 Abs. 5 BetrVG (Weiterbeschäftigungsanspruch) — 714 2. Prozessbeschäftigung aufgrund vertraglicher Vereinbarung — 716 3. Prozessbeschäftigung aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs — 718 B. Steuerrecht — 719 I. Arbeitnehmerstellung: Unveränderte Lohnsteuerpflicht — 720 1. Fortbestehen der lohnsteuerlichen Pflichten und Rechte — 720 2. Nachträgliche Korrektur des Lohnsteuerabzugs — 720 II. Bestätigung der Kündigung: Lohnsteuerpflicht während Prozess­ beschäftigung nur bei derselben Tätigkeit — 720

Inhaltsverzeichnis 

 XLIII

1. Qualifikation der Einkünfte während der Prozessbeschäftigung — 721 a) Arbeitslohn während der Prozessbeschäftigung — 721 b) Besonderheiten im Zusammenhang mit bestimmten Vergütungsbestandteilen — 721 2. Rückabwicklung des Arbeitsverhältnisses und Rückzahlung des erhaltenen Arbeitslohnes — 721 III. Praktische Hinweise — 722 1. Lohnsteuerliche Konsequenzen von Vergleichszahlungen und Entschädigungen im Rahmen von Kündigungsschutzprozessen — 722 2. Lohnsteuerliche Arbeitgeberpflichten bei Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitserbringung — 722 C. Sozialversicherungsrecht — 723 Kapitel 32 Referendare — 725 A. Arbeitsrecht — 725 I. Bedeutung für die Praxis — 725 II. Grundsätze — 726 1. Anstellungsverhältnis zum Dienstherrn — 726 2. Anwendbarkeit von Gesetzen zum Schutze der Arbeitnehmer — 726 a) Arbeitnehmereigenschaft im Rahmen einer Nebentätigkeit — 726 b) Anwendbare Schutzvorschriften — 727 3. Ausübung einer Nebentätigkeit — 727 a) Grundsätzliches zur Nebentätigkeit — 727 b) Gestaltung des Nebentätigkeitsvertrags — 728 aa) Nebentätigkeitsgenehmigung/Arbeitszeit — 728 bb) Schriftform — 729 cc) Vergütung/Hinzuverdienstgrenzen — 729 dd) Urlaub — 730 ee) Krankmeldung/Dienstverhinderung — 730 ff) Verschwiegenheitspflichten — 731 gg) Befristung und Beendigung des Nebentätigkeitsvertrages — 731 B. Steuerrecht — 731 I. Lohnsteuerliche Beurteilung einer Nebentätigkeit im Referendariat — 731 II. Besteuerungsmerkmale — 732 III. Nebentätigkeit als geringfügige Beschäftigung — 732 1. Pauschalierung der Lohnsteuer mit 2 % — 732 2. Pauschalierung der Lohnsteuer mit 20 % — 733

XLIV 

 Inhaltsverzeichnis

IV. Nebentätigkeit als selbstständige Tätigkeit — 733 V. Praktische Hinweise — 733 C. Sozialversicherungsrecht — 734 I. Sozialversicherungspflicht des Referendars für Vergütung aus dem Ausbildungsverhältnis — 734 II. Sozialversicherungspflicht des Referendars bei einer weiteren Beschäftigungsstelle — 734 Kapitel 33 Rentnerbeschäftigung — 737 A. Arbeitsrecht — 737 I. Bedeutung für die Praxis — 737 II. Begriffsbestimmung und Abgrenzung — 738 III. Arbeitsrechtliche Aspekte — 738 1. Rentnerbeschäftigung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses — 738 2. Befristetes Arbeitsverhältnis — 739 a) Grundlagen — 739 b) Befristungsmöglichkeiten mit Sachgrund bei Wiedereinstellung/ Weiterbeschäftigung eines ehemaligen Mitarbeiters — 740 aa) § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG — 740 (1) Vorübergehender betrieblicher Bedarf an der Arbeitsleistung — 740 (2) Projektbefristung — 741 bb) § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG — 742 cc) Befristung gem. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG — 743 (1) Wunsch des Rentners — 743 (2) Rentnerstatus — 744 b) Befristungsmöglichkeiten mit Sachgrund bei Erst-/Neueinstellung eines Rentners — 745 c) Befristungsmöglichkeiten ohne Sachgrund gem. § 14 Abs. 2 TzBfG — 745 d) Befristung ohne Sachgrund gem. § 14 Abs. 3 TzBfG — 746 3. Vergütung/ Hinzuverdienstgrenzen — 747 4. Kündigungsschutz und Kündigungsfristen — 749 a) Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes — 749 b) Kündigungsfristen — 749 5. Betriebsverfassungsrecht — 750 6. Alternative Beschäftigungsformen zum Arbeitsverhältnis — 750 a) Einsatz als freier Mitarbeiter — 750 b) Einsatz im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung — 752 B. Steuerrecht — 753 I. Lohnsteuerabzugsverfahren bei Rentnern — 753

Inhaltsverzeichnis 

1. Allgemeines — 753 2. Lohnsteuerabzug — 753 3. Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse — 754 4. Altersentlastungsbetrag — 754 5. Besteuerung nach dem besonderen Lohnsteuertarif — 754 II. Praktische Hinweise — 755 C. Sozialversicherungsrecht — 756 I. Allgemeines — 756 II. Versicherungs- und Beitragspflicht — 756 1. Bezieher einer Vollrente — 756 a) Rentenversicherung — 756 b) Arbeitslosenversicherung — 757 c) Kranken- und Pflegeversicherung — 758 2. Bezieher einer Teilrente — 758 a) Rentenversicherung — 758 b) Arbeitslosenversicherung — 758 c) Kranken- und Pflegeversicherung — 759 3. Bezieher einer Erwerbsminderungsrente — 759 a) Rentenversicherung — 759 b) Arbeitslosenversicherung — 759 c) Kranken- und Pflegeversicherung — 759 4. Bezieher einer Hinterbliebenenrente — 760 Kapitel 34 Sabbatical — 761 A. Arbeitsrecht — 761 I. Bedeutung für die Praxis — 761 1. Nutzen — 761 2. Begriffsbestimmung und typische Merkmale — 762 a) Definition — 762 b) Praktische Erfahrungen — 762 3. Rechtliche Rahmenbedingungen — 763 II. Die verschiedenen Modelle des Sabbaticals — 766 1. „Die unsichtbare Teilzeit“ — 766 2. Zeitlich begrenzter Lohnverzicht — 766 3. Fondssparmodell/Zeitwertpapiere — 767 4. Vorgezogener Ruhestand — 767 III. Betriebsverfassungsrecht — 767 B. Steuerrecht — 769 C. Sozialversicherungsrecht — 769 Kapitel 35 Selbstständige Arbeit — 771 A. Arbeitsrecht — 771 I. Bedeutung für die Praxis — 771 1. Nutzen — 771

 XLV

XLVI 

 Inhaltsverzeichnis

2. Begriffsbestimmung und typische Merkmale — 772 a) Definition — 772 b) Typische Merkmale — 773 3. Abgrenzung — 775 a) Arbeitnehmer — 775 b) Scheinselbstständigkeit — 776 c) Arbeitnehmerähnliche Selbstständige — 777 d) Arbeitnehmerähnliche Personen — 778 II. Formen der selbstständigen Arbeit — 778 1. Freiberufler — 778 2. Gewerbetreibende — 779 3. Kleingründung — 780 4. Freie Mitarbeit — 781 5. Betriebsübernahme/Unternehmensnachfolge — 782 6. Subunternehmer — 783 7. Handelsvertreter — 783 8. Franchisenehmer — 785 III. Prozessuales — 785 B. Steuerrecht — 787 C. Sozialversicherungsrecht — 787 I. Grundsatz der Selbstständigen Arbeit — 787 II. Rentenversicherungspflichtige Selbstständige — 787 III. Arbeitnehmerähnliche Selbstständige — 788 IV. Sonderfall „1-Mann-GmbH“ — 789 V. Scheinselbstständige — 790 Kapitel 36 Studentische Aushilfsarbeitsverhältnisse — 791 A. Arbeitsrecht — 791 I. Bedeutung für die Praxis — 791 II. Verträge mit studentischen Aushilfen — 792 1. Immatrikulationsbescheinigung — 792 2. Befristung — 792 a) Teilzeit- und Befristungsgesetz — 793 aa) Befristung gem. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG — 793 bb) Befristung gem. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG — 793 cc) Befristung gem. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG — 795 dd) Befristung ohne Sachgrund gem. § 14 Abs. 2 TzBfG — 796 ee) Schriftform — 797 ff) Wissenschaftszeitvertragsgesetz — 797 3. Vereinbarung einer Probezeit — 798 4. Vergütung — 798 5. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall — 798

Inhaltsverzeichnis 

6. Urlaub — 799 7. Beendigung des Vertragsverhältnisses — 799 III. Betriebsverfassungsrecht — 800 B. Steuerrecht — 800 I. Allgemeines — 800 II. Besonderheiten bei ausländischen Studenten — 801 C. Sozialversicherungsrecht — 803 I. Grundsätze — 803 II. Beschäftigung in der Vorlesungszeit — 805 1. Unbefristete Tätigkeit — 805 2. Befristete Tätigkeit — 805 III. Beschäftigungen während der vorlesungsfreien Zeit — 806 IV. Duale Studiengänge — 806 Kapitel 37 Teilzeit — 809 A. Arbeitsrecht — 809 I. Bedeutung für die Praxis — 809 II. Grundsätzliches — 810 1. Definition — 810 2. Diskriminierungsverbot — 810 III. Teilzeitanspruch — 812 1. Anspruchsvoraussetzungen des allgemeinen Teilzeitanspruchs — 812 a) Betriebliche Voraussetzungen — 812 b) Anspruchsberechtigte — 813 c) Inhaltliche und formelle Voraussetzungen — 813 d) Ablehnungsrecht des Arbeitgebers — 814 e) Rechtsschutzmöglichkeiten des Arbeitnehmers — 816 2. Sonderformen der Teilzeit — 817 IV. Umsetzung der Teilzeitarbeit in der Praxis — 817 V. Beendigung der Teilzeit — 818 1. Kündigung — 818 2. Vertragsänderung — 819 VI. Checklisten — 819 1. Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit — 819 2. Vertragsgestaltung — 820 B. Steuerrecht — 820 C. Sozialversicherungsrecht — 821 I. Allgemeines — 821 II. Kranken- und Pflegeversicherung — 821 III. Rentenversicherung — 822 IV. Arbeitslosenversicherung — 823

 XLVII

XLVIII 

 Inhaltsverzeichnis

V. Unfallversicherung — 824 Kapitel 38 Telearbeit — 825 A. Arbeitsrecht — 825 I. Bedeutung für die Praxis — 825 1. Begriff und Nutzen — 825 2. Herausforderungen — 827 II. Alternierender Telearbeitsvertrag — 828 1. Vereinbarung der häuslichen Arbeitsstätte als Arbeitsort — 828 a) Kein einseitiges Zuweisungsrecht des Arbeitgebers — 829 b) Keine Verknüpfung mit Versetzungsklausel — 829 c) Recht auf festen betrieblichen Arbeitsplatz — 830 d) Recht auf häuslichen Arbeitsplatz während der Probezeit oder bei Befristung — 830 e) Eingliederung des Telearbeitnehmers in die betriebliche Organisation des Telearbeitgebers — 831 2. Aufgabe der häuslichen Arbeitsstätte — 831 a) Widerrufsrecht — 831 b) Rückabwicklung mit (Wieder-)Eingliederung in die betriebliche Arbeitsstätte — 832 c) Wohnungswechsel — 833 d) Beendigung des Arbeitsverhältnisses — 834 3. Häusliche Arbeitsstätte — 834 4. Bildschirmarbeitsverordnung — 835 a) Zustimmung Dritter — 836 b) Zugang Dritter — 836 c) Begehungsrecht des Arbeitgebers — 837 d) Begehungsrechte des Betriebsrates — 837 e) Kosten für Einrichtung, Unterhalt und Fahrten von der betrieb­ lichen zur häuslichen Arbeitsstätte — 838 f) Ausstattung der häuslichen Arbeitsstätte — 839 g) Störungen — 839 5. Arbeitszeit — 840 a) Verteilung der Arbeitszeit auf häusliche und betriebliche Arbeitsstätte — 840 b) Erreichbarkeit in der häuslichen Arbeitsstätte — 841 c) Einhaltung Arbeitszeitgesetz — 842 III. Telearbeitsbetriebsvereinbarung — 843 1. Bedeutung — 843 2. Persönlicher Geltungsbereich — 843 a) Kein automatischer Anspruch aller Arbeitnehmer — 843 b) Persönlicher Anwendungsbereich — 843

Inhaltsverzeichnis 

3. Informationsrechte des Betriebsrates — 844 4. Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates — 844 5. Initiativrecht der Mitarbeiter — 844 IV. Checkliste zur Vertragsgestaltung — 845 B. Steuerrecht — 845 I. Lohnsteuerliche Vorschriften zur Telearbeit — 845 1. Allgemeines zum häuslichen Arbeitszimmer — 845 2. Erstattung der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer — 846 a) Kosten der EDV-Geräte — 846 b) Internetanschluss — 846 c) Möbel — 847 d) Stromkosten — 847 e) Telefonkosten — 847 f) Sonstige Kosten — 848 II. Praktische Hinweise — 848 C. Sozialversicherungsrecht — 849 Kapitel 39 Transferarbeitsverhältnis — 851 A. Arbeitsrecht — 851 I. Bedeutung für die Praxis — 851 1. Nutzen — 851 2. Begriffsbestimmung und typische Merkmale — 851 3. Interessenlagen beim Transferarbeitsverhältnissen — 853 4. Statistiken — 854 II. Arbeitsbedingungen im Transferarbeitsverhältnis — 854 III. Rahmenbedingungen der Transfergesellschaft — 857 1. Finanzierung und Kosten — 857 2. Transferkurzarbeitergeld — 858 a) Allgemeines — 858 b) Betriebliche Voraussetzungen — 858 c) Persönliche Voraussetzungen — 859 d) Umfang der Förderung — 859 IV. Betriebsverfassungsrecht — 859 B. Steuerrecht — 860 I. Pflichten der Transfergesellschaft — 860 II. Abgrenzung zu Outplacement-Leistungen — 860 C. Sozialversicherungsrecht — 862 Stichwortverzeichnis — 863

 XLIX

Literaturverzeichnis Annuß, Georg/Thüsing, Gregor, Kommentar zum Teilzeit- und Befristungsgesetz, 2. Aufl., Frankfurt am Main 2006 (zit.: AT/Bearbeiter) Ascheid, Reiner/Preis, Ulrich/Schmidt, Ingrid, Kündigungsrecht, Großkommentar, 4. Aufl., München 2012 (zit.: Ascheid/Preis/Schmidt/Bearbeiter) Baeck, Ulrich/Deutsch, Markus, Arbeitszeitgesetz, Kommentar, 2. Aufl., München 2004 (zit.: Baeck/ Deutsch) Balze, Wolfgang/Rebel, Wolfgang/Schuck, Peter, Outsourcing und arbeitsrechtliche Restrukturierung von Unternehmen, 3. Aufl., Karlsruhe 2007 (zit.: Balze/Rebel/Schuck) Baumbach, Adolf/Hueck, Alfred, GmbH-Gesetz. Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Kommentar, 19. Aufl., München 2010 (zit.: Baumbach/Hueck/ Bearbeiter) Baums, Theodor, Aktienoptionen für Vorstandsmitglieder, Osnabrück 1996 (zit.: Baums) Becker, Peter/Etzel, Gerhard u.a. Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und zu sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, 9. Aufl. 2009 (zit.: KR/Bearbeiter) Besgen, Dietmar/Greilich, Werner/Mader, Klaus/Perach, Detlef/Voss, Rainer, ABC des Lohnbüros, Stand: Januar 2012 (zit.: Besgen/Greilich/Mader/Perach/Voss) Boecken, Winfried/Joussen, Jacob, Teilzeit- und Befristungsgesetz, 2. Aufl., Baden-Baden 2010 (zit.: Boecken/Joussen/Bearbeiter) Boecken, Winfried/Joussen, Jacob, Teilzeit- und Befristungsgesetz, 3. Aufl., Baden-Baden 2012 (zit.: Boecken/Joussen/Bearbeiter) Boewer, Dietrich, Teilzeit- und Befristungsgesetz, Kommentar, Frechen 2002 (zit.: Boewer) Buchner, Herbert/Becker, Ulrich, Mutterschutzgesetz und Bundeserziehungsgeldgesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2008 (zit.: Buchner/Becker) Claussen, Carsten/Erne, Roland/Bröcker, Norbert u.a., Bank- und Börsenrecht, 4. Aufl., München 2008 (zit.: Claussen/Bearbeiter) Däubler, Wolfgang/Hjort, Jens Peter/Schubert, Michael/Wolmerath, Martin, Arbeitsrecht, Kommentar, 2. Aufl., Baden-Baden 2010 (zit.: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath/Bearbeiter) Däubler, Wolfgang/Kittner, Michael/Klebe, Thomas, Betriebsverfassungsgesetz, Kommentar, 11. Aufl., Frankfurt am Main 2008 (zit.: DKK/Bearbeiter) Düwell, Franz-Josef, Betriebsverfassungsgesetz, Handkommentar, 3. Aufl., Baden-Baden 2010 (zit.: Düwell/Bearbeiter) Ernst, Karl/Adlhoch, Ulrich/Seel, Helga, Sozialgesetzbuch IX, Kommentar, Loseblatt, Stuttgart 2011 (zit.: Ernst/Adlhoch/Seel/Bearbeiter) Fitting, Karl/Engels, Gerd/Schmidt, Ingrid/Trebinger, Yvonne/Linsenmaier, Wolfgang, Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, 26. Aufl., München 2012 (zit.: FESTL) Foerster, Axel-Friedrich, Geringfügige Beschäftigung, Wiesbaden 2008 (zit.: Foerster) Frotscher, Gerrit, Kommentar zum Einkommensteuergesetz (EStG), Freiburg, Stand: November 2011 (zit.: Frotscher/Bearbeiter, EStG) Fuchs, Maximilian/Preis, Ulrich, Sozialversicherungsrecht, Lehrbuch, 2. Aufl., Köln 2009 (zit.: Fuchs/Preis) Gagel, Alexander, Sozialgesetzbuch II/III, Kommentar, Loseblatt, Stand: Dezemeber 2011 (zit.: Gagel/Bearbeiter) Gernhuber, Joachim/Coester-Waltjen, Dagmar, Familienrecht, Lehrbuch, 6. Aufl., München 2010 (zit.: Gernhuber/Coester-Waltjen) Goette, Wulf/Gach, Bernd/Habersack, Mathias/Spindler, Gerald/Kalss, Susanne, Münchener Kommentar zum AktG, Bd. 2, 3. Aufl., München 2008 (zit.: MüKo-AktG/Bearbeiter)

LII 

 Literaturverzeichnis

Grobys, MarcelPanzer, Andrea, StichwortKommentar zum Arbeitsrecht, Baden-Baden 2012 (zit.: Grobys/Panzer/Bearbeiter) Hamm, Ingo, Flexible Arbeitszeiten in der Praxis, 2. Aufl., Frankfurt am Main 2001 (zit.: Hamm) Hartz, Wilhelm/Meeßen, Josef/Wolf, Niels, ABC-Führer Lohnsteuer, Loseblatt, 4. Aufl., Stuttgart, Stand: Oktober 2011 (zit.: Hartz/Meeßen/Wolf/Bearbeiter) Hauck, Karl/Noftz, Wolfgang, Kommentare zum SGB III, IV, VII, IX, Loseblatt, Berlin, Stand: 2009 (zit.: HN/Bearbeiter) Heidel, Thomas, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Baden-Baden 2011 (zit.: Heidel/ Bearbeiter) Heidel, Thomas/Schall, Alexander, Handelsgesetzbuch, Kommentar, Baden-Baden 2011 (zit.: Heidel/Schall/Bearbeiter) Heidenreich, Jürgen, Mini-, Midi-, Aushilfsjobs: Ein rechtlicher Leitfaden für Unternehmer, 2. Aufl., Köln 2011 (zit.: Heidenreich) Henssler, Martin/Willemsen, Heinz/Kalb, Heinz-Jürgen, Arbeitsrecht, Kommentar, 5. Aufl., Köln 2012 (zit.: HWK/Bearbeiter) Hölters, Wolfgang, Aktiengesetz: AktG, Kommentar, München 2011 (zit.: Hölters/Bearbeiter) Hopt, Klaus/Wiedemann, Herbert, Großkommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl., Berlin 1992, seitdem in Einzellieferungen (zit.: GroßK-AktG/Bearbeiter) Hüffer, Uwe, Aktiengesetz, Kommentar, 7. Aufl., München 2006 (zit.: Hüffer) Hümmerich, Klaus/Boecken, Winfried/Düwell, Franz-Josef, AnwaltKommentar Arbeitsrecht, Bd. 2, Bonn 2007 (zit.: AnwK-ArbR/Bearbeiter) Hümmerich, Klaus/Lücke, Oliver/Mauer, Reinhold, Arbeitsrecht, Formularbuch, 7. Aufl., Baden-Baden 2011 (zit: Hümmerich/Lücke/Mauer/Bearbeiter) Hümmerich, Klaus/Reufels, Martin, Gestaltung von Arbeitsverträgen, 2. Aufl., Baden-Baden 2011 (zit.: Hümmerich/Reufels/Bearbeiter) Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Loseblatt, Stand: April 2012 (zit.: KK/Bearbeiter) Kirchhof, Paul/Söhn, Hartmut/Mellinghoff, Rudolf, Einkommensteuergesetz, Großkommentar, Loseblatt, Heidelberg, zuletzt aktualisiert 2012 (zit.: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff/Bearbeiter) Koller, Ingo/Roth, Wulf-Henning/Morck, Winfried, Handelsgesetzbuch, Kommentar, 7. Aufl., München 2011 (zit.: Koller/Roth/Morck/Bearbeiter) Kollmer, Franz/Klindt, Thomas, Arbeitsschutzgesetz, 2. Aufl., München 2011 (zit.: Kollmer/Klindt/ Bearbeiter) Kraft, Alfons/Wiese, Günther/Oetker, Hartmut/Raab, Thomas/Weber, Christoph/Franzen, Martin, Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, Bd. 2, 8. Aufl., München 2005 (zit.: GK-BetrVG/Bearbeiter) Kreikebohm, Ralf, SGB IV, Kommentar, München 2008 (zit.: Kreikebohm/Bearbeiter) Kümmerle, Katrin/Buttler, Andreas/Keller, Markus, Betriebliche Zeitwertkonten: Einführung und Gestaltung in der Praxis, Heidelberg 2006 (zit.: Kümmerle/Buttler/Keller) Küttner, Wolfdieter, Personalbuch 2011, 19. Aufl., München 2012 (zit.: Küttner/Bearbeiter, 2011) Lansnicker, Frank, Prozesse in Arbeitssachen, 2. Aufl., Baden-Baden 2010 (zit.: Lansnicker/ Bearbeiter) Leitherer, Stephan, Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 73. Aufl., München 2012 (zit.: Leitherer/Bearbeiter) Lutter, Marcus/Krieger, Gerd, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 5. Aufl., Köln 2008 (zit.: Lutter/Krieger) Meinel, Gernod/Heyn, Judith/Herms, Sascha, Teilzeit- und Befristungsgesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2009 (zit.: Meinel) Michalski, Lutz, Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH-Gesetz), 2. Aufl., München 2010 (zit.: Michalski/Bearbeiter)

Literaturverzeichnis 

 LIII

Moll, Wilhelm, Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, 2. Aufl., München 2009 (zit.: MüAnwHB-ArbR/Bearbeiter) Müller-Glöge, Rudi/Preis, Ulrich/Schmidt, Ingrid, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 12. Aufl., München 2012 (zit.: ErfK/Bearbeiter) Niesel, Klaus/Brand, Jürgen, Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung, Kommentar, 5. Aufl., München 2010 (Niesel/Brand/Bearbeiter) Palandt, Otto, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 71. Aufl., München 2012 (zit.: Palandt/ Bearbeiter) Plagemann, Hermann, Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht, 3. Aufl., München 2009 (zit.: MüAnwHB-SozR/Bearbeiter) Preis, Ulrich, Der Arbeitsvertrag, 3. Aufl., Köln 2009 (zit.: Preis/Bearbeiter) Raiser, Thomas, Mitbestimmungsgesetz nebst Wahlordnungen, Kommentar, 4. Aufl., Berlin 2002 (zit.: Raiser/Bearbeiter) Rauscher, Thomas/Wenzel, Joachim/Wax, Peter, Münchener Kommentar zur ZPO, Bd. 3, 3. Aufl., München 2008 (zit.: MüKo-ZPO/Bearbeiter) Renner, Günter, Ausländerrecht, Kommentar, 9. Aufl., München 2011 (zit.: Renner) Rheinheimer, Johannes, Arbeitsrechtliche Fragen nationaler und internationaler Telearbeit in der Europäischen Union an den Beispielen Deutschland und Spanien, Dissertation, Frankfurt am Main 2004 (zit.: Rheinheimer) Richardi, Reinhard, Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung, Kommentar, 13. Aufl., München 2012 (zit.: Richardi/Bearbeiter) Richardi, Reinhard/Wlotzke, Otfried, Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 3. Aufl., München 2009 (zit.: MüArbR/Bearbeiter) Rolfs, Christian/Giesen, Richard/Kreikebohm, Ralf/Udsching, Peter, Beck’scher Online-Kommentar Arbeitsrecht, München, Stand: März 2012 (zit.: BeckOK-ArbR/Bearbeiter) Rolfs, Christian/Giesen, Richard/Kreikebohm, Ralf/Udsching, Peter, Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, München, Stand: Dezember 2011 (zit.: BeckOK-SGB/Bearbeiter) Schaub, Günter, Arbeitsrechts-Handbuch, 13. Aufl., München 2009 (zit.: Schaub/Bearbeiter) Schauhoff, Stephan, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 3. Aufl., München 2010 (zit.: Schauhoff/ Bearbeiter) Schmidt, Ludwig/Drenseck, Walter/Glanegger, Peter u.a., Einkommensteuergesetz: EStG, Kommentar, 30. Aufl. 2011 (zit.: Schmidt/Bearbeiter) Schönfeld, Wolfgang/Plenker, Jürgen, Lexikon für das Lohnbüro 2011, 53. Aufl. 2011 (zit.: Schönfeld/ Plenker) Schulze, Reiner/Dörner, Heinrich/Ebert, Ina/Hoeren, Thomas u.a., Bürgerliches Gesetzbuch, Handkommentar, 7. Aufl. 2011 (zit.: HK-BGB/Bearbeiter) Schüren, Peter, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, Kommentar, 4. Aufl., München 2010 (zit.: Schüren/Bearbeiter) Schwab, Dieter, Familienrecht, Lehrbuch, 20. Aufl., München 2012 (zit.: Schwab) Simitis, Spiros, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, 7. Aufl., Baden-Baden 2007 (zit.: Simitis/Bearbeiter) Ulmer, Peter/Habersack, Mathias/Henssler, Martin, Kommentar zum Mitbestimmungsgesetz, 2. Aufl., München 2006 (zit.: Ulmer/Habersack/Henssler) Wlotzke, Otfried/Wissmann, Hellmut/Koberski, Wolfgang/Kleinsorge, Georg, Mitbestimmungsrecht, Kommentar, 3. Aufl., München 2008 (zit.: WWKK/Bearbeiter) Zöllner, Wolfgang/Noack, Ulrich, Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., Köln 2004 (zit.: KölnK/Bearbeiter)

Abkürzungsverzeichnis § €

Paragraph Euro

a.A. a.a.O. a.E. a.F. AA AAG

anderer Ansicht am angegebenen Ort am Ende alte Fassung Agentur für Arbeit, Arbeitsamt Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (Aufwendungsausgleichsgesetz) Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz) Absatz Abschnitt Arbeitsentgelt; Arbeitsrechtliche Entscheidungen (Zeitschrift) Arbeitnehmer-Entsendegesetz Arbeitgeber; Aktiengesellschaft; Amtsgericht; Ausführungsgesetz; Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Aktiengesetz Arbeitslosengeld II Amtliche Begründung Arbeitnehmer Anhang Anwaltskommentar zum Arbeitsrecht Abgabenordnung Allgemeine Ortskrankenkasse Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts (Arbeitsrechtliche Praxis) Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsrecht Arbeitsrecht Aktuell (Zeitschrift) Der Arbeits-Rechts-Berater Arbeitsschutzgesetz Verordnung über Arbeitsstätten Arbeitszeitgesetz Arbeitsentgeltverordnung Arbeitsgemeinschaft nach dem SGB II Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für ausländische Arbeitnehmer Artikel Aksjeselskap

ÄArbVtrG AbgG Abs. Abschn. AE AEntG AG AGB AGG AktG ALG II Amtl. Begr. AN Anh. AnwK-ArbR AO AOK AP ArbG ArbGG ArbR ArbRAktuell ArbRB ArbSchG ArbStättV ArbZG ArEV ARGE ArGV Art. AS

LVI 

 Abkürzungsverzeichnis

ASiG AT-Angestellte ATE ATG ATZ AufenthaltsV AufenthG Aufl. AVAVG Az. AZAV AZO AZRG-DV

BA BAG BAT Bay Verf. BB BBesG BBG BBiG BC Bd. BDI BDSG BeckOK-ArbR BeckOK-SGB BEEG Begr. BErzGG BeschFG Beschl. BeschV BeschVerfV BetrAVG BetrVG BewG BFDG BFH BFH/NV BGB

Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Arbeitssicherheitsgesetz) außertarifliche Angestellte Auslandstätigkeitserlass Altersteilzeitgesetz Altersteilzeit Aufenthaltsverordnung Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz) Auflage Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung Aktenzeichen Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung Arbeitszeitordnung Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über das Ausländerzentralregister Bundesagentur für Arbeit, Bundesanstalt für Arbeit Bundesarbeitsgericht Bundesangestellten-Tarifvertrag Bayerische Verfassung Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bundesbesoldungsgesetz Bundesbeamtengesetz Berufsbildungsgesetz Zeitschrift für Bilanzierung, Rechnungswesen und Controlling Band Bundesverband der Deutschen Industrie Bundesdatenschutzgesetz Beck’scher Online-Kommentar zum Arbeitsrecht Beck’scher Online-Kommentar zum Sozialrecht Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz Begründung Bundeserziehungsgeldgesetz Gesetz über arbeitsrechtliche Vorschriften zur Beschäftigungsförderung (Beschäftigungsförderungsgesetz) Beschluss Verordnung über die Zulassung von neueinreisenden Ausländern zur Ausübung einer Beschäftigung Verordnung über das Verfahren und die Zulassung von im Inland lebenden Ausländern zur Ausübung einer Beschäftigung Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung Betriebsverfassungsgesetz Bewertungsgesetz Bundesfreiwilligendienst Bundesfinanzhof Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch

Abkürzungsverzeichnis 

BGBl. BGG BGH BGHSt BildscharbV BildschirmarbeitsVO BKGG BMA BMAS BMF BMFSFJ BMG BMWI BPersVG BQG BR BR-Drucks. BRRG BSG BSGE BSHG Bsp. bspw. BStBl. BT-Drucks. BUrlG BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BVV BWG bzgl. bzw. ca. CGZP

 LVII

Bundesgesetzblatt Behindertengleichstellungsgesetz Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen VO über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit an Bildschirmgeräten Bildschirmarbeitsverordnung Bundeskindergeldgesetz Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, seit 22.11.2005 Bundesministerium für Arbeit und Soziales Bundesministerium für Arbeit und Soziales Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Bundesministerium für Gesundheit Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Bundespersonalvertretungsgesetz Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft Betriebsrat; Der Betriebsrat (Zeitschrift); Bundesrat Bundesrats-Drucksache Beamtenrechtsrahmengesetz Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts Bundessozialhilfegesetz Beispiel beispielsweise Bundessteuerblatt Bundestags-Drucksache Bundesurlaubsgesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Beitragsverfahrensordnung Bundeswahlgesetz bezüglich beziehungsweise

CR CTA

circa Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personal-Service-Agenturen Computer und Recht (Zeitschrift) Contractual Trust Arrangement

d. d.h. DB DBA DEÜV DGB

der/die/das das heißt Der Betrieb (Zeitschrift) Doppelbesteuerungsabkommen Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung Deutscher Gewerkschaftsbund

LVIII 

 Abkürzungsverzeichnis

Diff. DRiG DrittelbG DRK DRVB DStR DStRE DStZ DVKA

Differenz Deutsches Richtergesetz Drittelbeteiligungsgesetz Deutsches Rotes Kreuz Deutsche Rentenversicherung Bund Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst (Zeitschrift) Deutsche Steuer-Zeitung Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung - Ausland

e.V. EBRG EDV EFTA

EGMR ELStAM EKD engl. EntgeltFG ErbStR ErfK Erl. EStDV EStG EStR etc. EU EuGH EuGHE evtl. EWG EWR EzA

eingetragener Verein Gesetz über Europäische Betriebsräte Elektronische Datenverarbeitung European Free Trade Association (Europäische Freihandelsassoziation) Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgeltes an Sonn- und Feiertagen und im Krankheitsfall Europäische Gemeinschaft; Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft; Einführungsgesetz Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale Evangelische Kirche in Deutschland englisch(en) Entgeltfortzahlungsgesetz Erbschaftssteuer-Richtlinie Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Erlass, Erläuterung Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Einkommensteuergesetz Einkommensteuer-Richtlinien et cetera Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften eventuell Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäischer Wirtschaftsraum Entscheidungen zum Arbeitsrecht, hrsg. von Stahlhacke und Kreft

f., ff. FG FinMin FlexiG Fn FSHG FZA

folgend(e) Finanzgericht Finanzministerium Flexibilitätsgesetz Fußnote Gesetz über den Feuerschutz und die Hilfeleistung Freizügigkeitsabkommen

GA GbR

Geschäftsanweisung Kurzarbeitergeld Gesellschaft bürgerlichen Rechts

EFZG EG

Abkürzungsverzeichnis 

 LIX

GDPdU gem. GemO RP GewO GG ggf. GK-BetrVG GKV GmbH GmbHG GO GO NRW GVG

Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen gemäß Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz Gewerbeordnung Grundgesetz gegebenenfalls Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz Gesetzliche Krankenversicherung Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Gemeindeordnung Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen Gerichtsverfassungsgesetz

h.L. h.M. HEGA HGB HGO HK-BGB Hrsg. Hs.

herrschende Lehre herrschende Meinung Handlungsempfehlung/Geschäftsanweisung der BA Handelsgesetzbuch Hessische Gemeindeordnung Handkommentar des Bürgerlichen Gesetzbuchs Herausgeber Halbsatz

i.H.v. i.S.d. i.S.v. i.V.m. IAB IG IG BCE IHK InsO IPR IStR

In Höhe von im Sinne der/des im Sinne von in Verbindung mit Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Industriegewerkschaft Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie Industrie- und Handelskammer Insolvenzordnung Internationales Privatrecht Internationales Steuerrecht, Zeitschrift

JAG JArbSchG Jg. JuS

Juristenausbildungsgesetz Gesetz zum Schutz der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutz­ gesetz) Jahrgang Juristische Schulung (Zeitschrift)

Kap. KAPOVAZ KfW KG KK km KonsVerFRAV KR

Kapitel Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit Kreditanstalt für Wiederaufbau Kammergericht; Kommanditgesellschaft Kommentar zum Sozialversicherungsrecht Kilometer Deutsch-Französische Konsultationsvereinbarungsverordnung Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz

LX 

 Abkürzungsverzeichnis

KSchG KSK KStG KStR KSVG

Kündigungsschutzgesetz Künstlersozialkasse Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Richtlinien Künstler-Sozialversicherungsgesetz

LAG LAGE LBG LFZG

Landesarbeitsgericht Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Landesbeamtengesetz Gesetz über die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle (Lohnfortzahlungsgesetz) littera, Buchstabe Landessozialgericht Lohnsteuer-Durchführungsverordnung Hinweise zu den Lohnsteuerrichtlinien Lohnsteuer-Richtlinien Limited Company

lit. LSG LStDV LStH LStR Ltd. MAVO max. MDR MitbestErgG

MitbestG MÜAnwHB-ArbR MÜAnwHB-SozR MuSchG MüKo-AktG MüKo-ZPO MVG EKD m.w.N. n.F. NachwG NebentätigkeitsVO NJW Nr. NRW NZA NZA-Beil NZA-RR NZG NZI NZS

Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung in der kath. Kirche maximal Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und Vorständen der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie (MontanMitbestimmungsergänzungsgesetz) Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz) Münchener Anwaltshandbuch zum Arbeitsrecht Münchener Anwaltshandbuch zum Sozialrecht Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz) Münchener Kommentar zum Aktiengesetz Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung Mitarbeitervertretungsrecht Evangelische Kirche Deutschland mit weiteren Nachweisen neue Fassung Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (Nachweisgesetz) Nebentätigkeitsverordnung Neue Juristische Wochenschrift Nummer Nordrhein-Westfalen Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZA-Beilage NZA-Rechtsprechungs-Report Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitzschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung Neue Zeitschrift für Sozialrecht

Abkürzungsverzeichnis 

 LXI

o.ä. OECD OECD-MA OFD OHG OLG

oder ähnliche(s) Organization for Economic Co-operation and Development OECD-Musterabkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung Oberfinanzdirektion Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht

p.a. p.M. PatGG PflegeZG PR PSV

per annum pro Monat Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Gesetz über die Pflegezeit Public Relations Pensionssicherungsverein

RdA RdErl. RDV RGBl. RL Rn RöV RP Rspr. RV RVO

Recht der Arbeit (Zeitschrift) Runderlass Recht der Datenverarbeitung (Zeitschrift) Reichsgesetzblatt Richtlinie Randnummer Röntgenverordnung Rheinland-Pfalz Rechtsprechung Rentenversicherung Reichsversicherungsordnung

S. SachbezugsVO

Seite; Satz, Sätze Verordnung über den Wert der Sachbezüge in der Sozialversicherung (Sachbezugsverordnung) Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz Sozialgericht Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil Grundsicherung für Arbeitsuchende Arbeitsförderung Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung Gesetzliche Krankenversicherung Gesetzliche Rentenversicherung Gesetzliche Unfallversicherung Kinder- und Jugendhilfe Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz Soziale Pflegeversicherung Sozialgerichtsgesetz Brandschutzgesetz Schleswig-Holstein sogenannt(e) Solidaritätszuschlag Sozialrecht; Sozialrecht, Rspr. und Schrifttum, bearb. von den Richtern des BSG

SchwarzArbG SG SGB SGB I SGB II SGB III SGB IV SGB V SGB VI SGB VII SGB VIII SGB IX SGB X SGB XI SGG SHBrSchG sog. SolZ SozR

LXII 

 Abkürzungsverzeichnis

st. Rspr. StGB StR SvEV

ständige Rechtsprechung Strafgesetzbuch Steuerrecht Verordnung über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt

THW TV TV FlexAZ TV-L TV-V TVG TVöD TzBfG

Technisches Hilfswerk Tarifvertrag; Tarifverträge Tarifvertrag der flexiblen Arbeitszeitregelungen für ältere Beschäftigte Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TVöD-Länder) Tarifvertrag Versorgungsbetriebe Tarifvertragsgesetz Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst Teilzeit- und Befristungsgesetz

u.a. u.ä. u.E. u.U. UmwG Urt. USA UStG usw.

unter anderem, und andere und Ähnliches unseres Erachtens unter Umständen Umwandlungsgesetz Urteil United States of America Umsatzsteuergesetz und so weiter

v. Verf. VermBG VermG Vfg. vgl. VO

von/vom Verfassung Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen Verfügung vergleiche Verordnung

WMVO WZVG

Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (zum SGB IX) Wissenschaftszeitvertragsgesetz

z.B. ZAV ZESAR ZfA ZGR Ziff. ZIP zit. ZPO zzgl.

zum Beispiel Zentrale Auslands- und Fachvermittlung Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (und Insolvenzpraxis) zitiert Zivilprozessordnung zuzüglich

Bearbeiterverzeichnis Christian W. Baumann, LL.M.; Jg. 1976; Studium der Rechtswissenschaften an der Justus Liebig Universität in Gießen; Master of Laws (LL.M.) in Stellenbosch/Südafrika; Rechtsanwalt; von 2008 bis 2012 für die PricewaterhouseCoopers Legal Aktiengesellschaft Rechtsanwalts­ gesellschaft tätig. Christian Berg, LL.M.; Jg. 1969; Studium der Rechtswissenschaften an der Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt a.M. sowie an der Universität Genf; Master of Laws der University of Pennsylvania; Rechtsanwalt; seit 2010 für die PricewaterhouseCoopers Legal Aktiengesellschaft Rechtsanwaltsgesellschaft tätig; zuvor arbeitsrechtlicher „Of Counsel“ bei der US-Kanzlei Squire, Sanders und mehrere Jahre „Bereichsleiter Internationales Arbeitsrecht“ bei der Lidl Stiftung & Co. KG, Neckarsulm. Aktuelle Beratungsschwerpunkte: Unternehmenskäufe/ Unternehmensverkäufe, Re- und Umstrukturierungen, Arbeitsvertragsgestaltung, Unternehmensmitbestimmung, Betriebsverfassungsrecht. Iris Brandes, Jg. 1972; Studium der Rechtswissenschaften an Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster; Rechtsanwältin; seit 1999 bei der PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und seit 2006 in der Abteilung Human Resource Services. Beratungsschwerpunkte: sozialversicherungsrechtliche Beratung natürlicher Personen und deren Arbeitgeber, insbesondere im Fall von internationalen Personalentsendungen. Michael Breuer, Dipl.-Finanzwirt (FH); Jg. 1966; Abschluss des Studiums an der Fachhochschule für Finanzen in Nordkirchen; langjährige Tätigkeit in der Finanzverwaltung NRW als Sach­bearbeiter, Lohnsteuer- und Umsatzsteuersonderprüfer. Von 2010 bis 2012 Mitglied des bundesweit agierenden Teams von Lohnsteuerexperten im Bereich Human Resource Services der PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Beratungsschwerpunkte: Unterstützung bei Lohnsteueraußenprüfungen, Beratung von Unternehmen bei lohnsteuerlichen Fragestellungen, sowie Identifizierung und Vermeidung von lohnsteuerlichen Haftungsrisiken. Manfred Cichon, Dipl.-Jurist; Jg. 1975; Studium der Rechtswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum sowie der Jagiellonen Universität Krakau; seit 2010 bei der PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in der Abteilung Human Resource Services; zuvor Tätigkeit bei einer Rechtsanwaltskanzlei in Düsseldorf und einer Sozialversicherungsbehörde in Bonn. Beratungsschwerpunkt: Betreuung von Unternehmen bei deutschen und internationalen Personaleinsätzen sowie bei den sozialversicherungsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten grenzüberschreitender Mitarbeiterentsendungen. Brigitte Dusolt, Dipl.-Finanzwirtin (FH), Jg. 1963; Tätigkeit bei der Bayerischen Finanzverwaltung; Studium der Germanistik und Betriebswirtschaftslehre an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg; seit 2002 Mitglied im Bereich Human Resource Services der PricewaterhouseCoopers Aktien­gesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Beratungsschwerpunkt: Steuerliche Beratung und Optimierung internationaler Mitarbeitereinsätze. Nicole Elert, Dr. iur.; Jg. 1973; Studium der Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln; Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht; Leiterin der Praxisgruppe Arbeits- und Sozialrecht, seit 2007 für die PricewaterhouseCoopers Legal Aktiengesellschaft Rechtsanwaltsgesellschaft tätig, seit 2010 Partnerin bei der PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft; zuvor Associate bei einer internationalen Wirtschaftskanzlei in Frankfurt und Partnerin eines Spin-Offs; davor wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für deutsches und europäisches Arbeits- und Sozialrecht von Prof. Dr. Ulrich Preis. Beratungsschwerpunkte: Vorstands- und Geschäftsführerverträge, Incentiveprogramme, strategische Beratung bei Restrukturierungen und HR-Transaktionen.

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 Bearbeiterverzeichnis

Arne Ferbeck, Jg. 1973; Studium der Rechtswissenschaften in Marburg und der Universität zu Köln; Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht; seit 2007 für die PricewaterhouseCoopers Legal Aktiengesellschaft Rechtsanwaltsgesellschaft tätig, zuvor Rechtsanwalt in einer Wirtschaftskanzlei in Köln (2002 bis 2007). Aktuelle Beratungsschwerpunkte: Arbeitsvertragsgestaltung, Vergütungsfragen, Bonussysteme; Betriebliche Altersversorgung, Kooperationen, Re- und Umstrukturierungen. Stephanie Gather, Jg. 1983; Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Augsburg und Mannheim sowie Referendariat im OLG Bezirk Frankfurt am Main; Rechtsanwältin; von 2010 bis 2012 bei PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in der Abteilung Human Resource Services. Der Schwerpunkt ihrer Beratung war die Betreuung von Unternehmen in allen Fragen des nationalen sowie über- und zwischenstaatlichen Sozialver­ sicherungsrechts, insbesondere auch bei internationalen Mitarbeitereinsätzen. Sabrina Hottenbach, Dipl.-Betriebswirtin (BA); Jg. 1984; Studium der Betriebswirtschaftslehre im Bereich Steuern und Prüfungswesen mit Studienschwerpunkt Internationales Steuerrecht an der Berufsakademie Mannheim in Kooperation mit der PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Tätigkeit im Anschluss bei Roedl Langford de Kock in Atlanta im Bereich des US- und Internationalen Steuerrechts für Privatpersonen und Personengesellschaften. Seit 2010 Mitarbeiter der PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Bereich Human Resource Services und Teil des ExpertenTeams, welches sich auf grenzüberschreitende Fragestellungen von natürlichen Personen, insbesondere bei der Strukturierung von grenzüberschreitenden Beschäftigungsverhältnissen spezialisiert hat. Frank Kaiser, Jg. 1961; über 25 Jahre Erfahrung in steuerlichen Fragen rund um die Personalwirtschaft; Mitglied des bundesweit agierenden Teams von Lohnsteuerexperten im Bereich Human Resource Services der PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Beratungsschwerpunkt: Beratung von Unternehmen bei lohnsteuerlichen Fragestellungen, Unterstützung bei Lohnsteueraußenprüfungen sowie Identifizierung und Vermeidung von lohnsteuerlichen Haftungsrisiken; darüber hinaus Beratung bei der lohnsteuerlichen Optimierung innovativer Vergütungsmodelle. Manfred Karges, Dipl.-Kaufmann; Jg. 1967; Studium der Wirtschaftswissenschaften an der PhilippsUniversität Marburg; Steuerberater; seit 1993 bei der PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft; seit über 15 Jahren Spezialisierung auf dem Gebiet des Lohnsteuerrechts. Mitglied im bundesweit agierenden Team von Lohnsteuerexperten der PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im Bereich Human Resource Services. Beratungsschwerpunkt: Beratung von Unternehmen jeder Größenordnung und Branche bei lohnsteuerlichen Fragestellungen, Unterstützung bei Lohnsteueraußenprüfungen sowie der Identifizierung und Vermeidung von lohnsteuerlichen Haftungsrisiken. Sebastian Kohl, Jg. 1980; Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Bielefeld; Rechtsanwalt; seit 2010 für die PricewaterhouseCoopers Legal Aktiengesellschaft Rechtsanwaltsgesellschaft tätig. Beratungsschwerpunkte: Unternehmensmitbestimmung, Fragestellungen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts. Ulla Kuniß, Jg. 1976; Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Leipzig; Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht; seit 2006 für die PricewaterhouseCoopers Legal Aktien­ gesellschaft Rechtsanwaltsgesellschaft tätig, derzeit als Managerin. Beratungsschwerpunkte: Arbeitsrecht sowie betriebliche Altersvorsorge. Marco Libudda, Dipl.-Kaufmann (FH); Jg. 1970; Ausbildung zum Sozialversicherungsfach­ angestellten; Studium der Betriebswirtschaft an der Fachhochschule Niederrhein in Mönchengladbach; Steuerberater und Rentenberater; seit 2008 bei der PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in der Abteilung

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Human Resource Services. Beratungsschwerpunkt: steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Beratung natürlicher Personen und deren Arbeitgeber, insbesondere im Fall von internationalen Personal­entsendungen. Hans-Peter Limbach, Jg. 1951; Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten, Rentenberater, seit 2003 bei der PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in der Abteilung Human Resource Services; zuvor Tätigkeiten bei verschiedenen Sozialversicherungsbehörden und Beratungsgesellschaften; verantwortlich für die sozialversicherungsrechtliche Beratung natürlicher Personen und deren Arbeitgeber, insbesondere im Fall von internationalen Personalentsendungen. Patrick Maihöfer, Jg. 1972; Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Bayreuth, Freiburg und Düsseldorf; Rechtsanwalt; nach dem Referendariat am OLG Düsseldorf folgten verschiedene Tätigkeiten in der freien Wirtschaft und bei großen und mittleren Rechts- und Steuerberatungsgesellschaften. Seit 2010 bei der PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in der Abteilung Human Resource Services tätig; dort berät der Autor in- und ausländische Unternehmen sowie deren Mitarbeiter insbesondere in sozialver­ sicherungsrechtlichen Fragen. Ulla Mauer, LL.M.EUR; Jg. 1979; Studium der Rechtswissenschaften an der Julius Maximilian Universität Würzburg; Rechtsanwältin seit 2007, seit 2011 Fachanwältin für Arbeitsrecht; seit 2007 für die PricewaterhouseCoopers Legal Aktiengesellschaft Rechtsanwaltsgesellschaft tätig. Beratungsschwerpunkte: Arbeitsrecht und ausländerrechtliche Fragen zum internationalen Mitarbeitereinsatz. Ansgar A. Mues, Jg. 1977; Studium der Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln; Rechtsanwalt; seit 2010 für die PricewaterhouseCoopers Legal Aktiengesellschaft Rechtsanwaltsgesellschaft tätig; zuvor Ass. Jur. bei White & Case LLP (2009/2010). Aktuelle Beratungsschwerpunkte: Arbeitsvertragsgestaltung, Unternehmensmitbestimmung, Kooperationen, Betriebsverfassungsrecht, Recht der Zusatzversorgungskassen, Sozialrechtliche Angelegenheiten und Prozessführung. Jan-Peter Ohrtmann, Dr. iur.; Jg. 1969; Studium der Rechtswissenschaften an der Albert-LudwigsFreiburg, Université de Lausanne und Technische Universität Dresden; Rechtsanwalt; seit 2010 für die PricewaterhouseCoopers Legal Aktiengesellschaft Rechtsanwaltsgesellschaft tätig; zuvor Rechtsanwalt im IT-Recht bei Bird & Bird (2002 bis 2010) und Justitiar bei der PARKLANE Internet AG (2000 bis 2002). Aktuelle Beratungsschwerpunkte: Datenschutzrecht, IT-Recht, IT-Outsourcing & Cloud Computing; Lehrbeauftragter der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und der Düsseldorf Law School im Datenschutz & IT-Outsourcing. Petra Peitz-Ziemann, Dipl.-Kauffrau; Jg. 1958; Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Johann Wolfgang von Goethe-Universität Frankfurt am Main; Steuerberaterin seit 1991; Tätigkeit zunächst in der Allgemeinen Steuerabteilung der Ernst & Whinney GmbH; seit 1999 Mitglied im Bereich Human Resource Services der PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Sie führt heute ein Experten-Team, das sich auf grenzüberschreitende Fragestellungen von natürlichen Personen spezialisiert hat. Dies umfasst insbesondere den integrierten Beratungsansatz bei der Strukturierung von Beschäftigungsverhältnissen. Martin Preiss, Jg. 1972; Studium der Rechtswissenschaften an der Julius-Maximilians-Universität zu Würzburg, Université de Lausanne und der Université de Génève; Rechtsanwalt; seit 2005 für die PricewaterhouseCoopers Legal Aktiengesellschaft Rechtsanwaltsgesellschaft tätig. Aktuelle Beratungsschwerpunkte: Umstrukturierungen (Ausgliederungen, Kooperationen, Verschmelzungen, Privatisierungen), Öffentliches Tarifrecht, Betriebsverfassungsrecht, Recht der Zusatzversorgungskassen. Petra Raspels, Dipl.-Volkswirtin; Jg. 1972; Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Trier; im Jahr 2001 Ablegen des Steuerberaterexamens; seit 1997 bei der

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 Bearbeiterverzeichnis

PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, seit 2008 Partnerin bei der PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft; Leiterin des Bereiches Human Resource Services mit mehr als 300 Mitarbeitern und Mitglied des Führungsgremiums des Bereiches Steuern der PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Ihr Beratungsschwerpunkt umfasst Fragestellungen rund um den internationalen Mitarbeitereinsatz in allen Facetten. Daniel Riehle, Dipl.-Finanzwirt (FH), M.A.; Jg. 1977; Studium des Steuerrechts an der Fachhochschule Ludwigsburg sowie an der Fachhochschule Calw; M.A. in Taxation and Auditing; Steuerberater; seit 2007 bei der PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft tätig. Beratungsschwerpunkt: Steuerliche Beratung und Optimierung internationaler Mitarbeitereinsätze. Zudem berät er Unternehmen bei der Implementierung und Besteuerung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen. Daneben tritt er in diesen Bereichen auch im Rahmen von Veröffentlichungen sowie als Referent in Erscheinung. Joachim Sartoris, Dipl.-Betriebswirt (FH), M.B.A.; Jg. 1964; Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Trier, der Ecole Supèrieure de Commerce et d’Administration in Poitiers und der Westfälischen Wilhelms Universität in Münster; seit 17 Jahren als Berater auf dem Gebiet der betrieblichen Altersversorgung tätig. Seit 2011 im Bereich Human Resource Services der PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft tätig. Mitherausgeber des Buches «Bilanzielle Auslagerung von Pensionsverpflichtungen». Beratungsschwerpunkte: Gestaltung und Umstrukturierung von Systemen der betrieblichen Altersversorgung und Einrichtung von Zeitwertkontenmodellen. Yvonne Speier, Jg. 1974; Studium der Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln; Rechtsanwältin; seit 2005 für die PricewaterhouseCoopers Legal Aktiengesellschaft Rechtsanwaltsgesellschaft tätig; zuvor zwei Jahre Tätigkeit als Rechtsanwältin bei einer mittelständischen Kanzlei. Aktuelle Beratungsschwerpunkte: Betriebsverfassungsrecht, Unternehmensmitbestimmung, Öffentliches Tarifrecht, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Sozialrechtliche Angelegenheiten. Lidija Spirovic, Jg. 1979; Studium der Rechtswissenschaften an der Georg-August-Universität Göttingen; Referendariat am OLG Düsseldorf mit Auslandsstation in Kapstadt/Südafrika; Zulassung als Rechtsanwältin in 2007 und Tätigkeit in einer Wirtschaftsrechtskanzlei; seit 2008 bei der PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft im bundesweit agierenden Lohnsteuerexperten-Team am Standort Hamburg tätig. Beratungsschwerpunkt: Beratung von Unternehmen bei lohnsteuerlichen Fragestellungen, die Unterstützung bei Lohnsteueraußenprüfungen sowie die Identifizierung und Vermeidung von lohnsteuerlichen Haftungsrisiken. Can Tüzel, Dipl.-Finwanzwirt (FH); Jg. 1974; Studium der Rechtswissenschaften an der Freien Universität Berlin; Referendariat am Kammergericht Berlin; 2010 Zulassung als Rechtsanwalt; seit 2009 Mitglied des bundesweit agierenden Teams von Lohnsteuerexperten im Bereich Human Resource Services der PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft am Standort Berlin. Zuvor Studium an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin (HWR Berlin) und mehrjährige Tätigkeit bei verschiedenen Berliner Finanzämtern. Beratungsschwerpunkte: Beratung von Unternehmen bei lohnsteuerlichen Fragestellungen, Unterstützung im Rahmen von Lohnsteueraußenprüfungen sowie die Identifizierung und Vermeidung von lohnsteuerlichen Haftungsrisiken. Sebastian Ulbrich, Dr. iur., LL.M.; Jg. 1975; Studium der Rechtswissenschaften in Würzburg und Pretoria (Südafrika); Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht; seit 2008 für die PricewaterhouseCoopers Legal Aktiengesellschaft Rechtsanwaltsgesellschaft tätig. Aktuelle Beratungsschwerpunkte: Kooperationen, Re- und Umstrukturierungen, Vertretung in Rechtsstreitigkeiten vor den Arbeitsgerichten.

Teil 1 Bedeutung A. Rahmenbedingungen Obgleich sich die Arbeitswelt in einem stetigen Wandel befindet, ist in Deutschland 1 das unbefristete Vollzeitarbeitsverhältnis vor Ort statistisch immer noch das klassische, also am häufigsten vorzufindende, Arbeitsverhältnis. Wirtschafts- und Finanzmarktkrisen, Rohstoffknappheit, demographischer Wandel, Globalisierung, neue Medien und geänderte Bedürfnisse von Mitarbeitern und deren Familien sowie weitere Faktoren stellen aber Unternehmen merklich vor immer neue Herausforderungen, die zunehmend eine Flexibilisierung der Arbeit erforderlich machen. Die Unsicherheit der Unternehmen über die künftige Geschäftsentwicklung bedarf z.B. verstärkt atypischer Beschäftigungsverhältnisse, die es den Unternehmen ermöglichen, schwankende Geschäftsentwicklungen in Bezug auf ihre personelle Ausstattung möglichst flexibel zu gestalten. Hierbei können an die Art der Flexibilisierung ganz unterschiedliche Anforderungen gestellt werden. Neben den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen stellen aber auch gesetzgeberische Veränderungen Unternehmen immer wieder vor neue Herausforderungen.

B. Statistische Beispiele Ausgewählte flexible Einsatzformen von Arbeitnehmer zeichnen hierbei in der statis­ 2 tischen Betrachtung ein interessantes Bild. Zum Stichtag 30.9.2011 betrug der Anteil der sozialversicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigten 21,7 %. Der stetig anwachsende Teil von Beschäftigten in Teilzeit in den vergangenen Jahren ist deutlich erkennbar eine Auswirkung der veränderten Beschäftigung mit einem stärkeren Zuwachs in Wirtschaftszweigen, die traditionell höhere Anteile an Teilzeitbeschäftigten haben.1 Eine andere Statistik besagt, dass im Jahr 2011 der Anteil befristeter Arbeitsverträge für jüngere Arbeitnehmer deutlich zurückgegangen ist. Lag der Anteil der befristet beschäftigten Frauen und Männer zwischen 15 und 25 Jahren in 2010 noch bei 57 %, waren es in 2011 nur noch 42 %.2 Andererseits besaßen 2011 im Durchschnitt über alle Altersklassen 46 % der Arbeitnehmer einen befristeten Arbeitsvertrag. Ist die Befristung ein weitverbreitetes Instrument, um wirtschaftliche Risiken 3 abzufedern, gibt es andere Instrumente wie z.B. die Kurzarbeit, die in den vergangenen Jahren in der klassischen Form der konjunkturellen Kurzarbeit in ihrer Erschei-

1 Vgl. die Beschäftigungsstatistik der AA – Umstellung der Erhebungsinhalte bei den Merkmalen „ausgeübte Tätigkeit“ (Beruf), „Arbeitszeit“ und „Ausbildung“, März 2012, S. 10. 2 Vgl. http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/recht-und-gehalt/arbeitsvertraege-juengerearbeiten-immer-seltener-befristet.

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 Teil 1 Bedeutung

nungshäufigkeit von der konjunkturellen Entwicklung abhängig ist. Im Rahmen der Finanzkrise des Jahres 2008/2009 war zu beobachten, dass die bis dahin eher mit einem negativen Image behaftete Kurzarbeit einen Wandel in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit und auch der Stammbelegschaften erfuhr, da nunmehr dieses arbeitsmarktpolitische Instrument zum Erhalt der Stammbelegschaft herangezogen werden konnte und vielfach auch wurde, flankiert durch entsprechende Änderungen in den Zugangsvoraussetzungen durch den Verordnungsgeber. Dies führte in der Finanzmarktkrise dazu, dass die befürchtete Entlassungswelle nicht eintrat und die Unternehmen mit ihrer erfahrenen Belegschaft sofort nach Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sich wieder erfolgreich im Markt positionieren konnten. Ein anderes arbeitsmarktpolitisches Instrument stellt die Arbeitnehmer­ überlassung (Zeitarbeit) dar. Diese wurde in der Vergangenheit durch den Gesetz­ geber mehrfach modifiziert, zuletzt mit Wirkung zum 1.5.2011 bzw. 1.12.2011. Hier wird erkennbar, dass Unternehmen auf geänderte gesetzgeberische Rahmenbedingungen, die vielleicht bisher eine flexiblere Einsatzplanung ermöglichten, relativ kurzfristig reagieren müssen, um sich weiterhin gesetzeskonform zu verhalten. Vielen besonderen Einsatzformen ist gemein, dass sie von den in Deutschland weitverbreiteten tarifvertraglichen/betrieblichen Regelungen für ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis – zumindest temporär – abweichen sollen.

C. Kategorisierung der Flexibilitätskriterien 4 Dieses Werk gibt als Praxishandbuch einen Überblick über die praktischen Heraus-

forderungen beim Umgang mit solchen atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Dabei gibt es Beschäftigungsverhältnisse, die aufgrund gesetzlicher Vorgaben erforderlich sind, wie z.B. der Datenschutzbeauftragte oder der/die Arbeitnehmer/-in in Elternzeit, die sich keiner konkreten Flexibilitätsform zuordnen lassen. Allerdings führen sie für die Unternehmen zu einem Bedarf an Flexibilität, da die in der Regel nur temporäre Vertretung geregelt werden muss. Die Herausforderungen und Chancen eines Unternehmens bezüglich der atypi5 schen Beschäftigungsformen lassen sich im Wesentlichen anhand nachfolgender Kriterien in diese Gruppen untergliedern:

I. Örtlich

6 Die Chancen eines Unternehmens hinsichtlich der örtlichen Gestaltung des Arbeits­

platzes/Arbeitsbereiches bieten: –– der Außendienst, –– die Entsendung, –– der Freelancer, –– der Grenzgänger sowie

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C. Kategorisierung der Flexibilitätskriterien 

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–– das Home Office und –– die Telearbeit. Hierbei wird innerhalb der einzelnen Stichworte aufgezeigt, welche Gestaltungsmög- 7 lichkeiten und -risiken die einzelnen Beschäftigungsverhältnisse bieten. Dabei sind die Ausgangssituationen für die jeweilige Sonderform des Einsatzes sehr unterschiedlich. Im Bereich der Entsendung sind es häufig übergeordnete Unternehmensinteressen, die eine örtliche Veränderung erfordern. Der Grenzgänger wiederum hat die Ursache in persönlichen Vorteilen des Arbeitnehmers. Die örtliche Flexibilisierung ist häufig einhergehend mit der erforderlichen Berücksichtigung besonderer Sachverhalte, die im Bereich der örtlichen Flexibilisierung geregelt werden müssen. So ist z.B. beim Home Office zu berücksichtigen, dass es sich um einen Arbeitsplatz handelt, der außerhalb des versicherten Betriebsgeländes liegt und in den privaten Räumlichkeiten des Arbeitnehmers eingerichtet wird.

II. Zeitlich Die zeitliche Gestaltung von atypischen Beschäftigungsverhältnissen gemein ist: 8 –– der Arbeit auf Abruf, –– den Aushilfen, –– der befristeten Beschäftigung, –– der familiären Mitarbeit, –– dem Interimsmanager, –– der Kurzarbeit, –– den Lebensarbeitszeitkonten, –– dem Sabbatical, –– der Teilzeit sowie –– der Zeitarbeit. Hier finden sich zwischen diesen einzelnen Einsatzformen teilweise Kombinatio­ 9 nen, wie z.B. bei einem befristeten Teilzeitbeschäftigten. Die Rechtsgrundlagen sind dabei unterschiedlich ausgestaltet, teilweise gesetzlich mit arbeitsvertraglicher Umsetzung, tarifvertraglich oder auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung. Teilweise kann sogar eine Kombination bzw. eine gestaffelte Ausfüllung mehrerer Rechtsgrundlagen vorliegen wie z.B. bei der Kurzarbeit.

III. Entgeltbezogen Die entgeltbezogene Flexibilisierung ist gestaltbar über: –– die Arbeit auf Abruf, –– Aushilfen, –– Ein-Euro-Jobber, –– die familiäre Mitarbeit, –– die Kurzarbeit, Ferbeck

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 Teil 1 Bedeutung

–– Lebensarbeitszeitkonten, –– Mitarbeiter als Unternehmer, –– Referendare, –– Studenten sowie –– die Zeitarbeit. 11 Auch hier ist der jeweilige Ansatzpunkt für die Flexibilisierung sehr unterschiedlich. Bietet die familiäre Mitarbeit aus ihrer besonderen Bindung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Grundlage für entgeltbezogene Flexibilität, so ist die Kurzarbeit häufig ein Instrumentarium, dass der Unternehmer als Arbeitgeber häufig einseitig einführen muss, um größeren Schaden von seinem Unternehmen und auch der Belegschaft abzuwenden. Ist die Kurzarbeit wirksam eingeführt, führt dies zu einer erheblichen Entlastung des Unternehmens auf der Personalkostenseite. Die Flexibilität ist dort für das Unternehmen eingeschränkt, wo es der individuellen Zustimmung jedes einzelnen Arbeitnehmers bedarf, so dass die größtmögliche Flexibilität über kollektivrechtliche Regelungen herbeigeführt werden kann, da so individuelle Vereinbarungen nicht erforderlich sind. Gerade das Thema Lebensarbeitszeitkonto erfährt in jüngster Zeit eine immer größere Beachtung, da dieses einen gleitenden Übergang in die Rente ermöglichen soll.

IV. Dispositionsbezogen

12 Flexibilität hinsichtlich der Dispositionsmöglichkeiten des Unternehmens bieten:

–– Arbeit auf Abruf, –– Aushilfen, –– Befristung, –– Freelancer, –– Freistellung, –– Mitarbeitende Gesellschafter, –– Prozessbeschäftigung, –– Rentnerbeschäftigung, –– Studenten sowie –– Zeitarbeit. 13 Auch hier haben die Flexibilisierungsmöglichkeiten eine unterschiedliche Ausprägung. So liegt der Rentnerbeschäftigung regelmäßig ein befristeter Arbeitsvertrag zugrunde, der wiederum bei einer Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber eines sachlichen Grundes zu seiner Wirksamkeit bedarf. Die Flexibilität wird demnach durch die gesetzlichen Regelungen des TzBfG eingeschränkt. Gleichzeitig ermöglicht die Rentnerbeschäftigung einem Unternehmen auch den Erhalt von Know-how erfahrener Arbeitnehmer. Das klassische und arbeitsmarktpolitisch als Flexibilisierungsinstrument propagierte Mittel ist sicherlich die Zeitarbeit, obwohl diese die Unternehmen durch seine letzten Änderungen vor neue Herausforderungen stellt. Der Gesetzgeber hat aber hier den Bedarf der Unternehmen gesehen und die europaFerbeck



C. Kategorisierung der Flexibilitätskriterien 

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rechtlichen Vorgaben umgesetzt. Die dispositionsbezogene Flexibilität ist auf die einseitigen Unternehmensinteressen ausgerichtet, die der Herausforderung kurz- oder mittelfristiger Arbeitsspitzen ausgesetzt sind.

V. Rechtlich Rechtliche Flexibilität bieten Beschäftigungen außerhalb eines Arbeitsverhältnis­ 14 ses wie: –– das Ehrenamt, –– der Ein-Euro-Jobber, –– der Freelancer sowie –– das Praktikum. Daneben bieten im Rahmen von Arbeitsverhältnissen Flexibilität: 15 –– der Interimsmanager (sei es als Arbeitnehmer oder als Organ), –– das Probearbeitsverhältnis, –– die Prozessbeschäftigung, –– die Teilzeit, –– das Transferarbeitsverhältnis sowie –– die Zeitarbeit. Dennoch unterscheiden sich diese Beschäftigungsverhältnisse hinsichtlich ihrer 16 rechtlichen Grundlagen. Gibt es für einige gesetzliche Regelungen, die zu beachten sind, wie z.B. bei der Teilzeit, sind andere im Wesentlichen relativ frei gestaltbar wie z.B. das Rechtsverhältnis zu einem Interimsmanager, sofern dieser nicht als Arbeitnehmer beschäftigt wird. Gerade das Transferarbeitsverhältnis ist regelmäßig im Rahmen größerer Unternehmensinsolvenzen, so zuletzt im Fall Schlecker, auch Gegenstand der öffentlichen Diskussion, da häufig bei großen Unternehmensinsolvenzen der Ruf nach stärkerer finanzieller Unterstützung für die zu errichtende Transfergesellschaft laut wird. Die Transfergesellschaft bietet ein rechtliches Instrumentarium, um sich des Risikos einer Vielzahl von Kündigungsschutzprozessen zu entledigen, gleichzeitig für die betroffenen Arbeitnehmer die Chance, sich aus ungekündigter Stellung zu bewerben.

VI. Sonstige Diese Gruppe von Beschäftigungsverhältnissen ist geprägt durch die Tatsache, dass 17 keine unmittelbare Flexibilität besteht, wie z.B. bei einem Aufsichtsratsmandat. Andererseits sind es gerade die Tätigkeiten wie ein Aufsichtsratsmandat oder der Datenschutzbeauftragte, die sich als unmittelbarer Ausfluss eines bestehen Arbeitsverhältnisses zeigen und von einem Arbeitnehmer die Flexibilität verlangen, eine solche Aufgabe zu übernehmen. Die Übertragung eines Aufsichtsratsmandats z.B. bei einem Tochter- oder Beteiligungsunternehmen ist häufig ein Ausdruck besonderen Vertrauens. Ferbeck

Teil 2 Grundlagen A. Arbeitsrecht I. Bedeutung Der deutsche Arbeitsmarkt und mit ihm das deutsche Arbeitsrecht befindet sich seit längerem in einer Umbruchphase. Zersplittert in eine Vielzahl von Gesetzen, Ver­ ordnungen und Rechtsvorschriften und einer in weiten Teilen undurchsichtigen und mitunter von Einzelfallentscheidungen geprägten Rechtsprechung der Gerichte – von den Instanzgerichten über das BAG bis zum BVerfG, EuGH und EGMR – zwingt das deutsche Arbeitsrecht die am Arbeitsmarkt beteiligten Parteien zu größter Umsicht sowie ständiger Kontrolle und Weiterbildung. Neben Faktoren wie der globaleren Aufstellung von Unternehmen im internationalen Wettbewerb und der Einführung neuer Marktstrukturen beeinflussen zunehmend auch privat motivierte Bedürfnisse der Beschäftigten eine zunehmende Ver­ änderung der „klassischen“ Arbeitsform: unbefristete Vollzeitbeschäftigung vor Ort. Neue Arbeits- und Kooperationsstrukturen sowie veränderte Formeln für die Bewertung von Leistung und Gehalt vermischen sich zudem zu einer den bisherigen Arbeitsmarkt und die Erwerbsarbeit in sich verändernden Gruppe von flexiblen Arbeitsvertragstypen. Ein modern und flexibel angewendetes Arbeitsrecht schafft für Arbeitgeber Handlungsoptionen zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen und ist aus ökonomischen Aspekten erstrebenswert. Innovative Arbeitsformen sind in einem immer stärker von internationalen Einflüssen dominierten Markt ein Wettbewerbsgut, das einen Konkurrenzvorteil verschaffen und zugleich gestiegenen Anforderungen an Produktivität, Kostenoptimierung und Leistungsabruf gerecht werden kann. Flexibilität bezieht sich hierbei einerseits auf die Art der Beschäftigung bzw. des Vertragsverhältnisses zur Leistungserbringung sowie andererseits auch auf neuere Ausprägungen von Arbeitsorganisationen, die infolge einer Dezentralisierung der Unternehmenssteuerung oder einzelner inhaltlicher Regelungsbereiche erwachsen sind. In zunehmendem Maße spielt für den wirtschaftlichen Erfolg auch die Anwerbung und Bindung von engagierten Mitarbeitern eine große Rolle. Irrelevant ist dabei, ob hochqualifizierte oder Beschäftigte ohne spezifische Ausbildung in dauerhafter oder nur zeitlich befristeter Anstellung gesucht werden, da jeder Arbeitgeber Interesse daran hat, die für seine Unternehmensbedürfnisse ideale Besetzung zu finden. Der Wunsch nach vertraglichen Gestaltungen zur Flexibilisierung der Arbeit und damit die erweiterte Möglichkeit zu einer individuellen Arbeits- und Freizeitplanung wird von Mitarbeitern und Arbeitnehmervertretungen in Personalgesprächen derzeit verstärkt geäußert und argumentiert, dass nach entsprechender Umsetzung private und berufliche Interessen – innerhalb gewisser Grenzen – besser koordiniert und berücksichtigt werden können. Aus ihr folge eine größere Selbstständigkeit der Ferbeck

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 Teil 2 Grundlagen

Beschäftigten, aber auch eine höhere Verantwortung für einzelne Organisationseinheiten. Tatsächlich bietet der Einsatz von Mitarbeitern unterschiedlicher Erwerbstä­ 7 tigkeitsformen Arbeitgebern die Chance, auf wirtschaftliche Einflüsse schnell und effizient reagieren zu können, ohne dabei in Widerspruch zu den Anforderungen des Arbeitsrechts zu stehen. Mangels Wissens über die gestalterischen Möglichkeiten wird das deutsche Arbeitsrecht aber nicht selten als Jobbremse oder praktisches Hindernis empfunden. Den Parteien des Arbeitsverhältnisses stehen jedoch zahlreiche Möglichkeiten offen, ihre Vertragsbeziehungen so zu gestalten, dass einerseits dem arbeitgeberseitigen Wunsch nach größtmöglicher Flexibilität sowie andererseits den Interessen von Arbeitnehmern nach Stabilität und Arbeitsplatzsicherung entsprochen werden kann. Mit Blick auf die wachsende Zahl von Beschäftigungsformen, die nicht mehr 8 im Rahmen des klassischen unbefristeten Arbeitsvertrags in Vollzeit angesiedelt sind, ist insbesondere in der personalrechtlichen Praxis besondere Aufmerksamkeit notwendig. Eine größere Bandbreite arbeitsvertraglicher Gestaltungsmöglichkeiten führt zu vermehrten Prüfpflichten, inwieweit Beschäftigte, die ohne „klassische“ Arbeitsverträge beschäftigt sind, von den Veränderungen arbeitsrechtlicher Vorschriften und deren Anwendungsbereich berührt sind.

II. Begrifflichkeiten 1. Arbeitsverhältnis und Arbeitsvertrag 9 Während umgangssprachlich die Begriffe Arbeitsverhältnis und Arbeitsvertrag oftmals synonym verwendet werden, kann der tatsächliche inhaltliche Unterschied für die Vertragsparteien von elementarer Bedeutung sein. Eine Differenzierung spielt insbesondere dann eine Rolle, wenn in der Praxis Fallgestaltungen vorliegen, die ohne den formalen Abschluss eines Arbeitsvertrages die Erbringung von Arbeitsleistungen zum Inhalt haben oder kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis begründet wird. Während das Arbeitsverhältnis eine allgemeine Bezeichnung für die Rechtsbe­ 10 ziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist, regelt der Arbeitsvertrag als dessen Gründungstatbestand und gegenseitiger Vertrag auf privatrechtlicher Grundlage konkrete Leistungsverpflichtungen. Aus den Bestimmungen des Arbeitsvertrages ist der Arbeitnehmer zur Erbringung von Arbeitsleistungen und der Arbeitgeber zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verbindlich angehalten. Maßgebend für den Abschluss des Arbeitsvertrages sind zwei übereinstim­ 11 mende Willenserklärungen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind grundsätzlich frei, mit wem und ob sie überhaupt einen Arbeitsvertrag abschließen. Dieser ist jedenfalls formfrei und kann mündlich oder schriftlich vereinbart werden. Es muss lediglich Einigkeit zwischen den Parteien darüber bestehen, dass der Arbeitnehmer zur Übernahme einer Tätigkeit für den Arbeitgeber gegen Entgelt bereit ist. Ein zwingendes Ferbeck

A. Arbeitsrecht 

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Schriftformerfordernis kennt das Gesetz in § 14 Abs. 4 TzBfG nur für die wirksame Befristung eines Arbeitsvertrages. Bei mündlicher Absprache ist der Arbeitgeber gezwungen, dem Arbeitnehmer 12 spätestens einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses schriftlich fixierte Arbeitsbedingungen auszuhändigen (§ 2 Abs. 1 S. 1 NachwG). Eine Verletzung gegen diese Dokumentationspflicht löst zu Lasten des Arbeitgebers zwar kein Ordnungsbußgeld oder eine andere konkrete Sanktion aus. Dem Arbeitnehmer steht es aber frei, die Erfüllung dieser Verpflichtung vor dem Arbeitsgericht einzuklagen. Der Arbeitsvertrag bleibt indes gültig. Die Niederschrift für Arbeitsverhältnisse muss als Mindestbestandteile 13 Angaben zu Name und Anschrift der Vertragsparteien, den vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses sowie bei befristeten Arbeitsverhältnissen deren vorhersehbare Dauer, ferner die Regelarbeitszeit und den Arbeitsort oder einen Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt sein soll, enthalten. Eine Tätigkeitsbeschreibung, die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs, die 14 Kündigungsfrist sowie die genaue Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsent­ gelts (einschließlich Zuschläge, Zulagen, Prämien, Sonderzahlungen oder anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit) sind ebenfalls verbindlich. Schließlich darf auch ein Hinweis auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstverein­ barungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind, nicht fehlen. Praxistipp Aus Beweisgründen und zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten ist der Arbeitsvertrag schriftlich abzufassen.

Da der Umfang der Dokumentationspflicht viele Regelungen umfasst und nicht für 15 jedes Arbeitsverhältnis neu gefasst werden soll, bedienen sich in der Praxis zahlreiche Arbeitgeber vorformulierter Musterverträge, um bei Vertragsschluss durch Unachtsamkeit keine Lücken in den vertraglichen Abreden zu riskieren. Dieses, insbesondere bei einer hohen Anzahl von abzuschließenden Arbeitsverträgen, nützliche Vorgehen, muss vor dem Hintergrund der auch für das Arbeitsrecht und vorformulierte bzw. standardisierte Arbeitsverträge festgelegten sog. AGB-Kontrolle in regelmäßigen Abständen überprüft werden. Nach den strengen AGB-Vorschriften sind zwar „die im Arbeitsrecht geltenden 16 Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen“, im Einzelnen kann es infolge von Rechtsfortbildungen durch höchstrichterliche Rechtsprechung zu weitreichenden Veränderungen kommen, die bislang standardmäßig übernommene Regelungen zum Nachteil des Arbeitgebers unwirksam machen. Zudem kann der zulässige Wort­ laut von AGB für einzelne Branchen unterschiedlich sein.

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 Teil 2 Grundlagen

Praxistipp Der Inhalt vorformulierter Vertragsbedingungen sollte in regelmäßigen Abständen mit aktuellen Entwicklungen des Arbeitsrechts abgeglichen und entsprechende Anpassungen vorgenommen werden. 17 Nach der Rechtsprechung des BAG und des BVerfG1 ist der Arbeitsvertrag zudem

regelmäßig ein Verbrauchervertrag i.S.d. § 310 Abs. 3 BGB. Damit ist der Arbeit­ nehmer als Verbraucher i.S.d. § 13 BGB anzusehen. Da das Gesetz an die Verbrauchereigenschaft zahlreiche Bestimmungen knüpft, ist die Zuordnung von großer praktischer Bedeutung. Gelegentlich ist es in der Praxis notwendig, den Arbeitsvertrag von anderen pri18 vatrechtlichen Vertragstypen wie dem Dienstvertrag (§  611 ff. BGB), dem Auftrag (§§ 662 ff. BGB) oder dem Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 675 ff. BGB) abzugrenzen. Maßgeblich ist dann, ob die Tätigkeit als abhängige Arbeit oder in freier Mitarbeit erbracht werden soll und wie die tatsächliche Durchführung erfolgt.

2. Arbeitgeber

19 Anknüpfungspunkt für die Überlegung arbeitsrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten

ist klassischerweise die Feststellung der Parteien des Arbeitsverhältnisses. An deren Rolle ist die Anwendung des deutschen Arbeitsrechts gebunden und damit Fragen des materiellen Rechts oder des deutschen Prozessrechts. Doch obwohl der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmereigenschaft eine zentrale Bedeutung zukommt und sich hieraus zahlreiche Pflichten ergeben, existiert keine gesetzliche Definition beider Begriffe. Vielmehr stehen sie in einem gegenseitigen synallagmatischen Wechsel­ verhältnis. Nach allgemeinem Verständnis ist Arbeitgeber, wer kraft Arbeitsvertrag eine 20 Arbeitsleistung von einem Arbeitnehmer fordern kann und hierfür ein Arbeits­ entgelt schuldet. Neben der vertraglichen Vereinbarung kann die Arbeitgeberstellung auch Folge gesetzlicher Fiktion sein, z.B. in Fällen unzulässiger Arbeitnehmer­ überlassung2 oder über eine gesetzliche Anordnung.3 Wurde die Verpflichtung zur Lohnzahlung z.B. nicht ausdrücklich schriftlich 21 festgehalten, gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn „die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist“ (§ 612 BGB). Die konkrete Lohnhöhe ist in der Regel dem Arbeitsvertrag zu entnehmen. Finden auf das Arbeitsverhältnis tarifrechtliche Vorschriften Anwendung, sind die dort aufgenommenen Lohnregelungen maßgeblich. Gem. § 115 Abs. 1 GewO ist der Arbeitgeber

1 BAG, Urt. v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 –; BVerfG, Urt. v. 23.11.2006 – 1 BvR 1909/06 –. 2 BAG, Urt. v. 23.11.1988 – 7 AZR 34/88 –. 3 Nach Betriebsübergang i.S.d. § 613a BGB.

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A. Arbeitsrecht 

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verpflichtet, Geldlohn (Barzahlung, Scheck, Banküberweisung) als Zeit- oder Akkordlohn zu zahlen. Über das sog. Direktionsrecht (§  106 GewO) hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, die konkrete Leistungspflicht des Arbeitnehmers hinsichtlich Art, Ort und Zeit der zu erbringenden Arbeitsleistung näher zu bestimmen. Die Ausübung des Weisungsrechtes muss nach billigem Ermessen, mithin unter Beachtung, Abwägung und Berücksichtigung aller Umstände des Falles und der beiderseitigen Interessen, erfolgen. Irrelevant ist, ob eine eigenständige Betriebsstätte oder Betriebsmittel existieren. Der Arbeitgeber kann sein Weisungsrecht auch auf Dritte übertragen, ohne seine Stellung als Vertragspartei zu verlieren (z.B. Fall der gewerblichen Arbeitnehmer­ überlassung). Tatsächlich können sowohl natürliche als auch juristische Personen (GmbH, AG, e.V. usw.) oder nichtrechtsfähige Personengesamtheiten sowie privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Personen Arbeitgeber sein. Die Arbeitgebereigenschaft ist nicht an eine Rechtsform gebunden. Die Arbeitgebereigenschaft ist auch prozessual von großer Bedeutung. Erhebt der Arbeitnehmer bei fristgebundenen Angelegenheiten Klage gegen den falschen Arbeitgeber, droht z.B. der Ablauf der Klagefrist nach dem KSchG.

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3. Arbeitnehmer Die unterschiedlichen gesetzlichen Zielsetzungen bedingen es, dass der Arbeitneh- 26 merbegriff im Arbeits-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht4 keine einheitliche Legaldefinition kennt. Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist.5 Hauptverpflichtung des Arbeitnehmers ist die Erbringung der arbeitsvertrag­ 27 lich festgelegten Leistung. Sich hieraus ergebende und ebenfalls zu beachtende Nebenpflichten können Treue- und Verschwiegenheitspflichten, der pflegliche Umgang mit Materialien und Werkzeugen sowie gegenseitige Rücksichtnahme- und Schutzpflichten oder die Einhaltung eines Wettbewerbsverbotes sein. Der Arbeitnehmer schuldet keinen bestimmten Arbeitserfolg. Aber er muss 28 seine Leistung regelmäßig erbringen. Die Leistungspflicht orientiert sich dabei einerseits nach dem persönlichen subjektiven Leistungsvermögen des Arbeitnehmers und andererseits nach dem vom Arbeitgeber durch Direktionsrecht festgelegten Inhalt.

4 Zum steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Verständnis des Arbeitnehmerbegriffs siehe Erläuterungen unter B und C. 5 BAG v. 20.8.2003 – 5 AZR 610/02 –.

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 Teil 2 Grundlagen

Der Arbeitnehmer hat die Arbeitsleistung persönlich zu erbringen (§ 613 BGB). Der Grad der persönlichen Abhängigkeit unterscheidet das Arbeitsverhältnis insbesondere vom Dienstverhältnis. Anknüpfungspunkt ist § 84 Abs. 1 S. 2 HGB. Die Stellung eines Ersatzes bzw. das Weiterdelegieren der Arbeitsaufgaben, auch nur zeitweise, ist nicht zulässig. Aus diesem Grund können nur natürliche und nicht auch juristische Personen Arbeitnehmer sein. Eine Geschäftsfähigkeit des Arbeitnehmers ist nicht erforderlich. Der Arbeitnehmer muss kein unternehmerisches Risiko tragen, da er in seiner 30 Position nicht für den wirtschaftlichen Erfolg der eigenen sowie der Tätigkeit des gesamten Betriebes verantwortlich ist. Er wird unter Leitung des Arbeitgebers tätig, ist an dessen Weisungen gebunden und in dessen Betrieb eingegliedert. Unerheblich ist dagegen, ob der Arbeitnehmer auch wirtschaftlich abhängig vom Arbeitgeber ist. Die Höhe des Arbeitsentgelts oder das Verhältnis zwischen Leistungserbringung und Entlohnung sind keine maßgeblichen Kriterien zur Bestimmung der Arbeitnehmereigenschaft. 29

Praxistipp Sog. „Ein-Euro-Jobber“ sind nach ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung (§ 16d S. 2 Hs. 2 SGB II) keine Arbeitnehmer. Dies gilt auch dann, wenn sie entgegen der gesetzlichen Vorgaben der Beschäftigung eines regulären Angestellten nachgehen. 31 Von besonderer Relevanz ist die Abgrenzung der Arbeitnehmereigenschaft vom

Status der Selbstständigkeit. Da in der Praxis verschiedene Mischformen von Erwerbstätigkeit existieren, die Arbeitgeber und Auftraggeber einzelner Dienstleistungen miteinander verschwimmen lassen, kommt es nicht selten zu Fällen von Scheinselbstständigkeit, die weitreichende rechtliche Konsequenzen für die Vertragsparteien nach sich ziehen können. Typische Unterscheidungsmerkmale zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung sind im Rahmen der tatsächlichen Vertragsdurchführung die Bindung des Arbeitnehmers an die Wei­ sungen des Arbeitgebers (Direktionsrecht) sowie die Eingliederung des Arbeit­ nehmers in eine fremde Arbeitsorganisation.6 Als Gegenleistung zu den sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenen Verpflichtun32 gen hat der Arbeitnehmer das Recht auf Auszahlung des vereinbarten Lohns. Hierbei ist zu beachten, dass der Arbeitnehmer auch dann Anspruch auf Bezahlung hat, wenn der Arbeitgeber nicht in der Lage ist, ihn in vollem Umfang der arbeitsvertraglich bestimmten Arbeitszeit auszulasten, der Arbeitnehmer mithin seinen vereinbarten Leistungsverpflichtungen durch arbeitgeberseitiges Verschulden nicht in Gänze nachkommen kann.

6 Eine ausführliche Darstellung der Abgrenzungskriterien sowie eine Checkliste ist Teil 3 Kap. 35 – Selbstständige Arbeit Rn 14 zu entnehmen.

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B. Steuerrecht 

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Dem Arbeitnehmer stehen Rechte auch außerhalb des reinen Arbeitsvertrages 33 zu. Hierzu gehört z.B. das in Art. 9 Abs. 3 GG normierte Recht auf Koalitionsfreiheit, also das Recht, einer Gewerkschaft beizutreten und sich im Betrieb gewerkschaftlich zu betätigen. Weitere Rechte des Arbeitnehmers sind den gesetzlichen Vorschriften zum Urlaubsrecht, dem Entgeltfortzahlungs- oder dem Arbeitszeitgesetz zu entnehmen.

B. Steuerrecht I. Bedeutung Im Rahmen eines steuerlichen Beschäftigungsverhältnisses treffen den Arbeitgeber 34 weitreichende steuerliche Pflichten. Hierzu gehören Berechnung, Einhaltung und Abführung von Steuern auf den Arbeitslohn (Quellensteuer). Damit hat der Arbeitgeber eine hoheitliche Aufgabe zu erfüllen, nämlich das Eintreiben von Steuern, was eigentlich dem Staat obliegt. Diese Aufgabe des Arbeitgebers erstreckt sich auf die Lohnsteuer, den Solidaritätszuschlag und die Kirchenlohnsteuer.7 Schuldner der Steuer auf den Arbeitslohn ist der Arbeitnehmer. Aus diesem 35 Grund wird die Lohnsteuer häufig als kostenneutral für den Arbeitgeber betrachtet. Der Arbeitgeber haftet allerdings für die korrekte Abführung der Lohnsteuer. Die Erfahrung in der Praxis zeigt, dass die Lohnsteuer eine erhebliche und häufig unerwartete Kostenbelastung darstellt. Die Lohnsteuer wird insbesondere dann zum Kos­ tenfaktor, wenn der Rückgriff auf den Arbeitnehmer praktisch nicht mehr möglich ist, weil dieser z.B. bereits ausgeschieden ist oder weil der Arbeitgeber den Fehler bei der Lohnsteuerabführung nicht offenlegen möchte. Im Gegenzug kann die Optimierung der Lohnsteuer positiv auf die Mitarbeiterzufriedenheit wirken. Die Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug macht den Arbeitgeber zum Beteiligten 36 dieses steuerlichen Verfahrens. Damit steht ihm auch das Rechtsbehelfsverfahren offen.

II. Begrifflichkeiten 1. Arbeitgeber Die Arbeitgebereigenschaft hat eine zentrale Bedeutung im Steuerrecht, da sich 37 hieraus zahlreiche Pflichten ergeben. Trotz dieser zentralen Bedeutung enthält das EStG keine Definition des Arbeitgeberbegriffs. Die LStDV enthält lediglich eine

7 Im Jahr 2010 waren die Arbeitgeber für insgesamt knapp 128 Milliarden € Lohnsteuern verantwortlich. Quelle: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden.

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 Teil 2 Grundlagen

Definition des Arbeitnehmerbegriffs und des Dienstverhältnisses.8 Der Begriff des Arbeitgebers wird durch die Umkehrung des Arbeitnehmerbegriffs bestimmt. Danach ist derjenige Arbeitgeber, dem der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung schuldet. Darüber hinaus erteilt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Weisungen und der Arbeitnehmer wird unter der Leitung des Arbeitgebers tätig. Ein weiteres charakteristisches Merkmal ist die Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb des Arbeitgebers. Grundsätzlich verfügt ein Arbeitgeber also über einen Betrieb. Der Arbeitgeberbegriff erstreckt sich auch auf frühere Anstellungsverhältnisse (bspw. Betriebsrentner). Die lohnsteuerlichen Verpflichtungen des Arbeitgebers bleiben somit erhalten, auch wenn das Arbeitsverhältnis nicht mehr aktiv ausgeübt wird. Entscheidend für die Frage, ob ein Arbeitgeber-Arbeitnehmerverhältnis vorliegt, ist stets das Gesamtbild der Verhältnisse. Einzelne Aspekte allein führen nicht automatisch zu einer Arbeitgeberstellung. Auch die Zahlung von Arbeitslohn führt nicht zwangsläufig zu einem Arbeitsverhältnis. Dies ist bspw. der Fall beim sog. Arbeitslohn von dritter Seite. In diesem Fall steht der Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis zu einer anderen Person und der Arbeitslohn ist eine Einnahme aus diesem Arbeitsverhältnis.9 Die LStDV beschränkt sich darauf, einige Gebilde beispielhaft aufzuzählen, die Arbeitgeber sein können. Die Aufzählung ist dabei auf öffentliche Körperschaften, Unternehmer und Haushaltsvorstände begrenzt. Tatsächlich können sowohl natür­ liche Personen (Einzelunternehmer, Haushaltsvorstände usw.) als auch juristische Personen (GmbH, AG, e.V. usw.) Arbeitgeber sein. Darüber hinaus kann auch eine Personenvereinigung (GbR, OHG, KG usw.) Arbeitgeber sein. Es kann somit auf die Rechtsform des Arbeitgebers nicht ankommen. Auch Gebilde, die zivilrechtlich keine eigene Rechtspersönlichkeit haben, kommen als Arbeitgeber in Frage. Sogar ein Arbeitnehmer kann gleichzeitig Arbeitgeber sein, wenn er z.B. selbst in seinem Privathaushalt eine Haushaltshilfe beschäftigt oder nebenberuflich selbstständig tätig ist. Die Einkommensteuer auf steuerpflichtigen Arbeitslohn wird in Deutschland durch Abzug vom Lohn erhoben (Lohnsteuer). Zur Einbehaltung dieser Lohnsteuer ist allerdings nur ein inländischer Arbeitgeber verpflichtet.10 Dies bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass Arbeitslohn von einem ausländischen Arbeitgeber in Deutschland automatisch steuerfrei gestellt wird. Fehlt es bei steuerpflichtigem Arbeitslohn an einem zum Lohnsteuereinbehalt verpflichteten Arbeitgeber, dann ist der Arbeitnehmer selbst verpflichtet, diese Einkünfte gegenüber dem Finanzamt zu

8 § 1 Abs. 2 LStDV. Siehe auch: R 19.1 LStR. 9 Siehe hierzu Rn 75. 10 § 38 Abs. 1 S. 1 EStG.

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B. Steuerrecht 

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erklären und die darauf entfallende Steuer zu entrichten. Ein Arbeitgeber ist inländischer Arbeitgeber und damit zur Abführung von Lohnsteuer verpflichtet, wenn er seinen Sitz, Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder seine Geschäftsleitung im Inland hat. Darüber hinaus gilt auch ein ausländischer Arbeitgeber, der im Inland über eine 44 Betriebsstätte oder einen ständigen Vertreter verfügt, als inländischer Arbeitgeber. Der Betriebsstättenbegriff und der Begriff des ständigen Vertreters ergeben sich aus der Abgabenordnung.11 Bei einer Betriebsstätte handelt es sich in der Regel um eine feste Einrichtung, 45 durch die ein Unternehmen sein Geschäft betreibt. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass eine solche feste Einrichtung über eine ausreichende Organisation verfügt, um der Lohnsteuerverpflichtung nachzukommen. Praxistipp Schaut man sich aber das Spektrum der Betriebsstätten an, stellt man fest, dass auch Bauausführungen, Montagen oder Landungsbrücken den Betriebsstättenbegriff erfüllen können. In der Praxis ergeben sich daher Fälle, in denen der Arbeitgeber organisatorisch nicht in der Lage ist, das Lohnsteuerverfahren durchzuführen.

Einen Sonderfall stellt der internationale Arbeitnehmerverleih dar. Der auslän- 46 dische Verleiher wird selbst dann als inländischer Arbeitgeber behandelt, wenn die vorgenannten Bedingungen nicht erfüllt sind, er also nicht Sitz, Geschäftsleistung oder Betriebsstätte im Inland unterhält. Voraussetzung ist lediglich, dass im Inland gewerbsmäßig Arbeitnehmer überlassen werden.12 Im Fall des internationalen Mitarbeitereinsatzes (Entsendung) gilt das aufneh- 47 mende inländische Unternehmen als Arbeitgeber. Voraussetzung ist hierbei, dass der Arbeitnehmer für das inländische Unternehmen tätig ist und das Gehalt von diesem Unternehmen wirtschaftlich getragen wird. Ausdrücklich kommt es nicht darauf an, welches Unternehmen den Arbeitslohn zahlt bzw. vertraglich verpflichtet ist, das Gehalt auszuzahlen. In diesem Zusammenhang spricht man vom sog. wirtschaftlichen Arbeitge­ 48 berbegriff. Dieser Begriff spielt eine wichtige Rolle im internationalen Steuerrecht. So ist z.B. der Begriff des Arbeitgebers i.S.d. Doppelbesteuerungsabkommens ebenfalls wirtschaftlich auszulegen. In das deutsche Einkommensteuerrecht wurde dieser Begriff übernommen, um Steuerausfälle zu vermeiden. Vorher konnte der Betriebsprüfer vom Finanzamt nur für die Vergangenheit feststellen, dass ein ausländischer Arbeitnehmer in Deutschland steuerpflichtig geworden ist. Zu diesem Zeitpunkt hatten die betroffenen Arbeitnehmer häufig schon das Land verlassen. Es käme somit

11 §§ 12, 13 AO. 12 § 38 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG.

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 Teil 2 Grundlagen

regelmäßig zu einem Steuerausfall, wenn das deutsche Unternehmen nicht für die Lohnsteuer in Haftung genommen werden kann. Praxistipp Deutsche Unternehmen, die Arbeitnehmer ausländischer Konzerngesellschaften im Inland einsetzen, sollten prüfen, ob sie wirtschaftlicher und damit zum Lohnsteuereinbehalt verpflichteter Arbeitgeber der Arbeitnehmer geworden sind. Der Betriebsprüfer stellt solche Fälle in der Regel nur rückwirkend fest, wenn die betroffene Person schon wieder das Land verlassen hat. In diesen Fällen wird ein Rückgriff auf den Arbeitnehmer in der Regel praktisch nicht möglich sein, wodurch Kosten für den Arbeitgeber entstehen.13

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2. Arbeitnehmer a) Begriff Im Gegensatz zum Arbeitgeberbegriff enthält das Steuerrecht eine eigenständige Definition, welche Person als Arbeitnehmer zu behandeln ist.14 Danach ist ein Arbeitnehmer eine Person, die im öffentlichen oder privaten Dienst beschäftigt ist und hierfür Arbeitslohn bezieht. Die steuerliche Definition erstreckt sich zusätzlich auf frühere Beschäftigungsverhältnisse und erfasst somit z.B. auch Betriebsrentner. Normalerweise ist davon auszugehen, dass es in der Praxis keine Abweichung beim Arbeitnehmerbegriff zwischen Arbeitsrecht und Steuerrecht gibt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist auch aus steuerlicher Sicht nicht erforderlich, um ein Arbeitsverhältnis zu begründen. Entscheidende Bedeutung haben die tatsächlichen Umstände des Einzelfalles. Arbeitsverträge sehen teilweise vor, dass der Arbeitgeber in Abhängigkeit vom letzten monatlichen Arbeitslohn eine Zahlung an den Hinterbliebenen leistet, wenn der Arbeitnehmer während des aktiven Arbeitsverhältnisses verstirbt. Das Steu­ errecht enthält in diesem Zusammenhang eine Besonderheit. Der Rechtsnachfolger des verstorbenen Arbeitnehmers, also der Erbe, wird auch als Arbeitnehmer behandelt. Aus diesem Grund musste der Hinterbliebene in der Vergangenheit eine Lohnsteuerkarte beim Arbeitgeber des Verstorbenen einreichen und zukünftig dem elektronischen Abruf der steuerlichen Merkmale zustimmen. Der Arbeitnehmer schuldet dem Arbeitgeber höchstpersönlich seine Arbeitskraft. Somit können nur natürliche Personen Arbeitnehmer sein. Juristische Personen scheiden als Arbeitnehmer aus. Die Arbeitnehmer können die Verpflichtung zur Arbeitsleistung auch nicht delegieren. Eine Geschäftsfähigkeit des Arbeitnehmers ist nicht erforderlich.

13 Weitere Informationen hierzu finden Sie in Teil 3 Kap. 12 – Entsendungen. 14 § 1 Abs. 1 LStDV.

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B. Steuerrecht 

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Ein weiteres charakteristisches Merkmal für einen Arbeitnehmer ist, dass kein 53 unternehmerisches Risiko übernommen wird, da der Arbeitnehmer nicht für den wirtschaftlichen Erfolg seiner Tätigkeit verantwortlich ist. Aus den vorgenannten Erläuterungen zum Arbeitgeberbegriff lassen sich zusätz- 54 lich weitere Kriterien ableiten, die für eine Arbeitnehmereigenschaft sprechen. Dazu gehören unter anderem, dass der Arbeitnehmer unter der Leitung des Arbeitgebers tätig wird, an die Weisungen des Arbeitgebers gebunden und er in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert ist. Sofern Arbeitgeber und Arbeitnehmer nahe Angehörige sind, kann trotzdem ein 55 Arbeitsverhältnis vorliegen. Ein solches Arbeitsverhältnis wird allerdings nur anerkannt, wenn es wie zwischen Fremden üblich abgeschlossen und tatsächlich auch durchgeführt wird.15

b) Steuerpflicht Bei Arbeitnehmern wird, wie bei allen Personen, zwischen unbeschränkter und 56 beschränkter Steuerpflicht in Deutschland unterschieden. Unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich grundsätzlich auf die weltweiten Einkünfte. Das bedeutet, eine unbeschränkt steuerpflichtige Person unterliegt in Deutschland mit ihren inund ausländischen Einkünften der Besteuerung in Deutschland. Unbeschränkt steuerpflichtig ist eine Person, die über einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland verfügt. Einen Wohnsitz unterhält eine Person dort, wo sie eine Wohnung unter 57 Umstände innehat, die darauf schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird.16 Eine Wohnung im steuerlichen Sinne liegt vor, wenn Räumlichkeiten vorhanden sind, die zum dauerhaften Wohnen geeignet sind. Die Person muss die Wohnung innehaben. Das bedeutet, die Wohnung muss zur jederzeitigen Nutzung zur Verfügung stehen und die Person muss das Recht zur Nutzung haben. Es besteht die Möglichkeit, über mehrere Wohnsitze in diesem Sinne zu verfügen. Die Meldung beim Einwohnermeldeamt hat lediglich eine Indizwirkung. Entscheidend sind die tatsächlichen Umstände. Daraus ergibt sich auch, dass die unbeschränkte Steuerpflicht nicht durch Abmeldung oder eine andere Willenserklärung aufgegeben werden kann. Der gewöhnliche Aufenthalt befindet sich dort, wo die betreffende Person sich 58 nicht nur vorübergehend aufhält.17 Was darunter zu verstehen ist, ist nicht genau im Gesetz definiert. Die Abgabenordnung sagt lediglich, dass ein zusammenhängender

15 Eine Checkliste zur Überprüfung des Arbeitnehmerstatus findet sich in Teil 3 Kap. 14 – Freelancer Rn 38. 16 § 8 AO. 17 § 9 AO.

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 Teil 2 Grundlagen

Aufenthalt von mehr als 6 Monaten stets einen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Kurzfristige Unterbrechungen bleiben dabei unberücksichtigt. Auch kürzere Aufenthalte können zu einem gewöhnlichen Aufenthalt führen, wenn mehrere Auf­ enthalte im Inland in einem sachlichen Zusammenhang stehen. Beschränkte Steuerpflicht liegt vor, wenn kein Wohnsitz oder gewöhnlicher 59 Aufenthalt im Inland besteht und inländische Einkünfte vorliegen. Unter welchen Voraussetzungen Einkünfte als inländisch gelten, wird jeweils pro Einkommensart vom Steuerrecht separat definiert. 60 Arbeitslöhne stellen inländische Einkünfte dar, wenn: –– die Tätigkeit im Inland ausgeübt oder verwertet wird, –– sie aus einer inländischen öffentlichen Kasse gewährt werden, –– sie eine Vergütung für eine Tätigkeit als Geschäftsführer, Prokurist oder Vorstandsmitglied einer Gesellschaft mit Geschäftsleitung in Deutschland darstellen, –– eine Abfindung für eine in der Vergangenheit in Deutschland ausgeübten Tätigkeit gezahlt wird oder –– sie für eine Tätigkeit an Bord eines im internationalen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeuges gewährt werden, wenn das Luftfahrzeug von einem Unternehmen mit Geschäftsleitung in Deutschland betrieben wird.18 61 Die Ausübung der Tätigkeit erfolgt dort, wo der Arbeitnehmer sich bei der Tätigkeit tatsächlich aufhält. Für den Ort der Tätigkeit spielt es somit keine Rolle, in wessen Auftrag oder unter wessen Weisung der Arbeitnehmer tätig wird.

c) Lohnsteuer

62 Die Lohnsteuer ist eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer. Das

bedeutet, bei der Lohnsteuer handelt es sich um eine an der Quelle (Lohnzahlung) erhobene Einkommensteuer. Daraus ergibt sich auch, dass eine Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug nur vorliegen kann, wenn der Arbeitnehmer bzw. der Arbeitslohn der deutschen Einkommensteuer unterliegt. Da es sich bei der Lohnsteuer lediglich um eine besondere Erhebungsform der 63 Einkommensteuer handelt, ergibt sich die Höhe der Steuer nach den Tarifvorschrif­ ten des Einkommensteuergesetzes. Damit die einbehaltene Lohnsteuer möglichst der final zu veranlagenden Einkommensteuer entspricht, werden die Arbeitnehmer je nach persönlicher Situation in eine Lohnsteuerklasse eingruppiert. Hierzu stehen sechs Steuerklassen zur Verfügung. Die Steuerklassen III bis V sind dabei für Ehegatten vorgesehen. Seit 2010 steht Ehegatten zusätzlich das Faktorverfahren zur Ver-

18 § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG.

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B. Steuerrecht 

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fügung. Dadurch soll die Lohnsteuerbelastung besser an die individuellen Verhältnisse der Eheleute angepasst werden.19 Eine Lohnsteuerkarte wurde zuletzt für das Jahr 2010 von der Gemeinde aus- 64 gestellt. Ab dem Jahr 2013 ruft der Arbeitgeber die lohnsteuerlich relevanten Merkmale elektronisch ab. Aufgrund technischer Schwierigkeiten war eine Einführung früher nicht möglich. Der Start des Abrufverfahrens wurde daher verschoben. Für das Abrufverfahren hat der Arbeitnehmer seine Identifikationsnummer dem Arbeitgeber bekannt zu geben. Die abgerufenen Merkmale enthalten neben der Lohnsteuerklasse Informationen über Kirchensteuerpflicht, Kinderfreibeträge und sonstige Freibeträge. Mit den sonstigen Freibeträgen kann der Arbeitnehmer bereits im Lohnsteuerverfahren bestimmte steuermindernde Tatsachen berücksichtigen lassen (z.B. Verluste aus anderen Einkommensarten, Werbungskosten oberhalb des Pauschbetrages).

3. Arbeitslohn Alle Einnahmen, die einem Arbeitnehmer im Rahmen seines Beschäftigungsverhältnisses zufließen, stellen Arbeitslohn dar. Es muss sich dabei um eine Gegenleistung für die dem Arbeitgeber erbrachte Arbeitsleistung handeln. Dabei spielt es keine Rolle, unter welcher Bezeichnung und in welcher Form der Arbeitslohn gewährt wird.20 Dies gilt sowohl für gegenwärtige als auch für frühere Dienstverhältnisse. Das EStG führt ausdrücklich Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile auf. Die LStDV fasst unter diese Begriffe auch Einnahmen im Hinblick auf ein zukünftiges Dienstverhältnis. Der Begriff des Arbeitslohns ist also sehr weit gefasst. Entscheidend ist die Frage, ob der Arbeitnehmer durch die Gewährung des Arbeitslohnes bereichert wird. Darüber hinaus werden nur Einnahmen als Arbeitslohn erfasst, die dem Arbeitnehmer auch tatsächlich zufließen. Nicht zum Arbeitslohn gehören Leistungen, die in ganz überwiegendem eigenem Interesse des Arbeitgebers gewährt werden. Auch Aufmerksamkeiten gehören nicht zum Arbeitslohn. Darüber hinaus gewährt das Steuerrecht eine Befreiung für genau definierte Einnahmen wie z.B. Erstattung von Reise- und Umzugskosten usw.21 Arbeitslohn kann in Barlohn oder als Sachbezug (geldwerter Vorteil) gewährt werden. Für die Frage, ob Arbeitslohn vorliegt, ist es unerheblich, ob laufende oder einmalige Zahlungen vorliegen. Ein Rechtsanspruch auf die Zahlung ist ebenso wenig erforderlich.

19 Vgl. hierzu auch Teil 3 Kap. 37 – Teilzeitarbeit. 20 Vgl. § 2 Abs. 1 LStDV. 21 § 3 Nr. 16 EStG.

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Sofern Barlohn gewährt wird, besteht keine Schwierigkeit, den Wert des Arbeitslohns festzustellen. Schwieriger wird es, wenn ein Sachbezug vorliegt. Der kann entstehen, in dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Gegenstand übereignet oder zur Nutzung überlässt. Sofern der Arbeitnehmer dafür an den Arbeitgeber keinen marktüblichen Preis zahlt, entsteht ein Vorteil, der durch das Arbeitsverhältnis veranlasst ist. Zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer können neben dem Arbeitsverhältnis weitere Rechtsbeziehungen bestehen, die keinen Einfluss auf den Arbeitslohn haben. So kann der Arbeitnehmer z.B. Waren des Arbeitgebers kaufen oder Gegenstände mieten. Sofern diese Rechtsgeschäfte nicht wie zwischen Fremden abgewickelt werden, ist stets zu prüfen, ob (ggf. zusätzlich zum gezahlten Preis) ein durch das Arbeitsverhältnis veranlasster Vorteil entsteht. Die Bewertung des geldwerten Vorteils erfolgt grundsätzlich mit dem üblichen Endpreis am Abgabeort.22 Eine pauschale Ermittlung des geldwerten Vorteils ist z.B. für die private Nutzung eines Firmenwagens vorgesehen. Der Vorteil wird prozentual aus dem Listenpreis des Fahrzeugs ermittelt. Sachbezüge bleiben steuerlich außer Ansatz, wenn die Vorteile insgesamt 44 € pro Kalendermonat nicht übersteigen.23 Bezieht der Arbeitnehmer Waren oder Dienstleistungen seines Arbeitgebers, die dieser üblicherweise vertreibt, wird ein Abschlag von 4 % auf den üblichen Verkaufspreis gewährt. Die Differenz zwischen diesem Wert und dem vom Arbeitnehmer gezahlten Preis stellt den geldwerten Vorteil dar. Solche geldwerte Vorteile bleiben bis zu 1.080 € pro Jahr steuerfrei.24 Arbeitslohn, der in einer fremden Währung gewährt wird, die frei handelbar ist, stellt keinen Sachbezug, sondern Barlohn dar. Die Umrechnung erfolgt zum amt­ lichen Referenzkurs der Europäischen Zentralbank zum Zuflusszeitpunkt. Es ist nicht erforderlich, dass der Barlohn direkt an den Arbeitnehmer ausgezahlt wird. Auch eine Zahlung an einen Dritten kann eine Bereicherung des Arbeitnehmers darstellen. Leistet der Arbeitgeber z.B. an eine Versicherung und der Arbeitnehmer erlangt einen direkten Anspruch gegenüber der Versicherung, so ist der Arbeitnehmer durch diese Zahlung bereichert. Zahlungen an den Arbeitnehmer, die nicht vom Arbeitgeber vorgenommen werden, können als Arbeitslohn der Beschäftigung zuzurechnen sein. Man spricht von unechter Lohnzahlung eines Dritten, wenn der Dritte als Zahlstelle des Arbeitgebers fungiert. Da in diesem Fall der Dritte vom Arbeitgeber beauftragt wird, ist der

22 Ggf. gemindert um übliche Preisnachlässe, § 8 Abs. 2 EStG. 23 § 8 Abs. 2 S. 9 EStG. 24 § 8 Abs. 3 EStG. In bestimmten Fällen ist hier auf Antrag eine pauschale Versteuerung nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG möglich.

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Arbeitgeber weiterhin derjenige, der den Lohn auszahlt. Daher ergibt sich in diesem Fall keine Besonderheit bei der Verpflichtung, Lohnsteuer einzubehalten.25 Eine echte Lohnzahlung Dritter ist gegeben, wenn ein Dritter dem Arbeitnehmer 76 einen Vorteil zuwendet und dieser Vorteil ein Entgelt für eine im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses erbrachte Leistung darstellt. Zu solchen Situationen kommt es z.B., wenn ein Unternehmen Vorteile an Arbeitnehmer von Kunden oder Lieferanten gewährt. Darüber hinaus kann Lohn von dritter Seite auch dann entstehen, wenn der Arbeitgeber an Rahmenverträgen mitwirkt, die den Mitarbeiter Rabatte gewähren. In diesem Fall kann der Rabatt zu einem geldwerten Vorteil führen, der von einem Dritten gewährt wird. Obwohl ein anderer als der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Vorteil zuwen- 77 det, besteht für den Arbeitgeber die Verpflichtung, die Lohnsteuer auf diesen Vorteil einzubehalten. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber weiß oder erkennen kann, dass solche Vorteile gewährt werden. Ist der Dritte ein verbundenes Unternehmen des Arbeitgebers i.S.v. § 15 AG, dann wird eine ausreichende Kenntnis unterstellt. Der Arbeitnehmer ist gesetzlich verpflichtet, den Arbeitgeber über Lohn von 78 dritter Seite zu informieren. Die Information hat monatlich zu erfolgen. Sofern der Arbeitnehmer seiner Verpflichtung nicht nachkommt, hat der Arbeitgeber das Finanzamt hierüber zu informieren.26 Das Finanzamt fordert die zu wenig erhobene Lohnsteuer direkt beim Arbeitnehmer nach.27 Praxistipp Die Arbeitnehmer sollten darauf hingewiesen werden, dass sie ihren Arbeitgeber über Lohn von dritter Seite zu informieren haben. Unternehmen sollten prüfen, ob sie Vorteile an Personen gewähren, die nicht eigene Arbeitnehmer sind. Organisatorische Vorkehrungen sind zu treffen, wenn Lohn durch Dritte üblich, aber schwer festzustellen ist (bspw. Trinkgelder).

III. Pflichten des Arbeitgebers 1. Melde- und Aufzeichnungspflichten Im Rahmen des Lohnsteuerverfahrens wurden dem Arbeitgeber umfassende Pflich- 79 ten auferlegt. Die Pflichten ergeben sich aus dem EStG und damit verbundenen Vorschriften.28 Eine Verpflichtung zur Einhaltung von Lohnsteuer ergibt sich immer dann, wenn der Arbeitslohn vom sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des EStG erfasst wird. Allein die Tatsache, dass der Arbeitgeber seinen Sitz oder seine

25 R 38.4 Abs. 1 LStR. 26 § 38 Abs. 4 S. 3 EStG. 27 § 38 Abs. 4 S. 4 EStG. 28 §§ 38, 39b – 42d EStG.

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 Teil 2 Grundlagen

Geschäftsleitung in Deutschland hat, kann nicht zur Lohnsteuereinbehaltungspflicht führen. Für jeden Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber ein Lohnkonto zu führen. In diesem Lohnkonto sind zunächst die Grunddaten des Arbeitnehmers aufzunehmen.29 Darüber hinaus ist jede Lohnzahlung zur erfassen. Die Lohnzahlung ist getrennt nach Barlohn und Sachbezügen aufzuzeichnen. Die Sachbezüge sind im Lohnkonto einzeln unter Angabe des Abgabetages bzw. -zeitraumes zu bezeichnen. Der Wert des Sachbezuges ist ebenfalls anzugeben.30 Neben den Grunddaten benötigt der Arbeitgeber die sog. Lohnsteuerabzugs­ merkmale, um die individuelle Lohnsteuer des Arbeitnehmers berechnen zu können. Die Lohnsteuerabzugsmerkmale sind die Steuerklasse, Zahl der Kinder­ freibeträge, die Freibeträge und das Kirchensteuermerkmal. In der Vergangenheit hat der Arbeitgeber diese Daten der Lohnsteuerkarte entnommen. Ab dem Jahr 2013 sind diese Daten zum elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmal (ELStAM) in einer Datenbank der Finanzverwaltung zusammengefasst worden. Zu Beginn einer Beschäftigung teilt der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber sein Geburtsdatum und seine steuerliche Identifikationsnummer mit. Mit diesen Daten ist der Arbeitgeber in der Lage, die Lohnsteuerabzugsmerkmale abzurufen. Änderungen der Merkmale, wie z.B. eine Änderung des Freibetrages, sind vom Arbeitnehmer beim Finanzamt zu beantragen.31 Die vom Arbeitgeber anhand der Lohnsteuerabzugsmerkmale ermittelte Lohnsteuer ist vom Arbeitslohn des Arbeitnehmers einzubehalten. Die gesamte für alle Arbeitnehmer einbehaltene Lohnsteuer ist spätestens am zehnten Tag nach Ablauf des Lohnsteuer-Anmeldezeitraums an das Betriebsstättenfinanzamt zu überweisen. Lohnsteuer-Anmeldezeitraum ist grundsätzlich der Kalendermonat. Ein längerer Zeitraum ist anzuwenden, wenn die abzuführende Lohnsteuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 4.000 € betragen hat. Neben der Überweisung hat der Arbeitgeber eine elektronische LohnsteuerAnmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz an das Finanzamt zu übermitteln. Die Lohnsteuer-Anmeldung ist ebenfalls spätestens bis zum zehnten Tag nach Ablauf des Lohnsteuer-Anmeldezeitraums abzugeben. Der Arbeitgeber haftet für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Zusätzlich haftet er für Lohnsteuer, die verkürzt wird, weil er im Lohnkonto oder

29 Hierzu gehören z.B. Vorname, Familienname, Geburtstag, Wohnort, Freibetrag usw. Vgl. § 4 Abs. 1 LStDV. 30 § 4 Abs. 2 LStDV. 31 Die Einführung des ELStAM-Verfahrens hat sich immer wieder verzögert. Zuletzt hat das BMF mit Schreiben vom 6.12.2011 den Einsatz des Verfahrens mit Wirkung für den 1.1.2013 angekündigt – AZ: IV C5 – S 2363/07/0002-03 –. Lohnsteuerkarten wurden letztmalig für das Jahr 2010 ausgestellt. Für den Übergangszeitraum ist die Lohnsteuerkarte 2010 zu verwenden oder eine Ersatzbescheinigung beim Finanzamt zu beantragen.

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B. Steuerrecht 

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einer Lohnsteuerbescheinigung fehlerhafte Angaben gemacht hat.32 Arbeitgeber und Arbeitnehmer haften als Gesamtschuldner. Das bedeutet, das Finanzamt kann nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob es den Arbeitgeber oder den Arbeitnehmer in Haftung nimmt. Um den Arbeitgeber mit den komplizierten Pflichten und Haftungsrisiken nicht 86 alleine zu lassen, hat man ein Auskunftsrecht gegenüber dem Finanzamt eingeräumt. Auf Anfrage eines Beteiligten, also entweder des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers, hat das Betriebsstättenfinanzamt Auskunft darüber zu erteilen, ob und inwieweit im konkreten Einzelfall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind.33 Praxistipp Haftungsrisiken lassen sich in Zweifelsfällen minimieren, indem man das Finanzamt auffordert, eine verbindliche Aussage zur Lohnsteuerpflicht zu treffen. Eine solche Anrufungsauskunft ist in freier Form an das Betriebsstättenfinanzamt zu richten.

2. Korrektur der Lohnsteuer Stellt der Arbeitgeber fest, dass er zu viel oder zu wenig Lohnsteuer einbehalten hat, 87 so kann mit der jeweils nächsten Lohnzahlung Lohnsteuer erstattet oder nachträglich einbehalten werden. Erstattungen werden dabei mit der Lohnsteuer des laufenden Monats für die restlichen Arbeitnehmer verrechnet. Reicht die restliche Lohnsteuer dafür nicht aus, wird der Differenzbetrag durch das Betriebsstättenfinanzamt auf Antrag erstattet.34 Nach Ablauf des Kalenderjahres oder nach Beendigung des Beschäftigungsver- 88 hältnisses ist eine Korrektur der Lohnsteuer nur solange möglich, wie die Lohnsteuerbescheinigung noch nicht an das Finanzamt übermittelt worden ist. In den Fällen, in denen der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht nachträglich einbe- 89 halten kann, hat der Arbeitgeber eine Meldung an das Betriebsstättenfinanzamt zu erstatten.35 Das Finanzamt fordert die Lohnsteuer dann direkt beim Arbeitnehmer an. Der Arbeitgeber wird durch diese Meldung grundsätzlich von seiner Haftung befreit.

32 § 42d Abs. 1 EStG. 33 § 42e EStG. 34 § 41c Abs. 1 und 2 EStG. 35 Dies betrifft z.B. Fälle, in denen der Mitarbeiter bereits ausgeschieden oder die Lohnsteuerbescheinigung bereits übermittelt ist, vgl. § 41c Abs. 4 EStG.

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 Teil 2 Grundlagen

3. Lohnsteuerjahresausgleich

90 Für Arbeitnehmer, die unbeschränkt steuerpflichtig sind, kann der Arbeitgeber einen

Lohnsteuerjahresausgleich durchführen. Voraussetzung ist, dass die Arbeitnehmer das gesamte Kalenderjahr in einem Dienstverhältnis gestanden haben. Es besteht eine Verpflichtung zur Durchführung des Lohnsteuerjahresausgleichs, wenn am 31.12. des betroffenen Jahres mindestens zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden.36 Beim Lohnsteuerjahresausgleich wird die Jahreslohnsteuer anhand des im Jahr 91 insgesamt zugeflossenen Arbeitslohns ermittelt. Diese Lohnsteuer wird verglichen mit der Summe der in den jeweiligen Monaten bereits einbehaltenen Lohnsteuer. Differenzen zugunsten des Arbeitnehmers werden vom Arbeitgeber erstattet.37

4. Lohnsteuer-Außenprüfung

92 Die ordnungsgemäße Abführung der Lohn-, Kirchenlohnsteuer und des Solidari-

tätszuschlages wird regelmäßig durch Lohnsteuer-Außenprüfungen überwacht. Auf Wunsch des Arbeitgebers wird die Lohnsteuer-Außenprüfung zeitgleich mit der sozi­ alversicherungsrechtlichen Betriebsprüfung durchgeführt.38 Mindestens zwei Wochen vor der Prüfung erhält der Arbeitgeber eine schriftliche 93 Prüfungsanordnung. Dem Prüfer ist daraufhin Zugang zu den Geschäftsräumen zu gewähren und ein Arbeitsplatz kostenlos zur Verfügung zu stellen. Zusätzlich zu den Lohnunterlagen ist dem Prüfer Einblick in die Geschäftsbücher, Sachkon­ ten und sonstigen Unterlagen zu gewähren. Der Arbeitgeber hat über alle für das Unternehmen tätigen Personen Auskünfte zu erteilen, soweit sie für lohnsteuerliche Zwecke erforderlich sind. Die Arbeitnehmer selber sind ebenfalls zur Auskunft verpflichtet. Elektronisch aufbewahrte Dokumente sind für den Prüfer lesbar zu machen. 94 Außerdem hat der Prüfer das Recht, Einsicht in gespeicherte Daten zu nehmen und das EDV-System des Arbeitgebers zu nutzen.39 Der Arbeitgeber ist über festgestellte Sachverhalte während der Prüfung zu 95 unterrichten. Zusätzlich besteht ein Recht auf eine Schlussbesprechung.40 Das Ergebnis ist in einem schriftlichen Prüfungsbericht zusammenzufassen. Auf Antrag erhält der Arbeitgeber den Prüfungsbericht vorab, damit er dazu Stellung nehmen kann.41

36 § 42b Abs. 1 EStG. 37 Differenzen ergeben sich z.B. bei schwankendem Entgelt durch unterschiedliche Steuerprogressionen in den einzelnen Monaten. 38 § 42f Abs. 4 EStG. 39 Näheres hierzu hat das BMF geregelt in den „Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU)“. Vgl. BMF vom 16.7.2001 – Az: IV D 2 – S-0316 – 136/01 –. 40 § 201 Abs. 1 S. 1 AO. 41 § 202 Abs. 2 AO.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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C. Sozialversicherungsrecht I. Bedeutung Die gesetzliche Sozialversicherung in Deutschland bietet eine finanzielle Absicherung für unterschiedliche Risiken des alltäglichen Lebens. Sie ist als Solidargemein­ schaft konzipiert und erfasst die Risiken Krankheit, Betriebsunfälle, Alter, Arbeitslosigkeit und Pflegebedürftigkeit.42 Der Zugang zu dieser Solidargemeinschaft wird über Versicherungspflicht und Versicherungsberechtigung gesteuert. Für jeden Zweig der Sozialversicherung legt der jeweilige Teil des Sozialgesetzbuches fest, welche Personengruppe versicherungspflichtig ist. Liegt Versicherungspflicht vor, wird die betroffene Person zwangsweise der Solidargemeinschaft zugeführt. In bestimmten Ausnahmefällen besteht die Möglichkeit, sich von dieser Versicherungspflicht befreien zu lassen. Der Zugang zur Sozialversicherung steht nicht allen offen. Die Versicherungspflicht stellt den Standardzugang zur Absicherung dar. Daneben wird für konkret definierte Personengruppen ein freiwilliges Beitrittsrecht eingeräumt. In diesem Fall spricht man von Versicherungsberechtigung. Die Finanzierung der Sozialversicherung erfolgt überwiegend durch Beiträge ihrer Mitglieder. Zusätzlich entsteht bei Beschäftigungsverhältnissen auch eine Beitragspflicht des Arbeitgebers. Die Beiträge zur Unfallversicherung trägt der Arbeit­ geber allein. Zusätzlich besteht für Arbeitgeber eine Umlagepflicht nach dem AAG. Diese Umlageversicherung erstattet dem Arbeitgeber 80 % der Aufwendungen für die Lohnund Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall (U1) und in voller Höhe den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld (U2).43 Als drittes wird noch eine Umlage zur Finanzierung des Insolvenzgeldes grundsätzlich von allen Arbeitgebern erhoben.44 Der Beitrag zur Umlage richtet sich nach den Arbeitsentgelten, für die Rentenversicherungsbeiträge zu entrichten sind oder bei Versicherungspflicht zu entrichten wäre und ist vom Arbeitgeber alleine zu tragen.

42 Im Rahmen dieser Darstellungen wird zur Vereinfachung das Recht der Arbeitsförderung, das im SGB III geregelt ist, als Teil bzw. Zweig der Sozialversicherung behandelt. Sofern Besonderheiten für die Arbeitsförderung zu berücksichtigen sind, wird gesondert darauf hingewiesen. 43 Zur U1 werden nur Arbeitgeber herangezogen, die nicht mehr als 30 Arbeitnehmer (ohne Auszubildende) beschäftigen. Die U2 ist für alle Arbeitgeber verpflichtend. Im Rahmen der U2 wird auch das Arbeitsentgelt und die darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge erstattet, das nach § 11 MuschG bei Beschäftigungsverboten gezahlt wird, vgl. § 1 AAG. 44 §§ 358 bis 362 SGB III. Ausgenommen von der Umlagepflicht sind Arbeitgeber, die nicht insolvenzfähig sind (z.B. Bund, Länder und Gemeinden). Der Beitragssatz beträgt im Jahr 2012 0,04 %.

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II. Begrifflichkeiten 1. Beschäftigungsverhältnis Arbeitnehmer gehören zu den Personen, die versicherungspflichtig sind und somit zwangsweise unter den Schutz der Sozialversicherung gestellt werden. Für jeden Zweig in der Sozialversicherung wird separat definiert, wann Versicherungspflicht eintritt. Bei Arbeitnehmern wird für die Versicherungspflicht vorausgesetzt, dass sie gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind.45 Die Zahlung von Arbeitsentgelt allein reicht also nicht aus, um Sozialversicherungspflicht entstehen zu lassen. Hier kann man einen deutlichen Unterschied zum Steuerrecht erkennen. Im Steuerrecht werden möglichst alle Zahlungen, die Arbeitsentgelt darstellen, der Steuerpflicht unterworfen. Keine Rolle spielt dabei, ob es sich um ein zukünftiges, aktuelles oder vergangenes Beschäftigungsverhältnis handelt. In der Sozialversicherung wird abgewogen, wem man Zugang zur finanziellen Absicherung gewähren will. Das Beschäftigungsverhältnis ist damit ein zentraler Begriff in der Sozialver­ sicherung. Alle Zweige knüpfen an die Beschäftigung als Voraussetzung für Versicherungspflicht an, wobei die Zahlung von Arbeitsentgelt grundsätzlich vorausgesetzt wird. Dauert ein Beschäftigungsverhältnis an, ohne das Arbeitsentgelt gezahlt wird (z.B. im Fall von unbezahltem Urlaub), gilt das Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für bis zu einem Monat als fortbestehend.46 Durch diese Regelung soll verhindert werden, dass Arbeitnehmer aufgrund von kurzfristigen Unterbrechungen bei der Arbeitsentgeltzahlung in der Sozialversicherung schutzlos gestellt werden. Diese Regelung gilt nicht, sofern Sozialleistungen wie z.B. Krankengeld bezogen werden. In diesem Fall erfolgt eine Absicherung durch die Sozialleistung.47 Bei der Anwendung von Arbeitszeitenkonten ergeben sich weitere Besonderheiten.48 Nach dem Territorialitätsprinzip werden nur die Beschäftigungsverhältnisse erfasst, die innerhalb des Geltungsbereiches des SGB, also innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, ausgeübt werden. Auf den Sitz des Arbeitgebers oder den Ort der Gehaltsabrechnung kommt es dabei nicht an.49 Das SGB IV definiert die Beschäftigung als nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine

45 Bsp.: § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V „Versicherungspflichtig sind Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind.“ § 1 Nr. 1 SGB VI „Versicherungspflichtig sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind.“ 46 § 7 Abs. 3 S. 1 SGB IV. 47 § 7 Abs. 3 S. 3 SGB IV. 48 Vgl. Teil 3 Kap. 23 – Lebensarbeitszeitkonten. 49 § 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV, vgl. dazu auch Teil 3 Kap. 12 – Entsendung.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.50 Ein wirksames Arbeitsverhältnis führt somit grundsätzlich zu einem sozial­ 108 versicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis. Allerdings tritt auch dann ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis ein, wenn kein wirksames Arbeitsverhältnis vorliegt. Voraussetzung ist, dass die Tatbestandsmerkmale des Beschäftigungsverhältnisses erfüllt sind. Typisch für ein Beschäftigungsverhältnis ist die persönliche Abhängigkeit des 109 Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer wird in den Betrieb seines Arbeitgebers organisatorisch eingegliedert und übt dort eine Tätigkeit aus. Der Arbeitgeber bestimmt über Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit, wobei der Arbeitnehmer nicht das wirtschaftli­ che Risiko dieser Tätigkeit trägt.51 Das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit ist in Abhängigkeit von der 110 Tätigkeit unterschiedlich ausgeprägt. Bei leitenden oder höherwertigen Tätigkei­ ten kann die Abhängigkeit reduziert sein. Das ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer über herausragende fachliche Qualifikationen verfügt oder aber die Weisungsbefugnis rechtlich eingeschränkt ist, wie z.B. gegenüber Ärzten. In diesen Fällen gewinnt die organisatorische Eingliederung an Bedeutung. Geprägt wurde in diesem Zusammenhang die funktionsgerechte, dienende Teilhabe am Arbeitsprozess.52 Zur Beurteilung, ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, sind sämtlich Aspekte des Falles zu beachten. In Fällen mit geringer oder keiner Weisungsgebundenheit ist zu prüfen, ob die Schwelle zur selbstständigen Tätigkeit überschritten wurde.53

2. Arbeitsentgelt Der Bezug von Arbeitsentgelt ist Voraussetzung für eine Sozialversicherungspflicht 111 als Arbeitnehmer. Zusätzlich ist das Arbeitsentgelt Bemessungsgrundlage für den Beitrag, der in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu zahlen ist. Außerdem ist das Arbeitsentgelt auch Berechnungsgrundlage für Lohnersatzleistungen wie z.B. das Krankengeld oder Verletztengeld. Das SGB IV definiert für alle Zweige der Sozialversicherung einheitlich, was unter dem Begriff Arbeitsentgelt i.S.d. Sozialversicherung zu verstehen ist.54 Arbeitsentgelt sind nach der Definition des SGB IV alle laufenden oder ein­ 112 maligen Einnahmen aus einer Beschäftigung. Es ist unerheblich, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, wie sie bezeichnet oder in welcher Form sie

50 § 7 Abs. 1 SGB IV. 51 KK/Seewald, SGB IV § 7 Beschäftigung Rn 50. 52 KK/Seewald, SGB IV § 7 Beschäftigung Rn 74. 53 Vgl. hierzu Teil 3 Kap. 35 – Selbstständige Arbeit. 54 § 14 Abs. 1 SGB IV.

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gewährt werden. Neben Einnahmen, die unmittelbar aus der Beschäftigung erzielt werden, werden auch Einnahmen erfasst, die im Zusammenhang mit der Beschäftigung erzielt werden. Hinsichtlich des Arbeitslohns von dritter Seite hat der Arbeitnehmer eine gesetzliche Verpflichtung, den Arbeitgeber über diese Zahlung zu informieren.55 Aus der Definition des Arbeitsentgeltes ergibt sich, dass nur Einnahmen, die im Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis stehen, Arbeitsentgelt darstellen. Es muss sich somit um eine Gegenleistung des Arbeitgebers oder eines Dritten für die geleistete Arbeit handeln. Dazu zählen Gegenleistungen, die für eine konkret zu ermittelnde Arbeitsleistung des Beschäftigten gewährt werden, genauso wie Anreizzahlungen für eine weitere erfolgreiche Arbeit wie z.B. Gratifikationen und Gewinnbeteiligungen. Außerdem werden Zahlungen erfasst, denen keine Arbeitsleistung gegenübersteht, wie die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und das Urlaubsgeld.56 Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes haben keinen Entgeltcharakter, wenn sie als Entschädigung für den Wegfall künftiger Verdienstmöglichkeiten gezahlt werden.57 Die Form, in der das Arbeitsentgelt erbracht wird, ist unerheblich. Es werden sowohl Geldleistungen als auch Sachleistungen erfasst. Außerdem kommt es auch nicht darauf an, wie das Entgelt bezeichnet wird. Der Begriff des Entgeltes in der Sozialversicherung ist also genau wie im Steuerrecht sehr weit gefasst und soll alle Vorteile aus dem Beschäftigungsverhältnis erfassen.58 Dadurch wird auch einem möglichen Missbrauch vorgebeugt. Zu den Sachleistungen gehören, wie im Steuerrecht auch, z.B. die private Nutzung des Firmenwagens oder die Gewährung von Rabatten. Für Verpflegung, Unterkunft und Wohnung als Sachbezug sind Pauschalbeträge anzusetzen.59 Sonstige Sachbezüge sind mit dem üblichen Endpreis am Abgabeort anzusetzen.60 Die pauschale Wertermittlung aus dem Steuerrecht, z.B. die 1 %-Methode für den Firmenwagen, wird in der Sozialversicherung ebenfalls angewandt.61 Es ist zwischen laufendem und einmalig gezahltem Arbeitsentgelt zu unterscheiden. An diese Unterscheidung sind verschiedene Rechtsfolgen geknüpft. Auch bei der Berechnung der Beiträge kann diese Unterscheidung eine Auswirkung haben. Laufendes Entgelt wird für die Arbeit in einem konkreten Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt. Dazu zählen neben dem Grundlohn auch Überstundenvergütungen und Entgeltnachzahlungen für diesen Zeitraum. Diese Regelung ist insbesondere bei

55 § 28o Abs. 1 SGB IV. 56 BSG, Urt. v. 28.1.1999 – B 12 KR 14/98 R –. 57 BSG, Urt. v. 21.2.1990 – 12 RK 20/88 –. 58 § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV. 59 § 2 SvEV. 60 Dabei werden übliche Preisnachlässe abgezogen, § 3 Abs. 1 SvEV. 61 § 3 Abs. 1 S. 3 SvEV.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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der Anwendung der Beitragsbemessungsgrenze und der Höhe des beitragspflichtigen Entgeltes wichtig. Zusätzlich sieht die SvEV für laufendes und einmalig gezahltes Entgelt unterschiedliche Regelungen vor. Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt ist das Arbeitsentgelt, das nicht für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt wird.62 Daraus folgt, dass auch Zahlungen zum einmalig gezahlten Arbeitsentgelt zu rechnen sind, die öfter und ggf. sogar regelmäßig gewährt werden. Voraussetzung dafür ist lediglich, dass die Zahlung nicht einem Entgeltabrechnungszeitraum konkret zugeordnet werden kann. Zum einmalig gezahlten Arbeitsentgelt gehören typischerweise z.B. Weihnachtsgeld und Gewinnbeteiligungen. Vom Gesetz werden einige Zahlungen, die dem Grunde nach die Voraussetzungen des einmalig gezahlten Arbeitsentgeltes erfüllen, den laufenden Einnahmen zugeordnet. Hierzu gehören z.B. die Belegschaftsrabatte und die vermögenswirksamen Leistungen.63 Das einmalig gezahlte Arbeitsentgelt ist dem Monat zuzuordnen, in dem es gezahlt wurde. Von dieser Regelung gibt es zwei wichtige Ausnahmen. Ist das Beschäftigungsverhältnis bereits beendet worden, so ist das einmalig gezahlte Arbeitsentgelt dem letzten Monat der Beschäftigung zuzuordnen. Somit wird durch die Nachzahlung nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses die Beitragspflicht oder die Versicherungspflicht nicht über das Ende der Beschäftigung hinaus verlängert. Sollte während der Beschäftigung die Beitragsbemessungsgrenze bereits ausgeschöpft worden sein, so entstehen durch die Nachzahlung von Arbeitsentgelt keine Beiträge mehr. Die zweite Ausnahme ist die sog. März-Klausel.64 Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, das in der Zeit zwischen Januar und März eines Jahres gezahlt wird, kann nach dieser Regel dem Vorjahr zugeordnet werden. Die Zuordnung zum Vorjahr wird vorgenommen, wenn die bisherigen Einnahmen des Jahres zusammen mit dem einmalig gezahlten Arbeitsentgelt die Beitragsbemessungsgrenze für den Zeitraum Januar bis einschließlich des Zahlungsmonats übersteigt. Bei Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, wird diese Prüfung einheitlich anhand der in der Kranken- und Pflegeversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze vorgenommen. Ansonsten erfolgt die Prüfung anhand der Beitragsbemessungsgrenze in der Renten- und Arbeitslosenversicherung. Dabei wird keine Günstigerprüfung vorgenommen. Sollte die Zuordnung zum Vorjahr zu geringeren oder keinen Beiträgen führen, bleibt es trotzdem bei der Zuordnung zum Vorjahr.

62 § 23a Abs. 1 S. 1 SGB IV. 63 § 23a Abs. 1 S. 2 SGB IV. 64 § 23a Abs. 4 SGB IV.

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3. Höhe des Entgelts

122 Als Arbeitsentgelt wird das Bruttoentgelt berücksichtigt. Dazu gehören zusätzlich

zum Nettoentgelt auch die auf das Entgelt entfallenden Lohnsteuern, Lohnkirchensteuern, Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung und der Solidaritätszuschlag. Der Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung gehört nicht zum Entgelt. Ebenso gehören die pauschalen Abgaben bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen nicht zum Arbeitsentgelt. Dies gilt selbst dann, wenn diese Abgaben auf den Arbeitnehmer abgewälzt werden.65 Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn zwischen Arbeitgeber und Arbeitneh123 mer ein Nettoentgelt vereinbart wurde. Das Bruttoentgelt ist dann im Rahmen einer Hochrechnung zu ermitteln. Das bedeutet, es ist das Bruttoentgelt zu ermitteln, das nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen das vereinbarte Nettoentgelt ergibt. Die ermittelten Abgaben sind in diesem Fall vom Arbeitgeber zu tragen. Wird ein Arbeitnehmer illegal beschäftigt und werden dadurch keine Sozialversi124 cherungsbeiträge abgeführt, dann fingiert das Gesetz für diese Fälle eine Nettolohnvereinbarung. Auch in diesem Fall hat daher der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge zu übernehmen.66

4. Sozialversicherungspflicht

125 Die Beiträge zur Sozialversicherung entstehen, wenn die im Gesetz genannten Vor-

aussetzungen erfüllt sind.67 Der tatsächliche Zufluss von laufendem Arbeitsentgelt gehört nicht zu diesen Voraussetzungen. Die Beiträge entstehen daher auch dann, wenn das Arbeitsentgelt vom Arbeitnehmer beansprucht werden kann, aber tatsächlich nicht ausgezahlt wird. Die Sozialversicherungspflicht tritt mit Beginn des Beschäftigungsverhältnisses 126 ein. Ab diesem Zeitpunkt übernehmen die Sozialversicherungsträger den Versicherungsschutz. Vor diesem Hintergrund soll der Beitragsanspruch der Versicherungsträger nicht davon abhängig sein, dass das Arbeitsentgelt tatsächlich gezahlt wird. Die Entstehung der Beiträge wird auch nicht verhindert, wenn der Arbeitnehmer 127 das Arbeitsentgelt tatsächlich nicht fordert. Das gilt sogar dann, wenn der Arbeitnehmer den Anspruch auf das Arbeitsentgelt rechtlich nicht mehr geltend machen kann.68 Das Entstehungsprinzip hat insbesondere dann Bedeutung, wenn eine untertarifliche Entlohnung vorgenommen wird. Die Höhe der Beiträge und die Beurteilung der Versicherungspflicht erfolgt in diesen Fällen nach dem tariflich zustehenden Entgelt. Besondere Brisanz erhält diese Frage, wenn anhand des ausgezahlten Ent-

65 BSG, Urt. v. 13.10.1993 – 2 RU 41/92 –. 66 § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV. 67 § 22 Abs. 1 S. 1 SGB IV. 68 BSG, Urt. v. 30.8.1994 – 12 RK 59/92 –.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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gelts eine geringfügige Beschäftigung angenommen wurde und anhand des zustehenden Entgelts dann tatsächlich Sozialversicherungspflicht eingetreten ist.69 Eine rückwirkende Lohnminderung aufgrund einer Vertragsstrafe mindert nicht 128 die einmal entstandene Beitragsforderung der Sozialversicherungsträger.70 Wurde das Arbeitsentgelt allerdings unter einer auflösenden Bedingung gezahlt, dann kann der rückwirkende Wegfall des Anspruchs auf Arbeitsentgelt dazu führen, dass die Beiträge rückwirkend als zu Unrecht gezahlt gelten. Dies ist z.B. beim Weihnachtsgeld der Fall.71 Vom Entstehungsprinzip ausgenommen sind das einmalig gezahlte Entgelt und 129 das aus Arbeitszeitguthaben abgeleitete Arbeitsentgelt.72 In diesen Fällen entstehen die Sozialversicherungsbeiträge bei Auszahlung des Arbeitsentgelts. Hier gilt also das Zuflussprinzip. Es gilt nicht für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, das nur aufgrund eines Insolvenzereignisses nicht gezahlt wird.73 Der Verzicht auf Arbeitsentgelt wirkt sich nur auf die Höhe der Beiträge aus, 130 wenn der Verzicht arbeitsrechtlich zulässig ausgeübt wurde. Außerdem kann nur auf zukünftig entstehende Arbeitsentgeltansprüche wirksam verzichtet werden. Beiträge, die aufgrund des Entstehungsprinzips schon entstanden sind, können durch einen nachträglichen Verzicht nicht mehr aufgehoben werden.74

5. SV-Entgeltverordnung Das SGB IV ermächtigt zum Erlass einer Rechtsverordnung, um Details zum Entgelt in 131 der Sozialversicherung festzulegen.75 Dabei soll der Beitragseinzug vereinfacht und eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sichergestellt werden. Im Rahmen der Gehaltsabrechnung soll dadurch der Aufwand für die Arbeitgeber reduziert werden. Auf dieser Grundlage wurde mit Wirkung zum 1.1.2007 die SvEV erlassen. Dadurch 132 wurden die ArEV und die SachbezugsVO zusammengefasst und abgelöst. Die SvEV legt fest, welche Einnahmen nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind. Danach werden einmalige Einnahmen, laufenden Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, nicht als Arbeitsentgelt erfasst, wenn sie lohnsteuerfrei sind.76

69 BSG, Urt. v. 14.7.2004 – B-12-KR-1/04-R –, vgl. hierzu auch Teil 3 Kap. 24 – Minijobber. 70 BSG, Urt. v. 21 5.1996 – 12 RK 64/94 –. 71 BSG, Urt. v. 28.2.1967 – 3-RK-72/64 –. 72 § 22 Abs. 1 S. 2 SGB IV. 73 § 22 Abs. 1 S. 3 SGB IV. 74 LSG NRW, Urt. v. 31.10.2000 – L 5 KR 27/00 –. 75 § 17 Abs. 1 SGB IV. 76 § 1 Abs. 1 Nr. 1 SvEV. Dies gilt allerdings nicht für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge, soweit das Entgelt, auf dessen Basis sie berechnet werden, mehr als 25 € pro Stunde beträgt.

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Neben weiteren Einnahmen werden insbesondere pauschal versteuerte Einnahmen nicht dem Arbeitsentgelt zugeordnet. Hieraus wird klar, dass vom Steuerrecht eine große Wirkung auf das sozialversicherungsrechtliche Entgelt ausgeht.

III. Berechnung und Abführung der Beiträge 1. Gehaltsabrechnung Der Arbeitgeber hat die gesetzliche Verpflichtung, die Sozialversicherungsbeiträge zu berechnen und abzuführen.77 Hierzu hat er gegenüber dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf den Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung. Dieser Anspruch kann nur im Rahmen der Gehaltsabrechnung geltend gemacht werden. Daraus folgt, dass der Anspruch auf den Arbeitnehmeranteil nicht mehr nach Ende des Beschäfti­ gungsverhältnisses besteht oder wenn kein Arbeitsentgelt gezahlt wird. Sollte der Abzug des Arbeitnehmeranteils unterbleiben, so kann der Abzug nur in den nächsten drei Gehaltsabrechnungen nachgeholt werden. Nach diesem Zeitraum ist der Abzug nur noch dann möglich, wenn er ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist.78 Unverschuldet ist ein Abzug unterblieben, wenn er aufgrund einer Auskunft der Einzugsstelle unterblieben ist. Ein Rechtsirrtum des Arbeitgebers führt nicht zu einem unverschuldeten fehlenden Beitragsabzug, da der Arbeitgeber bei Zweifel oder unklarer Sach- und Rechtslage verpflichtet ist, sich zu erkundigen.79 Geht die Pflicht zur Zahlung des Arbeitnehmeranteils auf den Arbeitgeber über, spricht man von der gesetzlichen Beitragslastverschiebung. In diesem Fall stellt der vom Arbeitgeber gezahlte Arbeitnehmeranteil keinen geldwerten Vorteil dar, da der Arbeitgeber den Beitrag aufgrund einer sozialversicherungsrechtlichen gesetzlichen Verpflichtung übernimmt.80 Die Pflichtbeiträge eines abhängig beschäftigten Arbeitnehmers bilden zusammen mit den dazugehörigen Arbeitgeberanteilen den Gesamtsozialversicherungs­ beitrag. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag erfasst die Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflegeversicherung und Arbeitsförderung. Die Beiträge zur Krankenund Pflegeversicherung werden allerdings nur erfasst, wenn der Arbeitnehmer pflichtversichert ist.81 Den Gesamtsozialversicherungsbeitrag hat der Arbeitgeber an die Einzugsstelle zu zahlen. Für die Zahlung des freiwilligen Beitrags zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung ist der Arbeitnehmer selbst verantwortlich.82

77 §§ 28a bis 28r SGB IV. 78 § 28g SGB IV. 79 KK/Seewald, SGB IV § 28g Beitragsabzug Rn 12. 80 § 3 Nr. 62 EStG. 81 § 28d SGB IV. 82 Arbeitnehmer sind in der Krankenversicherung versicherungsfrei, wenn ihr regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze („Versicherungspflichtgrenze“) überschreitet.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber die Abführung des freiwilligen Beitrags im Rahmen der Gehaltsabrechnung übernommen hat.

2. Beitragsbemessungsgrenzen Das Arbeitsentgelt wird maximal bis zur Beitragsbemessungsgrenze der Beitragsbe- 138 rechnung zugrunde gelegt. Soweit das Arbeitsentgelt die Beitragsbemessungsgrenze überschreitet, bleibt es beitragsfrei, wird dann allerdings auch nicht zur Berechnung von Geldleistungen aus der Sozialversicherung berücksichtigt.83 Die Beitragsbemessungsgrenzen werden jährlich aufgrund der Entwicklung der 139 Löhne und Gehälter der beschäftigten Arbeitnehmer angepasst. Die Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitslosenversicherung entspricht der der Rentenversiche­ rung, wobei allerdings unterschiedlich hohe Grenzen in West und Ost gelten. In der Kranken- und Pflegeversicherung gilt eine einheitliche Beitragsbemessungs­ grenze in Ost und West. Die nachfolgenden Werte sind je nach Zeitraum der Beitragspflicht ggf. bis auf 140 den Kalendertag anteilig zu berücksichtigen. Für das Kalenderjahr 2012 gelten folgende Werte:84

Jahr Monat

Renten- und Arbeitslosenversicherung84 West Ost 67.200 € 57.600 €  5.600 €  4.800 €

Kranken- und Pflegeversicherung 45.900 €  3.825 €

3. Beitragssätze Die Beiträge in den Sozialversicherungszweigen werden als Prozentsatz des Arbeits- 141 entgelts ermittelt. Der Gesetzgeber legt dabei die Höhe der Beitragssätze per Gesetz bundesweit fest. Lediglich die Beitragssätze zur Umlage U1 und U2 werden noch eigenständig von der zuständigen Krankenkasse festgesetzt. Für das Jahr 2012 gelten die nachfolgenden Beitragssätze. Der Beitrag ist grund- 142 sätzlich jeweils von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu gleichen Teilen zu tragen.

Vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Die Regelung, wonach ein Arbeitnehmer erst versicherungsfrei in der Krankenversicherung wurde, wenn sein Arbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze in drei aufeinander folgenden Jahren überschritten hatte, wurde 2007 eingeführt und mit Wirkung vom 31.12.2010 wieder abgeschafft. 83 § 223 Abs. 3 SGB V, § 55 Abs. 2 SGB XI, § 159 i.V.m. § 160 Nr. 2 SGB VI, § 341 Abs. 3 und 4 SGB III. 84 In der knappschaftlichen Rentenversicherung gilt eine separate Beitragsbemessungsgrenze, die hier nicht dargestellt wurde.

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 Teil 2 Grundlagen

Versicherungszweig Rentenversicherung Arbeitslosenversicherung Krankenversicherung Pflegeversicherung

Beitragssatz 19,6 % 3,0 % 15,5 %85 1,95 %86

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143 Krankenkassen, deren Finanzbedarf nicht durch den einheitlichen Beitragssatz

gedeckt wird, können einen kassenindividuellen Zusatzbeitrag erheben, der einkommensunabhängig ist.87 Dieser Zusatzbeitrag wird vom Versicherten alleine getragen.88

4. Fälligkeit der Beiträge

144 Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist in voraussichtlicher Höhe spätestens am

drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig. Da der Beitrag vor Ende des laufenden Monats fällig wird, ist eine genaue Berechnung des Beitrags nicht immer möglich. Der Arbeitgeber hat den Beitrag so genau wie möglich zu berechnen. Ein evtl. verbleibender Restbetrag wird am drittletzten Bankarbeitstag des Folgemonats fällig.89 Sofern regelmäßige Mitarbeiterwechsel oder variable Entgeltbestandteile die Bei145 tragsabrechnung erschweren, kann der Beitrag anhand des Vormonatssolls gezahlt werden. Dabei sind Änderungen in der Mitarbeiterzahl, Einmalzahlungen und Änderungen in den Berechnungsgrößen bei der Schätzung des Beitrags zu berücksichtigen. Der Restbetrag ist wiederum am drittletzten Bankarbeitstag des Folgemonats fällig. Die Grundlagen dieser Schätzung sind zu dokumentieren.90 Wird der Beitrag vom Arbeitgeber nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags gezahlt, 146 wird für jeden angefangenen Monat ein Säumniszuschlag in Höhe von 1 % des rück-

85 Einschließlich des Beitrags von 0,9 %, der vom Arbeitnehmer alleine zu tragen ist. Der Arbeitgeber trägt also 7,3 %. Für Mitglieder, die keinen Anspruch auf Krankengeld haben, beträgt der Beitragssatz 14,9 %. 86 Kinderlose, die das 23. Lebensjahr vollendet haben, zahlen einen Beitragszuschlag von 0,25 %. In Sachsen wird der Beitrag von 1,95 % nicht paritätisch getragen. Dort trägt der Arbeitnehmer einen Beitrag in Höhe von 1 % zunächst alleine. Der Rest wird wiederum paritätisch getragen (§ 58 Abs. 3 SGB XI). Für 2012 ergeben sich somit ein Arbeitnehmeranteil von 1,475 % und ein Arbeitgeberanteil von 0,475 % in Sachsen (ohne Kinderlosenzuschlag). 87 § 242 Abs. 1 SGB V. 88 Übersteigt der durchschnittliche Zusatzbeitrag 2 % der beitragspflichtigen Einnahmen, so besteht ein Anspruch auf Sozialausgleich nach § 242b SGB V. Der durchschnittliche Zusatzbeitrag wird durch das BMG festgelegt, vgl. § 242a Abs. 2 SGB V. 89 § 23 Abs. 1 SGB IV. 90 § 9 Abs. 1 Nr. 10 BVV.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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ständigen Beitrages erhoben. Für die Berechnung des Säumniszuschlages wird der rückständige Beitrag auf volle 50 € nach unten abgerundet.91

5. Zu Unrecht gezahlte Beiträge Beitragsansprüche verjähren grundsätzlich 4 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem sie fällig geworden sind.92 Innerhalb dieser Zeit können zu Unrecht gezahlte Beiträge grundsätzlich erstattet werden. Eine Erstattung scheidet allerdings aus, wenn der Sozialversicherungsträger aufgrund dieser Beiträge bzw. für diesen Zeitraum bereits Leistungen erbracht hat.93 Erstattungsberechtigt ist derjenige, der die Beiträge getragen hat. Demnach steht der Erstattungsbetrag anteilig dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer zu. Nach Ablauf der Verjährungsfrist gelten die Beiträge als zu Recht gezahlt. Beiträge zur Rentenversicherung, die durch die letzte Betriebsprüfung nicht beanstandet worden sind, gelten ebenfalls als zu Recht gezahlt. Somit scheidet eine Erstattung aus.94 Bei zu Unrecht gezahlten Beiträgen ist auch eine Verrechnung durch den Arbeitgeber mit anderen Beiträgen, die er an die Einzugsstelle zu zahlen hat, möglich. Es muss sichergestellt werden, dass der Arbeitnehmer den von ihm getragenen Anteil der verrechneten Beiträge erhält. Soll eine Verrechnung von Beiträgen in voller Höhe vorgenommen werden, so dürfen die Beiträge nicht älter als 6 Monate sein. Eine Verrechnung von Teilbeiträgen ist innerhalb von 24 Monaten möglich. Voraussetzung ist jeweils, dass seit Beginn des Erstattungszeitraums keine Leistungen aufgrund dieser Beiträge bezogen oder beantragt wurden.95 In der Rentenversicherung können irrtümlich gezahlte Pflichtbeiträge in freiwillige Beiträge umgewandelt werden.96 Arbeitgeber und Arbeitnehmer können jeweils getrennt entscheiden, ob der von ihnen getragene Teil des Beitrags bei der Rentenversicherung verbleiben soll. Entscheidet sich der Arbeitgeber für eine Erstattung, so kann der Arbeitnehmer innerhalb von 3 Monaten freiwillige Beiträge für diesen Zeitraum zahlen. Der Verzicht des Arbeitgebers auf die Erstattung des Rentenversiche-

91 § 24 Abs. 1 SGB IV. Ein Säumniszuschlag wird nicht erhoben, wenn der rückständige Beitrag weniger als 100 € beträgt und dieser Säumniszuschlag schriftlich anzufordern wäre. 92 § 25 Abs. 1 SGB IV. 93 § 26 Abs. 2 SGB IV. Dies gilt allerdings nicht für Zeiten des Leistungsbezuges, in denen Beitragsfreiheit besteht. Beiträge zur Agentur für Arbeit werden trotz erbrachter Leistung erstattet. Allerdings wird der Erstattungsbetrag mit den erbrachten Leistungen verrechnet, vgl. § 351 Abs. 1 SGB III. 94 § 26 Abs. 1 SGB IV. 95 TZ 3.1 Gemeinsames Rundschreiben der Sozialversicherungsträger vom 21.11.2006. 96 § 202 SGB VI bestimmt, dass nicht zurückgeforderte Beiträge als freiwillige Beiträge gelten.

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 Teil 2 Grundlagen

rungsbeitrages führt zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers im Verzichtszeitpunkt. Dadurch entsteht ein auch steuerlich zu berücksichtigender geldwerter Vorteil. Praxistipp Wenn Beiträge verrechnet werden sollen, da sie zu Unrecht gezahlt worden sind, dann ist eine Erklärung des Arbeitnehmers einzuholen, dass er aufgrund dieser Beiträge keine Leistungen bezogen hat. Außerdem sollte geklärt werden, ob der Arbeitnehmer seine Beiträge evtl. als freiwillige Beiträge bei der Rentenversicherung belassen möchte.

IV. Pflichten des Arbeitgebers 1. Melde- und Aufzeichnungspflichten 153 Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Unterlagen über das Arbeitsentgelt für jeden Beschäftigten zu führen. Diese Unterlagen sind getrennt nach Kalenderjahren aufzubewahren und jederzeit verfügbar sowie lesbar vorzuhalten.97 Neben dem Arbeitsentgelt sind weitere Daten wie z.B. Stammdaten, Beitragsgruppenschlüssel usw. aufzuzeichnen. Zusätzlich ist eine Krankenkassen-Liste zu führen. Danach sind für jeden 154 Abrechnungszeitraum die Beschäftigten nach Einzugsstellen sortiert zu erfassen.98 Der Arbeitgeber hat Beginn und Ende einer versicherungspflichtigen 155 Beschäftigung neben weiteren Anlässen der Einzugsstelle zu melden.99 Praktisch bedeutet dies, dass der Arbeitgeber zunächst ohne Einschaltung der Sozialversicherungsträger eigenständig über die Versicherungspflicht in der Sozialversicherung entscheidet und entsprechende Meldungen erstattet. Diese Entscheidung wird im Rahmen der Betriebsprüfung überprüft. Eine verbindliche Entscheidung trifft die Einzugs­stelle.100 Praxistipp Bestehen Zweifel über das Vorliegen von Versicherungspflicht, so kann ein widerspruchsfähiger Bescheid von der zuständigen Einzugsstelle (Krankenkasse) angefordert werden.101 Dieser Bescheid ist für das weitere Verfahren verbindlich und vermindert das Haftungsrisiko des Arbeitgebers.

97 § 28f Abs. 1 SGB IV, § 9 Abs. 5 BVV. 98 § 9 Abs. 1 BVV. 99 § 28a Abs. 1 SGB IV. 100 Einzugsstelle ist die gesetzliche Krankenkasse, die für Entgegennahme des Gesamtsozialversicherungsbeitrags zuständig ist. Sie überwacht auch die Einreichung der Beitragsnachweise, § 28h Abs. 1 SGB IV. 101 § 28h Abs. 2 S. 1 SGB IV.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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Das Meldeverfahren wird in der DEÜV geregelt. Alle Meldungen sind danach elektronisch einheitlich an die Einzugsstelle abzugeben. Von dort werden die Meldungen an die weiteren betroffenen Sozialversicherungsträger weitergeleitet. Eine direkte Meldung an die Träger der einzelnen Zweige der Sozialversicherung erfolgt nicht. Eine Ausnahme gilt für die Meldung von geringfügigen Beschäftigungen. Diese Meldungen sind an die Minijobzentrale zu erstatten. Jeder Beschäftigte, der in der Kranken-, Pflege-, Renten- oder Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig ist, ist vom Arbeitgeber zu melden. Dabei genügt es, wenn der Arbeitnehmer nur in einem der Zweige sozialversicherungspflichtig ist.102 Auch Arbeitnehmer, die in keinem Zweig versicherungspflichtig sind, werden erfasst, wenn der Arbeitgeber einen Arbeitgeberanteil zu entrichten hat.103 Der Arbeitgeber hat sich den Sozialversicherungsausweis des Arbeitnehmers vorlegen zu lassen. Unter Verwendung der in diesem Ausweis aufgeführten Sozialversicherungsnummer werden dann die Meldungen erstattet. Mindestens einmal im Jahr hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über alle abgesetzten Meldungen zu informieren.104 Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, alle notwendigen Angaben zu machen, damit der Arbeitgeber seine Meldepflicht erfüllen kann.105 Sollten die Meldungen nicht plausibel sein oder im Konflikt zu bereits erstatteten Meldungen stehen, dann wird dies von der zuständigen Krankenkasse aufgegriffen und geklärt. Ggf. wird der Arbeitgeber aufgefordert, notwendige Änderungen der Meldungen vorzunehmen. Neben Beginn und Ende einer Beschäftigung gibt es zahlreiche weitere Anlässe für eine Meldung an die Einzugsstelle. Hierzu gehören z.B. der Wechsel der Beitragsgruppe, Jahresmeldungen, Wechsel der Krankenkasse oder eine Unterbrechung der Beschäftigung ohne Entgelt für mehr als einen Monat. Um Bürokratie abzubauen wurde 2009 das sog. ELENA-Verfahren eingeführt. Dadurch wurden ab dem 1.1.2010 alle Arbeitgeber verpflichtet, monatlich die Entgeltdaten der Beschäftigten an eine zentrale Speicherstelle zu melden. Durch den Zugriff von Behörden auf diese Daten sollte die Abwicklung von Geldleistungen vereinfacht werden. Aufgrund massiver Proteste wurde das Verfahren zum Ende des Jahres 2011 eingestellt und alle Daten gelöscht.

102 § 3 DEÜV. 103 Der Arbeitgeberanteil ist z.B. in der Rentenversicherung zu entrichten für Arbeitnehmer, die versicherungsfrei sind, weil sie eine Vollrente wegen Alters beziehen, § 172 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI. 104 Die Information hat spätestens bis zum 30.4. des Jahres zu erfolgen, § 25 Abs. 2 DEÜV. 105 § 28o SGB IV.

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 Teil 2 Grundlagen

2. Betriebsprüfung

162 Etwa alle vier Jahre wird durch die Rentenversicherungsträger geprüft, ob die

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Arbeitgeber ihre Verpflichtungen nach dem SGB korrekt erfüllt haben. Die Prüfung kann in kürzeren Abständen erfolgen, wenn der Arbeitgeber dies verlangt oder wenn die zuständige Einzugsstelle dies für erforderlich hält.106 Auf Wunsch des Arbeitgebers kann die lohnsteuerliche und sozialversicherungsrechtliche Betriebsprüfung zeitgleich stattfinden. Die Betriebsprüfung wurde ursprünglich durch die Einzugsstelle durchgeführt. Da die Krankenkassen aber in einem Wettbewerb zueinander stehen und dadurch die Objektivität der Betriebsprüfung als gefährdet betrachtet wurde, hat man die Prüfung auf die Rentenversicherungsträger übertragen. Neben der Prüfung für die Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung wird durch die Rentenversicherungsträger auch die korrekte Abführung der Künstlersozialabgabe geprüft. Seit 2010 ist der Betriebsprüfer der Rentenversicherung auch für den Bereich der Unfallversicherung zuständig. Im Falle einer Betriebsprüfung sind die im vorherigen Abschnitt genannten Unterlagen in einer angemessenen Zeit vorzulegen.107 Dies ist bei der Organisation der Aufzeichnungen und des Abrechnungsverfahrens zu berücksichtigen. Kann anhand der Aufzeichnungen des Arbeitgebers die Versicherungspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden, so können durch die Betriebsprüfung die Beiträge nach der Summe der Arbeitsentgelte festgesetzt werden. Dieser Beitragssummenbescheid ist nicht zulässig, wenn ohne unverhältnismäßigen Aufwand die Beiträge ermittelt werden können oder nachvollziehbar ist, dass keine Beitragspflicht besteht. Die Betriebsprüfung soll möglichst einen Monat, mindestens aber 14 Tage vorher angekündigt werden.108 Dem Prüfer ist für die Dauer der Prüfung ein geeigneter Raum oder ein Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen. Kosten werden dafür durch den Versicherungsträger genauso wenig wie ein evtl. Verdienstausfall erstattet. Über das Ergebnis der Prüfung erhält der Arbeitgeber einen schriftlichen Bescheid. In diesem Bescheid wird verbindlich über Versicherungspflicht und -freiheit sowie die Beitragshöhe der festgestellten Sachverhalte entschieden. Insofern ist eine zusätzliche Entscheidung der Einzugsstelle, die ja eigentlich über Versicherungspflicht und -freiheit entscheidet, nicht erforderlich.109

106 § 28p Abs. 1 SGB IV. 107 Vgl. Rn 166. 108 § 7 Abs. 1 BVV. 109 § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV.

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Teil 3 Erscheinungsformen im Unternehmen Kapitel 1 Altersteilzeit A. Arbeitsrecht I. Einleitung Altersteilzeit wird durch das 1996 in Kraft getretene Altersteilzeitgesetz (ATG) gere- 1 gelt und gewährt dem Arbeitnehmer den gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand durch eine Reduzierung der Arbeitszeit oder die vorzeitige Beendigung der aktiven Tätigkeit, mit dem Zweck, älteren Arbeitnehmern einen fließenden Übergang in die Altersrente anzubieten. Der Wechsel in Altersteilzeitarbeit ist sowohl Vollzeitbeschäftigten als auch Arbeitnehmern möglich, die bereits teilzeitbeschäftigt sind. Darüber hinaus kann der Arbeitgeber durch Altersteilzeitvereinbarungen Entlassungen vermeiden und einen notwendigen Stellenabbau sozialverträglich ausgestalten, die Altersstruktur im Betrieb anpassen und sich mittelfristig die Personalplanung erleichtern. Vorteile für Arbeitgeber – Einfacher, gleitender Übergang in den Ruhestand – Sozialverträgliche Personalanpassung – Verjüngung der Belegschaft – Frühzeitiger Wissenstransfer

Praxishinweis Das Altersteilzeitgesetz regelt nur die allgemeinen Voraussetzungen der Altersteilzeit, nicht das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Für Altersteilzeitverträge, die vor dem 31.12.2009 geschlossen wurden, bestand die 2 Möglichkeit, die Aufstockungsbeiträge unter bestimmten Voraussetzungen von der Bundesagentur für Arbeit teilweise erstattet zu bekommen. Für Verträge ab dem 1.1.2010 entfallen alle Bestimmungen des Altersteilzeitgesetzes, die sich auf die Voraussetzungen für die Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit beziehen.1 Praxishinweis Altersteilzeitarbeit ist seit dem 1.1.2010 nur noch ohne finanzielle Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit möglich.

1 Hanau, NZA 2009, 225 ff.

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 Kapitel 1 Altersteilzeit

II. Grundsätze 1. Voraussetzungen Altersteilzeit 3 Altersteilzeit kann einem Arbeitnehmer gewährt werden, der das 55. Lebensjahr vollendet und innerhalb der letzten fünf Jahre wenigstens 1.080 Tage in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden hat und weiterhin versicherungspflichtig beschäftigt ist, vgl. § 2 Abs. 1 ATG. Eine versicherungspflichtige Beschäftigung liegt vor, wenn gem. §§ 24, 25 SGB II, §§ 7, 8 SGB IV das Arbeitsentgelt aus der Beschäftigung regelmäßig mehr als 400 € beträgt.2 Somit können nur abhängig Beschäftigte von den Regelungen des ATG profitieren, Beamte und selbstständig tätige Personen unterfallen nicht den Normen des ATG.3 Aufgrund einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber muss die Arbeitszeit auf die 4 Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit vermindert werden. Die Altersteilzeitvereinbarung muss mindestens drei Jahre laufen und vorsehen, dass die Altersteilzeit bis zu dem Zeitpunkt erfolgt, zu dem der Arbeitnehmer eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch nehmen kann.

2. Altersteilzeitverhältnis a) Anspruch auf Vertragsabschluss 5 Auf den Abschluss eines Altersteilzeitvertrages hat der Arbeitnehmer keinen gesetz­ lichen Anspruch, er beruht grundsätzlich auf der Freiwilligkeit des Arbeitgebers.4 Im Einzelfall ist zu überprüfen, ob dem Arbeitnehmer durch den anwendbaren 6 Tarifvertrag oder abgeschlossene Betriebsvereinbarungen ein entsprechender Anspruch auf Altersteilzeit eingeräumt wurde. Es steht den Tarifvertragsparteien frei, ob sie einen tariflichen Anspruch des Arbeitnehmers auf Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses vereinbaren.5 Diese tarifrechtlichen Regelungen können so ausgestaltet sein, dass –– ein Rechtsanspruch auf Übergang in die Altersteilzeitarbeit bei Erfüllen bestimmter persönlicher Voraussetzungen besteht. Der Arbeitgeber hat dann mit Erfüllen der Voraussetzungen kein Ermessen – er muss den Abschluss eines Altersteilzeitvertrags anbieten, –– die Verpflichtung des Arbeitgebers zum Abschluss von Altersteilzeitverträgen in eine „Soll“-Vorschrift abgestuft ist, die Ablehnung jedoch nur mit gewichtigen sachlichen Gründen möglich ist,6 –– der Arbeitgeber nach „billigem Ermessen“ i.S.d. § 315 BGB zu entscheiden hat.

2 HWK/Stindt/Nimscholz, § 2 ATG Rn 12. 3 HWK/Stindt/Nimscholz, § 2 ATG Rn 1. 4 HWK/Stindt/Nimscholz, § 2 ATG Rn 4; ErfK/Rolfs, § 8 ATG Rn 1. 5 BAG, Urt. v. 10.2.2004 – 9 AZR 89/03 –. 6 LAG Düsseldorf, Urt. v. 15.5.2008 – 5 SA 125/08 –.

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Billiges Ermessen bedeutet, dass die Entscheidung im Zeitpunkt ihrer Ausübung 7 unter angemessener Berücksichtigung der Interessen beider Parteien und des in vergleichbaren Fällen Üblichen gefällt wird.7 Der Arbeitgeber darf im Rahmen einer Ermessensentscheidung somit eigene, insbesondere wirtschaftliche Interessen berücksichtigen.8 Er handelt also auch dann ermessensfehlerfrei, wenn er Altersteilzeitverträge mit Arbeitnehmern nur aus denjenigen Bereichen abschließt, in denen ein abzubauender Stellenüberhang besteht. Haben die Tarifvertragsparteien dem Arbeitgeber nicht einmal eine Bindung 8 an billiges Ermessen vorgegeben, kann er den Abschluss eines Altersteilzeitvertrages grundsätzlich nach freiem Ermessen verweigern, ohne dafür einen sachlichen Grund benennen zu müssen.9 Praxishinweis Der Arbeitgeber hat im Fall des freien Ermessens dann alleine darauf zu achten, nicht gegen Benachteiligungsverbote, etwa §§ 7, 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), zu verstoßen sowie den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu wahren.10

Für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst ist zu beachten, dass nach § 2 Abs. 2 TV 9 FlexAZ bei Vorliegen der dort genannten weiteren Voraussetzungen ein Anspruch auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ab Vollendung des 60. Lebensjahres besteht. Dabei ist aber zu beachten, dass der Arbeitnehmer kein Recht hat, eine spezielle Lage der Arbeitszeiten zu verlangen; der Arbeitgeber kann die Arbeitszeitverteilung im Teilzeitmodell gem. §§ 106 S. 1 GewO, 315 Abs. 1 BGB nach billigen Ermessen festlegen.11 Haben Arbeitnehmer eines Betriebs aufgrund tariflicher oder betrieblicher Rege- 10 lung grundsätzlich einen Anspruch auf den Abschluss eines Altersteilzeitvertrags, hat der Arbeitgeber die geltend gemachten Ansprüche nur solange zu erfüllen, bis die im Tarifvertrag, der Betriebsvereinbarung bzw. dem Gesetz festgesetzte Überforderungsgrenze (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 ATG) erreicht ist. Besteht ein kollektivrechtlicher Anspruch aus Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung, so kann der Arbeitgeber entsprechend der Überforderungsklausel des § 3 Abs. 1 Nr. 3 ATG den Abschluss weiterer Altersteilzeitverträge dann ablehnen, wenn bereits 5 % der Arbeitnehmer des Betriebs in Altersteilzeit sind. Nicht ausreichend ist das Erreichen von 5 % der Arbeitnehmer im Betriebsteil oder Unternehmen.12

7 BAG, Urt. v. 23.9.2004 – 6 AZR 567/03 –. 8 ErfK/Rolfs, § 8 ATG Rn 3. 9 BAG, Urt. v. 10.2.2004 – 9 AZR 89/03 –. 10 BAG, Urt. v. 14.8.2007 – 9 AZR 943/06 –. 11 BAG, Urt. v. 12.4.2011 – 9 AZR 19/10 –. 12 BAG, Urt. v. 12.8.2008 – 9 AZR 620/07 –; Bauer, NZA 1997, 401, 405.

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 Kapitel 1 Altersteilzeit

Aus der Überforderungsklausel ergibt sich auch, dass in Betrieben mit 20 Arbeitnehmern genau ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrags haben könnte. Der Rechtsanspruch eines Arbeitnehmers auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrags in einem Betrieb mit weniger als 20 Mitarbeitern ist daher trotz ggf. bestehender kollektivrechtlicher Regelung von vornherein ausgeschlossen.13 Viele tarifliche und betriebliche Regelungen haben den Überforderungsschutz des Arbeitgebers nach §  3 Abs. 1 Nr. 3 ATG in der gesetzlichen oder sogar in einer verschärften Form mit einem geringeren Prozentsatz übernommen. Praxishinweis Die tarifvertraglichen Überforderungsklauseln, die an einen Prozentsatz der betrieblich Beschäftigten anknüpfen, sind in der Praxis unterschiedlich ausgestaltet: – TV FlexAZ (öffentlicher Dienst): 2,5 % der Beschäftigten des Betriebs – Altersteilzeit-TV im Baugewerbe: 5 % (gesetzliche Regelung) – IG Bergbau Chemie Energie: 5 % (zuvor 3 %, nun gesetzliche Höhe)

12 Die gängigen tariflichen Regelungen, wonach die Arbeitszeit entweder im Block-

oder im Teilzeitmodell verteilt werden kann, geben dem Arbeitnehmer nur einen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages, nicht jedoch einen Anspruch auf die Durchführungsform als Teilzeit- oder Blockmodell. Hinsichtlich der Ausgestaltung hat der Arbeitgeber ein Leistungsbestimmungsrecht, das nach § 315 BGB auszuüben ist. Dem Arbeitgeber steht es zuletzt frei, einem Arbeitnehmer im Einzelfall auch aus13 drücklich einen individualvertraglichen Anspruch direkt in den Anstellungsvertrag zu integrieren oder später durch Änderungsvertrag einzuräumen. Hat der Arbeitnehmer weder aus Tarifvertrag, noch aus Betriebsvereinbarungen, 14 noch sonst einen Rechtsanspruch, kann der Arbeitgeber den Abschluss eines Altersteilzeitvertrages ablehnen. Die Entscheidung des Arbeitgebers muss dabei billigem Ermessen i.S.d. § 315 Abs. 1 BGB entsprechen.14

b) Inhalt und Form

15 Der Altersteilzeitvertrag ist ein befristeter Arbeitsvertrag. Er bedarf aufgrund von

§  14 Abs. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) der Schriftform und muss vor Beginn der Altersteilzeit abgeschlossen werden.15

13 Diller, NZA 1996, 847, 850. 14 Vgl Rn 8. 15 HWK/Stindt/Nimscholz, § 2 ATG Rn 2. Ulbrich

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Praxishinweis Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis ist ein vollwertiges Arbeitsverhältnis. Es unterliegt insbesondere den Kündigungsschutzbestimmungen und den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats.

Inhaltlich ist das bestehende Arbeitsverhältnis in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis 16 umzuwandeln. Hierbei sind vor allem Regelungen zum Beginn der Altersteilzeit, zur Verteilung der Arbeitszeit,16 zu Art und Umfang der Tätigkeit, soweit dies von der ursprünglichen Tätigkeit abweicht, Regelungen hinsichtlich des Aufstockungsbeitrags,17 der Insolvenzsicherung der Ansprüche und Regelungen bezüglich des Ruhens des Anspruchs vertraglich aufzunehmen. Das Altersteilzeitverhältnis setzt voraus, dass das Vertragsverhältnis zumindest 17 so lange dauert, bis Altersrente in Anspruch genommen werden kann.

c) Kein Zwang zum Abschluss eines Altersteilzeitverhältnisses Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer weder durch eine Kündigung zum Abschluss 18 eines Altersteilzeitvertrages drängen noch aufgrund der Möglichkeit der Inanspruchnahme von Altersteilzeit den Arbeitnehmer bei der Sozialauswahl benachteiligen, vgl. § 8 Abs. 1 ATG.18 Eingeschlossen sind Änderungskündigungen mit dem Angebot auf Neuabschluss eines Altersteilzeitvertrages. Hiervon hat das BAG zuletzt eine Ausnahme zugelassen: wenn der Arbeitgeber 19 aufgrund des Wegfalls des Beschäftigungsbedarfs eine gerechtfertigte betriebsbedingte Kündigung ausspricht und dann aus sozialer Motivation heraus dem Arbeitnehmer zur Überbrückung bis zum Ruhestand den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses anbietet.19 Praxishinweis Der Arbeitnehmer kann nicht zum Abschluss eines Altersteilzeitvertrages gezwungen werden.

d) Ruhen und Erlöschen des Anspruchs Zu Zeiten der Förderung des Aufstockungsbeitrages durch die Bundesagentur für 20 Arbeit sah § 5 ATG ein Ruhen der Förderung vor, sobald der Altersteilzeitarbeitnehmer neben seiner Altersteilzeittätigkeit einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit nachging, die die Grenzen der geringfügigen Beschäftigung nach §  8 SGB IV überschritt. Nach Ende der Förderung muss § 5 ATG anders gelesen werden. Danach ruht

16 Ausführlich dazu Rn 21 ff. 17 Vgl. Rn 32 ff. 18 Diller, NZA 1996, 847, 851. 19 BAG, Urt. v. 16.12.2010 – 2 AZR 576/09 –.

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 Kapitel 1 Altersteilzeit

der Anspruch des Arbeitnehmers auf den vom Arbeitgeber zu leistenden, steuer- und sozialbeitragsfreien Aufstockungsbeitrag, wenn eine o.g. Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird. Ausgenommen hiervon sind nur Beschäftigungen oder Tätigkeiten, die bereits innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeitbeschäftigung durchgehend ausgeübt wurden.

3. Ausgestaltungsmöglichkeiten

21 Der Beginn der Altersteilzeit-Vereinbarung richtet sich üblicherweise danach, wann

der Arbeitnehmer eine Rente ohne Abschläge oder mit vertretbaren Abschlägen beanspruchen kann. Praxishinweis Insoweit ist die Kenntnis der Rententabelle sowie eine Auskunft des Rententrägers in der Praxis vor Vertragsschluss empfehlenswert.

22 Denkbare Modelle der Altersteilzeit sind die kontinuierliche Halbtagsbeschäftigung

(Teilzeitmodell), Arbeit und Freistellung im täglichen, wöchentlichen oder monatlichen Wechsel sowie das sog. Blockmodell. Praxishinweis Altersteilzeit ist in der Regel nicht das, was ihr Name verspricht: In der Praxis wird sie fast immer zu einem vorzeitigen, übergangslosen Ausstieg aus dem Erwerbsleben genutzt.

a) Gleichmäßige Verteilung 23 Im Teilzeitmodell leistet der Altersteilzeitler während der gesamten Dauer des befristeten Altersteilzeitvertrags Teilzeitarbeit. Er bezieht hierfür das entsprechend verminderte Entgelt. Die kontinuierliche Arbeitsleistung kann zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in jedem Fall individualvertraglich vereinbart werden.20

b) Arbeit und Freistellung in regelmäßigem Wechsel

24 Im in der Praxis selten gewählten Modell Arbeit und Freistellung in regelmäßigem

Wechsel wechseln sich die Phasen der Tätigkeit und Freistellung in kürzeren Intervallen ab. So kann vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer 2,5 Tage die Woche arbeitet, und dann 2,5 Tage frei hat; oder etwa je zwei Wochen im Wechsel arbeitet und

20 ErfK/Rolfs, § 2 ATG Rn 8.

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freigestellt ist. Eine solche Vereinbarung ist in der Regel jedoch nicht praktikabel und mit den betrieblichen Bedürfnissen schwer in Einklang zu bringen.

c) Blockmodell Im Modell der Blockteilzeit werden grundsätzlich zwei gleich große Zeitblöcke gebil- 25 det – eine Arbeitsphase und eine anschließende Freistellungsphase. Praxishinweis Das Blockmodell stellt das in der Praxis ganz überwiegend gewählte Altersteilzeitverhältnis dar. Der Anteil lag zuletzt bei 88% aller geförderten Fälle.21

Der Arbeitnehmer arbeitet zunächst im Umfang der bisherigen täglichen bzw. 26 wöchentlichen Arbeitszeit und baut sich so das für die Freistellungsphase notwendige Zeitguthaben (Wertguthaben i.S.d. § 7 Abs. 1a SGB VI) auf. Er bezieht während der Arbeitsphase für die volle Arbeitsleistung aber nur ein vermindertes Entgelt. In dem Abschnitt vor Erreichen des Rentenalters (Freizeitphase) erbringt der Altersteilzeitler keine Arbeitsleistung mehr und lebt von seinen „angesparten“ Leistungen, die der Arbeitgeber nunmehr auszahlt. D.h. das verminderte Entgelt wird weiter gezahlt, da während der Arbeitsphase das entsprechende Wertguthaben aufgebaut wurde. Die Aufteilung in eine Arbeits- und eine Freistellungsphase birgt Besonderhei­ 27 ten im Blockmodell, insbesondere hinsichtlich tariflich begründeter Änderungen der Entgeltbestandteile und der Entgeltfortzahlung. Ein tariflicher Bewährungsaufstieg kommt während der Freistellungsphase nicht in Betracht, weil der Arbeitnehmer keine Arbeit mehr geleistet hat. Eine Herabgruppierung in der Freizeitphase führt nicht zu einer Reduzierung der Vergütung, da die Vergütung in Form des Wertguthabens für die Dauer der Freistellungsphase zuvor in der Arbeitsphase erworben wurde und somit dieser Zeitraum für die Vergütung maßgeblich ist.22 Ebenso führt eine Tariferhöhung während der Freistellungsphase nicht zur Erhöhung des Entgelts des Arbeitnehmers in Altersteilzeit.23 Der Widerruf einer Zulage am Ende der Arbeitsphase oder in der Freistellungsphase hat ebenfalls keinen Einfluss auf die Höhe des zu zahlenden Arbeitsentgelts, da der Arbeitnehmer die erforderliche Arbeitsleistung hierfür vollumfänglich in der Arbeitsphase erbracht hat.

21 Kurzbericht 8/2009 des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, S. 2. 22 BAG, Urt. v. 4.10.2005 – 9 AZR 449/04 –. 23 LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 4.5.2011 – 11 Sa 2349/09 – (nicht rechtskräftig) – Revision beim BAG anhängig unter – 9 AZR 423/10 –.

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 Kapitel 1 Altersteilzeit

Praxishinweis Im Blockmodell haben tarifliche Entgeltveränderungen oder der Widerruf einer Zulage in der Freistellungsphase keine Auswirkungen auf das auszuzahlende Entgelt, da dieses in der Arbeitsphase bereits angespart wurde. 28 Sollte der Arbeitnehmer krank werden, so ist der Arbeitgeber in der Arbeitsphase

nach Maßgabe des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) für maximal sechs Wochen pro Krankheitsursache zur Zahlung der Altersteilzeitvergütung verpflichtet. Über die Entgeltfortzahlungsfrist hinaus erhält der Arbeitnehmer Krankengeld nach § 47 SGB V, dessen Höhe sich nach dem versicherungspflichtigen Entgelt – mithin nach dem Teilzeitentgelt ohne Aufstockungsbeitrag – bemisst. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Aufstockungsbeiträge weiter zu zahlen, es sei denn, sie werden einzelvertraglich vereinbart. Einige Tarifverträge enthalten jedoch Zuschuss­ pflichten des Arbeitgebers zum Krankengeld. Um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeitsphase und Freistellungsphase auch im Krankheitsfall zu gewährleisten, muss die Hälfte der entgeltfortzahlungsfreien Krankheitszeit in der Freizeitphase nachgearbeitet werden.24 In der Freistellungsphase besteht der Anspruch auf durchgehende Zahlung des Entgelts aufgrund des angesammelten Wertguthabens ohne Rücksicht auf Gesundheit oder Erkrankung.

Praxishinweis Während der Arbeitsphase gelten die Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes. Ist ein Arbeitnehmer mehr als sechs Wochen krank, muss die Hälfte der Krankheitszeit in der Freistellungsphase nachgearbeitet werden. Die Zahlung des Aufstockungsbeitrages entfällt, wenn der Arbeitnehmer Krankengeld erhält. Ausnahmen können sich aus Arbeits- oder Tarifvertrag ergeben. 29 Während der Arbeitsphase nicht genommener Urlaub verfällt, da der Eintritt in die

Freistellungsphase kein Abgeltungstatbestand nach § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) darstellt und die Freistellungsphase bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses regelmäßig länger währt als der Urlaubsübertragungszeitraum.25

d) Dauer 30 Der höchstzulässige Verteilzeitraum für Altersteilzeitvereinbarungen im Blockmodell beträgt ohne tarifvertragliche Grundlage drei Jahre,26 d.h. 18 Monate Arbeit, gefolgt von 18 Monaten Freizeit, vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 ATG. Ist eine Gesamtlaufzeit von mehr als drei Jahren gewünscht und mindestens eine der Vertragsparteien nicht tarifgebun-

24 Hümmerich/Lücke/Mauer/Regh, § 4 Rn 693. 25 BAG, Urt. v. 10.5.2005 – 9 AZR 196/04 –. 26 Ausführlich hierzu Rn 24 ff.

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den, so muss im Wege einer Betriebsvereinbarung, oder, wenn ein Betriebsrat nicht besteht, individualvertraglich auf einen Tarifvertrag Bezug genommen werden.27 In Konsequenz bedeutet dies aber auch, dass die im Tarifvertrag ggf. höher angesetzten Aufstockungs- und Zusatzbeiträge zu zahlen sind. Überblick28 Mindestlaufzeit, um Altersrente nach § 237 SGB VI zu erhalten Maximales Blockmodell ohne Tarifvertrag Maximaler Förderzeitraum (nur Altverträge bis 31.12.2009) Maximale Laufzeit (Beginn mit 55, Ende mit 67)

2 Jahre 3 Jahre 6 Jahre 12 Jahre

Im Teilzeitmodell kann auch ohne Tarifvertrag ein Altersteilzeitvertrag über drei Jahre 31 hinaus abgeschlossen werden. Praxishinweis Die Gesamtlaufzeit der Altersteilzeit von mehr als drei Jahren im Blockmodell ist nur aufgrund von Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung möglich. Ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber muss eine Regelung durch Betriebsvereinbarung erwirken oder auf einen Altersteilzeit-Tarifvertrag einzelvertraglich Bezug nehmen, vgl. § 2 Abs. 2 S. 2 ATG.

4. Gesamtentgeltleistungen des Arbeitgebers Sowohl bei kontinuierlicher Arbeitsleistung als auch im Blockmodell müssen das 32 reduzierte Arbeitsentgelt und der darauf entfallende Aufstockungsbetrag fortlaufend, d.h. während der gesamten Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses, gezahlt werden. Das Arbeitsentgelt im Rahmen eines Altersteilzeitvertrags beträgt das um 50 % reduzierte Brutto-Gehalt aus der vorangegangenen Vollzeittätigkeit. Der vom Arbeitgeber zu entrichtende Aufstockungsbetrag beträgt mindestens 33 20 % vom Regelarbeitsentgelt, §  3 Abs. 1 Nr. 1a ATG. Der Aufstockungsbetrag kann aufgrund kollektiv- oder einzelvertraglicher Vereinbarung höher ausfallen. Das Regelarbeitsentgelt umfasst das im jeweiligen Lohnabrechnungszeitraum für die Altersteilzeitarbeit regelmäßig zu zahlende sozialversicherungspflichtige Arbeitsentgelt, soweit es die monatliche Beitragsbemessungsgrenze des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) nicht überschreitet. Gehaltsbestandteile, die nicht regelmäßig ausbezahlt werden, werden für diese Berechnung dem Regelarbeitsentgelt nicht hinzugezählt.

27 Fabritius, ArbRAktuell 2011, 344. 28 BeckOK-ArbR/Rittweger, § 2 ATG Rn 28.

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48 

 Kapitel 1 Altersteilzeit

Beispiel Altersteilzeit Berechnung 2012 – Entgelt in € für einen Arbeitnehmer, 60 Jahre alt, Steuerklasse I, kinderlos, kirchensteuerpflichtig Brutto Entgelt Netto Entgelt Aufstockung (+ 20 % vom ATZ Brutto) ATZ Netto gesamt

Vollzeit 4.000,00 2.310,25

Altersteilzeit 2.000,00 1.336,96 400,00 1.765,96

Praxishinweis Aufstockungsbeiträge und der zusätzliche Beitrag zur Rentenversicherung sind steuer- und beitragsfrei.

5. Beendigung/Streitigkeiten a) Reguläre Beendigung 34 Altersteilzeit wird regulär durch das Erreichen des im Vertrag vereinbarten Austrittsdatums beendet. In der Regel wird der Arbeitnehmer im Anschluss eine Rente von Alters wegen (§ 53 ff SGB VI) bzw. eine Rente aus einer berufsständischen Versorgung (§ 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI) beziehen. Daneben muss der Arbeitgeber aber auch sog. Störfälle, die vorzeitige Beendigung der Altersteilzeit-Regelung, beachten.

b) Störfälle 35 Störfälle stellen die Rückkehr in ein Vollzeitarbeitsverhältnis, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung oder der Tod des Arbeitnehmers dar. Die Insolvenz des Arbeitgebers ist nicht zwangsläufig als Störfall zu werten, da sie das Arbeitsverhältnis nicht direkt beendet. Der Altersteilzeitvertrag stellt einen befristeten Arbeitsvertrag dar. Grundsätzlich 36 sind befristete Arbeitsverhältnisse nur außerordentlich kündbar. Ordentliche Kün­ digungen während der Laufzeit des Altersteilzeitvertrags – betriebsbedingt, verhaltensbedingt oder personenbedingt im Rahmen der gesetzlichen oder tariflichen Frist – sind in einem befristeten Arbeitsvertrag nur möglich, wenn sie einzelvertraglich oder im anwendbaren Tarifvertrag vereinbart wurden, § 15 Abs. 3 TzBfG. Praxishinweis Die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung sollte unbedingt in den Altersteilzeitvertrag aufgenommen werden, um bei Fehlverhalten des Arbeitnehmers auch unterhalb der Schwelle des § 626 BGB (fristlose Kündigung aus wichtigem Grund) das Arbeitsverhältnis auflösen zu können.

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A. Arbeitsrecht 

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Im Teilzeitmodell ist die personen- oder verhaltensbedingte Kündigung möglich, 37 sofern sie nicht aufgrund einer langen Betriebszugehörigkeit tarifvertraglich ausgeschlossen ist. In Bezug auf die betriebsbedingte Kündigung etwa bei Insolvenz des Arbeitgebers oder der unvorhersehbaren Stilllegung des Betriebs können Arbeitnehmer in Altersteilzeit hinsichtlich des notwendigen Personalabbaus betroffen sein. Im Blockmodell ergeben sich bezüglich des möglichen Eintritts eines Störfalls 38 im Verlauf der Arbeitsphase keine Abweichungen zum Teilzeitmodell. Besonderheiten ergeben sich nur im Verlauf der Freistellungsphase. Da keine Arbeitspflicht mehr besteht, scheidet eine personenbedingte Kündigung grundsätzlich aus. Eine verhaltensbedingte Kündigung ist möglich, insbesondere kann auch auf dann erst bekannt gewordenes Fehlverhalten aus der Zeit der Arbeitsphase zurückgegriffen werden. Jedoch hat der Arbeitgeber davon auszugehen, dass er nur in solch außergewöhnlichen Fällen kündigen kann, die die Vertrauensbasis so stark erschüttern, dass trotz nicht zu erbringender Arbeitsleistung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar erscheint.29 Eine betriebsbedingte Kündigung ist in der Freistellungsphase grundsätzlich nicht möglich, da nur der tatsächlich vorhandene Beschäftigungsbedarf wegfallen kann, was in der Freistellungsphase mangels tatsächlicher Beschäftigung nicht mehr der Fall ist.30 Eine vorzeitige Beendigung im Blockmodell führt zu einem unausgewogenen Ver- 39 hältnis zwischen den Parteien des Altersteilzeitvertrages. Der Arbeitnehmer ist mit der erbrachten Vollzeit-Arbeit in Vorleistung getreten und hat hierfür nur eine verringerte Vergütung bezahlt bekommen. Das ATG enthält hierzu keine Regelungen. Das erarbeitete Wertguthaben nach § 23b SGB IV muss aufgelöst und an den Arbeitnehmer ausgezahlt werden.31 Praxishinweis Einige Tarifverträge enthalten Regelungen zur Abwicklung des Altersteilzeitverhältnisses nach Eintritt eines Störfalls.32 Wenn kein Tarifvertrag Anwendung findet, sollten bereits bei Abschluss des Vertrages die Abwicklungsmodalitäten eines Störfalls vereinbart werden.

Nach einem eingetretenen Störfall haben im Todesfalle die Erben des Arbeitnehmers 40 einen Anspruch auf den bereits erarbeiteten Teil des Entgelts.

29 LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 18.1.2005 – 2 Sa 413/04 –. 30 Grundlegend BAG, Urt. v. 5.12.2002 – 2 AZR 571/01 –. 31 Näheres zu Abwicklung nach Eintritt eines Störfalls vgl. Teil B. Rn 83 ff. und Teil C. Rn 119 ff. 32 Vgl. BAG, Urt. v. 16.3.2004 – 9 AZR 267/03 –.

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50 

 Kapitel 1 Altersteilzeit

c) Insolvenzsicherung

41 Führt die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dazu, dass sich im

Verlauf der Altersteilzeit ein Wertguthaben nach § 23b SGB IV aufbaut, so besteht nach § 8a ATG die Pflicht zur Insolvenzsicherung dieses Guthabens. Diese gesetzliche Regelung ist umfassend für Grund, Höhe und Art der Sicherung unabdingbar. Auch durch Tarifvertrag kann hiervon nicht abgewichen werden.33 Ausgenommen von dieser Regelung sind nach § 8a Abs. 6 ATG Bund, Länder, Gemeinden, Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, über deren Vermögen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht zulässig ist, sowie solche juristischen Personen des öffentlichen Rechts, bei denen der Bund, ein Land oder eine Gemeinde kraft Gesetz die Zahlungsfähigkeit sichert. Praxishinweis Die Art und Weise der Insolvenzsicherung schreibt das Gesetz nicht vor, damit der Arbeitgeber sie seinen betrieblichen Besonderheiten entsprechend optimal wählen kann. Als nicht geeignete Sicherungsmittel sind bilanzielle Rückstellungen und zwischen Konzernunternehmen (§ 18 Aktiengesetz) begründete Einstandspflichten, insbesondere Bürgschaften, Patronatserklärungen oder Schuldbeitritte gesetzlich ausgeschlossen (§ 8a Abs. 1 S. 2 ATG). Teilweise enthalten jedoch Tarifverträge einschränkende Regelungen hinsichtlich der Art der Insolvenzabsicherung, die es zu beachten gilt.

42 § 8a Abs. 1 ATG findet maßgeblich im Blockmodell Anwendung. Sie kann aber auch

bei kontinuierlicher Erbringung der Arbeitsleistung notwendig sein.34 Die Insolvenzsicherung schützt den Arbeitnehmer, der im Blockmodell während der Arbeitsphase in Vorleistung tritt, vor insolvenzbedingtem Verlust des Auszahlungsanspruchs während der Freistellungsphase. Maßgebliches Kriterium ist, ob das Wertguthaben die Höhe des dreifachen monatlichen Regelarbeitsentgelts einschließlich der darauf zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge überschreitet, § 8a Abs. 1 S. 1 ATG. Der Umfang der Sicherungspflicht beginnt mit dem ersten Monat der Altersteil43 zeit und beinhaltet sämtliches vom Arbeitnehmer erwirtschaftetes, aber noch nicht ausgezahltes Brutto-Arbeitsentgelt sowie die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung.35 Die Pflicht zur Insolvenzsicherung trägt alleine der Arbeitgeber. Er muss den Arbeitnehmer zu Beginn der Altersteilzeit und dann alle sechs Monate in Textform über die getroffenen Maßnahmen unterrichten.36

33 Rolfs, NZS 2004, 561, 565. 34 ErfK/Rolfs, § 8a ATG Rn 2. 35 Rolfs, NZS 2004, 561, 564. 36 HWK/Stindt/Nimscholz, § 8a ATG Rn 5.

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A. Arbeitsrecht 

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Praxishinweis Häufig verwendete Sicherungsmittel sind das Verpfändungsmodell und das sog. CTA-Modell:37 – Verpfändungsmodell: Das vom Arbeitgeber geführte Wertpapier- oder Investmentdepot, in das der finanzielle Gegenwert des Wertguthabens eingebracht wird, wird zu Gunsten des jeweiligen Arbeitnehmers verpfändet. – Contractual Trust Arrangement-Modell (CTA): Doppelseitige Treuhand. Der Arbeitgeber überträgt Vermögensgegenstände auf einen neu gegründeten Rechtsträger (Treuhänder) und erstellt ein Pfandrecht zu Gunsten des Arbeitnehmers in Altersteilzeit. Zwischen Arbeitgeber und Treuhänder besteht ein Verwaltungstreuhandvertrag, der den Treuhänder verpflichtet, das Vermögen als Verwaltungstreuhänder für das Unternehmen zu verwalten und anzulegen.38 Darüber hinaus wird ein Sicherungstreuhandvertrag zwischen Arbeitgeber und Treuhänder geschlossen, der einen echter Vertrag zugunsten Dritter i.S.d. § 328 BGB darstellt – Dritter ist der Arbeitnehmer.

Kommt der Arbeitgeber der Verpflichtung nicht nach oder sind die nachgewiesenen 44 Maßnahmen zur Sicherung nicht geeignet und weist er auf schriftliche Aufforderung des Arbeitnehmers binnen eines Monats keine geeignete Insolvenzsicherungsmaßnahme nach, kann der Arbeitnehmer die Leistung einer Sicherheit in Höhe des Wertguthabens verlangen.39 Die Möglichkeit zur Leistung der Sicherung wird dann erheblich eingeschränkt und kann nur erfolgen, indem ein tauglicher Bürge gestellt wird, Geld oder sicherungsgeeignete Wertpapiere hinterlegt werden, § 8a Abs. 4 S. 2 ATG.

d) Rechtsweg Für rechtliche Streitigkeiten zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber ist, 45 auch während der Freistellungsphase im Blockmodell, das Arbeitsgericht zuständig, § 2 Abs. 1 Nr. 3a Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG).

6. Betriebsverfassungsrechtliche/tarifliche Aspekte a) Betriebsverfassungsrecht Der Betriebsrat hat ein Vorschlagsrecht gem. § 92a BetrVG. Er kann dem Arbeitgeber 46 Vorschläge zur Sicherung und Förderung der Beschäftigung, insbesondere hinsichtlich einer flexiblen Gestaltung der Arbeitszeit und der Förderung von Altersteilzeit, unterbreiten. Die Umwandlung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses in einen Altersteil- 47 zeitvertrag ist keine Einstellung i.S.d. §  99 Abs. 1 BetrVG bzw. §  75 Abs. 1 BPersVG; der Betriebsrat bzw. der Personalrat hat insoweit kein Mitbestimmungsrecht.40 Vor Ausspruch einer Kündigung ist jedoch der Betriebsrat nach § 102 BetrVG anzuhören,

37 Vgl. ErfK/Rolfs, § 7e SGV IV Rn 7. 38 Skorczyk/Klubs/Jacobsen, Special 4 zu BB 2007, 12. 39 Rolfs, NZS 2004, 561, 565. 40 Grundlegend BVerwG, Beschl. v. 12.6.2001 – 6 P 11/00 –.

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 Kapitel 1 Altersteilzeit

auch wenn der Arbeitnehmer sich bereits in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befindet. Da die aktive und passive Wählbarkeit zum Betriebsrat an das Merkmal der 48 Betriebszugehörigkeit anknüpft, verliert ein Altersteilzeit-Arbeitnehmer mit Eintritt in die Freistellungsphase seine Wählbarkeit i.S.d. § 8 BetrVG und kann in Folge nicht mehr Teil des Betriebsrates sein, § 24 S. 1 Nr. 4 BetrVG.

b) Tarifvertragsrecht Praxishinweis Eine Vielzahl von Branchen hat die Altersteilzeit in Tarifverträgen spezifisch geregelt und neben vom Gesetz abweichenden Aufstockungsbeiträgen und Überforderungsklauseln auch zusätzliche Regeln vereinbart, die es zu beachten gilt. 49 Durch tarifvertragliche Vereinbarung kann von den gesetzlichen Mindestvorgaben

des ATG abgewichen werden. Häufig sind in Tarifverträgen neben einem Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrags auch Regelungen zu den Aufstockungsbeiträgen zu finden. Findet der relevante Tarifvertrag auf den Arbeitsvertrag Anwendung, so sind die erhöhten Aufstockungsbeiträge an den Arbeitnehmer auszuzahlen. Beispiel Unterschiedliche Aufstockungsbeiträge (Stand 2010)41 –– Baugewerbe 20 % Aufstockung –– Chemische Industrie, Stahl 35 % Aufstockung –– Öffentlicher Dienst: auf min. 83 % des Vollzeit-Netto (Stand 2011) –– Metall- und Elektroindustrie: 82 % des Vollzeit-Netto –– Versicherungen: 30 % des Vollzeit-Netto

50 Für das Blockmodell gilt der sog. Tarifvorbehalt. Dieser sieht vor, dass ein Ver-

teilzeitraum von mehr als drei Jahren („Langzeitverblockung“) nur aufgrund eines Altersteilzeittarifvertrages oder einer entsprechenden kirchenrechtlichen Regelung zulässig ist, § 2 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 ATG. Ausreichend für die Möglichkeit eines verlängerten Verteilzeitraums ist ein bereits gekündigter und nur noch nachwirkender Altersteilzeittarifvertrag. Auf die Mitgliedschaft des Arbeitnehmers in einer Gewerkschaft kommt es nicht an. Maßgeblich ist die Tarifbindung des Arbeitgebers. Lässt der Tarifvertrag Abweichungen durch Betriebsvereinbarungen zu, können auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber von diesen Öffnungsklauseln Gebrauch machen.

41 Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln; Info Services-iwd-Archive über http://www.iwkoeln.de.

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A. Arbeitsrecht 

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Existiert in dem Unternehmen kein Betriebsrat, ist es möglich die Regelungen des Tarifvertrages einzelvertraglich zu übernehmen. Sofern für eine Branche eine tarifvertragliche Regelung zur Verteilung der Arbeitszeit überhaupt nicht vorhanden ist oder üblicherweise nicht getroffen wird, findet der Tarifvorbehalt keine Anwendung. D.h. Altersteilzeitvereinbarungen im Blockmodell können durch Betriebsvereinbarung oder individuelle Vereinbarung mit einem Verteilzeitraum von bis zu 12 Jahren vereinbart werden, vgl. § 2 Abs. 2 S. 5 ATG. Dies gilt u.a. auch für leitende Angestellte, außertariflich Angestellte und Freiberufler. Verschiedene Altersteilzeittarifverträge enthalten auch spezielle Regelungen zur 51 Insolvenzsicherung, die den Arbeitgeber in der Wahl der Insolvenzsicherungsmethode einschränken. Ein maßgeblicher Altersteilzeittarifvertrag, der im Bereich des Tarifvertrags für 52 den öffentlichen Dienst (TVöD) und des Tarifvertrags Versorgungsbetriebe (TV-V) Anwendung findet, ist der Tarifvertrag zur flexiblen Arbeitszeitregelung für ältere Beschäftigte (TV FlexAZ). Praxishinweis Der TV FlexAZ findet Anwendung u.a. bei Angestellten an öffentlichen Schulen und Krankenhäusern, Angestellten des Bundes, der Länder und Kommunen, in Versorgungs- und Eigenbetrieben der Städte (Stadtwerke etc.), soweit dort Tarifbindung besteht.

Der genannte TV FlexAZ gibt den Angestellten einen Anspruch auf Abschluss eines 53 Altersteilzeitvertrags, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet haben, innerhalb der letzten fünf Jahre 1080 Kalendertage in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden haben, maximal fünf Jahre vom Beginn der Altersrente entfernt sind und noch nicht 2,5 % der Beschäftigten der Verwaltung bzw. desselben Betriebes von einer Altersteilzeitregelung Gebrauch gemacht haben, §§  4–6 TV FlexAZ. Im Einzelfall kann, solange die Vorgaben des ATG nicht unterschritten werden, durch einvernehmliche Dienstvereinbarung oder freiwillige Betriebsvereinbarung von diesen Vorgaben abgewichen werden, da der TV FlexAZ in § 12 eine Öffnungsklausel enthält.

III. Langzeitkonten einschließlich Altersteilzeit Durch das am 1.1.2009 in Kraft getretene Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbe- 54 dingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen und zur Änderung anderer Gesetze42 wurde die Altersteilzeit in das System der Langzeitkonten eingegliedert. Bei der Altersteilzeit ist es nun auch zulässig, das Wertguthaben aus einem Langzeitkonto zum Ausgleich des Entgeltausfalls durch die Halbierung der Arbeits-

42 BGBl 2008 I, 2940.

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 Kapitel 1 Altersteilzeit

zeit zu verwenden. Näheres zu den Voraussetzungen von Langzeitkonten und Kombinationsmöglichkeiten mit Altersteilzeitvereinbarungen enthält das Kap. 23 – Lebensarbeitszeitkonten.

IV. Checkliste zur Vertragsgestaltung Checkliste –– Abschluss vor Beginn der Altersteilzeit –– Schriftform –– Beginn und Ende der Altersteilzeit –– Art der Altersteilzeit (z.B. Blockmodell) –– Arbeitszeit und Art der Tätigkeit, ggf. Beginn der Freistellungsphase –– Arbeitsentgelt –– Aufstockungsbeitrag zusätzlich zum Arbeitsentgelt –– Rentenversicherungszusatzbeitrag –– Hinweis auf derzeitige Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit der Aufstockungsbeiträge, Progressionsvorbehalt –– Insolvenzsicherung –– Ruhen und Erlöschen des Anspruchs (§ 5 ATG) –– Beendigung des Vertrags (Kündigungsmöglichkeit!) –– Ggf. Abwicklungsmodalitäten bei Eintritt eines Störfalls –– Verbot der Nebenbeschäftigung

B. Steuerrecht 55 Bei einem in Altersteilzeit beschäftigten Arbeitnehmer ergeben sich im Vergleich

zu einem normalen Beschäftigungsverhältnis grundsätzlich keine Besonderheiten. Bedeutsam aus lohnsteuerlicher Sicht sind jedoch steuerfreie Arbeitgeberleistun­ gen.

I. Steuerfreiheit im Rahmen der Altersteilzeit

56 Nach § 3 Nr. 28 EStG sind im Rahmen der Altersteilzeit grundsätzlich folgende Leis-

tungen steuerfrei: –– Aufstockungsbeträge zum Regelarbeitsentgelt i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1a ATG, –– zusätzliche Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1b ATG, –– Zahlungen des Arbeitgebers zur Übernahme der Beiträge i.S.d. §  187a SGB VI, durch die Rentenminderungen bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente vermieden werden sollen und –– Zuschläge für Aufstockungszahlungen für beamtenähnlich beschäftigte versicherungsfreie Beschäftigte (§ 27 Nr. 1 bis 3 SGB III). Tüzel

B. Steuerrecht 

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Darüber hinaus müssen im Übrigen auch die weiteren Voraussetzungen des § 2 57 ATG vorliegen – etwa die Verringerung der (tariflichen) regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf die Hälfte, Vollendung des 55. Lebensjahres etc. Zu beachten ist ferner, dass die Vereinbarung über die Arbeitszeitverminderung 58 sich zwingend zumindest auch auf die Zeit erstrecken muss, bis der Arbeitnehmer eine Rente wegen Alters beanspruchen kann.43 Dafür ist nicht erforderlich, dass diese Rente ungemindert ist.44 Der frühestmögliche Zeitpunkt, zu dem eine Altersrente in Anspruch genommen werden kann, ist die Vollendung des 60. Lebensjahrs. Die steuerfreie Auszahlung von Aufstockungsbeträgen kommt nicht mehr in Betracht, wenn der Arbeitnehmer die Altersteilzeit beendet oder die für ihn geltende gesetzliche Altersgrenze für die Regelaltersrente erreicht hat, § 5 Abs. 1 Nr. 1 ATG. Dagegen ist es für die Steuerfreiheit der Leistungen ohne Belang, wenn mit der 59 Altersteilzeit erst nach dem 31.12.2009 begonnen wurde und diese nicht mehr durch die Bundesagentur für Arbeit gefördert wird.

1. Voraussetzungen der Steuerfreiheit von Aufstockungsbeträgen Voraussetzung für die Steuerfreiheit gem. § 3 Nr. 28 EStG ist, dass der Arbeitgeber 60 das Arbeitsentgelt für die Altersteilzeit um mindestens 20 % dieses Arbeitsentgelts aufstockt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1a ATG). Als „Aufstockungsbeträge“ gezahlte Leistungen des Arbeitgebers, die unterhalb dieses im Altersteilzeitgesetz geforderten Mindestbetrags liegen, können nicht nach § 3 Nr. 28 EStG steuerfrei belassen werden. Dagegen können Aufstockungsbeträge auch steuerfrei gezahlt werden, soweit der Arbeitgeber höhere als den im Altersteilzeitgesetz als Mindestbetrag vorgesehenen Aufstockungsbetrag zahlt.45 Durch eine vorzeitige Beendigung der Altersteilzeit (Störfall) ändert sich der Cha- 61 rakter der bis dahin erbrachten Arbeitgeberleistungen nicht, weil das Altersteilzeitgesetz keine Rückzahlung vorsieht. Dies bedeutet im Ergebnis, dass die Steuerfreiheit erhalten bleibt.46 Ob ein Förderanspruch des Arbeitgebers gegenüber der Bundesagentur für Arbeit 62 besteht, ruht (z.B. Arbeitnehmer arbeitet neben seiner Tätigkeit im Rahmen der Altersteilzeit in einem weiteren nicht geringfügig bezahltem Beschäftigungsverhältnis) oder nachträglich erlischt (z.B. in Fällen, in denen der frei gewordene Voll- oder Teilarbeitsplatz nicht wieder besetzt wird), spielt für die steuerliche Behandlung der Aufstockungsbeträge ebenfalls keine Rolle.

43 Derzeit je nach Geburtsjahr zwischen dem 65. und 67. Lebensjahr. 44 Vgl. R 3.28 LStR. 45 Vgl. hierzu R 3.28 Abs. 3 S. 1 LStR und Rn 68. 46 Vgl. hierzu sogleich Rn 83.

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 Kapitel 1 Altersteilzeit

Der Aufstockungsbetrag wird ausgehend vom sog. Regelarbeitsentgelt berechnet, so dass diesem Tatbestandsmerkmal grundlegende Bedeutung zukommt, welche Entgeltbestandteile mit umfasst sind.

a) Begriff des Regelarbeitsentgelts

64 Das Regelarbeitsentgelt stellt als Bezugsgröße die Ausgangsbasis für die eigentli-

che gem. § 3 Nr. 28 EStG steuerfreie Aufstockungsleistung (Aufstockungsbetrag) des Arbeitgebers dar. Es wird als das auf einen Monat entfallende sozialversiche­ rungspflichtige Arbeitsentgelt definiert, das der Arbeitgeber im Rahmen der Altersteilzeitarbeit regelmäßig gegenüber dem Arbeitnehmer zu leisten hat. Bei Vereinbarungen über die Freistellung von der Arbeitsleistung ist für Zeiten 65 der tatsächlichen Arbeitsleistung und der Freistellung das in dem jeweiligen Zeitraum fällige laufende Arbeitsentgelt als Regelarbeitsentgelt maßgebend. Praxishinweis Sofern sich das Regelarbeitsentgelt z.B. aufgrund variabler Lohnbestandteile ändert, muss es (ggf. monatlich) neu festgesetzt werden, wobei die monatliche Beitragsbemessungsgrenze der Arbeitslosenversicherung nicht überschritten werden darf. Zu den variablen Lohnbestandteilen gehören z.B. vermögenswirksame Leistungen, Prämien und Zulagen, steuer- und beitragspflichtige Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, Sachbezüge und sonstige geld­werte Vorteile, wie z.B. die private Nutzung des Firmenwagens.

66 Das Regelarbeitsentgelt umfasst nicht Entgeltbestandteile, die einmalig und

daher nicht regelmäßig oder nicht für die vereinbarte Arbeitszeit gezahlt werden. 67 Folgende Entgeltbestandteile bleiben somit unberücksichtigt: –– Mehrarbeitsvergütungen, –– Jahressondervergütungen und –– Einmalzahlungen. 68 Folgende Entgeltbestandteile sind hingegen vom Regelarbeitsentgelt mit um­fasst und erhöhen dieses entsprechend: –– Einmalzahlungen die arbeitsrechtlich zulässig in jedem Kalendermonat zu einem Zwölftel ausgezahlt werden und –– Zulagen wenn diese für bestimmte Arbeiten gewährt werden, die nach dem Arbeitsvertrag regelmäßig (monatlich) zu leisten sind und auch künftig durch den Arbeitgeber abgefordert werden sollen (Schmutz-, Leistungs- und Erschwerniszulagen sowie Zulagen für Rufbereitschaft). Es ist unerheblich, ob die die Zulage auslösende Tätigkeit in den einzelnen Monaten tatsächlich ausgeübt wurde oder nicht.

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B. Steuerrecht 

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b) Steuerfreiheit bei Aufstockung über gesetzliche Mindestbeträge Die Steuerfreiheit liegt auch dann vor, wenn die konkreten Aufstockungsbeträge über den im Altersteilzeitgesetz genannten gesetzlichen Mindestaufstockungs­ beträgen 47 liegen. Aufstockungsbeträge und zusätzliche Beiträge zur gesetzlichen Rentenver­ sicherung sind auch steuerfrei, soweit der Arbeitgeber (etwa aufgrund eines Tarifvertrages) höhere Mindestbeträge als im ATG bestimmt zahlt. Die Steuerfreiheit besteht jedoch maximal, soweit die Aufstockungsbeträge zusammen mit dem während der Altersteilzeit bezogenen Nettoarbeitslohn monatlich 100 % des maßgebenden Arbeitslohns nicht übersteigen.48 Maßgeblich ist der individuelle Nettoarbeitslohn des jeweiligen Lohnzahlungszeitraums, d.h. inklusive etwaiger Tariflohnerhöhungen oder auf der Lohnsteuerkarte eingetragener Freibeträge. Maßgebend ist bei laufendem Arbeitslohn der Nettoarbeitslohn, den der Arbeitnehmer im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum ohne Altersteilzeit üblicherweise erhalten hätte. Bei sonstigen Bezügen ist auf den unter Berücksichtigung des ermittelten voraussichtlichen Jahresnettoarbeitslohns unter Einbeziehung der sonstigen Bezüge bei einer unterstellten Vollzeitbeschäftigung abzustellen. Auch wenn derzeit keine Tarifverträge aus der Praxis bekannt sind, die eine Aufstockung auf über 100 % des letzten Arbeitslohns vorsehen, sind zumindest Fälle aus dem Individualarbeitsrecht denkbar, in denen durch arbeitsvertragliche Abrede eine derartige Regelung geschlossen wird. Beispiel (Begrenzung auf 100 % des Nettoarbeitslohns)49 Ein Arbeitnehmer mit monatlichem Vollzeit-Bruttogehalt in Höhe von 8.750 € nimmt von der Vollendung des 62. bis zur Vollendung des 64. Lebensjahres Altersteilzeit in Anspruch. Danach scheidet er aus dem Arbeitsverhältnis aus. Der Mindestaufstockungsbetrag nach dem Altersteilzeitgesetz beträgt 875 €. Der Arbeitgeber gewährt eine weitere freiwillige Aufstockung in Höhe von 3.000 € (Aufstockungsbetrag insgesamt 3.875 €). Der steuerfreie Teil des Aufstockungsbetrags ist wie folgt zu ermitteln: a) Ermittlung des maßgebenden Arbeitslohns: Bruttoarbeitslohn bei fiktiver Vollarbeitszeit abzgl. gesetzliche Abzüge (Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer, Sozialversicherungsbeiträge) maßgebender Nettoarbeitslohn

€ 8.750,00 € 3.750,00 € 5.000,00

47 Vgl. R 3.28 Abs. 3 S. 1 LStR. 48 Vgl. R 3.28 Abs. 3 S. 2 LStR. 49 Berechnungsbeispiel aus den entsprechenden Lohnsteuerhinweisen gem. H 3.28 LStR.

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 Kapitel 1 Altersteilzeit

b) Vergleichsberechnung: Bruttoarbeitslohn bei Altersteilzeit abzgl. gesetzliche Abzüge (Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer, Sozialversicherungsbeiträge) Zwischensumme zzgl. Mindestaufstockungsbetrag zzgl. freiwilliger Aufstockungsbetrag Nettoarbeitslohn

€ 375,00 € 1.725,00 € 2.650,00 € 875,00 € 3.000,00 € 6.525,00

Durch den freiwilligen Aufstockungsbetrag von 3.000 € ergäbe sich ein Nettoarbeitslohn bei der Altersteilzeit, der den maßgebenden Nettoarbeitslohn um 1.525 € übersteigen würde. Demnach sind steuerfrei: Mindestaufstockungsbetrag zzgl. freiwilliger Aufstockungsbetrag abzgl. steuerfreier Aufstockungsbetrag

€ 3.000,00 € 1.525,00

€ 875,00 € 1.475,00 € 2.350,00

Praxishinweis –– Maßgebend ist bei laufendem Arbeitslohn der Nettoarbeitslohn, den der Arbeitnehmer im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum ohne Altersteilzeit üblicherweise erhalten hätte. –– Unangemessene Erhöhungen vor oder während der Altersteilzeit sind bei der o.g. Berechnung auszublenden. Hierbei gibt es keine fixen Grenzen, jedoch sollten aus hiesiger Sicht zumindest Erhöhungen von über 25 % bei der Bestimmung des Regelarbeitsentgelts unberücksichtigt bleiben. –– Weitere Details sowie Berechnungsbeispiele des voraussichtlichen Jahresnettoarbeitslohns enthalten R 39b.6 Abs. 2 LStR.

2. Aufstockung der Rentenversicherungsbeiträge 74 Seit dem 1.7.2004 sind für Arbeitnehmer zusätzliche Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen (Rentenaufstockungsbetrag) und zwar mindestens in Höhe des Betrags, der auf 80 % des Regelarbeitsentgelts für die Altersteilzeit entfällt, begrenzt auf den Unterschiedsbetrag zwischen 90 % der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze und dem Regelarbeitsentgelt, höchstens bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 3 Abs. 1 Nr. 1b ATG). Dies soll anhand der folgenden Beispiele dargestellt werden:

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B. Steuerrecht 

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Beispiel – Steuerfreie Übernahme möglich Das Regelarbeitsentgelt eines Arbeitnehmers (alte Bundesländer) beträgt 1.400 €. 90 % der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze50 (alte Bundesländer): 90 % von 5.600 € abzgl. Regelarbeitsentgelt Unterschiedsbetrag

€ 5.040,00 € 1.400,00 € 3.640,00

Vergleichsrechnung: 80 % des Regelarbeitsentgelts (80 % v. 1.400 €) 19,6 % Beitragssatz (19,6 % v. 1.120 €)

€ 1.120,00 € 219,52

Die Beiträge i.H.v. 219,52 € können steuerfrei durch den Arbeitgeber übernommen werden (§ 3 Nr. 28 EStG). Denn die 80 % des Regelarbeitsentgelts (1.120 €) sind niedriger als der oben berechnete Unterschiedsbetrag (3.640 €). Sie unterliegen zudem nicht dem Progressionsvorbehalt. – Keine Steuerfreie Übernahme möglich Das Regelarbeitsentgelt eines Arbeitnehmers (alte Bundesländer) beträgt 3.000 €. 90 % der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze(alte Bundesländer): 90 % von 5.600 € abzgl. Regelarbeitsentgelt Unterschiedsbetrag

€ 5.040,00 € 3.000,00 € 2.040,00

Vergleichsrechnung: 80 % des Regelarbeitsentgelts (80 % v. 3.000 €) 19,6 % Beitragssatz v. 2.040 €

€ 2.400,00 € 399,84

Da der Unterschiedsbetrag in Höhe von 2.040 € diesmal niedriger ist als die 80 % des Regelarbeitsentgelts, ist der hierauf entfallende Beitrag (399,84 €) steuer- und beitragspflichtig. Diesen zusätzlichen Rentenversicherungsbeitrag hat der Arbeitgeber im Übrigen allein zu tragen.

3. Zahlungen nach § 187a SGB VI Wird die Altersrente nach vorheriger Inanspruchnahme von Altersteilzeit ange- 75 treten, kann dies zu deutlichen Abschlägen der Rente führen. Der Arbeitgeber ist in diesen Fällen – etwa durch innerbetriebliche Vereinbarungen – berechtigt, Zahlungen mit dem Zweck der Vermeidung bzw. Ausgleich von Rentenminderung an den Arbeitnehmer zu leisten (187a SGB VI). In diesem Fall ist die Steuerfreiheit gem. §  3 Nr. 28 EStG auf 50 % der insge­ 76 samt geleisteten zusätzlichen Rentenversicherungsbeiträge begrenzt, da auch

50 Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung: Beträge ab 1.1.2012.

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Pflichtbeiträge des Arbeitgebers zur gesetzlichen Rentenversicherung nur zu 50 % des Gesamtbeitrags steuerfrei sind.

4. Zuschläge für Aufstockung nach Beamtenrecht

77 Zuschläge, die nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen versiche-

rungsfrei Beschäftigte i.S.d. § 27 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB III zur Aufstockung der Bezüge bei Altersteilzeit erhalten, können ebenfalls nach § 3 Nr. 28 EStG steuerfrei gezahlt werden. Diese Regelung gilt im Übrigen nicht nur für Beamte und Richter, sondern für alle versicherungsfrei Beschäftigten mit beamtenähnlichem Status (Kirchenbeamte, Pfarrer etc.).

II. Verfahrensrechtliche Aspekte

78 Die Aufstockungsbeträge sowie die Zuschläge an Beamte – nicht jedoch die zusätz-

lichen Beiträge zur Rentenversicherung – unterliegen dem Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 1g EStG und werden wenn sie den Betrag von 410 € überschreiten (zusätzliche Voraussetzung) im Rahmen einer Einkommensteuerveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG berücksichtigt. Dies bedeutet somit, dass Aufstockungsbeträge zwar nicht zum versteuerten Einkommen (Bemessungsgrundlage) hinzugerechnet, jedoch bei der Bestimmung des individuellen Steuersatzes (erhöhend) mit berücksichtigt werden. Aus diesem Grund ist der Arbeitgeber verpflichtet, diese Leistungen sowohl im 79 entsprechenden Lohnkonto als auch in der elektronischen Lohnsteuerbeschei­ nigung (Eintragung in Zeile 15) gesondert vorzunehmen. Die Durchführung eines Lohnsteuerjahresausgleichs ist nicht zulässig. 80

III. Steuerrechtliche Behandlung von Blockmodellen

81 In den meisten Fällen wird die Altersteilzeit heute im klassischen Blockmodell

durchgeführt. Die Altersteilzeit wird hierbei in zwei gleich lange Beschäftigungsblöcke unterteilt. In der ersten sog. Arbeitsphase (Aktivphase) bleibt die wöchentliche Arbeitszeit ungekürzt. In der sich direkt anschließenden zweiten Phase (Passiv- oder Freistellungsphase) erfolgt dann die eigentliche Freistellung von der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung. Bezogen auf die Gesamtdauer der Altersteilzeit ergibt sich somit eine Reduzierung der Arbeitszeit auf die Hälfte. Aus lohnsteuerlicher Sicht ergeben sich beim Blockmodell grundsätzlich 82 keine Abweichungen. Insbesondere erfolgt die Besteuerung des in der Freizeitphase weitergezahlten Arbeitslohns aufgrund des Zuflussprinzips weiterhin nach den allgemeinen Grundsätzen (Lohnsteuerabzugsmerkmale, -anmeldung). Auch die vorbezeichnete Steuerfreiheit gem. § 3 Nr. 28 EStG findet in diesem Zeitraum weiter Anwen-

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B. Steuerrecht 

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dung. Nachfolgend werden einige Besonderheiten dargestellt, die sich im Rahmen der Durchführung des Blockmodells ergeben können.

1. Steuerfreiheit des Aufstockungsbetrages bei Störfällen Fälle von Blockzeitmodellen, in denen der beabsichtigte (vertraglich vereinbarte) Übergang zur Altersrente vom tatsächlichen Übergang – etwa durch den Tod des Arbeitnehmers, Eintritt der Erwerbsunfähigkeit, aber auch Kündigung des Arbeitnehmers – abweicht, werden als sog. Störfälle bezeichnet. Durch eine derartige vorzeitige Beendigung der Altersteilzeit ändert sich der Charakter der bis dahin erbrachten Arbeitgeberleistungen aus lohnsteuerlicher Sicht nicht, weil das Altersteilzeitgesetz keine Rückzahlung vorsieht.51 Die Steuerfreiheit der Aufstockungsbeträge bleibt daher bis zum Eintritt des Störfalls erhalten.52 In Störfällen, in denen der Arbeitgeber aufgrund der Auflösung der in der Arbeitsphase angesparten und in der Freistellungsphase noch nicht verbrauchten Wertguthaben sozialversicherungsrechtlich Beiträge zur Renten-, Arbeitslosen-, Krankenoder Pflegeversicherung nachzahlt, sind die Beitragsanteile des Arbeitgebers nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei.53 Kommt es zu einem Störfall erhält der Arbeitnehmer bzw. seine Hinterbliebenen für die in der Arbeitsphase vorgeleistete Arbeitsleistung den Unterschiedsbetrag zwischen den Bezügen, die er tatsächlich erhalten hat und den Bezügen, die er für den Zeitraum seiner tatsächlichen (geplanten) Beschäftigung erhalten hätte, wenn kein Altersteilzeitarbeitsverhältnis vereinbart worden wäre. Beispiel Ein Arbeitnehmer, der zwei Jahre Altersteilzeit im Blockmodell leisten wollte, verstirbt bereits nach Ablauf von sechs Monaten Altersteilzeit noch während der Arbeitsphase. Sein Teilzeitbrutto betrug monatlich 2.500 €, der Aufstockungsbetrag 800 €, die zusätzlichen Rentenversicherungsbeiträge 406 € und das Vollzeitbrutto 5.000 €. Sein Rückzahlungsanspruch berechnet sich wie folgt: Fiktive Bezüge für den Zeitraum der tatsächlichen Beschäftigung, die ohne Eintritt der erzielt worden wären (6 × 5.000 €) erhaltene Bezüge während der Altersteilzeit (6 × 2.500 €) erhaltene Aufstockungsleistungen während der Altersteilzeit (6 × 800 € + 6 × 406 €) Rückzahlungsanspruch

€ 30.000,00 € 15.000,00 € 7.236,00 € 7.764,00

Lösung: Lohnsteuerlich gilt Folgendes: –– Rückzahlungsbeträge, die keine Aufstockungsbeträge i.S.d. §  3 Nr. 28 EStG sind, sind unab­

51 Vgl. R 3.28 Abs. 2 S. 3 LStR. 52 Vgl. R 3.28 Abs. 2 S. 4 LStR. 53 Vgl. hierzu auch C. Rn 119.

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hängig von dem Grund der Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses steuerpflichtiger Arbeitslohn. Die für den Zeitraum bis zur vorzeitigen Beendigung der gezahlten Aufstockungsbeträge sowie die Beiträge und Aufwendungen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1b und des § 4 Abs. 2 ATG sind nach § 3 Nr. 28 EStG steuerfrei.

Praxishinweis –– In Störfällen, in denen das Arbeitszeitguthaben über zwei Jahre (oder länger) angespart wurde, sollte auch geprüft werden, ob die Voraussetzungen einer ermäßigten Besteuerung als außerordentliche Einkünfte i.S.d. § 34 EStG vorliegen (Fünftelregelung). –– Vereinbaren die Parteien eine längere als drei Jahre dauernde Gesamtlaufzeit, ohne einen Tarifvertrag in Bezug zu nehmen, besteht die Gefahr, dass die Finanzverwaltung entsprechend R 3.28 LStR die Steuerfreiheit der Aufstockungsbeiträge nicht anerkennen wird.54 –– Wird im Todesfall der Rückzahlungsbetrag an den Gesamtrechtsnachfolger (Erbe) gezahlt, so sind dessen individuelle Lohnsteuermerkmale maßgeblich.

2. Gewährung von Sachbezügen als Aufstockungsbetrag im Blockmodell (Überlassung eines Firmenwagens) 87 Werden im Rahmen des Blockmodells ergänzend Sachbezüge als Entgeltbestand­ teile gewährt, stellt sich die Frage, wie dies lohnsteuerlich zu handhaben ist. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass es sich bei gewährten Sachbezügen, 88 die der Arbeitnehmer während der Freistellungsphase im Blockmodell erhält, grundsätzlich um Arbeitsentgelt handelt, welches für die Erbringung der Arbeitsleistung im Rahmen der Altersteilzeitarbeit geschuldet wird. Es unterliegt somit selbst als Regelarbeitsentgelt der Aufstockungspflicht (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1a ATG). Nach Sinn und Zweck kann eine Sachzuwendung dieser Art folglich nicht selbst ein Aufstockungsbetrag sein. Überlässt ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer einen Sachbezug – etwa ein 89 Fahrzeug (auch) zur privaten Nutzung, den dieser auch in der Freistellungsphase nutzen darf – so ist der hierdurch entstehende geldwerte Vorteil nach Ansicht der Finanzverwaltung nur unter den folgenden Voraussetzungen als steuerfreier Aufstockungsbetrag i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 28 EStG anzusehen:55 –– die Aufstockung ist in der vertraglichen Abrede (im Voraus) betragsmäßig in Geld festgelegt und –– der Arbeitgeber darf den betragsmäßig festgelegten Aufstockungsbetrag ausdrücklich als Sachleistung an Stelle der Geldleistung (also nicht: als weiteren Entgeltbestandteil) erbringen.

54 Fabritius, ArbRAktuell 2011, 344. 55 Vgl. R 3.28 Abs. 3 S. 5 LStR.

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B. Steuerrecht 

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Praxishinweis Altersteilzeitverträge sollten aufgrund der o.g. Verwaltungspraxis daher insbesondere darauf geprüft werden, dass eine klare Ersetzungsbefugnis (Sachleistung an Stelle der Geldleistung) vereinbart wurde. Sofern bestehende Altersteilzeitverträge keine derartige Regelung beinhalten, sollte eine entsprechende Ergänzungsvereinbarung nachträglich getroffen werden.

3. Steuerrechtliche Behandlung der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit Soweit Arbeitnehmer im Blockmodell im Rahmen der Arbeitsphase Arbeit an Sonn- 90 oder Feiertagen bzw. Nachtarbeit leisten, kann der Arbeitgeber (Unternehmensentscheidung) diesem auch die entsprechenden steuerfreien Zuschläge (§  3b EStG) entlohnen. Die Zuschläge werden in der Arbeitsphase jedoch nicht in voller Höhe ausgezahlt, sondern immer nur zur Hälfte. Die andere Hälfte wird hingegen erst in der Freistellungsphase ausgezahlt. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob die zeitversetzte hälftige Auszahlung 91 der Zuschläge in der Freistellungsphase steuerfrei möglich ist. Denn die Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit kommt in den Grenzen des § 3b EStG nur in Betracht, wenn –– zu den begünstigten Zeiten –– tatsächlich gearbeitet wurde. Nach Ansicht der Finanzverwaltung ergibt sich folgende Sichtweise:56 92 Die Steuerfreiheit nach § 3b EStG bleibt bei zeitversetzter Auszahlung des entsprechenden Wertguthabens in der Freistellungsphase grundsätzlich erhal­ ten. Hierzu ist erforderlich, dass vor Leistung der begünstigten Arbeit bestimmt wird, dass ein steuerfreier Zuschlag – ggf. teilweise – auf ein Arbeitszeitkonto genommen und getrennt ausgewiesen wird. Praxishinweis Die entsprechende Vereinbarung sollte für spätere Dokumentationszwecke (Lohnsteueraußenprüfungen) schriftlich erfolgen und zum Lohnkonto des entsprechenden Mitarbeiters genommen werden.

Erfolgt eine Verzinsung der gutgeschriebenen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- 93 und Nachtarbeit, so sind die gezahlten Zinsen steuerpflichtiger Arbeitslohn und sind gesondert von den steuerfreien Zuschlägen auszuweisen. Denn die Steuerbefreiung nach §  3b EStG findet nur auf Zuschläge Anwendung, die für tatsäch­ lich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden. Die Verzinsung selber beruht hingegen kausal auf der späteren Auszahlung

56 Vgl. R 3b Abs. 8 LStR.

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und stellt folglich keine Vergütung für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feier­ tags- oder Nachtarbeit dar.

4. Arbeitslohnrückzahlung bei rückwirkender Inanspruchnahme von Altersteilzeit

94 Im Unternehmensalltag sind Fälle anzutreffen, in denen die genaue Berechnung des

aufgrund der Altersteilzeit verminderten Arbeitslohns länger dauert und vom Arbeitgeber zunächst der ungekürzte Arbeitslohn weitergezahlt wird. Erfolgt dies über den Jahreswechsel hinaus und ist die (elektronische) Lohnsteuerbescheinigung für das abgelaufene Kalenderjahr bereits übermittelt, kommt es zur Rückzahlung von versteuertem Arbeitslohn und zur entsprechenden Nachzahlung von steuerfreiem Arbeitslohn. Eine Verrechnung des zurückgezahlten steuerpflichtigen mit nach­ gezahltem steuerfreien Arbeitslohn ist aus Sicht der Finanzverwaltung nicht möglich.57

Beispiel Ein Arbeitnehmer mit einem Arbeitslohn von 5.000 € beantragt ab 1.11.2011 Altersteilzeit im Rahmen des Blockmodells. Die Ermittlung des ab dem 1.11.2011 verminderten exakten Arbeitslohns verzögert sich über die Jahresgrenze hinaus. Erst im April 2012 steht daher fest, dass der Arbeitslohn ab 1.11.2011 monatlich 2.500 € beträgt und der Arbeitnehmer einen steuerfreien Aufstockungsbetrag in Höhe von (20 % von 2.500 €) 500 € erhält. Der Arbeitgeber hat vorerst den Arbeitslohn in der bisherigen Höhe weitergezahlt. Im April 2012 muss der Arbeitnehmer den zu viel gezahlten Arbeitslohn für November 2011 bis März 2012 in Höhe von (5 × 2.500 €) 12.500 € zurückzahlen und erhält gleichzeitig eine Nachzahlung von steuerfreiem Arbeitslohn in Höhe von (5 × 500 €) 2.500 €. Fraglich ist, wie hinsichtlich der Monate November und Dezember abrechnungstechnisch zu verfahren ist, wenn die Lohnsteuerbescheinigung für das Kalenderjahr 2011 zwischenzeitlich bereits ausgestellt worden ist. Für das Kalenderjahr 2011 wurden zurückgezahlt: zu viel gezahlter Lohn pro Monat: abzgl. nachgezahlter steuerfreier Aufstockungsbetrag Für November und Dezember 2011 ergibt sich demnach:

(2 × € 2.000,00)

€ 2.500,00 € 500,00 € 2.000,00 € 4.000,00

Nach bundeseinheitlich geltender Auffassung der Finanzverwaltung58 stellen die 4.000 € die Rückzahlung von steuerpflichtigem Arbeitslohn dar, die nach den hierfür geltenden Grundsätzen zu behandeln ist. Das bedeutet im Ergebnis, dass der Betrag von 4.000 € im Kalenderjahr 2011 vom steuerpflichtigen Arbeitslohn zu kürzen ist.

57 Vgl. hierzu bundeseinheitliche Regelung, z.B. Verfügung der OFD Erfurt v. 23.8.2000 – S 2333 A – 12 – St 331 –. 58 Bundeseinheitliche Regelung, vgl. z.B. Verfügung der OFD Erfurt v. 23.8.2000 – S 2333 A – 12 – St 331 –.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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Die für das Kalenderjahr 2011 nachgezahlten steuerfreien Aufstockungsbeträge in Höhe von 1.000 € (2 × 500 €) wirken sich auf die Gehaltsabrechnung im Kalenderjahr 2012 nicht aus. Jedoch ergibt sich, dass der für das Kalenderjahr 2011 bescheinigte steuerpflichtige Jahresarbeitslohn um 1.000 € zu vermindern ist. Wenn der steuerpflichtige Jahresarbeitslohn wie im Beispiel (nach dem 28.2.2012) in der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für das Kalenderjahr 2012 nicht mehr geändert werden kann, muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine gesonderte Bescheinigung erteilen, damit der Arbeitnehmer die Steuerfreiheit noch im Veranlagungsverfahren beantragen kann: Muster zur Vorlage beim Wohnsitzfinanzamt Arbeitgeber: Name der Firma: Anschrift: Arbeitnehmer: Name, Vorname: Anschrift: Zur Vorlage beim Finanzamt wird bestätigt, dass im steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohn, der dem o.a. Arbeitnehmer in Zeile 3 seiner Lohnsteuerbescheinigung für das Kalenderjahr … bescheinigt worden ist, steuerfreie Aufstockungsbeträge nach dem Altersteilzeitgesetz in Höhe von € … enthalten sind.

C. Sozialversicherungsrecht I. Checkliste Altersteilzeitarbeit Ergänzend zu den unter A. Arbeitsrecht getätigten Ausführungen sollen die Voraus- 95 setzungen der Altersteilzeit nochmals in schematischer Form dargestellt werden. Checkliste Altersteilzeitarbeit i.S.d. ATG liegt vor, wenn Arbeitnehmer, die das –– 55. Lebensjahr vollendet haben, –– weiterhin versicherungspflichtig beschäftigt i.S.d. SGB III bleiben, –– vor dem Beginn der Altersteilzeit in den vergangenen fünf Jahren mindestens 1080 Kalendertage versicherungspflichtig beschäftigt waren und aufgrund einer –– durch schriftliche Vereinbarung ihre Arbeitszeit auf 50 % der regelmäßigen (tariflichen bzw. arbeitsvertraglichen) Arbeitszeit reduzieren.

Diese Arbeitnehmer erhalten vom Arbeitgeber zu dem (reduzierten) Arbeitsentgelt 96 einen Aufstockungsbetrag in Höhe von –– 20 % des Regelarbeitsentgeltes, –– zuzüglich Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung mindestens in Höhe des Beitrags der auf 80 % des Regelarbeitsentgelts für die Altersteilzeitarbeit entfällt, begrenzt auf den Unterschiedsbetrag zwischen 90 % der monatlichen BeitragsbeMaihöfer

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 Kapitel 1 Altersteilzeit

messungsgrenze und dem Regelarbeitsentgelt, höchstens bis zur Beitragsbemessungsgrenze in Höhe von 90 % des Vollzeitarbeitsentgelts. Praxishinweis –– Den vorausgesetzten 1080 Kalendertagen einer der Altersteilzeit vorausgehenden versicherungspflichtigen Beschäftigung sind auch Zeiten anrechenbar in denen der Mitarbeiter Entgeltersatzleistungen bezogen hat oder der Versicherungspflicht nach den Vorschriften eines EU/ EWR-Mitgliedstaats unterstanden hat. –– Altersteilzeitarbeit ist auch in den Fällen möglich, in denen bereits das Arbeitsentgelt aus der Altersteilzeitarbeit 90 % der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze erreicht bzw. überschreitet und demzufolge keine weiteren Rentenversicherungsbeiträge anfallen.

II. Sozialversicherungspflicht in der Altersteilzeit 1. Versicherungspflicht in allen Zweigen 97 Altersteilzeitarbeit begründet grundsätzlich Versicherungspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung. Hinsichtlich der Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung sind, im Gegensatz zur Krankenversicherung, keine Besonderheiten zu berücksichtigen.

2. Krankenversicherung

98 Arbeitnehmer mit einem Verdienst oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze (2011:

49.500 €) sind versicherungsfrei hinsichtlich der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Versicherungsfreie Arbeitnehmer (freiwillig gesetzlich Versicherte) die aufgrund 99 eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses unter die Jahresarbeitsentgeltgrenze rutschen unterliegen mit Beginn der Altersteilzeitarbeit der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungsversicherungspflicht. Dies gilt nicht für privat krankenversicherte Arbeitnehmer, die nach Vollendung 100 des 55. Lebensjahres aufgrund der Altersteilzeit die Jahresarbeitsentgeltgrenze unterschreiten. Diesen Arbeitnehmern ist der Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung verwehrt. Diese Arbeitnehmer sind kraft Gesetzes versicherungsfrei, wenn in den letzten fünf Jahren vor Beginn der Versicherungspflicht zu keinem Zeitpunkt ein gesetzlicher Krankenversicherungsschutz (Pflichtversicherung, freiwillige Versicherung, Familienversicherung) bestand. Zudem müssen diese Arbeitnehmer in diesem Fünfjahreszeitraum mindestens die Hälfte der Zeit versicherungsfrei, von der Versicherungspflicht befreit oder wegen einer (hauptberuflichen) selbstständigen Tätigkeit nicht versicherungspflichtig gewesen sein.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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Praxishinweis Wertvolle sozialversicherungsrechtliche Hinweise und Erläuterungen zum Thema Altersteilzeit können auch dem Rundschreiben der Spitzenverbände vom 2.11.2010 „Altersteilzeitgesetz; Versicherungs-, beitrags-, melde- und leistungsrechtliche Auswirkungen“ entnommen werden, welches mit gängigen Suchmaschinen problemlos im Internet oder den Homepages von Sozialversicherungsträgern zu finden ist.

III. Regelarbeitsentgelt aus beitragsrechtlicher Sicht 1. Grundsatz Das Regelarbeitsentgelt ist das auf einen Monat entfallende sozialversicherungs­ 101 pflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitgeber im Rahmen der Altersteilzeitvereinbarung regelmäßig zu leisten hat. Üblicherweise handelt es sich dabei um die Hälfte des Arbeitsentgelts, welches ohne eine Altersteilzeitvereinbarung zu erbringen wäre.

2. Festsetzung des Regelarbeitsentgelts Das Regelarbeitsentgelt ist insbesondere bei variablen Lohnbestandteilen monatlich neu festzusetzen. Zum Regelarbeitsentgelt gehören auch vermögenswirksame Leistungen, Prämien und Zulagen, Zuschläge für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit und Sachbezüge und sonstige geldwerte Vorteile. Einmalig oder unregelmäßig gezahlte Arbeitsentgelte (z.B. Boni) bleiben bei der Festlegung des Regelarbeitsentgelts unberücksichtigt. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Einmalzahlung gleichmäßig verteilt auf 12 Monate ausgezahlt wird. Arbeitsentgelte, die nicht für die vereinbarte Arbeitszeit geleistet werden (z.B. Mehrarbeitsvergütungen) bleiben bei der Festsetzung des Regelarbeitsentgelts ebenfalls unberücksichtigt. Im Gegenzug sind dafür Zulagen bei der Bemessung des Regelarbeitsentgelt zu berücksichtigen, wenn sie für bestimmte Arbeiten gewährt werden, die arbeitsvertraglich regelmäßig (monatlich) zu erbringen sind und auch künftig seitens des Arbeitnehmers verlangt werden können. Bspw. können hier Schmutzzulagen, Leistungs- und Erschwerniszulagen sowie Zulagen für Rufbereitschaft genannt werden. Der Aufstockungsbetrag nach §  3 Abs. 1 Nr. 1 a. ATG ist unbeschadet seiner Berücksichtigung im Rahmen des Progressionsvorbehalts (§ 32b Abs. 1 Nr. 1 g. EStG) steuerfrei (§ 3 Nr. 28 EStG) und gehört somit entsprechend § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SvEV grundsätzlich nicht zum Arbeitsentgelt.

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IV. Mehrarbeit Leistet der Arbeitnehmer während der Arbeitsphase im Blockmodell oder während 107 der kontinuierlichen Altersteilzeitvereinbarung Mehrarbeit in nicht nur geringfügigen Umfang (Überstunden) so steht dies der Altersteilzeitvereinbarung im sozial­

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 Kapitel 1 Altersteilzeit

versicherungsrechtlichen Sinne nicht entgegen. Dabei ist es unerheblich, ob die Mehrarbeit in Arbeitsentgelt vergütet oder in Freizeit ausgeglichen wird. Dies gilt auch für zu beanspruchende Mehrarbeitszuschläge. Die Mehrarbeitsvergütung ist in der Bemessungsgrundlage für die Aufstockungsleistungen zu berücksichtigen, so dass diesbezüglich auch kein zusätzliches Wertguthaben bei Altersteilzeitarbeit im Blockmodell zu bilden ist. Die Mehrarbeitsvergütung ist jedoch hinsichtlich der Sozialversicherung als Arbeitsentgelt zu berücksichtigen. Mehrarbeit kann bei einer Altersteilzeitarbeit im Blockmodell grundsätzlich nur 108 in der Arbeitsphase anfallen, da in der Freistellungsphase keine vertragliche Verpflichtung zur Arbeitsleistung mehr besteht. Eine Mehrarbeit in der Freistellungsphase eines Blockmodells ist ausnahmsweise 109 jedoch dann möglich, wenn es sich um eine unvorhersehbare vorübergehend geringfügige Arbeit in der Freistellungsphase handelt und dadurch der Charakter der Altersteilzeitarbeit (Halbierung der Arbeitszeit) im Hinblick auf § 2 Abs. 1 Nr. 2 ATG nicht verändert wird. Die Beurteilung, ob es sich bei der Mehrarbeit um eine unschädliche unvorhersehbare vorübergehende geringfügige Arbeit handelt erfolgt im jeweiligen Einzelfall. Die Einzelfallbeurteilung bzw. -entscheidung ist bei den zuständigen Rentenversicherungsträgern zu erfragen. Praxishinweis Bei Altersteilzeitmodellen welche (noch) von der Agentur für Arbeit gefördert werden (Förderfälle) ist die Einzelfallbeurteilung dort zu beantragen und zu erfragen.

V. Nebenbeschäftigung

110 Eine neben der Altersteilzeit bei einem anderen Arbeitgeber ausgeübte Beschäf-

tigung ist für die Altersteilzeitarbeit unschädlich auch wenn es sich dabei um eine mehr als geringfügige (400-€-Job) Beschäftigung handelt.

VI. Altersteilzeitarbeit bei Auslandstätigkeit bzw. Auslandsaufenthalt 111 Altersteilzeitarbeit kann in der Arbeitsphase auch im Rahmen einer Auslandstätigkeit vorliegen. Voraussetzung dafür ist, dass der Mitarbeiter aufgrund einer Entsendung (Ausstrahlung) oder einer zwischenstaatlichen Ausnahmevereinbarung weiterhin der Versicherungspflicht in der deutschen Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegt. In der Freistellungsphase eines Blockmodells ist es für die Altersteilzeit eben112 falls unschädlich, wenn der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort bereits endgültig ins Ausland verlegt hat.

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VII.  Altersteilzeitarbeit und Arbeitsunfähigkeit 1. Arbeitsunfähigkeit zu Beginn der Altersteilzeitarbeit Wird ein Arbeitnehmer zu Beginn der vereinbarten Altersteilzeitarbeit arbeitsunfä- 113 hig, so kann Altersteilzeitarbeit nur vorliegen –– während der Zeit der Entgeltsfortzahlung, –– während des anschließenden Bezugs von Krankengeld, dem ausschließlich das Regelentgelt aus der Altersteilzeitarbeit zu Grunde liegt, –– dem Bezug von Krankentagegeld eines privaten Versicherungsunternehmens. Praxishinweis Ist bei Beginn der vereinbarten Altersteilzeitarbeit der Entgeltfortzahlungszeitraum bereits abgelaufen und wird Krankengeld aus dem bisherigen Regelentgelt bezogen, so scheidet das Vorliegen einer Altersteilzeitarbeit für den Zeitraum des Krankengeldbezugs aus. In diesen Fällen empfiehlt es sich den Beginn der Altersteilzeitarbeit vertraglich auf die (Wieder-)Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung zu verlegen.

2. Arbeitsunfähigkeit während Altersteilzeitarbeit Bei längerer Arbeitsunfähigkeit während der Arbeitsphase kann der Arbeitnehmer 114 nach Ablauf der Entgeltfortzahlungsphase keine Arbeitsleistung mehr erbringen. Dementsprechend können in diesem Zeitraum auch keine weiteren Wertguthaben für die Freistellungsphase erwirtschaftet werden. Praxishinweis Um eine vorzeitige Beendigung des Versicherungsschutzes in der Freistellungsphase zu verhindern besteht die Möglichkeit –– die geplante Freistellungsphase zu reduzieren und die in der Arbeitsphase verlorene Zeit nachzuarbeiten oder –– der Arbeitgeber dotiert das Wertguthaben in der Höhe, welche durch die Arbeitsunfähigkeit in der Arbeitsphase nicht erwirtschaftet werden konnte. Eine solche Erhöhung des Wertguthabens muss jedoch vor Erreichung der Freistellungsphase erfolgen. Selbiges gilt auch für Fälle in denen Kurzarbeit geleistet wurde und für witterungsbedingte Arbeitsausfälle.

3. Altersteilzeitarbeit und Erwerbsminderungsrente a) Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung Wird einem Arbeitnehmer während der Altersteilzeitarbeit eine Rente wegen teilwei- 115 ser Erwerbsminderung zuerkannt und wird die bisherige Beschäftigung in reduziertem Umfang weiterhin ausgeübt, so besteht ab diesem Zeitpunkt eine neue bisherige Arbeitszeit. Für die sich anschließende Freistellungsphase bestehen drei Möglichkeiten die Wertguthaben zu entsparen, d.h. das Regelarbeitsentgelt für diesen Zeitraum festzulegen:

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 Kapitel 1 Altersteilzeit

–– durchschnittlich, d.h. die Bemessung erfolgt nach den unterschiedlichen bisherigen Arbeitszeiten in der Arbeitsphase aus denen ein gleichmäßiger Wert ermittelt wird, oder –– spiegelbildlich, hier erfolgt die Bemessung aus den unterschiedlichen bisherigen Arbeitszeiten die während der Arbeitsphase absolviert wurden, d.h. für die Arbeitsphase ohne den Bezug einer Erwerbsminderungsrente wird das Regelarbeitsentgelt entsprechend der in diesem Zeitraum gebildeten Wertguthaben ausgezahlt. Für den Zeitraum der Arbeitsphase, in welcher auch Erwerbsminderungsrente bezogen wurde, wird in der Freistellungsphase ein (niedrigeres) Regelarbeitsentgelt entsprechend dem in diesem Zeitraum gebildeten Wertguthaben ausgezahlt oder –– nach dem letzten niedrigeren Arbeitsentgelt, wobei für den dadurch verbleibenden (nicht verbrauchten) Wert des Wertguthabens entsprechend eines Störfalls Beiträge zu entrichten sind. Praxisbeispiel Ein Arbeitnehmer hat eine Altersteilzeitarbeit im Blockmodell mit einer je zweijährigen Arbeits- und Freistellungsphase vereinbart. Ab dem zweiten Jahr der Arbeitsphase wird dem Arbeitnehmer eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zugesprochen. Im ersten Jahr der Arbeitsphase beträgt das Regelarbeitsentgelt 1.700 €. Im erwerbsgeminderten zweiten Jahr der Arbeitsphase beträgt das Regelarbeitsentgelt nur noch 1.200 €. Die Entsparung der Wertguthaben in der Freistellungsphase kann wie folgt durchgeführt werden: Durchschnittlich: 1. Jahr der Freistellungsphase: 2. Jahr der Freistellungsphase Spiegelverkehrt: 1. Jahr der Freistellungsphase: 2. Jahr der Freistellungsphase Nach dem letzten (niedrigeren) Arbeitsentgelt: 1. Jahr der Freistellungsphase: 2. Jahr der Freistellungsphase

1.450 € p.M 1.450 € p.M. 1.700 € p.M. 1.200 € p.M. 1.200 € p.M 1.200 € p. M.

Das Wertguthaben für den Störfall zum Ende der Freistellungsphase beträgt 12.000 € (24 * 500 €)

b) Rente wegen voller Erwerbsminderung

116 Durch die Altersteilzeitarbeit muss die Versicherungspflicht in der Arbeitslosenver­

sicherung begründet sein. Dementsprechend liegt keine Altersteilzeitarbeit mehr vor, wenn ein Anspruch auf volle Erwerbsminderungsrente zuerkannt wird, da mit Beginn der Rente zeitgleich auch Versicherungsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung eintritt.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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VIII. Beschäftigungsverhältnis in der Altersteilzeitarbeit Bei einer kontinuierlichen Altersteilzeitarbeit besteht während der gesamten Alters- 117 teilzeitvereinbarung ein Beschäftigungsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinne fort (§ 7 Abs. 1 SGB IV). Wird die Altersteilzeit im Blockmodell durchgeführt, so besteht während der 118 Arbeitsphase ebenfalls ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Dies gilt auch für die Freistellungsphase, vorausgesetzt es wurden entsprechende Wertguthaben gebildet (§ 7 Abs. 1a SGB IV).

IX. Störfälle Bei einem Störfall endet das Altersteilzeitarbeitsverhältnis vorzeitig (z.B. Tod des Arbeitnehmers oder vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ohne dass das Wertguthaben auf einen neuen Arbeitgeber oder die Deutsche Rentenversicherung Bund übertragen wird) und bevor die vom Arbeitnehmer vorgearbeitete bzw. angesparte Zeit (Wertguthaben) durch die Freistellungsphase ausgeglichen worden ist. Dementsprechend sind Störfälle regelmäßig nur bei Altersteilzeitvereinbarungen im Blockmodell von Bedeutung. Für den bereits abgelaufenen Zeitraum der Altersteilzeitbeschäftigung bleibt es bei der bisherigen beitragsrechtlichen Behandlung des Arbeitsentgelts. Hinsichtlich des Wertguthabens sieht § 10 Abs. 5 ATG für den Bereich der Rentenversicherung einerseits sowie für die Bereiche der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung andererseits eine unterschiedliche beitragsrechtliche Behandlung vor. In der Phase der Arbeitsleistung (Ansparphase) sind aufgrund der Beitragszahlung aus der zusätzlichen beitragspflichtigen Einnahme (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 b. ATG) bereits Rentenversicherungsbeiträge von etwa 90 % des Vollzeitarbeitsentgelts bzw. der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung gezahlt worden. Daher gilt als beitragspflichtige Einnahme aus dem Wertguthaben nach § 10 Abs. 5 S. 1 1. Hs. ATG im Störfall nur noch die Differenz zwischen dem Betrag, den der Arbeitgeber der Beitragsberechnung zugrunde gelegt hat (Regelarbeitsentgelt und zusätzliche beitragspflichtige Einnahmen) und dem Doppelten des Regelarbeitsentgelts bis zum Störfall, höchstens bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Die Berechnung der Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung richtet sich hingegen nach § 10 Abs. 5 S. 1 2. Hs. ATG, § 23b Abs. 2–3 SGB IV. Danach gilt Folgendes: Soweit das Wertguthaben nicht vereinbarungsgemäß (Freistellung) verwendet wird, ist als Arbeitsentgelt (gem. § 23 Abs. 1 SGB IV) ohne Berücksichtigung einer Beitragsbemessungsgrenze die Summe der Arbeitsentgelte entscheidend, die zum Zeitpunkt der tatsächlichen Arbeitsleistung ohne Berücksichtigung der ursprünglichen Altersteilzeitvereinbarung beitragspflichtig gewesen wäre. Maßgebend ist jedoch höchstens der Betrag des Wertguthabens aus diesen Arbeitsentgelten zum Zeitpunkt der nicht zweckentsprechenden Verwendung des Arbeitsentgelts. Maihöfer

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 Kapitel 1 Altersteilzeit

Zugrunde zu legen ist der Zeitraum ab dem Abrechnungsmonat der ersten Gutschrift auf einem Wertguthaben bis zum Zeitpunkt der nicht zweckentsprechenden Verwendung des Arbeitsentgelts. Bei dem im Störfall beitragspflichtigen Wertguthaben handelt es sich weder um 124 laufendes noch um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt.

X. Altersteilzeitarbeit und Insolvenz

125 Gerät im Rahmen eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses das beschäftigende Unter-

nehmen in Insolvenz, so besteht das Beschäftigungsverhältnis zunächst fort. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer sich in der Arbeits- oder Freistellungsphase befindet und ob das Arbeitsentgelt ausgezahlt wird oder nicht. Solange ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitsentgelt besteht, bleibt das Beschäftigungsverhältnis als solches unberührt. Die Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung besteht so lange fort, bis das Beschäftigungsverhältnis rechtmäßig beendet wird.

1. Insolvenz in der Arbeitsphase

126 Erfolgt die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses in der Arbeitsphase tritt ein

Störfall ein. Dieser Störfall beendet auch die sozialversicherungsrechtliche Altersteilzeitbeschäftigung. In diesem Fall ist nur das Arbeitsentgelt zu melden, von dem tatsächlich Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt wurden. Fällt das Insolvenzereignis in die Arbeitsphase eines Blockmodells, tritt ein 127 Störfall ein, wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt wird. Wurde der Arbeitnehmer infolge der Insolvenz bereits freigestellt und erfolgt die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, ist zum Tag vor dem Insolvenzereignis eine Abmeldung mit dem Grund der Abgabe „71“ vorzunehmen. Ebenso ist eine weitere Meldung mit Grund der Abgabe „72“ zum Tag des rechtlichen Endes der Beschäftigung vorzunehmen. Aus einem insolvenzgesicherten Wertguthaben ist außerdem eine Störfallmeldung zu fertigen.

2. Insolvenz in der Freistellungsphase

128 Tritt die Insolvenz während der Freistellungsphase eines Altersteilzeitarbeitsver-

hältnisses ein und wird das Beschäftigungsverhältnis nicht gekündigt, liegt bis zum vertraglichen Ende der Altersteilzeit eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne vor.59 Ein Störfall tritt ein, wenn aus dem Wertguthaben kein Arbeits­ entgelt mehr gezahlt wird.

59 Vgl. BAG, Urt. v. 5.12.2002 – Az 571/01 –.

Maihöfer

Kapitel 2 Arbeit auf Abruf A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis In Branchen mit alternierendem Arbeitsanfall, wie z.B. in der Gastronomie, im Ein- 1 zelhandel, der Nahrungsmittelproduktion etc. haben Arbeitgeber oft das Bedürfnis, die Arbeitszeit zu flexibilisieren und den Arbeitseinsatz der Arbeitnehmer an den tatsächlichen Arbeitsbedarf anzupassen, dem Arbeitgeber steht hierfür das Instrument der „Arbeit auf Abruf“ zur Verfügung: Vorteile für den Arbeitgeber –– Auffangen von Arbeitsspitzen –– Vermeidung von Überbeschäftigung –– Kontinuierliche Beschäftigungsverhältnisse

Im Gegensatz zu Saisonarbeitskräften, die auf Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrages nur für die Dauer der „Saison“ eingesetzt werden, sind Abrufarbeitsverhältnisse in der Regel ständige Beschäftigungsverhältnisse. Dies hat für den Arbeitgeber den Vorteil, dass die Arbeitnehmer nicht immer neu eingearbeitet werden müssen. Aus Sicht des Arbeitnehmers ist vorteilhaft, dass er auch in Phasen eines geringen Arbeitsanfalls in einem Beschäftigungsverhältnis steht und ein kontinuier­ liches Einkommen bezieht. In gewissen Grenzen kann der Arbeitgeber durch Arbeit auf Abruf einseitig den Arbeitseinsatz des Arbeitnehmers und auch den Umfang der vom Arbeitnehmer zu leistenden Arbeit einseitig bestimmen und so auf Arbeitsspitzen reagieren. Der wirtschaftliche Vorteil für den Arbeitgeber liegt darin, dass die individuellen Arbeitszeiten nicht an die Betriebszeiten gekoppelt sind, sondern an den tat­ sächlichen Arbeitsbedarf. Die Anordnung von Überstunden und die Zahlung von Überstundenzuschlägen bei hohem Arbeitsaufkommen einerseits sowie Überbeschäftigung im Falle geringeren Arbeitsaufkommens andererseits können so vermieden werden. Der Personaleinsatz kann effizienter gestaltet werden. Arbeit auf Abruf ist im TzBfG gesetzlich geregelt und in §  12 Abs. 1 TzBfG definiert. Sie liegt vor, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat. Arbeit fällt an, wenn aus Sicht des Arbeitgebers die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers benötigt wird.1 Arbeit auf Abruf wird auch als „kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit“ (KAPOVAZ) bezeichnet.

1 Schaub/Linck, § 43 Rn 7.

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 Kapitel 2 Arbeit auf Abruf

6 Im Unterschied zu einem Arbeitsverhältnis mit starren Arbeitszeiten ist bei der Arbeit

auf Abruf –– der Umfang der Arbeitszeit sowie –– die Lage der Arbeitszeit nicht vollständig vorab im Arbeitsvertrag festgelegt. Vielmehr kann der Arbeitgeber entsprechend dem Arbeitsanfall Lage und Dauer der Arbeit einseitig bestimmen.2 Hierbei hat er jedoch die gesetzlichen Rahmenbedingungen einzuhalten, welche unten dargestellt werden.3 Beispiel für eine Abruf-Abrede Im Rahmen der wöchentlichen Mindestarbeitsdauer von neun Stunden und der täglichen Mindestarbeitsdauer von drei Stunden wird die Lage der Arbeitszeit nach den betrieblichen Notwendigkeiten festgelegt. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit werden dem Arbeitnehmer mindestens vier Tage im Voraus mitgeteilt.

7 Ein Unterfall der Arbeit auf Abruf sind sog. Bandbreitenregelungen. Diese zeichnen

sich dadurch aus, dass für die Dauer der Arbeitszeit ein bestimmter Rahmen verein­ bart wird, innerhalb dessen der Arbeitgeber die Arbeitszeit variieren kann. Beispiel für eine Bandbreiten-Abrede –– Der Arbeitgeber kann die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit ausschließlich mittwochs, donnerstags und samstags abrufen. Oder: –– Der Arbeitgeber kann die vertragliche vereinbarte Arbeitszeit ausschließlich montags bis freitags und erst ab 13.00 Uhr abrufen.

8 Grundvoraussetzung für ein Arbeit auf Abruf-Arbeitsverhältnis ist die Flexibilität des

Arbeitnehmers. Ist diese nicht gegeben, sollte von der Vereinbarung eines solchen flexiblen Arbeitsverhältnisses mit dem betroffenen Arbeitnehmer abgesehen werden. Mangelnde Flexibilität kann sich neben den individuellen, persönlichen Verhält­ nissen des Arbeitnehmers, wie z.B. langer Anfahrtsweg zur Arbeitsstätte, familiäre Verpflichtungen etc. auch daraus ergeben, dass der Arbeitnehmer bei einem weiteren Arbeitgeber Teilzeit beschäftigt ist. Der Arbeitgeber kann Arbeit auf Abruf nur einvernehmlich mit dem Arbeitneh9 mer vereinbaren. Eine einseitige Anordnung von Arbeit auf Abruf ist von dem Direk­ tionsrecht des Arbeitgebers nicht umfasst, soweit dies nicht ausdrücklich vertraglich vereinbart ist. Andererseits hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Abschluss eines Teilzeitarbeitsverhältnisses in Form eines Abrufarbeitsverhältnisses.

2 BAG, Urt. v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 –. 3 Siehe Rn 11.

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Arbeit auf Abruf ist abzugrenzen von der Arbeitsbereitschaft, dem Bereitschafts- 10 dienst, der Gleitzeit, der Rufbereitschaft und von der Vereinbarung zur Leistung von Überstunden.

II. Grundsätze 1. Personenkreis Arbeit auf Abruf i.S.d. § 12 Abs. 1 TzBfG kann mit jedem teilzeitbeschäftigten Arbeit- 11 nehmer vereinbart werden, auch mit werdenden oder stillenden Müttern, ebenso mit schwerbehinderten Menschen, soweit die einschlägigen Schutzgesetze beachtet werden. Mit vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern kann kein Abruf-Arbeitsverhältnis 12 i.S.d. § 12 Abs. 1 TzBfG vereinbart werden. Der persönliche Geltungsbereich des § 12 TzBfG erstreckt sich nur auf Teilzeitbeschäftigte.4 Auch kann mit Auszubildenden keine Arbeit auf Abruf vereinbart werden, da 13 die Berufsausbildung planmäßig, zeitlich und sachlich gegliedert durchzuführen ist, damit das Ausbildungsziel in der vorgesehenen Zeit erreicht werden kann, § 14 Abs. 1 Nr. 1 BBiG. Berufsausbildungsverhältnisse setzen daher eine feste, tägliche Kernar­ beitszeit schon aus Ausbildungsgründen voraus, welche eine Flexibilisierung nicht zulässt.

2. Formerfordernis Um den Anforderungen der AGB-Kontrolle der §§  305 ff. BGB gerecht zu werden, 14 müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat. Die Verpflichtung zur Arbeit auf Abruf muss sich aus den getroffenen Vereinbarungen hinreichend deutlich ergeben. Die Vorschriften des §  2 Abs. 1 Nachweisgesetz (NachwG) müssen eingehalten 15 werden. Besonderheiten bei der Abrufarbeit ergeben sich diesbezüglich hinsichtlich der Arbeitszeit gem. §  2 Abs. 1 Nr. 7 NachwG und der Dauer des jährlichen Erho­ lungsurlaubs gem. § 2 Abs. 1 Nr. 8 NachwG. Hinsichtlich der Arbeitszeit fordert das Nachweisgesetz zumindest die Mitteilung 16 der Dauer der Arbeitszeit. Bei der Arbeit auf Abruf kann jedoch aufgrund der flexiblen Ausgestaltung der Arbeitszeit nur die Mindest- bzw. Höchstarbeitszeit angegeben werden. Die Angabe einer festen Arbeitsdauer ist daher nicht möglich.

4 Schaub/Linck, § 43 Rn 20; Boewer, § 12 Rn 10.

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 Kapitel 2 Arbeit auf Abruf

Praxistipp Da der Arbeitgeber gem. § 12 Abs. 1 TzBfG nicht zur Vereinbarung einer (Mindest- bzw. Höchst-)Arbeitszeit verpflichtet ist, sollte im Falle, dass keine ausdrückliche Arbeitszeit vereinbart worden ist, auf die gesetzliche Regelung in § 12 Abs. 1 S. 3 und 4 TzBfG verwiesen werden. 17 Laut § 2 Abs. 1 Nr. 8 NachwG ist die Angabe der Dauer des jährlichen Erholungsur-

laubs erforderlich. Bei der Arbeit auf Abruf kann je nach der konkreten vertraglichen Ausgestaltung das Problem auftreten, dass die Anzahl der Urlaubstage nicht vorab bestimmbar ist. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Anzahl der wöchentlichen Arbeitstage vertraglich nicht festgelegt ist. Praxistipp –– Um der Nachweispflicht zu genügen, sollte hinsichtlich des gesetzlichen Urlaubsanspruchs auf die gesetzliche Regelung in § 3 BUrlG verwiesen werden mit dem Hinweis, dass nur ein anteiliger Urlaubsanspruch besteht, welcher sich nach der jahresdurchschnittlichen Anzahl der tatsächlich abgerufenen Arbeitstage pro Woche berechnet. –– Werden über den gesetzlichen Mindesturlaub hinaus weitere Urlaubstage gewährt (übergesetzlicher Urlaubsanspruch), sollte dies gesondert geregelt werden. Ratsam ist es, einen übergesetzlichen Urlaubsanspruch basierend auf einer Sechs-Tage- oder Sieben-Tage-Woche zu definieren und diesen ebenfalls anteilig entsprechend der jahresdurchschnittlichen Anzahl der tatsächlich abgerufenen Arbeitstage pro Woche zu gewähren.

3. Arbeitszeit a) Mindestarbeitszeitvolumen 18 Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen eine bestimmte Mindestarbeitszeit vereinbaren. Dies kann eine tägliche oder wöchentliche Mindestarbeitszeit sein. Die Vereinbarung einer Monats-, Quartals- oder Jahresarbeitszeit ist ebenfalls zulässig, soweit zusätzlich eine bestimmte Dauer der wöchentlichen oder täglichen Mindestarbeitszeit festgelegt wird. Dabei muss die Jahresarbeitszeit nicht unbedingt der Summe der festgelegten täglichen oder wöchentlichen Mindestarbeitszeit entsprechen.5 Beispiel Im Arbeitsvertrag wird eine wöchentliche Mindestarbeitszeit von 15 Wochenstunden und eine Jahresarbeitszeit von 884 Arbeitsstunden vereinbart. Der Arbeitnehmer hat daher im Jahresdurchschnitt 17 Stunden wöchentlich zu arbeiten (884 Jahresarbeitsstunden : 52 Wochen), mindestens jedoch 15 Stunden wöchentlich.

5 Schaub/Link, § 43 Rn 18.

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Unwirksam, da widersprüchlich, wäre eine arbeitsvertragliche Regelung, die eine 19 Jahreshöchstarbeitszeit vorsieht, die kleiner als die Summe der festgelegten wöchentlichen Mindestarbeitszeit ist. Beispiel Im Arbeitsvertrag wird eine wöchentliche Mindestarbeitszeit von 15 Wochenstunden und eine Jahreshöchstarbeitszeit von 700 Arbeitsstunden vereinbart. Diese vertragliche Regelung wäre widersprüchlich und damit unwirksam, da der Arbeitnehmer einerseits verpflichtet werden würde, wöchentlich mindestens 15 Arbeitsstunden zu arbeiten, d.h. im Jahr 780 Stunden (15 Wochenstunden × 52 Wochen), er andererseits bei Einhaltung der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit die gleichzeitig vereinbarte Jahreshöchstarbeitszeit um 80 Stunden überschreiten würde.

Die Arbeitsvertragsparteien sind hinsichtlich des Umfangs der Mindestarbeitszeit 20 – vorbehaltlich der Beachtung der Arbeitszeitgesetze – frei. Die in § 12 TzBfG Abs. 1 S. 3 und 4 TzBfG genannte wöchentliche Arbeitszeit von zehn Stunden bzw. tägliche Arbeitszeit von drei Stunden stellen keine gesetzlichen Mindestarbeitszeiten dar.6 Die Vertragsparteien können daher auch jeweils höhere oder niedrigere Stundenvolumina vereinbaren. Vereinbaren die Parteien keine Mindestarbeitszeit und keine tägliche Mindestar- 21 beitsdauer gilt jedoch gem. § 12 Abs. 1 S. 3 und 4 TzBfG eine wöchentliche Arbeitszeit von zehn Stunden als vereinbart, wobei die tägliche Arbeitszeit im Falle eines Abrufs mindestens drei aufeinanderfolgende Stunden betragen muss. Durch einen Tarifvertrag kann die wöchentliche Arbeitszeit auch kürzer als zehn 22 Stunden vereinbart werden, § 12 Abs. 3 S. 1 TzBfG. Praxistipp Besteht nur in bestimmten Wochen und Monaten ein alternierender Arbeitsanfall, gibt es die Möglichkeit, nur für diesen Zeitraum befristet Arbeit auf Abruf zu vereinbaren.7

Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, das vertraglich vereinbarte bzw. gesetzlich 23 vorgesehene Mindestarbeitszeitvolumen tatsächlich abzurufen. Der Arbeitgeber hat jedoch die dem Mindestarbeitszeitvolumen entsprechende Vergütung zu bezahlen. Über die Mindestarbeitszeit hinaus kann der Arbeitgeber weitere Arbeitszeit­ 24 volumina flexibel abrufen, soweit der Arbeitsvertrag diesbezüglich eine Regelung enthält.8 Um auch die Interessen des Arbeitnehmers angemessen zu berücksichtigen, ist 25 der Umfang der zusätzlich zu der Mindestarbeitszeit abrufbaren Arbeitszeit begrenzt.

6 ErfK/Preiss, § 12 TzBfG Rn 15; Boewer, § 12 Rn 25. 7 Dies ist im Wege der Befristung einzelner Arbeitsbedingungen möglich. 8 BAG, Urt. v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 –.

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 Kapitel 2 Arbeit auf Abruf

Nach der Rechtsprechung des BAG ist der Abruf einer über die vereinbarte Mindestarbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistung des Arbeitnehmers von maximal 25  % zulässig, soweit dies vertraglich vereinbart ist.9 Arbeitgeber und Arbeitnehmer können auch vereinbaren, dass der Arbeitgeber 26 berechtigt ist, die Arbeitszeit einseitig zu verringern. Das maximal zulässige Volumen für eine Verringerung der Arbeitszeit beträgt nach der Rechtsprechung des BAG maximal 20 % der vereinbarten Arbeitszeit.10 Die Vertragsparteien können in dem Arbeitsvertrag sowohl die Möglichkeit einer 27 einseitigen Erhöhung der Mindestarbeitszeit von maximal 25 % als auch die Möglichkeit der einseitigen Verringerung von maximal 20 % vorsehen. Die Arbeitszeit kann somit zu 45 % flexibilisiert werden.11 Dies ist jedoch nur dann zulässig, wenn der Arbeitnehmer mindestens den Lohn für die vereinbarte Mindestarbeitszeit erhält. Beispiel –– Haben die Parteien eine Mindestarbeitszeit von 15 Wochenstunden vereinbart, kann der Arbeitgeber zusätzlich nur 3,75 Stunden einseitig abrufen, soweit dies im Arbeitsvertrag entsprechend vereinbart ist. –– Andererseits kann der Arbeitgeber bei einer entsprechenden Vereinbarung die vereinbarte Mindestarbeitszeit von 15 Stunden um drei Stunden auf 12 Stunden herabsenken. 28 Je geringer die vereinbarte wöchentliche Mindestarbeitszeit ist, desto geringer ist

damit die einseitig vom Arbeitgeber abrufbare Arbeitsleistung des Arbeitnehmers.

Praxistipp Benötigt der Arbeitgeber ein hohes Maß an Flexibilität, darf mit dem Arbeitnehmer keine allzu niedrige Mindestarbeitszeit vereinbart werden. 29 Soweit die Voraussetzungen für die Anordnung von Überstunden vorliegen, kann

die Arbeitszeit noch weiter verlängert werden.12

Praxistipp Die Vereinbarung einer Verringerungs- und Erhöhungsmöglichkeit in einem Abruf-Vertrag ist aufgrund der Lohnzahlungspflicht für die Mindestarbeitszeit wirtschaftlich nur dann sinnvoll, wenn die aufgrund eines zusätzlichen Abrufes gearbeiteten Stunden als Arbeitszeitguthaben einem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben werden bzw. im Falle der zulässigen Arbeitszeitverringerung Arbeitszeitdefizite auf einem Arbeitszeitkonto verbucht werden.13

9 BAG, Urt. v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 –. 10 BAG, Urt. v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 –. 11 A.A. Reiserer, NZA 2007, 1249, 1253. 12 BAG, Urt. v. 7.12.2005 – 5 AZR 535/04 –. 13 In der Literatur wird teilweise die Zulässigkeit eines Arbeitszeitkontos angezweifelt. Für die

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Hinsichtlich des Kündigungsschutzes ist zu beachten, dass die Vereinbarung eines 30 flexiblen Arbeitszeitmodells mit langfristigen Ausgleichszeiträumen zu einem verstärkten Kündigungsschutz der Arbeitnehmer führen kann. Die Rechtsprechung erkennt ein dringendes betriebliches Interesse an einer ordentlichen Beendigungskündigung nur an, wenn der Arbeitgeber die ihm eröffneten Möglichkeiten der flexiblen Arbeitszeitgestaltung ausgenutzt hat und gleichwohl noch ein Beschäf­ tigungsüberhang festzustellen ist.14 Danach gehört zu den weniger belastenden Maßnahmen, die der Arbeitgeber zur Vermeidung von Kündigungen zu ergreifen hat, dass er die Möglichkeiten einer flexiblen Jahresarbeitszeitregelung ausschöpft, um in Zeiten eines geringeren Arbeitsanfalls betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Praxistipp Zur Erreichung eines hohen Flexibilisierungsgrades sollte ein Arbeitszeitkonto eingerichtet werden. Um die nachteiligen Auswirkungen auf den Kündigungsschutz zu vermeiden, sollte der Ausgleichszeitraum, d.h. der Zeitraum, zu welchem des Arbeitszeitkonto ausgeglichen sein muss, nicht zu lange bemessen werden und die Höhe der Stundenguthaben und -defizite begrenzt sein. Empfehlenswert ist ein Ausgleichszeitraum von einem Jahr. Saisonale Arbeitsschwankungen werden dadurch hinreichend berücksichtigt.

b) Tägliche Mindestarbeitszeit Wird die Dauer der täglichen Arbeitszeit nicht festgelegt, hat der Arbeitgeber gem. 31 § 12 Abs. 1 S. 4 die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers im Falle eines Abrufs jeweils für mindestens drei aufeinanderfolgende Stunden in Anspruch zu nehmen. Die Vertragsparteien können einzelvertraglich eine tägliche Arbeitszeit von 32 weniger als drei Stunden Arbeitszeit vereinbaren. § 12 Abs. 1 S. 4 ist nicht zwingend. Wird der Arbeitnehmer zu einem drei Stunden unterschreitenden Einsatz abgerufen, hat er nach dem Schutzzweck des § 12 Abs. 1 TzBfG einen Vergütungsanspruch für drei Stunden, auch wenn er nur eine kürzere Zeit arbeitet. Praxistipp –– Ohne entsprechende vertragliche Regelung, die einen täglichen Abruf unter drei Stunden zulässt, sind Abrufe unter drei Stunden zu vermeiden. –– Eine Vereinbarung, die eine täglich mehrfache stundenweise Heranziehung zur Arbeit vorsieht, sollte nur bei Vorliegen einer triftigen Begründung getroffen werden. Eine kurze tägliche Gesamtarbeitszeit oder die Zerstückelung der täglichen Arbeitszeit in mehrere kurze, durch Untätigkeit unterbrochene Arbeitseinsätze kann zur unangemessenen Belastung des Arbeitnehmers, z.B. durch unverhältnismäßig lange Anfahrtswege führen und gem. § 307 BGB unwirksam sein.

Zulässigkeit eines Arbeitszeitkontos vgl. Preis/Lindemann, II A 90 Rn 123; a.A. Däubler, ZIP 2001, 217, 222; Boewer, § 12 TzBfG Rn 13. 14 BAG, Urt. v. 8.11.2007 – 2 AZR 418 –.

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 Kapitel 2 Arbeit auf Abruf

33 Ruft der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu einem kürzeren als drei-stündigen Einsatz,

so hat der Arbeitnehmer das Wahlrecht, ob er die kurze Arbeitsleistung erbringen, ob er sie nur unter Bezahlung und Anrechnung von drei Stunden leisten oder gänzlich ablehnen will. Erbringt er die Arbeitsleistung ohne Einschränkung auf die Arbeitsfrist, so sind nur die tatsächlich geleisteten Stunden zu vergüten und auf das Arbeitszeitdeputat anzurechnen.15

4. Ankündigungsfrist a) Gesetzliche Ankündigungsfrist 34 Bei der Planung des Einsatzes des Arbeitnehmers auf Abruf hat der Arbeitgeber die „Vier-Tage-Regel“ gem. § 12 Abs. 2 TzBfG zu beachten. Der Arbeitnehmer ist daher nur zur Arbeitsleistung verpflichtet, wenn der Arbeitgeber ihm die Lage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilt (Vorankündigungsfrist). Praxistipp –– Die Mitteilung über den Arbeitseinsatz muss dem Arbeitnehmer zugehen. Eine Mitteilung an Familienangehörige, Kollegen etc. ist nicht ausreichend. –– Der erforderliche Mitteilungsumfang bestimmt sich nach der konkreten Ausgestaltung im Arbeitsvertrag. Ist darin bereits der konkrete Arbeitstag festgelegt, muss die Mitteilung nur den zeitlichen Umfang, d.h. den Beginn und das Ende des Arbeitseinsatzes, umfassen. –– Die Mitteilung kann auch durch Aushang im Betrieb am „Schwarzen Brett“, Ankündigung im Intranet, per E-Mail, Post oder auch SMS erfolgen, soweit sichergestellt ist, dass der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, hiervon Kenntnis zu nehmen. Empfehlenswert ist jedoch die elektronische Übermittlung oder aber die Übermittlung per Post, da die Abgabe der Mitteilung und der Zugang leichter nachweisbar sind, als durch einen Aushang am „Schwarzen Brett“ oder eine mündliche Mitteilung. –– Die Art und Weise der Mitteilung sollte vertraglich bzw. in einer Betriebsvereinbarung geregelt und für alle Abrufarbeitsverhältnisse einheitlich geregelt werden. 35 Der Arbeitgeber kann die Mitteilung an den Arbeitnehmer unter Einhaltung der Vier-

Tages-Frist ändern oder widerrufen.16 Das Gesetz versteht unter „vier Tagen“ nicht Arbeitstage und auch nicht Werktage, sondern Tage. Die Einhaltung der Frist berechnet sich nach Maßgabe der §§ 186 ff. BGB. Mit dem Zugang der Mitteilung des Arbeitgebers beginnt die Frist zu laufen. Bei 37 der Fristberechnung zählt der Tag des Zugangs und der Tag der Arbeitsleistung nicht mit.

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15 ErfK/Preiss, § 12 TzBfG Rn 24. 16 ErfK/Preiss, § 12 TzBfG Rn 28; a.A. Meinel, § 12 Rn 39; Boewer, § 12 TzBfG Rn 47.

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Berechnung der Ankündigungsfrist gem. § 12 Abs. 2 TzBfG Arbeitseinsatz • Montag • Dienstag • Mittwoch • Donnerstag • Freitag • Samstag • Sonntag

Abruftag (Ankündigungstag) • Mittwoch (Vorwoche) • Donnerstag (Vorwoche) • Freitag (Vorwoche) • Freitag (Vorwoche) • Freitag (Vorwoche) • Montag (laufende Woche) • Dienstag (laufende Woche)

Hält der Arbeitgeber die Vier-Tages-Frist nicht ein, ist der Arbeitnehmer nicht zur 38 Arbeitsleistung verpflichtet. Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, die nicht fristgerechte Mitteilung zurückzuweisen.17 Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer in früheren Fällen dem kurzfristigen Abruf gefolgt ist. Damit wird für den Arbeitnehmer ein besonderes Leistungsverweigerungsrecht statuiert. Gleichwohl kann der Arbeitnehmer sich trotz des unwirksamen Abrufs zur Erbringung der Leistung bereit erklären. Lehnt der Arbeitnehmer bei fehlender Fristeinhaltung die Erbringung der Arbeitsleistung zu dem vom Arbeitgeber bestimmten Zeitpunkt ab, so hat er insoweit auch keinen Anspruch auf Vergütung. Der Umfang seiner vertraglich geschuldeten Mindestarbeitsleistung wird durch einen unwirksamen Abruf, bezogen auf den maßgebenden Bezugszeitraum, nicht gemindert. Beispiel –– Vereinbart ist eine wöchentliche Mindestarbeitszeit von zehn Stunden. Der Arbeitgeber teilt dem Arbeitnehmer am Freitag der Vorwoche mit, dass er am kommenden Montag vier Stunden arbeiten müsse und am kommenden Mittwoch sechs Stunden. Weitere Abrufe durch den Arbeitgeber erfolgen für die besagte Arbeitswoche nicht. –– Der Arbeitnehmer verweigert die Arbeitsleistung für den Montag unter Hinweis auf die Nichteinhaltung der Ankündigungsfrist. Am Mittwoch arbeitet er sechs Stunden. Im weiteren Verlauf der Arbeitswoche arbeitet er nicht. Der Arbeitgeber hätte noch weitere vier Stunden abrufen können. Da dies nicht erfolgt ist, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für vier Stunden Annahmeverzugslohn zu zahlen.

Kann die geschuldete Mindestarbeitsleistung im Bezugszeitraum nicht mehr unter 39 Einhaltung der Vorankündigungsfrist abgerufen werden, hat der Arbeitnehmer ebenfalls Anspruch auf Annahmeverzugslohn gem. § 615 S. 1 BGB.18 Er ist zur Nachleistung nicht verpflichtet.

17 Preis/Lindemann, II A 90 Rn 126. 18 Siehe Rn 43.

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 Kapitel 2 Arbeit auf Abruf

Beispiel –– Vereinbart ist eine monatliche Mindestarbeitszeit von 40 Stunden. Im Monat Oktober arbeitete der Arbeitnehmer abrufgemäß bereits 30 Stunden. Am 27.10. kündigte der Arbeitgeber den Abruf von fünf Arbeitsstunden am 30.10. und fünf Arbeitsstunden am 31.10. an. –– Der Arbeitnehmer verweigert die Arbeitsleistung unter Hinweis auf die Nichteinhaltung der Ankündigungsfrist. Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer für die nicht mehr unter Einhaltung der gesetzlichen Ankündigungsfrist fallenden Stunden Verzugslohn für zehn Arbeitsstunden zu zahlen.

b) Verkürzung Ankündigungsfrist

40 Der Arbeitgeber kann von der gesetzlichen viertägigen Ankündigungsfrist zuunguns-

ten des Arbeitnehmers nur dann abweichen, wenn ein Tarifvertrag dies vorsieht. Tarifvertragliche Regelungen gelten grundsätzlich nur für die tarifgebundenen Arbeitnehmer. Nach § 12 Abs. 3 S. 2 TzBfG können im Anwendungsbereich des Tarifvertrags entsprechende abweichende Vereinbarungen aber auch zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern getroffen werden, soweit der Tarifvertrag persönlich, fachlich oder räumlich anwendbar ist.19 Der Tarifvertrag muss bestimmte Mindestanforderungen erfüllen. Er muss 41 Regelungen über die tägliche und wöchentliche Arbeitszeit und die Vorankündigungsfrist vorsehen. Nicht erforderlich ist, dass eine bestimmte wöchentliche und tägliche Arbeitszeit festgelegt wird. Durch andere Vereinbarungen als durch Tarifvertrag, also individualvertragli­ 42 che Regelungen und Betriebsvereinbarungen, kann nicht von der Vier-Tages-Frist des § 12 Abs. 2 TzBfG abgewichen werden.

5. Beschäftigungspflicht und Annahmeverzug 43 Der Arbeitgeber hat die Lage der vertraglich vereinbarten (Mindest-)Arbeitszeit im festgelegten Bezugszeitraum zu bestimmen und die Arbeitspflicht der Arbeit zu konkretisieren. Unterlässt der Arbeitgeber die Konkretisierung der Leistungspflicht oder ruft er nicht den vertraglich vereinbarten bzw. gesetzlich vorgesehenen Mindestumfang ab, so gerät er in Annahmeverzug, d.h. der Arbeitnehmer behält den Vergütungsanspruch, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein.20 Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, die Arbeitsleistung anzubieten, da die Arbeit gemäß vertraglicher Vereinbarung vom Arbeitgeber abzurufen ist.

19 AnwK-ArbR/Worzalla, § 12 TzBfG Rn 18. 20 BAG, Urt. v. 19.1.1999 – 9 AZR 697/97 –.

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Beispiel 1 Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben vereinbart, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat. Eine wöchentliche und tägliche Mindestarbeitszeit haben die Vertragsparteien nicht vereinbart. Der Arbeitgeber beschäftigt den Arbeitnehmer wöchentlich nur neun Stunden, verteilt auf drei Tage je drei Stunden. Mangels ausdrücklicher Vereinbarung gilt eine wöchentliche Mindestarbeitszeit von zehn Stunden und eine tägliche Mindestarbeitszeit von drei Stunden als vereinbart. Der Arbeitgeber hat diese Mindestarbeitszeit zu vergüten. Ruft der Arbeitgeber wöchentlich nur neun Stunden ab, so hat er dennoch die Mindestarbeitszeit von zehn Stunden wöchentlich zu vergüten, da er neun Stunden abgerufen hat und sich mit einer Stunde in Annahmeverzug befindet.

Beispiel 2 Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben vereinbart, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat und zwar in einem Mindestumfang von wöchentlich neun Stunden. Eine tägliche Mindestarbeitszeit haben die Vertragsparteien nicht vereinbart. Der Arbeitgeber beschäftigt den Arbeitnehmer wöchentlich neun Stunden, verteilt auf drei Arbeitstage und zwar: –– Montag: fünf Stunden –– Dienstag: zwei Stunden –– Mittwoch: zwei Stunden Da die Parteien zwar die wöchentliche, nicht jedoch die tägliche Mindestarbeitszeit vereinbart haben, gilt eine tägliche Mindestarbeitszeit von drei Stunden als vereinbart, § 12 Abs. 1 S. 4 TzBfG. Der Arbeitgeber hat demnach die vertraglich vereinbarte Mindestarbeitszeit von neun Arbeitsstunden und die gesetzliche tägliche Mindestarbeitszeit von drei Stunden zu vergüten. Ruft der Arbeitgeber am Dienstag und Mittwoch nur jeweils zwei Stunden ab, so hat er dennoch die tägliche Mindestarbeitszeit von drei Stunden zu vergüten. Für den Dienstag und den Mittwoch sind daher jeweils drei Stunden zu vergüten. Insgesamt sind für die Arbeitswoche elf Stunden zu bezahlen, obwohl der Arbeitgeber nur neun Stunden in der Woche abgerufen hat.

Praxistipp Sollten mit mehreren Arbeitnehmern Abruf-Arbeitsverhältnisse begründet werden, empfiehlt sich eine für alle Abruf-Arbeitsverhältnisse einheitliche Festlegung der wöchentlichen und täglichen Mindestarbeitszeit. So kann vermieden werden, dass individuelle Sonderregelungen beim Abruf nicht beachtet werden und der Arbeitgeber dadurch Gefahr läuft, in Annahmeverzug zu geraten.

6. Überstunden Der Arbeitgeber kann im Rahmen eines Abruf-Arbeitsverhältnisses Überstunden 44 anordnen soweit dies vertraglich vereinbart ist und durch die Anordnung von Überstunden die höchstzulässige wöchentliche Arbeitszeit (Mindestarbeitszeit zzgl. 25 %) nicht überschritten wird.

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 Kapitel 2 Arbeit auf Abruf

7. Entgelt a) Höhe Arbeitsvergütung und Annahmeverzugslohn 45 Die Höhe des Arbeitsentgelts ist zu vereinbaren. Für die Arbeit auf Abruf gelten prinzipiell die allgemeinen Grundsätze. Bei Nichtabruf des vereinbarten Arbeitszeitumfangs verliert der Arbeitnehmer nach § 615 S. 1 BGB seinen Vergütungsanspruch nicht. Der Arbeitnehmer hat vielmehr Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn. Die Berechnung des Annahmeverzugslohns kann je nach der vertraglichen Aus46 gestaltung des Abrufarbeitsverhältnisses schwierig sein. Ist der Arbeitgeber berechtigt, an sieben Tagen pro Woche die Arbeit abzurufen, hat der Arbeitgeber je nach Tag und Lage des Arbeitseinsatzes ggf. Arbeitslohn in unterschiedlicher Höhe zu zahlen, da der jeweils anzuwendende Tarifvertrag für Arbeit an Wochenenden und zu Abend- und Nachtzeiten höhere Stundenlöhne vorschreibt, als an anderen Tagen und Tageszeiten. Der Arbeitgeber muss sich demnach die berechtigte Frage stellen, welcher Stundenlohn zur Berechnung des aufgrund nicht abgerufener Arbeitszeit zu zahlenden Annahmeverzugslohnes zu Grunde zu legen ist: der Grundlohn, der erhöhte Stundenlohn für Wochenendarbeit, der Tag- oder der Nachtlohn? Nach der Rechtsprechung des BAG ist der Verzugslohn anhand des in der Ver47 gangenheit durchschnittlich erzielten Lohns zu berechnen.21 Diese Berechnungsmethode ist jedoch nicht anwendbar, wenn bereits im ersten Beschäftigungsmonat Annahmeverzugslohn zu zahlen ist. Praxistipp –– Die Höhe des monatlichen Arbeitsentgelts sollte sich nach der vereinbarten bzw. gesetzlich angeordneten wöchentlichen Mindestarbeitszeit richten. Empfehlenswert ist die Festschreibung eines Mindeststundenlohns, auf dessen Grundlage sich der Monatslohn berechnet. Da je nach Abruf ggf. ein höherer (tariflicher) Stundenlohn zu zahlen ist, z.B. bei einem Abruf zur Nachtzeit und/oder am Wochenende, kann der tatsächlich erzielte monatliche Arbeitslohn wesentlich höher sein. –– Für den Fall des Nichtabrufs der Arbeitsleistung sollte im Arbeitsvertrag eine klare Regelung getroffen werden, welcher Stundenlohn zur Berechnung des Annahmeverzugslohns zu Grunde zu legen ist. Empfehlenswert ist ein Durchschnittsstundenlohn, der die unterschiedlichen Stundenlöhne berücksichtigt. Dieser kann wie folgt berechnet werden: 22 Gesamtlohn für Arbeitszeitrahmen × (Mindest-) Arbeitszeitdeputat Arbeitszeitrahmen

Beispiel Berechnung des Annahmeverzugslohns –– Der Arbeitgeber vergütet eine Arbeitsstunde, die montags bis freitags in der Zeit von 8.00 bis 18.00 Uhr erbracht wird mit 10 €, an einem Samstag mit 12,50 € und an einem verkaufsoffenen

21 BAG, Urt. v. 11.8.1998 – 9 AZR 410/97 –. 22 Berechnung nach einer von Ostermeier vorgeschlagenen Formel, vgl. Ostermeier, RdA 2008, 86, 90.

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Sonntag mit 15 €. Das vereinbarte (Mindest-)Arbeitszeitdeputat beträgt 10 Stunden pro Woche (40 Stunden im Monat). Die Parteien haben vereinbart, dass der Arbeitgeber die Arbeitsleistung von freitags bis sonntags abrufen kann. In den Dezember fallen drei Samstage, drei Freitage und ein verkaufsoffener Sonntag. Der Gesamtarbeitszeitrahmen beträgt 70 Stunden (7× 10 Stunden). Der Gesamtlohn für diesen Arbeitszeitrahmen beträgt 825 € (drei Freitage á 10 Stunden × 10 € (300 €), drei Samstage á 10 Stunden × 12,50 € (375 €) und ein Sonntag á 10 Stunden × 15 € (150 €). Daraus folgt für den Arbeitnehmer im Monat Dezember ein Monatslohnanspruch von 471,43 € (825 × 40 : 70 = 471,43 €), was einem durchschnittlichen Stundensatz von 11,79 € entspricht. Ruft der Arbeitgeber demnach in einem Monat nur 35 Stunden ab, kommt er mit fünf Stunden in Annahmeverzug und hat dem Arbeitnehmer Annahmeverzugslohn in Höhe von 58,92 € (fünf Stunden à 11,79 €) zu zahlen.

Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, Arbeitsstunden auf Abruf höher zu vergüten als 48 bei einer vergleichbaren Teilzeitbeschäftigung mit starren Arbeitszeiten. Andererseits ist dem Arbeitnehmer gem. § 4 Abs. 1 TzBfG Arbeitsentgelt mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Praxistipp Die Vergütung sollte regelmäßig auf der Grundlage der vereinbarten Mindestarbeitszeit kontinuierlich monatlich bezahlt werden.

b) Besondere Zuschläge und Sondervergütung Da der Teilzeitarbeitnehmer gem. § 4 TzBfG nicht schlechter gestellt werden darf als 49 ein vergleichbarer Vollzeitarbeitnehmer, hat der Arbeitnehmer bei der Arbeit auf Abruf Anspruch auf die gleichen Zuschläge und Sondervergütungen, die ein vergleichbarer Vollzeitarbeitnehmer hat.

c) Mehrarbeitsvergütung Leisten Abrufkräfte Mehrarbeit, gelten die allgemeinen Grundsätze.

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d) Feiertagsvergütung Der Arbeitgeber darf der Zahlung von Feiertagslohn nicht dadurch ausweichen, dass 51 er die Arbeitszeit mit Blick auf den Feiertag entsprechend umverteilt.23 Der Arbeitnehmer ist auch bei Abrufarbeit so zu stellen, wie er stünde, wenn der Tag kein Feiertag gewesen wäre. Anspruch auf Feiertagsvergütung entsteht dann, wenn sich aus dem Abrufverhalten des Arbeitgebers in der Vergangenheit mit einiger Sicherheit

23 BAG, Urt. v. 24.10.2001 – 5 AZR 245/00 –.

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 Kapitel 2 Arbeit auf Abruf

ergibt, dass der Arbeitnehmer an dem fraglichen Tag eingesetzt worden wäre.24 Realisiert wird der Anspruch dadurch, dass die wöchentliche Mindestarbeitszeit in dem Umfang erfüllt ist, die sonst am Feiertag gearbeitet worden wäre. Beispiel Der Arbeitgeber hat im vergangenen Quartal die Arbeitsleistung immer donnerstags und freitags zu je fünf Stunden abgerufen. Im Mai fallen einige Feiertage auf einen Donnerstag. Der Arbeitgeber hat diese Feiertage gem. § 2 Abs. 1 EFZG zu vergüten. Fünf Arbeitsstunden werden auf das vereinbarte Arbeitszeitdeputat angerechnet. Der Arbeitnehmer ist nicht zur Arbeit verpflichtet (es sei denn, es wird branchenbedingt auch am Feiertag gearbeitet). 52 In der Praxis ist die Berechnung der Feiertagsvergütung immer dann mit Schwierig-

keiten verbunden, wenn der Abruf der Arbeit hinsichtlich Umfang und Abruftag unregelmäßig erfolgt und sich aus dem Abrufverhalten gerade nicht ergibt, dass der Arbeitnehmer an dem fraglichen Tag gearbeitet hätte. Nach der Rechtsprechung des BAG hat der Arbeitnehmer die tatsächlichen 53 Umstände vorzutragen, aus denen sich eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, dass die Arbeit allein wegen des Feiertages ausgefallen ist. Der Arbeitgeber hat sich hierzu konkret zu erklären und tatsächliche Umstände dafür darzulegen, dass der Feiertag für den Arbeitsausfall nicht ursächlich war. Gibt es für den Arbeitsausfall keine objektiven Gründe außer dem, dass an einem Wochenfeiertag nicht gearbeitet werden darf, ist nach Ansicht des BAG aufgrund der Darlegung des Klägers davon auszugehen, dass die Arbeit wegen des Feiertages ausgefallen ist. In diesem Falle besteht ein Anspruch auf Feiertagsvergütung.25 Gelingt es dem Arbeitnehmer darzulegen, dass die Arbeit allein wegen des Feiertages nicht abgerufen worden ist, ist ggf. immer noch fraglich, in welchem Umfang die Arbeitszeit auf das Arbeitszeitdeputat anzurechnen bzw. in welchem Umfang diese zu vergüten ist. Das BAG hat diese Frage – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden. Praxistipp –– Obwohl nach der Rechtsprechung des BAG Schwierigkeiten bei der Darlegung des feiertagsbedingten Arbeitsausfalls keine Abweichung von der gesetzlichen Regelung des § 2 EFZG zulassen, sollte bei Vertragsgestaltungen, die dem Arbeitgeber einen weiten Spielraum hinsichtlich Lage und Umfang der abrufbaren Arbeitszeit geben, immer die Gewährung eines pauschalierten Feiertagsentgelts vereinbart werden für den Fall, dass ein regelmäßiger Arbeitsabruf hinsichtlich Lage und Umfang der Arbeitszeit nicht erfolgt. Hierdurch werden ein gerechter Ausgleich zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen erreicht und Gerichtsverfahren vermieden. –– Zur Berechnung der Feiertagsvergütung wird das Arbeitszeitdeputat pro Abrechnungseinheit rechnerisch auf alle potenziellen Arbeitstage einschließlich der Feiertage in dieser Einheit ver-

24 BAG, Urt. v. 12.6.1996 – 5 AZR 960/94 –. 25 BAG, Urt. v. 24.10.2001 – 5 AZR 245/00 –.

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A. Arbeitsrecht 

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teilt. Danach werden diejenigen Arbeitsstunden, die hierbei auf die Feiertage entfallen, vom Gesamtdeputat abgezogen. Die Vergütung bleibt unverändert.

Beispiel Vereinbart ist ein Arbeitszeitdeputat von zehn Stunden pro Woche, abrufbar von Montag bis Freitag. Als Feiertagsvergütung für den Ostermontag werden dem Arbeitnehmer zwei Stunden vergütet und diese von dem Gesamtdeputat von zehn Stunden pro Woche abgezogen. Der Arbeitgeber darf daher noch acht Stunden abrufen.

e) Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall Problematisch sind die Fälle, in denen die Krankheit des Arbeitnehmers in Zeiten 54 hineinreicht, in denen grundsätzlich die Möglichkeit bestünde, den Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung heranzuziehen, aber noch keine Leistungsbestimmung (Abruf) durch den Arbeitgeber erfolgt ist. Ist der Arbeitsabruf bereits erfolgt und kann der Arbeitnehmer krankheitsbe- 55 dingt an den abgerufenen Tagen nicht arbeiten, sind die abgerufenen Arbeitsstunden unter Zahlung der vereinbarten Vergütung vom Arbeitsdeputat abzuziehen. Der Arbeitnehmer erhält auf diese Weise eine ihm zustehende Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Ist kein Arbeitsabruf erfolgt wie bei der Feiertagsvergütung, muss auf der Basis 56 der hypothetischen Arbeitszeitlage abgerechnet werden. Ist das nicht möglich, liegt es nahe, auf das oben bei der Feiertagsvergütung beschriebene Durchschnittsprin­ zip zurückzugreifen. Dabei wird das Arbeitsdeputat der Abrufkraft für jeden potenziellen Arbeitstag in der Krankheitszeit um die durchschnittlich auf einen solchen Arbeitstag entfallende Arbeitszeit gekürzt.

f) Entgeltfortzahlung bei persönlicher Verhinderung Ist der Arbeitnehmer in der bereits vom Arbeitgeber abgerufenen Zeit i.S.d. § 616 BGB 57 verhindert, z.B. durch die eigene Hochzeit, Begräbnisse im engen Familienkreis etc., kann der Arbeitgeber seiner Vergütungspflicht nicht dadurch entgehen, dass er den Abruf ändert. Dies ist eine zwingende Folge der Gestaltungswirkung des Abrufs, die nicht einseitig aufgehoben werden kann. Praxistipp –– Der Arbeitsvertrag sollte zumindest eine Verpflichtung vorsehen, wonach der Arbeitnehmer verpflichtet ist, den Arbeitgeber über bevorstehende Verhinderungen gem. § 616 BGB unverzüglich zu unterrichten. –– Die Arbeitsvertragsparteien können die Anwendung des § 616 BGB auch gänzlich ausschließen bzw. vereinbaren, dass in derartigen Fällen ein Anspruch auf Freistellung von der Arbeit, jedoch abweichend von § 616 S. 1 BGB kein Anspruch auf Vergütung besteht.

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 Kapitel 2 Arbeit auf Abruf

8. Urlaub

58 Für den Anspruch auf Erholungsurlaub der Abrufarbeitnehmer gelten die gleichen

Grundsätze wie bei allen Teilzeitbeschäftigten. Der Arbeitnehmer hat gem. §  3 Abs. 1 BUrlG im Falle einer Sechs-Tage-Woche 59 Anspruch auf mindestens 24 Werktage Urlaub, im Falle einer Fünf-Tage-Woche 20 Werktage Urlaub im Kalenderjahr, soweit nicht tarif- oder einzelvertraglich ein höherer Anspruch vereinbart ist. Da bei der Arbeit auf Abruf nicht an jedem Tag gearbeitet wird, muss die Urlaubs60 dauer wie bei allen Teilzeitarbeitnehmern zum Urlaub eines Vollzeitbeschäftigten ins Verhältnis gesetzt werden. Praxistipp Nach der Rechtsprechung des BAG wird der anteilige Urlaubsanspruch nach folgender Formel berechnet: (Tatsächliche Arbeitstage pro Woche) × 24 : 6 = Urlaubsanspruch 61 Die Berechnung ist in den Fällen unproblematisch, in denen eine konkrete Anzahl

von Arbeitstagen vereinbart ist.

Beispiel –– Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, an zwei Tagen in der Woche zu arbeiten. Der Arbeitsumfang beträgt mindestens drei Stunden pro Arbeitstag. Der Arbeitgeber kann jedoch insgesamt ein Stundenkontingent von bis zu zwölf Stunden pro Arbeitswoche abrufen. –– Aufgrund der Verpflichtung des Arbeitnehmers an zwei Tagen pro Woche zu arbeiten, hat der Arbeitnehmer einen anteiligen gesetzlichen Urlaubsanspruch von acht Tagen pro Kalenderjahr. 62 Ist die Anzahl der Arbeitstage pro Woche nicht vertraglich geregelt, kann der anteilige

Jahresurlaub nur rückwirkend berechnet werden, da die Berechnung sich regelmäßig erst mit der Feststellung der durch Abruf realisierten Arbeitspflicht am Ende des Kalenderjahres durchführen lässt.

Praxistipp –– Lassen sich zur Berechnung des Urlaubsanspruchs die mit Arbeitspflicht belegten Tage nur aufgrund eines Jahresvergleiches ermitteln, so sind nach der Rechtsprechung des BAG die Tage ins Verhältnis zu den gesetzlich möglichen Arbeitstagen zu setzen. Das BAG geht für die SechsTage-Woche von 312 und für die Fünf-Tage-Woche von 260 möglichen Arbeitstagen im Jahr aus. –– Nach der Rechtsprechung des BAG wird der anteilige gesetzliche Urlaub bei einer unregelmäßigen Anzahl von Arbeitstagen pro Woche bei einer Sechs-Tage-Woche wie folgt berechnet: 24 (gesetzlicher Urlaubsanspruch) : 312 (Mögliche Arbeitstage pro Jahr (Sechs-Tage-Woche)) × Anzahl der tatsächlich gearbeiteten Arbeitstage = Urlaubsanspruch.26

26 BAG, Urt. v. 5.9.2002 – 9 AZR 244/01 –.

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Bei einer Fünf-Tage-Woche berechnet sich der anteilige Urlaubsanspruch wie folgt: 20 (gesetzlicher Urlaubsanspruch) : 260 (Mögliche Arbeitstage pro Jahr (Fünf-Tage-Woche)) × Anzahl der tatsächlich gearbeiteten Arbeitstage = Urlaubsanspruch27

Es ist demnach seitens des Arbeitgebers zu ermitteln, an wie vielen Arbeitstagen pro 63 Woche der Arbeitnehmer im Kalenderjahr durchschnittlich gearbeitet hat. Beispiel Der Arbeitnehmer hat im Jahr an 60 Arbeitstagen gearbeitet. Das Arbeitszeitdeputat war an fünf Arbeitstagen pro Woche abrufbar. Der gesetzliche Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers berechnet sich wie folgt: 20 : 260 × 60 = 4,61. Da gem. § 5 Abs. 2 BUrlG Bruchteile von Urlaub, die einen halben Tag ergeben, auf volle Urlaubstage aufzurunden sind, hat der Arbeitnehmer einen jährlichen Urlaubsanspruch von fünf Urlaubstagen.

Da jeder Arbeitnehmer im Kalenderjahr einen Anspruch auf bezahlten Erholungs­ 64 urlaub hat, besteht für den Arbeitgeber das Problem, dass er dem Arbeitnehmer einen Urlaubsanspruch erfüllen muss, der erst nach Ablauf des Kalenderjahrs berechen­ bar ist. Eine pragmatische Lösung kann darin liegen, bei variabler Arbeitszeit auf die Anzahl der Arbeitstage im Halbjahr als Referenzzeitraum abzustellen.28 Der Arbeitnehmer kann so seinen auf das Jahr befristeten Urlaubsanspruch noch rechtzeitig vor dem Jahresablauf geltend machen. Beispiel Der Arbeitnehmer hat im 1. Halbjahr (vom 1.1. bis 30.6.) an 30 Arbeitstagen gearbeitet. Das Arbeitszeitdeputat war an fünf Arbeitstagen pro Woche abrufbar. Der gesetzliche Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers berechnet sich wie folgt: 20 : 130 × 30 = 4,61 Urlaubstage. Da gem. § 5 Abs. 2 BUrlG Bruchteile von Urlaub, die mindestens einen halben Tag ergeben, auf volle Urlaubstage aufzurunden sind, hat der Arbeitnehmer zunächst einen jährlichen Urlaubsanspruch von fünf Urlaubstagen. Im 2. Halbjahr arbeitet der Arbeitnehmer 60 Arbeitstage. Der Jahresurlaubsanspruch berechnet sich demnach wie folgt: 20 : 260 × 90 = 6,92 Urlaubstage. Da der Arbeitnehmer in 2. Halbjahr an mehr Tagen arbeitet als im 1. Halbjahr, erhöht sich der Gesamturlaubsanspruch von fünf auf sieben Urlaubstage im Kalenderjahr.

Bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen haben die Arbeitnehmer auch einen 65 Anspruch auf Urlaubsgeld und Urlaubsentgelt.

27 BAG, Urt. v. 5.9.2002 – 9 AZR 244/01 –. 28 Zur Zulässigkeit von Abrechnungseinheiten von mehr als einem Monat vgl. MüArbR/Schüren, § 41 Rn 65.

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 Kapitel 2 Arbeit auf Abruf

Der Arbeitgeber legt wie bei allen anderen Arbeitsverhältnissen auch bei der Arbeit auf Abruf den Urlaub fest. Er hat dabei die Wünsche des Abrufarbeitnehmers wie aller anderen Arbeitnehmer entsprechend zu berücksichtigen.

9. Einschränkung des Direktionsrechts

67 Neben der in § 12 Abs. 2 statuierten Ankündigungsfrist und der drei-stündigen Min-

destbeschäftigungsdauer gem. § 12 Abs. 1 S. 4 muss der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechtes gesetzliche Beschäftigungsverbote zu bestimmten Zeiten beachten, z.B. die §§ 14, 16 Abs. 1 Jugendarbeitsschutzgesetz, die §§ 5, 6, 9 Arbeitszeitgesetz. Ferner hat der Arbeitgeber bei dem konkreten Abruf der Leistung die Grundsätze 68 des billigenden Ermessens gem. § 106 Gewerbeordnung zu wahren. Er muss also vor dem Abruf die wesentlichen Umstände des Einzelfalls abwägen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigen. Die Interessen des Arbeitnehmers können insbesondere durch familiäre oder weitere berufliche Verpflichtungen, durch Freizeitinteressen, aber auch durch die Abhängigkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln oder der verkehrsungünstigen Lage des Arbeitsortes betroffen sein.

III. Arbeitsvertragliche Gestaltung

69 Aufgrund der vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten eines Abrufarbeitsverhältnisses

sollte von der Verwendung eines entsprechenden Musterarbeitsvertrages abgesehen werden. Die bei der Vertragsgestaltung zu beachtenden Punkte richten sich im Wesentlichen nach dem gewünschten Grad der Flexibilisierung. Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass mit steigendem Flexibilisierungsgrad auch die Komplexität der Vertragsgestaltung und die Komplexität der tatsächlichen Ver­ tragsdurchführung zunehmen. Folgende Punkte sollten bei der Vertragsgestaltung beachtet werden:

Checkliste –– Ermittlung des benötigten Mindestarbeitszeitdeputat bezogen auf: Jahr, Quartal, Monat, Woche, Tag –– Tarifvertragliche Regelung? –– Betriebsvereinbarung? –– Ausdrückliche Vereinbarung, dass die Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen ist. –– Festlegung Mindestarbeitszeitdeputat pro Woche oder gesetzliche Regelung? –– Festlegung Mindestarbeitszeit pro Tag oder gesetzliche Regelung? –– Einhaltung der 20 % bzw. 25 %-Grenze des BAG? –– Befristung der Abruf-Abrede? –– Arbeitszeitkonto? –– Ausgleichszeitraum –– Zulässiges Maximalguthaben? –– Zulässiges Negativvolumen?

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B. Steuerrecht 

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IV. Mitbestimmung des Betriebsrates Existiert ein Betriebsrat, so hat der Arbeitgeber bei dem Abruf der Arbeit dessen Mit- 70 bestimmungsrechte zu beachten. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat ein zwingendes Mitbestimmungsrecht hinsichtlich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Nach der Rechtsprechung des BAG ist hiervon auch die grundsätzliche Einfüh­ 71 rung bzw. Abschaffung von Abrufarbeit als auch ihre Ausgestaltung im Einzelnen erfasst.29 Nicht mitbestimmungspflichtig ist hingegen der einzelne Abruf. Die Verpflichtung des Arbeitnehmers, Arbeit auf Abruf zu leisten, kann jedoch 72 nicht in einer Betriebsvereinbarung begründet werden. Hierzu bedarf es einer entsprechenden individualvertraglichen Regelung.

B. Steuerrecht Aus lohnsteuerlicher Sicht ergeben sich bei einem Arbeitsverhältnis auf Abruf keine 73 Besonderheiten zu einem sonstigen (Vollzeit-)Arbeitsverhältnis. Der Lohnsteuerabzug ist somit grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln unter Berücksichtigung der individuellen Besteuerungsmerkmale (elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale – ELStAM)30 vorzunehmen. Besonderheiten können sich im Rahmen der Arbeit auf Abruf ergeben, wenn sich die Tätigkeit aufgrund des nur im geringen Maße abgerufenen Arbeitszeitkontingents als Minijob31 oder Aushilfstätigkeit32 qualifiziert. Beim Arbeitsverhältnis auf Abruf kann es in der Praxis regelmäßig vorkommen, 74 dass das Arbeitsverhältnis nicht für einen vollen Monat besteht, sondern während des entsprechenden Monats beginnt oder endet, also nur wochen- oder gar tageweise besteht. In diesem Fall ist der während dieses Zeitraums bezogene Arbeitslohn auf die einzelnen Kalendertage umzurechnen. Hinsichtlich der Lohnsteuer entsteht dann ein Teillohnzahlungszeitraum. Die Lohnsteuer berechnet sich durch Multiplikation der Zahl der Arbeitstage mit dem Betrag der Lohnsteuer-Tagestabelle. Beispiel Ein Arbeitnehmer mit einem Monatsgehalt von 3.000 € (Steuerklasse III, keine Kirchensteuerpflicht) nimmt am 18.1.2012 eine Tätigkeit in München auf. Für Januar ergibt sich folgende Lohnabrechnung: Lohn für Zeitraum vom 18.1.–31.1.2012:

29 BAG, Beschl. v. 28.9.1988 – 1 ABR 41/87 –. 30 Beginn voraussichtlich ab 1.1.2013. 31 Vgl. hierzu Kap. 24 – Minijobber Rn 23 ff. 32 Vgl. hierzu Kap. 5 – Aushilfen Rn 28 ff.

Tüzel

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 Kapitel 2 Arbeit auf Abruf

10 Arbeitstage bei 21 möglichen Arbeitstagen – einschließlich gesetzlicher Wochenfeiertage – ergeben: 3.000 € × 10 : 21 = 1.428,57 € Berechnung der Lohnsteuer: Im Januar entsteht lohnsteuerlich ein Teillohnzahlungszeitraum, für den die Lohnsteuer nach der Tageslohnsteuertabelle abzurechnen ist. Der vom 18.1. – 31.1.2012 bezogene Arbeitslohn ist auf die einzelnen Kalendertage umzurechnen. Auf die Zeit vom 18.1. – 31.1.2012 entfallen 14 Kalendertage. Tagesarbeitslohn: 1.428,57 € : 14 = 102,04 € Lohnsteuer (Steuerklasse III) nach der Tagestabelle: 8,39 € × 14 Kalendertage = 117,46 € Solidaritätszuschlag nach der Tagestabelle: 0,46 € × 14 = 6,44 €

C. Sozialversicherungsrecht 75 Ein Arbeitsverhältnis auf Abruf kann sozialversicherungsrechtlich im Rahmen einer

geringfügig entlohnten Beschäftigung erfolgen. Zu den sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen einer geringfügig entlohnten Beschäftigung wird auf Kap. 24 – Minijobber verwiesen. Sofern bei einem Arbeitsverhältnis auf Abruf die Grenzen einer geringfügig ent76 lohnten Beschäftigung überschritten werden, liegen die Voraussetzungen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses vor. Es ergeben sich die normalen Verpflichtungen zu Beitragsabführung, -meldung usw.

Cichon

Kapitel 3 Arbeitnehmerüberlassung A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis 1. Begriffsbestimmung Eine Arbeitnehmerüberlassung liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer (Leiharbeitneh- 1 mer) von seinem Arbeitgeber (Verleiher) einem Dritten (Entleiher) zur Arbeitsleistung überlassen wird. Die Arbeitnehmerüberlassung wird im AÜG geregelt. Charakteristisch für die Arbeitnehmerüberlassung ist das Dreiecksverhältnis 2 zwischen Arbeitnehmer, Verleiher und Entleiher.

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Verleiher

Entleiher

Weisungsrecht Arbeitsleistung

Leiharbeitnehmer

Das Arbeitsverhältnis besteht zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer. Zwischen 3 Verleiher und Entleiher besteht ein Überlassungsvertrag, während zwischen Arbeitnehmer und Entleiher keine direkte Vertragsbeziehung besteht. Die Leistung des Verleihers hat zum Schwerpunkt die bloße Zurverfügungstel- 4 lung einer geeigneten Arbeitskraft. Verleiher und Entleiher teilen sich das arbeitgeberseitige Weisungsrecht. Der Verleiher überträgt sein arbeitsrechtliches Weisungs­ recht im Rahmen des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages hinsichtlich Ort, Zeit und Umfang an den Entleiher. Der Leiharbeitnehmer erbringt seine Arbeitsleistung im Betrieb des Entleihers und ist so in den Betrieb des Entleihers eingegliedert, dass er sich für die Zeitdauer der Überlassung nicht von den eigenen Arbeitnehmern des Entleihers unterscheidet.

2. Rechtliche Historie bis zum 30.10.2011 Im Rahmen der Industrialisierung wurde Anfang des 20. Jahrhunderts die Vermitt- 5 lung von Arbeit immer bedeutender. Zunächst war die gewerbliche Stellenvermittlung nicht reglementiert, bis durch das Stellenvermittlergesetz vom 2.6.1910 die Vermittlungstätigkeit gesetzlich geregelt wurde und Stellenvermittler einer Erlaubnis zur Ferbeck/Elert

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 Kapitel 3 Arbeitnehmerüberlassung

Gewerbeausübung bedurften. Das Arbeitsnachweisgesetz von 19221 löste das Stellenvermittlungsgesetz von 1910 ab und führte die staatliche Stellenvermittlung ein. Das Gesetz verbot mit Wirkung vom 1.1.1931 die gewerbsmäßige Stellenvermittlung und untersagte die Erteilung neuer Erlaubnisse zum Gewerbe eines Stellenvermittlers. Nach dem zweiten Weltkrieg stellte die gewerbsmäßige Leiharbeit aufgrund §  37 Abs. 3 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) vom 16.7.1927 verbotene Arbeitsvermittlung dar, die strafbar war. Das BVerfG erklärte mit Urteil vom 4.4.1967 § 37 Abs. 3 AVAVG für nichtig.2 In der Folgezeit entstand der Bedarf, die Arbeitnehmerüberlassung sozialverträglich auszugestalten. Am 11.10.1972 trat daher das Gesetz zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (AÜG) erstmals in Kraft. Es regelt seitdem, wann eine erlaubnispflichtige Arbeitnehmer­ überlassung vorliegt. Auf europäischer Ebene trat am 19.11.2008 die RL 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Leiharbeit (Leiharbeitsrichtlinie) in Kraft. Sie geht vom Grundkonzept der Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern und Arbeitnehmern des Entleihers aus und regelt in Art. 5 den Grundsatz des equal pay/equal treatment. Dieser Grundsatz besagt, dass die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Leiharbeiter während der Tätigkeit beim Entleiher grundsätzlich mindestens denjenigen entsprechen müssen, die für sie gelten würden, wenn sie von jenem genannten Unternehmen unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt worden wären. Zum 1.12.2011 sind zur Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung weitere Änderungen des AÜG in Kraft getreten, die die Leiharbeitsrichtlinie umsetzen.

3. Interessenlagen bei der Arbeitnehmerüberlassung

6 Gewerblich tätige Verleih-Unternehmer handeln mit Gewinnerzielungsabsicht. Der

vom Entleiher entrichtete Stundenlohn ist in der Weise kalkuliert, dass neben den Sozialabgaben und allen Nebenkosten ein Teil des Stundenlohns als Marge kalkuliert ist. Daneben können gewerbliche Verleih-Unternehmer zusätzlich als Vermittler auftreten, die bei einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zusätzlich eine Vermittlungsgebühr vom neuen Arbeitgeber verlangen. Häufig werden Arbeitnehmer innerhalb von Konzernen auch ohne Gewinnerzielungsabsicht verliehen. Der Entleiher kann durch den Einsatz von Zeitarbeitnehmern flexibel auf 7 Schwankungen in der Auftragslage reagieren, ohne sich langfristig an Arbeitnehmer binden zu müssen. Er kann damit die Anzahl der Beschäftigten flexibel variieren. Er spart daneben Kosten für Bewerbungsverfahren und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Der Einsatz von Zeitarbeitnehmern lohnt sich im Wesentlichen für Tätigkeiten, die keiner langen Einarbeitungsphase bedürfen.

1 RGBl. I, S. 657 ff. 2 BVerfG, Urt. v. 4.4.1967 – 1 BvR 84/65 –.

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A. Arbeitsrecht 

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Das Interesse des Leiharbeitnehmers an Zeitarbeit liegt meist darin, eine beste- 8 hende Arbeitslosigkeit zu beenden und durch einen Einsatz beim Entleiher eine Chance auf einen festen Arbeitsplatz zu erlangen oder Berufserfahrung zu sammeln, um die Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Demgegenüber ist die Zeitarbeit für den Arbeitnehmer häufig mit einer geringeren Entlohnung verbunden und fordert von ihm ein hohes Maß an Flexibilität.

4. Statistik und Praxisbedeutung Zahl der Verleihbetriebe und Leiharbeitnehmer3 Jahr

Verleihbetriebe

Leiharbeitnehmer

2000



337.845

2001



302.907

2002



308.534

2003



327.789

2004



389.090

2005



464.539

2006

12.250

631.076

2007

14.100

721.345

2008

15.581

673.768

2009

15.300

632.377

2010

16.628

823.509

2011

17.368

909.545

Die steigende Anzahl der Verleihbetriebe und der Leiharbeitnehmer zeigt, dass die 9 Zeitarbeit ein wachsender Markt ist und die Bedeutung der Zeitarbeit immer mehr zunimmt. Dies wird auch dadurch deutlich, dass es seit dem 1.8.2008 in Deutschland den Ausbildungsberuf Personaldienstleistungskaufmann/-frau gibt.

II. Gesetzliche Regelung der Arbeitnehmerüberlassung ab dem 1.12.2011 Nach § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG bedürfen Arbeitgeber, die als Verleiher (Entleiher) Leihar- 10 beitnehmer im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen wollen, einer Erlaubnis. Im Rahmen der Umsetzung der Leiharbeitsrichtlinie4 knüpft die Erlaubnispflicht nicht mehr an das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit, sondern an die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit. Auch die gelegentli­

3 Statistik der BA, Arbeitnehmerüberlassung, Zeitreihe ab 1973, Link: http://statistik. arbeitsagentur.de/nn_31950/SiteGlobals/Forms/Rubrikensuche/Rubrikensuche_Form.htm l?view=processForm&resourceId=210368&input_=&pageLocale=de&topicId=17358&year_ month=aktuell&year_month.GROUP=1&search=Suchen. 4 RL 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 19.11.2008.

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 Kapitel 3 Arbeitnehmerüberlassung

che Arbeitnehmerüberlassung wäre zukünftig erlaubnispflichtig, wenn der Arbeitnehmer zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird. Die Änderung des AÜG zum 1.12.2011 sollte vor allem den sog. „Drehtür-Effekt“ 11 verhindern, den Unternehmen dadurch verursachten, indem sie Arbeitnehmer entließen, um diese im Anschluss als Leiharbeiter zu verschlechterten Bedingungen anzustellen.

1. Wirtschaftliche Tätigkeit

12 Wesentliche Änderung hat das AÜG dadurch erfahren, dass nun nicht mehr die

gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung, sondern die Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit der Erlaubnis bedarf. Damit ist nun auch die Arbeitnehmerüberlassung von gemeinnützigen Einrichtungen eine erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung. Auch die konzerninternen Überlassungen, die nicht mit Gewinnerzielungsabsicht, sondern zum Selbstkostenpreis erfolgen, stellen nun grundsätzlich eine Form im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit dar und sind damit Arbeitnehmerüberlassung, soweit nicht die Konzernprivilegierung des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG greift. Praxistipp Konzernunternehmen, die Mitarbeiter zum Zwecke der Überlassung einstellen und beschäftigen, bedürfen der Erlaubnis der Arbeitnehmerüberlassung, auch wenn die Überlassung ohne Gewinnerzielungsabsicht erfolgt.

2. Vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung

13 Im Rahmen der Änderung des AÜG wurde in § 1 Abs. 1 AÜG eingefügt, dass die Arbeit-

nehmerüberlassung nur vorübergehend erfolgt. Der Begriff vorübergehend ist nicht im Gesetz definiert. Welche Zeitspanne unter vorübergehend zu verstehen ist oder ob es ausreicht, dass überhaupt eine zeitliche Begrenzung vereinbart wird, ist nicht vom Gesetz vorgegeben. In der Folge wird vertreten, dass vorrübergehend alles ist, was nicht dauerhaft ist.5 Bei einer weiten Auslegung, wäre das Merkmal „vorübergehend“ nur ausgeschlossen, wenn kein Rückkehrwille mehr besteht. Demgegenüber wird auch eine sachliche Begrenzung des Begriffs „vorübergehend“ vertreten, indem nicht nur eine zeitliche Begrenzung vorliegen muss, sondern gefordert wird, dass der Schwerpunkt des Vertragsverhältnisses nicht auf den Entleiher übergehen dürfe.6 Das wäre der Fall, wenn der Leiharbeitnehmer Daueraufgaben wahrnehme und in der Folge die Stammbelegschaft ersetze. Diese Argumentation zieht die sachliche

5 Thüsing, DB 2012, 632. 6 Düwell, ZESAR 2011, 449, 452.

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A. Arbeitsrecht 

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Begründung für eine Befristung nach §§ 3 Abs. 2 S. 2, 14 Abs. 1 TzBfG heran. Anlehnend an diese Regelung wird ein sachlicher Grund für die zeitliche Begrenzung des Einsatzes der Leiharbeitnehmer gefordert.7 Ein sachlicher Grund läge dann nicht vor, wenn die Stammbelegschaft ersetzt werde. Diese Interpretation geht jedoch über den Wortlaut des § 1 Abs. 1 AÜG hinaus. Der Gesetzgeber benutzt lediglich einen unbestimmten zeitlichen Begriff. Würde der Gesetzgeber darüber hinaus einen sachlichen Grund fordern, hätte er ihn im Gesetz aufgeführt.8 Das ArbG Leipzig geht ebenfalls davon aus, dass ein Sachgrund für die Einstellung von Leiharbeitnehmern nicht erforderlich ist.9 Praxishinweis –– Die Ausgestaltung des Begriffs „vorübergehend“ wird durch die Gerichte eine entsprechende Ausgestaltung erfahren müssen. –– Allerdings sind im Gesetz keine Konsequenzen angeordnet, wenn eine Arbeitnehmerüberlassung nicht nur vorübergehend erfolgt. § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG wird nicht als Verbotsnorm angesehen, die die dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung generell verbietet.10 Allerdings wird auch vertreten, dass § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG ein Verbotsgesetzt darstelle, so dass der Leiharbeitsvertrag nichtig sei.11 Ob dies von den Arbeitsgerichten so bestätigt wird, bleibt abzuwarten. Das ArbG Leipzig hat diese Auffassung nicht bestätigt.12

a) Gelegentliche Überlassung Neu eingefügt wurde eine weitere Ausnahme von der Erlaubnispflicht. Nach §  1 14 Abs. 3 Nr. 2a AÜG ist nur für eine Überlassung, die gelegentlich erfolgt, eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nicht erforderlich, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zwecke der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird. Diese neue Regelung war notwendig, um ein Korrektiv zu gewähren, da das AÜG in der Fassung ab dem 1.12.2011 restriktiver ist, als die bis zum 30.11.2011 geltenden Regelungen. Bei dem Begriff „gelegentlich“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbe- 15 griff. Problematisch hierbei ist, dass bei einer zu weiten Interpretation des Begriffs durch den Ver- oder Entleiher eine erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Praxistipp –– Durch die Unbestimmtheit des Begriffs „gelegentlich“ sollte bei gelegentlicher Arbeitnehmerüberlassung vorsorglich eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung beantragt werden.

7 Düwell, ZESAR 2011, 449, 454. 8 Thüsing, DB 2012, 632, 633. 9 ArbG Leipzig, Beschl. v. 15.2.2012 – 11 BV 79/11 –. 10 ArbG Leipzig, Beschl. v. 15.2.2012 – 11 BV 79/11 –; Thüsing, DB 2012, 632, 635. 11 Hamann, RdA 2011, 321, 327. 12 ArbG Leipzig, Beschl. v. 15.2.2012 – 11 BV 79/11 –.

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 Kapitel 3 Arbeitnehmerüberlassung

Auch als Entleiher sollte bei jedem Einsatz von Leiharbeitnehmern vom Verleiher eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gefordert werden, um den Folgen des gesetzlich fingierten Arbeitsverhältnisses nach § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG zu entgehen.

b) Gleichstellung der Leiharbeitnehmer

16 Mit der Gesetzesänderung sollte vor allem der Grundsatz des equal pay/equal

treatment aus der Leiharbeitsrichtlinie 2008 umgesetzt werden. Die gesetzliche Ausnahme aus § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG, dass Leiharbeitnehmer für die ersten sechs Wochen ein Nettoarbeitsentgelt in Höhe des Betrages, den der Leiharbeitnehmer zuletzt als Arbeitslosengeld erhalten hat, entlohnt werden können, wurde gestrichen. Grundsätzlich sind den Leiharbeitnehmern für die Zeit der Überlassung die im 17 Betrieb des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen zu gewähren. Von diesem Grundsatz kann und konnte durch einen Tarifvertrag abgewichen werden. Um allerdings den „Drehtür-Effekt“ zu verhindern, wurde in § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG neu eingefügt, dass eine abweichende tarifliche Regelung nicht für Leiharbeitnehmer gilt, die in den letzten sechs Monaten vor der Überlassung an den Entleiher ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher oder mit einem Arbeitgeber hatten, der mit dem Entleiher einen Konzern i.S.d. § 18 AktG bildet. Diese Neuregelung gilt gem. § 19 AÜG für alle Leiharbeitsverhältnisse, die nach dem 15.12.2010 begründet worden sind. Darüber hinaus hat das BMAS von der neuen Möglichkeit aus § 3a Abs. 2 S. 1 AÜG 18 Gebrauch gemacht und durch Rechtsverordnung Mindeststundenentgelte für Leih­ arbeitnehmer geregelt. Danach beträgt das Mindestarbeitsentgelt in Ostdeutschland 7,01 € brutto pro Stunde und in Westdeutschland 7,89 €. Ab dem 1.11.2012 wird sich das Mindestarbeitsentgelt auf 7,50 € (Ost) bzw. 8,19 € (West) erhöhen. Neu ist auch, dass die Einhaltung des Gleichstellungsgrundsatzes in § 10 Abs. 4 19 S. 1 AÜG nun als Verpflichtung des Verleihers formuliert ist. Vor der Änderung war er als Anspruch des Leiharbeitnehmers formuliert. Dieser hat trotz der Umformulierung weiterhin einen Anspruch auf Einhaltung des Gleichstellungsgrundsatzes, da dieser Anspruch aus der Verpflichtung des Verleihers resultiert.13 Die Umformulierung hat zur Folge, dass nun die Verletzung der normierten Pflicht des Entleihers in § 16 Abs. 1 Nr. 7a AÜG als Ordnungswidrigkeit eingefügt wurde, die bei Verletzung mit einer Geldbuße von bis zu 25.000 € geahndet werden kann.

c) Informationspflicht des Entleihers

20 Neu eingefügt wurde mit § 13a AÜG auch die Informationspflicht des Entleihers über

freie Arbeitsplätze. Nach § 13a AÜG ist der Entleiher verpflichtet, den Leiharbeitnehmer über Arbeitsplätze zu informieren, die er zu besetzen beabsichtigt. Durch diese

13 Hamann, RdA 2011, 321, 329

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Vorschrift hat der Leiharbeitnehmer einen einklagbaren Anspruch gegen den Entleiher.14 Verstößt der Entleiher gegen diese Informationspflicht, handelt er ordnungswidrig und kann mit einer Geldbuße bis zu 2.500 € bestraft werden. Zusätzlich besteht bei Verletzung der Informationspflicht ein Schadensersatzanspruch gegen den Entleiher aus § 280 Abs. 1 BGB.15 Schon vor der Neuregelung hatte das BAG die Anwendbarkeit des § 93 BetrVG für den Fall bejaht, dass die Ausschreibungspflicht die Besetzung mit einem Leiharbeitnehmer jedenfalls dann erfasst, wenn der Einsatz mindestens ein Jahr dauert.16 Der Betriebsrat kann die Ausschreibung von Arbeitsplätzen verlangen, die der AG dauerhaft für die Besetzung mit Leiharbeitnehmern vorsieht.

d) Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen Neu eingefügt wurde § 13b AÜG, der die Verpflichtung des Entleihers normiert, den 21 Leiharbeitnehmern den Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen unter den gleichen Bedingungen zu gewähren wie vergleichbaren Arbeitnehmern im Betrieb des Entleihers. Eine unterschiedliche Behandlung ist nur aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. Diese Verpflichtung führt wie die Verpflichtung aus § 13a AÜG ebenfalls zu einem einklagbaren Anspruch des Leiharbeitnehmers gegen den Entleiher und zu einer Ordnungswidrigkeit für den Entleiher, wenn er dieser Pflicht nicht nachkommt. Praxistipp Zu den Gemeinschaftseinrichtungen gehören bspw. die Kantine oder die betriebseigene Kindertagesstätte.

III. Abgrenzung des Anwendungsbereichs des AÜG Abzugrenzen ist die Arbeitnehmerüberlassung vom Werk- oder selbstständigen 22 Dienstvertrag oder von anderen Formen der selbstständigen Zusammenarbeit.

1. Werkvertrag Durch den Werkvertrag wird der Beauftragte (Werkunternehmer) verpflichtet, das ver- 23 sprochene Werk herzustellen (§ 613 Abs. 1 BGB). Leistungsgegenstand ist beim Werkvertrag nicht die Leistung weisungsgebundener Arbeit in einer fremden betrieblichen Organisation, sondern die Erstellung eines Werks oder die weisungsfreie Erbringung einer selbstständigen Dienstleistung oder sonstigen Leistung. Der Leistende schuldet

14 Hamann, RdA 2011, 321, 334; ErfK/Wank, § 13a AÜG Rn 2. 15 ErfK/Wank, § 13a AÜG Rn 3. 16 BAG NZA 2011, 703.

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hier eine vertraglich definierte und durch ein entsprechendes Leistungsverzeichnis abgegrenzte und abgrenzbare Verrichtung, die er nach den vertraglichen Vereinbarungen und dem Leistungsverzeichnis eigenständig und ohne arbeitsrechtliche Weisungen des Auftraggebers erbringen kann und tatsächlich erbringt. Der Werkunternehmer trägt anders als ein Arbeitnehmer die Erfolgsverantwortung und unterliegt keinen arbeitsrechtlichen Weisungen des Auftraggebers. 24 Ein Werkvertrag liegt in der Regel vor, wenn die folgenden Merkmale erfüllt sind: –– Vertragsgegenstand ist die Vereinbarung und Erstellung eines konkret bestimmten Werkergebnisses (Leistungsverzeichnis). –– Der Werkunternehmer handelt eigenverantwortlich innerhalb einer von ihm selbst bestimmten Arbeitsorganisation. Er ist hinsichtlich der Art und Weise der Ausführung seiner Arbeiten weisungsfrei. Dies gilt insbesondere auch für deren zeitlichen Rahmen. Der Auftraggeber hat keinen Einfluss auf die Anzahl und Qualifikation der am Werkvertrag beteiligten Arbeitnehmer. –– In der Regel nutzt der Werkunternehmer eigene Arbeitsmittel. –– Der Werkunternehmer hat u.U. eigene Arbeitnehmer, die ihm gegenüber weisungsgebunden sind. Die Arbeitnehmer des Werkunternehmers sind nicht in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert, auch wenn sie im Betrieb des Unternehmers tätig sind und werden nur innerhalb des vereinbarten Leistungsgegenstandes eingesetzt. –– Der Werkunternehmer trägt das unternehmerische Risiko (z.B. Gewährleistung für Mängel des Werkes; Erlöschen der Zahlungspflicht des Auftraggebers bei zufälligem Untergang des Werkes). –– Die Vergütung wird ergebnisbezogen vereinbart. Eine Abrechnung nach Zeiteinheiten findet in der Regel nicht statt. 25 Umgekehrt sprechen folgende Gesichtspunkte für das Vorliegen von Arbeitnehmer­ überlassung: –– Der Vertragsgegenstand bedarf der Konkretisierung durch Bestimmung des Auftraggebers und reduziert sich darauf, dass der Auftragnehmer seine oder die Arbeitskraft der von ihm eingesetzten Arbeitnehmer schuldet (fehlendes oder unzureichendes Leistungsverzeichnis). –– Die Tätigkeit wird nach Weisung durch den Auftraggeber ausgeführt, der den Auftragnehmer oder die von ihm eingesetzten Arbeitnehmer beaufsichtigt und kontrolliert. –– Der Auftragnehmer oder die von ihm eingesetzten Arbeitnehmer sind in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert. Indizien hierfür sind die Zusammenarbeit mit Arbeitnehmern des Auftraggebers, die Übernahme von Tätigkeiten, die früher Arbeitnehmer des Auftraggebers ausgeführt haben, sowie die Bereitstellung von Material und Arbeitsmitteln durch den Auftraggeber. Der Auftraggeber hat das Recht, Überstunden anzuordnen. –– Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers sind vertraglich ausgeschlossen. –– Die Vergütung erfolgt nach Aufwand. Ferbeck/Elert

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2. Dienst- oder Geschäftsbesorgungsvertrag Bei einem Dienstleistungs- oder Geschäftsbesorgungsvertrag kommt es für eine 26 Abgrenzung zur Arbeitnehmerüberlassung ebenfalls wie beim Werkvertrag darauf an, wie selbstständig der Arbeitnehmer zur Dienstleistung oder Geschäftsbesorgung verpflichtet ist.

3. Andere Formen des Personaleinsatzes bei Dritten Kein Fall der Arbeitnehmerüberlassung i.S.d. AÜG liegt vor bei: 27 –– Überlassung von Auszubildenden zu Ausbildungszwecken, da der Auszubildende nicht zur Erbringung von Dienstleistungen sondern zum Zwecke der Ausbildung einem Dritten überlassen wird. –– Arbeitsvermittlung, da diese auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags zwischen dem Arbeitnehmer und dem Dritten abzielt. –– Überlassung von Maschinen mit Bedienpersonal, da in diesem Fall die Gebrauchsüberlassung der Sache im Vordergrund steht und das Personal erforderlich ist, um die Maschine ordnungsgemäß zu bedienen. (z.B.: Chartern von Schiffen und Flugzeugen mit Kapitän oder Mieten von Baumaschinen mit Bedien­ personal) Praxishinweis Bedarfsanforderung Drittpersonaleinsatz

nein

Leistung echte Selbständigkeit?

ja

Werkvertrag Auswahl Vertragsform

Vertrag zur Arbeitnehmerüberlassung

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Einholung Angebote und Selbstauskunft

Dienstleistungsvertrag

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IV. Rechte und Pflichten der Beteiligten 1. Verhältnis zwischen Verleiher und Entleiher – Arbeitnehmerüberlassungsvertrag a) Form und Inhalt 28 Der Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher bedarf gem. §  12 Abs. 1 S. 1 AÜG der Schriftform. Im Überlassungsvertrag hat der Verleiher zu erklären, dass er eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung besitzt. 29 Der Entleiher hat anzugeben, welche –– besonderen Merkmale die Tätigkeit hat, für die der Leiharbeiter eingesetzt werden soll und –– welche berufliche Qualifikation für diese Tätigkeit erforderlich ist. –– Zudem hat er die wesentlichen Arbeitsbedingungen anzugeben, die in seinem Betrieb für einen vergleichbaren Arbeitnehmer gelten. Praxistipp Zu den wesentlichen Arbeitsbedingungen zählen insbesondere Arbeitszeit, Vergütung, Urlaub, Nutzung von sozialen Einrichtungen. 30 Im Überlassungsvertrag kann eine bestimmte Person als zu überlassener Arbeitneh-

mer benannt sein. Diese Konkretisierung führt jedoch dazu, dass der Verleiher bei Ausfall dieser konkret bekannten Person nicht verpflichtet ist, eine Ersatzperson zur Verfügung zu stellen.17 Praxistipp Sollte im Arbeitnehmerüberlassungsvertrag eine konkrete Person benannt sein, die dem Entleiher überlassen wird, ist darauf zu achten, dass ebenfalls eine Klausel aufgenommen wird, dass die Möglichkeit besteht, eine Ersatzperson zur Verfügung zu stellen bzw. verlangen zu können.

31 Unwirksam sind insbesondere folgende Klauseln:

–– Vereinbarungen, die dem Entleiher oder dem Leiharbeitnehmer untersagen, ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer einzugehen, wenn das Arbeitsverhältnis zwischen Leiharbeitnehmer und Verleiher nicht mehr besteht, § 9 Nr. 3 und Nr. 4 AÜG. –– Vereinbarungen, nach denen der Leiharbeitnehmer eine Vermittlungsgebühr an den Verleiher zu zahlen hat, § 9 Nr. 5 AÜG. –– Vereinbarungen, die den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung schlechter stellen, als die im Betrieb des Entleihers vergleichbaren Arbeitnehmer. 32 Der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag ist nach § 9 Nr. 1 AÜG insgesamt unwirksam, wenn der Verleiher nicht die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung hat. Dies gilt

17 AG Solingen, Urt. v 8.8. 2000 – 13 C 236/00 –.

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unabhängig davon, ob die Erlaubnis von Anfang an fehlte oder ob sie erst später weggefallen ist.

b) Rechtsfolgen bei Unwirksamkeit Als Folge der Unwirksamkeit des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages entsteht nach 33 § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher. Dieses kraft gesetzlicher Fiktion entstandene Arbeitsverhältnis steht einem vertraglich begründeten Arbeitsverhältnis gleich. Der Inhalt des Arbeitsverhältnisses richtet sich grundsätzlich nach den im 34 Betrieb des Entleihers geltenden Vorschriften und Regelungen. Dies gilt insbesondere für Arbeitszeit und Arbeitsentgelt, wobei der Arbeitnehmer jedoch mindestens Anspruch auf das mit dem Verleiher vereinbarte Arbeitsentgelt hat. Die Dauer des Arbeitsverhältnisses bestimmt sich ebenfalls grundsätzlich nach den für den Betrieb des Entleihers geltenden Vorschriften und sonstigen Regelungen. Eine Ausnahme hiervon bildet die Fiktion des § 10 AÜG Abs. 1 S. 2 AÜG, nach der das fingierte Arbeitsverhältnis als befristet gilt, wenn die Tätigkeit bei dem Entleiher nur befristet vorgesehen war und für das Arbeitsverhältnis ein die Befristung sachlich rechtfertigender Grund vorliegt. Praxistipp Entleiher sollten sich bei Abschluss eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages immer die gültige Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis vorlegen lassen und in Kopie als Anlage zum Vertrag nehmen.

c) Gegenseitige Rechte und Pflichten Den Verleiher trifft eine Auswahlpflicht. Er hat dem Entleiher eine Arbeitskraft zur 35 Verfügung zu stellen, die für die vorgesehene Tätigkeit fachlich und persönlich geeignet ist. Aus diesem Grund haftet er dem Entleiher für eine sorgfältige Auswahl der überlassenen Arbeitnehmer. Darüber hinaus haftet er nicht für eine Schlechtleistung des verliehenen Arbeitnehmers, da der überlassene Arbeitnehmer nicht Erfüllungsgehilfe des Verleihers ist. Die Pflicht des Verleihers beschränkt sich auf die Zurverfügungstellung von Arbeitnehmern. Zusätzlich hat er nach § 12 Abs. 2 S. 1 AÜG die Pflicht, den Entleiher über den Wegfall der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung zu unterrichten. Der Entleiher ist gegenüber dem Verleiher aus dem Arbeitnehmerüberlassungs- 36 vertrag verpflichtet, das vereinbarte Entgelt zu entrichten. Hinzu kommen allgemeine Vertragspflichten wie Verschwiegenheit etc.

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Checkliste –– Der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag bedarf der Schriftform. –– Der Verleiher hat zu erklären, dass er im Besitz einer gültigen Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung ist. Diese ist vorzugsweise als Anlage zum Vertrag zu nehmen. –– Der Entleiher hat anzugeben, welche besonderen Merkmale die Tätigkeit hat, für die der Leiharbeitnehmer eingesetzt werden soll und welche berufliche Qualifikation für die Tätigkeit erforderlich ist. –– Die Weisungsbefugnis über den überlassenen Arbeitnehmer wird im Arbeitnehmerüberlassungsvertrag auf den Entleiher übertragen. –– Beginn und Dauer der Überlassung sind zu regeln.

2. Verhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer a) Individualarbeitsrecht 37 Zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer wird kein Arbeitsverhältnis begründet. Trotzdem treffen den Entleiher gegenüber dem Leiharbeitnehmer gewisse Pflichten. Der Entleiher ist gegenüber dem Leiharbeitnehmer – neben dem Verleiher – zur Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften verantwortlich. Er hat nach § 13a AÜG den Leiharbeitnehmer über Arbeitsplätze zu informieren, die in seinem Betrieb besetzt werden sollen. Diese Information kann durch allgemeine Bekanntgabe am schwarzen Brett oder im allgemein zugänglichen Intranet erfolgen. Zudem hat er dem Leiharbeitnehmer den Zugang zu den Gemeinschaftsein­ 38 richtungen (Kantine, betriebseigene Kindertagesstätte) zu gleichen Bedingungen zu gewähren wie vergleichbaren Arbeitnehmern seines Betriebes. Eine Ungleichbehandlung ist nur aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. Unter Gemeinschaftseinrich­ tungen sind physisch nutzbare Einrichtungen zu verstehen, die den Stammarbeitnehmern aufgrund ihres täglichen Tätigwerdens im Betrieb (und nicht aufgrund der arbeitsvertraglichen Dauerbeziehung) zur Verfügung gestellt werden und die Arbeitsbedingungen verbessern.18 39 Neben den in § 13b S. 2 AÜG aufgezählten Einrichtungen stellen –– Pausen- und Ruheräume, –– betriebliche Erholungsheime, –– Werkmietwohnungen, –– Werksbibliotheken und Parkplätze, –– betriebseigene Tankstellen, –– Fitness- und Sportanlagen, sowie –– Einrichtungen zum verbilligten Personaleinkauf Gemeinschaftseinrichtungen dar.19

18 Kock, BB 2012, 323; Lembke, NZA 2011, 319 19 Kock, BB 2012, 323; Lembke, NZA 2011, 319.

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Nicht erfasst sind vom Wortsinn mangels (gegenständlicher) „Einrichtung“ 40 Betriebsausflüge und -feiern, Dienstwagen sowie reine Geld- und Sachleistungen aller Art, wie z.B. Fahrt-, Essens- und Mietkostenzuschüsse, Jobtickets, Mitarbeiterrabatte für Produkte des Entleihers, Essens- oder Tankgutscheine.20 Ebenfalls nicht erfasst ist der Zugang zur betrieblichen Altersversorgung des 41 Entleihers (einschließlich Pensions- und Unterstützungskassen). Bei der betrieblichen Altersversorgung geht es nicht um die Möglichkeit zur tatsächlichen Nutzung einer Einrichtung, sondern um die Förderung der rechtlichen Bindungen und Verpflichtungen.21 Praxistipp Unklar ist, ob Schulungen unter die Gemeinschaftseinrichtungen fallen.22

In Bezug auf technische Verbesserungsvorschläge und Arbeitnehmererfindungen 42 gilt der Entleiher gem. § 11 Abs. 7 AÜG als Arbeitgeber. Die Grundsätze der Haftungsbeschränkung im Rahmen der Arbeitnehmerhaf­ 43 tung gelten auch im Verhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer.23

b) Betriebsverfassungsrecht Betriebsverfassungsrechtlich bleibt der entliehene Arbeitnehmer nach §  14 Abs. 1 AÜG Angehöriger des Betriebes des Entleihers. Vor der Übernahme eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung ist gem. § 14 Abs. 3 AÜG der Betriebsrat des Entleiherbetriebes zu beteiligen und die Zustimmung des Betriebsrates einzuholen. Die grundsätzliche Entscheidung jedoch, ob generell Leiharbeitnehmer eingesetzt werden sollen, ist keine mitbestimmungspflichtige Maßnahme nach §  99 BetrVG. Das gleiche gilt für die Aufnahme von Leiharbeitnehmern in einen Stellen­ pool, aus dem die Leiharbeitnehmer für einen Einsatz ausgewählt werden.24 Nach § 14 Abs. 3 AÜG, § 99 Abs. 1 BetrVG ist erst der tatsächliche Einsatz von Leiharbeitnehmern im Betrieb des Entleihers mitbestimmungspflichtig.25 Allerdings zählt dazu jede noch so kurze tatsächliche Beschäftigung.26 Die Zustimmung kann der Betriebsrat nicht mit der Begründung verweigern, dass der geplante Einsatz von Leiharbeitnehmern nicht vorübergehend sei, da sich weder aus dem Wortlaut des AÜG noch aus der Leiharbeitsrichtlinie ergebe, dass eine dauer-

20 Kock, BB 2012, 323; Lembke, NZA 2011, 319. 21 Kock, BB 2012, 323. 22 Lembke, NZA 2011, 319. 23 BAG, Beschl. v. 27.9.1994 – GS 1/89 A –. 24 BAG, Beschl. v. 23.1.2008 – 1 ABR 74/06 –. 25 BAG, Beschl. v. 23.1.2008 – 1 ABR 74/06 –. 26 Wensing/Freise, BB 2004, 2238.

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hafte Arbeitnehmerüberlassung unzulässig sei.27 Die Regelung in § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG, dass die Arbeitnehmerüberlassung vorübergehend erfolgt, stelle keine Verbotsnorm dar.28 Der Zustimmung des Betriebsrates des Entleiherbetriebes bedarf es darüber hinaus bei: –– einer Verlängerung des Einsatzes, da sie als neue Übernahme gilt;29 –– einem Austausch des Leiharbeitnehmers, da die Eingliederung des neuen Leiharbeitnehmers ebenfalls eine neue Übernahme darstellt;30 –– einer Versetzung des Leiharbeitnehmers innerhalb des Betriebs des Entleihers; 31 –– einem Wechsel des Verleihers während des Einsatzes des Leiharbeitnehmers;32 –– einer Übernahme des Leiharbeitnehmers in ein Arbeitsverhältnis des Entleihers.33 Leiharbeitnehmer sind nach § 7 S. 2 BetrVG berechtigt, den Betriebsrat im Betrieb des Entleihers zu wählen, wenn sie länger als 3 Monate im Betrieb des Entleihers eingesetzt werden. Sie können während der gesamten Zeit ihres Einsatzes beim Entleiher an der Wahl des Betriebsrates teilnehmen, wenn die voraussichtliche Dauer ihres Einsatzes 3 Monate überschreitet. Dies gilt bereits ab dem ersten Tag ihres Einsatzes. Sie können ebenso am letzten Tag Ihres Einsatzes an der Wahl zum Betriebsrat teilnehmen, wenn die Dauer ihres Einsatzes drei Monate überschritten hat. Ihr passives Wahlrecht ist nach § 14 Abs. 2 S. 1 AÜG ausgeschlossen. Leiharbeitnehmer zählen nicht als Arbeitnehmer i.S.v. § 9 BetrVG, so dass sie für die Anzahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder nicht zu berücksichtigen sind.34

3. Verhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer

52 Zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer besteht ein Arbeitsverhältnis. Aus dem

Arbeitsvertrag hat der Verleiher die Rechte und Pflichten eines Arbeitgebers. Für den Arbeitsvertrag gelten die Vorschriften des NachwG, so dass dieser der Schriftform bedarf und die in § 2 NachwG aufgezählten Angaben enthalten muss. Der Leiharbeitnehmer verpflichtet sich in diesem Arbeitsvertrag, seine Arbeitskraft bei einem Dritten zu erbringen.

27 ArbG Leipzig, Beschl. v. 15.2.2012 – 11 BV 79/11 –. 28 ArbG Leipzig, Beschl. v. 15.2.2012 – 11 BV 79/11 –; Thüsing, DB 2012, 632, 635. 29 Schüren/Hamann, § 14 Rn 151. 30 Schüren/Hamann, § 14 Rn 154; a.A.: LAG Niedersachsen Beschl. v. 13.10.1999 – 13 Ta BV 106/98; Wensing/Freise, BB 2004, 2238. 31 Hamann, NZA 2003, 526; a.A.: Tiling, BB 2009, 2422. 32 Schüren/Hamann, § 14 Rn 155. 33 Schüren/Hamann, § 14 Rn 156. 34 BAG, Beschl. v. 16.4.2003 – 7 ABR 53/02 –.

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Das arbeitsrechtliche Weisungsrecht hat der Verleiher jedoch auf den Entlei- 53 her übertragen. Trotzdem trifft den Verleiher nach § 10 Abs. 4 AÜG die Pflicht, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung die wesentlichen Arbeitsbedingun­ gen zu gewähren, die für vergleichbare Arbeitnehmer des Entleihers gelten. Zu den Arbeitsbedingungen gehört insbesondere das Entgelt. Dies ist die Ausprägung des Grundsatzes des equal pay/equal treatment aus Art. 5 der Leiharbeitsrichtlinien 2008/104/EG des Europäischen Parlaments. Praxistipp Da für den überlassenen Arbeitnehmer die wesentlichen Arbeitsbedingungen im Betrieb des Entleihers gelten, ist zu empfehlen, im Arbeitsvertrag mit dem Leiharbeitnehmer eine Klausel aufzunehmen, dass für die Zeit der Überlassung die Arbeitsbedingungen im Betrieb des Verleihers maßgeblich sind. Diese Arbeitsbedingungen können als Anlage dem Vertrag beigefügt werden. Von diesem Grundsatz kann durch einen Tarifvertrag abgewichen werden. Ein solcher Tarifvertrag besteht bspw. zwischen dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen und verschiedenen Mitgliedsgewerkschaften des DGB.

Mit Beschluss vom 14.12.2010 hat das BAG festgestellt, dass die Tarifgemeinschaft 54 Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) keine Tariffähigkeit besitzt.35 Nach §  2 Abs. 1 TVG sind Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber sowie Vereinigungen von Arbeitgebern Tarifvertragsparteien. Spitzenorganisationen können nach §  2 Abs. 3 TVG Parteien eines Tarifvertrages sein, wenn der Abschluss von Tarifverträgen zu ihren satzungsmäßigen Aufgaben gehört. Spitzenorganisationen sind nach § 2 Abs. 2 TVG u.a. der Zusammenschluss von Gewerkschaften. Ihre Tariffähigkeit leitet eine Spitzenorganisation ausschließlich von ihren Mitgliedern ab.36 Dabei dürfen die angeschlossenen Mitgliedsgewerkschaften ihre Tariffähigkeit nicht nur zum Teil auf ihre Spitzenorganisation vermitteln. Zudem darf die satzungsmäßige Zuständigkeit für den Abschluss von Tarifverträgen nicht über die Organisationsbereiche der ihr angeschlossenen Mitgliedsgewerkschaften hinausgehen. Das BAG hat für die CGZP festgestellt, dass ihr Organisationsbereich über den seiner Mitglieder hinausgeht und sie daher keine Tariffähigkeit besitzt. Als Folge dieser mangelnden Tariffähigkeit, sind die von der CGZP geschlossenen Tarifverträge unwirksam. Damit haben Arbeitnehmer, die nach einem von der CGZP geschlossenen Tarifvertrag vergütet wurden, Anspruch auf Entgeltnachzahlung, wenn und soweit ihre Entlohnung entgegen dem equal-pay-Grundsatz unter der Entlohnung der vergleichbaren Stammbelegschaft lag. Damit besteht für diesen Differenzbetrag auch die Pflicht der Nachentrichtung der Sozialversicherungsabgaben. Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat die BAG-Entscheidung vom 14.12.2010 55 zum Anlass genommen, von Dienstleistungsunternehmen im Bereich der Zeitarbeit

35 BAG, Beschl. v. 14.12.2010 – 1 ABR 19/10 –. 36 BAG, Beschl. v. 14.12.2010 – 1 ABR 19/10 –.

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Sozialversicherungsbeiträge auch für die Zeit vor dem 14.12.2010 einzufordern. Für diese Nachforderung ist die Frage entscheidend, ob die Entscheidung vom BAG vom 14.12.2010 Rückwirkung entfaltet. Mittlerweile sind erste Entscheidungen im vorläufigen Rechtschutz ergangen, die eine Rückwirkung der BAG-Entscheidung ablehnen.37 Durch die BAG-Entscheidung war bisher nur geklärt, dass der CGZP ab dem Zeitpunkt der Entscheidung die Tariffähigkeit fehlt. Erste gerichtliche Entscheidungen lehnten eine Rückwirkung der BAG-Entscheidung ab. 38 Diese Auffassung wurde von Teilen der Literatur geteilt.39 Durch drei Beschlüsse des BAG vom 22. und 23.5.2012 steht nun rechtskräftig fest, dass die Tarifgemeinschaft CGZP auch im zeitlichen Geltungsbereich ihrer Satzungen vom 11.12.2002 und vom 5.12.2005 nicht tariffähig war.40 Praxistipp Zur Vermeidung bzw. Verringerung von nachträglichen Lohnansprüchen empfiehlt es sich, Ausschlussfristen in den Arbeitsvertrag mit dem Leiharbeitnehmer aufzunehmen, die nachträgliche Entgeltansprüche vor der eintretenden Verjährung erlöschen lassen. Allerdings unterliegen diese Klauseln der AGB-Kontrolle. 56 Auch für andere Tarifverträge kann die Geltung des Tarifvertrages für das konkrete

Arbeitsverhältnis unklar sein, z.B. wenn die Gewerkschaftszugehörigkeit des überlassenen Arbeitnehmers unbekannt ist.

Praxistipp Um der Unklarheit zu entgehen, ob ein Tarifvertrag auf das entsprechende Arbeitsverhältnis anwendbar ist, empfiehlt es sich, den entsprechenden Tarifvertrag jeweils auch durch einzelvertragliche Bezugnahme zu vereinbaren. 57 Für die Zeiten der Nichtüberlassung ist, soweit kein Tarifvertrag anwendbar ist, die

Vergütung frei vereinbar. Diese Vergütung ist gem. § 11 Abs. 1 Nr. 2 AÜG im Arbeitsvertrag anzugeben.

V. Ordnungswidrigkeiten

58 Die Ordnungswidrigkeiten sind in § 16 AÜG geregelt. Sowohl der Verleiher als auch

der Entleiher können im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung ordnungswidrig handeln.

37 SG Hamburg, Beschl. v. 18.11.2011 – S 51 R 1149/11 ER –; SG Duisburg, Beschl. v. 18.1.2012 – S 21 R 1564/11 ER –. 38 BSG, Urt. v. 18.11.1980 – 12 RK 59/79 –; SG Duisburg, Beschl. v. 18.1.2012 – S 21 R 1564/11 ER –. 39 Friemel, NZS 2011, 851; Bissels, BB 2012, 115; Lembke, NZA 2011, 1062, 1066. 40 BAG, Beschl. v. 22.5.2012 – ABN 27/12–; Beschl. v. 23.5.2012 – 1 AZB 58/11 – und – 1 AZB 67/11 –.

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1. Ordnungswidrigkeiten des Entleihers Der Entleiher handelt ordnungswidrig, wenn er Leiharbeitnehmer tätig werden lässt, die –– von einem Verleiher ohne Erlaubnis überlassen werden, –– die in Betriebe des Baugewerbes überlassen werden, deren Überlassung nach § 1b AÜG unzulässig ist, –– als ausländischer Leiharbeitnehmer keinen Aufenthaltstitel oder keine Arbeitsgenehmigung besitzen. Die beiden erst genannten Ordnungswidrigkeiten können mit einer Geldbuße bis zu 25.000 € geahndet werden. Für die letztgenannte Ordnungswidrigkeit kann eine Geldbuße von bis zu 500.000 € verhängt werden. Daneben handelt der Entleiher ordnungswidrig, wenn er –– entgegen § 13a AÜG, den Leiharbeitnehmer nicht über Arbeitsplätze informiert, die beim Entleiher besetzt werden sollen. –– entgegen § 13b AÜG, dem Leiharbeitnehmer der Zugang zu Gemeinschaftsein­ richtungen oder -diensten im Unternehmen nicht zu den gleichen Bedingungen gewährt, wie vergleichbaren Arbeitnehmern im Betrieb. Für diese Ordnungswidrigkeiten droht eine Geldbuße von bis zu 2.500 €.

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2. Ordnungswidrigkeiten des Verleihers Der Verleiher handelt ordnungswidrig, wenn er Leiharbeitnehmer überlässt 63 –– ohne im Besitz einer gültigen Erlaubnis zu Arbeitnehmerüberlassung zu sein, –– deren Überlassung nach § 1b AÜG unzulässig ist, –– die keinen Aufenthaltstitel oder eine Arbeitsgenehmigung besitzen. Diese Ordnungswidrigkeiten können mit einer Geldbuße bis zu 25.000 € geahndet 64 werden. Im Falle der Überlassung eines ausländischen Leiharbeitnehmers ohne Aufenthaltstitel oder Arbeitsgenehmigung droht eine Geldstrafe bis zu 500.000 €. Daneben treffen ihn weitere Anzeige- und Meldepflichten nach §§ 7, 8 und 10 AÜG, bei deren Verletzung ebenfalls eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, die mit einer Geldbuße von bis zu 1.000 € bzw. bis zu 2.500 € bestraft werden kann. Checkliste –– Liegt eine Genehmigung zur Arbeitnehmerüberlassung vor? –– Sind die wesentlichen Arbeitsbedingungen in den Vertrag aufgenommen? –– Wird der Leiharbeitnehmer nach dem equal pay-Grundsatz entlohnt und werden ihm die anderen wesentlichen Arbeitsbedingungen gewährt? –– Sind Beginn und Ende der Überlassung im Vertrag geregelt? –– Wurde der Betriebsrat beteiligt?

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B. Steuerrecht I. Allgemeines 65 Der Verleiher hat die lohnsteuerlichen Arbeitgeberpflichten zu erfüllen. Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob eine erlaubte oder eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Weiter ist es nicht von Bedeutung, ob es sich um einen inländischen oder um einen ausländischen Verleiher handelt. Gleichwohl haften der Verleiher und der Entleiher gesamtschuldnerisch für die Lohnsteuer sowie für die Annexsteuern. Hinsichtlich der Tätigkeitsstätte des Leiharbeitnehmers ist es von Bedeutung, 66 ob es sich hierbei um eine regelmäßige Arbeitsstätte handelt oder um eine Aus­ wärtstätigkeit. Diese Differenzierung hat Auswirkungen darauf, ob erstattete Auslagen der Lohnsteuerpflicht unterliegen oder als steuerfreie Reisekosten behandelt werden können.

II. Verleiher als Arbeitgeber 1. Inländischer Verleiher 67 Der Verleiher hat als inländischer Arbeitgeber lohnsteuerliche Pflichten zu erfüllen.41 So hat er z.B. für jeden Arbeitnehmer ein Lohnkonto einzurichten und zu führen, am Ende eines jeden Lohnabrechnungszeitraums die zutreffende Lohnsteuer zu ermitteln, einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. Insoweit ergeben sich hier keine, von den allgemeinen lohnsteuerrechtlichen Regeln abweichenden Besonderheiten.

2. Ausländischer Verleiher 68 Auch ein ausländischer Verleiher hat Arbeitgeberpflichten zu erfüllen, wenn er einem Dritten (Entleiher) gewerbsmäßig Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung im Inland überlässt.42 Dies gilt unabhängig davon, ob der ausländische Verleiher im Inland eine Betriebsstätte oder einen ständigen Vertreter i.S. der §§ 12 und 13 AO hat.43 Gewerbsmäßig handelt jeder Verleiher, der Arbeitnehmerüberlassung nicht nur gelegentlich, sondern auf Dauer betreibt und damit wirtschaftliche Vorteile erzielen will.44 Bei einem ausländischen Verleiher wird eine inländische lohnsteuerliche Betriebsstätte mit entsprechendem Betriebsstättenfinanzamt gesetzlich fingiert.45 Demnach

41 § 38 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG. 42 § 38 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG. 43 Besgen/Greilich/Mader/Perach/Voss, Arbeitnehmerüberlassung, Rn 198. 44 R 42d.2 Abs. 2 S. 6 LStR. 45 § 41 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 i.V.m. § 38 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG.

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ist das Betriebsstättenfinanzamt für die Erfüllung der lohnsteuerlichen Pflichten zuständig, an dessen Ort die Arbeitsleistung der ausländischen Leiharbeitnehmer ganz oder überwiegend stattfindet. Die Finanzverwaltung hat für ausländische Verleiher hierzu in H 41.3 LStH eine Übersicht der zuständigen Betriebsstättenfinanz­ ämter in den einzelnen Bundesländern herausgegeben.46 Grundsätzlich steht auch bei einer grenzüberschreitenden Arbeitnehmerüber- 69 lassung das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn des überlassenen Arbeitnehmers nur dem Wohnsitzstaat zu, sofern er sich nicht länger als 183 Tage z.B. während des Kalenderjahres im jeweils anderen Staat aufhält und die übrigen Voraussetzungen der sog. 183-Tage-Regel des Art. 15 Abs. 2 OECD-Musterabkommen erfüllt sind. Jedoch ist nach den neueren Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (z.B. DBA Frankreich, Italien, Schweden) die 183-Tage-Klausel auf Leiharbeitnehmer nicht anwendbar.47 Praxistipp Bei grenzüberschreitender Arbeitnehmerüberlassung sind entsprechende DBA auf besondere Regelungen zu überprüfen.

III. Haftung des Entleihers für die Lohnsteuer 1. Gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung Der Entleiher haftet grundsätzlich neben dem Verleiher als Gesamtschuldner 70 für die einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer.48 Die Haftung ist jedoch beschränkt auf die Lohnsteuer für den Zeitraum, für den ihm der Leiharbeitnehmer überlassen worden ist.49 Die Entleiherhaftung ist insbesondere in folgenden Fällen gesetzlich ausgeschlossen:50 –– Erlaubte Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 AÜG und soweit der Entleiher seinen gesetzlichen Mitwirkungspflichten nach §  51 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe d EStG nachgekommen ist. –– Der Entleiher irrt ohne Verschulden über das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung und kann dies dem Finanzamt nachweisen.

46 BMF, Schreiben v. 27.12.2002 – IV A 5 – S 2272 – 1/02. 47 BMF, Schreiben v. 14.9.2006 – IV B 6 – S 1300 – 367/06, Rn 4.3.4. 48 § 42d Abs. 6 S. 1 EStG. 49 § 42d Abs. 6 S. 4 EStG. 50 § 42d Abs. 6 S. 2 und 3 EStG.

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 Kapitel 3 Arbeitnehmerüberlassung

Praxistipp –– Der Entleiher sollte sich immer die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gem. § 1 AÜG zeigen lassen, Bestätigung der Genehmigung im Überlassungsvertrag und Kopie zu den Akten. –– Eine Meldung der Arbeitnehmerüberlassung innerhalb zwei Wochen mit amtlichem Vordruck an die zuständige gesetzliche Krankenkasse (Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag) kann von der Entleiherhaftung entbinden.51 –– Ggf. kann er bei der BA das Nichtvorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung bestätigen lassen.52

2. Rechtsfolgen der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung

71 Für den Fall der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung kommt es für die Haftung

des Entleihers nicht darauf an, ob er davon Kenntnis hatte oder ob er gutgläubig der (schriftlichen) Versicherung des Verleihers über das Vorhandensein einer Erlaubnis vertraut hat. Die Haftung ist von einem Verschulden des Entleihers grundsätzlich unabhängig.53 Allerdings haftet der Entleiher nicht, wenn er über das Vorliegen einer Arbeit72 nehmerüberlassung ohne Verschulden irrt.54 Ein Verschulden liegt aber bereits bei einfacher Fahrlässigkeit vor. Es reicht mithin für die Haftung des Entleihers aus, wenn er bei Beachtung der im Verkehr gebotenen Sorgfalt hätte erkennen müssen, dass es sich um eine Arbeitnehmerüberlassung handelt.55 Der Verleiher ist grundsätzlich auch bei unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung 73 Arbeitgeber der Leiharbeitnehmer. §  10 Abs. 1 AÜG, der den Entleiher bei unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung als Arbeitgeber der Leiharbeitnehmer bestimmt, ist steuerrechtlich nicht maßgebend. Gleichwohl kann der Entleiher steuerrecht­ licher Arbeitgeber sein, insbesondere bei Entlohnung der Leiharbeitnehmer.56

3. Besonderheiten im Baugewerbe

74 Im Baugewerbe hat der Entleiher die Pflichten der sog. Bauabzugssteuer der §§ 48

bis 48d EStG zwingend zu beachten. Hier muss er seinen Melde- und Abführpflich­ ten nachkommen. Danach entfällt eine Entleiherhaftung nach §  42d Abs. 6 EStG, wenn der Entleiher als Leistungsempfänger für eine Bauleistung die zutreffende Bauabzugssteuer angemeldet und abgeführt hat oder ihm eine gültige Freistellungsbe­ scheinigung vorgelegen hat.57

51 Hartz/Meeßen/Wolf, Arbeitnehmerüberlassung, Rn 60. 52 R 42d.2 Abs. 3 S. 5 LStR. 53 Hartz/Meeßen/Wolf, Arbeitnehmerüberlassung, Rn 68. 54 § 42d Abs. 6 S. 3 EStG. 55 Hartz/Meeßen/Wolf, Arbeitnehmerüberlassung, Rn 69. 56 H 42d.2 – Steuerrechtlicher Arbeitgeber – LStH. 57 BMF, Schreiben v. 1.11.2001 – IV A 5 – S 1900 – 292/01, Rn 66.

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4. Reichweite der gesamtschuldnerischen Haftung Der Entleiher darf auf Zahlung nur in Anspruch genommen werden, soweit die Voll- 75 streckung in das inländische bewegliche Vermögen des Arbeitgebers fehlgeschlagen ist oder keinen Erfolg verspricht; § 219 S. 2 der AO ist entsprechend anzuwenden.58 Praxistipp Der Entleiher wird grundsätzlich erst nach dem Verleiher in Anspruch genommen.59 Ist im Haftungsfall die Lohnsteuer nur schwer ermittelbar, ist die Haftungsschuld mit 15 % des zwischen Verleiher und Entleiher vereinbarten Entgelts ohne Umsatzsteuer anzunehmen; es bleibt dem Entleiher jedoch unbenommen, eine geringere Lohnsteuerhaftung glaubhaft zu machen.60

In den Fällen, in denen eine Haftung des Entleihers in Betracht kommen kann, kann 76 das Finanzamt eine Sicherungsleistung vom Entleiher einfordern. Hierzu kann das Finanzamt den Entleiher verpflichten, einen bestimmten €-Betrag oder einen als Pro­ zentsatz bestimmten Teil des vereinbarten Überlassungsentgelts einzubehalten und abzuführen. Diese Anordnung kann auch mündlich erlassen werden.61

5.  Arbeitslohn Dritter (Entleiher) Zahlt der Entleiher den gesamten Arbeitslohn an den Leiharbeitnehmer in eigenem 77 Namen und für eigene Rechnung aus, ist regelmäßig der Entleiher als Arbeitgeber zu qualifizieren, der die lohnsteuerlichen Arbeitgeberpflichten zu erfüllen hat.62 Als Arbeitgeber haftet der Entleiher wie jeder Arbeitgeber für nicht einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer. Zahlt der Entleiher dem Leiharbeitnehmer teilweise Arbeitslohn und/oder gewährt ihm lohnsteuerpflichtige Vorteile, z.B. Incentives oder die Gestellung eines Firmenwagens, stellt sich weiter die Frage nach Arbeitslohn von dritter Seite. Hier hat dann grundsätzlich der Verleiher entsprechend die Lohnversteuerung vorzunehmen.63 Praxistipp Der Verleiher hat sich von seinen Arbeitnehmern entsprechende Bestätigungen über empfangenen Arbeitslohn von Dritten (Entleiher) einzufordern. Der Arbeitnehmer ist nach §  38 Abs. 4 S. 3 EStG gesetzlich verpflichtet, seinem Arbeitgeber (Verleiher) den von einem Dritten (Entleiher) erhaltenen Arbeitslohn bzw. lohnsteuerpflichtige Vorteile zu melden.

58 § 42d Abs. 6 S. 6 EStG. 59 R 42d.2 Abs. 6 S. 2 LStR. 60 § 42d Abs. 6 S. 7 EStG. 61 § 42d Abs. 8 EStG i.V.m. R 42 d.2 Abs. 8 LStR. 62 Küttner/Seidel, Arbeitnehmerüberlassung Rn 36. 63 § 38 Abs. 1 S. 3 EStG.

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 Kapitel 3 Arbeitnehmerüberlassung

IV. Regelmäßige Arbeitsstätte des Leiharbeitnehmers

78 Typischerweise haben Leiharbeitnehmer keine regelmäßige Arbeitsstätte,64 da sie

sich nicht darauf einrichten können, dauerhaft an einem bestimmten Tätigkeitsort beschäftigt zu sein. Der Leiharbeitnehmer kann sich regelmäßig nicht in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Minderung der Wegekosten, etwa durch Bildung von Fahrgemeinschaften, die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und ggf. sogar durch die entsprechende Wohnsitznahme, hinwirken.65 Nach Auffassung der Finanzverwaltung kommt es jedoch darauf an, ob der Arbeitnehmer z.B. nur für ein bestimmtes Projekt oder nur für einen bestimmten Entlei­ her eingestellt wurde.66 In diesen Fällen unterstellt die Finanzverwaltung die regelmäßige Arbeitsstätte an der betrieblichen Einrichtung des Entleihers. Eine steuerfreie Erstattung von Reisekosten nach § 3 Nr. 16 EStG ist insoweit nicht möglich. Folgt man der neuesten BFH-Rechtsprechung67 zur regelmäßigen Arbeitsstätte, 79 ist diese Auffassung der Finanzverwaltung mehr als fraglich. Denn in Abkehr seiner langjährigen Rechtsprechung erkennt der BFH nur noch eine regelmäßige Arbeitsstätte an einer betrieblichen Einrichtung des zivilrechtlichen Arbeitge­ bers an. Dies ist aber bei der Tätigkeit an einer betrieblichen Einrichtung des Entleihers gerade nicht der Fall. Vor allem das BFH-Urteil vom 17.6.201068 lässt erkennen, dass Leiharbeitnehmer typischerweise nicht über eine regelmäßige Arbeits­ stätte verfügen. Der BFH verneint grundsätzlich eine regelmäßige Arbeitsstätte bei einem Kunden seines Arbeitgebers. Demzufolge wäre steuerfreier Reisekostener­ satz nach § 3 Nr. 16 EStG grundsätzlich möglich. Darüber hinaus hat der BFH in seinem Urteil69 offen gelassen, ob eine regelmä80 ßige Arbeitsstätte anzunehmen ist, wenn ein Leiharbeitnehmer vom Verleiher für die gesamte Dauer seines Dienstverhältnisses dem Entleiher überlassen wird. Im zu entscheidenden Streitfall lag kein solcher Sonderfall vor. Praxistipp –– Es könnte der Rechtsauffassung des BFH gefolgt und dies auch gegenüber der Finanzverwaltung offen dargelegt werden. –– Im Zweifel könnte eine Anrufungsauskunft gem. § 42e EStG bei dem Betriebsstättenfinanzamt eingeholt werden. –– Bei abschlägiger Anrufungsauskunft ist die Möglichkeit des Einspruchs gegeben.

64 BFH, Urt. v. 17.6.2010 – VI R 35/08 –. 65 BFH, Urt. v. 17.6.2010 – VI R 35/08 – Rn 12. 66 BMF, Schreiben vom 21.12.2009, BStBl I 2010 S. 21, Nr. 2. 67 BFH, Urt. v. 9.6.2011 – VI R 36/10, VI R 55/10, VI R 58/09 –. 68 Vgl. Fn 64. 69 BFH, Urt. v. 17.6.2010 – VI R 35/08 – Rn 17.

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V. Keine Tariffähigkeit und die Folgen daraus Stellt sich heraus, dass der Leiharbeitnehmer nicht zu annähernd gleichen Bedin­ 81 gungen entlohnt wurde, wie die Arbeitnehmer im Betrieb des Entleihers, hat er grundsätzlich einen Anspruch auf entsprechenden Ausgleich (Equal Pay).70 Dieser Anspruch kann auch ggf. noch Jahre später oder nach Beendigung des Einsatzes beim Entleiher geltend gemacht werden. In diesem Fall stellt sich die Frage der Lohn­ steuerpflicht auf den nachgezahlten Arbeitslohn wie auch auf ggf. übernommene Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung. Wird in diesem Fall Arbeitslohn nachgezahlt, hat die Lohnversteuerung im Zeitpunkt des Zuflusses zu erfolgen. Der nachgezahlte Arbeitslohn ist als sonstiger Bezug im Zeitpunkt der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Arbeitnehmers nach § 39b Abs. 3 EStG zu versteuern. Er muss dem Arbeitgeber seine Lohnsteuermerkmale (Lohnsteuerkarte bzw. ELStAM) vorlegen bzw. der Arbeitgeber muss diese verlangen. Der Arbeitgeber kann den nicht einbehaltenen Arbeitnehmeranteil an dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag nur in den drei nächsten Lohn- oder Gehaltsabrechnungen nachholen. Hat der Arbeitgeber insoweit die Arbeitnehmerbeiträge nicht einbehalten, haftet 82 er auch für den Arbeitnehmeranteil. Wird der Arbeitgeber demnach in Haftung genommen, beruhen die Zahlungen der Arbeitnehmeranteile auf gesetzlichen Verpflichtungen und sind gem. § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei (gesetzliche Beitragslastverschiebung).71 Checkliste –– Der Entleiher sollte sich vom Verleiher die behördliche Genehmigung zur Arbeitnehmerüberlassung zeigen lassen und eine Kopie zu seinen Akten nehmen. –– Bei grenzüberschreitender Arbeitnehmerüberlassung einschlägige DBA auf Besonderheiten überprüfen. –– Entleiher sollte innerhalb von zwei Wochen seinen Meldepflichten bei der für den Einzug der Gesamtsozialversicherungsbeiträge zuständigen gesetzlichen Krankenkasse nachkommen. –– Regelungen zur Bauabzugsteuer – soweit erforderlich – beachten. –– Der Verleiher sollte sich von seinen Arbeitnehmern evtl. Zahlungen Dritter dem Grunde und der Höhe nach anzeigen lassen. –– Überprüfung der regelmäßigen Arbeitsstätte bei Arbeitnehmern, die für bestimmte Projekte oder für einen bestimmten Entleiher eingestellt wurden.

70 Besgen/Greilich/Mader/Perach/Voss, Arbeitnehmerüberlassung, Rn 188. 71 H 19.3 – nicht zum Arbeitslohn gehören – LStH.

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 Kapitel 3 Arbeitnehmerüberlassung

C. Sozialversicherungsrecht I. Verleiher als Arbeitgeber 83 Eine Beschäftigung im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung ist im Gegensatz zu einem Minijob oder einem Praktikum ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, bei dem grundsätzlich Sozialversicherungspflicht eintritt. Die sozialversicherungsrechtliche Stellung des Arbeitnehmers entspricht der eines Stamm­ arbeitnehmers. Hierbei bestehen keine Besonderheiten und es sind die allgemeinen Grundsätze der Sozialversicherung anzuwenden.

II. Haftung des Entleihers für Sozialversicherung

84 Ist der Vertrag über die Arbeitnehmerüberlassung zwischen dem Verleiher und dem

Entleiher unwirksam, haftet der Entleiher im Rahmen der „Subsidiärhaftung“ für vom Verleiher nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge gegenüber den Sozialversicherungsträgern (Krankenkassen, Berufsgenossenschaften).72 Zahlt der Verleiher das vereinbarte Arbeitsentgelt oder Teile des Arbeitsentgelts an den Leiharbeitnehmer, obwohl der Vertrag unwirksam ist, so hat er auch den hierauf entfallenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zu zahlen. Hinsichtlich der Zahlungspflicht nach § 28 Abs. 2 S. 3 SGB IV gilt der Verleiher neben dem Entleiher als Arbeitgeber; beide haften insoweit als Gesamtschuldner. Für die Erfüllung der Zahlungspflicht des Arbeitgebers haftet bei einem wirk­ 85 samen Vertrag der Entleiher wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Er kann die Zahlung verweigern, solange die Einzugsstelle den Arbeitgeber nicht gemahnt hat und die Mahnfrist nicht abgelaufen ist. Die Beiträge zur Berufsgenossenschaft regelt der § 150 Abs. 3 SGB VII: „Für die 86 Beitragshaftung bei der Arbeitnehmerüberlassung gilt § 28e Abs. 2 und 4 des Vierten Buches und für die Beitragshaftung bei der Ausführung eines Dienst- oder Werkvertrages im Baugewerbe gelten § 28e Abs. 3a bis 3f sowie § 116a des Vierten Buches entsprechend“. Auch wenn Personaldienstleistungsunternehmen Insolvenz anmelden müssen, 87 kann es zur sog. Subsidiärhaftung kommen. Grundsätzlich ist das Zeitarbeitsunternehmen als Arbeitgeber verpflichtet, die genannten Beträge für seine Zeitarbeitnehmer zu entrichten. Wenn das jedoch nicht erfolgt (z.B. wegen Insolvenz des Zeitarbeitsunternehmens), haftet der Entleiher für den kompletten Zeitraum der Überlassung der Zeitarbeitnehmer.

72 OLG München, Urt. v. 15.5.1996 – 7 U 6260/95 –.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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Praxistipp Schritte zur Absicherung des Entleihers: –– Entleiher sollten sich die sog. Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Krankenkasse, der Berufsgenossenschaft und des Finanzamtes von dem Zeitarbeitsunternehmen vorlegen lassen. –– Entleiher sollten im Vertrag mit dem Zeitarbeitsunternehmen vereinbaren, dass bei Nichtzahlung der Beiträge der Vertrag automatisch endet. –– Die Entleihgebühren sollte der Entleiher erst nach Zahlung der Beiträge durch das Zeitarbeitsunternehmen an die Krankenkasse, die Berufsgenossenschaft und die Lohnsteuer zahlen. Hier sollte der Entleiher einfach pauschal 50 % einbehalten und den Rest nach Vorlage der Kontoauszüge durch das Zeitarbeitsunternehmen auszahlen. Bei der Berufsgenossenschaft (keine monatliche Zahlung) könnte man mit einem Sperrkonto arbeiten. Auf dieses hat der Entleiher monatlich bestimmte Summen zur Absicherung der gesetzlichen Unfallversicherung einzuzahlen.

III. Meldewesen Wie bei allen anderen Arbeitsverhältnissen ist der Arbeitgeber auf der Grundlage von 88 §  28a SGB IV verpflichtet, der zuständigen Einzugsstelle Angaben hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses und des Arbeitnehmers zu machen. Der neue Tätigkeitsschlüssel ist 9-stellig und ist ab 1.12.2011 verbindlich einge- 89 führt. Für die 8. Stelle – Arbeitnehmerüberlassung – gilt folgende Schlüsselübersicht: Nur Zeitarbeitsunternehmen mit einer Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (§ 1 AÜG) unterscheiden hier, ob ihre Arbeitnehmer als Zeitarbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) eingesetzt werden oder nicht. Alle anderen Unternehmen verschlüsseln ihre Beschäftigten mit der Schlüssel- 90 zahl 1. Schlüsselzahl 1 2

Arbeitnehmerüberlassung nein Ja

Zeitarbeitsunternehmen müssen also Arbeitnehmer, die an Dritte verliehen werden, 91 mit 2 verschlüsseln. Das Personal in der Verwaltung wird dagegen mit 1 verschlüsselt.

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Kapitel 4 Aufsichtsratsmandat A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis Verschiedene Gesetze oder auch gesellschaftsvertragliche Regelungen sehen vor, 1 dass unter bestimmten Voraussetzungen Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat gewählt oder bestellt werden müssen. Nach dem DrittelbG sind zwingend ein Drittel der Aufsichtsratsmandate an Arbeitnehmer zu vergeben, sofern es sich z.B. um eine Aktiengesellschaft oder eine GmbH mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern handelt. Werden in der Regel mehr als 2.000 Mitarbeiter in einer Aktiengesellschaft oder GmbH beschäftigt, so ist nach dem MitbestG die Hälfte der Aufsichtsratsmandate mit Arbeitnehmern zu besetzen. Nach dem Montan-MitbestG sind in dem regelmäßig elfköpfigen Aufsichtsrat mindestens vier, maximal fünf Arbeitnehmervertreter aufzunehmen, von denen mindestens zwei dem Betrieb des betreffenden Unternehmens angehören müssen. In der Praxis kommt es jedoch auch vor, dass freiwillig, ohne gesetzliche Verpflichtung, Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat bestellt werden. Bei dieser sog. fakultativen Mitbestimmung werden im Gesellschaftsvertrag oder der Satzung Regelungen zur Wahl, Amtszeit oder auch Vergütung in Anlehnung an die jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen getroffen. Für Unternehmen mit mehrheitlich kommunaler Beteiligung gibt es in NRW als Pilotprojekt zwischenzeitlich eine landesgesetzliche Regelung, die detaillierte Ausgestaltungsvorgaben für eine Arbeitnehmermitbestimmung in fakultativen Aufsichtsräten enthält.1 Es bleibt eine Frage der Zeit, wann andere Bundesländer nachziehen werden. Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat haben die gleiche Rechtsstellung wie 2 die Vertreter der Gesellschafter, Aktionäre etc. (Anteilseignervertreter). Je nach Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages haben sie die Pflicht und das Recht zur Überwachung der Geschäftsführung, zur Bestellung des Geschäftsführers oder des Vorstands, zur Bestellung des Abschlussprüfers oder zur Mitbestimmung über bestimmte Arten von Rechtsgeschäften. Üblicherweise bleibt der Arbeitnehmer auch nach der Annahme des Aufsichts- 3 ratsmandats Mitarbeiter des Unternehmens. Das Bestehen eines Arbeitsverhält­ nisses zu dem Unternehmen ist darüber hinaus nach §  4 Abs. 3 S. 1 DrittelbG und § 7 Abs. 2 MitbestG regelmäßig Grundvoraussetzung für die Wahl zum Arbeitnehmervertreter. Es sei denn, die vom Gesetz vorgeschriebene Mindestanzahl der im Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmervertreter ist erfüllt oder es handelt sich um die nach § 7 Abs. 2 MitbestG vorgeschriebenen Gewerkschaftsvertreter. Gleichwohl gibt es Modifizierungen bei den Rechten und Pflichten, wie z.B. bei den Ansprüchen auf Entgelt, Überstundenzuschlag oder der Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung.

1 Siehe § 108a GO NRW.

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 Kapitel 4 Aufsichtsratsmandat

Die nachfolgende Darstellung bezieht sich auf Rechts- und Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmervertretern.

II. Verhältnis Aufsichtsratsmandat und Arbeitsverhältnis

5 Nimmt der Arbeitnehmer das Aufsichtsratsmandat nach der Wahl an, besteht das bis-

herige Arbeitsverhältnis fort. Die Aufsichtsratswahl begründet daneben jedoch ein neues, eigenständiges Rechtsverhältnis zwischen dem Aufsichtsratsmitglied und dem Unternehmen.2 Der Arbeitnehmer hat in dem Zeitraum, in dem er das Aufsichtsratsmandat inne hat, die Pflichten aus beiden Rechtsverhältnissen nebeneinander zu erfüllen. Sofern die Pflichten aus beiden Rechtsverhältnissen im Einzelfall kolli­ dieren, gehen die Pflichten aus dem Aufsichtsratsmandat vor.3

III. Behinderungs- und Benachteiligungsverbot 6 Arbeitnehmervertreter dürfen nach § 26 MitbestG bzw. § 9 DrittelbG in der Ausübung ihrer Aufsichtsratstätigkeit weder von der Geschäftsleitung, den Gesellschaftern, anderen Aufsichtsratsmitgliedern noch von Betriebsrats- und Gewerkschaftsmitgliedern oder von anderen Arbeitnehmern gestört oder behindert werden (Behinde­ rungs- und Benachteiligungsverbot). Diese Schutzvorschriften gelten ausdrücklich nur für Arbeitnehmervertreter. Für Anteilseignervertreter gelten die allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen.4 Das Behinderungs- und Benachteiligungsverbot gilt sowohl für die Aufsichtsrats­ 7 tätigkeit als auch für persönliche und berufliche Nachteile.5 Beispiele für eine Behinderung oder Benachteiligung –– Keine Bereitstellung der für die Tätigkeit erforderlichen Räumlichkeiten, Büromaterialien, Kommunikationsmittel –– Verhinderung der Teilnahme an Sitzungen, Besprechungen, sonstigen Terminen –– Vorenthalten von wichtigen Informationen und Unterlagen 8 Ferner darf gem. § 26 S. 3 MitbestG bzw. § 9 S. 3 DrittelbG die berufliche Entwicklung

von Arbeitnehmervertretern wegen ihrer Aufsichtsratstätigkeit nicht beeinträchtigt werden. Hierzu zählen alle Maßnahmen in Bezug auf die Person des Arbeitnehmers

2 Vgl. Raiser/Veil, § 26 MitbestG Rn 6; Ulmer/Habersack/Henssler/Henssler, § 26 MitbestG Rn 4; AnwK-ArbR/Heither/von Morgen, § 26 MitbestG Rn 3. 3 Vgl. Raiser/Veil, § 26 MitbestG Rn 6. 4 Vgl. Raiser/Veil, § 26 MitbestG Rn 3. 5 Vgl. ErfK/Oetker, § 26 MitbestG Rn 1.

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wie z.B. Beförderungen, Höhergruppierungen, Gehaltsentwicklungen, Fortbildungsund Schulungsmaßnahmen.6 Praxistipp Es empfiehlt sich insbesondere bei Arbeitnehmervertretern, eine sorgfältige Dokumentation von der Genehmigung oder Ablehnung von Schulungsveranstaltungen, Beförderungsentscheidungen, Zulagengewährungen etc. vorzunehmen.

Eine Bevorteilung durch die Vorschriften des § 26 MitbestG und des § 9 DrittelbG ist 9 zwar nicht ausdrücklich verboten. Eine Begünstigung ist jedoch unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes als unzulässig anzusehen. Maßnahmen oder Regelungen in Geschäftsordnungen, Gesellschaftsverträgen 10 und Satzungen, die gegen das Behinderungsverbot verstoßen, sind – auch ohne dass ein Verschulden vorliegt – gem. § 134 BGB nichtig. Liegt ein Verschulden vor, kann das betroffene Aufsichtsratsmitglied bei einem Verstoß gegen das Unternehmen auch Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche erheben.7

IV. Direktionsrecht Das Direktionsrecht des Arbeitgebers greift nur insoweit ein, wie Aufgaben und 11 Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis betroffen sind. Der Arbeitnehmervertreter ist im Rahmen seiner Funktion als Aufsichtsratsmitglied und damit als Organ der Unternehmensverfassung weisungsfrei.8 Dies gilt gegenüber seinem arbeitsrechtlichen Vorgesetzten ebenso wie gegenüber den Gesellschaftern, der Geschäftsleitung oder Dritten.9 Jedes Aufsichtsratsmitglied ist ausschließlich dem Unternehmensinter­ esse verpflichtet und darf sich Weisungen Dritter nicht unterwerfen.10

6 Vgl. Ulmer/Habersack/Henssler/Henssler, § 26 MitbestG Rn 18. 7 H.L.: vgl. Ulmer/Habersack/Henssler/Henssler, § 26 MitbestG Rn 19; Raiser/Veil, § 26 MitbestG Rn 14; ErfK/Oetker, § 26 MitbestG Rn 6. Zu Schulungsveranstaltungen in Bezug auf die Aufsichtsratstätigkeit siehe Rn 35 ff. 8 Vgl. BGH, Urt. v. 18.9.2006 – II ZR 137/05 –; Lutter/Krieger § 12 Rn 822; ErfK/Oetker, § 111 AktG Rn 16. 9 Vgl. Ulmer/Habersack/Henssler/Ulmer/Habersack, § 25 MitbestG Rn 78; ErfK/Oetker, § 111 AktG Rn 16. 10 Vgl. Ulmer/Habersack/Henssler/Ulmer/Habersack, § 25 MitbestG Rn 78 und 93.

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 Kapitel 4 Aufsichtsratsmandat

V. Aufsichtsratsvergütung 1. Vergütungsgrundsätze a) Vergütung gemäß Satzung oder Gesellschafterbeschluss 12 Aufsichtsratsmitgliedern u.a. einer GmbH und einer AG kann nach § 113 AktG (für die GmbH i.V.m. §  52 GmbHG) eine Vergütung gewährt werden. Erforderlich hierfür ist eine Regelung in der Satzung oder dem Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft oder ein Beschluss der Hauptversammlung bzw. der Gesellschaftsversammlung. Die Vergütung von Arbeitnehmervertretern und Anteilseignervertretern 13 muss gleich ausgestaltet sein, da sie auch gleiche Rechte und Pflichten haben. Eine unterschiedliche Vergütung ist nur zulässig, soweit sie sachlich gerechtfertigt ist, z.B. durch eine besondere Funktion im Aufsichtsrat (Vorsitzender, stellvertretender Vorsitzender, Mitgliedschaft in besonderem Ausschuss).11 Üblicherweise erhält der Aufsichtsratsvorsitzende das Doppelte und der Stellvertreter das Eineinhalbfache der Vergütung, die den übrigen Aufsichtsratsmitgliedern zusteht. Die Vergütung soll in einem angemessenem Verhältnis zu den Aufgaben der 14 Aufsichtsratsmitglieder und zur Lage der Gesellschaft stehen, § 113 Abs. 1 S. 3 AktG. Hierbei ist eine Einzelfallbetrachtung notwendig. Beispiele Es können z.B. berücksichtigt werden: –– Lage der Gesellschaft –– Internationalität –– Umfang der gesetzlichen Verpflichtungen, die die Gesellschaft einhalten muss –– Qualifikationen –– Marktwert –– Dauer der Zugehörigkeit des Aufsichtsratsmitglieds zum Unternehmen –– Umsatzvolumen –– Zukunftsaussichten der Gesellschaft

b) Vergütung gemäß Dienst- oder Werkvertrag

15 Neben der Tätigkeit für den Aufsichtsrat einer Gesellschaft ist es grundsätzlich nach

§ 114 AktG (für die GmbH nach § 52 Abs. 2 GmbHG i.V.m. § 114 AktG) möglich, einen gesonderten Dienst- oder Werkvertrag mit der Gesellschaft abzuschließen. In der Praxis häufig anzutreffen sind solche Verträge als Beraterverträge. Zur Wirksamkeit des Vertrages ist es erforderlich, dass Vertragsgegenstand eine Tätigkeit ist, die über den Aufgabenbereich des Aufsichtsratsmitgliedes als Organ der Unternehmensverfassung hinausgeht. Bei Identität von Beratungsgegenstand und Organpflicht ist der Vertrag gem. § 113 AktG i.V.m. § 134 BGB nichtig, da keine verdeckten Sondervergü­

11 Vgl. Lutter/Krieger, § 12 Rn 843.

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tungen an einzelne Aufsichtsratsmitglieder gewährt werden dürfen.12 Ferner dürfen auch nicht wesentliche Fragen der Geschäftsführung Gegenstand eines Beratungsvertrages sein, da das Aufsichtsratsmitglied anderenfalls seinen Überwachungs- und allgemeinen Beratungsaufgaben gegenüber der Geschäftsführung nicht gerecht werden kann.13 Zulässig sind Beraterverträge z.B. über Fragestellungen, die ein bestimmtes Son­ 16 derwissen erfordern, dass über die üblicherweise bei einem Aufsichtsratsmitglied zu erwartenden Kenntnisse hinausgeht. Beispiele –– Beratung in Fragen der allgemeinen und speziellen Steuerberatung –– Technische Vorbereitung und Abwicklung einer Unternehmensumstrukturierung –– Vorbereitung und Unterstützung bei der Einholung einer gesetzlichen Genehmigung

Ausgeschlossen ist es hingegen, einen Dienstvertrag in Form eines Arbeitsvertrages abzuschließen, da Verträge mit persönlicher Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit – wie dies bei Arbeitsverträgen der Fall ist – von § 114 AktG nicht erfasst werden. Der Arbeitsvertrag des Arbeitnehmervertreters mit dem Unternehmen, in dessen Aufsichtsrat er sitzt, ist von diesem Verbot nicht erfasst. Vielmehr ist ein bestehendes Arbeitsverhältnis in der Regel Grundvoraussetzung für die Wahl zum Arbeitnehmervertreter. Der Dienst- oder Werkvertrag bedarf zwingend der Zustimmung des Aufsichts­ rats – unabhängig davon, ob der Vertrag vor oder während der Aufsichtsratsamtszeit abgeschlossen wurde.14 Es gelten – mit Ausnahme bei Arbeitsverträgen15 – für Arbeitnehmervertreter die gleichen Kriterien für die Zustimmungsfähigkeit wie für die Anteilseignervertreter.16 Wird gegen die Vorgaben des § 114 Abs. 1 AktG verstoßen und z.B. ein Beratervertrag über einen unzulässigen Vertragsgegenstand abgeschlossen oder die Zustimmung des Aufsichtsrates verweigert, ist der Vertrag unwirksam. Die Gesellschaft kann bzgl. der gewährten Vergütung Rückforderungsansprüche geltend machen, § 114 Abs. 2 AktG. Besteht bei einer GmbH nur ein fakultativer Aufsichtsrat, hängt die Wirksamkeit und inhaltliche Ausgestaltung des Beratervertrages von den in der Satzung bzw. in dem Gesellschaftsvertrag enthaltenen Bestimmungen, insbesondere denen über die Anwendbarkeit des § 114 AktG, ab.

12 Vgl. BGH, Urt. v. 25.3.1991 – II ZR 188/89 –; Lutter/Krieger, § 12 Rn 859. 13 Vgl. BGH, Urt. v. 25.3.1991 – II ZR 188/89 –. 14 Vgl. Hüffer, § 114 AktG Rn 2. 15 Siehe Rn 17. 16 Vgl. Hölters/Hambloch-Gesinn/Gesinn, § 114 Rn 12.

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 Kapitel 4 Aufsichtsratsmandat

c) Vergütung aus Arbeitsverhältnis

21 Weder aus den Vorschriften des Gesellschaftsrechts noch aus denen des MitbestG und

des DrittelbG ergibt sich ein Anspruch auf Fortzahlung des Entgeltes für den Zeitraum, in dem der Arbeitnehmervertreter zur Erfüllung der Aufsichtsratsaufgaben von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt ist. Im Unterschied zur Betriebsratstätigkeit ist das Aufsichtsratsamt kein unentgeltliches Ehrenamt, sondern eine in der Regel gesondert vergütete Tätigkeit. Eine analoge Anwendung der Vorschrift für Betriebsratsmitglieder, die einen 22 Vergütungsanspruch vorsieht, scheidet aus, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Gesetzgeber unabsichtlich einen Entgeltfortzahlungsanspruch nicht geregelt hat.17 Da der Arbeitnehmervertreter von seiner Arbeitspflicht gem. §  275 Abs. 1 BGB i.V.m. § 26 MitbestG bzw. § 9 DrittelbG befreit wird, entfällt der arbeitsvertragliche Entgeltanspruch wegen Unmöglichkeit der Leistungserbringung, § 326 Abs. 1 BGB.18 Im Hinblick auf das Benachteiligungsverbot des § 26 MitbestG bzw. des § 9 Drit23 telbG bleibt der Entgeltanspruch jedoch bestehen, wenn –– keine Aufsichtsratsvergütung gewährt wird, –– diese keinen angemessenen Ausgleich schafft, –– sich der Anteil der mit der Aufsichtsratsvergütung gewährten Entschädigung wegen Zeitversäumnisses nicht betragsmäßig genau beziffern lässt oder –– die Aufsichtsratsvergütung an Dritte (z.B. gemeinnützige Stellen) abgeführt wird.19 24 Anderenfalls würde der Arbeitnehmervertreter gerade wegen seines Aufsichtsratsmandats einen Nachteil bei der Vergütung erleiden. Lässt sich der Anteil der mit der Aufsichtsratsvergütung gewährten Entschädigung wegen Zeitversäumnisses betragsmäßig beziffern (z.B. bei Sitzungsgeldern), kann auch eine anteilige Anrech­ nung erfolgen.20

Praxistipp –– Wird eine Anrechnung der Aufsichtsratsvergütung auf das Arbeitsentgelt vorgenommen, ist darauf zu achten, dass dies bei allen Aufsichtsratsmitgliedern einheitlich erfolgt. Eine Diffe-

17 H.M.: ErfK/Oetker, § 26 MitbestG Rn 4; MüKo-AktG/Gach, § 26 MitbestG Rn 7; a.A.: Heidel/ Wichert, § 26 MitbestG Rn 4. 18 Vgl. Ulmer/Habersack/Henssler/Henssler, § 26 MitbestG Rn 8; ErfK/Oetker, § 26 MitbestG Rn 4; APS/Preis, § 26 MitbestG Rn 7. 19 H.M.: Raiser/Veil, § 26 MitbestG Rn 6; Ulmer/Habersack/Henssler/Henssler, § 26 MitbestG Rn 9; ErfK/Oetker, § 26 MitbestG Rn 4; MüKo-AktG/Gach, § 26 MitbestG Rn 7; a.A.: WWKK/ Wißmann, § 26 MitbestG Rn 11; Heidel/Wichert, § 26 MitbestG Rn 4, die grundsätzlich einen Entgeltanspruch bejahen. 20 So auch: AnwK-ArbR/Heither/von Morgen, § 26 MitbestG Rn 3; MüKo-AktG/Gach, § 26 MitbestG Rn 7; Lutter/Krieger, § 12 Rn 844.

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renzierung zwischen leitenden Angestellten und Arbeitnehmern oder zwischen Arbeitern und Angestellten ist unzulässig. Auch darf nicht zwischen der Art des Arbeitsentgeltes differenziert werden. So ist z.B. eine Anrechnung bei Arbeitnehmervertretern mit Arbeitsentgelt auf Stundenbasis unzulässig, wenn sie gleichzeitig bei Arbeitnehmervertretern mit einem Monatsgehalt unterlassen wird, weil die Umrechnung in diesen Fällen zu kompliziert ist. In der Praxis ist im Hinblick auf Praktikabilität und bestehendem Konfliktpotential eine freiwillige Zahlung von Arbeitsentgelt und Aufsichtsratsvergütung in voller Höhe häufig anzutreffen. Wird eine Voll- oder Teilanrechnung vorgenommen, empfiehlt es sich ggf. im Gesellschaftsvertrag/der Satzung eine klarstellende Regelung für Arbeitnehmervertreter zu treffen. Hierbei ist darauf zu achten, dass hierdurch keine Benachteiligung gegenüber Anteilseignervertretern entsteht.

Sofern der Arbeitnehmervertreter zugleich Mitglied des Betriebsrates des Unter- 25 nehmens ist, scheidet eine Anrechnung aus, da § 37 Abs. 2 BetrVG die Fortgeltung des Vergütungsanspruchs während des Freistellungszeitraums vorsieht.21 Eine Anrechnung würde in diesem Fall eine unzulässige Benachteiligung wegen des Betriebsratsamtes darstellen, da davon ausgegangen werden muss, dass während der Aufsichtsratstätigkeit in der Regel auch Aufgaben aus dem Betriebsratsamt (Interessenvertretung der Arbeitnehmer) mit wahrgenommen werden. Das Gegenteil dürfte jedenfalls im Einzelfall schwer beweisbar sein.

2. Aufwendungsersatz Jedes Aufsichtsratsmitglied kann gem. §§  670, 675 BGB nach den Regelungen über 26 Aufwendungsersatz Entschädigung für die Aufwendungen verlangen, die es im Interesse der Sache für erforderlich halten durfte. Beispiele –– Reisekosten –– Übernachtungs- und Aufenthaltskosten –– Verpflegungskosten –– Telefon-, Fax-, WLan-Kosten –– Kopierkosten –– Anschaffung von Fachliteratur

Der Anspruch ist nicht an eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag bzw. 27 der Satzung oder einen Beschluss der Anteilseignerversammlung gebunden.22 Das Aufsichtsratsmitglied entscheidet über die Erforderlichkeit der Aufwendung im Ein-

21 Vgl. MüKo-AktG/Gach, § 26 MitbestG Rn 7 a.E. 22 Vgl. Ulmer/Habersack/Henssler/Ulmer/Habersack, § 25 MitbestG Rn 86.

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 Kapitel 4 Aufsichtsratsmandat

zelfall in pflichtgemäßer Ausübung seines Amtes.23 Diese Entscheidung unterliegt nur der gerichtlichen Kontrolle. Um den Abrechnungsprozess zu vereinfachen, ist es möglich, in der Satzung bzw. 28 im Gesellschaftsvertrag zu vereinbaren, dass ein Pauschalbetrag als Aufwandsentschädigung oder ein pauschalierter Betrag als Sitzungsgeld gezahlt wird. Voraussetzung ist jedoch, dass sich der pauschalierte Betrag im Rahmen der voraussichtlichen Durchschnittsaufwendungen hält.24

3. Darlehensgewährung

29 Um die Unabhängigkeit und „Unkäuflichkeit“ des einzelnen Aufsichtsratsmitgliedes

zu schützen, sieht das Gesetz in § 115 AktG strenge Voraussetzungen für die Kredit­ gewährung an Aufsichtsratsmitglieder und den ihnen nahe stehenden Angehörigen vor. Insbesondere bedarf die Kreditgewährung der vorherigen Zustimmung der anderen Aufsichtsratsmitglieder. Beispiele –– Darlehen –– Stundungen –– Sicherheitsleistungen für Drittkredite (Bürgschaften etc.) –– Zahlung von Gehaltsvorschüssen an Arbeitnehmervertreter25

30 Unter die Vorschrift dürften auch sog. Arbeitgeberdarlehen fallen, bei denen der

Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein über die Entgeltzahlung hinausgehenden Betrag als Darlehen zur Verfügung stellt. Häufig sind die Konditionen dabei günstiger als auf dem Kreditmittelmarkt. Praxistipp Es empfiehlt sich, einen entsprechenden Hinweis in die Satzung bzw. den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen, der insbesondere bzgl. Arbeitgeberdarlehen einen Verweis auf § 115 AktG vorsieht.

31 Diese Einschränkungen gelten jedoch nicht für fakultative Aufsichtsräte oder für

obligatorische Aufsichtsräte nach dem DrittelbG, da eine entsprechende Verweisung in § 52 Abs. 2 GmbHG und § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 DrittelbG auf § 115 AktG fehlt.

23 Vgl. Raiser/Veil, § 25 MitbestG Rn 102. 24 Ulmer/Habersack/Hennsler/Ulmer/Habersack, § 25 MitbestG Rn 86. 25 Vgl. Lutter/Krieger, § 12 Rn 879.

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4. Annahme von Geschenken Bzgl. der Annahme von Geschenken ist im Hinblick auf das Aufsichtsratsmandat 32 ein äußerst sensibler Umgang erforderlich. Dies gilt auch und insbesondere für Auf­ sichtsratsreisen, die immer wieder in den Fokus der Öffentlichkeit und manchmal auch der Staatsanwaltschaft geraten. Einzelheiten wie summenmäßige Beschränkungen, ausländische Geschäftsgepflogenheiten und Anzeigepflichten werden üblicherweise in Compliance-Regelungen festgehalten, die für Arbeitnehmer- und Anteilseignervertreter gleichermaßen gelten. Praxistipp –– Es empfiehlt sich, in jedem Fall detaillierte und auf das Unternehmen individuell abgestimmte Compliance-Regelungen zu treffen. –– In diesen kann z.B. festgelegt werden, dass Aufsichtsratsreisen angemessen im Verhältnis zu Größe und Lage der Gesellschaft sein müssen und im Zweifel das günstigere Hotel gewählt werden sollte. –– Die Compliance-Regelungen können darüber hinaus nach entsprechender individual- und/oder kollektivrechtlicher Einführung für sämtliche Beschäftigte des Unternehmens angewendet werden.

VI. Freistellung Anders als die Betriebsratstätigkeit ist die Aufsichtsratstätigkeit grundsätzlich 33 außerhalb der Arbeitszeit auszuüben. §  26 MitbestG bzw. §  9 DrittelbG enthalten keine Regelung über eine Freistellung, wie dies für Betriebsratsmitglieder in §  37 Abs. 2 BetrVG der Fall ist. Soweit möglich sollten vorbereitende Handlungen (Aktenstudium, Sitzungsvorbereitung) daher außerhalb der Arbeitszeit vorgenommen werden. Aus dem Benachteiligungsverbot ergibt sich jedoch, dass Arbeitnehmervertreter einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht in dem zur Ausübung des Aufsichtsratsamtes erforderlichen Umfang haben, wenn die Aufsichtsratstätigkeit nur während der Arbeitszeit ausgeführt werden kann.26 Dies ist der Fall, wenn die Ausübung der Aufsichtsratstätigkeit nicht im Belieben des einzelnen Aufsichtsratsmitgliedes steht, also z.B. bei Teilnahme an Aufsichtsrats- und Ausschusssitzungen oder bei kurzfristig erforderlichen Vorbereitungsmaßnahmen. Die Freistellung sollte nach Rücksprache mit dem Vorgesetzten erfolgen. Eine Zustimmung seitens des Arbeitgebers ist jedoch nicht erforderlich.27

26 Vgl. AnwK-ArbR/Heither/von Morgen, § 26 MitbestG Rn 3; MüKo-AktG/Gach, § 26 MitbestG Rn 6; Ulmer/Habersack/Henssler/Henssler, § 26 MitbestG Rn 5. 27 Ulmer/Habersack/Hennsler/Henssler, § 26 MitbestG Rn 5. Zu den Voraussetzungen, unter denen der Arbeitnehmervertreter seinen Entgeltanspruch für den Zeitraum der Freistellung von der Arbeitspflicht behält, siehe Rn 21 ff.

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 Kapitel 4 Aufsichtsratsmandat

VII. Überstunden

34 Die Aufsichtsratstätigkeit selbst stellt keine Arbeitszeit dar. Vielmehr erfolgt eine

Freistellung von der Arbeitsverpflichtung, wenn die Aufsichtsratstätigkeit nur während der Arbeitszeit vorgenommen werden kann. Hieraus folgt, dass es keinen Anspruch auf Überstundenzulagen oder Freizeitausgleich gibt.28

VIII. Schulungen

35 Der Arbeitnehmervertreter hat grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf die Teil-

nahme an Schulungsveranstaltungen während der Arbeitszeit und unter Fortzah­ lung des Entgeltes. Das DrittelbG und das MitbestG enthalten keine Regelung zu einem Schulungsanspruch, wie dies für Betriebsräte in § 37 Abs. 6 und 7 BetrVG der Fall ist. Eine analoge Anwendung der betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften kommt mangels einer ungewollten Regelungslücke in den Mitbestimmungsgesetzen ebenfalls nicht in Betracht.29 Auch das Gesellschaftsrecht enthält keine expliziten Vorgaben zu einem etwai36 gen Schulungsanspruch von Aufsichtsratsmitgliedern. Nach der Rechtsprechung des BGH ergibt sich aus dem Gebot der persönlichen und eigenverantwortlichen Amtsausübung, „dass ein Aufsichtsratsmitglied diejenigen Mindestkenntnisse und -fähigkeiten besitzen oder sich aneignen muss, die es braucht, um alle normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge auch ohne fremde Hilfe verstehen und sachgerecht beurteilen zu können.“30 Hieraus folgt, dass insbesondere Kenntnisse vorhanden sein müssen, –– um die dem Aufsichtsrat vorgelegten Berichte zu verstehen, zu bewerten und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen, –– für die Prüfung des Abschlussberichts mit Hilfe des Abschlussprüfers und –– zur Beurteilung der Geschäftsführerentscheidungen. 37 Sofern besondere Spezialkenntnisse oder besondere fachliche Qualifikatio­ nen für die Aufsichtsratsarbeit zwingend erforderlich und ohne Schulung nicht zu erlangen sind, ist ausnahmsweise ein Aufwendungsersatzanspruch aus den allgemeinen Regelungen der §§ 675, 670 BGB31 anzuerkennen, soweit diese Aufwendungen nicht mit der Aufsichtsratsvergütung pauschal abgegolten sein sollen.32 Ist die Schulung in diesem Sinne zwingend notwendig, ist der Arbeitnehmervertreter auch

28 Zum Schicksal des Entgeltanspruchs aus dem Arbeitsverhältnis siehe Rn 21 ff. 29 Vgl. Raiser/Veil, § 26 MitbestG Rn 7; Ulmer/Habersack/Henssler/Henssler, § 26 Rn 6; Heidel/ Wichert, § 26 MitbestG Rn 4; ErfK/Oetker, § 26 MitbestG Rn 5; MüKo-AktG/Gach, § 26 MitbestG Rn 8; WWKK/Wißmann § 26 Rn 12. 30 Vgl. BGH, Urt. v. 15.11.1982 – II ZR 27/82 –. 31 Siehe hierzu Rn 26. 32 H.M.: Ulmer/Habersack/Henssler/Henssler, § 26 Rn 7; Heidel/Wichert, § 26 MitbestG Rn 4; ErfK/Oetker, § 26 MitbestG Rn 5; AnwK-ArbR/Heither/von Morgen, § 26 MitbestG Rn 4; MüKo-AktG/ Gach, § 26 MitbestG Rn 8; WWKK/Wißmann § 26 Rn 13.

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von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freizustellen, sofern die Schulungsmaßnahme nur innerhalb der Arbeitszeit stattfinden kann. Die ausgefallene Arbeitszeit wird in diesem Fall wie eine sonstige Aufsichtsratstätigkeit, die während der Arbeitszeit anfällt, vergütet.33 Praxistipp –– Um eine möglichst fachkundige Diskussion und Tätigkeit der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat zu ermöglichen, empfiehlt es sich, die Arbeitnehmervertreter entsprechend schulen zu lassen. –– Sofern – wie es in der Praxis häufig vorkommt – die Arbeitnehmervertreter zugleich auch Betriebsratsmitglieder sind, kann es u.U. sinnvoll sein, Fragestellungen zum Aufsichtsratsmandat bei der Schulung der Betriebsratsmitglieder zu integrieren. –– Um Streitigkeiten vorzubeugen, können Art und Umfang der notwendigen Schulungen auch im Gesellschaftsvertrag bzw. in der Satzung geregelt werden.

IX. Arbeitskampf Im Falle eines Arbeitskampfes kann der Arbeitnehmervertreter in einen Rollenkon­ 38 flikt geraten. Auf der einen Seite ist er als Mitglied des Aufsichtsrats an das Unternehmensinteresse gebunden und als Organ der Unternehmensverfassung zur Treue gegenüber der Gesellschaft verpflichtet. Auf der anderen Seite ist er als Arbeitnehmervertreter häufig zugleich auch Mitglied des Betriebsrats oder sogar der streikführenden Gewerkschaft und damit Interessenvertreter der Arbeitnehmerschaft. In letzterem Fall ist er aufgrund der Gewerkschaftssatzung zur Solidarität mit den übrigen Gewerkschaftsmitgliedern verpflichtet. Trotz der unterschiedlichen Interessenlage erlischt oder ruht das Aufsichtsrats- 39 mandat des Arbeitnehmervertreters während eines Arbeitskampfes nicht. Auch werden keine Rechte oder Pflichten für die Zeit des Arbeitskampfes suspendiert.34 Die Teilnahme an Aufsichtsratssitzungen und Abstimmungen ist auch während der Dauer des Arbeitskampfes arbeitsrechtlich zulässig und unter Berücksichtigung der gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen erforderlich. Aus der Doppelfunktion, die der Arbeitnehmervertreter inne hat, ergibt sich, 40 dass er zugleich auch berechtigt ist, an dem Arbeitskampf selbst teilzunehmen. Im Hinblick auf die Pflicht zur Wahrung der Unternehmensinteressen ist jedoch nur eine passive Streikteilnahme (z.B. solidarische Unterstützung der Arbeitnehmer) als noch mit dem Mandat vereinbar anzusehen, nicht jedoch eine aktive (z.B. Flugblätter verteilen, Streikleitung).35

33 Vgl. Ulmer/Habersack/Henssler/Henssler, § 26 Rn 7. 34 H.M.: Ulmer/Habersack/Henssler/Henssler, § 26 Rn 29; Gaumann/Schafft, DB 2000, 1514 m.w.N.; a.A.: OLG München, Urt. v. 13.9.1956 – 2 AZR 605/54 –; Müller, DB 1975, 253. 35 Vgl. ErfK/Oetker, § 111 AktG Rn 18; KölnK/Mertens, Anh. § 117 B § 25 MitbestG Rn 13;

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 Kapitel 4 Aufsichtsratsmandat

Eine Teilnahme an einem rechtswidrigen Arbeitskampf ist im Hinblick auf die organrechtliche Treuepflicht mit dem Aufsichtsratsamt in keinem Fall vereinbar.36 Sie kann im Einzelfall sowohl gesellschaftsrechtliche als auch arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Allerdings darf der Arbeitnehmervertreter Kenntnisse, die er als Aufsichtsrats42 mitglied erlangt hat, nicht zum Nachteil des Unternehmens verwenden.37 Ebenfalls unzulässig ist es, z.B. die Auswahl eines Geschäftsführers oder Vorstandsmitglieds an dessen Verhalten bei Tarifverhandlungen zu koppeln. Im Zweifelsfall geht das Unter­ nehmensinteresse vor. 41

X. Kündigungsschutz

43 Für Aufsichtsratsmitglieder besteht kein absoluter Kündigungsschutz, wie dies für

Betriebsratsmitglieder der Fall ist. Auch sind die Regelungen für Betriebsräte in § 15 KSchG und § 103 BetrVG mangels einer ungewollten Regelungslücke des Gesetzgebers nicht analog anwendbar.38 Aus dem Benachteiligungsverbot des § 26 MitbestG oder des § 9 DrittelbG kann 44 sich jedoch im Einzelfall ein relativer Kündigungsschutz ergeben. So kann z.B. eine ordentliche Kündigung unzulässig sein, wenn es sich um eine Maßregelung im Zusammenhang mit der Aufsichtsratstätigkeit handelt oder sie gerade bezweckt, das Aufsichtsratsmandat zu beenden.39 Verstößt der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat gegen seine Pflichten aus 45 dem Aufsichtsratsmandat, kommen nach der Rechtsprechung des BAG grundsätzlich zunächst nur die Sanktionen des Gesellschaftsrechts (z.B. Abberufung, Schadensersatz) in Betracht. Eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist daneben nur zulässig, wenn zugleich eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung vorliegt, welche die Anforderung an einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB erfüllt. Ferner müssen die Auswirkungen der Pflichtverletzung auf das Arbeitsverhältnis so schwer wiegen, dass dem Arbeitgeber jede weitere Beschäftigung unzu­ mutbar ist.40 Ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitsverpflichtung aus dem Aufsichtsratsmandat (z.B. bei Weitergabe von Informationen an den Betriebsrat) 41 kann im Einzelfall zugleich auch als Verletzung der arbeitsvertraglichen Verpflich-

GroßK-AktG/Hopt/Roth § 116 Rn 209 ff m.w.N.; a.A.: Raiser/Veil, § 25 MitbestG Rn 141; Gaumann/ Schafft, DB 2000, 1514. 36 Vgl. Raiser/Veil, § 25 MitbestG Rn 141; Gaumann/Schafft, DB 2000, 1514. 37 Vgl. Ulmer/Habersack/Henssler/Henssler, § 26 Rn 27, 28; Raiser/Veil, § 25 MitbestG Rn 140. 38 Vgl. MüKo-AktG/Gach, § 26 MitbestG Rn 11, 12. 39 Vgl. Ulmer/Habersack/Henssler/Henssler, § 26 MitbestG Rn 12, 13. 40 Vgl. BAG, Urt. v. 23.10.2008 – 2 ABR 59/07 –. 41 Siehe hierzu ausführlich: BAG, Urt. v. 23.10.2008 – 2 ABR 59/07 –.

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tungen angesehen werden, insbesondere wenn der Verstoß auf einem Verschulden des Arbeitnehmervertreters beruht.42 Praxistipp –– Die allgemeinen Haftungsregelungen für Aufsichtsratsmitglieder gelten in vollem Umfang auch für die Arbeitnehmervertreter. –– Bei Pflichtverletzungen kann ihnen nicht nur die Entlastung verweigert oder die Abberufung aus dem Amt ausgesprochen werden. Vielmehr können auch Schadensersatzforderungen nach den gesellschafts- und zivilrechtlichen Vorschriften gegenüber der Gesellschaft und Dritten drohen. Einige Pflichtverletzungen sind auch unter Straf- und Bußgeldvorschriften gestellt, wie z.B. eine unrichtige Darstellung der Verhältnisse einer Kapitalgesellschaft im Jahresabschluss (vgl. § 331 HGB). –– Neben einer umfassenden Schulung über Haftungsmöglichkeiten empfiehlt es sich – für alle Aufsichtsratsmitglieder – eine D&O Versicherung (Directors and Officers Liability Insurance) abzuschließen. Eine Inregressnahme eines Arbeitnehmervertreters dürfte im Hinblick auf die Einkommenssituation in der Regel nicht ausreichend sein, um Schäden der Gesellschaft, die in beträchtlicher Höhe sein können, auszugleichen.

XI. Altersteilzeit Hat ein Arbeitnehmervertreter einen Altersteilzeitvertrag abgeschlossen, so ist bzgl. 46 seiner Mitgliedschaft im Aufsichtsrat bei der Altersteilzeit im Blockmodell nach der Aktiv- und der Passivphase (Freistellungsphase) zu unterscheiden. Jeder Arbeitnehmervertreter muss für die Dauer der Mitgliedschaft die allgemeinen Wählbarkeits­ voraussetzungen erfüllen. Findet das MitbestG oder das DrittelbG Anwendung, so muss die betreffende Person bei dem betreffenden Unternehmen beschäftigt sein. Dies gilt für das DrittelbG jedenfalls, wenn dem Aufsichtsrat nur ein oder zwei Arbeitnehmervertreter angehören, vgl. § 4 Abs. 2 S. 1 DrittelbG. Bei Anwendung des MitbestG gilt dies für die überwiegende Anzahl der Arbeitnehmervertreter, vgl. die Staffelung in § 7 Abs. 2 MitbestG. Scheidet der Arbeitnehmervertreter aus dem Unternehmen aus, verliert er seine 47 Wählbarkeitsvoraussetzung mit der Folge, dass er auch aus dem Aufsichtsratsamt automatisch ausscheidet, vgl. § 24 Abs. 1 MitbestG und § 4 Abs. 3 S. 4 DrittelbG i.V.m. § 8 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Während der Arbeitnehmervertreter in der Aktivphase der Altersteilzeit weiter- 48 hin Beschäftigter des Unternehmens bleibt, scheidet er mit Eintritt in die Freistel­ lungsphase aus dem Unternehmen aus. Damit verliert er zugleich jedoch auch seine Wählbarkeitsvoraussetzung. Seine Mitgliedschaft im Aufsichtsrat endet automa-

42 So das überwiegende Schrifttum: vgl. ErfK/Kania, § 79 BetrVG Rn 21; FESTL, § 79 BetrVG Rn 41; WWKK/Wißmann, § 26 MitbestG Rn 22. Das BAG hat die Frage bislang offen gelassen, vgl. Urt. v. 4.4.1974 – 2 AZR 457/73 –; BAG, Urt. v. 23.10.2008 – 2 ABR 59/07 –.

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 Kapitel 4 Aufsichtsratsmandat

tisch.43 Ein für diesen Arbeitnehmervertreter gewähltes Ersatzmitglied tritt gem. § 17 MitbestG bzw. § 7 DrittelbG in vollem Umfang in die Rechte und Pflichten des ausgeschiedenen Arbeitnehmervertreters ein. Arbeitnehmer in der Freistellungsphase der Altersteilzeit sind zudem nicht mehr 49 wahlberechtigt.44

XII. Arbeitnehmervertreter im Konzern 1. Konzernbelegschaft 50 Arbeitnehmervertreter können nicht nur für ein Unternehmen, sondern u.U. auch für einen ganzen Konzern gewählt werden und als Aufsichtsratsmitglied zuständig sein. Beispiele Die (herrschende) Konzernmutter hat keine eigenen Arbeitnehmer. Diese sind nur bei der (beherrschten) Tochtergesellschaft beschäftigt. Können die Arbeitnehmer der Tochtergesellschaft in den Aufsichtsrat der Konzernmutter gewählt werden? – Antwort: Ja. 51 Ob sich die Arbeitnehmer von Tochtergesellschaften bei der Aufsichtsratswahl der

Muttergesellschaft als Arbeitnehmervertreter zur Wahl aufstellen lassen (passives Wahlrecht) oder bei der Aufsichtsratswahl mitwählen dürfen (aktives Wahlrecht), hängt von der rechtlichen Beziehung zwischen Muttergesellschaft (Holding) und den Tochtergesellschaften ab. Das Gesetz fordert, dass ein Konzern vorliegt. Das Arbeitsrecht kennt keinen eigenen Konzernbegriff. Die § 5 Abs. 1 MitbestG und § 2 Abs. 1 DrittelbG verweisen daher auf § 18 AktG. Ein Konzernverhältnis i.S.d. § 5 Abs. 1 MitbestG und § 2 Abs. 1 DrittelbG liegt damit vor, wenn ein Beherrschungsverhältnis i.S.d. Aktiengesetzes (§ 18 AktG) besteht. Ein solches liegt vor, wenn ein herrschendes und ein abhängiges Unternehmen unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefasst sind, § 18 Abs. 1 S. 1 AktG. Wurde zwischen Mutterund Tochtergesellschaft ein echter Beherrschungsvertrag nach §  291 AktG abgeschlossen, wird ein solches Abhängigkeitsverhältnis gesetzlich vermutet, § 18 Abs. 1 S. 2 AktG. Nach der Rechtsprechung zählen hierzu jedoch nicht bloße Gewinn- oder Ergebnisabführungsverträge.45 Ein Beherrschungsverhältnis wird nach § 18 Abs. 1 S. 2 AktG auch vermutet, wenn ein Eingliederungsvertrag nach §  319 AktG abgeschlossen wurde. Allerdings kommt diese Vertragsgestaltung nur für Unternehmen in Form einer Aktiengesellschaft in Betracht. Schließlich kann ein Konzern i.S.d. § 5 Abs. 1 MitbestG und § 2 Abs. 1 DrittelbG auch bei einem bloß faktischen Über- und Unter­ ordnungsverhältnis (z.B. Mehrheitsbeteiligung) vorliegen, § 18 Abs. 1 S. 3 AktG.

43 Vgl. BAG, Urt. v. 25.10.2000 – 7 ABR 18/00 –. 44 Vgl. LAG Nürnberg, Beschl. v. 12.6.2006 – 2 TaBV 9/06 –; ErfK/Oetker, § 7 MitbestG Rn 2. 45 Vgl. Hölters/Deilmann, § 291 AktG Rn 55; Hüffer, § 291 AktG Rn 27.

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Die Arbeitnehmer aller Konzernunternehmen in diesem Sinne bilden unter den 52 Voraussetzungen des MitbestG bzw. des DrittelbG eine einheitliche Konzernbe­ legschaft, die ihre Vertreter in den Aufsichtsrat des herrschenden Unternehmens wählen. Allerdings besteht das Wahlrecht nicht in umgekehrter Richtung, d.h. die Arbeitnehmer des herrschenden Unternehmens dürfen nicht an der Wahl des Aufsichtsrats des beherrschten Unternehmens teilnehmen. Bzgl. der Verteilung der Aufsichtsratssitze zwischen Arbeitnehmervertretern aus 53 der Konzernmuttergesellschaft und der Tochtergesellschaft gibt es keine Sitzvertei­ lungsvorgaben. Insbesondere ist den Arbeitnehmern der herrschenden Konzernmuttergesellschaft keine bestimmte Anzahl von Sitzen im Aufsichtsrat vorbehalten.46

2. Konzernzurechnung Ob in einem Unternehmen ein Aufsichtsrat zwingend kraft Gesetzes gebildet werden 54 muss, hängt vor allem davon ab, wie viele Arbeitnehmer in dem Unternehmen regelmäßig beschäftigt sind. Ist der sog. Schwellenwert von 2.000 bzw. von 500 Arbeitnehmern überschritten, ist nach § 1 Abs. 1 MitbestG bzw. nach § 1 Abs. 1 DrittelbG ein Aufsichtsrat zu bilden. Bei Konzerngesellschaften kann die Anzahl der Arbeitnehmer der Konzerntochtergesellschaften der Konzernmuttergesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen zugerechnet werden, so dass der Schwellenwert, ab dem zwingend ein Aufsichtsrat zu bilden ist, erst durch diese Zurechnung überschritten wird. Gem. § 5 Abs. 1 MitbestG und § 2 Abs. 2 DrittelbG ist die Zurechnung – wie auch 55 das Wahlrecht – daran geknüpft, dass ein Konzernverhältnis i.S.d. Aktienrechts vorliegt.47 Allerdings sind die Anforderungen an dieses für die Frage der Arbeitnehmerzurechnung im MitbestG und im DrittelbG unterschiedlich streng geregelt. Da §  5 Abs. 1 MitbestG auf §  18 Abs. 1 AktG insgesamt verweist, liegt ein Konzernverhältnis sowohl bei einer vertraglichen Beherrschung (durch echten Beherrschungsvertrag oder Eingliederungsvertrag) als auch durch ein bloß faktisches Über- und Unterordnungsverhältnis vor. §  2 Abs. 2 DrittelbG, der die Konzernzurechnung regelt, verweist hingegen nicht auf § 18 AktG, anders als § 5 Abs. 1 MitbestG und § 2 Abs.  1 DrittelbG, der das Wahlrecht regelt. Dies hat zur Folge, dass ein bloß fakti­ sches Über- und Unterordnungsverhältnis für eine Konzernzurechnung im Fall der Anwendung des DrittelbG nicht genügt. Es muss vielmehr ein echter aktienrechtlicher Beherrschungsvertrag i.S.d. § 291 AktG oder ein Eingliederungsvertrag i.S.v. §  319 AktG vorliegen. Somit genügt z.B. auch ein Ergebnisabführungsvertrag mit einer weisungsabhängigen, hundertprozentigen Tochtergesellschaft nicht den Anforderungen des § 2 Abs. 2 DrittelbG an ein Beherrschungsverhältnis.48

46 Vgl. BAG, Beschl. v. 24.11.1981 – 1 ABR 80/79 –; ErfK/Oetker, § 2 DrittelbG Rn 12. 47 Siehe hierzu Rn 51. 48 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.12.1996 – 19 W 4/96 AktE –.

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56

 Kapitel 4 Aufsichtsratsmandat

Die Frage nach der Zurechnung von Arbeitnehmern zu anderen Konzerngesellschaften kann nicht nur bei Aufsichtsratswahlen, sondern auch bei Umstrukturie­ rungen praktisch relevant werden, z.B. wenn verschiedene Tochtergesellschaften unter einer Holding zusammengefasst werden.

XIII. Rechtsstellung von Gewerkschaftsvertretern 57 Der Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat kann, muss aber nicht in dem Unternehmen, in dem er im Aufsichtsrat sitzt, beschäftigt oder gewerkschaftlich organisiert sein. Ist der Gewerkschaftsvertreter zugleich auch Arbeitnehmer des Unternehmens, gelten die oben dargestellten Regelungen für Arbeitnehmervertreter entsprechend. Die allgemeinen Wählbarkeitsvoraussetzungen des Gesellschafts- und Mitbestimmungsrechts müssen auch beim Gewerkschaftsvertreter erfüllt sein. Wird den Aufsichtsratsmitgliedern nach der Satzung oder einem Gesellschafter58 beschluss eine Vergütung gewährt, haben auch die Gewerkschaftsvertreter Anspruch hierauf, denn sie sind gleichwertiges Mitglied im Aufsichtsrat. Ebenfalls gelten die übrigen Rechte und Pflichten, wie z.B. der Anspruch auf Aufwandsentschädigung. Eine Besonderheit gibt es beim Streikrecht.49 Checkliste –– Nebeneinander von Rechten und Pflichten aus Arbeitsverhältnis und Aufsichtsratsmandat (Im Zweifel: Vorrang des Aufsichtsratsmandats) –– Behinderungs-, Benachteiligungs- und Bevorteilungsverbot (beruflich wie persönlich) –– Dokumentation von Schulungs-, Beförderungs-, Zulagenentscheidungen etc. –– Angemessene Vergütung der Aufsichtsratstätigkeit –– Beraterverträge –– Anrechnung der Aufsichtsratsvergütung auf Arbeitsentgelt –– Aufwendungsersatz –– Arbeitgeberdarlehen –– Compliance-Regelungen –– Konzernzurechnung

B. Steuerrecht I. Bedeutung für die Praxis

59 Die Verpflichtung zur Einsetzung von Aufsichts- oder Beiräten kann sich entweder

aus den einzelnen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften oder aus der Satzung des Unternehmens ergeben. Für das Unternehmen stellt sich dabei die Frage, ob und welche Steuereinbehaltungsverpflichtungen bestehen, insbesondere auch bei Arbeit-

49 Siehe hierzu die Ausführungen unter Rn 38 ff.

Riehle

B. Steuerrecht 

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nehmervertretern im Aufsichtsrat oder bei im Ausland wohnhaften Aufsichtsratsmitgliedern.

II. Einkommensteuerliche Aspekte Die Wahrnehmung der Pflichten als Aufsichtsrat ist gem. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG als 60 selbstständige Tätigkeit zu qualifizieren. Von dem Unternehmen ist daher keine Lohnsteuer auf die Aufsichtsratsvergütung einzubehalten. Neben der eigentlichen Vergütung für die Aufsichtsratstätigkeit sind auch andere 61 vom Aufsichtsrat bezogene Geld- oder Sachleistungen als Einnahmen aus der Aufsichtsratstätigkeit anzusehen. Beispiel –– Sitzungsgelder –– Aufwandsentschädigung –– Fahrt- und Übernachtungskosten, soweit diese die tatsächlichen Kosten übersteigen –– Vergütungen für Verpflegungsmehraufwendungen, soweit diese die für Dienstreisen maßgeblichen Pauschbeträge übersteigen –– Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten und Bürokräften.50

1. In Deutschland wohnhafte Aufsichtsräte inländischer Unternehmen Aufgrund der selbstständigen Tätigkeit des Aufsichtsratsmitglieds hat dieser seine 62 Einkünfte selbst zu ermitteln und dem zuständigen Finanzamt im Rahmen der jährlichen Einkommensteuererklärung anzugeben. Das Unternehmen hat keinerlei Steuereinbehaltungs- oder Abführungsverpflichtungen. Der Verpflichtung zur Ermittlung der Einkünfte wird regelmäßig durch die 63 Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben im Rahmen einer EinnahmenÜberschuss-Rechnung51 nachgekommen. Betriebsausgaben können zum Abzug gebracht werden, soweit sie mit der Aufsichtsratstätigkeit in Zusammenhang stehen. Beispiel –– Kosten für Reisen zwischen Wohnort und dem Sitz des Unternehmens –– Beiträge für eine Haftpflichtversicherung für Aufsichtsräte –– Büromaterialien –– Telefon-, Fax-, Internetkosten

50 Laut der Vfg. der OFD Hannover v. 29.12.1967 – S 2248 – 4 – StH 221 – gilt dies nicht für die Zurverfügungstellung eines Büros im Unternehmensgebäude. 51 § 4 Abs. 3 EStG.

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 Kapitel 4 Aufsichtsratsmandat

64 Abhängig von der Höhe der Einkünfte ist die Festsetzung von vierteljährlichen Ein­

kommensteuer-Vorauszahlungen seitens des Finanzamtes möglich.

2. Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat

65 Aufgrund des Vorliegens eines eigenständigen Rechtsverhältnisses üben auch Arbeit-

nehmervertreter im Aufsichtsrat eine selbstständige Tätigkeit aus.52 Von dem Unternehmen ist daher keine Lohnsteuer auf die Aufsichtsratsvergütung einzubehalten.53 Zudem besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Fortzahlung des Entgeltes für den Zeitraum, in dem der Arbeitnehmervertreter zur Erfüllung der Aufsichtsratsaufgaben von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt ist.54 Soweit der Arbeitnehmervertreter verpflichtet ist, die erhaltene Aufsichtsratsver66 gütung ganz oder teilweise an eine betriebliche Sozialeinrichtung oder Urlaubskasse abzuführen, kann er diese Ausgaben als Betriebsausgaben geltend machen.55 Dies gilt grundsätzlich auch, wenn die Zuwendungen an gewerkschaftliche Ein­ richtungen (z.B. an die Hans-Böckler-Stiftung des Deutschen Gewerkschaftsbundes) abgeführt werden, soweit dies als Voraussetzung für die Aufstellung als Kandidat gefordert wird.56 Der Entgeltanspruch aus dem Arbeitsverhältnis bleibt in diesen Fällen ausnahmsweise bestehen.57

3. Im Ausland wohnhafte Aufsichtsräte inländischer Unternehmen

67 Das deutsche Besteuerungsrecht von im Ausland wohnhaften Aufsichtsratsmitglie-

dern inländischer Unternehmen erstreckt sich gem. §  49 Abs. 1 Nr. 3 EStG – unabhängig von dem Ort der tatsächlichen Ausübung der Tätigkeit – auf die gesamte Aufsichtsratstätigkeit für das Unternehmen.

Beispiel Der in Österreich wohnhafte Aufsichtsrat eines deutschen Unternehmens nimmt an einer Aufsichtsratssitzung telefonisch teil. Nichtsdestotrotz unterliegt diese Tätigkeit der deutschen Besteuerung. 68 Abweichend davon ist eine Einschränkung des deutschen Besteuerungsrechts

möglich, sofern das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und dem Wohnsitzstaat des Aufsichtsrats eine entsprechend Regelung vorsieht. Vom

52 BFH, Urt. v. 27.7.1972 – V R 136/71 – sowie BFH, Urt. v. 27.2.1982 – V R 136/71 –. 53 Andere Regelungen können für als Aufsichtsrat tätige Beamte gelten, vgl. dazu BFH, Urt. v. 15.3.1957 – VI 84/55 –; a.A. u.a. Kirchhof/Söhn/Mellinghoff/Stuhrmann, § 18 Rn B 246. 54 Vgl. hierzu und zu den Ausnahmen Rn 21 ff. 55 BFH, Urt. v. 9.10.1980 – IV R 81/76 –. 56 OFD Hannover, Vfg. v. 10.6.1980 – S 2144 – 36 – StH 221 –. 57 Vgl. hierzu Rn 23.

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B. Steuerrecht 

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Steuerabzug darf jedoch gem. §  50d Abs. 2 S. 1 EStG nur dann abgesehen werden, wenn das Bundeszentralamt für Steuern auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck bescheinigt, dass die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung vorliegen.

III. Steuerabzug durch das Unternehmen 1. Grundlagen Die Verpflichtung zum Steuerabzug durch das Unternehmen besteht nur in den 69 Fällen, in denen der Aufsichtsrat nicht in Deutschland wohnhaft ist und daher der beschränkten Einkommensteuerpflicht unterliegt, § 50a Abs. 1 Nr. 4 EStG. Es handelt sich dabei grundsätzlich um eine Besteuerung mit Abgeltungswirkung. Das Unternehmen ist gem. § 73a Abs. 1 EStDV Schuldner der Aufsichtsratssteuer. Praxistipp Sofern Zweifel bestehen, ob der Aufsichtsrat beschränkt oder unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist, hat ein Steuerabzug zu erfolgen, es sei denn, der Aufsichtsrat weist anhand einer Bescheinigung des zuständigen Finanzamtes nach, dass er der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt, § 73e S. 6 EStDV.

Das Unternehmen ist verpflichtet, die einbehaltene Steuer spätestens am 10. des auf 70 den Ablauf des Kalendervierteljahres folgenden Monats an das zuständige Finanzamt abzuführen. Darin sind alle dem Aufsichtsrat in diesem Quartal zugeflossenen Vergütungen mit aufzunehmen.

2. Aufzeichnungsverpflichtungen Das Unternehmen muss gem. § 73d Abs. 1 S. 2 EStDV die folgenden Aufzeichnungen 71 führen: –– Name und Adresse des beschränkt steuerpflichtigen Aufsichtsrats, –– Höhe der Vergütungen in €, –– Höhe und Art der von der Bemessungsgrundlage des Steuerabzugs abgezogenen Betriebsausgaben, –– Tag, an dem die Vergütungen dem Steuerschuldner zugeflossen sind –– sowie Höhe und Zeitpunkt der Abführung der einbehaltenen Steuer. Auf Verlangen des Aufsichtsrats ist das Unternehmen verpflichtet, eine Bescheini­ 72 gung mit den folgenden Informationen auszustellen: –– Vergütungshöhe, –– Zahlungstag und –– einbehaltene Steuer. Obwohl der Aufsichtsrat die Steuern schuldet, haftet das Unternehmen für nicht oder 73 zu gering abgeführte Steuerbeträge. Dabei liegt es im Ermessen des Finanzamtes zu entscheiden, an wen es zur Begleichung der Steuer herantritt.

Riehle

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 Kapitel 4 Aufsichtsratsmandat

3. Bruttobesteuerung

74 Der Steuersatz beträgt 30 % der gesamten Einnahmen des Aufsichtsrats. Eine Mit-

einbeziehung der Umsatzsteuer ist nicht vorgesehen, da der Leistungsempfänger (Unternehmen) die Umsatzsteuer schuldet und beim Aufsichtsrat nicht als Einnahme zu berücksichtigen ist.58 Sofern das Unternehmen die Aufsichtsratsteuer übernimmt, beträgt der Steuersatz 42,85 % der ausgezahlten Vergütung. Die Erstattung oder Übernahme von Reisekosten gehört nur dann zu den Ein75 nahmen, wenn diese die für Dienstreisen geltenden steuerfreien Beträge übersteigen.

4. Abzug von Betriebsausgaben (Nettobesteuerung) 76 Ebenso wie bei der Bruttobesteuerung beträgt der Steuersatz 30 %. Abweichend zu der Bruttobesteuerung ist jedoch ein Abzug von nachgewiesenen Betriebsausga­ ben des Aufsichtsrats bereits im Rahmen des Steuerabzugs möglich. Voraussetzung hierfür ist, dass –– der Aufsichtsrat EU-/EWR-Staatsbürger ist, –– in einem EU-/EWR-Land seinen Wohnsitz hat und –– die Betriebsausgaben in unmittelbarem Zusammenhang bzw. in direktem Bezug mit den Einnahmen aus der Aufsichtsratstätigkeit stehen. 77 Der Nachweis sowohl der vom Aufsichtsrat getragenen Aufwendungen als auch der direkt vom Unternehmen getragenen Kosten hat in nachvollziehbarer Form zu erfolgen. Dies umfasst im Regelfall das Vorhalten von Rechnungen, Quittungen oder sonstiger Belege. Das Unternehmen haftet für zu niedrig einbehaltene Steuerbeträge bei Nichtanerkennung der Aufwendungen durch die Finanzverwaltung. Alternativ zur Nettobesteuerung kann der Aufsichtsrat auf Antrag eine Einkom­ 78 mensteuererklärung zur Geltendmachung von Betriebsausgaben abgeben, soweit der Aufsichtsrat Staatsangehöriger eines EU/EWR-Staats ist und dort seinen Wohnsitz hat. Örtlich zuständig für diese Einkommensteuererklärung ist bundesweit das Bundeszentralamt für Steuern, § 50 Abs. 2 S. 8 EStG. Praxistipp Die Geltendmachung der Betriebsausgaben im Rahmen der Einkommensteuererklärung des Aufsichtsrats ist für das Unternehmen aufgrund eines geringeren Verwaltungsaufwands sowie eines geringeren Haftungspotentials regelmäßig von Vorteil.

58 BFH, Urt. v. 24.4.2007 – I R 39/04 –.

Riehle

C. Sozialversicherungsrecht 

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IV. Umsatzsteuerliche Aspekte Aufsichtsräte erbringen im Rahmen ihrer Tätigkeit eine umsatzsteuerpflichtige 79 Leistung,59 welche am Ort der Gesellschaft erbracht wird. Im Inland wohnhafte Aufsichtsräte sind daher als Unternehmer gem. § 2 Abs. 1 UStG zum Ausweis und zur Anmeldung der Umsatzsteuer beim Finanzamt verpflichtet. Praxistipp Die Einnahmen des Aufsichtsrats können von der Umsatzsteuer befreit sein, wenn es sich lediglich um eine ehrenamtliche Tätigkeit handelt und es sich bei den Einnahmen um Auslagenersatz bzw. um eine angemessene Entschädigung für Zeitversäumnis handelt, § 4 Nr. 26b UStG.60

Von einem Umsatzsteuerausweis kann abgesehen werden, wenn der Aufsichtsrat 80 Kleinunternehmer i.S.d. § 19 UStG ist und nicht zur regulären Umsatzbesteuerung optiert hat. Der Kleinunternehmerregelung unterfallen Unternehmer, deren Umsatz –– im vergangenen Jahr 17.500 € nicht überstiegen hat und –– im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Soweit in bestimmten Umsatzsteuer-Voranmeldungszeiträumen keine Umsatz- 81 steuer entsteht, kann sich der Aufsichtsrat auf Antrag von der Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuer-Voranmeldungen entbinden lassen.61 In diesem Fall ist lediglich eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung einzureichen. Die Verpflichtung zur Abgabe einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung gilt im Hinblick auf die Bestätigung der Umsatzgrenzen ebenfalls für Kleinunternehmer. Die Leistung von im Ausland wohnhaften Aufsichtsräten unterliegt ebenfalls im 82 Inland der Umsatzbesteuerung, soweit diese Leistung an das deutsche Unternehmen erbracht wird. Die Steuerschuldnerschaft ist in diesen Fällen jedoch dem empfangenden Unternehmen übertragen (sog. Reverse-Charge-Verfahren, § 13b UStG). In diesem Fall ist das leistungsempfangende Unternehmen zur Abführung der Umsatzsteuer verpflichtet, kann jedoch im Regelfall in gleicher Höhe einen Vorsteuerabzug geltend machen, so dass sich keine materielle Umsatzsteuerschuld ergibt.

C. Sozialversicherungsrecht Eine Aufsichtsratstätigkeit gilt als selbstständige Tätigkeit und ist dementspre- 83 chend sozialversicherungsfrei.

59 Vgl. § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG. 60 Die Tätigkeit als Aufsichtsrat einer Volksbank ist jedoch nicht als ehrenamtlich anzusehen, vgl. BFH, Urt. v. 20.8.2009 – V R 32/08 –. 61 Umsatzsteuer-Anwendungserlass, Abschnitt 18.6 Abs. 1.

Maihöfer

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 Kapitel 4 Aufsichtsratsmandat

Aufsichtsratsvergütungen, welche an Arbeitnehmervertreter eines Aufsichtsrats geleistet werden, stellen gemäß der geltenden Rechtsprechung ebenfalls kein (beitragspflichtiges) Arbeitsentgelt dar.62

62 LSG NRW, Urt. v. 13.9.1966 – L 15 Kn U 156/64 = BB 1967; BFH, Urt. v. 7.8.1987 – VI R 53/84 = BStBl. II S. 822.

Maihöfer

Kapitel 5 Aushilfen A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis Jeder Arbeitgeber, sei es im produzierenden Gewerbe oder im Dienstleistungsgewerbe, 1 sieht sich im Betriebsalltag gelegentlich mit vorübergehenden Personalengpässen oder mit einem zeitlich begrenzten zusätzlichen Arbeitsanfall konfrontiert, den er allein mit der zur Verfügung stehenden Stammbelegschaft nicht bewerkstelligen kann. Für diese Fälle bietet sich dem Arbeitgeber die Möglichkeit, diese Engpässe bzw. „Arbeitsspitzen“ durch die Anstellung von Aushilfskräften effektiv zu überbrücken. Vorteile für den Arbeitgeber –– Flexibilität –– Überbrückung von Personalengpässen –– Effektiver Abbau von Arbeitsspitzen –– Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit

Nachteile für den Arbeitgeber –– Hoher Managementaufwand –– Komplexe Tätigkeiten bedürfen meist einer umfangreichen Einarbeitungsphase, so dass sich die Beschäftigung von Aushilfskräften vorrangig nur für schnell zu erlernende Tätigkeiten empfiehlt –– Die rechtssichere vertragliche Ausgestaltung von Aushilfsarbeitsverträgen erfordert die Beachtung einiger rechtlicher Besonderheiten

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BAG handelt es sich um ein Aus­ 2 hilfsarbeitsverhältnis, sofern der Arbeitnehmer von vornherein zu dem Zweck eingestellt wird, einen vorübergehenden Bedarf an Arbeitskräften abzudecken, der nicht durch den normalen Betriebsablauf, sondern durch den Ausfall von Arbeitskräften oder durch einen zeitlich begrenzten zusätzlichen Arbeitsanfall begründet wird.1 Hiervon abzugrenzen ist die sog. Daueraushilfe. Diese liegt vor, wenn derselbe 3 Arbeitnehmer aufgrund mehrerer aufeinander folgender Zeitverträge über einen längeren Zeitraum zur Abdeckung konkreten Vertretungsbedarfs beschäftigt wird und dies von Anfang an beabsichtigt war.2 Eine solche Daueraushilfe ist nach der Rechtsprechung des BAG unzulässig, da bei einer derartigen Sachlage davon auszugehen

1 BAG, Urt. v. 25.11.1992, – 7 AZR 191/92 –; BAG, Urt. v. 12.12.1985, – 2 AZR 9/85 –; MüArbR/ Buchner, § 33 Rn 72. 2 MüArbR/Wank, § 95 Rn 47; Ascheid/Preis/Schmidt/Backhaus, § 14 TzBfG Rn 152.

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 Kapitel 5 Aushilfen

ist, dass der Arbeitnehmer die ständige Arbeitsaufgabe hat, vorübergehend ausfallende Mitarbeiter zu vertreten (sog. Springer).3 Praxistipp Eine Überschreitung der Grenze zur unzulässigen Daueraushilfe ist stets anhand der konkreten Einzelfallumstände zu beurteilen. Sie liegt in der Regel vor, wenn bei mehreren aufeinander folgenden Zeitverträgen, die zum Zwecke des wiederholten Vertretungsbedarfs abgeschlossen werden sollen, die Betrachtung der einzelnen Zeitverträge ergibt, dass die erforderliche Prognose des Vertretungsbedarfs negativ ausfällt.

II. Vertragliche Ausgestaltung eines Aushilfsarbeitsverhältnisses 1. Nachweispflicht 4 Einigen sich Arbeitgeber und Aushilfskraft über eine Zusammenarbeit in Form eines Aushilfsarbeitsverhältnisses, so sind grundsätzlich die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich festzuhalten. Dies folgt aus dem Nachweisgesetz, das grundsätzlich auf alle abhängig Beschäftigten der Privatwirtschaft Anwendung findet. Allerdings sieht das Nachweisgesetz bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern zur vorübergehenden Aushilfe einige Besonderheiten vor, die zu beachten sind.4 Für Aushilfsarbeitsverhältnisse, die lediglich auf maximal einen Monat befris­ 5 tet sind, besteht nach der Vorschrift des §  1 Hs. 2 NachwG keine Nachweispflicht.5 Allerdings greift diese Ausnahmeregelung im Zusammenhang mit Aushilfskräften nicht bereits dann ein, wenn ein auf maximal einen Monat befristetes Aushilfsarbeitsverhältnis vorliegt. Vielmehr muss es sich i.S.v. § 622 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 BGB um tat­ sächlich von vornherein nur zur vorübergehenden Aushilfe eingestellte Arbeit­ nehmer handeln. Das sind nur solche Arbeitnehmer, die wegen des Ausfalls von Stammkräften für maximal einen Monat oder zeitlich für einen auf maximal einen Monat begrenzten zusätzlichen Arbeitsanfall eingestellt werden.6 Praxishinweis –– Es handelt sich nicht bereits um eine Aushilfskraft i.S.d. Definition, wenn eine Aushilfskraft für eine kurze Dauer von maximal einem Monat eingestellt wird. Vielmehr muss kumulativ die Voraussetzung gegeben sein, dass die Arbeitskraft wegen Personalausfalls oder wegen zusätzlichen Arbeitsanfalls eingestellt wird. Nur in diesem Fall kann eine Befreiung von der Nachweispflicht nach § 1 Hs. 2 NachwG erfolgen. –– Die Möglichkeit der Befreiung von der Nachweispflicht für Aushilfskräfte besteht nur bis zu einer Beschäftigungsdauer von maximal einem Monat. Eine darüber hinaus gehende Beschäftigungsdauer führt zur uneingeschränkten Nachweispflicht nach dem NachwG.

3 BAG, Urt. v. 3.10.1984, – 7 AZR 192/83 –; MüArbR/Wank, § 95 Rn 47. 4 ErfK/Preis, § 1 NachwG Rn 1. 5 ErfK/Preis, § 1 NachwG Rn 3. 6 Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath/Schubert, NachwG § 1 Rn 8.

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A. Arbeitsrecht 

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2. Befristetes Aushilfsarbeitsverhältnis Ein Aushilfsarbeitsverhältnis kann sowohl befristet als auch unbefristet abgeschlos- 6 sen werden.7 Da es entsprechend der Definition des Aushilfsarbeitsverhältnisses in der Praxis regelmäßig um die Deckung eines vorübergehend anfallenden Arbeits­ bedarfs geht, werden im Rahmen der Anstellung von Aushilfskräften regelmäßig befristete Arbeitsverhältnisse abgeschlossen. Allerdings führt allein die Bezeichnung des Arbeitnehmers bzw. die zu verrichtende Tätigkeit als Aushilfe nicht dazu, dass das Arbeitsverhältnis als befristet anzusehen ist.8 Wird das Aushilfsarbeitsverhältnis befristet abgeschlossen, so ist zu beachten, dass die Befristung zur ihrer Wirksamkeit der Schriftform gem. § 14 Abs. 4 TzBfG bedarf. Praxishinweis Die Missachtung dieser Formvorschrift hat zur Folge, dass das Arbeitsverhältnis als unbefristet abgeschlossen gilt.

a) § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG aa) Vorübergehender betrieblicher Bedarf an der Arbeitsleistung Entsteht im Betrieb des Arbeitgebers z.B. aufgrund einer plötzlich eintretenden 7 Zunahme an Kundenanfragen oder einer erhöhten Anzahl von Bestellungen hinsichtlich eines bestimmten Produktes vorübergehend ein erhöhter Arbeitsanfall, so stellt hierfür der Befristungsgrund des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG das richtige Handlungsinstrument dar, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht. Hierbei setzt der Sachgrund des vorübergehenden betrieblichen Bedarfs an der 8 Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nach der Rechtsprechung des BAG voraus, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw. der Vereinbarung über die Befristungsabrede mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass für eine Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers über das vorgesehene Vertragsende hinaus kein Bedarf besteht.9 Diesbezüglich hat der Arbeitgeber eine Prognose zu erstellen, der konkrete Anhaltspunkte zugrunde liegen müssen.10

7 Ascheid/Preis/Schmidt/Backhaus, § 14 TzBfG Rn 150. 8 Ascheid/Preis/Schmidt/Backhaus, § 3 TzBfG Rn 7. 9 BAG, Urt. v. 29.7.2009 – 7 AZR 907/07 –. 10 Boecken/Joussen/Boecken, § 14 Rn 45.

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 Kapitel 5 Aushilfen

Praxistipp Die Beweislast für die Darlegung der tatsächlichen Grundlage der Prognose liegt beim Arbeitgeber. Eine etwaige Ungewissheit der künftigen Bedarfsentwicklung als solche reicht für die Rechtfertigung einer Befristung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG nicht aus, da diese Unsicherheit zum unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers gehört.11

bb) Projektbefristung

9 Insbesondere in Branchen, die stark von Tätigkeiten geprägt sind, die im Rahmen von

Projekten abgewickelt werden und zumeist innerhalb eines vorgegebenen Zeitrahmens zu erfolgen haben, wird eine gewisse Flexibilität des Betriebsinhabers als Projektverantwortlichem verlangt. Um in solchen Situationen wettbewerbsfähig agieren zu können, benötigt der Betriebsinhaber bzw. Arbeitgeber ein Instrument zur projektbezogenen Einstellung von Aushilfskräften, sofern er das Projekt nicht mit der eigenen Stammbelegschaft ordnungsgemäß abwickeln kann. Hierzu bietet sich für den Betriebsinhaber/Arbeitgeber die sog. Projektbefristung, als Unterfall des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG, als das richtige Befristungsinstrument zur Ausgestaltung von Aushilfsarbeitsverhältnissen an. Handelt es sich um eine Projektbefristung, ist für den Arbeitgeber von besonde10 rem Interesse, dass das BAG an die Zulässigkeit der Befristung grundsätzlich geringere Anforderungen stellt. Dies gilt insbesondere für die Prognose des zusätzlichen Arbeitsbedarfs. Praxistipp Die Beweislast für die Prognose des zusätzlichen Arbeitsbedarfs im Rahmen eines Projekts trägt der Arbeitgeber. 11 Laut der Rechtsprechung des BAG muss sich bei der Projektbefristung die Prog­

nose des Arbeitgebers allein auf den durch die Beendigung des konkreten Projekts vorhersehbaren Wegfall des zusätzlichen Arbeitsbedarfs für den befristet eingestellten Arbeitnehmer beziehen.12 Unerheblich ist, ob der befristet beschäftigte Arbeitnehmer nach Fristablauf aufgrund seiner Qualifikation auf einem freien Arbeitsplatz in einem anderen Projekt befristet oder unbefristet beschäftigt werden könnte.13 Es genügt für eine fundierte Prognose im Rahmen einer Projektbefristung, wenn der Arbeitgeber die Tatsachen, aus denen sich die zeitliche und/oder sachliche Begrenztheit des Auftrags ergibt, darlegt. Da bereits dieser Umstand die ausreichende

11 Boecken/Joussen/Boecken, § 14 Rn 46. 12 BAG, Urt. v. 29.7.2009, – 7 AZR 907/07 –. 13 BAG, Urt. v. 29.7.2009, – 7 AZR 907/07 –.

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Prognose begründet, dass nach Ablauf des Projekts der Bedarf an der Arbeitsleistung des zur Durchführung dieses Projekts befristet eingestellten Arbeitnehmers entfällt.14 Praxistipp Für die Prognose des Arbeitgebers im Rahmen einer Projektbefristung genügt es, wenn dieser darlegen kann, dass der zusätzliche Arbeitsbedarf mit Abschluss des Projektes wegfällt.

Darüber hinaus verlangt das BAG für die sachliche Rechtfertigung der Projektbefris- 12 tung, dass es sich bei den im Rahmen des Projekts zu bewältigenden Aufgaben um eine auf vorübergehende Dauer angelegte und gegenüber den Daueraufgaben des Arbeitgebers abgrenzbare Zusatzaufgabe handelt. Dies ist nicht bei Tätigkeiten der Fall, die der Arbeitgeber im Rahmen des verfolgten Betriebszwecks dauerhaft wahrnimmt.15 Praxistipp Für beide Befristungsvarianten des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG ist wichtig, dass zwischen dem vorübergehend anfallenden erhöhten Arbeitsanfall und der befristeten Einstellung der Aushilfsarbeitskraft ein kausaler Sachzusammenhang bestehen muss. Dieser Zusammenhang wird nicht bereits dadurch unterbrochen, dass der Arbeitgeber die vorhandene Arbeitsmenge verteilt, seine Arbeitsorganisation ändert oder die zusätzlich anfallenden Arbeiten einem anderen als dem befristet eingestellten Arbeitnehmer zuweist.16

b) § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG Fällt im Betrieb des Arbeitgebers ein Mitarbeiter aus, sei es durch längerfristige Krank- 13 heit oder z.B. durch eine Schwangerschaft, so kann der Arbeitgeber für den Zeitraum, in dem der Mitarbeiter ausfällt, eine entsprechende Vertretung einstellen, um einen kontinuierlichen Betriebsablauf gewährleisten zu können, § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG. Der Sachgrund für die Befristung liegt in Vertretungsfällen darin, dass der Arbeitgeber bereits mit dem vorübergehend an der Arbeitsleistung verhinderten Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis hat und mit der Rückkehr dieses Arbeitnehmers rechnet, so dass für die Wahrnehmung von dessen Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis besteht.17 Teil des Sachgrundes ist die Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtli- 14 chen Wegfall des Vertretungsbedarfs durch die Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters.18 Davon kann grundsätzlich ausgegangen werden, weil in der Regel damit zu

14 Boecken/Joussen/Boecken, § 14 Rn 47. 15 BAG, Urt. v. 29.7.2009, – 7 AZR 907/07 –. 16 BAG, Urt. v. 20.2.2008, – 7 AZR 950/06 –. 17 BAG, Urt. v. 25.3.2009, – 7 AZR 34/08 –; BAG, Urt. v. 6.6.2002, – 7 AZR 201/01 –. 18 BAG, Urt. v. 25.3.2009, – 7 AZR 34/08 –.

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 Kapitel 5 Aushilfen

rechnen ist, dass der Vertretene nach Beendigung der Freistellung oder Beurlaubung seine arbeitsvertraglichen Pflichten wieder erfüllen wird.19 Die Prognose des Arbeitgebers im Rahmen einer Befristung gem. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG muss sich nur auf den Wegfall des Vertretungsbedarfs durch die zu erwartende Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters beziehen, nicht aber auf den Zeitpunkt der Rückkehr und damit auf die Dauer des Vertretungsbedarfs erstrecken.20 Praxishinweis –– Der Befristungsgrund der Vertretung greift nur, sofern der Arbeitgeber sicher damit rechnet, dass der Vertretene nach seinem Ausfall an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt. Nur in diesem Fall besteht ein zeitlich begrenzter Vertretungsbedarf, der durch eine Aushilfskraft gedeckt werden kann. –– Die Prognose des Arbeitgebers bezüglich des Sachgrundes des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG muss sich nur auf den Wegfall des Vertretungsbedarf durch die Rückkehr des Vertretenen beziehen. Die Beweislast trägt der Arbeitgeber. 15 Eine wiederholte Befristung des Arbeitsverhältnisses wegen der mehrfachen Ver-

hinderung der zu vertretenden Stammkraft steht der Prognose des künftigen Wegfalls des Vertretungsbedarfs nicht entgegen. Nur im Ausnahmefall, wenn der Arbeitgeber aufgrund ihm vorliegender Informationen erhebliche Zweifel daran haben muss, dass die zu vertretende Stammkraft überhaupt wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren wird, kann dies dafür sprechen, dass der Sachgrund der Vertretung nur vorgeschoben ist. Dadurch kann die Befristung unwirksam sein.21

Praxishinweis Ist dem Arbeitgeber bekannt oder drängen sich ihm Zweifel auf, dass der vertretene Arbeitnehmer nicht wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt bzw. zurückkehren kann, kann die Befristung nicht auf § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG gestützt werden. 16 Der Sachgrund der Vertretung setzt nicht voraus, dass der befristet zur Vertretung ein-

gestellte Mitarbeiter die vorübergehend ausfallende Stammkraft unmittelbar vertritt und die von ihr bislang ausgeübten Tätigkeiten erledigt.22 Insoweit kann der Vertreter auch mit anderen Aufgaben betraut werden, da die befristete Beschäftigung zur Vertretung die Versetzungs- und Umsetzungsbefugnisse des Arbeitgebers unberührt lässt. Hierbei muss sichergestellt sein, dass die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers wegen des Arbeitskräftebedarfs erfolgt, der durch die vorüber-

19 BAG, Urt. v. 25.3.2009, – 7 AZR 34/08 –; BAG, Urt. v. 11.12.1991, – 7 AZR 431/90 –. 20 BAG, Urt. v. 25.3.2009, – 7 AZR 34/08 –. 21 BAG, Urt. v. 25.3.2009, – 7 AZR 34/08 –; BAG, Urt. v. 23.1.2002, – 7 AZR 440/00 –; BAG, Urt. v. 27.6.2002, – 7 AZR 326/00 –. 22 BAG, Urt. v. 25.3.2009, – 7 AZR 34/08 –; BAG, Urt. v. 20.1.1999, – 7 AZR 540/97 –.

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A. Arbeitsrecht 

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gehende Abwesenheit des zu vertretenden Mitarbeiters entsteht.23 Fehlt ein solcher Kausalzusammenhang, ist die Befristung nicht durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt.24

c) § 14 Abs. 2 TzBfG Nach § 14 Abs. 2 TzBfG kann ein Aushilfsarbeitsverhältnis auch ohne Sachgrund bis 17 zu einer Dauer von zwei Jahren befristet werden, wobei bis zur Gesamtdauer von 2  Jahren höchstens die dreimalige Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags zulässig ist.25 Praxishinweis –– Bei der Befristung ohne Sachgrund nach § 14 Abs. 2 TzBfG ist stets das Zuvorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG zu beachten. Stand hiernach der anzustellende Arbeitnehmer bereits zuvor in einem befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber, so scheidet eine sachgrundlose Befristung grundsätzlich aus, es sei denn, das frühere Arbeitsverhältnis liegt mehr als 3 Jahre zurück.26 –– Sinn und Zweck des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ist nicht die Verhinderung befristeter Verträge, sondern die Verhinderung von „Befristungsketten“.

3. Unbefristetes Aushilfsarbeitsverhältnis Dem Arbeitgeber bleibt es unbenommen auch ein unbefristetes Aushilfsarbeitsver- 18 hältnis zu begründen. Dann gilt es, die verkürzte Kündigungsfrist i.S.d. § 622 Abs. 5 Nr. 1 BGB zu vereinbaren. Laut dieser Vorschrift wird durch die Vereinbarung eines unbefristeten Aushilfsarbeitsverhältnisses die Möglichkeit eröffnet, innerhalb der ersten drei Monate eine von §  622 BGB abweichende, verkürzte Kündigungsfrist zu vereinbaren.27 Entgegen dem Wortlaut des § 622 Abs. 5 Nr. 1 BGB ist neben der Möglichkeit der Verkürzung der Kündigungsfristen auch eine von der gesetzlichen Festlegung abweichende Vereinbarung der Kündigungstermine möglich.28 Die gewünschte Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften muss aber bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses hinreichend zum Ausdruck kommen.29 Fehlt diese, bleibt es bei den gesetzlichen Kündigungsfristen.30

23 BAG, Urt. v. 25.3.2009, – 7 AZR 34/08 –. 24 BAG, Urt. v. 25.3.2009, – 7 AZR 34/08 –. 25 Küttner/Röller, Aushilfskräfte Rn 2. 26 BAG, Urt. v. 6.4.2011, – 7 AZR 716/09 –. 27 Ascheid/Preis/Schmidt/Preis, F Rn 20. 28 Ascheid/Preis/Schmidt/Preis, F Rn 20. 29 Ascheid/Preis/Schmidt/Preis, F Rn 22. 30 Ascheid/Preis/Schmidt/Preis, F Rn 22.

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 Kapitel 5 Aushilfen

Praxistipp –– § 622 Abs. 5 Nr. 1 BGB ermöglicht bei der unbefristeten Beschäftigung von Aushilfskräften die Verkürzung der gesetzlichen Kündigungsfristen sowie eine Veränderung der Kündigungster­ mine. –– Die Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB von vier Wochen kann unbeschränkt verkürzt werden.31 Eine Untergrenze besteht insoweit im Einklang mit der Rechtsprechung nicht.32 –– Über die verkürzte Kündigungsfrist und geltenden Kündigungstermine ist eine schriftliche Ab­ rede zu treffen. Auch ist in einer Klausel festzuhalten, dass es sich nur um ein vorübergehendes Aushilfsarbeitsverhältnis handelt. Eine solche Vereinbarung dient der Klarstellung und schafft Rechtssicherheit.

4. Arbeit auf Abruf

19 Geht es bei der Beschäftigung von Aushilfskräften für den Arbeitgeber meist darum,

kurzfristig eintretende Personalengpässe zu überbrücken, so bleibt es dem Arbeitgeber unbenommen, die Aushilfsarbeitskräfte auch in Form der Arbeit auf Abruf zu beschäftigen, sofern vom Arbeitgeber ein Zugewinn weiterer Flexibilität gewünscht ist. Arbeit auf Abruf kann grundsätzlich mit jedem Arbeitnehmer vereinbart werden, unabhängig vom Umfang der Arbeitszeit.33

5. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

20 Grundsätzlich steht auch der Aushilfskraft im Krankheitsfall ein Anspruch auf Ent-

geltfortzahlung nach dem EFZG zu. Der Anspruch setzt das vierwöchige ununterbrochene Bestehen des Aushilfsarbeitsverhältnisses voraus. Praxishinweis Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht mit Ablauf der Wartezeit von vier Wochen. Erforderlich ist dabei lediglich der Bestand des Arbeitsverhältnisses. Eine tatsächliche Beschäftigung während der Wartezeit ist nicht erforderlich.34

31 Ascheid/Preis/Schmidt/Link, § 622 BGB Rn 153. 32 BAG, Urt. v. 22.5.1986, – 2 AZR 392/85 –. 33 Boecken/Joussen/Boecken, § 12 Rn 12, 13; hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Kap. 2 – Arbeit auf Abruf verwiesen. 34 ErfK/Dörner, § 3 EFZG Rn 33.

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A. Arbeitsrecht 

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6. Urlaubsansprüche Aushilfsarbeitskräften haben einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestur­ 21 laub.35 Allerdings ist gem. § 4 BUrlG zu beachten, dass der volle Urlaubsanspruch erst bei mindestens sechsmonatigem Bestand des Aushilfsarbeitsverhältnisses entsteht. Besteht das Aushilfsarbeitsverhältnis noch keine sechs Monate, so steht der Aushilfskraft gem. § 5 Abs. 1 BUrlG ein Urlaubsanspruch in Höhe von 1/12 des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Aushilfsarbeitsverhältnisses zu. Beispiel Ein Unternehmen gewährt einer Vollzeitkraft einen gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch von 20 Urlaubstagen gem. § 5 Abs. 1 BUrlG. Wird eine Aushilfskraft bspw. für einen Zeitraum von vier Monaten eingesetzt, so steht der Aushilfskraft ein Urlaubsanspruch in Höhe von 4/12 zu. Dies würde insgesamt 6,66 Urlaubstagen entsprechen. Laut § 5 Abs.2 BUrlG werden Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, auf volle Urlaubstage aufgerundet. Somit hätte die Aushilfskraft nach diesem Beispiel einen Gesamturlaubsanspruch von 7 Tagen.

7. Beendigung des Aushilfsverhältnisses/Kündigungsschutz Hinsichtlich der Beendigung des Aushilfsarbeitsverhältnisses gelten keine Beson- 22 derheiten. Ist das Aushilfsarbeitsverhältnis befristet worden, so tritt die Beendigung des Aushilfsarbeitsverhältnisses entweder mit Zeitablauf oder durch Zweck­erfüllung ein. Wurde das Aushilfsarbeitsverhältnis unbefristet geschlossen, so endet es durch ordentliche oder außerordentliche Kündigung, wobei die entsprechenden gesetzlichen oder vereinbarten Kündigungsfristen gelten.36 Schließlich unterfällt das Aushilfsarbeitsverhältnis auch dem Regelungsbereich des KSchG, sofern der Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes eröffnet ist.37

8. Anspruch auf ein Zeugnis Eine Aushilfe, die im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt wird, kann nach 23 Beendigung des Arbeitsverhältnisses gem. § 109 GewO einen Anspruch auf Ausstellung eines Zeugnisses geltend machen. Für den Anspruch aus § 109 GewO kommt es nicht darauf an, ob es sich um ein Teilzeit- oder Vollzeitarbeitsverhältnis handelt, oder wie lange das Arbeitsverhältnis gedauert hat.38

35 Küttner/Röller, Aushilfskräfte Rn 8. 36 Vgl. Rn 19. 37 Küttner/Röller, Aushilfskräfte Rn 5. 38 BeckOK-ArbR/Tillmanns, § 109 GewO Rn 4, 5.

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 Kapitel 5 Aushilfen

III. Betriebsverfassungsrecht 1. Berücksichtigung von Aushilfskräften bei der erstmaligen Einrichtung eines Betriebsrats 24 Stellt sich für die Belegschaft die Frage der Errichtung eines Betriebsrats, so gelten grundsätzlich die Maßstäbe des BetrVG. Ob ein Betriebsrat zu errichten ist, hängt maßgeblich von der erforderlichen Mindestarbeitnehmerzahl im Betrieb ab. Für die Errichtung eines Betriebsrats ist nach § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG erforderlich, dass im Betrieb mindestens fünf ständige wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind. Erforderlich ist somit eine Mindestbelegschaft, wobei es sich um „ständige“ Arbeit­ nehmer handeln muss.39 Ob es sich um einen ständigen Arbeitnehmer handelt, bestimmt sich nach der Arbeitsaufgabe, die der Arbeitnehmer im Betrieb wahrnimmt. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob der Arbeitnehmer infolge der Arbeitsaufgabe nicht nur vorübergehend dem Betrieb angehört. Ausgenommen werden sollen durch dieses Tatbestandsmerkmal Arbeitnehmer, die im Hinblick auf die ihnen zugewiesene Arbeitsaufgabe von Beginn an nur befristet eingestellt werden. Hierzu zählen auch solche Arbeitnehmer die nur aus dem Grund eingestellt werden, um „Spitzen“ abzubauen, denn hierbei handelt es sich lediglich um eine vorübergehende Arbeitsaufgabe.40 Praxishinweis Bei der Ermittlung der Stammbelegschaft zur Errichtung eines Betriebsrats haben Aushilfen außer Betracht zu bleiben.41

2. Aktives Wahlrecht und passives Wahlrecht von Aushilfskräften

25 Zu trennen von der Frage der Berücksichtigung von Aushilfskräften bei der Ermitt-

lung der Stammbelegschaft bei der Errichtung eines Betriebsrats ist das betriebsverfassungsrechtliche aktive und passive Wahlrecht von Aushilfskräften. Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze der §§ 7 und 8 BetrVG. Die Wahlberechtigung, also das aktive Wahlrecht nach § 7 BetrVG, steht grund26 sätzlich allen Arbeitnehmern zu, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und zu dem Betrieb gehören. Hierbei wird nicht zwischen einer befristeten oder unbefristeten Tätigkeit unterschieden, da der zeitliche Arbeitsumfang für die Annahme der Betriebsbindung nicht erforderlich ist.42 Die Dauer der Betriebszugehörigkeit spielt für die Wahlberechtigung eines Arbeitnehmers keine Rolle. Es kommt also nicht entscheidend darauf an, ob der Arbeitnehmer auf Dauer oder nur vorübergehend einge-

39 Düwell/Kloppenburg, § 1 Rn 6. 40 Düwell/Kloppenburg, § 1 Rn 108. 41 Düwell/Kloppenburg, § 1 Rn 108; Küttner/Röller, Aushilfskräfte Rn 9. 42 Düwell/Brors, § 7 Rn 10; BeckOK-ArbR/Besgen, § 7 BetrVG Rn 2.

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B. Steuerrecht 

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stellt ist, ob es sich also um einen ständigen oder nichtständigen Arbeitnehmer handelt.43 Auch wer am Tag der Wahl nur zu vorübergehender Beschäftigung eingestellt ist, etwa ein Aushilfsarbeiter, ist gem. § 7 BetrVG wahlberechtigt, so dass auch den Aushilfskräften das Recht zur Wahl des Betriebsrates eingeräumt wird.44 Entsprechendes gilt für das passive Wahlrecht nach § 8 BetrVG, also die Wähl- 27 barkeit zum Betriebsratsmitglied. Auch einer Aushilfskraft kann das passive Wahlrecht zukommen, sofern sie die materiellen Voraussetzungen des BetrVG erfüllt. Danach muss die Aushilfskraft mindestens seit sechs Monaten dem Betrieb angehören, damit gewährleistet ist, dass sich der Arbeitnehmer nach dem Gesetzeszweck mit den Verhältnissen des Betriebs vertraut machen kann. Der Arbeitnehmer i.S.d. BetrVG ist auch dann betriebszugehörig, wenn das Arbeitsverhältnis nach einer kurzen und tatsächlichen Unterbrechung wieder aufgenommen wird, wobei die Zwischenzeiten den Fristablauf hemmen und somit auf die sechsmonatige Frist nicht anzurechnen sind.45 Wird das Arbeitsverhältnis beendet, der Arbeitnehmer im Anschluss hieran erneut wieder eingestellt, sind diese Zeiten bis auf die beschäftigungslosen Zwischenzeiten daher zu addieren.46 Checkliste –– Unzulässigkeit der Daueraushilfe –– Entbehrlichkeit der Nachweispflicht bei Aushilfstätigkeit bis zur Dauer von einem Monat –– Befristetes oder unbefristetes Aushilfsarbeitsverhältnis –– Grundsätzliche Anwendbarkeit der arbeitsrechtlichen Grundsätze –– Möglichkeit der Verkürzung von Kündigungsfristen und Änderung von Kündigungsterminen –– Nichtberücksichtigung von Aushilfskräften bei der Ermittlung der Stammbelegschaft bei Errichtung eines Betriebsrats

B. Steuerrecht Aushilfen sind in aller Regel als Arbeitnehmer anzusehen, weil sie zumeist mit ein- 28 fachen Tätigkeiten betraut werden, weisungsgebunden tätig und in den Betrieb des Auftraggebers (= Arbeitgebers) eingegliedert sind. Unter Verzicht auf die Berücksichtigung der elektronischen Lohnsteuerabzugs- 29 merkmale kann die Lohnsteuer für den an kurzfristig beschäftigte Arbeitnehmer gezahlten Arbeitslohn mit 25 % (§ 40a Abs. 1 EStG) und für Aushilfskräfte in Betrieben der Land- und Forstwirtschaft mit 5 % (§ 40a Abs. 3 EStG) pauschaliert werden. Zusätzlich zur pauschalen Lohnsteuer fallen Solidaritätszuschlag und ggf. pauschale

43 Richardi/Thüsing, § 7 BetrVG Rn 31. 44 Richardi/Thüsing, § 7 BetrVG Rn 31. 45 Düwell/Düwell, § 8 Rn 6. 46 Düwell/Düwell, § 8 Rn 6.

Karges

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 Kapitel 5 Aushilfen

Kirchensteuer an. Die nachfolgenden Ausführungen befassen sich vorrangig mit kurzfristigen Beschäftigungen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft.

I. Entscheidungsrecht des Arbeitgebers

30 Die Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40a EStG ist weder von einem Antrag des

Arbeitgebers noch von der Zustimmung des jeweiligen Arbeitnehmers abhängig. Dementsprechend besteht auch für den Arbeitgeber kein Zwang, bei allen Arbeitnehmern, die die Pauschalierungsvoraussetzungen erfüllen, § 40a EStG einheitlich anzuwenden. Mit der Formulierung „kann“ kommt eindeutig zum Ausdruck, dass es im alleinigen Entscheidungsbereich des Arbeitgebers liegt, den an die Aushilfen zu zahlenden Lohn mit Pauschalsteuer zu belegen.47 Selbst im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung kann das Finanzamt ohne 31 ausdrückliche Zustimmung des Arbeitgebers keinen Nachforderungsbescheid auf Basis einer nach § 40a EStG berechneten Lohnsteuer erlassen.48 Praxistipp Die Entscheidung für oder gegen die Pauschalierung der Lohnsteuer ist aus Arbeitgebersicht vor dem Hintergrund zu treffen, dass der Arbeitgeber Schuldner der pauschalen Lohnsteuer ist. Diese kann zwar im Innenverhältnis auf den Arbeitnehmer abgewälzt werden; das ist aber in Bezug auf Aushilfen eher selten anzutreffen. Je nach Höhe des Arbeitslohns kann es daher vorteilhaft sein, im Einzelfall zu entscheiden, ob die Lohnsteuer pauschaliert werden soll. Aus Sicht des Arbeitnehmers muss sich die Entscheidung gegen die Pauschalversteuerung nicht zwingend nachteilig auswirken. In der Steuerklasse I fällt tatsächlich erst ab einem Monatslohn von 905 € (Tarif 2012) Lohnsteuer an.

II. Pauschalierungsvoraussetzungen für Aushilfskräfte 1. Kurzfristige Beschäftigung 32 Für die Pauschalierung nach §  40a Abs. 1 EStG muss es sich um eine kurzfristige Beschäftigung im Sinne dieser Vorschrift handeln. Eine kurzfristige Beschäftigung i.S.d. sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften muss dementsprechend nicht vorliegen. Eine kurzfristige Beschäftigung liegt nach dem Wortlaut des Gesetzes vor, wenn der Arbeitnehmer gelegentlich, d.h. nicht regelmäßig wiederkehrend beschäftigt wird und die Dauer der Beschäftigung 18 zusammenhängende Arbeitstage nicht übersteigt.

47 So auch Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, § 40a Rn 1. 48 BFH, Urt. v. 20.11.2008 – VI R 4/06 –.

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B. Steuerrecht 

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In Bezug auf das Merkmal „gelegentlich“ ist allein die Wiederholungsabsicht 33 maßgebend. Wie oft die Aushilfe im Laufe eines Jahres tatsächlich tätig wird, ist nach Verwaltungsmeinung irrelevant.49 Praxistipp Der Anstellungsvertrag der Aushilfe sollte lediglich für die laufende Saison geschlossen werden. Der Hinweis auf einen Einsatz in der kommenden Saison wäre in Bezug auf die kurzfristige Beschäftigung und damit auf die Lohnsteuerpauschalierung schädlich.

Bei der Tageshöchstgrenze ist allein auf die Tage abzustellen, an denen der Arbeit- 34 nehmer verpflichtet ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen, d.h. arbeitsfreie Wochenenden und Feiertage sind unbeachtlich.50 Beispiel –– Ein Arbeitnehmer wird im Juli 2012 zur Verstärkung der Tagschicht von einem Automobilhersteller eingestellt. Er arbeitet vom 1.7.2012 bis zum 20.7.2012 jeweils von Montag bis Freitag. –– Die Summe der tatsächlichen Arbeitstage beträgt 15, so dass es sich um eine kurzfristige Beschäftigung handelt.

2. Durchschnittlicher Arbeitslohn je Arbeitstag Neben der Kurzfristigkeit darf der Gesamtlohn inklusive sonstiger Bezüge dividiert 35 durch Anzahl der tatsächlichen Arbeitstage einen Betrag von 62 € nicht übersteigen. Weil es sich dabei um einen Durchschnittswert bezogen auf die gesamte Beschäftigungsdauer handelt, ist es unschädlich, wenn der Arbeitslohn an einigen Tagen mehr als 62 € beträgt. Bei einem Arbeitstag muss es sich nicht zwingend um einen Kalendertag handeln; es kann sich dabei auch um eine über zwei Kalendertage erstreckende Nachtschicht handeln.51

3. Beschäftigung zu einem unvorhersehbaren Zeitpunkt Für den Fall, dass die kurzfristige Beschäftigung zu einem unvorhersehbaren Zeit- 36 punkt sofort erforderlich wird, kann der durchschnittliche Arbeitslohn von 62 € auch überschritten werden, ohne dass damit die Pauschalierung gefährdet wird. Allerdings darf in diesem Fall die Stundenlohngrenze von 12 € während der Beschäftigungsdauer nicht überschritten werden.

49 Vgl. R 40a.1 Abs. 2 S. 4 LStR. 50 Vgl. Küttner/Seidl, Aushilfskräfte Rn 25. 51 BFH, Urt. v. 8.1.1994 – VI R 51/93 –.

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 Kapitel 5 Aushilfen

Das Tatbestandsmerkmal der Unvorhersehbarkeit bezieht sich auf den jeweiligen Geschehensablauf. Dieser muss für den Arbeitgeber überraschend, unwahrscheinlich und von vornherein nicht kalkulierbar eintreten. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn der Einsatzzeitpunkt seit längerem feststeht (z.B. bei einer Messe) oder der kurzfristige Einsatz betriebstypisch ist (z.B. beim Einsatz von Reinigungskräften nach der Schicht). Beispiel Die Unvorhersehbarkeit der Beschäftigung von Aushilfen ist gegeben in Fällen höherer Gewalt, wie z.B. Stromausfall, Hochwasser, Blitzeis oder starker Schneefall; ebenso beim Ausfall mehrerer Arbeitnehmer durch Krankheit.

4. Durchschnittlicher Stundenlohn

38 Übersteigt der durchschnittliche Lohn je Arbeitsstunde den Wert von 12 € während

der Beschäftigungsdauer, entfällt die Möglichkeit, den Aushilfslohn pauschal zu besteuern. Bei der Arbeitsstunde ist auf eine Zeitstunde abzustellen. Maßgeblich ist der Zeitraum der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Für den Fall, dass der Lohn für eine kürzere Zeiteinheit geleistet wird, ist zur Prüfung der Stundenlohngrenze eine entsprechende Umrechnung durchzuführen. Ebenso wie bei der 62-€-Grenze sind auch hier alle Einnahmen, die sich als steu39 erpflichtiger Arbeitslohn qualifizieren, einzubeziehen. Ausgenommen sind steuerfreie Einnahmen i.S.v. § 3 EStG und pauschal versteuerte Fahrtkostenzuschüsse. Sonstige Bezüge und andere nach §§ 40, 40b, 37b EStG pauschal versteuerte Bezüge sind gleichmäßig auf den zugrunde liegenden Zeitraum zu verteilen. Beispiel Die Aushilfe wird für den Monat August 2012 eingestellt und arbeitet jeweils samstags, sonntags und montags. Der Stundenlohn beträgt sonntags 14 € und an den anderen Tagen 10 €. Im August arbeitet die Aushilfe 18 Stunden sonntags und 40 Stunden an Samstagen und Montagen. Der durchschnittliche Stundenlohn beträgt 11,55 € (= 14 € x 18 Stunden + 10 € x 40 Stunden/58 Stunden).

Praxistipp Um den Aushilfsjob attraktiver zu vergüten, kann der Arbeitgeber steuerfreie Leistungen, wie z.B. Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, Sachzuwendungen innerhalb der monatlichen 44-€-Freigrenze, Aufmerksamkeiten bis zu 40 € je Anlass, Personalrabatte bis zu 1.080 € im Kalenderjahr oder pauschal besteuerte Fahrtkostenzuschüsse leisten. Andere pauschal besteuerte Zuwendungen sind dagegen bei der Berechnung der Tageslohngrenze einzubeziehen.52

52 Vgl. R 40a.1 Abs. 5 S. 2 LStR.

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B. Steuerrecht 

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5. Keine pauschalierungsfähige Nebentätigkeit bei demselben Arbeitgeber Für Arbeitnehmer, die sich bereits in einem Dienstverhältnis befinden, in dem der 40 Arbeitslohn nach den allgemeinen Regelungen individuell versteuert wird, ist die Pauschalierung ausgeschlossen, wenn neben der Haupttätigkeit eine Aushilfs­ tätigkeit ausgeübt wird. Ausgenommen von diesem Grundsatz ist jedoch der Fall, in dem der Bezieher 41 einer Betriebsrente, die dem normalen Lohnsteuerabzug unterliegt, bei demselben Arbeitgeber einer kurzfristigen Beschäftigung als Aushilfe nachgeht.53 Ist die Aushilfstätigkeit dagegen das einzige Beschäftigungsverhältnis zum 42 Arbeitgeber, hat dieser nicht zu prüfen, ob die Aushilfe weitere Aushilfstätigkeiten oder andere Beschäftigungsverhältnisse bei anderen Arbeitgebern eingegangen ist. Somit kann der Arbeitnehmer mehrere Aushilfstätigkeiten bei verschiedenen Arbeitgebern ausüben, die nach § 40a Abs. 1 EStG pauschaliert werden können.

III. Bemessungsgrundlage der pauschalen Lohnsteuer Als Basis der pauschalen Lohnsteuer ist der für die Aushilfstätigkeit gezahlte steuer­ 43 pflichtige Arbeitslohn zugrunde zu legen. Weil der Aushilfsbeschäftigte nicht nach seinen persönlichen Besteuerungsmerkmalen besteuert wird, kommt die Berücksichtigung persönlicher Freibeträge nicht in Betracht. Selbst der Altersentlastungsbetrag nach § 24a EStG darf den pauschalierten Arbeitslohn nicht mindern.54

IV. Aufzeichnungs- und andere Arbeitgeberpflichten Zwar muss der Arbeitgeber für kurzfristig beschäftigte Arbeitnehmer kein Lohn­ 44 konto führen, wie für Arbeitnehmer, die der Regelversteuerung unterliegen. Die vom Arbeitgeber gleichwohl zu erfüllenden Aufzeichnungspflichten ergeben sich aus § 4 Abs. 2 Nr. 8 S. 4 LStDV. Danach ist für Aushilfen ein Sammelkonto zu führen, aus dem sich folgenden Detailinformationen zur ergeben: –– Name und Anschrift der Aushilfe, –– Dauer der Beschäftigung insgesamt und in Minuten bzw. Stunden pro Tag, –– Tag der Zahlung, –– Höhe des Arbeitslohns. –– Für Aushilfen in der Land- und Forstwirtschaft ist auch die Art der Beschäftigung aufzuzeichnen. Die Aufzeichnungen dienen in erster Linie dem Zweck, die Pauschalierungsgrenzen 45 seitens der Finanzverwaltung prüfen zu können. Bei Verstoß gegen die Aufzeichnungspflichten läuft der Arbeitgeber nicht Gefahr, dass ihm die Pauschalierung rück-

53 BFH, Urt. v. 27.7.1990 – VI R 20/89 –. 54 Vgl. R 40a.1 Abs. 4 S. 3 LStR.

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 Kapitel 5 Aushilfen

wirkend versagt wird. Bei der Führung des Sammelkontos handelt es sich allein um eine Ordnungsvorschrift, nicht aber um eine materiell-rechtliche Voraussetzung der Lohnsteuerpauschalierung.55 Fehlen die Aufzeichnungen im Sammelkonto, hat der Arbeitgeber die Möglich46 keit, die Voraussetzungen der Lohnsteuerpauschalierung unter Zuhilfenahme aller zulässigen Beweismittel glaubhaft zu machen. Hierzu kommen etwa Arbeitszeitnachweise, Einsatzpläne, Zeitkontrollen oder Zeugenaussagen in Betracht. Die vom Arbeitgeber geschuldete Pauschalsteuer ist zusammen mit den übrigen 47 Lohnsteuerbeträgen elektronisch beim zuständigen Betriebsstättenfinanzamt anzumelden. Wird der Arbeitslohn pauschal nach § 40a EStG besteuert, ist eine elektronische Lohnsteuerbescheinigung nicht zu übertragen.

V. Rechtsfolgen 1. Pauschalierung der Lohnsteuer 48 Mit Abführung der pauschalen Lohnsteuer sowie der Annexsteuern an das Betriebsstättenfinanzamt des Arbeitgebers tritt auf Ebene der Aushilfe Abgeltungswirkung ein. Der Arbeitgeber ist Schuldner der Pauschalsteuern. Zwar ist eine Abwälzung der Steuern im Innenverhältnis auf den Arbeitnehmer bei entsprechender Vereinbarung möglich; jedoch ist dies in Bezug auf Aushilfen in der Praxis eher selten anzutreffen.

2. Veranlagungsverfahren des Arbeitnehmers 49 Auf Ebene des Arbeitnehmers bewirkt die abgeltende Pauschalierung, dass im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer weder die pauschalierten Einnahmen noch die Pauschalsteuern berücksichtigt werden.

3. Aushilfen in der Land- und Forstwirtschaft

50 Die Lohnsteuer kann nach §  40a Abs. 3 EStG pauschal mit 5 % des Arbeitslohns

erhoben werden, wenn die Aushilfskraft in einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft typischerweise mit land- oder forstwirtschaftlichen Tätigkeiten beschäftigt ist. Nach dem Wortlaut des Gesetzes muss es sich dabei um Personen handeln, die für die Ausführung und die Dauer derjenigen Tätigkeiten beschäftigt werden, die nicht das ganze Jahr anfallen. Keine Aushilfen i.S.d. Vorschrift sind Fachkräfte oder Arbeitnehmer, die an mehr als 180 Tagen im Kalenderjahr beschäftigt werden. Zu den typischen land- und forstwirtschaftlichen Arbeiten gehören alle Tätig51 keiten zur Fertigstellung der Erzeugnisse, die in dem jeweiligen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb produziert werden.

55 BFH, Urt. v. 12.6.1986 – 167/83 –.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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Praxistipp –– Prüfung der Pauschalierungsgrenzen bei Vertragsschluss –– Führen des Sammelkontos je Aushilfe –– Grundsätzlich keine pauschal besteuerten Zuwendungen neben dem Aushilfslohn –– Prüfung, ob eine typische land- und forstwirtschaftliche Aushilfstätigkeit vorliegt

VI. Übersicht Das nachfolgende Schaubild56 gibt einen Überblick über die Pauschalierung der 52 Lohnsteuer für Aushilfskräfte nach § 40a Abs. 1 und 3 EStG. Aushilfskräfte

Stundenlohn mehr als 12 €

ja

Pauschalierung unzulässig

nein Land- und forstwirtschaftliche Aushilfskraft

ja

ja

Pauschsteuersatz 5 %

nein

nein Beschäftigung nicht mehr als 18 zusam menhängende Arbeitstage

Typische land- und forstwirtschaftliche Arbeiten

ja

Arbeitslohn nicht mehr als 62 € je Arbeitstag

ja

Pauschsteuersatz 25 %

nein

nein

Beschäftigung zu einem unvorhersehbaren Zeitpunkt erforderlich

ja

Pauschsteuersatz 25 %

nein Pauschalierung unzulässig

C. Sozialversicherungsrecht I. Allgemeines Als sozialversicherungsrechtliche Gestaltungsmöglichkeit bietet sich bei der Beschäf- 53 tigung von Aushilfen bzw. Gelegenheitsarbeitern die Beschäftigung im Rahmen sog. kurzfristiger Beschäftigungen i.S.d. §  8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV. Die kurzfristige Beschäftigung ist neben der geringfügig entlohnten Beschäftigung i.S.d. § 8 Abs. 1

56 Vgl. Besgen/Greilich/Mader/Perach/Voss, Rn 2133.

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 Kapitel 5 Aushilfen

Nr. 1 SGB IV und der geringfügigen Beschäftigung in Privathaushalten i.S.d. § 8a SGB IV eine vom Gesetzgeber speziell geregelte Form der Nebentätigkeit.57 54 Allen drei Formen ist gemein, dass sie keine Versicherungspflicht in den Sozialversicherungszweigen der Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversiche­ rung begründen. Den Grundgedanken verfolgend, dass diese Beschäftigungen als Nebentätigkeit ausgeübt werden, die nicht als maßgebliche Existenzgrundlage des jeweiligen Arbeitnehmers dienen, wurden sie vom Gesetzgeber nicht in das soziale Sicherungssystem einbezogen.58 Neben der allen drei Formen gemeinsamen Beitragsfreiheit des Arbeitnehmers 55 besteht bei der kurzfristigen Beschäftigung auch für den Arbeitgeber keine Pflicht zur Abgabe von Pauschalbeiträgen zur Kranken- und Rentenversicherung.59 Die für das Vorliegen einer kurzfristigen Beschäftigung i.S.d. §  8 Abs. 1 Nr. 2 56 SGB IV zwingend zu erfüllenden Voraussetzungen, die Abgrenzung zur geringfü­ gig entlohnten Beschäftigung und die mit der Begründung des Bestehens und der Beendigung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses einhergehenden Verpflich­ tungen, sollen im Folgenden erläutert werden.

II. Versicherungsrechtliche Regelung 57 Von einer geringfügigen Beschäftigung i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV, sprich einer kurzfristigen Beschäftigung, kann nur ausgegangen werden, wenn das Beschäftigungsverhältnis die im Gesetzestext genannten Voraussetzungen erfüllt. Neben der Zeitgering­ fügigkeit, die je nach Beschaffenheit des Arbeitsverhältnisses 50 Arbeitstage oder 2 Monate im Kalenderjahr nicht überschreiten darf, muss es sich zwingend um eine gelegentliche Beschäftigung handeln, die bei berufsmäßiger Ausübung die Entgeltgrenze in Höhe von 400 € nicht überschreiten darf. Außerdem sind gem. § 8 Abs. 2 S. 1 SGB IV mehrere kurzfristige Beschäftigungen zusammenzurechnen. Die Beurteilung des Vorliegens einer kurzfristigen Beschäftigung ist grundsätzlich im Voraus vorzunehmen und gehört gem. § 28a SGB IV zu den Pflichten des Arbeitgebers.

1. Zeitgeringfügigkeit

58 Im Vergleich zur geringfügig entlohnten Beschäftigung kommt es bei der kurzfristigen

Beschäftigung nicht auf die Geringfügigkeit des Entgeltes, sondern auf die Gering­

57 Die geringfügig entlohnte Beschäftigung wird in Kap. 24 – Minijobber und die geringfügige Beschäftigung in Privathaushalten in Kap. 17 – Hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis Rn 27 ff. erläutert. 58 HN/Knospe, § 8 SGB IV Rn 1. 59 Als Konsequenz der Beitragsfreiheit entsteht für den Arbeitnehmer auch kein Anspruch auf Versicherungsleistungen.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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fügigkeit der Beschäftigungsdauer an. Die Entgelthöhe erlangt bei dieser Art von geringfügiger Beschäftigung nur Bedeutung, sobald es sich um eine berufsmäßig ausgeübte kurzfristige Beschäftigung handelt. Wird die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt, darf die Verdiensthöhe die Grenze von 400 € nicht überschreiten.60 Die Kurzfristigkeit kann sich entweder aufgrund einer vertraglich festgelegten 59 Befristung oder aufgrund der Eigenart der Beschäftigung ergeben. Definitionsgemäß liegt eine aufgrund ihrer Eigenart befristete Tätigkeit dann vor, wenn sich die zeitliche Begrenzung aus der Art, dem Wesen oder dem Umfang der zu verrich­ tenden Arbeit ergibt.61 Soll sich die Begrenzung der Beschäftigungsdauer auf der Grundlage einer vertraglichen Befristung ergeben, sind fixe Daten zu nennen. Eine im Hinblick auf Beginn und Ende der Beschäftigung her unbestimmte Vereinbarung reicht nicht aus.62 Außerdem muss die Begrenzung der Beschäftigungsdauer i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV zwingend bereits zu Beginn der Beschäftigung feststehen. Beispiel –– Eine typische vertraglich vereinbarte Befristung ist bspw. die Tätigkeit im Rahmen einer Krankheits- oder Urlaubsvertretung. –– Tätigkeiten als Inventurhilfen, Verkäufer im Rahmen des Weihnachtsgeschäftes, im Schlussverkauf oder Erntehelfer sind Tätigkeiten, die aufgrund der Eigenart der Beschäftigung zeitlich befristet sind.

Wird eine Beschäftigung regelmäßig oder dauerhaft ausgeübt, kann von einer kurz­ 60 fristigen Beschäftigung nicht mehr ausgegangen werden. Das gilt auch dann, wenn die Tätigkeit insgesamt die gesetzlich festgelegte Begrenzung von 50 Arbeitstagen nicht überschreitet.63 Beispiel Im Zusammenhang mit einem Rahmenarbeitsvertrag wird die Hausfrau A immer an den beiden letzten Tagen im Monat für eine Reinigungsfirma tätig. Hierbei handelt es sich um eine regelmäßige Tätigkeit, bei der es sich, trotz der Tatsache, dass sie an weniger als 50 Arbeitstagen im Jahr ausgeübt wird, nicht um eine kurzfristige Tätigkeit handelt.

Grundsätzlich ist der Abschluss eines Rahmenarbeitsvertrages für das Vorliegen 61 einer kurzfristigen Beschäftigung unschädlich. Wichtig ist dabei allerdings, dass dieser auf die Dauer von maximal 12 Monate befristet ist und die Beschäftigung nicht regelmäßig ausgeübt wird. Wird allerdings ein Rahmenvertrag geschlossen, der

60 Die Berufsmäßigkeit wird unter Rn 65 ff noch einmal gesondert beleuchtet. 61 Vgl. Geringfügigkeitsrichtlinien, Fassung v. 14.10.2009, B 2.3.; die Geringfügigkeitsrichtlinien sind abrufbar unter: www.aok-business.de. 62 Kreikebohm/Marschner, § 8 Rn 21. 63 Vgl. Geringfügigkeitsrichtlinien, Fassung v. 14.10.2009, B 2.3.

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 Kapitel 5 Aushilfen

über den Zeitraum von einem Jahr hinausgeht, ist wiederum von einem Dauerar­ beitsverhältnis und somit von der Versicherungs- und Beitragspflicht auszugehen.64 62 Soll in der Folge auf einen zunächst auf 12 Monate befristeten Rahmenarbeitsvertrages erneut ein Rahmenarbeitsvertrag vereinbart werden, muss zwischen den beiden Verträgen ein Zeitraum von mindestens zwei Monaten liegen. Sollte der Zeitraum von mindestens zwei Monaten nicht eingehalten worden sein, begründet der erneute Rahmenarbeitsvertrag ein Versicherungspflichtverhältnis in der Sozialversicherung.65, 66 Praxistipp –– Unbefristete Tätigkeiten können nicht im Nachhinein als kurzfristige Beschäftigungsverhält­ nisse umgedeutet werden. –– Da ein Probearbeitsverhältnis immer auf Dauer ausgelegt ist, gilt es nie als kurzfristige Beschäftigung, selbst wenn es befristet vereinbart wird.67

2. Zwei Monate oder 50 Arbeitstage 63 Das Gesetz nennt zwei verschiedene Zeiträume anhand derer die Beschäftigungsdauer im Hinblick auf die Kurzfristigkeit beurteilt werden kann. Zum einen den ZweiMonats-Zeitraum und zum anderen den Zeitraum von 50 Arbeitstagen: –– Zwei-Monats-Zeitraum: eine Beschäftigung ist anhand des Zweimonatszeitraumes zu beurteilen, sobald die Tätigkeit regulär an 5 Tagen in der Woche ausgeübt wird. –– 50 Arbeitstage: wird eine Beschäftigung regelmäßig an weniger als 5 Arbeitstagen pro Woche ausgeübt, muss sie im Voraus auf 50 Arbeitstage innerhalb eines Kalenderjahres begrenzt sein.68 Beispiel –– Eine Verkäuferin arbeitet im Zeitraum vom 3.5. bis 15.6. an 6 Tagen pro Woche. Hier ist der ZweiMonats-Zeitraum zur Prüfung der Zeitgeringfügigkeit heranzuziehen. –– Ein Rentner arbeitet im Zeitraum vom 1. bis 31.3. an 2 Tagen pro Woche. In diesem Fall sind 50 Arbeitstage zur Beurteilung der Zeitgeringfügigkeit heranzuziehen. 64 Seit der Novellierung des § 8 SBG IV im Jahre 2003 ist nicht mehr auf das Beschäf-

tigungsjahr, sondern auf das Kalenderjahr zur Bemessung des Tätigkeitszeitraums abzustellen. Dies brachte vor allem im Bereich der Landwirtschaft Erleichterung, da

64 Vgl. Geringfügigkeitsrichtlinien, Fassung vom 14.10.2009, B 2.3. 65 MüAnwHB-SozR/Plagemann, SozR, § 5 Rn 58. 66 Vgl. Geringfügigkeitsrichtlinien, Fassung von 14.10.2009, B. 3.2. 67 Heidenreich, S. 103. 68 Vgl. Geringfügigkeitsrichtlinien, Fassung v. 14.10.2009, B 2.3.1.

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es insbesondere dort aufgrund differierender Erntebeginne häufig zu Überschneidungen des Beschäftigungsbeginns von Jahr zu Jahr kam.69 Faktisch ist seit der Änderung der Zeitraum vom 1.1. bis zum 31.12. zur Bemessung heranzuziehen. Zur Prüfung, ob tatsächlich eine sozialversicherungsfreie, kurzfristige Tätigkeit vorliegt, müssen immer auch vorangegangene Beschäftigungen im laufenden Kalenderjahr mit einbezogen werden.70 Praxistipp –– Grundsätzlich gilt bei der Beurteilung des Beschäftigungszeitraumes, dass Nachtdienste, die sich über zwei Tage erstrecken, als ein Arbeitstag gezählt werden. –– Außerdem gilt, dass zwei an einem Tag durchgeführte kurzfristige Beschäftigungen nur als ein Arbeitstag gezählt werden.71

3. Ausschluss der Zeitgeringfügigkeit wegen Berufsmäßigkeit Im Sinne des Gesetzes liegt eine kurzfristige Beschäftigung dann nicht vor, wenn sie 65 berufsmäßig ausgeübt wird und das Entgelt aus der Tätigkeit 400 € übersteigt. Dabei müssen beide Voraussetzungen zusammen vorliegen.72 Mit dem Ausschluss des Vorliegens einer kurzfristigen Beschäftigung verfolgt der 66 Gesetzgeber den Gedanken, dass Personen, die kurzfristige Beschäftigungen berufsmäßig ausüben, sprich mit diesen Beschäftigungen ihren Lebensunterhalt sichern, auf Sozialversicherungsschutz angewiesen sind.73 Praxistipp Die Prüfung der Berufsmäßigkeit ist dann nicht notwendig, wenn entweder das Entgelt 400 € nicht überschreitet oder aufgrund Überschreitung der Zeitgrenzen keine kurzfristige Beschäftigung i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV vorliegt.

Die Berufsmäßigkeit an sich wird im Gesetz nicht beschrieben, daher ist bei der Beur- 67 teilung, ob Berufsmäßigkeit vorliegt, auf die Ausführungen der Rechtsprechung zurückzugreifen. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt eine berufsmäßig ausgeübte Beschäftigung dann vor, wenn sie für die ausübende Person nicht von unterge­ ordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist. D.h. die Tätigkeit darf nicht allein oder überwiegend zur Existenzsicherung oder zur Sicherung des Lebensstandards dienen. Beschäftigungen, die nur gelegentlich ausgeübt werden, sind immer als Tätigkeit

69 HN/Knospe, § 8 SGB IV Rn 23. 70 Mehr zur Einbeziehung vorangegangener Tätigkeiten unter Rn 76. 71 Vgl. Geringfügigkeitsrichtlinien, Fassung v. 14.10.2009, B 2.3.1. 72 HN/Knospe, § 8 SGB IV Rn 24. 73 Leitherer/Seewald, § 8 SGB IV Rn 18.

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 Kapitel 5 Aushilfen

von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung zu beurteilen und werden daher nie berufsmäßig ausgeübt.74 68 Nicht berufsmäßig tätig werden meist Personen, die in der Regel keiner versicherungspflichtigen Tätigkeit nachgehen. Dies sind meist Studenten, Schüler, Hausfrauen oder Rentner.75 69 Tätigkeiten, die generell nicht als berufsmäßig zu beurteilen sind: –– Kurzfristige Beschäftigung neben einer Hauptbeschäftigung mit regelmäßig mehr als 400 €. –– Kurzfristige Beschäftigung neben einem freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahr. –– Kurzfristige Beschäftigungen von Schülern innerhalb der Schulferien. –– Kurzfristige Beschäftigungen von Studenten innerhalb der vorlesungsfreien Zeit, allerdings nur soweit die Tätigkeit nicht in unmittelbaren Zusammenhang mit einer vor dem Studium ausgeübten Tätigkeit steht.76 –– Kurzfristige Beschäftigung von Hausfrauen, Altersrentnern oder Beziehern von Vorruhestandsgeld. –– Kurzfristige Beschäftigung zwischen Abitur und Studium. –– Kurzfristige Beschäftigung neben selbstständiger Tätigkeit. 70 Tätigkeiten, die generell als berufsmäßig zu beurteilen sind: –– Kurzfristige Beschäftigung zwischen Abitur und Berufsausbildung. –– Kurzfristige Beschäftigung zwischen Schulentlassung und freiwilligem sozialen oder ökologischen Jahr, auch wenn nach dem Jahr voraussichtlich ein Studium aufgenommen wird. –– Kurzfristige Beschäftigung von Personen, die bei der Agentur für Arbeit als arbeitssuchend gemeldet sind. –– Kurzfristige Beschäftigung, die auf zurückliegende Beschäftigungen mit einem Entgelt von mehr als 400 € pro Monat folgen, wenn die Beschäftigungszeiten die Zeitgrenze von 2 Kalendermonaten oder 50 Arbeitstagen überschreiten. –– Kurzfristige Beschäftigung neben Elternzeit oder während Zeiten unbezahlten Urlaubs. –– Kurzfristige Beschäftigung zwischen Studien- bzw. Schulabschluss und dem Eintritt ins Berufsleben. –– Kurzfristige Beschäftigung von Personen, die Arbeitslosengeld I oder Arbeitslosengeld II beziehen sowie Sozialhilfeempfänger. –– Kurzfristige Beschäftigung von Saisonarbeitskräften aus dem Ausland, soweit sie regelmäßig eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben.

74 Foerster, S. 71. 75 Leitherer/Seewald, § 8 SGB IV Rn 20. 76 Fuchs/Preis, § 12 S. 187.

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–– Kurzfristige Beschäftigung, die unmittelbar auf eine versicherungspflichtige Beschäftigung folgt oder ihr vorangeht und die Beschäftigungsdauer insgesamt dann 2 Monate bzw. 50 Arbeitstage übersteigt.77 Wurde festgestellt, dass die Tätigkeit berufsmäßig ausgeübt wird, ist zu prüfen, ob die 71 Entgelthöhe von 400 € überschritten wird. Zu beachten ist dabei besonders, dass die Entgelthöhe im Falle des Beginns und Endes der Beschäftigung im Laufe eines Kalendermonats an der anteiligen Arbeitsentgeltgrenze zu bemessen ist. Die Berechnung der anteiligen Arbeitsentgeltgrenze erfolgt mit Hilfe folgender Formel: 400 € multipliziert mit der Anzahl der Beschäftigungstage dividiert durch 30.78 Beispiel Herr A bezieht Arbeitslosengeld und möchte bei einer Messeveranstaltung 3 Tage aushilfsweise als Eintrittskartenkontrolleur arbeiten. Als Arbeitsentgelt werden 50 € pro Tag vereinbart. Bei der Beschäftigung handelt es sich nicht um eine kurzfristige Beschäftigung i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV. Aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld ist die Tätigkeit des Herrn A als berufsmäßig anzusehen. Demzufolge ist zu prüfen, ob das Arbeitsentgelt 400 € übersteigt. Das Entgelt für den Beschäftigungszeitraum von 3 Arbeitstagen beträgt 150 €. Dies übersteigt die anteilige Entgeltgrenze in Höhe von 40 €.

4. Zusammenrechnung von mehreren kurzfristigen Beschäftigungen (§ 8 Abs. 2 SGB IV) Immer zu Beginn einer neuen kurzfristigen Beschäftigung ist vom Arbeitgeber zu 72 prüfen, ob unter Einbeziehung der bereits im laufenden Kalenderjahr ausgeübten kurzfristigen Beschäftigungen die vom Gesetz vorgegebenen Zeitgrenzen nicht überschritten werden. Der Arbeitgeber ist auf der Grundlage von § 28a SGB IV i.V.m. § 28e SGB IV verpflichtet, die zur Beurteilung der Versicherungspflicht und zur Berechnung der Zahlungsverpflichtung notwendigen Informationen zu sammeln und zu beurteilen. Der Arbeitnehmer seinerseits ist auf der Grundlage von § 28o SGB IV verpflichtet, 73 dem Arbeitgeber oder bei mehreren bestehenden Beschäftigungsverhältnissen auch den Arbeitgebern die zur Beurteilung der Versicherungspflicht und zur korrekten Ermittlung und Zahlung der Beiträge erforderlichen Informationen und Dokumente zur Verfügung zu stellen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich bei den vorangegangenen kurzfristigen 74 Beschäftigungen um einen Verdienst von mehr oder weniger als 400 € handelt.

77 Fuchs/Preis, § 12, S.187. 78 Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, Minijobs – Informationen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, 2011, S. 19.

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 Kapitel 5 Aushilfen

Außerdem ist ohne Bedeutung, bei welchem Arbeitgeber vorangegangene Tätigkeiten ausgeübt wurden.79 75 Bei der Zusammenrechnung von kurzfristigen Beschäftigungen treten an die Stelle des Kriteriums von 2 Monaten die Summe von 60 Kalendertagen, es sei denn, die in den jeweiligen bereits ausgeübten kurzfristigen Beschäftigungen erstreckten sich über volle Kalendermonate. Teilmonate werden mit den tatsächlichen Kalendertagen berücksichtigt. Treffen kurzfristige Beschäftigungen mit weniger als 5 Arbeitstagen pro Woche mit kurzfristigen Beschäftigungen mit 5 und mehr Arbeitstagen pro Woche zusammen, ist einheitlich der Zeitraum von 50 Arbeitstagen zur Beurteilung heranzuziehen.80 Beispiel Ein Rentner arbeitet im Jahr 2011 vom 1.2. bis 28.2. bei Arbeitgeber A regelmäßig an 5 Tagen pro Woche. Bei Arbeitgeber B soll er außerdem vom 1.12. bis 15.12. regelmäßig an 6 Tagen pro Woche arbeiten. Zur Beurteilung, ob bei der geplanten Beschäftigung im Dezember eine kurzfristige Beschäftigung i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV vorliegt, sind die beiden Beschäftigungen zusammenzurechnen. Da beide Beschäftigungen regelmäßig an mindestens 5 Tagen pro Woche ausgeübt werden und die Beschäftigung bei Arbeitgeber B keinen vollen Kalendermonat umfasst, ist zur Beurteilung auf 60 Kalendertage abzustellen. 76 Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine kurzfristige Beschäftigung ein Kalen­

derjahr überschreitet. Ergibt die Überprüfung, dass unter Einbeziehung der aktuellen in das neue Kalenderjahr hineinreichende Beschäftigung die Zeitgrenzen von 50 Arbeitstagen oder 2 Monaten bzw. 60 Kalendertagen überschritten wurden, liegt keine kurzfristige Beschäftigung für die gesamte Tätigkeit vor. Bei der Beurteilung wird keine gesonderte Betrachtung der ins neue Kalenderjahr hineinreichenden Zeitspanne vorgenommen.81 Beispiel Eine Hausfrau nimmt eine Beschäftigung vom 20.11. bis zum 28.2. des Folgejahres auf. Sie übt diese Tätigkeit regelmäßig an 5 Tagen pro Woche aus. Die Beschäftigung ist keine kurzfristige Beschäftigung i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV, da der im Voraus festgelegte Beschäftigungszeitraum 2 Kalendermonate überschreitet. Dieser Tatsache steht auch nicht entgegen, dass der jeweils im alten bzw. im neuen Kalenderjahr festgelegte Beschäftigungszeitraum 2 Kalendermonate nicht überschreitet.

79 Geringfügigkeitsrichtlinien, Fassung v. 14.10.2009, B 2.3.2. 80 HN/Knospe, § 8 SGB IV Rn 28. 81 Geringfügigkeitsrichtlinien, Fassung v. 14.10.2009, B 2.3.2; demgegenüber steht die Auffassung, dass eine kurzfristige Beschäftigung, die über den Jahreswechsel hinausgeht, über den Zeitraum von vier Monaten bzw. 100 Kalendertage beitragsfrei ausgeübt werden kann. Leitherer/ Seewald, § 8 SGB IV Rn 17a.

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Praxistipp –– Kurzfristige Beschäftigungen, die nicht im Rahmen eines Rahmenarbeitsvertrags wiederholt bei dem gleichen Arbeitgeber ausgeübt werden, gelten solange nicht als regelmäßige Tätigkeit soweit sie die Zeitgrenzen von 50 Arbeitstagen oder 60 Kalendertagen nicht überschreiten. –– Im Ausland ausgeübte Beschäftigungen werden bei der Zusammenrechnung nicht berücksichtigt.82

5. Abgrenzung zur geringfügig entlohnten Beschäftigung i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV Besonders im Hinblick auf die beitragsrechtlichen Konsequenzen ist die Abgren- 77 zung zwischen den beiden in § 8 Abs. 1 SGB IV genannten Formen der geringfügigen Beschäftigung wichtig. Generell gilt, während eine geringfügig entlohnte Beschäf­ tigung auf regelmäßige Wiederkehr gerichtet ist und dabei die regelmäßige Entgelthöhe von 400 € nicht übersteigt, wird die zeitgeringfügige Beschäftigung nur gelegentlich und an nicht mehr als 50 Arbeitstagen bzw. zwei Kalendermonaten im Jahr ausgeübt, wobei die Entgelthöhe, soweit die Tätigkeit nicht berufsmäßig ausgeübt wird, nicht auf eine bestimmte Höhe beschränkt ist. Sollte sich beim gleichen Arbeitgeber unmittelbar an eine geringfügig entlohnte 78 Beschäftigung eine kurzfristige Beschäftigung anschließen, ist von einem einheit­ lichen Beschäftigungsverhältnis auszugehen. Diese sog. widerlegbare Vermutung hat solange Bestand, wie nicht nachgewiesen wird, dass es sich bei den beiden Arbeitsverhältnissen um voneinander völlig unabhängige Tätigkeiten handelt. Kann dieser Nachweis nicht erbracht werden und ist für die sich anschließende 79 kurzfristige Beschäftigung ein Arbeitsentgelt, welches regelmäßig 400 € übersteigt vereinbart, erlischt ab dem Zeitpunkt der Vereinbarung die Sozialversicherungsfreiheit der geringfügig entlohnten Beschäftigung für die Zukunft.83

6. Überschreiten der Zeitgrenzen Liegt ein Überschreiten der in § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV festgelegten Zeitgrenzen vor, 80 ist die Tätigkeit als nicht geringfügige und damit als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu beurteilen. Dabei tritt die Versicherungspflicht mit Bekanntwerden der Überschreitung ein. Ausnahmsweise entfällt die Sozialversicherungspflicht, soweit es sich um eine geringfügig entlohnte Beschäftigung i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV handelt.

82 Geringfügigkeitsrichtlinien, Fassung v. 14.10.2009, B 2.3.2. 83 Vgl. Geringfügigkeitsrichtlinien, Fassung v. 14.10.2009, B 2.4.

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 Kapitel 5 Aushilfen

Beispiel Hausfrau A ist vom 1.3. bis 31.3. als Urlaubsvertretung der Angestellten Z eingestellt. Ihr Verdienst liegt bei 1.500 € und sie ist regelmäßig an 5 Tagen pro Woche tätig. Am 28.3. teilt Z ihrem Arbeitgeber mit, dass sie aufgrund eines Unfalls weitere 6 Wochen nicht wieder zur Arbeit kommen wird. A soll auch die Krankheitsvertretung der Z übernehmen. In diesem Fall endet die Versicherungsfreiheit der Beschäftigung von A am 27.3. 81 Es kommt dabei allein auf den Zeitpunkt an, an dem erkennbar wird, dass eine zu

Beginn der Tätigkeit als kurzfristige Tätigkeit beurteilte Tätigkeit die Zeitgrenze von 50 Arbeitstagen respektive 2 Kalendermonaten überschreitet. Im Fall der Verlängerung eines Rahmenarbeitsvertrages ist zu beachten, dass 82 zwischen dem alten und dem neuen Arbeitsvertrag mindestens eine Zeitspanne von 2 Monaten liegen muss.84 Ansonsten ist die Tätigkeit ab Vertragsschluss sozialversicherungspflichtig. Praxistipp –– Entfällt die Sozialversicherungsfreiheit auf der Grundlage einer kurzfristigen Beschäftigung, ist immer zu prüfen, ob eine geringfügig entlohnte Tätigkeit i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV vorliegt. Die Sozialversicherungsfreiheit und die sich dadurch für den Arbeitnehmer ergebende Beitragsfreiheit bleibt dann erhalten. –– Eine kurzfristige Beschäftigung, die bei dem gleichen Arbeitgeber wie eine Hauptbeschäftigung ausgeübt wird, kann keine kurzfristige Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne sein, da nach der Rechtsprechung des BSG ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis vorliegt ohne Rücksicht auf die etwaige vertragliche Gestaltung.85 83 Wird ein Überschreiten der Zeitgrenzen und damit das Nichtvorliegen einer kurzfris-

tigen Beschäftigung i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV erst während einer Betriebsprüfung oder beim Datenabgleich der zuständigen Einzugsstelle offenbar, tritt die Versicherungs- und die damit einhergehende Beitragspflicht erst mit der Bekanntgabe gegenüber dem Arbeitgeber ein. Eine Ausnahme dieses Grundsatzes tritt gem. §  8 Abs. 2 S. 4 SGB IV ein, soweit die Ursache der verspäteten Feststellung hinsichtlich der Beitragspflicht in grob fahrlässigem oder vorsätzlichem Handeln des Arbeitgebers bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung des Beschäftigungsverhältnisses liegt. In diesen Fällen sind die Beiträge rückwirkend zu zahlen.86

84 Vgl. Rn 10. 85 Vgl. Geringfügigkeitsrichtlinien, Fassung v. 14.10.2009, B 2.1. 86 Die beim BSG anhängige Revision zu diesem Sachverhalt – BSG B 12 R/08 R – wurde zurückgenommen.

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Praxistipp –– Von Vorsatz ist in diesem Zusammenhang auszugehen, wenn vorliegende Informationen, die zwangsläufig zu einer Versicherungspflicht führen würden, bewusst ignoriert wurden. –– Grobe Fahrlässigkeit liegt vor: wenn die im Verkehr übliche Sorgfalt im besonderen Maße verletzt wurde. Dies liegt bspw. vor, wenn die Informationen hinsichtlich anderer Beschäftigungsverhältnisse vom Arbeitnehmer nicht angefordert wurden.

III. Beitragsrechtliche Regelungen Anders als bei der geringfügig entlohnten Beschäftigung ist bei der kurzfristigen 84 Beschäftigung der Arbeitgeber nicht beitragspflichtig. D.h. in den eben genannten Sozialversicherungszweigen sind auch von dem Arbeitgeber keine pauschalen Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Das gilt auch dann, wenn gleichzeitig die Voraussetzungen einer geringfügig entlohnten Beschäftigung erfüllt sind.

1. Kranken- und Pflege- und Arbeitslosenversicherung Die Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung erfolgt auf der Grundlage von 85 § 7 Abs. 1 SGB V. Die Befreiung des Arbeitgebers von der Zahlung der Pauschalabgabe ergibt sich aus § 249b SGB V der die kurzfristige Beschäftigung nicht nennt. Die Versicherungsfreiheit in der Pflegeversicherung ergibt sich als Schlussfol- 86 gerung aus der fehlenden Krankenversicherungspflicht. Eine Pflicht zur Abgabe von Pauschalbeiträgen analog zu § 249b SGB V enthält das SGB XI nicht. In der Arbeitslosenversicherung ergibt sich die Versicherungsfreiheit für gering- 87 fügige Beschäftigungen aus § 27 Abs. 2 S. 1 1. Hs. SGB III. Auch das SGB III enthält keine Abgabepflicht von Pauschalbeiträgen aufgrund geringfügiger Beschäftigungen.

2. Rentenversicherung Die Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung erfolgt auf der Grundlage von 88 § 5 Abs. 2 SGB VI. Die Befreiung des Arbeitgebers von der Zahlung der Pauschalabgabe ergibt sich aus § 173 Abs. 3 SGB VI. Auch in dieser Vorschrift wird kein Bezug auf kurzfristige Beschäftigungen i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 2 genommen. Demgegenüber besteht bei der kurzfristigen Beschäftigung für den Arbeitnehmer 89 keine Möglichkeit des Verzichts auf die Rentenversicherungsfreiheit. Die für den Verzicht auf die Versicherungsfreiheit einschlägige Norm § 5 Abs. 2 S. 2 SGB VI behält diese Möglichkeit explizit nur den geringfügig entlohnten und den geringfügigen Beschäftigungen in Privathaushalten vor.

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 Kapitel 5 Aushilfen

3. Unfallversicherung

90 Keine Versicherungsfreiheit besteht hingegen in der gesetzlichen Unfallversiche­

rung. In diesem Versicherungszweig würde eine Befreiung der Beitragspflicht des Arbeitgebers dem Grundgedanken des Schadensersatzcharakters der Versicherung zuwiderlaufen. Ein Arbeitsunfall oder eine Berufsunfähigkeit kann grundsätzlich aus jeder Tätigkeit entstehen unabhängig davon, ob diese Tätigkeit nur kurzfristig oder gegen ein geringeres Entgelt ausgeübt wird. Daher sind auch für die kurzfristige Beschäftigung i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV Beiträge, bemessen am Arbeitsentgelt der Beschäftigung, vom Arbeitgeber zu entrichten.

4. Umlagepflicht des Arbeitgebers für kurzfristige Beschäftigte

91 Arbeitgeber sind auch gegenüber kurzfristig Beschäftigten i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB

IV zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, zu Mutterschaftsleistungen und zur Beteiligung am Insolvenzgeldumlageverfahren verpflichtet.

a) Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

92 Arbeitgeber mit maximal 30 Beschäftigten sind zur Teilnahme am Ausgleichsverfah-

ren bei Arbeitsunfähigkeit dem sog. U1-Verfahren verpflichtet. Im Regelfall sind auch für kurzfristig Beschäftigte Umlagebeiträge auf Basis des Bruttoarbeitsentgeltes an die zuständige Einzugsstelle zu entrichten. Eine Umlagepflicht trifft den Arbeitgeber allerdings nicht, wenn die kurzfristige Beschäftigung kürzer als 4 Wochen ausgeübt wird.

b) Mutterschaftsleistungen 93 Zur Teilnahme am Ausgleichverfahren für Mutterschaftsleistungen sind seit dem 1.1.2006 alle Arbeitgeber verpflichtet. Bei der Ermittlung der sog. U2-Umlage ist das Bruttoarbeitsentgelt kurzfristig Beschäftigter zu berücksichtigen.

c) Insolvenzgeldumlage

94 Weiterhin ist der Arbeitgeber auch für kurzfristig Beschäftigte zur Zahlung der Insol­

venzgeldumlage verpflichtet, soweit es sich nicht um –– den Bund, die Länder, die Gemeinden sowie Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts handelt, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren nicht zulässig ist oder –– juristische Personen des öffentlichen Rechts, bei denen der Bund, ein Land oder eine Gemeinde kraft Gesetzes die Zahlungsfähigkeit sichert oder –– um private Haushalte handelt.

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Über die Höhe der Insolvenzgeldumlage entscheidet das Bundesministerium 95 für Arbeit durch Erlass einer diesbezüglichen Verordnung. Für das Jahr 2012 wurde die Umlage auf 0,04 % festgesetzt. Seit dem 1.1.2009 ist die Minijobzentrale für den Einzug der Insolvenzgeldumlage zuständig.87

5. Meldungen Wie bei allen anderen Arbeitsverhältnissen ist der Arbeitgeber auf der Grundlage von §  28a SGB IV verpflichtet, der zuständigen Einzugsstelle Angaben hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses und des Arbeitnehmers zu machen. Diese sog. Meldepflicht gilt gem. § 28a Abs. 9 SGB IV auch für geringfügig Beschäftigte. Die Vorschriften hinsichtlich Sofortmeldungen finden ebenfalls Anwendung. Die zuständige Einzugsstelle sowohl für die Meldungen i.S.d. § 28a SGB IV als auch für die Zahlungen der Umlagen 1 und 2 sowie der ggf. fälligen Insolvenzgeldumlage ist die Minijob-Zentrale in 45115 Essen.88 Dem Meldeverfahren liegt die Datenerfassungs- und -Übermittlungsverord­ nung zugrunde. Auch für kurzfristige Beschäftigungen gilt, dass die Meldungen ausschließlich mit Hilfe zugelassener Programme oder maschinell erstellter Ausfüllhilfen übermittelt werden. Ausgenommen davon sind gem. § 28a Abs. 6a SGB IV nur Arbeitgeber –– im privaten Bereich mit nichtgewerblichen Zwecken oder –– Arbeitgeber, die mildtätige, kirchliche, religiöse, wissenschaftliche oder gemeinnützige Zwecke i.S.d. § 10b EStG verfolgen. Zur Befreiung ist eine Antragstellung erforderlich, in der glaubhaft gemacht werden muss, dass die Meldung auf maschinell verwertbaren Datenträgern oder durch Datenübertragung nicht möglich ist. Inhalt der Meldungen: –– Der Personengruppenschlüssel für kurzfristig Beschäftigte 110. –– Alle Beitragsgruppen sind mit „0“ zu verschlüsseln. –– Ab dem Meldezeitraum 1.1.2009 sind auch für kurzfristig Beschäftigte Jahresmeldungen, Unterbrechungsmeldungen oder Meldungen aufgrund von einmal gezahltem Arbeitsentgelt notwendig.89 –– Das beitragspflichtige Entgelt ist im Meldezeitraum mit Null anzugeben.

87 Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, Minijobs – Informationen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, 2011, S. 40. 88 Meldungen vor dem 1.4.2003 sind an die in diesem Zeitraum zuständige Krankenkasse zu richten. 89 Geringfügigkeitsrichtlinien, Fassung v. 14.10.2009, D 4.

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Außerdem ist innerhalb der Meldung für Meldezeiträume ab dem 1.1.2009 der Datenbaustein für die Unfallversicherung auszufüllen. Innerhalb dieses Datenbausteins ist die gezahlte Entgelthöhe anzugeben.90 Im Falle einer kurzfristigen Beschäftigung im Rahmen eines Rahmenarbeitsver­ 102 trages ist der Beschäftigte mit dem Tag der Aufnahme der Beschäftigung an- und mit dem letzten Tag der Beschäftigung abzumelden. Sollte die Beschäftigung über den Zeitraum von einem Monat hinaus nicht ausgeübt werden, hat mit dem Ablauf des Monats eine Abmeldung mit dem Schlüssel „34“ und bei Wiederaufnahme der Tätigkeit eine Anmeldung mit dem Schlüssel „13“ zu erfolgen.91 101

90 Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, Minijobs – Informationen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, 2011, S. 44. 91 Geringfügigkeitsrichtlinien, Fassung v. 14.10.2009, D 4.

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Kapitel 6 Außendienstmitarbeiter A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis Außendienstmitarbeiter sind Arbeitnehmer, die ihre Arbeitsleistung außerhalb des 1 örtlichen Betriebes erbringen, wie z.B. Verkäufer im Außendienst, Verkaufsfahrer, Bauarbeiter, Kraftfahrer, Monteure, Reiseleiter, Zeitungsausträger, Service- und Wartungspersonal.1 In der Praxis ist insbesondere der Verkäufer im Außendienst vom Handels­ 2 vertreter zu unterscheiden. Der Handelsvertreter ist im Vergleich zum Verkäufer im Außendienst ein selbstständiger Gewerbetreibender, der seine Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten und seine Arbeitszeit frei bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 HGB). Grundsätzlich erfüllen der Handelsvertreter und der Verkäufer im Außendienst die gleiche Aufgabe, indem sie Geschäfte für einen Unternehmer vermitteln und ggf. in dessen Namen abschließen dürfen. Äußerlich ist daher kein Unterschied zwischen dem Handelsvertreter und dem Verkäufer im Außendienst zu sehen. Der entscheidende rechtliche Unterschied liegt darin, dass der Verkäufer im Außendienst als Arbeitnehmer fest angestellt ist und demnach weisungsabhängig ist. Praxistipp Es ist zwischen Verkäufern im Außendienst und Handelsvertretern zu unterscheiden.

Aus Arbeitgebersicht ist somit zunächst eine der zentralen Fragen, ob die Beschäfti- 3 gung eines im Außendienst tätigen Mitarbeiters auf Grundlage eines Arbeitsvertrages erfolgen oder dieser als Handelsvertreter tätig werden soll. Man könnte zunächst annehmen, dass ein Handelsvertreter für den Verkauf 4 außerhalb des Betriebes die bessere Alternative wäre, da er nur dann Provision bekommt, wenn er Umsatz schafft. Allerdings obliegt dem Handelsvertreter als Selbstständigen die Entscheidung, für welchen Unternehmer er in welcher Intensität aktiv wird. Dabei wird der Handelsvertreter vermutlich den Unternehmer am intensivsten vertreten, bei dem er die höchste Provision erhält. Für alle Unternehmer, die nicht die höchste Provision zahlen, ist der Handelsvertreter mithin kein guter „Verkäufer“. Dieses Risiko kann ein Unternehmer durch einen angestellten Verkäufer im Außendienst vermindern. Einem angestellten, weisungsgebundenen Verkäufer im Außendienst kann er konkrete Vorgaben machen, wie z.B. welche Kunden er wann zu besuchen hat. Zudem kann auch die Vergütung eines Verkäufers im Außendienst weitgehend von seinem zu schaffenden Umsatz abhängig gemacht werden.

1 FESTL, § 5 Rn 191 f.

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 Kapitel 6 Außendienstmitarbeiter

Beispiel Handelsvertreter –– Als Selbstständiger für mehrere Unternehmen tätig –– Keine Einflussnahme auf Intensität der Kundenbesuche –– Provision – Bezahlung nur bei tatsächlichem Umsatz Verkäufer im Außendienst –– Nur für einen Arbeitgeber tätig –– Aufgrund Weisungsrechts Einflussnahme auf Intensivität der Kundenbesuche möglich –– Kombination aus Grundvergütung und Provision 5 Um nun eine Verwechslung in der Praxis zwischen dem selbstständigen Handels-

vertreter und einem angestellten Verkäufer zu vermeiden, sollte die Vertragsgestal­ tung von Anfang an eindeutig sein. Wobei letztlich bei der Abgrenzung die tatsächli­ che Durchführung entscheidend ist.

II. Arbeitsrechtliche Aspekte 1. Arbeitsvertrag 6 Der Arbeitgeber sollte zu Beweiszwecken einen Arbeitsvertrag mit dem Außendienstmitarbeiter abschließen. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass darin das Wei­ sungsrecht weitestgehend geregelt wird. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen.

a) Tätigkeitsbeschreibung

7 Im Rahmen der Tätigkeitsbeschreibung kann der Arbeitgeber dem Außendienstmit-

arbeiter bestimmte Kunden zuweisen und die Besuchsintensität vorschreiben. Es ist darauf zu achten, dass ein Außendienstmitarbeiter zu Innendienstarbeiten grundsätzlich nur bei außergewöhnlichen Notsituationen herangezogen werden darf.2

b) Arbeitsort

8 Ein Arbeitsort im klassischen Sinn kann nicht geregelt werden, da der Außendienst-

mitarbeiter an mehreren Arbeitsorten arbeiten wird. Teilweise kann jedoch zumindest ein Arbeitsgebiet eingegrenzt werden. Der Arbeitgeber kann daher für den Außendienstmitarbeiter bestimmte Tourenpläne erstellen oder der „Arbeitsort“ wird durch Angabe von Postleitgebieten, Regierungsbezirken, Landkreisen usw. eingegrenzt. Üblich ist auch die Einrichtung eines Home-Offices für Verkäufer im Außendienst, von dem aus sie Geschäftsreisen vor oder nachbereiten können und Berichte über

2 ArbG Kaiserslautern, Urt. v. 27.5.1992 – 4 Ca 683/91 –.

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A. Arbeitsrecht 

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die Geschäftsreisen schreiben können.3 Wird der „Arbeitsort“ im Arbeitsvertrag nicht eingegrenzt, ist der Arbeitgeber im Rahmen seines Weisungsrechts gem. § 106 GewO berechtigt, den Arbeitsort täglich neu festzulegen. Dies stellt bei einem Außendienstmitarbeiter keine Versetzung i.S.d. des § 95 Abs. 3 S. 2 BetrVG dar.4

c) Arbeitszeit Hinsichtlich der Arbeitszeit sind Regelungen nur begrenzt sinnvoll. Die Arbeitszeit­ 9 lage wird in Arbeitsverträgen von Außendienstmitarbeitern meistens nicht geregelt, denn die Lage der Arbeitszeit orientiert sich an der Erfüllung von Zielen und Aufgaben. Lediglich die regelmäßige wöchentliche oder monatliche Arbeitszeit sollte geregelt werden – soweit sie nicht durch einen Tarifvertrag vorgegeben ist. Da sich die Überprüfung der Arbeitszeit eines Außendienstmitarbeiters, der die tatsächliche Arbeitszeit durch eigenes Aufschreiben nachweist, als schwierig erweist, wird angeraten, eine Regelung in den Arbeitsvertrag aufzunehmen, z.B. nach der Mehrarbeit in bestimmter Höhe durch die variable Vergütung abgegolten ist. Im Übrigen gilt das Arbeitszeitgesetz.5 In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob bei Außendienstmitarbeitern 10 die Reisezeit ebenfalls Arbeitszeit ist. Ist das wirtschaftliche Ziel der gesamten Tätigkeit eines Außendienstmitarbeiters darauf gerichtet, verschiedene Kunden zu besuchen, gehört die Reisezeit zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit. Dies gilt auch für die Fahrten zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück, solange sie mit der übrigen Tätigkeit eine Einheit bilden. Grundsätzlich ist die Zeit für den Weg zur Arbeit jedoch keine Arbeitszeit.6 Praxistipp Ist das wirtschaftliche Ziel der gesamten Tätigkeit eines Außendienstmitarbeiters darauf ausgerichtet, verschiedene Kunden zu besuchen, so ist die Reisezeit vergütungspflichtige Arbeitszeit.

d) Dienstwagen Bei Verkäufern im Außendienst ist grundsätzlich die Nutzung eines Dienstwagens für 11 die Erledigung ihrer Aufgaben von essentieller Bedeutung. Der Einsatz eines eigenen PKWs durch den Außendienstmitarbeiter löst Aufwendungsersatzansprüche aus, so dass die Zurverfügungstellung eines Dienstwagens meistens die kostengünstigere

3 Näheres siehe Kap. 18 – Home Office. 4 Küttner, Weisungsrecht, Rn 5; Lansnicker/Fleddermann, § 6 Rn 457. 5 Hunold, NZA 1993, 10 ff. 6 BAG, Urt. v. 22.4.2009 – 5 AZR 292/08 –.

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 Kapitel 6 Außendienstmitarbeiter

Variante für den Arbeitgeber ist.7 Die Nutzung eines Dienstwagens ist im Arbeitsver­ trag zu regeln. Aufgrund der Komplexität der Regelung ist es üblich, in Arbeitsverträgen auf eine gesonderte Nutzungsvereinbarung Bezug zu nehmen. Eine solche gesonderte Nutzungsvereinbarung sollte so konkret wie möglich 12 gestaltet werden, um Streitigkeiten zu vermeiden. Daher sollte zunächst der Fahr­ zeugtyp bestimmt werden. Dies kann durch die Auswahl eines konkreten Fahrzeugmodells erfolgen, oder aber auch durch die Festlegung einer Preisgrenze und Anordnung von Fahrzeugmerkmalen erfolgen (z.B. Mittel-/Oberklasse; Drei-/Fünftürer, bestimmte Ausstattungsvorgaben etc.). Wird kein bestimmtes Fahrzeugmodell vorgegeben, ist zudem eine Regelung hinsichtlich der Auswahlentscheidung zu treffen, d.h. ob der Arbeitgeber oder der Außendienstmitarbeiter die Auswahl des Dienstwagens vornimmt. Wird aufgrund der vertraglichen Regelung ein bestimmtes Fahrzeugmodell geschuldet und erweist sich im Nachhinein, dass dieses Fahrzeugmodell nicht mehr auf dem Markt erhältlich ist, so ist mittels Vertragsauslegung ein gleichwertiges Fahrzeug zu ermitteln, worauf der Außendienstmitarbeiter dann einen Anspruch hat.8 Ferner kann eine Regelung zur privaten Nutzung des Dienstwagens getroffen 13 werden. Wird diesbezüglich keine Regelung getroffen, so darf der Außendienstmitarbeiter den Dienstwagen nur zu dienstlichen Zwecken nutzen. Das bedeutet, dass die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsplatz grundsätzlich nicht zulässig ist.9 Praxistipp –– Ist keine Regelung zur Privatnutzung des Dienstwagens getroffen worden, so darf der Außendienstmitarbeiter den Dienstwagen nicht privat nutzen. –– Nutzt der Außendienstmitarbeiter den Dienstwagen dennoch privat, so kann der Arbeitgeber den Außendienstmitarbeiter abmahnen und im Fall der Wiederholung ggf. kündigen. 14 Wird die Privatnutzung des Dienstwagens einmal vertraglich vereinbart, so kann

sie nicht einseitig widerrufen werden. Die Privatnutzung eines Dienstwagens stellt einen geldwerten Vorteil in Form eines Sachbezugs dar, so dass es sich dabei um einen Vergütungsbestandteil handelt. Solange der Arbeitgeber dem Außendienstmitarbeiter eine Vergütung schuldet, so lange hat der Außendienstmitarbeiter auch das Recht auf private Nutzung des PKWs. Dies gilt insbesondere für die Zeit der Entgeltfortzahlung während Krankheit, Erholungsurlaub, für den Zeitraum der Mutterschutzfristen sowie für die Freistellung. Will der Arbeitgeber die private Nutzung beseitigen, so bedarf es einer Ände­ 15 rungskündigung oder Änderungsvereinbarung. Empfehlenswert ist es daher, eine

7 Küttner, Dienstwagen, Rn 1. 8 Küttner, Dienstwagen, Rn 2. 9 Küttner, Dienstwagen, Rn 3.

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Regelung zum Widerruf der Privatnutzung in der vertraglichen Vereinbarung aufzunehmen. Bei Formulararbeitsverträgen ist in diesem Zusammenhang darauf zu achten, dass die Widerrufsgründe im Vertrag genannt werden und sachlich gerechtfertigt sind.10 Eine Regelung, die die jederzeitige Widerrufbarkeit der Privatnutzung vorsieht, ist in Formulararbeitsverträgen unwirksam.11 Des Weiteren ist der Widerruf nur möglich, wenn der geldwerte Vorteil durch die Privatnutzung nicht mehr als 25 % der Gesamtvergütung ausmacht.12 Im Übrigen können die weiteren vertraglich vereinbarten Nutzungsvereinbarungen ebenfalls nicht einseitig geändert werden, auch nicht unter Bezugnahme auf eine Dienstwagenordnung.13 Wird die Privatnutzung vereinbart, so ist auch das Ausmaß der privaten 16 Nutzung zu regeln. Demnach muss geklärt werden, ob der Dienstwagen für Urlaubs­ reisen, bzw. Reisen ins Ausland benutzt werden darf. Des Weiteren ist zu klären, ob auch Dritte den Dienstwagen fahren dürfen. Ist keine Regelung zur Nutzung durch Dritte getroffen worden, so ist dennoch davon auszugehen, dass zumindest Ehepartner und nahe Angehörige wie Kinder, die üblicherweise den Privatwagen des Außendienstmitarbeiters fahren dürften, auch den Dienstwagen fahren dürfen. Ferner ist eine Regelung zu den Kosten der privaten Nutzung zu treffen. Weiterhin sollte die Haftung bei Beschädigung geregelt werden. Kommt es zu 17 einem Unfall, so muss zunächst differenziert werden, ob dieser im Rahmen der Diensttätigkeit erfolgt ist oder bei der privaten Nutzung. Hat sich der Unfall im Rahmen der dienstlichen Nutzung ereignet, so gelten die Regelungen der Arbeitnehmerhaf­ tung. Demnach haftet der Außendienstmitarbeiter nicht, wenn ihn kein Verschulden trifft oder er nur leicht fahrlässig gehandelt hat. Bei mittlerer Fahrlässigkeit ist der Schaden nach den Umständen des Einzelfalles zwischen dem Mitarbeiter und seinem Arbeitgeber aufzuteilen. Dabei muss sich der Arbeitgeber so behandeln lassen, als habe er eine übliche und zumutbare Versicherung.14 Die Haftung des Außendienstmitarbeiters wird daher in diesen Fällen auf die Selbstbeteiligung bei der Versicherung begrenzt. Praxistipp Es wird von Arbeitgebern verlangt, dass sie eine Vollkaskoversicherung mit dem üblichen Selbstbehalt abschließen.

Wird der Unfall grobfahrlässig oder vorsätzlich verursacht, so haftet der Außen- 18 dienstmitarbeiter grundsätzlich voll.

10 BAG, Urt. v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09 –. 11 BAG, Urt. v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06 –. 12 BAG, Urt. v. 11.1.2006 – 5 AZR 721/05 –. 13 BAG, Urt. v. 11.2.2009 – 10 AZR 222/08 –. 14 BAG, Urt. v. 24.11.1987 – 8 AZR 524/82 –.

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Beispiel Grob fahrlässig handelt der Außendienstmitarbeiter, wenn er in übermüdetem Zustand einen Dienstwagen fährt, die Geschwindigkeitsbegrenzungen nicht einhält oder Verkehrszeichen, Ampeln usw. nicht beachtet. 19 Erfolgt der Unfall im Rahmen der Privatnutzung so haftet der Außendienstmitar-

beiter in der Regel voll, wenn keine vertragliche Haftungsbefreiung vorgesehen ist. Es kann vertraglich vereinbart werden, dass der Außendienstmitarbeiter bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit vom Arbeitgeber von der Haftung freigestellt wird. Ansonsten sollte aber zumindest gewährleistet sein, dass der Außendienstmitarbeiter auch für die private Nutzung entsprechend versichert ist. Wird das Arbeitsverhältnis beendet, so hat der Arbeitgeber gegen den Außen20 dienstmitarbeiter zum Zeitpunkt der Beendigung einen Herausgabeanspruch. In den meisten Fällen wird aber der Außendienstmitarbeiter noch vor dem Beendigungszeitpunkt von der Arbeit freigestellt. Ist keine Privatnutzung vereinbart worden, so kann der Arbeitgeber die Herausgabe des Dienstwagens jederzeit verlangen, da es sich bei dem Dienstwagen um ein Arbeitsmittel handelt. Haben die Parteien hingegen die Privatnutzung vereinbart, so hat der Arbeitgeber gegen den Außendienstmitarbeiter während der Freistellungsphase keinen Herausgabeanspruch, da der Arbeitgeber während der Freistellungsphase weiterhin zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet ist und mithin auch zur Überlassung des Dienstwagens zur privaten Nutzung als Vergütungsbestandteil. Für einen solchen Fall kann der Arbeitgeber in der Nutzungsvereinbarung einen Widerrufsgrund vereinbaren, allerdings nur wenn er sich im Gegenzug zur Zahlung des Privatnutzungswertes in Geld verpflichtet. Die Bemessung der Höhe des Privatnutzungswertes ist umstritten. Sie kann 21 nach den Anschaffungs- und Nutzungskosten eines vergleichbaren Fahrzeugs unter marktüblichen Bedingungen ermittelt werden. Dabei wird in der Regel auf die Kostentabellen des ADAC oder auf Nutzungsausfalltabellen zurückgegriffen. Es kann aber auch auf die lohnsteuerrechtliche Vorteilsermittlung abgestellt werden.15 Checkliste –– Fahrzeugtyp/Preisgrenze –– Wer hat Auswahlentscheidung –– Regelung zur Privatnutzung (Umfang, Kostentragung) –– Nutzungserlaubnis für Dritte –– Haftungsregelung (insbesondere Freistellung) –– Instandhaltungspflicht (Pflege, Reparatur) –– Versicherung –– Regelung für den Fall der Freistellung/Kündigung –– Steuerliche Behandlung

15 BAG, Urt. v. 27.5.1999 – 8 AZR 415/98 – sowie Abschnitt B. Lohnsteuer Rn 59.

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e) Vergütung Die Vergütung eines Außendienstmitarbeiters, insbesondere eines Verkäufers im Außendienst, wird in der Regel aus einer Kombination von Grundvergütung (Fixum) und erfolgsabhängiger Vergütung (Provision) zusammengesetzt. Bei der variablen Vergütung ist zwischen verschiedenen Provsionsarten zu unterscheiden. Es gibt eine Vermittlungs- bzw. Abschlussprovision. Dabei handelt es sich um eine rein erfolgsabhängige Provision, die entsteht, wenn ein vom Verkäufer im Außendienst vermitteltes Geschäft tatsächlich zustande kommt. Davon zu unterscheiden ist die Bezirksprovision. Bei dieser bekommt der Verkäufer im Außendienst für sämtliche Geschäfte in einem Bezirk die Provision gezahlt. Diese Art von Provision ist sinnvoll, wenn der Verkäufer im Außendienst ein bestimmtes geografisches Gebiet fest zugeteilt bekommt. Bei der Bezirksprovision kommt es nicht darauf an, welche Geschäfte der Verkäufer im Außendienst tatsächlich vermittelt, sondern er bekommt für alle zustande gekommenen Geschäfte in dem bestimmten Gebiet seine Provision. Dabei sollte im Arbeitsvertrag geregelt werden, ob es für die Entstehung dieser Provision auf den Sitz des Kunden ankommt oder auf den Ort, an dem der Vertrag ausgeführt wird. Letztlich gibt es die Superprovision. Bei einer solchen Provision wird der Verkäufer im Außendienst am Erfolg anderer Außendienstmitarbeiter beteiligt, die ihm unterstellt sind. Die Entstehung und Fälligkeit von Provisionen regelt sich nach den Vorschriften für Handelsvertreter (siehe §§  87 ff. HGB). Provisionspflichtig sind danach – soweit nicht Gebietsschutz vereinbart wurde – sämtliche Geschäfte, die ursächlich auf die Tätigkeit des Verkäufers im Außendienst zurückzuführen sind, wobei Mitur­ sächlichkeit genügt. Des Weiteren sind auch Geschäfte provisionspflichtig, die mit sog. Altkunden zustande kommen. Altkunden sind Kunden, die vorher bereits vom Verkäufer im Außendienst geworben wurden und nunmehr Nachbestellungsaufträge erteilen.

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f) Spesen Spesen, wie z.B. Auslagen für Fahrtkosten, Übernachtungen und ähnliches, werden 27 bei Außendienstmitarbeitern gesondert abgerechnet. Der Außendienstmitarbeiter erhält entweder eine Pauschale für den Ersatz von Spesen oder die Spesen werden gegen Einzelnachweis abgerechnet.

g) Weitere Regelungen Im Übrigen sollte der Arbeitsvertrag des Außendienstmitarbeiters wie der von Innen- 28 dienstmitarbeitern Regelungen zum Urlaub enthalten. Der Außendienstmitarbeiter fällt als Arbeitnehmer unter das Bundesurlaubsgesetz. Darüber hinaus erscheint ggf. eine Regelung der Genehmigungspflicht von Nebentätigkeiten ebenfalls sinnFerbeck

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 Kapitel 6 Außendienstmitarbeiter

voll, da sie z.B. bei einem Verkäufer im Außendienst die Arbeitnehmereigenschaft indiziert.

2. Betriebliche Altersversorgung

29 Außendienstmitarbeiter haben prinzipiell wie Innendienstmitarbeiter einen An-

spruch auf betriebliche Altersversorgung, sofern der Arbeitgeber eine solche gewährt. Dabei muss der Arbeitgeber bei der Aufstellung einer Ordnung für den Bezug von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (Versorgungsordnung) den arbeitsrecht­ lichen Gleichbehandlungsgrundsatz beachten. Grundsätzlich ist der Ausschluss einer Gruppe von Arbeitnehmern von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nur dann mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, wenn er nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt ist.16 Mithin ist es Arbeitgebern nicht ohne weiteres erlaubt, Außendienstmitarbeitern von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auszuschließen, weil diese eine Art der Arbeitsleistung erbringen und eine andere Entgeltstruktur (Fixum und Provision) als Innendienstmitarbeiter haben.17

Praxistipp Ein Ausschluss von Außendienstmitarbeitern aus einem Versorgungsplan ist nur dann zulässig, wenn die Außendienstmitarbeiter ein erheblich höheres laufendes Einkommen als die Innendienstmitarbeiter erhalten und den betrieblichen Entgeltfestsetzungsregelungen entnommen werden kann, dass der Ausschluss einen Ausgleich für die Benachteiligung in der betrieblichen Altersversorgung bezweckt.

3. Schutzvorschriften

30 Der Außendienstmitarbeiter unterliegt als Arbeitnehmer dem Kündigungsschutzge­

setz, solange die Voraussetzungen der §§  1, 23 KSchG erfüllt sind. Dabei kann der Führerscheinentzug auf nicht unabsehbare Zeit bei Außendienstmitarbeitern einen Kündigungsgrund darstellen.18 Im Übrigen hat ein Außendienstmitarbeiter auch Anspruch auf Entgeltfortzah­ 31 lung im Krankheitsfall nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz, sowie Anspruch auf Elternzeit nach dem Bundeselterngelt- und Elternzeitgesetz. Außendienstmitarbeiterinnen unterfallen auch dem Schutz des Mutterschutzgesetzes. Letztlich zählen Außendienstmitarbeiter als Arbeitnehmer auch zu den Beschäf32 tigten i.S.d. Arbeitsschutzgesetzes.19

16 BAG, Urt. v. 28.6.2011 – 3 AZR 448/09 –. 17 BAG, Urt. v. 9.12.1997 – 3 AZR 661/96 –; BAG, Urt. v. 20.7.1993 – 3 AZR 52/93 –. 18 LAG Schleswig-Holstein, Urt. v. 16.6.1986 – 4 (5) Sa 684/85 –. 19 Kollmer/Klindt/Butz, § 15 Rn 8.

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4. Gerichtsstand Bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten mit Außendienstmitarbeitern beginnt die gerichtliche Auseinandersetzung häufig bei der Frage des zuständigen Gerichts. Die örtliche Zuständigkeit von Gerichten kann sich aus § 48 Abs. 1a ArbGG oder aus § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i.V.m. §§ 12–40 ZPO ergeben. Die Bestimmung eines Arbeitsortes i.S.d. § 48 Abs. 1a ArbGG – welcher die örtliche Zuständigkeit bei Urteilsverfahren regelt – ist aufgrund der wechselnden Arbeitsorte eines Außendienstmitarbeiters problematisch. Dabei kann auch der Wohnsitz eines Außendienstmitarbeiters als Arbeitsort i.S.d. § 48 Abs. 1a ArbGG gelten, wenn der Außendienstmitarbeiter an seinem Wohnort eine Arbeitsleistung erbringt oder über eine eigene betriebliche Organisation verfügt. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn er von zu Hause seine Reisetätigkeit für den ihm zugewiesenen Bezirk plant, Berichte schreibt oder andere mit der Arbeitsleistung verbundene Tätigkeiten verrichtet. Die am Wohnort verrichtete Tätigkeit muss keinen bestimmten Mindestumfang haben. Zudem ist gleichzeitig unbeachtlich, ob der Außendienstmitarbeiter täglich nach Hause zurückkehrt oder in welchem Umfang er vom Betriebssitz seines Arbeitgebers Anweisungen für die Gestaltung seiner Reisetätigkeit erhält. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist der Wohnort nicht der gewöhnliche Arbeitsort i.S.d. § 48 Abs. 1a ArbGG. Wird der Außendienstmitarbeiter durch Einzel-Weisungen des Arbeitgebers vom Betrieb aus zu den einzelnen Arbeitsorten entsendet, wie z.B. bei Montagearbeitern, so ist der Betriebsort der Arbeitsort i.S.d. § 48 Abs. 1a ArbGG.20 Die Bestimmung eines Erfüllungsortes i.S.d. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i.V.m. § 29 Abs. 1 ZPO ist ebenfalls aufgrund der wechselnden Arbeitsorte eines Außendienstmitarbeiters problematisch. Gemäß § 269 Abs. 1 BGB, auf den abzustellen ist, kommen sowohl der Wohnsitz des Außendienstmitarbeiters als auch der Betriebsort als Erfüllungsort in Betracht. Nach dem BAG ist der Wohnsitz des Außendienstmitarbeiters der Erfüllungsort, wenn der Außendienstmitarbeiter von dort aus seine Reisetätigkeit ausübt (sog. Domizillösung). Dabei ist unbeachtlich, ob der Außendienstmitarbeiter täglich nach Hause zurückkehrt oder in welchem Umfang er vom Betriebssitz seines Arbeitgebers Anweisungen für die Gestaltung seiner Reisetätigkeit erhält.21 Die Domizillösung ist jedoch nicht unumstritten.22 Können keine besonderen Gerichtsstände ermittelt werden, insbesondere weder nach § 48 Abs. 1a ArbGG noch nach § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i.V.m. § 29 Abs. 1 ZPO, so ist auf den allgemeinen Gerichtsstand abzustellen. Der allgemeine Gerichtsstand des beklagten Arbeitnehmers bestimmt sich nach seinem Wohnsitz (§ 13 ZPO). Der

20 BAG, Urt. v. 12.6.1986 – 2 AZR 398/85 –; LAG Hessen, Beschl. v. 26.8.2008 – 4 Ta 308/08 –; ArbG Mannheim, Beschl. v. 5.10.2009 – 9 Ca 334/09 –; Böggemann, NJW 2008, 1263, 1265 ff. 21 BAG, Urt. v. 12.6.1986 – 2 AZR 398/85 –. 22 Hümmerich/Lücke/Mauer/Hümmerich, Rn 536; BAG, Beschl. v. 6.1.1998 – 5 AS 24/97 –.

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allgemeine Gerichtsstand des Arbeitgebers ist der Ort, an dem die Gesellschaft ihren Sitz hat (§ 17 ZPO).

III. Betriebsverfassungsrecht

37 Außendienstmitarbeiter sind Arbeitnehmer i.S.d. Betriebsverfassungsgesetzes (siehe

§ 5 BetrVG), so dass die Regelungen des Betriebsverfassungsrechts auf Außendienstmitarbeiter Anwendung finden. Daraus ergibt sich, dass der Betriebsbegriff funk­ tional und nicht räumlich zu verstehen ist. Die Eingliederung in den Betrieb muss nicht tatsächlich örtlich erfolgen. Vielmehr ist der Außendienstmitarbeiter betriebs­ zugehörig, wenn er zur Erfüllung des Betriebszwecks eingesetzt wird.23 Die persönliche Abhängigkeit eines Beschäftigten wird durch eine Tätigkeit außerhalb der Betriebsstätte lediglich gelockert, jedoch nicht aufgehoben.24 Mithin ist der Außendienstmitarbeiter gem. § 7 BetrVG zur Wahl des Betriebs­ 38 rats berechtigt. Ist die Zuordnung des Betriebes z.B. aufgrund der Tatsache, dass der Vertragsarbeitgeber Inhaber mehrerer Betriebe ist, schwierig, entscheidet die kon­ krete Ausübung des Direktionsrechts von einem bestimmten Betrieb aus über die Betriebszugehörigkeit.25 Die Einbindung eines Außendienstmitarbeiters in einen Betrieb kann sich insbesondere aus einer starken organisatorischen Verbundenheit zum Arbeitgeber ergeben. Diese kann bspw. entstehen, wenn der Außendienstmitarbeiter z.B. in ein Kundenbetreuungskonzept des Arbeitgebers eingebunden oder zur Teamarbeit verpflichtet ist.26

IV. Kontrollmöglichkeiten

39 Die Probleme bei der Festlegung der Arbeitszeit eines Außendienstmitarbeiters und

seine weitgehende Freiheit von der Überwachung durch den Arbeitgeber werfen häufig die Frage auf, wie überprüft werden kann, ob der Außendienstmitarbeiter seine Arbeitsleistung vertragsgerecht erbringt. Für die Kontrolle der Tätigkeit von Außendienstmitarbeitern haben sich in der Praxis verschiedene Vorgehensweisen herausgebildet.

23 ErfK/Koch, § 7 BetrVG Rn 4. 24 FESTL, § 5 Rn 186; ErfK/Koch, § 7 BetrVG Rn 4. 25 BAG, Beschl. v. 10.3.2004 – 7 ABR 36/03 –; LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 1.9.2010 – 13 TaBV 4/10 –. 26 BAG, Urt. v. 6.5.1998 – 5 AZR 247/97 –; BAG, Urt. v. 15.3.1978 – 5 AZR 818/76 –.

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1. Tätigkeitsbericht Häufig erfolgt eine Kontrolle durch die Anweisung des Arbeitgebers, Tätigkeits­ 40 berichte zu verfassen und vorzulegen. Dazu ist der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts befugt. Die Erstellung von Tätigkeitsberichten gehört damit zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des Außendienstmitarbeiters. Die Erstellung hat deshalb während der Arbeitszeit, nicht in der Freizeit, zu erfolgen. Eine Verweigerung der Erstellung durch den Außendienstmitarbeiter stellt einen Pflichtverstoß dar, der eine Abmahnung bzw. eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen kann.27 Üblicherweise sind in einem solchen Tätigkeitsbericht Ankunft und Abfahrt beim 41 Kunden sowie Grund und Verlauf des Besuchs anzugeben. Die Anweisung, Tätigkeitsberichte zu verfassen und vorzulegen, ist mitbestim­ 42 mungsfrei, solange sie nur gegenüber einzelnen Arbeitnehmern erteilt wird. Ob eine entsprechende Anweisung an alle Außendienstmitarbeiter der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt, ist strittig.28 Praxistipp Möchte der Arbeitgeber sichergehen und Streitigkeiten vermeiden, empfiehlt es sich, vor der Erteilung einer solchen Anweisung den Betriebsrat einzuschalten.

2. Leistungskontrolle durch technische Mittel, insbesondere durch EDV Eine weitere Kontrollmöglichkeit besteht durch technische Einrichtungen. Eine der- 43 artige Leistungsüberwachung ist mitbestimmungspflichtig (siehe § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG). Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht in diesem Fall nicht nur, wenn die Überwachung durch technische Mittel erfolgt. Ausreichend ist nach Ansicht des BAG bereits die Datenverarbeitung durch technische Mittel, wenn die Daten auf nichttechnischem Wege gewonnen wurden.29 Zum Schutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts des Mitarbeiters gilt zudem das BDSG. In einer Betriebs­ vereinbarung sollte daher detailliert geregelt werden, welche Daten erhoben werden und zu welchen Zwecken die Erfassung und Verwendung personenbezogener Daten erfolgen soll.

27 Bopp/Molkenbur, BB 1995, 514. 28 Dafür: Schaub/Koch, § 235 Rn 66; Dagegen: BAG, DB 1982, 1116; AnwK-ArbR/Welslau, § 87 BetrVG Rn 36. 29 BAG, NZA 1985, 28; ErfK/Kania, § 87 BetrVG Rn 49.

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3. Kontroll-Fahrten

44 Die Überwachung des Außendienstmitarbeiters kann auch im Wege von Kontroll­

fahrten erfolgen. Dabei fährt (in der Regel) der Vorgesetzte des Außendienstmitarbeiters dessen Tour ab und erkundigt sich bei den Kunden über die Tätigkeit seines Mitarbeiters. Dieses Vorgehen kann grundsätzlich ein effektives Kontrollinstrument darstellen, doch sollte der Arbeitgeber hier stets bedenken, welchen Eindruck eine derartige Kontrolle beim Kunden und bei dem betroffenen Außendienstmitarbeiter erzeugt. Dem kann der Arbeitgeber entgegenwirken, indem er diese Form der Kon­ trolle transparent gestaltet, z.B. in dem der Vorgesetzte den Außendienstmitarbeiter entsprechend eines konkreten Plans zu Kunden begleitet.

4. Kontrolle unter Einsatz von Detektiven

45 Gelegentlich greifen Arbeitgeber zur Überwachung ihrer Außendienstmitarbeiter

auch auf den Einsatz von Privatdetektiven zurück. Grundsätzlich muss der Einsatz von Detektiven zur Überwachung von Arbeitnehmern als unzulässig bewertet werden.30 Das BAG hat in diesem Zusammenhang auch der Erstattung von Detektivkosten durch den Arbeitnehmer strenge Grenzen gesetzt.31 Danach ist der Einsatz von Detektiven nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn auf Seiten des Arbeitgebers ein konkreter Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer schweren Vertragsverlet­ zung gegen den Arbeitnehmer vorliegt, da dem Arbeitnehmer bei ungerechtfertigten Eingriffen in sein Persönlichkeitsrecht sowohl ein Anspruch auf Unterlassung als auch auf Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld zusteht,32 sollte der Arbeitgeber bei der Anwendung dieses Kontrollmittels größte Vorsicht walten lassen. Der Einsatz von Privatdetektiven unterliegt nicht der Mitbestimmung des 46 Betriebsrats. Dies gilt auch dann, wenn sich der Detektiv bei seiner Arbeit technischer Hilfsmittel (z.B. Kamera) bedient.33 Praxistipp Beim Einsatz von Detektiven wird zur Vermeidung von Streitigkeiten empfohlen, vor der Beauftragung eines Detektivs den Betriebsrat einzuschalten.

30 Bopp/Molkenbur, BB 1995, 514, 516. 31 BAG, NZA-RR 2011, 231. 32 ErfK/Preis, § 619a BGB Rn 71 f. 33 Bopp/Molkenbur, BB 1995, 514, 516.

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5. Veröffentlichung von sog. „Rennerlisten“ Häufig werden in der betrieblichen Praxis sog. „Rennerlisten“ erstellt und veröffent- 47 licht, aus denen anhand der Leistungsdaten der Außendienstmitarbeiter aus einem bestimmten Bewertungszeitraum abzulesen ist, welcher Außendienstmitarbeiter besonders erfolgreich oder weniger erfolgreich war. Derartige Listen werden nicht selten auch als Motivationsinstrument genutzt, indem z.B. mit der Platzierung auf der Liste ein Bonus verknüpft wird. Gegen eine solche Praxis bestehen keine Bedenken, solange alle betroffenen 48 Außendienstmitarbeiter mit der Veröffentlichung einverstanden sind. Andernfalls liegt auch hier ein Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht des Außendienstmitarbeiters vor.34 Des Weiteren besteht bei der Erstellung von „Rennerlisten“ ein Mitbestim­ 49 mungsrecht des Betriebsrats nach §  87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, wenn der Arbeitgeber die Liste mit Hilfe einer technischen Einrichtung (EDV-Anlage) unter Auswertung der Ergebnisse der einzelnen Außendienstmitarbeiter erstellt. Checkliste –– Schriftlicher Arbeitsvertrag –– Eingrenzung des Arbeitsortes –– Festsetzung der Arbeitszeit –– ggf. Dienstwagenregelung –– Urlaubsregelung –– Genehmigungspflicht von Nebentätigkeit

B. Steuerrecht I. Allgemeines Grundsätzlich richtet sich die lohnsteuerliche Behandlung von Außendienstmitar- 50 beitern nach den allgemeinen Regeln für Arbeitnehmer. Die Haupttätigkeit von Außendienstmitarbeiter besteht jedoch vorwiegend im Besuch und im Gewinnen von Kunden für den Arbeitgeber. Dabei werden die Kundenbesuche üblicherweise mit einem Firmenwagen durchgeführt. Darüber hinausgehende Arbeiten verrichten die Außendienstmitarbeiter häufig im Home Office.35 Im Vergleich zu Arbeitnehmern typischer Beschäftigungsverhältnisse zeichnet sich die Betätigung eines Außendienstmitarbeiters folglich durch wechselnde Einsatzorte und eine damit verbundene hohe Reisetätigkeit aus.

34 Bopp/Molkenbur, BB 1995, 514, 516. 35 Vgl. Kap. 18 – Home Office Rn 48 ff.

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Lohnsteuerliche Besonderheiten ergeben sich daher in der Praxis für Außendienstmitarbeiter insbesondere dann, wenn es um die Bestimmung der regelmä­ ßigen Arbeitsstätte und die daraus resultierenden lohnsteuerlichen Konsequenzen geht. Das Vorliegen einer regelmäßigen Arbeitsstätte hat u.a. Bedeutung für den Zuschlag bei der Firmenwagenbesteuerung und den Umfang des steuerfreien Reisekostenersatzes.36

II. Lohnsteuerliche Konsequenzen bei Vorliegen einer regelmäßigen Arbeitsstätte

52 Nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung ist regelmäßige Arbeitsstätte jede orts-

feste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der ein Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d.h. fortdauernd und immer wieder aufsucht; dies ist regelmäßig der Betrieb oder Zweig­ betrieb.37 Danach qualifizieren sich Kundeneinrichtungen des Arbeitgebers nicht als regelmäßige Arbeitsstätte, auch wenn ein Arbeitnehmer dort längerfristig eingesetzt wird.38 Die Kundenrechtsprechung des BFH kann auch auf verbundene Unter­ nehmen übertragen werden. Die typisierende Begriffsbestimmung der regelmäßigen Arbeitsstätte wird auch von der Finanzverwaltung zugrunde gelegt.39 Nach bisheri­ ger Auffassung konnte der Arbeitnehmer auch mehrere regelmäßige Arbeitsstät­ ten nebeneinander haben.40 Nach neuer BFH-Rechtsprechung kann ein Arbeitnehmer jedoch nur noch 53 (maximal) eine regelmäßige Arbeitsstätte haben.41 Nach Auffassung des BFH stellt die regelmäßige Arbeitsstätte nunmehr den (einen) ortsgebundenen Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers dar.42 Neben den bisherigen Kriterien zur Bestimmung der regelmäßigen Arbeitsstätte ist es nach Auffassung des BFH nunmehr auch erforderlich, dass dem Ort der regelmäßigen Arbeitsstätte gegenüber anderen Tätigkeitsorten eine zentrale Bedeutung zukommt. Dies soll nach dem qualitativen und zeitlichen Umfang der Tätigkeit des Arbeitnehmers an der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers bestimmt werden.43 Insoweit greift

36 Rindelaub, BB 2011, S. 2662 f.; Strohner/Bode, DB 2011, S. 2566 f. 37 BFH, Urt. v. 11.5.2005 – VI R 15/04 –; BFH, Urt. v. 11.5.2005 – VI R 16/04 –; BFH, Urt. v. 4.4.2008 – VI R 85/0 –. 38 BFH, Urt. v. 10.7.2008 – VI R 21/07 –; BFH, Urt. v. 9.7.2009 – VI R 21/08 –. 39 Vgl. R 9.4 Abs. 3 LStR. 40 BFH, Urt. v. 7.6.2002 – VI R 53/07 –; vgl. H 9.4 (Regelmäßige Arbeitsstätte – 3.Spiegelstrich) LStH. 41 BFH, Urt. v. 9.6.2011 – VI R 55/10 – VI R 36/10 – und – VI R 58/09 –. 42 BFH, Urt. v. 9.6.2011 – VI R 55/10 – VI R 36/10 – und – VI R 58/09 –. 43 BFH, Urt. v. 9.6.2011 – VI R 55/10 – VI R 36/10 – und – VI R 58/09 –; Geserich, NWB 2011, S. 3531 f.; Rindelaub, BB 2011, S. 2662 f.; Strohner/Bode, DB 2011, S. 2566 f.

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B. Steuerrecht 

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die zur Begründung einer regelmäßigen Arbeitsstätte herangezogene sog. „46-TageRegel“ zukünftig nicht mehr.44 Beispiel So handelt es sich nach der neuen BFH-Rechtsprechung bei dem Betriebssitz des Arbeitgebers, den der Außendienstmitarbeiter zwar regelmäßig, aber lediglich zu Kontrollzwecken aufsucht, ohne dort seiner eigenen beruflichen Tätigkeit nachzugehen (kein eingerichteter Arbeitsplatz), nicht um die regelmäßige Arbeitsstätte des Arbeitnehmers.45

Hat der Außendienstmitarbeiter z.B. beim Arbeitgeber keinen eingerichteten Arbeits- 54 platz, den er nachhaltig aufsucht, und arbeitet vom Home Office aus, wird man aufgrund der neuen BFH-Rechtsprechung bei einer vorzunehmenden Überprüfung regelmäßig zu dem Ergebnis kommen, dass es an einer regelmäßigen Arbeitsstätte fehlt. Grundsätzlich stellt ein Home Office keine regelmäßige Arbeitsstätte dar.46 Die Finanzverwaltung wendet die Grundsätze der aktuellen BFH-Rechtspre- 55 chung47 zur regelmäßigen Arbeitsstätte in allen noch offenen Fällen allgemein an.48 Im Hinblick auf die Entscheidungen des BFH ist bei der Bestimmung der regelmäßigen Arbeitsstätte sowie der Anwendung der R 9.4 Abs. 3 LStR bis zu einer gesetzlichen Neuregelung nach Auffassung der Finanzverwaltung Folgendes zu beachten: In der Regel ist von einer regelmäßigen Arbeitsstätte auszugehen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der dienstrechtlichen/arbeitsvertraglichen Festlegung einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers dauerhaft zugeordnet ist oder in einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers arbeitstäglich je Arbeitswoche einen vollen Arbeits­ tag oder mindestens 20  % seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll (Prognoseentscheidung).49 Praxistipp Um aufwendige Rückrechnungen im Lohnsteuerabzugsverfahren zu vermeiden, kann ggf. mit einer Prognoseentscheidung die regelmäßige Arbeitsstätte im Vorfeld bestimmt werden.

Wird im Einzelfall abweichend von den vorgenannten Kriterien der Finanzverwal- 56 tung geltend gemacht, dass entsprechend den Grundsätzen der aktuellen BFH-Rechtsprechung zur regelmäßigen Arbeitsstätte50 eine andere betriebliche Einrichtung

44 Geserich, NWB 2011, S. 3531 f.; Rindelaub, BB 2011, S. 2662 f.; Strohner/Bode, DB 2011, S. 2566 f. 45 BFH, Urt. v. 9.6.2011 – VI R 55/10 –; Geserich, NWB 2011, S. 3531 f. 46 FG Baden-Württemberg, Urt. v. 2.5.2011 – 10 K 1319/08 –; vgl. Kap. 18 – Home Office Rn 48 ff. 47 BFH, Urt. v. 9.6.2011 – VI R 55/10, VI R 36/10 und VI R 58/09. 48 BMF-Schreiben v. 15.12.2011 – IV C 5 – S 2353/11/10010 –. 49 BMF-Schreiben v. 15.12.2011 – IV C 5 – S 2353/11/10010 –. 50 BFH, Urt. v. 9.6.2011 – VI R 55/10 –, – VI R 36/10 – und – VI R 58/09 –.

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 Kapitel 6 Außendienstmitarbeiter

des Arbeitgebers eine regelmäßige Arbeitsstätte ist oder keine regelmäßige Arbeitsstätte vorliegt, ist dies auch nach Auffassung der Finanzverwaltung anhand des inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkts der beruflichen Tätigkeit nachzuwei­ sen oder glaubhaft zu machen.51 In Fällen, in denen an mehreren Orten eine inhaltsgleiche Tätigkeit ausgeübt 57 wird, wird die qualitative Beurteilung zur Begründung einer regelmäßigen Arbeitsstätte in der Praxis allerdings Schwierigkeiten bereiten.52 Daher kann ggf. das zeit­ liche Kriterium zur Bestimmung des Vorliegens einer regelmäßigen Arbeitsstätte ausschlaggebend sein, wobei hierfür ein Tätigkeitsumfang von mehr als 50  % gefordert wird.53 Zum Nachweis des Tätigkeitsumfangs sollte weiterhin eine entsprechende Doku­ 58 mentation z.B. durch schriftliche Arbeitszeitnachweise, elektronische Zeiterfassung oder Reisekostenabrechnungen erfolgen, welche zum Lohnkonto des Arbeitnehmers zu nehmen sind. Praxistipp Zur Vermeidung etwaiger Haftungsrisiken sollte in Zweifelsfällen eine Lohnsteueranrufungsauskunft nach § 42e EStG beim zuständigen Betriebsstättenfinanzamt eingeholt werden, um die eigene Auffassung zur regelmäßigen Arbeitsstätte bestätigen zu lassen. 59 Bei einer Firmenwagengestellung gelten die üblichen Besteuerungsgrundsätze. Bei

Vorliegen einer regelmäßigen Arbeitsstätte ist grundsätzlich der 0,03  %-Zuschlag für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte zu berücksichtigen. Ggf. kann von dem 0,03  %-Zuschlag abgesehen werden, wenn eine fahrtenbezo­ gene Besteuerung für den Arbeitnehmer günstiger ist. Der Zuschlag nach der fahrtenbezogenen Methode ist mit 0,002 % des inländischen Bruttolistenpreises je Entfernungskilometer zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte (ggf. Teilstrecke) je tatsächlich durchgeführter Fahrt zu ermitteln.54 Bei einer fahrtenbezogenen Versteuerung sind die von der Finanzverwaltung aufgestellten Grundsätze zur Umsetzung insbesondere auch die an einen Nachweis für tatsächlich durchgeführte Fahrten genannten Beweisanforderungen zu beachten.55 Fehlt es hingegen an einer regelmäßigen Arbeitsstätte so erübrigen sich die entsprechenden Zuschlagsregelungen bei der Firmenwagenversteuerung.

51 BMF-Schreiben v. 15.12.2011 – IV C 5 – S 2353/11/10010 –. 52 Rindelaub, BB 2011, S. 2662 f.; Strohner/Bode, DB 2011, S. 2566 f. 53 Geserich, NWB 2011, S. 3531 f.; Rindelaub, BB 2011, S. 2662 f.; Strohner/Bode, DB 2011, S. 2566 f. 54 BFH, Urt. v. 22.9.2010 – IV R 57/0 –; BFH, Urt. v. 4.4.2008 – VI R 68/05 –. 55 BMF-Schreiben v. 1.4.2011 – IV C 5 – S 2334/08/10010.

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B. Steuerrecht 

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Praxistipp Aufgrund der Neuregelung zur Bestimmung der regelmäßigen Arbeitsstätte ist ggf. eine Überprüfung der Firmenwagenversteuerung empfehlenswert.

III. Steuerfreier Reisekostenersatz bei Auswärtstätigkeit Reisekosten, die einem Außendienstmitarbeiter während einer Auswärtstätigkeit entstehen, können vom Arbeitgeber steuerfrei nach § 3 Nr. 13 bzw. 16 EStG erstattet werden. Voraussetzung für eine Auswärtstätigkeit ist, dass der Außendienstmitarbeiter vorübergehend außerhalb seiner Wohnung und seiner regelmäßigen Arbeitsstätte beruflich tätig wird.56 Zu den Reisekosten zählen Fahrtkosten, Verpflegungsmehraufwendungen, (reine) Übernachtungskosten und Reisenebenkosten. Es gelten grundsätzlich die allgemeinen Regeln zur Reisekostenerstattung. Auf einzelne Besonderheiten im Zusammenhang mit der Tätigkeit von Außendienstmitarbeitern wird nachfolgend hingewiesen: Sofern der Außendienstmitarbeiter bei einer Auswärtstätigkeit z.B. sein priva­ tes Fahrzeug benutzt, kann der Arbeitgeber die Fahrtkosten nach individuellen oder pauschalen Kilometersätzen steuerfrei erstatten.57 Bei einer Firmenwagen­ gestellung dagegen ist eine steuerfreie Erstattung von Kilometerpauschalen nicht möglich,58 sondern es sind die Besteuerungsgrundsätze für Firmenwagen anzuwenden. Für Verpflegungsmehraufwendungen des Außendienstmitarbeiter kommt abhängig von der jeweiligen Abwesenheitsdauer eine steuerfreie Erstattung in Höhe der gesetzlichen Höchstbeträge von jeweils 6 €/12 €/24 € in Betracht.59 Dabei ist bei einer längerfristigen vorübergehenden Auswärtstätigkeit insbesondere die sog. Dreimonatsfrist zu beachten.60 Sollten die Verpflegungszuschüsse des Arbeitgebers die steuerfreien Pauschbeträge übersteigen, kann die Lohnsteuer ggf. mit einem Pauschsteuersatz von 25 % erhoben werden.61 Auch bei den Übernachtungskosten sind Besonderheiten im Zusammenhang mit Arbeitgebererstattungen zu berücksichtigen. Übernimmt der Arbeitgeber anlässlich einer Auswärtstätigkeit seines Außendienstmitarbeiters z.B. die Kosten für die Hotelübernachtung einschließlich Frühstück, so können nur die Kosten für die Übernachtung als Reisekosten nach § 3 Nr. 16 EStG steuerfrei erstattet werden. Die Übernahme der Frühstückskosten hingegen stellt einen Sachbezug dar, dessen

56 Vgl. R 9.4 Abs. 2 LStR. 57 Vgl. R 9.5 Abs. 1 LStR, H 9.5 (Pauschale Kilometersätze) LStH. 58 Vgl. R 9.5 Abs. 2 S. 4 LStR. 59 Vgl. R 9.6 Abs. 1 LStR, § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 2 EStG. 60 Vgl. R 9.6 Abs. 4 LStR, § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 5 EStG. 61 Vgl. § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG.

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 Kapitel 6 Außendienstmitarbeiter

Wert nach der Regelung von R 8.1. Abs. 8 Nr. 2 LStR grundsätzlich mit dem amtlich gültigen Sachbezugswert von 1,57 € als geldwerter Vorteil zu erfassen und entsprechend zu versteuern ist. Eine Versteuerung als geldwerter Vorteil kann jedoch u.a. dadurch vermieden werden, dass der Außendienstmitarbeiter eine Zuzahlung in Höhe des geldwerten Vorteils leistet. Eine Zuzahlung kann dabei z.B. im Wege der Verrechnung mit ungekürzt gewährten Verpflegungspauschalen erfolgen. Zur Ver­ meidung von Haftungsrisiken ist bei einer solchen Vorgehensweise insbesondere darauf zu achten, dass eine entsprechende Dokumentation sicherstellt, dass sich die Verrechnung nicht als Kürzung der Verpflegungspauschalen darstellt. Praxistipp Bei Übernahme der Frühstückskosten anlässlich von Hotelübernachtungen durch den Arbeitgeber kann eine Versteuerung als geldwerter Vorteil dadurch vermieden werden, dass der Arbeitnehmer eine entsprechende Zuzahlung in Höhe des gültigen Sachbezugswertes leistet. 64 Bei Hotelübernachtungen ist zudem auch zu beachten, dass Aufwendungen z.B.

für private Ferngespräche, Massagen, Minibar oder Pay-TV ausdrücklich von einer steuerfreien Erstattung als Reisenebenkosten ausgenommen sind.62 Dagegen stellen im Übrigen z.B. Kosten für die Beförderung, Versicherung und Aufbewahrung von Gepäck, Aufwendungen für Telefon, Porto, Internetnutzung für Dienstzwecke, Autobahn- und Parkgebühren und Trinkgelder in der Praxis typischerweise anfal­ lende Reisenebenkosten dar, welche vom Arbeitgeber steuerfrei erstattet werden können.63 Neben Reisekosten fallen im Rahmen von Auswärtstätigkeiten auch häufig 65 Bewirtungskosten an, welche der Arbeitgeber lohnsteuerlich zu würdigen hat. Bei einer Bewirtung des Außendienstmitarbeiters während einer Auswärtstätigkeit z.B. durch Geschäftsfreunde ist für eine kostenlos gewährte Mahlzeit allerdings grundsätzlich kein geldwerter Vorteil zu versteuern. Gleiches gilt, wenn der Außendienstmitarbeiter Geschäftspartner des Arbeitgebers bewirtet oder an einer Bewir­ tung von Geschäftsfreunden durch den Arbeitgeber teilnimmt; denn hier gehört der auf den Außendienstmitarbeiter entfallenden Teil der Bewirtungskosten grundsätzlich nicht zum Arbeitslohn, da die Bewirtungskosten regelmäßig im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers entstehen.64 Im Übrigen finden sich weitere Hinweise zur Versteuerung bei der Bewirtung von Arbeitnehmern anlässlich von Auswärtstätigkeiten in den Lohnsteuer-Richtlinien.65

62 Vgl. R 9.8 Abs. 1 S. 2 LStR. 63 Vgl. R 9.8 Abs. 1 S. 1 LStR. 64 Vgl. R 8.1 Abs. 8 Nr. 1 S. 1 LStR. 65 Vgl. R 8.1 Abs. 8 LStR und H 8.1 Abs. 8 (Auswärtstätigkeit) LStH.

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B. Steuerrecht 

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Auch kommt es in der Praxis vor, dass Arbeitgeber ihren Außendienstmitarbei- 66 tern zur Abgeltung von Aufwendungen im Rahmen der Auswärtstätigkeit pauschale Beträge (z.B. 250 € monatlich für Verpflegung etc.) zahlen. Diese Außendienstpau­ schalen stellen dabei grundsätzlich steuerpflichtigen Arbeitslohn dar.66 Zahlt der Arbeitgeber die Pauschale z.B. für die Verpflegung des Außendienstmitarbeiters, so kann dieser die gesetzlichen Verpflegungsmehraufwendungen dann im Rahmen seiner persönlichen Einkommensteuererklärung geltend machen.

IV. Behandlung von Sonderzahlungen Außendienstmitarbeiter erhalten neben einem bestimmten Fixgehalt in der Regel 67 auch eine erfolgsabhängige Vergütung. Die variable Vergütung erfolgt dabei häufig in Form von Provisions- und Bonuszahlungen. Provisionen, z.B. für Vermittlungsleistungen, sind grundsätzlich als Arbeits­ 68 lohn zu versteuern. Bei Einmalzahlungen erfolgt ggf. eine Versteuerung als sons­ tiger Bezug. Auch Bonuszahlungen sind grundsätzlich als steuerpflichtiger Arbeitslohn 69 dem Lohnsteuerabzug zu unterwerfen. Ggf. kann eine Umwandlung der Bonuszahlung in steuerbegünstige Arbeitgeberleistungen erfolgen, so z.B. in steuerfreie Kindergartenzuschüsse des Arbeitgebers, wenn die Voraussetzungen des § 3 Nr. 33 EStG vorliegen67 oder in Form von gesundheitsfördernden Maßnahmen unter den in § 3 Nr. 34 EStG genannten Voraussetzungen. Praxistipp Bei Zahlungen des Arbeitgebers, die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden, wie z.B. bei Bonuszahlungen, kann ggf. eine Umwandlung in steuerbegünstige Arbeitgeberleistungen erfolgen.

Checkliste –– Vorliegen einer regelmäßigen Arbeitsstätte auch aufgrund der Neuregelung? –– Besonderheiten bei der Firmenwagenversteuerung? –– Steuerfreier Reisekostenersatz bei Auswärtstätigkeiten? –– Besonderheiten bei Verpflegungen oder Mahlzeitengestellung? –– Besonderheiten bei Hotelübernachtungen? –– Ggf. Umwandlung von Bonuszahlungen in steuerfreie Arbeitgeberleistungen?

66 Schönfeld/Plenker, S. 125. 67 Vgl. zu den Voraussetzungen im Einzelnen R 3.33 LStR.

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 Kapitel 6 Außendienstmitarbeiter

C. Sozialversicherungsrecht I. Allgemeines 1.  Abgrenzung zwischen abhängiger und selbstständiger Beschäftigung 70 Außendienstmitarbeiter können ihre Tätigkeit als Handelsvertreter (selbstständiger Gewerbetreibender) oder unselbstständige Angestellte (Verkäufer im Außendienst) ausüben. Eine Sozialversicherungs- und damit auch die daraus resultierende Bei­ tragspflicht besteht im Regelfall nur dann, wenn die Tätigkeit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt wird. Bei der Prüfung, ob die betroffene Person in ihrer Tätigkeit als selbstständig 71 Tätige angesehen werden kann oder ob vielmehr ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, kommt es regelmäßig nicht darauf an, wie die Vertragsparteien das Dienst- bzw. Auftragsverhältnis bezeichnen. Entscheidend für die sozialversicherungsrechtliche Würdigung ist vielmehr der wirkliche Wille und die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit.

2. Abgrenzungskriterien

72 Entscheidend für die Qualifizierung als abhängig Beschäftigter oder selbstständig

Tätiger ist im Wesentlichen die persönliche Abhängigkeit und das Ausmaß der Einbindung des Betreffenden in die betriebliche Organisation des Unternehmens. Indizien für die Zuordnung einer Tätigkeit sind unter anderem: –– eine persönliche und fachliche Weisungsgebundenheit –– eine zeitliche und örtliche Bindung –– eine Einordnung in den Betriebsablauf des Unternehmens 73 Besteht Unsicherheit im Hinblick auf den Sozialversicherungsstatus, empfiehlt sich ein Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs. 1 SGB IV, um Rechtssicherheit zu erlangen. Im Rahmen eines solchen Verfahrens erhält der Antragsteller eine rechtsverbindliche Entscheidung über den Status des Erwerbstätigen.68 Beim Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit ergeben sich für den Auftragge74 ber keine sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen. Bei dem Betroffenen selbst kann sich jedoch eine Versicherungs- und Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ergeben (§ 2 Nr. 9 SGB VI). Dies ist dann der Fall, wenn der selbstständig Tätige lediglich einen einzigen Auftraggeber hat und er selbst keine Mitarbeiter beschäftigt. In diesem Fall ist er als „arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger“ zu qualifizieren und unterliegt – allein – der Sozialversicherungspflicht in der deutschen Rentenversicherung.

68 Ausführlich zum Thema „Abgrenzung zwischen selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung“ vgl. Kap. 14 – Freelancer Rn 49.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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Liegt eine abhängige Beschäftigung vor, gelten die allgemeinen sozialversiche- 75 rungsrechtlichen Regelungen hinsichtlich der Versicherungspflicht und -freiheit. Es ergeben sich die normalen Verpflichtungen zu Anmeldung des Arbeitnehmers, der Beitragsabführung usw.69

II. Beitragspflicht Handelt es sich bei dem Außendienstmitarbeiter um einen Verkäufer im Außen- 76 dienst, mithin um einen abhängig Beschäftigten, gibt es für den Außendienstmitarbeiter typische Zahlungen, die beitragsrechtliche Besonderheiten nach sich ziehen.

1. Provisionen Provisionen, die Außendienstmitarbeiter typischerweise erhalten, stellen einen regel- 77 mäßigen Bestandteil des Entgeltes dar und sind als Arbeitsentgelt i.S.d. § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV zu qualifizieren. Diese Zahlungen unterliegen daher vollumfänglich – bis zur jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenze – der Sozialversicherungs- und Beitragspflicht.70

2. Beitragsrechtliches Entgelt bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses a) Beitragspflicht bei Nachzahlungen Nachzahlungen von rückständigem Arbeitsentgelt unterliegen der Beitragspflicht zur 78 Sozialversicherung, wenn mit der Nachzahlung ein von Anfang an bestehender, aber nicht sogleich erkannter Anspruch auf Arbeitsentgelt erfüllt wird. In diesem Falle sind die Sozialversicherungsbeiträge nachträglich auch für zurückliegende Zeiträume zu entrichten. Zum Arbeitsentgelt zählen alle laufenden oder einmaligen Einnahmen, die in der Beschäftigung ihren Rechtsgrund haben, im Zusammenhang damit erzielt werden und zwar ungeachtet der Form, in der sie erbracht werden. Demgegenüber lässt eine nachträgliche Vereinbarung über das in der Vergangenheit geschuldete Arbeitsentgelt die Beitragspflicht für zurückliegende Zeiträume unberührt.71

69 Vgl. hierzu im Detail Teil II – Grundlagen Rn 95. 70 LSG Berlin-Brandenburg v. 12.2.2010 – L 1 KR 97/08 –. 71 BSG, Urt. v. 30.8.1994 = SozR 3-2200 § 385 Nr. 5.

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 Kapitel 6 Außendienstmitarbeiter

b) Beitragsrechtliche Behandlung von Abfindungen bei Außendienstmitarbeitern

79 Bei der Abfindung handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts

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um ein grundsätzlich nicht beitragspflichtiges Entgelt im Sinne der für die Sozial- und die Arbeitslosenversicherung maßgeblichen Vorschriften.72 Der Rechtsgrund, aus dessen Anlass die Abfindung gezahlt wird (z.B. Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag oder gesetzliche Regelungen) ist für die Frage der Beitragspflicht ohne Bedeutung. Entscheidend für die Beurteilung der Zahlung ist, dass die Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt wird. Nur in diesem Fall besteht für dieses Entgelt Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung. Soweit allerdings das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der für den Arbeitgeber maßgeblichen Kündigungsfristen beendet wird, wird vermutet, dass die aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlte Abfindung nicht allein als Entschädigung für den Verlust des sozialen Besitzstandes anzusehen ist, sondern auch Arbeitsentgeltansprüche enthält.73 In diesem Fall entfällt das Privileg der Beitrags­ freiheit, da anderenfalls dem Arbeitsentgelt zuzurechnende Bestandteile sozialversicherungsfrei gestellt würden, die im Rahmen eines laufenden Beschäftigungsverhältnisses voll beitragspflichtig wären. Ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der für den Arbeitgeber maßgeblichen Kündigungsfristen beendet, führt die Zahlung einer Abfindung ferner dazu, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld vom Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der dafür maßgeblichen Kündigungsfrist tatsächlich geendet hätte, ruht. Während dieses Ruhenszeitraums besteht kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung. Praxistipp Bei der Vereinbarung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist darauf zu achten, dass die arbeitgeberseitigen Kündigungsfristen eingehalten werden. Abgeltungsansprüche aus nicht in Anspruch genommenem Urlaub oder Überstundenabgeltungen sind gesondert aufzuführen, da diese voll beitragspflichtig sind.

72 BAG, Urt. v. 9.11.1988 = AP KSchG § 10 Nr. 6 = NJW 1989, 1381; BSG, Urt. v. 30.8.1994 = SozR 3-2200 § 385 Nr. 5. 73 BSG, Urt. v. 21.2.1990 – 12 RK 20/88 –.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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c) Beitragsrechtliche Behandlung von Aufwandsentschädigungen bei Außendienstmitarbeitern Eine pauschal versteuerte Aufwandsentschädigung, die an Außendienstmitarbeiter 84 als Pauschale gezahlt und erst nachträglich abgerechnet wird, ist nach den Vorschriften des ArEV i.V.m. §§ 14 Abs. 1, 23a SGB IV nicht beitragsfrei. Sie ist konsequenterweise als Einmalzahlung zu betrachten und stellt beitragspflichtiges Arbeitsentgelt dar.

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Kapitel 7 Befristung A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis Die Entscheidung, Arbeitsverhältnisse befristet oder unbefristet abzuschließen, 1 hängt in der Regel von der Prognose ab, ob dauerhafter oder nur vorübergehender Arbeitskräftebedarf besteht. Überlegungen im Hinblick auf eine langfristige Mitar­ beiterbindung können vor dem Hintergrund der zu besetzenden Position ebenso eine Rolle spielen wie Abwägungen zur fehlenden Notwendigkeit gewisser (mit der Ausübung der Tätigkeit verbundener) Einarbeitungs- und/oder Ausbildungszeiten oder der Vermeidung von Kosten, die im Rahmen von Entlassungen durch allgemeinen, besonderen oder tarifvertraglichen Kündigungsschutz entstehen können. Die steigende Anzahl befristet abgeschlossener Arbeitsverträge (1996 betrug ihr 2 Anteil an der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung ca. 4,7 %, 2009 dagegen schon 8,8 %)1 spiegelt, unabhängig von der individuellen Motivation für die Wahl dieser Beschäftigungsform, den Trend zu flexibleren Arbeitsformmodellen wieder.

II. Befristung Wurde die grundsätzliche Entscheidung für eine Befristung des Arbeitsverhältnis- 3 ses getroffen, so ist in einem zweiten Schritt zu überlegen, ob das Arbeitsverhältnis kalendermäßig befristet werden muss oder ob für die Befristung ein Sachgrund gegeben ist.

1. Zeitbefristung a) Befristungsdauer Die Gesamtdauer der sachgrundlosen Befristung darf einschließlich ihrer maximal 4 drei Verlängerungen zwei Jahre nicht überschreiten (§ 14 Abs. 2 TzBfG) sofern es sich nicht um Neugründungen handelt.2 Maßgeblich sind der vereinbarte Beginn und das vereinbarte Ende des Arbeitsverhältnisses.

1 IAB-Kurzbericht 14/2010, Abbildung 1, Anteil befristeter Beschäftigung an der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung 1996 bis 2009, abrufbar im Internet unter http://www. doku.iab.de/kurzber/2010/kb1410.pdf. 2 Siehe Rn 14.

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 Kapitel 7 Befristung

b) Anschlussverbot

5 Eine Befristungsabrede ist unzulässig, wenn zwischen dem Arbeitnehmer und dem

Arbeitgeber in einem Zeitfenster von zuvor drei Jahren3 ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Das Anschlussverbot greift unabhängig davon ein, wie lange das frühere Arbeitsverhältnis angedauert hat, aber auch ohne Rücksicht auf die anvisierte Dauer des neuen Arbeitsverhältnisses. Mithin fallen auch Arbeitsverhältnisse, die nicht länger als sechs Monate dauern sollen, in den Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG.4 Das Anschlussverbot findet keine Anwendung auf Verträge mit Arbeitnehmern, 6 die zuvor als freie Mitarbeiter oder im Rahmen eines Werk- bzw sonstigen Dienst­ vertrags im Betrieb des Arbeitgebers eingesetzt waren sowie auf zuvor vollzogene Leiharbeitsverhältnisse. Praxistipp In der Praxis liegt die Gefahr allerdings darin, dass das vermeintliche freie Mitarbeiterverhältnis tatsächlich ein Arbeitsverhältnis war und der Arbeitnehmer, dessen befristeter Vertrag nicht verlängert wird, sich hierauf beruft. 7 Die Sperrwirkung auslösen können dagegen ein vorangegangenes Volontariat oder

eine Umschulung, vorausgesetzt, dass diese(s) im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses durchgeführt wurde. Gleiches gilt für eine Vortätigkeit als Ferienarbeiter oder Werkstudent.5 Nicht erfasst ist eine berufsvorbereitende Beschäftigung als Prakti­ kant, wenn mit diesem kein Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde.6 Praxishinweis Ausbildungsverhältnisse oder Praktikumstätigkeiten mit Ausbildungscharakter stellen regelmäßig kein „zuvoriges“ Arbeitsverhältnis i.S.d. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG dar.

8 Kann sich der Arbeitgeber nicht ohne Weiteres über eine Vorbeschäftigung infor-

mieren, z.B. nach einem Betriebserwerb, sollten Bewerber vor dem Hintergrund des Anschlussbeschäftigungsverbots im Vorstellungsgespräch zu einer möglichen Vorbeschäftigung befragt werden.7

3 BAG, Urt. v. 6.4.2011 – 7 AZR 716/09 –. 4 BAG, Urt. v. 13.5.2004 – 2 AZR 426/03 –; BAG, Urt. v. 6.11.2003 – 2 AZR 690/02 –. 5 BAG, Urt. v. 13.5.2004 – 2 AZR 426/03 –; BAG, Urt. v. 6.11.2003 – 2 AZR 690/02 –. 6 BAG, Urt. v. 19.10.2005 – 7 AZR 31/05 –. 7 Vgl. zur Zulässigkeit Osnabrügge, NZA 2003, 639, 643; Bauer, BB 2001, 2473, 2476; Kliemt, NZA 2001, 296, 300 sowie die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 14/4374, S 19.

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A. Arbeitsrecht 

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Praxishinweis Beantwortet der Arbeitnehmer die Frage nach einer Vorbeschäftigung vorsätzlich falsch, kann der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag nach § 123 BGB anfechten.

c) Verlängerung Aus § 14 TzBfG folgt, dass innerhalb eines Zwei-Jahres-Zeitraums ein Arbeitsvertrag 9 nur maximal dreimal verlängert werden darf. Es sind demnach insgesamt maximal vier Befristungen zulässig. Ändert der Arbeitgeber lediglich die bisherigen Arbeitsbedingungen ohne Eingriff in die Dauer ab, so liegt keine Verlängerung eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags vor. Eine Verlängerung setzt einen „nahtlosen“ Anschluss an das vorhergehende 10 befristete Arbeitsverhältnis voraus, es darf also keine Lücke zwischen altem Vertrag und der Verlängerung bestehen. Die Verlängerung der Befristung muss noch während der Laufzeit des bestehenden Vertrags vereinbart werden. Andernfalls handelt es sich um eine Neubefristung, die eines Sachgrundes bedarf, da eine kalendermäßige sachgrundlose Befristung mit demselben Arbeitgeber nicht zulässig ist, wenn bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Praxishinweis Die Verlängerung und die Anpassung von Arbeitsbedingungen dürfen nicht zusammenfallen. D.h. inhaltlich muss sich die Verlängerung des Vertrages ausschließlich auf die Dauer des Arbeitsvertrags beziehen.

Die übrigen Arbeitsbedingungen müssen grundsätzlich unverändert bleiben. Das gilt 11 selbst dann, wenn sich die angebotenen Änderungen für den Arbeitnehmer als ausgesprochen günstig erweisen, etwa, wenn die Parteien davon absehen, in den Folgevertrag ein im Ausgangsvertrag enthaltenes besonderes Kündigungsrecht des Arbeitgebers nach §  15 Abs. 3 TzBfG aufzunehmen.8 Ausnahmen bestehen nur, wenn die Parteien bereits zuvor tatsächlich eingetretene Änderungen in den neuen Arbeitsvertrag übernehmen, den Vertrag an geänderte Kollektivverträge bzw. eine geänderte Rechtslage anpassen9 oder aber der Arbeitnehmer einen Anspruch auf die Vertrags­ änderung hat.10

8 BAG, Urt. v. 20.2.2008 – 7 AZR 786/06 –. 9 BAG, Urt. v. 23.8.2006 – 7 AZR 12/06 –. 10 BAG, Urt. v. 16.1.2008 – 7 AZR 603/06 –.

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 Kapitel 7 Befristung

Praxistipp –– Um im Rahmen einer angedachten Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages die Konditionen zu Gunsten des Arbeitnehmers zu ändern, ist eine zulässige Maßnahme, zunächst im bestehenden Arbeitsverhältnis die Arbeitsbedingungen zu verändern und dann den geänderten Arbeitsvertrag unverändert ausschließlich zu verlängern. –– Im Anschlussvertrag kann die Arbeitszeit heraufgesetzt werden, wenn der Arbeitnehmer zu Recht eine Erhöhung nach § 9 TzBfG verlangt. 12 Eine Änderung der Vertragsbedingungen soll auch dann zulässig sein, wenn der

Arbeitgeber die fraglichen Arbeitsbedingungen gegenüber allen Mitarbeitern geändert, also bspw. eine allgemeine Lohnerhöhung gewährt hat.11 Dies erscheint schon deshalb zwingend, weil der Arbeitgeber sich andernfalls dem Diskriminierungsvor­ wurf des § 4 TzBfG ausgesetzt sehen würde.

d) Tariföffnungsklausel

13 Durch Tarifvertrag können die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer

der kalendermäßigen Befristung abweichend von §  14 Abs. 2 S. 1 TzBfG festgelegt werden. Praxishinweis Es ist Pflicht des Arbeitgebers, die bestehenden tarifvertraglichen Regelungen zu beachten.

e) Sonderregelung für Unternehmensneugründungen 14 Neu gegründete Unternehmen können gem. §  14 Abs.  2a TzBfG in den ersten vier Jahren nach ihrer Gründung abweichend von § 14 Abs. 2 TzBfG kalendermäßig befristete Arbeitsverträge bis zu einer Gesamtdauer von vier Jahren ohne Sachgrund verlängern. Die Anzahl der Verlängerungsverträge ist nicht begrenzt. Auf die Rechts­ form des neu gegründeten Unternehmens kommt es nicht an. Praxishinweis Neugründungen im Rahmen der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen sind vom Geltungsbereich ausgenommen.

2. Sachgrundbefristung 15 Soweit eine kalendermäßige Befristung nicht gewollt oder nicht möglich ist, besteht nach den Vorschriften des TzBfG die Möglichkeit einer Befristung des Arbeitsvertrags

11 BAG, Urt. v. 16.1.2008 – 7 AZR 603/06 –.

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A. Arbeitsrecht 

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mit Sachgrund. Da kein Zitiergebot besteht, muss der sachliche Befristungsgrund im Arbeitsvertrag nicht benannt werden. Im Falle einer späteren gerichtlichen Aus­ einandersetzung über die Wirksamkeit der Befristung können Befristungsgründe ggf. nachgeschoben werden.

a) Kongruenz zwischen Vertragsdauer und Befristungsgrund Nach der Rechtsprechung des BAG ist eine Kongruenz von Vertragsdauer und 16 Befristungsgrund nicht erforderlich.12 D.h., dass die gewählte Vertragsdauer nicht mit der Dauer des Sachgrunds für die Befristung übereinstimmen muss. Für die sachliche Rechtfertigung der Befristung genügt es, wenn der Vertragszweck durch die vereinbarte (kürzere) Vertragsdauer erreicht wird. Aus der vereinbarten Befristungsdauer lassen sich jedoch Rückschlüsse darauf ziehen, ob ein sachlicher Befristungsgrund überhaupt vorliegt oder nur vorgeschoben ist. Klaffen Vertrags- und Projektdauer sehr weit auseinander oder ist eine sinnvolle Mitarbeit am Projekt durch die gewählte Vertragsdauer zweifelhaft, kann der sachliche Grund für die Befristung fehlen. Diese den Sachgrund in Frage stellende Diskrepanz wird vor allem dann in Betracht zu ziehen sein, wenn das befristete Arbeitsverhältnis deutlich länger als der Sachgrund währen soll. Praxistipp Beginn und Ende eines aufgrund eines Sachgrundes befristeten Arbeitsverhältnisses sollten sich möglichst mit dem Vorliegen des Sachgrundes decken.

Beginn und Ende eines zum Zwecke der Vertretung eines anderen Arbeitnehmers 17 befristeten Arbeitsverhältnisses sollten sich mit dem Zeitraum der Abwesenheit des zu Vertretenen decken. Zum Zwecke der Einarbeitung kann jedoch die befristet eingestellte Vertretung einen angemessenen Zeitraum vor dem Eintritt des tatsächlichen Vertretungsbedarfs die Tätigkeit aufnehmen.

b) Sachgründe § 14 Abs. 1 S. 1 TzBfG regelt acht Fälle eines sachlichen Grundes. Der Katalog dieser 18 Gründe ist nicht abschließend, wurde aber bei Einführung des TzBfG der seinerzeitigen Rechtsprechung des BAG nachgebildet, so dass diese die wichtigsten Befristungsgründe darstellen.

12 BAG, Urt. v. 13.10.2004 – 7 AZR 654/03 –.

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 Kapitel 7 Befristung

aa) Vorübergehender betrieblicher Bedarf

19 Die Wirksamkeit der Befristung hängt von der prognostizierten künftigen Entwick­

lung der Beschäftigungssituation beim Arbeitgeber ab. Ihm obliegt eine fundierte Einschätzung, nach deren Ergebnis für die Anstellung des Arbeitnehmers über das vereinbarte Vertragsende hinaus mit hinreichender Sicherheit kein Bedarf mehr bestehen wird. Auf die korrekte Bestimmung des Zeitpunkts des prognostizierten Wegfalls kommt es nicht an. Für die Wirksamkeit der Befristung ist nicht erforderlich, dass der befristet 20 beschäftigte Arbeitnehmer in dem Bereich eingesetzt wird, in dem der Mehrbedarf entstanden ist. Vielmehr genügt es, wenn zwischen dem zeitweilig erhöhten Arbeitsanfall und der befristeten Einstellung ein vom Arbeitgeber darzulegender ursächli­ cher Zusammenhang besteht. Praxishinweis Der Arbeitgeber ist nicht gehindert, die vorhandene Arbeitsmenge zu verteilen, seine Arbeitsorganisation zu ändern oder die zusätzlichen Arbeiten anderen Arbeitnehmern zuzuweisen. Dabei darf er aber nicht mehr Arbeitnehmer befristet einstellen als insgesamt zur Deckung des Mehrbedarfs erforderlich sind. 21 Der Wegfall des Mehrbedarfs muss nicht auf Dauer sein, sondern kann wie in

Saison- und Kampagne-Betrieben mit großer Regelmäßigkeit wiederholt auftreten. Saisonarbeitsverhältnisse können sowohl aufgrund einer Zweckbefristung 22 als auch einer Zeitbefristung enden. Voraussetzung der Zweckbefristung ist ein bestimmbarer Zeitpunkt des Saisonendes. Auch die wiederholte Befristung des Arbeitsvertrags mit einem Saisonarbeitnehmer kann sachlich gerechtfertigt sein.13 Mit der Anzahl der geschlossenen befristeten Arbeitsverträge steigen die Anforderungen an die Prognose. Sind die dem Saisonarbeitnehmer übertragenen Arbeiten nicht zumindest mittelbar durch den verstärkten Arbeitsanfall während der Saison bedingt, ist eine Befristung nur dann sachlich gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer zur Aushilfe eingestellt worden ist, um Arbeiten zu verrichten, die außerhalb der Saison von Arbeitnehmern aus der Produktion (Stammarbeitnehmer) übernommen werden. In Kampagnenbetrieben wird im Jahr nicht länger als drei Monate gearbeitet. 23 Dem kann durch Abschluss befristeter Arbeitsverträge entsprochen werden, die vor dem 1.1.2001 wegen ihrer kurzen Dauer, unabhängig von §  1 BeschFG 1996, grundsätzlich keiner sachlichen Rechtfertigung bedurften. Heute ist diese zwingend notwendig, weil § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG eine Befristung ohne Sachgrund ausschließt, wenn bereits zuvor mit demselben Arbeitgeber ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.

13 BAG, Urt. v. 29.1.1987 – 2 AZR 109/86 –.

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bb) Erstbeschäftigung Nach dem Gesetzeszweck soll der in §  14 Abs. 1 Nr. 2 TzBfG normierte Befristungs- 24 tatbestand für junge Arbeitnehmer den Einstieg in das Berufsleben erleichtern.14 Anknüpfungsmerkmale sind eine Ausbildung oder ein Studium. Unter dem Begriff „Studium“ kann nach dem Wortlaut sowohl ein Hochschulstudium, ein Fachhochschulstudium oder gar ein Studium an einer privaten, nicht staatlich anerkannten Ausbildungsstätte verstanden werden. Der Begriff „Ausbildung“ ist nicht auf das Berufsausbildungsverhältnis i.S.d. 25 §§ 10 ff. BBiG oder auf Vertragsverhältnisse nach § 26 BBiG zu beschränken. Ein vorhergegangenes Berufsausbildungsverhältnis ist kein Arbeitsverhältnis und soll die erleichterte Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG nicht hindern.15 Sofern der Arbeitgeber tariflich verpflichtet ist, einen Auszubildenden für eine 26 Mindestzeit zu übernehmen, besteht ein Sachgrund, der sich aus dem Zweck des Tarifvertrages als sozialem Überbrückungstatbestand ergibt.16 Der in §  14 Abs. 1 Nr. 2 TzBfG normierte Befristungstatbestand setzt eine tarifliche Regelung dagegen nicht voraus. Praxishinweis Der erfolgreiche Abschluss einer „Ausbildung“ oder des „Studiums“ ist nach dem Gesetz keine Voraussetzung.

Nach dem Gesetzeswortlaut hat die Befristung im „Anschluss“ an eine Ausbildung 27 oder ein Studium zu erfolgen. Das Gesetz lässt offen, ob es sich um einen unmittelba­ ren Anschluss handeln muss. Maßgebend ist, dass es sich bei der aufgenommenen Tätigkeit um die erste Beschäftigung nach Beendigung von Ausbildung oder Studium handelt.17 Eine bloße Erleichterung des Übergangs in eine Anschlussbeschäftigung wird 28 in der Regel zu verneinen sein, wenn das Arbeitsverhältnis für eine längere Zeit als zwei Jahre geschlossen wird.

cc) Vertretung Die befristete Beschäftigung eines Arbeitnehmers zur Vertretung eines anderen 29 Arbeitnehmers kann grundsätzlich sowohl als Kalender- als auch als Zweckbefris­

14 Vgl. BT-Drucks. 14/4374, S. 19. 15 Vgl. BT-Drucks. 14/4374, S. 20. 16 BAG, Urt. v. 14.10.1997 – 7 AZR 298/96 – bzw. – 7 AZR 811/96 –. 17 BAG, Urt. v. 10.10.1997 – 7 AZR 795/06 –.

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 Kapitel 7 Befristung

tung erfolgen. In der Praxis häufig zu finden ist eine Doppelbefristung, also eine Kombination aus Zeit- und Zweckbefristung (bzw. auflösender Bedingung).18 Neben einer direkten Vertretungsbeschäftigung ist auch eine mittelbare Vertre­ 30 tung zulässig. Sie liegt vor, wenn der Arbeitgeber die Arbeit so umorganisiert, dass ein anderer Stammarbeitnehmer die Arbeit des zu vertretenden Mitarbeiters übernimmt und der Vertreter die Aufgaben jenes Stammarbeitnehmers. Praxishinweis Entsteht aufgrund der vertretungsbedingten Umorganisation ein neuer Arbeitsplatz, der nach der bisherigen Arbeitsorganisation noch nicht vorhanden war, bleibt dies folgenlos. 31 Der Arbeitgeber kann dem zur Vertretung befristet eingestellten Arbeitnehmer auch

solche Arbeiten übertragen, die der Stammarbeitnehmer bislang noch nicht ausgeübt hat, die ihm aber nach seiner Rückkehr in den Betrieb zugewiesen werden sollen. Erforderlich ist, dass der Arbeitgeber bei Vertragsschluss in objektiver Hinsicht damit rechnen durfte, dass der Stammarbeitnehmer an seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird. Unerheblich ist, ob der zu vertretende Arbeitnehmer nach seiner Rückkehr seine Tätigkeit in vollem Umfang oder nur in reduzierter Form wieder aufnehmen wird. Praxishinweis Eine Befristung ist unzulässig, wenn der Arbeitgeber davon ausgehen muss, dass der Stammarbeitnehmer nicht zurückkehrt und weiterhin Bedarf an der jeweiligen Arbeitsleistung besteht.

32 Der Arbeitgeber trägt in diesem Zusammenhang das Risiko, dass ein zunächst wirk-

samer Befristungsgrund durch spätere Änderung der für die Prognose maßgeblichen Umstände dazu führen kann, dass die Befristung unwirksam wird und ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nach sich zieht. Praxishinweis Ein praxisrelevantes Beispiel hierfür stellt die Einstellung zur Vertretung eines Arbeitnehmers, der befristete Erwerbsminderungsrente bezieht, dar. Stellt sich nach Beginn der befristeten Beschäftigung heraus, dass der ursprüngliche Stelleninhaber nicht mehr an seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird, da er von nun an eine unbefristete Erwerbsminderungsrente erhält, entfällt der eigentliche Befristungsgrund.

33 Im Rahmen seiner Prognoseentscheidung hat der Arbeitgeber nicht nur den zeitlich

begrenzten Bedarf an der Arbeitskraft des Arbeitnehmers festzustellen, sondern auch die Möglichkeit, diesen Bedarf durch die befristete Einstellung des Vertreters abzude-

18 BAG, Urt. v. 29.6.2011 – 7 AZR 6/10 –.

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cken. Dem Arbeitgeber steht frei, ob und in welchem Umfang er den Vertretungsbedarf durch eine Ersatzkraft ausgleicht. Praxishinweis Fehlerhaft ist eine Prognoseentscheidung jedenfalls dann, wenn der Stammarbeitnehmer dem Arbeitgeber vor Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages verbindlich erklärt, er werde die Arbeit nicht wieder aufnehmen.19

Wiederholte Befristungen zur Vertretung eines Arbeitnehmers sind als sog. Ketten­ 34 arbeitsverhältnisse grundsätzlich zulässig.20 Allerdings steigen mit der Zahl der Befristungen auch die Anforderungen an die vom Arbeitgeber vorzunehmende Prog­ nose. Praxishinweis Bei der Befristung von Arbeitsverhältnissen zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers sind wich­ tige gesetzliche Sonderregelungen zu beachten.21

dd) Erprobung Wenn ein Arbeitgeber sich arbeitsvertraglich noch nicht auf Dauer binden, sondern 35 ausprobieren möchte, wie ein neuer Arbeitnehmer sich in den Betrieb einfügt und ungewohnte Aufgaben erledigt, kann ein befristeter Arbeitsvertrag zur Erprobung abgeschlossen werden (Probearbeitsverhältnis).22 Der Grund hierfür ist nicht zwingend anzugeben. Eine Höchstfrist für die Erprobung existiert nicht. In der Regel sind sechs 36 Monate üblich. Tarifverträge können diesbezüglich abweichende Regelungen enthalten. Letztlich hängt die Länge der Erprobung aber von dessen Zweck ab. Der Grund­ satz der Verhältnismäßigkeit ist zu wahren. Die Umstände des Einzelfalles sind maßgeblich. Eine Verlängerung der befristeten Probezeit ist im Einzelfall möglich.23 Dies setzt 37 voraus, dass kein vorheriges befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.

19 BAG, Urt. v.13.10.2004 – 7 AZR 654/03 –. 20 EuGH, Urt. v. 26.1.2012 – C-586/10 –. 21 Vgl. u.a. Vertretung von Arbeitnehmern während der Elternzeit (§ 21 BEEG bzw. in § 50 BAT – ohne Nachfolgeregelung im TVöD); arbeitsloser Arbeitnehmer wird zur Vertretung eines Arbeitnehmers eingestellt, der sich beruflich weiterbildet (§ 231 SGB III); Vertretung für Arbeitnehmer, der sich in Pflegezeit befindet (§ 6 PflegeZG). 22 Nähere Ausführungen hierzu in Kap. 30 – Probezeit/Einfühlungsverhältnis Rn 28. 23 BAG, Urt. v. 12.9.1996 – 7 AZR 31/96 –.

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 Kapitel 7 Befristung

Praxishinweis Die Verlängerung einer 6-monatigen Probezeit führt dazu, dass der Arbeitnehmer in den Anwendungsbereich des KSchG gelangt und die erleichterte Probezeitkündigung nicht möglich ist. Von einer Verlängerung der Probezeit ist daher abzuraten. Als Alternativgestaltung kommt in Betracht, einen Aufhebungsvertrag zum späteren Beendigungsdatum abzuschließen und dann zu entscheiden, ob ggf. ein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen werden soll.

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ee) Gründe in der Person des Arbeitnehmers Gem. § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG können in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Befristung rechtfertigen. Zu diesen Gründen gehören insbesondere: –– Aufenthaltserlaubnis Der Arbeitnehmer hat nur eine befristet erteilte Aufenthaltserlaubnis. Die Befristung ist sachlich gerechtfertigt, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die hinreichend zuverlässige Prognose erstellt werden kann, es werde zu keiner Verlänge­ rung der Aufenthaltserlaubnis kommen.24 –– Aus-, Fort- oder Weiterbildung von Arbeitnehmern Dienen Arbeitsverträge der Aus-, Fort- oder Weiterbildung von Arbeitnehmern können sie wirksam befristet werden, sofern dem Arbeitnehmer keine Daueraufgaben übertragen werden. –– Student Die Befristung von Arbeitsverträgen mit Studenten ist zulässig, wenn eine solche den Studenten die Möglichkeit gibt, die Erfordernisse des Studiums mit denen des Arbeitsverhältnisses zu vereinbaren. Praxishinweis Wird ausdrücklich eine flexible Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses vereinbart, durch welche die Erwerbstätigkeit bereits den Erfordernissen des Studiums angepasst wird, kann kein solcher Sachgrund angenommen werden.25

–– Altersgrenze

42 Arbeitsverträge, die eine Altersgrenze vorsehen, gehören zu den befristeten Verträgen

i.S.d. TzBfG, obwohl das Gesetz diese Fallgruppe nicht ausdrücklich erwähnt. Nach § 10 S. 3 Nr. 5 AGG liegt keine Benachteiligung wegen Alters vor, wenn ein Arbeitsverhältnis auf den Zeitpunkt befristet wird, zu dem der Arbeitnehmer Rente wegen Alters beantragen kann. Notwendige Wirksamkeitsvoraussetzung ist lediglich, dass

24 BAG, Urt. v. 12.1.2000 – 7 AZR 863/98 –. 25 BAG, Urt. v. 10.8.1994 – 7 AZR 826/93 – bzw. – 7 AZR 695/93 –; BAG, Urt. v. 29.10.1998 – 7 AZR 561/97 –.

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der Arbeitnehmer die sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug einer beitragsbezogenen Altersrente erfüllt.26 –– Wunsch des Arbeitnehmers Der Wunsch des Arbeitnehmers rechtfertigt eine Befristung sachlich, wenn im Zeit- 43 punkt des Vertragsschlusses objektive Anhaltspunkte vorliegen, aus denen gefolgert werden kann, dass der Arbeitnehmer nur ein Interesse an einer befristeten Beschäftigung hat.27 Ein solcher objektiver Anhaltspunkt wird insbesondere dann anzunehmen sein, 44 wenn der Arbeitnehmer aus Gründen in seiner Person (z.B. familiäre Verpflichtungen, noch nicht abgeschlossene Ausbildung, Einblick in die Berufspraxis, zukünftige Aufnahme einer Ausbildung) nur für einen begrenzten Zeitraum arbeiten will oder kann. Maßstab ist, ob der Arbeitnehmer auch bei einem Angebot des Arbeitgebers auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags nur einen befristeten vereinbart hätte.28 Praxistipp Im Arbeitsvertrag sollte ausdrücklich vermerkt werden, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich unbefristet eingestellt worden wäre, jedoch auf eigenen Wunsch nur befristetet eingestellt wird.

ff) Gerichtlicher Vergleich Die Befristung aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs setzt voraus, dass dieser dazu 45 dient, den Rechtsstreit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses beizulegen.29 Auf diese Weise kann auch die nachträgliche Befristung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses in einem Prozessvergleich wirksam vereinbart werden. Für die Praxis von besonderer Bedeutung ist die Möglichkeit, dem gekündigten 46 Arbeitnehmer für die Dauer des laufenden Kündigungsrechtsstreits freiwillig eine vorläufige Weiterbeschäftigung anzubieten.30 Der Vertrag wird unter der auflösenden Bedingung der Abweisung der Kündigungsschutzklage geschlossen. Praxishinweis Durch Protokollierung des Vergleichs in der Güteverhandlung des Kündigungsschutzverfahrens ist das Schriftformerfordernis nach § 14 Abs. 4 TzBfG erfüllt.

Praktisch relevant ist auch die Prozessbeschäftigung bei betriebsbedingter Kündi- 47 gung. Hierbei handelt es sich um ein befristetes bzw. auflösend bedingtes Arbeitsver-

26 EuGH, Urt. v. 16.10.2007 – C-411/05 –. 27 BAG, Urt. v. 6.11.1996 – 7 AZR 909/95 –. 28 BAG, Urt. v. 6.11.1996 – 7 AZR 909/95 –; BAG, Urt. v. 19.1.2005 – 7 AZR 115/04 –. 29 BAG, Urt. v. 9.2.1984 – 2 AZR 402/83 –; BAG, Urt. v. 2.12.1998 – 7 AZR 644/97 –. 30 BAG, Urt. v. 22.10.2003 – 7 AZR 113/03 –.

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 Kapitel 7 Befristung

hältnis, das den gesetzlichen Regelungen der §§ 14 ff. TzBfG unterliegt.31 In der Praxis bedeutet dies bspw., dass in den Fällen, in denen sich der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer oder dessen Prozessvertreter (im Anschluss an den Gütetermin) darauf einigt, dass der Arbeitnehmer bis zum rechtskräftigen Abschluss oder zumindest bis zum Abschluss der ersten Instanz auch über das Ende der Kündigungsfrist hinaus weiterbeschäftigt wird, diese auflösend bedingte/befristete Weiterbeschäftigung dazu führt, dass zwischen den Parteien ein befristetes Arbeitsverhältnis entsteht. Selbst wenn der Arbeitgeber nunmehr den Kündigungsschutzprozess gewinnt und sich die ursprüngliche Kündigung als wirksam erweist, schadet dies dem Arbeitnehmer nicht. So endet das Arbeitsverhältnis dann zunächst zu dem ursprünglich vorgesehen Beendigungstermin; jedoch kann der Arbeitnehmer jetzt von der Weiterbeschäftigung profitieren, wenn die Befristung bzw. auflösende Bedingung für das Weiterbeschäftigungsarbeitsverhältnis gem. §§ 14 ff. TzBfG unwirksam ist. Der Mitarbeiter befindet sich in diesem Fall in einem neuen unbefristeten Arbeitsverhältnis, welches sich nahtlos an das bisherige Arbeitsverhältnis angeschlossen hat. Praxishinweis Die einvernehmlich vereinbarte Weiterbeschäftigung während des Kündigungsschutzprozesses darf nicht mit der Beschäftigung des Arbeitnehmers aufgrund eines für ihn positiven erstinstanzlichen Urteils verwechselt werden. Gewinnt der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht den Kündigungsschutzprozess und hatte er gleichzeitig einen Weiterbeschäftigungsantrag gestellt, so erfüllt der Arbeitgeber mit der nunmehr durchgeführten Weiterbeschäftigung nur die Verpflichtung aus dem erstinstanzlichen Urteil. Wenn der Arbeitgeber in der zweiten Instanz, d.h. im Berufungsverfahren, den Kündigungsschutzprozess rechtskräftig gewinnt, so endet das Arbeitsverhältnis mit Abschluss der zweiten Instanz. Das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG greift für eine derartige Prozessbeschäftigung, die auf einer erstinstanzlichen Verurteilung Weiterbeschäftigung basiert, nicht.32 48 Ebenso ist eine Zweckbefristung des Arbeitsverhältnisses denkbar, indem allein

(ergebnisunabhängig) auf die rechtskräftige Beendigung des Kündigungsrechts­ streits abgehoben wird. Auch eine solche Zweckbefristung bedarf eines Sachgrunds, der in der Praxis häufig § 14 Abs. 1 Nr. 8 TzBfG entnommen wird.

gg) Sonstige Gründe

49 Die im Gesetz benannten Sachgründe sind nicht abschließend. Es kann weitere sach-

liche Gründe geben, die in ihrem Gewicht den ausdrücklich benannten jedoch gleichwertig sein müssen.

31 Vgl. BAG, Urt. v. 22.10.2003, Fn 30; EzA § 14 TzBfG Nr. 6; LAG Niedersachsen NZA-RR 2004, 472; siehe hierzu auch Kap. 31 – Prezessbeschäftigung. 32 LAG Niedersachsen, Urt. v. 27.9.2005 – 13 Sa 275/05 –; siehe hierzu auch Kap. 31 – Prozessbeschäftigung.

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Der Arbeitgeber kann mit den Gewerkschaften über den Abschluss eines Tarif­ 50 vertrages bspw. keine Sachgründe minderer Qualität schaffen. Auch ein tariflich geregelter Sachgrund muss den Wertungsmaßstäben des § 14 Abs. 1 TzBfG genügen, denn von dieser Vorschrift darf auch durch Tarifvertrag nicht zu Ungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden. Praxishinweis Die befristungsrechtlichen Bestimmungen des § 14 Abs. 1 TzBfG sind nicht tarifdispositiv.

3. Schriftform Wurde die grundsätzliche Entscheidung für eine Befristung des Arbeitsverhältnisses 51 getroffen, ist eine entsprechende Befristungsabrede zu treffen. Diese hat schrift­ lich zu erfolgen. Dabei erstreckt sich das Schriftformerfordernis sowohl auf den Abschluss, als auch auf die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags.33 Es findet zudem Anwendung auf eine nachträgliche Verkürzung der Befristungsdauer und auf den Abschluss eines sog. unselbstständigen Annex-Vertrages, mit dem ein neuer Beendigungstermin vereinbart wird.34 Das Schriftformgebot besteht grundsätzlich unabhängig von der Rechtsgrundlage, auf die die Befristung gestützt wird. Es betrifft daher auch Befristungen, die auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhen, wie etwa denen des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung (ÄArbVtrG),35 soweit diese nicht besondere Regelungen enthalten. Praxishinweis Das Schriftformerfordernis bezieht sich nur auf die Befristungsvereinbarung. Dagegen erfasst es nicht den befristeten Arbeitsvertrag selbst, der – unter Beachtung der Regelungen des NachwG – weiterhin formlos abgeschlossen werden darf. Wird allerdings der gesamte Arbeitsvertrag schriftlich niedergelegt, muss die Befristung deutlich herausgehoben werden.

Die Festlegung einer Befristungsdauer bzw. die alleinige Vereinbarung eines End­ 52 datums für den Arbeitsvertrag muss – meist schon mit Rücksicht auf die §§ 305c, 307 Abs. 1 S. 2 BGB – ausreichend transparent geschehen. Hierunter ist eine Orientierung an den Erfordernissen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu verstehen, nach denen eine eindeutige und unmissverständliche Vereinbarung über die Zeit oder den Zweck des Vertrages zu erfolgen hat.

33 BAG, Urt. v. 16.3.2005 – 7 AZR 289/04 –. 34 BAG, Urt. v. 16.3.2005 – 7 AZR 289/04 –. 35 BAG, Urt. v. 13.6.2007 – 7 AZR 700/06 –.

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 Kapitel 7 Befristung

Praxistipp Bei kalendermäßigen Befristungen erstreckt sich das Formgebot nur auf die Tatsache der Vertragsbefristung an sich. Es muss also nur das Enddatum bzw. die Befristungsdauer schriftlich festgehalten werden. 53 Die Parteien müssen dagegen nicht schriftlich niederlegen, ob eine sachgrundlose

Befristung oder eine solche mit Sachgrund angestrebt ist. Ebenso wenig sind sie gehalten, einen Sachgrund für die Befristung festzuhalten.

Praxishinweis Bei der Zweckbefristung muss der die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bewirkende Zweck bekannt sein und bei der auflösenden Bedingung das in der Zukunft liegende Ereignis, von dem der Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängen soll. Entsprechend ist beides auch schriftlich niederzulegen.36 54 Die Niederlegung der Befristungsabrede durch Telefax oder E-Mail ist unzurei-

chend.37 Möglich ist aber, die Schriftform durch elektronische Form (§  126a BGB) zu ersetzen, da das TzBfG, anders als etwa das Kündigungsschutzrecht (§ 623 BGB), die elektronische Form nicht ausgeschlossen hat (§  126 Abs 3 BGB). Dabei müssen beide Parteien jeweils ein gleich lautendes Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen. Die Schriftform kann durch Aufnahme der Befristung in einen gerichtlichen 55 Vergleich (Aufnahme der Erklärungen in ein nach den Vorschriften der ZPO errichtetes Protokoll) ersetzt werden (§§ 126 Abs 4, 127a BGB).

III. Befristung von älteren Arbeitnehmern

56 Für Arbeitnehmer, die bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebens­

jahr vollendet haben, gelten hinsichtlich der kalendermäßigen Befristung Ausnahmen. Ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes ist eine Befristung bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 TzBfG vorliegen. Praxishinweis Wird die Arbeit vor dem 52. Geburtstag aufgenommen, ist die kalendermäßige Befristung ohne Sachgrund nicht für die Dauer von fünf Jahren, sondern nur für die Dauer von bis zu zwei Jahren gem. § 14 Abs. 2 TzBfG zulässig.

36 BAG, Urt. v. 21.12.2005 – 7 AZR 541/04 –. 37 BAG, Urt. v. 4.11.2004 – 2 AZR 17/04 –; BAG, Urt. v. 17.9.2003 – 4 AZR 540/02 –; BAG, Beschl. v. 11.6.2002 – 1 ABR 43/01 –; BGH, Urt. v. 30.7.1997 – VIII ZR 244/06 – zum Fax; BAG, Beschl. v. 11.6.2002 – 1 ABR 43/01 – zur E-Mail.

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A. Arbeitsrecht 

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Voraussetzung ist weiterhin, dass der Arbeitnehmer unmittelbar vor Beginn des 57 befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos i.S.d. §  138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III gewesen ist, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem SGB II oder SGB III teilgenommen hat. Da das Gesetz auf den gegenüber der Arbeitslosigkeit umfassenderen Begriff der 58 Beschäftigungslosigkeit (i.S.v. § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III) abstellt, können damit auch die Arbeitnehmer gefördert werden, die aus persönlichen Gründen nicht arbeitsuchend gemeldet sind. Ungeachtet des rechtlichen Fortbestands des Arbeitsverhältnisses steht die Person auch dann in keinem Beschäftigungsverhältnis, wenn der Arbeitgeber weitere Dienste nicht mehr annimmt, also sein Direktionsrecht nicht ausübt (z.B. bei Suspendierung, längerfristiger Beurlaubung ohne Arbeitsentgelt, Verweigerung der Annahme der Dienste nach unwirksamer Kündigung). Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse unwirksam gekündigt worden sind, sind während des laufenden Kündigungsrechtsstreits beschäftigungslos i.S.d. Gesetzes, solange sie nicht vorläufig weiterbeschäftigt werden oder ein anderes Arbeitsverhältnis begründen. Im Gegensatz zu dieser theoretisch durch den Gesetzgeber geschaffenen Befris- 59 tungsmöglichkeit, hat der EuGH eine Altersregelung, die an das 55. Lebensjahr anknüpfte, als altersdiskriminierend angesehen.38 Praxishinweis Vor dem Hintergrund europäischer Rechtsprechung zur Altersdiskriminierung sollte die Vereinbarung eines Befristungsgrundes nach § 14 Abs. 3 TzBfG vermieden werden.

Checkliste –– Prognose: Besteht dauerhafter oder nur vorübergehender Arbeitskräftebedarf? –– Kalendermäßige Befristung oder Befristung mit Sachgrund notwendig? –– Ist Gesamtdauer der Befristungsmöglichkeit überschritten? –– Besteht ein Anschlussverbot? –– Wie oft wurde das Arbeitsverhältnis bereits verlängert? –– Bestehen Tariföffnungsklauseln? –– Liegt ein sachlicher Grund nach § 14 Abs. 1 S. 1 TzBfG vor? –– Wurde das Schriftformerfordernis gewahrt? –– Sind die Sonderregelungen für die Befristung von älteren Arbeitnehmern einschlägig?

38 EuGH, Urt. v. 22.11.2005 – C-144/04 –.

Ferbeck/Elert

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 Kapitel 7 Befristung

B. Steuerrecht 60 Aus lohnsteuerlicher Sicht ergeben sich beim befristeten Arbeitsverhältnis keine

Besonderheiten zu einem sonstigen (unbefristeten) Arbeitsverhältnis. Der Lohnsteuerabzug ist somit grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln unter Berücksichtigung der individuellen Besteuerungsmerkmale (elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale – ELStAM39) vorzunehmen.

Praxistipp Durch entsprechend befristete Arbeitsverträge können bei Einhaltung der entsprechenden Voraussetzungen ggf. die günstigen steuerlichen Rechtsfolgen (Pauschalversteuerung) eines geringfügigen bzw. kurzfristigen Beschäftigungsverhältnisses herbeigeführt werden.40

C. Sozialversicherungsrecht I. Allgemeines

61 Wann ein befristetes Arbeitsverhältnis vorliegt, wird ausdrücklich in § 3 Abs. 1 TzBfG

geregelt:

„...Befristet beschäftigt ist ein Arbeitnehmer mit einem auf bestimmte Zeit geschlossenen Arbeitsvertrag. Ein auf bestimmte Zeit geschlossener Arbeitsvertrag (befristeter Arbeitsvertrag) liegt vor, wenn seine Dauer kalendermäßig bestimmt ist (kalendermäßig befristeter Arbeitsvertrag) oder sich aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt (zweckbefristeter Arbeitsvertrag)“. 62 Auch bei befristeten Beschäftigungsverhältnissen besteht Sozialversicherungs­

pflicht, sofern es sich nicht um ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV handelt.41

II. Beitragspflicht

63 Hierbei sind die gleichen Grundsätze wie bei der Arbeit auf Abruf zu beachten.

III. Meldewesen

64 Hierbei sind die gleichen Grundsätze wie bei der Arbeit auf Abruf zu beachten.

39 Beginn voraussichtlich 1.1.2013. 40 Vgl. hierzu Kap. 24 – Minijobber Rn 27 ff. bzw. Kap. 5 – Aushilfen Rn 32 ff. 41 Siehe die Ausführungen bei Kap. 24 – Minijobber Rn 42 ff.

Tüzel/Cichon

Kapitel 8 Datenschutzbeauftragter A. Arbeitsrecht Für die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorschriften nimmt der betriebliche 1 Datenschutzbeauftragte eine zentrale Rolle ein. Vor allem aufgrund des im Datenschutzrecht seit dem 1.9.2009 besonders geregelten Kündigungsschutzes gilt es mehr denn je abzuwägen, ob die Position durch einen Mitarbeiter oder durch einen externen Berater besetzt werden soll.

I. Regulatorischer Rahmen 1. Pflicht zur Bestellung Die Bestellung eines Datenschutzbeauftragten ist in der Praxis für die meisten Unter- 2 nehmen gesetzlich verpflichtend. Gemäß §  4f Abs.  1 S. 1, 2 und 4 BDSG müssen nichtöffentliche Stellen, die – im Grundsatz – mehr als neun Beschäftigte ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigen, innerhalb eines Monats nach Aufnahme ihrer Tätigkeit einen Datenschutzbeauftragten schriftlich bestellen. Das Merkmal knüpft nicht an den einzelnen Beschäftigten an, sondern an die konstante Gesamtzahl der für die Datenverarbeitung benötigten Personen. Nach der Gesetzesbegründung sollen alle Personen unabhängig von ihrem arbeitsrechtlichen Status, d.h. also auch freie Mitarbeiter oder Leiharbeitnehmer erfasst werden. De facto ist hier in der Regel jeder Bildschirmarbeitsplatz relevant. Eine nicht rechtzeitige Bestellung stellt eine Ordnungswidrigkeit gem. § 43 Abs. 1 3 Nr. 2 BDSG dar, die mit einem Bußgeld bis zu 25.000 € belegt werden kann. Praxishinweis In der Regel werden Unternehmen einen Datenschutzbeauftragten bestellen müssen. Hierzu bedarf es einer schriftlichen Bestellungsurkunde, die die Bestellung formal dokumentiert. Die Bestellungsurkunde ist Wirksamkeitsvoraussetzung. Sie muss der Aufsichtsbehörde weder vorgelegt, noch muss die Bestellung der Aufsichtsbehörde angezeigt werden.

2. Aufgaben Der betriebliche Datenschutzbeauftragte muss gem. § 4g Abs. 1 S. 1 BDSG auf die Ein- 4 haltung datenschutzrechtlicher Vorschriften hinwirken. Der Begriff des Hinwirkens macht dabei deutlich, dass der betriebliche Datenschutzbeauftragte nicht für die Einhaltung verantwortlich ist. Er hat etwaige Missstände zu identifizieren, Lösungsvorschläge zu unterbreiten und das Unternehmen in datenschutzrechtlicher Hinsicht beraten. Verantwortlich für die „Compliance“ bleibt die Geschäftsführung des betreffenden Unternehmens.

Ohrtmann

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 Kapitel 8 Datenschutzbeauftragter

Konkret muss der Datenschutzbeauftragte gem. § 4g Abs. 1 S. 4 Nr. 1 und 2 BDSG die ordnungsgemäße Anwendung der Datenverarbeitungsprogramme überwachen und die Mitarbeiter durch geeignete Maßnahmen mit den datenschutzrechtlichen Vorschriften und den damit einhergehenden Anforderungen vertraut machen. Die Art und Weise, wie dies zu erfolgen hat, ergibt sich nicht aus dem Gesetz. Vielmehr ist der Datenschutzbeauftragte frei, die geeigneten Maßnahmen selbst zu bestimmen. Dies kann durch Schulungen, Informationsschreiben und -gespräche oder sonstige interne Veröffentlichungen erfolgen. Praxishinweis Lassen Sie sich von Ihrem Datenschutzbeauftragten vorlegen, mit welchen Maßnahmen er seiner Verpflichtung nachgekommen ist. Üblicherweise verfasst der Datenschutzbeauftragte regelmäßig einen Tätigkeitsbericht für die Geschäftsführung.

3. Stellung

6 Der betriebliche Datenschutzbeauftragte muss gem. § 4f Abs. 3 S. 1 BDSG direkt der

Geschäftsführung unterstellt werden. Er ist gem. §  4f Abs.  3 S. 2 BDSG in der Ausübung seiner Tätigkeit weisungsfrei. Dies ist darin begründet, dass er als internes Organ der Selbstkontrolle Funktionen der Datenschutzaufsicht übernimmt. Praxistipp Das Organigramm des Unternehmens sollte die Position des Datenschutzbeauftragten als Stabsstelle ausweisen, die unmittelbar der Geschäftsführung unterstellt ist.

II. Bedeutung für die Praxis 1. Wahlmöglichkeit 7 Unternehmen haben grundsätzlich die Wahl, entweder einen eigenen Beschäftigten (interner Datenschutzbeauftragter) oder einen externen Dritten (externer Daten­ schutzbeauftragter) zum Datenschutzbeauftragten zu bestellen.

2. Personelle Voraussetzungen

8 Die ordentliche Bestellung setzt gem. § 4f Abs. 2 S. 1 BDSG voraus, dass die bestellte

Person über die erforderliche Zuverlässigkeit und Fachkunde verfügt. Letzteres setzt eine hinreichende Kenntnis sowohl der rechtlichen Vorgaben als auch der technischen Prozesse voraus. Diese kann durch den beruflichen Werdegang und/oder den Besuch von Fortbildungsveranstaltungen erworben werden.

Ohrtmann

A. Arbeitsrecht 

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Praxishinweis Die Anforderungen an die Eignung von Datenschutzbeauftragten hat der Düsseldorfer Kreis, der inoffizielle Zusammenschluss der Datenschutz-Aufsichtsbehörden für den privat-wirtschaftlichen Bereich, im November 2010 konkretisiert.1

3. Interner Datenschutzbeauftragter a) Trennung vom Beschäftigtenverhältnis Bei der Bestellung eines Beschäftigten ist zwischen der Funktion des Datenschutzbe- 9 auftragten und einer etwaig daneben wahrgenommenen sonstigen Beschäftigung zu unterscheiden. Die Beendigung der Bestellung eines Mitarbeiters als Datenschutzbeauftragter bedeutet damit keineswegs, dass auch das Beschäftigungsverhältnis endet.

b) Interessenkonflikte Nicht jeder Beschäftigte eines Unternehmens kann als Datenschutzbeauftragter 10 bestellt werden. Insbesondere darf die zu bestellende Person keinem Interessen­ konflikt mit einer daneben im Unternehmen ausgeübten Funktion unterliegen. Mit anderen Worten: Der Datenschutzbeauftragte darf nicht Datenverarbeitungsprozesse kontrollieren, für die er in anderer Funktion verantwortlich ist. Praxishinweis Der Leiter des Rechenzentrums mag zwar die für das Amt des Datenschutzbeauftragten besten Fachkenntnisse mitbringen. Darin wird jedoch in der Regel eine unzulässige Interessenkollision liegen, weil die Abläufe im Rechenzentrum datenschutzrechtliche Risiken aufweisen und er ggf. eine Datenverarbeitung aus technischen Gründen gerne durchführen möchte, die aus datenschutzrechtlichen Gründen bedenklich ist. Das Bundesarbeitsgericht meldet die gleichen Bedenken allgemein für einen Mitarbeiter der IT-Abteilung an.2 Auch der Geschäftsführer oder der Leiter der Personalabteilung oder Marketingabteilung dürfen aus gleichen Gründen nicht als Datenschutzbeauftragter bestellt werden.

In diesem Zusammenhang stellt sich oft die Frage, ob der Datenschutzbeauftragte 11 in Personalunion auch die – gesetzlich nicht normierte – Position des IT-Sicher­ heitsbeauftragten übernehmen kann. Die Antwort hierauf hängt insbesondere von den konkret festgelegten Aufgaben und Verantwortlichkeiten des IT-Sicherheitsbeauftragten ab. Beinhaltet die Position bzw. Stellenbeschreibung des IT-Sicherheitsbeauftragten eine von den IT- und den Fachabteilungen unabhängige Kontroll- und Überwachungsfunktion, ist eine Personalunion mit dem Datenschutzbeauftragten

1 Beschluss der obersten Aufsichtsbehörden für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich (Düsseldorfer Kreis am 24./25.11.2010), http://www.bfdi.bund.de/SharedDocs/Publikationen/ Entschliessungssammlung/DuesseldorferKreis/24112010-MindestanforderungenAnFachkunde. html?nn=409242. 2 BAG, Urt. v. 22.3.1994 – 1 ABR 51/93 = DB 1994, 1678.

Ohrtmann

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 Kapitel 8 Datenschutzbeauftragter

regelmäßig zulässig. Hier wird die Überwachungsfunktion des Datenschutzbeauftragten nur ausgedehnt. Ist der IT-Sicherheitsbeauftragte dagegen verantwortlich für die Konzeption und Implementierung von technischen Maßnahmen der IT-Security, kann ein Konflikt mit der datenschutzrechtlich vorgeschriebenen Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten vorliegen. Die betreffende Person muss in jedem Fall in der Tätigkeitsbeschreibung mit 12 einem ausreichenden Zeitanteil für ihre Tätigkeit ausgestattet sein.

c) Widerruf

13 Unternehmen können die Bestellung gem. § 4f Abs. 3 S. 4 BDSG nur in zwei Fällen

widerrufen: –– wenn die Aufsichtsbehörde dies verlangt oder –– wenn ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB vorliegt. 14 Ein wichtiger Grund liegt immer dann vor, wenn Tatsachen oder Umstände unter Berücksichtigung des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung der Tätigkeit unzumutbar machen. Dies können sowohl Aspekte sein, die die weitere Beschäftigung als Datenschutzbeauftragter betreffen, als auch solche, die sich allgemein aus dem Arbeitsverhältnis ergeben. Praxishinweis Für den Widerruf eines internen Datenschutzbeauftragten reicht es nicht, wenn Unternehmen künftig einen Externen konzernweit mit dieser Aufgabe beauftragen wollen. Eine solche Organisationsentscheidung stellt für sich genommen keinen hinreichend wichtigen Grund dar. Ebenso wenig rechtfertigt die bloße Mitgliedschaft im Betriebsrat, die Zuverlässigkeit in Frage zu stellen.3 15 Der Widerruf der Bestellung bedeutet arbeitsrechtlich regelmäßig, dass eine Ände-

rung bzw. Kündigung des der Beschäftigung zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses erforderlich ist.4 Kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr vertragsgemäß beschäftigen, muss er anderweitige Verwendungsmöglichkeiten prüfen und ggf. eine Änderungskündigung aussprechen.

d) Kündigungsschutz

16 Neben der eingeschränkten Widerrufsmöglichkeit genießt der in einem Arbeitsver-

hältnis beschäftigte Datenschutzbeauftragte einen besonderen Kündigungsschutz gem. § 4f Abs. 3 S. 4 BDSG. Es muss ein Grund vorliegen, der den Arbeitgeber zur Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigt. Der Kündigungsschutz

3 BAG, Urt. v. 23.3.2011 – 10 AZR 562/09 = BB 2011, 2683. 4 BAG, Urt. v. 13.3.2007 – 9 AZR 612/05 = BB 2007, 1115.

Ohrtmann

A. Arbeitsrecht 

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greift auch, wenn der Datenschutzbeauftragte gemäß der im Arbeitsvertrag getroffenen Regelung überwiegend andere Tätigkeiten ausübt. Greift der gekündigte Datenschutzbeauftragte die Kündigung vor Gericht an, so 17 besteht nach umstrittener Auffassung ein Weiterbeschäftigungsanspruch, weil das Gesetz nur einen Datenschutzbeauftragten vorsieht und die Position während der Prozesses nicht doppelt auch mit einem Nachfolger besetzt werden kann.5 4. Externer Datenschutzbeauftragter Im Zuge der Flexibilisierung von Beschäftigungsverhältnissen und zur Vermeidung 18 des besonderen Kündigungsschutzes nutzen Unternehmen zunehmend die Möglichkeit, externe Dritte als Datenschutzbeauftragte zu bestellen. Da diese nicht als Arbeitnehmer beschäftigt werden, ist der besondere Kündigungsschutz nicht einschlägig. Allerdings gilt auch, dass ein Widerruf der Bestellung gem. § 4f Abs. 3 S. 4 BDSG nur aus wichtigen Grund erfolgen darf. Praxishinweis In der Praxis wird eine Flexibilisierung dadurch angestrebt, dass der zugrunde liegende Dienst- oder Geschäftsbesorgungsvertrag ordentlich kündbar ist oder befristet vereinbart wird. Ob dies zulässig ist, ist jedoch umstritten.6

Checkliste –– Erforderlichkeit der Bestellung: mehr als neun Beschäftigte ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigt? –– Liegt eine schriftliche Bestellung vor? –– Eignung: Sind Fachkunde und Zuverlässigkeit gegeben? –– Besteht kein unzulässiger Interessenkonflikt mit anderer Tätigkeit für die verantwortliche Stelle? –– Jedenfalls Inhaber, Vorstände, Geschäftsführer und sonstige gesetzliche oder verfassungsmäßig berufene Leiter –– Möglicherweise auch Leiter der EDV, Personalleiter, leitende Mitarbeiter in Organisationseinheiten mit besonders umfangreicher oder sensitiver Verarbeitung von personenbezogenen Daten, evtl. auch IT-Sicherheitsbeauftragter –– Stellung des Datenschutzbeauftragten –– Unmittelbare Unterstellung unter die Unternehmensleitung –– Stellenbeschreibung zu seinen Befugnissen –– Weisungsfreiheit –– Hinreichende Ausstattung –– Findet eine hinreichende Information (z.B. Schulung) der in der Datenverarbeitung tätigen Personen statt? –– Ausübung der Tätigkeit: Überwachung der ordnungsgemäßen Anwendung der Datenverarbeitungsprogramme – insbesondere Tätigkeitsbericht an die Unternehmensleitung?

5 ArbG Erfurt, Urt. v. 13.12.1995 – 7 Ga 5/95 = RDV 1996, 39; anders LAG Erfurt RDV 1996, 195. 6 Vgl. Simitis/Simitis, § 4f Rn 191.

Ohrtmann

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 Kapitel 8 Datenschutzbeauftragter

B. Steuerrecht 19 Regelmäßig ist der Datenschutzbeauftragte Arbeitnehmer und der Arbeitgeber hat 20

die ihm vom Gesetzgeber auferlegten lohnsteuerlichen Pflichten zu erfüllen. Es ergeben sich somit keine Besonderheiten, die von den allgemeinen lohnsteuerlichen Regeln für Arbeitgeber und Arbeitnehmer abweichen.7

C. Sozialversicherungsrecht 21 Ein Datenschutzbeauftragter unterliegt keinen besonderen sozialversicherungsrecht-

lichen Vorschriften. Es ist daher nach den allgemeinen Kriterien zu prüfen, ob ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Ist dies der Fall, ergibt sich eine Melde- und Beitragspflicht.8 22

7 Auf die allgemeinen Ausführungen in Teil 2 – Grundlagen wird verwiesen. 8 Auf die allgemeinen Ausführungen in Teil 2 – Grundlagen wird verwiesen.

Kaiser/Gather

Kapitel 9 Ehrenamt A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis 1. Nutzen Die ehrenamtliche Tätigkeit ist in Deutschland weit verbreitet. Jeder dritte Deutsche 1 engagiert sich freiwillig oder ist ehrenamtlich aktiv.1 Eine ehrenamtliche Tätigkeit des Arbeitnehmers kann für den Arbeitgeber durchaus von Vorteil sein. So werden im Rahmen einer ehrenamtlichen Tätigkeit häufig zahlreiche Kontakte, zum Teil auch zu einflussreichen Persönlichkeiten geknüpft, die u.U. auch für die Unternehmensgeschäfte genutzt werden können. Ferner kann ein in der Öffentlichkeit als positiv wahrgenommenes ehrenamtliches Engagement eines Arbeitnehmers einen positi­ ven Werbeeffekt für das Unternehmen mit sich bringen. Zusätzlich kann der Arbeitnehmer z.B. durch die Übernahme von Verantwortung und Führungsaufgaben seine Persönlichkeit weiterentwickeln, was auch positive Auswirkungen auf die berufliche Entwicklung haben kann. Nutzen –– Networking ggf. auch zu unternehmensrelevanten Kontakten –– Weiterentwicklung der Persönlichkeit (u.a. Soft Skills) –– Positives Erscheinen des Unternehmens in der Öffentlichkeit

Ein Arbeitgeber kommt nicht umhin, sich mit dem Spannungsfeld von Arbeitsverhält- 2 nis und ehrenamtlicher Beschäftigung auseinanderzusetzen. Aufgrund des erheblichen Kostendrucks in vielen sozialen und karitativen Bereichen setzen einige Arbeitgeber auch ehrenamtliche Mitarbeiter zur Aufgabenbewältigung dort ein. Sofern kein Arbeitsverhältnis begründet werden soll, ist es wichtig, die Grenzen der Gestaltungsmöglichkeiten zu kennen. Ein Sonderfall ist der zum 1.7.2011 eingeführte Bundesfrei­ willigendienst, der den bisherigen Zivildienst ersetzt, nunmehr aber der ehrenamtlichen Tätigkeit zuzuordnen ist. Der Arbeitgeber sollte die Unterschiede zwischen den einzelnen Formen der 3 ehrenamtlichen Tätigkeit kennen, da die Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien bei dem privaten, öffentlichen und betrieblichen Ehrenamt unterschiedlich ausgestaltet sind.

1 Vgl. den Hauptbericht des Freiwilligensurveys 2009 des BMFSFJ vom 29.11.2010, der erstmals über einen Zeitraum von 10 Jahren die Entwicklung des freiwilligen Engagements in Deutschland beschrieben hat.

Preiss/Speier

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 Kapitel 9 Ehrenamt

2. Begriffsbestimmungen und Abgrenzung

4 Der Begriff des Ehrenamtes ist nicht gesetzlich festgelegt. Er wird in der Praxis teil-

weise sehr unterschiedlich definiert. Im ursprünglichen Sinn stellt das Ehrenamt ein freiwilliges, unentgeltliches Engagement oder ein ehrenvolles, freiwilliges öffentliches Amt dar, das überwiegend im gemeinnützigen, sozialen, karitativen, künstlerischen oder sportlichen Bereich ausgeübt wird. Alternativ haben sich auch Bezeichnungen wie Freiwilligenarbeit, bürger­ 5 schaftliches Engagement oder Ehrenposten etabliert. Ein Ehrenamt kann in unterschiedlichem Kontext ausgeübt werden. Je nach Art 6 des Ehrenamtes gibt es unterschiedliche gesetzliche Spezialregelungen und Rechtsprechungen. In der Praxis häufigster Fall der ehrenamtlichen Tätigkeit ist das private Ehren­ 7 amt in Organisationen, Vereinen, Kirchengemeinden oder sozialen Diensten. Beispiel –– Mitarbeiter in kirchlichen Organisationen und Pfarrgemeinden –– Freiwillige Feuerwehr –– Jugendverbände –– Jugendsozialarbeit –– Johanniter-Unfall-Hilfe –– Malteser Hilfsdienste –– Deutsches Rotes Kreuz –– Schiedsleute –– Gerichtlich bestellte Betreuer –– Wahlhelfer –– Mitarbeit in einer Gewerkschaft

8 Ferner kann ein Ehrenamt als öffentliches Ehrenamt in staatlichen Einrichtungen

ausgeübt werden.

Beispiel –– Ehrenbeamter nach § 5 Abs. 3 BBG oder dem LBG der Länder (z.B. § 74 LBG NRW) –– Ehrenamtlicher Bürgermeister –– Ehrenamtlicher Richter –– Schöffe –– Gemeinderatsmitglied –– Kreistagsmitglied –– Mitglied im Prüfungsausschuss der IHK2

2 Vgl. hierzu BAG, Urt. v. 7.11.1991 – 6 AZR 496/89 –.

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Bei dieser Form des Ehrenamtes enthalten zahlreiche Bundes-/Landesgesetze, Ge- 9 meindeordnungen und auch Tarifverträge spezielle Regelungen zu Arbeitsfreistellung und Verdienstausfall/Aufwandsentschädigung.3 Schließlich kann das Ehrenamt auch innerhalb eines Unternehmens, gegenüber 10 dem Arbeitgeber selbst, als sog. betriebliches Ehrenamt ausgeübt werden. Beispiel –– Betriebsrat (vgl. § 37 Abs. 1 BetrVG) –– Personalrat (vgl. § 100 BPersVG) –– Vertrauensperson der Schwerbehindertenvertretung –– Beisitzer der Einigungsstelle, die dem Betrieb angehören (vgl. § 76a Abs. 2 BetrVG)

Auch in dieser Fallgruppe sind gesetzliche Spezialregelungen zu Aufwandsentschädi- 11 gung und Arbeitsfreistellung4 zu beachten.

3. In der Praxis auftretende Fallgruppen In der Praxis können drei Fallgruppen auftreten, bei denen der Arbeitgeber in unter- 12 schiedlichem Umfang Rechte und Pflichten sowie vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten hat: –– Es besteht ein Arbeitsverhältnis. In seiner Freizeit übt der Arbeitnehmer freiwillig ein Ehrenamt aus.5 –– Der Arbeitgeber möchte einen Ehrenamtlichen beschäftigen, ohne jedoch ein Arbeitsverhältnis zu begründen.6 –– Es besteht ein Arbeitsverhältnis. Der Arbeitgeber möchte den Arbeitnehmer dazu verpflichten, eine bestimmte ehrenamtliche Tätigkeit zu übernehmen, die für das Unternehmen von Vorteil ist.7

II. Arbeitnehmer mit (freiwilligem) Ehrenamt Am häufigsten dürfte der Fall vorliegen, dass der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer 13 beschäftigt, der ein Ehrenamt aufgrund seiner freiwilligen und privaten Gewissensentscheidung ausübt. Ein solches Ehrenamt kann Auswirkungen auf das bestehende Arbeitsverhältnis haben, insbesondere wenn es sich um ein öffentliches oder betriebliches Ehrenamt handelt.

3 Siehe Rn 20 ff. 4 Siehe Rn 23 ff. 5 Siehe Rn 13 ff. 6 Siehe Rn 36 ff. 7 Siehe Rn 54 ff.

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 Kapitel 9 Ehrenamt

Für den Arbeitgeber stellt sich daher die Frage, ob er nicht so frühzeitig wie möglich, also bereits beim Vorstellungsgespräch klären kann, ob und in welcher Form der Bewerber eine ehrenamtliche Tätigkeit ausübt. Praxistipp –– Wird beim Vorstellungsgespräch bereits nach einer ehrenamtlichen Tätigkeit des Bewerbers gefragt, ist Vorsicht geboten. Ob die Frage nach einer ehrenamtlichen Tätigkeit zulässig ist, hängt davon ab, ob ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an der Beantwortung einer bestimmten Frage besteht. Abzuwägen sind regelmäßig das betriebliche Interesse des Arbeitgebers und das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers. Regelmäßig wird das Persönlichkeitsinteresse vorrangig sein. –– Es darf zu keiner mittelbaren oder unmittelbaren Diskriminierung nach den geschützten Merkmalen des AGG (Rasse, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexuelle Identität) kommen, ohne dass hierfür ein sachlicher Rechtfertigungsgrund vorliegt. –– Es empfiehlt sich sorgfältig in jedem Einzelfall abzuwägen, ob die Frage nach einer ehrenamtlichen Tätigkeit konkret zu einer Persönlichkeitsrechtsverletzung führen kann. Wenn sich aus den Bewerbungsunterlagen oder dem Gespräch Indizien ergeben, die auf eine ehrenamtliche Tätigkeit hinweisen, sollte bei einer gezielten Frage nach einem Ehrenamt zugleich offengelegt werden, warum die Frage gestellt wird, z.B. um etwaige Arbeitszeit- oder Interessenkollisionen zu identifizieren. –– Im laufenden Arbeitsverhältnis wird die Frage nach einer ehrenamtlichen Tätigkeit im Hinblick auf die rechtlichen Folgen wie Freistellung, Entschädigungsmöglichkeiten für den Arbeitgeber etc. als zulässig zu beurteilen sein.

1. Freistellung und Vergütung 15 Ob der Arbeitnehmer für die ehrenamtliche Tätigkeit von seiner Arbeitsleistung freigestellt werden muss, hängt von der Art des Ehrenamtes ab. Zum Teil gibt es gesetzliche Regelungen, die einen Freistellungsanspruch ausdrücklich vorsehen.

a) Privates Ehrenamt

16 Ein privates Ehrenamt ist in der Freizeit auszuüben. Es gibt weder einen Anspruch

auf bezahlte Freistellung nach § 616 BGB (Fall der vorübergehenden unverschuldeten Verhinderung an der Erbringung der Dienstleistung) noch aus arbeitsvertraglichen Grundlagen. Etwas anderes gilt nur, soweit die Übernahme eines Ehrenamtes im Arbeitsvertrag vereinbart wurde.8 Auch ein Anspruch auf unbezahlte Freistellung scheidet grundsätzlich aus, sofern es keine individual- oder tarifvertraglichen Sonderregelungen9 gibt.

8 Siehe hierzu Rn 54 ff. 9 Vgl. z.B. § 29 Abs. 3 S. 2 TVöD.

Preiss/Speier

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Da kein Anspruch auf Freistellung besteht, stellt die ehrenamtliche Tätigkeit 17 während der Arbeitszeit – ohne Wissen des Arbeitgebers – eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten dar, unabhängig für welche Einrichtung der Arbeitnehmer tätig geworden ist oder welcher gute Zweck mit dem Ehrenamt verfolgt wird. Des Weiteren ist der Arbeitnehmer nicht berechtigt, Kollegen oder ihm unterstellte Arbeitnehmer zur Mithilfe bei der Ausübung seines Ehrenamtes heranzuziehen oder sachliche Ressourcen wie Firmenwagen oder Kopiergeräte für die ehrenamtliche Tätigkeit in Anspruch zu nehmen.10 Ein solches Verhalten stellt eine Verletzung der sog. Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber dar und kann je nach den Umständen des Einzelfalls mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Abmahnung und Kündigung sanktioniert werden.11 Einige Tarifverträge sehen für Mandatsträger der tarifschließenden Gewerk­ 18 schaften Sonderregelungen vor, nach denen diese Arbeitnehmer für bestimmte gewerkschaftliche Tätigkeiten unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit freizustellen sind.12 Außerhalb des Geltungsbereiches eines entsprechenden Tarifvertrages besteht z.B. für die Teilnahme an einer Ortsvorstandssitzung weder aus Art. 9 Abs. 3 GG (Koalitionsfreiheit) noch aus § 275 Abs. 3 BGB (allgemeines Leistungsverweigerungsrecht) ein Anspruch auf Freistellung.13 Der Arbeitnehmer hat lediglich Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber bei der Dienstplangestaltung im Rahmen der Ausübung billigen Ermessens auf zeitlich lange im Voraus terminierte Sitzungen des Ortsvorstandes bei der Einteilung Rücksicht nimmt.14 Für spezielle Ehrenämter wie z.B. für die Freiwillige Feuerwehr bestehen lan- 19 desrechtliche Sondervorschriften. So sehen zahlreiche Brandschutzgesetze und Entschädigungsrichtlinien für Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren u.a. einen Freistellungsanspruch unter Weiterzahlung des Arbeitsentgeltes, Entgeltfortzahlungsansprüche im Krankheitsfall sowie auch entsprechende Erstattungsmöglichkeiten dieser Kosten für private Arbeitgeber vor.15

10 Vgl. ArbG Passau, Urt. v. 16.1.1992 – 4 Ca 654/91 – (rechtskräftig). 11 Zur Kündigung siehe Rn 27 ff. 12 Vgl. z.B. § 16 Abs. 2 und 3 Manteltarifvertrag Einzelhandel NRW; § 14 Nr. 7 Manteltarifvertrag Einzelhandel Thüringen; § 11a Nr. 6 und 7 des Manteltarifvertrages Einzelhandel Niedersachsen (vgl. zu diesem auch BAG, Urt. v. 11.9.1985 – 4 AZR 426/84 –); § 7 Nr. 2 Manteltarifvertrag für das Wachund Sicherheitsgewerbe Thüringen; § 29 Abs. 4 TVöD. 13 Vgl. BAG, Beschl. v. 13.8.2010 – 1 AZR 173/09 –. 14 Vgl. BAG, Beschl. v. 13.8.2010 – 1 AZR 173/09 –. 15 Vgl. § 12 Feuerschutzhilfeleistungsgesetz NRW (FSHG); §§ 30 und 31 Brandschutzgesetz Schleswig-Holstein (SHBrSchG).

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 Kapitel 9 Ehrenamt

b) Öffentliches Ehrenamt

20 Ist der Arbeitnehmer durch seine Tätigkeit z.B. als Gemeinderatsmitglied, Mitglied

eines Kreistages oder als Wahlhelfer daran gehindert, seine Arbeitstätigkeit auszuüben und ist auch ein Verschieben der Tätigkeit auf Zeiten außerhalb der Arbeitszeit nicht möglich, liegt kein unbefugtes Fernbleiben von der Arbeit vor. Vielmehr wird es allgemein als zum Wesen eines demokratischen Staates gehörend angesehen, dass seine Bürger ungehindert demokratische Rechte ausüben können.16 Zahlreiche Ländergesetze und Gemeinde-/Kreisordnungen sehen daher einen Anspruch auf Freistellung, Ersatz des Verdienstausfalls oder auf Aufwandsentschädigung vor.17 Auch einige Tarifverträge sehen bezahlte Freistellungen für Tätigkeiten im Rahmen eines öffentlichen Ehrenamtes unter Anrechnung etwaiger Erstattungsansprüche vor, so z.B. § 29 Abs. 2 S. 1 TVöD oder § 16 Abs. 1 lit. j) Manteltarifvertrag Einzelhandel NRW.18 Ehrenamtliche Richter dürfen wegen der Übernahme oder der Ausübung des 21 Amts nicht beschränkt oder benachteiligt werden §  45 Abs. 1 lit. a) S. 1 DRiG, §  26 ArbGG. Sie sind von ihrem Arbeitgeber für die Zeit ihrer Amtstätigkeit freizustellen, § 45 Abs. 1 lit. a) S. 2 DRiG. Ferner erhalten sie eine Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 16 JVEG) und Verdienstausfall (§ 18 JVEG). Liegen keine spezialgesetzlichen oder tarifvertraglichen Regelungen vor, besteht 22 nach §  616 BGB regelmäßig ein Anspruch auf bezahlte Freistellung, da die Ausübung eines öffentlichen Ehrenamtes als eine persönliche und unverschuldete Verhinderung anzusehen ist. Nimmt ein Arbeitnehmer jedoch an einem Arbeitszeitmodell mit Gleitzeit teil, ist er nach der Rechtsprechung verpflichtet, für die Ausübung des Ehrenamtes Gleitzeit in Anspruch zu nehmen.19 Praxistipp –– Ist dem Arbeitgeber bekannt oder erfährt der Arbeitgeber, dass ein Arbeitnehmer regelmäßig einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachgeht, so empfiehlt es sich, möglichst frühzeitig die „Spielregeln“ für beide Seiten festzulegen und auch zu dokumentieren. –– Für den Arbeitnehmer bedeutet ein Ehrenamt, dass er nach Möglichkeit die Tätigkeit für das öffentliche Ehrenamt außerhalb der Arbeitszeit wahrnehmen muss. Er muss sich bemühen, Einfluss auf die zeitliche Lage von Sitzungen zu nehmen und diese möglichst außerhalb der Arbeitszeit stattfinden zu lassen. Ist dies nicht möglich, hat er so früh wie möglich den Arbeitgeber bzw. seinen Vorgesetzten von dem ehrenamtlichen Einsatz und der voraussichtlichen Dauer in Kenntnis zu setzen. Bestehende Gleitzeitguthaben sind in Anspruch zu nehmen. –– Für den Arbeitgeber bedeutet ein Ehrenamt, dass er den betrieblichen Ablauf nach Möglichkeit flexibel gestalten sollte, so dass das Fehlen des betreffenden Arbeitnehmers durch anderweitige Arbeitszuteilungen aufgefangen werden kann. Sehen die Gesetze Erstattungsansprüche für den Arbeitgeber vor, ist ein entsprechender Antrag einzureichen, da anderenfalls keine Kosten-

16 Siehe Staudinger/Preis, § 626 Rn 166 m.w.N. 17 Vgl. § 18 GO RP; §§ 33 und 45 GO NRW; § 27 HGO; § 74 Abs. 3 LBG NRW. 18 Vgl. auch BAG, Urt. v. 7.11.1991 – 6 AZR 496/89 – (Tätigkeit im Prüfungsausschuss der IHK). 19 Vgl. BAG, Urt. v. 22.1.2009 – 6 AZR 78/08 – (ehrenamtlicher Richter).

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A. Arbeitsrecht 

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erstattung erfolgt. Sehen Gesetz oder Tarifvertrag Verrechnungsmöglichkeiten des Verdienstes mit Entschädigungs-/Aufwandsansprüchen des Arbeitnehmers vor, sollte die Lohnabrechnung entsprechend angepasst werden.

c) Betriebliches Ehrenamt Freistellungs- und Vergütungsansprüche sind für das betriebliche Ehrenamt gesetz- 23 lich ausdrücklich geregelt. Benachteiligungs- und Begünstigungsverbote sollen den Schutz der Person, aber auch des Amts gewährleisten. Die Mitglieder des Betriebsrats führen gem. § 37 Abs. 1 BetrVG ihr Amt unent- 24 geltlich als Ehrenamt. Sie sind von ihrer Arbeitstätigkeit ohne Minderung des Entgeltes freizustellen, § 37 Abs. 2 BetrVG. Kann eine Betriebsratstätigkeit aus betriebsbedingten Gründen nicht außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt werden, besteht zum Ausgleich ein Anspruch auf entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Entgeltes, § 37 Abs. 3 BetrVG. Hierbei ist die Arbeitsbefreiung vor Ablauf eines Monats zu gewähren. Sollte dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich sein, ist die für die Betriebsratstätigkeit aufgewendete Zeit wie Mehrarbeit zu vergüten. Ob das Betriebsratsmitglied seine Betriebsratstätigkeit vorher beim Arbeitgeber 25 melden muss, hängt nach der Rechtsprechung des BAG u.a. von der Art der Arbeits­ aufgabe des Betriebsratsmitglieds und von der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunterbrechung und damit von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine vorherige Mel­ depflicht verneint das BAG jedenfalls, wenn eine vorübergehende Umorganisation der Arbeitseinteilung nicht ernsthaft in Betracht kommt.20 Meldet sich das Betriebsratsmitglied nicht vorher ab, ist es verpflichtet, auf Verlangen des Arbeitgebers nachträglich die Gesamtdauer der in einem bestimmten Zeitraum geleisteten Betriebsrats­ tätigkeit mitzuteilen. Praxistipp Da sich eine vorherige Meldepflicht für Betriebsratstätigkeit weder generell verneinen noch bejahen lässt, sollte jeder Vorgesetzte mit dem in seiner Einheit arbeitenden Betriebsratsmitglied individuell vereinbaren, ab welchem Zeitraum eine Mitteilung erfolgen sollte, um eine rechtzeitige Überbrückung des Arbeitsausfalls organisieren zu können.

Vergleichbare Regelungen mit Benachteiligungsverboten, Freistellungs- und Vergü- 26 tungsansprüchen gibt es auch für andere ehrenamtliche Arbeitnehmerinteressenvertretungen, z.B. für –– den Personalrat nach den Personalvertretungsgesetzen der Länder, vgl. statt aller §§ 46, 100 BPersVG,

20 Vgl. BAG, Beschl. v. 29.6.2011 – 7 ABR 135/09 –.

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 Kapitel 9 Ehrenamt

–– die kirchlichen Mitarbeitervertretungen, vgl. §§  19 und 20 MVG EKD sowie §§ 15 und 18 MAVO, –– den Werkstattrat von Werkstätten für behinderte Menschen, vgl. § 37 WMVO, –– die Vertrauenspersonen der Schwerbehinderten, § 96 SGB IX.

2. Kündigung wegen ehrenamtlicher Tätigkeit 27 Ob die ehrenamtliche Betätigung eine Kündigung rechtfertigt, hängt von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere davon ab, ob ein besonderer Kündigungsschutz besteht. Auch hierbei ist zwischen den verschiedenen Arten des Ehrenamtes zu unterscheiden.

a) Privates Ehrenamt

28 Grundsätzlich hat der Arbeitgeber keinen Anspruch auf eine bestimmte Lebensfüh-

rung seiner Arbeitnehmer, so dass das Verhalten des Arbeitnehmers im privaten Bereich für das Arbeitsverhältnis irrelevant ist. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn das außerdienstliche Verhalten eine konkrete Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses, insbesondere eine arbeitsvertragliche Nebenpflichtverletzung darstellt. Die Wahrnehmung eines Ehrenamtes aus privaten (z.B. sportlichen, karitativen, 29 künstlerischen, sozialen, religiösen) Gründen stellt grundsätzlich keinen perso­ nenbedingten Kündigungsgrund dar, selbst wenn Arbeitszeit hierdurch versäumt wird.21 Anderenfalls kann hierin ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des §  612a BGB in Betracht kommen, da zahlreiche Schutzvorschriften jedenfalls bei öffentlichen oder betrieblichen Ehrenämtern Kündigungsverbote vorsehen. Ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund kann nur in Betracht kommen, 30 wenn durch das Ehrenamt eine konkrete Beeinträchtigung der Arbeitsleistung vorliegt. Die Tätigkeit muss zu „unzumutbaren Unzuträglichkeiten“ im Betrieb führen.22 Beispiel –– Ein Arbeitnehmer arbeitet bei einem gewerblichen Abfallverwerter, der auch gewerbliche Kleidersammlungen betreibt. In seiner Freizeit unterstützt er ehrenamtlich eine karitative Einrichtung zur Sammlung von Kleiderspenden und nutzt hierzu auch seine beruflichen Kontakte. –– Ein Arzt, der in der gynäkologischen Abteilung eines Krankenhauses mit katholischer Trägerschaft arbeitet, engagiert sich privat in einem Verein zur Abschaffung des totalen Abtreibungsverbots und legt Informationsbroschüren und Beitrittsformulare in den Wartebereichen aus.

21 So auch: Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner, § 1 KSchG Rn 240. 22 Vgl. Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner, § 1 KSchG Rn 240 m.w.N.

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A. Arbeitsrecht 

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Ferner kann eine verhaltensbedingte Kündigung nach vorheriger Abmahnung in 31 Betracht kommen, wenn die private ehrenamtliche Tätigkeit während der Arbeitszeit ausgeübt wird und hierzu personelle und materielle Ressourcen des Arbeitgebers eingesetzt werden.23

b) Besonderer Kündigungsschutz Bei öffentlichen und privaten Ehrenämtern bestehen zahlreiche besondere Kündi- 32 gungsschutzvorschriften, die eine ordentliche Kündigung ausschließen und nur unter gesteigerten Anforderungen eine außerordentliche Kündigung zulassen: –– Betriebsräte: § 15 KSchG –– Schwerbehindertenvertretung: § 96 Abs. 2 SGB IX –– Personalrat: § 47 BPersVG und Landespersonalvertretungsgesetze –– Kirchliche Mitarbeitervertretungen: z.B. § 21 MVG EKD, 19 MAVO –– Abgeordnete: § 2 Abs. 3 AbgG

3. Verbot der ehrenamtlichen Tätigkeit Wegen des Grundrechts auf Freiheit und Entfaltung der Persönlichkeit aus Art. 2 GG 33 und auf Berufsfreiheit nach Art. 12 GG ist ein grundsätzliches Verbot der ehrenamtlichen Betätigung als unzulässig anzusehen. Dies gilt grundsätzlich auch, wenn Unternehmensinteressen betroffen sind. Klauseln in Arbeitsverträgen, die eine ehrenamtliche Betätigung vertraglich 34 generell ausschließen, sind unzulässig. Bedenklich sind auch Klauseln, die die ehrenamtliche Betätigung von einer vorherigen Einwilligung oder Genehmigung durch den Arbeitgeber abhängig machen. Auch die Vereinbarung einer Anzeigepflicht ist im Hinblick auf Art. 5 GG (Meinungsfreiheit) bedenklich. Sie kommt nur in Betracht, wenn die ehrenamtliche Tätigkeit während der Arbeitszeit ausgeübt werden muss (z.B. ehrenamtliche Richter, Freiwillige Feuerwehr) und der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an der Offenlegung hat, z.B. weil er die Arbeitsausfälle durch Umorganisation auffangen muss.24 Etwas anderes kann ganz ausnahmsweise nur gelten, wenn ein berechtigtes 35 Interesse des Arbeitgebers vorliegt. Dies dürfte der Fall sein, wenn die ehrenamtliche Tätigkeit das Hauptarbeitsverhältnis in erheblichem Umfang beeinträchtigt und ein grober Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Treuepflicht vorliegt.25 In der Praxis dürfte dies aber äußerst selten der Fall sein.

23 Siehe auch Rn 28. 24 Zur Meldepflicht bei Betriebsräten siehe Rn 25. 25 Vgl. auch die Ausführungen zur Nebentätigkeit Kap. 27 – Nebentätigkeit Rn 12 ff.

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 Kapitel 9 Ehrenamt

Praxistipp Als Handlungsoption bleibt daher dem Arbeitgeber bei einer unzumutbaren Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen nur, nach vorheriger Abmahnung eine verhaltensbedingte Kündigung auszusprechen. Ein wirksames Verbot oder eine Beschränkung der ehrenamtlichen Tätigkeit lässt sich ohne die Mittel von Abmahnung und Kündigung praktisch nicht realisieren.

III. Beschäftigung eines Ehrenamtlichen

36 Aus Gründen der Kosteneinsparung und Flexibilität werden in der Praxis häufig sog.

ehrenamtliche Mitarbeiter beschäftigt, die die festangestellten Arbeitskräfte unterstützen sollen. Beispiel –– In einem Seniorenheim wird der Empfang mit einer Ehrenamtlichen besetzt. –– In einem Internat werden Hausmeistertätigkeiten wie kleinere Reparaturen, Renovierungsarbeiten und Gartenpflege von einem Ehrenamtlichen ausgeübt. –– In einem gemeinnützigen Verband werden Verwaltungstätigkeiten wie der Versand von Broschüren, die Mitarbeit beim Postein- und Postausgang und sonstige kaufmännische Tätigkeiten von einem Ehrenamtlichen ausgeführt.

37 Allerdings besteht für den Arbeitgeber beim Einsatz solcher „Mitarbeiter“ u.U. die

Gefahr, dass sie in einem etwaigen späteren Rechtsstreit von den Gerichten als sog. „Schein-Ehrenamtliche“ eingestuft werden mit der Folge, dass sie wie Arbeitnehmer behandelt und alle arbeitsrechtlichen Schutzrechte (Arbeitszeitgrenzen, Urlaubs- und Vergütungsansprüche, Kündigungsschutz) eingehalten werden müssen. Der Arbeitgeber kann nur die versehentliche Begründung eines Arbeitsverhältnisses vermeiden, wenn er die ehrenamtliche Tätigkeit klar von einem Arbeitsverhältnis abgrenzt und nach Möglichkeit keine Indizien schafft, die für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses nach der Rechtsprechung sprechen.

1. Abgrenzung zum Arbeitsverhältnis 38 Das Arbeitsverhältnis ist von dem Ehrenamt sowohl rechtlich als auch tatsächlich zu trennen. Das Arbeitsverhältnis ist eine weisungsgebundene Tätigkeit, die entgeltlich 39 und in persönlicher Abhängigkeit vom Arbeitgeber ausgeübt wird. Der Arbeitgeber kann gem. § 106 GewO Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzlichen Vorschrift festgelegt sind. Das Ehrenamt ist hingegen regelmäßig weisungsunabhängig und unentgelt­ 40 lich. Nur ausnahmsweise wird in bestimmten Fällen eine Aufwandsentschädigung,

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A. Arbeitsrecht 

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ein Taschengeld oder eine sonstige Vergütung gezahlt. Zudem besteht keine persön­ liche Abhängigkeit zum Auftrag- oder Arbeitgeber. In der Praxis kann es unter Umständen schwierig sein, Ehrenamt und Arbeitsver- 41 hältnis voneinander abzugrenzen. Es gibt hierzu keine gesetzlichen oder gefestigten Grundsätze zur Abgrenzung, sondern vielmehr eine umfangreiche Einzelfallrecht­ sprechung. Beispiele –– Rot-Kreuz-Schwestern sind nach dem BAG weder Arbeitnehmer der Schwesternschaft noch arbeitnehmerähnliche Personen i.S.d. § 5 Abs. 1 BetrVG. Als Rechtsgrundlage für die Leistung von Diensten in persönlicher Abhängigkeit komme nach dem BAG nicht nur ein Arbeitsverhältnis, sondern auch die Mitgliedschaft in einem Verein in Betracht. Die mit dem Beitritt zur Schwesternschaft übernommenen Verpflichtungen sah das BAG als einen in der Satzung festgelegten vereinsrechtlichen Mitgliedsbeitrag i.S.d. § 58 Nr. 2 BGB an. Zudem hätten die Schwestern satzungsgemäß durch ihre Mitgliedsrechte (Stimmrecht etc.) Einfluss auf die Arbeitsorganisation gehabt.26 –– Hauptamtlich (aktiv tätige) außerordentliche Mitglieder von Scientology sind nach dem BAG Arbeitnehmer i.S.v. § 5 Abs. 1 BetrVG, da die nach dem zugrunde liegenden Sachverhalt arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen objektiv umgangen wurden. Die hauptamtlichen Mitglieder hatten keine vereinsrechtlichen Mitgliedschaftsrechte, keinen Anspruch auf eine angemessene Vergütung sowie Versorgung und der Verein hatte eine wirtschaftliche Zwecksetzung.27 –– Die Beauftragung einer Person als Telefonseelsorgerin stellt nach dem Sächsischen LAG kein Arbeitsverhältnis, sondern eine ehrenamtliche Tätigkeit dar, wenn die Tätigkeit dauerhaft nicht auf die Erzielung von Entgelt oder die Erlangung einer entgeltlichen Tätigkeit gerichtet war. Eine ehrenamtliche Tätigkeit trage nach Auffassung des Gerichts nicht zum Familieneinkommen bei, sondern sei in der Regel nur dann möglich, wenn die wirtschaftliche Existenz anderweitig gesichert sei.28

Aus der Rechtsprechung lassen sich jedoch einige Indizien ableiten, die zur Abgren- 42 zung zwischen Arbeitsverhältnis und Ehrenamt herangezogen werden können: –– Fremdbestimmte Arbeit in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit Die persönliche Abhängigkeit ist jedoch kein alleiniges Merkmal für das Bestehen 43 eines Arbeitsverhältnisses. Die Arbeitsleistung in persönlicher Abhängigkeit kann als vereinsrechtlicher Mitgliedsbeitrag gem. § 58 Abs. 2 BGB ausgestaltet sein, sofern auch entsprechende vereinsrechtliche Mitspracherechte (Mitabstimmung bei der Entlastung des Vorstands, der Festsetzung der Mitgliedsbeiträge oder bei Satzungsänderungen u.ä.) bestehen.

26 Vgl. BAG, Beschl. v. 6.7.1995 – 5 AZB 9/93 –. 27 Vgl. BAG, Beschl. v. 22.3.1995 – 5 AZB 21/94 –. 28 Vgl. Sächsisches LAG, Urt. v. 20.5.2011 – 3 Sa 579/10 –, Revision zum BAG – 10 AZR 499/11 – eingelegt.

Preiss/Speier

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 Kapitel 9 Ehrenamt

–– Keine Umgehung von zwingenden arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen

44 Es ist nicht notwendig, dass in Umgehungsabsicht gehandelt wurde oder eine

bewusste Missachtung der zwingenden Rechtsnormen vorliegt. –– Unentgeltliche Tätigkeit 45 Die Zahlung einer Vergütung ist zwar weder erforderlich noch ausreichend für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. Eine dauerhaft nicht auf die Erzielung von Entgelt oder die Erlangung einer entgeltlichen Beschäftigung gerichtete Tätigkeit ist jedoch ein starkes Indiz für das Vorliegen eines Ehrenamtes. Dies gilt insbesondere, wenn die wirtschaftliche Existenz aus einem anderen Einkommen, staatlichen Leistungen oder eigenem Vermögen gesichert ist. –– Bezeichnung des Rechtsverhältnisses als Ehrenamt ist nicht entscheidend. 46 Die Rechtsbeziehung ist nur nach ihrem Geschäftsinhalt objektiv zu beurteilen. Maßgeblich sind die ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und die praktische Durchführung. Sieht die praktische Durchführung anders aus, als die ausdrücklich getroffene Vereinbarung, geht die praktische Handhabung vor. Entscheidend ist also letztendlich, wie das Rechtsverhältnis tatsächlich gelebt wird. Praxistipp Sofern ein Ehrenamtlicher beschäftigt werden soll, sollte das einstellende Unternehmen zur Vermeidung der Begründung eines Arbeitsverhältnisses in einer schriftlichen Vereinbarung ausdrücklich u.a. Folgendes regeln: –– Personalien –– Beginn der ehrenamtlichen Tätigkeit –– Unentgeltlichkeit –– Ggf. Weisungsfreiheit der Tätigkeit –– Pflicht zur Ausübung der Arbeiten nach bestem Wissen und Können –– Ggf. Pflicht zur Beachtung der Dienst-/Hausordnung –– Verpflichtung zur Verschwiegenheit –– Anzeigepflicht bei Krankheit –– Voraussetzungen der Beendigung des Ehrenamtes (Befristung, einvernehmliche Aufhebung, Kündigung aus wichtigem Grund etc.) Bei der praktischen Durchführung der ehrenamtlichen Tätigkeit ist darauf zu achten, dass der Ehrenamtliche seine Tätigkeit tatsächlich weisungsfrei und eigenbestimmt ausübt. Dies schließt aber nicht aus, dass z.B. Vorgaben gemacht werden, wie der ehrenamtliche Mitarbeiter bestimmte Tätigkeiten ausüben soll, z.B. dass eine Vereinszeitschrift im monatlichen Turnus ausgetragen werden soll. Im Einzelfall kommt es damit auf den Grad der Weisungsgebundenheit an. Um keinen Anschein für ein „Schein-Ehrenamt“ zu setzen, sollte nach Möglichkeit vermieden werden, fest eingestellte und ehrenamtliche Mitarbeiter mit den selben Aufgaben zu betrauen.

Preiss/Speier

A. Arbeitsrecht 

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2. Bundesfreiwilligendienst Seit dem 1.7.2011 hat die Bundesregierung den sog. Bundesfreiwilligendienst 47 geschaffen.29 Er soll in Aufgabengebieten angeboten werden, in denen bislang vorwiegend Zivildienstleistende eingesetzt wurden. Das Verhältnis zwischen den Freiwilligen und der sog. Einsatzstelle stellt nach 48 dem Bundesministerium kein Arbeitsverhältnis dar. Gleichwohl wird der freiwillige Dienst nach § 13 Abs. 1 BFDG hinsichtlich der öffentlich-rechtlichen Schutzvorschriften weitgehend einem Arbeitsverhältnis gleichgestellt. Es gelten die einschlägigen Arbeitsschutzbestimmungen entsprechend, wie z.B. das Arbeitsschutzgesetz, die Arbeitsstättenverordnung, das Bundesurlaubsgesetz, das Jugendarbeitsschutzgesetz, das Mutterschutzgesetz und das Schwerbehindertengesetz. Trotz einiger Besonderheiten, wie die Gewährung eines Taschengeldes oder 49 eines Zeugnisanspruchs können die Freiwilligen nach dem BFDG als Ehrenamtliche „besonderer Art“ angesehen werden. Ihr Einsatz hat „arbeitsmarktneutral“ zu erfolgen. Dies bedeutet, dass durch die Beschäftigung eines Freiwilligen nach dem BFDG keine Einstellung von neuen Beschäftigten verhindert wird oder die Kündigung von Beschäftigten erfolgt.

3. Zeugnis Der Ehrenamtliche hat grundsätzlich keinen Anspruch gem. § 109 GewO auf Ertei- 50 lung eines Zeugnisses, da nur Arbeitnehmer einen solchen haben. Freiwillige nach dem BFDG haben gem. § 11 BFDG Anspruch auf eine Beschei­ 51 nigung über den geleisteten Dienst und auf ein Zeugnis über die Art und Dauer des freiwilligen Dienstes. Das Zeugnis ist auf die Leistungen und die Führung während der Dienstzeit zu erstrecken. Ferner sind darin berufsqualifizierende Merkmale des Bundesfreiwilligendienstes aufzunehmen. Zur Aufwertung der ehrenamtlichen Tätigkeit, aber auch zum Nachweis für die 52 Ausbildung und bei Einstellungsgesprächen kann es sinnvoll sein, dem ehrenamtlichen Mitarbeiter ein Zeugnis über die Leistungen und Qualifikationen zu erteilen.30 Insbesondere Schlüsselqualifikationen wie soziale Kompetenzen, Soft Skills, Leitungs-, Organisations- und Kommunikationskompetenzen können auf diesem Weg bewertet und anerkannt werden.

29 Gesetz über den Bundesfreiwilligendienst (Bundesfreiwilligendienstgesetz – BFDG) vom 28.4.2011 (BGBl. I S. 687). 30 Vgl. den Erlass des Niedersächsischen Kultusministeriums vom 23.2.1998 zur Zeugniserteilung für ehrenamtliche Mitarbeiter in der Jugendarbeit: Erl. d. MK v. 23.2.1998 – 306 – 83 203 (SVBl. 3/1998 S. 91) – VORIS 22410 01 00 35 084 – Bezug: a) Erl. „Zeugnisse in den allgemeinbildenden Schulen“ v. 22.3.1996 (SVBl. S. 87 – VORIS 22410 01 27 40 007), b) Erl. „Würdigung der Arbeit von Schülerlotsen“ v. 13.11.1996 (SVBl. S.457).

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230 

 Kapitel 9 Ehrenamt

4. Mitbestimmungsrechte

53 Die Beschäftigung eines Ehrenamtlichen stellt eine Einstellung i.S.d. §  99 Abs. 1

BetrVG dar, so dass der Betriebsrat der Einstellung zuvor zustimmen muss. Nach der Rechtsprechung des BAG ist es dabei unerheblich, ob der Tätigkeit ein Arbeitsvertrag zugrunde liegt oder ob der Einsatz unentgeltlich erfolgt. Maßgebliches Kriterium ist die Eingliederung in den Betrieb und die Weisungsgebundenheit.31

IV. Verpflichtung zu ehrenamtlicher Tätigkeit 1. Regelungen im Arbeitsvertrag 54 In der deutschen Praxis eher seltener anzutreffen ist die Vereinbarung einer Ver­ pflichtung im Arbeitsvertrag, eine ehrenamtliche Tätigkeit aufzunehmen. Für den Arbeitgeber kann dies in Frage kommen, wenn die ehrenamtliche Tätigkeit die Unternehmensinteressen in erheblichen Umfang fördern soll, z.B. gezielte Lobbyarbeit. Praxistipp –– Ist die Vereinbarung einer solchen Verpflichtung gewünscht, empfiehlt es sich, eine ausdrückliche Regelung im Arbeitsvertrag aufzunehmen, in der insbesondere genau festgelegt wird, welchen Umfang (Zeitaufwand) die ehrenamtliche Tätigkeit haben soll, da die ehrenamtliche Tätigkeit grundsätzlich ohne gesonderte Vergütung und außerhalb der Arbeitszeit erfolgt. –– Je detaillierter die Vorgaben für das ehrenamtliche Engagement gemacht werden, desto wahrscheinlicher wird es jedoch sein, dass die „ehrenamtliche“ Tätigkeit letztendlich als ein Teil der Arbeitsleistung anzusehen ist.

2. Regelungen im Gesetz

55 In einigen Gemeindeverfassungen ist die Pflicht zur vorübergehenden Übernahme

einer ehrenamtlichen Tätigkeit für die Gemeinde aufgenommen, z.B. in § 28 Abs. 1 GO NRW, § 18 GemO RP, § 21 HGO, Art. 121 Bay Verf. Verpflichtet ist in der Regel jeder Einwohner, Bewohner oder Bürger des Bundeslandes bzw. Gemeindegebietes. Die Vorschriften in den Gemeindeordnungen sind unterschiedlich ausführlich ausgestaltet. Einige enthalten auch Regelungen zum Aufwendungsersatz und Verdienstausfall, z.B. § 18 Abs. 4 HGO.32 Die ehrenamtliche Tätigkeit kann regelmäßig bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abgelehnt werden. Auch andere Gesetze, insbesondere solche über Bundes- oder Landtagswahlen, enthalten Verpflichtungen zur Übernahme eines Ehrenamtes, vgl. z.B. § 11 BWG. Zusammenfassend sollte bei der Beschäftigung eines Mitarbeiters mit einer 56 ehrenamtlichen Tätigkeit folgende Punkte bedacht werden:

31 Vgl. BAG, Beschl. v. 12.11.2002 – 1 ABR 60/01 – (Krankenwagenfahrer DRK). 32 Siehe hierzu Rn 20 ff.

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B. Steuerrecht 

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Checkliste –– Differenzierung nach Art des Ehrenamtes –– Häufig kein Freistellungs- und Vergütungsanspruch bei privatem Ehrenamt –– Geltendmachung von Entschädigungs-/Aufwandsansprüchen bei öffentlichem Ehrenamt –– Beschäftigung eines Ehrenamtlichen oder eines Scheinehrenamtlichen? –– Gefahr der Begründung eines ungewollten Arbeitsverhältnisses? –– Spezialregelung für Bundesfreiwilligendienst (Gleichstellung mit Arbeitsverhältnis in Bezug auf Schutzvorschriften)

B. Steuerrecht I. Bedeutung für die Praxis Die ehrenamtliche Tätigkeit wird regelmäßig nebenberuflich und unentgeltlich, 57 ggf. gegen Ersatz von Auslagen in Form von Aufwandsentschädigungen, z.B. bei der Feuerwehr oder als Ratsherr im Stadtrat, ausgeübt. Dennoch ist es von erheblicher Bedeutung, ob das Ehrenamt als (weitere) Tätigkeit im Hauptberuf anzusehen ist oder nicht. Wird die ehrenamtliche Tätigkeit darüber hinaus als nichtselbstständige Tätigkeit qualifiziert, hat derjenige, welcher den ehrenamtlich Tätigen beschäftigt, die allgemeinen lohnsteuerlichen Arbeitgeberpflichten zu erfüllen.

II. Steuerliche Behandlung von Aufwandsentschädigungen Grundsätzlich ist von der Steuerpflicht einer Entschädigungszahlung auszugehen, 58 es sei denn, es greift eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 12, 13 EStG. Hierunter können Reisekosten, Telefonkosten oder Verpflegungsmehraufwendungen fallen. Darüber hinaus könnten die Aufwandsentschädigungen nach § 3 Nr. 26, 26a und 26b EStG für eine nebenberuflich ausgeübte Tätigkeit steuerfrei sein. Die Ausübung bzw. Bezeichnung einer Tätigkeit als „Ehrenamt“ führt nicht schon allein durch ihre Bezeichnung zu einer Steuerfreiheit der hiermit im Zusammenhang stehenden Entschädigungen.33 Vielmehr ist darauf abzustellen, ob z.B. eine Einkunftserzielungsabsicht vor- 59 liegt oder ob die ehrenamtliche Tätigkeit als Hilfstätigkeit zu der hauptberuflich ausgeübten Tätigkeit anzusehen ist.34 Eine Einkunftserzielungsabsicht könnte bspw. vorliegen, wenn die Einnahmen aus der ehrenamtlichen Tätigkeit den Freibetrag nach § 22 Nr. 3 EStG von 256,– € p.a. überschreiten.35

33 Hartz/Meeßen/Wolf, Ehrenamt, Rn 1. 34 Hartz/Meeßen/Wolf, Ehrenamt, Rn 2. 35 Vgl. Rn 66.

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 Kapitel 9 Ehrenamt

III. Abgrenzung zu anderen Einkunftsarten 1. Allgemeines 60 Es ist regelmäßig darauf abzustellen, ob z.B. eine Überschusserzielungsabsicht besteht, in welchem Verhältnis das Ehrenamt zur hauptberuflich ausgeübten Tätigkeit steht, ob die Tätigkeit weisungsgebunden ausgeübt wird und die tätige Person in den Organismus des „Auftraggebers“ eingegliedert ist. Steht das Ehrenamt in engem Zusammenhang mit der hauptberuflich ausgeübten 61 Tätigkeit, so ist sie dieser als Hilfstätigkeit zuzurechnen. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn die ehrenamtliche Tätigkeit – bezogen auf das Kalenderjahr – mehr als ein Drittel der Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeiterwerbs in Anspruch nimmt.36 Bei Überschreiten der vorgenannten Zeitgrenze können die Entschädigungen daher zu Einkünften aus: –– Land- und Forstwirtschaft gem. § 13 EStG, –– Gewerbebetrieb gem. § 15 EStG, –– freiberuflicher Tätigkeit gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, –– selbstständiger Tätigkeit gem. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, –– nichtselbstständiger Tätigkeit gem. § 19 Abs. 1 EStG oder als –– sonstigen Einkünften gem. § 22 Nr. 3 EStG führen. Praxistipp Bei Überschusserzielungsabsicht liegt regelmäßig keine ehrenamtliche Tätigkeit vor.

2. Nebenberufliche ehrenamtliche Tätigkeit bei demselben Arbeitgeber

62 Ob eine Nebentätigkeit in einem Arbeitsverhältnis oder selbstständig ausgeübt wird,

ist nach den allgemeinen Abgrenzungsmerkmalen zu entscheiden. Dabei ist die Nebentätigkeit in der Regel für sich allein zu prüfen.37 Wird die Nebentätigkeit im Rahmen des Arbeitsverhältnisses bei demselben Arbeitgeber geleistet, bei dem die Haupttätigkeit ausgeübt wird, sind die Entschädigungszahlungen regelmäßig Arbeitslohn und der Haupttätigkeit zuzurechnen.38

Praxistipp Nebenberufliche ehrenamtliche Tätigkeiten beim demselben Arbeitgeber sind der Art und dem Umfang nach genau zu dokumentieren. Im Zweifel könnten so zumindest die Auslagen steuerfrei bleiben.

36 BMF, Schreiben v. 25.11.2008 – IV C 4 – S 2121/07/0010 – Ziff. 2. 37 H 19.2 – Allgemeines – LStH. 38 H 19.2 – Nebentätigkeit bei demselben Arbeitgeber – LStH.

Kaiser

B. Steuerrecht 

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3. Nebenberufliche ehrenamtliche Tätigkeit bei einem fremden Arbeitgeber Auch hier gilt der Grundsatz, dass die ehrenamtliche Tätigkeit nicht mehr als ein 63 Drittel der jährlichen Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeiterwerbs in Anspruch nehmen sollte, um als nebenberufliche Tätigkeit zu qualifizieren.39 Weiter ist Voraussetzung, dass der ehrenamtlich Tätige nicht persönlich weisungsgebunden oder in den Organismus der Stelle, für die die Tätigkeit ausgeübt wird, eingegliedert ist.40 In folgenden Fällen wurde bei ehrenamtlich Tätigen Arbeitnehmer-Eigenschaf­ 64 ten angenommen:41 –– Vorstandsmitglieder einer Genossenschaft, insbesondere wegen des Umfangs der wahrgenommenen oder wahrzunehmenden Aufgaben in der Geschäftsführung. Die Gesetzeslage spricht insoweit regelmäßig für eine nichtselbstständige Tätigkeit ehrenamtlicher Vorstandsmitglieder einer Genossenschaft. –– Geschäftsführender Vorstand einer Familienstiftung. Hingegen liegt regelmäßig keine Arbeitnehmer-Eigenschaft vor bei den folgenden 65 Fällen: –– Kommunale Mandatsträger, die Einkünfte aus sonstiger selbstständiger Tätigkeit gem. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG erzielen. –– Ehrenamtliche Richter, weil sie nicht in die Gerichtsorganisation eingegliedert sind, sondern nur von Fall zu Fall zu den Sitzungen herangezogen werden und regelmäßig keine Einkunftserzielungsabsicht vorliegt. –– Ehrenamtliche Mitglieder von Berufsverbänden und Berufskammern, z.B. der Präsident der Handwerkskammer. Die Aufwandsentschädigungen gehören hier zu den Einkünften aus der Haupttätigkeit des ehrenamtlich Tätigen, also z.B. zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Praxistipp Vor Beginn der Tätigkeit ist die ehrenamtliche Tätigkeit auf eine evtl. Arbeitnehmereigenschaft hin zu prüfen.

IV. Behandlung von Tätigkeitsvergütungen und Ersatz von Auslagen und Aufwendungen In den meisten Fällen bleibt ein erheblicher Teil der erhaltenen Aufwandsentschä- 66 digungen steuerfrei. Dies kann gelten z.B. für aus öffentlichen Kassen oder von Arbeitgebern außerhalb des öffentlichen Dienstes gezahlte Aufwandsentschädigun-

39 Vgl. Rn 61. 40 Ausführlich hierzu Rn 38 ff. 41 Besgen/Greilich/Mader/Perach/Voss, Ehrenamtsinhaber, Rn 915.

Kaiser

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 Kapitel 9 Ehrenamt

gen bzw. Reisekosten42 oder unter Berücksichtigung von Freibeträgen für bestimmte nebenberufliche Tätigkeiten.43 Praxistipp Eine Steuerpflicht der im Rahmen des Ehrenamtes erhaltenen Auslagen oder Vergütungen ist immer dann zu prüfen, soweit die entsprechenden Freibeträge überschritten wurden. 67 Werden hingegen Einnahmen aus speziellen Entschädigungen erzielt, wie z.B. für

Zeitversäumnis oder Verdienstausfall, unterliegen diese Einnahmen grundsätzlich der Steuerpflicht. Sie werden der betreffenden Einkunftsart zugerechnet, in deren Zusammenhang sie erzielt bzw. erstattet wurden. Das Gleiche gilt für über die steuerfrei erstattbaren Auslagen hinausgehende Entschädigungen. Das wäre z.B. bei Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr der Fall, in denen der Arbeitgeber im Falle eines Einsatzes den Verdienst fortzahlt. Nehmen Arbeitnehmer während ihrer Arbeitszeit an einem Einsatz oder an 68 Ausbildungsveranstaltungen teil, z.B. beim THW, bei der Freiwilligen Feuerwehr oder dem DRK, besteht grundsätzlich Anspruch auf Entgeltfortzahlung.44 Für die bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht hat der Arbeitgeber regelmäßig Anspruch auf Erstattung der fortgezahlten Vergütung. Den Anspruch kann er auf Antrag beim zuständigen Träger der Vereinigung, z.B. beim jeweiligen Bundesland, geltend machen. Praxistipp Der Arbeitgeber hat einen grundsätzlichen Anspruch auf Erstattung der fortgezahlten Vergütung.

V. Freibeträge 69 Im Einkommensteuergesetz werden bestimmte Aufwandsentschädigungen aus öffentlichen Kassen im Rahmen des § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei gestellt. Dies gilt insbesondere für ansonsten steuerlich ansetzbare Werbungskosten wie Reisekosten oder Auslagenersatz. Auch werden unter bestimmten Voraussetzungen Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten im Rahmen der §§ 3 Nr. 26, 26a EStG von der Steuer frei gestellt. Hierunter können Einnahmen als Übungsleiter, Ausbilder oder aus der nebenberuflichen Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen bis zu einem Betrag von 2.100 € p.a. fallen. Beim Lohnsteuerabzug ist eine zeitanteilige Aufteilung des Freibetrages nicht 70 erforderlich. Dies gilt auch dann, wenn feststeht, dass das Dienstverhältnis nicht bis

42 § 3 Nr. 13, 16 EStG. 43 § 3 Nr. 12, 26, 26a, 26b EStG. 44 Vgl. auch Rn 19 ff.

Kaiser

C. Sozialversicherungsrecht 

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zum Ende des Kalenderjahres besteht. Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber jedoch schriftlich zu bestätigen, dass die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 26a EStG nicht bereits in einem anderen Dienst- oder Auftragsverhältnis berücksichtigt worden sind. Diese Erklärung ist zum Lohnkonto zu nehmen.45 Checkliste für die Praxis –– Überprüfung, ob Aufwandsentschädigung innerhalb der steuerfrei erstattbaren Entschädigungen geleistet wird. –– Überprüfung, ob Ehrenamt als Hilfstätigkeit zum Hauptberuf ausgeübt wird. –– Überprüfung, ob der ehrenamtlich Tätige als Arbeitnehmer zu qualifizieren ist. –– Bei Vorliegen einer Arbeitgebereigenschaft sind zwingend die lohnsteuerlichen Pflichten zu erfüllen. –– Vergütungen für ehrenamtliche Tätigkeit bei demselben Arbeitgeber sind Arbeitslohn, soweit die Tätigkeit als Hilfstätigkeit zu qualifizieren ist. –– Bei Lohnfortzahlung aufgrund Einsatz und Ausbildung der Arbeitnehmer bei THW, Freiwillige Feuerwehr, DRK etc. ist als Arbeitgeber ein Erstattungsanspruch zu prüfen.

C. Sozialversicherungsrecht Eine ehrenamtliche Tätigkeit wird grundsätzlich unentgeltlich und weisungsfrei aus- 71 geübt. Eine Sozialversicherungspflicht als Arbeitnehmer kann daher nicht vorliegen, da es an einer Beschäftigung gegen Entgelt fehlt. Aus diesem Grund sind auch keine sozialversicherungsrechtlichen Arbeitgeberpflichten zu erfüllen. Die Abgrenzung zwischen Ehrenamt und Beschäftigungsverhältnis ist in der 72 Praxis häufig schwierig. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Tätigkeiten ausgeübt werden, die auch an einen Arbeitnehmer delegiert werden können. Insbesondere dann, wenn eine pauschale Aufwandsentschädigung gezahlt wird, die den tatsächlichen Aufwand des ehrenamtlich Tätigen übersteigt, kann ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gegen Entgelt entstehen.46 Ist dies der Fall, sind die üblichen Verpflichtungen, die sich aus einem Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis ergeben, zu erfüllen.

45 BMF, Schreiben v. 25.11.2008 – IV C 4 – S 2121/07/0010 – Ziff. 11. 46 BSG, Urt. v. 22.2.1996 – 12 RK 6-95 –.

Libudda

Kapitel 10 Ein-Euro-Jobber A. Arbeitsrecht I. Einleitung Umgangssprachlich Ein-Euro-Job genannt, bietet die Arbeitsgelegenheit mit Mehr­ 1 aufwandsentschädigung für erwerbsfähige Hilfebedürftige die Möglichkeit, durch eine Tätigkeit einen Zuschuss zum Arbeitslosengeld II zu erhalten. Die Maßnahme auf Rechtsgrundlage des §  16d S. 2 SGB II hat zum Ziel, sog. Langzeitarbeitslose wieder an den ‚ersten Arbeitsmarkt‘ heranzuführen. Der gesetzlich nicht festgelegte Zuschuss beträgt in der Regel 1 € bis 2 € pro geleistete Arbeitsstunde. Seit Einführung des Ein-Euro-Jobs hat sich diese Maßnahme in der Praxis zum 2 bedeutendsten Instrument der aktiven Arbeitsmarkpolitik entwickelt. Keine andere Maßnahme kommt häufiger zum Einsatz. Im Jahr 2008 waren insgesamt 764.000 Personen in einem Ein-Euro-Job eingesetzt.1 Die Zahl der Ein-Euro-Jobs hat sich im Jahr 2010 auf durchschnittlich 300.000 Ein-Euro-Förderungen reduziert, für die insgesamt 1 Milliarde € aufgewandt wurde.2 Gesetzliche Ziele –– Wieder-Heranführung/Integration von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in den allgemeinen (ersten) Arbeitsmarkt –– Förderung sozialer Integration –– Aufrechterhaltung/Wiederherstellung der Beschäftigungsfähigkeit –– Steigerung der Qualität der Dienstleistungen im sozialen Bereich –– Abbau von Arbeitslosigkeit, Ermöglichung von zumindest vorübergehender Beschäftigung

Voraussetzung für einen Ein-Euro-Job ist, dass die auszuführenden Tätigkeiten 3 zusätzlich anfallen, im öffentlichen Interesse liegen und wettbewerbsneutral sind. Insoweit kommen vor allem kommunale und gemeinnützige Unternehmen als Maßnahmeträger für Ein-Euro-Jobs in der Praxis in Betracht. Nutzen für Unternehmen –– Einsatzkräfte, teilweise gut qualifiziert, für den gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Tätigkeiten –– Keine Kosten für das einsetzende Unternehmen –– Günstige Gelegenheit zum Kennenlernen von gut qualifizierten Langzeitarbeitslosen, die ggf. auch für eine spätere Festanstellung im ersten Arbeitsmarkt in Betracht kommen

1 DGB-Studie „Praxis und neue Entwicklungen bei 1-Euro-Jobs“, 6/2009, S. 2. 2 Pressemitteilung des BMAS v. 25.5.2011 zum Thema Eingliederungschancen erhöhen, Ziff. 1.

Kuniß

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 Kapitel 10 Ein-Euro-Jobber

4 Es besteht von Seiten des Arbeitslosen kein Rechtsanspruch auf die Schaffung

einer Arbeitsgelegenheit. Sie ist von den im Haushalt zur Verfügung stehenden Mitteln abhängig. Nutzen für Arbeitslose –– Reguläre Tätigkeit für Arbeitslose –– Gelegenheit, wieder aktiv am Arbeitsleben teilzunehmen –– Kennenlernen aktueller Arbeitsmethoden –– Erlernen neuer Fähigkeiten am Arbeitsplatz –– Zusatzverdienst zum Arbeitslosengeld II –– Aufbau sozialer Kontakte im beruflichen Umfeld –– Chance, auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Anstellung zu finden

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II. Ein-Euro-Job Rechtsverhältnis 1. Begründung des Rechtsverhältnisses a) Rechtsbegründungsakt Die Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit erfolgt im Rahmen der Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II oder aufgrund eines Verwaltungsaktes. Die Eingliederungsvereinbarung zwischen dem Träger der Grundsicherung („Jobcenter“) und dem Arbeitslosen ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag mit Zwangscharakter, §  31 Abs. 1 Nr. 1a SGB II. Der Arbeitslosengeld-II-Empfänger ist folglich hinsichtlich des Abschlusses der Vereinbarung nicht frei in seiner Entscheidung, sondern verpflichtet, die angebotene Arbeitsgelegenheit anzunehmen, wenn nicht ein wichtiger Grund entgegensteht. Wird eine Eingliederungsvereinbarung nicht geschlossen, hat der Träger der Grundsicherung die Möglichkeit, hoheitlich im Wege eines Verwaltungsakts dem Hilfebedürftigen die Zuweisung aufzuerlegen, § 15 Abs. 1 S. 6 SGB II. Das Arbeitslosengeld II und die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung werden für die Dauer der Arbeitsgelegenheit ohne Kürzung weiter durch die AA den Hilfeempfängern ausgezahlt. Praxistipp Das Rechtsverhältnis, das dem Ein-Euro-Job zugrunde liegt, ist öffentlich-rechtlich geprägt. Es wird kein Arbeitsverhältnis begründet. Dies gilt auch dann, wenn die sozialrechtlichen Voraussetzungen für die Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung nach §  16d S. 2 SGB II nicht gegeben sind, auch wenn ein Fall einer bewussten Missachtung des Gesetzes vorliegt.3

3 BAG, Urt. v. 20.2.2008 – 5 AZR 290/07 –.

Kuniß

A. Arbeitsrecht 

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b) Beteiligte Primär beteiligt sind der Empfänger des Arbeitslosengeld II und der Träger der 9 Grundsicherung hinsichtlich der Vereinbarung der Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung. Der Träger der Grundsicherung für die Leistungen zur Eingliederung nach § 16d SGB III ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB II die BA. Der Grundsicherungsträger führt Arbeitsmaßnahmen in der Regel jedoch nicht 10 selbst durch, sondern er beauftragt damit Dritte, wie kommunale Beschäftigungsgesellschaften, gemeinnützige Organisationen oder private Bildungsträger. Der Dritte stellt als Träger der Maßnahme dem Hilfebedürftigen sodann die Arbeitsgelegenheit zur Verfügung, ohne dass zwischen dem Dritten als Anbieter der Arbeitsgelegenheit (Maßnahmeträger) und dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ein privatrechtliches Rechtsverhältnis, insbesondere ein Arbeitsverhältnis, entsteht.

2. Inhalt des Rechtsverhältnisses a) Tätigkeit Die förderfähige Tätigkeit soll vor dem Hintergrund des Eingliederungszieles eine 11 qualifizierende, sinnvolle und ernst gemeinte Tätigkeit sein und keine Maßnahme einer Beschäftigungstherapie.4 Die gesetzliche Regelung des § 16d SGB II knüpft die Förderfähigkeit an zwei Voraussetzungen: Die Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung müssen im öffent­ 12 lichen Interesse liegen, aber nicht notwendigerweise gemeinnützig sein. Im öffentlichen Interesse liegen Arbeiten, wenn das Arbeitsergebnis der Allgemeinheit zu Nutze kommt. Wenn die Tätigkeit überwiegend erwerbswirtschaftlichen Interes­ sen oder den Interessen eines begrenzten Personenkreises dient, liegt sie nicht im öffentlichen Interesse.5 Sofern die Tätigkeit auch im Interesse des Hilfebedürftigen liegt, etwa eine passende Weiterbildung darstellt, ist dies für die gesetzliche Förderfähigkeit der Tätigkeit unbeachtlich. Praxistipp Der Begriff des öffentlichen Interesses ist nicht identisch mit dem Begriff der Gemeinnützigkeit. Jedoch liegen häufig solche Tätigkeiten auch im öffentlichen Interesse, die z.B. in den Bereichen der Altenpflege, Sport, Bildung und Erziehung oder Förderung von Landschafts- und Denkmalschutz als gemeinnützig angesehen werden können.6

Zudem muss die Tätigkeit zusätzlich sein, d.h. für die Person geschaffen werden und 13 eine Tätigkeit darstellen, die ohne Förderung nicht, nicht in diesem Umfang oder

4 Von Koppenfels-Spies, NZS 2010, 2, 3. 5 BeckOK-SGB/Harich, SGB II, § 16d Rn 9. 6 Von Koppenfels-Spies, NZS 2010, 2, 3; Gagel/Kohte, SGB II, § 16d Rn 20.

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 Kapitel 10 Ein-Euro-Jobber

nicht zu diesem Zeitpunkt verrichtet wird und nicht durch Beschäftigte des ersten Arbeitsmarkts besetzbar ist. Arbeiten, die aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung durchzuführen sind oder üblicherweise von juristischen Personen des öffentlichen Rechts durchgeführt werden, sind nur dann förderungsfähig, wenn sie ohne Förderung voraussichtlich erst in zwei Jahren erfolgen. Hierfür ist daher eine PrognoseEntscheidung erforderlich und die Darlegungslast dafür liegt beim Maßnahmeträger.7 Durch das Merkmal „zusätzlich“ sollen Verdrängungseffekte hinsichtlich des 14 ersten Arbeitsmarktes vermieden und der örtlichen Wirtschaft keine Konkurrenz gemacht werden. Praxistipp Der Begriff der „Zusätzlichkeit“ und das Merkmal „im öffentlichen Interesse“ bedürfen sorgfältiger Prüfung. In der Praxis scheitern Ein-Euro-Jobs häufig an einem der beiden Tatbestandsmerkmale. Nach dem Bericht des Bundesrechnungshofes aus dem Jahr 2008 war bei zwei Drittel der geprüften Fälle mindestens eine Fördervoraussetzung nicht erfüllt. 15 Mithin sind Arbeiten als Urlaubs- oder Krankheitsvertretung nicht „zusätzlich“.

Ferner fehlt es auch an der Zusätzlichkeit für Aufgaben, die aus anderen Gründen geschuldet werden oder die aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung (z.B. Verkehrssicherungspflicht) durchzuführen sind.8

Beispiele Keine zusätzlichen Arbeiten9 sind: –– reguläre Aufgaben des Maßnahmeträgers, z.B. Reinigungsarbeiten in öffentlichen Verkehrsmitteln und Gebäuden, –– leichte Bürotätigkeiten in Verwaltungen, –– Tätigkeit als Hausmeister, –– Urlaubs- und Krankheitsvertretung bezüglich regulärer Tätigkeiten, –– Kraftfahrer im regulären Essenstransport, –– Schneeräumung im Winter, Reinigung und Instandhaltung von öffentlichen Wegen (Verkehrssicherungspflicht), –– jahrestypische Arbeiten im Garten- und Landschaftsbau, –– Maßnahmen in der Altenpflege, die aus Gründen des Personen- und Gesundheitsschutzes geboten sind, –– Arbeiten, die sich auf die existentielle Versorgung der Patienten beziehen und die insoweit gegenüber dem Patienten rechtlich geschuldet werden, wie z.B. Verpflegung, Hygienemaßnahmen, Unterstützungsleistungen.

7 BSG, Urt. v. 16.12.2008 – B 4 AS 60/07 R –; BeckOK-SGB/Harich, SGB II, § 16d Rn 11 f. 8 Gagel/Kohte, SGB II, § 16d Rn 17 f. 9 Gagel/Kohte, SGB II, § 16d Rn 17 f.; Prüfbericht des Bundesrechnungshofes vom 29.4.2008 über die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, S. 18 f.; von Koppenfels-Spies, NZS 2010, 2, 4.

Kuniß

A. Arbeitsrecht 

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Beispiel Möglich sind dagegen Tätigkeiten als Ein-Euro-Job, die zusätzlich zu den regulären Arbeiten organisiert werden, etwa:10 –– einfache Helferarbeiten im Kindergarten, Seniorenheim oder der Krankenpflege, –– Vorlesestunden im Altenheim, –– Einkaufshelfer für Ältere, –– Nachbarschaftshilfe.

Weitere Rechtmäßigkeitsvoraussetzung des Ein-Euro-Jobs ist nach § 31 Abs. 1 Nr. 2, 16 3 SGB II die Zumutbarkeit der Tätigkeit nach § 10 SGB II. Die Zuweisung einer Stelle mit Mehraufwandsentschädigung hat immer nach­ 17 rangig zur Vermittlung in den regulären Arbeitsmarkt zu erfolgen, §  3 Abs. 1 S. 3 SGB II. Zudem muss die Zuweisung hinreichend bestimmt sein bezüglich Art, Umfang 18 und Ort der Tätigkeit, Dauer der Arbeitsgelegenheit und Verteilung der Arbeitszeiten sowie der Höhe der Mehraufwandsentschädigung. Praxistipp Vor diesem Hintergrund ist insbesondere darauf zu achten, die entsprechende Aufgaben- und Tätigkeitsbeschreibung hinreichend bestimmt im Zuweisungsschreiben zu gestalten. Insoweit muss die förderfähige Maßnahme klar von den regulären Aufgaben des Maßnahmeträgers abzugrenzen sein. Anderenfalls ist die Durchführung der Maßnahme rechtswidrig.

b) Umfang und Dauer Wer einen Ein-Euro-Jobber einsetzt, muss darauf achten, dass das Gesetz keine Rege- 19 lungen zum Umfang oder zur Dauer des Ein-Euro-Jobs beinhaltet. Insoweit bestehen hier unterschiedliche Rechtsauffassungen. Im Hinblick auf den zeitlichen Umfang der Eingliederungsmaßnahme werden 20 in der Literatur die Argumente angeführt, dass der Ein-Euro-Job nicht zur Verdrängung von regulären Arbeitsverhältnissen auf dem „ersten“ Arbeitsmarkt führen darf. Ferner müsse der Ein-Euro-Job entsprechenden Abstand zu einem regulären Arbeitsverhältnis wahren. Insoweit dürfen die im Rahmen eines Ein-Euro-Jobs ausgeübten Tätigkeiten keine Vollzeitarbeit sein, so dass teilweise nur eine wöchentliche Höchststundenzahl von 15 Stunden, zum Teil auch von 20 Stunden als zulässig anerkannt wird. Dagegen seien 30 Wochenstunden deutlich überhöht und würden annähernd eine vollschichtige Tätigkeit darstellen, die unzulässig sei.11

10 Gagel/Kohte, SGB II, § 16d Rn 17 f. 11 Diese Ansicht wird gestützt vom BVerwG zur Vorläuferregelung der heutigen Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung (§ 19 BSHG), wonach das BVerwG eine Vollzeitbeschäftigung für

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 Kapitel 10 Ein-Euro-Jobber

Dagegen hat sich das BSG in seinem Urteil vom 16.12.200812 gegen eine Übertragung der Rechtsprechung des BVerwG aus dem Jahr 1983 auf den Ein-Euro-Job und das SGB II entschieden und sich gegen die Einführung einer Höchstarbeitsdauer gestellt. Insoweit widerspricht eine Tätigkeit von bis zu 30 Wochenstunden nach Auffassung des BSG nicht grundsätzlich den Prinzipien eines Ein-Euro-Jobs. Gleichwohl verlangt das BSG eine Einzelfallprüfung. Das unbeschriebene Merkmal der Erfor­ derlichkeit steuere die Dauer und den zeitlichen Umfang der Eingliederungsmaßnahme. Insoweit sei darauf abzustellen, ob der angestrebte Eingliederungserfolg eher durch eine Teilzeit- oder Vollzeittätigkeit erreicht werden kann. Daraus ergebe sich der zeitliche Umfang der Arbeitsangelegenheit für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Eine Verdrängungsgefahr für Arbeitsplätze auf dem „ersten“ Arbeitsmarkt macht das BSG nicht am zeitlichen Umfang der Tätigkeit fest, sondern allein an der Art der Tätigkeit. Obwohl das Gesetz keine zeitliche Obergrenze der Einsatzdauer festlegt, ist 22 die Frage der zulässigen Dauer des Ein-Euro-Jobs weniger problematisch. Da Ziel der Eingliederungsmaßnahmen grundsätzlich die Eingliederung in den „ersten“ Arbeitsmarkt ist, sind Ein-Euro-Jobs nur von vorübergehender Dauer. Aufgrund der Förderung der Eingliederung in den Arbeitsmarkt sind in der Praxis Fristen unter drei Monaten selten geeignet. Überwiegend wird ein Höchstzeitraum von sechs Monaten bei demselben Maßnahmeträger vertreten, was dem Zeitraum gem. § 15 Abs. 1 S. 3 SGB II für die Eingliederungsvereinbarung entspricht.13 21

Praxistipp In der Praxis sind Ein-Euro-Jobs häufig für einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten vorgesehen. Abhängig von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles kann eine Maßnahmedauer auch bis zu zwölf Monaten zulässig sein.14

c) Arbeitnehmerstatus

23 Der eindeutige gesetzliche Wortlaut des §  16d S. 2 Hs. 2 SGB II definiert, dass die

Aufnahme einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung kein Arbeits­ verhältnis i.S.d. Arbeitsrechts begründet. Somit finden auch die Vorzüge eines Arbeitsverhältnisses keine Anwendung. Dem erwerbsfähigen Hilfesuchenden steht demgemäß keine Entlohnung nach Tarifvertrag, kein Anspruch auf Mehrauf-

gemeinnützige, zusätzliche Arbeiten für unzulässig erachtet hat, BVerwG, Urt. v. 13.10.1983 – 5 C 67/82 –; BeckOK-SGB/Harich, SGB II, § 16d Rn 16 m.w.N.; von Koppenfels-Spies, NZS 2010, S. 2, 4. 12 BSG, Urt. v. 16.12.2008 – B 4 AS 60/07 –. 13 BeckOK-SGB/Harich, SGB II, § 16d Rn 17 m.w.N.; von Koppenfels-Spies, NZS 2010, 2, 4. 14 BeckOK-SGB/Harich, SGB II, § 16d Rn 17 m.w.N.; von Koppenfels-Spies, NZS 2010, 2, 4.

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A. Arbeitsrecht 

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wandsentschädigung bei Krankheit und Urlaub,15 kein Streikrecht und kein Kündi­ gungsschutz zu. Die Mehraufwandsentschädigung wird insbesondere für Krankheits- und 24 Urlaubszeiten nicht fortgezahlt, da die Mehraufwandsentschädigung Entschädigungscharakter hat und nur zu zahlen ist, wenn tatsächlich gearbeitet wird. Die Regelung zum Urlaubsentgelt schließt § 16d S. 2 Hs. 2 SGB II ausdrücklich für Ein-Euro-Jobs aus. Praxistipp Auch wenn die Mehrarbeitsentschädigung bei Ein-Euro-Jobs in der Praxis direkt vom Maßnahmeträger an den Hilfebedürftigen ausgezahlt wird, ist und bleibt Zahlungsverpflichteter der Entschädigung der Grundsicherungsträger, also die AA. Aus der faktischen Zahlung und der tatsächlichen Tätigkeit beim Maßnahmeträger wird kein Arbeitsverhältnis, auch kein faktisches Arbeitsverhältnis, zwischen dem privaten Maßnahmeträger und dem Hilfebedürftigen begründet. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn das Gesetz bewusst missachtet wird.16

d) Betriebsverfassungsrecht Auch wenn die Beschäftigten einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschä- 25 digung keine Arbeitnehmer sind, so hat der in einem Unternehmen vorhandene Betriebsrat bezüglich der Aufnahme der Beschäftigung ein Mitbestimmungs­ recht gem. § 99 Abs. 1 BetrVG.17 Das dem Betriebsrat eingeräumte Mitbestimmungsrecht bei personellen Einzelmaßnahmen dient der Wahrung der Interessen der bestehenden Belegschaft. Entscheidend für die Eingliederung des Ein-Euro-Jobbers in den Betrieb des 26 Maßnahmeträgers ist das Bestehen von Weisungsrechten ihm gegenüber und die Verwirklichung eines arbeitstechnischen Zwecks des Betriebes. Dies hat das BAG für Ein-Euro-Jobber ausdrücklich mit der Begründung entschieden, dass für eine Einstellung i.S.d. § 99 BetrVG nicht zwingend ein Arbeitsverhältnis begründet werden müsse.18 Das Gleiche gilt auch für die Beteiligungsrechte bei Personalräten in Bezug auf den Einsatz in Dienststellen der öffentlichen Verwaltung.19

15 Vgl. Rn 29. Das BUrlG wird nach § 16d S. 2 SGB II zwar entsprechend für den Ein-Euro-Job angewandt, jedoch mit Ausnahme der Regelung über das Urlaubsentgelt. 16 BAG, Urt. v. 20.2.2008 – 5 AZR 290/07 –. 17 BAG, Beschl. v. 2.10.2007 – 1 ABR 60/06 –. 18 BAG, Beschl. v. 2.10.2007 – 1 ABR 60/06 –. 19 BVerwG, Urt. v. 21.3.2007 – 6 P 4/06 –.

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 Kapitel 10 Ein-Euro-Jobber

e) Arbeitnehmerschutzvorschriften, Urlaubsregelung

27 Wenngleich das Gesetz das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses i.S.d.

Arbeitsrechts verneint, erklärt §  16d S. 2 Hs. 2 SGB II ausdrücklich die Vorschrif­ ten über den Arbeitsschutz sowie das Bundesurlaubsgesetz mit Ausnahme der Regelungen über das Urlaubsentgelt für entsprechend anwendbar.20 Der Arbeitslose ist während der Tätigkeit für den Maßnahmeträger über diesen 28 gesetzlich unfallversichert. Darüber hinaus sind etwa das Mutterschutzgesetz, das Arbeitsschutzgesetz, das Arbeitszeitgesetz sowie das Jugendarbeitsschutzgesetz anwendbar. Zudem hat der erwerbsfähige Hilfebedürftige Anspruch auf Urlaub nach den 29 Vorschriften des BUrlG, jedoch ohne Fortzahlung der Mehraufwandsentschädi­ gung.

f) Haftung 30 Nach Maßgabe des § 16d S. 2 Hs. 3 SGB II haftet ein Hilfebedürftiger bei der Ausübung des Ein-Euro-Jobs dem Maßnahmeträger wie Arbeitnehmer/innen bei betrieblichen Tätigkeiten; d.h. zugunsten des Hilfebedürftigen wird die Haftungsprivilegierung im Arbeitsverhältnis herangezogen. Die im Arbeitsrecht entwickelte Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung im 31 Wege des innerbetrieblichen Schadensausgleichs ist auf diese Einsatzform entsprechend anzuwenden. Insoweit hat das BAG ein dreistufiges Haftungsmodell entwickelt. Danach hat der innerbetriebliche Schadensausgleich wie folgt zu erfolgen: Leichteste Fahrlässigkeit Mittlere Fahrlässigkeit Grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz

Keine Haftung des Hilfebedürftigen Anteilige Haftung des Hilfebedürftigen Volle Haftung des Hilfebedürftigen

Je nach Grad der Fahrlässigkeit kann so der erwerbsfähige Hilfebedürftige hinsichtlich eines Sach- oder Vermögensschadens sowie Drittschadens, der durch eine betrieblich veranlasste Tätigkeit und durch sein Verschulden entstanden ist, gar nicht oder nur teilweise in Regress genommen werden. In Abweichung zur Beweislastregelung in §  280 Abs. 1 S. 2 BGB muss nach 33 § 619a BGB der Maßnahmeträger darlegen und beweisen, dass der bei ihm im Wege der Zuweisung tätige Hilfebedürftige den Schaden verschuldet hat. Das Verschulden der Pflichtverletzung ist anspruchsbegründendes und damit vom Maßnahmeträger zu beweisendes Merkmal des Schadensersatzanspruches.

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20 Vgl. Rn 29.

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A. Arbeitsrecht 

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g) Sanktionsmaßnahmen Der Hilfebedürftige erhält in der Regel ein hinsichtlich der Art, der Zeit, des Umfangs 34 und Ortes der Tätigkeit hinreichend bestimmtes Angebot auf eine Arbeitsgelegenheit mit einer schriftlichen Rechtsfolgebelehrung zu Pflichtverletzung in den Fällen von § 31 Abs. 1 SGB II.21 Tritt er die Maßnahme ohne Angabe eines wichtigen Grundes nicht an oder bricht sie ab, so mindert sich das Arbeitslosengeld II des erwerbsfähigen Hilfesuchenden beim erstmaligen Verstoß nach § 31a Abs. 1 S. 1 SGB II um 30 %. Beim ersten wiederholten Verstoß tritt dann eine Minderung von 60 % der Arbeitslosengeld-II-Bezüge ein, § 31a Abs. 1 S. 2 SGB II.

3. Beendigung des Rechtsverhältnisses Das Rechtsverhältnis endet mit dem Erreichen des Zeitpunktes, in dem die von 35 Anfang an festgelegte Befristung ausläuft. Eine Verlängerung der Maßnahme oder eine wiederholte Teilnahme ist nicht ausgeschlossen. Sie muss jedoch wiederum den Voraussetzungen des §  16d SGB II entsprechen, so muss die erneute Tätigkeit gleichfalls zusätzlich sein und im öffentlichen Interesse liegen.

III. Prozessuales Im Verhältnis zwischen dem Hilfebedürftigen und dem Maßnahmeträger können 36 Streitigkeiten um Einzelfragen der Beschäftigung auftreten. Da es sich bei der Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung um ein Sozialrechtsverhältnis handelt, steht der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nach § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG offen.22 Praxistipp Sofern der Hilfebedürftige gegenüber dem Maßnahmeträger ein unbefristetes Arbeitsverhältnis geltend macht, reicht bereits die bloße Behauptung eines Arbeitsverhältnisses aus, dass die Rechtswegzuständigkeit des Arbeitsgerichts eröffnet wird. Folglich wird die Klage auf Feststellung eines unbefristeten Arbeitsvertrages oder eine Zahlungsklage auf Zahlung der tariflichen oder betriebsüblichen Vergütung vor den Arbeitsgerichten nach § 2 Nr. 3 ArbGG geführt. Die Klage ist nur dann erfolgreich, wenn der Kläger das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses dargelegt und bewiesen hat (sicnon-Fall). Aufgrund dieser prozessualen Besonderheit sind die Arbeitsgerichte auch dann zuständig, wenn gar kein Arbeitsverhältnis vorliegt, sondern dieses lediglich vom Hilfebedürftigen behauptet wird. Insoweit bedarf es keiner gesonderten Verweisung an das Sozialgericht.23 Das Arbeitsgericht stellt dann im Rahmen seiner Entscheidung fest, ob zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht oder nicht.

21 In den Fällen von § 31 Abs. 2 Nr. 2 SGB II genügt auch eine mündliche Rechtsfolgenbelehrung. 22 BAG, Beschl. v. 8.11.2006 – 5 AZR 36/06 –. 23 Gagel, SGB II, § 16d Rn 59; BAG, Urt. v. 8.11.2006 – 5 AZR 36/06 –.

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 Kapitel 10 Ein-Euro-Jobber

37 Hinsichtlich der Rechtsstreitigkeiten zwischen Hilfebedürftigen und dem Träger

der Grundsicherung entscheidet die Art der Zuweisung über die Ausgestaltung des Rechtsschutzes. Erfolgte der Einsatz über die Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung im Wege des formalen Bescheids, der einen Ver­ waltungsakt darstellt, kann der Arbeitslose gegen diesen Verwaltungsakt nach den Voraussetzungen des §§ 78 ff. SGG Widerspruch bei der Behörde einlegen und nach Zurückweisung des Widerspruchs Klage beim Sozialgericht erheben. Diese hat dann Aussicht auf Erfolg, wenn der Bescheid rechtswidrig ist, insbesondere wenn es sich um unzumutbare Arbeit handelt, sie nicht im öffentlichen Interesse ist, keine zusätzliche Aufgabe darstellt oder andere gesetzliche Vorschriften verletzt sind. Erfolgte die Zuweisung im Rahmen der Eingliederungsvereinbarung nach 38 § 15 SGB II, ist der Rechtsschutz vor den Sozialgerichten gegen eine rechtswidrige Maßnahme auf die in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarten Folgen eines Pflichtenverstoßes begrenzt. Die Zuweisung selbst ist dann kein Verwaltungsakt, sondern ein öffentlich-rechtlicher Vertrag mit Zwangscharakter, § 31 Abs. 1 Nr. 1a SGB II. Der Abbruch oder die Verweigerung einer Tätigkeit kann nicht sanktioniert werden, wenn die Arbeitsmaßnahme für den Betreffenden nach dem Gesetz unzumutbar ist, § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1d i.V.m. § 10 SGB II. Zwischen Maßnahmeträger und der zuständigen AA als Träger der Grundsi­ 39 cherung wird das Rechtsverhältnis in der Regel mittels Verwaltungsakts geregelt, z.B. wenn der Maßnahmeträger die Anerkennung einer Maßnahme oder die Festsetzung einer Maßnahmenkostenpauschale beantragt. Hier kann der Maßnahmeträger die Rechtsbehelfe des Sozialrechts (Widerspruch, Klage) nutzen. Checkliste –– Eingliederungsvereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag oder Verwaltungsakt nach § 15 SGB II. –– Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für den Ein-Euro-Job sind: –– Öffentliches Interesse, –– Zusätzliche Tätigkeit, –– Wettbewerbsneutralität und –– Zumutbarkeit der Tätigkeit nach § 10 SGB II. –– Hinreichende Bestimmung der Zuweisung hinsichtlich –– Art der Tätigkeit, –– Umfang der Tätigkeit, –– Ort der Tätigkeit, –– Dauer der Tätigkeit, –– Verteilung der Tätigkeitszeiten und –– Höhe der Mehraufwandsentschädigung.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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B. Steuerrecht I. Kein steuerrechtliches Arbeitsverhältnis Ein-Euro-Jobs begründen (auch) lohnsteuerlich kein Arbeitsverhältnis, sofern – 40 wie im Regelfall – keine zusätzliche Vereinbarung mit der anstellenden Kommune vorliegt.

II. Mehraufwandentschädigung (§ 16d SGB II) Die Mehraufwandsentschädigung ist wie das ALG II gem. § 3 Nr. 2b EStG steuerfrei 41 und unterliegt nicht dem Progressionsvorbehalt. Aufwendungen im Zusammenhang mit Ein-Euro-Jobs sind im Gegenzug nicht 42 als Werbungskosten abzugsfähig.

C. Sozialversicherungsrecht Bei den sog. Ein-Euro-Jobs nach § 16 Abs. 3 SGB II handelt es sich um Arbeitsgele- 43 genheiten, die für erwerbsfähige Hilfebedürftige geschaffen werden. Arbeitsrechtlich handelt es sich – wie oberhalb näher erläutert – nach der ausdrücklichen Bestimmung in § 16 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 SGB II nicht um ein Arbeitsverhältnis i.S.d. Arbeitsrechts.

I. Beschäftigungsverhältnis Sozialversicherungspflicht entsteht im Regelfall dann, wenn eine Person eine 44 Beschäftigung i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV ausübt. Ein Beschäftigungsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinne setzt eine Beschäftigung gegen Arbeitsent­ gelt voraus. Dies bedeutet konkret, dass Arbeitsleistung gegen Entgelt ausgetauscht wird. Grundsätzlich wird auch bei den Ein-Euro-Jobs eine Arbeitsleistung erbracht. Für 45 diese Arbeitsleistung erhält der Hilfebedürftige eine Aufwandsentschädigung in Höhe von ca. 1 € bis 2 € je erbrachter Arbeitsstunde.

II. Mehraufwandsentschädigung Wie die Bezeichnung „Mehraufwandsentschädigung“ bereits vermuten lässt, soll 46 sie dem Hilfebedürftigen den Mehraufwand entschädigen, der ihm dadurch entsteht, dass er die Arbeitsgelegenheit ausübt. Der Betrag von ca. 1 € bis 2 € pro Arbeitsstunde stellt indes keinen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit dar.24

24 Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen, des VDR und der BA über Fragen des

Tüzel/Brandes

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 Kapitel 10 Ein-Euro-Jobber

Ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis kann also bei den sog. Ein-Euro-Jobs nicht angenommen werden, womit daher auch keine geringfügige Beschäftigung i.S.d. § 8 SGB IV vorliegt.25 Für den Arbeitgeber besteht daher weder eine Meldepflicht nach § 28a SGB IV 48 noch eine Beitragspflicht nach § 249b SGB V bzw. § 172 Abs. 3 SGB VI. 47

gemeinsamen Beitragseinzugs am 28./29.10.2004, 3. Versicherungsrechtliche Beurteilung von sog. Ein-Euro-Jobs. 25 Zu den Voraussetzungen einer geringfügigen Beschäftigung vgl. Kap. 24 – „Minijobber“ und Kap. 5 – „Aushilfen“.

Brandes

Kapitel 11 Elternzeit A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Elternzeit. Der Anspruch auf Elternzeit ist unabhängig von der Betriebsgröße. Das heißt auch in Kleinbetrie­ ben haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Anspruch auf Elternzeit. Der Anspruch besteht bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes. Er ist in den §§ 15 ff. BEEG geregelt. Der früher verwendete Begriff „Erziehungsurlaub“ wurde ab dem 1.1.2001 in „Elternzeit“ geändert. Der Begriff „Elternzeit“ ist insoweit missverständlich, da auch Arbeitnehmer einen Anspruch auf Elternzeit haben können, die nicht Eltern des zu betreuenden/erziehenden Kindes sind, sondern diese Aufgaben wahrnehmen. Mit Wirkung vom 30.12.2008 wurde das bis zu diesem Zeitpunkt geltende Bundeserziehungsgeldgesetz aufgehoben. Für die nach dem 1.1.2007 geborenen Kinder gilt nunmehr das BEEG, welches die Elternzeit und das Elterngeld regelt. Sinn und Zweck der Elternzeit ist es, erwerbstätigen Eltern bzw. sonstigen Erziehungsberechtigten die Betreuung und Erziehung ihres Kindes zu erleichtern. Während der Dauer der Elternzeit wird der Arbeitnehmer von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt. Ebenso verhält es sich mit den Pflichten des Arbeitgebers zur Entgeltzahlung. Das Arbeitsverhältnis – und damit die beiderseitigen arbeitsvertraglichen Pflichten – ruhen für die Dauer der Elternzeit. Das Arbeitsverhältnis besteht jedoch auch während der Dauer der Elternzeit fort. Dies gilt auch für die sich daraus ergebenden Nebenpflichten, wie die Verschwiegenheit. Der Anspruch auf Elternzeit ist gem. § 15 Abs. 2 S. 6 BEEG zwingendes Gesetzes­ recht. Er kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden. Betriebs­ vereinbarungen und Tarifverträge, welche sich auf die arbeitsrechtliche Stellung des Arbeitnehmers vor oder nach der Elternzeit nachteilig auswirken, sind unzulässig. Der Arbeitgeber kann bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen daher nicht rechtswirksam verhindern, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Elternzeit nehmen. Er muss Strategien entwickeln, den mit der Gewährung der Elternzeit verbundenen Ausfall der Arbeitskraft zu kompensieren und das Risiko eines Personalüberhangs bei Rückkehr der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers aus der Elternzeit zu vermeiden. Bis zum Jahr 2008 haben weit überwiegend Frauen Elternzeit genommen. Im Jahr 2008 kehrten 40 % der Frauen in Westdeutschland und 22 % der Frauen in Ostdeutschland nach dreijähriger Elternzeit nicht an ihren Arbeitsplatz zurück; nur 5 % der Väter haben Elternzeit genommen.1

1 BMFSFJ, „Das neue Elterngeld – Umsetzung in der betrieblichen Praxis“, Stand: Juni 2010.

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 Kapitel 11 Elternzeit

Durch die Einführung des Elterngeldes im Jahr 2008 ist Elternzeit für Arbeitnehmer attraktiver geworden. Die Gewährung des Elterngeldes wird von zwölf auf vierzehn Monate verlängert, wenn beide Elternteile Elternzeit nehmen. Der Anteil an Vätern, die Elternzeit nehmen, ist dadurch signifikant gestiegen. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes waren 25,7 % all derjenigen, die ihren Elterngeldbezug im 3. Quartal 2010 beendet haben, Väter (im Vergleichsquartal 2009 waren es 20,7 %). In einigen Bundesländern wie Bayern, Sachsen, Berlin und Thüringen hat die Beteiligung der Väter die 30-%-Marke bereits deutlich überschritten.2

II. Anspruchsberechtigte Grundsätzlich haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, welche bei Antragstellung in einem Arbeitsverhältnis stehen, einen Anspruch auf Elternzeit soweit die weiteren Voraussetzungen vorliegen. Nach dem BEEG kommen folgende Personengruppen als Anspruchsberechtigte in Betracht: –– Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einschließlich der –– zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten (§ 20 Abs. 1 S. 1 BEEG), –– die in Heimarbeit Beschäftigten und –– die ihnen nach §  1 Abs. 1 und 2 des Heimarbeitgesetzes Gleichgestellten (§ 20 Abs. 1 S. 2 BEEG). Auch Arbeitnehmer in einem befristeten Arbeitsverhältnis und Teilzeitbeschäf­ tigte sowie Studenten in einer Nebenbeschäftigung sind Arbeitnehmer i.S.d. BEEG und können grundsätzlich einen Anspruch auf Elternzeit haben. Die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer muss nicht unbedingt leibliche Mutter oder leiblicher Vater eines Kindes sein, um Elternzeit beanspruchen zu können. Anspruchsberechtigt sind Arbeitnehmer, die zu dem Kind in folgender Beziehung stehen: –– leibliche Mutter oder leiblicher Vater des Kindes (soweit sie nicht sorgeberechtigt sind, nur mit Zustimmung des sorgeberechtigten Elternteils), oder –– Adoptivmutter oder -vater des Kindes, oder –– Ehe- oder Lebenspartner (auch gleichgeschlechtliche Lebenspartner) der Mutter oder des Vaters des Kindes, oder –– Verwandte des Kindes, z.B. Großeltern (§ 1 IV BEEG) sofern ein Elternteil des Kindes minderjährig ist oder sich im letzten oder vorletzten Jahr seiner Ausbildung befindet, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres begonnen wurde und seine Arbeitskraft im Allgemeinen voll in Anspruch nehmen. –– Pflegemutter oder -vater des Kindes (Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII).

2 Pressemitteilung des BMFSFJ vom 27.2.2012.

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A. Arbeitsrecht 

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Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind nur anspruchsberechtigt, wenn sie das 12 Kind im eigenen Haushalt betreuen und erziehen. Die Betreuung und Erziehung muss der Arbeitnehmer selbst übernehmen und darf sie nicht einem Dritten überlassen. Der Anspruch auf Elternzeit erlischt jedoch nicht, wenn der Arbeitnehmer die Mithilfe Dritter, wie z.B. eines Familienangehörigen oder eines Au-Pair-Dienstes in Anspruch nimmt. Der Anspruch auf Elternzeit entfällt jedoch, wenn die häusliche Gemeinschaft 13 dauerhaft unterbrochen ist, wie z.B. durch die dauerhafte Unterbringung des Kindes in einem Heim. Kurzfristige Pausen, wie bspw. Krankenhausaufenthalte, beseitigen den Anspruch auf Elternzeit hingegen nicht. Der Anspruch auf Elternzeit setzt nicht voraus, dass zum Zeitpunkt der Geburt 14 des zu betreuenden Kindes ein Arbeitsverhältnis bestand. Praxishinweis Bei Neueinstellungen ist zu beachten, dass auch diese Mitarbeiter Elternzeit verlangen können, vorausgesetzt das zu betreuende Kind wurde innerhalb der letzten drei Jahre geboren. Ein Fragerecht des Arbeitgebers, ob der Bewerber im Laufe des Arbeitsverhältnisses Elternzeit nehmen möchte bzw. ob die Anspruchsvoraussetzung zum Zeitpunkt der Einstellung vorliegen, besteht hingegen nicht, da es insoweit an einem berechtigten, billigenswerten und schutzwürdigem Interesse des Arbeitgebers fehlt.

III. Elternzeitanspruch 1. Dauer und Verteilung Die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer kann längstens bis zur Vollendung des dritten 15 Lebensjahres des Kindes Elternzeit nehmen (§ 15 Abs. 2 S. 1 BEEG). Davon abzuziehen ist die Zeit der Mutterschutzfrist nach § 6 Abs. 1 des MuSchG, welche auf die Begrenzung nach S. 1 angerechnet wird (§ 15 Abs. 2 S. 2 BEEG).3 Der Anspruch besteht unabhängig davon, ob auch der andere Elternteil Elternzeit in Anspruch nimmt, d.h. die Elternzeit kann auch anteilig von jedem Elternteil allein oder von beiden Elternteilen gemeinsam genommen werden (§ 15 Abs. 3 BEEG). Die Elternzeit endet mit der Vollendung des dritten Lebensjahrs eines Kindes, 16 d.h. spätestens am dritten Geburtstag des Kindes ist für den Arbeitnehmer der erste Arbeitstag nach der Elternzeit. Die Elternzeit kann auf zwei Zeitabschnitte verteilt werden, eine Verteilung auf 17 weitere Zeitabschnitte bedarf der Zustimmung des Arbeitgebers (§ 16 Abs. 1 S. 5 BEEG).

3 BT-Drucks. 14/3553 S. 22.

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 Kapitel 11 Elternzeit

Beispiel –– Arbeitnehmerin A und Arbeitnehmer B erwarten ein gemeinsames Kind. Sie sind nicht verheiratet, leben jedoch in einem gemeinsamen Haushalt. Beide arbeiten beim gleichen Arbeitgeber. Das Kind kommt am 1.4.2011 zur Welt. A macht fristgerecht einen Anspruch auf Elternzeit ab Ablauf der Mutterschutzfrist bis zum 1.4.2014 geltend. B möchte ebenfalls Elternzeit nehmen und beantragt fristgerecht Elternzeit in den Zeiträumen vom 1.4.2011 bis zum 31.5.2011, vom 1.8.2011 bis zum 15.9.2011, vom 1.1.2012 bis zum 30.6.2012. Der Arbeitgeber lehnt die Gewährung der Elternzeit sowohl für A als auch für B unter Hinweis auf die Gesetzeslage ab. –– Die Ablehnung durch den Arbeitgeber ist rechtmäßig: Im Falle der A wird die gesetzliche Höchstfrist um einen Tag überschritten. Der Anspruch auf Elternzeit besteht bis zum 31.3.2014. Am dritten Geburtstag des Kindes muss A wieder die Arbeit beim Arbeitgeber aufnehmen. –– Im Falle des B kann der Arbeitgeber die Zustimmung versagen, da B die Elternzeit auf mehr als zwei Abschnitte verteilen möchte. Unerheblich für den Anspruch auf Elternzeit ist, ob A und B verheiratet sind. Entscheidendes Kriterium ist, dass A und B anspruchsberechtigte Personen sind und diese in häuslicher Gemeinschaft zusammenleben. Würden A und B in getrennten Haushalten leben, wäre nur derjenige anspruchsberechtigt, in dessen Haushalt das Kind lebt. 18 Wird innerhalb des Zeitraums bis zur Beendigung des dritten Lebensjahres ein weite-

res Kind geboren, überschneiden sich die Anspruchszeiträume. In diesem Fall bleibt der Anspruch auf Elternzeit jedoch für jedes Kind bestehen (§ 15 Abs. 2 S. 3 BEEG).

Beispiel –– Die Arbeitnehmerin bekommt am 1.4.2011 ihr erstes Kind. Am 1.4.2013 wird ihr zweites Kind geboren. –– Für das erste Kind kann ohne Zustimmung des Arbeitgebers Elternzeit bis zum 31.3.2014 verlangt werden. –– Für das zweite Kind kann ohne Zustimmung des Arbeitgebers Elternzeit bis zum 31.3.2016 verlangt werden. –– Die Elternzeitberechtigten können daher ohne Zustimmung des Arbeitgebers für die Dauer von fünf Jahren Elternzeit beanspruchen. 19 Der Arbeitnehmer hat gem. §  15 Abs. 2 BEEG die Möglichkeit, bis zu zwölf Monate

der Elternzeit auf die Zeit bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes zu übertragen. Der genaue Zeitraum, in welchem diese übertragene Elternzeit letztendlich in Anspruch genommen werden soll, muss zu Beginn der Elternzeit noch nicht festgelegt werden. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, den Eltern zu ermöglichen, das Kind z.B. auch während des ersten Schuljahres zu betreuen. Die Übertragung eines Anteils der Elternzeit auf bis zu zwölf Monate für den 20 Zeitraum nach dem Erreichen des dritten Lebensjahres und bis zur Beendigung des achten Lebensjahres bedarf der Zustimmung des Arbeitgebers. Bei einem Arbeit­ geberwechsel ist erneut die Zustimmung des (neuen) Arbeitgebers einzuholen. Durch die Übertragungsmöglichkeit kann die Dauer der Elternzeit verlängert 21 werden, wie folgendes Beispiel verdeutlicht:

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A. Arbeitsrecht 

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Beispiel –– Die Arbeitnehmerin bekommt am 1.4.2011 ihr erstes Kind und verlangt Elternzeit bis zum 31.3.2014. Am 1.4.2013 wird ihr zweites Kind geboren. –– Sie kann dann die Elternzeit für das erste Kind vorzeitig beenden und diese wie folgt gestalten: –– bis 31.3.2013 (zwei Jahre): Elternzeit für das erste Kind, –– bis 31.3.2016 (drei Jahre): Elternzeit für das zweite Kind, –– bis 31.3.2017 (ein Jahr): Elternzeit für das erste Kind. –– Die Arbeitnehmerin kann aufgrund der Übertragungsmöglichkeit sechs Jahre in Elternzeit bleiben, statt fünf Jahre ohne Ausnutzen der Übertragungsmöglichkeit. –– Liegt zwischen beiden Geburten weniger als ein Jahr, verringert sich die Gesamtdauer der Elternzeit entsprechend, weil maximal 12 Monate Elternzeit pro Kind übertragen werden (§ 15 Abs. 2 S. 4 BEEG). Bei Zwillingen muss der Arbeitgeber daher im Ergebnis maximal fünf Jahre Elternzeit am Stück gewähren, bei Drillingen sechs Jahre.

Bekommt die Arbeitnehmerin Zwillinge, so ist folgende Aufteilung der Elternzeit 22 zulässig: Beispiel –– bis 30.9.2012 (zwei Jahre) Elternzeit für Kind 1, –– bis 30.9.2013 (ein Jahr) Elternzeit für Kind 2, –– bis 30.9.2014 (ein Jahr) Elternzeit für Kind 1, –– bis 30.9.2015 (ein Jahr) Elternzeit für Kind 2.

Für Adoptivkinder und Pflegekinder ist § 15 Abs. 2 S. 5 BEEG anzuwenden. Demnach 23 kann die Elternzeit bei diesen Kindern für einen Zeitraum von drei Jahren ab dem Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes in den eigenen Haushalt genommen werden und endet spätestens mit der Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes. Die in § 15 Abs. 2 S. 3 und S. 4 BEEG enthaltenen Regelungen bezüglich der zeitlichen Aufteilung der Elternzeit sind entsprechend anwendbar.

2. Erklärung zur Inanspruchnahme a) Erklärungsinhalt In §  16 Abs. 1 S. 1 BEEG wird für die Erklärung der Inanspruchnahme inhaltlich 24 vorausgesetzt, dass der Arbeitnehmer die Elternzeit verlangt und dabei gleichzeitig die konkreten Daten für den Beginn und das Ende des Zeitraumes mitteilt, in dem sie innerhalb von zwei Jahren genommen wird. Es steht der Arbeitnehmerin/dem Arbeitnehmer frei, gegenüber dem Arbeitge- 25 ber zu erklären, die Elternzeit über den ihm komplett zustehenden Zeitraum von drei Jahren zu nehmen.4 Für den Arbeitnehmer hat dies den Vorteil, dass es für die Inan-

4 BAG, Urt. v. 9.5.2006 – 9 AZR 278/05 –.

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 Kapitel 11 Elternzeit

spruchnahme eines dritten Elternzeitjahres einer Zustimmung des Arbeitgebers nicht bedarf. Macht der Arbeitnehmer zunächst zwei Jahre Elternzeit geltend und beantragt er 26 in einem zweiten Antrag die Verlängerung der Elternzeit um ein drittes Jahr, so bedarf die Elternzeit nach der hier vertretenen Auffassung für das dritte Jahr gemäß dem eindeutigen Wortlaut des § 16 Abs. 3 S. 1 BEEG der Zustimmung des Arbeitgebers.5 Beispiel –– Die Arbeitnehmerin macht form- und fristgerecht Elternzeit für die Zeit vom 1.1.2012 bis zum 31.12.2012 geltend (ein Jahr). Am 1.10.2012 macht die Arbeitnehmerin Elternzeit für die Zeit vom 1.1.2013 bis zum 31.12.2014 geltend. Muss der Arbeitgeber die Elternzeit wie beantragt gewähren? –– Der Arbeitgeber muss die Elternzeit nicht wie beantragt gewähren. Mit dem ersten Antrag hat sich die Arbeitnehmerin für einen Zwei-Jahres-Zeitraum festgelegt. Bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen hat die Arbeitnehmerin daher einen Anspruch auf Elternzeit für das Jahr 2012. Im Jahr 2013 ist die Arbeitnehmerin verpflichtet zu arbeiten, da sie Elternzeit für das Jahr 2013 nicht mit ihrem ersten Antrag beantragt hat. Der zweite Antrag könnte zu Gunsten der Arbeitnehmerin dahingehend ausgelegt werden, dass die Arbeitnehmerin unabhängig davon, ob ihr im Jahr 2013 Elternzeit gewährt wird, sie für das Jahr 2014 Elternzeit beansprucht. Die Gewährung der Elternzeit für das Jahr 2014 bedarf nach der hier vertretenen Ansicht jedoch der Zustimmung des Arbeitgebers, da die Arbeitnehmerin nicht direkt für drei Jahre Elternzeit beantragt hat. 27 Der Arbeitnehmer kann auch verlangen, die Elternzeit innerhalb des geltend gemach-

ten Zeitraumes (zwei oder drei Jahre) auf zwei Zeitabschnitte zu verteilen. Verlangt der Arbeitnehmer eine Verteilung auf weitere Zeitabschnitte ist dies jedoch nur mit der Zustimmung des Arbeitgebers möglich (§ 16 Abs. 1 S. 5 BEEG).6 Die Erklärung der Inanspruchnahme stellt eine einseitige empfangsbedürftige 28 Willenserklärung dar, welche dem Arbeitgeber zugehen muss. Ab dem Zugang ist der Arbeitnehmer grundsätzlich an seine Erklärung gebunden, so dass diese nicht mehr vom Arbeitnehmer widerrufen werden kann. Dem Arbeitgeber soll die Möglichkeit gegeben werden, sich auf die Fehlzeit einzustellen. Verlangt der Arbeitnehmer keine Elternzeit, kann der Arbeitgeber Elternzeit nicht 29 im Wege seines Direktionsrechts anordnen und dadurch ggf. vorhandenem Perso­ nalüberhang entgegenwirken. Die Inanspruchnahme von Elternzeit hängt allein von der Initiative des Arbeitnehmers ab.

5 So auch ErfK/Gallner, § 16 BEEG Rn 4 m.w.N.; a.A. LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 4.11.2004 – 4 Sa 606/04 –; LAG Niedersachsen, Urt. v. 13.11.2006 – 5 Sa 402/06 –. 6 So auch ErfK/Gallner, § 16 BEEG Rn 4 m.w.N.; a.A. LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 4.11.2004 – 4 Sa 606/04 –; LAG Niedersachsen, Urt. v. 13.11.2006 – 5 Sa 402/06 –.

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A. Arbeitsrecht 

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b) Form Die Beanspruchung der Elternzeit bedarf der Schriftform. Der Arbeitgeber hat der 30 Arbeitnehmerin/dem Arbeitnehmer über die Inanspruchnahme der Elternzeit eine Bescheinigung auszustellen (§ 16 Abs. 1 S. 6 BEEG). Grund dafür ist, dass die Arbeitsvertragsparteien die Lage und die Dauer der Freistellung dokumentieren und dabei den Überblick behalten sollen. Die Einhaltung der Schriftform durch die Arbeitnehmerin/den Arbeitnehmer ist nach der Rechtsprechung des BAG Wirksamkeitsvoraussetzung für sein berechtigtes Aussetzen mit der Arbeit.7 Die Folgen einer fehlenden „Bescheinigung“ des Arbeitgebers sind hingegen im Einzelfall zu würdigen. Sie ist in keinem Fall konstitutiv für die Wirksamkeit der Inanspruchnahme der Elternzeit.

c) Frist Die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer muss die Elternzeit spätestens sieben Wochen 31 vor ihrem Beginn anmelden (§ 16 Abs. 1 S. 1 BEEG). Eine angemessene kürzere Frist ist ausnahmsweise dann möglich, wenn die Regelfrist aus dringenden Gründen nicht eingehalten werden kann.8 Beispiel Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer haben die Adoption eines Kindes beantragt. Unerwartet schnell soll das Kind nun von ihnen innerhalb von vier Wochen in die Adoptionspflege genommen werden. In diesem Fall wird man einen dringenden Grund, der einen Anspruch auf Elternzeit auch ohne Einhalten der Sieben-Wochen-Frist rechtfertigt, bejahen können, um eine bestmögliche Betreuung des Kindes von Beginn an zu gewährleisten.

Darüber hinaus enthält § 16 Abs. 2 BEEG eine Ausnahme für den Fall, dass der Arbeit- 32 nehmer aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grund eine sich unmittelbar an die Mutterschutzfrist des §  6 Abs. 1 des MuSchG anschließende Elternzeit nicht rechtzeitig verlangen kann. Diese Erklärung kann er innerhalb einer Woche nach Wegfall des Grundes nachholen. Als „nicht zu vertretende Gründe“ i.S.d. §  16 Abs. 2 BEEG kommen jedoch nur solche Gründe in Betracht, die eine Artikulierung der Erklärung überhaupt nicht ermöglichen oder eine Äußerung nicht zumutbar erscheinen lassen. Wird die siebenwöchige Erklärungsfrist grundlos nicht eingehalten, ist die Eltern- 33 zeit nicht wirksam geltend gemacht worden. Dies hat zur Folge, dass die Elternzeit nicht zu laufen beginnt und der Arbeitnehmer weiterhin zur Arbeitsleistung verpflichtet ist. Außerdem genießt der Arbeitnehmer bei Nichteinhaltung der Erklärungsfrist auch keinen Kündigungsschutz gem. § 18 Abs. 1 BEEG. Letzteres betrifft vor allem

7 BAG, Urt. v. 27.4.2004 – 9 AZR 21/04 –; BAG, Urt. v. 26.6.2008 – 2 AZR 23/07–. 8 BT-Drucks. 14/3553, 22.

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 Kapitel 11 Elternzeit

Männer, die Elternzeit beantragen wollen, da – zumindest bei leiblichen Müttern, die Elternzeit beantragen – Sonderkündigungsschutz nach § 9 MuSchG bestehen dürfte. Die Erklärungsfrist ist keine Ausschlussfrist. Die Erklärung kann von dem Arbeit34 nehmer daher nachgeholt werden. Der Beginn der Elternzeit verschiebt sich in diesem Falle entsprechend nach hinten.

3. Verkürzung und Verlängerung a) Zustimmungspflicht 35 Da sich während der Elternzeit die Lebensumstände des in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmers ändern können, besteht auf Arbeitnehmerseite häufig der Wunsch, die bereits festgelegte Elternzeit zu verkürzen bzw. zu verlängern. Verkürzungen oder Verlängerungen der angemeldeten Elternzeit sind in der Regel nur mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich. Könnte der Arbeitnehmer ohne eine Zustimmung den einmal festgelegten Zeitraum erneut ändern, würde dies die Planungssicherheit des Arbeitgebers möglicherweise gefährden. Die Zustimmung des Arbeitgebers liegt in seinem freien Ermessen (entsprechend 36 § 315 Abs. 3 BGB). Gleichzeitig bedeutet dies aber auch, dass ihm jederzeit das Recht zusteht, die Verlängerung der Elternzeit bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs zu verweigern.9 Ausnahmen von dem Zustimmungserfordernis des Arbeitgebers zu einer Verkürzung bzw. Verlängerung der Elternzeit sind in § 16 Abs. 3, 4 BEEG geregelt.

b) Verkürzung

37 So endet die Elternzeit im Falles des Kindstodes, ohne das es der Zustimmung des

Arbeitgebers bedarf, automatisch nach drei Wochen, auf Wunsch des Arbeitnehmers auch früher. Ferner kann die vorzeitige Beendigung wegen der Geburt eines weiteren Kindes 38 oder wegen eines besonderen Härtefalles i.S.d. § 7 Abs. 2 S. 3 BEEG nur innerhalb von vier Wochen aus dringenden betrieblichen Gründen vom Arbeitgeber schriftlich abgelehnt werden. Die Geburt eines weiteren Kindes begründet stets einen Anspruch, da durch die neue familiäre Situation häufig auch eine veränderte Planung hinsichtlich der Betreuung mit sich bringt. Ein besonderer Härtefall i.S.d. § 7 Abs. 2 S. 3 BEEG liegt dann vor, wenn bei einer 39 Fortführung der unbezahlten Freistellung die wirtschaftliche Existenz des betroffenen Arbeitnehmers nicht unerheblich gefährdet ist.10

9 BAG, Urt. v. 18.10.2011 – 9 AZR 315/10 –. 10 BAG, Urt. v. 6.9.1994 – 9 AZR 221/93 = NZA 95, 953 ff.

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A. Arbeitsrecht 

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Praxishinweis Hat ein Arbeitnehmer anfangs drei Jahre Elternzeit verlangt, obwohl er sich nur für zwei Jahre festlegen musste, kann er eine Verkürzung der Arbeitszeit nach der hier vertretenen Ansicht nur mit Zustimmung des Arbeitgebers verlangen. Der Arbeitnehmer ist an seine Willenserklärung gebunden. Dies dient auch der Planungssicherheit des Arbeitgebers, der für die Dauer der Vertretung ggf. eine Ersatzkraft (befristet) eingestellt hat und nicht die Möglichkeit hat, sich einseitig wieder von dem mit dem Vertreter begründeten Arbeitsverhältnis zu lösen.

c) Verlängerung Ein ursprünglich vorgesehener begrenzter Zeitraum kann jederzeit einvernehmlich 40 verlängert werden. Eine Verlängerung der Elternzeit kann von dem in Elternzeit befindlichen Arbeit- 41 nehmer ausnahmsweise dann ohne vorherige Zustimmung verlangt werden, wenn ein vorgesehener Wechsel in der Anspruchsberechtigung aus einem wichtigen Grund nicht erfolgen kann (§ 16 Abs. 3 S. 4 BEEG). Die Vorschrift erfasst die Fälle, in denen ein Arbeitnehmer Elternzeit deshalb für eine kürzere Zeit als zwei oder drei Jahre genommen hat, weil das Kind anschließend vom Partner betreut werden sollte. Liegen diese Gründe nicht vor, ist der Arbeitnehmer an seine Willenserklärung gebunden, d.h., er hat zwei Jahre Elternzeit genommen, obwohl er hätte drei Jahre Elternzeit nehmen können. Er kann nur mit Zustimmung des Arbeitgebers die Elternzeit auf drei Jahre verlängern.

IV. Teilzeitbeschäftigungsanspruch Arbeitnehmer haben ggf. den Wunsch, für die Dauer der Elternzeit nicht vollstän- 42 dig aus dem aktiven Arbeitsleben auszuscheiden, sondern den Umfang der Arbeitsleistung nur zu reduzieren und Teilzeit zu arbeiten. Eine Teilzeitbeschäftigung des Arbeitnehmers während der Elternzeit kann auch für den Arbeitgeber durchaus sinnvoller sein als eine vollständige Aufgabe der Beschäftigung des Arbeitnehmers, da der Arbeitnehmer an den betrieblichen Entwicklungen während der Dauer der Elternzeit aktiv teilnimmt. Eine Einarbeitungszeit nach längerer Elternzeit entfällt und die für die Dauer der Elternzeit eingesetzte Vertretung kann während der gesamten Dauer der Elternzeit von dem zu Vertretenden betreut werden. Aus Arbeitgebersicht gibt es daher betriebliche Gründe, auf eine Teilzeitbeschäftigung des Arbeitnehmers während der Elternzeit hinzuwirken. Je nach Art der zu besetzenden Stelle kann es für den Arbeitgeber jedoch schwieriger sein, eine Teilzeitkraft statt einer Vollzeitkraft als Vertretung für den in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmer zu finden.

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 Kapitel 11 Elternzeit

1. Grundsätze

43 Das BEEG sieht die Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung für die Dauer der Eltern-

zeit in § 15 Abs. 5–7 BEEG vor. Danach haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Anspruch auf Teilzeit für die Dauer der Elternzeit. Der Teilzeitanspruch nach dem BEEG ist von dem Teilzeitanspruch nach TzBfG zu unterscheiden. Wesentlicher Unterschied zwischen dem im TzBfG und dem im BEEG normierten Teilzeitanspruch ist, dass der im BEEG normierte Teilzeitanspruch nur für die Dauer der Elternzeit einen Teilzeitanspruch gewährt. Der Teilzeitanspruch nach dem TzBfG hingegen den Umfang der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit dauerhaft, d.h. auch über die Elternzeit hinaus ändert. Nach Beendigung der Elternzeit ist die Arbeitnehmerin/ der Arbeitnehmer wieder in vertraglich geschuldetem Umfang zu beschäftigen, ohne dass es einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung der Parteien bedarf. Praxistipp Auch vor dem Hintergrund, dass sich die Anspruchsvoraussetzungen des Teilzeitanspruches nach § 15 Abs. 5–7 BEEG von den Anspruchsvoraussetzungen des Teilzeitanspruches gem. § 8 TzBfG unterscheiden, sollte aus dem Teilzeitbegehren der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers hinreichend klar sein, ob nur für die Dauer der Elternzeit (Teilzeitanspruch nach BEEG) oder über die Elternzeit hinaus (Teilzeitanspruch nach TzBfG) der arbeitsvertraglich geschuldete Stundenumfang reduziert werden soll. Geht dies aus dem Antrag der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers nicht hinreichend hervor, hat der Arbeitgeber das Recht diesen Antrag wegen mangelnder Bestimmtheit zurückzuweisen. Zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten sollte jedoch mit der Antragsstellerin/dem Antragssteller eine Klärung seines Teilzeitwunsches herbeigeführt und die Möglichkeit einer eindeutigen, bzw. klarstellenden Antragsformulierung eingeräumt werden.

44 Arbeitnehmer, welche bereits vor der Inanspruchnahme der Elternzeit eine Teilzeit-

tätigkeit ausgeübt haben, können diese gem. § 15 Abs. 5 S. 4 BEEG unverändert auch während der Elternzeit fortsetzen, wenn der in § 15 Abs. 4 S. 1 BEEG vorgegebene zeitliche Rahmen von 30 Stunden wöchentlich eingehalten wird und dem Arbeitgeber bei der Inanspruchnahme von Elternzeit gem. § 16 Abs. 1 S. 1 BEEG mitgeteilt worden ist, dass der Anspruch auf Elternzeit unter Fortführung der bisherigen Teilzeittätigkeit geltend gemacht wird. Die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer müssen jedoch – trotz bereits bestehender Teilzeitbeschäftigung – einen Antrag auf Teilzeit während der Elternzeit stellen, da der Arbeitgeber ansonsten von dem Regelfall ausgehen muss, dass der Arbeitnehmer während der Dauer der Elternzeit die Arbeit vollständig aufgibt. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können einvernehmlich Teilzeit während der 45 Elternzeit vereinbaren (Vereinbarungslösung gem. § 15 Abs. 5 BEEG). Kommt eine Einigung nicht zustande, kann der Arbeitnehmer den Anspruch auf Teilzeit einseitig durchsetzen soweit die genannten Anspruchsvoraussetzungen vorliegen (Einseiti­ ges Verfahren gem. § 15 Abs. 6 und 7 BEEG).

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A. Arbeitsrecht 

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2. Vereinbarungslösung Anspruch auf Teilzeit während der Elternzeit (§ 15 Abs. 5 BEEG) - Vereinbarungslösung Vereinbarung zwischen AN und AG (die Voraussetzungen des § 15 Abs. 7 BEEG müssen nicht zwingend vorliegen) Antrag des AN auf Arbeitszeitverringerung -

Beginn, Umfang und Dauer der Arbeitszeitreduzierung (z.B. Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 18 Stunden)

-

Lage der reduzierten Arbeitszeit (z.B. Verteilung der 18 Stunden auf drei Arbeitstage)

(Der Antrag kann mit der schriftlichen Mitteilung des AN über die Inanspruchnahme von Teilzeit während der Elternzeit nach § 15 Abs. 7 Nr. 5 BEEG verbunden werden.)

Einigung Zwischen AN und AG innerhalb von vier Wochen?

Einigung

Keine Einigung AG kann den Antrag ohne Begründung ablehnen

Einvernehmliche Verringerung und Neuverteilung der Arbeitszeit für die Dauer der Elternzeit

Arbeitszeit verringert sich nicht. Keine gesetzliche Fiktion, dass sich Arbeitszeit wie beantragt verringert, wenn der AG auf den Antrag des AN reagiert.

Unabhängig davon, ob die in §  15 Abs. 6 und 7 BEEG genannten persönlichen und 46 unternehmensbezogenen Voraussetzungen vorliegen, sollte der Arbeitnehmer einen Antrag auf Teilzeit während der Elternzeit stellen. Aus dem Antrag sollte Beginn, Umfang und Dauer der Arbeitszeitreduzierung deutlich werden. Da es der Arbeitnehmerin/dem Arbeitnehmer in den meisten Fällen auch auf die Lage der reduzierten Arbeitszeit ankommt, wird der Antrag auf Teilzeit in den meisten Fällen auch ein Antrag diesbezüglich enthalten. Stimmt der Arbeitgeber dem Antrag innerhalb von vier Wochen zu, oder einigen sich die Parteien innerhalb von vier Wochen auf einen modifizierten Antrag, so ändert sich die Arbeitszeit entsprechend des Antrages für die Dauer der Elternzeit. Nach Beendigung der Elternzeit ist die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer verpflichtet und berechtigt, in dem Umfange zu arbeiten, zu welchem sie vor Beginn der Elternzeit berechtigt bzw. verpflichtet war. Baumann/Elert

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 Kapitel 11 Elternzeit

Beispiel –– Der Arbeitnehmer macht einen Anspruch auf Teilzeit während der Elternzeit geltend. Die Parteien einigen sich, die wöchentliche Arbeitszeit von 40 Arbeitsstunden auf 16 Arbeitsstunden, verteilt auf zwei Arbeitstage, Montag und Dienstag, zu reduzieren. Nach Beendigung der Elternzeit kommt der Arbeitnehmer montags und dienstags zu Arbeit, am Mittwoch bleibt er von der Arbeit fern mit der Begründung, es sei ein Teilzeitarbeitsverhältnis vereinbart worden. Zu Recht? –– Der Arbeitnehmer kann die Nichtaufnahme der Arbeit nicht mit einer Teilzeitvereinbarung begründen. Die Parteien haben lediglich für die Dauer der Elternzeit Teilzeit vereinbart (Elternzeit nach BEEG). Möchte der Arbeitnehmer über die Elternzeit hinaus Teilzeit arbeiten, so hat er den Teilzeitanspruch gem. § 8 Abs. 2 TzBfG spätestens drei Monate vor Beginn der Teilzeit geltend zu machen. Der Arbeitnehmer hätte danach spätestens drei Monate vor Ablauf der Elternzeit seinen Teilzeitanspruch beim Arbeitgeber geltend machen müssen, um auch nach Beendigung der Elternzeit in Teilzeit arbeiten zu können. 47 Die Arbeitszeit reduziert sich nicht entsprechend des Antrages, wenn

–– der Arbeitgeber den Antrag ablehnt, oder –– die Parteien sich nicht auf einen modifizierten Antrag einigen, oder –– der Arbeitgeber innerhalb von vier Wochen nach Antragsstellung auf den Antrag nicht reagiert. 48 Lehnt der Arbeitgeber den Antrag auf Teilzeit ab, muss er dies im Rahmen der Vereinbarungslösung nicht begründen. 3. Einseitiges Verfahren

49 Im Falle der Ablehnung bzw. Nichteinigung hat die Arbeitnehmerin/der Arbeitneh-

mer die Möglichkeit im Wege des einseitigen Verfahrens seinen Anspruch auf Teilzeit in der Elternzeit durchzusetzen. Der Anspruch auf Teilzeittätigkeit während der Elternzeit besteht, wenn die folgenden Voraussetzungen kumulativ vorliegen (§ 15 Abs. 7 BEEG).

a) Anspruchsvoraussetzungen aa) Mindestarbeitnehmerzahl 50 Der Arbeitgeber muss mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigen. Personen in der Berufsausbildung werden hierbei nicht mitgerechnet. Bei der Berechnung der Mindestarbeitnehmerzahl wird nicht berücksichtigt, in welchem Umfang die Arbeitnehmer arbeiten. Beschäftigt der Arbeitgeber z.B. ausschließlich Teilzeitkräfte so ist die Mindestarbeitnehmerzahl auch erreicht, wenn mindestens mehr als 15 Teilzeitkräfte beschäftigt werden. Die Mindestarbeitnehmerzahl ist nicht betriebsbezogen, sondern unternehmensbezogen. Hat der Arbeitgeber mit weiteren Unternehmen eine Gemeinschaftsbetrieb gebildet, so sind die Arbeitnehmer der beteiligten anderen Unternehmen bei der Berechnung der Mindestarbeitnehmerzahl nicht zu berücksichtigen, sondern ausschließlich die bei dem Arbeitgeber tatsächlich angestellten Arbeitnehmer. Baumann/Elert

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bb) Wartezeit Das Arbeitsverhältnis muss in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbre- 51 chung länger als sechs Monate bestanden haben. Maßgeblich ist hierbei der Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht die Erbringung der tatsächlichen Arbeitsleistung, d.h., dass z.B. auch Arbeitnehmer die innerhalb der ersten sechs Monate seit Bestehen des Arbeitsverhältnisses überwiegend erkrankt waren, ab Beginn des siebten Beschäftigungsmonats die Wartezeit erfüllen. cc) Mindestlaufzeit und Mindestumfang Die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer kann während der Elternzeit eine Teilzeitbe­ 52 schäftigung nur im Umfang von mindestens 15 und höchstens 30 Wochenstunden verlangen. Hiervon kann nicht abgewichen werden. Der Mindestumfang ist keine „Soll“-Vorschrift. Der Wortlaut in §  15 Abs. 7 Nr. 3 BEEG ist insofern missverständlich.11 Soweit die Arbeitszeit während der Dauer der Elternzeit verringert wird, soll diese für einen Zeitraum von mindestens zwei Monaten erfolgen (§ 15 Abs. 7 Nr. 3). Eine geringere Laufzeit als zwei Monate ist jedoch zulässig.

dd) Entgegenstehen dringend betrieblicher Gründe Dem Teilzeitverlangen des Arbeitnehmers dürfen keine dringenden betrieblichen 53 Gründe des Arbeitgebers entgegenstehen (§ 15 Abs. 7 Nr. 4 BEEG). Nach der Gesetzesbegründung entspricht der Begriff der „dringenden betrieblichen Gründe“ demjenigen in § 7 Abs. 2 S. 1 des BUrlG.12 Von dringenden betrieblichen Gründen ist nicht bereits dann auszugehen, wenn die Berücksichtigung des Teilzeitbegehrens zu Störungen im Betriebsablauf führt, da diese regelmäßig bei Fehlen eines Mitarbeiters auftreten.13 Der Arbeitgeber hat dies hinzunehmen und durch (befristete) Neueinstellungen oder Vorhalten von Personal auszugleichen. Entgegenstehende dringende betriebliche Gründe dürften daher nur im Ausnahmefall gegeben sein. Das Vorliegen ist immer anhand des Einzelfalles zu überprüfen. Praxistipp –– Lehnt der Arbeitgeber den Antrag des Arbeitnehmers auf Teilzeit während der Elternzeit aus dringenden betrieblichen Gründen ab, hat er im Falle einer gerichtlichen Überprüfung diese Gründe substantiiert vorzutragen und das Vorliegen dieser Gründe im Falle des Bestreitens auch zu beweisen.14

11 Das Wort „soll“ in § 15 Abs. 7 Nr. 3 bezieht sich jedoch lediglich auf die Mindestlaufzeit. Dies ergibt sich schon aus § 15 Abs. 4 BEEG, wonach die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer während der Elternzeit nicht mehr als 30 Wochenstunden erwerbstätig sein darf. 12 BT-Drucks. 14/3553, S. 22. 13 ErfK/Gallner, § 7 BUrlG Rn 17. 14 BAG, Urt. v. 5.6.2007 – 9 AZR 82/07 –.

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 Kapitel 11 Elternzeit

Der Arbeitgeber muss darlegen, dass eine Reduzierung der bisherigen Arbeitszeit an Stelle des vom Gesetz ohne Einschränkung vorgesehenen Totalausfalls des Arbeitnehmers für die Dauer der Elternzeit nicht durchführbar ist.15

ee) Form und Frist

54 Die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer muss den Anspruch auf Teilzeit während der

Elternzeit sieben Wochen vor Beginn der Tätigkeit schriftlich mitteilen (§ 15 Abs. 7 Nr. 5).

b) Antrag

55 Der Antrag auf Teilzeit während der Elternzeit muss Beginn und Umfang der ver-

ringerten Arbeitszeit enthalten. Die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer kann auch die gewünschte Verteilung der verringerten Arbeitszeit angeben. Stimmt der Arbeitgeber dem Antrag nicht zu, so muss er diesen innerhalb von 56 vier Wochen mit schriftlicher Begründung ablehnen. Die Ablehnung bezieht sich nur auf die Verringerung der Arbeit und nicht auf die Verteilung der verringerten Arbeitszeit, da der Arbeitgeber diese im Wege seines Direktionsrechts verteilen kann. Praxishinweis Die schriftliche Begründung sollte sorgfältig abgefasst werden und alle Gründe beinhalten, die den Arbeitgeber zu der Entscheidung veranlassen, den Antrag abzulehnen. Erhebt der Arbeitnehmer nach erfolgter Ablehnung Klage, kann der Arbeitgeber im Laufe des Rechtsstreites nur auf die Gründe zurückgreifen, welche er dem Arbeitnehmer fristgerecht und schriftlich im Ablehnungsschreiben mitgeteilt hat. Hinsichtlich nicht fristgerecht vorgebrachter Ablehnungsgründe ist der Arbeitgeber präkludiert, d.h. er kann im Laufe des Rechtsstreits keine weiteren dringenden betrieblichen Gründe, die die Ablehnung des Teilzeitantrages rechtfertigen würden, mehr vorbringen. Für den Arbeitnehmer sollen die Ablehnungsgründe des Arbeitgebers transparent gemacht werden, so dass er die Erfolgsaussichten einer Klage auf dieser Grundlage einschätzen kann. 57 Versäumt es der Arbeitgeber den Antrag innerhalb der Frist abzulehnen, hat dies

nicht die Fiktion der Zustimmung des Arbeitgebers zur Folge. Der Arbeitnehmer muss dann gem. § 15 Abs. 7 S. 5 BEEG auf Abgabe der Zustimmungserklärung des Arbeitgebers klagen. Wurde die Herabsetzung der Arbeitszeit zu Unrecht abgelehnt, so ist der Arbeit58 geber dem Arbeitnehmer zu Schadensersatz – in der Regel entgangener Verdienst – verpflichtet.

15 BAG, Urt. v. 5.6.2007 – 9 AZR 82/07 –.

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A. Arbeitsrecht 

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Anspruch auf Teilzeit während der Elternzeit (§ 15 Abs. 6 BEEG) - Einseitiges Verfahren Keine einvernehmliche Vereinbarung zwischen AN und AG gem. § 15 Abs. 5 BEEG

Antrag des AN auf Arbeitszeitverringerung -

Beginn, Umfang und Dauer der Arbeitszeitreduzierung (“muss") Lage der reduzierten Arbeitszeit ("soll")

Zustimmung des AG

Ablehnung des Antrags

Zu Beginn und Umfang der Arbeitsreduzierung (Zur Lage der reduzierten Arbeitszeit ist die Zustimmung des AG nicht erforderlich)

Zustimmung innerhalb von vier Wochen?

Keine gesetzliche Fiktion, dass sich Arbeitszeit wie beantragt verringert, wenn der AG auf den Antrag des AN nicht innerhalb von vier Wochen reagiert. AN kann Klage auf Zustimmung vor Arbeitsgericht erheben (§§ 16 Abs. 7 S. 5 BEEG)

Ja

Nein

Die Lage der reduzierten Arbeitszeit kann der AG im Rahmen seines Direktionsrechts bestimmen.

Nein

Ja Verringerung der Arbeitszeit für die Dauer der Elternzeit.

Schriftliche Begründung innerhalb von vier Wochen?

Arbeitszeit verringert sich nicht soweit die Ablehnung auf dringenden betrieblichen Gründen beruht, die der Verringerung der Arbeitszeit entgegenstehen.

4. Anderer Arbeitgeber Mit Zustimmung des Arbeitgebers kann die Teilzeitbeschäftigung gem. § 15 Abs. 4 59 S. 3 und 4 BEEG aber auch bei einem anderen Arbeitgeber aufgenommen werden. Eine selbstständige Tätigkeit ist ebenfalls möglich. Die Zustimmung seines Arbeitgebers muss der Arbeitnehmer vor Aufnahme 60 einer anderweitigen Tätigkeit einholen. Hierzu bedarf es eines Antrages, in welchem dem Arbeitgeber die konkrete Art der Tätigkeit sowie ihr zeitlicher Umfang mitzuteilen sind. Darüber hinaus muss auch der andere Arbeitgeber benannt werden. So wird Baumann/Elert

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 Kapitel 11 Elternzeit

dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, innerhalb einer Frist von vier Wochen ab Kenntnis der anderweitigen Beschäftigung zuzustimmen, oder aber diese gem. § 15 Abs. 4 S. 4 BEEG aus dringenden betrieblichen Gründen schriftlich abzulehnen. Dringende betriebliche Gründe können unter anderem wettbewerbliche Inte­ 61 ressen aber auch eigener Bedarf an der Beschäftigung des Arbeitnehmers sein.16 Erfolgt innerhalb dieser Frist jedoch keine Äußerung des Arbeitgebers, lehnt er 62 also nicht frist- oder formgerecht oder aber ohne Begründung ab, so ist der Arbeitnehmer berechtigt, nach Ablauf der Frist die geplante Tätigkeit bei dem anderen Arbeitgeber aufzunehmen.

V. Urlaub

63 Der Arbeitgeber kann den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der

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Elternzeit um ein Zwölftel kürzen (§ 17 Abs. 1 S. 1 BEEG). Daraus ergibt sich, dass für angebrochene Monate kein Kürzungsrecht besteht. Arbeitet der Arbeitnehmer während der Elternzeit bei seinem Arbeitgeber Teil­ zeit, hat der Arbeitgeber kein Kürzungsrecht (§ 17 Abs. 1 S. 2 BEEG). Im Falle der Teilzeitarbeit reduziert sich jedoch der Urlaubsanspruch, wenn sich die Anzahl der Wochenarbeitstage, an denen die Arbeitsleistung geschuldet ist, ändert. Der Arbeitgeber muss die Kürzung für jedes Urlaubsjahr gesondert ermitteln und das ihm zustehende Recht dann auch ausüben, wobei er an das Gleichbehandlungs­ gebot gebunden ist. Seine Kürzungsabsicht muss der Arbeitgeber nicht vor Antritt der Elternzeit mitteilen.17 Wurde der dem Arbeitnehmer zustehende Urlaub vor dem Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig gewährt, so hat der Arbeitgeber gem. § 17 Abs. 2 BEEG den Resturlaub, nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren. Endet das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit, oder wird es im Anschluss an die Elternzeit nicht fortgesetzt, so hat der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Abgeltung des noch nicht gewährten Urlaubs (§ 17 Abs. 3 BEEG). Der Übertragungszeitraum beschränkt sich nicht auf das Jahresende des Folgejahres nach Beendigung der Elternzeit. Wurde nahtlos an eine in Anspruch genommene Elternzeit für ein weiteres Kind ebenfalls Elternzeit in Anspruch genommen, wird der vor der ersten Elternzeit entstandene Resturlaub auf die Zeit nach der weiteren Elternzeit übertragen.18

16 Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath/Reinecke, § 15 BEEG Rn 21; Grobys/Panzer/Fohrmann, Kap. 11 – Elternzeit Rn 50. 17 BAG, Urt. v. 28.7.1992 – 9 AZR 340/91 –. 18 BAG, Urt. v. 20.5.2008 – 9 AZR 219/07 –.

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A. Arbeitsrecht 

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Beispiel –– Die Arbeitnehmerin hat einen Anspruch auf 24 Urlaubstage im Kalenderjahr. Im Jahr 2009 werden der Arbeitnehmerin bis zum Antritt der Elternzeit zwölf Urlaubstage gewährt. In der Zeit vom 15.8.2009 bis zum 14.8.2012 befindet sich die Arbeitnehmerin in Elternzeit und scheidet im Anschluss an die Elternzeit aus dem Arbeitsverhältnis wegen Arbeitnehmerkündigung aus und macht einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung gegen den Arbeitgeber geltend. Zu Recht? –– Urlaubsanspruch für das Jahr 2009: Die Arbeitnehmerin hat einen Anspruch auf Abgeltung von vier Urlaubstagen für das Jahr 2009. Die Arbeitnehmerin hatte im Jahr 2009 einen anteiligen Urlaubsanspruch von 16 Urlaubstagen. Der Arbeitgeber kann den vollen Urlaubsanspruch von 24 Urlaubstagen um 4/12 kürzen (vier volle Monate, September bis Dezember des Jahres 2009). Die verbleibenden Urlaubstage für das Jahr 2009 wurden auf die Folgejahre übertragen. Da die Arbeitnehmerin direkt im Anschluss an die Elternzeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, kann sie die vier Urlaubstage aus dem Jahr 2009 nicht nehmen; diese sind daher abzugelten. –– Urlaubsanspruch für das Jahr 2010 und 2011: Da sich die Arbeitnehmerin in den Jahren 2010 und 2011 durchgehend in Elternzeit befunden hat, konnte der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch für die Jahre 2010 und 2011 komplett kürzen. –– Urlaubsanspruch für das Jahr 2012: Der Arbeitgeber kann den vollen Urlaubsanspruch von 24 Urlaubstagen um 7/12 kürzen (sieben volle Monate, Januar bis Juli des Jahres 2012). Es verbleibt ein Restanspruch von zehn Urlaubstagen für das Jahr 2012, die abzugelten sind. –– Insgesamt hat die Arbeitnehmerin einen Anspruch auf Abgeltung von 14 Urlaubstagen.

Für die Höhe des Urlaubsentgeltes gilt keine besondere Regelung. Wenn die Arbeits- 69 vertragsparteien für die Zeit nach der Elternzeit eine Herabsetzung der regelmäßi­ gen Arbeitszeit vereinbart haben, dann verringert sich das Urlaubsentgelt auch für den gekürzten Urlaub aus der Vollbeschäftigung.19 Gemäß § 17 Abs. 4 BEEG kann der Arbeitgeber den Urlaub, der dem Arbeitnehmer 70 nach dem Ende der Elternzeit zusteht, um die zu viel gewährten Urlaubstage kürzen, wenn der Arbeitnehmer vor Beginn der Elternzeit mehr Urlaub erhalten, als ihm nach Abs. 1 zusteht. Beispiel –– Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf 24 Urlaubstage im Kalenderjahr. Im Jahr 2010 werden dem Arbeitnehmer bis zum Antritt der Elternzeit alle 24 Urlaubstage gewährt. In der Zeit vom 31.10.2010 bis zum 31.12.2011 befindet sich der Arbeitnehmer in Elternzeit. Der Arbeitgeber will den Jahresurlaub des Arbeitnehmers für das Jahr 2012 kürzen. Zu Recht? –– Der Arbeitgeber konnte aufgrund der Elternzeit im Jahr 2010 den Jahresurlaub um 2/12 kürzen (zwei volle Monate, November und Dezember 2010). Da der Arbeitnehmer jedoch im Jahr 2010 seinen vollen Jahresurlaub schon erhalten hat, kann der Arbeitgeber den Jahresurlaub für das Jahr 2012, in welchem der Arbeitnehmer seine Elternzeit beendet hat, um 2/12, d.h. um vier Urlaubstage kürzen.

19 LAG Hessen, Urt. v. 15.6.1989 – 9 SA 1436/88 –.

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 Kapitel 11 Elternzeit

VI. Krankheit

71 Erkrankungen vor dem geplanten Beginn der Elternzeit haben keine Auswirkun-

gen auf den Beginn der Elternzeit, da bereits eine bindende Erklärung gem. § 16 Abs. 1 S. 1 BEEG abgegeben worden ist. Entsprechendes gilt für den Zeitpunkt der Beendigung der Elternzeit. Auch wenn der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt erkrankt ist, so endet die Elternzeit dennoch fristgemäß. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer der Krankheit entfällt ab 72 Beginn der Elternzeit, es sei denn, der Arbeitnehmer arbeitet während der Elternzeit Teilzeit. Setzt der Arbeitnehmer nach Beendigung der Elternzeit das Arbeitsverhältnis fort, hat der Arbeitnehmer im Krankheitsfalle einen Anspruch auf Entgeltfort­ zahlung gem. § 3 Abs. 1 EFZG.

VII. Betriebliche Altersversorgung

73 Voraussetzung der betrieblichen Altersversorgung durch Entgeltumwandlung ist,

dass auch tatsächlich ein Entgelt gezahlt wird. Da Arbeitnehmer während der Elternzeit kein Arbeitsentgelt erhalten, werden für die Dauer der Elternzeit keine Entgeltbe­ standteile umgewandelt und folglich auch keine Beiträge abgeführt. Arbeitnehmer können jedoch während der Dauer der Elternzeit eigene Beiträge zum Aufbau der Betriebsrente leisten, um Versorgungslücken zu vermeiden. Sie können die Bei­ tragszahlung aber für die Dauer der Elternzeit auch ruhend stellen. VIII. Sonderzuwendungen

74 Grundsätzlich muss der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin/dem Arbeitnehmer während

der Dauer der Elternzeit keine Vergütung zahlen. Ob der Arbeitgeber Sonderzuwen­ dungen wie z.B. Weihnachtsgeld oder Urlaubsgeld zu zahlen hat, ist von der jeweiligen Zuwendungsvereinbarung abhängig. Stellt die Sonderzuwendung eine Vergütung für die geleistete Arbeit im Bemessungszeitraum dar, so hat die Arbeitnehmerin/ der Arbeitnehmer nur einen anteiligen Anspruch auf die Sonderzuwendung, soweit die Elternzeit in den Bemessungszeitraum fällt. Erfolgen die Sonderzahlungen als Belohnung der Betriebstreue und wird die 75 Sonderzahlung allen Mitarbeitern, deren Arbeitsverhältnis ungekündigt ist, zugesagt, so haben auch Arbeitnehmer in Elternzeit einen Anspruch auf die Sonderzu­ wendung.20 Praxistipp In Betriebsvereinbarungen zu Sonderzahlungen bzw. in arbeitsvertraglichen Regelungen sollte eindeutig geregelt werden, ob die jeweilige Sonderzahlung (anteilig) gewährt wird, wenn der Arbeitnehmer innerhalb des zu berücksichtigenden Zeitraumes Elternzeit genommen hat.

20 BAG, Urt. v. 10.12.2009 – 10 AZR 35/08 –.

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A. Arbeitsrecht 

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IX. Kündigung Arbeitnehmer genießen gem. § 18 Abs. 1 BEEG Sonderkündigungsschutz und zwar –– ab dem Zeitpunkt, von dem an form- und fristgerecht Elternzeit verlangt worden ist, höchstens jedoch acht Wochen vor dem Beginn der Elternzeit, und –– während der Elternzeit. Der Sonderkündigungsschutz besteht sowohl für die erstmalige Inanspruchnahme von Elternzeit innerhalb der abzudeckenden zwei Jahre als auch für die Inanspruchnahme des dritten Jahres sowie für die Inanspruchnahme einer bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres des Kindes übertragenen Elternzeit. Während des Bestehens des Sonderkündigungsschutzes darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht kündigen. Nur in besonderen Ausnahmefällen kann die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle gem. § 18 Abs. 1 S. 3 BEEG die Kündigung für zulässig erklären. Ein solcher Aus­ nahmefall kann z.B. bei Betriebsstilllegung, Stilllegung der Betriebsabteilung ohne Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers, Verlagerungen von Betrieb oder Betriebsabteilungen ins Ausland gegeben sein. Eine ohne Zustimmung der zuständigen Stelle bzw. Behörde ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber während des Bestehens des Sonderkündigungsschutzes ist unwirksam. Nimmt der Arbeitnehmer die Elternzeit nicht für einen kompletten Zeitraum von zwei Jahren, sondern mit Unterbrechung, gilt hinsichtlich des Sonderkündigungsschutzes folgendes: Der Arbeitnehmer genießt für die Dauer des jeweiligen Elternzeitabschnitts Sonderkündigungsschutz. Der um acht Wochen vorverlagerte Sonderkündigungsschutz besteht nur unmittelbar vor dem ersten Elternzeitabschnitt, nicht vor dem zweiten bzw. weiteren Elternzeitabschnitten. Der Arbeitgeber kann daher zwischen den Elternzeitabschnitten das Arbeitsverhältnis kündigen, ohne dass es der Zustimmung der zuständigen Stelle bzw. Behörde bedarf. Wird die Elternzeit verkürzt, führt dies auch zu einer Verkürzung des Sonderkündigungsschutzzeitraumes. Entsprechendes gilt im Falle der rechtmäßigen Verlängerung der Elternzeit. Endet die Elternzeit, so endet auch der Sonderkündigungsschutz. Das Kündigungsverbot umfasst jede Kündigung und gilt auch bei Massenentlas­ sungen, in der Insolvenz sowie während eines Arbeitskampfes. Ist der Arbeitnehmer während der Elternzeit bei einem Dritten im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung tätig, genießt er in diesem Arbeitsverhältnis keinen Sonderkündigungsschutz.21 Hat der betroffene Arbeitnehmer im Rahmen der Elternzeit seine Arbeitszeit reduziert, so kommt ihm gem. § 18 Abs. 2 Nr. 1 BEEG der Sonderkündigungsschutz

21 BAG, Urt. v. 2.2.2006 – 2 AZR 596/04 –.

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ebenfalls zugute. Der Arbeitnehmer, der während der Elternzeit Teilzeit arbeitet, soll nicht schlechter gestellt werden, als der Arbeitnehmer, der seine Arbeit während der Elternzeit vollständig aufgibt. Auch Teilzeitbeschäftigte, welche einen Anspruch auf Elterngeld haben, aber 86 keine Elternzeit in Anspruch nehmen, sind vom Sonderkündigungsschutz erfasst (§ 18 Abs. 2 Nr. 2 BEEG) und genießen auch ohne Inanspruchnahme von Elternzeit bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats ihres Kindes Sonderkündigungsschutz. Dies betrifft Teilzeitbeschäftigte, die mit nicht mehr als 30 Stunden beschäftigt sind. Der Sonderkündigungsschutz besteht unabhängig davon, ob das Teilzeitarbeitsverhältnis vor oder erst nach der Geburt des Kindes begründet wurde.22 Die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer kann das Arbeitsverhältnis während der 87 gesamten Elternzeit jederzeit unter Berücksichtigung der für ihn einschlägigen Kündigungsfristen ordentlich kündigen. Darüber hinaus ist auch eine Kündigung aus wichtigem Grund gem. §  626 BGB sowie der Abschluss eines Aufhebungsvertrages möglich. Darüber hinaus steht der Arbeitnehmerin/dem Arbeitnehmer gem. §  19 BEEG 88 zum Ende der Elternzeit ein Sonderkündigungsrecht mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zu. Besteht für den Arbeitnehmer gesetzlich, einzelvertraglich oder tarifvertraglich eine längere Kündigungsfrist, braucht er diese nicht einzuhalten. Voraussetzung ist allerdings, dass das Beendigungsdatum des Arbeitsverhältnisses und das Beendigungsdatum der Elternzeit deckungsgleich sind. Besteht eine kürzere Kündigungsfrist, muss der Arbeitnehmer die Drei-Monats-Frist zwingend einhalten, will er das Arbeitsverhältnis gleichzeitig mit Beendigung der Elternzeit beenden. Diese Frist besteht zum Schutze des Arbeitgebers, der seine Personalplanung auf die Beendigung der Elternzeit ausgerichtet hat. Der Arbeitnehmer kann sich daher nicht auf eine für sein Arbeitsverhältnis sonst geltende kürzere Kündigungsfrist berufen. Wird die Kündigung lediglich zum Ende der Elternzeit aber ohne Einhaltung der dreimonatigen Frist erklärt, so ist die Kündigungserklärung gem. der §§ 133, 157 BGB dahingehend auszulegen, dass eine Beendigung zu dem erklärten Zeitpunkt gewollt ist, obwohl die Frist versäumt wurde. Sollte der Arbeitgeber nach Zugang einer solchen Kündigung schweigen, so ist dies als Verzicht auf die Einhaltung der Kündigungsfrist zu werten, was zur Folge hat, dass die Kündigung zum Ende der Elternzeit wirksam wird.23 Wird der Kündigung widersprochen, kann die Kündigungserklärung gem. § 140 BGB in eine Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt umgedeutet werden.

22 BAG, Urt. v. 27.3.2003 – 2 AZR 627/01 –. 23 ArbG Berlin, Urt. v. 21.6.2005 – 79 Ca 7822/05 –.

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A. Arbeitsrecht 

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X. Befristete Vertretung Kann der Arbeitgeber während der Elternzeit des Arbeitnehmers den Ausfall der 89 Arbeitskraft nicht durch vorgehaltene Personalreserven kompensieren, ist er gezwungen für die Dauer der Elternzeit eine Vertretung einzustellen. Da die Vertretung in der Regel nur für die Dauer der Elternzeit eingestellt werden soll, stellt der mit dem Vertreter zu schließende Vertrag ein befristetes Arbeitsverhältnis dar.24 Praxishinweis In § 21 BEEG ist lediglich geregelt, dass die Vertretung eines anderen Arbeitnehmers für die Dauer der Elternzeit einen sachlichen Befristungsgrund darstellt. Die gesetzlichen Regelungen des TzBfG finden jedoch auch Anwendung, wenn die Befristung ausdrücklich auf § 21 Abs. 1 BEEG gestützt wird. Insbesondere das Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG ist für die Wirksamkeit der Befristung einzuhalten.

Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, einen Vertreter einzustellen, der genau die glei- 90 chen Tätigkeiten zu erbringen hat, wie der in Elternzeit befindliche Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber hat auch die Möglichkeit, durch Umorganisation die bislang von dem in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmer erbrachten Arbeiten einem anderen Bestandsmitarbeiter zuzuweisen (soweit dies von dem Direktionsrecht des Arbeitgebers umfasst ist) und der Vertretungskraft eine Stelle zuzuweisen, die aufgrund der elternzeitbedingten Umorganisation vakant geworden ist. Nach der Rechtsprechung des BAG greift der Sachgrund des § 21 Abs. 1 BEEG sowohl in Fällen unmittelbarer als auch mittelbarerer Vertretung ein.25

1. Befristungsabrede Inhaltlich muss der Befristungsabrede nach § 21 BEEG der Zweck der Befristung zu 91 entnehmen sein. Neben dem Befristungszweck zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers kommt noch die Vertretung für die Dauer –– des Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz, –– einer Arbeitsfreistellung zur Betreuung eines Kindes, oder –– für diese Zeiten zusammen oder –– Teile davon sowie –– für notwendige Zeiten der Einarbeitung in Betracht. Weiterhin muss gem. § 21 Abs. 3 BEEG die Dauer der Befristung des Arbeitsvertra- 92 ges kalendermäßig bestimmt oder bestimmbar sein. Das Gesetz erlaubt demnach eine Zeit- sowie eine Zweckbefristung.

24 Siehe Kap. 7 – Befristung Rn 29. 25 BAG, Urt. v. 15.8.2001 = NZA 2002, 85.

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 Kapitel 11 Elternzeit

Die Befristung des Arbeitsvertrages mit dem Vertreter bedarf zur ihrer Wirksamkeit der Schriftform (§ 14 Abs. 4 TzBfG). Ob dogmatisch gesehen §  14 Abs. 1 Nr. 3 TzBfG und  §  21 BEEG nebeneinander 94 stehen, oder § 21 BEEG die speziellere Regelung darstellt, kann dahinstehen. Zumindest sind an die sachliche Rechtfertigung der Befristung nach § 21 BEEG keine strengeren Anforderungen zu stellen als die, welche in § 21 BEEG geregelt sind, wenn seine Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen.26 93

2. Kündigungsrecht

95 Soweit durch Tarifvertrag oder einzelvertraglich nicht ganz oder teilweise ausge-

schlossen, kann der Arbeitgeber das mit dem Vertreter abgeschlossene befristete Arbeitsverhältnis mit einer Frist von mindestens drei Wochen, jedoch frühestens zum Ende der Elternzeit, außerordentlich kündigen (§ 21 Abs. 4 BEEG). Die in § 21 Abs. 4 BEEG geregelte Frist verdrängt die in § 622 BGB geregelte Kündigungsfrist. Voraussetzung für dieses außerordentliche Sonderkündigungsrecht ist, dass 96 die Elternzeit des Vertretenen: –– ohne Zustimmung des Arbeitgebers vorzeitig endet und der in Elternzeit befindliche Arbeitnehmer die vorzeitige Beendigung der Elternzeit mitgeteilt hat. –– Der Arbeitgeber darf die vorzeitige Beendigung der Elternzeit wegen der Geburt eines weiteren Kindes des Vertretenen oder wegen eines besonderen Härtefalls mangels Vorliegens dringend betrieblicher Gründe nicht ablehnen. 97 Ein außerordentliches Sonderkündigungsrecht steht dem Arbeitgeber gegenüber dem Vertreter auch zu, wenn der Vertretene sein Arbeitsverhältnis im Wege der Eigenkündigung beendet. Auf dieses außerordentliche Sonderkündigungsrecht findet gem. §  21 Abs.  5 98 BEEG das Kündigungsschutzgesetz – einschließlich der Klageerhebungsfrist (§ 4 KSchG) – keine Anwendung.

XI. Betriebsverfassungsrecht 99 Arbeitnehmer in Elternzeit behalten das aktive und passive Wahlrecht. Sollten während der Elternzeit Betriebsratswahlen stattfinden, sind Arbeitnehmer in Elternzeit hierüber entsprechend zu informieren. Soweit ein Betriebsratsmandat besteht, bleibt dieses auch für die Dauer 100 der Elternzeit bestehen. Die Elternzeit des Betriebsratsmitglieds führt nicht zu einem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betriebsrat gem. §  25 Abs. 1 S. 1 BetrVG,27 es stellt auch keine zeitweilige Verhinderung i.S.v. § 25 Abs. 1 S. 2 BetrVG

26 Ascheid/Preis/Schmidt/Backhaus, § 21 BEEG, Rn 4. 27 BAG, Beschl. v. 25.5.2005 – 7 ABR 45/04 –.

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B. Steuerrecht 

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dar. Dem in Elternzeit befindlichen Betriebsratsmitglied steht es vielmehr frei, selbst zu entscheiden, ob es trotz der Elternzeit grundsätzlich weiter für die Arbeit im Rahmen des Betriebsrates zur Verfügung stehen will oder nicht. Möchte das Betriebsratsmitglied auch während der Dauer der Elternzeit seine Betriebsratstätigkeit ausüben, muss es dies dem Betriebsratsvorsitzenden entsprechend anzeigen. Nimmt das in Elternzeit befindliche Betriebsratsmitglied an Betriebsratssitzun- 101 gen teil, so sind ihm gem. § 40 BetrVG auch die Fahrtkosten zu ersetzen.28 Daneben hat das in Elternzeit befindliche Betriebsratsmitglied für die Zeit der Sitzungsteil­ nahme einen Vergütungsanspruch gem. § 44 Abs. 1 S. 2 BetrVG, welcher der Höhe nach dem individuellen Lohnanspruch entspricht, der zu zahlen wäre, wenn der Arbeitnehmer sich nicht in Elternzeit befände. Der individuelle Lohnanspruch ist nicht Ausdruck des Lohnausfallprinzips, sondern stellt eine eigenständige betriebsverfassungsrechtliche Anspruchsgrundlage dar.29 Checkliste –– Liegt fristgerechter Antrag auf Elternzeit vor? –– Ist die für den Arbeitnehmer zuständige Führungskraft über das Elternzeitbegehren informiert? –– Wünscht der Arbeitnehmer Teilzeit während der Elternzeit? Falls ja, ist eine Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag zu erstellen. Der Vertretungsbedarf für die Dauer der Elternzeit ist zu ermitteln und ggf. Versetzungen und befristete Neueinstellungen von Vertretern vorzunehmen. –– Die Dauer der Elternzeit ist der Krankenkasse mitzuteilen. –– Die Geburtsurkunde des Kindes ist zur Berechnung der Maximaldauer der Elternzeit einzuholen, zur Personalakte zu nehmen und eine weitere Kopie an die zuständige Krankenkasse zu senden. –– Es sollte eine Kontaktaufnahme mit dem in Elternzeit befindlichen Mitarbeiter vor Ablauf der Elternzeit erfolgen. –– Prüfung, welcher Arbeitsplatz dem Arbeitnehmer nach der Rückkehr aus der Elternzeit zur Verfügung gestellt werden kann. –– Falls der Arbeitnehmer vorzeitig aus der Elternzeit zurückkehrt, ist der befristete Arbeitsvertrag mit dem Vertreter zu kündigen (Sonderkündigungsrecht).

B. Steuerrecht Die steuerliche Förderung des Elterngelds zielt auf die finanzielle Stärkung jener 102 Familien ab, die Elternzeit beanspruchen und dabei vorübergehend einen (teilweisen) Wegfall der Erwerbseinnahmen hinnehmen. Durch den insoweit geschaffenen finanziellen Ausgleich soll die Akzeptanz der Elternzeit gesteigert werden. Diesen Förderungszwecken entsprechen im Übrigen auch die in einigen Bundesländern

28 BAG, Urt. v. 25.5.2005 – 7 ABR 45/04 = NZA 2005, 1002, 1003. 29 BAG, Urt. v. 31.5.1989 – 7 AZR 574/88 –.

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 Kapitel 11 Elternzeit

gewährten Landeserziehungsgelder, die zusätzlich beantragt werden können, sowie das sog. „Mutterschaftsgeld“.30

I. Arbeitgeberpflichten während der Elternzeit

103 Nach § 3 Nr. 67 EStG wird das Elterngeld lohnsteuerfrei gewährt. Arbeitgeber sind

in den Auszahlungsvorgang des Elterngeldes nicht involviert. Dennoch haben sie während dieses Zeitraums bestimmten lohnsteuerlichen Pflichten nachzukommen.

1. Bescheinigung der Höhe des Arbeitslohnes 104 Um die Höhe des Elterngeldanspruches des Arbeitnehmers berechnen zu können, haben Arbeitgeber den zuletzt erzielten Arbeitslohn zu bescheinigen. Auch eventuelle Abzüge und ggf. die Wochenarbeitszeit sind entsprechend zu bestätigen.

2. Lohnsteuerabzug bei Gewährung von Sachlohn während der Elternzeit

105 Zahlt ein Arbeitgeber auch während der Elternzeit freiwillig Arbeitslohn oder

gewährt bestimmte Sachbezüge (z.B. private Firmenwagennutzung), so unterliegen diese Vorteile dem normalen Lohnsteuerabzug. Wird auch oder ausschließlich steuerpflichtiger Sachlohn gewährt, kommt es 106 häufig vor, dass der geschuldete Barlohn zur Deckung der abzuführenden Lohnsteuer nicht ausreicht. In diesem Fall muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber den Fehlbetrag zur Verfügung stellen oder der Arbeitgeber muss einen entsprechenden Teil der anderen Bezüge des Arbeitnehmers zur Finanzierung der Lohnsteuer zurückbehalten.31 Nach der gesetzlichen Regelung hat der Arbeitgeber dem Betriebsstättenfi107 nanzamt den Sachverhalt anzuzeigen, soweit der Arbeitnehmer seiner vorstehend genannten Verpflichtung nicht nachkommt und der Arbeitgeber den Fehlbetrag nicht durch Zurückbehaltung von anderen Bezügen des Arbeitnehmers aufbringen kann.32 In diesen Fällen wendet sich das Finanzamt an den Arbeitnehmer und wird die zu wenig erhobene Lohnsteuer direkt von ihm nachfordern.33

30 Das Landeserziehungsgeld gibt es in folgenden vier Bundesländern: Bayern, BadenWürttemberg, Sachsen und Thüringen. Das Mutterschaftsgeld wird von den Krankenkassen ausgezahlt, Arbeitgeber müssen u.U. einen (steuerfreien) Arbeitgeberzuschuss leisten. 31 § 38 Abs. 4 S. 1 EStG. 32 § 38 Abs. 4 S. 2 EStG. 33 § 38 Abs. 4 S. 4 EStG.

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B. Steuerrecht 

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Praxistipp –– Die private Nutzung des Firmenwagens während der Elternzeit stellt einen lohnsteuerpflichtigen Sachbezug dar. Da der Arbeitnehmer den Firmenwagen während dieser Zeit jedoch nicht für die Wege zwischen der Wohnung und der regelmäßigen Arbeitsstätte nutzt, muss bei Anwendung der pauschalen Versteuerungsmethode lediglich der 1-%-Wert als geldwerter Vorteil angesetzt werden –– Bei nicht ausreichendem Barlohn sollte ein Verfahren eingeführt werden, dass ohne eine Anzeige beim Betriebsstättenfinanzamt eine praktikable Finanzierung der Lohnsteuer sicherstellt.

II. Praktische Hinweise zur Elternzeit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer 1. Optimierungsmöglichkeiten hinsichtlich des Nettogehalts a) Steuerklassenwechsel beeinflusst Elterngeldanspruch Die Höhe des Elterngeldes orientiert sich am zuletzt erzielten Nettoeinkommen. 108 Dementsprechend kommt der jeweiligen Steuerklassenkombination bei Ehegatten (bzw. auch dem Faktorverfahren bei Steuerklassenwahl IV/IV) besondere Bedeutung zu. Ein Wechsel der Steuerklassenkombination kann die Höhe des Nettolohnes verändern und damit auch die Höhe des Elterngeldes beeinflussen. Dasselbe trifft auf Freibeträge auf der Lohnsteuerkarte zu. Auch diese wirken sich auf die Höhe des Nettolohnes und somit auf das Elterngeld günstig aus. Das BSG hat die Zulässigkeit solcher steuerlicher Gestaltungen während 109 der Schwangerschaft mit dem Ziel der Erhöhung des später gezahlten Elterngeldes mit zwei Grundsatzurteilen bestätigt.34 Danach ist ein solcher Steuerklassenwechsel innerhalb der Schwangerschaft grundsätzlich zu berücksichtigen. Rechtsmissbräuchlich ist ein solcher Wechsel auch dann nicht, wenn dieser nur zum Zwecke eines höheren Elterngeldbezuges vorgenommen wurde.

b) Zahlungen zur Altersvorsorge Sollten auch während der Elternzeit Vorsorgezahlungen erfolgen, hat sich die lohn- 110 steuerliche Behandlung dieser Zahlungen ebenso nach § 3 Nr. 62 ff. EStG zu richten. Auch während der Elternzeit besteht ggf. ein Anspruch auf Altersvorsorgezulage für Beiträge, die in einen sog. „Riestervertrag“ geleistet werden. Nach einer Entscheidung des BSG gehören steuerfreie Arbeitgeberbeiträge 111 zur betrieblichen Altersversorgung nicht zum berücksichtigungsfähigen Nettoeinkommen.35 Diese Beiträge bleiben bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage für die Elterngeldberechnung demnach außen vor. Maßgeblich ist die Summe der steuerpflichtigen positiven Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Insoweit ist auch

34 BSG, Urt. v. 25.6.2009 – Az. B 10 EG 3/08 R – und – B 10 EG 4/08 R –. 35 BSG, Urt. v. 25.6.2009 – Az. B 10 EG 9/08 R –.

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 Kapitel 11 Elternzeit

unbeachtlich, ob der Arbeitgeber diese Beiträge erbringt oder die Finanzierung im Wege der Gehaltsumwandlung durch den Arbeitnehmer erfolgt. Praxistipp Im Vorfeld der Elternzeit ist demnach eine Aussetzung von Einzahlungen in betriebliche Altersvorsorgesysteme zu empfehlen, die per Gehaltsumwandlung erfolgen. Dadurch wird das berücksichtigungsfähige Nettoeinkommen des für die Elterngeldberechnung relevanten Zeitraums erhöht.

c) Gehaltszuschläge

112 Arbeitgeber können Gehaltszuschläge leisten, die bei Ermittlung des relevanten Net-

togehalts als Bemessungsgrundlage für das Elterngeld erhöhend zu berücksichtigen sind. Hierunter fallen bspw. Familien- oder Kinderzuschlagsleistungen. Auch Umsatzbeteiligungen finden insoweit Berücksichtigung.

2. Progressionsvorbehalt

113 Im Rahmen der Einkommensteuererklärung werden das Elterngeld – auch hinsicht-

lich des Sockelbetrages von 300 €36 – progressionserhöhend berücksichtigt (vgl. § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 1j EStG). Dementsprechend kann es für die in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmer im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung zu einer Steuernachforderung kommen.

3. Doppelte Haushaltsführung während der Elternzeit

114 Viele Arbeitnehmer behalten ihre aus beruflichen Gründen bezogene Zweitwohnung

auch während der Elternzeit bei, obwohl sie sich in diesem Zeitraum tatsächlich am Ort des eigenen Hausstands – am sog. Familienwohnsitz – aufhalten. Faktisch kommt dies einer Unterbrechung der steuerlich begründeten doppelten Haushaltsführung gleich. Steuerrechtlich wird insoweit jedoch kein Unterschied gemacht. Sofern weiterhin die Absicht zur Fortführung der doppelten Haushaltsführung für die Zeit nach Beendigung der Elternzeit fortbesteht, können Arbeitgeber die notwendigen Unterkunftskosten für eine Zweitwohnung weiterhin steuerfrei erstatten bzw. Arbeitnehmer diese Kosten im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung als (vorweggenommene) Werbungskosten geltend machen. Entscheidend ist insoweit allein der hinreichend konkrete und objektiv erkennbare Zusammenhang mit den künftig erwarteten besteuerbaren Einnahmen. Die Veranlassung der Aufwendungen

36 Vgl. BFH, Urt. v. 21.9.2009 – Az. VI B 31/09 –; s.a. BVerfG, Beschl. v. 20.10.2010 – Az. 2 BvR 2604/09 –.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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durch den künftig (wieder) auszuübenden Beruf muss dem Finanzamt ggf. dargelegt werden.37

4. Teilzeiterwerbstätigkeit während der Elternzeit Auch während der Elternzeit haben Arbeitnehmer die Möglichkeit, einer Teilzeiter­ 115 werbstätigkeit von bis zu 30 Wochenstunden nachzugehen. Beiderseits berufstätige, gemeinsam erziehende Eltern können somit insgesamt 60 Wochenstunden erwerbstätig sein. In diesem Fall verliert ein Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Elterngeld nicht. Jedoch wird das Elterngeld nur noch mit 67 % des entfallenden Teil­ einkommens berechnet. Als Einkommen vor der Geburt wird maximal ein Betrag von 2.700 € berücksichtigt. Steuerliche Besonderheiten hinsichtlich der Einnahmen aus der Teilzeittätigkeit bestehen nicht.

C. Sozialversicherungsrecht I. Inanspruchnahme von Elternzeit ohne die Ausübung einer Teilzeitbeschäftigung Während der Zeit, für die Elternzeit in Anspruch genommen wird, gelten besondere 116 Regeln betreffend die Versicherungspflicht in der Sozialversicherung.

1. Kranken- und Pflegeversicherung Im Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung sind grundsätzlich alle gegen 117 Arbeitsentgelt Beschäftigte versicherungspflichtig (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB XI). In der Elternzeit wird aber gerade kein Entgelt mehr bezahlt, auch die Ausübung der Tätigkeit erfolgt während dieser Zeit nicht. Die Mitgliedschaft Ver­ sicherungspflichtiger bleibt jedoch aufgrund der Sonderregelung des §  192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V in der Krankenversicherung und wegen der Spezialnorm des § 49 Abs. 2 SGB X beitragsfrei erhalten, solange Elternzeit genommen wird. Auch für Versicherte, die vor der Geburt des Kindes durch den Ehepartner in der gesetzlichen Krankenversicherung familienversichert waren, treten keine Änderungen ein. Diese Vorschrift gilt nicht für freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung 118 Versicherte. Dies ist aber auch nicht erforderlich, da eine freiwillige Versicherung nicht an eine Beschäftigung gegen Entgelt anknüpft. Wie das Wort „freiwillig“ schon deutlich macht, ist die Versicherung gegen das Risiko der Krankheit und Pflegebedürftigkeit nicht verpflichtend, weder während der Beschäftigung noch während der Elternzeit. In § 191 SGB V ist abschließend aufgezählt, welche Umstände das Ende der

37 FG Niedersachsen, Urt. v. 17.9.2004 – 11 K 579/00 –; s.a. Hartz/Meeßen/Wolf, Elterngeld, Rn 3.

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 Kapitel 11 Elternzeit

Mitgliedschaft herbeiführt; die Inanspruchnahme von Elternzeit ist dort nicht aufgeführt.38 119 Als ein weiteres Resultat aus der Freiwilligkeit folgt, dass freiwillige Mitglie­ der in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung während der Elternzeit grundsätzlich in voller Höhe für die Beiträge aufkommen müssen; ggf. zahlen sie den Mindestbeitrag. Auch der Beitragszuschuss des Arbeitgebers nach §§ 257 SGB V und 61 SGB XI entfällt, weil der Zuschuss voraussetzt, dass ein Anspruch auf Entgelt besteht.39 Das Elterngeld wir dabei jedoch nicht als Grundlage für die Beitragsermittlung 120 herangezogen.40 Praxistipp Freiwillige Mitglieder sind während der Elternzeit bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen über den Ehegatten familienversichert.

2. Arbeitslosenversicherung a) Versicherungspflicht während der Elternzeit 121 Personen, die ein Kind erziehen, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind in dieser Zeit nach § 26 Abs. 2a SGB III in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig, wenn sie –– unmittelbar vor der Kindererziehung versicherungspflichtig waren, eine laufende Entgeltersatzleistung nach dem SGB  III bezogen oder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt haben, die ein Versicherungspflichtverhältnis oder den Bezug einer laufenden Entgeltersatzleistung nach dem SGB III unterbrochen hat, und –– sich mit dem Kind im Inland gewöhnlich aufhalten oder bei Aufenthalt im Ausland Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG oder BKGG haben oder ohne die Anwendung des § 64 oder § 65 EStG oder des § 3 oder § 4 BKGG haben würden. 122 Dies bedeutet, dass obwohl keine Beschäftigung gegen Entgelt besteht, dem Elternteil keine Nachteile in der Arbeitslosenversicherung entstehen, die bei Betroffenen bei Unterbrechung ihrer Beschäftigung wegen der Kindererziehung entstehen könnten.

b) Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld 123 Für den Bezug des Arbeitslosengeldes hat die Inanspruchnahme von Elternzeit in zweierlei Hinsicht Bedeutung:

38 Buchner/Becker, Vorbemerkung zu §§ 5–21 Rn 52. 39 Buchner/Becker, a.a.O. Rn 54. 40 § 224 Abs. 1 SGB V.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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–– Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosengeld ist u.a., dass während der zwölfmonatigen Anwartschaftszeit (§  123 SGB  III) innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist (§  124 SGB  III) vor der Arbeitslosmeldung und der eingetretenen Arbeitslosigkeit ein Versicherungspflichtverhältnis bestand. Da der Elternteil während der Elternzeit versicherungspflichtig in der Arbeitslosenversicherung ist, ist diese Voraussetzung erfüllt und damit wirkt sich die Elternzeit anwart­ schaftserhaltend aus. –– Zum anderen wirkt sich die Inanspruchnahme von Elternzeit bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage für die Höhe des Elterngeldes aus. –– Grundsätzlich wird der Bemessung das beitragspflichtige Entgelt, das im Bemessungsrahmen von einem Jahr vor Eintritt der Arbeitslosigkeit bezogen worden ist, zu Grunde gelegt.41 –– Die Zeiten, in denen ein Elternteil wegen der Betreuung eines Kindes ein vermindertes oder wie vorliegend kein Arbeitsentgelt bezieht, bleiben bei der Bemessung unberücksichtigt.42 Auch hier wird dem Gedanken Rechnung getragen, dass sich die Inanspruchnahme von Elternzeit nicht negativ auf den Anspruch auf Arbeitslosengeld auswirken soll. Wird also ein Arbeitnehmer im Anschluss an die Elternzeit arbeitslos, ist deshalb auf das Arbeitsentgelt vor Beginn der Elternzeit abzustellen. Beispiel Eine Arbeitnehmerin ist seit dem 1.1.2005 bei Arbeitgeber A beschäftigt. Sie bekommt am 15.4.2007 ein Kind und nimmt bis zum 14.4.2010 Elternzeit in Anspruch. Drei Monate vor Ende der Elternzeit kündigt sie ihr Arbeitsverhältnis zum 14.4.2010. Ab dem 15.4.2010 ist sie arbeitslos. Da sie in den letzten zwölf Monaten innerhalb der letzten zwei Jahre im Rahmen von Elternzeit versicherungspflichtig zur Arbeitslosenversicherung war, stellt sich noch die Frage der Höhe des Arbeitslosengeldes. In den letzten drei Jahren befand sich die Arbeitnehmerin in Elternzeit, daher ist auf das beitragspflichtige Entgelt des letzten Jahres vor Beginn der Elternzeit abzustellen.

3. Rentenversicherung In der gesetzlichen Rentenversicherung wird ebenfalls grundsätzlich auf ein 124 Beschäftigungsverhältnis abgestellt, um Versicherungspflicht zu begründen. Allerdings gibt es auch hier eine Sonderregelung, die den erziehenden Elternteil als sonstigen Versicherten pflichtversichern.43 Wenn also ein Elternteil ein Kind in Deutschland erzieht und sich sowohl der 125 Elternteil als auch das Kind dort gewöhnlich aufhält, sind diese Kindererziehungs­ zeiten bis zum Ende des dritten Lebensjahres nach § 56 SGB VI anzurechnen. Dies

41 §§ 130 Abs. 1, 131 SGB III. 42 § 130 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 SGB III. 43 § 3 S. 1 Nr. 1 SGB VI.

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 Kapitel 11 Elternzeit

erfolgt aber nicht automatisch, vielmehr muss ein Antrag beim zuständigen Rentenversicherungsträger gestellt werden. Dafür werden dem Rentenkonto des erziehenden Elternteils Pflichtbeiträge in 126 Form von sog. Entgeltpunkten gutgeschrieben, ohne dass dieser eigene Beiträge dazu entrichtet. Die Rentenbeiträge zahlt insoweit der Bund. Kindererziehungszeiten erhöhen die Rente also unmittelbar. Die Erziehungszeit wird dem Elternteil zugeordnet, der das Kind überwiegend 127 erzogen hat.44 Haben beide Elternteile das Kind gemeinsam erzogen, wird die Kindererziehungszeit – wohl noch aus historischen Gründen – grundsätzlich automatisch bei der Mutter angerechnet. Sofern der Vater die Kindererziehungszeit erhalten soll, muss dies ebenfalls beantragt und von beiden Eltern unterschrieben werden.45 Die Kindererziehungszeit beginnt mit dem Monat nach der Geburt des Kindes 128 und endet 36 Monate später (§ 56 Abs. 5 S. 1 SGB VI). Sofern während dieser Zeit ein weiteres Kind geboren wird, für das Kindererziehungszeiten anzurechnen sind, verlängern sich diese um die Anzahl an Monaten, in denen die Kinder gleichzeitig betreut werden. Beispiel Eine Arbeitnehmerin ist seit dem 1.1.2005 bei Arbeitgeber A beschäftigt. Sie bekommt am 15.4.2007 ein Kind und nimmt bis zum 14.4.2010 Elternzeit in Anspruch. Am 1.5.2009 wird das zweite Kind geboren. Auch für dieses Kind nimmt Sie die vollen drei Jahre Elternzeit in Anspruch, ohne eine Beschäftigung auszuüben. Für das erste Kind begann die rentenrechtliche Erziehungszeit im Mai 2007 und endete im April 2010. Für Kind 2 würden grundsätzlich Kindererziehungszeiten von Juni 2009 bis Mai 2012 angerechnet. Im Zeitraum von Juni 2009 bis April 2010 überschneidet sich die Elternzeit und damit auch die Kindererziehungszeiten. Daher verlängern sich die Kindererziehungszeiten um diese Monate.

4. Unfallversicherung

129 Der Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung besteht grundsätzlich ausschließ-

lich darin, Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheits­ gefahren zu verhüten. Sollten diese Gefahren eingetreten sein, ist es Aufgabe der gesetzlichen Unfall130 versicherung die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen. Auch in der gesetzlichen Unfallversicherung wird die Versicherungspflicht an das 131 Bestehen einer Beschäftigung gegen Entgelt geknüpft.46 Solange aber Elternzeit in Anspruch genommen wird, fehlt es mangels weiterer Eingliederung in die Arbeits­

44 § 56 Abs. 2 S. 1 und 9 SGB VI. 45 § 56 Abs. 2 S. 3 SGB VI. 46 § 2 Abs. 1 Nr. SGB VII.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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organisation an einer versicherten Tätigkeit als Arbeitnehmer. Eine Sondervorschrift im Bereich der Unfallversicherung besteht nicht. Dies ist aber auch nicht nötig, da der Elternteil auch nicht den Gefahren, die bei der Beschäftigung ggf. drohen, ausgesetzt ist. Es fehlt einfach an der Schutzbedürftigkeit, so dass eine Absicherung in der deutschen Unfallversicherung während der Elternzeit nicht erfolgt.

II. Inanspruchnahme von Elternzeit unter Ausübung einer Teilzeitbeschäftigung 1. Kranken- und Pflegeversicherung Zunehmend mehr Arbeitnehmer üben während der Elternzeit eine Teilzeitbeschäf­ 132 tigung aus. Im Grundsatz gelten hier die allgemeinen Regeln, nämlich dass Versicherungspflicht wegen einer Beschäftigung gegen Entgelt besteht, § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 S. 1 i.V.m. S. 2 Nr. 1 SGB XI. Um die Aufnahme einer Beschäftigung während der Elternzeit zu begünstigen, 133 gibt es für freiwillig in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung versicherte Personen die Möglichkeit sich von dieser Versicherungspflicht befreien zu lassen, wenn eine Teilzeittätigkeit während der Elternzeit aufgenommen wurde und erst dadurch Versicherungspflicht entsteht.47 Dieser Antrag ist binnen drei Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht – 134 also Aufnahme der Beschäftigung – bei der zuständigen Krankenkasse zu stellen, § 8 Abs. 2 SGB V. Beginn der Befreiung ist grundsätzlich ab Beginn der Versicherungspflicht. Praxistipp Die Befreiung von der Versicherungspflicht gilt nur für die Dauer der Elternzeit. Für eine eventuelle Teilzeittätigkeit nach dem Ende der Elternzeit ist § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V maßgebend. Dazu muss der Beschäftigte mindestens fünf Jahre vor Beginn der Elternzeit bereits über der Jahresarbeitsentgeltgrenze gelegen haben.

2. Arbeitslosen-, Renten- und Unfallversicherung In allen übrigen Zweigen der Sozialversicherung gelten die allgemeinen Regeln. Es 135 besteht Versicherungspflicht aufgrund einer ausgeübten Beschäftigung.

47 § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB V i.V.m. § 22 Abs. 1 SGB XI.

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Kapitel 12 Entsendung A. Arbeitsrecht I. Einleitung In den letzten zehn Jahren konnte eine Zunahme von Entsendungen in internationa- 1 len Unternehmen um bis zu 25 % verzeichnet werden. Bis 2020 wird eine Steigerung der Entsendepopulation um weitere 50 % erwartet.1 Nicht nur für die sog. Global Player, sondern auch für kleinere und mittelstän- 2 dische Unternehmen steigt aufgrund der immer enger werdenden internationalen Verflechtungen der Märkte und des zum Teil stärkeren Wettbewerbsdrucks die Notwendigkeit von Auslandseinsätzen ihrer Arbeitnehmer. Während die bereits international agierenden Unternehmen häufig eigene 3 Abteilungen haben, die ausschließlich für die Koordination und Organisation von Auslandseinsätzen ihrer Arbeitnehmer zuständig sind, steigt auch für kleinere und mittelgroße Unternehmen, die nicht über eigene Expertise in Bezug auf Auslandseinsätze verfügen, der Bedarf an Informationen und Beratung auf diesem Gebiet. Oftmals steht der Einsatz unter einem gewissen Zeitdruck, so dass schnell eine Entscheidungsgrundlage geschaffen werden muss, auf deren Basis effizient die weiteren Schritte eingeleitet werden können.

1. Begrifflichkeiten Häufig werden im Zusammenhang mit dem Auslandseinsatz von Arbeitnehmern 4 unterschiedliche Begrifflichkeiten verwendet, meist in Abhängigkeit von der Dauer des Auslandseinsatzes und der Bindung an die beteiligten Gesellschaften/Arbeitgeber. Nicht immer werden die Begrifflichkeiten im rechtstechnischen Sinne verstanden; es herrscht eine uneinheitliche Terminologie vor: Auslandseinsatz: 5 –– Dienst-/Geschäftsreise, –– Long/short term assignment, –– Secondment, –– In-/Outbound, –– Expatriate, –– Versetzung, –– Übertritt, –– Abordnung, –– Delegation, –– Entsendung.

1 Quelle: PwC International Mobility Database sample 900 companies.

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 Kapitel 12 Entsendung

6 Beteiligte Unternehmen:

–– Stammhaus oder Inlandsgesellschaft (home company), –– Auslandsgesellschaft (host company). 7 Im Folgenden sollen die in der Praxis am häufigsten gebrauchten Begrifflichkeiten voneinander abgegrenzt werden: Eine Dienst-/Geschäftsreise dauert in der Regel einige Tage bis max. drei Monate, abhängig vom Inhalt der Tätigkeit. Es kommt zu keiner Änderung der arbeitsvertraglichen Grundlagen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Der Lebensmittelpunkt des Arbeitnehmers bleibt im Inland. Die Wahrnehmung einer Dienst-/Geschäftsreise erfolgt im Rahmen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts gem. § 107 GewO und richtet sich nach den im Arbeitsvertrag geregelten Bedingungen wie z.B. der konkreten Tätigkeitsbeschreibung. Eine Dienst-/ Geschäftsreise ist keine Entsendung im eigentlichen Sinne: der Begriff entstammt dem deutschen Steuerrecht. Ein Übertritt liegt vor, wenn das Arbeitsverhältnis im Inland beendet wird und 8 ein neues Arbeitsverhältnis mit der lokalen Auslandsgesellschaft geschlossen wird. Für den Arbeitsvertrag gelten dann im Grundsatz die Rechtsvorschriften des aufnehmenden Staates. Häufig sind Mischformen anzutreffen, bspw. die Beendigung des Inlandsarbeitsvertrages bei gleichzeitigem Abschluss eines Auslandsarbeitsvertrages. Zusätzlich erhält der Arbeitnehmer eine „Re-entry“ Zusage von der Inlandsgesellschaft. Eine Versetzung liegt in der Regel bei Auslandseinsätzen ab zwei Jahren vor, wird 9 aber auch bei kürzeren Einsätzen verwendet. Versetzung ist in diesem Zusammenhang kein feststehender arbeitsrechtlicher Begriff; häufig wird auch hier der Begriff „Entsendung“ verwendet. Entscheidendes Abgrenzungskriterium zur Entsendung im eigentlichen Sinne ist, dass die Hauptpflichten aus dem inländischen Arbeitsvertrag (Zahlung der Vergütung und Arbeitskraft) aufgrund der längerfristigen Tätigkeit im Ausland ruhend gestellt sind, weil eine Anbindung an den Entsendungsstaat nicht mehr zweckmäßig und sachgerecht erscheint. An die Stelle des bisherigen Arbeitsvertrages tritt als neuer Vertrag eine sog. Entsendungsvereinbarung.2 Dort werden neben dem Zeitraum des Auslandsaufenthaltes die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien geregelt und/oder die Ruhensvereinbarung des inländischen Arbeitsvertrages sowie ggf. der Abschluss eines Vertrages mit der Auslandsgesellschaft. Eine Befristung der Entsendevereinbarung ist durch das Vorliegen eines sachlichen Grundes gerechtfertigt. Um den Anforderungen an eine gesicherte Rückkehrmöglichkeit i.S.d. § 4 SGB IV gerecht zu werden, ist es erforderlich, dass die Entsendevereinbarung befristet abgeschlossen wird. Der Arbeitnehmer wird in die Organisation und die betrieblichen Abläufe der Auslandsgesellschaft eingegliedert und unterliegt den dortigen Weisungen.

2 BAG, Urt. v. 14.7.2005 – AZR 392/04 = NZA 2005, 1411.

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Praxistipp In jedem Fall sind die abzuschließenden Vereinbarungen rechtlich und inhaltlich aufeinander abzustimmen. Im Beendigungsfall ist zu prüfen, mit welcher Gesellschaft Arbeitsverhältnisse bestehen. Im Zweifel ist jedes Arbeitsverhältnis separat durch die jeweilige Gesellschaft selbst bzw. durch den Arbeitnehmer gegenüber der jeweiligen Gesellschaft zu beenden.

Der Begriff der Entsendung stammt aus dem deutschen Sozialrecht und ist keine 10 arbeitsrechtliche Begrifflichkeit im engeren Sinne. Entsendung bedeutet danach die weisungsgemäße Aufnahme einer befristeten Beschäftigung in einem anderen Land als der Bundesrepublik Deutschland für einen in Deutschland ansässigen Arbeitgeber im Rahmen eines inländischen Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitsvertrag mit der Inlandsgesellschaft bleibt weiter bestehen, der Arbeitnehmer unterliegt weiterhin den Weisungen der Inlandsgesellschaft und bleibt deren Organisation/Betrieb zugeordnet. Zusätzlich wird mit der Inlandsgesellschaft eine Entsendungsvereinbarung über die Konditionen der Entsendung geschlossen. Nach deutschem Recht ist die Entsendungsvereinbarung demnach eine Modifizierung des bestehenden Inlandsarbeitsvertrages. Es werden keine arbeitsvertraglichen Vereinbarungen mit der Auslandsgesellschaft geschlossen. Die Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Auslandsgesellschaft ist eine rein faktische ohne eine unmittelbare rechtliche Anbindung. Praxistipp Bevor eine solche vertragliche Konstellation geschaffen wird, ist stets zu prüfen, ob das Rechtsregime des Auslandsstaates dem nicht entgegensteht oder ob ein lokaler Vertrag mit der Auslandsgesellschaft im Hinblick auf eine Aufenthaltserlaubnis o.ä. abgeschlossen werden muss!

Im Folgenden wird der Einfachheit halber der Begriff „Entsendung“ verwendet, da 11 sich dieser weitgehend im Sprachgebrauch „eingebürgert“ hat.

2. Überlegungen im Vorfeld/Vorbereitung Im Vorfeld der Planungen für eine Entsendung eines Arbeitnehmers ins Ausland ist 12 der Grund für die Entsendung zu ermitteln: Liegt er in der Unternehmensphilosophie begründet, gibt es eine unternehmerische Notwendigkeit für die Entsendung ins Ausland oder erfolgt diese auf Wunsch des Arbeitnehmers? Insbesondere in international tätigen Konzernen ist ein Auslandseinsatz häufig 13 ein unabdingbarer Schritt, um die nächste Stufe der Karriereleiter im Konzern zu erreichen. Mit dem Auslandseinsatz stellt der Arbeitnehmer unter Beweis, dass er über Flexibilität, Belastbarkeit und die Fähigkeit verfügt, sich mit veränderten Rahmenbedingungen (Kultur, Sprache, fremdes Wirtschaftssystem etc.) auseinandersetzen zu können. Hat er sich auf dem Auslandsposten bewährt, qualifiziert ihn das u.U. für die Übernahme von Managementfunktionen im Unternehmen/Konzern.

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Ein weiterer Grund, einen Auslandseinsatz in Erwägung zu ziehen, kann in einer wirtschaftlichen Chance liegen, bspw. um eine Produktion im Ausland aufzubauen oder den Marktauftritt in einer ausländischen Volkswirtschaft vorzubereiten. In einem solchen Fall rückt der Karriereaspekt in den Hintergrund. Der Auslandsaufenthalt liegt hier viel stärker im Interesse des Arbeitgebers, genau diese(-n) Arbeitnehmer im Ausland einzusetzen, damit entsprechende Tätigkeiten übernommen und Fachkenntnisse in die Auslandsgesellschaft transferiert werden. Schließlich kann einem Auslandseinsatz auch der Wunsch des Arbeitnehmers zugrunde liegen, einmal im Ausland zu arbeiten und zu leben. In der Praxis wird dieser Grund sicherlich am wenigsten häufig und immer nur dann anzutreffen sein, wenn der Arbeitgeber große Hoffnungen in den Arbeitnehmer setzt und ihn im Unternehmen halten will. Ein Auslandseinsatz ist oft eine große Herausforderung und stellt insbesondere für den betroffenen Arbeitnehmer eine Zäsur in seinem Berufsleben dar. Er muss für einen bestimmten Zeitraum seinen Lebensmittelpunkt verlagern und ggf. dafür Sorge tragen, dass seine Familie die Entscheidung mitträgt. Aber auch für das Unternehmen stellt ein Auslandseinsatz ein nicht zu unterschätzendes Risiko dar. Der Unternehmer verknüpft mit der Entsendung des Arbeitnehmers bestimmte Erwartungen, die nicht zwingend von einem wirtschaftlichen Erfolg gekrönt sein müssen. Aus diesem Grund sollten im Vorfeld eines Auslandseinsatzes alle Maßnahmen und Vorkehrungen getroffen werden, um möglichst viele Unwägbarkeiten auszuschließen und eine möglichst breite Basis an Fakten und gesicherten Erkenntnissen zu schaffen, auf deren Grundlage dann eine Entscheidung getroffen werden kann. Praxistipp Ein Instrument hierfür ist die Durchführung eines sog. „Look and see-Trips“. Bevor ein Arbeitnehmer ins Ausland entsendet wird, sollte er ggf. mit seiner Familie einen kurzen, aber zusammenhängenden Aufenthalt im Gastland verbringen, um sich vor Ort ein eigenes Bild über die Verhältnisse, von Land und Leute sowie des Betriebs machen zu können und auf Grundlage der gewonnen Eindrücke dann eine endgültige Entscheidung treffen zu können.

19 Der Arbeitnehmer und dessen Familie müssen für den Auslandsaufenthalt gesund-

heitlich geeignet sein. Bei Aufenthalten in bestimmten Ländern ist die vorherige Durchführung einer Tropentauglichkeitsuntersuchung sinnvoll. Dies ist eine ärztliche Untersuchung, die vor der Abreise durchgeführt werden muss. Hierdurch werden u.a. bei Eintritt einer Krankheit Ansprüche für den Fall einer Berufserkrankung gewahrt. Auch regelmäßige Zwischenuntersuchungen sowie eine Abschlussuntersuchung nach der Rückkehr können je nach Gastland erforderlich und sinnvoll sein.

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Praxistipp Länder, für die eine Tropentauglichkeitsuntersuchung sinnvoll ist und die Institute, die eine solche Untersuchung durchführen, finden Sie z.B. auf der Website des Robert-Koch-Instituts unter www.rki.de.

Zur weiteren Vorbereitung eines Auslandsaufenthaltes gehört auch die Vorbereitung auf den Gaststaat: Sprache, Kultur, Besonderheiten, Sitten und Gebräuche im Gaststaat sind nicht nur im Geschäftsverkehr, sondern auch im privaten Umfeld von Bedeutung. Zur besseren Vorstellung der Voraussetzungen im Einsatzland empfiehlt sich der Besuch von interkulturellen Vorbereitungskursen durch den Arbeitnehmer und den Partner. Diese Kurse bieten neben der Darstellung von wirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten im Einsatzland einen Überblick, welche Gepflogenheiten im beruflichen und privaten Umfeld zu beachten sind. In vielen Unternehmen ist Geschäftssprache Englisch. Im Geschäftsalltag kann der Arbeitnehmer grundsätzlich in der englischen Sprache mit Kollegen kommunizieren. Trotzdem lehrt die Erfahrung, dass das Erlernen der dazugehörigen Landessprache durch den Arbeitnehmer unerlässlich ist. Es hat sich gezeigt, dass ohne Kenntnis der Landessprache eine Integration des Arbeitnehmers vor Ort im privaten, aber auch im beruflichen Umfeld nicht funktioniert. Sprachkurse sollten frühzeitig vor Beginn des Auslandseinsatzes begonnen und besucht werden. Der Erfolg eines Auslandseinsatzes hängt nicht zuletzt von frühzeitiger und umfassender Planung ab. Mit der Einsatzplanung sollte mindestens drei Monate vor der tatsächlichen Ausreise begonnen werden. Der Arbeitgeber ist aufgrund seiner Fürsorgepflicht gehalten, den Arbeitnehmer umfassend über den Einsatz zu informieren. Daneben muss der Arbeitnehmer sein komplettes Privatleben auf den Einsatz einstellen. Er muss Kündigungsfristen einhalten (z.B. für Wohnung, Versicherungen, Mitgliedschaften), Pässe, Visum und Internationalen Führerschein beantragen, den Umzug planen, Versicherungen für den Auslandseinsatz abschließen, sich im Ausland eine neue Wohnung suchen und im Ausland ein Konto eröffnen.

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Praxistipp Der Arbeitgeber kann für den Arbeitnehmer eine Bestätigung ausstellen, durch die dieser nachweisen kann, dass er aus beruflichen Gründen Deutschland kurzfristig verlassen muss. Viele Mobilfunk- oder Fitness Studio-Verträge sehen bei Vorlage einer solchen Bestätigung eine kurze oder verkürzte Kündigungsfrist vor.

In der Praxis hat sich der Einsatz von Checklisten bewährt. Diese können dabei 24 helfen, sicherzustellen, dass kein Aspekt vergessen oder vernachlässigt wurde oder bestimmte Dokumente wie z.B. ein Einreisevisum nicht oder zu spät beantragt werden. Die angefügte Checkliste ist nur als Grobmuster zu verstehen und sollte für den tatsächlichen Gebrauch noch wesentlich detaillierter ausgestaltet werden.

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Checkliste Look-and-See-Trip To Do Wohnungssuche Schule/Kindergarten Erkundung der Infrastruktur Besuch der künftigen Arbeitsstelle Visa-Angelegenheiten Sonstiges Vorbereitung/Ausreise To Do Kulturelle Vorbereitung Fachliche Vorbereitung Umzugsplanung Gesundheitsvorsorge Versicherungen Bankgeschäfte Sonstiges Rückkehr To Do Kulturelle Vorbereitung Fachliche Vorbereitung Umzugsplanung Gesundheitsvorsorge Versicherungen Bankgeschäfte Sonstiges

Zuständigkeit

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Frist

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3. Visa, Arbeitserlaubnis und Aufenthaltsgenehmigung

25 Vor dem Auslandseinsatz sollte mit einem ausländischen Visaexperten oder einem

Anwalt geklärt werden, welche Papiere (Aufenthaltsgenehmigung, Visum, Arbeitserlaubnis, Reisedokumente, Verträge, Übersetzungen, Beglaubigungen etc.) benötigt werden. Die erforderlichen Dokumente hängen von den jeweiligen Einreisebestimmungen des Entsendelandes ab. Vorabinformationen können über die Internetseiten des Auswärtigen Amtes (www.auswaertiges-amt.de) eingeholt werden, ersetzen aber in keinem Fall die Beratung im Einzelfall. Zum Einsatz von ausländischen Mitarbeitern in Deutschland siehe Rn 103 ff. dieses Kapitels.

II. Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland 1. Vertragliche Grundlagen 26 Aufgrund der Tatsache, dass die Entsendung eines Arbeitnehmers ins Ausland in der Regel nicht vom einseitigen Weisungsrecht des Arbeitgebers umfasst ist, bedarf es

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einer vertraglichen Vereinbarung. In der Praxis ergibt sich diesbezüglich keine einheitliche Handhabung, ob der bestehende Arbeitsvertrag bestehen bleibt, eine Ergänzungsvereinbarung geschlossen wird, ausschließlich ein einziger Entsendevertrag als rechtliche Grundlage gewählt wird etc. Die Wahl der richtigen Vertragsart hängt von der Dauer des Einsatzes, den Entsendungsrichtlinien im Unternehmen, ebenso von den gewollten sozialversicherungsrechtlichen und steuerrechtlichen Auswirkungen ab. Daneben tritt der Fall, dass ein Arbeitnehmer nur zu dem Zweck eingestellt wird, 27 um im Ausland tätig zu werden. Die häufigsten Fallkonstellationen betreffen jedoch Arbeitnehmer, die im Rahmen eines bestehenden inländischen Arbeitsverhältnisses für eine bestimmte oder bestimmbare Zeit im Ausland tätig werden sollen.

a) Abschluss einer Zusatzvereinbarung für Auslandseinsatz (Entsendevereinbarung) Da das inländische Arbeitsverhältnis in der Regel Auslandstätigkeiten nicht umfasst, besteht die Notwendigkeit von zusätzlichen vertraglichen Regelungen. In der Praxis haben sich zwei Varianten herauskristallisiert. Der deutsche Arbeitsvertrag wird um einen Zusatzvertrag ergänzt. In diesem Zusatzvertrag werden die befristeten Arbeitsbedingungen für die Zeit des Auslandseinsatzes (Art, Ort und Umfang) geregelt. Diese Arbeitsbedingungen in der Zusatzvereinbarung können neben die Bedingungen im deutschen Arbeitsvertrag treten oder diese für die Zeit des Auslandseinsatzes ersetzen. Die Zusatzvereinbarung wird häufig als Entsendevereinbarung bezeichnet. Der Abschluss einer solchen Zusatzvereinbarung kann insofern problematisch sein, als dass nach Auffassung einiger deutscher Arbeitsgerichte bei Verwendung von Begriffen wie „Ergänzung“ oder „Zusatzvereinbarung“ oder bei Bezugnahmen auf den ursprünglichen Arbeitsvertrag die beiden Verträge zu einem einheitlichen Vertrag verschmelzen sollen. Dies hätte das in der Praxis häufig als unbefriedigend empfundene Ergebnis zur Folge, dass die Ergänzungsvereinbarung nicht separat von dem Ursprungsarbeitsvertrag gekündigt werden könnte, weil eine Teilkündigung dem deutschen Arbeitsrecht fremd ist. Zudem stellt sich vor dem Hintergrund der zumeist befristet abgeschlossenen Ergänzungsvereinbarungen die Frage, auf welchen Zeitraum sich die tatsächliche Vertragsdauer beläuft. Hier ist daher bei Vertragsschluss genau darauf zu achten, welche Formulierungen gewählt werden und dass eine inhaltliche Abstimmung der Verträge aufeinander erfolgt. Da zudem die Entsendung im arbeitsrechtlichen Sinne von der Entsendung im sozialversicherungsrechtlichen Sinn streng zu unterscheiden ist, in der Praxis jedoch oft verwechselt wird, empfiehlt es sich, die Zusatzvereinbarung als Vereinbarung für die Dauer des Auslandseinsatzes zu bezeichnen.

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Praxistipp Bei der Formulierung der Zusatzvereinbarung ist darauf zu achten und genau zu beschreiben, ob die Arbeitsbedingungen, die während des Auslandseinsatzes gelten sollen, neben dem inländischen Arbeitsvertrag weitergelten oder während des Auslandseinsatzes abgeändert werden sollen. Die Zusatzvereinbarung sollte als „Vereinbarung für die Dauer des Auslandseinsatzes“ bezeichnet werden. Des Weiteren sollte die Zusatzvereinbarung sowohl inhaltlich als auch im Hinblick auf etwaige Kündigungsmöglichkeiten exakt auf den bestehenden Arbeitsvertrag abgestimmt werden.

b) Versetzung für die Dauer des Auslandseinsatzes

32 Die andere Möglichkeit für die arbeitsrechtliche Gestaltung des Auslandseinsatzes,

die in der Praxis eine große Verbreitung gefunden hat, ist das Ruhendstellen des inländischen Arbeitsvertrages verbunden mit dem befristeten Abschluss eines Arbeitsvertrages mit der Auslandsgesellschaft. Arbeitsrechtlich handelt es sich bei dieser Vertragskonstellation um eine Versetzung des Arbeitsnehmers in das Ausland. Es kommt ein weiteres lokales Arbeitsverhältnis mit der ausländischen Gesell33 schaft zustande. Das Schicksal des inländischen, deutschen Arbeitsvertrages hängt von der Formulierung der Ruhendvereinbarung mit der deutschen Gesellschaft ab. In der Ruhendvereinbarung wird das deutsche Arbeitsverhältnis weitgehend inaktiv gestellt, indem die Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis suspendiert werden. Das gilt üblicherweise nicht für die Nebenleistungspflichten, die nach allgemeiner Ansicht weiter Geltung haben. Des Weiteren werden Regelungen für die Rückkehr und Wiedereingliederung nach Beendigung des Auslandseinsatzes festgelegt. In der Praxis sind auch Verträge nicht unüblich, in denen neben der Ruhend34 vereinbarung zusätzlich Regelungen für eine Entsendung aufgenommen werden. Die Grenzen sind hier oft fließend und häufig sind Mischformen anzutreffen, weshalb das Gewollte bisweilen im Rahmen einer Vertragsauslegung i.V.m. dem lokalen Anstellungsvertrag ermittelt werden muss. Praxistipp Bei der Formulierung einer Ruhendvereinbarung sollte genau beschrieben werden, inwieweit die Pflichten des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers hinsichtlich des deutschen Arbeitsvertrages ruhen, um für den Streitfall Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden.

c) Einstellung zum Zwecke der Entsendung

35 Arbeitsrechtlich ist es auch möglich, dass der Arbeitnehmer nur zum Zwecke der Ent-

sendung eingestellt wird. Nach Abschluss des inländischen Arbeitsvertrages nimmt er seine Tätigkeit unmittelbar im Ausland auf, ohne zuvor im Inland für die Gesellschaft gearbeitet zu haben. Dieser Fall kommt nicht zuletzt aufgrund der sozialversicherungsrechtlichen Implikationen in der Praxis seltener vor. Der Arbeitnehmer erhält vom inländischen Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag, der ausschließlich die Arbeitsbe-

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dingungen für den Auslandseinsatz regelt, weshalb diese Konstellation auch als sog. „Einvertragsmodell“ bezeichnet wird. Dieser Arbeitsvertrag ist ausdrücklich nur auf den Auslandseinsatz ausgerichtet und kann befristet oder unbefristet abgeschlossen werden. Im Rahmen dieses Kapitels werden die in der Praxis am häufigsten vorkommen- 36 den Fallkonstellationen genauer beleuchtet: –– Auslandseinsatz aufgrund einer Zusatzvereinbarung und –– Versetzung bei Ruhendstellung des inländischen Arbeitsvertrages.

2. Rechtswahl/IPR Das anwendbare Recht bestimmt sich nach den Regeln des internationalen Kollisi- 37 onsrechts. Für Verträge, die bis zum 17.12.2009 geschlossen wurden, gilt der Grundsatz der freien Rechtswahl gem. Art. 27 EGBGB. Für Verträge, die nach dem 17.12.2009 geschlossen wurden, gilt die Rom I-Verordnung.

a) Regelungen für Altverträge Grundsätzlich können die Vertragsparteien das anwendbare Recht frei wählen. Gem. 38 Art. 27 EGBGB muss die Rechtswahl ausdrücklich sein oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen der Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben. Beispiel Der Vertrag nimmt Bezug auf bestimmte Vorschriften einer Jurisdiktion oder verweist auf bestimmte Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen.

Die freie Rechtswahl wird durch drei Tatbestände eingeschränkt: 39 –– Art. 30 EGBGB: Die freie Rechtswahl darf nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm ohne Rechtswahl zwingend zustehen würde (Günstigkeitsprinzip); –– Art. 34 EGBGB: Zwingende Vorschriften des deutschen Rechts wie Eingriffsnormen und international zwingende Bestimmungen bleiben anwendbar; –– Art. 6 EGBGB: Die Anwendung der Rechtsnormen des anderen Staates ist ausgeschlossen, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere den Grundrechten, unvereinbar ist. Treffen die Vertragsparteien keine Rechtswahl, unterliegen Arbeitsverträge und 40 Arbeitsverhältnisse gem. Art. 30 Abs. 2 EGBGB dem Recht des Staates: „1. in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, selbst wenn er vorübergehend in einen anderen Staat entsandt ist, oder

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2. In dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, sofern dieser seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet, es sei denn, dass sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist; in diesem Fall ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.“ 41 Aus dieser Vorschrift folgt, dass das Recht des Staates auf das Arbeitsverhältnis

Anwendung findet, in dem der Arbeitnehmer seinen „gewöhnlichen Arbeitsort“ hat. Schwierigkeiten macht in der Praxis die Begriffsbestimmung der „vorübergehenden Entsendung“. Hier ist zu klären, bis zu welchem Zeitraum eine Entsendung als „vorübergehend“ einzustufen ist. Lässt sich der Ort der Arbeitsleistung aus dem Arbeitsvertrag und den Gesamtumständen nicht ermitteln, gilt subsidiär das Recht des Staates, in welchem die einstellende Niederlassung ihren Sitz hat. Idealerweise sollten Altverträge daher aus Gründen der Rechtsklarheit eine 42 Rechtswahlklausel enthalten. Dadurch wird erreicht, dass die Bestimmung des anwendbaren Rechts zweifelsfrei möglich ist und im Ergebnis für den Vertrag nicht teilweise deutsches und teilweise ausländisches Recht Anwendung findet. Praxistipp Für den deutschen Inlandsarbeitsvertrag sollte daher das deutsche Recht gewählt werden, für den Arbeitsvertrag mit der Auslandsgesellschaft das Recht des Gaststaates.

b) Regelungen für Neuverträge 43 Art. 8 Rom I VO knüpft für die Frage, welches Recht auf den Arbeitsvertrag Anwendung finden soll, an den Ort an, von dem Arbeitnehmer in Erfüllung des Arbeitsvertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Sofern dies nach den Umständen des Einzelfalls nicht möglich sein sollte, findet wie bei Altverträgen auch subsidiär das Recht des Landes Anwendung auf den Arbeitsvertrag, in welchem sich die einstellende Niederlassung befindet. Die Rechtswahl ist jedoch bereits dann eingeschränkt, wenn das sonst anwend44 bare Recht günstiger ist (Günstigkeitsvergleich). Die Rechtswahl muss ebenfalls ausdrücklich oder eindeutig sein. Auch für Neuverträge gilt, dass Eingriffsnormen und solche Normen, deren Anwendung für einen Staat als entscheidend für die Wahrung des öffentlichen Interesses angesehen wird, nicht ausgeschlossen werden können.

3. Gerichtsstand, Gerichtsbarkeit, Gerichtsstandsvereinbarungen 45 Die örtliche Zuständigkeit von Arbeitsgerichten bestimmt sich gem. § 46 Abs. 2 ArbGG nach den allgemeinen Vorschriften der ZPO. Für natürliche Personen bestimmt sich der allgemeine Gerichtsstand nach § 13 ZPO i.V.m. §§ 7 ff. BGB nach dem Wohnsitz. Preiss



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Der allgemeine Gerichtsstand von juristischen Personen des privaten und des öffentlichen Rechts wird durch ihren Sitz bestimmt, § 17 Abs. 1 ZPO. Gerichtsstandsvereinbarungen, d.h., die Frage, an welchem Ort Rechtsstreitig- 46 keiten aus einem Vertrag auszutragen sind, sind unter Nichtkaufleuten nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich. Gem. §  38 Abs. 2 ZPO kann eine Gerichtsstandsvereinbarung zur Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges dann vereinbart werden, wenn mindestens eine der Vertragsparteien keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat. Daneben ist eine Gerichtsstandsvereinbarung gem. § 38 Abs. 3 ZPO nur zulässig, wenn sie ausdrücklich und schriftlich nach dem Entstehen der Streitigkeit oder für den Fall geschlossen wird, dass die zu verklagende Partei nach Vertragsschluss ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort ins Ausland verlegt und damit ihren allgemeinen Gerichtsstand im Inland verliert. Hier ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob der Arbeitnehmer tatsächlich keinen Wohnsitz und damit auch keinen Gerichtsstand mehr im Inland hat, um eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung abzuschließen. Daneben existieren zahlreiche weitere besondere Gerichtsstände, die sich nach 47 den allgemeinen Vorschriften der ZPO (§§ 20 ff. ZPO) richten.

4. Direktionsrecht und Fürsorgepflicht des Arbeitgebers Im Rahmen seines allgemeinen Direktionsrechts gem. § 106 GewO kann der Arbeit- 48 geber dem Arbeitnehmer einseitig Weisungen erteilen und Anordnungen treffen. Die Grenze des Direktionsrechts ist die Billigkeit, die unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen ist. Es ist unklar, ob die Entsendung eines Arbeitnehmers ins Ausland noch vom 49 allgemeinen Direktionsrecht umfasst ist. Grundsätzlich werden die mit der Auslandsentsendung verbundenen Veränderungen für den Arbeitnehmer so gravierend sein, dass sie über die zumutbare Grenze des Arbeitsverhältnisses hinausgehen. Die Entsendung muss daher in der Regel auf Grundlage eines gesonderten Vertrags erfolgen. Dies bestätigt auch die Rechtsprechung des BAG, nach der die Entsendung des Arbeitnehmers ins Ausland nur mit dessen – wenigstens konkludentem – Einverständnis zulässig ist. Der gleiche Maßstab ist anwendbar für die Ausübung des Rückrufrechtes des 50 Arbeitgebers. Als vertragliche Grundlage des Rückrufrechts kommt grundsätzlich eine Rückrufklausel im Entsendungsvertrag in Betracht. Auch hier sind allerdings die Umstände des Einzelfalls zu beachten, die auch die Ausübung einer vertraglichen Rückrufklausel im Einzelfall unzulässig machen können.

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Praxistipp Ein Rückruf ist nicht mit einer Kündigung gleichzusetzen und bewirkt lediglich eine Änderung des Arbeitsortes. Ein Rückrufrecht kann nur im Rahmen eines bestehenden Entsendevertrages ausgeübt werden. 51 Inhalt und Umfang der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bei einer Auslandsentsen-

dung sind ebenfalls unklar und nur aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen abzuleiten. Ein wichtiger Gradmesser für den Umfang der Fürsorgepflicht ist der Grad der Abhängigkeit des Arbeitnehmers. Da dieser sich im Falle der Auslandsentsendung erhöht (z.B. erhöhter finanzieller Aufwand, steuerliche und versicherungsrechtliche Komplikationen, kulturelle und sprachliche Schwierigkeiten), erhöht sich tendenziell auch die Fürsorgepflicht des Arbeitnehmers im Vergleich zum üblichen Inlandsarbeitsverhältnis.

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5. Störungen der Entsendung a) Einsatz in Krisengebieten/Kriegsausbruch Ist bereits vor der Entsendung bekannt, dass das Entsendeland ein Krisengebiet ist, muss der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber ausreichend über die Verhältnisse vor Ort informiert und vorbereitet werden. Dies ergibt sich aus der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht, § 611 i.V.m. § 241 Abs. 3 BGB, die u.a. die Verpflichtung umfasst, Gefahr vom Arbeitnehmer fernzuhalten und seine Person zu schützen. Wie weit diese Fürsorgepflicht bei einem Auslands­ einsatz im Einzelfall reicht, lässt sich pauschal nicht beantworten. Es lassen sich in aller Regel keine klaren Grenzen ziehen, wo die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers endet und wo die Eigenverantwortlichkeit des Arbeitnehmers beginnt. Die Entscheidung ist von der aktuellen Situation im Einsatzland abhängig und sollte idealerweise gemeinsam getroffen werden. U.U. ergibt sich insbesondere in Fällen, in denen sich das Entsendeland erst sehr kurz vor der Entsendung zum Krisengebiet entwickelt, aus der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht auch eine Verschiebung oder ggf. auch ein Nichtantritt des Auslands­ einsatzes. Entscheidet sich der Arbeitnehmer in einem solchen Fall gegen eine Entsendung, dürfen ihm daraus keine arbeitsrechtlichen Nachteile erwachsen. In einer solchen Weigerung liegt keine kündigungsrelevante Arbeitsverweigerung. Wenn sich das Entsendeland erst während der Entsendung zum Krisengebiet entwickelt, sieht sich der Arbeitgeber in Abhängigkeit von der Schwere der Krise mit der Situation konfrontiert, wie der Arbeitnehmer zu unterstützen ist und ob er ggf. außer Landes gebracht werden muss. In diesem Zusammenhang stellt sich dann insbesondere die Frage nach der Verpflichtung des entsandten Arbeitnehmers zur Erbringung seiner Arbeitsleistung. Eine Befreiung von der Arbeitspflicht gem. § 275 Abs. 1 BGB kommt immer nur dann in Betracht, wenn die Erbringung der Arbeitsleistung unmöglich ist, bspw. wenn die Preiss



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Betriebstätte zerstört wurde. Der Arbeitnehmer darf das Einsatzland jedenfalls dann verlassen, wenn ein weiterer Verbleib nach § 275 Abs. 3 BGB nicht mehr zumutbar ist. Dies bemisst sich an der Wahrscheinlichkeit der Gefährdung von Leib und Leben des Arbeitnehmers. Fraglich ist der Entscheidungsmaßstab, wann die Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nicht mehr zumutbar ist. Zur objektiven Beurteilung, ob eine Gefährdungslage und damit Unzumutbarkeit vorliegt, könnten die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes herangezogen werden. Praxistipp In jedem Fall sollte vertraglich festgelegt werden, welcher Entscheidungsmaßstab für die Zumutbarkeit der Erbringung der Arbeitsleistung herangezogen werden soll.

Wurde die Entscheidung gefällt, dass der Arbeitnehmer ins Inland zurückkehrt, ist hinsichtlich des Anspruchs auf die vertraglich vereinbarte Vergütung zu differenzieren, auf wessen Veranlassung der Arbeitnehmer in das Inland zurückkehrt und ob die Entsendung nur für die Dauer der Krise unterbrochen oder endgültig beendet wird. Wurde kein vertragliches Rückruf- bzw. Rückkehrrecht vereinbart, und hat der Arbeitnehmer aus Unzumutbarkeitserwägungen die Entscheidung getroffen, vorübergehend ins Inland zurückzukehren, dann verliert er seinen Vergütungsanspruch nach dem arbeitsrechtlichen Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“, sofern er nicht anderweitig beschäftigt werden kann. Ein Annahmeverzug seitens des Arbeitgebers gem. § 615 BGB liegt nicht vor, da der Arbeitnehmer die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung gerade nicht anbietet, sondern aus dem Einsatzland ausreist. Nach der sog. Betriebsrisikolehre (§ 615 Abs. 3 BGB) sind äußere Ereignisse nur dann der Risikosphäre des Arbeitgebers zuzurechnen, wenn sie sich unmittelbar auch auf den Betrieb im Ausland auswirken.3 Nicht ausreichend wird eine bloße Gefahrenlage sein. Etwas anderes gilt für den Fall, dass der entsandte Arbeitnehmer des Landes verwiesen wird. Dies unterfällt in keinem Fall der Risikosphäre des Arbeitgebers. Wird der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber ins Inland zurückbeordert, so hat der Arbeitgeber als Ausfluss aus der allgemeinen Fürsorgepflicht anderweitige Einsatzmöglichkeiten für den Arbeitnehmer zu prüfen. Sofern eine vertragliche Vereinbarung fehlt, hat der Arbeitnehmer nach Beendigung der Entsendung einen Anspruch auf einen gleichwertigen Arbeitsplatz sowie einen Anspruch auf eine entsprechende Vergütung. Praxistipp In jedem Fall wird dringend empfohlen, entsprechende Regelungen in die vertraglichen Vereinbarungen aufzunehmen.

3 BAG, Urt. v. 22.12.1980 – 1 ABR 2/79 –.

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b) Naturkatastrophe

61 Sofern der Entsendeort von einer Naturkatastrophe heimgesucht wurde, hat der

Arbeitgeber unverzüglich die Rückkehr zu ermöglichen. In einem solchen Fall sollte die jeweilige Deutsche Botschaft kontaktiert werden, da diese in solchen Fällen häufig ein Krisenzentrum einrichtet, um ggf. eine Ausreise zu organisieren.

c) Krankheit

62 Wird der Arbeitnehmer im Ausland krank und/oder fällt er längerfristig aus, so hat

der Arbeitgeber eine dem deutschen Standard entsprechende medizinische Versorgung des Arbeitnehmers sicherzustellen. Daneben hat er auch für eine Organisation der Vertretung des Arbeitnehmers zur Fortführung der Geschäfte vor Ort zu sorgen. Arbeitnehmer, die im Ausland beschäftigt sind und während der Beschäftigung 63 dort erkranken, haben gem. § 17 SGB V Anspruch auf die in den §§ 12 bis 19 SGB V festgelegten Leistungen von ihrem Arbeitgeber. Entsprechendes gilt für die nach § 10 SGB V versicherten Familienangehörigen, soweit sie den Arbeitnehmer für die Zeit der Beschäftigung im Ausland begleiten oder besuchen. Die Krankenkasse hat dem Arbeitgeber die nach § 17 Abs. 1 SGB V entstandenen 64 Kosten bis zu der Höhe zu erstatten, in der sie auch im Inland entstanden wären. Praxistipp Es empfiehlt sich, eine Auslandskrankenversicherung für den Arbeitnehmer und ggf. auch für die ihn begleitenden Personen abzuschließen.

d) Rückrufpflichten/-kosten

65 Wer die Kosten für einen vorzeitigen Rückruf zu tragen hat, hängt ebenfalls von der

Veranlassung und dem Vorliegen einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung ab. Fehlen Regelungen im Entsendevertrag oder in den Reiserichtlinien des Arbeitgebers bezüglich der Kostentragung, hat der Arbeitgeber die Kosten der Rückreise und eines eventuellen Rückumzugs analog zu § 670 BGB zu tragen, wenn der Rückruf auf seine Veranlassung erfolgte. Gleiches kann für die Übernahme der Kosten für die Begleitpersonen des Arbeitnehmers gelten: hat der Arbeitgeber die Reisekosten für deren Hinreise übernommen, kann dies ein Indiz dafür sein, auch die Rückreisekosten zu tragen. Grundsätzlich gilt, dass den Arbeitgeber eine Verpflichtung zur Zahlung der Rei67 sekosten trifft, wenn der Auslandsaufenthalt auf seiner Veranlassung beruhte.

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Praxistipp Es empfiehlt sich, auch für unvorhergesehene Fälle eine vertragliche Grundlage zu schaffen, wer die Kosten der Rückreise trägt. Üblicherweise werden solche Kosten bei Krisensituationen durch das Unternehmen getragen.

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6. Beendigung der Entsendung/des Zusatzvertrages Für die Beendigung des Zusatzvertrages bestehen zahlreiche Möglichkeiten. Auch 68 hier gilt, mögliche Beendigungsoptionen und ihre Folgen in den Zusatzvertrag aufzunehmen, um mögliche Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden. Die in der Praxis am häufigsten vorzufindenden Beendigungstatbestände sind im Wesentlichen der Abschluss eines Aufhebungsvertrags, die Befristung oder der Ausspruch eines Rückrufs oder einer Kündigung. Bei allen Beendigungsoptionen ist darauf zu achten, ob allein die Zusatzvereinbarung beendet werden soll oder zugleich auch der zugrundeliegende Arbeitsvertrag. Praxistipp Es ist darauf hinzuweisen, dass seitens des Arbeitnehmers abgeschlossene Verträge wie Mietver­ träge, Leasingverträge für Kraftfahrzeuge etc. von der Beendigung des Zusatzvertrages unabhängig sind und damit vom Arbeitnehmer selbst zu beenden sind. Sofern der Arbeitnehmer im Ausland bspw. zum Organ einer Gesellschaft bestellt wurde, ist für eine Abberufung u.U. ein weiterer Rechtsakt erforderlich.

a) Kündigung Voraussetzung für die Anwendung des deutschen Kündigungsschutzgesetzes ist, 69 dass auf das betreffende Arbeitsverhältnis bzw. den betreffenden Vertrag deutsches Arbeitsrecht Anwendung findet. Die Parteien können die Anwendbarkeit des deutschen Rechts freiwillig vertraglich vereinbaren. Dies ist in der Praxis häufig der Fall. Bei Arbeitsverhältnissen mit Auslandsbezug, bei denen keine Rechtswahl vorgenommen wurde, gilt gem. Art. 30 Abs. 2 EGBGB / Art. 8 II Rom I das Recht desjenigen Staates, in dem sich der gewöhnliche Arbeitsort des Arbeitnehmers befindet. Nach Maßgabe der Rechtsprechung hat eine nur vorübergehende Entsendung keine Auswirkungen auf den gewöhnlichen Arbeitsort.4 Im Übrigen ist die Frage nach dem Geltungsbereich des Kündigungsschutzgeset- 70 zes gem. § 23 KSchG nicht einheitlich höchstrichterlich entschieden. § 23 KSchG ist eine Sonderregelung, deren Anwendungsbereich auf Deutschland beschränkt ist. Wichtig ist es, im Zusammenhang mit der Kündigung eines entsendeten Arbeit- 71 nehmers klarzustellen, welches Vertragsverhältnis gekündigt werden soll. Sofern nur ein Vertrag geschlossen wurde, ist die Sache eindeutig. Bei Mehrvertragsmodellen ist dagegen darauf zu achten, den Umfang der Kündigungserklärung eindeutig zu formulieren. Kopplungsklauseln, wonach eine Kündigung des Zusatzvertrages zugleich als Kündigung des zugrundeliegenden Arbeitsvertrages anzusehen ist, sind als kritisch zu bewerten, da der Abschluss eines Arbeitsverhältnis unter einer auflösenden Bedingung gem. §§ 21, 14 Abs. 1 TzBfG nur eingeschränkt möglich ist.

4 BAG, Urt. v. 25.4.1978, AP – IPR Nr. 16 zur alten Rechtslage.

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 Kapitel 12 Entsendung

Praxistipp Eindeutiger und rechtssicherer ist es, jeweils eine Kündigung pro Vertrag auszusprechen und dem Mitarbeiter beide Kündigungen zeitgleich zuzustellen. 72 Die Kündigung muss dem Mitarbeiter im Ausland auch zugehen, d.h. sie muss so in

den Machtbereich des Empfängers gelangen, dass bei Zugrundelegung gewöhnlicher Verhältnisse damit zu rechnen ist, dass der Empfänger von ihr Kenntnis erhält. Üblicherweise bewirkt der Einwurf des Kündigungsschreibens in den Briefkasten des Mitarbeiters den Zugang, wenn und sobald mit einer Leerung zu rechnen ist. Wurde der Wohnort des Arbeitnehmers ins Ausland verlegt, ist für den Zugang der Kündigungserklärung entscheidend, wo der Arbeitnehmer seine Post üblicherweise entgegennimmt.

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b) Abschluss eines Aufhebungsvertrages Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages hat im Vergleich zum Ausspruch einer Kündigung den Vorteil, dass keine Kündigungsfristen eingehalten werden müssen und der Betriebsrat nicht beteiligt werden muss. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob die Aufhebung des Entsendevertrages auch der Zustimmung einer ausländischen Behörde bedarf, sofern der Aufhebungsvertrag nicht deutschem Recht unterfällt. Wird das Arbeitsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag beendet, so richtet sich die Beendigung nach dem auf den Arbeitsvertrag anwendbaren Recht, siehe hierzu Rn 37 ff. zu Rechtswahl/IPR. Die weiteren Erläuterungen in diesem Unterkapitel gehen davon aus, dass deutsches Recht Anwendung findet. Der Aufhebungsvertrag ist eine freiwillige Vereinbarung, deren Bedingungen frei zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer verhandelt werden und die durch beidseitige, eigenhändige Unterschrift der Vertragsparteien wirksam wird, vgl. das Schriftformerfordernis des § 623 BGB (welches auch für die Kündigung Anwendung findet). Wichtig und vertraglich zu regeln ist, ob durch den Aufhebungsvertrag nur der Zusatzvertrag und damit die Auslandstätigkeit oder auch das zugrundeliegende Arbeitsverhältnis in Deutschland beendet werden soll. Grundsätzlich können beide Vertragsverhältnisse in einer Aufhebungsvereinbarung beendet werden. Diese Rechtsfolge muss in der Aufhebungsvereinbarung ausdrücklich geregelt und beschrieben werden. Neben den üblichen Punkten (konkreter Beendigungszeitpunkt des Vertragsverhältnisses, Urlaubsansprüche, nachvertragliches Wettbewerbsverbot, Rückgabe von Arbeitsmitteln und Dienstwagen etc.) sollte ein Aufhebungsvertrag klare Regelungen in Bezug auf die Handhabung ggf. auftretender sozialversicherungsrechtlicher Besonderheiten, Übernahme von Kosten für Mieten, Rückumzugskosten etc. enthalten.

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Insbesondere für den Fall, dass die Vertragsparteien keine abschließenden Rege- 78 lungen zu diesen Punkten im Entsendevertrag getroffen haben, sollten diese in den Aufhebungsvertrag aufgenommen werden.

c) Befristung In der Praxis werden Auslandseinsätze üblicherweise zeitlich oder aufgrund der Art der Tätigkeit (z.B. Durchführung eines bestimmten Projektes) befristet. Die zeitliche Befristung hat neben der Berücksichtigung der Wünsche der Vertragsparteien häufig auch sozialversicherungsrechtliche Gründe. Die deutsche Sozialversicherung kann vollständig oder in Teilen nur aufrechterhalten werden, wenn der Auslands­ einsatz im Vorhinein zeitlich befristet und eine Rückkehr des Arbeitnehmers nach Deutschland fest beabsichtigt ist, siehe Näheres unter Rn 253 ff. Bei der Befristungsabrede im Zusatzvertrag ist zu beachten, dass bei Anwendbarkeit deutschen Rechts auf den Vertrag das Teilzeit- und Befristungsgesetz grundsätzlich Anwendung findet. Demnach ist die Befristung der Zusatzvereinbarung zulässig, wenn sie durch das Vorliegen eines sachlichen Grundes gerechtfertigt ist, § 14 Abs. 1 S. 1 TzBfG. Der sachliche Grund muss nicht ausdrücklich im Vertrag genannt werden. Er muss tatsächlich vorliegen und im Streitfall bewiesen werden können. Ist die Zusatzvereinbarung kalendermäßig befristetet, so endet der Auslands­ einsatz mit Ablauf der vereinbarten Zeit. Bei einer Befristung durch Vorliegen eines Sachgrundes z.B. aufgrund einer Projekttätigkeit oder wegen des Aufbaus einer Abteilung im Ausland handelt es sich um einen zweckbefristeten Zusatzvertrag. Dieser Vertrag endet mit Erreichen des vereinbarten Zwecks. In der Praxis ist es häufig schwer festzustellen, wann ein Projekt tatsächlich beendet ist. Da die Mitteilungsfrist für die Zweckerreichung von zwei Wochen (§ 15 Abs. 2 TzBfG) im Rahmen von Auslandseinsätzen als grundsätzlich zu kurz zu bewerten ist, sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich einvernehmlich auf die Projekterreichung verständigen und einen entsprechenden Rückumzugstermin vereinbaren. Eine solche Vorgehensweise hat sich im täglichen Entsendegeschäft als sehr praktikabel erwiesen. Im Übrigen ist eine vorzeitige Beendigung des befristeten Auslandseinsatzes nur möglich, wenn eine Kündigungsmöglichkeit im Zusatzvertrag ausdrücklich vereinbart worden ist.

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d) Rückruf Für Arbeitgeber sind die Entwicklungen im Aus- und Inland nicht immer planbar. 83 Um eine kurzfristige Einsatzmöglichkeit des Mitarbeiters im Inland zu gewährleisten, finden sich in vielen Zusatzvereinbarungen sog. Rückrufklauseln. Der vorzeitige Rückruf des Arbeitnehmers ist nur möglich, wenn eine vertragli- 84 che Vereinbarung vorliegt. Denn genauso wie die Anordnung eines Auslandseinsat-

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 Kapitel 12 Entsendung

zes nicht vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt ist, ist auch ein vorzeitiger Rückruf nicht einseitig ohne vertragliche Regelung durch den Arbeitgeber möglich. Die Wirksamkeit von Rückrufklauseln ist generell fraglich und in der Literatur und Rechtsprechung ist die Verwendung von Rückrufklauseln umstritten. Rückrufklauseln werden üblicherweise sehr allgemein und weit gefasst, damit der Arbeitgeber fast alle Sachverhalte im Rahmen eines Rückrufs geltend machen kann. Unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten müssen die Rückrufgründe jedoch klar und verständlich im Vertrag geregelt sein, da sie ansonsten zu einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers und zu einer Unwirksamkeit der Klausel gem. § 307 Abs. 1 BGB führen.5 Die Rechtsprechung des BAG steht Rückrufklauseln äußerst kritisch gegenüber. Der einseitige Rückruf kann als Teilkündigung verstanden werden und Teilkündigungen sind nach ständiger Rechtsprechung des BAG grundsätzlich unzulässig.6 Die Rechtsprechung befürchtet insbesondere eine Umgehung des Kündigungsschutzes. Auf Rückrufklauseln sollte aus diesem Grund – soweit möglich – verzichtet werden. Stattdessen sollte im Zusatzvertrag eine eigenständige Kündigungsmöglichkeit des Zusatzvertrages zwischen den Vertragsparteien vereinbart werden. Die Kündigung des Zusatzvertrages nach den Grundsätzen des Kündigungsrechts ist möglich, wenn bei einem Gesamtvertragsverhältnis mehrere Teilverträge selbstständig voneinander lösbar sind und selbstständig nebeneinander bestehen können. Sofern für einen Auslandseinsatz eine Rückrufklausel als absolut notwendig erachtet wird, so sollten in der Klausel die jeweiligen Rückrufgründe konkret benannt und der Rückruf selbst mit einer angemessenen Ankündigungsfrist versehen werden. Zudem muss bei Verwendung einer Rückrufklausel berücksichtigt werden, ob nicht auch dem Mitarbeiter aufgrund der Rückrufgründe ein vorzeitiges Rückkehrrecht eingeräumt werden muss, dass er ausüben kann (siehe auch oben unter Rn 52 ff. zu Störungen der Entsendung).

7. Beteiligung der Arbeitnehmervertretungen a) Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes 90 Die Anwendbarkeit des BetrVG unterliegt nicht der Disposition der Arbeits­ vertragsparteien,7 d.h., sein räumlicher Anwendungsbereich kann nicht durch eine Betriebsvereinbarung oder einen Tarifvertrag erweitert oder beschränkt werden. Es gilt das sog. „Territorialitätsprinzip“.8 Das bedeutet, dass eine Zuständigkeit des

5 Reiter, NZA 2004, 1246, 1254. 6 BAG, Urt. v. 14.11.1990 – 5 AZR 509/89 –. 7 BAG, Urt. v. 21.10.1980 – 6 AZR 640/79 = NJW 1981, 1175. 8 BAG, Beschl. v. 22.3.2000 – 7 ABR 34/98 = NZA 2000, 1119; BAG, Beschl. v. 27.5.1982 – 6 ABR 28/80 = NJW 1983, 413.

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deutschen Betriebsrates nur gegeben ist, wenn der Betrieb im Inland liegt. Anknüpfungspunkt ist also der Sitz des Betriebes. Demnach ist der deutsche Betriebsrat auch zuständig für im Inland tätige Arbeitnehmer, auf deren Arbeitsverhältnisse das Recht ausländischer Rechtsordnungen Anwendung findet und für Arbeitnehmer, die bei einem im Inland gelegenen Betrieb eines ausländischen Unternehmens tätig sind. Für den umgekehrten Fall, dass ein Betrieb eines inländischen Unternehmens im Ausland liegt, findet das BetrVG keine Anwendung. Dies gilt selbst dann, wenn die ins Ausland entsandten Arbeitnehmer deutsche Staatsangehörige sind und auf ihre Arbeitsverhältnisses deutsches Recht Anwendung findet. Das BetrVG folgt nicht dem Arbeitsstatut, sondern richtet sich nach dem Territorialitätsprinzip. Teilweise wird in der Literatur die Lehre von der Ausstrahlung vertreten,9 der 91 zufolge die ins Ausland entsandten Arbeitnehmer ihre Rechte nach dem BetrVG behalten, wenn sie trotz der (vorübergehenden) Auslandstätigkeit noch einem Betrieb im Inland zuzuordnen sind. Aufgrund der uneinheitlichen Rechtsprechung, die zu dieser Thematik existiert, führt nur eine Bestimmung im Einzelfall unter Gesamtwürdigung aller Umstände zu sachgerechten Ergebnissen. Eine Indizwirkung kommt bspw. der Dauer des Auslandseinsatzes und der Vereinbarung eines Rückrufrechts in Form einer Rückrufklausel und eine damit mögliche Wiedereingliederung in den Inlandsbetrieb zu.10 Eine Ausstrahlungswirkung soll jedenfalls dann ausgeschlossen sein, wenn eine vollständige Eingliederung in die betrieblichen Abläufe und die Organisation des ausländischen Betriebs vorliegt oder wenn der Arbeitnehmer ausschließlich für die Auslandstätigkeit eingestellt wurde.

b) Mitbestimmung in personellen und sozialen Angelegenheiten Die Entsendung sowie der Rückruf gelten als Versetzung i.S.v. § 99 BetrVG. 92 Bei einer Kündigung (verbunden mit einer gleichzeitigen Beendigung der Ent- 93 sendung) des entsandten Arbeitnehmers ist der Betriebsrat gem. § 102 BetrVG anzuhören. Sofern für den Auslandseinsatz eine Beendigung des deutschen Arbeitsvertrages erforderlich werden sollte, ist der Betriebsrat auch in diesem Fall nach § 102 BetrVG zu hören. Es besteht ebenfalls ein Recht auf Mitbestimmung des Betriebsrates in allen 94 sozialen Angelegenheiten, sofern der entsandte Arbeitnehmer noch dem inländischen Betrieb zugeordnet werden kann, z.B. bei der Lohngestaltung (Regelung von Zulagen, die der Arbeitgeber vorübergehend ins Ausland entsandten Arbeitnehmern gewährt11) oder beim Erstellen einer Entsende- oder Steuerrichtlinie, § 87 BetrVG.

9 DKK/Trümner, § 1 Rn 23 ff. 10 BAG, Urt. v. 7.12.1989 – 2 AZR 228/89 = NZA 1990, 658. 11 BAG, Beschl. v. 30.1.1990 – 1 ABR 2/89 = NZA 1990, 571.

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 Kapitel 12 Entsendung

c) Leitender Angestellter

95 Das BetrVG findet keine Anwendung, sofern es sich bei dem entsendeten Arbeitneh-

mer um einen leitenden Angestellten i.S.v. § 5 Abs. 3 BetrVG handelt. Relevant ist dies z.B. in Fällen, in denen die Führungskraft als Geschäftsführer der Auslandsgesellschaft ins Ausland entsandt wurde und nun gekündigt werden soll. Ausschlaggebend ist die gegenwärtige Ausgestaltung der Position des Arbeitnehmers. Auf ehemalige Tätigkeiten oder darauf, welche Stellung der Arbeitnehmer nach einer eventuellen Rückkehr bekleiden könnte, kommt es nicht an. Diesbezüglich ist eine genaue rechtliche Prüfung im Einzelfall erforderlich, da speziell zur Abgrenzung zwischen Arbeitnehmer/leitendem Angestellten eine sehr umfassende Kasuistik in der Rechtsprechung besteht.12 Praxistipp Vorsichtshalber sollte in Zweifelsfällen vor Ausspruch einer Kündigung immer eine Anhörung des Betriebsrates gem. § 102 BetrVG erfolgen.

8. Regelung der betrieblichen Altersversorgung

96 Das Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrenten-

gesetz – BetrAVG) findet Anwendung, wenn der Arbeitgeber als Verpflichteter der Versorgungszusage seinen Sitz in Deutschland hat. Für die Anwendbarkeit des BetrAVG kommt es nicht auf den Tätigkeitsort des Begünstigten der Versorgungszusage (Arbeitnehmer) an. Es besteht eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Altersversorgung in Abhängig97 keit von der vertraglichen Ausgestaltung und der Dauer des Auslandseinsatzes zu regeln. Hier ist zu differenzieren, ob es sich um eine rein arbeitgeberseitig finanzierte oder eine arbeitgeber- und arbeitnehmerfinanzierte Altersversorgung handelt. Die arbeitnehmerfinanzierte Altersversorgung wie bspw. die Entgeltumwandlung wird meist aus Gründen der Steuerersparnis in Erwägung gezogen, welche bei einer Auslandsentsendung dann nicht mehr greifen, wenn der Arbeitnehmer im Ausland steuerpflichtig wird. Zudem können staatliche Förderungen wegfallen, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr im Inland tätig ist. Bei einer Beibehaltung der inländischen Versorgungszusage ist zu regeln, 98 welche Vergütung Bemessungsgrundlage für die Altersversorgung ist (Sollen auch eventuell gezahlte Entsendezulagen ruhegehaltfähig sein?). Des Weiteren ist zu regeln, ob bzw. dass die im Ausland verbrachten Zeiten bei der Berechnung der Unverfallbarkeit der Versorgungsansprüche zu berücksichtigen sind. Vorteil einer Beibehaltung der inländischen Versorgungszusage ist u.a., dass die Insolvenzsicherung für

12 Z.B. BAG, Beschl. v. 29.1.1980 – 1 ABR 45/79 = NJW 1980, 2724; BAG, Beschl. v. 16.4.2002 – 1 ABR 23/01 = BB 2006, Heft 46, 2387.

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diesen Fall auch weiterhin durch den Pensionssicherungsverein auf Gegenseitigkeit (PSV) mit Sitz in Köln durchgeführt werden kann und der entsandte Arbeitnehmer kein Währungsrisiko trägt. Bei einer vollständigen Übernahme der betrieblichen Altersversorgung durch die Auslandsgesellschaft (dies ist regelmäßig nur sinnvoll bei einem Übertritt des Arbeitnehmers) werden neben zukünftigen Ansprüchen auch die bereits entstandenen Ansprüche übernommen. In einem solchen Fall sollten vorsorglich Vorkehrungen getroffen werden, um ein mögliches Währungs- und Insolvenzrisiko abzusichern. Möglich ist auch die Vereinbarung einer Mischform, bei der nur die zukünftigen Anwartschaften für die Dauer des Auslandseinsatzes von der Gesellschaft im Gaststaat zu tragen sind (aufgrund von Entsenderichtlinien im Konzern oder aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften im Gaststaat) und bereits entstandene Ansprüche beim Arbeitgeber im Inland verbleiben. Sofern der Arbeitgeber als privatrechtliche Gesellschaft organisiert ist, ist er insolvenzfähig nach den Vorschriften der Insolvenzordnung. Gem. §§ 7, 14 BetrAVG muss die Versorgungszusage beim PSV gegen Insolvenz gesichert sein, wenn der Arbeitgeber als Verpflichteter einer Versorgungszusage seinen Sitz in Deutschland (oder in Luxemburg)13 hat. Der PSV übernimmt im Insolvenzfall unmittelbare Pensionsverpflichtungen, sofern es sich um gesetzlich unverfallbare Anwartschaften oder laufende Leistungen handelt.

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Praxistipp Aufgrund der Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten und Durchführungswegen der betrieblichen Altersversorgung empfiehlt es sich immer, im Vorfeld die beabsichtigte Gestaltung mit einem Steuerberater und/oder Experten für betriebliche Altersversorgung abzustimmen.

III. Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern in Deutschland Aufgrund des derzeitigen Fachkräftemangels in Deutschland sind Unternehmen 103 zunehmend auf ausländische Spezialisten und Fachkräfte angewiesen. Insbesondere sind selbst internationale Konzerne nicht mehr in der Lage, Spezialisten für alle Fachthemen in allen Landesgesellschaften vorzuhalten. Diese Unternehmen sind daher auf einen schnellen Austausch von Konzernmitarbeitern und des damit verbundenen Know-hows angewiesen und benötigen gut ausgebildete ausländische Mitarbeiter zur Besetzung von offenen Stellen. Das folgende Kapitel soll, ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, einen Überblick über die ausländer-

13 Abkommen über die Zusammenarbeit im Bereich der Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung vom 22.9.2000, BGBl. II 2001 S. 1259.

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 Kapitel 12 Entsendung

rechtlichen Möglichkeiten zur Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern in Deutschland aufzeigen.

1. Arten von Aufenthaltstiteln

104 Das deutsche Ausländerecht kennt im Wesentlichen drei verschiedene Arten von Auf­

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enthaltstiteln. Dies sind das Visum, der befristete Aufenthaltstitel und die Niederlassungserlaubnis. Daneben existiert noch die Erlaubnis zum sog. Daueraufenthalt EG gem. § 9a AufenthG14; ab August 2012 kommt noch die sog. Blaue Karte (Blue Card) hinzu. Das Visum kann grundsätzlich zur Einreise für einen längerfristigen Aufenthalt (meist nationales D Visum) oder für Geschäftsreisen oder zu touristischen Zwecken (meist Schengen Visum, Visum Typ C) oder als Transitvisum erteilt werden. Der befristete Aufenthaltstitel kann für verschiedene Aufenthaltszwecke (bspw. zur Aufnahme einer Beschäftigung oder zum Familiennachzug) erteilt werden. Er wird meistens zunächst für ein Jahr befristet erteilt und ist im Fall der Arbeitsaufnahme regelmäßig auf einen bestimmten Arbeitgeber und eine bestimmte Tätigkeit begrenzt. Daneben gibt es die Niederlassungserlaubnis, die als unbefristeter Aufenthaltstitel erteilt wird und auch keine Beschränkung für die Arbeitsaufnahme bei einem bestimmten Arbeitgeber enthält. Der Daueraufenthalt EG ist ebenfalls ein unbefristeter Aufenthaltstitel (vergleichbar mit der Niederlassungserlaubnis) und wird (sofern die Voraussetzung gem. §  9a AufenthG vorliegen) nicht freizügigkeitsberechtigten Drittstaatsangehörigen gewährt, sofern sie sich seit fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Ab 1.8.2012 wird in Deutschland das Gesetz zur Umsetzung der sog. Blue CardRichtlinie 2009/50/EG in Kraft treten. Zur Umsetzung der Blue Card-Richtlinie werden Änderungen des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG), der Aufenthaltsverordnung (AufenthV), der AZRG-Durchführungsverordnung (AZRG-DV), der Beschäftigungsverordnung (BeschV) und der Beschäftigungsverfahrensverordnung (BeschVerfV) erforderlich. Nach den Vorgaben der genannten Blue Card-Richtlinie (auch Hochqualifizierten Richtlinie genannt) wird bspw. ein neuer (befristeter) Aufenthaltstitel, die sog. „Blaue Karte EU“ für ausländische Arbeitnehmer mit einer akademischen oder vergleichbaren Qualifikation und einem bestimmten Mindesteinkommen eingeführt. Hochqualifizierten Drittstaatsangehörigen soll mit der Blue Card ein leichterer Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt ermöglicht werden. Daneben soll auch ausländischen Studierenden an deutschen Hochschulen ein besserer Zugang zum deutschen Arbeits-

14 Merkblatt 7 der AA zur Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern, Stand Januar 2012, Kap. 1. S. 6

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markt mittels der Blue Card gewährt werden. Mit der Einführung der neuen Blue Card ist auch eine Verkürzung der Bearbeitungszeiten und eine Harmonisierung der Zuwanderungsregeln für hochqualifizierte Drittstaatsangehörige in den EU Mitgliedstaaten beabsichtigt. Die Umsetzung der Blue Card Änderungen in der Praxis bleibt noch abzuwarten.

2. Geschäftsreise Die deutschen ausländerrechtlichen Gesetze und Verordnungen enthalten keine Defi- 110 nition einer Geschäftsreise. Insbesondere fehlt ein Katalog der Tätigkeiten, die auf einer Geschäftsreise nach Deutschland erlaubt sind und somit keine Arbeitsgenehmigung erfordern. In der Praxis sollten die erlaubten Tätigkeiten daher zurückhaltend ausgelegt werden. Üblicherweise versteht man unter einer Geschäftsreise Kurzaufenthalte für die Teilnahme an Messen und Meetings und für Vertragsverhandlungen im Interesse von ausländischem Unternehmen. Projekttätigkeiten in Deutschland gehören regelmäßig nicht zu den erlaubten Tätigkeiten.15

a) Visumpflichtige Staatsangehörige Visumspflichtigen Staatsangehörigen wird für eine Geschäftsreise in der Regel ein 111 90-Tage-Visum erteilt. Das Visum kann die einmalige Einreise („single entry“) oder auch die mehrfache Einreise („multiple entry“) innerhalb der Gültigkeitsdauer nach Deutschland gestatten. Ein Geschäftsreisevisum wird den Visumpflichtigen entweder für die Einreise nach Deutschland oder zur Einreise in den Schengenraum (sog. Schengenvisum) erteilt. Die Staatsangehörigen der EG-Visaverordnung (Anhang I) benötigen ein Visum 112 zur Einreise nach Deutschland und für einen Aufenthalt von bis zu drei Monaten.16 Praxistipp Die aktuelle Liste der visumspflichtigen Staatsangehörigen kann unter www.auswaertiges-amt.de abgerufen werden.

b) Nichtvisumspflichtige Staatsangehörige Die Staatsangehörigen, die im Anhang II der EG-Visaverordnung genannt sind, 113 können derzeit für einen Aufenthalt von bis zu drei Monaten ohne Visum nach

15 Renner, Allgemeine Verwaltungsvorschriften zu § 6 AufenthG, S. 188 ff. 16 Zu diesen Ländern nach Anhang I gehören derzeit beispielsweise Afghanistan, China, Irak, Iran, Pakistan etc.

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 Kapitel 12 Entsendung

Deutschland einreisen. Voraussetzung ist, dass sie während dieser Zeit in Deutschland keiner Beschäftigung nachgehen.17 Praxistipp Die aktuelle Liste der visumsfreien und visumspflichtigen Staatsangehörigen kann unter www. auswaertiges-amt.de abgerufen werden.

c) Staatsangehörige aus EU Mitgliedstaaten

114 Staatsangehörige der europäischen Mitgliedstaaten benötigen zur Einreise nach

Deutschland kein Visum. Diese Staatsangehörigen profitieren von der sog. Freizü­ gigkeit nach dem Freizügigkeitsgesetz EU.

3. Aufnahme einer Beschäftigung in Deutschland a) Grundsatz Genehmigungspflicht 115 Grundsätzlich benötigt jeder nichteuropäische Ausländer (Ausnahmen: noch in speziellen Fällen erforderlich, siehe Rn 155) zur Aufnahme einer Beschäftigung in Deutschland einen Aufenthaltstitel, der die Beschäftigungsaufnahme in Deutschland erlaubt. Generell bescheinigt ein Aufenthaltstitel die Dauer des Aufenthaltsrechts in Deutschland und enthält auch den Zusatz, ob eine Erwerbstätigkeit gestattet ist. Regelmäßig ist die Beschäftigung auf eine bestimmte Stelle bei einem bestimmten Arbeitgeber in einem bestimmten Agenturbezirk in Deutschland beschränkt. Ein Aufenthaltstitel, der die Beschäftigung in Deutschland erlaubt, kann auch mit der Genehmigung für eine bundesweite Beschäftigung beantragt werden.18

aa) Genehmigungsverfahren mit Visum

116 Ausländische Staatsangehörige müssen zur Aufnahme einer Beschäftigung in

Deutschland ein sog. nationales D Visum zur Einreise beantragen (Ausnahmen siehe unten). Die Beantragung erfolgt bei der jeweiligen deutschen Botschaft (bzw. den Generalkonsulaten) im Ausland. Die Zuständigkeit der jeweiligen deutschen Botschaft im Ausland richtet sich nach dem Wohnsitz des Ausländers im Ausland. Eine Liste der erforderlichen Unterlagen und Hinweise zum Beantragungsverfah117 ren können auf der Homepage der jeweiligen deutschen Botschaft (bzw. den Generalkonsulaten) in Erfahrung gebracht werden. Verweise zu den jeweiligen Botschaf-

17 Zu diesen Ländern nach Anhang II gehören derzeit beispielsweise Kanada, Australien, Brasilien, Japan etc. 18 Renner, § 4 AufenthG Rn 60 ff. (S. 78).

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ten sind auf der Homepage des Auswärtigen Amtes (www.auswaertiges-amt.de) zu finden. Der entsprechende Visumsantrag wird von den deutschen Botschaften im 118 Ausland über das Bundesverwaltungsamt den Ausländerbehörden im Bundesgebiet zugeleitet. Die Ausländerbehörden im Bundesgebiet entscheiden nach einer ggf. erforderlichen Beteiligung der BA, ob dem Antrag zugestimmt wird. Sobald eine Zustimmung der deutschen Behörden ergeht, wird diese Zustimmung den deutschen Botschaften im Ausland zugeleitet. Die deutschen Botschaften erteilen dann dem ausländischen Mitarbeiter ein entsprechendes Visum, auf dem bereits ein Vermerk enthalten ist, dass eine konkrete Beschäftigungsaufnahme in Deutschland erlaubt ist. Ein solches Visum ist regelmäßig 90 Tage gültig. Nach der Einreise nach Deutschland muss bei der zuständigen Ausländerbehörde der finale Aufenthaltstitel beantragt und abgeholt werden. Die Zuständigkeit der Ausländerbehörde richtet sich hierbei nach der privaten 119 Adresse des Ausländers im Bundesgebiet. Die Ausländerbehörde ist Herrin des Verfahrens und beteiligt, falls dies erforderlich ist, die Agentur für Arbeit (AA). Seit Mai 2011 übernehmen die jeweiligen Abteilungen der Zentralen Auslands- und Fachver­ mittlung (ZAV) die Genehmigungsverfahren für die AA. Eine Übersicht bezüglich der Zuständigkeiten ist auf den Seiten der AA hinterlegt.19 Seit 1.9.2011 wird den ausländischen Arbeitnehmern regelmäßig ein elektroni­ 120 scher Aufenthaltstitel erteilt.20

bb) Genehmigungsverfahren ohne Visum Staatsangehörige gem. §  41 AufenthV können zur Aufnahme einer Beschäftigung 121 nach Deutschland ohne Visum einreisen. Diese Staatsangehörige müssen nach § 41 Abs. 3 AufenthV innerhalb von drei Monaten einen entsprechenden Aufenthaltstitel bei den jeweils zuständigen Ausländerbehörden im Bundesgebiet beantragen. Die Zuständigkeit der Ausländerbehörden richtet sich nach der jeweiligen pri- 122 vaten Adresse des Ausländers im Bundesgebiet. Die Ausländerbehörde entscheidet in diesem Fall nach ggf. erforderlicher Zustimmung der AA (bzw. der ZAV). Zu den begünstigten Staatsangehörigen nach § 41 AufenthV gehören Ausländer der folgenden Staaten: –– Australien, Israel, Japan, Kanada, Neuseeland, (Republik) Korea und die USA. Zu beachten ist hierbei, dass auch diese ausländischen Arbeitnehmer erst mit der 123 Beschäftigungsaufnahme im Bundesgebiet beginnen dürfen, wenn der Aufenthalts-

19 Zur Zuständigkeit der Behörden siehe http://www.arbeitsagentur.de/Dienststellen/besondereDst/ZAV/Downloads/AMZ/amz-neuorganisation-mb-behoerden.pdf. 20 Information zum elektronischen Aufenthaltstitel siehe http://www.bamf.de/SharedDocs/ Anlagen/DE/Publikationen/Broschueren/Broschuere-eAT-de.pdf?__blob=publicationFile.

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 Kapitel 12 Entsendung

titel genehmigt und tatsächlich in den Reisepass gestempelt wurde bzw. sobald der elektronische Aufenthaltstitel vorliegt. Praxistipp Sollte ein elektronischer Aufenthaltstitel nicht rechtzeitig ausgestellt werden können, kann regelmäßig eine sog. Fiktionsbescheinigung bei der zuständigen Ausländerbehörde beantragt werden. Die Fiktionsbescheinigung überbrückt die Zeit bis zur Ausstellung des finalen Aufenthaltstitels.

b) Wichtige Ausnahmeregelungen – Konzerninterne Weiterbildung

124 2009 hat der Gesetzgeber in §  2 Abs. 3 BeschV die Möglichkeit der konzerninter­

nen Weiterbildung aufgenommen. Demnach können ausländische Mitarbeiter eines internationalen Konzerns bis zu drei Monate im Zeitraum von bis zu zwölf Monaten im inländischen Konzernunternehmen weitergebildet werden. Erforderlich ist hierfür ein theoretisches Training der ausländischen Fachkräfte, aber auch praktisches Training (sog. „Training on the job“) ist daneben möglich. Für diese betriebliche Weiterbildung wird visumspflichtigen Drittstaatlern regelmäßig ein 90-Tage-Visum erteilt. Zur Beantragung müssen entsprechende Trainingspläne vorgelegt werden. Für die betriebliche Weiterbildung von visumsfreien Drittstaatlern empfehlen sich eine Rücksprache mit der zuständigen Ausländerbehörde und die Bestätigung, dass eine Weiterbildung auf der genannten Grundlage möglich ist.21

c) Einzelne Arbeitsgenehmigungsverfahren von Drittstaatlern

125 Die folgende Übersicht bietet einen Überblick über die gängigsten Anspruchsgrundla-

gen für die Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern in Deutschland. Durch die Einführung der Blue Card-Regelungen können sich bei den genannten Verfahren Änderungen für hochqualifizierte Ausländer ergeben. Bei den Verfahren prüft die AA (bzw. die zuständigen Abteilungen der ZAV) regel126 mäßig, dass den eingesetzten ausländischen Arbeitnehmern Arbeitskonditionen in Deutschland gewährt werden, die mit den Arbeitskonditionen deutscher Arbeitnehmer im Wesentlichen vergleichbar sind und ob bevorrechtigte Arbeitnehmer gem. § 39 AufenthG auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen (sog. Arbeitsmarktprüfung).22

21 Durchführungsanweisung zur Beschäftigungsverordnung, Stand Mai 2011, § 2 Abs. 3 Rn 2.2.310 (S. 4). 22 Renner, § 4 AufenthG Rn 243 ff. (S. 134 ff.).

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aa) Internationaler Personalaustausch nach § 31 Nr. 1 BeschV –– Voraussetzungen Im Rahmen des internationalen Personalaustauschs können ausländische Fach- 127 kräfte eines internationalen Konzerns oder international tätigen Unternehmens bis zu drei Jahre in Deutschland beschäftigt werden. Erforderlich ist hierfür eine sog. Austauschbewegung. Demnach können so viele ausländische Fachkräfte in Deutschland eingesetzt werden, wie das deutsche Unternehmen seinerseits deutsche Fachkräfte im Ausland einsetzt. Die Fachkräfte müssen u.a. einen Hochschulabschluss oder eine vergleichbare Qualifikation besitzen und regelmäßig Vorbeschäftigungszeiten im Ausland nachweisen. Für dieses Antragsverfahren kann entweder ein lokaler deutscher Arbeitsvertrag oder ein Entsendevertrag genutzt werden. –– Verfahren Zuständig für das Verfahren ist die ZAV in Bonn, gemeinsam mit der lokal zuständi- 128 gen Ausländerbehörde.23

bb) Auslandsprojekte nach § 31 Nr. 2 BeschV –– Voraussetzungen Nach § 31 Nr. 2 BeschV kann für Fachkräfte eines international tätigen Konzerns oder 129 internationalen Unternehmens ein Aufenthaltstitel, der die Beschäftigungsaufnahme in Deutschland erlaubt, für ein internationales Auslandsprojekt beantragt werden. Ein solches internationales Projekt hat bspw. eine Vorbereitungsphase in Deutschland und eine finale Projektumsetzungsphase im Ausland. Die Formulierung des Gesetzes zur Definition des Auslandsprojektes ist ungenau und umstritten. In Zweifelsfällen empfiehlt sich hierbei die Rücksprache mit der ZAV in Bonn. Ein Hochschulabschluss ist für dieses Verfahren nicht zwingend erforderlich. 130 Diese Verfahren kann auch von Unternehmensspezialisten mit besonderen Fachkenntnissen genutzt werden. Die maximale Genehmigungsdauer beträgt ebenfalls drei Jahre. Das Verfahren kann mit lokalem deutschem Arbeitsvertrag oder auch mit einem Entsendevertrag genutzt werden. –– Verfahren Zuständig für das Verfahren ist die ZAV in Bonn gemeinsam mit der lokal zuständigen 131 Ausländerbehörde.24

23 Durchführungsanweisung zur Beschäftigungsverordnung, Stand Mai 2011, § 31 BeschV, Rn 2.31.112 (S. 63). 24 Durchführungsanweisung zur Beschäftigungsverordnung, Stand Mai 2011, § 31 BeschV Rn 2.31. 114 (S. 64).

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 Kapitel 12 Entsendung

cc) Verfahren für Fachkräfte nach § 27 Nr. 1 BeschV –– Voraussetzungen 132 Das Verfahren kann für ausländische Fachkräfte mit anerkanntem ausländischem Hochschulabschluss oder mit einem Hochschulabschluss, der vergleichbar mit einem deutschen Hochschulabschluss ist, genutzt werden. Regelmäßig ist für dieses Verfahren ein lokaler deutscher Arbeitsvertrag erforderlich. Für das Verfahren besteht keine Höchstgenehmigungsdauer. –– Verfahren 133 Zuständig ist die lokale Ausländerbehörde, die auch die entsprechende Abteilung der ZAV für die erforderliche Zustimmung beteiligt.

dd) Verfahren für Fachkräfte nach § 27 Nr. 2 BeschV –– Voraussetzungen 134 Das Verfahren kann für Fachkräfte mit anerkanntem ausländischem Hochschulabschluss oder mit einem Hochschulabschluss, der vergleichbar mit einem deutschen Hochschulabschluss auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologie ist, genutzt werden. Für dieses Verfahren muss regelmäßig ein lokaler deutscher Arbeitsvertrag vorgelegt werden. –– Verfahren 135 Zuständig für das Verfahren ist die lokale Ausländerbehörde unter Beteiligung der entsprechenden Abteilung der ZAV.

ee) Verfahren für Fachkräfte nach § 27 Nr. 3 BeschV –– Voraussetzungen 136 Das Verfahren nach § 27 Nr. 3 BeschV kann für ausländische Fachkräfte mit inländischen Hochschulabschluss genutzt werden. Für das Verfahren muss regelmäßig ein deutscher lokaler Arbeitsvertrag vorgelegt werden. –– Verfahren 137 Zuständig ist die lokale Ausländerbehörde unter Beteiligung der entsprechenden Abteilungen der ZAV.25

ff) Verfahren für leitende Anstellte und Spezialisten nach § 28 Nr. 1 BeschV –– Voraussetzungen 138 Das Verfahren kann für leitende Angestellte und Spezialisten mit besonderen Erfahrungen und vor allem mit unternehmensspezifischen Spezialkenntnissen genutzt

25 Durchführungsanweisung zur Beschäftigungsverordnung, Stand Mai 2011, § 27 BeschV Rn 2.27.100 ff. (S. 56 ff.).

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werden. Seit der HEGA-Verordnung 10/10-0226 kann das Verfahren sowohl mit lokalem deutschem Vertrag als auch mit Entsendevertrag genutzt werden, sofern die Voraussetzungen der HEGA-Verordnung erfüllt sind.27 –– Verfahren Zuständig für das Verfahren ist die lokale Ausländerbehörde unter regelmäßiger 139 Beteiligung der zuständigen Abteilung der ZAV.

gg) Verfahren für privilegierte Staatsangehörige nach § 34 BeschV –– Voraussetzungen Diese Anspruchsgrundlage kann nur für privilegierte Staatsangehörige genutzt 140 werden. Zu den privilegierten Staatsangehörigen gehören Angehörige der folgenden Staaten: Andorra, Australien, Israel, Japan, Kanada, Monaco, Neuseeland, San Marino und USA. Nach dieser Regelung können die genannten Staatsangehörigen vorbehaltlich des Arbeitsmarktvorrangs berechtigter Bewerber grundsätzlich zu jeder qualifizierten Beschäftigung im Bundesgebiet zugelassen werden.28 –– Verfahren Zuständig für das Verfahren ist die lokale Ausländerbehörde unter Beteiligung der 141 entsprechenden Abteilungen der ZAV.

hh) Verfahren für Führungskräfte nach § 4 Nr. 1 BeschV –– Voraussetzungen Auf der Grundlage des §  4 Nr. 1 BeschV können Aufenthaltstitel für leitende Ange- 142 stellte mit Generalvollmacht oder Prokura beantragt werden. –– Verfahren Zuständig für das Verfahren ist die lokale Ausländerbehörde. Eine Zustimmung der 143 ZAV ist regelmäßig nicht erforderlich, was zur erheblichen Verkürzung der Genehmigungsdauer führen kann.

26 HEGA-Verordnung ist in diesem Fall die Kurzform für Handlungsempfehlung und Geschäftsanweisung. 27 Information zur HEGA-Verordnung siehe: http://www.arbeitsagentur.de/nn_164862/zentralerContent/HEGA-Internet/A04-Vermittlung/Dokument/HEGA-10-2010-Fachkraefte.html. 28 Durchführungsanweisung zur Beschäftigungsverordnung, Stand Mai 2011, § 34 BeschV Rn 2.34.110 und 2.34.111 (S. 67).

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 Kapitel 12 Entsendung

ii) Verfahren für Führungskräfte nach § 4 Nr. 2 BeschV –– Voraussetzungen 144 Nach § 4 Nr. 2 BeschV kann für Mitglieder eines Organs einer juristischen Person, die zur gesetzlichen Vertretung berechtigt sind, ein Aufenthaltstitel beantragt werden, die die Aufnahme einer Beschäftigung genehmigt. –– Verfahren 145 Zuständig für das Verfahren ist die lokale Ausländerbehörde. Eine Zustimmung der ZAV ist regelmäßig nicht erforderlich, was zu teilweise erheblichen Verkürzung der Genehmigungsdauer führt.

jj) Verfahren für Führungskräfte nach § 4 Nr. 3 BeschV –– Voraussetzungen 146 Nach 4 Nr. 3 BeschV kann für Gesellschafter einer OHG oder einer anderen Personengesamtheit, die vertretungsberechtigt und aufgrund Satzung oder Gesellschaftervertrag zur Geschäftsführung berufen sind, ein Aufenthaltstitel beantragt werden, der zur Aufnahme einer Beschäftigung berechtigt. –– Verfahren 147 Zuständig für das Verfahren ist die lokale Ausländerbehörde. Eine Zustimmung der ZAV ist regelmäßig nicht erforderlich, was zur erheblichen Verkürzung der Genehmigungsdauer führen kann.

kk) Verfahren für Führungskräfte nach § 4 Nr. 4 BeschV –– Voraussetzungen 148 Das Verfahren des § 4 Nr. 4 BeschV kann für leitende Angestellte eines auch außerhalb Deutschlands tätigen Unternehmens für eine Beschäftigung auf Vorstands- oder Geschäftsleitungsebene oder sonstige leitende Position, die für die Entwicklung des Unternehmens von entscheidender Bedeutung ist, genutzt werden. Für dieses Verfahren muss regelmäßig nachgewiesen werden, dass die ausländischen Führungskräfte auch Personal- und Budgetverantwortung übernehmen. –– Verfahren 149 Zuständig für das Verfahren ist die lokale Ausländerbehörde. Eine Zustimmung der ZAV ist regelmäßig nicht erforderlich, was zur erheblichen Verkürzung der Genehmigungsdauer führen kann.

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ll) Niederlassungserlaubnis –– Voraussetzung Die Niederlassungserlaubnis ist ein verfestigter unbefristeter Aufenthaltstitel, der 150 ausländischen Personen regelmäßig nach einem längerfristigen Aufenthalt erteilt wird (siehe § 9 AufenthG). Die Erteilung erfolgt unbefristet und unbeschränkt.29 In besonderen Fällen wird die Niederlassungserlaubnis allerdings auch 151 direkt nach der Einreise an hochqualifizierte Ausländer vergeben. Die wichtigste Anspruchsgrundlage hierfür ist § 19 Abs. 2 AufenthG. Danach muss die Integration des Ausländers in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik und die Sicherung des Lebensunterhaltes des Ausländers ohne staatliche Hilfe gewährleistet sein. Als hochqualifizierte Ausländer im Sinne dieser Norm gelten –– gem. § 19 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG Wissenschaftler mit besonderen fachlichen Kenntnissen, –– gem. § 19 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG Lehrpersonen oder wissenschaftliche Mitarbeiter mit herausgehobener Position und –– gem. § 19 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG Spezialisten und leitende Angestellte mit besonderer Berufserfahrung, die ein Gehalt in Höhe von mindestens der Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung erhalten. Diese Grenze liegt im Jahr 2012 bei einem Jahresbruttogehalt von 67.200 €.30 –– Verfahren In der Regel entscheidet die lokal zuständige Ausländerbehörde ohne Beteiligung 152 der zuständigen Abteilung der ZAV. Hieraus ergibt sich regelmäßig eine Zeitersparnis für das Genehmigungsverfahren. Allerdings können Ausländerbehörden eine sog. zusätzliche Sicherheitsüberprüfung durchführen, bevor sie eine Niederlassungserlaubnis direkt nach der Einreise vergeben. Diese zusätzliche Sicherheitsüberprüfung kann mehrere Wochen (häufig sechs Wochen) andauern.

mm) Verfahren für Staatsangehörige aus EU Mitgliedstaaten –– Voraussetzung Angehörige der EU Mitgliedstaaten benötigen keine Arbeitsgenehmigung EU mehr. 153 Staatsangehörige der EU Mitgliedstaaten profitieren von der sog. Arbeitnehmerfrei­ zügigkeit. Alle Arbeitnehmer aus den EU Mitgliedstaaten können bei der Ausländerbehörde 154 bzw. bei den Meldebehörden eine sog. Freizügigkeitsbescheinigung beantragen.

29 Durchführungsanweisung zum Aufenthaltsgesetz, Stand Mai 2011, § 19 AufenthG Rn 1.19.110 ff. (S. 40 ff.). 30 Für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis an hochqualifizierte Ausländer werden sich durch die Blue Card-Richtlinie Änderungen ergeben.

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 Kapitel 12 Entsendung

Diese Freizügigkeitsbescheinigung wirkt allerdings nur deklaratorisch und ist somit nicht verpflichtend zu beantragen. Seit 1.5.2011 müssen nur noch Staatsangehörige aus Bulgarien und Rumänien 155 vor der Beschäftigungsaufnahme (die nicht den Voraussetzungen der  §§ 12b, 12c, 12e ArGV entspricht) eine Arbeitsgenehmigung EU beantragen. Dieses Erfordernis besteht voraussichtlich noch bis Ende 2013. –– Verfahren 156 Für dieses Verfahren nach §  284 SGB III ist ebenfalls die entsprechende Abteilung der ZAV zuständig.31 Die Ausländerbehörden werden bei diesem Verfahren nicht beteiligt.32 Die jeweilige lokale Zuständigkeit richtet sich nach dem Sitz des Arbeitgebers. Die ZAV prüft hierbei insbesondere, dass den Arbeitnehmern aus Bulgarien und Rumänien Arbeitskonditionen in Deutschland geboten werden, die den Arbeitskonditionen vergleichbarer deutscher Arbeitnehmer entsprechen.

4. Auslaufen von Aufenthaltstiteln

157 Nach § 51 AufenthG erlöschen Aufenthaltstitel bei Ablaufen der Geltungsdauer, bei

Eintritt einer auflösenden Bedingung, bei Rücknahme des Aufenthaltstitels, bei Widerruf des Aufenthaltstitels, bei Ausweisung des Ausländers, bei Bekanntgabe der Abschiebung, bei einer Ausreise aus nicht vorübergehenden Grund und bei einer Ausreise aus dem Bundesgebiet für einen Zeitraum, der länger als sechs Monate ist, es sei denn, die Behörde hat für diesen Fall eine längere Frist bestimmt.33 Praxistipp Die Genehmigung der Verlängerung des Aufenthaltstitels kann ebenso lange Zeit dauern, wie die Genehmigung vor der Ersterteilung. Es empfiehlt sich daher stets eine rechtzeitige Beantragung der Verlängerung des Aufenthaltstitels. Sollte die Verlängerung nicht rechtzeitig genehmigt werden, kann regelmäßig eine sog. Fiktionsbescheinigung beantragt werden. Falls Auslandsaufenthalte von ausländischen Mitarbeitern geplant sind, empfiehlt sich die rechtzei­ tige Rücksprache mit der Ausländerbehörde bezüglich Möglichkeiten zum Erhalt der Weitergeltung des deutschen Aufenthaltstitels vor der Ausreise.

5. Sanktionen bei illegaler Beschäftigung

158 Nach § 98 AufenthG i.V.m. § 404 SGB III droht dem Arbeitgeber bei illegaler Beschäf­

tigung von ausländischen Arbeitnehmern in Deutschland ein Bußgeld bis zu 500.000 € und ggf. auch ein Eintrag ins Gewerbezentralregister. Für den Arbeitneh-

31 Durchführungsanweisung zu § 284 SGB III, Stand November 2009, § 284 Rn 4.1.110. 32 Merkblatt 7 der AA zur Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern, Stand Januar 2012, Kap. 8, S. 20. 33 Renner, § 51 AufenthG Rn 13 ff. (S. 812 ff.).

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mer kann ein Bußgeld in Höhe von bis zu 5.000 € und die Ausweisung bzw. ein Verbot der Wiedereinreise verhängt werden.34 Bei schweren ausländerrechtlichen Verstößen sind sogar Haftstrafen möglich.

6. Anwendbares Recht Auch bei der Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern in Deutschland stellt 159 sich die Frage nach dem anwendbaren Recht. Grundsätzlich unterliegt der Arbeitsvertrag dem von den Vertragsparteien gewählten Recht, vgl. Art. 27 Abs. 1 S. 1 EGBGB. Hier wird auf die Ausführung oben unter Rn 37 ff. verwiesen. Praxistipp Bei Abschluss eines Arbeitsvertrages mit einem ausländischen Arbeitnehmer, der in Deutschland beschäftigt werden soll, wird angeraten, eine eindeutige Regelung zur Rechtswahl in den Arbeitsvertrag aufzunehmen.

7. Problemstellungen in der Praxis (Gleichbehandlungsgrundsatz, AGG-Tatbestände, Anpassungsschwierigkeiten) Sofern auf das Arbeitsverhältnis deutsches Recht Anwendung findet, gilt auch für ausländische Arbeitnehmer der Gleichbehandlungsgrundsatz. Das bedeutet, die ausländischen Arbeitnehmer sind den deutschen Arbeitnehmern gleichgestellt und haben Anspruch auf gleiche Behandlung. Im Einzelfall ist jedoch für die Herleitung ihrer Rechte zwischen Arbeitnehmern aus EU-Mitgliedsstaaten und solchen aus Drittstaaten zu differenzieren: EU-Bürger können sich auf die Art. 7 ff. der EWG-Verordnung 1612-68 berufen. Demnach gilt für sie ein weitreichendes Diskriminierungsverbot aufgrund der Staatsangehörigkeit. So sind alle Bestimmungen in Tarifverträgen oder sonstigen Kollektivvereinbarungen als auch in Individualverträgen, welche die Beschäftigung, den Zugang zur Beschäftigung, die Entlohnung und die Kündigung sowie alle sonstigen Arbeitsbedingungen regeln, nichtig, sofern sie EU-Bürger diskriminieren. Ausländer aus Drittstaaten können sich dagegen nur auf den Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 3 GG berufen. Dieser findet in § 75 BetrVG seine betriebsverfassungsrechtliche Umsetzung. Daneben finden die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes Anwendung auch auf ausländische Arbeitnehmer. Ziel des Gesetzes ist es, u.a. Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder ethnischen Herkunft zu verhindern oder zu beseitigen, § 1 AGG.

34 Siehe auch Merkblatt 7 der AA zur Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern, Stand Januar 2012, Kap. 13, S. 22.

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 Kapitel 12 Entsendung

Im Alltag nicht zu unterschätzen ist das Risiko, die Sprache des Gaststaates nicht oder nicht hinreichend gut zu beherrschen. Oftmals stellen sich in der täglichen Arbeitspraxis mangelnde Sprachkenntnisse als großes Hindernis dar. Aber auch beim Vertragsschluss selbst, bei einer Abmahnung oder einer Kündigung kann es zu Schwierigkeiten bei der Verständigung kommen. Bei Arbeitsverträgen, die ausschließlich in deutscher Sprache abgeschlossen 165 werden, gleich ob unbefristet oder befristet, trägt der Arbeitnehmer das Sprachri­ siko. Selbst für den Fall, dass der Arbeitnehmer den Inhalt des Vertrages oder die Tatsache der Befristung nicht verstanden hat, ändert dies nichts an der Wirksamkeit der Vereinbarung, sofern er den Vertrag unterschrieben hat. Allerdings wird sich derjenige, der der deutschen Sprache nicht oder nicht in hin166 reichendem Maße mächtig ist, nicht zur Unterschrift eines ausschließlich auf Deutsch verfassten Arbeitsvertrages bewegen lassen. Hier entsteht dann die Gefahr, keine schriftliche Rechtsgrundlage für das Arbeitsverhältnis abschließen zu können.

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Praxistipp Durch die zweisprachige Abfassung des Arbeitsvertrages in Form einer Synopse wird die Akzeptanz zur Unterzeichnung eines Arbeitsvertrages deutlich erhöht. Hier ist darauf zu achten, dass eine Regelung aufgenommen wird, wonach im Zweifel oder bei Auslegungsfragen die deutsche Fassung den Vorrang hat. 167 Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Abmahnung ist, dass sie dem Arbeitnehmer

zugeht und er vom Inhalt der Abmahnung Kenntnis erlangt. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist zu empfehlen, dass der Arbeitgeber dafür Sorge trägt, die Abmahnung sowohl in deutscher Sprache als auch in der Muttersprache des abzumahnenden ausländischen Arbeitnehmers abzufassen. In Bezug auf Arbeitsanweisungen ist anzumerken, dass es dem Arbeitgeber nicht 168 zuzumuten ist, diese in alle im Betrieb gesprochenen Sprachen zu übersetzen.35 Bei Erkrankung des ausländischen Arbeitnehmers während eines Heimatur169 laubs ergeben sich die Anzeige- und Nachweispflichten aus § 5 Abs. 2 EntgeltFG. Dort ist die Verpflichtung des Arbeitnehmers statuiert, dem Arbeitgeber die Tatsache der Arbeitsunfähigkeit, deren voraussichtliche Dauer und die Adresse des Aufenthaltsortes in der schnellstmöglichen Art der Übermittlung mitzuteilen. Hier wird bspw. ein unverzüglicher Anruf des Arbeitgebers als ausreichend anzusehen sein. Einer im Ausland ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist in der Regel dieselbe Beweiskraft zuzumessen wie einer deutschen. Dasselbe gilt für von ausländischen Ärzten getroffene Diagnosen.

35 BAG, Urt. v. 28.1.2010 – Az.: 2 AZR 764/08 = NJW 2010, 2458.

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8. Beendigung des Arbeitsverhältnisses Die in der Praxis wichtigsten Beendigungstatbestände von Arbeitsverhältnissen mit 170 ausländischen Arbeitnehmern entsprechen im Wesentlichen den Beendigungstatbeständen mit deutschen Arbeitnehmern: –– Beendigung durch Fristablauf, –– durch Aufhebungsvertrag oder –– durch Kündigung.

a) Beendigung durch Fristablauf Ein befristet abgeschlossenes Arbeitsverhältnis endet mit Erreichen der Frist durch 171 Zeitablauf, ohne dass weitere Maßnahmen wie z.B. eine Kündigung erforderlich sind. Je nach Ausgangslage ist zu unterscheiden, ob die Befristung des Arbeitsver- 172 hältnisses mit oder ohne Sachgrund erfolgen kann. Regelmäßig wird ein sachlicher Grund erforderlich sein, insbesondere in den Fällen, in denen zuvor bereits ein Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber bestanden hat oder wenn der Einsatz des Arbeitnehmers in Deutschland länger als zwei Jahre dauern soll, vgl. § 14 Abs. 2 S. 1 und 2 TzBfG. Ob die Befristung einer Arbeitserlaubnis einen sachlichen Grund für die Befris- 173 tung eines Arbeitsverhältnisses i.S.v. § 14 Abs. 1 TzBfG darstellen kann, hängt davon ab, ob zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine hinreichend zuverlässige Prognose abgegeben werden kann, dass die Arbeitserlaubnis nicht verlängert wird.

b) Beendigung durch Aufhebungsvertrag Für den Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit einem ausländischen Arbeitnehmer 174 gelten im Wesentlichen die gleichen Grundsätze wie für einen deutschen Arbeitnehmer. Auch hier ist das Schriftformerfordernis des § 623 BGB zu beachten. Eine elektronische Form ist auch hier ausgeschlossen.

c) Beendigung durch Kündigung Auch der ausländische Arbeitnehmer kann sich auf den allgemeinen Kündigungs- 175 schutz der deutschen Arbeitsgesetze berufen, sofern die maßgeblichen Voraussetzungen erfüllt sind. Das bedeutet, dass auch gegenüber einem ausländischen Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung mindestens sechs Monate bestanden hat, eine Kündigung nur unter den Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes rechtswirksam ist. Zudem gilt der Schutz nicht in Kleinbetrieben, vgl. § 23 Abs. 1 KSchG. Dasselbe gilt im Wesentlichen für die Bestimmungen des besonderen Kündi- 176 gungsschutzes. Ausländische Arbeitnehmer aus EU-Mitgliedsstaaten genießen im Ergebnis denselben Kündigungsschutz wie deutsche Arbeitnehmer. Das ArbeitsverPreiss

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 Kapitel 12 Entsendung

hältnis kann auch dann nicht gekündigt werden, wenn der ausländische Arbeitnehmer in seinem Heimatstaat den Wehrdienst ableisten muss. Bei ausländischen Arbeitnehmern aus Drittstaaten wird hinsichtlich der Dauer des Wehrdienstes differenziert. Sofern der ausländische Arbeitnehmer nur einen verkürzten Wehrdienst von zwei bis drei Monaten ableisten muss, soll ihm grundsätzlich ein Leistungsverweigerungsrecht bezüglich seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung zustehen.36 Den Arbeitnehmer trifft hier die Verpflichtung, seinen Arbeitgeber in Deutschland rechtzeitig und umfassend auf seine Einberufung hinzuweisen. Zudem besteht dann kein Zurückbehaltungsrecht, wenn ein geordneter Betriebsablauf beim Arbeitgeber nicht gewährleistet werden kann. Sofern der Wehrdienst länger als drei Monate dauert, kann sich der Arbeitnehmer nicht auf sein Leistungsverweigerungsrecht berufen. In der Regel besteht dann eine Berechtigung des Arbeitgebers zum Ausspruch einer personenbedingten Kündigung wegen Nichtleistung. Ob eine Kündigung wegen fehlender Arbeitserlaubnis erforderlich ist, hängt davon ab, ob der dem Arbeitsverhältnis zugrundeliegende Arbeitsvertrag nicht von vornherein als nichtig anzusehen ist. Eine Nichtigkeit des Arbeitsvertrages gem. § 134 BGB liegt nur dann vor, wenn die Arbeitsvertragsparteien das Arbeitsverhältnis in Kenntnis der Erlaubnispflicht mit der Absicht geschlossen haben, es ohne Arbeitserlaubnis vollziehen zu wollen. Bei Wegfall der Arbeitserlaubnis während des Arbeitsverhältnisses ist zu differenzieren: Sofern die Arbeitserlaubnis rechtskräftig durch die Ausländerbehörde versagt wurde, ist der Arbeitnehmer dauerhaft daran gehindert, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Eine ordentliche personenbedingte Kündigung ist in einem solchen Fall in der Regel gerechtfertigt. Sofern noch nicht endgültig feststeht, dass die Arbeitserlaubnis wegfällt, kann dem ausländischen Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres gekündigt werden. Fraglich ist, ob in absehbarer Zeit mit einer gültigen Arbeitserlaubnis zu rechnen ist und ob dem Arbeitgeber zuzumuten ist, die Stelle des ausländischen Arbeitnehmers ohne Behinderung der betrieblichen Abläufe freizuhalten. Sofern ein ausländischer Arbeitnehmer nicht über die erforderlichen Arbeitspapiere verfügt und diese auch nach mehrfacher Aufforderung nicht vorlegt, kann dies eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.

9. Tarifrechtliche Problemstellungen

183 Für den Fall, dass eine beiderseitige Tarifbindung vorliegt oder eine entsprechende

Bezugnahmeklausel in dem Individualarbeitsvertrag des ausländischen Arbeitnehmers enthalten ist, gelten Tarifverträge auch für in Deutschland beschäftigte

36 BAG, Urt. v. 22.12.1982 = DB 1983, 49.

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ausländische Arbeitnehmer, sofern dieser unter den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des einschlägigen Tarifvertrages fällt. Darüber hinaus gelten Tarifverträge auch für ausländische Arbeitnehmer, wenn es sich um als allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge handelt. Denkbar ist die Anwendbarkeit eines Tarifrechts auf einen in Deutschland 184 beschäftigten ausländischen Arbeitnehmer auch bei Vorliegen eines grenzüber­ schreitenden Tarifvertrages. Dieser muss von Tarifvertragsparteien aus verschiedenen Ländern abgeschlossen werden und stellt aufgrund der uneinheitlichen Tarifrechtsordnungen der verschiedenen Länder eher die Ausnahme dar.

10. Beteiligung der Arbeitnehmervertretungen Das in deutschen, in privater Rechtsform organisierten Gesellschaften anzutreffende Gremium von Arbeitnehmervertretern ist der Betriebsrat. Seine Rechte und Pflichten, aber auch seine Zuständigkeiten und seine Organisation regelt das BetrVG. Im Hinblick auf ausländische Arbeitnehmer hat der Betriebsrat die gleichen Rechte und Schutzpflichten wie bei deutschen Arbeitnehmern. Ihm stehen insbesondere dieselben Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte in personellen und sozialen Angelegenheiten nach §§ 87, 95, 99, 102 BetrVG zu. In Fällen, in denen ein ausländischer Arbeitnehmer bspw. nicht über eine wirksame Arbeitserlaubnis verfügt, kann der Betriebsrat bei Einstellungen seine Zustimmung gem. §  99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz verweigern. Ausländischen Arbeitnehmern steht unter den Voraussetzungen von § 7 BetrVG das aktive Wahlrecht zu, selbst wenn sie der deutschen Sprache nicht oder nicht hinreichend mächtig sind. Für das passive Wahlrecht, also die Wählbarkeit zum Betriebsrat, gilt das oben Gesagte unter den Voraussetzungen von § 8 BetrVG entsprechend. Das Gesetz über Europäische Betriebsräte ist am 20.10.1996 in Kraft getreten und regelt die grenzübergreifende Unterrichtung und Anhörung von Arbeitnehmern in gemeinschaftsweit tätigen Unternehmen. Dem Europäischen Betriebsrat sind einmal im Jahr die Entwicklung der Geschäftslage und die Perspektiven des Unternehmens darzulegen, vgl. § 32 Abs. 1 EBRG. Damit kommt dem Europäischen Betriebsrat eher die Funktion eines Wirtschaftsausschusses i.S.v. § 106 BetrVG zu. Er ist bspw. nicht zu hören bei einer Einstellung oder Kündigung eines (entsendeten) Arbeitnehmers.

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11. Arbeitsschutzgesetze und Arbeitnehmer-Entsendegesetz In den weiteren Arbeitsschutzgesetzen erfolgt entsprechend dem gesetzlich veranker- 189 ten Antidiskriminierungsgedanken keine Differenzierung nach deutschen oder ausländischen Arbeitnehmern (z.B. Arbeitszeitgesetz, Ladenschlussgesetz etc.).

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 Kapitel 12 Entsendung

Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz ist am 1.4.1996 in Kraft getreten. Es wurde zur Bekämpfung von Niedriglöhnen beim Einsatz von ausländischen Arbeitnehmern durch ausländische Firmen u.a. im Baugewerbe, in der Pflegebranche, in der Abfallwirtschaft und für Sicherheitsdienstleistungen (§ 4 AEntG) erlassen. Ziel des Gesetzes ist die Durchsetzung angemessener Mindestarbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer u.a. durch Einhaltung der seitens Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ausgehandelten Mindesttariflöhne. Mögliche Sanktionen bei Nichteinhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen sind der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge sowie die Zahlungen von Bußgeldern von bis zu 500.000 € (§ 23 Abs. 3 AEntG).

B. Steuerrecht 191 Neben der arbeits- und aufenthaltsrechtlichen Seite sind bei der Planung einer Ent-

sendung vor allem auch die steuerlichen Aspekte zu berücksichtigen, da diese einen nicht unerheblichen Kosten- und Risikofaktor für Arbeitgeber und Arbeitnehmer darstellen. Daher sind im Vorfeld einer Entsendung immer auch die steuerlichen Konsequenzen zu prüfen.

Praxistipp Bei grenzüberschreitendem Mitarbeitereinsatz sind grundsätzlich die steuerlichen Konsequenzen im Heimat- und Entsendungsstaat sowie die bestehenden zwischenstaatlichen Regelungen (z.B. DBA) zu prüfen.

I. Wirtschaftlicher Arbeitgeber 192 Vor der Prüfung der steuerlichen Konsequenzen und Verpflichtungen für den Arbeitgeber ist zunächst festzustellen, wer als Arbeitgeber des entsandten Arbeitnehmers anzusehen ist. Da bei internationalen Arbeitnehmerentsendungen regelmäßig zwei oder mehrere (verbundene) Unternehmen beteiligt sind, ist zunächst festzustellen, wer als Arbeitgeber des entsandten Arbeitnehmers anzusehen ist.

1. Arbeitgeberbegriff im Lohnsteuerrecht 193 Lohnsteuerlicher Arbeitgeber und somit zum Lohnsteuereinbehalt verpflichtet ist gem. § 38 Abs. 1 Nr. 1 EStG das inländische Unternehmen, dem der Arbeitnehmer aufgrund eines bestehenden zivilrechtlichen Arbeitsverhältnisses seine Arbeitskraft schuldet, unter dessen Weisung der Arbeitnehmer steht und in dessen Betrieb er eingebunden ist. Die Verpflichtung zum Lohnsteuereinbehalt gilt grundsätzlich auch weiterhin, 194 wenn der Arbeitnehmer im Ausland tätig ist, sofern dessen Gehalt für die Tätigkeit Hottenbach/Peitz-Ziemann

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in Deutschland steuerpflichtig ist. Zwar ist der Arbeitnehmer gem. § 38 Abs. 2 EStG Schuldner der Lohnsteuer, der Arbeitgeber haftet jedoch für nicht ordnungsgemäß einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer. Praxistipp Bei Entsendungen hört die Verpflichtung zum Lohnsteuereinbehalt nicht an der Grenze auf. Daher ist grundsätzlich auch eine etwaige Verpflichtung im Entsendungsstaat zu prüfen.

Weiterhin ist bei Entsendungen nach Deutschland gem. § 38 Abs. 1 S. 2 EStG als lohn- 195 steuerlicher Arbeitgeber auch das inländische Unternehmen anzusehen, das den ausländischen Arbeitnehmer aufgenommen hat. In diesem Fall kommt es nicht auf ein bestehendes zivilrechtliches Arbeitsverhältnis an, sondern darauf, dass das aufnehmende Unternehmen das Gehalt wirtschaftlich trägt. Dies impliziert, dass es unerheblich ist, ob das aufnehmende Unternehmen das Gehalt auszahlt oder die Kosten an dieses ganz oder teilweise weiterbelastet werden. Sofern das ausländische, entsendende Unternehmen das Gehalt des entsende- 196 ten Arbeitnehmers auszahlt, ist das aufnehmende inländische Unternehmen zum Zwecke der Abführung der Lohnsteuer monatlich über die gezahlte Vergütung nebst steuerpflichtigen geldwerten Vorteilen zu informieren. Praxistipp Für Zwecke des Lohnsteuereinbehalts sollte eine Aufstellung der an den Mitarbeiter gezahlten Vergütungsbestandteile, sowie der Hinweis, ob diese brutto, netto oder steuerfrei ausgezahlt werden, erstellt und der Lohnakte des entsandten Arbeitnehmers beigefügt werden, um den korrekten Lohnsteuereinbehalt sicherzustellen und somit das Haftungsrisiko des Arbeitgebers zu reduzieren.

2. Arbeitgeberbegriff nach DBA Für die Frage der Zuweisung des Besteuerungsrechts ist es von besonderer Bedeu- 197 tung, wer als Arbeitgeber i.S.d. DBA anzusehen ist. Das OECD-Musterabkommen enthält hierzu keine eigenständige Definition. Vielmehr ist der Arbeitgeberbegriff nach den jeweiligen nationalen Regelungen auszulegen. Ist der Arbeitnehmer für seinen zivilrechtlichen Arbeitgeber bei einem nicht ver- 198 bundenen Unternehmen im Ausland tätig, ist in der Regel davon auszugehen, dass der zivilrechtliche Arbeitgeber auch als Arbeitgeber i.S.d. DBA anzusehen ist. Bei einer Entsendung zwischen verbundenen Unternehmen hingegen ist zu prüfen, ob neben dem zivilrechtlichen Arbeitgeber ggf. ein wirtschaftlicher Arbeitgeber vorhanden ist.

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 Kapitel 12 Entsendung

Praxistipp Bei der Planung der Entsendung ist zu beachten, dass nicht jedes Land den Begriff des „wirtschaftlichen Arbeitgebers“ anwendet, sondern allein auf das rechtliche Arbeitsverhältnis abstellt (so z.B. Schweden, Dänemark). Um eine Doppelbesteuerung bei Entsendungen in diese Staaten zu vermeiden, sollte dies bei der vertraglichen Gestaltung der Entsendung im Vorfeld berücksichtigt werden. 199 Im Gegensatz zum lohnsteuerlichen Arbeitgeberbegriff kann Arbeitgeber i.S.d. DBA

nicht nur der zivilrechtliche Arbeitgeber, sondern auch eine andere natürliche oder juristische Person sein, die die Vergütung für die ihr geleistete nichtselbstständige Tätigkeit wirtschaftlich trägt.37 Als weitere Abgrenzung zum lohnsteuerlichen Arbeitgeber ist hierbei auch anzu200 merken, dass das aufnehmende Unternehmen als wirtschaftlicher Arbeitgeber anzusehen ist, wenn es die Gehaltsaufwendungen zwar nicht getragen hat, diese jedoch nach dem Fremdvergleich hätte tragen müssen. Dies hängt regelmäßig davon ab, ob der Arbeitnehmer in das aufnehmende Unternehmen eingebunden ist.38 Praxistipp Zur Beurteilung, ob der Arbeitnehmer in das aufnehmende Unternehmen eingegliedert ist, sind u.a. folgende Kriterien heranzuziehen: –– Wer entscheidet über Art und Umfang der täglichen Arbeit? –– Wer bestimmt die Höhe der Bezüge? –– Wer entscheidet über Urlaubsgewährung oder Kündigung? –– Wer stellt die Arbeitsmittel zur Verfügung? –– Wer trägt das Risiko für eine Lohnzahlung im Nichtleistungsfall? In der Praxis bietet es sich an, diese Fragen im Vorfeld zwischen den beteiligten Unternehmen zu klären und im Vertrag mit dem Mitarbeiter für die Auslandstätigkeit festzuhalten.

II. Freistellung vom Lohnsteuerabzug 1. Doppelbesteuerungsabkommen DBA 201 Nachfolgend wird die Zuweisung des Besteuerungsrechts anhand des OECD-Mus­ terabkommens erläutert, das als Vorlage für die von Deutschland abgeschlossenen DBA dient. Es ist jedoch zu beachten, dass die Regelungen in den einzelnen Abkommen von denen des Musterabkommens abweichen. Daher ist grundsätzlich das mit dem entsprechenden Entsendungsstaat abgeschlossene Abkommen zur Beurteilung heranzuziehen.

37 BFH, Urt. v. 23.2.2005, BStBl. II S. 547. 38 BMF-Schreiben v. 14.9.2006, Rn 70.

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Praxistipp Zurzeit werden viele DBA, die Deutschland mit anderen Ländern abgeschlossen hat, neu verhandelt. Daher ist auch während eines Auslandsaufenthalts zu beobachten, ob und ab wann ein Abkommen auf einen Entsendungsfall anzuwenden ist.

a) Besteuerung des Arbeitslohnes Gem. Art. 15 OECD-MA ist der Arbeitslohn grundsätzlich im Ansässigkeitsstaat des 202 Arbeitnehmers steuerpflichtig („Ansässigkeitsstaatsprinzip“). Wird die Tätigkeit jedoch im anderen Staat ausgeübt (Quellenstaat), hat dieser Staat das Besteuerungsrecht („Arbeitsortprinzip“). Im Gegensatz zum Begriff des Arbeitgebers wird der Begriff der Ansässigkeit im 203 Abkommen definiert. Grundsätzlich ist gem. Art. 4 OECD-MA eine Person in dem Staat ansässig, in dem sie aufgrund ihres Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes unbeschränkt steuerpflichtig ist. Da dies jedoch bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten regelmäßig in beiden Staaten der Fall sein kann, ist zunächst die Bestimmung des Ansässigkeitsstaates zwingende Voraussetzung für die Zuweisung des Besteuerungsrechts. In Art. 4 Abs. 2 OECD-MA wird dabei auf die sog. „vorrangige Ansässig­ keit“ abgestellt. Demnach ist eine Person nur in dem Staat ansässig i.S.d. Abkommens, in dem sie 204 eine ständige Wohnstätte unterhält. Liegt auch dies in beiden Staaten vor, gilt der Staat als Ansässigkeitsstaat, zu dem die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Verbindungen bestehen. Dieser sog. Mittelpunkt der Lebensinteressen ist bei verheirateten Personen in der Regel der Familienwohnsitz. Praxistipp Bei verheirateten Arbeitnehmern ist im Vorfeld der Entsendung nicht nur die Frage der Wohnsitzbeibehaltung oder -aufgabe zu klären, sondern auch, ob die Familie den Arbeitnehmer auf Entsendung begleitet oder nicht. Dies hat Auswirkungen auf die Bestimmung der Ansässigkeit und damit auch auf das Besteuerungsrecht des Gehalts.

Führt auch dies nicht zur eindeutigen Bestimmung der Ansässigkeit, verbleibt der 205 gewöhnliche Aufenthalt. Sofern dieser nicht greift, wird die Ansässigkeit durch die Staatsangehörigkeit bestimmt und im äußersten Fall ist die Ansässigkeit im Wege einer Verständigungsvereinbarung zwischen den beteiligten Staaten zu regeln. Merke Grundsatz: Im Tätigkeitsstaat verbrachte Arbeitstage sind im Tätigkeitsstaat, im Ansässigkeitsstaat verbrachte Arbeitstage sind immer im Ansässigkeitsstaat steuerpflichtig.

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 Kapitel 12 Entsendung

206 Abweichend hiervon fällt das Besteuerungsrecht für Arbeitstage im Tätigkeitsstaat

an den Ansässigkeitsstaat zurück, wenn nachfolgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: –– der Arbeitnehmer ist an weniger als 183 Tagen in einem Zwölf-Monats-Zeitraum im Tätigkeitsstaat anwesend, –– das Gehalt wird nicht von einem im Tätigkeitsstaat ansässigen Arbeitgeber, –– oder einer Betriebsstätte wirtschaftlich getragen. 207 Hierbei sind Besonderheiten in den unterschiedlichen DBA zu beachten, wie bspw. ein vom aktuellen OECD-MA abweichender Betrachtungszeitraum (z.B. Steuerjahr, Kalenderjahr, Zwölf-Monats-Zeitraum) sowie die Maßgeblichkeit von Arbeitstagen anstelle von Anwesenheitstagen. Sofern die Ermittlung der Tage sich auf Tage der Anwesenheit bezieht, ist unbe208 achtet der Arbeitsausübung auf die reine körperliche Anwesenheit im Tätigkeitsstaat abzustellen. Nach der deutschen Verwaltungsmeinung sind hierbei auch kurze Anwesenheitszeiten im Tätigkeitsstaat als volle Aufenthaltstage anzusehen. Praxistipp Diese Auffassung wird nicht von allen Staaten, mit denen Deutschland ein DBA hat, geteilt. Dies ist bei der Planung der Entsendung unbedingt vorab zu prüfen, um eine doppelte Besteuerung der Einkünfte aufgrund der unterschiedlichen Ermittlung der Anwesenheitstage zu vermeiden. 209 Somit gelten aus deutscher Sicht auch als Aufenthaltstage:

–– der Ankunfts- und Abreisetag, –– alle Tage der Anwesenheit im Tätigkeitsstaat unmittelbar vor, während und unmittelbar nach der Tätigkeit, z.B. Samstage, Sonntage, öffentliche Feiertage, –– Tage der Anwesenheit im Tätigkeitsstaat während Arbeitsunterbrechungen, z.B. bei Streik, Aussperrung, Ausbleiben von Lieferungen oder Krankheit, es sei denn, die Krankheit steht der Abreise des Arbeitnehmers entgegen und er hätte ohne sie die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung im Tätigkeitsstaat erfüllt, –– Urlaubstage, die unmittelbar oder in einem engen zeitlichen Zusammenhang vor, während und nach der Tätigkeit im Tätigkeitsstaat verbracht werden.39 Hinweis Aufgrund der geänderten Ermittlung der 183-Tage-Frist wird derzeit das bislang gültige BMF-Schreiben im Hinblick auf die Behandlung der Anwesenheitstage im Tätigkeitsstaat überarbeitet, sofern dieser aufgrund unterjährigen Wohnsitzwechsels gleichzeitig auch Ansässigkeitsstaat ist.

39 BMF-Schreiben v. 14.9.2006, Rn 38.

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B. Steuerrecht 

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Praxistipp Als Nachweis der Anwesenheitstage im Tätigkeitsstaat für die Finanzverwaltung ist es ratsam, dass der Arbeitgeber den entsandten Mitarbeiter verpflichtet, einen Reisekalender zu führen, aus dem die täglichen Anwesenheitszeiten sowie die Information, ob es sich hierbei um Arbeitstage oder arbeitsfreie Tage handelt, hervorgehen. Die Korrektheit der Eintragungen im Reisekalender sind bei Zweifelsfragen vom Arbeitgeber anhand von Reisekostenabrechnungen zu überprüfen und zu bestätigen.

Verbleibt das Besteuerungsrecht für Arbeitstage im Tätigkeitsstaat bei diesem, so ist 210 ferner noch die sog. Rückfallklausel gem.  §  50 Abs. 8 EStG zu beachten.40 Demzufolge werden bei unbeschränkter deutscher Steuerpflicht die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit von der deutschen Besteuerung nur dann unter Progressionsvorbehalt freigestellt, wenn der Nachweis erbracht wird, dass die auf diese Einkünfte entfallenden Steuern im Tätigkeitsstaat entrichtet wurden oder der Tätigkeitsstaat aufgrund nationaler Regelungen auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat.

b) Aufteilung des Arbeitslohnes Nach der Zuweisung des Besteuerungsrechts gem. Art. 15 OECD-MA ist in einem weiteren Schritt die Aufteilung des Arbeitslohnes in steuerpflichtigen bzw. steuerfreien Arbeitslohn im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens durchzuführen. Hierbei werden nicht die für die Berechnung der 183-Tage-Frist maßgeblichen Grundsätze herangezogen. Für die Berechnung ist allein der wirtschaftliche Zusammenhang mit der Tätigkeit im Tätigkeitsstaat bzw. im Ansässigkeitsstaat entscheidend. Direkt der Auslandstätigkeit zuzuordnende Gehaltsbestandteile sind bspw.: –– Reisekosten, –– Überstundenvergütungen, –– Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, –– Auslandszulagen, –– projektbezogene Erfolgsprämien oder –– die Gestellung einer Wohnung im Tätigkeitsstaat.41 Sofern Gehaltsbestandteile nicht direkt zugeordnet werden können, sind diese nach dem Verhältnis der für den entsprechenden Zeitraum vertraglich vereinbarten Arbeitstage und dem vereinbarten Arbeitslohn aufzuteilen. Vertraglich vereinbarte Arbeitstage sind die Tage im Kalenderjahr, an den der Arbeitnehmer nach seinem Arbeitsvertrag zur Arbeit verpflichtet ist.

40 Vorlagebeschluss des BFH an das BVerfG am 10.1.2012 – IR 66/09 – zur verfassungsrechtlichen Zulassung eines einseitigen Überschreibens von DBA. 41 BMF-Schreiben v. 14.9.2006, Rn 104.

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 Kapitel 12 Entsendung

Dem ist das vertraglich vereinbarte Entgelt gegenüberzustellen: Dies sind neben dem laufenden Gehalt auch die auf den gesamten Betrachtungszeitraum entfallenden Sondervergütungen (z.B. Bonuszahlungen, Weihnachtsgeld, Urlaubs­ geld). Das auf die im Tätigkeitsstaat verbrachten vereinbarten Arbeitstage entfal­ lende vereinbarte Arbeitsentgelt ist demnach von der Besteuerung freizustellen. Die Aufteilung der Gehaltsbestandteile erfordert umso mehr Sorgfalt und Doku216 mentation, wenn die Steuerpflicht unterjährig wechselt. 215

c) Lohnsteuerabzug und Freistellungsbescheinigung

217 Da die Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug gem. § 38 Abs. 1 EStG tatbestandmäßig

an den inländischen Arbeitgeber anknüpft, ist dieser zunächst grundsätzlich zum Lohnsteuerabzug verpflichtet, unabhängig davon, ob die Tätigkeit im Inland oder Ausland ausgeübt wurde. Gem. R 39b.10 LStR kann ein nach maßgeblichem DBA steuerfreier Arbeitslohn vom Lohnsteuerabzug ausgenommen werden. Die Freistellung ist jedoch antragsgebunden, wenn das maßgebliche DBA dies vorsieht. 218 Dies ist u.a. bei mit den mit folgenden Staaten abgeschlossenen DBA der Fall: –– Großbritannien, –– Dänemark, –– Norwegen, –– USA, –– Frankreich und –– Schweiz. 219 Der Antrag auf Freistellung von Arbeitslohn vom Lohnsteuereinbehalt wird im Idealfall bereits vor Beginn der Entsendung beim zuständigen Betriebsstättenfinanzamt gestellt. Der Antrag kann jedoch bis zu Ablauf des Kalenderjahres nachgeholt werden. Wird der Antrag erstmals im darauffolgenden Jahr gestellt, ist im Erstjahr der Auslandstätigkeit der Lohnsteuerabzug dennoch vorzunehmen, da die entsprechende Bescheinigung zur Freistellung fehlt. Die Freistellungsbescheinigung wird auf Antrag vom Finanzamt für den Zeitraum 220 der Entsendung, längstens jedoch für einen Zeitraum von drei Jahren ausgestellt. Eine erneute Antragsstellung ist jedoch möglich. Praxistipp Die Bescheinigung ist als Nachweis dem Lohnkonto des Arbeitnehmers beizufügen. 221 Stellt sich im Laufe des Jahres heraus, dass die Voraussetzungen für die Steuerfrei-

stellung nicht mehr vorliegen (z.B. aufgrund Unterschreitung der 183-Tage-Frist), so ist der Lohnsteuereinbehalt unverzüglich nachzuholen. Eine Information gegenüber dem Finanzamt ist nicht erforderlich.

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B. Steuerrecht 

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2. Auslandstätigkeitserlass a) Freistellung des Arbeitslohns bei Entsendung in Nicht-DBA-Staaten Sofern mangels DBA eine Befreiung des Arbeitslohns für die Tätigkeit im Ausland nicht möglich ist, besteht die Möglichkeit, den Arbeitslohn nach dem Auslandstätig­ keitserlass42 freizustellen. In Frage kommen hiernach vor allem Tätigkeiten in Afghanistan, Brasilien, Chile, Costa Rica, Dominikanische Republik, Hongkong, Libyen, Nigeria, Peru und Saudi-Arabien. Eine Befreiung kommt jedoch nur für einen Arbeitnehmer eines inländischen Arbeitgebers in Betracht, der für einen Zeitraum vom mindestens drei Monaten ununterbrochen in einem Nicht-DBA-Staat eine begünstigte Tätigkeit ausübt. Begünstigt sind folgende Tätigkeiten für einen inländischen Lieferanten, Hersteller, Auftragnehmer oder Inhaber ausländischer Mineralaufsuchungs- oder Mineralgewinnungsrechte im Zusammenhang mit –– der Planung, Errichtung, Einrichtung, Inbetriebnahme, Erweiterung, Instandsetzung, Modernisierung, Überwachung oder Wartung von Fabriken, Bauwerken, ortsgebundenen großen Maschinen oder ähnlichen Anlagen sowie dem Einbau, der Aufstellung oder Instandsetzung von sonstigen Wirtschaftsgütern; außerdem ist das Betreiben der Anlage bis zur Übergabe an den Auftraggeber begünstigt, –– dem Aufsuchen oder der Gewinnung von Bodenschätzen, –– der Beratung (Consulting) ausländischer Auftraggeber oder Organisationen im Hinblick auf oben genannte Vorhaben oder –– der deutschen öffentlichen Entwicklungshilfe im Rahmen der Technischen oder Finanziellen Zusammenarbeit. Ist eine entsprechende Bescheinigung erteilt, kann der Arbeitslohn vom Lohnsteuereinbehalt freigestellt werden. Hierbei ist bei der Aufteilung des Arbeitslohnes zu beachten, dass im Gegensatz zur Aufteilung des Arbeitslohnes bei Vorliegen eines DBA der gezahlte Arbeitslohn anhand der Kalendertage, nicht der vereinbarten Arbeitstage, aufzuteilen ist, sofern sie nicht direkt zugeordnet werden können.

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Praxistipp Auch bei Anwendung des ATE sind stets die gesetzlichen Voraussetzungen zu beobachten, da in der Finanzverwaltung die Tendenz besteht, die Anwendung des ATE zu erschweren.

b) Lohnsteuerabzug und Freistellungsbescheinigung Da die Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug gem. § 38 Abs. 1 EStG tatbestandmäßig an 226 den inländischen Arbeitgeber anknüpft, ist dieser zunächst grundsätzlich zum Lohnsteuerabzug verpflichtet, unabhängig davon, ob die Tätigkeit im Inland oder Ausland ausgeübt wurde.

42 BMF-Schreiben v. 31.10.1983, BStBl. I S. 470.

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 Kapitel 12 Entsendung

Auch im Fall der Freistellung nach dem Auslandstätigkeitserlass ist ein entsprechender Antrag zu stellen, denn der Lohnsteuerabzug von nach ATE steuerfreiem Arbeitslohn darf nur unterbleiben, wenn dem Arbeitgeber eine entsprechende Frei­ stellungsbescheinigung vorliegt. Diese wird auf Antrag des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers vom zuständi228 gen Betriebsstättenfinanzamt für die Dauer der begünstigten Tätigkeit, jedoch längs­ tens für drei Jahre, ausgestellt. 227

III. Lohnsteuer bei beschränkter Steuerpflicht des Arbeitnehmers 1. Beschäftigung von Arbeitnehmern ohne Wohnsitz in Deutschland 229 Werden bei einer Entsendung nach Deutschland die entsandten Mitarbeiter aufgrund eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes unbeschränkt steuerpflichtig, so sind auch in diesem Fall die oben genannten Regelungen zu berücksichtigen. Hinweis Ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland ist hierbei bereits bei einem Aufenthalt von 183 Tagen (mehr als sechs Monate) anzunehmen. 230 Anders ist dies jedoch, sofern der entsandte Mitarbeiter in Deutschland mangels

Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes in Deutschland lediglich der beschränk­ ten Steuerpflicht unterliegt. In diesem Fall sind lediglich die inländischen Einkünfte gem. § 49 EStG, die sog. 231 „Katalogeinkünfte“, steuerpflichtig. Im Hinblick auf den Arbeitslohn bedeutet dies, dass dieser steuerpflichtig ist, sofern die Tätigkeit im Inland ausgeübt oder verwer­ tet wurde. Außerhalb Deutschlands verbrachte Arbeitstage unterliegen somit in Deutsch232 land nicht der Besteuerung.

2. Auswirkungen auf den Lohnsteuerabzug 233 Da die Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug gem. § 38 Abs. 1 EStG tatbestandmäßig an den inländischen Arbeitgeber anknüpft, ist dieser zunächst grundsätzlich zum Lohnsteuerabzug verpflichtet, unabhängig, ob die Tätigkeit im Inland oder Ausland ausgeübt wurde. Ausländische Einkünfte bleiben gem. R 39d Abs. 2 Nr. 2 LStR außer Ansatz, wenn nachgewiesen wird, dass diese im anderen Staat besteuert wurden oder eine Befreiung nach ATE oder DBA vorliegt. Im Fall der Befreiung nach ATE ist auch bei beschränkter Steuerpflicht auf die Freistellungsbescheinigung zu achten. Der ausländische Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber für Zwecke des Lohnsteu234 erabzugs eine „besondere Lohnsteuerbescheinigung“ (§  39d EStG), aus der die zugrunde zulegende Steuerklasse hervorgeht, vorzulegen. Diese erhält er auf Antrag beim für den Arbeitgeber zuständigen Betriebsstättenfinanzamt. Hottenbach/Peitz-Ziemann

B. Steuerrecht 

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Praxistipp Auch der Arbeitgeber kann für den Arbeitnehmer den „Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung für das Kalenderjahr für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer“ stellen. Von dieser Möglichkeit sollte der Arbeitgeber aus Vereinfachungsgründen Gebrauch machen.

Liegt dem Arbeitgeber die Bescheinigung nicht vor, ist aus Haftungsgründen 235 der Lohnsteuerabzug nach Steuerklasse 6 durchzuführen. Grundsätzlich hat bei beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern der Lohnsteuereinbehalt Abgeltungs­ wirkung. Eine Veranlagung ist nur in bestimmten Fällen auf Antrag möglich. Praxistipp Der Arbeitgeber sollte die Anwesenheitstage in Deutschland beobachten. Dies bedeutet, der Arbeitnehmer hat einen Reisekalender über seine täglichen Aufenthalts- und Arbeitstage zu führen. Der Arbeitgeber muss die Anzahl und Art der Tage insbesondere im Hinblick auf das Überschreiten der 183 Tage Frist beobachten und bei Bedarf steuerliche Konsequenzen ziehen.

3. Besonderheit bei Arbeitnehmern eines ausländischen Arbeitgebers Wird ein ausländischer Arbeitnehmer aufgrund einer Beschäftigung im Inland für 236 seinen ausländischen Arbeitgeber mit seinen inländischen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit in Deutschland steuerpflichtig, so ist die Steuer nicht im Lohnsteuerabzugsverfahren zu begleichen. Voraussetzung ist, dass die Kosten nicht an ein deutsches verbundenes Unternehmen des ausländischen Arbeitgebers weiterbelastet werden. Denn: Grundsätzlich ist nur ein inländischer Arbeitgeber zum Lohnsteuereinbehalt verpflichtet. In diesem Fall ist der Arbeitnehmer dazu verpflichtet, die Steuer im Rahmen der 237 Veranlagung zu begleichen. Der Arbeitnehmer muss eine Einkommensteuererklärung beim zuständigen Finanzamt einzureichen. Praxistipp Die Frage der Kostenbelastung bzw. Kostentragung ist kritisch seitens des Arbeitgebers zu würdigen. Es liegt nur dann kein inländischer Arbeitgeber vor, wenn der Arbeitnehmer keinerlei Bezug zu einem deutschen Unternehmen hat. Hierbei ist auch die Frage zu stellen, inwieweit die Tätigkeit in Deutschland faktisch zum Vorliegen einer Betriebsstätte des ausländischen Arbeitgebers führt; in diesem Fall wäre die Betriebsstätte zum Lohnsteuerabzug verpflichtet.

IV. Behandlung von Sonderzahlungen 1. Behandlung von Aktienoptionen im Entsendungsfall Eine zunehmende Anzahl an Unternehmen nutzt die Einräumung von Aktienoptio­ 238 nen zur Motivation und Bindung der Führungskräfte und verstärkt auch die Motivation der übrigen Belegschaft. Um die Arbeitnehmer langfristig an das Unternehmen zu binden, wird die verbilligte oder unentgeltliche Überlassung von Aktien regelHottenbach/Peitz-Ziemann

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 Kapitel 12 Entsendung

mäßig an einen Erdienungszeitraum geknüpft, bevor die Arbeitnehmer die Aktien erwerben können bzw. diese ihnen zugeteilt werden. Sofern Arbeitnehmer, die an einem Arbeitnehmerbeteiligungsprogamm teilnehmen, im Rahmen eines internationalen Mitarbeitereinsatzes ins Ausland gehen, sind auch hier besondere steuerliche Regelungen zu beachten. Die Ausübung von Aktienoptionen stellt einen geldwerten Vorteil für den Arbeitnehmer dar, der ihm bei Ausübung der Optionen zufließt.43 Der geldwerte Vorteil errechnet sich aus der Differenz zwischen Optionspreis und dem Marktpreis zum Zeitpunkt der Ausübung. Da es sich bei Aktienoptionen um eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit handelt, ist für die steuerliche Beurteilung der gesamte Zeitraum zwischen Einräu­ mung und erstmalig möglicher Ausübung („Vesting“) zu betrachten. Sofern der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum im Rahmen einer Entsendung in einem anderen Staat tätig wird und dem anderen Staat das Besteuerungsrecht für die in diesem Zeitraum erzielten Einkünfte zusteht, ist deshalb auch der bei tatsächlicher Ausübung des Optionsrechts zugeflossene geldwerte Vorteil auf den Zeitraum zwischen der Gewährung des Optionsrechts und dem Zeitpunkt der erstmalig möglichen Ausübung aufzuteilen. Als Aufteilungsmaßstab werden die Arbeitstage im Betrachtungszeitraum herangezogen. Der auf den Zeitraum der Auslandstätigkeit entfallende geldwerte Vorteil ist im Jahr der Ausübung anteilig im Entsendestaat zu versteuern. Praxisbeispiel Der in Deutschland ansässige und tätige Arbeitnehmer X bekommt am 1.1.2005 Aktienoptionen eingeräumt, die er nach einem Erdienungszeitraum von fünf Jahren am 1.1.2010 erstmalig ausüben kann. Am 1.1.2007 wird X von seinem deutschen Arbeitgeber für einen Zeitraum von zwei Jahren in die USA entsandt. Das Besteuerungsrecht für den im Entsendungszeitraum erzielten Arbeitslohn steht gem. DBA USA-Deutschland den USA zu. X übt am 1.1.2010 die Aktienoptionen aus. Lösung: Der geldwerte Vorteil aus der Ausübung fließt X im Jahr der Ausübung zu und ist somit im Jahr 10 der Besteuerung zu unterwerfen. Aufgrund der Entsendung ist der geldwerte Vorteil aufzuteilen, da das Besteuerungsrecht für den Zeitraum von Aktienoptionen analog zu dem im Entsendungszeitraum erhaltenen Gehalt den USA zusteht. X wird somit im Jahr 10 mit dem anteiligen steuerpflichtigen geldwerten Vorteil in den USA nach Beendigung der Entsendung steuerpflichtig. Ebenso unterliegt ein Teil des geldwerten Vorteils der deutschen Besteuerung.

43 BMF-Schreiben v. 14.9.2006, Rn 129 ff.

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B. Steuerrecht 

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Praxistipp Da auch nach Beendigung der Entsendung der Arbeitnehmer in Entsendungsstaat mit dem geldwerten Vorteil aus der Ausübung der Aktienoptionen steuerpflichtig werden kann und ggf. Lohnsteuereinbehaltungspflicht besteht, sollten unbedingt die Informationen hinsichtlich des Aktienoptionsplans auch dem Unternehmen im Entsendungsstaat zur Verfügung gestellt und die Ausübung dem Unternehmen im Entsendungsstaat mitgeteilt werden.

Neben der Problematik der Aufteilung des geldwerten Vorteils ist es ferner zu beach- 243 ten, dass nicht alle Staaten, mit denen Deutschland ein DBA abgeschlossen hat, den geldwerten Vorteil zum Zeitpunkt der Ausübung, sondern bereits bei Einräumung der Optionen besteuern. Dies kann zur Doppelbesteuerung oder auch zur Minderbesteuerung des geldwerten Vorteils führen, welche aufgrund der unterschiedlichen Besteuerungszeitpunkte, aber auch der unterschiedlichen Qualifikation der Einkünfte selten vermieden werden können. Hieraus ergeben sich jedoch nicht nur steuerliche Risiken, sondern auch Gestaltungsmöglichkeiten.

2. Boni, Abfindungen und weitere Sonderzahlungen a) Boni Regelmäßig erhalten Arbeitnehmer neben den Gehaltszahlungen erfolgsabhängige 244 Einmalzahlungen nach Beendigung des für den Arbeitgeber maßgeblichen Wirtschaftsjahres. Diese Zahlungen fließen auch weiterhin während einer Auslandsentsendung zu. Gem. Art. 15 Abs. 1 S. 2 OECD-MA ist für die Zuweisung des Besteuerungsrechts 245 allein maßgeblich, in welchem Land die Tätigkeit, für die der Bonus gezahlt wird, ausgeübt wird, unabhängig vom Auszahlungszeitpunkt oder dem auszahlenden Unternehmen. Dies hat zur Folge, dass bspw. ein während des Zeitraumes der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland zugeflossener Bonus für eine Tätigkeit im Ausland gem. Art. 15 Abs. 1 S. 2 OECD-MA von der Besteuerung in Deutschland ausgenommen wird. Im umgekehrten Fall kann ein nach Deutschland entsandter Arbeitnehmer 246 auch nach Beendigung der Entsendung und Rückkehr ins Heimatland mit dem für die Tätigkeit im Entsendezeitraum gezahlten Bonus in Deutschland steuerpflichtig werden. Sollte das Unternehmen in Deutschland den Arbeitslohn für den entsandten Arbeitnehmer getragen haben, besteht zudem die Verpflichtung zum Lohnsteuereinbehalt gem. § 38 Abs. 1 EStG.

b) Abfindungen Eine Abfindung, welche der Arbeitnehmer anlässlich seines Ausscheidens aus dem 247 Arbeitsverhältnis erhält, ist als nachträgliche Vergütung regelmäßig den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zuzuordnen.

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 Kapitel 12 Entsendung

Diese ist jedoch regelmäßig nicht einer konkreten Tätigkeit im In- und Ausland zuzuordnen, denn sie stellt kein zusätzliches Entgelt für die frühere Tätigkeit,44 sondern vielmehr eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes dar. Das Besteuerungsrecht hat somit gem. Art. 15 Abs. 1 OECD-MA in diesen Fällen der Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt des Zuflusses. Hinweis Besonderheit bei Zahlung während der beschränkten Steuerpflicht: Abfindungen sind als Entschädigungen für die Auflösung des Dienstverhältnisses gem. § 49 Abs. 1 Nr. 4d EStG beschränkt steuerpflichtig, wenn die zuvor ausgeübte Tätigkeit im Inland der Besteuerung unterlag.

Praxistipp Mit folgenden Ländern bestehen Sonderregelungen: Belgien, Großbritannien, Liechtenstein, Luxemburg, Niederlande, Österreich und Schweiz. Mit diesen Ländern hat Deutschland sog. Konsultations- oder Verständigungsvereinbarungen (Ausnahme: Luxemburg, enthalten im DBA) getroffen. Demnach obliegt das Besteuerungsrecht dem früheren Tätigkeitsstaat. Eine Aufteilung des Besteuerungsrechts zwischen dem (damaligen) Ansässigkeits- und Tätigkeitsstaat hat lediglich dann zu erfolgen, wenn der Arbeitnehmer während des Betrachtungszeitraums sowohl im Tätigkeitsstaat als auch im Ansässigkeitsstaat oder in Drittstaaten tätig war. Konsultations- oder Verständigungsvereinbarungen enthalten zumeist keine einheitliche Formulierung und binden nach Ansicht des BFH lediglich die in- und ausländischen Finanzbehörden, nicht jedoch die Rechtsprechung. Daher ist vor dem Abschluss einer Abfindungsvereinbarung eine Einzelfallbeurteilung auf Grundlage der betreffenden Vereinbarung zu empfehlen.

c) Betriebliche Altersvorsorge

249 Eine befristete Tätigkeit im Ausland kann auch steuerliche Konsequenzen bei der

betrieblichen Altersvorsorge nach sich ziehen. Die betriebliche Altersvorsorge ist regelmäßig so gestaltet, um steuerliche Vorteile im jeweiligen Tätigkeitsstaat, wie bspw. die nachgelagerte Besteuerung zum Zeitpunkt des Renteneintritts, zu nutzen. Werden während einer Entsendung weiterhin Beiträge in die betriebliche Alters250 vorsorge des Heimatstaates geleistet, so sind bei Zuordnung des Besteuerungsrechts für den Arbeitslohn auf den Entsendestaat auch die Regelungen des Entsendestaates für die Behandlung der Beiträge in die betriebliche Altersvorsorge maßgeblich. Bei einer Entsendung nach Deutschland ist somit zu prüfen, ob zum Zeitpunkt der Beitragszahlung nach deutschem Steuerrecht steuerpflichtiger Arbeitslohn vorliegt. Ist dies der Fall, kann der steuerliche Vorteil, der bspw. durch die nachgelagerte 251 Besteuerung bei Renteneintritt entsteht, durch die Besteuerung in Deutschland aufgehoben werden und es kommt ggf. zu einer Doppelbesteuerung. Daher ist unbe-

44 BMF-Schreiben v. 14.9.2006, Rn 121.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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dingt bei der Planung der Entsendung auch die steuerliche Behandlung der Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge im Entsendestaat zu prüfen. Neben der unterschiedlichen Behandlung der Beiträge zur betrieblichen Alters- 252 vorsorge ist ferner zu berücksichtigen, dass auch die Leistungen aus der betrieblichen Altersvorsorge in den beteiligten Ländern zu unterschiedlichen Zeitpunkten besteuert werden können, was im Falle einer Entsendung zu einer Doppelbesteuerung oder auch zu einer Minder- oder Nichtbesteuerung führen kann.

C. Sozialversicherungsrecht I. Allgemeines Im Rahmen der zunehmenden Internationalisierung sowie der internationalen Ver- 253 flechtung von Unternehmen erhöht sich auch der Personaleinsatz über Grenzen hinweg. Zur Erfüllung ihrer Aufträge ist es erforderlich, dass Mitarbeiter zunehmend zeitlich befristet im Ausland beschäftigt werden. Im Zusammenhang mit Auslandsbeschäftigung stellt sich auch die Frage der sozialversicherungsrechtlichen Handhabung dieser Fälle, insbesondere, in welchem Rahmen die innerstaatlichen Sozialversicherungsregelungen weiter Anwendung finden. Im Rahmen seiner Fürsorgepflichten trifft den Arbeitgeber eine besondere Verantwortung für die soziale Absicherung des Arbeitnehmers während einer Auslandsbeschäftigung. Die Frage, welchem Sozialversicherungsrecht ein Arbeitnehmer unterliegt, ist 254 abhängig davon, in welchem Staat er außerhalb Deutschlands seine Beschäftigung ausübt. Neben den Regelungen des innerstaatlichen deutschen Rechts bestehen über- und zwischenstaatliche Regelungen im Bereich der sozialen Sicherheit. Erfolgt eine Beschäftigung in Mitgliedstaaten der EU, des EWR oder der Schweiz, regeln die EG-/EWG-Verordnungen über soziale Sicherheit, welchem Versicherungsrecht der Arbeitnehmer während seiner Auslandsbeschäftigung unterliegt. Bei Beschäftigung in Staaten, mit denen ein bilaterales Abkommen über soziale Sicherheit geschlossen wurde, sind diese Regelungen maßgebend. Soll der Mitarbeiter in einem Staat eingesetzt werden, in dem weder die EG-/EWR-Verordnungen über soziale Sicherheit noch ein bilaterales Abkommen über soziale Sicherheit Anwendung findet (sog. ver­ tragsloses Ausland), ist die weitere Anwendung deutschen Sozialversicherungsrechts ausschließlich nach den innerstaatlich deutschen Rechtsvorschriften zu prüfen. Praxishinweis Sind Auslandstätigkeiten für Mitarbeiter geplant, sollten rechtzeitig vor Beginn solcher Tätigkeiten die notwendigen Schritte zur Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Mitarbeiters während der Auslandsbeschäftigung eingeleitet werden.

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 Kapitel 12 Entsendung

II. Vertragsloses Ausland 1. Allgemeines 255 Deutsches Recht – und dies gilt auch für die Sozialgesetzgebung – kann nur auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland Anwendung finden. Hier spricht man von Territorialitätsprinzip. Versicherungspflicht aufgrund der deutschen Rechtsvorschriften über soziale 256 Sicherheit tritt ein, wenn eine Beschäftigung im Hoheitsgebiete der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt wird.45 Voraussetzung für eine Versicherungsberechtigung (besser bekannt als freiwil­ 257 lige Versicherung) ist der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt im Bundesgebiet.46

2. Ausstrahlung

258 Würde das Territorialitätsprinzip strikt eingehalten, würde dies der zunehmenden

internationalen Verflechtung der Wirtschaft und des damit verbundenen internationalen Mitarbeitereinsatzes nicht mehr gerecht. In Fällen von Arbeitnehmern, die für Ihren bisherigen Arbeitgeber zeitlich befris259 tet im Ausland arbeiten und keine sozialversicherungsrechtlichen Nachteile haben sollen, ist das Durchbrechen des Territorialitätsprinzips erforderlich. Hierzu muss die sozialversicherungsrechtliche Anbindung auch während des Auslandsaufenthaltes erhalten bleiben. Im SGB IV47 wurde daher eine Vorschrift verankert, die es unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, dass auch während eines Auslandsaufenthaltes die Versicherungspflicht zur deutschen Sozialversicherung aufrecht erhal­ ten bleibt – das im Inland bestehende Beschäftigungsverhältnis strahlt ins Ausland aus, man spricht dann von einer Ausstrahlung. Praxishinweis Die Vorschriften über die Ausstrahlung sind nur innerstaatlich begründet. Sind während einer Auslandsbeschäftigung die EU-/EWR Verordnungen über soziale Sicherheit bzw. die bilateralen Abkommen über soziale Sicherheit (über- oder zwischenstaatliches Recht) anzuwenden, haben diese Vorrang, d.h. die Regelung über die Ausstrahlung findet keine Anwendung.48

45 § 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV. 46 § 3 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV. 47 § 4 SGB IV. 48 § 6 SGB IV.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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a) Voraussetzungen einer Ausstrahlung Das Fortbestehen der Versicherungspflicht in Deutschland während der Auslandsbe- 260 schäftigung setzt voraus, dass: –– es sich um eine Entsendung handelt, –– ein aktives inländisches Beschäftigungsverhältnis weiterbesteht und –– die Dauer der Auslandsbeschäftigung vom Beginn an zeitlich befristet ist.49

b) Entsendung Eine Entsendung i.S.d. Ausstrahlung ist dann gegeben, wenn ein Beschäftigter 261 sich auf Weisung seines Arbeitgebers vom Inland ins Ausland begibt, um dort eine Beschäftigung für diesen Arbeitgeber auszuüben. Dies gilt auch für Personen, die eigens für den Zweck der Entsendung eingestellt werden oder die unmittelbar vor der Auslandsbeschäftigung im Inland gelebt und vorher noch nicht im Beschäftigungsleben gestanden haben (z.B. Studenten).50 Praxishinweis Bei Arbeitnehmern, die eigens für die Beschäftigung im Ausland eingestellt werden, muss sichergestellt sein, dass sie nach Ende der Auslandstätigkeit von dem entsendenden Unternehmen in Inland weiter beschäftigt werden.

c) Inländisches Beschäftigungsverhältnis Wesentliche Merkmale eines inländischen Beschäftigungsverhältnisses sind ein 262 aktiver Arbeitsvertrag mit dem inländischen Arbeitgeber sowie der arbeitsrechtliche Anspruch auf Arbeitsentgelt gegen den Arbeitgeber. Richtet sich der Anspruch auf Arbeitsentgelt auch während der Auslandsbe- 263 schäftigung ausschließlich gegen den inländischen Arbeitgeber und das Arbeitsentgelt wird – wie bei den übrigen Arbeitnehmern auch – weiterhin in der inländischen Gehaltsbuchhaltung ausgewiesen, spricht dies eindeutig für ein inländisches Beschäftigungsverhältnis. Weitere Merkmale für ein inländisches Beschäftigungsverhältnis sind die weitere 264 organisatorische Einbindung des Arbeitnehmers in die Inlandsgesellschaft sowie der Verbleib des Weisungsrechts (Bestimmung von Zeit, Ort, Dauer und Art der Ausführung der Arbeit) beim inländischen Unternehmen.

49 Richtlinien zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Arbeitnehmern bei Ausstrahlung (§ 4 SGB IV) und Einstrahlung (§ 5 SGB IV) vom 2.11.2010. 50 Vgl. Fn 49.

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 Kapitel 12 Entsendung

Praxishinweis Wird das Arbeitsverhältnis während der Auslandsbeschäftigung ruhend gestellt und/oder besteht während dieser Zeit ein lokaler Arbeitsvertrag mit einem Arbeitgeber im Ausland, liegen die Voraussetzungen einer Entsendung nicht vor und die deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit finden keine Anwendung mehr. Das Weisungsrecht kann – bedingt durch den Auslandeinsatz – in gelockerter Form bestehen.

d) Weiterbelastung des Arbeitsentgeltes 265 Entsendungen innerhalb eines Konzerns (z.B. zu Mutter-, Tochter- oder anderen Konzerngesellschaften) erfordern im Allgemeinen aus steuerlicher Sicht eine Weiterbe­ lastung des Arbeitsentgeltes an die Auslandsgesellschaft. Bei solch einer Konstellation wird davon ausgegangen, dass der Arbeitnehmer in die Gesellschaft im Ausland integriert ist und auch der Erfolg seiner Arbeitsleistung dieser zufließt. In diesem Zusammenhang hat das BSG51 in ständiger Rechtsprechung ent266 schieden, dass in dem Fall, in dem das Arbeitsentgelt des im Ausland beschäftigten Arbeitnehmers nicht mehr als Betriebsausgaben bei der steuerlichen Gewinn- und Verlustrechnung des entsendenden Unternehmens berücksichtigt wird, es an den Voraussetzungen für ein inländische Beschäftigungsverhältnis fehlt. Praxistipp Mit Abschluss einer Dienstleistungsvereinbarung zwischen den beteiligten Unternehmen kann ggf. der Wegfall der Sozialversicherungspflicht in Deutschland vermieden werden.

e) Kurzzeitige Entsendungen

267 Eine Besonderheit stellen kurzzeitige Auslandbeschäftigungen innerhalb des Kon-

zerns dar. Bei konzerninternen Entsendungen ist entscheidend, wo der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses liegt. Dabei tritt allerdings bei kurzzeitigen Entsendungen – anders als bei sonstigen Fällen – die Frage, wer die Entgeltkosten bei der Gewinn-/Verlustermittlung als Betriebsausgaben geltend macht, in den Hintergrund.52 Eine steuerliche Geltendmachung des Arbeitsentgeltes als Betriebsausgaben268 durch ein aufnehmendes Konzernunternehmen ist somit unschädlich, wenn –– der Einsatz des vorübergehend eingesetzten Arbeitnehmers einer in einem anderen Staat ansässigen Konzerngesellschaft von kurzzeitiger Dauer ist; kurzzeitig ist ein Einsatz, wenn er zwei Monate nicht überschreitet;

51 BSG, Urt. v. 7.11.1996 – 12 RK 79/94 –. 52 Besprechung des GKV-Spitzenverbandes, der DRVB und der BA über Fragen des Gemeinsamen Beitragseinzugs vom 30.3.2011.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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–– der Arbeitnehmer keinen anderen Arbeitnehmer ablöst, der zuvor vorübergehend dort eingesetzt war und –– sich der Arbeitsentgeltanspruch ausschließlich gegen den entsendenden Arbeitgeber richtet.53 Praxistipp Ein erneuter kurzzeitiger Einsatz desgleichen Arbeitnehmers in demselben Staat bei demselben Unternehmen stellt nur dann eine Entsendung dar, wenn zwischen dem Ende der vorherigen und Beginn der neuen vorübergehenden Beschäftigung mindestens zwei Monate liegen.

f) Rumpfarbeitsverhältnis Häufig wird im Zusammenhang mit einer Beschäftigung im Ausland das aktive 269 Arbeitsverhältnis in Deutschland ruhend gestellt – im Regelfall besteht dann ein lokaler Arbeitsvertrag im Ausland. In diesem Fall ruhen die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis in Deutschland – Erbringung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer/Entgeltzahlung durch den Arbeitgeber. Auch lebt der inländische Arbeitsvertrag automatisch wieder auf, wenn der Arbeitnehmer endgültig ins Inland zurückkehrt und wieder für seinen inländischen Arbeitgeber beschäftigt ist. Das BSG54 hat klargestellt, dass bei Bestehen eines Rumpfarbeitsverhältnisses 270 eine Sozialversicherungspflicht in Deutschland nicht besteht.

g) Weisungsrecht Weitere wesentliche Voraussetzung für die Frage, ob eine Entsendung im Rahmen 271 eines Beschäftigungsverhältnisses in Deutschland vorliegt, ist der Fortbestand des Weisungsrechts (Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeiten) des inländischen Arbeitgebers auch während der Dauer der Auslandsbeschäftigung. Hier ist es ausreichend, wenn das Weisungsrecht in einer „gelockerten“ Form 272 weiterbesteht. Praxistipp Wesentlich dürfte hier sein, dass das disziplinarische Weisungsrecht des inländischen Arbeitgebers weiterbesteht.

53 Vgl. Ziff. 1 der Besprechung des GKV-Spitzenverbandes, der DRVB und der BA über Fragen des Gemeinsamen Beitragseinzugs vom 30.3.2011. 54 BSG, Urt. v. 25.1.1994 – 4RA 48/92 –.

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336 

 Kapitel 12 Entsendung

h) Zeitliche Befristung der Entsendung

273 Neben dem Fortbestehen des inländischen Beschäftigungsverhältnisses ist Voraus-

274 275 276

277

setzung für das Vorliegen einer Entsendung i.S.d. Ausstrahlung, dass die Dauer der Auslandsbeschäftigung von ihrem Beginn an zeitlich befristet ist. Eine solche Befristung kann sich ergeben aus dem Entsendungsvertrag oder aus der Eigenart der Beschäftigung.55 Einen konkreten zeitlichen Rahmen hinsichtlich der Dauer sieht § 4 SGB IV nicht vor. Entscheidend ist, dass nach Ende der Auslandsbeschäftigung eine Rückkehr ins Inland erfolgt und der Arbeitnehmer grundsätzlich hier wieder von seinem inländischen Arbeitgeber beschäftigt wird. Wird der Arbeitnehmer nur für eine zeitlich befristete Beschäftigung im Ausland eingestellt und erfolgt nach Ende der Auslandsbeschäftigung keine Weiterbeschäftigung im Inland, liegen für die Dauer der Auslandsbeschäftigung die Voraussetzungen einer Entsendung nicht vor und der Arbeitnehmer unterliegt nicht den deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit.56

aa) Befristung durch Vertrag 278 Die Dauer der Auslandsbeschäftigung wird im Regelfall im Arbeitsvertrag oder einem ggf. geschlossenen Entsendungsvertrag geregelt. Hier ist darauf zu achten, dass die Vereinbarung über die Dauer der Auslandsbeschäftigung einen konkreten Zeitraum umfasst. Auch sollte eine mögliche Verlängerung des zunächst befristeten Auslandsaufenthaltes konkret in die Vereinbarung über den Auslandsaufenthalt aufgenommen werden. Eine vertragliche Befristung ist nicht gegeben, wenn der Entsendungsvertrag 279 zunächst zeitlich befristet ist, sich jedoch automatisch verlängert, wenn nicht gekündigt wird.57 Praxishinweis Besteht die grundsätzliche Möglichkeit einer Verlängerung eines zunächst zeitlich befristeten Auslandseinsatzes, sollte zur Vermeidung von Risiken ein konkreter Verlängerungszeitraum in die Entsendevereinbarung aufgenommen werden. 280 Ergibt sich im Rahmen einer zunächst zeitlich befristeten Auslandstätigkeit uner-

wartet die Notwendigkeit der Verlängerung des Auslandsaufenthalts, ohne das eine entsprechende zeitliche Verlängerungsklausel im Entsendungsvertrag enthalten ist,

55 § 4 SGB IV. 56 BSG, Urt. v. 25.8.1994 – 2 RU 14/93 –. 57 BSG, Urt. v. 5.5.1994 – 11 Rar 55/93 –.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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kann diese Entsendung einmalig verlängert werden.58 In diesem Fall sind dann die Voraussetzungen einer zeitlich befristeten Auslandsbeschäftigung erfüllt.

bb) Befristung durch die Eigenart der Beschäftigung In verschiedenen Bereichen – dies gilt insbesondere für Tätigkeiten im Montage- und 281 Wartungsbereich – ist es nicht immer möglich die Dauer des Einsatzes des Mitarbeiters im Ausland genau zeitlich zu bestimmen. Die Art der Beschäftigung lässt jedoch häufig erkennen, dass der Auslandsaufenthalt (z.B. bei Wartungsarbeiten) dann automatisch endet, wenn diese Arbeiten abgeschlossen sind. Die Begrenzung ergibt sich somit aus der „Eigenart der Beschäftigung“. Insbesondere bei dieser Art der Beschäftigung ist eine vorausschauende Betrachtungsweise notwendig – es ist zu beurteilen, ob Inhalt, Wesen und Umfang der Beschäftigung auf eine zeitlich befristete Auslandstätigkeit hinweisen.59

i) Kettenentsendung Vereinzelt findet man Konstellationen, in denen Mitarbeiter nacheinander in ver- 282 schiedenen Staaten des vertragslosen Auslandes tätig werden, ohne dass sie zwischenzeitlich nach Deutschland zurückkehren, um hier zu arbeiten. Auch in diesen Fällen kann es sich durchaus um Entsendungen handeln, wenn – neben dem weiteren Vorliegen eines inländischen Beschäftigungsverhältnisses und des Weisungsrechts – auch eine im Voraus, auf die gesamte zeitliche Dauer des Auslandsaufenthaltes abgestellte, zeitliche Befristung vorliegt. Wird der Mitarbeiter allerdings mit dem Ziel ausschließlicher Auslandstätigkei- 283 ten eingestellt, kann nicht von einer zeitlich befristeten Auslandstätigkeit ausgegangen werden.60 Praxishinweis Ob ein Arbeitnehmer, der im Rahmen von „Kettenentsendungen“ im Ausland tätig wird, weiterhin deutschem Sozialversicherungsrecht unterstellt bleiben kann, sollte bereits vor Beginn der Auslands­ tätigkeit geklärt sein.

58 Richtlinien zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Arbeitnehmern bei Ausstrahlung (§ 4 SGB IV) und Einstrahlung (§ 5 SGB IV) vom 2.11.1010. 59 Hinsichtlich eines kurzzeitigen Einsatzes wird auf Rn 267 ff. verwiesen. 60 BSG, Urt. v. 25.8.1994 – 2RU 14/93 –.

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338 

 Kapitel 12 Entsendung

j) Repräsentanzen

284 Zur Kontaktpflege oder Marktanalyse unterhalten eine Reihe von Unternehmen

Repräsentanzen im Ausland. Hierbei handelt es sich nicht um rechtlich unselbstständige Niederlassungen. Zu einer Repräsentanz entsandte Mitarbeiter bleiben üblicherweise in vollem Umfang bei dem inländischen Unternehmen beschäftigt und es kann im Regelfall davon ausgegangen werden, dass die Voraussetzungen einer Entsendung und somit auch die Voraussetzungen der Weitergeltung der deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit erfüllt sind.

k) Ortskräfte 285 Unternehmen, die im Ausland tätig sind, entsenden nicht nur Mitarbeiter dorthin, sondern stellen häufig auch Personen ein, die im jeweiligen Staat leben. Diese sog. Ortskräfte erhalten sehr oft einen Arbeitsvertrag mit dem deutschen Unternehmen und sind aufgrund dessen im Ausland tätig. Diese „Ortskräfte“ erfüllen nicht die Voraussetzungen, die für eine Entsendung i.S.d. Ausstrahlung notwendig sind und können somit auch nicht den deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit unterliegen. Praxishinweis Sofern es sich bei der Ortskraft um einen deutschen Staatsbürger handelt, der im Ausland lebt, besteht die Möglichkeit, dass er sich in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung freiwillig versichert. Auf die Ortskräfte sind die Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit des Beschäftigungsstaates anzuwenden.

l) Arbeitgeberwechsel während einer Auslandsbeschäftigung

286 Wechselt ein Arbeitnehmer während seiner Auslandstätigkeit zu einem im Ausland

ansässigen Arbeitgeber, führt dies dazu, dass die Voraussetzungen einer Entsen­ dung i.S.d. Ausstrahlung nicht mehr vorliegen und die deutschen Sozialversicherungsregelungen keine Anwendung mehr finden. Auch treten häufiger Fälle auf, in denen der Beschäftigungsort im Ausland der 287 gleiche bleibt, der inländische Arbeitgeber jedoch ein anderer wird. Sofern nun ein Arbeitnehmer, der im Rahmen einer Entsendung den deutschen 288 Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit unterliegt, seinen inländischen Arbeitgeber wechselt und für diesen weiterhin im Ausland beschäftigt bleibt, endet mit dem Zeitpunkt des Arbeitgeberwechsels auch die Unterstellung unter die deutsche Sozialversicherung, da die Voraussetzungen einer Ausstrahlung (z.B. fehlt es an der Bewegung Inland/Ausland) nicht mehr vorliegen.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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Praxishinweis Anders kann sich die Situation darstellen, wenn der Arbeitgeber, für den der Mitarbeiter ins Ausland entsandt war, im Rahmen von einem anderen Unternehmen übernommen wird und somit ein Betriebsübergang nach § 613a BGB vorliegt. In diesen Fällen sind – bei weiterer Beschäftigung des Arbeitnehmers im Ausland – weiterhin die Voraussetzungen einer Entsendung i.S.d. Ausstrahlung erfüllt.

m) Unterbrechung der Entsendung Während einer – insbesondere längeren – Auslandsbeschäftigung kommt es vor, dass 289 der entsandte Mitarbeiter sich vorübergehend im Inland aufhält (z.B. Berichterstattung an die Geschäftsleitung). Ist dieser Inlandsaufenthalt, d.h. die Unterbrechung der Entsendung, nicht länger als zwei Monate oder 50 Arbeitstage und kehrt der Mitarbeiter danach in sein Entsendeland zurück, ist die gesamte Zeit als Entsendezeit anzusehen und es treten keine Änderungen des sozialversicherungsrechtlichen Status ein. Ist der Unterbrechungszeitraum größer als 50 Arbeitstage oder zwei Monate, ist 290 bei Rückkehr des Arbeitnehmers ins Ausland erneut zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Entsendung vorliegen. Praxishinweis Zu beachten ist, dass ein urlaubs- oder krankheitsbedingter Inlandsaufenthalt eine Entsendung nicht unterbricht.

n) Beendigung einer Ausstrahlung Die Unterstellung unter deutsches Sozialversicherungsrecht im Rahmen der Aus- 291 strahlung endet, wenn –– der Arbeitnehmer endgültig ins Inland zurückkehrt, –– eine zunächst zeitlich befristete Entsendung in eine unbefristete umgewandelt wird oder –– der Arbeitnehmer – aus freier Entscheidung – seinen Arbeitgeber während des Auslandsaufenthaltes wechselt.

o) Doppelversicherung Wie bereits eingangs erwähnt, können die deutschen Rechtsvorschriften über soziale 292 Sicherheit nur innerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland Anwendung finden. Dies führt im Falle von entsandten Arbeitnehmern, die während ihrer Auslands- 293 beschäftigung weiterhin deutschem Sozialversicherungsrecht aufgrund innerstaatlicher deutscher Rechtsvorschriften unterliegen, nicht zwangsläufig dazu, dass sie

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 Kapitel 12 Entsendung

von den ggf. bestehenden sozialrechtlichen Vorschriften des Gastlandes befreit sind. Vielmehr kann es sein, dass sowohl in Deutschland als auch im Gastland Sozialversicherungsbeiträge zu leisten sind. Eine solche Doppelversicherung könnte nur dann vermeidbar sein, wenn das Sozialversicherungsrecht des Gastlandes dorthin entsandte Arbeitnehmer von einer Sozialversicherungspflicht ausnimmt. Praxishinweis Zur Vermeidung von Risiken sollte der Arbeitgeber rechtzeitig vor Beginn der Auslandsbeschäftigung in Erfahrung bringen, welche sozialversicherungsrechtlichen Pflichten bestehen.

3. Einstrahlung

294 Im Rahmen der Internationalisierung der Unternehmen werden nicht nur Mitarbeiter

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von Deutschland ins Ausland entsandt, vielmehr kommen zunehmend auch Mitarbeiter ausländischer Unternehmen zeitlich befristet nach Deutschland. Für diese sich hier aufhaltenden Arbeitnehmer stellt sich die Frage, ob sie während eines befristeten Aufenthaltes deutschem Sozialversicherungsrecht unterliegen und Beiträge gezahlt werden müssen. Werden Arbeitnehmer im Rahmen eines im Ausland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses nach Deutschland entsandt, spricht man von einer „Einstrah­ lung“. Die Behandlung solcher Einstrahlungen wird in § 5 SGB IV geregelt. Dabei ist zu beachten, dass die Begriffe „inländisches Beschäftigungsverhält­ nis“, „Weisungsrecht“ und „zeitliche Befristung“ nach der gleichen Definition erfolgen, wie unter dem Punkt „Ausstrahlung“ dargestellt. Insoweit wird inhaltlich hierauf verwiesen. Eine Einstrahlung liegt somit dann vor, wenn der Arbeitnehmer: –– im Ausland in einem aktiven Beschäftigungsverhältnis steht, –– der Entgeltanspruch weiterhin gegen den ausländischen Arbeitgeber besteht, –– das Weisungsrecht – ggf. in eingeschränkter Form – weiterhin bei der Auslandsgesellschaft liegt, –– die Dauer der Entsendung bei Beginn feststeht und –– die Gehaltskosten von der Auslandsgesellschaft weiterhin als Betriebsausgaben bei der Gewinn und Verlustrechnung berücksichtigt werden. Sind alle diese Voraussetzungen erfüllt, finden die deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit keine Anwendung – Sozialversicherungsbeiträge sind nicht zu zahlen.

Praxishinweis Zur Vermeidung von Risiken sollte bei der zuständigen Einzugsstelle (Krankenkasse) eine Entscheidung darüber eingeholt werden, dass eine Einstrahlung vorliegt und der Arbeitnehmer nicht deutschem Sozialversicherungsrecht unterliegt.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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III. Entsendungen innerhalb der EU, des EWR und der Schweiz 1.  Allgemeines Neben den Entsendungen in das sog. vertragslose Ausland erfolgen Entsendungen 300 in erheblicher Zahl in die Mitgliedstaaten der EU,61 den EWR62 und die Schweiz.63 Die versicherungsrechtliche Beurteilung von Entsendungen erfolgt im Verhält- 301 nis zu den EU-Mitgliedstaaten und der Schweiz auf der Basis der Verordnung (EG) 883/200464 sowie der als „Durchführungsverordnung“ bezeichneten Verordnung (EG) 987/2009.65 Beide Verordnungen sind mit Wirkung vom 1.5.2010 in Kraft getreten. Im Verhältnis zur Schweiz finden die Verordnungen ab dem 1.4.2012 Anwendung. Bezogen auf die EWR-Staaten ist bei bis zum 31.5.2012 eingetretenen Fällen Basis 302 die Verordnung (EWG) 1408/7166 und die „Durchführungsverordnung“ 574/72.67

2. EU-Mitgliedstaaten/Schweiz Im Verhältnis der EU-Mitgliedstaaten/Schweiz untereinander werden Fragen im 303 Zusammenhang mit Entsendungen seit dem 1.5.2010 (Schweiz ab 1.4.2012) grundsätzlich durch die Verordnungen (EG) 883/2004 und 987/2009 geregelt.

a) Persönlicher Geltungsbereich Der persönliche Geltungsbereich68 definiert, auf welche Personengruppen die Rege- 304 lungen der Verordnung anzuwenden sind. Sie gilt für Staatsangehörige eines Mit­ gliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge. Bei in Kraft treten der Verordnung galt dies nicht für Drittstaatsangehörige (d.h. 305 Personen mit eine Staatsbürgerschaft außerhalb der EU. Durch eine weitere Verord-

61 Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn, Zypern. 62 Island, Liechtenstein, Norwegen. 63 Aufgrund der Revidierung des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der EG und ihrer Mitgliedstaaten über die Freizügigkeit findet im Verhältnis zu Schweiz ab dem 1.4.2012 die VO (EG) 883/2004 Anwendung. 64 VO(EG) Nr. 883/2004 v. 29.4.2004 – ABI. L 166 v. 30.4.2004, Berichtigung im ABI. L 200 v. 7.6.2004; zuletzt geändert durch die VO (EU) 1244/2010 v. 9.12.2010 – ABI. L 338 v. 22.12.2010. 65 VO(EG) Nr. 987/2009 v. 16.9.2009; zuletzt geändert durch die VO (EU) 1244/2010 v. 9.12.2010 – ABI. L 338 v. 22.12.2010. 66 VO (EWG) 1408/71 v. 14.6.1971 Amtsblatt d. EG Nr. L28 vom 30.1.1997 S. 4; zuletzt geändert durch die VO (EWG) 592/2008 Amtsblatt der EU Nr. L 177 vom 4.7.2008. 67 VO (EWG) 574/72 vom 21.3.1972, Amtsblatt d. EU Nr. L 28 vom 20.1.1997 S. 102, zuletzt geändert durch die VO (EWG) 120)2009, Amtsblatt d. EU Nr. L 39 vom 10.2.2009. 68 Art. 2 VO(EG) 883/2004.

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342 

 Kapitel 12 Entsendung

nung69 wurde der persönliche Geltungsbereich auch auf Drittstaatsangehörige, die ausschließlich aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht bereits unter die Verordnung fallen, ausgedehnt. Praxistipp Die Regelung für Drittstaatsangehörige findet keine Anwendung im Verhältnis zu Dänemark und Großbritannien, den EWR-Staaten und der Schweiz. D.h., dass z.B. Entsendefälle von Deutschland nach Dänemark, Großbritannien und der Schweiz nicht unter Anwendung der VO (EG) 883/2004 geregelt werden. Vielmehr findet die VO (EWG) 1408/71 Anwendung in Bezug auf Großbritannien. Im Verhältnis zu Dänemark sind die Regelungen des deutsch-dänischen Abkommens über Sozialversicherung vom 21.8.195470 zu beachten. Bei Beschäftigung eines Drittstaatsangehörigen in der Schweiz ist auf das deutsch-schweizerische Abkommen über Soziale Sicherheit vom 25.2.1964 zurückzugreifen.71

b) Gebietlicher Geltungsbereich 306 Der Begriff „gebietlicher Geltungsbereich“ beschreibt das Territorium (Staatsgebiet) sowohl der Mitgliedstaaten der EU,72 des EWR73 und der Schweiz74 und somit das – räumliche – Gebiet, in dem die VO (EG) 883/2004, VO (EG) 987/2009, VO (EWG) 1408/71 und VO (EWG) 574/72 anzuwenden sind. Grundsätzlich finden die vorstehend genannten Verordnungen Anwendung im 307 Hoheitsgebiet der einzelnen Mitgliedstaaten. Allerdings kann es hinsichtlich des gebietlichen Geltungsbereichs bei verschiedenen Mitgliedstaaten sowohl zu Erweite­ rungen als auch zu Einschränkungen kommen. Diese sind nachfolgend aufgeführt: –– Frankreich: erfasst sind die überseeischen Departements Französisch-Guyana, Guadeloupe, Martinique, Réunion, Saint Barthelmy und Saint Martin; nicht erfasst sind Monaco und Andorra. –– Italien: nicht erfasst sind der Vatikanstaat und San Marino. –– Niederlande: nicht erfasst sind die Niederländischen Antillen (Cúracao, Bonaire, Salsa, Sint Eústatius), der südliche Teil von St. Maarten sowie Aruba. –– Portugal: erfasst sind die Azoren und Madeira. –– Spanien: erfasst sind die Balearen, die Kanarischen Inseln sowie die nordafrikanischen Provinzen Ceuta und Melilla; nicht erfasst sind die Protektorate Tétuan und Andorra.

69 VO (EU) Nr. 1231/2010 v. 24.11.2010 – ABI. L 334/1. 70 BGBl. II Nr. 16/753. 71 BGBl. II Nr. 37 S 1293. 72 Vgl. Fn 61. 73 Vgl. Fn 62. 74 Vgl. Fn 63.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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–– Großbritannien und Nordirland: Nicht erfasst sind die britischen Kanalinseln, die Insel Man und die britische Hoheitszone auf Zypern (Akrotiri, Dekelia); erfasst wird Gibraltar. –– Zypern: erfasst ist der südliche Teil der Republik Zypern (ohne Akrotiri und Dekelia). Erfolgt eine Beschäftigung des Arbeitnehmers in einem Gebiet, auf das die Ver- 308 ordnungen nicht anwendbar sind, ist zu prüfen, ob zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem jeweiligen Staat, zu dem dieses Gebiet gehört, ein bilatera­ les Abkommen über soziale Sicherheit75 geschlossen wurde. Dann wäre die sozialversicherungsrechtliche Situation anhand der Regelungen des Abkommens zu beurteilen. Ist dies nicht der Fall oder kann das Abkommen ebenfalls keine Anwendung finden, so ist dieses Gebiet als „vertragsloses Ausland“ anzusehen. Die Frage, welche sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen sich daraus ergeben, ist dann nach rein innerstaatlich deutschem Sozialversicherungsrecht zu entscheiden.76 Praxishinweis Bei Beschäftigung in Gebieten anderer EU-Mitgliedstaaten, die nicht von den Verordnungen EG erfasst werden, sind im Allgemeinen die versicherungsrechtlichen Reglungen bei Beschäftigung im vertragslosen Ausland anzuwenden.

c) Sachlicher Geltungsbereich Aus dem in der jeweiligen Verordnung aufgeführten sachlichen Geltungsbereich 309 ergibt sich, welche Risikobereiche (Versicherungszweige) abgedeckt werden. Diese werden aus leistungsrechtlicher Sicht dargestellt. So beziehen sich die Verordnungen77 auf: –– Leistungen bei Krankheit, –– Leistungen bei Mutterschaft (durch die VO (EG) 883/2004 erweitert auf gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft), –– Leistungen bei Invalidität, Alter und an Hinterbliebene, –– Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, –– Sterbegeld, –– Leistungen bei Arbeitslosigkeit,

75 Die zwischen der Bundesrepublik Deutschland und einer großen Anzahl von Mitgliedstaaten der EU geschlossenen bilateralen Abkommen bestehen grundsätzlich weiter – vorrangig sind jedoch die Regelungen der Verordnungen anzuwenden. Auf eine Aufzählung der noch bestehenden bilateralen Abkommen mit EU-Mitgliedstaaten wird an dieser Stelle verzichtet, da sie kaum mehr Anwendung finden. 76 Siehe hierzu Rn 258 ff. 77 Art. 4 VO (EWG) 1408/71 und Art. 3 VO (EG) 883/2004.

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344 

 Kapitel 12 Entsendung

–– Vorruhestandsleistungen (eingeführt durch die VO (EG) 883/2004) und –– Familienleistungen.78 Praxistipp Sollten im Zusammenhang mit einer Auslandsbeschäftigung Leistungen erforderlich werden (z.B. ärztliche Behandlung), ist dem Arbeitnehmer zu empfehlen, sich mit seiner zuständigen Kranken­ kasse in Verbindung zu setzen. 310 Die VO (EG) 883/2004 erweitert den Anwendungsbereich auch auf Sondersysteme

der sozialen Sicherheit. Hier handelt es sich insbesondere um Versorgungseinrichtungen, die für verschiedene Berufsgruppen als – unter bestimmten Voraussetzungen – verpflichtend eingeführt worden, so z.B. die Versorgungswerke für Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Tierärzte, Psychotherapeuten, Architekten, Ingenieure, Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Buch- und Wirtschaftsprüfer sowie Notare. Auch erstreckt sich nach Auffassung der Spitzengremien der deutschen Sozi311 alversicherung79 der sachliche Geltungsbereich der Verordnung 883/2004 auf die Umlagepflicht (U1 und U2).80 Dies gilt insbesondere für Unternehmen mit Sitz im Ausland, wenn diese Mitarbeiter beschäftigen, die in Deutschland der Sozialversicherungspflicht unterliegen. In diesen Fällen sind durch die ausländischen Unternehmen neben den allgemeinen Sozialversicherungsbeiträgen auch Umlagebeiträge zu entrichten.

3. Entsendung

312 Sowohl die Verordnung (EWG) 1408/71 als auch die Verordnung (EG) 883/2004

bestimmt, dass Arbeitnehmer/Personen nur den Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit eines Mitgliedstaates unterliegen.81 Welcher Mitgliedstaat dies ist, wird ebenfalls in den jeweiligen Verordnungen geregelt. Danach unterliegen (abhängig) Beschäftigte grundsätzlich den Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit des Mitgliedstaates, in dem sie ihre Beschäftigung (physisch) ausüben.82 Beide Verordnungen enthalten Sonderbestimmungen für Beschäftigte, die für 313 ihre Arbeitgeber vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat tätig werden.

78 Hier werden aus deutscher Sicht z.B. Kindergeld und Elterngeld erfasst. 79 GKV Spitzenverband, DRVB und BA. 80 Besprechungsergebnis über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs vom 13./14.4.2010. 81 Art. 13 Abs. 1 VO (EWG) 1408/71; Art. 11 Abs. 1 VO (EG) 883/2004. 82 Art. 13 Abs. 2 Buchstabe a) VO (EWG) 1408/71; Art. 11 Abs. 3 Buchstabe a) VO (EG) 883/2004.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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a) Entsendung in einen Mitgliedstaat des EWR aa) Generelle Kriterien Die hier dargestellten Regelungen gelten für Fälle, die bis zum 30.5.2012 eingetreten 314 sind: Ein Arbeitnehmer, der im Gebiet eines Mitgliedstaates der EU83 oder eines Mitgliedstaates des EWR84 von einem Unternehmen, dem er gewöhnlich angehört, im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigt wird und der von diesem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in das Gebiet eines Mitgliedstaats des EWR85 entsandt wird, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem er gewöhnlich beschäftigt ist, sofern die voraussichtliche Dauer der Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet und der entsandte Arbeitnehmer keinen anderen Arbeitnehmer ablöst, der vorher entsandt war.86 Welche Kriterien an eine Entsendung zu stellen sind, beschreibt der Beschluss 315 Nr.  181 der Verwaltungskommission der EG für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer.87 Grundlegende Voraussetzung ist eine weitere arbeitsrechtliche Bindung des Arbeitnehmers an das Unternehmen, das ihn entsandt hat. Dafür ist entscheidend, ob das entsendende Unternehmen für die Anwerbung und Entlassung des entsandten Arbeitnehmers zuständig ist, das Weisungsrecht weiter bei diesem liegt, mit dem Arbeitnehmer ein – aktiver – Arbeitsvertrag geschlossen ist und der Gehaltsan­ spruch des Arbeitnehmers sich gegen das entsendende Unternehmen richtet. Voraussetzung für eine Entsendung ist ferner, dass das entsendende Unterneh- 316 men gewöhnlich seinen Geschäftsbetrieb im Entsendestaat ausübt. Praxishinweise –– Eine Entsendung setzt ein aktives Arbeitsverhältnis mit dem entsendenden Unternehmen voraus. Wird der Arbeitsvertrag während der Auslandsbeschäftigung ruhend gestellt – in der Regel erhält der Arbeitnehmer dann einen Arbeitsvertrag mit der Auslandsgesellschaft – liegt keine Entsendung vor. Der Arbeitnehmer unterliegt grundsätzlich dem Sozialversicherungsrecht des ausländischen Staates. –– Entsendungen können auch dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer für den Zweck der Entsendung eingestellt wurde. Ergänzende Voraussetzungen sind allerdings, dass der Arbeitnehmer zuletzt vor der Entsendung im Entsendestaat beschäftigt war oder zumindest dort gewohnt hat und er nach Ende der Beschäftigung weiterhin von dem entsendenden Unternehmen beschäftigt wird. –– Eine Entsendung kann auch im Fall einer zulässigen Arbeitnehmerüberlassung vorliegen, sofern alle Voraussetzungen erfüllt sind. Allerdings ist zu beachten, dass eine Entsendung dann nicht mehr vorliegt, wenn der Arbeitnehmer durch den Verleiher an einen Dritten weiterverliehen wird. Im Fall einer unzulässigen Arbeitnehmerüberlassung kann ebenfalls keine Entsendung vorliegen.

83 Vgl. Fn 61. 84 Vgl. Fn 62. 85 Vgl. Fn 63. 86 Art. 14 Ziff. 1 Buchstabe a) VO (EWG) 1408/71. 87 ABl. EU Nr. L 329/73 v. 14.12.2011.

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 Kapitel 12 Entsendung

317 Eine Entsendung setzt auch voraus, dass der neu entsandte Arbeitnehmer keine

Person ablöst, die vor ihm entsandt war. Sofern dies der Fall ist, liegt die Voraussetzung einer Entsendung für den neu entsandten Arbeitnehmer nicht vor und für ihn sind die Sozialversicherungsregelungen des Beschäftigungsstaates anzuwenden. Beispiel Im Rahmen von Bauarbeiten entsendet ein Unternehmen aus Norwegen 100 Mitarbeiter für zwölf Monate nach Deutschland. Nach Ende des Zeitraums werden diese Mitarbeiter durch 100 andere ersetzt, die ebenfalls für zwölf Monate entsandt werden. Bei letzteren Arbeitnehmern liegen die Voraussetzungen eine Entsendung nicht vor, da sie Arbeitnehmer ablösen, die zuletzt vorher entsandt waren.

bb) Zeitliche Befristung

318 Eine Entsendung setzt ferner voraus, dass die Dauer der Auslandsbeschäftigung von

ihrem Beginn an auf nicht mehr als zwölf Monate befristet ist.

Praxishinweis Steht bei Beginn der Auslandsbeschäftigung bereits fest, dass diese für mehr als zwölf Monate erfolgen wird, liegt eine Entsendung i.S.d. Art. 14 Ziff. 1 Buchstabe a) VO (EWG) 1408/71 nicht vor. Der Arbeitnehmer unterliegt dann grundsätzlich dem Sozialversicherungsrecht des Beschäftigungsstaates.

cc) Verlängerung der Entsendung

319 Stellt sich bei einem entsandten Arbeitnehmer während des Entsendezeitraums von

zwölf Monaten heraus, dass die geplante Entsendedauer nicht ausreichend ist, kann eine Verlängerung der Entsendung beantragt werden.88 Ein entsprechender Antrag ist bei der zuständigen Behörde des Staates zu stellen, in den der Arbeitnehmer entsandt wurde. 320 Voraussetzung hierfür ist, dass: –– die Verlängerung unvorhersehbar war, –– der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der ersten zwölf Monate der Entsendung gestellt wird und –– die Verlängerung der Entsendung für längstens weitere zwölf Monate erfolgt. 321 Stimmt die zuständige Behörde zu, bleibt der Arbeitnehmer auch während der Dauer der Verlängerung der Entsendung dem Sozialversicherungsrecht des Entsendestaates unterstellt.

88 Art. 14 Ziff. Buchstabe b) VO (EWG) 1408/71.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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Praxishinweis Der Antrag auf Verlängerung der Entsendung ist durch den Arbeitgeber mittels Vordruck E 102 (in vierfacher Ausfertigung) vor Ablauf der ersten zwölf Monate der Entsendung zu stellen. Achtung: erfolgt die Antragstellung später, wird der Antrag abgelehnt.

b) Entsendungen in die Mitgliedstaaten der EU/den EWR/die Schweiz Die Verordnung (EG) 883/200489 regelt die Entsendung von Mitarbeitern innerhalb der Mitgliedstaaten der EU,90 den EWR (Fälle ab dem 1.6.2012) und der Schweiz (Fälle ab dem 1.4.2012). Danach unterliegt eine Person, die in einem Mitgliedstaat für Rechnung eines Arbeitgebers, der gewöhnlich dort tätig ist, eine Beschäftigung ausübt, weiterhin den Rechtsvorschriften dieses Staates, wenn sie von diesem Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wird, um dort eine Arbeit für dessen Rechnung auszuüben. Die voraussichtliche Dauer der Entsendung darf 24 Monate nicht überschreiten und der Arbeitnehmer darf keine andere Person (die vorher entsandt war) ablösen.91 Welche Voraussetzungen für eine Entsendung gegeben sein müssen, regelt der Beschluss A 2 der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vom 12.6.2009.92 Während der Dauer der Entsendung in einen anderen Mitgliedstaat muss weiterhin eine – aktive – arbeitsrechtliche Bindung zwischen entsandtem Arbeitnehmer und entsendendem Arbeitgeber bestehen. So muss der Arbeitgeber die Verantwortung für Einstellung und Entlassung, das Weisungsrecht und den Arbeitsvertrag haben. Auch der Gehaltsanspruch muss sich gegen diesen Arbeitgeber richten.

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Praxishinweis Im Fall eines ruhenden Arbeitsvertrages sind die Voraussetzungen einer Entsendung nicht mehr erfüllt.

Voraussetzung für eine Entsendung ist ferner, dass der Arbeitnehmer vor Beginn der 326 Auslandbeschäftigung mindestens einen Monat dem Sozialversicherungsrecht des entsendenden Mitgliedstaates unterstellt war und dass der entsendende Arbeitgeber gewöhnlich eine nennenswerte Tätigkeit im Gebiet des Staates ausübt, in dem er niedergelassen ist.

89 Art. 12 VO (EG) 883/2004. 90 Vgl. Fn 61. 91 Art. 12 VO (EG) 883/2004. 92 ABl. C 106/5 v. 24.4.2010.

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 Kapitel 12 Entsendung

Praxishinweis Ob in dem Staat, in dem der Arbeitgeber niedergelassen ist, eine nennenswerte Tätigkeit ausgeübt wird, hängt u.a. ab vom Ort des Sitzes und der Verwaltung des Unternehmens, der Zahl der in diesem Mitgliedstaat beschäftigten Arbeitnehmer, dem Ort, an dem der Großteil der Verträge geschlossen wird und vom Recht, dem diese Verträge unterliegen. 327 Wird der Arbeitnehmer nacheinander in verschiedene Mitgliedstaaten entsandt,

handelt es sich in jedem Fall um eine neue Entsendung. Ist die Entsendung eines Arbeitnehmers abgelaufen, kann dieser Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber zu demselben Auslandsunternehmen in den gleichen Mitgliedstaat erst nach Ablauf von zwei Monaten erneut entsandt werden. Auch in Fällen der zulässigen Arbeitnehmerüberlassung können die Vorausset329 zungen einer Entsendung erfüllt sein.

328

Praxishinweis Eine Entsendung liegt nicht vor, wenn das Unternehmen, zu dem der Arbeitnehmer im anderen Mitgliedstaat entsandt wurde, den Arbeitnehmer einem anderen Unternehmen mit Sitz im gleichen oder anderen Mitgliedstaat überlassen wird. 330 Die maximale Dauer einer Entsendung beträgt 24 Monate. Ist der Zeitraum abgelau-

fen, besteht keine Möglichkeit einer Verlängerung der Entsendung.

4. Ausnahmevereinbarungen

331 Wie bereits eingangs dargestellt, unterliegen Arbeitnehmer grundsätzlich dem Sozi-

alversicherungsrecht des Staates, in dem die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird. Häufig ist dies jedoch nicht im Interesse des Arbeitnehmers während einer – im Allgemeinen zeitlich befristeten – Auslandstätigkeit dem Sozialversicherungsrecht eines ausländischen Staates zu unterliegen. Für diese Fälle sieht sowohl die Verordnung (EWG) 1408/7193 als auch die Verordnung (EG) 883/200494 die Möglichkeit einer sog. Ausnahmevereinbarung vor. Eine solche Ausnahmevereinbarung können zwei oder mehrere Mitgliedstaaten, 332 die zuständigen Behörden oder die von den diesen Behörden bezeichneten Stellen95 schließen. Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass Ausnahmevereinbarun333 gen bei folgenden Tatbeständen geschlossen werden können:

93 Art. 17 VO (EWG) 1408/71. 94 Art. 16 VO (EG) 883/2004. 95 Auf deutscher Seite ist der GKV Spitzenverband, Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland in Bonn für den Abschluss von Ausnahmevereinbarungen zuständig.

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C. Sozialversicherungsrecht 

 349

–– eine vorübergehenden Entsendung ist vom Beginn an für länger als den zulässigen Höchstzeitraum von zwölf bzw. 24 Monaten geplant, –– eine auf zunächst zwölf Monate befristete Entsendung wird für mehr als zwölf weitere Monate verlängert (für Fälle der Entsendung in einen EWR-Staat oder die Schweiz), –– eine Entsendung ist bereits auf maximal 24 Monate verlängert worden (für Fälle der Entsendung in einen EWR-Staat oder der Schweiz), –– die Entsendedauer von 24 Monaten ist abgelaufen oder –– eine Entsendung liegt nicht vor, da der inländische Arbeitsvertrag mit dem Arbeitnehmer während der Dauer der Auslandsbeschäftigung ruhend gestellt wird. Voraussetzung für eine Ausnahmevereinbarung ist, dass diese im Interesse des Mit- 334 arbeiters liegt. Praxishinweis Bei der Beantragung einer Ausnahmevereinbarung spielen die Interessen des Unternehmens zunächst keine wesentliche Rolle

Ein Interesse des Arbeitnehmers am Abschluss einer solchen Vereinbarung kann 335 z.B. darin begründet sein, dass der Arbeitnehmer bisher in seiner sozialversicherungsrechtlichen Kariere lediglich Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland gezahlt hat und dies auch während eines nur vorübergehenden Auslandsaufenthaltes fortsetzen möchte. Auch würde eine weitere Unterstellung unter deutsches Sozialversicherungsrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung ein späteres zeitaufwendiges Rentenverfahren vermeiden. Praxishinweis Der Antrag sollte die persönlichen Gründe des Arbeitnehmers an der Weitergeltung deutschen Sozialversicherungsrechts ausführlich wiedergeben.

Aus deutscher Sichtweise können Ausnahmevereinbarungen auch dann geschlossen 336 werden, wenn das Arbeitsverhältnis mit dem – bisherigen – deutschen Arbeitgeber ruht und der Arbeitnehmer einen lokalen Vertrag mit einem Arbeitgeber im anderen Mitgliedstaat abschließt. Diese Auffassung vertreten jedoch nicht alle Mitgliedstaaten. So hat die zuständige belgische Behörde bereits vor längerer Zeit erklärt, Ausnahmevereinbarungen nicht zuzustimmen, wenn ein lokaler Vertrag mit einem belgischen Unternehmen geschlossen wird. Die Vorschriften über den Abschluss von Ausnahmevereinbarungen enthalten 337 keine Regelungen darüber, für welche Zeitdauer diese geschlossen werden können. Die Praxis zeigt, dass im Allgemeinen solche Vereinbarungen für einen Zeitraum bis fünf Jahre möglich sind. Im Verhältnis zu einigen Mitgliedstaaten sind auch Vereinbarungen für einen Zeitraum von bis zu acht Jahren möglich.

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350 

 Kapitel 12 Entsendung

Der Antrag auf Abschluss einer Ausnahmevereinbarung ist durch den Arbeit­ geber in Deutschland zu stellen. Dieser muss auch während der Dauer der Auslandsbeschäftigung die melde- und beitragsrechtlichen Verpflichtungen übernehmen. Dies gilt auch dann, wenn während der Dauer der Auslandsbeschäftigung das Arbeitsverhältnis mit dem deutschen Unternehmen ruht. Dem Antrag ist eine schriftliche Erklärung des Arbeitnehmers beizufügen, dass 339 der Antrag in seinem Interesse liegt.

338

Praxishinweis Zur Durchführung des Verfahrens findet sich auf der Internetseite www.dvka.de des GKV Spitzenverbandes Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung- Ausland ein Antragsvordruck sowie ein Vordruck für die Erklärung des Arbeitnehmers 340 Wird dem Antrag entsprochen, erhält der Antragsteller darüber einen entsprechen-

den Bescheid. Diesem Bescheid ist der Vordruck A1 beigefügt. Mit diesem weist der Arbeitnehmer im anderen Mitgliedstaat nach, dass er weiterhin deutschem Sozialversicherungsrecht und nicht den Rechtsvorschriften des anderen Mitgliedstaates unterliegt.

5. Beschäftigung in zwei oder mehr Mitgliedstaaten

341 Zunehmend werden Arbeitnehmer nicht nur in einen anderen Mitgliedstaat der EU,

des EWR oder in die Schweiz entsandt, sondern es vergrößert sich zunehmend die Zahl derer, die gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten beschäftigt sind. Regelungen hierzu enthält sowohl die VO (EWG) 1408/7196 als auch die Verord342 nung (EU) 883/2004.97 343 Beide Verordnungsregelungen unterscheiden drei Personengruppen: –– Personen, die in einem Mitgliedstaat wohnen und gewöhnlich sowohl im Wohnstaat als auch in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten für einen Arbeitgeber beschäftigt sind, –– Personen, die für zwei oder mehrere Arbeitgeber, die ihren Sitz in verschiedenen Mitgliedstaaten haben, beschäftigt sind und –– Personen, die für einen Arbeitgeber in zwei oder mehr Mitgliedstaaten beschäftigt sind, nicht aber im Wohnstaat.

96 Art. 14 Ziff. 2 Buchstabe b) VO (EWG) 1408/71. 97 Art. 12 VO (EG) 883/2004.

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C. Sozialversicherungsrecht 

 351

a) Personen, die in einem Mitgliedstaat wohnen und gewöhnlich sowohl im Wohnstaat als auch in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten für einen Arbeitgeber oder mehrere Arbeitgeber mit Sitz im gleichen Staat beschäftigt sind –– Verordnung (EWG) 1408/7198 Personen, die zu dieser Gruppe gehören, unterliegen immer dem Sozialversiche­ 344 rungsrecht des Wohnstaates, wenn sie dort gewöhnlich beschäftigt sind.99 Zu beachten ist, dass Personen die ihre Beschäftigung in Deutschland und einem 345 EWR-Mitgliedstaat100 oder der Schweiz ausüben, unter den Anwendungsbereich der VO (EWG) 1408/71 fallen. Nach Auffassung der deutschen Sozialversicherungsbehörden übt eine Person Ihre Beschäftigung dann gewöhnlich in Deutschland aus, wenn dies an mindestens einem Tag im Monat erfolgt. Beispiel Eine Person – wohnhaft in Deutschland – ist für ihren in Norwegen ansässigen Arbeitgeber sowohl in Norwegen als auch in Deutschland beschäftigt. Die Beschäftigung in Deutschland erfolgt an drei Tagen in der Woche. Es gelten die deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit.

–– Verordnung (EG) 883/2004 Erfolgt die Beschäftigung in verschiedenen Mitgliedstaaten der EU einschließlich 346 der Schweiz,101 finden sich die anzuwendenden Regelungen in der Verordnung (EG) 883/2004.102 Hier ist zu beachten, dass eine Beschäftigung im Wohnstaat dann als wesentlich 347 angesehen wird, wenn sie mindestens 25 % der Tätigkeit (Arbeitszeit oder Arbeitsentgelt) umfasst. Ferner ist Voraussetzung, dass die betreffende Person mindestens 5 % ihrer Tätigkeit in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten ausübt. Beispiel Eine in Deutschland wohnende Person ist für den ebenfalls in Deutschland ansässigen Arbeitgeber sowohl in Deutschland als auch in den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Frankreich als Vertriebsmitarbeiter tätig. Die Beschäftigung in Deutschland erfolgt regelmäßig an zwei Tagen in der Woche. Da die Person mehr als 25 % ihrer Beschäftigung in Deutschland ausübt, unterliegt sie ausschließlich deutschem Sozialversicherungsrecht.

98 Hinsichtlich der Schweiz gelten diese Regelungen für Fälle, die bis zum 31.3.2012, und hinsichtlich des EWR für Fälle, die zum 31.5.2012 begonnen haben. 99 Art. 14 Ziff. 2 Buchstabe b) i) Hs. 1 VO (EWG) 1408/71. 100 Vgl. Fn 62. 101 Für Fälle ab dem 1.4.2012. 102 Art. 13 Abs. 1 Buchstabe a) VO (EG) 883/2004.

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352 

 Kapitel 12 Entsendung

b) Personen, die für zwei oder mehrere Arbeitgeber, die ihren Sitz in verschiedenen Mitgliedstaaten haben, beschäftigt sind 348 Hat eine Person mehrere Arbeitgeber und diese haben ihren Sitz in verschiedenen Mitgliedstaaten der EU, des EWR oder in der Schweiz, so unterliegt diese Person grundsätzlich dem Sozialversicherungsrecht des Mitgliedstaates, in dem sie wohnt, unabhängig von der Frage, ob im Wohnstaat ein Teil der Beschäftigung ausgeübt wird oder nicht. Dies gilt gleichermaßen in Fällen der Anwendung der Verordnung (EWG) 349 1408/71103 und der Verordnung (EG) 883/2004.104 Diese Regelung gilt im Verhältnis der EU-Mitgliedstaaten zueinander für Fälle 350 die bis zum 27.6.2012 eintreten sowie im Verhältnis zu den EWR-Staaten und der Schweiz über diesen Zeitpunkt hinaus. Beispiel Eine in Frankreich wohnende Person ist sowohl bei einem in Belgien ansässigen Unternehmen als auch bei einem in Luxemburg ansässigen Unternehmen beschäftigt. Da die Arbeitgeber ihren Betriebssitz in verschiedenen Mitgliedstaaten haben, unterliegt die Person ausschließlich französischem Sozialversicherungsrecht, da sie dort wohnt (Regelung bis 27.6.2012). 351 Mit Wirkung vom 28.6.2012 an sind die Regelungen für Personen, die für mehrere

Arbeitgeber mit Sitz in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten beschäftigt sind, durch die VO (EG) 465/2012105 geändert worden. Ist eine Person für zwei Arbeitgeber mit Sitz in verschiedenen Mitgliedstaa­ 352 ten beschäftigt und einer der Arbeitgeber hat seinen Sitz im Wohnstaat des Arbeit­ nehmers, unterliegt der Arbeitnehmer den Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit des Wohnstaates, wenn er dort einen wesentlichen Teil der Beschäftigung (min­ destens 25 %) ausübt. Wird kein wesentlicher Teil der Beschäftigung im Wohnstaat ausgeübt, gelten die Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit des Mitgliedstaates, in dem der zweite Arbeitgeber seinen Sitz hat.106 Beispiel Eine in Deutschland wohnende Person ist sowohl bei einen in Luxemburg als auch bei einen in Deutschland ansässigen Arbeitgeber beschäftigt. Erfolgt ein wesentlicher Teil der Beschäftigung in Deutschland (mindestens 25 %), finden die deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit Anwendung. Liegt der Anteil der Beschäftigung in Deutschland unter 25 %, finden ausschließlich die luxemburgischen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit Anwendung.

103 Art. 14 Ziff. 2 Buchstabe b) i) Hs. 2 VO (EWG) 1408/71. 104 Art. 13 Abs. 1 Buchstabe a) Hs. 2 VO (EG) 883/2004. 105 Amtsblatt d. EU L149/4 vom 8.6.2012. 106 Art. 13 Abs. 1 Ziff. b) iii) VO (EG) 883/2009.

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C. Sozialversicherungsrecht 

 353

Erfolgt die Beschäftigung für zwei oder mehr Arbeitgeber mit Sitz in verschiedenen 353 Mitgliedstaaten und keiner davon ist der Wohnstaat des Arbeitnehmers, gelten die Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit des Wohnstaates des Arbeitnehmers.107 Beispiel Eine in Frankreich wohnende Person ist sowohl bei einem in Belgien ansässigen Unternehmen als auch bei einem in den Niederlanden ansässigen Unternehmen beschäftigt. Da die Arbeitgeber ihren Betriebssitz in verschiedenen Mitgliedstaaten haben, unterliegt die Person ausschließlich französischem Sozialversicherungsrecht, da sie dort wohnt.

c) Personen, die für einen Arbeitgeber in zwei oder mehr Mitgliedstaaten beschäftigt sind, nicht aber im Wohnstaat Personen, die für einen Arbeitgeber in zwei oder mehreren EU-Mitgliedstaaten, 354 EWR-Staaten oder der Schweiz beschäftigt sind, aber im Wohnstaat keine Beschäftigung ausüben108 oder nicht wesentlich (25 % und mehr) beschäftigt sind,109 unterliegen dem Sozialversicherungsrecht des Mitgliedstaates, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat. Beispiel Eine in Deutschland ansässige Person ist bei einem in Luxemburg ansässigen Arbeitgeber als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Die Beschäftigung wird ausgeübt in Belgien und Frankreich. Es erfolgt keine bzw. keine wesentliche Beschäftigung in Deutschland. Hier finden ausschließlich die luxemburgischen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit Anwendung.

Sonderfälle einer Beschäftigung in mehreren Mitgliedstaaten ergeben sich dann, wenn eine Person in verschiedenen Mitgliedstaaten beschäftigt ist, jedoch nicht im Wohnstaat, und der Arbeitgeber seinen Sitz außerhalb der EU hat. In diesen Fällen ist auf die betreffende Person immer das Sozialversicherungs­ recht des Wohnstaates anzuwenden. Unterliegen Personen im Zusammenhang mit ihrer Beschäftigung in mehreren Mitgliedstaaten deutschem Sozialversicherungsrecht, so hat der Arbeitgeber auch die melde- und beitragsrechtlichen Vorschriften zu erfüllen. Die Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit des oder der anderen Staaten finden keine Anwendung.

107 Art. 13 Abs. 1 b) iv) VO (EG) 883/2004. 108 Art. 14 Ziff. 2 Buchstabe b) ii) VO (EWG) 1408/71. 109 Art. 13 Abs. 1 Buchstabe b) i) VO (EG) 883/2004.

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354 

 Kapitel 12 Entsendung

Praxishinweis Hat der Arbeitgeber seinen Sitz im Ausland, muss er sich zur deutschen Sozialversicherung registrieren lassen. Er unterliegt den gleichen melde- und beitragsrechtlichen Vorschriften wie ein inländischer Arbeitgeber.110

6. Übergangsregelungen 359 Die mit Wirkung vom 1.5.2010 in Kraft getretene Verordnung (EG) 883/2004 zieht auch Änderungen für die in mehreren Mitgliedstaaten beschäftigten Personen nach sich, die bisher aufgrund einer Regelung nach Art. 14 Ziff. 2 Buchstabe b) VO (EWG) 1408/71 den Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit eines bestimmten Mitgliedstaates unterstellt waren. Eine besondere Regelung enthält Art. 87 Abs. 8 der VO (EG) 883/2004. Danach gelten für Personen, die aufgrund der Einführung der neuen Verordnung den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen unterliegen, der laut der Verordnung (EWG) 1408/71 bereits bestimmt wurde, diese Rechtsvorschriften weiter, sofern sich der vorherrschende Sachverhalt nicht ändert oder der Arbeitnehmer sich für Anwendung des Sozialversicherungsrechts des anderen Mitgliedstaats entscheidet. Sollte der Arbeitnehmer sich für die Anwendung des Sozialversicherungsrechts des anderen Staates entscheiden, gelten die Rechtsvorschriften des anderen Staates mit Wirkung vom ersten Tag des auf den Monat der Antragstellung folgenden Monats an. Diese Übergangsregelung ist für die EU-Mitgliedstaaten bis längstens 30.4.2020 360 anzuwenden. In Bezug auf die EWR-Staaten gilt die Übergangsregelung bis 31.5.2022 und die Schweiz bis 31.3.2012. Beispiel Seit Oktober 2009 übt ein Arbeitnehmer für seinen in Belgien ansässigen Arbeitgeber eine Beschäftigung in Deutschland – seinem Wohnstaat – und in Frankreich aus. In Deutschland ist der Arbeitnehmer zu 20 % beschäftigt. Deutschland war bisher der zuständige Staat nach Art. 14 Ziff. 2 Buchstabe b) i) VO (EWG) 1408/71, da die Beschäftigung an mindestens einem Tag im Monat in Deutschland ausgeübt wurde. Nach Art. 13 Abs. 1 Buchstabe b) VO (EG) 883/2004 wäre jedoch Belgien der zuständige Mitgliedstaat, da der Arbeitnehmer weniger als 25 % seiner Beschäftigung in Deutschland (Wohnstaat) ausübt. Daher wäre der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz (Belgien) hat. Hier wäre Art. 87 Abs. 8 VO (EG) 883/2004 anzuwenden und der Arbeitnehmer bleibt weiterhin deutschem Sozialversicherungsrecht unterstellt, sofern er sich nicht für die Anwendung belgischen Sozialversicherungsrechts entscheidet.

110 Vgl. Teil 2 – Grundlagen Rn 95 ff.

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C. Sozialversicherungsrecht 

 355

IV. Entsendung in Staaten mit bilateralem Abkommen über soziale Sicherheit Bilaterale Abkommen über soziale Sicherheit sind von Deutschland mit einer Viel- 361 zahl von Staaten abgeschlossen worden und es ist davon auszugehen, dass sich die Anzahl in der Zukunft vergrößern wird. Praxistipp Bilaterale Abkommen über soziale Sicherheit bestehen derzeit mit folgenden Staaten: Australien, Bosnien und Herzegowina, Brasilien (noch nicht in Kraft getreten), Chile, China, Indien, Israel, Japan, Kanada/Quebec, Korea, Kosovo, Kroatien, Marokko, Mazedonien, Montenegro, Serbien, Türkei, Tunesien und USA.

1. Sachlicher Geltungsbereich Zu beachten ist, dass der sachliche Geltungsbereich der einzelnen Abkommen im 362 Regelfall nicht alle Versicherungszweige abdeckt. Dies gilt besonders für die Pflegeversicherung, die in der Regel nicht aufgeführt wird. Aus der nachfolgenden Übersicht ist zu erkennen, welche Versicherungszweige 363 vom sachlichen Geltungsbereich des jeweiligen Abkommens erfasst werden. Abkommensstaat Australien Bosnien und Herzegowina111 Brasilien112 Chile China Indien Israel Japan Kanada/ Quebec Korea Kosovo113 Kroatien Marokko Mazedonien Montenegro114 Serbien115

Krankenversicherung

Pflegeversicherung

Rentenversicherung ×

Unfallversicherung

Arbeitsförderung ×

×

×

×

×

×

× × × × × ×

× × × × × × × × × × × × × ×

× × × × × × × × × × × × × ×

× ×

(×) × × × × × ×

111 Es finden die Regelungen des deutsch-jugoslawischen Abkommens über soziale Sicherheit bzw. Arbeitslosenversicherung Anwendung. 112 Das Abkommen ist noch nicht in Kraft getreten. 113 Vgl. Fn 111. 114 Vgl. Fn 111. 115 Vgl. Fn 111.

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 Kapitel 12 Entsendung

Türkei Tunesien USA

× ×

× × ×

× ×

×

Praxishinweis Die Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften ist für den Bereich der Arbeitsförderung (Arbeitslosenversicherung) im Regelfall im Schlussprotokoll zum jeweiligen Abkommen über soziale Sicherheit geregelt. Im Regelfall führt dies dazu, dass Arbeitnehmer neben den im Abkommen erfassten Versicherungszweigen auch in der deutschen Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig sind.

2. Gebietlicher Geltungsbereich 364 Das jeweilige Abkommen findet Anwendung auf die jeweiligen Hoheitsgebiete der betreffenden Staaten. In Bezug auf die USA ist zu beachten, dass das Abkommen sich auch auf den Distrikt Columbia, den Freistaat Puerto Rico, die Jungferninseln, Guam, Amerikanisch-Samoa und den Bund der nördlichen Marianen erstreckt.

3. Entsendungen

365 Die derzeit bestehenden bilateralen Abkommen enthalten keine eigenständige

Definition zu dem Begriff „Entsendung“. Demzufolge wird von deutscher Seite auf die Definition der Entsendung im Rahmen der Ausstrahlung ins vertragslose Ausland verwiesen.116 Eine Entsendung setzt voraus, dass die Dauer des Auslandsaufenthaltes von 366 Beginn an zeitlich befristet ist. Die Befristung ergibt sich aus dem jeweiligen Abkommen und bewegt sich zwischen zwölf Monaten und 60 Kalendermonaten. Ausnahme bilden die Abkommen mit Bosnien und Herzegowina, Israel, dem Kosovo, Montenegro, Serbien und der Türkei. In diesen Abkommen ist keine konkrete zeitliche Begrenzung enthalten. In diesen Fällen wird davon ausgegangen, dass eine zeitliche Befristung der Entsendung vorliegt, wenn dies nicht mehr als 60 Kalendermonate beträgt. Liegen die Voraussetzungen einer Entsendung vor, bleibt der Arbeitnehmer für 367 den vom Abkommen erfassten sachlichen Geltungsbereich weiterhin deutschem Sozialversicherungsrecht unterstellt. Da die Kriterien für eine Entsendung i.S.d. Abkommens identisch sind mit denen 368 einer Ausstrahlung (vgl. Rn 255 ff.), erfüllt der Arbeitnehmer auch in den nicht vom Abkommen erfassten Versicherungszweigen die Voraussetzungen einer Entsendung und der Arbeitnehmer unterliegt auch in diesen Versicherungszweigen weiterhin deutschem Sozialversicherungsrecht.

116 Vgl. Rn 258 ff.

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C. Sozialversicherungsrecht 

 357

Praxishinweis Voraussetzung für eine Entsendung i.S.d. Abkommen ist auch, dass während der Dauer der Auslandsbeschäftigung ein aktives Beschäftigungsverhältnis besteht. Wird der Arbeitsvertag mit dem deutschen Arbeitgeber ruhend gestellt, fehlt es an einer westlichen Voraussetzung für eine Entsendung.

4. Ausnahmevereinbarungen Liegen die Voraussetzungen einer Entsendung nicht vor (z.B wegen Überschreitens 369 der zeitlichen Befristung, ruhender Arbeitsvertrag oder Weiterbelastung der Gehaltskosten), bieten alle Abkommen die Möglichkeit einer Ausnahmevereinbarung. Damit kann erreicht werden, dass der Arbeitnehmer für die vom Abkommen erfassten Versicherungszweige weiterhin deutschem Sozialversicherungsrecht unterliegt. Für die nicht vom Abkommen erfassten Versicherungszweige ist weiterhin zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer Ausstrahlung vorliegen und somit ggf. auch in diesen Zweigen weiterhin Versicherungspflicht besteht. Der Antrag auf Ausnahmevereinbarung ist gemeinsam von Arbeitgeber und 370 Arbeitnehmer zu stellen. Der Antrag ist an den DVKA in Bonn zu stellen. Weitere Informationen zu dem Antragsverfahren finden sich auf der Internetseite der DVKA – www.dvka.de. Praxishinweis Dem Antrag auf Abschluss einer Ausnahmevereinbarung ist eine schriftliche Erklärung des Arbeitnehmers beizufügen, dass er den Abschluss einer solchen Regelung wünscht.

Ausnahmevereinbarungen sind nur bei einem zeitlich befristeten Auslandsaufent- 371 halt möglich. Die Zeitdauer, für die eine Ausnahmevereinbarung geschlossen werden kann, ist in den einzelnen Abkommen nicht festgelegt. Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass Vereinbarungen bis zu 60 Kalendermonaten möglich sind. In besonders begründeten Ausnahmefällen ist ein auch längerer Zeitraum (z.B. bis 96 Kalendermonate in Bezug auf China und die USA) denkbar.

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Kapitel 13 Familiäre Mitarbeit A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis In der Praxis wird familiäre Mitarbeit seit jeher in den Bereichen Landwirtschaft, 1 Handwerks-, Gastwirts- und Einzelhandelsbetrieben sowie in freien Berufen, wie bei Ärzten, Rechtsanwälten und Steuerberatern ausgeübt.1 Von familiärerer Mitarbeit spricht man, wenn entweder Ehegatten im Betrieb 2 des anderen Ehegatten oder wenn Kinder, die dem ehelichen Hausstand angehören und von den Eltern erzogen oder unterhalten werden, im Betrieb der Eltern tätig werden. Dabei kann familiäre Mitarbeit auf verschiedenen Rechtsgrundlagen erfolgen. So kann familiäre Mitarbeit aufgrund familienrechtlicher Verpflichtungen erfolgen. Des Weiteren kann sie auf aufgrund eines Arbeitsverhältnisses, eines Dienst­ verhältnisses über freie Mitarbeit oder aufgrund eines Gesellschaftsvertrages geleistet werden. Im Übrigen kann familiäre Mitarbeit auch im Rahmen eines Gefäl­ ligkeitsverhältnisses erfolgen. Rechtsgrundlagen –– Familienrechtliche Verpflichtung –– Arbeitsverhältnis –– Dienstvertrag über freie Mitarbeit –– Gesellschaftsvertrag –– Gefälligkeitsverhältnis

In der Praxis wird familiäre Mitarbeit in vielen Fällen einfach aufgenommen, ohne 3 dass sich die Beteiligten vorher über die Rechtsgrundlage dieser Zusammenarbeit Gedanken gemacht und entsprechend geeinigt haben. Dabei gewinnt die rechtliche Einordnung der familiären Mitarbeit in der Praxis insbesondere zwischen Ehegatten an Bedeutung, wenn es zu einer Trennung oder sogar Ehescheidung kommt und das berufliche Zusammenwirken infolge dessen beendet werden soll. In diesen Fällen ist es für die Ehegatten von besonderem Interesse zu wissen, ob die familiäre Mitarbeit z.B. aufgrund eines Arbeitsverhältnisses stattgefunden hat, da damit einhergeht, dass die Vorschriften des Arbeits- und Sozialrechts Anwendung finden. Erfolgt die familiäre Mitarbeit hingegen aufgrund von familienrechtlichen Verpflichtungen, so finden die Vorschriften des Arbeits- und Sozialrechts keine Anwendung.2 Es ist somit von ganz zentraler Bedeutung, die richtige rechtliche Qualifizierung des zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses von Beginn an vorzunehmen.

1 Menken, DB 1993, 161. 2 Schaub, § 9, Rn 32.

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 Kapitel 13 Familiäre Mitarbeit

II. Verschiedene Rechtsgrundlagen 1. Auf familienrechtlicher Grundlage a) Voraussetzungen Familiäre Mitarbeit von Ehegatten kann auf familienrechtlicher Grundlage erfolgen. Gemäß § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB tragen Ehegatten in der ehelichen Lebensgemeinschaft für einander Verantwortung. Daraus ergibt sich eine Verpflichtung zu gegenseiti­ gem Beistand, Hilfe und Fürsorge auch in den persönlichen Angelegenheiten des Partners, soweit dies nach Art und Bedeutung der Sache zumutbar erscheint.3 In Notund extremen Gefährdungssituationen, die nicht anders als durch Mitarbeit zu meistern sind, kann aus dieser Beistandspflicht eine Verpflichtung zur Mitarbeit erfolgen.4 Des Weiteren wird familiäre Mitarbeit in besonderen Zwangssituationen unter­ haltsrechtlich geschuldet. Gemäß § 1360 Abs. 1 S. 1 BGB ist jeder Ehegatte gehalten, seine Erwerbstätigkeit so zu gestalten, dass die Mittel für den angemessenen Unterhalt der Familie aufgebracht werden können. Mithin kann sich eine Pflicht zur familiären Mitarbeit ergeben, wenn der Betrieb des Ehegatten die wesentliche Quelle des Familienunterhalts bildet und ohne die Mitarbeit des anderen Ehegatten der Betrieb in seinem Bestand gefährdet oder nicht rentabel wäre; wobei die Pflicht zur familiären Mitarbeit nicht besteht, wenn der Ehegatte durch eine anderweitige Erwerbstätigkeit die Familie gleich gut unterhalten kann.5 Bei sowohl minderjährigen als auch volljährigen Kindern, die dem ehelichen Hausstand angehören und von den Eltern erzogen oder unterhalten werden, kann sich die familienrechtliche Verpflichtung zur familiären Mitarbeit aus  §  1619 BGB ergeben.6 Danach sind die Kinder verpflichtet, in einer ihren Kräften und ihrer Lebensstellung entsprechenden Weise den Eltern in ihrem Hauswesen und Geschäfte Dienste zu leisten. Familienrechtliche Verpflichtungen bestehen nicht für Kinder, die sich selbst unterhalten. Dies gilt auch für Verlobte, Verwandte wie Geschwister, Nichten, Enkel usw.7

b) Rechtsfolge 8 Das mitarbeitende Familienmitglied hat keinen Entgeltanspruch, soweit die familiäre Mitarbeit unterhaltsrechtlich geschuldet ist. Die verrichtete Mitarbeit gleicht sich durch den Unterhalt aus.8 Es besteht auch keine Entgeltpflicht, soweit ein Ehepart-

3 Schwab, Rn 103. 4 Gernhuber/Coester-Waltjen, Rn 19. 5 Schwab, Rn 116. 6 Palandt/Diederichsen, § 1619, Rn 2. 7 Schaub, § 9, Rn 33. 8 Palandt/Diederichsen, § 1619, Rn 5.

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A. Arbeitsrecht 

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ner durch die Mitarbeit ausschließlich die eheliche Lebensgemeinschaft verwirklichen möchte.9 Praxishinweis –– Familienrechtliche Verpflichtung zur familiären Mitarbeit besteht nur bei besonderen familiären Zwangssituationen –– Grds. keine Pflicht zur Entgeltzahlung

Bei Rechtsstreitigkeiten auf Grundlage familienrechtlicher Verpflichtung sind die 9 Zivilgerichte zuständig. Wird allerdings der arbeitende Ehegatte aufgrund seiner wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Person i.S.d. §  5 Abs. 1 S.2 ArbGG angesehen, so sind die Arbeitsgerichte zuständig.10

2. Auf Grundlage eines Arbeitsverhältnisses a) Voraussetzungen Geht die familiäre Mitarbeit über den aus den §§ 1353, 1360, 1619 BGB geschuldeten 10 Umfang hinaus, so liegt keine familienrechtliche Verpflichtung mehr vor. Die Familienmitglieder können in diesem Fall frei über ihre Arbeitskraft verfügen. Sie stehen dann vor der Frage, auf welcher Rechtsgrundlage die familiäre Mitarbeit am besten zu erfolgen hat. Wann familiäre Mitarbeit z.B. auf einem Arbeitsverhältnis oder auf familien­ 11 rechtlichen Verpflichtungen basiert, ist nach den allgemeinen Abgrenzungskri­ terien zur Arbeitnehmereigenschaft, dem Parteiwillen und sämtlichen konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen.11 Für ein zwischen den Familienmitgliedern bestehendes Arbeitsverhältnis spricht 12 vor allem das Vorliegen eines schriftlichen Arbeitsvertrages. Aber auch Anhaltspunkte wie die Eingliederung des Arbeitnehmer-Familienmitglieds in den Betrieb des Arbeitgeber-Familienmitglieds und das Weisungsrecht des Arbeitgeber-Familienmitglieds gegenüber dem Arbeitnehmer-Familienmitglied sprechen für ein bestehendes Arbeitsverhältnis. Übt das Arbeitgeber-Familienmitglied sein Weisungsrecht nicht aus, so ändert das nichts an dem rechtlichen Status des Arbeitsverhältnisses, wenn ein Arbeitsverhältnis ausdrücklich von beiden Parteien gewollt ist. Derart „liberale“ Arbeitsverhältnisse sind zwischen Familienmitgliedern durchaus üblich. Des Weiteren spricht für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses die Zahlung eines Arbeitsentgelts, das bei Ehegatten über den freien Unterhalt bzw. bei Kindern über das Taschengeld hinausgeht. Dabei ist die Höhe der Entgeltbezüge im Verhältnis zu

9 HK-BGB/Kemper, § 1356 Rn 4. 10 Menken, DB 1993, 161. 11 Schulz, NZA 2010, 75, 77.

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362 

 Kapitel 13 Familiäre Mitarbeit

der zu verrichtenden Tätigkeit zu bewerten. Darüber hinaus stellt die Geltendmachung des gezahlten Arbeitsentgelts als Betriebsausgabe ebenfalls ein Indiz für ein bestehendes Arbeitsverhältnis dar. Aber auch die Tatsache, dass das Arbeitnehmer-Familienmitglied eine fremde Arbeitskraft ersetzt, spricht für ein bestehendes Arbeitsverhältnis.12 Die Familienmitglieder sind dann Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Ist ein Arbeitsverhältnis gewollt, sollte zu Beweiszwecken ein schriftlicher 13 Arbeitsvertrag zwischen den Familienmitgliedern geschlossen werden.13 Wird der Arbeitsvertrag zwischen Eltern und minderjährigen Kindern geschlossen, so ist das Verbot des Insichgeschäfts nach § 181 BGB zu beachten. Danach ist der Arbeitsvertrag, den die Eltern als gesetzliche Vertreter ihres minderjährigen Kindes (§ 1629 BGB) mit ihrem Kind abschließen, schwebend unwirksam, bis ein Pfleger oder das volljährig gewordene Kind diesen genehmigt.14 In der Praxis werden oftmals mit dem Ziel, Steuern zu sparen oder Sozialversi14 cherungsansprüche zu erwerben, Arbeitsverträge geschlossen, obgleich die darin vereinbarten Dienstleistungen überhaupt nicht erbracht werden. Solche „ScheinArbeitsverträge“ sind gem. § 117 BGB nichtig.15 Dabei werden „Schein-Arbeitsver­ träge“ nicht nur im Rahmen von Betriebsprüfungen aufgedeckt, sondern können auch im Falle einer Ehescheidung oder einer Zerrüttung der familiären Beziehungen mit Kindern zum Vorschein kommen. Beruft sich z.B. der Arbeitnehmer-Ehegatte auf die Nichtigkeit des Arbeitsvertrages, so trägt er die Beweislast für den Scheincharakter des schriftlich abgeschlossenen Arbeitsvertrages.16 Vorsorglich kann der Verdacht eines „Schein-Arbeitsvertrages“ ausgeräumt 15 werden, indem der schriftlich abgeschlossene Arbeitsvertrag entsprechend vollzogen wird, insbesondere sollte das vereinbarte Arbeitsentgelt tatsächlich an das Arbeitnehmer-Familienmitglied ausgezahlt werden.17 Praxishinweis Für die Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Familienmitgliedern sollte Folgendes beachtet werden: –– Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrages mit den wesentlichen Vertragsbedingungen gem. § 2 Nachweisgesetz –– Tatsächlicher Vollzug des Arbeitsvertrages –– Auszahlung des Arbeitsentgelts an das Arbeitnehmer-Familienmitglied

12 LAG Schleswig Holstein, Urt. v. 30.8.2006 – 3 Sa 156/06 –; LAG Köln, Urt. v. 19.7.2002 – 11 Sa 1147/01 –; LAG Niedersachsen, Beschl. v. 26.6.2000 – 10 Ta 210/00 –. 13 BAG, Urt. v. 20.7.1993 – 3 AZR 99/93 –. 14 Palandt/Ellenberger, § 181, Rn 15. 15 Menken, DB 1993, 161. 16 Palandt/Ellenberger, § 117, Rn 9. 17 BAG, Urt. v. 20.7.1993 – 3 AZR 99/93 –.

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A. Arbeitsrecht 

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b) Rechtsfolgen Das Arbeitnehmer-Familienmitglied hat über den Anspruch auf Arbeitsentgelt 16 hinaus auch Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (siehe Entgeltfortzahlungsgesetz) sowie auf bezahlten Erholungsurlaub und ggf. einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung (siehe Bundesurlaubsgesetz). Vorteile Arbeitsverhältnis –– Aufnahme des Arbeitnehmer-Familienmitglieds in die Sozialversicherung soweit die Beschäftigung versicherungspflichtig ist. –– Arbeitgeber-Familienmitglied kann Aufwendungen für betriebliche Altersversorgung entsprechend den gesetzlichen Vorschriften als Betriebsausgaben geltend machen.18 –– Arbeitnehmer-Ehegatte hat Anspruch auf gesonderte, vom gegenseitigen Familienunterhalt unabhängiges ihm frei zur Verfügung stehendes Arbeitsentgelt.19 –– Während das Arbeitnehmer-Familienmitglied Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bezahlten Erholungsurlaub hat, kann das Arbeitgeber-Familienmitglied die entsprechenden Kosten als Betriebskosten geltend machen.

Auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen Familienmitgliedern findet 17 das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, soweit die Voraussetzungen der §§  1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG erfüllt sind. Dabei sind die Familienmitglieder, die aufgrund eines Arbeitsvertrages im Betrieb tätig sind, bei der Anzahl der Beschäftigten mitzuberücksichtigen.20 Bei Ehegattenarbeitsverhältnissen kann eine zerrüttete Ehe nicht ohne weiteres eine Kündigung sozial rechtfertigen. Eine Kündigung aufgrund einer zerrütteten Ehe ist sozial gerechtfertigt, wenn sich die ehelichen Auseinandersetzungen nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles dergestalt auf das Arbeitsverhältnis auswirken, dass der Arbeitgeber Gründe zur Annahme hat, der Ehepartner werde seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht mit der geschuldeten Sorgfalt und Loyalität erfüllen bzw. die Fortsetzung der ehelichen Streitigkeiten werde zu einer Störung des Betriebsfriedens führen.21 Sollte das Arbeitsverhältnis gem. § 9 KSchG aufgelöst werden, finden für die Abfindung nach § 10 KSchG ebenfalls die allgemeinen Grundsätze Anwendung.22 Handelt es sich bei dem Betrieb des Ehegatten um einen Kleinbetrieb, so dass 18 das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, dürfen Kündigungen nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben gem. §  242 BGB verstoßen. Aber auch an diesem Maßstab gemessen, kann eine Kündigung rechtswirksam sein, wenn der

18 BAG, Urt. v. 20.7.1993 – 3 AZR 99/93 –. 19 LAG Schleswig Holstein, Urt. v. 30.8.2006 – 3 Sa 156/06 –. 20 LAG Berlin, Urt. v. 26.6.1989 – 9 Sa 41/89 –. 21 BAG, Urt. v. 9.2.1995 – 2 AZR 389/94 –. 22 LAG Köln, Urt. v. 15.9.1994 – 10 Sa 595/94 –.

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 Kapitel 13 Familiäre Mitarbeit

Arbeitgeber-Ehegatte dem Arbeitnehmer-Ehegatten vor dem Hintergrund eines laufenden Scheidungsverfahrens kündigt.23 19 Für Rechtsstreitigkeiten aus einem Familien-Arbeitsverhältnis sind die Arbeitsgerichte zuständig. Auch wenn zwischen den Familienmitgliedern ein Arbeitsverhältnis besteht, 20 gelten die Arbeitnehmer-Familienmitglieder nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsrechts, solange sie mit dem Arbeitgeber-Familienmitglied in häuslicher Gemeinschaft leben (siehe § 5 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG). Sobald die häusliche Gemeinschaft zwischen den Familienmitgliedern nicht besteht, findet das Betriebsverfassungsrecht jedoch wieder Anwendung. Demnach kann der Zeitpunkt der Beendigung der häuslichen Gemeinschaft von entscheidender Bedeutung sein, z.B. für die Frage der Notwendigkeit einer Betriebsratsanhörung wird auf den Kündigungszeitpunkt abgestellt, und mithin auf die Beendigung der häuslichen Gemeinschaft zum Zeitpunkt der Kündigung.24

3. Auf Grundlage eines Dienstverhältnisses über freie Mitarbeit a) Voraussetzungen 21 Familiäre Mitarbeit kann auch auf Grundlage eines Dienstvertrages über die freie Mitarbeit erfolgen, wenn das Familienmitglied über die familiäre Mitarbeit hinaus auch noch für andere Unternehmer tätig werden will. In diesem Fall wären die Familienmitglieder Dienstgeber und Dienstnehmer. Dann gelten die Regelungen über ein freies Mitarbeiterverhältnis.25 Zu Beweiszwecken sollte ein entsprechender Dienst­ vertrag schriftlich abgeschlossen werden. Für die Abgrenzung zum Arbeitsverhältnis ist erforderlich, dass die Familienmitglieder das Dienstverhältnis entsprechend den dienstvertraglichen Regelungen tatsächlich durchführen. b) Rechtsfolgen 22 Das Dienstgeber-Familienmitglied hat einen Honoraranspruch, der ihm unabhängig vom gegenseitigen Familienunterhalt frei zur Verfügung steht. Das DienstnehmerFamilienmitglied muss für das Dienstgeber-Familienmitglied weder Steuern abführen noch Sozialversicherungsbeiträge zahlen.26 Praxishinweis Sollen über die familiäre Mitarbeit hinaus Dienste für Andere erbracht werden, so empfiehlt sich der Abschluss eines Dienstvertrages über die freie Mitarbeit mit dem Familienmitglied.

23 LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 9.5.2008 – 6 Sa 598/08 –. 24 Menken, DB 1993, 161. 25 Siehe Kap. 14 – Freelancer. 26 Näheres siehe Kap. 14 – Freelancer.

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A. Arbeitsrecht 

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4. Auf Grundlage eines Gesellschaftsvertrages a) Voraussetzungen Familiäre Mitarbeit kann auch auf Grundlage eines Gesellschaftsvertrages erfolgen. 23 In Betracht kommt eine Ehegatten-Innengesellschaft oder Familiengesellschaft, die u.a. auch durch schlüssiges Verhalten vereinbart werden kann. Maßgeblich ist hierbei, dass die Familienmitglieder einen über den Rahmen der Lebens- bzw. Familiengemeinschaft hinausgehenden Zweck verfolgen, z.B. den gemeinsamen Aufbau eines Unternehmens oder Vermögens oder die gemeinsame Ausübung einer beruflichen Tätigkeit. Zudem müssen nach der Vorstellung der Familienmitglieder die Erträge und/oder geschaffenen Werte ihnen gemeinschaftlich zustehen.

b) Rechtsfolgen Wird z.B. die Ehe geschieden, so wird auch die Ehegatteninnengesellschaft aufgelöst. 24 Dabei werden Ausgleichsansprüche nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen (siehe  §§ 730–735 BGB) begründet, d.h. außerhalb des Güterrechts.27 Der mitarbeitende Ehegatte erhält mithin bei Auflösung der Gesellschaft nicht nachträglich ein Entgelt für seine Mitarbeit, sondern wird vielmehr an den Überschüssen, Ersparnissen und den gemeinsam erworbenen Sachen beteiligt.

5. Auf Grundlage eines Gefälligkeitsverhältnisses Letztlich kann familiäre Mitarbeit auch im Rahmen von Gefälligkeitsverhältnissen 25 erfolgen. Dabei erfolgt die familiäre Mitarbeit unentgeltlich. Erfolgt die familiäre Mitarbeit regelmäßig, so ist vom Vorliegen eines Rechtsbindungswillens auszugehen, der ein Gefälligkeitsverhältnis ausschließt. In diesem Fall erfolgt die familiäre Mitarbeit eher aufgrund eines Dienstverhältnisses. Checkliste –– Familienrechtliche Verpflichtung nur bei Zwangssituationen –– Abgrenzung zum Arbeitsverhältnis erforderlich –– Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrages zu Beweiszwecken –– Bei häuslicher Gemeinschaft der Familienmitglieder keine Anwendung des Betriebsverfassungsrechts –– Abgrenzung zum Dienstverhältnis über freie Mitarbeit –– Abgrenzung zum Gefälligkeitsverhältnis

27 Palandt/Sprau, § 705 BGB, Rn 39.

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 Kapitel 13 Familiäre Mitarbeit

B. Steuerrecht 26 Grundsätzlich gelten für das Lohnsteuerverfahren keine Besonderheiten. Für den

Angehörigen muss der Lohnsteuerabzug anhand seiner individuellen Lohnsteu­ erabzugsmerkmale erfolgen.28 Hiernach sind Lohn- und evtl. Kirchensteuer sowie Solidaritätszuschlag einzubehalten und abzuführen.29 Werden Beschäftigungsverhältnisse zwischen Angehörigen geschlossen, so 27 prüfen die Finanzbehörden regelmäßig vorab, ob die zugrunde liegenden Vereinbarungen einem Fremdvergleich standhalten, also auf Grundlage eines auch unter fremden Dritten üblichen Arbeitsverhältnisses beruhen. Dann sind sie auch aus lohnsteuerlicher Sicht anzuerkennen. Ist die Grundlage vielmehr in den familiären Beziehungen der Vertragsparteien zueinander zu sehen, können sie aus steuerlicher Sicht nicht berücksichtigt werden.

I. Angehörige

28 Unter den Begriff des Angehörigen (§ 15 AO) fallen:

–– Ehegatten Wichtig: Die Auflösung der Ehe durch Tod eines Ehegatten, Scheidung oder gerichtliche Aufhebung der Ehe bewirkt nicht den Wegfall der Angehörigeneigenschaft.30 Dies gilt auch im Fall der erneuten Heirat. –– Verlobte –– Verwandte in gerader Linie (Eltern, Kinder, Großeltern, Enkel, Urgroßeltern, Urenkel etc., nicht: Stiefmutter oder Stiefkind) –– Verschwägert in gerader Linie sind die in gerader Linie Verwandten eines Ehegatten mit dem anderen Ehegatten (Eltern und (Ur-)Großeltern des Ehegatten, aber auch dessen alleinige Kinder, sog. Stiefkinder und deren Abkömmlinge; nicht: Verwandte der Ehegatten untereinander wie Schwiegereltern oder Stiefkinder untereinander). Wichtig: Die Schwägerschaft und damit die Angehörigeneigenschaft dauert fort, auch wenn die Ehe, durch die sie begründet wurde, aufgelöst ist31 –– Pflegeeltern und Pflegekinder –– Geschwister, Ehegatten der Geschwister und Geschwister der Ehegatten, Kinder der Geschwister –– Geschwister der Eltern

28 Voraussichtlich ab 1.1.2013: elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM). 29 Liegt ein sog. Minijob vor, kann unter den entsprechenden Voraussetzungen ggf. eine pauschale Versteuerung erfolgen; zu den Voraussetzungen vgl. Kap. 24 – Minijobber Rn 27 f. 30 Vgl. § 15 Abs. 2 Nr. 1 AO. 31 Vgl. § 15 Abs. 2 Nr. 1 AO i.V.m. § 1590 Abs. 2 BGB.

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B. Steuerrecht 

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Nichteheliche Lebensgemeinschaften sind vom Angehörigenbegriff gem. § 15 AO 29 nach der Rechtsprechung nicht miterfasst.32 Denn die strengen Maßstäbe, wie sie etwa für Verträge unter Ehegatten gelten, sind nach Auffassung des BFH auf nicht­ eheliche Lebensgemeinschaften nicht übertragbar.33 Nichtdestotrotz sollten jedoch auch Beschäftigungsverhältnisse zwischen Part- 30 nern nichtehelicher Lebensgemeinschaften aufgrund der unzweifelhaft gegebenen gleichgerichteten wirtschaftlichen Interessenlage34 einem Fremdvergleich stand­ halten. Denn es ist nicht auszuschließen, dass Finanzbehörden und Gerichte bei der Prüfung der Fremdüblichkeit im Zweifel analoge Maßstäbe wie bei Ehegattenarbeitsverhältnissen heranziehen werden.

II. Steuerliche Anerkennung von Beschäftigungsverhältnissen unter Angehörigen 1. Beschäftigungsverhältnis zwischen Ehegatten a) Vorteile der steuerlichen Anerkennung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Ehegatten Die steuerliche Anerkennung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Ehegatten 31 bringt verschiedene steuerliche Vorteile mit sich. Hierunter fallen etwa –– die Ausschöpfung des Arbeitnehmer-Pauschbetrages in Höhe von bis zu 1.000 €; –– die Pauschalierung der Lohnsteuer mit 2 % bei sog. Minijobbern („400-€-Jobs“).35 In diesem Fall muss das Arbeitnehmer-Ehegattengehalt im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung nicht berücksichtigt werden; –– die steuerliche Berücksichtigung von Versorgungszusagen zugunsten des angestellten Arbeitnehmer-Ehegatten; –– die Minderung des Gewinns und ggf. der Gewerbesteuer beim Arbeitgeber-Ehegatten durch höhere Betriebsausgaben.

b) Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung des Beschäftigungsverhältnisses zwischen Ehegatten Für die steuerliche Anerkennung als steuerrechtlich relevantes Beschäftigungsver- 32 hältnis muss gegeben sein, dass Zuwendungen, die allein auf familienrechtlicher Grundlage beruhen, auszuschließen sind. Hierzu zählt zum einen, dass das Beschäftigungsverhältnis bereits vor Aufnahme der Tätigkeit klar geregelt ist. Es muss weiterhin ernsthaft vereinbart (realistische und nachvollziehbare Vereinbarungen) und entsprechend der getroffenen vertraglichen Regelungen auch so tatsächlich

32 Vgl. etwa FG Düsseldorf, Beschl. v. 1.12.2003 – 4 V 4529/03 –. 33 Vgl. BFH, Urt. v. 14.4.1988 – IV R 225/85 –. 34 Der BFH spricht von einer „Wirtschaftsgemeinschaft“: BFH, Urt. v. 30.1.1996 – IX R 100/93 –. 35 Zu den Voraussetzungen vgl. Kap. 24 – Minijobber Rn 28 f.

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 Kapitel 13 Familiäre Mitarbeit

durchgeführt werden. Schädlich ist es beispielsweise, wenn der Arbeitslohn (atypisch) über längere Zeiträume nicht ausgezahlt wird, da dies unter fremden Dritten vom Arbeitnehmer in der Regel so nicht akzeptiert werden würde. Praxishinweis Die Zahlung des Arbeitslohns muss dazu führen, dass der Arbeitslohn aus dem Vermögen des Arbeitgeber-Ehegatten in das Vermögen des Arbeitnehmer-Ehegatten gelangt. Deshalb wird das Beschäftigungsverhältnis nicht anerkannt, wenn der Arbeitslohn auf ein Privatkonto des Arbeitgeber-Ehegatten überwiesen wird. Jedoch ist es unschädlich – und steht der Anerkennung des Arbeitsverhältnisses nicht entgegen – wenn die Überweisung auf das Konto des mitarbeitenden Ehegatten erfolgt und es sich beim fraglichen Konto um ein sog. Oder-Konto handelt, der Arbeitgeber-Ehegatte also auch unbeschränkte Verfügungsvollmacht besitzt.36 33 Die Rechtsprechung stellt in der Praxis an den Nachweis und an die Beweisbarkeit

dieser Voraussetzungen deutlich höhere Anforderungen als bei Prüfung vergleichbarer Vereinbarungen zwischen fremden Dritten.37 Eine in der Praxis häufig vorkommende Problematik ist die Beurteilung der Ange­ 34 messenheit von Vergütungen. Der Arbeitslohn des mitarbeitenden Ehegatten darf hierbei den Betrag nicht übersteigen, den ein fremder Arbeitnehmer für eine gleichartig gelagerte Tätigkeit erhalten würde. Ein unüblich niedriger Arbeitslohn steht der Anerkennung des Arbeitsverhältnisses hingegen nicht entgegen, es sei denn, der vereinbarte Betrag ist so niedrig, dass er dem Grunde schon nicht als Gegenleistung angesehen werden kann.38 Praxistipp –– Wird der vereinbarte Arbeitslohn als überhöht qualifiziert, kann er für Zwecke des Betriebsausgabenabzugs nur insoweit als Arbeitslohn angesetzt werden, als er angemessen ist (= Betrag den ein fremder Arbeitnehmer für eine gleich gelagerte Tätigkeit erhalten würde). Für den als nicht angemessen zu qualifizierenden Teil ist (mangels Betriebsausgabenabzuges) im Übrigen auch keine Lohnsteuer abzuführen, da insoweit kein Arbeitslohn vorliegt. –– Sonderzuwendungen (z.B. Unterstützungen, Direktversicherungsbeiträge, Zinszuschüsse) werden deshalb nur dann und insoweit als Arbeitslohn behandelt, wenn solche Zuwendungen im Betrieb des Arbeitgeber-Ehegatten üblich sind. Dies gilt insbesondere für Sondergratifikationen wie Weihnachtsgeld oder Tantiemen. –– Aufgrund der Nachweis- und Beweisbarkeit der Fremdüblichkeit sollte im zugrunde liegenden Arbeitsvertrag daher zwingend eine Regelung über die Höhe und Rechtsgrund der jeweiligen Vergütungskomponente enthalten sein.

36 Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit: BVerfG, Beschl. v. 7.11.1995 – 2 BvR 802/90 –. 37 Vgl. etwa BFH, Urt. v. 17.7.1984 – VIII R 69/84 –. 38 Vgl. BFH, Urt. v. 22.3.1990 – IV R 115/89 –.

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B. Steuerrecht 

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Da die ausgeübte Tätigkeit auf arbeits- und familienrechtlicher Grundlage erfolgen 35 kann, ist eine strikte Trennung von privatem und beruflichem Bereich erforderlich, um eine steuerliche Berücksichtigung zu erreichen. Schädlich ist in diesem Zusammenhang die wechselseitige Zusage der Ehegatten, im vom jeweils anderen Ehegatten betriebenen Unternehmen mit der vollen Arbeitskraft tätig zu werden. Praxistipp Für diesen Fall können jedoch wechselseitige Teilzeitarbeitsverträge der Ehegatten vereinbart werden, soweit die übrigen Voraussetzungen insgesamt einem Fremdvergleich standhalten.39

c) Problemfälle bei Gesellschafter-Ehegatten Ein weiteres Problemfeld ist die Mitarbeit des Ehegatten im zum Gesamtgut gehören- 36 den Gewerbebetrieb des anderen bei bestehender Gütergemeinschaft. Hierbei ist die Abgrenzung zum Gesellschaftsverhältnis vorzunehmen. In der Regel besteht im Ergebnis ein Gesellschaftsverhältnis zwischen den Ehegatten. Als Rechtsfolge ergibt sich, dass der an den mitarbeitenden Ehegatten gezahlte Arbeitslohn zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört. Besteht ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Personengesellschaft, die der andere Ehegatte wirtschaftlich beherrscht (z.B. Beteiligung über 50 %), so gilt dies entsprechend (kein steuerlich anzuerkennendes Arbeitsverhältnis).40 Der BFH41 hat es offen gelassen (und verschiedene Instanzgerichte42 haben es 37 abgelehnt), ob die vorgenannten Grundsätze auch auf Ehegatten-Unterarbeitsver­ hältnisse anzuwenden sind. Die steuerliche Anerkennung von Ehegatten-Unterarbeitsverhältnissen wird jedenfalls bei Verstoß gegen höchstpersönliche Dienst­ leistungsverpflichtungen gem. § 613 BGB verneint.43 Nach dieser Vorschrift besteht bei einem auf Dauer angelegten Arbeitsverhältnis – im Unterschied zu einem Dienstverhältnis – grundsätzlich eine höchstpersönliche Arbeitspflicht. Der Arbeitnehmer darf daher auch nicht vorübergehend seine Arbeit durch betriebsfremde Personen, zu denen eben auch Ehegatten gehören, leisten lassen.

39 Vgl. BFH, Urt. v. 12.10.1988 – X R 2/86 –. 40 Vgl. etwa BFH, Urt. v. 20.4.1999 – VIII R 81/94 –. 41 Vgl. BFH, Urt. v. 22.11.1996 – VI R 20/94 –. 42 Vgl. etwa FG Baden Württemberg, Urt. v. 27.11.1990 – XI K 66/87 –. 43 Siehe FG Münster, Urt. v. 7.8.1990 – VI 7384/88 –.

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 Kapitel 13 Familiäre Mitarbeit

2. Beschäftigungsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern a) Kinder als Arbeitnehmer der Eltern 38 Werden Kinder als Arbeitnehmer bei Eltern beschäftigt, gelten die vorgenannten Ausführungen entsprechend. Werden Kinder bei den Eltern mit dem späteren Ziel der Unternehmensnachfolge 39 ausgebildet, muss das Ausbildungsverhältnis für die steuerliche Anerkennung dem Fremdvergleich unter Dritten standhalten und so auch während der gesamten Ausbildungszeit tatsächlich durchgeführt werden. Ein schriftlicher Ausbildungsver­ trag sollte unbedingt geschlossen werden. Dieser sollte die sonst üblichen Regelungen bezüglich einer angemessenen Ausbildungsvergütung, Arbeitszeit etc. zwingend enthalten.

b) Eltern als Arbeitnehmer der Kinder

40 Werden Eltern als Arbeitnehmer der Kinder beschäftigt, gelten die soeben dargestell-

ten allgemeinen Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung entsprechend.44

3. Beschäftigungsverhältnisse zwischen Geschwistern 41 Für die steuerliche Anerkennung der familiären Mitarbeit von Geschwistern untereinander gelten dieselben Voraussetzungen (ernsthafte Vereinbarung, tatsächliche Durchführung, angemessene Vergütung).

III. Praxishinweise 1. Verfahren zur Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft eines mitarbeitenden Angehörigen 42 Ein Angehöriger kann das Erstattungsverfahren (Erstattung von Lohnsteuer) einleiten, wenn vom Arbeitgeber bereits Lohnsteuer einbehalten wurde. Sowohl Arbeitnehmer wie auch der Arbeitgeber können die Frage der Qualifikation der Tätigkeit zeitnah im Rahmen einer lohnsteuerlichen Anrufungsauskunft nach §  42e EStG beim Betriebsstättenfinanzamt des Arbeitgebers klären lassen. Praxistipp Die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft kann auch noch im Einkommensteuerveranlagungsverfahren des mitarbeitenden Angehörigen behandelt werden.

44 Abgegrenzt werden sollte in diesem Zusammenhang, ob tatsächlich ein Beschäftigungsverhältnis oder eine (bloße) gesellschaftsrechtliche Beteiligung vorliegt.

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Weiterhin kann der Arbeitgeber im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens eine 43 entsprechende Behandlung des mitarbeitenden Angehörigen als Nichtarbeitneh­ mer offenlegen. Erlässt das Finanzamt daraufhin einen Lohnsteuernachforderungsbescheid, kann der Arbeitgeber hiergegen mit dem Einspruch vorgehen.

2. Rechtsfolgen Stellt sich nachträglich heraus, dass keine Arbeitnehmereigenschaft des mitarbeiten- 44 den Angehörigen vorliegt, kann eine Erstattung der ggf. bereits einbehaltenen und abgeführten Steuerbeträge (Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag, evtl. Kirchensteuer) in Erwägung gezogen werden. Wurde die Lohnsteuer (etwa im Rahmen eines Minijob-Verhältnisses)45 pauschal 45 erhoben, ist eine Erstattung an den Arbeitgeber möglich. Beim Arbeitnehmer-Ehegatten können die Zahlungen evtl. als Unterhaltsleistungen behandelt werden.

3. Betriebliche Altersversorgung bei Ehegattendienstverhältnissen Auch hinsichtlich der Berücksichtigungsfähigkeit von Aufwendungen im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung und von Direktversicherungsbeiträgen im Rahmen eines Ehegatten-Arbeitsverhältnisses gilt, dass die zugrunde liegenden Vereinbarung dem Fremdvergleich hinsichtlich der betrieblichen Veranlassung standhalten muss und auch so tatsächlich durchgeführt wird, wenn der Arbeitgeber-Ehegatte die Beiträge zur Direktversicherung zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn erbringt. Die betriebliche Veranlassung liegt vor, wenn für familienfremde Arbeit­ nehmer, die eine gleiche oder ähnliche oder geringwertigere Tätigkeit (wie die des Ehegatten) ausüben, und die auch hinsichtlich ihrer Betriebszugehörigkeit dem Ehegatten vergleichbar sind, ebenfalls eine Direktversicherung abgeschlossen oder zumindest ernsthaft angeboten worden ist (interner Betriebsvergleich). Ist ein interner Betriebsvergleich nicht möglich, etwa weil vergleichbare familienfremde Arbeitnehmer nicht beschäftigt werden, wird die Direktversicherung steuerlich nur anerkannt, wenn der gezahlte Arbeitslohn (= laufender Arbeitslohn, zzgl. Beiträge zur Direktversicherung) insgesamt noch angemessen ist und es durch den Abschluss zu keiner „Überversorgung“46 des beschäftigenden Ehegatten kommt.47 Liegen die Voraussetzungen vor, besteht die Möglichkeit der steuerfreien Aus­ zahlung gem. § 3 Nr. 63 EStG bzw. der Pauschalierung mit 20 % (bis 1.752 € jährlich).

45 Zu den Voraussetzungen eines Minijobs vgl. Kap. 24 – Minijobber Rn 23 f. 46 Zur Überversorgung, vgl. auch BMF-Schreiben v. 3.11.2004, IV B 2 – S 2176 – 13/04 und BFH, Urt. v. 10.6.2008 – VIII R 68/06 –. 47 Vgl. BFH, Urt. v. 8.10.1986 – I R 220/82 –.

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 Kapitel 13 Familiäre Mitarbeit

Beim beschäftigenden Arbeitgeber-Ehegatten können die entsprechenden Aufwendungen als Betriebsausgaben abgezogen werden.

C. Sozialversicherungsrecht I. Einleitung 50 Ein (sozialversicherungspflichtiges) Beschäftigungsverhältnis kann auch unter Ehegatten oder Familienangehörigen bestehen. Die familiäre Mitarbeit ist von der familienhaften Mithilfe abzugrenzen. Die familienhafte Mithilfe erfolgt aufgrund der Familienzugehörigkeit ohne direkte Eingliederung in den Betrieb und ohne die Gewährung von Arbeitsentgelt. Für mitarbeitende Ehegatten/Familienangehörige (familiäre Mitarbeit) gelten grundsätzlich die gleichen Grundsätze zur versicherungsrechtlichen Beurteilung wie bei (familienfremden) „normalen“ Beschäftigungsverhältnissen. Allerdings sind weiter Besonderheiten zu berücksichtigen.

II. Angehörigen-Beschäftigungsverhältnis

51 Als Angehörige gelten Ehegatten, Verlobte, geschieden Ehegatten, Verwandte, Ver-

schwägerte und Lebensgefährten.

Checkliste Bei diesem Personenkreis ist ein Beschäftigungsverhältnis i.S.d. §  7 SGB IV regelmäßig anzunehmen, wenn –– der Angehörige in den Betrieb des Arbeitgebers wie eine fremde Arbeitskraft eingegliedert ist und die Beschäftigung tatsächlich ausübt, –– der Angehörige (ggf. in abgeschwächter Form) dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, –– der Angehörige an Stelle einer fremden Arbeitskraft beschäftigt wird und somit einen „regulären“ Arbeitsplatz besetzt, –– der Angehörige ein angemessenes Arbeitsentgelt erhält, welches einem orts- bzw. branchenüblichen bzw. tariflichen Fremdvergleich standhält, –– der Angehörige regelmäßig Lohnsteuer entrichtet und das Arbeitsentgelt als Betriebsausgabe gebucht wird.

Praxishinweis Im Umkehrschluss bedeutet dies: Liegen die vorbezeichneten Merkmale nicht vor, scheidet eine (sozialversicherungspflichtige) Beschäftigung aus – die Tätigkeit ist dann aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht ggf. als (sozialversicherungsfreie) nicht-abhängige Beschäftigung zu beurteilen.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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III. Rechtssicherheit Bei Unsicherheiten, ob es sich um eine Beschäftigung handelt oder nicht, wird geraten 52 ein Statusfeststellungsverfahren i.S.d. § 7a Abs. 1 S. 1 SGB IV bei der Deutschen Rentenversicherung Bund durchzuführen.48 Dies betrifft insbesondere ältere, noch nicht durch die Sozialversicherungsträger konkret geprüfte Beschäftigungen. Bei neu geschlossenen Beschäftigungsverhältnissen unter Angehörigen ist mitt- 53 lerweile ein Antrag auf Statusfeststellungsverfahren (§ 7a Abs. 1 S. 1 SGB IV) von der Einzugsstelle (Krankenkasse) zu stellen, wenn sich aus den Meldungen des Arbeitgebers ergibt, dass es sich bei dem Beschäftigten um einen Angehörigen des Arbeitgebers oder des (geschäftsführenden) Gesellschafters handelt.

48 Statusfeststellungsverfahren: siehe auch Ausführungen Kap. 14 – Freelancer Rn 66.

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Kapitel 14 Freelancer A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis 1. Nutzen Selbstständige bzw. freie Mitarbeit bildet neben der klassischen Arbeitnehmerbe- 1 schäftigung oder einer Anstellung im öffentlichen Dienstleistungssektor ein drittes Standbein in der bundesdeutschen Arbeitslandschaft. Während die Zahl der Normalarbeitsverhältnisse in den letzten zehn Jahren um mehr als 6 % gesunken ist (im Jahre 2008 waren nur 66 % der Berufstätigen im Rahmen eines typischen Arbeitsverhältnisses tätig, 1998 waren es noch 72,6 %),1 nimmt die Zahl der Erwerbstätigen, die in atypischen Beschäftigungsformen arbeiten, stetig zu. Neben einem wachsenden Niedriglohnsektor,2 Mini- und Midi-Job-Angeboten3 oder der Zeitarbeit,4 hat sich dabei auch der Status des „Freelancers“ herausgebildet. Freelancer tragen der organisatorischen Flexibilisierung von Unternehmen 2 Rechnung, die zunehmend nach Beschäftigten suchen, deren Fähigkeiten temporär abgefragt werden können und die durch ein hohes Maß an Spezialisierung veränderte Anforderungen in den betrieblichen Produktionsprozessen weiter optimieren können. Ein Freelancer-Einsatz kommt besonders in Betracht, wenn der Auftraggeber nur vorübergehend einen Dienstleister zur Erbringung abgrenzbarer Tätigkeiten, wie z.B. Projektüberwachung, Projektkoordination etc. benötigt oder wenn der Auftraggeber dem Dienstleister überlassen will, wer diese Dienstleistungen erbringt (Einsatz von Erfüllungsgehilfen). Vorteile für Arbeitgeber –– Keine dauerhafte arbeitsvertragliche Bindung –– Arbeitnehmerschutzvorschriften finden keine Anwendung –– Keine Lohnnebenkosten –– Personalplanungssicherheit –– Gezielter Einsatz von Know-how –– Je nach Vertragsgrundlage: Mängelhaftungs- und Gewährleistungsansprüche bei Schlechtleistung –– Möglichkeit gezielter Kostenkalkulation –– Im Übrigen die mit einer Beschäftigung von Selbstständigen verbundenen Vorteile5

1 Statistisches Bundesamt 2009, Erwerbstätige in unterschiedlichen Erwerbsformen in Millionen, S. 8: http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pk/2009/ Erwerbstaetigkeit/begleitheft_Erwerbstaetigkeit,property=file.pdf. 2 Siehe hierzu ausführlicher in Kap. 28 – Niedriglohnarbeit Rn 7. 3 Siehe hierzu ausführlicher in Kap. 24 – Minijobber Rn 1 f. 4 Siehe hierzu ausführlicher in Kap. 3 – Arbeitnehmerüberlastung Rn 1 ff. 5 Siehe hierzu unter Kap. 35 – Selbstständige Arbeit Rn 4.

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 Kapitel 14 Freelancer

3 Im Unterschied zu befristet eingestellten Arbeitnehmern zählen Freelancer nicht

zur Stammbelegschaft und sind fachlich oder örtlich individuell einsetzbar. Als Mitarbeiter für Projekte sowie andere zeitlich, örtlich oder aufgabenspezifisch abgeschlossene Tätigkeitsbereiche werden sie für fremde Unternehmen auf dienst- oder werkvertraglicher Grundlage tätig. Im Gegensatz zu Arbeitnehmern sind Freelancer weder in das Unternehmen eingegliedert noch von ihren Vertragspartnern persönlich abhängig und genießen als Selbstständige keine Arbeitnehmerschutzrechte. Praxishinweis Freelancer können Freiberufler oder Gewerbetreibende sein – sie müssen daher alle Kosten für Steuern, Versicherungen und weitere Nebenkosten selber tragen.

2. Begriffsbestimmung und typische Merkmale

4 Im Zuge der Entwicklung neuer Beschäftigungsformen ist eine Vielzahl tätigkeitsspe-

zifischer Berufsbezeichnungen entstanden. Nur wenige von ihnen wurden durch den Gesetzgeber normiert oder sind von Rechtsprechung und Literatur mit eigenen erkennungsrelevanten Merkmalen versehen worden. Häufigste Schwierigkeit bietet in der praktischen Anwendung daher die richtige Bestimmung und nähere Bezeichnung der vertraglich festzulegenden Leistung. Namentliche Ähnlichkeiten oder die Unkenntnis über tatsächliche rechtliche Unterschiede können zu einer bei Rechtsstreitigkeiten nachteiligen Vermischung der Ausdrücke und ihrer Gebräuche führen. Praxistipp Unabhängig von Anzahl oder Intensität einzelner Indizien pro oder kontra einer Einordnung als Freelancer ist eine wertende Gesamtbetrachtung maßgebend für die Statusfeststellung.

a) Definition

5 Der Begriff „Freelancer“ ist durch den Gesetzgeber sprachlich oder inhaltlich nicht

festgelegt worden. Auch Literatur und Rechtsprechung haben bislang keine rechtlich verbindliche Bezeichnung bestimmt. Aus dem englischen Ausdruck „freelance“ (freiberuflich, freischaffend) in den deutschen Sprachgebrauch übernommen, wird nach allgemeinem Verständnis hiermit eine Person bezeichnet, die für ein Unternehmen Aufträge ausführt, ohne dabei wie ein Arbeitnehmer in das Unternehmen eingegliedert zu sein. Ein Arbeitsverhältnis wird nicht begründet. Vielmehr erfolgt eine Beschreibung und Festlegung der Tätigkeiten in einem Werk- oder Dienstleis­ tungsvertrag.

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Da der Freelancer eine spezielle Ausprägung der selbstständigen Tätigkeit dar- 6 stellt, gelten für ihn die gleichen Abgrenzungsmerkmale wie für alle Selbstständigen gegenüber Arbeitnehmern.6 Praxistipp Bei länger andauernden Freelancer-Verhältnissen empfiehlt sich eine turnusgemäße Überprüfung der tatsächlichen Verhältnisse, da regelmäßig im täglichen Miteinander Veränderungen auftreten, die das Risiko in sich bergen, Indiz für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses zu sein.

b) Praktische Erfahrungen Freelancer werden in unterschiedlichen Geschäftsfeldern eingesetzt. Allein in der 7 Medienbranche (Presse- und Verlagsunternehmen, Rundfunk- und Fernsehanstalten) sind nach Schätzungen des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) mehr als 25.000 freie Mitarbeiter im Einsatz.7 Ein noch deutlich stärkeres Vorkommen von Freelancern ist in der IT-Branche zu verzeichnen. Mehr als 70.000 Personen arbeiten dort bei Unternehmen unterschiedlicher Größe in zeitlich sehr kurzen, intervallmä­ ßig wiederkehrenden oder langfristig strategisch angelegten Projekten. Weitere Beschäftigungsfelder für Freelancer sind das Musik- und Werbewesen, Eventplanung und -management oder die Kosmetik- und Pharmaindustrie. Selten sind Freelancer dagegen in der betrieblichen Produktion, dem textilverarbeitenden Gewerbe, der Landwirtschaft oder in der Hotel- und Gaststättenindustrie beschäftigt. Gründe für Freelancereinsatz –– Unternehmen benötigt zu einem bestimmten Zeitpunkt ein konkretes Werk (z.B. Spezialsoftware, Bauteile) und verfügt nicht selbst über die Ressourcen bzw. das Know-how der Herstellung –– Werkbesteller will Werkunternehmer überlassen, wer das Werk erbringt (Einsatz von Erfüllungsgehilfen) –– Werkbesteller hat bei mangelhafter Erstellung Nacherfüllungs- bzw. Schadensersatzansprüche oder weitere Gewährleistungsansprüche und ist so gegen finanzielle Verluste abgesichert

3. Abgrenzung Die Freelancer-Tätigkeit ist ein Unterfall der freien Mitarbeit. Sie wird von selbst- 8 ständig Tätigen auf eigene Rechnung und in eigenem Namen ausgeübt. Aufgrund individueller Vertragsausgestaltungen, begrifflicher Ähnlichkeiten oder tatsächlich

6 Siehe hierzu Kap. 35 – Selbstständige Arbeit Rn 7. 7 BA, Arbeitsmarkt-Information für qualifizierte Fach- und Führungskräfte – Journalistinnen und Journalisten, 2007, S. 7, 13, 23.

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 Kapitel 14 Freelancer

vorliegender Einbindung in den Betrieb ist es notwendig, eine Tätigkeit als Freelancer gegenüber anderen Beschäftigungsformen abzugrenzen.

a) Freiberufler

9 Die Begriffe Freelancer oder freier Mitarbeiter sind nicht identisch mit dem Begriff

Freiberufler. Während die Bezeichnung freier Mitarbeiter nur auf die Art des Beschäf­ tigungsverhältnisses Bezug nimmt, bezieht sich die Bezeichnung Freiberufler auf die Art der Tätigkeit, mithin die Ausübung eines ganz bestimmten Berufs. Hierunter werden ausschließlich die sog. Freiberufe, also z.B. Ärzte, Rechtsanwälte oder Steuerberater verstanden.8 Praxishinweis Eine Liste freier Berufe findet sich in § 18 EStG und § 1 PartGG.

b) Arbeitnehmer

10 Eine Abgrenzung zwischen Freelancer und Arbeitnehmer muss, ebenso wie die

generelle Unterscheidung Selbstständiger – Arbeitnehmer, mangels gesetzlicher Vorgaben anhand von der Rechtsprechung entwickelter Kriterien erfolgen. Der zeitlich häufig nur auf kurze Phasen begrenzte Einsatz eines Freelancers in einem Unternehmen erlaubt dem Arbeitgeber grundsätzlich auch eine Beschäftigung des Mitarbeiters nach den Regelungen des TzBfG. Schließt der Auftraggeber aber einen, wenn auch nur für wenige Monate dauernden, Arbeitsvertrag, wird er zum Arbeitgeber und der Freelancer zum Arbeitnehmer – mit sämtlichen daraus resultierenden arbeitsrechtlichen Folgen.9 Zwischen dem Auftraggeber und dem Freelancer entsteht ein Arbeitsvertrag mit allen wechselseitigen Rechten und Pflichten. Die bisherige Vergütung des Freelancers kann allerdings nicht ohne Weiteres als neues Arbeitsentgelt angesetzt werden, sondern ist in der Regel anzupassen. In Ergänzung zu der in Kap. 35 dargestellten Indizienauflistung10 sind folgende 11 Abgrenzungsmerkmale zu berücksichtigen: Abgrenzungsmerkmale –– Eigenart der Tätigkeit –– Arbeitszeit/Arbeitsort –– Arbeitsort/Eingliederung –– Weisungsgebundenheit

8 Für weitere Informationen zum Thema wird auf Kap. 35 – Selbstständige Arbeit Rn 28 verwiesen. 9 Siehe hierzu Kap. 35 – Selbstständige Arbeit Rn 13 ff. 10 Siehe Kap. 35 – Selbstständige Arbeit Rn 15.

Ferbeck

A. Arbeitsrecht 

–– –– –– ––

 379

Unternehmerisches Risiko Urlaub Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall Sonstige Kriterien

Die Eigenart der Tätigkeit ist im Zuge der Abgrenzung zwischen Freelancer und 12 Arbeitnehmer problematisch, wenn sie sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines Tätigwerdens als Freelancer erbracht werden kann. Die Art der Dienstleistung und die Zugehörigkeit der Dienste zu einem bestimmten Berufs­ bild können Aufschluss über die Art des zugrunde liegenden Vertragsverhältnisses geben. Indizwirkung kommt auch der Fremdnützigkeit der Arbeit zu. Arbeitnehmer können ihre Arbeitskraft nicht wie ein Unternehmer nach selbst gesetzten Zielen unter eigener Verantwortung und mit eigenem Risiko am Markt verwerten, sondern sind darauf angewiesen, ihre Arbeitsleistung dem Arbeitgeber zur Verwertung nach dessen Planung zu überlassen. Praxishinweis Die von dem Auftragnehmer zu erbringende Leistung muss detailliert einschließlich ggf. zu beachtender Fristen beschrieben werden.

Wurde lediglich der zeitliche Umfang der Tätigkeit festgelegt, so hat dies zunächst 13 keinen Einfluss auf die persönliche Unabhängigkeit des Mitarbeiters. Etwas anderes ergibt sich dann, wenn er innerhalb des vereinbarten Rahmens die Zeit seiner Tätigkeit nicht mehr frei bestimmen kann. Sobald es strenge zeitliche Vorgaben gibt, ist dies ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung. Solche können bspw. Dienstpläne sein, welche ohne Mitwirkung des Mitarbeiters erstellt worden sind. Eine Ausnahme kann sich im Zusammenhang mit der Eigenart der Tätigkeit bspw. für Honorarlehrkräfte in Bildungseinrichtungen ergeben.11 Die Lehrkraft einer Bildungseinrichtung steht dann nicht in einem Arbeitsverhältnis, sondern ist ein Freelancer, wenn der Inhalt der Dienstleistung und die Arbeitszeiten im Einzelnen vertraglich geregelt und damit dem Weisungsrecht des Arbeitgebers entzogen wurden. Die Bindung an einen Rahmenlehrplan ist hingegen unerheblich. Praxishinweis Es muss aus dem Vertrag hinreichend deutlich werden, für welches (Teil-) Projekt der Auftragnehmer tätig werden soll und in welchem Stunden-, Tage-, Wochen-, Monats- oder Jahresumfang eine Leistung erbracht werden soll.

11 BAG, Beschl. v. 30.10.1991 – 7 ABR 19/91 –.

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380 

 Kapitel 14 Freelancer

14 Ist der Arbeitsort von dem Auftraggeber vorgegeben oder besteht diesbezüglich ein

Direktionsrecht, so spricht dies für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. Kann der Mitarbeiter seine Tätigkeit an einem von ihm selbst gewählten Arbeitsort ausführen und ist er dort sowohl bei der Art und Weise der Arbeitsausführung als auch bei der zeitlichen Arbeitseinteilung frei, ist dies ein Indiz für sein Tätigwerden als Freelancer. Wurde der Mitarbeiter in die Arbeitsabläufe fest eingeplant und muss er aufgrund dessen ständig fest mit den anderen Arbeitnehmern zusammenarbeiten, so kann dies ein Anhaltspunkt für die Eingliederung sein. Eine Eingliederung kann auch dann vorliegen, wenn der entsprechende Mitarbeiter im Rahmen seiner Tätigkeit nicht auf eigene Betriebs- oder Arbeitsmittel, sondern auf die des fremden Unternehmers zurückgreifen oder aber in dem fremden Unternehmen ständig anwesend sein muss. Praxishinweis In der Praxis ist die Auftragsvergabe meist mit der Stellung eines Arbeitsplatzes verbunden. Maßgebend ist, ob der Freelancer darüber hinaus für seinen eigenen Außenauftritt als Dienstleister Büroräume oder andere organisatorische Einrichtungen zur Verfolgung seines Geschäfts unterhält.

15 Im Hinblick auf eine Weisungsgebundenheit ist zu prüfen, in welchem Umfang der

Auftraggeber den Inhalt und Umfang der Arbeitsleistung einseitig bestimmen und seinem Vertragspartner weitere Aufgaben übertragen kann. Je mehr ein solches Vorgehen möglich ist, desto stärker spricht dies für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses. Wurden Anweisungen gemacht, so ist zu überprüfen, ob diese sachbezogen und ergebnisorientiert sind oder aber personenbezogen, ablauf- und verfahrensorientiert. Ist letzteres der Fall, so spricht dies für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses. Praxishinweis Die Tätigkeit muss „freelance-fähig“ sein – d.h., der Freelancer darf weder arbeitsrechtlichen noch fachlichen Weisungen des Auftraggebers unterliegen.

16 Für eine selbstständige Tätigkeit ist u.a. charakteristisch, dass der Selbstständige

auch das Unternehmerrisiko trägt. Freelancern steht es grundsätzlich frei, ob und in welchem Umfang sie für mehrere Unternehmer, u.U. auch in derselben Branche, tätig werden wollen. Wurde eine Tätigkeit in einem Konkurrenzunternehmen ausdrücklich vertraglich gestattet, so spricht dies eindeutig gegen einen Arbeitsvertrag. Übernimmt der Arbeitnehmer keinerlei wirtschaftliches Risiko, sondern stellt er lediglich seine Arbeitskraft zu festen Bedingungen zur Verfügung, so spricht dies für einen Arbeitsvertrag.

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A. Arbeitsrecht 

 381

Praxishinweis Der Auftragnehmer ist „freier Unternehmer“ und als solcher lediglich verpflichtet, die vereinbarten Leistungen zu erbringen. Wie er diese erbringt, ob in eigener Person oder durch den Einsatz eigener Arbeitskräfte, ist allein Entscheidung des Auftragnehmers. Zur unternehmerischen Freiheit gehört auch das Recht, Folgeaufträge abzulehnen.

Wird dem Freelancer Urlaub gewährt, so ist dies grundsätzlich kein Anhaltspunkt 17 dafür, dass er Arbeitnehmer und kein Selbstständiger ist. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 2 S. 2 BUrlG, wonach auch arbeitnehmerähnlichen Personen ein Anspruch auf Urlaub zusteht. Muss der Freelancer jedoch den Urlaub mit seinem Auftraggeber abstimmen oder diesen sogar genehmigen lassen sowie den Urlaubszeitpunkt festlegen, so spricht dies wiederum für seinen Status als Arbeitnehmer. Praxishinweis Um Missverständnisse zu vermeiden, sollte in den Vertrag daher weder ein genereller Anspruch auf Urlaub noch dessen Voraussetzungen verklausuliert werden.

Vorausgesetzt, dass der Freelancer auch tatsächlich selbstständig tätig ist, hat er 18 grundsätzlich keinen gesetzlichen Anspruch im Sinne des EFZG auf Entgeltfortzah­ lung im Krankheitsfall. Ein solcher Anspruch steht allein Arbeitnehmern zu. Er wird grundsätzlich nur für die von ihm tatsächlich erbrachte Leistung bezahlt. Wurde eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall jedoch zwischen den Parteien vereinbart, so spricht dies nicht zwingend für die Arbeitnehmereigenschaft des Freelancers. Grund dafür ist, dass ein derartiger Anspruch gem. § 616 BGB auch denjenigen zusteht, die aufgrund eines freien Dienstvertrages tätig sind. Praxishinweis Eine solche Regelung bedarf äußerster Vorsicht, da die Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Bund über die Feststellung des Mitarbeiterstatus sehr enge Auslegungsgrenzen kennt.

Ein Nebentätigkeitsverbot kann ein Indiz, nicht jedoch einen abschließenden 19 Beweis für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses darstellen. Im Gegensatz dazu ist ein ausdrücklicher Verzicht auf ein Nebentätigkeitsverbot bzw. eine Regelung, wonach der Auftragnehmer auch für andere Unternehmen tätig werden darf, ein sehr starkes Indiz für einen Freelancer. Praxishinweis Ein völliges Nebentätigkeitsverbot ist ebenso wie ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nicht möglich, da dieses den Auftragnehmer in seiner freien unternehmerischen Tätigkeit unangemessen einschränken würde.

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382 

 Kapitel 14 Freelancer

20 Trotz der gegenüber einer Beschäftigung von Selbstständigen12 mit zahlreichen finan-

ziellen und sozialrechtlichen Verpflichtungen verbundenen Stellung als Arbeitgeber bietet sich unter bestimmten Voraussetzungen der Abschluss eines (befristeten) Arbeitsvertrages statt dem Einsatz von Freelancern an:

Praxishinweis –– Wenn Arbeitgeber durchgehend (oder für einen befristeten Zeitraum) Beschäftigungsbedarf haben –– Wenn Mitarbeiter aufgrund fachlicher/persönlicher Fähigkeiten an Unternehmen gebunden werden sollen (Know-how-Träger) –– Wenn es Arbeitgeber wichtig ist, dass Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung persönlich erbringt (kein Einsatz von Erfüllungsgehilfen)

II. Scheinvertrag und Scheinselbstständigkeit

21 Freelancer können aufgrund eines Werk- oder Dienstleistungsvertrages für ihre

Auftraggeber tätig werden. Welche Vertragsart gewählt worden ist, spielt letztlich keine Rolle – entscheidend für den Beschäftigungsstatus ist die tatsächliche Durchführung. Der Vertrag selbst ist lediglich ein Indiz. Bei Widerspruch zwischen Geschäftsinhalt und Durchführung ist Letztere maßgebend. Praxishinweis „Freelancer-Vertrag“ als Überschrift oder eine Bezeichnung der zu leistenden Arbeit als „FreelancerTätigkeit“ bzw. im „Rahmen eines Freelancer-Vertrages“ reicht für eine rechtssichere Zuordnung nicht aus.

22 Ein Scheinvertrag liegt dann vor, wenn er nach seiner Bezeichnung als Freelan-

cervertrag ausgewiesen ist, seine Durchführung jedoch tatsächlich wie die eines Arbeitsvertrages erfolgen soll. Gleiches gilt, wenn sich der Vertrag in der praktischen Durchführung als Arbeitsvertrag herausstellt. Genaue Kriterien, wann lediglich eine Scheinselbstständigkeit vorliegt, wurden unter dem Stichwort „Selbstständige Arbeit“13 erläutert. Vertragliche Don’ts –– Festlegung von Arbeitszeit und Arbeitsort –– Teilnahme am Zeiterfassungssystem –– Höchstpersönlichkeit der Leistungserbringung –– Anwendung Reisekostenrichtlinie

12 Für weitere Informationen zum Thema Selbstständige und Arbeitnehmer wird auf Kap. 35 – Selbstständige Arbeit Rn 6 und Rn 14 verwiesen. 13 Vgl. Kap. 35 – Selbstständige Arbeit Rn 17.

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A. Arbeitsrecht 

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 383

Arbeitnehmerähnliche Haftungsbeschränkung Genehmigungspflicht von Urlaub

Wenn die Vertragsparteien durch einen Scheinvertrag zulasten der Allgemeinheit die 23 mit einem Arbeitsverhältnis verbundenen sozialversicherungs- und lohnsteuer­ rechtlichen Folgen umgehen wollen, so ist fraglich, welche Rechtsfolgen dieses Verhalten hat. Teilweise wird die Auffassung vertreten, es handele sich um ein Scheinge­ schäft gem. § 117 BGB mit der Folge, dass der Vertrag nichtig ist. Nach einer anderen Ansicht liegt ein wirksamer Vertrag vor, der lediglich eine falsche Bezeichnung hat. Rückzahlungsansprüche des Arbeitgebers wegen geleisteter Mehrzahlungen sind bei beiderseitiger Kenntnis davon, dass tatsächlich ein Arbeitsverhältnis vorliegt, nach §  814 BGB ausgeschlossen. Wenn sich beide Parteien hinsichtlich des Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses in einem Rechtsirrtum befunden haben, richtet sich die Anpassung des Vertrages gem. § 313 BGB nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage.14 Konsequenzen der Scheinselbstständigkeit –– Umstellung auf saubere Freelancer-Beschäftigung –– Umstellung auf arbeitnehmerähnliche Beschäftigung –– Umstellung auf ein normales Arbeitsverhältnis

Bei einem fehlerhaften Arbeitsverhältnis ist problematisch, ob der Beschäftigte bei 24 Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft eine Vergütung mindestens in Höhe des bisher Vereinbarten – also den im Vertrag angegebenen Betrag – verlangen kann. Wenn bei dem Arbeitgeber verschiedene Vergütungsordnungen für Arbeitnehmer und Freelancer existieren, dann gibt es bei einem fehlerhaft behandelten Arbeitsverhältnis regelmäßig keine Vergütungsvereinbarung für das in Wahrheit vorliegende Rechtsverhältnis; die Vergütung richtet sich nach § 612 Abs. 2 BGB. Fehlt es an einer Vergütungsvereinbarung mit der ursprünglich als Freelancer beschäftigten Person und wird dann das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses festgestellt, steht dem Arbeitgeber für den Zeitraum, in dem der Freelancer tatsächlich als Arbeitnehmer tätig war, ein Anspruch auf Rückzahlung der Differenz zwischen gezahlter und arbeitnehmer­ üblicher Vergütung gem. §§ 812 ff. BGB zu.15 In der Praxis problematisch sind die Fälle, in denen nicht eindeutig bestimmt 25 werden kann, welche Vergütung beim Arbeitgeber für einen konkreten Arbeitnehmer üblich ist. Leichter fällt die Spezifizierung des Rückforderungsbetrages dann, wenn tarifliche Entgeltgruppen existieren, d.h., der Arbeitgeber an einen Tarifvertrag

14 BAG, Urt. v. 9.7.1986 – 5 AZR 44/85 –. 15 BAG, Urt. v. 8.11.2006 – 5 AZR 706/05 –.

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384 

 Kapitel 14 Freelancer

gebunden ist. So kann er sich zumindest anhand der konkreten Tätigkeit einer tarif­ lichen Eingruppierung annähern. Praxishinweis Grundsätzlich kommen für einen Freelancer-Vertrag drei Vergütungsformen in Betracht: –– Festpreisvereinbarung –– Pauschalvergütung –– Vergütung nach Aufwand

III. Betriebsverfassungsrecht

26 Da Freelancer keine Arbeitnehmer sind, finden die Vorschriften des Betriebsverfas­

sungs- und des Tarifrechts im Allgemeinen auf diese keine Anwendung. Werden Freelancer aufgrund tatsächlich vorliegender Zugehörigkeitsmerkmale unter die Beschäftigungsgruppe arbeitnehmerähnlicher Personen (gem. §  12a TVG) gefasst, gehören sie trotzdem nicht zu der vom Betriebsrat repräsentierten Belegschaft. Sollte seitens der Deutschen Rentenversicherung Bund die ausgeübte Tätigkeit als Schein­ selbstständigkeit eingeordnet und damit ein Arbeitsverhältnis festgestellt werden, so gilt aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht für den Freelancer trotz seiner Bezeichnung nichts anderes als für „normale“ Arbeitnehmer.

Praxishinweis Als Arbeitnehmer würden „Freelancer“ auch für die Schwellenwertberechnung im Rahmen der Anwendung von Kündigungsschutzvorschriften mitzählen. 27 Allein das Tätigwerden eines Freelancers im fremden Betrieb stellt auch noch keine

Einstellung gem. §  99 BetrVG dar. Es muss darüber hinaus zu einer Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers in der Art und Weise kommen, dass dieser die für ein Arbeitsverhältnis typischen Entscheidungen über seinen Einsatz auch nach Zeit und Ort zu treffen hat und damit wenigstens teilweise eine Arbeit­ geberstellung übernimmt oder zumindest teilweise die Personalhoheit über den Freelancer besitzt. Nur durch diese arbeitnehmertypische teilweise Einbindung in die betriebliche Organisation werden die kollektiven Interessen der Belegschaft berührt, was wiederum eine Einstellung gem. § 99 BetrVG, unabhängig vom Vertragsstatus, vorliegen lässt.16

Praxishinweis Um die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers zu verhindern, muss daher sowohl vertraglich als auch tatsächlich gewährleistet sein, dass der Auftragnehmer seine Tätigkeit innerhalb seiner eigenen Arbeitsorganisation verrichtet.

16 BAG, Beschl. v. 30.8.1994 – 1 ABR 3/94 –.

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A. Arbeitsrecht 

 385

Die Unterrichtungspflicht gem. §  80 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 BetrVG umfasst auch die 28 Beschäftigung von Personen, die nicht in einem Arbeitsverhältnis stehen. Der Arbeitgeber ist demnach verpflichtet, dem Betriebsrat auf Verlangen Verträge mit Freelancern vorzulegen, die im Betrieb eingesetzt werden sollen. Der Betriebsrat kann dann wiederum prüfen, ob ihm hinsichtlich des Einsatzes der Freelancer Überwachungs­ rechte nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG oder Mitbestimmungsrechte nach § 99 BetrVG zustehen. Wenn über die Einsatztage und Einsatzzeiten einzelner Freelancer Kontrolllisten geführt werden, kann der Betriebsrat verlangen, dass ihm diese zur Wahrnehmung seiner Beteiligungsrechte bei der Personalplanung17 und auch zur Prüfung, ob möglicherweise ein Scheindienstleistungsvertrag vorliegt, zur Verfügung gestellt werden. Der Betriebsrat kann gem. § 93 BetrVG die Ausschreibung von Arbeitsplätzen beanspruchen, die der Arbeitgeber mit Freelancern besetzen will, wenn es sich um eine gem. § 99 BetrVG mitbestimmungspflichtige Einstellung handelt.18 Praxishinweis Da jegliche Vereinbarung von Kontrollrechten zu Gunsten des Auftraggebers den Status des Freelancers als Selbstständigen gefährden, sollte bei der Vertragsabfassung neben fixen Eckregelungen auf freiwillige, gleichsam sinnvolle Verhaltensweisen abgestellt werden.

IV. Prozessuales Da Arbeitsgerichte nur über Klagen von Arbeitnehmern entscheiden, müssen Free- 29 lancer bei Rechtsstreitigkeiten die Zivilgerichte anrufen. Für reine Statusklagen auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses sind allerdings die Arbeitsgerichte zuständig. Der Kläger beantragt ausschließlich die Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses, so dass anspruchs- und zuständigkeitsbegründende Tatsachen zusammenfallen. Hierfür reicht in allen Fällen, in denen die Klage nur dann Erfolg haben kann, wenn der Kläger Arbeitnehmer ist (sog. sic-non-Fall), die bloße Rechtsansicht des Klägers, er sei Arbeitnehmer, zur Bejahung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit aus.19 Checkliste –– Arbeitet Unternehmer ausschließlich in den Geschäftsräumen des Auftraggebers? –– Tritt Unternehmer in Arbeitskleidung des Auftraggebers auf? –– Hat Unternehmer/Berater einen eigenen Telefonanschluss des Auftraggebers? –– Verwendet Unternehmer Firmen-Visitenkarten für Mitarbeiter des Auftraggebers? –– Ist Unternehmer über auftragsspezifische Anforderungen hinaus weisungsgebunden?

17 BAG, Beschl. v. 18.10.1994 – 1 ABR 9/94 –. 18 BAG, Beschl. v. 27.7.1993 – 1 ABR 7/93 –. 19 BAG, Beschl. v. 11.6.2003 – 5 AZB 43/02 –; siehe zu dieser Problematik ergänzend auch Kap. 35 – Selbstständige Arbeit Rn 53.

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386 

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 Kapitel 14 Freelancer

Weist Unternehmer über fachliche, auftragsspezifische Anforderungen hinaus Mitarbeiter des Auftraggebers an? Hat Unternehmer Recht, eigenständig Genehmigungen im Namen des Auftraggebers zu erteilen? Muss Unternehmer Urlaubszeiten vom Auftraggeber genehmigen lassen? Nimmt Unternehmer an maschineller Zeiterfassung des Unternehmers teil? Bestehen festgelegte Anwesenheitspflichten des Unternehmers beim Auftraggeber? Wurde ein jährliches/monatliches/wöchentliches Stundenvolumen an Arbeitszeit für den Auftraggeber festgelegt? Muss Unternehmer seine Tätigkeiten immer persönlich ausführen?

30 Die Geltendmachung der Arbeitnehmerstellung kann nur für bestimmte Zeiträume

erfolgen. Der Kläger muss abschließend darlegen, für welche Zeit er von dem Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ausgeht. Indem er sich derart festlegt, verzichtet er gleichzeitig auf die Geltendmachung der Arbeitnehmereigenschaft für die davor liegenden Zeiträume. Der Kläger muss nur bis zu dem von ihm festgelegten Zeitpunkt mit einer Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses rechnen.20

Praxishinweis Der indirekte Verzicht auf Zeiträume, in denen bereits eine Arbeitnehmerstellung vorlag, kann in einem späteren Kündigungsschutzprozess bei einer evtl. notwendigen Sozialauswahl eine Rolle spielen. 31 Ist der Kläger kein Arbeitnehmer und wird die Klage aufgrund dessen als unbegrün-

det abgewiesen, so kommt die Verweisung des Rechtsstreites an das Gericht eines anderen Rechtsweges nicht in Betracht.21 Wird der Beklagte jedoch auf Zahlung des vereinbarten Entgelts für die geleistete Tätigkeit aus einem Rechtsverhältnis in Anspruch genommen, das der Kläger für ein Arbeitsverhältnis, der Beklagte hingegen für ein Freelancerverhältnis hält (sog. aut-aut-Fall), so ist offen, ob ein hierzu angerufenes Arbeitsgericht wegen der möglicherweise auch in Betracht kommenden Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte seine sachliche Zuständigkeit nur aufgrund einer einseitigen Schlüssigkeitsprüfung annehmen darf oder ob es ggf. über die Frage des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses Beweis erheben muss.22 Es ist hingegen seitens des Klägers jedenfalls rechtsmissbräuchlich, sich auf den 32 Arbeitnehmerstatus zu berufen, wenn zunächst ein Urteil erstritten worden ist, aus dem sich die Arbeitnehmereigenschaft ergibt, der Kläger danach mit dem Arbeitgeber auf eigenen Wunsch einen Vertrag als Freelancer abschließt und er sich dann wieder auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses beruft.23 Ebenso ist es missbräuchlich,

20 BAG, Urt. v. 8.11.2006 – 5 AZR 706/05 –. 21 BAG, Beschl. v. 24.4.1996 – 5 AZN 970/95 –. 22 BAG, Beschl. v. 10.12.1996 – 5 AZB 20/96 –. 23 BAG, Urt. v. 11.12.1996 – 5 AZR 855/95 –.

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B. Steuerrecht 

 387

wenn sich jemand auf die Arbeitnehmereigenschaft beruft, obwohl er selbst als Freelancer tätig sein wollte und sich jahrelang den Versuchen seines Arbeitgebers widersetzt hat, einen Arbeitsvertrag abzuschließen.24

B. Steuerrecht I. Allgemeines Die Beschäftigung von Freelancern führt aus lohnsteuerlicher Sicht oftmals zu Prob- 33 lemen. Die Beteiligten gehen in der betrieblichen Praxis regelmäßig davon aus, dass die Beschäftigung eines Freelancers als selbstständige Tätigkeit zu beurteilen und daher lohnsteuerlich nichts zu veranlassen sei. Entsprechende Beschäftigungsverträge enthalten daher auch regelmäßig Klauseln, die ausdrücklich darauf hinweisen, dass der Freelancer selbst für die ordnungsgemäße Abführung von Steuer- und Sozialversicherungsbeiträgen25 zu sorgen hat.26 Ungeachtet vertraglicher Regelung kann die Tätigkeit des Freelancers nach den 34 konkreten Umständen des Einzelfalls tatsächlich jedoch so ausgestaltet sein, dass die Beschäftigung des Freelancers als nichtselbstständige Tätigkeit einzuordnen ist und sich der Freelancer mithin als Arbeitnehmer im steuerrechtlichen Sinn qualifiziert. Bei einer Beschäftigung als Arbeitnehmer ist das dem Freelancer gezahlte Entgelt grundsätzlich als steuerpflichtiger Arbeitslohn dem Lohnsteuerabzug zu unterwerfen und es sind die allgemeinen lohnsteuerrechtlichen Arbeitgeberpflichten zu erfüllen. Da nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG der Arbeitgeber für die Lohnsteuer haftet, die 35 er einzubehalten und abzuführen hat, ist die Klärung der Frage nach der Arbeitnehmereigenschaft bei Freelancern insbesondere zu Vermeidung von lohnsteuerlichen Haftungsrisiken bedeutsam. Praxistipp Bei einer Beschäftigung von Freelancern ist es empfehlenswert, bereits im Vorfeld steuerliche Zweifelsfragen klären zu lassen.

II. Abgrenzung zwischen selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit In der Regel ist bei einer Beschäftigung von Freelancern eine Abgrenzung zwischen 36 selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit geboten, um sicherzustellen, dass sich der Freelancer nicht als Arbeitnehmer im steuerrechtlichen Sinn27 qualifiziert. Da

24 BAG, Urt. v. 11.12.1996 – 5 AZR 708/95 –. 25 Zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung vgl. Rn 49 ff. 26 Schönfeld/Plenker, S. 313. 27 Zum steuerrechtlichen Arbeitnehmerbegriff vgl. Teil 2 Grundlagen Rn 49 ff.

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388 

 Kapitel 14 Freelancer

der Begriff „Arbeitnehmer“ im Arbeits-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht nicht identisch ist, ist ggf. für jedes Rechtsgebiet eine gesonderte Abgrenzung vorzunehmen. Hierbei kann die arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Einordnung Indizwirkung haben. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH lässt sich der Arbeitnehmerbegriff im 37 steuerrechtlichen Sinn nicht durch Aufzählung feststehender Merkmale abschließend bestimmen. Die Frage, ob jemand eine Tätigkeit selbstständig oder nichtselbstständig ausübt, ist demzufolge anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Merkmale nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen.28 Hierzu hat der BFH zahlreiche Kriterien aufgestellt, die für eine entsprechende Abgrenzung bedeutsam sein können.29

1. Nichtselbstständige Tätigkeit

38 Insbesondere sprechen u.a. die nachfolgend genannten Merkmale für eine nicht­

selbstständige Tätigkeit und für einen Arbeitnehmerstatus im steuerrechtlichen Sinn: Checkliste –– Persönliche Abhängigkeit –– Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit –– Eingliederung in den Betrieb –– Feste Arbeitszeiten –– Fest zugewiesener Arbeitsplatz –– Feste Bezüge –– Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall –– Anspruch auf sonstige Sozialleistungen –– Urlaubsanspruch –– Überstundenvergütung –– Schulden der Arbeitskraft und nicht eines Arbeitserfolges

39 Die vorgenannten Merkmale sind u.a. im jeweiligen Einzelfall bei der Ermittlung des

Gesamtbildes für und gegen eine Qualifikation als Arbeitnehmer im steuerrechtlichen Sinn und damit für das Vorliegen einer nichtselbstständigen Tätigkeit zu gewichten und gegeneinander abzuwägen.30 Nach diesen Maßstäben hatte der BFH z.B. für Stromableser entschieden, dass 40 diese Arbeitnehmer im steuerrechtlichen Sinn sein können und zwar selbst dann, wenn eine „freie Mitarbeit“ vereinbart wurde und das Ablesen in Ausnahmefällen

28 BFH, Urt. v. 29.5.2008 – VI R 11/7 –; BFH, Beschl. v. 9.9.2003 – VI B 53/03 (NV) – und BFH, Beschl. v. 20.12.2004 – VI B 137/03 (NV) –. 29 BFH, Urt. v. 29.5.2008 – VI R 11/7 –; BFH, Urt. v. 25.1.2005 – VI R 5/06 –. 30 BFH, Urt. v. 29.5.2008 – VI R 11/7 –; BFH, Urt. v. 25.1.2005 – VI R 5/06 –.

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B. Steuerrecht 

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auch durch einen zuverlässigen Vertreter erfolgen darf.31 Auch können Telefonin­ terviewer Arbeitnehmer im steuerrechtlichen Sinn sein, wenn diese keine mit einem Selbstständigen vergleichbare Initiative entfalten können und insbesondere hinsichtlich Ort und Inhalt ihrer Tätigkeit weisungsgebunden und organisatorisch in den Betrieb eingebunden sind.32 Ebenso ordnete der BFH z.B. Servicekräfte als Arbeitnehmer im steuerrechtlichen Sinn ein, wenn die Tätigkeit weniger durch deren persönliche Fähigkeiten und Eigenschaften geprägt, sondern eher mechanischer Natur ist.33 Die gebotene Abgrenzung kann jedoch nicht generell nach Berufsgruppen 41 vorgenommen werden, sondern erfordert vielmehr eine einzelfallbezogene Würdigung, wie die vorstehenden Beispiele zeigen.34

2. Selbstständige Tätigkeit Stellt sich bei der vorzunehmenden Abgrenzung hingegen heraus, dass sich bei 42 der Beschäftigung eines Freelancers die oben genannten Merkmale umkehren bzw. fehlen, sprechen insbesondere u.a. folgende Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit im steuerrechtlichen Sinne: Checkliste –– Unternehmerinitiative und -risiko –– Kapitaleinsatz –– Eintragung ins Handelsregister –– Leistungserbringung im eigenen Namen und auf eigene Rechnung –– Tätigkeit kann auch auf andere Personen übertragen und muss nicht in eigener Person erbracht werden –– Haftung für Verluste und Fehlleistungen –– Pflicht zur Beschaffung von Arbeitsmitteln –– Entscheidungsfreiheit hinsichtlich Personaleinstellungen –– Eigenständiges Auftreten am Markt

Ausgehend von den vorgenannten Kriterien hatte der BFH z.B. entschieden, dass ein 43 Versicherungsvertreter selbstständig tätig ist und kein Arbeitnehmer im steuerrechtlichen Sinn, wenn er ein erhebliches Unternehmerrisiko trägt.35 Auch nebenberuflich tätige Lehrkräfte sind nach Auffassung des BFH unter Berücksichtigung der

31 BFH, Urt. v. 24.7.1992 – VI R 126/88 –. 32 BFH, Urt. v. 29.5.2008 – VI R 11/07 –. 33 BFH, Urt. v. 20.11.2008 – VI R 4/06 –. 34 BFH, Beschl. v. 9.9.2003 – VI B 53/03 (NV) – und Beschl. v. 20.12.2004 – VI B 137/03 (NV) –. 35 BFH, Urt. v. 19.2.1959 – VI 340/56 U –.

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 Kapitel 14 Freelancer

Abgrenzungskriterien in der Regel keine Arbeitnehmer im steuerrechtlichen Sinn.36 Entsprechendes gilt u.E. für Interimsmanager.37

3. Praxishinweise

44 Weitere Beispiele für das Vorliegen einer selbstständigen oder nichtselbstständigen

Tätigkeit finden sich u.a. auch in den Lohnsteuer-Richtlinien und entsprechenden Kommentaren.38 Da die zutreffende steuerrechtliche Beurteilung im Rahmen der Gesamtwür45 digung bei der Beschäftigung eines Freelancers in der betrieblichen Praxis oftmals Schwierigkeiten bereiten wird, ist es empfehlenswert, sich die eigene Auffassung vorsorglich durch eine Lohnsteueranrufungsauskunft nach § 42e EStG bestätigen zu lassen. Hierbei kann bereits das Ergebnis eines für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung durchgeführten Statusfeststellungsverfahrens39 für die lohnsteuerliche Beurteilung ein Indiz sein. Praxistipp Gerade bei einer Beschäftigung von mehreren Personen kann zur Vermeidung größerer Haftungsrisiken eine Lohnsteueranrufungsauskunft nach § 42e EStG sehr ratsam sein.

46 Eine unzutreffende steuerliche Behandlung durch den Arbeitgeber kann schwer-

wiegende Folgen für die Praxis haben. Stellt sich erst nachträglich heraus, dass der Freelancer durch den Arbeitgeber als Arbeitnehmer im steuerrechtlichen Sinn hätte behandelt werden müssen, droht eine Inanspruchnahme wegen nicht abgeführter Lohnsteuer. Im umgekehrten Fall, wenn der Freelancer im Nachhinein als Selbstständiger 47 zu qualifizieren ist, ist eine Rückforderung überzahlter Lohnsteuer durch den Arbeitgeber bis zum 28. Februar des Folgejahres möglich. In der Praxis wird eine Korrektur in der Regel im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des selbstständig tätigen Freelancers erfolgen. Dieser kann sich ggf. im Rahmen der Erklärung seiner gewerblichen Einkünfte z.B. die gezahlte Lohnsteuer anrechnen lassen. Mangels Vorliegens einer Lohnsteuerkarte bzw. Ersatzbescheinigung wird 48 die Versteuerung in der Regel mit der Steuerklasse VI erfolgen. Die Entscheidung darüber, ob der Arbeitnehmer als Steuerschuldner oder der Arbeitgeber als Haf­ tungsschuldner in Anspruch genommen werden soll, steht dabei grundsätzlich im

36 BFH, Urt. v. 4.10.1984 – IV R 131/82 –. 37 Vgl. Kap. 19 – Interimsmanager Rn 27 ff. 38 Vgl. H 19.0 (Arbeitnehmer) LStH; vgl. auch Schmidt/Drenseck, § 19 Rn 15 – (ABC der Arbeitnehmereigenschaft). 39 Zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung vgl. Rn 49 ff.

Spirovic

C. Sozialversicherungsrecht 

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Ermessen des Finanzamts.40 Wenn eine Haftung des Arbeitgebers dem Grunde nach zu bejahen ist, besteht kein allgemeiner Grundsatz, dass zunächst der Arbeitnehmer als Steuerschuldner in Anspruch zu nehmen ist.41 Insoweit kann ein Haftungsrisiko des Arbeitgebers nicht ausgeschlossen werden. Auch sind umsatzsteuerliche Kon­ sequenzen, z.B. Berichtigung des Vorsteuerabzugs, zu berücksichtigen. Checkliste –– Wille der Beteiligten? –– Tatsächliche Ausgestaltung? –– Abgrenzung zwischen selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit nach dem Gesamtbild der Verhältnisse? –– Einholen einer Lohnsteueranrufungsauskunft?

C. Sozialversicherungsrecht I. Allgemeines Der Freelancer bzw. der freie Mitarbeiter stellt in vielen Unternehmen einen „sozi- 49 alversicherungsrechtlichen Fallstrick“ dar. Bei einem Freelancer geht man üblicherweise von einem nicht abhängig (sozialversicherungsfreien) Beschäftigten selbstständigen Auftragnehmer aus. Dementsprechend ist dieser vom (sozialversicherungspflichtigen) abhängig beschäftigten Arbeitnehmer zu unterscheiden. Die Abgrenzungskriterien aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht – sprich die Beurteilung, ob es sich um eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit handelt oder nicht – können von den arbeits- und steuerrechtlichen Abgrenzungskriterien punktuell abweichen und sind insofern gesondert zu prüfen und zu bewerten. Die Abgrenzung zum abhängig beschäftigten (angestellten) Mitarbeiter ist oftmals schwierig und die Grenzen können fließend sein. Bei der Beurteilung darüber sind die für das Sozialversicherungsrecht maßgeblichen Rechtsnormen und Urteile zu berücksichtigen. Durch höchstrichterliches Urteil42 wurde festgestellt, dass sich das Rechtsverhält- 50 nis eines freien Mitarbeiters von dem eines abhängig Beschäftigten durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit unterscheidet, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete gegenüber dem zur Dienstleistung Berechtigten befindet.

40 Schmidt/Drenseck, EStG § 42d Rn 16. 41 Schmidt/Drenseck, EStG § 42d Rn 31. 42 BAG, Urt. v. 26.7.1995 – 5 AZR 22/94 –.

Maihöfer

392 

 Kapitel 14 Freelancer

II. Abgrenzungskriterien zur abhängigen Beschäftigung

51 Bei einer Tätigkeit als Freelancer kommt es hinsichtlich der sozialversicherungsrecht-

lichen Beurteilung nicht darauf an, wie die Vertragsparteien das Dienst- bzw. Auftragsverhältnis bezeichnen. Entscheidend sind vielmehr der wirkliche Wille und die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit. Dies bedeutet, dass eine Tätigkeit oder ein Auftragsverhältnis, welches als Freelancer-Tätigkeit vereinbart wird, nicht zwingend durch die Sozialversicherungsträger auch als eine solche anerkannt wird. Dementsprechend ist hier die erforderliche Vorsicht geboten. Die Merkmale und Eigenschaften, welche eine (nicht-abhängige) Freelance-Tätigkeit kennzeichnen, müssen dementsprechend auch mit den gelebten Verhältnissen korrespondieren. Die folgenden Merkmale und Eigenschaften sprechen für eine nicht-abhängige, 52 sozialversicherungsfreie Beschäftigung und müssen im Wesentlichen vollumfänglich erfüllt sein. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass beim Nichtvorliegen der Merkmale von einem abhängigen, sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen ist.

1. Fehlendes Weisungsrecht

53 Ein wesentliches Merkmal für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit ist das

fehlende Weisungsrecht hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der versprochenen Dienste. Der Freelancer darf insofern nicht an die betrieblichen Dienstzeiten gebunden 54 oder dem betrieblichen Zeiterfassungssystem unterworfen sein. Auch bestimmt der Freelancer seine Pausen selbst. Ebenso gestaltet dieser auch seinen Tagesablauf selbst und entscheidet, von 55 welchem Ort aus und wie er die geschuldete Leistung erbringt. Selbstverständlich hat der Freelancer auch keinen Anspruch auf (bezahlten) 56 Urlaub. Urlaube und Freizeiten bedürfen zudem auch nicht der Genehmigung des Auftraggebers.

2. Keine Eingliederung in die betriebliche Organisation

57 Der Freelancer darf nicht in die betriebliche Organisation des Auftraggebers einge-

bunden sein. D.h., er darf bspw. nicht in vorgegebene Arbeitsschritte und Abläufe (der abhängig-beschäftigten Mitarbeiter bzw. Belegschaft) integriert sein oder entsprechenden festen Arbeitsgruppen zugeordnet werden.

3. Unternehmerrisiko und eigener Kapitaleinsatz 58 Der Freelancer muss ein gewisses unternehmerisches bzw. finanzielles Risiko mittragen und eine Unternehmerchance wahrnehmen. Dies kann sich bspw. in der Art der

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C. Sozialversicherungsrecht 

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Bezahlung äußern. Wichtig ist, dass die Bezahlung für den geschuldeten Erfolg und nicht für die grundsätzliche Verfügungsstellung der Arbeitskraft geleistet wird. Eine Unternehmerchance zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass der Selbstständige in der Lage ist, für entsprechende Dienstleistungen und Werke eine im Fremdvergleich zum Arbeitnehmer höhere Bezahlung zu generieren. Im Gegenzug trägt dieser dafür auch das Risiko für etwaige Einnahmeausfälle und Einnahmeeinbußen. Auch das Einbringen eigener Betriebsmittel (Werkzeuge, Werkmittel oder Gerätschaften) ist Voraussetzung und Zeichen eines Unternehmerrisikos. Erbringt eine als Freelancer bezeichnete Person Dienstleistungen für ein Unternehmen, so darf diese nicht die betrieblichen Werkmittel und Geräte des Auftraggebers nutzen. Der Freelancer trägt auch Investitionen selber und tritt in der Regel diesbezüglich in Vorleistung. Ein Zeichen eines eigenen finanziellen und unternehmerischen Risikos kann auch sein, dass der Freelancer (soweit vorhanden und sinnstiftend) eigenes Personal bzw. Mitarbeiter zur Erbringung des Auftrags bzw. der geschuldeten Dienstleistung einsetzen darf (keine Höchstpersönlichkeit der Leistung). Ein Freelancer muss dauerhaft über verschiedene und wechselnde Auftragge­ ber verfügen und darf sich in keiner finanziellen Abhängigkeit eines einzelnen Auftraggebers befinden. Ansonsten besteht das Risiko einer Scheinselbstständigkeit.

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Praxishinweis Eine (dauerhafte) Tätigkeit für mehrere Auftraggeber kann grundsätzlich auch dann bejaht werden, wenn der Freelancer nacheinander für verschiedene Auftraggeber tätig ist. Dies bedeutet, dass nicht nur parallel bestehende Auftragsverhältnisse die Versicherungspflicht ausschließen.

III. Rechtssicherheit durch Statusfeststellungsverfahren Da es bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung von Freelancern nicht auf 63 die vertraglichen Vereinbarungen ankommt, sondern vielmehr die tatsächlich geleb­ ten Verhältnisse (Gesamtschau der Tätigkeit) entscheidend sind, ist es für die Vertragsparteien schwierig, ein rechtssicheres Freelancer-Verhältnis einzugehen, da die Grenzen zur abhängigen Beschäftigung oftmals fließend sein können. Es ist deshalb für die Vertragsparteien in der Praxis oftmals schwierig, ein rechts- und haftungssicheres Freelancer-Verhältnis zu begründen. Die Haftungssicherheit bei Freelancern bzw. freien Mitarbeitern ist deshalb von Bedeutung, da die rechtlichen Konsequenzen im Falle einer Fehleinschätzung erheblich sein können. Die Risiken eines fraglichen Freelancer-Verhältnisses trägt in besonderem Maße der Auftraggeber, da dieser regelmäßig für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) einzustehen hat. Beschäftigt ein Unternehmen einen Auftragnehmer mit der Absicht oder 64 Annahme, dieser handele als (selbstständiger) Freelancer und stellt sich bspw. im Rahmen einer Betriebsprüfung heraus, dass dieser tatsächlich als anhängig-beschäftigter Arbeitnehmer einzustufen gewesen wäre, so liegt Scheinselbstständigkeit Maihöfer

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 Kapitel 14 Freelancer

vor. Dementsprechend wird aus dem Auftraggeber der Arbeitgeber mit dem Ergebnis, dass dieser für die Zeit der Tätigkeit des Scheinselbstständigen die Sozialversicherungsbeiträge nachentrichten muss. Dabei muss der Auftraggeber bzw. Arbeitgeber regelmäßig auch für die Arbeitnehmeranteile zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag aufkommen. Praxishinweis Gem. § 28g SGB IV kann der Anspruch auf den Arbeitnehmeranteil zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden. Ein unterbliebener Abzug darf in der Regel nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden. Dementsprechend ist bei Beitragsnachzahlung neben den Arbeitgeberanteilen auch der Arbeitnehmeranteil in der Regel auch vom Arbeitgeber vollumfänglich zu übernehmen, was zusätzliche Kosten verursacht. 65 Zudem drohen empfindliche Säumniszuschläge auf die nicht abgeführten, geschul-

deten Sozialversicherungsbeiträge. Ebenso können in Einzelfällen auch strafrechtliche Konsequenzen für die betroffene Gesellschaft bzw. ihre handelnden Organe in Betracht kommen. Dementsprechend empfiehlt es sich zur Erlangung von Rechtssicherheit bei der 66 Begründung einer Freelancer-Tätigkeit ein Statusfeststellungsverfahren gem. § 7a SGB IV durchzuführen. Nach § 7a SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung bzw. selbstständige Tätigkeit vorliegt. Die Entscheidung darüber wird im Rahmen eines Feststellungsbescheides getroffen, welcher Vertrauensschutz begründet,43 solange der im Antragsverfahren mitgeteilte Sachverhalt fortbesteht. Dies bedeutet: Ändert sich der Sachverhalt bzw. die Tätigkeit im Laufe der Zeit, so muss über die Tätigkeit ggf. erneut entschieden werden. Ein neues Verfahren entsprechend dem § 7a SGB IV ist geboten. Praxishinweis Der Antrag gem. § 7a SGB IV ist in der Regel bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund einzureichen.

43 Vgl. § 45 Abs. 2 SGB X.

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Kapitel 15 Freistellung A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis Während eines Arbeitsverhältnisses kann in verschiedenen Situationen ein Bedürf- 1 nis nach Aussetzung (Suspendierung) der Verpflichtung des Arbeitnehmers auf Erbringung seiner vertraglichen Arbeitsleistung bestehen. Hierbei kann eine Suspendierung sowohl im einseitigen Interesse des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers liegen als auch dem beiderseitigen Interesse der Vertragsparteien entsprechen. Beispiel –– Der Arbeitnehmer begehrt längerfristige Freistellung zwecks Betreuung eines erkrankten Kindes oder eines Elternteils. –– Der Arbeitgeber möchte das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nach Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung zum Zwecke der Wahrung des Betriebsfriedens suspendieren. –– Die Arbeitsvertragsparteien erwägen, das Anstellungsverhältnis für einen bestimmten Zeitraum einvernehmlich ruhend zu stellen, ohne dieses jedoch zu beenden.

Die Suspendierung kann widerruflich oder unwiderruflich sowie unter Fortzah­ 2 lung des Arbeitsentgelts oder auch unentgeltlich erfolgen. Praxistipp Fallbeispiele: –– Widerrufliche Freistellung eines Mitarbeiters bis zur Klärung zutage getretener Vorwürfe. –– Unwiderrufliche Freistellung eines Vertriebsmitarbeiters während der Kündigungsfrist bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens, um eine Einflussnahme auf den Kundenstamm zu vermeiden oder zur Abgeltung von Urlaubsansprüchen. –– Freistellung unter Fortzahlung der Bezüge zwecks Wahrnehmung einer Fortbildungsmaßname, deren Durchführung einen Wissens- und Wertzuwachs auch im Interesse des Unternehmens begründet. –– Unentgeltliche Freistellung auf Wunsch des Arbeitnehmers zwecks kurzfristiger Wahrnehmung eigener Interessen, ohne dass hierfür ein Urlaubsanspruch erfüllt wird.

II. Freistellungsmöglichkeiten Bei einer Freistellung ist zu berücksichtigen, dass einerseits der Arbeitnehmer im 3 Rahmen eines bestehenden Anstellungsverhältnisses zur Erbringung seiner Arbeitsleistung gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet ist, andererseits aber auch die Verpflichtung des Arbeitgebers aus dem Arbeitsvertrag erwächst, den Arbeitnehmer

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 Kapitel 15 Freistellung

entsprechend der vereinbarten Tätigkeit tatsächlich zu beschäftigen.1 Somit steht die Gestaltung einer Freistellung – gleich ob einseitig oder einvernehmlich – stets im Spannungsverhältnis zur Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers bzw. dem Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers. Die Aussetzung der Beschäftigungsverpflichtung kann aufgrund Gesetzes, 4 arbeitsvertraglicher Regelungen, gesonderter Vereinbarung sowie aufgrund einseitigen Verlangens einer der Vertragsparteien erfolgen. Da der Beschäftigungs­ anspruch des Arbeitnehmers dispositiv ist, stehen einer einvernehmlichen Abbedingung grundsätzlich keine Bedenken entgegen. Formularvertraglich vereinbarte Freistellungsrechte müssen hingegen einer Inhaltskontrolle standhalten. Ebenfalls müssen einseitige Freistellungserklärungen (aufgrund des insoweit zu berücksichtigenden gegenläufigen Beschäftigungsinteresses der jeweils anderen Vertragspartei) durch berechtigte, überwiegende und schutzwürdige Interessen des Erklärenden begründet sein.2 Praxistipp Freistellungsklauseln in Formularverträgen sind an den Maßstäben der Inhaltskontrolle gem. §§ 307 ff. BGB zu messen. Für das Suspendierungsrecht des Arbeitgebers ist erforderlich, dass ein berechtigtes Interesse erkennbar ist, welches das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers überwiegt.

wirksame Freistellung, d.h. die Aussetzung der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht(en), hat das Ruhen des Arbeitsverhältnisses zur Folge. Die beiderseitigen vertraglichen Nebenleistungspflichten (Wettbewerbsverbote, Verschwiegenheitspflichten, Unterlassungspflichten etc.) bleiben bestehen.

5 Die

Praxistipp –– Eine Verletzung vertraglicher Nebenpflichten während der Freistellungsphase kann zu Schadensersatzansprüchen führen oder den anderen Vertragspartner zur Kündigung berechtigen.3 –– Soll eine Freistellung unter Entbindung von bestimmten Nebenleistungsverpflichtungen erfolgen, ist dies im Einzelnen jeweils gesondert zu vereinbaren.

1. Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers 6 Gesetzlich sind Freistellungsansprüche z.B. geregelt in: –– § 37 BetrVG, bei Betriebsratstätigkeit –– § 44 BetrVG, Teilnahme an Betriebsversammlung

1 Grundlegend: BAG, Urt. v. 10.11.1955 – 2 AZR 591/54 = AP Nr. 2 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht. Siehe auch BAG, v. 27.2.1985 – GS 1/94 = NZA 1985, S. 702 ff. 2 Zu den Wirksamkeitsvoraussetzungen im Einzelnen Rn 21 ff. 3 Vgl. BAG, Urt. v. 10.5.1989 – 6 AZR 660/87 = DB 1989, S. 2127. Elert/Mues

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–– § 9 JArbSchG, Teilnahme am Berufsschulunterricht –– § 10 JArbSchG, Teilnahme an Prüfungen, Ausbildungsmaßnahmen –– § 15 BBiG, Teilnahme am Berufsschulunterricht –– § 45 SGB V, bei Erkrankung eines Kindes –– § 95 SGB IX, Tätigkeiten als Schwerbehindertenvertretung –– § 96 SGB IX, Tätigkeiten als Vertrauensperson Schwerbehinderter –– § 16 MuSchG, bei ärztlichen Untersuchungen –– § 15 ff. BEEG, bei Elternzeit –– § 2 PflegeZG, bei kurzzeitiger Arbeitsverhinderung –– § 3 PflegeZG, bei Pflegezeit –– § 616 BGB, vorübergehende unverschuldete Verhinderung –– § 629 BGB, bei Stellensuche nach Kündigung Neben den gesetzlichen Regelungen sind einschlägige kollektivrechtliche Freistellungsbestimmungen zu berücksichtigen, soweit diese auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Sowohl durch Tarifverträge wie auch Betriebsvereinbarungen können Arbeitnehmern Freistellungsansprüche eingeräumt sein. Da in diesen Fällen gem. § 4 Abs. 1 TVG bzw. § 77 Abs. 4 BetrVG die Bestimmungen „unmittelbar und zwingend“ gelten, ist die Beachtung dieser Regelungen obligatorisch. Beispiel einer Tarifnorm „Dem Arbeitnehmer ist ohne Anrechnung auf seinen Urlaub und ohne Verdienstminderung Freizeit wie folgt zu gewähren: –– bei seiner Eheschließung – 2 Tage –– anlässlich der Geburt seines Kindes – 1 Tag –– bei Teilnahme an der Hochzeit seiner Kinder, Stief- oder Pflegekinder sowie der goldenen oder diamantenen Hochzeit der Eltern oder Stiefeltern – 1 Tag –– bei seiner silbernen Hochzeit – 1 Tag –– bei schwerer Erkrankung von zur Hausgemeinschaft gehörenden Familienmitgliedern – bis zu 2 Tage –– bei Tod seines Ehegatten – 3 Tage –– bei Tod seiner Eltern oder Kinder, sowie bei Tod seiner Stiefeltern, Schwiegereltern, Geschwister, Stiefkinder oder Pflegekinder – 2 Tage –– bei der Teilnahme an der Beisetzung von Stiefeltern, Schwiegereltern, Geschwistern, Stiefkindern, Schwiegerkindern oder Pflegekindern, die nicht mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt lebten – 1 Tag –– bei Arbeitsjubiläen nach 25-, 40- und 50jähriger Betriebszugehörigkeit – 1 Tag –– bei seinem Umzug – 1 Tag –– bei ärztlicher Behandlung – die als hierfür erforderlich nachgewiesene Zeit.“

Ob und inwieweit die Freistellung in den vorstehenden Fällen entgeltlich oder 7 unentgeltlich zu erfolgen hat, bestimmt sich nach den Regelungen der jeweils zugrundeliegenden Norm, auf welche der Arbeitnehmer seinen Freistellunganspruch stützt.

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 Kapitel 15 Freistellung

Beispiel Bezahlte Freistellung: –– in Fällen unverschuldeter Arbeitsverhinderung nach § 616 BGB; –– bei Freistellung zu Stellensuche nach Kündigung gem. § 629 BGB; –– bei Freistellung eines Auszubildenden zur Teilnahme am Berufsschulunterricht nach § 7 BBiG; –– bei Freistellung von Betriebsratsmitgliedern nach §§ 37 ff. BetrVG. Unbezahlte Freistellung: –– in Fällen der Freistellung zur Pflege eine nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung gem. § 3 PflegeZG; –– gemäß Regelungen in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen. 8 Der dem Arbeitnehmer zustehende – gleich, ob gesetzlicher oder individualvertrag-

licher – Urlaubsanspruch stellt ebenfalls eine Form der Freistellung dar. Der Urlaub begründet eine vorübergehende Suspendierung der arbeitnehmerseitigen Leistungspflicht bei unverändertem Fortbestand des Anstellungsverhältnisses und bewirkt somit ein Ruhen der arbeitnehmerseitigen Hauptleistungspflicht.

2. Freistellungsmöglichkeiten des Arbeitgebers

9 Auf Seite des Arbeitgebers kann eine Freistellung auf zwei Wegen erreicht werden:

–– durch Umsetzung einer entsprechenden – einvernehmlichen – Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer, –– durch einseitig gestaltenden Akt in Form einer arbeitgeberseitigen Freistellungsanordnung.

a) Einvernehmliche Freistellung

10 Erwägen die Arbeitsvertragsparteien einvernehmlich, das Arbeitsverhältnis ruhend

zu stellen, so kann dies durch Vereinbarung und Umsetzung einer entsprechenden Abrede gestaltet werden. Hierbei sind verschiedene Entscheidungen zu treffen und Weichenstellungen zu berücksichtigen, durch welche im jeweiligen Einzelfall eine interessengerechte Regelung herbeigeführt werden kann.

Praxistipp Aus Gründen der Klarstellung sowie zu Dokumentationszwecken ist stets eine schriftliche Formulierung der Freistellungsvereinbarung zu empfehlen, auch wenn eine rechtlich zwingende Formvorschrift für Freistellungsvereinbarungen per se nicht besteht. 11 Ebenfalls ist zu beachten, dass formularvertragliche Vereinbarungen der Inhalts­

kontrolle nach  §§ 305 ff. BGB unterliegen. Danach dürfen arbeitgeberseitig vorformulierte Vereinbarungen den Arbeitnehmer nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Freistellungsvereinbarungen sind daher hinreichend klar und verständlich zu formulieren. Auch darf ihr Inhalt Elert/Mues

A. Arbeitsrecht 

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nicht über diejenigen Grenzen zum Nachteil des Arbeitnehmers hinausgehen, welche durch Gesetz und/oder die Rechtsprechungsgrundätze vorgegeben werden. Praxistipp Bei formularvertraglichen Vereinbarungen sind die Vorgaben der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB zu wahren.

Es ist in aller Regel darüber Klarheit herzustellen, ob die zu formulierende Regelung eine lediglich temporäre (vorübergehende, zeitlich befristete) oder eine endgültige Freistellung herbeiführen soll. Maßgeblich orientiert sich dies anhand der vertraglichen Ausgangssituation bzw. den Interessenlagen. Beispiel –– Endgültige Freistellungen sind in aller Regel beim Wechsel von Arbeitnehmern in die PassivPhase der Altersteilzeit (beim sog. Blockmodell) zu formulieren.4 –– Bei einer Freistellung kurz vor Beendigung des Anstellungsverhältnisses wird meist eine endgültige Freistellung (bis zum Ablauf der Vertragslaufzeit oder der Kündigungsfrist) gewünscht sein. –– Eine lediglich temporäre Freistellung erscheint bspw. in den Fällen sachdienlich, wenn das Arbeitsverhältnis zum Zwecke der Wahrnehmung einer Fortbildungsmaßnahme oder einem Sabbatical ruhend gestellt werden soll.5

Wesentlich sind auch Fragen zur Ausgestaltung einer etwaigen „Rückruf-Möglich­ 12 keit“ des Arbeitgebers, also der Widerruflichkeit oder Unwiderruflichkeit der Freistellung. Hier stehen den Vertragsparteien verschiedene Ausgestaltungen zur Verfügung, die ebenfalls in Abhängigkeit der jeweiligen Interessensituation zu gestalten sind.6 Die Besonderheiten hinsichtlich der Möglichkeit einer Urlaubsanrechnung sind zu beachten.7 Erfolgt die Aussetzung der Arbeitsverpflichtung des Arbeitnehmers durch ein­ 13 vernehmliche Regelung, so ist diese Regelung zugleich Grundlage für das Ob und Wie eines Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers.8 Maßgeblich ist, ob in der Freistellungsvereinbarung ein Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers bestimmt wird. Ist dies nicht der Fall, so entspricht es dem Grundgedanken der Suspendierung beider – synallagmatisch verknüpfter – Hauptleistungspflichten (des Lohnzahlungs-

4 Siehe hierzu Kap. 1 – Altersteilzeit. 5 Siehe hierzu Kap. 34 – Sabbatical. 6 Siehe hierzu unten Rn 20 ff. 7 Siehe unten unter Rn 24 ff. 8 Vgl. BAG, Urt. v. 23.1.2001 – 9 AZR 26/00 = NZA 2001, S. 597.

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 Kapitel 15 Freistellung

anspruchs und des Leistungsanspruchs), dass der arbeitsrechtlich Grundsatz „ohne Arbeit keinen Lohn“ greift. Praxistipp Grundsätzlich besteht bei einvernehmlicher Freistellung kein Vergütungsanspruch, es sei denn, ein Vergütungsanspruch wird in der Freistellungsvereinbarung formuliert. 14 Auch die Voraussetzungen der §§ 615, 293 ff. BGB sind in diesen Fällen nicht erfüllt,

so dass ein Annahmeverzug seitens des Arbeitgebers nicht begründet wird. Insoweit schuldet der Arbeitgeber keinen Annahmeverzugslohn.9 Daher finden die gesetzlichen Regelungen zur Anrechnung anderweitigen Verdienstes gem. §  615 S. 2 BGB ebenfalls keine Anwendung, es sei denn, eine anderweitige Vereinbarung wird getroffen. Bei Fehlen einer vertraglichen Regelung dieses Aspekts kann der Arbeitnehmer – auch dann, wenn ihm ein Vergütungsanspruch während der Freistellung zugesprochen wird – etwaige im Freistellungszeitraum erworbene Verdienste grundsätzlich anrechnungsfrei einbehalten. Er wird jedoch zu beachten haben, dass bei der einvernehmlichen Suspendierung der Beschäftigungspflichten die arbeits­ vertraglichen Nebenleistungspflichten grundsätzlich unvermindert fortbestehen. Der Arbeitnehmer hat daher das Verbot von Konkurrenztätigkeit nach § 60 HGB zu berücksichtigen, soweit eine abweichende Vereinbarung hierzu nicht getroffen wird. Praxistipp –– Soll anderweitiger Verdienst des Arbeitnehmers angerechnet werden, so ist dies gesondert zu vereinbaren. –– Soll der Arbeitnehmer abweichend von § 60 HGB zur Aufnahme von Konkurrenztätigkeiten berechtigt sein, ist dies ausdrücklich zu regeln.

15 Die bloße Suspendierung der Hauptleistungspflichten hat grundsätzlich keinen

Einfluss auf die Betriebszugehörigkeitszeiten, was bspw. maßgeblich bei der Bestimmung von Kündigungsfristen zu berücksichtigen ist. Zeiten der Freistellung – gleich ob endgültig oder temporär, widerruflich oder unwiderruflich, unter Fortzahlung der Bezüge oder ohne Entgeltleistungen – sind als Zeiten der Betriebszugehörigkeiten zu erfassen. Praxistipp Welche Aspekte in der Freistellungsvereinbarung geregelt werden müssen, bestimmt sich anhand der konkreten Interessenlage des Einzelfalls.

9 Siehe hierzu unter Rn 27 ff.

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b) Einseitige (arbeitgeberseitige) Freistellungsanordnung Durch einseitiges Handeln des Arbeitgebers kann eine Freistellung bewirkt werden. 16 Sonderformen der einseitigen Freistellung sind bspw. die arbeitgeberseitige Festsetzung von Betriebsferien10 oder die Einführung von Kurzarbeit.11 Der Regelfall der arbeitgeberseitigen Freistellungsanordnung ist demgegenüber die Freistellung, welche zur Regelung eines im Einzelfall gegebenen Bedürfnisses einer Suspendierung genutzt wird. Bei sämtlichen Konstellationen einseitiger Suspendierung ist zu berücksichtigen, 17 dass die Rechtswirksamkeit einer Freistellungsanordnung nur bei überwiegen­ dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers gegeben sein wird.12 Hintergrund ist, dass der Arbeitgeber das Betriebsrisiko trägt, welches dieser nicht ohne anerken­ nenswerten Grund auf den Arbeitnehmer, der einen schutzwürdigen Anspruch auf Beschäftigung hat, durch einseitige Anordnung von Freistellungen „abwälzen“ darf. Der Beschäftigungs- und Lohnanspruch des Arbeitnehmers soll nicht im Belieben des Arbeitgebers stehen. Hinweis Die Freistellung ist nur ausnahmsweise zulässig und erfordert ein überwiegendes berechtigtes Interesse auf Seite des Arbeitgebers.

Hinsichtlich der Anforderungen an ein solches überwiegendes Interesse auf Seiten 18 des Arbeitgebers wird differenziert, ob das Arbeitsverhältnis, dessen Beschäftigungsverpflichtung ausgesetzt werden soll, bereits gekündigt wurde oder ungekündigt fortbesteht.13 Beispiel –– Bei einer betriebsbedingten Kündigung ist als sachlicher Freistellungsgrund das Fehlen jeglicher Einsatzmöglichkeiten anzuerkennen. –– Sachlicher Freistellungsgrund bei einer verhaltensbedingten Kündigung kann der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung oder einer absehbaren Konkurrenztätigkeit sein.

Bei einer einseitigen Freistellungsanordnung im ungekündigten Arbeitsver­ 19 hältnis muss demgegenüber das Freistellungsinteresse des Arbeitgebers durch das Vorliegen eines wichtigen Grundes entsprechend der Regelung des § 626 Abs. 1

10 Betriebsferien sind Zeiträume, in denen aufgrund einseitiger Festlegung des Arbeitgebers bzw. der Betriebsleitung einheitlicher Urlaub für alle oder einen Teil der Arbeitnehmer festgesetzt wird und deren Aufstellung gem. § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG der Mitbestimmung durch den Betriebsrat unterliegt. 11 Siehe hierzu Kap. 22 – Kurzarbeit. 12 Vgl. BAG, Beschl. v. 27.2.1985 – GS 1/84 = NZA 1985, S. 702 ff. 13 Vgl. Kramer, DB 2008, S. 2538.

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 Kapitel 15 Freistellung

BGB begründet sein, da dem grundgesetzlich geschützten Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers im Rahmen der Interessenabwägung ein besonderes Gewicht zukommt.14 Nur wenn ein wichtiger Grund gegeben ist, kann das Interesse des Arbeitgebers überwiegen.

c) Widerrufliche und unwiderrufliche Freistellungserklärung 20 Bei Ausspruch einer einseitigen Freistellungsanordnung – wie auch bei einer Freistellungsvereinbarung – muss differenziert werden, ob die Suspendierung durch ein­ seitige Erklärung des Arbeitgebers aufgehoben werden kann. Es bedarf also der Bestimmung, ob sie widerruflich oder unwiderruflich ausgestaltet sein soll. Die widerrufliche Freistellung begründet eine Suspendierung der arbeitsver21 traglichen Beschäftigungspflicht, die lediglich solange aufrechterhalten wird, bis der Arbeitgeber einen Wiederruf der Freistellung erklärt. Es steht in diesen Fällen im Ermessen des Arbeitgebers, die Suspendierung zu beenden und die Leistungsverpflichtung des Arbeitnehmers wieder aufleben zu lassen. Insoweit ist eine widerrufliche Freistellung aus Sicht des Arbeitnehmers stets mit einer gewissen Unsicherheit hinsichtlich der Frage verbunden, ob und wann er seiner Beschäftigungspflicht wieder nachzukommen hat. Eine Gewissheit, während der Freistellungsphase diesbezüglich „unbehelligt“ zu bleiben, hat der Arbeitnehmer nicht. Praxistipp Wird eine Freistellung im Einvernehmen zwischen den Arbeitsvertragsparteien vereinbart und soll diese widerruflich sein, kann für das Recht des Arbeitgebers, die Suspendierung zu widerrufen, eine Ankündigungsfrist von einigen Tagen vereinbart werden. Auf diesem Wege kann dem Arbeitnehmer ein hinreichendes Maß an Vorlaufzeit gewährt werden, damit sich dieser auf die Wiederaufname der Beschäftigung einrichten kann. 22 Bei einer unwiderruflichen Freistellung erklärt der Arbeitgeber die Suspendierung

der Beschäftigungspflicht für einen bestimmten Zeitraum, ohne die Möglichkeit eines Rückrufs zu haben. Der Arbeitgeber erklärt also den Ausschluss einer Inanspruchnahme des Arbeitnehmers auf Erbringung der Arbeitsleistung für den jeweils benannten Zeitraum. Hieraus resultiert bereits bei Eintritt in die Freistellungsphase die Gewissheit für den Arbeitnehmer, dass er während des maßgeblichen Zeitraums von seiner Beschäftigungsverpflichtung entbunden sein wird. Stellt der Arbeitgeber bei Ausspruch einer einseitigen Suspendierung nicht hin­ 23 reichend klar, ob die Freistellung widerruflich oder unwiderruflich erfolgt, ist nach der Rechtsprechung davon auszugehen, dass es sich lediglich um eine wider­ rufliche Freistellung handelt. Doch kann – auch bei Fehlen einer ausdrücklichen

14 Vgl. LAG Köln, Beschl. v. 20.3.2001 – 6 TA 46/01 = MDR 2001, S. 1176 ff.

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Erklärung – eine Auslegung der Freistellungsanordnung als unwiderrufliche Freistellung in Betracht kommen, so z.B. wenn die Freistellungserklärung im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärt wird.15 Praxistipp Soll die Freistellung unwiderruflich erfolgen, so ist dies bei der Freistellungsanordnung ausdrücklich klarzustellen.

d) Urlaubsanrechnung während der Freistellung Erheblich ist die vorstehende Differenzierung zwischen widerruflicher und unwider- 24 ruflicher Freistellung insbesondere für die Frage der Anrechnung von Urlaubsan­ sprüchen während des Freistellungszeitraums. Grundsätzlich können Ansprüche auf Erholungsurlaub auch während einer Freistellung erfüllt werden. Doch führt die bloße Freistellung nicht bereits dazu, dass gleichzeitig anderweitige Freizeit- oder Urlaubsansprüche erfüllt werden.16 Sollen im Zeitraum der Freistellung Urlaubsansprüche erfüllt werden, bedarf es einer unwiderruflichen Befreiung des Arbeit­ nehmers von der Arbeitspflicht. Denn nur in diesem Falle besteht für den Arbeitnehmer die Gewissheit, dass er von der Beschäftigungsverpflichtung entbunden ist und nicht zur Arbeit gerufen wird.17 Diese Voraussetzung muss jedoch gegeben sein, damit es dem Arbeitnehmer möglich ist, anstelle der geschuldeten Arbeitsleistung die ihm aufgrund des Urlaubsanspruchs zustehende Freizeit uneingeschränkt zu nutzen.18 Praxistipp Die Anrechnung von Urlaubsansprüchen setzt eine unwiderruflich erklärte Freistellung voraus.

Die Erteilung von Urlaub in einer Freistellungsphase muss gegenüber dem Arbeit- 25 nehmer ausdrücklich bzw. hinreichend deutlich erklärt werden.19 Fehlt es an einer solchen Erklärung, wird durch die Freistellung ein Urlaubsanspruch nicht erfüllt. Auch eine nachträgliche Anrechnung des Freistellungszeitraums auf den Urlaub ist grundsätzlich ausgeschlossen.20 Denn Urlaub kann nur erteilt werden, wenn eine Arbeitspflicht des Arbeitnehmers noch besteht, so dass eine nachholende

15 Vgl. BAG, Urt. v. 14.3.2006 – 9 AZR 11/05 = NZA 2006, S. 1008. 16 Vgl. BAG, Urt. v. 9.6.1998 – 9 AZR 43/97 = NZA 1999, S. 80 f. 17 Siehe Rn 25. 18 Vgl. BAG, Urt. v. 14.3.2006 – 9 AZR 11/05 = NZA 2006, S. 1008; demgegenüber können sonstige Ansprüche auf Freizeitausgleich auch durch eine widerrufliche Freistellung erfüllt werden, vgl. BAG, Urt. v. 19.5.2009 – 9 AZR 433/08 = NZA 2009, S. 1211 ff. 19 Vgl. BAG, Urt. v. 14.8.2007 – 9 AZR 934/06 = NZA 2008, S. 473 ff. 20 Vgl. BAG, Urt. v. 1.10.1991 – 9 AZR 290/90 = NZA 1992, S. 1078 ff.

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 Kapitel 15 Freistellung

Urlaubserteilung bei einer einvernehmlichen Freistellung oder einseitigen unwiderruflichen Freistellung ohne Urlaubsanrechnung scheitert.21 Praxistipp Soll eine Urlaubsanrechnung im Freistellungszeitraum erfolgen, so ist dies vorab ausdrücklich klarzustellen. 26 Im Umgang mit Krankheitsfällen des Arbeitnehmers während der Freistellung

bestehen keine Besonderheiten. Der Arbeitnehmer ist zur Mitteilung gegenüber dem Arbeitgeber verpflichtet. Der Arbeitgeber schuldet bei bezahlter Freistellung Lohnfortzahlung nach den Vorgaben des LFZG, nicht hingegen bei unbezahlter Freistellung. Denn nicht die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ist kausal für den Fortfall des Vergütungsanspruchs, sondern die Freistellung. Eine Erfüllung von Ansprüchen auf Erholungsurlaub an Krankheitstagen scheidet aus.

e) Annahmeverzugslohn bei Freistellungsanordnung

27 Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer trotz dessen Bereitschaft zur Arbeitsleistung

im Wege der einseitigen Suspendierung frei, so befindet sich der Arbeitgeber regelmäßig im Annahmeverzug bezüglich der seitens des Arbeitnehmers zu erbringenden Arbeitsleistung. Ein Angebot der Leistung seitens Arbeitnehmers ist in dieser Konstellation entbehrlich. Hieraus folgt gem. § 615 S. 1 BGB eine Lohnfortzahlungs­ verpflichtung des Arbeitgebers während der Freistellungszeit. Diese erfasst sowohl das Fixgehalt sowie ggf. auch einen variablen Gehaltsanteil. Denn der Arbeitnehmer ist nach dem Entgeltausfallprinzip so zu stellen, als hätte er seine Leistung (die Arbeit) tatsächlich erbracht. Gemäß § 615 S. 2 BGB muss sich der Arbeitnehmer jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Praxistipp Bei einseitiger Freistellungsanordnung bleit der Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung verpflichtet. Eine Anrechnung etwaigen anderweitigen Erwerbs ist indes möglich.

21 Vgl. BAG, Urt. v. 31.5.1990 – 8 AZR 132/89 = NZA 1990, S. 935 f.; LAG Düsseldorf, Urt. v. 20.2.2002 – 12 (8) Sa 56/02 = BB 2002, S. 1428.

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f) Freistellungsanordnung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses In der Praxis ist die Freistellung nach Ausspruch einer Kündigung des Arbeits- 28 verhältnisses wohl der häufigste Anwendungsfall der Suspendierung. Allerdings berechtigt der bloße Kündigungsausspruch nicht ohne Weiteres zur einseitigen Freistellung des Arbeitnehmers für den verbleibenden Zeitraum seiner Kündigungsfrist.22 Vielmehr erfordert eine rechtmäßige Freistellungsanordnung auch in diesen Fällen ein überwiegendes berechtigtes Interesse auf Seiten des Arbeitgebers.23 Häufig werden Arbeitgeber in (Formular-)Arbeitsverträgen durch entspre- 29 chende Klauseln zur einseitigen Freistellungsanordnung im Kündigungsfalle berechtigt. Solche Klauseln unterliegen der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. Generell kann eine (formular-)vertragliche Vereinbarung die Berechtigung des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer gegen Vergütungsfortzahlung mit Ausspruch einer Kündigung freizustellen, als zulässig erachtet werden,24 soweit die Freistellungsklausel lediglich die Situationen erfasst, in welchen – nach der Rechtsprechung zum Freistellungsrecht des Arbeitgebers – eine anerkannte sachliche Rechtferti­ gung gegeben ist.25 Beispiel Anerkannte sachliche Rechtfertigungsgründe: –– Wegfall des Arbeitsplatzes bei betriebsbedingten Kündigungen, –– verhaltensbedingte Kündigungsgründe, –– Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung bei personenbedingten Kündigungsgründen.

Eine formularvertragliche Freistellungsklausel kann jedoch eine unangemessene 30 Benachteiligung gem. §  307 Abs. 2 Nr. 2 BGB darstellen, wenn durch sie eine Berechtigung des Arbeitgebers formuliert wird, die über die in der Rechtsprechung anerkannten Freistellungssituationen hinausgeht. Als unangemessen und somit unzulässig ist insoweit ein völlig uneingeschränkter Freistellungsvorbehalt zu bewerten, da er den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers vollständig aushebelt, ohne von anerkennenswerten Interessen des Arbeitgebers getragen zu sein.26 Zulässig wird demgegenüber eine Klausel sein, nach welcher die Freistellung im gekündigten Arbeitsverhältnis bei vorliegen sachlicher Gründe, die zumindest pauschal umschrieben sein müssen, erfolgen kann.27

22 BAG, Urt. v. 19.8.1976 – 3 AZR 173/75 = AP Nr. 4 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht. 23 Siehe Rn 21 ff. 24 Vgl. LAG Köln, Urt. v. 20.2.2006 – 14 (10) Sa 1394/05 = NZA-RR 2006, S. 342. 25 So auch Küttner/Griese, Ziff. 191, Rn 16 ff. m.w.N. 26 LAG, Urt. v. 7.3.2003 – 5 Sa 297/03 = LAGE Nr. 2 zu § 307 BGB 2002. 27 Vgl. Kramer, DB 2008, S. 2538 ff.

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 Kapitel 15 Freistellung

Unterschiedlich werden Freistellungsklauseln bewertetet, bei denen es an einem anerkannten Freistellungsrecht des Arbeitgebers bei Kündigungsausspruch mangelt. Während solche Freistellungsklauseln mitunter generell und unabhängig von dem Status des betroffenen Arbeitnehmers als unangemessen erachtet werden,28 kann demgegenüber zumindest bei Arbeitnehmern in herausgehobener Position ein Freistellungsvorbehalt für den Fall der Kündigung als interessengerecht angesehen werden.29 Praxistipp Die Wirksamkeit einer Freistellungsklausel, die den Arbeitgeber zur einseitigen Freistellungsanordnung im Falle der Kündigung berechtigt, ist stets im Einzelfall zu prüfen.

32 In aller Regel wird der Arbeitgeber bei Ausspruch einer Suspendierung im Hinblick

auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch eine Urlaubsanrechnung während der Freistellungsphase in Erwägung ziehen. Hierbei gelten die vorstehenden Ausführungen.30 Darüber hinaus verbleibt es auch bei einer Freistellung in Zusammenhang mit der Beendigung des Anstellungsverhältnisses grundsätzlich bei einem Fortbestehen der Nebenleistungspflichten bis zum endgültigen Beendigungszeitpunkt.31 Es gilt für den freigestellten Arbeitnehmer das generelle Verbot von Kon­ kurrenztätigkeiten, es sei denn, eine anderweitige Vereinbarung wird zwischen den Arbeitsvertragsparteien getroffen. Hierbei ist auch zu beachten, dass trotz eines Anspruchs auf Annahmeverzugslohns etwaige Einnahmen aus anderweitigem Erwerb grundsätzlich angerechnet werden.32 Ferner ist regelmäßig zu klären, wann, wie und wo eine Herausgabe von 33 Betriebsmitteln erfolgen soll, wenn der Arbeitnehmer im Hinblick auf eine bereits erklärte Kündigung bis zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses freigestellt wird. Soweit eine Sachmittelüberlassung als Entgeltbestandteil zu erkennen ist (wie etwa bei Überlassung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung), scheitert ein vorzeitiges Herausgabeverlangen des Arbeitgebers ggf. an der Nutzungsbe­ rechtigung des Arbeitnehmers. Diese besteht (im Gleichlauf mit der Lohnfortzahlungsverpflichtung) grundsätzlich bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses fort.33 Abweichende Vereinbarungen können zwischen den Parteien getroffen werden. Eine einvernehmliche Vereinbarung zur Suspendierung ist auch im Fall des 34 Kündigungsausspruchs möglich und kann im Rahmen eines sog. Abwicklungsver­

28 Vgl. LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 5.1.2007 – 7 Sa 93/06 = NZA-RR 2007, S. 406; ArbG München, Urt. v. 10.12.2008 – 39 Ga 245/08 = AE 2009, S. 49. 29 Vgl. LAG München, Urt. v. 7.5.2003 – 5 Sa 297/03 = LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 2. 30 Siehe Rn 28 f. 31 Siehe oben Rn 6. 32 Siehe oben Rn 27. 33 Siehe zu dieser Thematik auch Rn 39.

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B. Steuerrecht 

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trages geregelt werden. Verständigen sich die Arbeitsvertragsparteien auf eine solche gesonderte Abrede, kann durch eine interessensgerechte Vertragsgestaltung eine Vielzahl von Aspekten geregelt werden. Checkliste Abwicklungsvertrag –– Unwiderrufliche Freistellung unter Urlaubsanrechnung? –– Entgeltliche oder unentgeltliche Suspendierung? –– Anrechnung anderweitiger Einkünfte? –– Abfindungsanspruch? –– Abgeltung von Überstunden, sonstige Ansprüche auf Freizeitausgleich? –– Fortbestehen oder Aufhebung der Nebenleistungspflichten? –– Zulässigkeit von Konkurrenztätigkeiten? –– Bestimmungen zur Nutzung von Betriebsmitteln (Firmenwagen, Mobiltelefon, Laptop etc.) während der Freistellungszeit? –– Regelung der Herausgabe von Betriebsmitteln? –– Sprachregelungen gegenüber Dritten? –– Angebot einer Abfindung bei Verzicht auf Kündigungsschutzklage (sog. Turboprämie)? –– Vereinbarung abweichender (verkürzter) Kündigungsfristen? –– Abgeltungs- und Erledigungsklausel?

III. Betriebsverfassungsrecht Weder bei Ausspruch einer einseitigen Freistellungsanordnung noch bei Abschluss 35 einer Freistellungsvereinbarung bestehen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Checkliste –– Unwiderrufliche Freistellung ist ausdrücklich zu erklären. –– Freistellungsvereinbarung soll klarstellen, ob ein Vergütungsanspruch besteht. –– Annahmeverzugslohn bei einseitiger Freistellunganordnung. –– Urlaubsanrechnung nur bei unwiderruflicher Suspendierung möglich. –– Fortbestand der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten.

B. Steuerrecht I. Allgemeines Erfolgt die Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeit unentgeltlich, bestehen 36 keine lohnsteuerlichen Pflichten des Arbeitgebers. Dagegen sind für das Lohnsteuerabzugsverfahren grundsätzlich die allgemei­ 37 nen Regelungen für Arbeitnehmer anzuwenden, wenn der Arbeitnehmer während der Arbeitsfreistellung nach wie vor Arbeitslohn vom Arbeitgeber gezahlt bekommt. So z.B. bei einer Lohnfortzahlung im Krankheits- oder Urlaubsfall oder auch für von der Arbeit freigestellte Betriebsratsmitglieder. Spirovic

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 Kapitel 15 Freistellung

Soweit während der Freistellung Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge gezahlt werden, ohne dass der Arbeitnehmer in der begünstigten Zeit tatsächlich gearbeitet hat, ist daran zu denken, dass eine steuerfreie Auszahlung nach § 3b EStG nicht erfolgen darf und geleistete Zahlungen des Arbeitgebers daher als steuerpflichtig zu behandeln sind.34

II. Beendigung eines Arbeitsverhältnisses

39 Weitere Besonderheiten sind insbesondere auch bei einer Arbeitsfreistellung im

Zusammenhang mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen. Steht dem Arbeitnehmer z.B. bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Firmenwagen zur Verfügung und versteuert der Arbeitgeber den aus der Privatnutzung resultierenden geldwerten Vorteil mit der 1  %-Methode – deren Anwendung in der Praxis am häufigsten ist – so kann während der Freistellungsphase der 0,03  %-Zuschlag unter bestimmten Voraussetzungen35 für die Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte entfallen, wenn der Firmenwagen währenddessen tatsächlich nicht für solche Fahrten genutzt wird.

Praxistipp Bei Arbeitnehmern, denen unentgeltlich ein Firmenwagen zur Verfügung steht, kann ggf. während der Arbeitsfreistellung der 0,03  %-Zuschlag für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte entfallen, sofern von einer fahrtenbezogenen Versteuerung Gebrauch gemacht wurde und die weiteren Voraussetzungen hierfür vorliegen. 40 Im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellen auch Aus­

landsachverhalte in der Praxis immer wieder eine große Herausforderung dar. Ist ein Arbeitnehmer während der Arbeitsfreistellung in einem anderen Staat ansäs­ sig und besteht die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers in der Nichtausübung der nichtselbstständigen Tätigkeit, so wird die Arbeitsleistung dort erbracht, wo sich der Arbeitnehmer währenddessen tatsächlich aufhält.36 Danach kann sich ggf. aufgrund eines anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommens eine Steuerbefrei­ ung für die im Inland gezahlte Vergütung ergeben. Praxistipp Bei Auslandssachverhalten ist zu prüfen, ob aufgrund eines anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommens ggf. einem anderen Staat ein Besteuerungsrecht für die bis zum Ende der Beschäftigung gezahlten Vergütung zusteht.

34 Küttner/Seidel, Freistellung von der Arbeit, Rn 33; vgl. H 3b (Tatsächliche Arbeitsleistung) LStH. 35 Vgl. Kap. 6 – Außendienstmitarbeiter Rn 59; BMF-Schreiben v. 1.4.2011 – IV C 5 – S 2334/08/10010. 36 BMF-Schreiben v. 14.9.2006 – IV B 6 – S 1300 – 367/06.

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B. Steuerrecht 

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III. Entlassungsabfindungen Bei vorzeitigem Ausscheiden eines Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis auf 41 Veranlassung des Arbeitgebers, ist eine vom Arbeitgeber gezahlte Entlassungsab­ findung mit Wegfall der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 9 a.F. seit dem 1.1.2008 in voller Höhe als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu behandeln.37 Abfindungen können jedoch als außerordentliche Einkünfte tarifermäßigt besteu- 42 ert werden, wenn die Voraussetzungen für diese Steuerbegünstigung vorliegen. Praxistipp Ggf. kommt für Abfindungen bei Vorliegen der Voraussetzungen eine tarifermäßigte Besteuerung in Betracht.

Die außerordentlichen Einkünfte werden in § 34 Abs. 2 EStG aufgezählt. Eine Abfin- 43 dung kann danach u.a. als Entschädigung nach § 24 Nr. 1a i.V.m. § 34 EStG begünstigt zu besteuern sein, wobei nicht jede Abfindung die Voraussetzungen einer solchen Entschädigung erfüllt.38 Eine Entschädigung in diesem Sinne setzt insbesondere voraus, dass an die bisher geschuldete Leistung eine andere tritt und die Entstehung sich als Folge der vorzeitigen Beendigung darstellt. Eine Leistung des Arbeitgebers, die bereits erdiente Ansprüche abgelten soll, wie z.B. rückständiger Arbeitslohn, anteiliges Urlaubsgeld, Urlaubsabgeltung oder Weihnachtgeld ist nicht als steuerbegünstige Entschädigung anzuerkennen.39 Eine tarifermäßigte Besteuerung findet allerdings nur auf solche Einkünfte 44 Anwendung, die „zusammengeballt“ zufließen.40 Von einer solchen Zusammen­ ballung ist u.a. auszugehen, wenn ein Arbeitnehmer infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum einschließlich einer Entlassungsentschädigung insgesamt mehr erhält, als er bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, also bei normalem Lauf der Dinge erhalten hätte.41 Für die Beurteilung einer Zusammenballung von Einkünften ist es dabei grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn im Wege einer Prognoseentscheidung (auch) auf die Vorjahre zurückgegriffen wird.42 Praxistipp Für die Beurteilung der Zusammenballung von Einkünften kann sich insbesondere für Sachverhalte mit variablen Gehaltsbestandteilen ein Abgleich auch mit den Vorjahren als vorteilhaft herausstellen.

37 Vgl. § 52 Abs. 4a S. 1 und 2 EStG. 38 Küttner/Seidel, Abfindung, Rn 42 f. 39 BMF-Schreiben v. 24.5.2004 – IV A 5 – S 2290-20/04 –. 40 BMF-Schreiben v. 24.5.2004 – IV A 5 – S 2290-20/04 –. 41 BFH, Urt. v. 9.10.2008 – IX R 85/07; BFH, Urt. v. 27.1.2010 – IX R 31/09 –. 42 BFH, Urt. v. 27.1.2010 – IX R 31/09 –; BMF-Schreiben v. 17.1.2011 – IV C 4 – S 2290/07/1007:005 –.

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 Kapitel 15 Freistellung

45 Im Hinblick auf Auslandssachverhalte sind im Übrigen auch bei Entlassungsab-

findungen ggf. Besonderheiten mit einem anwendbaren Doppelbesteuerungsab­ kommen zu berücksichtigen.43 Checkliste –– Steuerpflicht für Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge? –– Ggf. Wegfall des 0,03 %-Zuschlags bei Firmenwagenversteuerung? –– Tarifermäßigte Besteuerung für Entlassungsabfindungen? –– Sonderregelungen bei Auslandssachverhalten aufgrund von DBA?

C. Sozialversicherungsrecht I. Allgemeines

46 Es finden sich im Gesetz diverse Freistellungansprüche des Arbeitnehmers gegen

seinen Arbeitgeber. Besonderheiten im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ergeben sich ausschließlich im Bereich des BEEG. Dieser Bereich wird unter dem Schlagwort Elternzeit näher beleuchtet. Das Sozialversicherungsrecht unterscheidet zwischen der Freistellung von der Arbeitsleistung unter Fortzahlung der Bezüge im Rahmen von flexiblen Arbeitszeitregelungen44 und der Freistellung von der Arbeitsleistung in besonderen Fällen. Das Sozialversicherungsrecht geht dabei grundsätzlich davon aus, dass die Aus47 übung einer Beschäftigung dem Beziehen von Entgelt gegenübersteht. Eine Ausnahme sieht § 7 Abs. 3 S. 1 SGB IV vor. Dort wird geregelt, dass ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis bei einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis auch dann weiterbesteht, wenn keine Arbeitsleistung erbracht wird. Begrenzt ist diese Ausnahme allerdings auf einen Monat. Praxistipp Damit sollen kurzfristige Ab- und Wiederanmeldungen insbesondere im Zusammenhang mit Streik und Aussperrung vermieden werden; für diesen Zeitraum wird damit trotz fehlendem Anspruch auf Arbeitsentgelt ein Beschäftigungsverhältnis fingiert.

Praxistipp Zu beachten sind Besonderheiten in der Kranken- und Pflegeversicherung. Während die Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung bei Arbeitskampfmaßnahmen – unabhängig davon, ob die Maßnahmen rechtmäßig oder rechtswidrig sind – längstens für einen Monat fortbesteht, bleibt die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung nach § 192 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und in der

43 BMF-Schreiben v. 14.9.2006 – IV B 6 – S 1300 – 367/06 –; vgl. Kap. 15 – Freistellung Rn 40. 44 Vgl. Einzelheiten zu diesem Thema im Kap. 23 – Lebensarbeitszeitkonten 114.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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Pflegeversicherung nach § 49 Abs. 2 SGB XI i.V.m. § 192 Abs. 1 Nr. 1 SGB V im Falle eines rechtmäßigen Arbeitskampfes bis zu dessen Beendigung erhalten.45

II. Freistellung in besonderen Fällen Das BSG sieht für diverse Fallgruppen vor, dass auch in Phasen, in denen keine Arbeitsleistung erbracht wird, das Beschäftigungsverhältnis und damit auch die Sozialversicherungspflicht bestehen bleibt: –– Durchführung eines Studiums Der Arbeitnehmer wurde – unter Aufrechterhaltung des Beschäftigungsverhältnisses und Fortzahlung des nur unwesentlich gekürzten Gehalts – beurlaubt, um eine Sonderausbildung zum Berufsschullehrer zu absolvieren. Der Arbeitnehmer verpflichtete sich, nach erfolgreichem Abschluss des Studiums mindestens fünf Jahre als Berufsschullehrer bei dem Arbeitgeber weiterzuarbeiten.46 –– Durchführung einer Wehrübung Während einer in die Beschäftigung beim selben Arbeitgeber „eingeschobenen“ Wehrübung besteht das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis fort, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt (ggf. als Urlaubsentgelt) weiterzahlt.47 –– Ableisten einer Haftstrafe Der Arbeitnehmer befand sich in Untersuchungshaft; Arbeitgeber und Arbeitnehmer hielten an dem Arbeitsvertrag fest und der Arbeitgeber zahlte das vereinbarte Arbeitsentgelt weiter.48

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III. Freistellung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses 2002 war das BSG davon ausgegangen, dass eine einvernehmliche unwiderrufli­ 52 che Freistellung leistungsrechtlich Beschäftigungslosigkeit auslöst und daher eine Sperrzeit bezüglich des Bezugs von Arbeitslosengeld ausgelöst wird.49 Unter Bezugnahme auf dieses Urteil haben die Spitzenverbände der Sozialversicherung in der Folge die Auffassung vertreten, dass das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis bei einer unwiderruflichen Freistellung von der Arbeitsleistung mit dem letzten Arbeitstag endete. Denn in diesen Fällen ende auf Seiten des Arbeitnehmers die Weisungsgebundenheit und auf Seiten des Arbeitgebers das Weisungsrecht. Damit endete die Versicherungspflicht in der Sozialversicherung mit dem letzten

45 Rundschreiben der Spitzenverbände „Gemeinsame Verlautbarung zum Fortbestand des Versicherungsverhältnisses bei Arbeitsunterbrechungen (§ 7 Abs. 3 SGB IV)“. 46 BSG, Urt. v. 12.11.1975 – 3 RK 13/74 –. 47 BSG, Urt. v. 14.9.1989 – 4 RA 56/88 –. 48 BSG, Urt. v. 18.4.1991 – 7 Rar 106/90 –. 49 BSG, Urt. v. 25.4.2002 – B 11 AL 65/01 R –.

Brandes

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 Kapitel 15 Freistellung

tatsächlich ausgeübten Arbeitstag mit für den Arbeitnehmer teilweise erheblichen Folgen. Beispiel Arbeitgeber vereinbarte mit Arbeitnehmer am 15.1.2006 im Rahmen eines Aufhebungsvertrags das Ende des Arbeitsverhältnisses zum 31.1.2007. Ab dem 16.1.2006 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses wurde der Arbeitnehmer unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt. Er fand keine andere Beschäftigung und wurde daher zum 1.2.2007 arbeitslos. Der Arbeitnehmer hatte durch die Auffassung der Spitzenverbände einen erheblichen Nachteil. Er hatte aufgrund der unwiderruflichen Freistellung keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. 53 Diesem Ergebnis wurde in der Praxis in der Folge insoweit Rechnung getragen, als

dass in Aufhebungsverträgen fortan lediglich eine widerrufliche Freistellung von der Arbeitsleistung vereinbart wurde, obwohl beide Parteien sich über eine unwi­ derrufliche Freistellung einig waren. Diese rechtliche Unsicherheit hat das BSG in zwei Entscheidungen vom 24.9.2008 endgültig beendet. Nach der nunmehr geltenden Rechtsauffassung des BSG endet das beitragsrechtliche Beschäftigungsverhältnis auch bei einer einvernehmlichen, unwiderruflichen Freistellung erst mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses, wenn das Entgelt weiter bezahlt wird.50 Bei Fortzahlung des Entgelts und einvernehmlicher unwiderruflicher Freistellung von der Arbeitsleistung besteht eine Beschäftigung im Sinne des Deckungsverhältnisses der Sozialversicherung bis zum Ende der arbeitsvertraglichen Beziehung fort. Zwar bestehe der in § 7 I SGB IV vorausgesetzte Vollzug des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich auch in der Erbringung der vertraglichen Arbeitsleistung. Sofern aber eine einseitige Befreiung von der Leistungspflicht – bei Fortbestehen des rechtlichen Bandes aufgrund gesetzlicher Anordnung oder durch eine besondere vertragliche Abrede – bei Fortzahlung des Arbeitsentgelts vorliege, werde die Erbringung der Arbeitsleistung ersetzt.51 Praxistipp In der anderen Entscheidung hat das BSG sogar entschieden, dass während der eigentlich zu absolvierenden Beschäftigungsphase im Rahmen eines Blockmodells der Altersteilzeit ein Beschäftigungsverhältnis weiter besteht, obwohl die Tätigkeit von Anfang nicht ausgeübt wird.52

54 Auch die Spitzenverbände der Sozialversicherung haben sich der Auffassung des

BSG angeschlossen.53 In den Fällen unwiderruflicher Freistellung sei das sozial­

50 BSG, Urt. v. 24.9.2008 – B 12 KR 22/07 R – und – B 12 KR 27/07 R –. 51 BSG, Urt. v. 24.9.2008 – B 12 KR 22/07 R –. 52 BSG, Urt. v. 24.9.2008 – B 12 KR 27/07 R –. 53 Rundschreiben der Spitzenverbände „Gemeinsame Verlautbarung zum Fortbestand des Versicherungsverhältnisses bei Arbeitsunterbrechungen (§ 7 Abs. 3 SGB IV)“.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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versicherungsrechtliche Schutzbedürfnis wie in allen sonstigen Zeiten, für die gesetzliche oder vertragliche Regelungen Rechtsfolgen gerade hinsichtlich einer als bestehend vorausgesetzten Arbeitspflicht begründen und Entgelt auf besonderer Grundlage gezahlt wird, nicht geringer als bei tatsächlicher Erfüllung der arbeitsrechtlichen Hauptpflichten. Die Verfügungsmacht des Arbeitsgebers über die Arbeitskraft des Arbeitnehmers und dessen Eingliederung in einen ihm vorgegebenen Arbeitsablauf fänden auch in einer derartigen Lage noch hinreichend Ausdruck und seien nicht stärker reduziert als in sonstigen Fällen der fortbestehenden Beschäftigung bei unterbrochener Arbeitsleistung.54 Praxistipp Bei einer Aufhebungsvereinbarung kann nunmehr unbedenklich eine unwiderrufliche Freistellung vereinbart werden. Allerdings ist betreffend einer Altersteilzeitvereinbarung Vorsicht walten zu lassen und der Arbeitnehmer in der aktiven Phase der Altersteilzeit nicht unbedenklich von der Arbeitsleistung freizustellen. Fraglich ist in diesem Fall weiterhin, ob die Aufstockungsbeträge sozialversicherungsfrei sind.55

54 Besprechungsergebnisse der Spitzenverbände a.a.O. 55 Einzelheiten zu diesem Thema vgl. Kap. 1 – Altersteilzeit 95 ff.

Brandes

Kapitel 16 Grenzgänger A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis 1. Neun Grenzen Die Bundesrepublik Deutschland besitzt mehr Grenzen mit anderen Staaten als 1 jedes andere Land der EU. Dabei grenzt sie an die EU-Länder Belgien, Dänemark, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen und Tschechien. Lediglich die Schweiz ist als weiterer Grenznachbar kein EU-Mitglied. An allen neun genannten Grenzen sind regelmäßig Grenzgänger anzutreffen, die entweder aus Nachbarlän­ dern nach Deutschland oder aus Deutschland in die Nachbarländer pendeln. Da die Definitionen für Grenzgänger unterschiedlich sind, ist es schwierig für 2 die Grenzgebiete Deutschlands einheitliche, belastbare Zahlen der Grenzgänger zu bekommen. Deutlich ist, dass die Anzahl der Grenzgänger beachtlich ist. Allein für den Bodenseeraum wurde bspw. für das Jahr 2010 eine Anzahl von 47.000 Grenzgängern ermittelt.1 Abzuwarten bleibt, inwieweit sich nun für Deutschland die Anzahl der Grenzgänger entwickelt, da seit dem 1. Mai 2011 auch Bürger der Grenzländer Polen und Tschechien erstmals die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit, also das Recht der freien Wahl des Wohn- und Aufenthaltsortes, genießen und neuerdings ohne Arbeitserlaubnis in Deutschland arbeiten dürfen.

2. Begriff Eine einheitliche Definition für den Begriff der „Grenzgänger“ existiert nicht. Es 3 existieren vielmehr unterschiedliche rechtliche und steuerrechtliche Definitionen. Selbst innerhalb des EU-Rechts werden die Begriffe uneinheitlich verwendet. So definiert das EU-Gemeinschaftsrecht bspw. den „Grenzgänger“ als einen 4 Arbeitnehmer, der im Gebiet eines Mitgliedstaats beschäftigt ist und im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnt, in welches der Arbeitnehmer in der Regel täglich, mindestens jedoch einmal wöchentlich zurückkehrt.2 Dagegen ist in der Verordnung über die Freizügigkeit aus dem Jahre 2011 nicht von „Grenzgängern“, sondern von „Grenzarbeitnehmern“ die Rede.3 Grenzgänger sind vereinfacht ausgedrückt: Personen, die in einem Staat wohnen, dauerhaft in einem anderen Staat arbeiten und regelmäßig an ihren Wohnort zurückkehren.

1 Http://www.statistik-bodensee.org/tl_files/statistik/downloads/grenzgaenger/ grenzgaenger-2010.pdf. 2 VO (EWG) Nr. 1408/71, Art. 1 b). 3 VO (EWG) Nr. 492/2011, Präambel (5).

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 Kapitel 16 Grenzgänger

Keine Grenzgänger – sondern lediglich Entsandte – sind dagegen Personen, welche von ihrem Arbeitgeber nur vorübergehend ins Ausland geschickt werden, selbst wenn die Personen ihren Wohnsitz im Heimatland beibehalten.

3. Nutzen

6 Der Einsatz von Grenzgängern im Unternehmen bietet häufig Vorteile. Angesichts des

drohenden Fachkräftemangels kann für Unternehmen eine systematische Rekrutierung im angrenzenden Ausland sinnvoll sein:

Vorteile für Arbeitgeber –– Zusätzliche Mitarbeiter aus dem grenznahen Ausland –– Häufig motivierte Mitarbeiter, da die Grenzgänger meist wegen der im Land ihres Wohnsitzes vergleichsweise schlechteren wirtschaftlichen Bedingungen (z.B. keine offenen Stellen, schlechtere Anerkennung von Ausbildung oder geringere Vergütung) ins Ausland pendeln.

Nachteile für Arbeitgeber –– Im Einzelfall höherer Verwaltungsaufwand bei Lohn- und Gehaltsabrechnung möglich wegen Prüfung arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Besonderheiten –– Höherer Integrationsaufwand des Unternehmens im Falle von sprachlichen/kulturellen Unterschieden

II. EU-Grenzgänger

7 Grenzgänger, die innerhalb der heutigen 27 EU-Mitgliedstaaten4 wohnen und arbei-

ten, profitieren von der Freizügigkeit, d.h., sie bedürfen im EU-Beschäftigungsland weder einer Aufenthalts- noch einer Arbeitsgenehmigung (Ausnahme in Deutschland: Bulgaren und Rumänen). Grundsätzlich unterliegt der Grenzgänger den arbeitsrechtlichen Bestimmun­ 8 gen des Beschäftigungslandes. Für EU-Grenzgänger gelten ferner der Grundsatz der Nichtdiskriminierung und die Gleichbehandlung im Beschäftigungsland. Dies bedeutet insbesondere eine Gleichbehandlung hinsichtlich aller Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, also auch hinsichtlich der Entlohnung oder Kündigung. Praxishinweis Sofern für die Tätigkeit in Deutschland ein Aufenthaltstitel zur Aufnahme einer Beschäftigung oder eine Arbeitsgenehmigung EU erforderlich ist, muss der Arbeitnehmer sich vor Arbeitsbeginn um die

4 Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn, Zypern.

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A. Arbeitsrecht 

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Erteilung des Aufenthaltstitels bzw. der Arbeitsgenehmigung kümmern.5 Dies ergibt sich auch aus den Straf- bzw. Bußgeldvorschriften gem. § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG sowie § 404 Abs. 2 Nr. 4 SGB III. Aber auch der Arbeitgeber ist wegen der Vorschriften der §§ 4 Abs. 3 S. 2 und 4 AufenthG sowie der Bußgeldvorschrift § 404 Abs. 2 Nr. 3 SGB III in der Pflicht, in seinem Unternehmen nur Mitarbeiter einzusetzen, die keine Arbeitsgenehmigung benötigen oder eine gültige Arbeitsgenehmigung bereits haben.

III. EWR/Schweiz Freizügigkeit gilt aufgrund des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum 9 auch für die Staatsangehörigen von Island, Liechtenstein und Norwegen. Schweizer Grenzgänger sind nach dem EU-Abkommen Schweiz ebenfalls freizügigkeitsberechtigt, so dass sie ebenfalls keine Arbeitsgenehmigung (die Schweizer jedoch eine Grenzgängerkarte) benötigen. Praxishinweis Deutsche Grenzgänger benötigen für die Schweiz ebenfalls keine Arbeitsgenehmigung jedoch von der kantonalen Migrations- oder Arbeitsmarktbehörde eine „Grenzgängerbewilligung EG/EFTA“, sofern sie mehr als 90 Tage im Kalenderjahr in der Schweiz arbeiten. Grenzgänger, die während der Woche in der Schweiz wohnen, müssen sich zudem bei der zuständigen Gemeinde anmelden.

IV. Drittstaaten-Grenzgänger Seit dem 1. Januar 2005 erteilen in Deutschland nach dem „One-Stop-Government- 10 Prinzip“ die Ausländerbehörden mit der Aufenthaltserlaubnis zugleich auch die Erlaubnis zur Aufnahme einer Beschäftigung. Die Arbeitsgenehmigung ist dabei immer mit der Aufenthaltserlaubnis verbunden. Da ein eigenständiges Arbeitsgenehmigungsverfahren (z.B. Grenzgängervisum) nicht mehr existiert, bleibt einem Drittstaatsangehörigen (welcher bspw. beabsichtigt, als Grenzgänger in Aachen zu arbeiten und in Belgien oder den Niederlanden zu wohnen) nur die Möglichkeit, in Deutschland eine „Grenzgängerkarte“ gem. § 12 AufenthaltsV zu beantragen. Die Grenzgängerkarte ist eine aufenthaltsrechtliche Erlaubnis, die ausschließ- 11 lich an Ausländer ausgestellt wird. Sie ermöglicht in Deutschland die Einreise, den Aufenthalt und die Arbeitstätigkeit. Nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 AufenthaltsV i.V.m. § 37 BeschV kann einem 12 Ausländer mit Zustimmung der BA eine solche Grenzgängerkarte erteilt werden, wenn dieser –– im Bundesgebiet eine Beschäftigung ausübt, –– gemeinsam mit seinem Ehegatten oder Lebenspartner, der Deutscher oder sonstiger EU- Bürger ist und mit dem er in familiärer Gemeinschaft lebt, seinen Wohn-

5 Siehe §§ 4 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 AufenthG.

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 Kapitel 16 Grenzgänger

sitz vom Bundesgebiet in einen angrenzenden Mitgliedstaat der Europäischen Union verlegt hat und –– mindestens einmal wöchentlich an diesen Wohnsitz zurückkehrt. 13 Die Details der Beschäftigung und die ausländerrechtlichen Möglichkeiten müssen vor Beschäftigungsaufnahme mit der zuständigen Ausländerbehörde und der Agentur für Arbeit geklärt werden. Praxishinweis In der Praxis dürfte damit seit 2005 die Anzahl der Drittstaaten-Grenzgänger erheblich abgenommen haben. Für Staatsangehörige der Schweiz bestehen dagegen in Deutschland gem. § 12 Abs. 2 AufenthaltsV geringere Anforderungen für die Erteilung einer Grenzgängerkarte.

B. Steuerrecht I. Zuordnung des Besteuerungsrechts nach DBA 1. Allgemeines 14 Einige Doppelbesteuerungsabkommen, die Deutschland mit seinen Nachbarländern abgeschlossen hat, enthalten spezielle Regelungen zur Besteuerung von Grenzgängern. Die Art. 13 Abs. 5 DBA Frankreich, Art. 15 Abs. 6 DBA Österreich und Art. 15a DBA Schweiz haben als „lex specialis“ Vorrang vor den allgemeinen Bestimmun­ gen der Doppelbesteuerungsabkommen zur Besteuerung von Arbeitnehmereinkünften und weisen – abweichend von dem sonst anwendbaren Tätigkeitsstaatsprinzip – dem Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers das Besteuerungsrecht zu. Für eine Besteuerung im Ansässigkeitsstaat spricht, dass die Grenzgänger dort 15 den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen behalten und insbesondere durch die Nutzung der Infrastruktur eng mit diesem verbunden bleiben. Daher erscheint es aus Sicht des Ansässigkeitsstaates nur schlüssig, die Steuerpflicht in diesen Staat zu verlagern. Zudem ist der Grenzgänger im Ansässigkeitsstaat unbeschränkt steuer­ pflichtig. Er hat damit alle aus einer unbeschränkten Steuerpflicht folgenden Vorteile. Mangels Sonderregelung kommen für „Grenzpendler“ nach oder aus Belgien, 16 Dänemark, Luxemburg, den Niederlanden, Polen und Tschechien die allgemeinen Bestimmungen der Doppelbesteuerungsabkommen zur Anwendung.

2. DBA Frankreich

17 Die Grenzgängerregelung im Art. 13 Abs. 5 DBA Frankreich enthält zwei Bedingungen,

die beide gleichzeitig erfüllt sein müssen. Die räumliche Bedingung setzt voraus, dass ein Arbeitnehmer im Grenzgebiet des einen Staates wohnt und im Grenzgebiet des anderen Staates arbeitet. Für in Deutschland beschäftigte Grenzgänger mit Wohnsitz in Frankreich gilt ein 30 km breiter Abschnitt beiderseits der Grenzen und das Dusolt

B. Steuerrecht 

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gesamte Saarland als Grenzgebiet.6 Gleichzeitig gilt eine zeitliche Bedingung: Der Arbeitnehmer muss jeden Tag an seinen Wohnsitz zurückkehren. Sind beide Voraussetzungen erfüllt, liegt das volle Besteuerungsrecht für Arbeitnehmereinkünfte im Ansässigkeitsstaat. Der Quellenstaat verzichtet auf sein Besteuerungsrecht. Praxistipp Der zweisprachig verfasste Ratgeber für Grenzgänger Deutschland – Frankreich7 enthält zahlreiche hilfreiche Hinweise aus den Bereichen Arbeits- und Steuerrecht sowie zur Sozialversicherung.

Beispiel Ein Arbeitnehmer wohnt in Strasbourg und pendelt täglich zu seinem Arbeitsort nach Saarlouis. Der Wohnsitzstaat Frankreich darf in diesem Fall die Arbeitseinkünfte des Grenzgängers in vollem Umfang besteuern.

Damit eine geringfügige Tätigkeit außerhalb der Grenzzone nicht zum Verlust 18 der Grenzgängereigenschaft führt, haben beide Staaten eine Toleranzregelung eingeführt:8 Ist ein Arbeitnehmer während des gesamten Kalenderjahres in der Grenzzone beschäftigt, so bleibt er Grenzgänger, wenn er in dieser Zeit an höchstens 45 Arbeitstagen nicht an seinen Wohnsitz zurückkehrt oder außerhalb der Grenzzone tätig ist. Wird die Beschäftigung in der Grenzzone unterjährig aufgenommen oder beendet, 19 darf der Arbeitnehmer maximal an 20 % seiner gesamten Arbeitstage nicht an seinen Wohnsitz zurückkehren oder außerhalb der Grenzzone für seinen Arbeitgeber tätig werden. In jedem Fall ist jedoch die Höchstgrenze von 45 Arbeitstagen zu beachten.

6 Aufstellung der zum Grenzgebiet i.S.d. Art. 13 Abs. 5 des Abkommens zählenden französischen und deutschen Städte und Gemeinden siehe Anlage 1 bis 3 aus der „Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik“ (Deutsch-Französische Konsultationsvereinbarungsverordnung – KonsVerFRAV) v. 20.12.2010 (BGBl. I S. 2138). Zum Grenzgebiet i.S.d. Art. 13 Abs. 5 Buchstabe b des Abkommens gehören alle Städte und Gemeinden beiderseits der Grenze, deren Gebiet ganz oder teilweise höchstens 20 km von der Grenze entfernt liegt. Diese Orte ergeben sich aus den Aufstellungen der Anlagen 1 und 2 (gilt nur für deutsche Grenzgänger). Zum Grenzgebiet i.S.d. Art. 13 Abs. 5 Buchstabe c des Abkommens (30-km-Zone – gilt nur für französische Grenzgänger) gehören auf deutscher Seite die in Anlage 3 aufgeführten Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sowie alle Städte und Gemeinden des Saarlandes. Auf französischer Seite gehören alle in den Departements Haut-Rhin, Bas-Rhin und Moselle liegenden Städte und Gemeinden zum Grenzgebiet (erkennbar an den mit 57, 67 und 68 beginnenden Postleitzahlen). 7 Hrsg.: Arbeitskammer des Saarlandes. 8 Verständigungsvereinbarung zur 183-Tage-Regelung (Art. 13 Abs. 4) und zur Grenzgängerregelung (Art. 13 Abs. 5), IV-B 6 – S 1301 FRA 26/06 v. 16.2.2006, BStBl. 2006 I S. 304.

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 Kapitel 16 Grenzgänger

Als Arbeitstage gelten die vertraglich vereinbarten Arbeitstage (Kalendertage abzüglich der Tage, an denen der Arbeitnehmer laut Arbeitsvertrag nicht zu arbeiten verpflichtet ist, wie z.B. Urlaubstage, Wochenendtage, gesetzliche Feiertage) sowie alle weiteren Tage, an denen der Arbeitnehmer seine Tätigkeit ausübt. Daneben gelten auch Krankheitstage nicht als Tage der Nichtrückkehr. Praxistipp Für Angestellte des öffentlichen Dienstes gelten Sonderregelungen. Hier sind die Grenzgängerregelungen nicht anwendbar.

21 Bei Wegfall der Grenzgängereigenschaft kommt die allgemeine Regelung des Art. 13

Abs. 1 zur Anwendung. Dies hat zur Folge, dass der Arbeitslohn zwischen Tätigkeitsund Wohnsitzstaat anhand der physischen Anwesenheit des Arbeitnehmers aufgeteilt wird.

Beispiel Ein Arbeitnehmer wohnt in Strasbourg und pendelt täglich zu seinem Arbeitsort nach Saarlouis. Im Kalenderjahr 2012 ist er für seinen Arbeitgeber an 60 Tagen auf Dienstreisen in den USA und Tschechien tätig. Im Arbeitsvertrag sind 220 Arbeitstage vereinbart. Die Grenzgängereigenschaft fällt für das Kalenderjahr 2012 weg. Der Tätigkeitsstaat Deutschland darf gem. Art. 13 Abs. 1 DBA Frankreich den anteiligen Arbeitslohn für 160 Arbeitstage besteuern. Der Wohnsitzstaat Frankreich erhält das anteilige Besteuerungsrecht für 60 Arbeitstage.

3. DBA Österreich 22 Die Grenzgängerregelung im Art. 15 Abs. 6 DBA Österreich entspricht im Wesentlichen den Grundsätzen des DBA Frankreich.9 Abweichungen bestehen bezüglich der Grenzzonen. Maßgeblich für den Wohnsitz und Arbeitsort ist ein Gebiet von je 30 km auf beiden Seiten der Grenze. Analog zur Grenzgängerregelung im DBA Frankreich gilt ebenfalls eine Toleranzgrenze von 45 Tagen pro Kalenderjahr. Praxistipp Besonderheiten gelten für Berufskraftfahrer und Angestellte des öffentlichen Dienstes. 23 Bei Wegfall der Grenzgängereigenschaft kommt die allgemeine Regelung des Art. 15

Abs. 1 zur Anwendung. Dies hat zur Folge, dass der Arbeitslohn zwischen Tätigkeitsund Wohnsitzstaat anhand der physischen Anwesenheit des Arbeitnehmers aufgeteilt wird.

9 Verständigungsvereinbarung mit der österreichischen Finanzverwaltung, FinMin BadenWürttemberg v. 29.8.1994, S. 1304 – Österreich/2.

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B. Steuerrecht 

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4. DBA Schweiz Im Gegensatz zu den Grenzgängerregelungen in den DBA mit Frankreich und Öster- 24 reich kennt Art. 15a Abs. 1 DBA Schweiz keine Grenzzone. Grenzgänger ist danach jede in der Schweiz wohnende Person, die in Deutschland ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt bzw. umgekehrt. Entscheidendes Merkmal für die Grenzgängereigenschaft im DBA Schweiz ist 25 damit die regelmäßige Rückkehr an den Wohnort im Wohnsitzstaat. Pendelt also ein Schweizer Grenzgänger regelmäßig an seinen in Deutschland gelegenen Arbeitsort, fällt er unabhängig von der Entfernung seines Wohnorts in der Bundesrepublik unter die Grenzgängerregelung. Beispiel Ein Arbeitnehmer wohnt in Basel und pendelt täglich zu seinem Arbeitsort nach Lörrach. Im Kalenderjahr 2012 ist er für seinen Arbeitgeber an 59 Tagen auf Dienstreisen in den USA und Tschechien tätig. Der Wohnsitzstaat Schweiz darf in diesem Fall die Arbeitnehmereinkünfte in vollem Umfang besteuern. Die Schweiz besteuert im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer nur vier Fünftel der Arbeitseinkünfte. Der Quellenstaat Deutschland behält das Besteuerungsrecht in Höhe von 4,5 % für den Arbeitslohn des Grenzgängers.

Kehrt der Arbeitnehmer nicht jeweils nach Arbeitsende an seinen Wohnsitz zurück, 26 so entfällt die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn der Arbeitnehmer bei einer Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen aufgrund seiner Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz zurückkehrt.10 Beispiel Ein Arbeitnehmer wohnt in Basel und pendelt täglich zu seinem Arbeitsort nach Lörrach. Im Kalenderjahr 2012 ist er für seinen Arbeitgeber an 65 Tagen auf Dienstreisen in den USA und der Schweiz tätig. Während der Dienstreisen in der Schweiz übernachtet der Mitarbeiter im Hotel. Die Grenzgängereigenschaft fällt für das Kalenderjahr 2012 weg. Der Tätigkeitsstaat Deutschland darf gem. Art. 15 Abs. 1 DBA Schweiz den anteiligen Arbeitslohn für 155 Arbeitstage besteuern. Der Wohnsitzstaat Schweiz erhält das anteilige Besteuerungsrecht für 65 Arbeitstage.

Beispiel Ein Arbeitnehmer wohnt in Basel und pendelt täglich zu seinem Arbeitsort nach Lörrach. Im Kalenderjahr 2012 unternimmt er für seinen Arbeitgeber folgende Dienstreisen: 30 eintägige Dienstreisen nach

10 Nach dem Revisionsprotokoll DBA Schweiz v. 21.12.1992 (BGBl. 1993 II S. 1888) wurde die Besteuerung der Grenzgänger ab 1994 neu geregelt. Siehe dazu das Einführungsschreiben zur Neuregelung der Grenzgängerbesteuerung v. 19.9.1994 (BStBl. 1994 I S. 683), BMF v. 7.7.1997 (BStBl. 1997 I S. 723), geändert durch BMF v. 30.9.2008 (BStBl. 2008 I S. 935). In die Berechnung sind nur solche Tage einzubeziehen, deren Nichtrückkehr auf berufliche Gründe zurückzuführen ist (BFH, Urt. v. 16.5.2001 – I R 100/00 = BStBl. 2001 II S. 633).

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 Kapitel 16 Grenzgänger

Frankreich, Dienstreise über 12 Tage (inkl. 2 Tage Wochenende) in die USA, 50 mehrtägige Dienstreisen in der Schweiz. Während der Dienstreisen in der Schweiz übernachtet der Mitarbeiter im Hotel. Die eintägigen Dienstreisen nach Frankreich werden nicht berücksichtigt. Für die Tätigkeit in den USA sind die beiden Wochenendtage abzuziehen. Unter Berücksichtigung der mehrtägigen Dienstreisen innerhalb der Schweiz ist der Arbeitnehmer an genau 60 Arbeitstagen nicht an seinen Wohnort zurückgekehrt. Er bleibt daher Grenzgänger. 27 Beginnt oder endet die Beschäftigung des Grenzgängers während des Kalenderjahrs,

wird die 60-Tage-Grenze entsprechend gekürzt. Für die Berechnung der „Unschädlichkeitsgrenze“ sind für jeden vollen Monat der Beschäftigung in Deutschland 5 Tage und für jede volle Woche 1 Tag anzusetzen.

II. Grenzpendler

28 Als „Grenzpendler“ werden Arbeitnehmer bezeichnet, die aus Nachbarstaaten, mit

denen keine Grenzgängerregelung besteht, zur Arbeit nach Deutschland pendeln. Im Wohnsitzstaat sind die Arbeitnehmer unbeschränkt steuerpflichtig. Im Tätig­ keitsstaat Deutschland unterliegen die Arbeitnehmereinkünfte der beschränkten Steuerpflicht.

III. Besonderheiten beim Lohnsteuerabzug 1. Grenzgänger 29 Grenzgänger, die in Frankreich, Österreich oder der Schweiz wohnen und in Deutschland arbeiten, sind aus deutscher Sicht beschränkt steuerpflichtig. Daher unterliegt der Arbeitslohn dieser Grenzgänger grundsätzlich der Lohnsteuerpflicht. Die Ansässigkeitsbescheinigung aus dem Wohnsitzstaat zur Vorlage beim inländischen Arbeitgeber ersetzt jedoch die Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug. Praxistipp Die Formulare für die Ansässigkeitsbescheinigung sind auf den Web-Seiten der Finanzämter in der jeweiligen Grenzregion verfügbar. Die Finanzbehörde im Wohnsitzstaat bescheinigt dem Grenzgänger per Dienstsiegel die Ansässigkeit. Eine Kopie der ausgestellten Bescheinigung verbleibt dabei zu Kontrollzwecken beim Wohnsitzfinanzamt. 30 Bei Vorlage der Ansässigkeitsbescheinigung kann der inländische Arbeitgeber für

Grenzgänger aus Frankreich bzw. Österreich den Arbeitslohn des Grenzgängers vom Lohnsteuerabzug freistellen. Die von den Finanzbehörden des Wohnsitzstaates erteilte Ansässigkeitsbescheinigung verbleibt als Nachweis beim Lohnkonto des inländischen Arbeitgebers. Für Grenzgänger aus der Schweiz wurde zwischen beiden Ländern ein eigen31 ständiges Lohnsteuerabzugsverfahren vereinbart. Dabei erfolgt die Ermittlung des steuerpflichtigen Arbeitslohns nach inländischen Rechtsvorschriften. Die Vorlage Dusolt

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der Ansässigkeitsbescheinigung bewirkt eine Begrenzung des Lohnsteuerabzugs auf 4,5 % durch den inländischen Arbeitgeber; es erfolgt kein Kirchensteuerabzug. Hinsichtlich der Bescheinigung des Arbeitslohns sind für den inländischen Arbeitgeber bestimmte formale Vorschriften zu beachten.11 Steuerfreie Gehaltsbestandteile (z.B. steuerfreie Zuschläge zur Nachtarbeit) sind gesondert auszuweisen. Liegt die Ansässigkeitsbescheinigung nicht vor, ist der inländische Arbeitneh- 32 mer verpflichtet, den Lohnsteuerabzug nach den allgemeinen Vorschriften für beschränkt Steuerpflichtige vorzunehmen. Dies gilt ebenfalls, wenn die Anzahl der sog. „schädlichen“ Tage für die Grenzgängerregelung überschritten ist. Beispiel Ein Arbeitnehmer wohnt in Strasbourg und pendelt täglich zu seinem Arbeitsort nach Saarlouis. Im Kalenderjahr 2012 ist er für seinen Arbeitgeber an 60 Tagen auf Dienstreisen in den USA und Tschechien tätig. Im Arbeitsvertrag sind 220 Arbeitstage vereinbart. Die Grenzgängereigenschaft fällt für das Kalenderjahr 2012 weg. Der Tätigkeitsstaat Deutschland darf gem. Art. 13 Abs. 1 DBA Frankreich den anteiligen Arbeitslohn für 160 Arbeitstage besteuern. Der inländische Arbeitgeber ist verpflichtet, den anteiligen Lohnsteuerabzug für 160 Arbeitstage vorzunehmen.

2. Grenzpendler Im Verhältnis mit den Nachbarstaaten Dänemark, Belgien, Luxemburg, den Nieder- 33 landen, Polen und der Tschechischen Republik gelten die allgemeinen Regelungen gem. Art. 15 Abs. 1 OECD-Musterabkommen. Durch die tägliche Rückkehr der ausländischen Arbeitnehmer in ihren Wohnsitzstaat wird in Deutschland kein gewöhnlicher Aufenthalt begründet, sodass dieser Personenkreis mit dem in Deutschland erzielten Arbeitslohn beschränkt steuerpflichtig ist. Die für das Lohnsteuerverfahren erforderliche Bescheinigung für beschränkt Steuerpflichtige wird vom Betriebs­ stättenfinanzamt des inländischen Arbeitgebers ausgestellt. Der Antrag ist jährlich neu zu stellen. Staatsangehörige aus EU/EWR-Mitgliedstaaten, die nahezu ihre gesamten Ein- 34 künfte in Deutschland erzielen, werden auf Antrag einem unbeschränkt Steuerpflichtigen völlig gleichgestellt. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die ausländischen Einkünfte des Grenzpendlers nicht mehr als 10 % der Einkünfte betragen oder – falls dies nicht der Fall ist – den Grundfreibetrag gem. § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG nicht übersteigen dürfen. Diese sog. „fiktive unbeschränkte Steuerpflicht“ gem. §  1 Abs.  3 EStG ist Ausfluss des „Schumacker-Urteils“, wodurch eine Benachteiligung von EUStaatsangehörigen bei grenzüberschreitender Tätigkeit innerhalb der Europäischen Union vermieden werden sollte.12

11 BMF-Schreiben v. 20.10.2006, BStBl. 2007 I S. 68. 12 EuGH, Urt. v. 14.2.1995 – C 279/93 – „Schumacker“ = EuGHE 1995, I-249.

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 Kapitel 16 Grenzgänger

Der Antrag nach §  1 Abs. 3 EStG hat zur Folge, dass natürliche Personen, soweit sie inländische Einkünfte haben, als unbeschränkt Steuerpflichtige behandelt werden, obwohl sie im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die ausländischen Arbeitnehmer erhalten dann alle steuerlichen Vergünstigungen einschließlich Splittingtarif, Kinderfreibeträge etc. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen für die fiktive Steuerpflicht des § 1 Abs. 3 EStG vorliegen, ist die Ländergruppeneinteilung zu berücksichtigen. Für Arbeitnehmer aus Estland, Malta, Portugal, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn ermäßigt sich der Grundfreibetrag um ein Viertel (d.h. für das Jahr 2012 auf 6.003 €). Für Arbeitnehmer aus Bulgarien, Lettland, Litauen, Polen und Rumänien ermäßigt sich der Betrag um die Hälfte (d.h. für das Jahr 2012 auf 4.002 €). Werden die Einkünfte teils im Inland, teils im Ausland erzielt, ist für EU/EWR36 Angehörige der Abzug von Werbungskosten und bestimmten Sonderausgaben möglich. Im Verhältnis zu Belgien ist für inländische Arbeitgeber zu beachten, dass die 37 belgische Gemeindesteuer von 8 % die in Deutschland erhobene Lohnsteuer entsprechend mindert. 35

IV. Einkommensteuerpflicht 1. Grenzgänger 38 Grenzgänger, die in Frankreich oder Österreich wohnen und in Deutschland arbeiten, sind in Deutschland nicht zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet,13 da sie ihr Welteinkommen im Wohnsitzstaat versteuern. Bei Grenzgängern aus der Schweiz gilt die Steuerpflicht durch den Lohnsteuerabzug als abgegolten. Fällt die Grenzgänger­ eigenschaft weg, ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die fiktive Steuerpflicht des § 1 Abs. 3 EStG vorliegen. Beispiel Ein Arbeitnehmer wohnt in Strasbourg und pendelt täglich zu seinem Arbeitsort nach Saarlouis. Im Kalenderjahr 2012 ist er für seinen Arbeitgeber an 60 Tagen auf Dienstreisen in den USA und Tschechien tätig. Die Grenzgängereigenschaft fällt für das Kalenderjahr 2012 weg. Der Arbeitnehmer ist ledig und erzielt im Kalenderjahr 2012 lediglich Arbeitseinkünfte von 100.000 €. Der Tätigkeitsstaat Deutschland darf gem. Art. 13 Abs. 1 DBA Frankreich den anteiligen Arbeitslohn für 160 Arbeitstage besteuern. Die Voraussetzungen für die fiktive Steuerpflicht des § 1 Abs. 3 EStG liegen nicht vor, da sowohl die relative Grenze von 10 % als auch die absolute Einkunftsgrenze in Höhe des Grundfreibetrags von 8.004 € überschritten sind.

13 Vgl. Rn 29.

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C. Sozialversicherungsrecht  

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Die Grenzgängerregelung des DBA-Schweiz weist das Besteuerungsrecht für Lohnein- 39 künfte nicht allein dem Wohnsitzstaat zu. Der Tätigkeitsstaat ist berechtigt, daneben eine Abzugsteuer zu erheben. Fällt die Grenzgängereigenschaft weg, ist die Einkommensteuer mit dem Lohnsteuerabzug abgegolten. Eine steuerliche Gleichstellung mit EU-Bürgern findet für Arbeitnehmer mit Wohnsitz in der Schweiz trotz Freizügigkeitsabkommen nicht statt.

2. Grenzpendler Bei beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern ist die Einkommensteuerpflicht in 40 der Regel durch den Lohnsteuerabzug abgegolten.14 Dies gilt allerdings nicht in dem Fall, in dem ein Antrag auf Veranlagung zur Ein- 41 kommensteuer gestellt wird. Allerdings ist diese Möglichkeit auf Staatsangehörige aus EU/EWR-Staaten mit Wohnsitz in der EU bzw. dem EWR beschränkt.15 Beispiel Ein tschechischer Staatsangehöriger wohnt mit seiner Ehefrau und zwei Kindern im tschechischen Vimperk und pendelt täglich zu seinem Arbeitsort nach Passau. Die Arbeitseinkünfte stellen die einzigen Einnahmen der beiden Ehegatten dar. Da alle Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 i.V.m. § 1a EStG vorliegen, kann der tschechische Staatsangehörige einem Inländer völlig gleichgestellt werden. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung ist der Splittingtarif zu berücksichtigen. Außerdem steht dem Arbeitnehmer der Kinder- und Betreuungsfreibetrag für beide Kinder zu.

C. Sozialversicherungsrecht I. Allgemeines Grenzgänger als Arbeitnehmer stellen aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht inso- 42 weit eine besondere Gruppe dar, da sie in einem Staat wohnen und sich regelmäßig, im Regelfall täglich, in einen anderen Staat begeben, um dort ihrer Beschäftigung

14 § 50 Abs. 2 S. 1 EStG. 15 § 50 Abs.2 S. 2 Nr. 4 b) EStG, § 50 Abs. 2 Nr. 7 EStG. Zum EWR gehören die Länder Island, Liechtenstein, Norwegen. Staatsangehörige der Schweiz haben diese Möglichkeit nicht. Jedoch hat mit Entscheidung vom 7.7.2011 das FG Baden-Württemberg dem EuGH die Frage vorgelegt, ob § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG insofern gegen das Freizügigkeitsabkommen (FZA) verstößt, als die Vorschrift in der Schweiz lebende Eheleute deutscher Staatsangehörigkeit, die mit ihren gesamten Einkünften in Deutschland der Besteuerung unterliegen, die Anwendung des Ehegattensplittings nach § 26 EStG versagt. Die Versagung des Splittingtarifs könnte eine Verletzung des im FZA niedergelegten Gleichbehandlungsgebots bzw. Diskriminierungsverbots darstellen, sofern diese uneingeschränkt auch im Steuerrecht gelten würden. Für die Auslegung des FZA ist der EuGH zuständig. Das Aktenzeichen beim EuGH ist C-425/11.

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 Kapitel 16 Grenzgänger

nachzugehen. Dabei sind auf den Grenzgänger immer die sozialversicherungs­ rechtlichen Regelungen des Staates anzuwenden, in dem die Beschäftigung ausgeübt wird. Ist der Grenzgänger in Deutschland beschäftigt, gelten für ihn die allgemeinen 43 Reglungen des deutschen Sozialversicherungsrechts und es sind insoweit keine Besonderheiten zu beachten. Besonderheiten bestehen lediglich hinsichtlich der Erlangung von Sozial­ 44 leistungen. Hier sind insbesondere die EG-Verordnungen über soziale Sicherheit Nr.  883/2004 und 987/09 im Verhältnis zu den EU-Mitgliedstaaten sowie die EWGVerordnungen über soziale Sicherheit 1408/71 und 574/72 im Verhältnis zu den EWRStaaten16 und der Schweiz relevant. Dort wird geregelt, in welchem Staat der Grenzgänger seine leistungsrechtlichen Ansprüche geltend machen kann.

II. Definition und Abgrenzung innerhalb der EU 45 Der Begriff „Grenzgänger“ ist im Sinne der vorgenannten Verordnungen wie folgt definiert: Arbeitnehmer mit Wohnsitz im Inland, die in der Regel täglich, mindestens aber einmal wöchentlich sich von ihrem Wohnort über die Grenze an eine Arbeitsstätte im Ausland begeben und an ihren Wohnort zurückkehren.17 Es ist keine Vor­ aussetzung, dass die Länder sich eine Grenze teilen. Wie bereits eingangs erläutert, unterliegt ein Grenzgänger immer den Rechts46 vorschriften über die soziale Sicherheit des Staates, in dem er seine Beschäftigung ausübt.

III. Leistungsrechtliche Besonderheiten innerhalb der EU

47 Allerdings gibt es innerhalb der EU leistungsrechtliche Besonderheiten. Diese betref-

fen die Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung, aber auch die Fami­ lienleistungen. Die kann der Grenzgänger – und auch seine Familienangehörigen – sowohl in seinem Wohnstaat erhalten als auch in dem Staat, in dem er seine Beschäftigung ausübt. Der Anspruch auf Geldleistungen – dies sind Entgeltfortzahlung, Krankengeld, 48 Mutterschaftsgeld – richtet sich allerdings immer nach dem Sozialversicherungsrecht des Staates, dessen Rechtsvorschriften er unterliegt.

16 Island, Liechtenstein, Norwegen. 17 GKV-Spitzenverband, Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland, Merkblatt für Grenzgänger – die in Deutschland arbeiten und im EU-Ausland wohnen – Stand: 05/2010, S. 1.

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C. Sozialversicherungsrecht  

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Beispiel Ein in Deutschland arbeitender Grenzgänger erkrankt. Er kann zur Behandlung der Erkrankung sowohl einen Arzt in Deutschland als auch in seinem Wohnstaat aufsuchen. Sofern die Erkrankung länger andauert und er einen Anspruch auf Krankengeld hat, erhält er dieses immer von seiner Krankenkasse in Deutschland, bei der dies auch zu beantragen ist.

Im Fall von Arbeitslosigkeit werden Leistungen (z.B. Arbeitslosengeld) nach den 49 Rechtsvorschriften des Wohnstaates erbracht, d.h., als wäre der Grenzgänger in seiner letzten Beschäftigung dort versichert gewesen. Ansprüche auf Familienleistungen (z.B. Kindergeld) richten sich grundsätzlich 50 gegen das Land, in dem man sozialversicherungspflichtig ist. Möglicherweise besteht ein Anspruch auf Differenzleistungen im Wohnstaat. Beispiele –– Familie wohnt im Mitgliedstaat A, ein Elternteil arbeitet im Mitgliedstaat A, der andere Elternteil arbeitet im Mitgliedstaat B. Der Anspruch auf Familienleistungen besteht zunächst im Mitgliedstaat A, sollte das Kindergeld im Mitgliedstaat B höher ausfallen als im Mitgliedstaat A, besteht ein Anspruch gegen den Mitgliedstaat B, die Differenz auszugleichen. Der Gesamtbetrag entspricht also dem Höchstbetrag der monatlichen Leistungen. –– Familie wohnt im Mitgliedstaat A, ein Elternteil arbeitet im Mitgliedstaat B, der andere Elternteil ist nicht sozialversicherungspflichtig berufstätig. Der Anspruch auf Familienleistungen besteht im Mitgliedstaat B. Ein Anspruch auf Differenzleistungen besteht im Mitgliedstaat A.

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Kapitel 17 Hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis 1. Hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnisse im Alltag In der Praxis gewinnt das hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnis im Hinblick 1 auf das Thema der Schwarzarbeit an Bedeutung. Eine Studie des IW Köln ergab, dass viele hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnisse im illegalen Rahmen durchgeführt werden. Danach beschäftigten im Februar 2009 ca. 4,5 Millionen Haushalte eine Haushaltshilfe, von denen 95 % nicht angemeldet waren.1 Angesichts der Alterung der Bevölkerung, der zunehmenden Anzahl an Ein-Personen-Haushalten und im Hinblick auf die zunehmende Erwerbsorientierung von Frauen steigt die Nachfrage nach haushaltsbezogenen Dienstleistungen.2 Nach einer Statistik des IW Köln3 beschäftigen nicht nur Paar-Haushalte, bei denen beide Partner erwerbstätig sind, sondern auch Ein-Personen-Haushalte eine Haushaltshilfe zur Ausführung der typischen haushaltsbezogenen Arbeiten. Dabei sind es bei den Ein-Personen-Haushalten nicht nur die Erwerbstätigen, die eine Haushaltshilfe beanspruchen, sondern vorwiegend Rentner, die pflegebedürftig sind.

2. Begriff Eine allgemeingültige Definition für das hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhält- 2 nis gibt es im Arbeitsrecht nicht. Hier wird daher unter einem hauswirtschaftlichen Beschäftigungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis verstanden, bei dem der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber oder dessen Familie ausschließlich im Privathaushalt haushaltsbezogene Dienstleistungen, wie z.B. Reinigungsarbeiten, Bügelarbeiten, Kocharbeiten, Kinderbetreuung, Altenpflege, Krankenpflege, Gartenarbeiten, Fahrdienste usw. erbringt.4 Das hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnis ist demnach von einem Arbeitsverhältnis in einem Betrieb oder einer Verwaltung abzugrenzen. Erbringt ein Arbeitnehmer seine Dienstleistungen sowohl im Privathaus­ halt als auch im Betrieb des Arbeitgebers, so liegt nach der hier zugrunde gelegten Definition kein hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis vor.

1 Siehe Statement von Prof. Dr. Michael Hüther in der Pressekonferenz v. 24.2.2009, „Arbeitsplatz Privathaushalt – Ein Weg aus der Schwarzarbeit“. 2 Siehe Bericht IV (1) der Internationalen Arbeitskonferenz, 99. Tagung 2010, am Internationalen Arbeitsamt Genf, Kap. I, S. 5. 3 Siehe Tabelle 2 in Tabellenanhang zur Pressekonferenz des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln v. 24.2.2009 „Arbeitsplatz Privathaushalt – Ein Weg aus der Schwarzarbeit“. 4 Siehe Anlage zu Pressemitteilung Nr. 9/2009 des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln; Küttner/Reineke, Hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis, Rn 1.

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 Kapitel 17 Hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis

Beispiel Reinigt eine angestellte Reinigungskraft sowohl die privaten als auch die geschäftlichen Räumlichkeiten des Arbeitgebers, liegt kein hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis vor. 3 Ein hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis liegt ebenfalls dann nicht vor,

wenn ein Arbeitnehmer für ein Dienstleistungsunternehmen haushaltsbezogene Dienstleistungen in einem Privathaushalt eines Dritten ausführt. In diesem Fall besteht kein Arbeitsverhältnis zu einem Mitglied des Privathaushalts, sondern der Arbeitnehmer erbringt eine Dienstleistung für seinen Arbeitgeber, das Dienstleistungsunternehmen, im Privathaushalt des Auftraggebers.

3. Risiko Schwarzarbeit

4 Wird ein hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis im Rahmen von Schwarzar-

beit durchgeführt, so missachtet der Privathaushalt als Arbeitgeber seine sozialversicherungsrechtlichen und steuerlichen Pflichten. Dadurch drohen dem Arbeitgeber Nachzahlungen und Sanktionen.5 Auch wenn in Privathaushalten das Risiko entdeckt zu werden geringer ist als in Unternehmen, sollte nicht außer Betracht gelassen werden, dass eine Anzeige durch Nachbarn erfolgen kann, oder sogar mit einer Selbstanzeige des Arbeitnehmers zu rechnen ist, bspw. wenn dieser einen Arbeitsunfall erleidet. Beispiel –– Erleidet ein Arbeitnehmer in einem illegalen hauswirtschaftlichen Beschäftigungsverhältnis einen „Arbeitsunfall“ und entsteht ihm dabei ein Personenschaden, so hat er nur Ansprüche aus dem privaten Haftungsrecht gem. §§ 280, 823 BGB, welche eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers voraussetzen. Hierbei ist auch das Mitverschulden des geschädigten Arbeitnehmers zu berücksichtigen. –– Wäre das hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnis hingegen angemeldet, so hätte der geschädigte Arbeitnehmer einen Anspruch gegen die gesetzliche Unfallversicherung, unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers und ungeachtet eines möglichen Allein- oder Mitverschuldens des geschädigten Arbeitnehmers.

5 Zwar kann eine private Unfallversicherung abgeschlossen werden, allerdings sollten

dann die Versicherungsbedingungen genau auf entsprechende Ausschlüsse überprüft werden. Letztendlich löst eine solche Versicherung aber nicht die Probleme des Rückgriffs der gesetzlichen Unfallversicherung auf Grundlage von § 110 Abs. 1a SGB VII.6

5 Ausführlichere Informationen siehe Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz – SchwarzArbG). 6 Vgl. Rn 48.

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A. Arbeitsrecht 

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Entscheidet sich ein Arbeitgeber, einen Arbeitnehmer ausschließlich für haus- 6 haltsbezogene Dienstleistungen in seinem Privathaushalt einzustellen, sind für ein solches hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis einige arbeitsrechtliche Besonderheiten zu beachten.

II. Arbeitsrechtliche Aspekte 1. Arbeitsvertrag Um Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten vorzubeugen, empfiehlt sich der 7 Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrages. In dem Arbeitsvertrag sollten sämtliche arbeitsrechtlich relevanten Punkte, wie z.B. die auszuübende Tätigkeit, Vergütung, Arbeitszeit, Urlaubsanspruch, Aspekte der Kündigung und ggf. ein Hinweis auf die Anwendung eines Tarifvertrages vermerkt werden. Die wesentlichen Bestandteile des Arbeitsvertrages ergeben sich aus § 2 NachweisG. Wird das hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnis im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung ausgeübt, so ist zudem ein Hinweis in den Arbeitsvertrag aufzunehmen, dass der Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen in der gesetzlichen Rentenversicherung die Stellung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers erwerben kann, siehe § 2 Abs. 1 S. 4 NachweisG. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können grundsätzlich die Höhe der Vergütung 8 frei vereinbaren. Fehlt ein Bezugspunkt für die Höhe der Vergütung, können die Parteien Gefahr laufen, dass die vereinbarte Vergütung sittenwidrig niedrig und die Vereinbarung unwirksam ist. Empfehlenswert ist daher die Orientierung an nahe­ liegenden Tarifverträgen. So kann z.B. für Reinigungsarbeiten der im jeweiligen Bundesland geltende Stundenlohn des Gebäudereinigerhandwerks herangezogen werden. Danach liegen ab dem 1.1.2011 die Stundenlöhne für ungelernte Mitarbeiter der Innenreinigung im Westen bei 8,55 € und im Osten bei 7 €.7 Für Tätigkeiten der Altenpflege und Krankenpflege kann die Pflegearbeitsbedingungenverordnung vom 15.7.20108 herangezogen werden. Gemäß § 2 der Verordnung beträgt der Mindestlohn pro Stunde ab dem 1.1.2012 für die alten Bundesländer 8,75 € und 7,75 € für die neuen Bundesländer. Im Privathaushalt Beschäftigte unterfallen grundsätzlich als Arbeitnehmer dem 9 öffentlich-rechtlichen Arbeitszeitschutz des Arbeitszeitgesetzes, so dass bei der Vereinbarung der Arbeitszeit die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes zu beachten sind. Danach darf in der Regel die werktägliche Arbeitszeit acht Stunden zzgl. 30  Minuten Ruhepausen nicht überschreiten, siehe  §§ 3, 4 Arbeitszeitgesetz. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur für im Privathaushalt Beschäftigte, die in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammen­

7 Abrufbar im Internet unter www.gebaeudereiniger-berlin.de. 8 Bundesanzeiger Nr. 110 v. 27.7.2010, S. 2571.

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 Kapitel 17 Hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis

leben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen, vgl. §  18 Abs. 1 Nr. 3 Arbeitszeitgesetz. Mit dieser Ausnahme wird den besonderen Lebens- und Arbeitsbedingungen solcher Arbeitnehmer Rechnung getragen, die eine Unterscheidung zwischen Freizeit und Arbeitszeit entsprechend den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes nicht zulassen.9 Soll nun z.B. eine Pflegekraft mit der pflegebedürftigen Person in deren Privathaushalt in häuslicher Gemeinschaft zusammenleben,10 so müssen sich die Parteien bei der Vereinbarung der Arbeitszeit nicht an die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes halten. Dabei liegt eine häusliche Gemeinschaft vor, wenn der Arbeitnehmer und die anvertraute Person gemeinsam wohnen und wirtschaften.11 Grenzen hinsichtlich der Vereinbarung des Arbeitszeitumfanges und der Lage der Arbeitszeit können sich für diese im Privathaushalt Beschäftigten nur aus den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen ergeben. Danach darf dem Arbeitnehmer aufgrund der vereinbarten Arbeitszeit kein die allgemeine menschliche Leistungsfähigkeit und Zumutbarkeit überschreitendes Arbeitspensum abverlangt werden.12 Beispiel Wohnt und wirtschaftet eine im Privathaushalt beschäftigte Pflegekraft mit der pflegebedürftigen Person gemeinsam, so kann von der Pflegekraft verlangt werden, dass sie 12 Stunden am Stück ohne längere Pause arbeitet. 10 Um im Nachhinein Streitigkeiten zu vermeiden, sollte bei hauswirtschaftlichen

Beschäftigungsverhältnissen die geleistete Arbeitszeit dokumentiert werden. Sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer sollten über die abgeleistete Arbeitszeit Buch führen. Das Bundesurlaubsgesetz findet auf hauswirtschaftliche Beschäftigungsver11 hältnisse Anwendung, so dass einem im Privathaushalt Beschäftigten ein bezahlter Urlaubsanspruch von mindestens 24 Werktagen jährlich (bei einer 6-Tage-Woche) zusteht. Hierbei entsteht der volle Urlaubsanspruch erstmalig nach sechsmonatigem Bestehen des hauswirtschaftlichen Beschäftigungsverhältnisses entsteht. Zudem greift bei hauswirtschaftlichen Beschäftigungsverhältnissen das Entgelt­ 12 fortzahlungsgesetz. Für den Fall der Arbeitsunfähigkeit eines im Privathaushalt Beschäftigten infolge Krankheit muss der Arbeitgeber diesem für einen Zeitraum bis zu 6 Wochen die vereinbarte Vergütung fortzahlen, siehe § 3 Abs. 1 S. 1 EntgeltFG. Bei der Regelung der Kündigungsbedingungen ist darauf zu achten, dass ledig13 lich die Kündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB als gesetzliche Mindestvorgabe gilt. Die verlängerte Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 BGB findet keine Anwendung, da

9 Siehe BT-Drucks. 12/6990, S. 44. 10 Näheres siehe Kap. 13 – Familiäre Mitarbeit. 11 ErfK/Wank, § 18 ArbZG, Rn 5. 12 Baeck/Deutsch, Rn 28.

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A. Arbeitsrecht 

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das hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnis kein „Arbeitsverhältnis in einem Betrieb“ ist. Ein Betrieb ist eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung des Eigenbedarfs erschöpfen.13 Die Beschäftigung in einem Privathaushalt zielt aber nur auf den Eigenbedarf ab. Mithin kann ein Arbeitgeber ein seit über zwei Jahren bestehendes Arbeitsverhältnis mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats kündigen.14 Selbstverständlich bleibt es den Parteien unbenommen, im Arbeitsvertrag längere Kündigungsfristen als die gesetzlich vorgeschriebenen zu vereinbaren. Die Anwendung von Rechtsnormen eines Tarifvertrages in dem Bereich des 14 Privathaushalts ist selten. Für diesen Bereich gibt es zwar Tarifverträge zwischen dem Deutschen Hausfrauenbund und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Diese greifen jedoch nur, wenn beide Parteien tarifgebunden sind, d.h. sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer den Tarifvertragsparteien angehören. Unabhängig davon besteht die Möglichkeit, in einem Arbeitsvertrag individualver­ traglich auf einen Tarifvertrag, wie z.B. den Entgelttarifvertrag zwischen dem Deutschen Hausfrauenbund und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, Bezug zu nehmen.

2. Betriebsverfassungsrecht Das Betriebsverfassungsrecht findet auf das hauswirtschaftliche Beschäftigungsver- 15 hältnis keine Anwendung, da die Beschäftigung ausschließlich im Privathaushalt stattfindet und in keinem Betrieb.15

3. Arbeitsschutz/-sicherheit Das Arbeitsschutzgesetz gilt nicht für den „Arbeitsschutz von Hausangestellten 16 in privaten Haushalten“, § 1 Abs. 2 S. 1 ArbSchG. Dadurch wird den Schwierigkeiten Rechnung getragen, die einer Beachtung aller Vorschriften des Gesetzes und ihrer Kontrolle in Privathaushalten entgegenstehen.16 Entsprechend ist auch das Arbeits­ sicherheitsgesetz nicht anwendbar, § 17 Abs. 1 ASiG.

13 BAG, Urt. v. 17.1.2008 – 2 AZR 902/06 –; BAG, Beschl. v. 31.5.2000 – 7 ABR 78/98 –. 14 Küttner/Reineke, Hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis, Rn 5. 15 Siehe ErfK/Koch, § 5 BetrVG, Rn 2. 16 Siehe BT-Drucks. 12/6752, S. 34.

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 Kapitel 17 Hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis

4. Kündigungsschutz/Sonderschutzrechte

17 Das Kündigungsschutzgesetz findet auf hauswirtschaftliche Beschäftigungsver-

hältnisse keine Anwendung, da es nur für Arbeitnehmer in einem Betrieb oder in einer Verwaltung gilt, § 23 Abs. 1 KSchG. Mithin kann der Arbeitgeber dem im Privathaushalt Beschäftigten ohne Vorliegen eines Grundes kündigen. Sonderkündigungsschutzrechte des Mutterschutzgesetzes (siehe § 9 MuSchG), des Bundeselterngeldund Elternzeitgesetzes (siehe §  18 BEEG) und für Schwerbehinderte (siehe §  85 SGB IX) sind hingegen auch bei im Privathaushalt Beschäftigten zu beachten.17

5. Arbeitnehmerhaftung 18 Die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung gelten auch für im Privathaushalt Beschäftigte. Mithin gelten die Haftungsmilderungen für Pflichtverletzungen, die im Rahmen der betrieblich veranlassten Tätigkeit ausgeübt werden. Danach haftet der im Privathaushalt Beschäftigte nicht bei leichtester Fahrlässigkeit, nur anteilig bei mittlerer Fahrlässigkeit und in der Regel voll bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz. Beispiel Beschädigt eine Reinigungskraft im Rahmen eines hauswirtschaftlichen Beschäftigungsverhältnisses bei der Reinigung einer Glasvitrine versehentlich eine teure Vase, so hat der Arbeitgeber nach den Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung keine Ersatzansprüche gegen die Reinigungskraft.

6. Einsatz von Ausländern

19 Bei hauswirtschaftlichen Beschäftigungsverhältnissen, insbesondere bei der Betreu-

ung von pflegebedürftigen Personen, wird der Einsatz von ausländischen Arbeitnehmern häufig in Betracht gezogen. Arbeitnehmer aus den EU-Mitgliedstaaten benötigen grundsätzlich keine Arbeitsgenehmigung. Nur noch für Staatsangehörige der neuen EU-Mitgliedstaaten Rumänien und Bulgarien gelten besondere Übergangsregelungen, die eine Arbeitserlaubnispflicht erforderlich machen.18 Die Arbeitnehmer aus den übrigen EU-Ländern genießen seit Mai 2011 die unbeschränkte Arbeitnehmer­ freizügigkeit, sie können demnach unabhängig von ihrem Wohnort in jedem EU-Land zu denselben Konditionen arbeiten, wie die einheimischen Arbeitnehmer. Deutsche Arbeitgeber müssen demnach diese ausländischen Arbeitnehmer wie inländische Arbeitnehmer behandeln. Zunächst sollte daher ein Arbeitsvertrag abgeschlossen werden, wenn mit dem ausländischen Arbeitnehmer ein hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis eingegangen werden soll.

17 ArbG Düsseldorf, Urt. v. 12.1.2009 – 2 Ca 6263/08 –. 18 Näheres siehe „Vermittlung von Haushaltshilfen in Haushalte mit Pflegebedürftigen“, abrufbar unter http://www.arbeitsagentur.de.

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B. Steuerrecht 

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7. Einsatz von Kindern und Jugendlichen Soll ein hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis mit Kindern oder Jugend- 20 lichen eingegangen werden, so sind die Regelungen des Jugendarbeitsschutzes zu beachten. Soll die Beschäftigung für die eigenen Eltern erfolgen, so liegt familiäre Mitarbeit vor.19 Checkliste –– Auswahl der Vertragsform (Hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis/Dienstvertrag über freie Mitarbeit/Werkvertrag). –– Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrages bei hauswirtschaftlichem Beschäftigungsverhältnis! –– Beachtung sozialversicherungsrechtlicher und steuerlicher Pflichten! –– Förderungsmöglichkeit im Rahmen eines Mini-Jobs im Privathaushalt? –– Bei ausländischen Arbeitnehmern ggf. Arbeitserlaubnispflicht!

B. Steuerrecht I. Haushaltsscheckverfahren 1. Pauschalversteuerung Sofern ein geringfügig Beschäftigter20 in einem Privathaushalt als Arbeitnehmer 21 tätig wird, besteht die Möglichkeit, den Lohnsteuerabzug durch den beschäftigenden Arbeitgeber (unter Verzicht auf eine Versteuerung anhand der individuellen Lohnsteuermerkmale des Arbeitnehmers21) im sog. Haushaltsscheckverfahren mit einem Pauschalsteuersatz von 2 % abgeltend durchzuführen. Praxistipp –– Das Haushaltsscheckverfahren sollte durch den Arbeitgeber gewählt werden, da das Arbeitsverhältnis ansonsten beim zuständigen Betriebsstättenfinanzamt für Zwecke des Lohnsteuerabzugs zu melden/registrieren ist und in der Folgezeit entsprechende Lohnsteueranmeldungen abzugeben sind.22 –– Sofern etwaige – nicht ins Gewicht fallende – Nebenpflichten, die zum eigentlichen begünstigten Privathaushalt in einem engen Bezug stehen (etwa Botengänge, Einkaufen für Privathaushalt etc.) außerhalb des eigentlichen Privathaushalts ausgeführt werden, sind diese ebenfalls mit begünstigt. –– Die Begünstigung für das Haushaltsscheckverfahren kann auch für eine Zweitwohnung in Anspruch genommen werden.

19 Näheres siehe Kap. 13 – Familiäre Mitarbeit. 20 Zu den Voraussetzungen vgl. Kap. 24 – Minijobber, Rn 27 ff. 21 Voraussichtlich ab 1.1.2013: elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale, ELStAM. 22 Sofern noch nicht vorhanden, muss zudem für Zwecke der Lohnsteueranmeldung eine neue Steuernummer beantragt werden.

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 Kapitel 17 Hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis

2. Beteiligung von nahen Angehörigen

22 Sofern außer Haus lebende Angehörige die Tätigkeiten ausführen, sind an die steuer-

liche Anerkennung strenge Maßstäbe anzulegen. Für die Anerkennung des Beschäftigungsverhältnisses durch das Finanzamt muss dieses einem Dritt- bzw. Fremdver­ gleich stand halten.23 Ob für lohnsteuerliche Zwecke eine Pauschalversteuerung im Rahmen des Haushaltscheckverfahrens mit 2 % erfolgt, hat hierauf keinen Einfluss.

3. Zuständigkeit und Verfahren

23 Zuständig für die Erhebung der Pauschalsteuer (und der Sozialversicherungsbeiträge)

für sämtliche in privaten Haushalten Beschäftigte ist die Einzugsstelle der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn – Minijob-Zentrale.24 Der Haushaltsscheck ist bei wechselndem Arbeitsentgelt monatlich einzurei24 chen. Liegt ein festes Monatsgehalt vor, besteht die Möglichkeit, den Haushaltsscheck bei der Minijob-Zentrale als „Dauerscheck“ zu erklären. Praxistipp –– Die Minijob-Zentrale ist eine Abteilung der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-BahnSee in 45115 Essen und seit dem 1.4.2003 die zuständige Einzugsstelle für geringfügig Beschäftigte. –– Für die Erstanmeldungen bietet die Minijob-Zentrale auch die Möglichkeit einer Haushaltsscheck-Online-Anmeldung an.25

II. Tarifbegünstigung 25 Arbeitgeber, die einen im Privathaushalt tätigen Arbeitnehmer beschäftigten, können ihre tarifliche Einkommensteuer wie folgt mindern: –– Liegt eine geringfügige Beschäftigung in einem inländischen Privathaushalten vor (Minijobber) und wird das Haushaltsscheckverfahren angewendet, beträgt der beim Arbeitgeber von der Einkommensteuer abzuziehende Betrag 20 % der Aufwendungen, höchstens jedoch 510 € jährlich. –– Wird ein hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis nicht aufgrund einer geringfügigen Beschäftigung durchgeführt (insbesondere also bei Überschreitung des monatlichen Arbeitsentgelts in Höhe von 400 €), kann der Arbeitgeber von seiner tariflichen Einkommensteuer einen Betrag in Höhe von 20 % der Aufwendungen, höchstens 4.000 € jährlich, abziehen.

23 Zu Einzelheiten vgl. Kap. 13 – Familiäre Mitarbeit, Rn 31 ff. 24 Zum Inhalt der entsprechenden vereinfachten Meldung vgl. Rn 35. 25 http://www.minijob-zentrale.de; für Formulare und weitere Informationen zum Haushaltsscheckverfahren, vgl. hierzu auch Kap. 24 – Minijobber Rn 67 ff.

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C. Sozialversicherungsrecht  

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Wichtig: Die vorgenannten Höchstbeträge der Tarifbegünstigung werden auch dann 26 in voller Höhe gewährt, wenn das hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnis nicht während des ganzen Kalenderjahres besteht (keine Zwölftelung pro rata temporis). Checkliste –– Bei Beschäftigung Angehöriger: –– Vor Beschäftigungsbeginn Konditionen wie unter fremden Dritten üblich ermitteln und vereinbaren –– Schriftform wählen –– Einkommensteuerliche Tarifbegünstigung beachten

C. Sozialversicherungsrecht I. Allgemeines zur Sozialversicherung Die Sozialversicherung stellt im Grundsatz nicht darauf ab, welche Art von Arbeit verrichtet wird. Beschäftigung ist die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV). Daher führt, wenn die Geringfügigkeits­ grenzen überschritten sind, auch abhängige Arbeit in einem Haushalt zur Versicherungspflicht in der Kranken,- Pflege-, Renten-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung. In der Unfallversicherung gilt dies selbst dann, wenn die Beschäftigung unentgeltlich erfolgt. Da beim hauswirtschaftlichen Beschäftigungsverhältnis regelmäßig die Voraussetzungen eines Kleinbetriebs vorliegen, besteht für den Arbeitgeber Umlagepflicht nach dem AAG für Entgeltfortzahlung (Umlage U 1, § 1 Abs. 1 AAG) und die Aufwendungen nach dem Mutterschutzgesetz (Umlage U 2, § 1 Abs. 2 AAG). Für die Umlage U 1 und U 2 finden die für die Krankenversicherung geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung (§ 10 AAG), d.h., mit den Meldungen bezüglich der Beiträge zur Krankenversicherung sind auch die Umlagen U 1 und U 2 zu melden. Ob Au-Pair-Kräfte, die in einem Haushalt beschäftigt werden, in einem entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis stehen, muss anhand der Umstände des Einzelfalles geklärt werden. Hieran wird es jedoch regelmäßig fehlen, wenn Au-Pair-Kräfte von der Familie ganz oder überwiegend wie ein eigenes Kind behandelt werden.26 Sonderregelungen bestehen für hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnisse insoweit, als der sog. Haushaltsscheck ein vereinfachtes Melde- und Beitragsentrichtungsverfahren vorsieht.

26 BGH, 29.10.69 – 12 RJ 440/63 –.

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 Kapitel 17 Hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis

II. Privathaushalte und geringfügig Beschäftigte gem. § 8a SGB IV

31 Werden geringfügig Beschäftigte ausschließlich in Privathaushalten beschäftigt, gilt

§ 8 SGB IV (§ 8a S. 1 SGB IV).27 Eine geringfügige Beschäftigung in Privathaushalten liegt vor, wenn diese 32 durch einen privaten Haushalt begründet und die Tätigkeit sonst gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts erledigt wird (§ 8a S. 2 SGB IV). Im Normalfall der geringfügigen Beschäftigung zahlt der Arbeitgeber in die 33 Krankenversicherung für seine Beschäftigten, wenn diese in der gesetzlichen Krankenversicherung (Familien- oder freiwillig) versichert sind, einen 13%-igen Pauschalbeitrag an die Krankenkasse (§ 249b S. 1 SGB V). Für Beschäftigte in Privathaus­ halten beträgt der vom Arbeitgeber zu zahlende Pauschalbeitrag lediglich 5% des Arbeitsentgelts aus dieser Beschäftigung (§ 249b S. 2 SGB V).

III. Haushaltsscheckverfahren für in Privathaushalten geringfügig Beschäftigte 1. Begriff 34 Für die im Haushalt geringfügig Beschäftigten ist durch den Arbeitgeber eine vereinfachte Meldung zu erstatten (§ 28a Abs. 7 SGB IV). Diese vereinfachte Arbeitgeber­ meldung wird als Haushaltsscheckverfahren bezeichnet. Voraussetzung ist, dass das Arbeitsentgelt i.S.v. § 14 Abs. 3 SGB IV aus der Beschäftigung im Privathaushalt 400 €/Monat nicht übersteigt. Als Arbeitsentgelt gilt insoweit der ausbezahlte Betrag zzgl. der durch Abzug vom Lohn einbehaltenen Steuer. Verdient ein im Haushalt Beschäftigter mehr als 400 € im Monat, wird er der allgemeinen Sozialversiche­ rungspflicht unterliegen und es gelten die allgemeinen melde- und beitragsrechtlichen Regelungen.

2. Inhalt der Meldung

35 Diese Meldung umfasst die Angaben nach § 28a Abs. 8 SGB IV:

–– Personalien, Adresse und Betriebsnummer des Arbeitgebers; letztere wird von der Einzugsstelle vergeben (§ 28h Abs. 3 SGB IV), –– Personalien und Anschrift des Beschäftigten sowie dessen Versicherungsnummer, –– die Angabe, ob der Beschäftigte bei mehreren Arbeitgebern beschäftigt ist, –– den Beginn der Beschäftigung und das monatliche Arbeitsentgelt, eine evtl. Änderung des Arbeitsentgelts und den Zeitpunkt der Beendigung der Beschäftigung, –– ob der Beschäftigte in der Rentenversicherung auf die Versicherungsfreiheit verzichtet hat.

27 Siehe Kap. 24 – Minijobber 42 ff.

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C. Sozialversicherungsrecht  

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3. Einzugsermächtigung Der Arbeitgeber erteilt der zuständigen Einzugsstelle eine Ermächtigung zum Einzug 36 des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (§ 28a Abs. 7 S. 2 SGB IV). Der Haushaltsscheck ist vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer zu unterschreiben. Bei der Erstanmeldung vergibt die Einzugsstelle dem Arbeitgeber eine Betriebs- 37 nummer. Fortan berechnet die Einzugsstelle die Beiträge und zieht diese im Last­ schriftverfahren ein (§ 28h Abs. 3 SGB IV). Zur Verwaltungsvereinfachung werden die Beiträge aus dem Haushaltsscheck- 38 verfahren nur noch halbjährlich fällig gestellt. Das heißt, die Beiträge für das in den Monaten Januar bis Juli erzielte Arbeitsentgelt werden zum 15. Juli und die Beiträge für das in den Monaten Juli bis Dezember erzielte Arbeitsentgelt am 15. Januar des Folgejahres fällig (§ 23 Abs. 2a SGB IV) und eingezogen. Zum Jahresende erhält der Arbeitgeber zur steuerlichen Geltendmachung einen Auszug über die gemeldeten Daten. Diese Daten teilt die Einzugsstelle auch dem Arbeitnehmer mit (§ 28h Abs. 3 S. 3 SGB IV).

4. Zuständige Einzugsstelle Für alle in privaten Haushalten geringfügig Beschäftigten ist als Einzugsstelle die Deut- 39 sche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See/Verwaltungsstelle Cottbus zuständig (§ 28i S. 5 SGB IV). Die Meldung in der Unfallversicherung erfolgt gegenüber der örtlich zuständigen Gemeinde, dem Unfallversicherungsverband oder der Unfallkasse. Eine Arbeitgeberprüfung findet für Beschäftigte im Haushalt nicht statt.

IV. Haushaltshilfe als „Sozialleistung“ Von der Frage der Versicherungs- und Beitragspflicht eines hauswirtschaftlichen 40 Beschäftigungsverhältnisses ist die Frage abzugrenzen, unter welchen Voraussetzungen Versicherte in der Sozialversicherung Anspruch auf eine Haushaltshilfe als Sozialleistung haben. Dies ist in der Rentenversicherung und Unfallversiche­ rung z.B. der Fall, wenn der Versicherte wegen einer Reha-Maßnahme außerhalb des eigenen Haushalts untergebracht wird und ihm deshalb die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist, auch keine andere im Haushalt lebende Person (z.B. der Ehegatte) den Haushalt weiterführen kann und Kinder zu versorgen sind (§ 29 SGB VI; § 42 SGB VII). Entsprechendes gilt in der Krankenversicherung, wenn ein Kranken­ hausaufenthalt, eine Reha-Maßnahme, eine Schwangerschaft oder eine Entbindung die Weiterführung des Haushalts verhindert (§ 28 SGB V; § 199 RVO). Die Haushaltshilfe wird von den Leistungsträgern (Krankenkassen, Rentenversicherungs-Trägern etc.) als sog. Sachleistung erbracht. Zwischen dem Versicherten und der Haushaltshilfe kommt in der Regel kein Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis zustande. Vertragsbeziehungen in Form eines Arbeits- oder Dienstleistungsvertrages bestehen zwischen dem Leistungsträger und der Haushaltshilfe (§ 132 SGB V). Cichon

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 Kapitel 17 Hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis

V. Beschäftigung von ausländischen Haushaltshilfen in Haushalt mit Pflegebedürftigen 1. Dauer der Beschäftigung 41 Ausländische Haushaltshilfen können zur Ausübung einer versicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigung bis zu drei Jahren für hauswirtschaftliche Arbeiten und notwendige pflegerische Alltagshilfen in Haushalten mit Pflegebedürftigen zugelassen werden, wenn sie auf der Grundlage einer Verfahrensabsprache zwischen der BA und der Arbeitsverwaltung des Herkunftslandes vermittelt worden sind. Grundlage ist § 21 BeschV. Besondere Vermittlungsabsprachen bestehen mit den neuen EU-Mitgliedstaaten: –– Bulgarien und –– Rumänien.

2. Zulassung als Haushaltshilfe und Umfang der Tätigkeiten 42 Ausländische Haushaltshilfen dürfen hauswirtschaftliche Tätigkeiten und notwendige pflegerische Alltagshilfen verrichten. Die hauswirtschaftliche Tätigkeit erfasst auch notwendige Leistungen der sozialen Betreuung und Unterstützung. Hierzu zählen bspw. die Motivation und Beschäftigung von Menschen in verschiedenen Lebenssituationen.

3. Versicherungspflicht 43 Die ausländischen Haushaltshilfen sind während ihrer Tätigkeit im Haushalt der Pflegebedürftigen gegen Arbeitsentgelt beschäftigt. Sie unterliegen während dieser Beschäftigung der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung.

4. Arbeits-/Lohnbedingungen

44 Die wöchentliche Arbeitszeit muss der tariflichen oder üblichen Vollzeitstunden-

zahl entsprechen. Das zu zahlende Gehalt muss konkret benannt werden und dem einschlägigen Tarifvertrag entsprechen oder ortsüblich sein. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber für eine angemessene Unterkunft zu sorgen.

5. Bemessungsgrundlage für die zu entrichtenden Beiträge

45 Grundlage für die zu entrichtenden Beiträge ist das beitragspflichtige Arbeitsent­

gelt, das für die Beschäftigung als Haushaltshilfe gezahlt wird. Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im ZusammenCichon



C. Sozialversicherungsrecht  

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hang mit ihr erzielt werden. Zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt gehören auch die Aufwendungen für freie Unterkunft und Verpflegung. Die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Unterkunft und Verpflegung sind mit den Werten der Sozialversicherungsentgeltverordnung zu berücksichtigen.

6. Beiträge/Meldungen Hinsichtlich der beitrags- und melderechtlichen Vorschriften gelten die allgemeinen 46 Regelungen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses. Praxistipp Eine Anleitung und Formulare zur Anmeldung zum Haushaltscheckverfahren finden sich auf der Internetadresse der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See und dort unter der Rubrik „Formulare“.28

Die Anmeldung zur gesetzlichen Unfallversicherung hat durch den Arbeitgeber 47 binnen einer Woche nach Arbeitsaufnahme bei dem zuständigen kommunalen Unfallversicherungsträger zu erfolgen. Checkliste –– Genauen Inhalt der Beschäftigung prüfen, –– Versicherungsfreiheit bei geringfügig Beschäftigten beachten, –– Inhalte der Meldung zum Haushaltsscheckverfahren prüfen und die zuständige Einzugsstelle beachten, –– Besonderheiten bei der Beschäftigung von ausländischen Haushaltshilfen beachten, insbesondere in Bezug auf Bulgarien und Rumänien.

Im Bereich der Unfallversicherung ist zu beachten, dass hauswirtschaftlich Beschäf- 48 tigte gesetzlich unfallversichert sind.29 Sofern diese Personen bei der Einzugsstelle oder der Datenstelle der Träger der Rentenversicherung nicht angemeldet werden, wird eine nicht ordnungsgemäße Beitragsentrichtung (Schwarzarbeit) vermutet. Bei der – vermuteten – Schwarzarbeit sind den Unfallversicherungsträgern die Aufwendungen, die diesen infolge von Versicherungsfällen bei der Ausführung der Schwarzarbeit entstanden sind, zu erstatten.30

28 http://www.haushaltsscheck.de. 29 § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. 30 § 110 Abs. 1a SGB VII.

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Kapitel 18 Home-Office A. Arbeitsrecht I. Begriff und Nutzen Home-Office lässt sich mit „Büro zu Hause“ oder „häusliches Arbeitszimmer“ über- 1 setzen. Der Begriff kommt heute sowohl im Kontext von Außendienstmitarbeitern,1 Telearbeit,2 Heimarbeit als auch beim klassischen Arbeitsverhältnis vor. In den letzten Jahren ist der Begriff Home-Office in der betrieblichen Praxis häufig anzutreffen, wenn der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeit im Einzelfall, z.B. bei Erkrankung von Kindern, Besuch von Handwerkern, Arbeitsspitzen etc. auch außerhalb der betrieblichen Arbeitsstätte zu erledigen, ohne dass dies zur Regelform des Arbeitsverhältnisses wird. Den Arbeitnehmern soll durch die flexible Wahl ihres Arbeitsortes die Möglichkeit eröffnet werden, die Harmonisierung seiner privaten und beruflichen Belange (work-life-balance) zu erleichtern. Das so verstandene Home-Office stellt ein Mittel der örtlichen Flexibilisierung dar. Es wird von Arbeitgebern häufig auch genutzt, um die Attraktivität eines Unternehmens auf dem Bewerbermarkt zu steigern. Der Begriff des Home-Office wird teilweise unter dem Begriff Flexwork derart 2 weitgehend verstanden, dass als Home-Office jeder Ort außerhalb der betrieblichen Organisation verstanden wird, an dem der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung verrichtet, z.B. Cafe, Park, Hotel, Flughafen, Zug etc. Dieses Verständnis durchmischt jedoch Aufenthaltsort, Reisezeit, Arbeitsort etc. und ist zu weitgehend. Als HomeOffice im hier verstandenen Sinne soll die Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit zu Hause verstanden werden. Das Home-Office unterscheidet sich damit von der Telearbeit und der Heimarbeit nach dem Heimarbeitsgesetz dadurch, dass die Arbeitserbringung zu Hause nicht als Regelform vereinbart ist, sondern der Arbeitnehmer nur im Einzelfall das Home-Office als Arbeitsort wählt. Seinem Wesen nach ist es aber mit dem Telearbeitsplatz insoweit vergleichbar, als der häusliche Arbeitsplatz die Wohnung des Arbeitnehmers ist. Home-Office und klassische Telearbeit sind sich in Bezug auf Nutzen und Heraus- 3 forderungen sehr ähnlich. Da die Arbeit von zu Hause beim Home-Office jedoch der Ausnahmefall ist, kann der Regelungsaufwand zum Teil geringer ausfallen. Nutzen –– Vereinbarkeit betrieblicher und persönlicher Belange (work-life-balance, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, freie Wahl des Wohnortes) –– Mitarbeiterbindungsprogramm

1 Zu den Einzelheiten vgl. Kap. 6 – Außendienstmitarbeiter Rn 8. 2 Zu den Einzelheiten vgl. Kap. 38 – Telearbeit Rn 12.

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 Kapitel 18 Home-Office

Verringerung von Fehlzeiten Steigerung der Attraktivität des Arbeitgebers Reaktion auf begrenzte Raumkapazitäten

4 Bei den Herausforderungen verhält es sich ähnlich wie bei der Telearbeit. Herausforderungen –– Höherer Verwaltungsaufwand –– Gefahrenpotentiale am häuslichen Arbeitsplatz –– Zugriff Dritter –– Datenschutz –– Technische Schwierigkeiten –– Einhaltung und Dokumentation der Arbeitszeit

II. Home-Office im Arbeitsvertrag 1. Einführung von Home-Office durch den Arbeitgeber 5 Der Arbeitgeber kann kraft seines Direktionsrechtes gem. §  106 GewO die vom Arbeitnehmer vertraglich geschuldete Leistung nach Ort, Zeit, Inhalt und Art festlegen, soweit u.a. keine anderweitigen vertraglichen oder betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen bestehen. In der Regel legt der Arbeitgeber als Arbeitsort eine oder mehrere seiner Betriebsstätten fest. Die Einführung der Möglichkeit eines Home-Offices bedeutet letztendlich, dass das Direktionsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich des Arbeitsortes ein Stück weit abgegeben wird. Je nach Ausgestaltung wird die Wohnung des Mitarbeiters für einen jeweils im Einzelfall oder turnusmäßig festgelegten Tag zum Arbeitsort. Bei Home-Office in Form der Flexwork gibt der Arbeitgeber sogar sein gesamtes Direktionsrecht bzgl. des Arbeitsortes aus der Hand. Darüber hinaus gibt der Arbeitgeber auch seine Kontrollmöglichkeiten nicht nur bzgl. des Arbeitsortes, sondern auch bzgl. der Arbeitszeit und weiterer Arbeitsbedingungen (Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften, Verschwiegenheitsverpflichtung, vertrauliche Aufbewahrung von Unterlagen etc.) in der Regel ab. Demgemäß setzt die Einführung der Möglichkeit eines Home-Offices ein erhebliches Mehr an Vertrauen voraus. Es erfordert ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein und Rücksichtnahme und verlangt von Arbeitnehmern und Vorgesetzten in jedem Einzelfall eine sorgfältige Abwägung der Unternehmens- und Arbeitnehmerinteressen. Wie bei der Telearbeit3 hat der Arbeitgeber kein einseitiges Eingriffsrecht in das 6 Eigentums- oder Besitzrecht sowie die Privatsphäre des Arbeitnehmers. Auch die vorübergehende Verlegung der betrieblichen Arbeitsstätte an den häuslichen Arbeitsplatz würde letztendlich einen solchen Eingriff in den persönlichen Bereich des

3 Siehe Kap. 38 – Telearbeit Rn 31.

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A. Arbeitsrecht 

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Arbeitnehmers, nämlich dessen Wohnung, darstellen. Daraus folgt, dass es, wenn auch in anderem Umfang als bei der reinen Telearbeit, auch bei der Einführung der Möglichkeit zum Home-Office einer einvernehmlichen Regelung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bedarf. Dies kann in unterschiedlicher Weise erfolgen, je nachdem, wie viele Mitarbeiter in den Genuss von Home-Office kommen sollen, wie die Ausgestaltung im Einzelnen ist und welche Bindungswirkung angestrebt wird. Praxistipp Mögliche Regelungen für ein Home-Office sind die: –– einzelvertragliche Regelung mit dem Arbeitnehmer, –– einseitige Richtlinie des Arbeitgebers, –– Betriebsvereinbarung.

Wird die Möglichkeit zum Home-Office durch eine einzelvertragliche Regelung mit 7 dem Arbeitnehmer (z.B. im Arbeitsvertrag oder durch eine Zusatzvereinbarung zu demselben) oder durch eine Richtlinie des Arbeitgebers eingeführt, sind die Grundsätze des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) aus §§ 307 ff. BGB zu beachten. Die Klauseln müssen entsprechend transparent und unzweideutig formuliert sein sowie keine unangemessene Benachteiligung für den Arbeitnehmer darstellen.4 Unabhängig, für welche Form der Einführung sich der Arbeitgeber entschei- 8 det bzw. entscheiden muss, sind die nachfolgenden Punkte bei der Ausgestaltung zu beachten. Zahlreiche Aspekte können in Anlehnung an die Telearbeit geregelt werden. Insoweit wird nachfolgend jeweils auf die entsprechenden Randnummern verwiesen. Regelungsinhalte –– Umfang des Home-Office –– Persönlicher Geltungsbereich –– Voraussetzungen der Nutzungsmöglichkeit (insbesondere Ankündigungsfrist) –– Home-Office Arbeitsplatz –– Arbeitszeit –– Verschwiegenheit und Datenschutz –– Widerrufsvorbehalt

2. Umfang des Home-Office Zunächst muss festgelegt werden, in welchem Umfang innerhalb der geschuldeten 9 Arbeitszeit die Arbeitsleistung in der häuslichen Arbeitsstätte zu erbringen ist bzw. erbracht werden darf. In Betracht kommt bei der hier verstandenen Form des Home-

4 Zur Einführung durch eine Betriebsvereinbarung siehe Rn 36.

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 Kapitel 18 Home-Office

Office die allgemeine Festlegung, dass Home-Office nur „vorübergehend“ oder „im Ausnahmefall“ gestattet ist. Soll hingegen dem Arbeitnehmer, z.B. nach Rückkehr aus der Elternzeit, die Möglichkeit gegeben werden, feste Tage in Home-Office zu arbeiten, verschwimmen die Grenzen zur Telearbeit. Darf ein bestimmter Anteil der Arbeitszeit im Home-Office erbracht werden, wird ein (zumindest teilweises) Telearbeitsverhältnis zu bejahen sein, mit der Folge, dass auch die hierauf anwendbaren Grundsätze und Regelungen zu beachten sind.5 Beispiel für Telearbeit Die Mitarbeiterin arbeitet nach Rückkehr aus der Elternzeit montags und freitags acht Stunden in der betrieblichen Arbeitsstätte des Arbeitgebers und dienstags bis donnerstags jeweils vier Stunden im Home-Office. 10 Spätere Änderungen hinsichtlich des Umfangs der Arbeitszeit im häuslichen Arbeits-

platz bedürfen der einvernehmlichen Festlegung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Es ist ferner möglich, die Adresse des häuslichen Arbeitsplatzes zu benennen, wenngleich dies – anders als bei der Telearbeit – beim Home-Office nicht zwingend geboten ist, da die Home-Office-Tätigkeit im hier verstandenen Sinne ohnehin nur als Ausnahmefall gedacht ist. Entsprechend ist ein etwaiger späterer Wohnungswech­ sel nicht von erheblichem Gewicht. Der Umfang der gestatteten Home-Office-Tätigkeit sollte aus Gründen der Rechts11 klarheit und Beweislast schriftlich erfolgen.

3. Persönlicher Geltungsbereich

12 Es gibt grundsätzlich keinen Anspruch des Arbeitnehmers auf die Möglichkeit zur

vorübergehenden Arbeit im Home-Office. Der Arbeitgeber hat insofern das Letztentscheidungsrecht. Er muss sich bei der Einführung der Möglichkeit zum Home-Office die Frage stellen, ob sich sämtliche Bereiche seines Betriebes zum Home-Office eignen. So kann er bspw. bereichsspezifische Ausnahmen vorsehen oder HomeOffice nur für bestimmte Mitarbeitergruppen wie z.B. Außendienstmitarbeiter zulassen.6 Es ist auch zu klären, inwiefern Personen, die sich in einer Ausbildung befin13 den, in einem Home-Office arbeiten dürfen sollen, ohne dass der Ausbildungszweck gefährdet wird. Der Arbeitgeber, der ein Home-Office ermöglicht, sollte sich ferner fragen, ob 14 er bereits während der Probezeit gem. § 622 Abs. 3 BGB einen Home-Office-Arbeitsplatz einrichten will. Dafür spricht, dass der Arbeitnehmer von Anfang an auch in

5 Ausführlich hierzu Kap. 38 – Telearbeit. 6 Siehe hierzu ausführlich Kap. 6 – Außendienstmitarbeiter.

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der Home-Office-Situation erprobt werden kann. Dagegen spricht, dass sich die Einbindung des neuen Arbeitnehmers in den Betrieb des Arbeitgebers durch vermehrte Abwesenheitszeiten schwieriger gestalten könnte. Kontakte zu Kollegen und dem Betriebsrat sowie die Identifikation mit dem Unternehmen könnten dadurch beeinträchtigt werden. Ferner fallen u.U. Kosten für die Ermöglichung einer Home-OfficeTätigkeit (z.B. Anschaffung eines Laptops) an, die bei nicht bestandener Probezeit anderenfalls vermieden worden wären. Die gleichen Fragen stellen sich im Übrigen auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen. Praxistipp Der Arbeitgeber muss entscheiden, ob er für alle Arbeitnehmer, für einzelne Gruppen, Abteilungen etc. sowie auch bereits während der vereinbarten Probezeit, der Ausbildung oder bei befristeten Arbeitsverhältnissen Home-Office anbieten will. Die konkrete Arbeitsleistung des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmergruppe muss geeignet sein, um im Home-Office getätigt zu werden.

4. Voraussetzungen der Nutzungsmöglichkeit Der Arbeitgeber sollte auch den allgemeinen Rahmen für die Nutzung der Möglich- 15 keit zum Home-Office aufstellen. Dies bedeutet, dass er Regeln aufstellen muss, wie und unter welchen Bedingungen überhaupt die Nutzung des Home-Office in Frage kommt. Das Zustimmungsprozedere ist zu vereinbaren. Soll z.B. stets eine vorherige 16 Zustimmung des Vorgesetzten, Abteilungsleiters, Geschäftsführers etc. erforderlich sein? In welcher Form soll die Zustimmung eingeholt werden? Aus Gründen der Rechtssicherheit empfiehlt sich auch hier die Schriftform, z.B. per Email oder mittels eines Antragsformulars. Es sollte auch eine Ankündigungsfrist festgelegt werden, damit der Arbeitgeber sich frühzeitig darauf einstellen kann, dass der Arbeitnehmer nur eingeschränkt verfügbar ist. Je nach Art des Betriebes kann diese zwischen einem oder mehreren Arbeitstagen liegen. Zu bedenken ist auch, was in Eil- und Sonderfällen gelten soll. 17 Beispiele Aufgrund eines Wasserrohrbruches ist die Anwesenheit eines Arbeitnehmers zu Hause erforderlich. Der Arbeitnehmer möchte den Rest des Tages zu Hause arbeiten. Aufgrund der aktuellen Wettersituation (starker Schneefall, Sturmschäden etc.) ist die Anfahrt zur Betriebsstätte nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Der Arbeitnehmer möchte stattdessen an diesem Tag im Home-Office arbeiten.

Für derartige Fälle könnte z.B. auch vereinbart werden, dass eine telefonische 18 Zustimmungseinholung oder nachträgliche Genehmigung zulässig ist.

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 Kapitel 18 Home-Office

Eine Voraussetzung der Nutzung der Home-Office-Möglichkeit sollte in jedem Fall die Erreichbarkeit des Arbeitnehmers per Email oder Telefon sein, damit der Arbeitgeber z.B. bei Bedarf weitere Anweisungen erteilen oder Auskünfte einholen kann.7 Auch wenn es selbstverständlich erscheint, sollte die Pflicht des Arbeitnehmers 20 gesondert vereinbart und zur Voraussetzung gemacht werden, dass Dokumente, Arbeitsmaterialien, Akten, Kundenunterlagen etc. nach dem Home-Office schnellstmöglich wieder zur betrieblichen Arbeitsstätte zurückgebracht werden. 19

5. Home-Office Arbeitsplatz a) Eignung von Räumlichkeiten 21 Mit der Vereinbarung über die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung des Arbeitnehmers im Home-Office wird die Wohnung zum Arbeitsplatz. Hiermit sind einige Verpflichtungen seitens des Arbeitgebers, aber auch des Arbeitnehmers verbunden. Sofern es sich um Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnliche Personen i.S.d. § 5 Abs. 1 ArbGG (mit Ausnahme von Heimarbeitern) handelt, finden die Vorschriften des ArbSchG vollumfassend Anwendung. Der Arbeitgeber ist danach auch bei einer Home-Office-Tätigkeit gem. § 3 ArbSchG verpflichtet, „die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen.“ Ferner gilt die Bildschirm­ arbeitsVO, so dass der Arbeitgeber z.B. für eine ergonomische Arbeitsbestuhlung, Standsicherheit, eine ausreichende Beleuchtung oder einen flimmerfreien Bildschirm Sorge tragen muss.8 Anders als bei der Telearbeit wird der Arbeitsplatz im HomeOffice jedoch nicht zur Arbeitsstätte i.S.d. ArbStättV. Nach § 2 Abs. 1 der ArbStättV sind Arbeitsstätten Orte in Gebäuden oder im Freien, die sich auf dem Gelände eines Betriebs oder einer Baustelle befinden. Arbeitsorte außerhalb des Betriebsgeländes (mit Ausnahme von Baustellen) sind grundsätzlich von der Anwendung der ArbStättV ausgenommen. Der Begriff des Betriebsgeländes ist weit auszulegen, so dass zum Gelände eines Betriebs unabhängig von den Eigentumsverhältnissen alle Räumlichkeiten oder Flächen zählen, an denen dem Arbeitgeber ein Verfügungs- und/oder Nutzungsrecht für betriebliche Zwecke eingeräumt ist.9 Dies trifft auf den Arbeitsplatz im Home-Office im Regelfall nicht zu, da der Arbeitgeber kein Verfügungs- und/ oder Nutzungsrecht über die Wohnung des Arbeitnehmers oder Teile hiervon hat.10 Aufgrund der Anwendung des ArbSchG treffen jedoch auch den Arbeitnehmer 22 besondere Mitwirkungsverpflichten. Er ist z.B. nach § 15 ArbSchG verpflichtet, nach seinen Möglichkeiten und den Anweisungen des Arbeitgebers für seine Sicherheit und

7 Siehe auch Rn 31. 8 Zur BildschirmarbeitsVO siehe ausführlich Kap. 38 – Telearbeit Rn 27, 28. 9 Vgl. Kollmer/Klindt/Lorenz, § 2 ArbStättV Rn 2. 10 Zum Telearbeitsplatz siehe Kap. 38 – Telearbeit Rn 26.

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Gesundheit Sorge zu tragen. Für die Praxis hat dies zur Folge, dass es zur Voraussetzung für die Nutzung der Home-Office-Möglichkeit gemacht wird, dass der Arbeitnehmer z.B. für einen ergonomisch ausgestalteten Arbeitsplatz sorgt. Die Verantwortung des Arbeitgebers aus dem ArbSchG sowie den dazugehörigen Verordnungen können jedoch letzten Endes beim Home-Office nicht vollständig auf den Arbeitnehmer übertragen werden. Auch in diesem Punkt zeichnet sich die Home-Office-Tätigkeit durch ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus. Praxistipp In der Vereinbarung zur Nutzung des Home-Office sollte der Arbeitnehmer ausdrücklich erklären, dass sein häuslicher Arbeitsplatz allen einschlägigen gesetzlichen Vorschriften genügt. In diesem Zusammenhang ist der Arbeitnehmer auf die einschlägigen Regelungen hinzuweisen.

b) Zustimmung Dritter Sofern die Arbeit im Home-Office Ausnahmefall ist und nur gelegentlich vorkommt, 23 bedarf es je nach Ausgestaltung des Mietvertrages anders als bei der Telearbeit im Regelfall keiner besonderen Zustimmungserklärung Dritter, da die Nutzung einer Mietwohnung als häusliche Arbeitsstätte nur Ausnahmecharakter hat und hierdurch der Gesamteindruck der Nutzung der Räumlichkeiten „zu Wohnzwecken“, wie es in vielen Mietvertragsmustern formuliert ist, noch nicht überschritten sein dürfte. Wird die Tätigkeit im Home-Office jedoch zu einem festen, nicht unerheblichen Bestandteil der Erbringung der Arbeitsleistung, wird die Schwelle zur Telearbeit überschritten. Es ist dann bzgl. der Räumlichkeiten, die als häusliche Arbeitsstätte genutzt werden, zu klären, in welchen Eigentumsverhältnissen sie stehen und ob, im Verhältnis zum (Mit-)Eigentümer – und damit im Regelfall zum Vermieter oder Ehepartner – die Nutzung des Wohnraums als häusliche Arbeitsstätte vereinbart ist.11

c) Zugang des Arbeitgebers und des Betriebsrates Der Vereinbarung eines Zugangsrechtes des Arbeitgebers zwecks Errichtung des 24 Home-Office-Arbeitsplatzes, eines etwaigen späteren Austauschs von betrieblichen Arbeitsmitteln, der Beseitigung von Störungen und der Überprüfung, ob die häusliche Arbeitsstätte tatsächlich dauerhaft allen gesetzlichen Anforderungen entspricht, bedarf es beim Home-Office-Arbeitsplatz, anders als beim Telearbeitsplatz, aufgrund des Ausnahmecharakters der Home-Office Tätigkeit grundsätzlich nicht. Hierüber ist allenfalls nachzudenken, wenn der häusliche Arbeitsplatz nicht nur vorübergehend und ausnahmsweise, sondern dauerhaft für ein bestimmtes Zeitfenster als

11 Siehe hierzu die Ausführungen unter Kap. 38 – Telearbeit Rn 29.

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 Kapitel 18 Home-Office

Arbeitsort festgelegt werden soll.12 Entsprechendes gilt für ein etwaiges Zugangsrecht des Betriebsrates.

d) Kosten für Einrichtung und Unterhalt des Home-Office Arbeitsplatzes sowie Fahrtkosten 25 Es sollte in der Vereinbarung zur Möglichkeit eines Home-Offices geregelt werden, mit welchen technischen Betriebsmitteln der Arbeitnehmer ausgestattet sein muss und wer für die Anschaffung und Unterhaltung verantwortlich sein soll. Anders als bei der Telearbeit dürften die Regelungen hierzu weniger umfangreich sein, da die Verlagerung des Arbeitsplatzes in die heimische Wohnung nur vorübergehend ist. Mindestregelungsinhalt –– Umfang der Ausstattung des Arbeitnehmers mit Computer, Laptop, Bildschirm, Festnetztelefonanlage, Drucker, Scanner, Faxgerät –– Zugang zum Intranet –– Nutzung von privaten Druckern, Internet- und Telefonanschlüssen –– Ausstattung mit Mobiltelefonen –– Ausschluss der Bereitstellung von zusätzlichen Betriebsmitteln, die über die genannten oder standardmäßig verwendeten Betriebsmittel hinausgehen –– Keine (anteilige) Übernahme von Kosten, die durch Home-Office-Arbeit entstehen (z.B. Energie, Heizung, Miete etc.) –– Keine Übernahme von Fahrtkosten für Fahrten von der Wohnung zur betrieblichen Arbeitsstätte –– Ggf. Ausschluss der Nutzung der Betriebsmittel für private Zwecke13

e) Störungen

26 Es obliegt dem Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz

zur Verfügung zu stellen. Damit trägt er auch die Gefahr dafür, dass es aufgrund eines nicht funktionsfähigen Arbeitsplatzes zu Arbeitsausfällen kommt. Um als Arbeitgeber möglichst zeitnah reagieren zu können, sollte wie bei Betriebsstörungen auch der Arbeitnehmer verpflichtet werden, den Arbeitgeber unverzüglich über Störungen und damit den drohenden oder bereits vorhandenen Arbeitsausfall zu informieren. Praxistipp In der Home-Office-Vereinbarung sollte vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer bei Betriebsstörungen unverzüglich den Arbeitgeber über diese unterrichtet. Ansprechpartner und Kommunikationsweg sollten hierbei festgeschrieben werden.

12 Vgl. hierzu Kap. 38 – Telearbeit Rn 12 ff. 13 Vgl. hierzu ausführlich unter Kap. 38 – Telearbeit Rn 36 ff., sofern die Home-Office-Tätigkeit nicht nur ausnahmsweise und gelegentlich erfolgt.

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f) Verschwiegenheitspflicht und Datenschutz Im Falle der Home-Office-Tätigkeit ist die Einhaltung der tarifvertraglich, betriebs- 27 verfassungsrechtlich oder arbeitsvertraglich vereinbarten Verschwiegenheitsver­ pflichtung und der Datenschutzbestimmungen ein weiterer Kernpunkt des Vertrauensverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Von großer Bedeutung hierfür ist die Lage des Home-Office-Arbeitsplatzes in der Wohnung des Arbeitnehmers. Diese birgt stets das Risiko, dass Dritte wie Lebenspartner, Kinder, Vermieter, Handwerker oder auch Gäste des Arbeitnehmers Zugang zum häuslichen Arbeitsplatz erlangen und damit Zugriff auf die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel und in der Folge zu dessen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen haben können. Es ist daher von besonderem Interesse für den Arbeitgeber sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer dafür Sorge trägt, den Zugang bzw. Zugriff Dritter zu verhindern. Dies gilt auch für die Aufbewahrung von Unterlagen, Akten, Datenträgern sowie die sichere Entsorgung von vertraulichen Dokumenten, Arbeitspapieren etc. Der Arbeitgeber soll den Arbeitnehmer darauf hinweisen, dass sämtliche Nut- 28 zungsmöglichkeiten von Dritten ausdrücklich ausgeschlossen sind und die in der betrieblichen Arbeitsstätte geltenden Regelungen zum Datenschutz sowie zur Sicherstellung von Arbeitsqualität auch für den häuslichen Arbeitsplatz gelten. Praxistipp –– Zum Schutz der Betriebsmittel sowie der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sollte der Zugriff Dritter zum Home-Office-Arbeitsplatz vollumfänglich schriftlich ausgeschlossen werden. –– Die in der betrieblichen Arbeitsstätte geltenden Regelungen sollten auch für den häuslichen Arbeitsplatz vereinbart werden.

6. Arbeitszeit a) Verteilung der Arbeitszeit Aus Gründen der Gleichbehandlung entspricht das Gesamtvolumen der Arbeitszeit 29 eines Mitarbeiters im Home-Office dem eines ausschließlich in betrieblicher Arbeitsstätte Arbeitenden. Home-Office-Arbeitnehmer dürfen nicht aufgrund des HomeOffice schlechter gestellt werden. Da Home-Office im hier verstandenen Sinne14 einen Ausnahmefall darstellt, ist es – anders als bei der Telearbeit – nicht notwendig, die geschuldete wöchentliche Arbeitszeit auf die Zeiten in der betrieblichen Arbeitsstätte und in dem häuslichen Arbeitsplatz aufzuteilen.15 Die Fahrzeiten sollten beim Home-Office nicht als Arbeitszeit angerechnet 30 werden. Wird aber die Betriebsstätte aufgelöst und arbeiten z.B. alle Kundendienstmonteure nur noch vom Home-Office aus, so werden nach der Rechtsprechung die

14 Vgl. Rn 2. 15 Siehe hierzu ausführlich Kap. 38 – Telearbeit Rn 39 ff.

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 Kapitel 18 Home-Office

Fahrzeiten vom Home-Office zum ersten Kunden und vom letzten Kunden nach Hause zurück ausnahmsweise als Arbeitszeit gerechnet.16

b) Erreichbarkeit im Home-Office

31 Dem Home-Office ist es immanent, dass es sich um ein besonderes Vertrauensverhält-

nis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer handelt. Dies gilt im besonderen Maße für die Arbeitszeit. Im Regelfall wird der Home-Office-Arbeitnehmer frei sein, seine Arbeitszeit am häuslichen Arbeitsplatz eigenverantwortlich einzuteilen. Das gilt bei Arbeitszeitmodellen wie der Vertrauensarbeitszeit ohnehin. Da der Arbeitnehmer aber weiterhin in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert ist, sollte, um die Arbeitsorganisation einheitlich zu gewährleisten, bei entsprechendem Bedarf eine Kernzeit vereinbart werden, in der der Arbeitnehmer für andere Mitarbeiter in seinem HomeOffice erreichbar ist. Sofern grundsätzlich im Betrieb die Vertrauensarbeitszeit gilt, der Arbeitgeber aber für eine Vielzahl von Home-Office-Arbeitnehmern eine Kernzeit einführen will, unterliegt dies der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG (Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit). Grundsätzlich sollte der Mitarbeiter jedoch frei sein, sich im Rahmen der betrieblichen Regelungen seine häusliche Arbeitszeit frei einzuteilen. Für Mehrarbeit sollten allerdings keine abweichenden Regelungen von denen in der betrieblichen Arbeitsstätte gelten.

Praxistipp –– Die Erreichbarkeit des im Home-Office tätigen Arbeitnehmers stellt eine wesentliche Voraussetzung für die Nutzung der Möglichkeit zum Home-Office dar. –– Bei entsprechendem betrieblichem Bedarf sollte eine Kernzeit festgelegt werden, in der der Arbeitnehmer im Home-Office erreichbar ist.

c) Einhaltung Arbeitszeitgesetz 32 Das ArbzG findet auch auf den im Home-Office tätigen Arbeitnehmer Anwendung. Verantwortlich für die Einhaltung von dessen Vorgaben ist grundsätzlich der Arbeitgeber. Da dieser jedoch über fast keine Kontrollmöglichkeiten verfügt, ist es wichtig schriftlich festzuhalten, dass dessen Pflichten auf den Arbeitnehmer delegiert werden. Es entspricht hierbei der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers darauf zu achten, dass sich der Arbeitnehmer dieser Verpflichtung bewusst ist und auch über die notwendige Kenntnis betreffend der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften verfügt.

16 Vgl. LAG Düsseldorf, Urt. v. 23.1.2008 – 7 Sa 864/06 –; vgl. aber auch Kap. 38 – Telearbeit Rn 42.

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Dem Arbeitnehmer ist dabei aufzugeben, die Arbeitszeiten in der häuslichen Arbeitsstätte selbst zu dokumentieren.17 Praxistipp Die Verantwortung für die Einhaltung des ArbzG ist auf den Arbeitnehmer zu übertragen. Dies gilt insbesondere für die Pflicht zur Dokumentation der Arbeitszeit.

7. Widerrufsvorbehalt Der Arbeitgeber sollte sich zur Bewahrung seiner Flexibilität und insbesondere 33 für den Fall, dass der Arbeitnehmer sich für Home-Office-Arbeit als nicht geeignet erweist, ein Widerrufsrecht vorbehalten. Da die Home-Office-Tätigkeit freiwillig und im Regelfall auf Wunsch des Arbeitnehmers erfolgt, bedarf es keines eigenen Widerrufsrechts des Arbeitnehmers. Wird die Möglichkeit zum Home-Office in einer individualvertraglichen Ver­ 34 einbarung mit dem Arbeitnehmer oder in Form einer einseitigen Richtlinie des Arbeitgebers eingeführt, sind die Grundsätze zum Recht der Allgemeinen Geschäfts­ bedingungen (§§ 307 ff BGB) zu beachten. Dies gilt insbesondere für § 308 Nr. 4 BGB, der die Voraussetzungen für einen sog. Änderungsvorbehalt bestimmt. Danach ist die Änderung einer versprochenen Leistung unwirksam, wenn die Vereinbarung der Änderung unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer unzumutbar ist. Es liegt derzeit keine aussagekräftige Rechtsprechung zum Widerruf bei einer Home-Office-Vereinbarung vor. Es ist daher auf die Rechtsprechung zu § 308 Nr. 4 BGB zum Widerruf von Leistungen zurückzugreifen. Danach wird ein Widerrufsrecht als zumutbar angesehen, wenn der Arbeitnehmer die Gründe erkennen kann, bei denen der Arbeitgeber von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen kann.18 Die Widerrufsgründe sind folglich in der Home-Office-Vereinbarung zwingend anzugeben. Etwas anderes gilt nur für Home-Office-Vereinbarungen in Form einer Betriebsvereinbarung, da die Inhaltskontrolle des AGB-Rechts gem. §  310 Abs. 4 BGB nicht auf Betriebsvereinbarungen Anwendung findet. Beispiele für Widerrufsgründe –– Rückgang der Ertragslage –– Betriebliche oder wirtschaftliche Gründe, wie z.B. Kundenbeschwerden –– Adäquate Erreichbarkeit des Arbeitnehmers ist nicht gewährleistet

17 Siehe hierzu Kap. 38 – Telearbeit Rn 44. 18 Vgl. BAG, Urt. v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 –.

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 Kapitel 18 Home-Office

35 Damit sich beide Parteien auf die Beendigung der Möglichkeit zur Home-Office-Nut-

zung einrichten können, sollte das Widerrufsrecht mit einer Widerrufsfrist vereinbart werden. Anders als bei der Telearbeit dürfte in diesem Fall eine Frist von einem Monat noch als ausreichend angesehen werden, da die Möglichkeit zur Home-OfficeTätigkeit ohnehin nur vorübergehend gewährt wird.

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III. Home-Office-Betriebsvereinbarung 1. Umfang der Mitbestimmungsrechte Die vorgenannten Regelungsinhalte können auch Regelungsgegenstand einer frei­ willigen Betriebsvereinbarung sein. Vorteil einer Betriebsvereinbarung ist zum einen, dass ein für alle Arbeitnehmer einheitliches Regelwerk geschaffen wird und zum anderen, dass keine Bindung an die strengen Vorgaben des Rechts der Allge­ meinen Geschäftsbedingungen besteht. Diese finden nach  §  310 Abs. 4 BGB auf Betriebs- und Dienstvereinbarungen keine Anwendung. Im Einzelfall kann je nach Regelungsinhalt der Vereinbarung auch eine zwin­ gende Mitbestimmung z.B. nach §  87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG (Beginn und Ende der Arbeitszeit) in Betracht kommen. Dies dürfte jedenfalls der Fall sein, wenn für mehrere Arbeitnehmer oder eine Gruppe von Arbeitnehmern, die Home-Office machen dürfen, Arbeitszeiten – wie bei betrieblichen Arbeitnehmern – betrieblich vorgegeben werden, insbesondere z.B. wenn für Home-Office-Arbeitnehmer speziell eine Kernarbeitszeit eingeführt werden soll. Können hingegen die Arbeitnehmer, denen Home-Office gestattet ist, ihre Arbeitszeit selbst festlegen, wird ein zwingendes Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu verneinen sein. Wird jedoch grundsätzlich ein Rahmen für ein Selbstbestimmungsrecht bei Home-Office hinsichtlich der Arbeitszeit gegeben, kann je nach Einzelfall wiederum § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG eingreifen. Will der Arbeitgeber im Vorfeld der Einführung Erhebungen bei den Arbeitneh­ mern durchführen, inwiefern Home-Office für diese in Betracht kommt, sind die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach den §§ 94, 95 BetrVG zu beachten. Kein zwingendes Mitbestimmungsrecht besteht, wenn für die Arbeitnehmer mit Home-Office-Möglichkeit die allgemeinen betriebsverfassungsrechtlich geregelten Arbeitszeiten gelten. Gleiches gilt, wenn z.B. nur einzelne Arbeitnehmer betroffen sind, da der für ein Mitbestimmungsrecht notwendige kollektive Bezug fehlt. Praxistipp Will der Arbeitgeber den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zum Home-Office vermeiden, empfiehlt es sich bzgl. der etwaigen mitbestimmungsrelevanten Regelungsinhalte, wie z.B. der Arbeitszeit auf die Anwendung der (bereits im Betrieb geltenden) Betriebsvereinbarungen zu verweisen.

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B. Steuerrecht 

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2. Informationsrechte des Betriebsrates Gem. § 80 Abs. 2 BetrVG steht dem Betriebsrat ein umfassendes Unterrichtungsrecht 40 zur Durchführung seiner Rechte nach dem BetrVG zu. Hierzu bietet es sich an, den Betriebsrat kontinuierlich über den Status Quo der Home-Office-Plätze (Anzahl der Arbeitnehmer, Häufigkeit der Nutzung) zu unterrichten. Darüber hinaus sind ihm auch Dokumentationen der Zeiterfassung nach den üblichen betrieblichen Regelungen vorzulegen. Checkliste –– Schriftform –– Kein Anspruch auf Tätigkeit im Home-Office –– Personenkreis –– Grundsätzliche Voraussetzungen (Zustimmungsvorbehalt, Ankündigungsfrist, Erreichbarkeit, Eignung der Tätigkeit für Home-Office) –– Beschaffenheit des häuslichen Arbeitsplatzes und Kosten –– Rückgabe von Unterlagen, Dokumenten, Betriebsmitteln –– Eignung der Räumlichkeiten –– Zugriffsmöglichkeiten Dritter –– Verschwiegenheitspflicht, Datenschutz –– Einhaltung der gesetzlichen und betrieblichen Arbeitszeitbestimmungen –– Ggf. Vereinbarung einer Kernzeit –– Dokumentation der Arbeitszeit –– Fahrtzeiten –– Widerrufsvorbehalt –– Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates im Einzelfall

B. Steuerrecht I. Bedeutung Die Besonderheit einer ausschließlich in Heimarbeit tätigen Person kann darin 41 gesehen werden, dass sie nicht in den betrieblichen Organismus ihres Auftraggebers eingebunden ist. In diesen Fällen muss geprüft werden, ob es sich bei wertender Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls um eine selbstständige oder eine unselbstständige Tätigkeit handelt.19 In der betrieblichen Praxis sind häufig Fälle anzutreffen, in denen der Arbeit- 42 nehmer die Möglichkeit hat, Teile seiner Arbeit von zu Hause aus zu erledigen. Diese Form der Flexibilisierung des Arbeitsortes führt für sich betrachtet nicht dazu, dass sich etwas an der Arbeitnehmereigenschaft dieser Person ändert. Verrichtet der Arbeitnehmer demnach seine Tätigkeiten teilweise in seinem Home-Office20 und teil-

19 Zu den Einzelheiten der Abgrenzung vgl. Kap. 14 – Freelancer Rn 36 ff. 20 Im Folgenden wird unter dem Begriff Home-Office ein Arbeitsplatz außerhalb der betrieblichen

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 Kapitel 18 Home-Office

weise im Betrieb, ergeben sich im Vergleich zu typischen Beschäftigungsverhältnissen dann keine weiteren lohnsteuerlichen Besonderheiten, wenn aufgrund der Höhe des Arbeitslohnes bzw. der insgesamt zu erbringenden Arbeitszeit die Sonderregelungen für Minijobber21 bzw. Aushilfen22 nicht zur Anwendung kommen. Lohnsteuerliche Besonderheiten ergeben sich jedoch, wenn der Arbeitgeber 43 Arbeitsmittel für das Home-Office stellt und wenn es um die Qualifikation der Fahrt vom Home-Office zum Betriebssitz des Arbeitgebers geht.

II. Vom Arbeitgeber gestellte Arbeitsmittel

44 Für den Fall, dass der Arbeitnehmer im Betrieb seines Arbeitgebers keinen Arbeits-

platz zur Verfügung gestellt bekommt und stattdessen Bürotätigkeiten in seinem Home-Office verrichtet, ist der Arbeitgeber häufig bereit, sich an den Kosten für die Einrichtung und den Unterhalt des Home-Office zu beteiligen. So ist z.B. das Zurverfügungstellen eines betrieblichen Mobiltelefons und/oder eines Laptops selbst dann lohnsteuerfrei, wenn der Arbeitnehmer berechtigt ist, diese Geräte für private Zwecke zu verwenden. Die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 45 EStG setzt allein die Über­ lassung betrieblicher Geräte voraus. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit wird der Arbeitgeber jedoch die Privatnutzung in diesen Fällen begrenzen. Die Ausstattung mit anderen Geräten und die finanzielle Beteiligung an den laufenden Kosten des Home-Office löst in aller Regel einen lohnsteuerpflichtigen Vorgang aus.23

III. Qualifikation der Fahrten vom Home-Office zum Betrieb des Arbeitgebers 1. Allgemeines 45 Für Fahrten vom Home-Office zum Betrieb des Arbeitgebers kann ein steuerfreier Fahrtkostenersatz nur dann geleistet werden, wenn es sich bei der Fahrt um eine Auswärtstätigkeit handelt. Eine solche liegt vor, wenn der Arbeitnehmer vorübergehend außerhalb seiner Wohnung und seiner regelmäßigen Arbeitsstätte beruflich tätig wird. Verfügt der Arbeitnehmer im Betrieb seines Arbeitgebers demnach über keine regelmäßige Arbeitsstätte, so sind die Voraussetzungen für einen steu­ erfeien Fahrtkostenersatz erfüllt. Wird diese Fahrt mit einem auch zur privaten Nutzung überlassenen betrieblichen Kraftfahrzeug durchgeführt, muss kein zusätzlicher geldwerter Vorteil erfasst werden.

Einrichtung des Arbeitgebers verstanden. Dabei muss es sich nicht zwingend um ein häusliches Arbeitszimmer i.S.v. § 9 Abs. 5 S. 1 i.V.m. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 1 EStG handeln. 21 Vgl. Kap. 24 – Minijobber Rn 23 ff. 22 Vgl. Kap. 5 – Aushilfen Rn 28 ff. 23 Vgl. Kap. 38 – Telearbeit Rn 63.

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B. Steuerrecht 

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2. Rechtsprechung des BFH Bis zur Änderung der BFH-Rechtsprechung im Juni 201124 war es möglich, dass ein 46 Arbeitnehmer mehrere regelmäßige Arbeitsstätten innehaben konnte. Die Fahrt zwischen zwei regelmäßigen Arbeitsstätten wurde ebenfalls als eine Fahrt angesehen, für die Fahrtkosten nach Reisekostengrundsätzen steuerfrei erstattet werden konnten.25 Aus diesem Grund stellte sich gerade für Firmenwageninhaber, die bereits im Betrieb über eine regelmäßige Arbeitsstätte verfügten, die Frage, ob es sich bei ihrem Home-Office ebenfalls um eine regelmäßige Arbeitsstätte handelte. In diesem Fall konnte der Nutzungsvorteil nach der pauschalen Bruttolistenpreismethode ermittelt werden, indem zur näher gelegenen regelmäßigen Arbeitsstätte der 0,03 %-Wert anzusetzen war, während für jede Fahrt zur weiter entfernt liegenden Arbeitsstätte 0,002 % vom Bruttolistenpreis je Differenzkilometer angesetzt wurden. War demnach das Home-Office die näher gelegene regelmäßige Arbeitsstätte, so ergab sich aufgrund einer Entfernung von Null Kilometern kein positiver 0,03 %-Wert. Neben dem 1 %-Wert für Privatfahrten war lediglich der fahrtbezogene 0,002 %-Wert anzusetzen. Nach der jüngeren BFH-Rechtsprechung26 kann ein Arbeitnehmer nur noch eine 47 regelmäßige Arbeitsstätte innehaben. Aus diesem Grund kommt ein steuerfreier Fahrtkostenersatz bzw. die Nichterfassung eines geldwerten Vorteils für Fahrten zum Betrieb nur noch dann in Betracht, wenn es sich bei dem Home-Office um die (einzige) regelmäßige Arbeitsstätte handelt. Ist dagegen der Betrieb regelmäßige Arbeitsstätte, so handelt es sich bei der Fahrt vom Home-Office dorthin stets um eine Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, für die kein steuerfreier Fahrtkostenersatz in Betracht kommt.

IV. Home-Office als regelmäßige Arbeitsstätte 1. Überblick Damit das Home-Office als eine regelmäßige Arbeitsstätte im steuerrechtlichen 48 Sinne angesehen werden kann, muss es sich zunächst um eine betriebliche Ein­ richtung des Arbeitgebers27 handeln. Diese Voraussetzung kann entweder dadurch erfüllt werden, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Dienstwohnung mit Home-Office überlässt oder dass er das Home-Office vom Arbeitnehmer anmietet und es ihm anschließend zur beruflichen Nutzung überlässt.

24 BFH, Urt. v. 9.6.2011 – VI R 55/10 –, – VI R 36/10 –, – VI R 58/09 –. 25 Vgl. H 9.5 Allgemeines, Nr. 2 LStH. 26 BFH, Urt. v. 9.6.2011 – VI R 55/10 –, – VI R 36/10 –, – VI R 58/09 –, vgl. dazu ausführlich Kap. 6 – Außendienstmitarbeiter Rn 52 ff. 27 BFH, Urt. v. 9.6.2011 – VI R 55/10 –.

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 Kapitel 18 Home-Office

2. Überlassung einer Dienstwohnung mit Home-Office

49 In Überlassungsfällen ist zunächst zu prüfen, ob dadurch ein geldwerter Vorteil aus-

gelöst wird. Im Fall einer teil- oder unentgeltlichen Wohnungsüberlassung entsteht ein steuerpflichtiger geldwerter Vorteil immer dann, wenn der vom Arbeitnehmer zu entrichtenden Miete unterhalb der ortsüblichen Miete liegt. Nach BFH-Rechtsprechung28 gelten Räume, die sich in unmittelbarer Nähe zur 50 Wohnung des Steuerpflichtigen befinden, von den übrigen Räumen der Wohnung nicht getrennt sind und keine in sich geschlossene Einheit bilden, nicht als Betriebsstätte des Arbeitgebers. Der BFH begründet seine Auffassung damit, dass die berufliche Nutzung der Räume deren Einbindung in die private, wohnliche Sphäre nicht löse und somit den privaten Charakter der Wohnung insgesamt unberührt lasse.29 Infolgedessen sah der BFH die beiden Arbeitszimmer, die sich im ersten Stock der über drei Etagen reichenden Dienstwohnung befanden und die ohne bauliche Trennung über ein zentrales Treppenhaus mit angrenzendem Flur erreichbar waren, nicht als regelmäßige Arbeitsstätte an.

3. Anmietung des Home-Office durch den Arbeitgeber

51 In dieser Variante mietet der Arbeitgeber das Home-Office zunächst vom Arbeitneh-

mer an, um es ihm anschließend wieder zur beruflichen Nutzung zu überlassen.

a) Qualifikation der Mieteinnahmen 52 Zahlungen des Arbeitgebers für ein im Haus des Arbeitnehmers belegenes Büro, das der Arbeitnehmer für die Erbringung seiner Arbeitsleistung nutzt, führt nur dann zu Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, wenn die Nutzung des Büros im vorrangigen Interesse des Arbeitgebers erfolgt.30 Dient die Nutzung des HomeOffice dagegen in erster Linie den Interessen des Arbeitnehmers, so stellen die Mietzahlungen Arbeitslohn dar. Das ist nach Meinung des BFH etwa dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer im Betrieb des Arbeitgebers über einen weiteren Arbeitsplatz verfügt und die Nutzung des Home-Office vom Arbeitgeber lediglich geduldet wird.31

28 BFH, Urt. v. 22.9.2010 – VI R 54/09 –. 29 BFH, Urt. v. 22.9.2010 – VI R 54/09 –, Rn 20. 30 BFH, Urt. v. 19.6.2004 – VI R 25/02 –. 31 BFH, Urt. v. 19.6.2004 – VI R 25/0202 –, Abschnitt II. 1 c) aa).

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b) Vermietetes Home-Office als regelmäßige Arbeitsstätte Unter Zugrundelegung der BFH-Rechtsprechung vom 19.6.2004 hat die OFD Frank- 53 furt am Main in einer Verfügung32 Anhaltspunkte zusammengestellt, nach denen die Anmietung des Home-Office vom und die anschließende Überlassung an den Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen geschieht. Die nachfolgend genannten Merkmale sind demnach Voraussetzung dafür, das Home-Office als regelmäßige Arbeitsstätte anzuerkennen. –– Die Bedingungen der Nutzung des überlassenen Raums wurden in einer schriftlichen Vereinbarung geregelt. –– Für den Arbeitnehmer sind keine geeigneten Büros im Betrieb des Arbeitgebers vorhanden. Versuche des Arbeitgebers, entsprechende Räume von Dritten anzumieten sind fehlgeschlagen. –– Der Arbeitgeber hat für andere Arbeitnehmer, die über keine für ein Arbeitszimmer geeignete Wohnung verfügen, entsprechende Mietverträge mit fremden Dritten abgeschlossen. Die neuere BFH-Rechtsprechung stellt dagegen nach wie vor darauf ab, dass eine 54 betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers nur dann gegeben sein kann, wenn HomeOffice und Wohnung räumlich und baulich voneinander getrennt sind. Im Urteil vom 9.6.201133 merkt der BFH an, dass es insoweit von besonderer Bedeutung sei, ob der Arbeitnehmer die häusliche Sphäre, zu der auch der zum Wohnhaus gehörende Garten zählen kann, verlassen muss, um in sein Arbeitszimmer zu gelangen. Praxistipp Nach der jüngsten Rechtsprechung genügt es nicht mehr, allein die in der Verfügung der OFD Frankfurt am Main genannten Kriterien zu erfüllen, um das Home-Office als regelmäßige Arbeitsstätte anzuerkennen. Es muss auch auf die räumliche Trennung von der häuslichen Sphäre geachtet werden. Damit dürfte sich das Home-Office nur in wenigen Ausnahmefällen als regelmäßige Arbeitsstätte qualifizieren.

Checkliste –– Bei Abschluss von Mietverträgen ist neben der Interessenlage auch auf eine räumliche Trennung von Home-Office zur häuslichen Sphäre zu achten. –– Bei bestehenden Mietverträgen ist zu prüfen, ob das Home-Office nach der neuesten BFH-Rechtsprechung noch immer als regelmäßige Arbeitsstätte zu beurteilen ist. –– Ergibt die Prüfung, dass Home-Office und Betrieb als regelmäßige Arbeitsstätte in Betracht kommen könnten, ist festzustellen, in welcher Tätigkeitsstätte sich der Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit und damit die einzige regelmäßige Arbeitsstätte befindet.

32 Verfügung OFD Frankfurt am Main, v. 7.5.2009 – S-2334 A – 18 – St 211. 33 BFH, Urt. v. 9.6.2011 – VI R 55/10 –.

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C. Sozialversicherungsrecht 55 Sofern eine Vereinbarung über die Ausübung der Tätigkeit innerhalb der privaten

Wohnung getroffen wird, ist weiterhin nach den allgemeinen Kriterien zu prüfen, ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Obwohl die Arbeit in der privaten Wohnung des Arbeitnehmers ausgeübt wird, bleibt der Arbeitnehmer weisungsgebunden. Die räumliche Trennung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beeinflusst das Direktionsrecht nicht. Es liegt weiterhin eine Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers vor. Somit liegt unter den normalen Voraussetzungen ein sozialversicherungs­ 56 pflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor. Es ergeben sich die normalen Verpflichtungen zu Beitragsabführung, -meldung usw.

Libudda

Kapitel 19 Interimsmanager A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis 1. Ausgangssituation und Begriffsbestimmung In der Unternehmenspraxis kann sich aufgrund unterschiedlicher Umstände ein 1 Bedürfnis zur Besetzung ungeplanter bzw. unerwarteter Vakanzen in Managementpositionen ergeben. Beispiel –– Geschäftsführer erklärt die außerordentliche Kündigung. –– Vorstand legt überraschenderweise sein Amt nieder. –– Abschluss eines Aufhebungsvertrags auf Wunsch des Managers. –– Führungspersonal fällt krankheitsbedingt aus oder verstirbt.

Auch kann das Bedürfnis einer nur vorübergehenden Ausgestaltung einer Lei­ 2 tungsfunktion von vornherein geplant sein, bspw.: –– zur Erledigung konkret umrissener Programm- oder Projektarbeit, wie IT-Projekten, die Implementierung von Reporting-Systemen etc. –– zur Einführung neuer Strukturen und Methoden etc. –– bei Neuausrichtungen, Restrukturierungen, Sanierungen, Unternehmenskauf oder -verkauf, Post-Merger-Integration etc. –– zur Übernahme des Krisenmanagements. Kennzeichnend für beide vorbenannten Konstellationen ist das Bedürfnis eines von 3 vorneherein zeitlich befristeten Einsatzes einer Person auf einer Management­ position im Unternehmen. Es soll entweder kurzfristiger Personalbedarf gedeckt oder dem Erfordernis einer Flexibilisierung im Rahmen einer nach Zeit und/oder Umfang abgrenzbarer Aufgabe Rechnung getragen werden. Häufig geht es hierbei um den Import externen Fachwissens. In aller Regel soll das gesuchte Personal die Position eines (Fremd-)Geschäftsführers, Vorstands, Aufsichtsrats oder Managementpositionen auf zweiter Führungsebene ausfüllen. In all diesen Fällen ist der Einsatz eines Interimsmanagers in Betracht zu ziehen. Begriffsbestimmung Interimsmanagement ist der befristete Einsatz externer Führungskräfte in Unternehmen. Interimsmanagern werden Aufgaben des oberen und mittleren Managements übertragen und die notwendigen Kompetenzen und Weisungsbefugnisse eingerichtet.

Zum Tätigkeitsbild des Interimsmanagers gibt es derzeit kaum belastbare Statistiken, 4 doch kann die Anzahl der Interimsmanager in Deutschland auf mehr als 1.500 Personen geschätzt werden. Interimsmanager finden ihren Einsatz überwiegend in

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mittelständischen und großen Unternehmen, wobei die Branchen des Maschi­ nen- und Anlagenbaus sowie der Automobil- und Zulieferindustrie diese Leistungen am häufigsten abrufen. Vor dem Hintergrund des Anforderungsprofils an das Interimsmanagement wird 5 die Person des Interimsmanagers in aller Regel ein ausgewiesener Experte mit hoher fachlicher Expertise sein, der Erfahrungen in den Bereichen der Personalführung und Projektleitung sowie im Umgang mit Entscheidungskompetenzen nachweisen kann. Da die Tätigkeit zumeist unter erheblichem Zeit- und Erwartungsdruck ausgeübt wird, sind unverzichtbare Eigenschaften des Interimsmanagers: –– psychische und physische Belastbarkeit, –– erhebliche Fertigkeiten des analytischen Denkens, –– Anpassungsfähigkeit sowie Durchsetzungskraft, –– hohe Sozialkompetenzen und Kommunikationsstärken. Praxishinweis Die wichtige sowie zugleich schwierige Auswahl des jeweils „richtigen“ Interimsmanagers wird hinsichtlich des Erfolgs der zu erledigenden Aufgaben entscheidend sein. Hier können professionelle Vermittlungsagenturen branchenspezifisches Know-how bei der Auswahl und Vermittlung eines Interimsmanagers bieten.

2. Abgrenzung von der Unternehmensberatung

6 Während im Beratungsprozess ein Tätigwerden des Kunden bzw. Unternehmens zur

Umsetzung des Beratungsprojekts erforderlich ist, übernimmt ein Interimsmanager die Führung und Steuerung der Vorgänge und Prozesse eines Unternehmens unmittelbar. Wesentliches Abgrenzungsmerkmal zwischen dem Interimsmanagement und der Unternehmensberatung ist, dass Interimsmanager für den Zeitraum ihrer Tätigkeiten die Leitung des Unternehmens(‐teil)bereichs übernehmen, wozu sie mit entsprechenden Handlungsvollmachten ausgestattet sind. Demgegenüber kennzeichnet die Unternehmensberatung, dass nach Situationsanalyse und Zielformulierung für das Beratungsprojekt eine Konzeptentwicklung sowie Konzeptpräsentationen folgen und ggf. seitens der Unternehmensberatung dem Kunden eine Mithilfe bei der Umsetzung und Implementierung (in Form des „Coaching“) sowie ein Maßnahmencontrolling (in Form einer fortlaufenden Überprüfung der erstrebten Zielerreichung) angeboten werden. Eine Übernahme der Leitungsfunktion des Unter­ nehmens erfolgt bei der Unternehmensberatung nicht.

3. Abgrenzung zur Arbeitnehmerüberlassung

7 Zeitarbeitsfirmen bieten in aller Regel die Überlassung von Arbeitskräften im Hin-

blick auf substituierbare Tätigkeiten in produzierenden bzw. ausführenden Bereichen an. Für Tätigkeiten in den oberen Leitungsebenen sind Leiharbeitnehmer

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grundsätzlich nicht vorgesehen. Auch sind sie arbeitsvertraglich an eine Zeitar­ beitsfirma gebunden.1 Demgegenüber sind Interimsmanager, die Managementpo­ sitionen in Unternehmen übernehmen, in aller Regel als selbstständige Unterneh­ mer tätig.2 Vorteile in der Praxis –– Schaffung zusätzliche Ressourcen bei kurzfristiger Verfügbarkeit. –– Flexible und effiziente Einsatzmöglichkeit bei ziel- und ergebnisorientierter Auftragsabwicklung. –– Import externen Fachwissens und Know-how-Transfer. –– Vertiefte Branchenkenntnisse und erprobte Führungserfahrungen. –– Unternehmenspolitische Unabhängigkeit. –– Keine Karriere-Erwartungen des Interimsmanagers.

II. Interimsmanager als Organe Interimsmanager, die eine Position des oberen Managements (wie bspw. in der 8 Geschäftsführung oder dem Vorstand) des jeweiligen Unternehmens einnehmen sollen, sind gem. den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben in die jeweilige Organ­ stellung zu berufen. Auch ist das schuldrechtliche Anstellungsverhältnis zur Gesellschaft vertraglich zu regeln.

1. Bestellung zum Organ Die Bestellung zum Organ der Gesellschaft hat in Abhängigkeit zur Gesellschafts- 9 form des jeweiligen Unternehmens sowie im Hinblick auf die durch den Interimsmanagers zu besetzenden Position gem. den jeweils einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Normen und Vorgaben zu erfolgen. Im konkreten Einzelfall hat hierbei das jeweils zuständige Gremium zu handeln. Beispiel –– Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH durch Beschluss der Gesellschafterversammlung gem. § 46 Nr. 5 GmbHG. –– Bestellung zum Vorstand einer AG durch den Aufsichtsrat gem. § 84 Abs. 1 AktG. –– Bestellung zum Mitglied des Aufsichtsrats einer AG durch Wahl der Hauptversammlung gem. § 101 Abs. 1 AktG. –– Bestellung zum Mitglied des Aufsichtsrats einer GmbH durch die Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung, §  52 GmbHG (zwingend unter den Voraussetzungen des DrittelbG, MitbestG, MontanMitbestG, MitbestErgG).

1 Siehe zur Abgrenzungsproblematik auch Kap. 3 – Arbeitnehmerüberlassung. 2 Siehe hierzu unter Rn 27.

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10 Ferner hat die Eintragung im Handelsregister gem. §  39 HGB bzw. §  81 AktG zu

erfolgen. Die Eintragung wirkt rein deklaratorisch und stellt keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Bestellung oder Abberufung dar.3 Es ist jedoch der Grundsatz der Publizität des Handelsregisters nach § 15 HGB zu berücksichtigen, wonach Eintragungen in das Handelsregister einen umfassenden Verkehrs- und Vertrauensschutz genießen. Somit wird ein Schutz der Interessen Dritter im Vertrauen auf Eintragungen bzw. Nichteintragungen im Handelsregister gewährleistet.4 Praxistipp Änderungen in Vorstand oder Geschäftsführung sind wegen der Wirkung der Publizität jeweils zeitnah im Handelsregister einzutragen.

2. Beendigung der Organstellung

11 Endet der Einsatz eines Interimsmanagers, so wird in aller Regel auch ein Ausschei-

den aus der Organstellung gewünscht sein. Die Berufung zum Organ der Gesellschaft ist maßgeblich durch den (befristeten) Einsatz als Führungsperson „bedingt“. In diesem Zusammenhang besteht die Möglichkeit, den Interimsmanager unter Beachtung der jeweils für die Gesellschaft maßgeblichen Normen aus der Organstellung abzuberufen, wozu es wiederum entsprechender Handlungen des jeweils zuständigen Gremiums bedarf. Beispiel –– Abberufung eines GmbH-Geschäftsführer durch Beschluss der Gesellschafterversammlung gem. § 46 Nr. 5 GmbHG. –– Widerruf der Bestellung zum Vorstand einer AG durch den Aufsichtsrat gem. § 84 Abs. 3 AktG.

12 Soweit ein Widerruf nur aus wichtigem Grund möglich ist, was bei einer AG gem.

§ 84 Abs. 3 S. 1 AktG stets und bei einer GmbH nach § 38 Abs. 2 GmbHG (bei entsprechender Bestimmung im Gesellschaftsvertrag) möglicherweise zu berücksichtigen ist, können hieraus im Hinblick auf die Bestellung eines Interim-Organs erhebliche Schwierigkeiten erwachsen.

Anmerkung Für den Vorstand einer AG gilt jedoch ohnehin, dass ein Vorstandsmitglied gem. § 84 Abs. 1 S. 1 AktG auf höchstens fünf Jahre bestellt werden kann.

3 Vgl. für den GmbH-Geschäftsführer Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 Rn 11. 4 Eingehend hierzu Koller/Roth/Morck/Roth, § 15 Rn 1 ff.

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In der Praxis sind Gestaltungen üblich, wonach der Interimsmanager lediglich 13 befristet zu dem Organ bestellt wird.5 Die Organstellung endet in diesen Fällen mit Ablauf der Frist, ohne dass weitere Erklärungen des zuständigen Gremiums oder des Interimsmanagers erforderlich werden. Praxistipp Eine befristete Bestellung bietet sich insbesondere bei projektbezogenen Einsätzen von Interimsmanagern an, wenn die Dauer oder der Ablauf des Projekts klar eingrenzbar bzw. bestimmbar sind. Hierbei kann der schuldrechtliche Anstellungsvertrag über eine „Koppelungsklausel“ an den Bestand der Organstellung „gebunden“ werden.

3. Anstellungsvertrag des Organs Gegenüber der gesellschaftsrechtlichen Organstellung ist das schuldrechtliche 14 Anstellungsverhältnis zwischen Interimsmanager und Unternehmen rechtlich eigenständig und als solches durch gesonderte schuldrechtliche Vereinbarung zu gestalten (Geschäftsführer- bzw. Vorstands-Anstellungsvertrag). Bei der Gestal­ tung des Vertragsverhältnisses können verschiedene Vertragstypen in Erwägung gezogen werden. Insoweit ist zu erkennen, dass bei einer Bewertung der Rechtsqualität eines solchen Vertrages objektive Kriterien der Vertragsbeziehung (unter Berücksichtigung des Willens der Vertragsparteien) heranzuziehen sind. Ungeachtet der Benennung und Wortwahl des schriftlichen Vertragswerks ist demnach entscheidend, wie die Rechtsbeziehung im Tatsächlichen umgesetzt (d.h. „gelebt“) wird. In der Praxis sind Interimsmanager regelmäßig als Selbstständige6 zu erkennen, 15 die für die auftraggebenden Unternehmen tätig sind. Geläufig ist eine Bezeichnung als „freier Mitarbeiter“, „Berater“ oder „freier Dienstnehmer“. Die Tätigkeit wird üblicherweise auf Grundlage eines Dienstleistungsvertrages vereinbart. Seltener finden sich in der Praxis Vertragsgestaltungen als Werkvertrag, wonach der Interimsmanager die Herbeiführung eines – durch seine Arbeit bzw. Dienstleistung – herbeizuführenden Erfolges verspricht. Hinweis Üblich ist ein Einsatz von Interimsmanagern als selbstständige Unternehmer auf Grundlage eines Dienstleistungsvertrages.

Bei der rechtlichen Bewertung des schuldrechtlichen Vertragsverhältnisses zwischen 16 dem Interimsmanager und dem Unternehmen kann fraglich sein, ob ein angestellter

5 Vgl. für den GmbH-Geschäftsführer Michalski/Terlau, § 38 Rn 80. 6 Siehe hierzu Kap. 35 – Selbstständige Arbeit.

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Interimsmanager ggf. als Arbeitnehmer zu qualifizieren ist. Hierbei bedarf es einer differenzierten Betrachtung des Einzelfalls: Wird ein Interimsmanager als Vorstand einer AG eingestellt, unterliegt er 17 zumeist keinen Weisungsrechten der Gesellschaft. Da er im Management selbst die Geschicke des Unternehmens von hierarchisch oberster Ebene aus leitet, fehlt es am wesentlichen Kriterium weisungsabhängiger Tätigkeit in sozialer Abhängigkeit; eine Qualifizierung als Arbeitnehmer scheidet aus. Schwierigkeiten in der Abgrenzung des Anstellungsverhältnisses eines Interims18 managers gegenüber dem eines Arbeitnehmers können bei GmbH-Geschäftsfüh­ rern auftauchen. Ist festzustellen, dass ein angestellter Interimsmanager in sozialer Abhängigkeit weisungsgebunden tätig wird, so kann er – trotz der besonderen situationstypischen Vertragsausgestaltung – als Arbeitnehmer zu qualifizieren sein. Nach Auffassung des BAG ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein der Organstellung eines GmbH-Geschäftsführers zugrundeliegender Anstellungsvertrag einen Arbeitsvertrag darstellt.7 Denn der GmbH-Geschäftsführer unterliegt gem. § 37 GmbHG den Weisungen der Gesellschaft. Hierin kann eine – für die Annahme einer Arbeitnehmereigenschaft hinreichende – Weisungsgebundenheit gesehen werden. Soweit aber eine enge Weisungsgebundenheit – insbesondere hinsichtlich der Leistungserbringung – nicht erkannt werden kann, ist auch bei einem GmbHGeschäftsführer in aller Regel keine Arbeitnehmereigenschaft zu erkennen.8 Hinweis Dem GmbH-Geschäftsführer kann u.U. die Arbeitnehmereigenschaft zugesprochen werden, was eine Anwendbarkeit von Arbeitnehmerschutzrechten zur Folge haben kann. 19 In der Praxis umfasst ein Anstellungsvertrag üblicherweise eine Vielzahl von Rege­

lungsgegenständen, deren Inhalte sowohl aufeinander sowie auf den speziellen Zweck des vorübergehenden Einsatzes abgestimmt sein müssen. Übliche Vertragsgegenstände sind hierbei:

Regelungsgegenstände –– Bestimmung der Vertragslaufzeit (Beginn und Ende; Befristung; ggf. wirksame Koppelungsklausel), –– Regelungen zu Kündigungs- und Verlängerungsmöglichkeiten, –– Definition des Leistungsgegenstands (Dienst- oder Werkvertrag), –– Vergütung und Aufwandsentschädigung, –– Festlegung von Berichtswegen (Reporting), –– Katalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte (sofern nicht im Gesellschaftsvertrag hinreichend abgebildet),

7 Vgl. BAG, Urt. v. 26.5.1999 – 5 AZR 664/98 = NJW 1999, S. 3731. 8 Eingehende hierzu Hümmerich/Reufels/Reufels, § 2 Rn 9 m.w.N. aus der Rechtsprechung.

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Zulässigkeit von Nebentätigkeiten, Bestimmung zu einem etwaigen nachvertraglichen Wettbewerbsverbot (unüblich bei Interimsmanagern), Datenschutz, Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflichten, Klauseln zu Urlaubsgewährung und Freistellungen, Abschluss von Unfallversicherung sowie D&O Versicherung, Haftungsklauseln etc.

III. Interimsmanager auf zweiter Führungsebene Werden Interimsmanager auf zweiter Führungsebene tätig, wird häufig ein Arbeits­ 20 verhältnis zwischen Unternehmen und Interimsmanager abgeschlossen, wenn nicht der Interimsmanager als Freelancer für das Unternehmen tätig wird.9 Ein Arbeitsvertrag kann hierbei unter einer Befristung gestaltet werden, was im Hinblick auf die vorübergehende Natur des Einsatzes zumeist zweckdienlich ist. In der Praxis sind Einsatzzeiten für Interimsmanager von drei bis zwölf Monaten vorrangig zu finden, je nach Zielen und Gründen der Tätigkeit. Hinweis Bei der Ausgestaltung eines befristeten Anstellungsvertrages des Interimsmanagers sind die Vorgaben des TzBfG zu berücksichtigen.10

Wird ein unbefristetes Anstellungsverhältnis mit einem Interimsmanager in 21 Betracht gezogen, ist auf eine hieraus ggf. resultierende Anwendbarkeit des KSchG hinzuweisen, wenn das Anstellungsverhältnis länger als sechs Monate besteht und in dem Betrieb in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden. In Folge dessen wird eine Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Kündigungsausspruch sodann eine soziale Rechtfertigung erfordern. Achtung Die einseitige Beendigung des Anstellungsverhältnisses wird bei Anwendbarkeit des KSchG erheblich erschwert!

Der Interimsmanager auf „zweiter Ebene“ ist mit den für seine Tätigkeit erforderli- 22 chen Vertretungs‐ und Handlungsvollmachten auszustatten, wozu es gesonderter Bevollmächtigungen bedarf. Üblich ist die Erteilung von Prokura i.S.d. § 48 HGB oder Handlungsvollmachten i.S.d. § 54 HGB. Während die Prokura, die zu Geschäften jeder Art ermächtigt, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt, in

9 Siehe hierzu Kap. 14 – Freelancer. 10 Siehe hierzu Kap. 7 – Befristung.

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ihrem gesetzlichen Umfang gem. § 50 HGB im Außenverhältnis nicht eingeschränkt werden kann (wenngleich eine Begrenzung im Innenverhältnis möglich ist), bietet die Handlungsvollmacht flexible Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich Inhalt und Reichweite der Vollmacht: hier ist eine individuelle Bestimmung des Umfangs der Vollmacht durch Erteilung von General‐, Arthandlungs‐ oder Spezialhandlungsvollmacht möglich.11

IV. Vermittlung des Interimsmanagers durch eine Agentur

23 In der Praxis wird der Einsatz eines Interimsmanagers häufig durch eine Agentur

vermittelt. Für das suchende Unternehmen bietet dies verschiedene Vorteile, wie eine seitens der Agenturen durchgeführte Vorauswahl von Kandidaten nach Knowhow, Expertise und Branchenkenntnissen, was eine Qualitätssicherung zugunsten des Unternehmens bewirken kann. Für den beteiligten Interimsmanager bietet die Vermittlung die Möglichkeit einer nahtlosen Einsatzplanung ohne eigene Vermitt­ lungs‐ bzw. Bewerbungsbemühungen. Beschränkt sich die Agentur hierbei auf die bloße Kontaktvermittlung und wird der Interimsmanager aufgrund eigenen, unmittelbaren Vertrags zum Unternehmen – als Selbstständiger oder Angestell­ ter – tätig, bestehen keine Besonderheiten.12 Wird der Interimsmanager nicht aufgrund eigenen Kontraktes mit dem Unter24 nehmen, sondern im Rahmen eines Vertragsverhältnisses zwischen Agentur und Unternehmen tätig, so ist er als Erfüllungsgehilfe der Vermittlungsagentur i.S.d. § 278 BGB anzusehen. Hierbei schließen Agentur und Unternehmen eine Vereinbarung, in welcher sich die Agentur gegenüber dem Unternehmen zur Erfüllung von Diensten bzw. Aufträgen verpflichtet, welche diese ihrerseits durch den Interimsmanager erledigen lässt (Dreiecks-Konstellation). Ist der Interimsmanager hierbei als Arbeitnehmer der Agentur zu qualifizieren, kann ein besonderes Risiko in der Nähe zur Konstellation der Arbeitnehmerüberlassung gesehen werden.13 Kann das Rechtsverhältnis zwischen Agentur und Interimsmanager demgegenüber nicht als Arbeitsverhältnis, sondern als freier Dienstvertrag bewertet werden, scheidet die Annahme einer Arbeitnehmerüberlassung aus. Hinweis Wird ein Interimsmanager im Unternehmen tätig, ohne dass eine Vertragsbeziehung zwischen dem Interimsmanager und dem Unternehmen besteht, so dass eine Dreiecks-Konstellation vorliegt, sollte stets hinterfragt werden, ob es sich um Arbeitnehmerüberlassung handelt und – wenn dies zu bejahen ist – ob eine Erlaubnis nach dem AÜG vorliegt.

11 Eingehend zu Prokura und Handlungsvollmacht siehe Heidel/Schall/Schmidt, § 48 Rn 1 ff., § 54 Rn 3 ff. 12 Es gelten die vorstehenden Ausführungen. 13 Siehe hierzu auch Kap. 3 – Arbeitnehmerüberlassung Rn 22 ff.

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V. Kosten des Einsatzes Die Vergütung der Tätigkeiten eines Interimsmanagers folgt den zugrundeliegenden 25 Vertragsgestaltungen. In der Praxis hat sich eine Vergütung nach Tagessätzen eta­ bliert. Nicht unüblich sind Tagessätze zwischen 1.000 bis 2.500 €. Die Bewertung der Wirtschaftlichkeit eines Einsatzes von Interimsmanagern 26 kann nur im jeweils konkreten Einzelfall erfolgen. Im Allgemeinen kann festgehalten werden, dass eine vergleichende Betrachtung zwischen den Kosten eines festangestellten Mitarbeiters gegenüber den Kosten eines Interimsmanager nur schwerlich möglich erscheint. Denn bei einem Kostenvergleich durch Gegenüberstellung der Kosten eines Interimsmanagers zu den Kosten eines entsprechenden festangestellten Mitarbeiters sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen. So sind einerseits zum Grundgehalt eines festangelstellten Projektmanagers in aller Regel noch weitere Kosten hinzuzurechnen, wie Bonuszahlungen, Arbeitgeberbeiträge, Betriebsrente, Firmenwagen, Ausbildung, andere geldwerte Vorteile, Kosten für Overhead von Personal-, Lohn- und Gehaltskosten, Management und andere Support-Kosten. Hinzu treten tatsächlich Kosten für Einstellung und Entlassung. Andererseits werden Interimsmanager meist nur bezahlt, wenn sie auch tatsächlich arbeiten. Auch sind sie nur solange im Team, wie Sie gebraucht werden. Administrative Zeiten, Krankheit, Urlaub und Feiertage werden in der Regel nicht bezahlt. Ebenfalls gibt es keine Vorabinvestitionen oder Gebühren für die Anwerbung oder Entlassung. Arbeitsmittel wie Computer, Handy und Büro-Kosten werden häufig vom Interimsmanager selber getragen. Hinweis Will man die Kosten durch Gegenüberstellung ermitteln, müssen die vorbenannten Unterschiede hinreichend berücksichtigt werden. In der Praxis können bei zutreffender Kostenbetrachtung die Kosten eines Interimsmanagers häufig als „günstiger“ erachtet werden.

Checkliste Wesentliche Fragestellungen, die Sie bei der Erwägung und Planung des Einsatzes eines Interimsmanagers zu berücksichtigen haben: –– Welche Funktion soll besetzt werden? –– Welche Dauer soll die Tätigkeit haben? –– Welche vertragliche Grundlage ist für die konkrete Tätigkeit die richtige (Maßgebliche Kriterien: Aufgabengebiet, Hierarchieebene, freies Handeln erforderlich, Kosten)? –– Bedarf es einer gesellschaftsrechtlichen Bestellung? –– Ist der Interimsmanager mit Vollmachten auszustatten?

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B. Steuerrecht I. Bedeutung für die Praxis 27 In der Unternehmenspraxis sind zwei Fallgruppen bei der Inanspruchnahme von Interimsmanagern anzutreffen: entweder wird der Interimsmanager direkt beauf­ tragt oder das Unternehmen schließt mit einer Personalüberlassungsfirma einen entsprechenden Vertrag über den Einsatz des Interimsmanagers.14 Insbesondere in der ersten Fallgruppe, die nachfolgend näher beleuchtet wird, 28 stellt sich die Frage, ob es sich bei dem Interimsmanager um einen Arbeitnehmer in lohnsteuerlichem Sinne handelt. Denn die Qualifizierung der Tätigkeit als Arbeitnehmer hat unmittelbar Einfluss auf die weiteren lohnsteuerlichen Pflichten aus dem Vertragsverhältnisses zwischen Interimsmanager und Auftraggeber bzw. der Personaldienstleistung.

II. Tätigkeitsgebiet des Interimsmanagers

29 Regelmäßig wird der Interimsmanager z.B. als Unterstützung in einer Krise oder für

die Überbrückung einer Vakanz tätig, z.B. bis die Position eines Geschäftsführers neu besetzt ist.15

1. Frage der selbstständigen oder einer nichtselbstständigen Tätigkeit

30 Die Frage, ob ein Steuerpflichtiger eine Tätigkeit selbstständig oder nichtselbst­

ständig ausübt, ist anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Merkmale nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Diese Merkmale sind im konkreten Einzelfall zu gewichten und gegeneinander abzuwägen.16 Eine Bindungswirkung nach den Kriterien gem. Sozialversicherungs- und Arbeitsrecht einerseits und Steuerrecht andererseits besteht jedoch nicht, auch wenn in der Praxis meistens Übereinstimmung besteht.17 Unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten können für eine nichtselbststän­ 31 dige Tätigkeit insbesondere persönliche Abhängigkeit, Weisungsgebundenheit, feste Arbeitszeiten und Bezüge, Anspruch auf Urlaub und auf sonstige Sozialleistungen, Überstundenvergütung sowie Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall und Eingliederung in den Betrieb sprechen. Für persönliche Selbstständigkeit hingegen sprechen Selbstständigkeit in der 32 Organisation und der Durchführung der Tätigkeit, Unternehmerinitiative, Bindung

14 Vgl. Rn 15. 15 Zu den Einzelheiten vgl. Rn 1 ff. 16 BFH/NV Urt. v. 20.10.2010 – VIII R 34/08 –. 17 Besgen/Greilich/Mader/Perach/Voss, Arbeitnehmer, Rn 170.

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nur für bestimmte Tage an den Betrieb, geschäftliche Beziehungen zu mehreren Vertragspartnern sowie Handeln auf eigene Rechnung und Eigenverantwortung.

2. Möglichkeiten der Feststellung einer selbstständigen oder einer nichtselbstständigen Tätigkeit Ist eine eindeutige Qualifizierung der Tätigkeit, ob sie selbstständig oder unselbst- 33 ständig als Arbeitnehmer ausgeübt wird, nach den allgemeinen Abgrenzungsmerkmalen nicht ohne Weiteres herzustellen, kann die sozial- und arbeitsrechtliche Beurteilung ein Indiz für die lohnsteuerliche Beurteilung sein. Praxistipp Für eine korrekte lohnsteuerliche Behandlung des Interimsmanagers ist eine eindeutige Zuordnung der Tätigkeit, ob selbstständig oder nichtselbstständig ausgeübt, zwingend notwendig. Im Zweifelsfall sollte der steuerliche Status im Wege einer lohnsteuerlichen Anrufungsauskunft nach § 42e EStG abgesichert werden.

3. Gesellschafter-Geschäftsführer: Arbeitnehmer oder Selbstständiger? Bei Vertretern juristischer Personen, z.B. bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer, 34 ist zu unterscheiden zwischen der Organstellung und dem ihr zugrundeliegenden Anstellungsverhältnis. Bestellung und Abberufung als Vertretungsorgan sind ausschließlich körperschaftliche Rechtsakte, durch die gesetzliche und satzungsgemäße Kompetenzen übertragen oder entzogen werden. Dagegen ist die Anstellung zum Zweck des Tätigwerdens als Vertretungsorgan regelmäßig ein schuldrechtlicher gegenseitiger Vertrag. Ob das Anstellungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist, hängt auch nicht vom 35 Umfang der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers im Innenverhältnis ab, sondern richtet sich nach den allgemeinen Kriterien zur Abgrenzung selbstständiger von nichtselbstständiger Tätigkeit.18 Abzustellen ist deshalb auch bei der Beurteilung der Tätigkeit eines GmbH-Geschäftsführers vornehmlich auf die Umstände des Einzelfalls und nicht auf dessen organschaftliche Stellung.19 Praxistipp Sollte sich herausstellen, dass keine freiberufliche Tätigkeit – z.B. als beratender Betriebswirt – und auch keine nichtselbstständige Tätigkeit vorlag, könnten Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorliegen, die auch gewerbesteuerpflichtig sind.

18 Vgl. Rn 18. 19 BFH/NV Urt. v. 20.10.2010 – VIII R 34/08 – Rn 23.

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 Kapitel 19 Interimsmanager

4. Vermittlung über eine Personaldienstleistung

36 Wird der Interimsmanager ausnahmsweise über eine Personalüberlassungsgesell­

schaft angeheuert, hat die Personalüberlassungsfirma die lohnsteuerlichen Pflichten zu erfüllen.20 Gleichwohl besteht die (zumindest theoretische) Gefahr, dass das den Interims37 manager beschäftigende Unternehmen für die entsprechenden Lohnsteuerbeträge der Personalüberlassungsfirma gem. § 42d Abs. 6 EStG haftet. Dies könnte z.B. im Fall einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung oder einer Insolvenz des Personal­ dienstleisters der Fall sein. Checkliste –– Prüfung, ob die Tätigkeit als Interimsmanager selbstständig oder als Arbeitnehmer ausgeübt wird. –– Im Zweifel empfiehlt sich eine lohnsteuerliche Anrufungsauskunft nach § 42e EStG. –– Getrennte Aufzeichnung von Honoraraufwendungen und Auslagenersatz bei nicht zweifelsfreier Feststellung der selbstständigen Tätigkeit.

C. Sozialversicherungsrecht I. Einleitung 38 Interimsmanager können grundsätzlich als nicht-abhängig (selbstständig) und somit sozialversicherungsfrei beschäftigt werden. Auch in diesem Fall ist es entscheidend, dass die Gesamtschau der Tätigkeit einer selbstständigen Tätigkeit entspricht.

II. Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit

39 Die diesbezüglichen Merkmale entsprechen denen des Freelancers/freien Mitarbei-

ters wie bspw. die freie Gestaltung von Arbeitszeit- und Ort, kein festes Einkommen (evtl. Erfolgshonorar), kein Anspruch auf bezahlten Urlaub, keine Einbindung in den Betriebsablauf des Auftraggebers, Einkommenssteuerpflicht und Unternehmerrisiko. Bei der Beurteilung darüber sind ebenfalls die gelebten, tatsächlichen Verhältnisse entscheidend und nicht das vertraglich vereinbarte. Dementsprechend kann hier auf die Ausführungen unter C in Kap. 14 – Freelancer verwiesen werden.

III. Rechtssicherheit 40 Allerdings sind Interimsmanager aufgrund der übertragenen Verantwortung und Kompetenzen und der engen Anbindung an das Tagesgeschäft häufig stark in die

20 Zu den Einzelheiten vgl. Kap. 3 – Arbeitnehmerüberlassung Rn 67 ff. sowie Rn 24.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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bestehenden Betriebsabläufe und Vorgaben eingebunden, so dass gerade bei dieser Personengruppe eine besondere Vorsicht hinsichtlich der Einstufung als Selbstständige geboten ist. Grundsätzlich ist hier in Zweifelsfällen zur Erlangung von Rechtssicherheit die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahren gem. § 7a SGB IV zu empfehlen.21 Sofern der Interimsmanager als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, gelten 41 hinsichtlich der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung die allgemeinen Regelungen über die Versicherungspflicht oder -freiheit in den einzelnen Sozialgesetzbüchern.22

21 Näheres dazu: Kap. 14 – Freelancer Rn 49 ff. 22 Vgl. Teil 2 – Grundlagen.

Maihöfer

Kapitel 20 Job-Sharing A. Arbeitsrecht I. Definition und Bedeutung für die Praxis Insbesondere hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben Arbeitnehmer das Bedürfnis, Teilzeit zu arbeiten und ihre Arbeitszeit möglichst flexibel auf ihre individuellen Bedürfnisse anzupassen. Starre Teilzeit-Arbeitszeiten, z.B. montags bis freitags von 8.00 bis 12.00 Uhr, können u.U. der Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder der Vereinbarkeit von Tätigkeiten bei mehreren Arbeitgebern zuwiderlaufen. Der Arbeitnehmer kann daher das Bedürfnis haben, die Lage seiner Teilzeit-Arbeitszeit flexibel an seine Verfügbarkeit anzupassen. Sollte der Arbeitgeber dem Wunsch des Arbeitnehmers, die Lage der Teilzeit-Arbeit zu flexibilisieren, nicht nachkommen, sieht sich der Arbeitnehmer u.U. gezwungen, sein Teilzeit-Beschäftigungsverhältnis zu kündigen. Der Arbeitgeber könnte jedoch ein Interesse daran haben, den Arbeitnehmer im Unternehmen zu halten, z.B. aufgrund seiner Qualifikationen, der hohen Einarbeitungskosten, seiner guten Kundenbeziehungen etc. Er kann dem Wunsch einer individuellen Arbeitszeitverteilung allerdings nur nachkommen, wenn gewährleistet ist, dass der Arbeitsplatz während der Betriebszeiten durchgehend besetzt ist und die anfallende Arbeit auch in Abwesenheit des Arbeitnehmers erfüllt wird. Durch Vereinbarung einer Arbeitsplatzteilung, sog. Job-Sharing, kann dem Wunsch des Arbeitnehmers auf Flexibilisierung der Lage der Arbeitszeit einerseits und dem Bedürfnis des Arbeitgebers, den Arbeitsplatz durchgehend zu besetzen andererseits, entsprochen werden. Job-Sharing ist in § 13 TzBfG gesetzlich geregelt und liegt vor, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, dass mehrere Arbeitnehmer sich die Arbeitszeit an einem Arbeitsplatz teilen. Der im TzBfG verwendete Begriff „Arbeitsplatzteilung“ ist insoweit etwas ungenau, da sich die Arbeitnehmer nicht den Arbeitsplatz, sondern die auf einen konkreten Arbeitsplatz anfallende Arbeitszeit teilen. Vorteile des Job-Sharing Variable Arbeitszeitverteilung nach den Wünschen des/der Arbeitnehmer, dadurch: –– hohe Job-Zufriedenheit, –– hohe Mitarbeiterbindung, –– ggf. geringere Ausfallzeiten, –– gezielte Vertretungsmöglichkeit im Urlaubsfall, –– Möglichkeit längerer arbeitsfreier Phasen im Bedarfsfall, –– ständige Besetzung des Arbeitsplatzes und dadurch effektivere Auslastung der Arbeitsmittel (insbesondere bei Maschinenarbeitsplätzen), –– gesteigerte Eigenverantwortlichkeit der Arbeitnehmer durch Aufteilung der Arbeitszeit unterein­ ander sowie –– Fach- und Spezialwissen bleibt beim Ausscheiden eines beteiligten Arbeitnehmers am Arbeitsplatz zumindest teilweise erhalten.

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 Kapitel 20 Job-Sharing

Herausforderungen beim Job-Sharing –– Erhöhte Informations- und Kommunikationsanforderungen der Arbeitnehmer, –– Verringerung der Übergabezeiten, –– Neubesetzung eines ausgeschiedenen Job-Sharing Partners und –– Koordination der Arbeitszeiten bei mangelndem Konsens der Arbeitnehmer. 5 Das Job-Sharing unterscheidet sich von der starren Teilzeitarbeit dadurch, dass ein

Vollzeitarbeitsplatz vom Arbeitgeber nicht in zwei Halbtagsarbeitsplätze mit jeweils unterschiedlichen Arbeitsaufgaben aufgelöst wird, sondern diese Tätigkeiten des konkreten Arbeitsplatzes von mindestens zwei Teilzeitarbeitnehmern, sog. Job-Sharer, in gemeinschaftlicher Verantwortung für die Funktionserfüllung ausgeübt werden. In der Praxis eignet sich das Job-Sharing am besten dort, wo sich die Arbeitstä6 tigkeit ohne Weiteres auf eine Zeitachse verteilen lässt, also dort, wo die Arbeitsaufgaben aus nicht miteinander verbundenen Tätigkeiten bestehen. Hier beschränkt sich die Zusammenarbeit der Arbeitnehmer lediglich darauf, die zeitliche Besetzung des Arbeitsplatzes zu regeln.1 Praxishinweis In personeller Hinsicht eignet sich das Job-Sharing insbesondere für: –– Arbeitnehmer mit pflegebedürftigen Angehörigen, –– Erziehende und –– Arbeitnehmer mit mehreren Arbeitgebern. 7 Der Job-Sharing-Arbeitsplatz kann sowohl ein Vollzeit- als auch ein Teilzeitarbeits-

platz sein. Vertragspartner des Job-Sharing-Arbeitsverhältnisses oder eines Turnusarbeitsverhältnisses sind jedoch zwingend immer Teilzeitarbeitnehmer. Üblicherweise teilen sich zwei Arbeitnehmer die Arbeitszeit auf einem Arbeitsplatz. Allerdings können auch mehr als zwei Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz teilen. Praxistipp Der Arbeitsplatz sollte möglichst nicht mit mehr als zwei Arbeitnehmern besetzt werden, da ansonsten der Abstimmungsbedarf zwischen den Arbeitnehmern zu hoch ist. Weiterhin sollten sich Arbeitnehmer mit unterschiedlicher persönlicher Interessenlage einen Arbeitsplatz teilen. So können Kollisionen bei der Verteilung der Arbeitszeit vermieden werden, die z.B. dadurch entstehen, dass zwei Arbeitnehmer mit schulpflichtigen Kindern einen Arbeitsplatz teilen und beide während der Schulferien ihre Arbeitszeit reduzieren möchten.

1 MüArbR/Schüren, § 41 Rn 69.

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II. Rechtsbeziehungen Jeder Job-Sharer schließt mit dem Arbeitgeber einen eigenen Arbeitsvertrag ab. Die 8 jeweiligen Job-Sharer stehen nicht in einem eigenen Rechtsverhältnis zueinander. Auch begründet das Job-Sharing kein Gesamtschuldverhältnis nach  §  421 BGB, wonach der Arbeitgeber von jedem Job-Sharer berechtigt wäre, die gesamte Arbeitsleistung zu verlangen. Jeder Job-Sharer schuldet nur seine Teilleistung und die Besetzung des Arbeitsplatzes während der von ihm zu erbringenden Arbeitszeit.

Vertragsbeziehungen im Job-Sharing-Verhältnis Arbeitgeber Arbeitsvertrag

Arbeitsvertrag

Job-Sharer 1

Job-Sharer 2 Kein Vertragsverhältnis Ggf. Vertretungspflicht, falls vereinbart

1. Job-Sharing-Vertrag a) Begründung Möchte der Arbeitgeber Job-Sharing-Arbeitsplätze schaffen, muss er mit mindestens 9 zwei Arbeitnehmern einen Job-Sharing-Vertrag abschließen. Besteht mit den für das Job-Sharing in Frage kommenden Arbeitnehmern bereits ein (Teilzeit-)Arbeitsverhältnis, kann der Arbeitgeber diese nicht im Wege seines Direktionsrechts in Job-Sharing-Arbeitsverhältnisse umwandeln. Die Begründung eines Job-Sharing-Arbeitsverhältnisses muss vielmehr einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erfolgen.

b) Formelle Voraussetzungen Der Job-Sharing Vertrag ist zwingend ein Teilzeit-Arbeitsvertrag. Eine beson- 10 dere Form ist gesetzlich nicht vorgesehen, kann sich jedoch aus einem Tarifvertrag ergeben.

c) Tätigkeit und Arbeitsvolumen Der Job-Sharer verpflichtet sich, den ihm zugewiesenen Arbeitsplatz in Abstimmung 11 mit dem anderen Job-Sharer während der betriebsüblichen Arbeitszeit alternierend zu besetzen. Nicht erforderlich ist, dass die Arbeitszeit zwischen den einzelnen Baumann

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 Kapitel 20 Job-Sharing

Arbeitnehmern gleichmäßig verteilt wird. Die Job-Sharing-Verträge der einzelnen JobSharer können daher hinsichtlich des zu leistenden Arbeitsvolumens voneinander abweichen. Praxishinweis Arbeitnehmer A kann sich mit Arbeitnehmer B einen Arbeitsplatz teilen, wobei der Vertrag von A 25 Arbeitsstunden pro Woche und der Vertrag von B 15 Arbeitsstunden pro Woche vorsehen kann. 12 Die Arbeitsplatzteilung setzt nicht zwingend voraus, dass die Tätigkeitsbeschreibun-

gen der einzelnen Job-Sharer identisch sind. Im Hinblick auf eine gegenseitige Vertretung sollte im Regelfall eine weitgehende Deckungsgleichheit der Tätigkeitsschwerpunkte gegeben sein.

d) Vergütungsanspruch 13 Jeder einzelne Job-Sharer erwirbt einen originären Vergütungsanspruch gegen den Arbeitgeber. Da Job-Sharing-Arbeitsverhältnisse Teilzeitarbeitsverhältnisse sind, ist dem Job-Sharer gem. § 4 Abs. 1 S. 2 TzBfG Arbeitsentgelt mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Im Falle der Nichtleistung kann der Arbeitgeber nur demjenigen Job-Sharer den 14 Lohn kürzen, der die Nichtleistung zu vertreten hat. Praxisbeispiel Arbeitnehmer A und Arbeitnehmer B teilen sich den Arbeitsplatz und arbeiten gemeinsam an einem zeitlich befristeten Projekt. Arbeitnehmer A erscheint wiederholt unentschuldigt nicht zur Arbeit und unterlässt daher die Mitarbeit an dem gemeinsamen Projekt. Arbeitnehmer B hingegen erbringt seine Arbeitsleistung. Der Arbeitgeber kann nur dem Arbeitnehmer A den Lohn kürzen, da auch nur dieser die Nichtleistung zu vertreten hat. 15 Soweit es zu Leistungsstörungen am Arbeitsplatz kommt, kann der Arbeitgeber

Schadensersatz allein gegen den Job-Sharer geltend machen, der den Schaden verursacht hat. Ausgleichsansprüche gegen andere Arbeitnehmer im Job-Sharing-Arbeitsverhältnis scheiden aus. Praxisbeispiel Arbeitnehmer A und Arbeitnehmer B teilen sich einen Arbeitsplatz und nutzen gemeinsam den vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Computer. Arbeitnehmer B stellt entgegen der internen Richtlinien seinen Kaffee neben den Computer und verschüttet diesen wiederholt infolge Unachtsamkeit. Beim letzten Mal führt dies dazu, dass der Computer stark beschädigt wird. Der Arbeitgeber kann aufgrund dieses grob fahrlässigen Verhaltens des Arbeitnehmers B von diesem Ersatz des entstandenen Schadens fordern – nicht aber von Arbeitnehmer A.

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A. Arbeitsrecht 

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e) Individuelle Arbeitszeit Die Job-Sharer – nicht der Arbeitgeber – legen die Dauer und Lage der individuellen 16 Arbeitszeit untereinander in einem Arbeitsplan selbstständig fest. Der Arbeitgeber hat diesbezüglich kein Direktionsrecht. Zu beachten ist, dass die vom Arbeitgeber festgelegten Urlaubszeiten als verbindliche Vorgaben in die Arbeitszeitplanung der Arbeitnehmer einzubeziehen sind. Praxistipp Soweit die individuelle Ausgestaltung des Arbeitsplans den Arbeitnehmern obliegt, sollte der Arbeitgeber jedoch zuvor vertraglich eine Zeiteinheit festlegen, für die der jeweilige Arbeitsplan abzugeben ist. Die Maßeinheit sollte sich an der gewünschten Flexibilisierung des Job-Sharing-Verhältnisses orientieren. Möglich sind tägliche, monatliche, quartalsweise, halbjährliche oder jährliche Zeiteinheiten. Es empfiehlt sich, den Arbeitsplan mindestens einen Monat und maximal drei Monate im Voraus ausarbeiten zu lassen.

Der Betriebsrat hat bezüglich der Aufstellung des Arbeitsplans kein Mitbestim­ 17 mungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG.2 Einigen sich die Job-Sharer, die einen Arbeitsplatz teilen, nicht auf einen Arbeits- 18 zeitplan, so muss der Arbeitgeber zunächst im Rahmen seiner vertraglichen Nebenpflichten einen Vermittlungsversuch zwischen den einzelnen Job-Sharern unternehmen. Scheitert der Vermittlungsversuch, hat der Arbeitgeber im Wege seines Direktionsrechts nach billigem Ermessen die Lage der Arbeitszeit im konkreten Streitfall einseitig anzuweisen. Ist der Arbeitgeber mangels Einigung der Job-Sharer gezwungen, den Arbeitsplan 19 im Wege seines Direktionsrechts aufzustellen, löst dies kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gem.  §  87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG aus.3 Die betriebsübliche Arbeitszeit wird durch die Ausübung des Direktionsrechts nicht verändert. Praxishinweis Sehen vertragliche Regelungen zwischen Arbeitgeber und Job-Sharer vor, dass der Arbeitgeber generell über die Lage der von dem beteiligten Arbeitnehmer zur erbringenden Arbeitszeit ein Weisungsoder auch nur Mitentscheidungsrecht hat, der Arbeitgeber demnach auch ohne Vorliegen eines Dissenses der Job-Sharer über die Aufstellung des Arbeitsplans (mit-)bestimmen kann, besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.

Praxistipp Für den Fall, dass eine Einigung über den Arbeitsplan nicht zustande kommt, kann nach Ansicht der Literatur eine Einteilung entsprechend dem Arbeitsplan des Vormonats vorgenommen werden. In der

2 Hümmerich/Worzalla, § 13 TzBfG Rn 8. 3 A.A. AT/Maschmann, § 13 Rn 27.

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 Kapitel 20 Job-Sharing

Praxis ist diese Lösung jedoch nur dann empfehlenswert, soweit im Vormonat eine gleichmäßige Verteilung der Zeiteinheiten stattgefunden hat. Im Zweifel sollte der Arbeitgeber daher besser die Einteilung durch Ausübung seines Direktionsrechts vornehmen. 20 Die Job-Sharer haben den Arbeitsplan dem Arbeitgeber rechtzeitig bekanntzugeben.

Mit der Bekanntgabe hat der Arbeitsplan für alle Vertragspartner rechtsverbindliche Wirkung. Eine einseitige Änderung des Arbeitsplans durch die Job-Sharer ist dann nicht mehr möglich. Arbeitgeber und Job-Sharer können jedoch einvernehm­ lich noch Änderungen vornehmen. Kommt eine einvernehmliche Änderung nicht zustande, ist der Arbeitsplan in der beschlossenen Weise durchzuführen.

f) Vertretungsverpflichtung aa) Voraussetzungen eines Vertretungsfalls 21 Voraussetzung für die Entstehung eines Vertretungsfalls ist, dass ein Job-Sharer daran gehindert ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Die Gründe für die Verhinderung müssen hier in der Person des betroffenen Arbeitnehmers liegen. Dies können bspw. Urlaub, Krankheit, Fortbildung oder Fälle des § 616 BGB sein. Im Falle der Arbeitsverweigerung oder der einvernehmlichen Freistellung des Arbeitnehmers liegt eine Vertretung nicht vor. Allein die Tatsache der Arbeitsplatzteilung begründet für den Arbeitnehmer 22 keine Pflicht, einen anderen Arbeitnehmer aus dem Job-Sharing-Verhältnis zu vertreten, wenn dieser an seiner Arbeitsleistung verhindert ist. Eine generelle vertragliche Vereinbarung zur gegenseitigen Vertretungspflicht ist gem. § 134 BGB nichtig. Bei Ausfall eines Job-Sharers besteht für die in das Job-Sharing einbezogenen 23 Arbeitnehmer eine Vertretungsverpflichtung nur, wenn die Job-Sharer der Vertretung im Einzelfall zugestimmt haben (§ 13 Abs. 1 S. 2 TzBfG) oder der Arbeitsvertrag bei vorliegenden dringenden betrieblichen Gründen eine Vertretung vorsieht und diese im Einzelfall zumutbar ist (§ 13 Abs. 1 S. 3 TzBfG).

bb) Zustimmung zur Vertretung gem. § 13 Abs. 1 S. 2 TzBfG

24 Ist ein Job-Sharer an seiner Arbeitsleistung verhindert, so muss der Arbeitgeber dem

oder den in Betracht kommenden Arbeitnehmer(-n) zunächst die Vertretungstätigkeit anbieten. Wie bei jedem Direktionsrecht kann der Arbeitgeber den Job-Sharer nicht einfach wirksam dazu anweisen. Die Vertretungsverpflichtung entsteht daher erst mit Annahme des Angebotes durch den oder die Arbeitnehmer. Die Annahme des Angebots kann auch konkludent, also durch tatsächliche Arbeitsaufnahme erfolgen. Eine Verpflichtung zur Annahme des Angebots besteht nicht. Für den Fall, dass mehr als zwei Arbeitnehmer am Job-Sharing-Arbeitsverhältnis beteiligt sind, die der Vertretung zuzustimmen haben, sind die Zustimmenden dazu angehalten, die Verteilung der anfallenden Arbeitszeit eigenverantwortlich untereinander zu regeln. Baumann

A. Arbeitsrecht 

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cc) Dringendes betriebliches Erfordernis gem. § 13 Abs. 1 S. 3 TzBfG Ausnahmsweise besteht eine Vertretungspflicht immer dann, wenn hierfür drin­ gende betriebliche Erfordernisse bestehen und die Vertretung im Einzelfall auch zumutbar ist. Ein dringender betrieblicher Grund kann nicht allein in dem Verhinderungsfall selbst gesehen werden. Vielmehr muss hinzukommen, dass durch die Nichterfüllung der Aufgaben des betroffenen Arbeitnehmers erhebliche Nachteile für den Betriebsablauf des Unternehmens entstehen und der Arbeitsplatzpartner nicht durch einen anderen Arbeitnehmer vertreten werden kann. In der Praxis kann man das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse stets annehmen, sobald der Arbeitgeber die Vertretungsarbeit ausdrücklich verlangt. Sind besondere betriebliche Erfordernisse anzunehmen, stellt sich darüber hinaus noch die Frage der Zumutbarkeit. Die Zumutbarkeit ist eine Interessen­ abwägung nach Billigkeitsgesichtspunkten entsprechend § 106 GewO. Hierbei sind die Interessen des Arbeitgebers an der Durchführung der Vertretungstätigkeit und Interessen des betroffenen Arbeitnehmers, diese nicht durchzuführen, im Einzelfall abzuwägen. Je länger die Vertretungstätigkeiten andauern, desto eher fehlt es auch an der Zumutbarkeit. Anhaltspunkte sind ferner Lage und zeitlicher Vorlauf. So bedarf es einer entsprechenden Ankündigungsfrist, um dem Arbeitnehmer, der die Vertretungsarbeit leisten soll, die Möglichkeit zu geben, sich auf die Mehrarbeitszeit einstellen zu können (bspw. um anderweitige persönliche Verpflichtungen zu delegieren). Verneint man im Rahmen der Abwägung die Zumutbarkeit (etwa aus familiären Gründen oder aufgrund von bestehenden Pflichten aus einem anderen Arbeitsverhältnis), besteht trotz individualvertraglicher Abreden keine Vertretungspflicht. Insbesondere entsteht keine Verpflichtung auf Nachleistung von Arbeit bei zuvor nicht geregelten Vertretungsverhältnissen. Praxisbeispiel Arbeitnehmer B soll den Arbeitnehmer A in seinem lang geplanten Urlaub vertreten. Hier wird man die Zumutbarkeit der Vertretungsarbeit im Hinblick auf den zeitigen Vorlauf stets bejahen können. Zu beachten ist dabei, dass eine Vertretung nur dann stattfindet, wenn der Arbeitsvertrag tatsächlich auch eine Vertretung aus dringenden betrieblichen Gründen vorsieht.

Praxistipp Bei Nichtvorliegen der Voraussetzung des § 13 Abs. 1 S. 3 TzBfG oder unzureichender Vertretungsregelung im Arbeitsvertrag kann der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer die Vertretungstätigkeit – auch bei Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse – nicht wirksam verlangen. Lehnt der Arbeitnehmer die Vertretungstätigkeit ab, kann der Arbeitgeber dies nicht sanktionieren. Arbeitsplatz und Arbeitsinhalt sind im Job-Sharing-Vertrag genau festzulegen, da diese Regelungen maßgeblich für die Vertretungspflicht sind. Genau zu bestimmen ist insbesondere die vereinbarte Arbeitszeit. Dabei ist es nicht ausreichend, die Gesamtarbeitszeit der Beteiligten Job-Sharer im Vertrag festzulegen. Es muss das Arbeitszeitvolumen für einen bestimmten Referenzzeitraum, z.B. für eine Woche oder einen Monat, bestimmt werden. Insbesondere bei flexibler Verteilungsmöglichkeit zwischen den Arbeitnehmern sollte die Dauer des Erholungsurlaubs präzise berechnet werden.

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 Kapitel 20 Job-Sharing

g) Urlaubsanspruch

29 Für den Urlaubsanspruch der Job-Sharer gelten die gleichen Bestimmungen wie für

Teilzeit- und Vollzeitarbeitskräfte. Die konkrete Berechnung der Urlaubstage, ebenso wie des Urlaubsgelds und des Urlaubsentgelts erfolgt wie bei Teilzeitarbeitneh­ mern. Da der Job-Sharer nicht jeden Tag bzw. nicht jeden Tag die volle Stundenzahl arbeitet, muss die Urlaubsdauer wie bei allen Teilzeitarbeitnehmern zum Urlaub eines Vollzeitarbeitnehmers ins Verhältnis gesetzt werden.4

III. Kündigungsschutz

30 Auch bei Arbeitnehmern im Job-Sharing-Arbeitsverhältnis sind die allgemeinen

kündigungsschutzrechtlichen Bestimmungen zu beachten. Der Arbeitgeber ist berechtigt, eine Änderungskündigung auszusprechen, wenn das Job-Sharing-Arbeitsverhältnis nicht mehr durchführbar ist. Allein das Ausscheiden des anderen Job-Sharing-Partners ist im Regelfall aber als Kündigungsgrund für die Änderungskündigung nicht ausreichend. Der Arbeitgeber ist zunächst angehalten, einen neuen Job-Sharing-Partner auf dem Arbeitsmarkt zu finden. Erst wenn das nachweislich nicht gelingt, ist an eine Änderungskündigung zu denken. Der Arbeitgeber muss dem Job-Sharer ggf. den vollen Arbeitsplatz oder eine andere Einsatzmöglichkeit anbieten. Der Kündigungsschutz ist in  §  13 Abs. 2 TzBfG gesetzlich normiert. Von der 32 Regelung des  §  13 Abs. 2 TzBfG kann auch nicht durch Tarifvertrag abgewichen werden, da die tarifliche Öffnungsklausel § 13 Abs. 2 TzBfG ausdrücklich ausnimmt. 31

IV. Tarifvertrag

33 Zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern können tarifli-

che Regelungen – die von den bisher dargestellten individualvertraglichen Abreden abweichen – arbeitsvertraglich vereinbart werden. Dies folgt aus § 13 Abs. 4 TzBfG. Zwingende Voraussetzung für die Geltung eines entsprechenden Tarifvertrages ist jedoch, dass dessen Anwendbarkeit vom sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages erfasst wird. Gem. § 14 Abs. 1 TzBfG sind andere Job-Sharing-Partner zur Vertretung eines an 34 der Arbeitsleistung verhinderten Job-Sharers verpflichtet, wenn sie der Vertretung im Einzelfall zugestimmt haben. Dies gilt gem. § 14 Abs. 3 TzBfG entsprechend für Gruppen von Arbeitnehmern auf bestimmten Arbeitsplätzen, die sich in festgelegten Zeitabschnitten abwechseln, ohne dass Job-Sharing vorliegt. Durch einen entsprechenden Tarifvertrag kann gem.  §  13 Abs. 4 TzBfG von den Abs. 1 und 3 auch zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden – allerdings nur, wenn der

4 Zur Berechnung des anteiligen Urlaubsanspruches vgl. Kap. 37 – Teilzeit.

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B. Steuerrecht 

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Tarifvertrag tatsächlich Regelungen über die Vertretung der Arbeitnehmer enthält. In einem Tarifvertrag kann somit auch eine Verpflichtung zur Vertretungstätigkeit unter bestimmten Voraussetzungen festgelegt werden, die nicht an die Zustimmung der Arbeitnehmer oder aus vorliegenden dringenden betrieblichen Gründen anknüpfen. Der Tarifvertrag darf die Bestimmung aber nicht in das Belieben des Arbeitgebers stellen. In Tarifverträgen nicht zulässig ist hingegen eine Abweichung vom Kündigungs- 35 verbot des § 13 Abs. 2 TzBfG.

V. Checkliste Die im Folgenden aufgeführten Regelungen sind bei der Ausgestaltung von Job-Sha- 36 ring-Vereinbarungen unbedingt aufzunehmen: Checkliste –– Regelung des Arbeitsplatzes, –– Regelung hinsichtlich des vom einzelnen Job-Sharing-Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitszeitvolumens, –– Regelung, die Arbeitszeiten der Job-Sharing-Partner so aufzuteilen, dass jeder von ihnen in dem bestimmten Zeitraum die vertraglich vereinbarte durchschnittliche Wochenarbeitszeit erbringen kann; Regelung für den Fall, dass sich die Job-Sharer über den Arbeitsplan nicht einigen können, –– Ausdrückliche Vertretungsregelung i.S.d. § 13 Abs. 1 S. 3 TzBfG, keine Aufnahme der über die Formulierung des § 13 Abs. 1 S. 2 TzBfG hinausgehende Vertretungsregelung in die Arbeitsverträge, da diese unwirksam wäre und –– Urlaubsanspruch.

B. Steuerrecht Die Arbeitsplatzteilung oder Job-Sharing ist eine Form der Teilzeit, bei der sich 37 mehrere Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz teilen. Das häufigste Modell ist dabei die Aufteilung in zwei Halbtagsstellen. Aber auch andere Modelle, wie zwei Arbeitsplatzstellen für drei Mitarbeiter, sind möglich. Die Beschäftigten können dabei ihre Arbeitszeit innerhalb der Gesamtarbeitszeit flexibel halten. Es können auch sog. 400-€-Jobs mit Teilzeitjobs verknüpft werden.

I. Aufteilung eines Arbeitsverhältnisses 1. Allgemeines Die Aufteilung eines Arbeitsplatzes in mehrere Arbeitsverhältnisse führt hinsichtlich 38 des Arbeitsumfanges und des Arbeitslohnes zu veränderten Konditionen, die es lohnsteuerlich zu würdigen gilt. Insbesondere die Höhe der Vergütung ist für die weitere lohnsteuerliche Behandlung entscheidend. Bis zu einem monatlichen Arbeitslohn Breuer

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 Kapitel 20 Job-Sharing

in Höhe von 400 € kommt eine geringfügige Beschäftigung in Betracht. Liegt der regelmäßige Arbeitslohn über 400 € handelt es sich um eine Teilzeit-Beschäftigung.

2. Geringfügig Beschäftigte

39 Eine geringfügig entlohnte Beschäftigung liegt dann vor, wenn das Arbeitsentgelt

regelmäßig im Monat 400 € nicht überschreitet. Die wöchentliche Arbeitszeit spielt dabei grundsätzlich keine Rolle. Die Aufteilung eines Arbeitsplatzes in mehrere 400-€-Jobs ist ebenfalls möglich, soweit es sich um mehrere Arbeitnehmer handelt. Lohnsteuerliche Besonderheiten aus der Aufteilung eines Arbeitsplatzes ergeben sich nicht.

3. Teilzeitkräfte

40 Teilzeitbeschäftigung sind Arbeitsverhältnisse, bei denen das regelmäßige Arbeits-

entgelt monatlich über 400 € liegt. Die Regelungen zur Lohnsteuerpauschalierung und pauschalen Entrichtung von Renten- und Krankenversicherungsbeiträgen bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen finden hier keine Anwendung. Lohnsteuerlich ergeben sich aus der Arbeitsplatzverteilung keine Besonderheiten. Die Lohnsteuer ist grundsätzlich nach den individuellen Lohnsteuerabzugsmerkmalen vorzunehmen.

II. Praktische Hinweise 1. Steuerklassenwahl bei Eheleuten 41 Wechselt ein Ehegatte aus einer Vollzeitbeschäftigung in eine Teilzeittätigkeit, kommt die Frage auf, welche Steuerklassen-Kombination Eheleute wählen sollten. Ehegatten, die beide unbeschränkt steuerpflichtig sind, nicht dauernd getrennt leben und beide Arbeitslohn beziehen, können für den Lohnsteuerabzug wählen, ob sie beide in die Steuerklasse IV eingeordnet werden wollen oder ob einer von ihnen (der Höherverdienende) nach Steuerklasse III und der andere nach Steuerklasse V besteuert werden will. In der Regel wird der Höherverdienende die Steuerklasse III wählen, um eine Verminderung der Gesamtsteuerbelastung für die Eheleute herbeizuführen. Anstelle der Steuerklassenkombination III/V können Arbeitnehmer-Ehegatten 42 seit dem Kalenderjahr 2010 auch die Steuerklassenkombination IV/IV mit Faktor wählen. Durch das Faktorverfahren wird erreicht, dass bei jedem Ehegatten die steuerentlastenden Vorschriften (insbesondere der Grundfreibetrag) beim eigenen Lohnsteuerabzug berücksichtigt werden. Mit dem Faktor wird außerdem die steuermindernde Wirkung des Splittingverfahrens beim Lohnsteuerabzug berücksichtigt. Der Faktor wird durch das zuständige Finanzamt ermittelt und eingetragen.

Breuer

C. Sozialversicherungsrecht 

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Praxistipp Das BMF veröffentlicht jährlich Merkblätter zur Steuerklassenwahl und stellt diese auf ihrer Internetseite: www.bundesfinanzministerium.de zur Verfügung. Die Merkblätter beinhalten Tabellen, aus denen Eheleute die für sie günstigste Steuerklassenkombination ermitteln können. Für das Faktorverfahren wird ein Berechnungsprogramm bereitgestellt, mit dem Arbeitnehmer-Ehegatten die steuerlichen Auswirkungen der jeweiligen Steuerklassenkombination prüfen können.

2. Möglichkeit der Verknüpfung einer Teilzeitstelle mit einer geringfügen Beschäftigung Eine geringfüge Beschäftigung kann neben einer nicht geringfügigen (Haupt-) 43 Beschäftigung ausgeübt werden, ohne das es zu einer Zusammenrechnung der Arbeitsentgelte für die Prüfung der 400 €-Grenze kommt. Die Vergünstigung gilt jedoch nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften nur für ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis unabhängig davon, wie hoch das Arbeitsentgelt ist. Bei zwei geringfügigen Beschäftigungen, die zusammen nicht mehr als 400 € Arbeitsentgelt ergeben, ist nur das erste nicht mit der Hauptbeschäftigung zusammenzurechnen. Weiterhin ist zu beachten, dass keine Hauptbeschäftigung und geringfügige Beschäftigung bei einem Arbeitgeber ausgeübt werden darf. Das gilt auch dann, wenn es sich um unterschiedliche Tätigkeiten handelt.

C. Sozialversicherungsrecht Ein Arbeitnehmer, der im Rahmen eines sog. Job-Sharings tätig ist, unterliegt grund- 44 sätzlich der Sozialversicherungspflicht. Die Sozialversicherungspflicht ist nach den allgemeinen Grundsätzen zu prüfen, woraus sich eine Melde- und Beitragspflicht ergeben kann.5 Eine Ausnahme bilden u.a. Fälle, in denen der Arbeitnehmer mit seinem Einkom- 45 men aus dem geteilten Arbeitsplatz die Grenze von 400 € brutto pro Monat unter­ schreitet.6

5 Siehe hierzu auch Kap. 27 – Nebentätigkeit. 6 Siehe hierzu auch Kap. 24 – Minijobber.

Gather

Kapitel 21 Künstlersozialversicherung A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis Selbstständige Künstler und Publizisten sind einerseits selbstständig tätig, anderer- 1 seits jedoch zwingend auf die Mitwirkung von bestimmten Medien und Unternehmen wie etwa Verlage, Theater, Rundfunkanstalten usw. angewiesen, um das von ihnen erstellte Werk oder ihre künstlerische Leistung einem Publikum zugänglich zu machen. Sie befinden sich daher häufig in einer der Arbeitnehmerstellung ähnli­ chen Abhängigkeit, obgleich sie erwerbsmäßig selbstständig tätig sind. Aus diesem Grund bezieht die Künstlersozialkasse mit Sitz in Wilhelmshaven 2 seit 1983 auf Grundlage des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) die sozial erfahrungsgemäß schlecht abgesicherten Künstler und Publizisten als Pflichtversicherte in den Schutz der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung mit ein. Seit dem 1.1.1995 umfasst der Versicherungsschutz auch die Pflegeversicherung. Vorteil für die Versicherten Versicherungspflichtige Künstler und Publizisten werden in die gesetzliche Sozialversicherung einbezogen und damit ähnlich günstig wie Arbeitnehmer gestellt. Die Finanzierung der Sozialversicherungsbeiträge orientiert sich an der für Arbeitnehmer. Die versicherungspflichtigen Künstler und Publizisten tragen nur die Hälfte ihrer Beiträge. Der andere Teil wird durch einen Bundeszuschuss und eine Abgabe der verwertenden Unternehmen finanziert.

Für Arbeitgeber, die Künstler und Publizisten einsetzen oder beauftragen, bedeutet 3 dies, dass sie die Beitragspflicht in der Künstlersozialversicherung für die eingesetzten Künstler und Publizisten prüfen müssen. Sofern die Beitragspflicht festgestellt wird, ist der Arbeitgeber zur Zahlung der entsprechenden Künstlersozialab­ gabe verpflichtet. Die Künstlersozialkasse ist ein Teil der gesetzlichen Sozialversicherung, dabei 4 aber selbst kein Leistungsträger. Versichert sind die selbstständigen Künstler und Publizisten nicht bei der Künstlersozialkasse selbst, sondern bei der von ihnen gewählten Kranken- und Pflegeversicherung sowie der Deutschen Rentenversicherung. Praxishinweis Die Künstlersozialkasse ist eine unselbstständige, gesonderte Abteilung der Unfallkasse des Bundes und gehört damit der Bundesverwaltung an, die bundesweit zuständig ist.

Die Künstlersozialkasse berechnet die Beitragsanteile ihrer Mitglieder, zieht diese 5 ein, bezuschusst die Beiträge ihrer Mitglieder durch die Künstlersozialabgabe der Unternehmen und leitet die Gesamtbeiträge an die Leistungsträger der Renten-, Pflege- und der vom Künstler gewählten Krankenversicherung weiter.

Kuniß

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 Kapitel 21 Künstlersozialversicherung

6 Die Künstlersozialkasse hat mehrere Funktionen:

–– Feststellung der Versicherungs- und Abgabenpflicht, –– „Einzugsstelle“ hinsichtlich des Beitragsanteils der Versicherten, der Künstlersozialabgabe der abgabepflichtigen Unternehmen sowie des Bundeszuschusses, –– Anmeldung der Versicherten bei den Kranken- und Pflegekassen sowie der allgemeinen Rentenversicherung, –– Weiterleitung der Beiträge an die zuständigen Leistungsträger (Kranken- und Pflegekasse, Rentenversicherung). Checkliste Für einen Arbeitgeber, der einen Künstler oder Publizisten mit der Erstellung eines Werkes beauftragt, gilt es daher zu prüfen, ob: –– der Auftragnehmer unter die Definition des Künstlers/Publizisten fällt, –– der Auftragnehmer zum von der Versicherung ausgenommenen Personenkreis gehört, –– die vom Unternehmen pauschal zu entrichtende Künstlersozialabgabe an die Künstlersozial­ kasse abzuführen ist.

II. Finanzierung

7 Die Finanzierung der Gesamtbeiträge ist derjenigen der Arbeitnehmer nachgebil-

det. Der Gesamtbeitrag setzt sich wie folgt zusammen (§ 14 KSVG): –– 50 % des Gesamtbeitrags bringt der Künstler selbst auf, –– 20 % des Gesamtbeitrags wird über einen Bundeszuschuss finanziert und –– 30 % des Gesamtbeitrages wird aus den Sozialabgaben der Unternehmen, die Kunst und Publizistik verwerten, geleistet.

III. Verbot der Abwälzung der Künstlersozialabgabe 8 Gem. § 36a S. 2 KSVG i.V.m. § 32 SGB I kann die vom vermarktenden bzw. publizierenden Unternehmen zu tragende Künstlersozialabgabe nicht auf den Künstler oder Publizisten abgewälzt werden. Privatrechtliche Vereinbarungen, die zum Nachteil des Versicherten von den gesetzlichen Regelungen abweichen, sind nichtig. B. Steuerrecht I. Steuerrechtliche Behandlung von Künstlern 1. Nutzen 9 Bei der Beschäftigung von Künstlern ist von ausschlaggebender Bedeutung die Beantwortung der Frage, ob eine selbstständige oder nichtselbstständige Tätigkeit vorliegt. Für steuerliche Zwecke ist diese Frage im sog. Künstlererlass1 beantwor-

1 BMF-Schreiben v. 5.10.1990 – IV B 6 – S 2332 – 73/90 –.

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B. Steuerrecht 

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tet worden. Danach sind neben dem ständigen Personal bei Hörfunk und Fernsehen beschäftigte Künstler und Angehörige von verwandten Berufen, die in der Regel aufgrund von Honorarverträgen tätig werden und im Allgemeinen als freie Mitarbeiter bezeichnet werden, grundsätzlich nichtselbstständig tätig. Nach dem Künstlererlass sind bestimmte Gruppen von freien Mitarbeitern bei Hörfunk und Fernsehen im Allgemeinen selbstständig tätig, soweit sie nur für einzelne Produktionen tätig werden. Im Übrigen gelten für die Abgrenzung zwischen selbstständiger und nichtselbst- 10 ständiger Arbeit sowohl bei beschränkt als auch bei unbeschränkt steuerpflichtigen Künstlern die allgemeinen Abgrenzungsmerkmale. Danach liegt eine nichtselbst­ ständige Arbeit vor, wenn die Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung eines Arbeitgebers steht oder in den geschäftlichen Organis­ mus des Arbeitgebers eingegliedert und dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Praxistipp In Zweifelsfällen kann der Künstler eine Bescheinigung seines Wohnsitzfinanzamtes beantragen. In Abstimmung mit dem Betriebsstätten­finanzamt hat die Behörde für Künstler, die bei Hörfunk und/ oder Fernsehen beschäftigt sind und nicht unter den Negativkatalog des Künstlererlasses fallen, über den Status der Beschäftigung zu entscheiden.

2. Abgrenzung von selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit Zur Abgrenzung der Einkünfte aus selbstständiger und nichtselbstständiger Arbeit 11 bei unbeschränkt steuerpflichtigen Künstlern und verwandten Berufen ist wie folgt zu differenzieren:

a) Tätigkeit bei Theaterunternehmen aa) Spielzeitverpflichtete Künstler Künstler und Angehörige von verwandten Berufen, die auf Spielzeit- oder Teilspiel­ 12 zeitvertrag beschäftigt sind, sind in den Theaterbetrieb eingegliedert und damit nichtselbstständig. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Künstler gleichzeitig eine Gastspielverpflichtung bei einem anderen Unternehmen eingegangen ist.

bb) Gastspielverpflichtete Künstler Bei gastspielverpflichteten Künstlern und Angehörigen von verwandten Berufen 13 erstreckt sich der Vertrag in der Regel auf eine bestimmte Anzahl von Aufführungen. Für die Annahme einer nichtselbstständigen Tätigkeit kommt es darauf an, ob das Gastspieltheater während der Dauer des Vertrages im Wesentlichen über die Arbeitskraft des Gastkünstlers verfügt. Dies hängt von dem Maß der Einbindung in den Theaterbetrieb (nicht in das Ensemble) ab. Ob ein Künstler allein (SolokünstBreuer

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 Kapitel 21 Künstlersozialversicherung

ler) oder in einer Gruppe (z.B. Chor) auftritt und welchen künstlerischen Rang er hat, spielt für die Abgrenzung keine entscheidende Rolle. Auch kommt es nicht darauf an, wie das für die Veranlagung des Künstlers zuständige Finanzamt eine vergleichbare Tätigkeit des Künstlers bei Hörfunk und Fernsehen bewertet und ob es hierfür eine entsprechende Bescheinigung erteilt hat. Im Einzelnen gilt deshalb: Gastspielverpflichtete Regisseure, Choreographen, Bühnenbildner und Kostümbildner sind selbstständig. Gastspielverpflichtete Dirigenten üben dagegen eine nichtselbstständige Tätigkeit aus; sie sind ausnahmsweise selbstständig, wenn sie nur für kurze Zeit einspringen. Gastspielverpflichtete Schauspieler, Sänger, Tänzer und andere Künstler sind in den Theaterbetrieb eingegliedert und deshalb nichtselbstständig, wenn sie eine Rolle in einer Aufführung übernehmen und gleichzeitig eine Probenverpflichtung zur Einarbeitung in die Rolle oder eine künstlerische Konzeption eingehen. Stell- oder Verständigungsproben reichen noch nicht aus, um von einer nichtselbstständigen Tätigkeit auszugehen. Voraussetzung ist außerdem, dass die Probenverpflichtung tatsächlich erfüllt wird. Die Zahl der Aufführungen ist nicht entscheidend. Aushilfen für Chor und Orchester sind selbstständig, wenn sie nur für kurze Zeit einspringen. Gastspielverpflichtete Künstler einschließlich der Instrumentalsolisten sind selbstständig, wenn sie an einer konzertanten Opernaufführung, einem Oratorium, Liederabend oder dergleichen mitwirken.

b) Tätigkeit bei Kulturorchestern

19 Sämtliche gastspielverpflichteten Künstler, z.B. Dirigenten, Vokal- und Instrumental-

solisten, sind stets und ohne Rücksicht auf die Art und Anzahl der Aufführungen selbstständig. Orchesteraushilfen sind ebenfalls selbstständig, wenn sie nur für kurze Zeit einspringen.

c) Tätigkeit bei Hörfunk und Fernsehen

20 Für die neben dem ständigen Personal beschäftigten Künstler und Angehörigen von

verwandten Berufen, die in der Regel aufgrund von Honorarverträgen tätig werden und im Allgemeinen als freie Mitarbeiter bezeichnet werden, gilt, dass sie grundsätz­ lich nichtselbstständig sind. Nach dem vorgenannten Künstlererlass sind z.B. folgende Gruppen von freien 21 Mitarbeitern selbstständig, soweit sie nur für einzelne Produktionen (z.B. ein Fernsehspiel, eine Unterhaltungssendung oder einen aktuellen Beitrag) tätig werden („Negativkatalog“): –– Arrangeure, –– Bühnenbildner, Breuer

B. Steuerrecht 

–– –– –– –– –– –– ––

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Darsteller, Dirigenten, Interviewpartner, Kommentatoren, Kostümbildner, Moderatoren und Solisten (Gesang, Musik, Tanz).

Praxistipp Die gesamte Liste der als selbstständig zu beurteilenden Mitarbeiter ist im Künstlererlass dargestellt.2

Einschränkend zum vorgenannten Negativkatalog gilt, dass eine Selbstständigkeit 22 nur zu bejahen ist bei: –– Artisten und Solisten, wenn sie im Rahmen eines Gastauftrittes außerhalb eines Ensembles oder einer Gruppe eine Sololeistung erbringen, –– Chorleiter, Dirigenten und musikalische Leiter, soweit sie als Gast mitwirken oder Träger des Chores/Klangkörpers oder Arbeitgeber der Mitglieder des Chores/ Klangkörpers sind, –– Darsteller, soweit sie als Gast in einer Sendung mit Live-Charakter mitwirken sowie –– Moderatoren und Realisatoren, wenn der eigenschöpferische Teil der Leistung überwiegt.

d) Tätigkeit bei Film- und Fernsehproduktionen Filmautoren, Filmkomponisten und Fachberater sind im Allgemeinen nicht in 23 den Organismus des Unternehmens eingegliedert, so dass ihre Tätigkeit in der Regel selbstständig ist. Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Regieassistenten und sonstige Mitarbeiter in der Film- und Fernsehfilmproduktion sind dagegen im Allgemeinen nichtselbstständig. Die Rechtsprechung sieht hier ein Zusammenspiel mit den anderen beteiligten Schauspielern und in Folge dessen eine weitgehende Eingliederung in den Organismus der Filmproduktion.3 Das gilt auch für Personen, die bei der Herstellung von Werbefilmen tätig sind. Synchronsprecher sind in der Regel selbstständig. Das gilt nicht nur für Lip- 24 pensynchronsprecher, sondern auch für Synchronsprecher für besondere Filme (z.B. Kultur-, Lehr- und Werbefilme), bei denen der in eine andere Sprache zu übertra-

2 BMF-Schreiben v. 5.10.1990 – IV B 6 – S 2332 – 73/90 – Rn 1.3.2. 3 BFH, Urt. v. 6.10.1971 – I R 207/66 –.

Breuer

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 Kapitel 21 Künstlersozialversicherung

gende Begleittext zu sprechen ist. Diese Grundsätze gelten für Synchronregisseure entsprechend. Statisten sind in der Regel nichtselbstständig tätig.4 25

e) Musiker

26 Musiker sind in der Regel selbstständig tätig, soweit sie nicht Teil einer Gruppe oder

eines Ensembles sind, das auf Dauer bei einer Hörfunk- oder Fernsehanstalt tätig ist.

3. Lohnsteuerabzug bei nichtselbstständigen Künstlern a) Allgemeines 27 Bei Annahme einer nichtselbstständigen Tätigkeit ist der Arbeitgeber zur Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer verpflichtet. Die Höhe der einzubehaltenden Lohnsteuer richtet sich dabei nach der für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum maßgebenden Lohnsteuertabelle und den individuellen Lohnsteuerabzugsmerk­ malen des Künstlers. Bei täglicher Zahlung des Honorars ist grundsätzlich die Lohnsteuertabelle für tägliche Lohnzahlungen anzuwenden. Stellt sich die tägliche Lohnzahlung lediglich als Abschlagszahlung auf ein für einen längeren Lohnabrechnungszeitraum vereinbartes Honorar dar, so ist der Lohnabrechnungszeitraum als Lohnzahlungszeitraum zu betrachten.

b) Besonderheiten im Lohnsteuerabzug bei Künstlern

28 Bei Künstlern und verwandten Berufen liegt häufig keine gleichbleibende Beschäf-

tigung beim selben Arbeitgeber, sondern eine unregelmäßige Beschäftigung bei verschiedenen Arbeitgebern vor. Die nach dem Künstlererlass zu beachtenden Besonderheiten werden nachfolgend beschrieben.

aa) Erweiterter Lohnzahlungszeitraum 29 Der Lohnzahlungszeitraum wird für Zwecke des Lohnsteuerabzugs auf die vor der tatsächlichen Beschäftigung liegende Zeit ausgedehnt. Dieser Zeitraum darf jedoch noch nicht durch ein vorangegangenes Dienstverhältnis belegt sein. Für je zwei Tage der tatsächlichen Beschäftigung kann dann eine Woche, höchstens jedoch insgesamt ein Monat angesetzt werden.5

4 FG Düsseldorf, Urt. v. 20.6.1994 – 14 K 6699/93 E –. 5 Vgl. BMF-Schreiben v. 5.10.1990 – IV B 6 – S 2332 – 73/90 – Rn 2.2.1.

Breuer

B. Steuerrecht 

 493

bb) Verlängerung des Lohnzahlungszeitraums auf einen Monat Der Arbeitgeber kann mit seinem Arbeitnehmer vereinbaren, dass für Zwecke des 30 Lohnsteuerabzugs der Monat als Lohnzahlungszeitraum angesehen wird und die Zahlungen zunächst als Abschlagszahlungen behandelt werden. Voraussetzung für dieses Verfahren ist, dass in dem betreffenden Monat nicht bereits ein anderes Dienstverhältnis vorlag.6

cc) Permanente Lohnabrechnung Der Lohnsteuerabzug für die während eines Monats anfallenden Lohnzahlungen 31 wird nach der Monatstabelle in der Weise vorgenommen, dass die früheren Lohn­ zahlungen desselben Monats mit in die Steuerberechnung einbezogen werden.

dd) Permanenter Lohnsteuer-Jahresausgleich In diesem Verfahren erfolgt die Lohnsteuerermittlung nach dem voraussichtlichen 32 Jahresarbeitslohn. Für die Anwendung des permanenten Lohnsteuer-Jahresausgleichs ist Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Lohnabrech­ nung ununterbrochen in einem Dienstverhältnis gestanden hat. Dabei ist es unbeachtlich, ob das Dienstverhältnis bei einem oder verschiedenen Arbeitgebern bestand. Der Arbeitnehmer hat seinem Arbeitgeber die Lohnsteuerbescheinigungen aus etwaigen vorangegangenen Dienstverhältnissen vorzulegen. Zur Anwendung des permanenten Lohnsteuer-Jahresausgleichs wird nach Ablauf eines jeden Lohnzahlungszeitraums der laufende Arbeitslohn der abgelaufenen Lohnzahlungszeiträume auf einen Jahresbetrag hochgerechnet. Für den hochgerechneten Jahresarbeitslohn wird dann die Lohnsteuer aus der Jahreslohnsteuertabelle ermittelt.7

II. Praktische Hinweise 1. Maßgeblichkeit der Vertragsgestaltung und tatsächlichen Ausführung Welche Beschäftigung unter welchen Voraussetzungen für Auftraggeber und Künstler 33 die beste Variante ist, muss im Einzelfall geprüft und entschieden werden. Liegt eine Beschäftigung vor, die nicht vom vorgenannten Künstlererlass erfasst ist, ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse abzustellen. Die einzelnen Merkmale ergeben sich regelmäßig aus dem der Beschäftigung zugrunde liegenden Vertragsverhältnis, sofern die Vereinbarungen ernsthaft gewollt sind und tatsächlich durchgeführt

6 Vgl. BMF-Schreiben v. 5.10.1990 – IV B 6 – S 2332 – 73/90 – Rn 2.2.2. 7 Vgl. BMF-Schreiben v. 5.10.1990 – IV B 6 – S 2332 – 73/90 – Rn 2.2.3. Zur steuerrechtlichen Behandlung von freien Mitarbeitern, die keine Künstler sind, siehe Kap. 35 – Selbstständige Arbeit Rn 57 sowie Kap. 14 – Freelancer Rn 36.

Breuer

494 

 Kapitel 21 Künstlersozialversicherung

werden. Die arbeitsrechtliche Fiktion eines Dienstverhältnisses ist steuerrechtlich nicht maßgebend.8

2. Steuerfreibetrag für nebenberuflich tätige Künstler bei gemeinnützigen Organisationen 34 Gem. §  3 Nr. 26 EStG sind u.a. Einnahmen aus nebenberuflichen künstlerischen Tätigkeiten im Dienst oder im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer anerkannten Einrichtung zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke bis zur Höhe von insgesamt 2.100 € im Jahr steuer­ frei. Dieser Freibetrag ist ein Jahresbetrag. Er wird auch dann nur einmal gewährt, wenn mehrere begünstigte Tätigkeiten ausgeübt werden. Praxishinweis Aufwandsentschädigungen für Statisten sind grundsätzlich nicht nach § 3 Nr. 26 EStG begünstigt, da Statisten keine künstlerische Tätigkeit ausüben. Eine künstlerische Tätigkeit liegt bei § 3 Nr. 26 EStG nur vor, wenn eine gewisse Gestaltungshöhe bei eigenschöpferischer Leistung gegeben ist.

C. Sozialversicherungsrecht I. Einleitung

35 Zahlreichen Unternehmen bereitet die Künstlersozialabgabe nach wie vor Unbeha-

gen, da viele die Bestimmung künstlerischer und publizistischer Leistungen, auch aufgrund der Rechtsprechungsentwicklung, als undurchsichtig empfinden. Seit Gründung und Einführung der Künstlersozialversicherung oblag die Bei36 tragsüberwachung- und Festlegung der Künstlersozialkasse selbst. Der Künstlersozialkasse fehlten dafür jedoch die erforderlichen Strukturen und Mitarbeiter. Dementsprechend wurde 2007 die Beitragsprüfung und Überwachung den Ren­ tenversicherungsträgern übergeben. Durch diese Maßnahme wurde der Kreis der Abgabenpflichtigen besser erfasst, da die Künstlersozialabgabe nunmehr auch Gegenstand der turnusmäßigen Betriebsprüfungen der Rentenversicherungsträger (§ 28p SGB IV) geworden ist. Dadurch konnte die Abgabelast gerechter verteilt und ein höheres Maß an Beitragssubstrat generiert werden mit dem Ergebnis, dass der Prozentsatz der Künstlersozialabgabe seither gesunken ist. Der Beitragssatz betrug 2006 bspw. 5,5 % und ist seitdem sukzessive auf gegenwärtig (2010–2012) 3,9 % gesunken.

8 BFH, Urt. v. 8.5.2008 – VI R 50/05 –.

Maihöfer

C. Sozialversicherungsrecht 

 495

II. Abgabepflichtige Unternehmen Die Abgabepflicht der Unternehmen ist unabhängig von der jeweiligen Rechtsform. 37 Die Abgabepflicht bestimmt sich zum einen nach dem jeweils gültigen Abgabesatz,9 welcher jährlich vom BMAS im Einvernehmen mit dem BMF festgesetzt wird und zum anderen nach dem Umfang der Honorarzahlung an selbstständige Künstler und Publizisten für die erbrachten künstlerischen Leistungen und Werke. Das Künstlersozialversicherungsgesetz unterscheidet nach drei verschiedenen 38 abgabepflichtigen Unternehmergruppen (§ 24 KSVG): –– Typische Verwerter, –– Eigenwerber und –– Generalklausel. Praxistipp Interessante Hinweise und Erläuterungen hinsichtlich abgabepflichtiger Unternehmen und Leistungen sowie des Abgabeverfahrens finden sich auf der Homepage der Künstlersozialkasse unter www. kuenstlersozialkasse.de

1. Typische Verwerter Zu den typischen Verwertern (§ 24 Abs. 1 S. 1 KSVG) gehören Unternehmen, die künst- 39 lerische und publizistische Leistungen in Anspruch nehmen und diese verwerten. Zu diesem Verwerterkreis zählen insbesondere die Folgenden:

a) Verlage, Presseagenturen und Bilderdienste (§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KSVG) Verleger ist, wer Werke der Literatur, der Presse und der Tonkunst zur Vervielfälti- 40 gung und Verbreitung für eigene Rechnung übernimmt.10 Dazu gehören auch Selbstverlage, Musikverlage und Verlagsagenturen. Presseagenturen sind Unternehmen, die Nachrichten und Bilder des Zeitgesche- 41 hens sammeln und diese gegen Entgelt an Dritte zur Verfügung stellen. Bilderdienste sind Unternehmen, welche als Inhaber von urheberrechtlichen Ver- 42 wertungsrechten an Fotografien Nutzungsrechte derselben an Dritte einräumen.

b) Theater, wobei Filmtheater ausgenommen sind (§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KSVG) Theater i.S.d. Vorschrift können Schauspiel- und Opernhäuser, Ballettensemble, 43 Schatten-, Puppen- und Marionettentheater sein. Abgabepflichtig können grundsätzlich auch Unternehmen sein, die sich für Theateraufführungen nicht eines eigenen

9 2012: 3,9 %. 10 Vgl. hierzu § 1 Gesetz über das Verlagsrecht vom 19.6.1901 (RGBl. S. 217).

Maihöfer

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 Kapitel 21 Künstlersozialversicherung

Ensembles bedienen, sondern hierzu fremde Theatergruppen heranziehen. Eine Abgabepflicht besteht auch für Theater- und Schauspielschulen.

c) Orchester (§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KSVG)

44 Eine rechtliche Definition des Orchesters ist nicht existent. Orchester zeichnen sich

in der Regel dadurch aus, dass verschiedene Instrumente in mindestens doppelter Besetzung unter Anleitung eines Dirigenten zusammenwirken. Dementsprechend sind Musikgruppen, welche als Duo, Terzett oder Quartett firmieren, nicht als Orchester zu betrachten.

d) Theater-, Konzert- und Gastspieldirektionen sowie sonstige Unternehmen (§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 KSVG) 45 Hierzu gehören Unternehmen, deren Hauptzweck es ist, Konzerte und/oder Theateraufführungen zu veranstalten.

e) Rundfunk und Fernsehen (§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 KSVG) 46 Hierunter sind Betreiber und Anbieter von Rundfunk- und Fernsehprogrammen zu verstehen, unabhängig davon, ob sich diese in privater oder öffentlicher Hand befinden.

f) Hersteller von bespielten Bild- und Tonträgern (§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 KSVG)

47 Bespielte Bild- und Tonträger sind vor allem Schallplatten, CDs, DVDs, CD-ROMs,

Tonbänder, Disketten, Filme, Videos und Bildplatten. Abgabepflichtig sind jedoch nur die Unternehmen, die erstmals einen Bild- und Tonträger zu Vertriebszwecken bespielt haben. Insofern sind Unternehmen, welche solche Medien ausschließlich vervielfältigen, von der Abgabepflicht ausgenommen.

g) Galerien und Kunsthandel (§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 KSVG)

48 Dazu gehören Unternehmen, die mit Werken der bildenden Kunst Handel betreiben.

h) Werbung und Öffentlichkeitsarbeit für Dritte (§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 KSVG)

49 Hierzu gehören nicht nur Unternehmen, die Werbung im engen Sinne betreiben.

Unter Werbung versteht man die positive Darstellung eines Unternehmens und seiner Produkte in der öffentlichen Wahrnehmung mit der Absicht, Kunden zu gewinnen. Werbung i.S.d. Vorschrift sind auch Marketing, PR- und Öffentlichkeitsarbeit.

Maihöfer

C. Sozialversicherungsrecht 

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i) Varieté- und Zirkusunternehmen (§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 KSVG) Diese Unternehmen führen Veranstaltungen durch, gleichgültig ob an einem festen 50 oder wechselnden Ort, in denen unterhaltende und artistische künstlerische Leistungen dargeboten werden.

j) Museen Abgabepflichtige Unternehmen sind hier die Träger von Museen. Museen sind Aus- 51 stellungs- bzw. Aufbewahrungsräume für Kunstwerke, kunstgewerbliche, wissenschaftliche, historische, geschichtliche oder technische Sammlungen. Bei Museen kommt es insofern nicht darauf an, ob die Ausstellungsstücke künst- 52 lerischer Natur sind. Dementsprechend unterliegen bspw. auch landwirtschaftliche Museen der Abgabepflicht.

k) Aus- und Fortbildungseinrichtungen für künstlerische oder publizistische Tätigkeiten (§ 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 KSVG) Aus- und Fortbildungseinrichtungen i.S.d. Künstlersozialversicherung sind alle Ein- 53 richtungen, in denen praktische Fertigkeiten für das Ausüben von künstlerischen oder publizistischen Tätigkeiten vermittelt werden. Dazu gehören Musikschulen, Schauspiel-, Ballett- und Theaterschulen sowie Journalisten- und Publizistenschulen. Auch Pädagogische Hochschulen, Volkshochschulen und Fortbildungswerke 54 können, soweit künstlerische und/oder publizistische Fähigkeiten vermittelt werden, der Abgabepflicht unterliegen.

2. Eigenwerber Gem. § 24 Abs. 1 S. 2 KSVG sind auch Unternehmen abgabepflichtig, die für eigene 55 Zwecke Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit betreiben und dabei nicht nur gele­ gentlich Aufträge an selbstständige Künstler oder Publizisten erteilen. Dabei ist es einerlei, ob die Firma selbst beworben wird oder eines ihrer Produkte oder Dienstleistungen. Entscheiden ist vor allem, dass Maßnahmen zur Unterstützung unternehmerischer Zwecke eingesetzt werden. Eine unmittelbare Gewinn- oder Einnahmenerzielungsabsicht ist dabei nicht Voraussetzung. Dementsprechend können auch imagebildende Maßnahmen (Charity) und die 56 Verfolgung politischer Ziele und Interessen Eigenwerbung darstellen.

a) Beispiele für Eigenwerbung und Öffentlichkeitsarbeit Beispiele für Eigenwerbung und Öffentlichkeitsarbeit sind: –– Werbeprospekte und Kataloge, –– Erfüllung gesetzlicher Informationspflichten, Maihöfer

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–– –– –– –– ––

 Kapitel 21 Künstlersozialversicherung

Öffentlichkeitsarbeit für bestimmte Branchen, Spendensammlungen und Finanzierung von Hilfsleistungen, Pressekonferenzen und Empfänge, Publikationen und Veranstaltungen mit kulturellem und sozialem Charakter.

b) Regelmäßige Auftragserteilung

58 Eine Abgabepflicht als Eigenwerber tritt nur ein, wenn die Vergabe von Aufträgen

an selbstständige Künstler und Publizisten regelmäßig (d.h. nicht nur gelegentlich) erfolgt. Davon ist auszugehen, wenn Werbemaßnahmen und Maßnahmen der Öffent59 lichkeitsarbeit laufend vorliegen oder in wiederkehrender Regelmäßigkeit anfallen. Dies ist bspw. bei jährlichen Weihnachtsaktionen anzunehmen. Insofern kann eine mindestens einmal pro Jahr erfolgende Beauftragung ausreichend sein, um eine Abgabepflicht zu begründen.

3. Generalklausel 60 Nach der Generalklausel des § 24 Abs. 2 S. 1 KSVG sind ferner die Unternehmen abgabepflichtig, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbstständige Künstler und Publizisten erteilen, um deren Werke oder Leistungen für Zwecke ihres Unternehmens zu nutzen, wenn im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen erzielt werden sollen.

a) Sonderfall für Veranstaltungen 61 Entsprechend der Regelung des § 24 Abs. 2 S. 2 KSVG liegt eine nur gelegentliche Erteilung von Aufträgen i.S.d. § 24 Abs. 2 S. 1 KSVG vor, wenn in einem Kalenderjahr nicht mehr als drei Veranstaltungen durchgeführt werden, in denen künstlerische oder publizistische Werke bzw. Leistungen aufgeführt und dargeboten werden. Erst ab der vierten Veranstaltung im Laufe eines Kalenderjahres tritt somit die Abgabepflicht in die Künstlersozialkasse ein.

b) Sonderregelung für Musikvereine

62 Die Generalklausel findet keine Anwendung für (nicht-kommerzielle) Musikvereine,

soweit für diese vereinseigene Chorleiter oder Dirigenten regelmäßig tätig sind (§ 24 Abs. 2 S. 3 KSVG). Eine Abgabepflicht scheidet für diese somit aus.

Maihöfer

C. Sozialversicherungsrecht 

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4. Privatpersonen und Endverbraucher Für Privatleute und Endverbraucher besteht keine Abgabepflicht, da diese keine 63 Unternehmen sind und die künstlerische oder publizistische Leistung nicht verwerten, sondern lediglich konsumieren.

III. Abgabepflichtige Leistungen an Auftragnehmer 1. Natürliche Personen Soweit die Abgabepflicht dem Grunde nach besteht, sind Leistungen an selbststän- 64 dige Künstler und Publizisten (natürliche Personen) zu verbeitragen. Dies gilt auch für Leistungen an Personengesellschaften (GbR, OHG). Es spielt für die Abgabepflicht keine Rolle, ob der Beauftragte Künstler/Publizist 65 selbst in der Künstlersozialversicherung versichert ist oder nicht. Praxishinweis Die Künstlersozialabgabe darf von den abgabepflichtigen Unternehmen auch nicht an die Künstler/ Publizisten weiterbelastet werden bzw. von deren Honorar in Abzug gebracht werden. Derartige Vereinbarungen sind nichtig.

2. Kapitalgesellschaften Werden Honorare und sonstige Leistungen trotz Bestehens einer grundsätzlichen 66 Abgabepflicht an: –– juristische Personen (z.B. GmbH, AG) oder –– Kommanditgesellschaften (KG und GmbH & Co KG) geleistet, so unterliegen diese Zahlungen und Honorare nicht der Abgabepflicht in die Künstlersozialversicherung. Entsprechendes gilt auch bei ausländischen Kapitalgesellschaften wie bspw. eine Ltd. oder eine AS. Praxistipp Ebenfalls nicht abgabepflichtig sind die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer und steuerfreie Aufwandsentschädigungen (z.B. Reise- und Bewirtungskosten).

IV. Künstler und Publizisten im Sinne des KSVG 1. Künstler Künstler ist, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schafft, ausübt oder lehrt. 67 Praxishinweis Handwerkliche und kunsthandwerkliche Leistungen sind entsprechend dem Zweck des KSVG nicht von der Abgabepflicht umfasst. Dazu zählen bspw. Leistungen von Goldschmieden, Instrumentenbauern oder auch Tätowierern, auch wenn diese unzweifelhaft eine gewisse gestalterische Leistung erbringen.

Maihöfer

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 Kapitel 21 Künstlersozialversicherung

Eine Ausnahme davon besteht nur, wenn in Grenzfällen zwischen Kunst und Handwerk der Betreffende in relevanten fachspezifischen Kreisen als Künstler anerkannt ist und so behandelt wird. Beispiele dafür sind etwa die Gewährung der Mitgliedschaft in künstlerischen Berufsverbänden oder die Teilnahme an Kunstausstellungen.11

2. Publizist

68 Publizist ist, wer als Schriftsteller, Journalist oder in ähnlicher Weise wie ein Schrift-

steller oder Journalist tätig ist. Auch wer Publizistik lehrt, fällt unter den Schutz des KSVG. 3. Sonderfall Webdesigner

69 Internetauftritte von Auftrag gebenden Unternehmen sind in der Regel der Werbung-

und Öffentlichkeitsarbeit zuzurechnen. Dementsprechend sind Webdesigner ebenfalls dem Personenkreis der Künstler und Publizisten i.S.d. KSVG zuzurechnen, vorausgesetzt, dass sie diese Internetseiten unter ästhetischen und funktionalen Gesichtspunkten mitgestalten und programmieren. Auch wenn die Webdesigner engen Vorgaben durch den Auftraggeber unterliegen, ändert sich nichts an der Beurteilung. Nicht zum Personenkreis der Künstler und Publizisten gehören Programmierer, 70 Webmaster- und Administratoren, solange diese keinerlei gestalterische Leistungen erbringen (z.B. Grafiken) und den Internetauftritt lediglich im Hinblick auf Aktualität, Virenschutz, Funktionalität, Sicherheit und Nutzerfreundlichkeit warten.

4. Ausnahmen

71 Von der Versicherungspflicht in der Künstlersozialkasse ausgenommen sind neben­

berufliche Künstler, die ihr überwiegendes Einkommen aus einer anderen Haupttätigkeit beziehen.12 Versicherungsfrei nach KSVG sind Personen, deren voraussichtliches Einkom72 men aus künstlerischer Tätigkeit 3.900 € im Kalenderjahr nicht übersteigen wird (§ 3 Abs. 1 S. 1 KSVG, Geringverdienende). Auf Antrag gem. § 7 S. 1 KSVG sind Künstler/Publizisten unwiderruflich versi73 cherungsfrei, die in drei aufeinanderfolgenden Jahren die Jahresarbeitsentgeltgrenze des § 6 Abs. 6 SGB V überschreiten (Höherverdiendende). Für Berufsanfänger besteht innerhalb von drei Monaten ab Feststellung der 74 Versicherungspflicht in der Künstlersozialkasse das Wahlrecht, ob sie sich bei der gesetzlichen Krankenkasse oder bei einem privaten Krankenversicherungsunterneh-

11 BSG, Urt. v. 28.2.2007 – B 3 KS 2/07 R –. 12 Küttner/Röller, Künstlersozialversicherung, Rn 1.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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men versichern. Ein Künstler oder Publizist gilt innerhalb der ersten drei Jahre nach erstmaliger Aufnahme seiner selbstständigen künstlerischen bzw. publizistischen Tätigkeit als Berufsanfänger. V. Feststellung und Überwachung der Abgabepflicht Die Feststellung der Abgabepflicht zur Künstlersozialkasse obliegt der Künstlerso­ 75 zialversicherung. Hierzu verwendet die KSK einen Fragebogen, der von den (potenziellen) Verwertern ausgefüllt und eingereicht werden muss. Zum Einsatz kommen hier: 76 –– der allgemeine Fragebogen für alle abgabepflichtigen Verwerter oder –– der spezielle Fragebogen für die sog. Eigenwerber. Praxishinweis Die Künstlersozialabgabe ist eine Pflichtabgabe. Unternehmen, welche bei der Künstlersozialkasse noch nicht registriert sind bzw. deren Abgabeplicht noch nicht überprüft wurde, wird empfohlen, dies nachzuholen. So können Nachteile wie empfindliche Säumniszuschläge bei Nachzahlungen aufgrund einer späteren Betriebsprüfung vermieden werden.

Für die Überwachung der Künstlersozialabgabe sind die Prüfdienste der Rentenversi- 77 cherung, nicht die Künstlersozialkasse, zuständig. Die Überprüfung wird im Rahmen der sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfung vorgenommen.

VI. Bemessungsgrundlage der Künstlersozialabgabe Die Künstlersozialabgabe ist auf alle Entgelte zu zahlen, die an selbstständige Künstler oder Publizisten im Laufe eines Kalenderjahres gezahlt werden (vgl. § 25 KSVG). Mitumfasst werden dabei auch die zu erstattenden Nebenkosten (z.B. Material- und Telefonkosten). Die Künstlersozialabgabe ist ein pauschaler Umlagebetrag, den Kunst verwertende Unternehmen zu dem Gesamtbeitrag der Künstlersozialversicherung beitragen. Bemessungsgrundlage für die Künstlersozialabgabe sind die Entgelte (Gagen, Honorare, Tantieme) abzüglich Umsatzsteuer, die die Kunstverwerter sowie Unternehmen i.S.v. § 24 Abs. 1 KSVG im Laufe eines Kalenderjahres für künstlerische bzw. publizistische Werke und Leistungen an selbstständige Künstler oder Publizisten zahlen, auch wenn diese selbst nicht versicherungspflichtig sind (§  25 Abs.  1 S.  1 KSVG). Mitumfasst werden dabei auch die zu erstattenden Nebenkosten (z.B. Material- und Telefonkosten). Zur Bemessungsgrundlage zählen auch die Entgelte, die ein nicht abgabepflichtiger Dritter für künstlerische oder publizistische Werke bzw. Leistungen zahlt, die für einen zur Abgabe Verpflichteten erbracht werden, § 25 Abs. 1 S. 2 KVSG. Der jeweilige Beitragssatz wird bis zum 30.9. eines jeden Jahres durch das BMAS im Einvernehmen mit dem BMF für das folgende Kalenderjahr festgelegt. Maihöfer

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 Kapitel 21 Künstlersozialversicherung

VII. Melde- und Abgabeverfahren

83 Das abgabepflichtige Unternehmen hat nach Ablauf eines Kalenderjahres, spätestens

bis zum 31.3. des Folgejahres, der Künstlersozialkasse die Summe der sich nach § 25 ergebenden Beiträge zu melden (vgl. § 27 KSVG). Für die Meldung hält die Künstlersozialkasse Vordrucke bereit, welche zu verwenden sind. Praxistipp Kommt der Abgabeverpflichtete seiner Meldepflicht nicht nach, kann die Bemessungsgrundlage durch die Künstlersozialkasse geschätzt werden.

84 Nach Abgabe der Jahresmeldung teilt die Künstlersozialkasse dem Abgabepflichti-

gen den von ihm zu entrichtenden Beitrag schriftlich mit; dies geschieht in Form des Abgabebescheids. Mit Rücksendung des Meldebogens oder mit Erhalt des Abgabebescheids besteht 85 die Möglichkeit, einen Antrag auf Ratenzahlung zu stellen, vorausgesetzt, der abgabepflichtige Verwerter kann durch die Höhe der zu entrichtenden Abgabe in eine finanzielle Schieflage geraten, die den Fortbestand des Unternehmens gefährdet. Dies ist glaubhaft zu machen. Im Falle möglicher Ratenzahlungen können diese von sechs bis auf 48 Monaten 86 verteilt werden.

VIII. Monatliche Vorauszahlung 87 Registrierte bzw. abgabepflichtige Unternehmen müssen monatlich eine Vorauszahlung zur Künstlersozialkasse leisten. Diese Vorauszahlung bemisst sich an der vom abgabepflichtigen Verwerter mutmaßlich zu leistenden Jahresbeitragsleistung. Schätzgrundlage für die Vorauszahlung ist in der Regel der Jahresbeitrag des Vor­ jahrs. Die Vorauszahlung ist als Abschlagszahlung zu betrachten. Überzahlungen werden nach Festlegung des Abgabebescheids erstattet. Kann der abgabepflichtige Verwerter glaubhaft darlegen, dass die Bemessungs88 grundlage im Folgejahr erheblich unterschritten wird, so kann eine Herabsetzung der monatlichen Vorauszahlung beantragt werden. Die Vorauszahlung ist erst ab dem zweiten Jahr der Registrierung bzw. der Fest89 stellung der Abgabepflicht dem Grunde nach fällig. D.h., erst wenn eine Bemessungsgrundlage besteht, ist (künftig) eine monatliche Vorauszahlung zu leisten. Beispiel Ein Unternehmen wird 2011 gegründet und verwertet ab dem ersten Jahr künstlerische und/oder publizistische Leistungen von selbstständigen Künstlern und Publizisten. Die daraus resultierende Beitragsbemessung (Gesamtsumme der geleisteten Honorare und Entgelte) ist Bemessungsgrundlage für die monatliche Vorauszahlung ab dem Folgejahr. D.h., eine Vorauszahlung ist erst zu leisten, wenn eine Bemessungsgrundlage vorhanden ist, in diesem Fall ab 2012.

Maihöfer

C. Sozialversicherungsrecht 

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IX. Säumniszuschläge und Verjährung 1. Säumniszuschläge Auf rückständige Künstlersozialabgaben und Abgabevorauszahlungen sind Säumnis- 90 zuschläge zu erheben (vgl. § 30 KSVG). Hier gilt § 24 SGB IV entsprechend. Dementsprechend ist für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, für jeden Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 % des rückständigen Beitrages zu zahlen.

2. Verjährung Hinsichtlich der Verjährung von Abgaben wird ebenfalls auf das Sozialgesetzbuch 91 verwiesen. Gem. § 25 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge nach vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich enthaltene Beiträge verjähren nach 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Dabei reicht bedingter Vorsatz aus.

X. Bußgeldvorschriften Versäumnisse und Unterlassungen im Zusammenhang mit der Künstlersozialab- 92 gabe können eine Ordnungswidrigkeit darstellen, für welche Bußgelder von bis zu 50.000 € erhoben werden können (vgl. § 36 KSVG). Ordnungswidrig handelt insbesondere, wer: 93 –– auf Verlangen Angaben, Auskunfts- und Vorlagepflichten nicht, nicht richtig oder unvollständig macht, –– Meldepflichten nicht, nicht richtig oder unvollständig macht, –– Aufzeichnungen nicht richtig oder vollständig führt.

Maihöfer

Kapitel 22 Kurzarbeit A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis Kurzarbeit dient als Beschäftigungssicherung in Zeiten schwerer internationaler 1 Wirtschafts- und Finanzkrisen mit massiven Umsatzeinbrüchen in vielen Unternehmen. Der Zweck der Kurzarbeit liegt darin, eine – vorübergehende – Inkongruenz von betrieblicher Arbeitsmenge und der Anzahl der vorhandenen Arbeitskräfte auszugleichen, ohne Beendigungskündigungen aussprechen zu müssen. Kurzarbeit bedeutet daher das vorübergehende teilweise Ruhen von Arbeits- 2 und Entgeltzahlungspflicht. Es kommt zu einer vorübergehenden Herabsetzung der betriebsüblichen bzw. arbeitsvertraglich maßgeblichen Arbeitszeit unter gleichzeitiger entsprechender Kürzung des Arbeitsentgelts. Damit eng verbunden ist das arbeitsförderungsrechtliche Institut des Kurzarbeitergelds, welches der Kompensa­ tion des Lohnausfalls bei den Arbeitnehmern dient. Beispiel Es bestehen folgende drei Formen der Kurzarbeit: –– aus konjunkturellen Gründen (§ 170 SGB III a.F./§ 96 SGB III n.F.), –– aus saisonalen Gründen (Saison-Kurzarbeitergeld), –– bei wirtschaftlichen, langfristigen Restrukturierungsmaßnahmen (Transfer-Kurzarbeitergeld)

In den Jahren der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 war Kurzarbeit in 3 Deutschland ein bedeutendes Instrument der Beschäftigungssicherung unter Berücksichtigung der Wirtschaftslage des Unternehmens. Die Kurzarbeit nach § 170 SGB III a.F. wurde Anfang 2008 von den ersten Unternehmen genutzt. Im Januar 2008 hatten bereits 3.004 Betriebe Kurzarbeit für ihre ca. 25.000 Beschäftigten eingeführt. Die Kurzarbeit stieg in den Jahren 2008/2009 kontinuierlich an. Im Juli 2009 haben 1,2 Millionen Beschäftigte in 61.427 Betriebe gem. §  170 SGB III a.F. kurzgearbeitet; im Mai 2009 wurde der Maximalwert mit 1,4 Millionen Beschäftigten in Kurz­ arbeit in 56.294 Betrieben erreicht. Erst ab Mai 2010 wurde die Kurzarbeit nach § 170 SGB III a.F. sukzessive abgebaut, jedoch wurde erst im Mai 2011 mit 15.283 Betrieben und 106.721 Beschäftigten in Kurzarbeit annähernd der Stand von Januar 2009 (13.008 Betriebe, 452.137 Kurzarbeiter) wieder erreicht.1

1 Statistik der BA, Arbeitsmarkt in Zahlen, Statistik über Kurzarbeit von Betrieben und Kurzarbeiter, Zeitreihe mit endgültigen Daten zur Kurzarbeit für Deutschland sowie Länder, Nürnberg, Stand 28.11.2011, Tabelle 3: Kurzarbeit nach § 170 SGB III a.F. (Deutschland Januar 2007 bis Mai 2011).

Kuniß

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 Kapitel 22 Kurzarbeit

Vorteile für den Arbeitgeber Aus Arbeitgebersicht ergibt sich folgender Nutzen durch Kurzarbeit: –– vorübergehende Senkung der Personalkosten bei wirtschaftlich schwieriger Lage des Betriebs, –– Absicherung der Liquidität des Unternehmens, –– Kompensation von Lohnausfall und Stabilisierung der Arbeitsplätze, –– Arbeitsplatzerhalt, –– Vermeidung von Beendigungskündigungen und Kündigungsstreitigkeiten, –– Vorbeugung gegen dauerhafte Arbeitslosigkeit, –– Erhalt der speziellen Fachkenntnisse der Mitarbeiter, –– Erhöhung der Flexibilität betrieblicher Beschäftigungspolitik, –– Wettbewerbsvorteile durch Erhalt des Mitarbeiter-Know-hows bei Konjunkturaufschwung, –– vorübergehende Übernahme des Betriebs- und Wirtschaftsrisikos durch die AA.

Nachteile für den Arbeitgeber Andererseits können sich folgende Nachteile, Kosten bzw. Unwirtschaftlichkeiten aus Arbeitgebersicht ergeben: –– Zeitaufwand zur Abstimmung mit der zuständigen AA, –– Antragsaufwand, Verwaltungskosten, –– komplexe Berechnung und Auszahlung des Kurzarbeitergeldes, –– Beantragung der Rückerstattung der gezahlten Kurzarbeitergelder bei der AA, –– vorzeitige Beendigung der vereinbarten Kurzarbeit, –– Eigenkündigung von Mitarbeitern, Know-how-Verlust.

II. Rechtliche Grundlagen von Kurzarbeit und Kurzarbeiter­geld

4 Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt

vom 20.12.2011 wurden die Regelungen zur Kurzarbeit im SGB III teilweise ergänzt.2 Die Ergänzungen sind nachfolgend entsprechend berücksichtigt. Darüber hinaus wurden die Regelungen des SGB III zur aktiven Arbeitsförde5 rung, Arbeitslosengeld und Insolvenzgeld und zur Zulassung von Trägern und Maßnahmen mit Wirkung zum 1.4.2012 neu strukturiert. Davon erfasst sind auch die Regelungen zur Kurzarbeit in §  169 ff. SGB III a.F. (§§  95 ff. SGB III n.F.). Die Neu­ regelungen in §§  95 ff. SGB III n.F. entsprechen den bisherigen §§  169 ff. SGB III a.F., jedoch wurden diese Regelungen lediglich zur sprachlichen Gleichstellung von Frauen und Männern angepasst und redaktionell überarbeitet.3 Im Folgenden wird

2 Verkündet im BGBl. I 2011 S. 2854 (27.12.2011); Inkrafttreten dieser Regelung nach Art. 51 Abs. 3 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt am Tag nach der Verkündung; Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks. 17/6277. 3 Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks. 17/6277.

Kuniß



A. Arbeitsrecht  

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auf die relevanten Alt- und Neuregelungen hingewiesen. Der Arbeitgeber, der sich mit Kurzarbeit auseinandersetzen muss, muss Folgendes beachten:

1. Voraussetzungen für Kurzarbeit Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Kurzarbeitssituation sind in §§ 170 f. 6 SGB III a.F., §§ 95 ff. SGB III n.F. zu finden. Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld können deutsche Betriebe und Betriebsabteilungen mit mindestens einem Arbeitneh­ mer beantragen, wobei sich das deutsche Arbeitsförderungsrecht des SGB III auf den inländischen Arbeitsmarkt bezieht (§ 30 Abs. 1 SGB I).

a) Erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall Kurzarbeit kann nur beantragt werden, wenn ein erheblicher Arbeitsausfall vor- 7 liegt, der auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht sowie vorübergehend und nicht vermeidbar ist. Im Mittelpunkt stehen hierbei die wirtschaftlichen Gründe (§ 170 Abs. 1 SGB III a.F./§ 96 Abs. 1 SGB III n.F.). Nur bei Erfüllung der genannten Voraussetzungen kann die zuständige AA die Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld bewilligen. Der Begriff der wirtschaftlichen Gründe umfasst alle externen Ursachen, die 8 sich aus der Teilnahme des Arbeitgebers am Wirtschaftsleben ergeben. Beispiel Wirtschaftliche Gründe können sein: –– verminderter Auftragseingang, –– sinkende Absatzmöglichkeiten, –– Mangel an Rohstoffen oder –– strukturelle wirtschaftliche Änderung.

Die wirtschaftlichen Gründe müssen die wesentlichen bzw. überwiegenden Ursa­ 9 chen für den Arbeitsausfall sein und während der gesamten Dauer des Bezugs vorliegen. Ein unabwendbares Ereignis kann auch Ursache des erheblichen Arbeitsaus- 10 falls darstellen. Darunter fallen bspw. außergewöhnliche Witterungsverhältnisse oder behördliche bzw. behördlich anerkannte Maßnahmen, die der Arbeitgeber nicht zu vertreten hat. Beispiel Dazu zählen etwa: –– Hochwasser –– Stromsperre bei Energiemangel

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 Kapitel 22 Kurzarbeit

11 Dagegen werden Arbeitsausfälle, die aufgrund der üblichen Witterungsverhält­

nisse und Jahreszeiten erfolgen, für das konjunkturelle Kurzarbeitergeld als nicht unabwendbar angesehen. Der saisonale, witterungsbedingte Arbeitsausfall ist jedoch über das Saison-Kurzarbeitergeld abgedeckt. Beispiel Dazu zählen z.B. Wintermonate im Baugewerbe.

12 Der Arbeitsausfall muss vorübergehend sein. Vorübergehend ist ein Arbeitsausfall,

wenn in absehbarer Zeit die Rückkehr zur Vollarbeit wahrscheinlich ist. Hierbei wird die Faustformel herangezogen, dass der Arbeitsausfall die Bezugszeit des Kurzarbeitergeldes nicht deutlich übersteigen darf. Insoweit sind die Bezugszeiten des Kurzarbeitergeldes (§§ 177 SGB III a.F./§ 104 SGB III n.F.) maßgeblich.4 Weiter muss der Arbeitsausfall unvermeidbar sein. Der Arbeitgeber ist verpflich13 tet, vor der Anzeige des Arbeitsausfalles alle zumutbaren Maßnahmen zu treffen, die den Arbeitsausfall verhindern oder einschränken. Auch während der Kurzarbeit muss sich der Arbeitgeber darum bemühen, den Arbeitsausfall zu verringern oder sogar zu beenden. Beispiel Zumutbare Maßnahmen sind: –– Arbeit auf Lager, –– Umstellung auf andere Zulieferer, Roh- und Betriebsstoffe sowie Transportwege, –– Vorziehen anderer notwendiger Aufräum- und Instandsetzungsarbeiten. 14 Allerdings ist ein Arbeitsausfall unvermeidbar, wenn in einem Betrieb alle zumut­

baren Vorkehrungen getroffen wurden, um den Eintritt des Arbeitsausfalls zu verhindern.

Praxistipps –– Möglich ist die Vermeidbarkeit eines Arbeitsausfalls insbesondere durch die Gewährung von Erholungsurlaub und die Ausnutzung von bestehenden Arbeitszeitguthaben, sofern die Auflösung der Arbeitszeitguthaben vom Arbeitnehmer rechtlich verlangt werden kann. Es ist jedoch nicht erforderlich, bestehende und arbeitsrechtlich zulässige Arbeitszeitvereinbarungen zu ändern oder gar eine Arbeitszeitvereinbarung erstmals abzuschließen. –– Für die Zeit vom 1.2.2009 bis ursprünglich 31.3.2012 hat die im Zuge der Wirtschaftskrise 2008/2009 eingeführte Erleichterung gegolten, dass im Rahmen vereinbarter Arbeitszeitschwankungen keine Minusstunden gebildet werden müssen, um den Arbeitsausfall zu vermei-

4 Ausführlich hierzu Rn 150 ff.

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den. Diese Sonderregelung wurde jedoch aufgrund des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vorzeitig zum 31.12.2011 beendet.5 Ein überwiegend branchenüblicher, betriebsüblicher oder saisonbedingter Arbeitsausfall ist ebenfalls für das konjunkturelle Kurzarbeitergeld vermeidbar.

Der Arbeitgeber muss gegenüber der AA darlegen und glaubhaft machen, dass er alle 15 zumutbaren Maßnahmen vor Einführung der Kurzarbeit tatsächlich ausgeschöpft hat. Der wirtschaftlich bedingte Arbeitszeitausfall muss erheblich sein, d.h., der 16 Arbeitsausfall muss im jeweiligen Kalendermonat bei mindestens einem Drittel der Arbeitnehmer des Betriebs ohne Berücksichtigung der Auszubildenden zu einem Entgeltausfall von mindestens 10 % geführt haben. Bei der Anzahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer sind alle Arbeit- 17 nehmer zu berücksichtigen, die mindestens einen Tag im Monat der Kurzarbeit einen vorhandenen Arbeitsplatz besetzen. Dazu zählen auch Arbeitnehmer, die nicht der Versicherungspflicht der BA unterliegen, wie: –– geringfügig Beschäftigte, –– unständig Beschäftigte i.S.d. § 27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III, –– erkrankte Arbeitnehmer, –– beurlaubte Arbeitnehmer und –– Arbeitnehmerinnen in Mutterschutz. Beispiel Bei der Ermittlung der Gesamtzahl der tatsächlich Beschäftigten zur Prüfung des Drittelerfordernisses sind nicht mitzuzählen: –– Auszubildende, –– Arbeitnehmer in beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen (Vollzeit) mit Bezug von Unterhaltsoder Übergangsgeld, –– ruhende Arbeitsverhältnisse, wie z.B. bei Elternzeit, früherem Zivil- oder Grundwehrdienst sowie –– Heimarbeiter.

Praxistipp –– Eine wirksam eingeführte Kurzarbeit ist für die Gewährung von Kurzarbeitergeld unerlässlich, da die Voraussetzung für Kurzarbeitergeld der durch den erheblichen Arbeitsausfall bedingte Entgeltausfall ist. Ein solcher Entgeltausfall liegt jedoch nur bei einer wirksam eingeführten Kurzarbeit vor. –– Bei einer unrechtmäßigen Anordnung von Kurzarbeit bleibt der volle Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber bestehen und Kurzarbeitergeld wird nicht geleistet. Hier besteht ein nicht unerhebliches finanzielles Risiko für den Arbeitgeber, so dass die Vereinbarung von Kurzarbeit sorgfältig vorbereitet werden muss.

5 Gesetz für bessere Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt (Beschäftigungschancengesetz) vom 24.10.2010 in BGBl. I 2010 S. 1417 f.

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 Kapitel 22 Kurzarbeit

18 Die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des Drittelerfordernisses und

des Entgeltausfalls von 10 % führt dazu, dass dann auch Arbeitnehmer Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben, deren persönlicher und individueller Entgeltausfall geringer als 10 % ihrer Bruttomonatsvergütung ist. Wird der Schwellenwert dagegen nicht erreicht, konnte sich bis zum 31.12.2011 19 ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld für einzelne Mitarbeiter nur nach § 421t Abs. 2 Nr. 1 SGB III a.F. ergeben. Danach war ein Arbeitsausfall auch dann erheblich, wenn im jeweiligen Kalendermonat weniger als ein Drittel der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall betroffen ist, soweit der Entgeltausfall jeweils mehr als 10 % ihres monatlichen Bruttoentgelts betraf. Lag diese erleich­ terte Voraussetzung auch nicht vor, konnten die Arbeitsausfälle nicht durch Kurzarbeitergeld ausgeglichen werden. Ein wesentlicher Vorteil war darin zu sehen, dass der Anspruch auf Kurzarbei20 tergeld in dieser Variante beim einzelnen Arbeitnehmer – unabhängig von dem o.g. Drittelerfordernis – bereits dann entstand, wenn der Entgeltausfall indivi­ duell mehr als 10  % der Bruttomonatsvergütung beträgt. Dadurch konnte eine beliebige Anzahl von Mitarbeitern Kurzarbeitergeld erhalten, ohne dass es auf das Drittel­erfordernis ankam. Anspruch auf Kurzarbeitergeld hatten jedoch nur die einzelnen Arbeitnehmer, deren Entgeltausfall mehr als 10 % betrug. Ursprünglich galten die erleichterten Voraussetzungen für Kurzarbeit und 21 Kurzarbeitergeld nach § 421t SGB III a.F. befristet bis zum 31.3.2012. Jedoch wurden diese Sonderregelungen vorzeitig durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt6 zum 31.12.2011 beendet. Begründet wurde dies damit, dass aufgrund der guten wirtschaftlichen Entwicklung und Prognosen die während der Wirtschaftskrise eingeführten Sonderregelungen des § 412t SGB III a.F. über das Jahr 2011 hinaus nicht mehr erforderlich seien.7

b) Betriebliche Voraussetzungen

22 Betriebliche Voraussetzung der Kurzarbeit ist, dass in dem Betrieb des Arbeitgebers

mindestens ein Arbeitnehmer, der auch ein Auszubildender sein kann, beschäftigt ist. Es gilt der arbeitsrechtliche Betriebsbegriff. Als Betrieb wird daher eine orga­ nisatorische Einheit verstanden, innerhalb derer der Unternehmer gemeinsam

6 Im BGBl. I 2011 S. 2854 (27.12.2011) verkündet. 7 Inkrafttreten dieser Regelung nach Art. 51 Abs. 3 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt am Tag nach der Verkündung; Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks. 17/6277, S. 89.

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mit seinen Mitarbeitern unter Nutzung von sachlichen und sonstigen Mitteln einen bestimmten arbeitstechnischen Zweck fortgesetzt verfolgt.8 Praxistipp Eine selbstständige Betriebsabteilung wird einem Betrieb hierbei gleichgestellt. Damit kann Kurzarbeit auf bestimmte Teile des Betriebs beschränkt werden, wenn erheblicher Arbeitsausfall in dieser Abteilung vorliegt. Es kann auch für mehrere Betriebsabteilungen Kurzarbeit beantragt werden, wenn jede der Abteilungen die Voraussetzungen entsprechend erfüllt. Der Mindestarbeitsausfall wird dann für die kleine Einheit der Betriebsabteilung berechnet. Als eigenständige Betriebsabteilung werden regelmäßig z.B. Filialen, Verwaltung, Produktion, Werkstatt etc. angesehen.

c) Persönliche Voraussetzungen, die der Arbeitnehmer zu erfüllen hat In der Person des Arbeitnehmers muss als Grundvoraussetzung für die Kurzarbeit ein 23 versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nach Beginn des Arbeitsausfalls vorliegen, denn das Kurzarbeitergeld hat eine Lohnersatzfunktion. Eine versicherungspflichtige Beschäftigung übt aus, wer gegen Arbeitsentgelt oder zur Berufsausbildung beschäftigt ist. Grundsätzlich sind Arbeitnehmer in Altersteilzeit versicherungspflichtig be- 24 schäftigt, so dass auch diesen Arbeitnehmern Kurzarbeitergeld gewährt werden kann. Praxistipp Wird die Altersteilzeit im Blockmodell durchgeführt, kann ein Arbeitsausfall mit Anspruch auf Kurzarbeitergeld jedoch nur in der Arbeitsphase eintreten.

Auch Auszubildende sind versicherungspflichtig beschäftigt und damit anspruchs- 25 berechtigt. Bei Auszubildenden ist separat zu prüfen, ob die Unterbrechung des Ausbildungsverhältnisses unvermeidbar ist, da die Ausbildung oftmals eigenständig organisiert ist, eigene Ziele hat sowie unabhängig von der eigentlichen Produktion ist. Hier sind zunächst besondere Maßnahmen zur Vermeidung von Kurzar­ beit durchzuführen. Insoweit kommt auch die Versetzung in andere Abteilungen, in denen der Auszubildende noch nicht tätig war oder die Rückversetzung in die Lehrwerkstatt in Betracht. Praxistipps –– Es ist empfehlenswert, die nach dem Berufsbildungsgesetz zuständige Stelle (z.B. Industrieund Handelskammer, Handwerkskammer) für die Frage einzubinden, inwieweit Kurzarbeit für Auszubildende notwendig ist.

8 BSG, Urt. v. 25.4.1991 – 11 RAr 21/89 –.

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 Kapitel 22 Kurzarbeit

Der Betriebsrat besitzt auch in Bezug auf Auszubildende das Recht zur Mitbestimmung (§§  5 Abs. 1 und 87 Abs. 1 BetrVG) und ist hierbei einzuschalten. Auszubildende haben einen Anspruch auf Fortzahlung der Ausbildungsvergütung nach §  19 Abs. 1 Nr. 2a BBiG bis zur Dauer von sechs Wochen. Daher besteht für Auszubildende in der Regel erst ab der siebten Woche Anspruch auf Kurzarbeitergeld.

26 Versicherungspflichtig beschäftigt sind Teilzeitbeschäftigte, soweit sie in dem

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betroffenen Arbeitsverhältnis mehr als 400 € pro Monat verdienen. Insoweit sind sie ebenfalls von den Regelungen zur Kurzarbeit erfasst.9 Nicht versicherungspflichtig und somit ohne Anspruch auf Kurzarbeitergeld sind folgende Personengruppen: –– selbstständig tätige Personen, –– Arbeitnehmer nach Vollendung des für die Regelaltersrente der gesetzlichen Rentenversicherung erforderlichen Lebensjahres, –– Schüler und Studenten während der Dauer ihrer Ausbildung, wenn die relevante Beschäftigung der Ausbildung nachrangig ist, –– geringfügig Beschäftigte, wobei keine Zusammenzählung mehrerer geringfügiger Beschäftigungen bzw. mit nicht-geringfügigen Beschäftigungen erfolgt, –– Arbeitnehmer, die eine Rente wegen voller Erwerbsminderung oder eine vergleichbare Leistung eines ausländischen Leitungsträgers beziehen und –– Arbeitnehmer, die eine unständige Beschäftigung berufsmäßig ausüben (§  27 Abs. 3 Nr. 1 SGB III). Erforderlich ist, dass das Arbeitsverhältnis vor dem Arbeitsausfall bereits bestan­ den hat und fortgesetzt wird. Die Beendigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses während der Kurzarbeits­ periode ist unerheblich, denn die Entscheidung über die Beendigung der Beschäftigung ist bereits in der Vergangenheit – anders als bei einer Kündigung – getroffen worden. Insoweit setzen befristet Beschäftigte für die Dauer ihrer Befristung eine versicherungspflichtige Beschäftigung fort und sind insoweit für Kurzarbeitergeld anspruchsberechtigt. Dies gilt ebenfalls, wenn sich an das befristete Arbeitsverhältnis eine weitere befristete Beschäftigung nahtlos anschließt. Grundsätzlich haben Arbeitnehmer, die erst nach Beginn der Kurzarbeitspe­ riode ihre Tätigkeit im Unternehmen aufnehmen, keinen Anspruch auf Kurzarbei­ tergeld. Davon gibt es folgende zwei Ausnahmen: 1. Kurzarbeit ist auch dann möglich, wenn die versicherungspflichtige Beschäftigung erst während der Kurzarbeitsperiode aus zwingenden Gründen aufge­

9 Nach derzeitigem Stand liegt ein Kabinettsbeschluss der Bundesregierung vom 25.11.2011 vor, wonach die monatliche Geringfügigkeitsgrenze auf 450 € erhöht werden soll. Jedoch ist derzeit nicht absehbar, ob und wann diese Gesetzesänderung in Kraft treten wird.

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nommen wird. Das Vorliegen der zwingenden Gründe ist vom Arbeitgeber nachzuweisen. Beispiele –– Rückkehr aus unbezahltem Urlaub oder Freistellung, –– Rückkehr aus der Elternzeit oder Mutterschutz, –– Einstellung einer unentbehrlichen Fachkraft mit Spezialkenntnissen, wenn ein bisheriger Arbeitnehmer längere Zeit erkrankt, beurlaubt oder ausgeschieden ist.

2. Sofern die Beschäftigung, egal ob befristet oder unbefristet, im Anschluss an die Beendigung der Berufsausbildung bei demselben oder einem anderen Arbeitgeber aufgenommen wird, kann Kurzarbeitergeld gezahlt werden. Hier sind keine zwingenden Gründe erforderlich. Gleiche Regelungen gelten auch für Studienabgänger. Praxistipp Zeiten der Nichtbeschäftigung von geringer Dauer zwischen dem Ende des Berufsausbildungsverhältnisses und der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung sind unschädlich. Jedoch ist der geringe Zeitraum nicht näher von der AA benannt, sondern liegt im Einzelfallermessen der Behörde. Ob ein Zeitraum von einem Monat oder drei Monaten noch als geringfügig angesehen wird, ist mit der zuständigen AA abzustimmen.

Das Arbeitsverhältnis darf nicht gekündigt oder durch Aufhebungsvertrag aufge­ 31 löst sein. Bei gekündigten Arbeitnehmern kann das Ziel der Kurzarbeit, den Arbeitsplatz mit der Zahlung von Kurzarbeitergeld zu erhalten, nicht mehr erreicht werden. Insoweit ist Kurzarbeitergeld ausgeschlossen. Hat der Arbeitnehmer gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses Kün­ 32 digungsschutzklage vor den Arbeitsgerichten erhoben, besteht grundsätzlich die Möglichkeit einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Allerdings muss der gekündigte Arbeitnehmer während der Dauer des laufenden Kündigungsschutzprozesses mit Wissen und Willen des Arbeitgebers tatsächlich weiterbeschäftigt werden. Dies wird als Fortsetzung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gewertet, so dass für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses Kurzarbeitergeld gezahlt werden kann. Praxistipp Arbeitgeber, die gekündigte Arbeitnehmer während des Kündigungsschutzprozesses über das Ende der Kündigungsfrist tatsächlich weiterbeschäftigen bzw. nur wegen unvermeidbaren Arbeitsausfalles aus wirtschaftlichen Gründen (vorübergehend) nicht beschäftigen, haben diese Kündigungen der AA mitzuteilen. Dies dient der Vermeidung von Doppelansprüchen von Arbeitslosengeld und Kurzarbeitergeld.

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 Kapitel 22 Kurzarbeit

d) Arbeitnehmer mit Auslandsbezug

33 Das Leistungsrecht des deutschen Sozialrechts geht vom Prinzip des Beschäfti­

gungsortes aus. Auch das Recht des Kurzarbeitergeldes ist gem. § 30 SGB I auf den inländischen Arbeitsmarkt und damit den Erhalt inländischer Arbeitsplätze und den Arbeitsausfall im Inland bezogen. Danach kommt es für einen Anspruch auf Kurzarbeit grundsätzlich darauf an, 34 dass die versicherungspflichtige Beschäftigung im Bundesgebiet erfolgt und der kurzarbeitende Betrieb auch im Bundesgebiet liegt.

Praxistipp Unternehmen mit Firmensitz im Ausland können dann Kurzarbeit beantragen, wenn sie eine Niederlassung oder einen Betrieb in Deutschland unterhalten und die Mitarbeiter in das deutsche Sozialversicherungssystem einzahlen.10 35 Eine Entsendung bedeutet, dass die tatsächliche Beschäftigung im Ausland erfolgt,

das Arbeitsverhältnis gleichwohl im Bereich der Bundesrepublik angesiedelt bleibt.11 Sofern eine Entsendung von Deutschland ins Ausland vorliegt, kann der Arbeitnehmer nach § 4 SGB IV (Ausstrahlung) weiterhin im deutschen System der Sozialversicherung versicherungspflichtig und -berechtigt sein. Damit kann ein deutscher Mitarbeiter, der ins Ausland entsandt wurde, bei 36 Kurzarbeit im ausländischen Betrieb Kurzarbeitergeld nach deutschen Regelungen erhalten, wenn die übrigen deutschrechtlichen betrieblichen Voraussetzungen der Kurzarbeit im Ausland erfüllt sind. Dagegen erhält ein ausländischer, ins Bundesgebiet entsandter Arbeitneh­ 37 mer, für den aufgrund der Einstrahlung nach § 5 SGB IV das Sozialversicherungsrecht des entsendenden Staates maßgeblich ist, bei Kurzarbeit in seinem deutschen Betrieb kein Kurzarbeitergeld nach deutschem Sozialrecht. Beispiel Jedoch hat ein Ausländer dann Anspruch auf Kurzarbeitergeld in Deutschland, wenn er in der Bundesrepublik sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist und sein kurzarbeitender Betrieb ebenfalls im Bundesgebiet liegt.

e) Ausschlussgründe 38 Zur Erfüllung der persönlichen Voraussetzungen darf der einzelne Arbeitnehmer nicht vom Bezug des Kurzarbeitergeldes ausgeschlossen sein. In folgenden Fällen

10 Bayrisches LSG, Beschl. v. 1.7.2009 – L 9 AL 109/09 B ER – . 11 Vgl. auch Kap. 12 – Entsendung Rn 28 ff.

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besteht ein Ausschluss vom Kurzarbeitergeld, um einen Doppelbezug von Leistungen zu verhindern: –– während der Zeit, in der der Arbeitnehmer Krankengeld bezieht; –– solange dem Arbeitnehmer als Teilnehmer einer beruflichen Weiterbildungs­ maßnahme Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung oder Übergangsgeld mit Bewilligungsbescheid zuerkannt ist. Wenn diese Leistung nur für eine neben der Beschäftigung durchgeführte Teilzeitmaßnahme gezahlt wird, kommt dagegen für die ausgeübte Teilzeittätigkeit Kurzarbeitergeld in Betracht; –– während der Dauer, in der der Arbeitnehmer nicht bei den Vermittlungsbemü­ hungen in der von der AA verlangten und gebotenen Weise mitwirkt. Dies ist dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, an der vermittelnden Tätigkeit der AA angemessen mitzuwirken; –– arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer, die vor Eintritt der Kurzarbeit erkrankt sind; diese erhalten neben der Entgeltfortzahlung für die reduzierte Arbeitszeit während der Kurzarbeit zusätzlich nach § 47b Abs. 4 SBG V Krankengeld in Höhe des Kurzarbeitergeldes; –– Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben dagegen Arbeitnehmer, die während des Bezugs von Kurzarbeitergeld arbeitsunfähig erkranken. Dies ist dann erfüllt, wenn die Erkrankung im Anspruchszeitraum einschließlich des Tages eintritt, an dem der Anspruchszeitraum beginnt. Der Anspruch besteht solange, wie der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle besteht oder ohne den Arbeitsausfall bestehen würde. Gleichzeitig müssen jedoch auch die betrieblichen und persönlichen Voraussetzungen der Kurzarbeit vorliegen. Beispiel Der Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht auch dann, wenn Kurzarbeitergeld wegen Urlaubs zwar nicht zu gewähren war, der Arbeitnehmer aber im Urlaub arbeitsunfähig erkrankt ist und die Erkrankung zur Unterbrechung des Urlaubs führt.

Ob der Beginn der Arbeitsunfähigkeit während des Anspruchszeitraumes 39 auf einen Ausfalltag, Arbeitstag oder arbeitsfreien Samstag, Sonn- oder Feiertag fällt, ist dagegen unerheblich. Sollte die Arbeitsunfähigkeit vor dem Beginn des Anspruchszeitraumes für Kurzarbeitergeld eintreten, besteht kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Dann kommt ein Anspruch auf Krankengeld in Betracht. Beispiel Für den Fall, dass für einen zusammenhängenden Zeitraum von mindestens einem Monat kein Kurzarbeitergeld gewährt wird und ein Arbeitnehmer innerhalb dieses Zeitraumes arbeitsunfähig erkrankt, so sind die Voraussetzungen für eine Leistungsfortzahlung nicht erfüllt, da die Arbeitsunfähigkeit nicht während des Anspruchszeitraumes für Kurzarbeitergeld erfolgt ist. Sofern der Arbeitnehmer jedoch bereits vor der Unterbrechung des Anspruchszeitraumes erkrankt ist

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 Kapitel 22 Kurzarbeit

und seine Arbeitsunfähigkeit noch bei erneutem Beginn der Kurzarbeit andauert, so entsteht für die verbleibende Zeit des Entgeltfortzahlungsanspruches auch der Anspruch auf Kurzarbeit im Wege der Leistungsfortzahlung neu. 40 Sollte die Arbeitsunfähigkeit durch Verschulden eines Dritten (z.B. Verkehrsun-

fall) verursacht sein, geht der Anspruch des verletzten Arbeitnehmers gegen den Dritten auf Schadensersatz in Höhe des durch die AA geleisteten Kurzarbeitergeldes gem. § 116 SGB X auf die AA über.

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f) Ruhen des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld Der Anspruch auf Kurzarbeitergeld kann im Zusammenhang mit dem Angebot einer anderen zumutbaren Arbeit oder mit dem Anspruch auf Altersrente oder auf ähnliche Bezüge ruhen. Von einem Empfänger von Kurzarbeitergeld wird grundsätzlich verlangt, dass er beim Angebot einer zumutbaren Arbeit uneingeschränkt zur Verfügung steht. Allerdings wird selbst bei länger dauernder Kurzarbeit ein neuer dauerhafter Arbeitsplatz für den Arbeitnehmer nur dann zumutbar sein, wenn er im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen, die Gehaltshöhe und die Qualifikationsanforderungen in ein mindestens gleichwertiges Arbeitsverhältnis vermittelt wird. Darüber hinaus müsste ein starkes Arbeitsmarktinteresse und Interesse des neuen Arbeitgebers am Wechsel des Arbeitnehmers gegenüber dem Interesse am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses beim alten Arbeitgeber überwiegen. Um Interessenkonflikte und Eingriffe in das alte Arbeitsverhältnis zu vermeiden, ist ein Wechsel in das neue Arbeitsverhältnis nur mit Zustimmung des Alt-Arbeitgebers möglich.12 Dagegen ist die Vermittlung in ein zeitbefristetes Zweitarbeitsverhältnis dem Alt-Arbeitgeber lediglich anzuzeigen und der neue Arbeitgeber ist auf die jederzeitige Rückkehr des Arbeitnehmers ins alte Arbeitsverhältnis hinzuweisen.13 Wird ein solches zumutbares Arbeitsangebot abgelehnt, ohne dass der Arbeitnehmer für sein Verhalten einen wichtigen Grund hat, sind die Vorschriften über Sperrzeit beim Arbeitslosengeld entsprechend anwendbar. Insoweit kommt eine Sperrzeit von zwölf Wochen in Betracht, die bei besonderer Härte bis auf sechs bzw. drei Wochen reduziert werden kann. Während der Sperrzeit ruht der Anspruch auf Kurzarbeitergeld. An die Vermittlungsbereitschaft von Arbeitnehmern sind mildere Anforderungen zu stellen, da – anders als bei Arbeitslosen – die Bezieher von Kurzarbeitergeld in einem Arbeitsverhältnis stehen.14

12 Gagel/Bieback, § 172 SGB III Rn 49 ff.; GA zur Kurzarbeit, Stand 01/2012, § 172 Rn 4.7.2 Abs. 7. 13 Gagel/Bieback, § 172 SBG III Rn 51. 14 Gagel/Bieback, § 172 SGB III Rn 48 ff.

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Da das Kurzarbeitergeld als eine Versicherungsleistung bei „Teilarbeitslo­ 46 sigkeit“ angesehen werden kann, sind auch ähnliche Sanktionen bei Verletzung von Mitwirkungs- und Meldepflichten wie beim Arbeitslosengeld verankert (§ 180 SGB III a.F./§ 107 SGB III n.F.). Der Anspruch auf Kurzarbeit ruht für die Dauer einer Woche, wenn sich der Empfänger von Kurzarbeitergeld an arbeitsfreien Tagen nicht bei der AA meldet, obwohl er dazu entsprechend von der AA aufgefordert und über die Rechtsfolgen der Nichtmeldung ohne Vorliegen eines wichtigen Grunds belehrt wurde. Ebenfalls ruht der Anspruch auf Kurzarbeitergeld während der Zeit, für die 47 dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf Altersrente im Form der Vollrente – ggf. auch nachträglich – oder eine Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art, z.B. Ruhegehaltsbezüge von Beamten, bewilligt wurde. Für die Zeitspanne, in der der Arbeitnehmer diese Sozialleistungen noch nicht erhält, wird Kurzarbeitergeld weitergewährt und später mit der Rentennachzahlung entsprechend verrechnet.

g) Anzeigeverfahren Das Verfahren zur Anzeige, Beantragung und Gewährung von Kurzarbeitergeld 48 ist zweistufig aufgebaut. In einem ersten Schritt erfolgt die Anzeige, d.h., es ist der Arbeitsausfall vom Arbeitgeber oder vom Betriebsrat schriftlich bei der zuständigen AA unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrates anzuzeigen. Hierbei hat der Arbeitgeber das Vorliegen eines erheblichen Arbeitsausfalls sowie das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzungen für das Kurzarbeitergeld glaubhaft zu machen. Zuständig ist die AA, in deren Bezirk der Betrieb liegt. Praxistipp Für überregionale oder bundesweit tätige Unternehmen stellt die AA einen „zentralen Kundenberater“ auf Anfrage zur Verfügung, der die Koordinierung von Kurzarbeitsanfragen zwischen den verschiedenen zuständigen AA und den betroffenen Betrieben übernimmt. Dieser Service der AA erleichtert den Koordinations- und Verwaltungsaufwand für Arbeitgeber, die Betriebe in Zuständigkeitsbereichen verschiedener AA haben.

Zur Glaubhaftmachung der Anspruchsvoraussetzungen kann der Arbeitgeber alle 49 zur Verfügung stehenden Beweismittel (jedoch nicht die Versicherung an Eides statt15) nutzen:

15 § 23 Abs. 1 SBG X.

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 Kapitel 22 Kurzarbeit

Beispiele –– Ankündigung über die Kurzarbeit, –– Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag, Einzelvereinbarung oder Änderungskündigung über die Einführung von Kurzarbeit,16 –– Lohnabrechnungslisten, –– Mitarbeiterlisten, –– Angaben über Lagerhaltung und Auftragslage, –– Erläuterung zu Möglichkeiten der Urlaubsgewährung und zur Nutzung von Arbeitszeitguthaben.

Praxistipp Es ist auf die Schriftform der Anzeige zu achten. Dafür können Vordrucke der AA genutzt werden, die unter www.arbeitsagentur.de im Internet abgerufen werden können. Eine telefonische Anzeige genügt nicht dem Schriftformerfordernis. Dagegen ist eine per Telefax übermittelte oder eingescannte und per E-Mail versandte Anzeige, die entsprechend vom Arbeitgeber unterzeichnet ist, ausreichend. Die schriftliche Anzeige kann jedoch auch ohne Nutzung der Formulare erfolgen. Dann ist jedoch darauf zu achten, dass die erforderlichen Informationen für die Anspruchsvoraussetzungen durch den Arbeitgeber dargelegt und glaubhaft gemacht werden. 50 Auf die Anzeige hin ergeht durch die AA ein Bescheid über das Vorliegen oder

Nichtvorliegen der allgemeinen und betrieblichen Voraussetzungen (Anerkennungsbescheid).

Praxistipp Mit Eingang der Anzeige des Arbeitsausfalles bei der AA wird gleichzeitig der Beginn des Leistungszeitraumes bestimmt. Eine verspätete Anzeige führt zu einem späteren Leistungsbeginn. Damit ist auch der Zeitpunkt der Anzeige als Anspruchsvoraussetzung für den Leistungszeitraum des Kurzarbeitergeldes zu qualifizieren. Es kann also nur Kurzarbeitergeld ab dem Zeitpunkt des Eingangs der Anzeige für die Zukunft beantragt werden. Ein rückwirkender Leistungszeitraum für frühere Anspruchszeiträume ist ausgeschlossen. Insoweit ist dem Arbeitgeber zu empfehlen, die Anzeige des Arbeitsausfalles rechtzeitig zu stellen, um Schadensersatzansprüche betroffener Mitarbeiter wegen einer verspäteten Anzeige des Arbeitsausfalles zu vermeiden.17 51 In einem zweiten Schritt erfolgt die Beantragung des Kurzarbeitergeldes, d.h., der

Arbeitgeber hat bei der AA einen schriftlichen Antrag auf Gewährung von Kurzar­ beitergeld für die einzelnen Arbeitnehmer bei der zuständigen AA (sog. Leistungsantrag) zu stellen (§ 323 Abs. 2 SGB III). Diesem Leistungsantrag ist eine Stellungnahme der Betriebsvertretung beizufügen. Der Antrag kann auch von der Betriebsvertretung selbst gestellt werden.

16 Ausführlich hierzu Rn 54 ff. 17 HWK/Peters-Lange, § 173 SGB III Rn 3.

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Das Kurzarbeitergeld ist für den jeweiligen Kalendermonat innerhalb einer Aus­ 52 schlussfrist von drei Monaten zu beantragen (§ 325 Abs. 3 SGB III). Die Frist beginnt mit Ablauf des Monats, in dem die Tage liegen, für die das Kurzarbeitergeld beantragt wird. Praxistipp Für den Leistungsantrag auf Gewährung des Kurzarbeitergeldes ist die Ausschlussfrist von drei Monaten (§ 325 Abs. 3 SGB III) zwingend zu beachten. Die Frist ist gewahrt, wenn der Antrag bei der zuständigen AA mit dem letzten Tag der Frist zugegangen ist. Aus der Fristversäumnis folgt der Verlust des Anspruchs für den jeweiligen „verfristeten“ Kalendermonat. Da die dreimonatige Ausschlussfrist eine materiell-rechtliche Frist ist, ist gegen deren Versäumung keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich.18

Durch weiteren Bescheid (Leistungsbescheid) erfolgt die konkrete Entscheidung 53 der AA über die persönlichen Voraussetzungen und einzelnen Ansprüche der Mitarbeiter, sofern nicht ein vereinfachtes Verwaltungsverfahren praktiziert wird. Beim vereinfachten Verwaltungsverfahren wird auf die Versendung von Leistungsbescheiden verzichtet, wenn die vom Arbeitgeber beantragten Leistungen in vollem beantragtem Umfang ausgezahlt werden. Dies dient der Gewährleistung einer schnellen Bearbeitung und Auszahlung der beantragten Leistungen. Wird dem Antrag des Arbeitgebers dagegen nicht voll entsprochen, dann wird ein schriftlicher Leistungsbescheid auch im vereinfachten Verwaltungsverfahren erteilt. Praxistipp Sofern das vereinfachte Verwaltungsverfahren seitens der AA genutzt wird, kann der Arbeitgeber die jeweilige Leistungsart, den Abrechnungszeitraum und den beantragten Auszahlungsbetrag seinem Kontoauszug entnehmen.

2. Vereinbarungen zur Kurzarbeit Der Arbeitgeber, der sich mit der AA hinsichtlich Kurzarbeit abgestimmt hat, muss 54 bedenken, dass er darüber hinaus im Verhältnis zu seinen Arbeitnehmern die Kurzarbeit vereinbaren muss. Die reine Genehmigung der Kurzarbeit durch die AA ist hierfür nicht ausreichend. Da die Anordnung von Kurzarbeit die Regelung zur Arbeitszeit sowie die Beschäftigungs- und Vergütungspflicht des Arbeitgebers ändert, kann der Arbeitgeber die Kurzarbeit nicht einfach einseitig festsetzen. Es ist eine einzelvertragliche oder kollektivrechtliche Vereinbarung als Rechtsgrundlage erforderlich. Liegt keine einzelvertragliche oder kollektivrechtliche Vereinbarung

18 BeckOK-SGB/Kaminiski § 325 SGB III Rn 9, Niesel/Brand/Stratmann, § 325 SGB III Rn 9, BSG, Urt. v. 5.2.2004 – B 11 AL 47/03R = NZS 2005, 38; a.A. Gagel/Hünecke § 325 SGB III Rn 15.

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 Kapitel 22 Kurzarbeit

vor, kann der Arbeitgeber die Arbeitszeitverkürzung bei Kurzarbeit nur im Wege einer Änderungskündigung durchsetzen. Allerdings sind die rechtlichen Anforderungen an eine Änderungskündigung in der Praxis sehr hoch.19 Praxistipp Die Genehmigung der Kurzarbeit durch die AA ist keine Rechtsgrundlage für die Anordnung von Kurzarbeit (Spezialfall ist die Regelung des § 19 KSchG20). Auch wenn eine schriftliche Anzeige der Kurzarbeit bei der zuständigen AA unterlassen oder versäumt wurde, kann Kurzarbeit trotzdem zulässig sein und wirksam eingeführt werden. Die Anzeige ist nur Voraussetzung für den Bezug des Kurzarbeitergeldes und hat keinen Einfluss auf die Verkürzung der betrieblichen Arbeitszeit. Jedoch kann eine unterlassene Anzeige Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber begründen. 55 Dem Arbeitgeber, der Kurzarbeit in seinem Unternehmen einführen möchte, stehen

folgende Möglichkeiten zur arbeitsrechtlichen Vereinbarung von Kurzarbeit zu Verfügung:

a) Arbeitsvertrag

56 Es kann eine Zusatzvereinbarung aus konkretem Anlass geschlossen werden. Es ist

auch möglich, dass im bestehenden Arbeitsvertrag bereits eine allgemeine Ermäch­ tigung für den Arbeitgeber zur Einführung von Kurzarbeit eingeräumt wurde und der Arbeitgeber aufgrund dieser Regelung die Kurzarbeit durch Ausübung seines Direk­ tionsrechtes anordnen kann. Praxistipp In der Praxis sind häufig Kurzarbeitsklauseln anzutreffen, die dem Arbeitgeber von vornherein ein wirksames Recht zur einseitigen Anordnung von Kurzarbeit einräumen. Dies hat den Vorteil, dass der Arbeitgeber schnellstmöglich und flexibel auf akute Arbeitsausfälle reagieren kann, ohne erst Zeit für die Verhandlung und den Abschluss der Kurzarbeitsvereinbarung aufwenden zu müssen. Allerdings muss diese Kurzarbeitsklausel in Formulararbeitsverträgen den Transparenz- und Angemessenheitserfordernissen des AGB-Rechts (§  307 Abs. 1 BGB) entsprechen und darf den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 2 BGB). Solche Klauseln sollten heute in den StandardArbeitsvertrag aufgenommen werden.

57 Nach der Rechtsprechung des LAG Berlin-Brandenburg vom 7.10.2010 sowie

19.1.201121 sind Kurzarbeitsklauseln in Formulararbeitsverträgen allerdings unwirksam, wenn die Klausel keine Regelung hinsichtlich Voraussetzung, Umfang

19 Vgl. ausführlich Rn 75 ff. 20 Vgl. näher Rn 83 ff. 21 LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7.10.2010 – 2 Sa 1230/10 = NZA-RR 2011, 65, 66; LAG BerlinBrandenburg, Urt. v. 19.1.2011 – 17 Sa 2153/10 –; Rechtsprechung durch das BAG liegt noch nicht vor.

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und Dauer der Kurzarbeit sowie insbesondere zur Ankündigungsfrist enthält. Eine solche bedingungslose Kurzarbeitsklausel verstößt gegen das Benachteiligungsverbot und das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 und 2 BGB. Es liegt hierzu allerdings noch keine abschließende Klärung durch das BAG vor. Praxistipp In vorformulierte Kurzarbeitsklauseln ist eine Ankündigungsfrist zur Einführung von Kurzarbeit vorzusehen, damit sich der Arbeitnehmer auf die geänderten Umstände einstellen kann und nicht von einem auf den anderen Tag den seiner Existenzsicherung dienenden Vergütungsanspruch ganz oder teilweise sofort verliert. Das LAG Berlin-Brandenburg hat in seiner Entscheidung offen gelassen, welche Ankündigungsfrist einzuhalten ist. In der Literatur wird eine Frist von drei Wochen vorgeschlagen.22

Zusätzlich müssen die Klauseln Regelungen über Umfang und Ausmaß der Kurz- 58 arbeit, Festlegung des betroffenen Personenkreises, Art und Weise der Einbeziehung des Personenkreises sowie den betroffenen betrieblichen Bereich aufweisen, um einen Schutzbereich für die Arbeitnehmer aufzustellen. Es muss sich also aus der Kurzarbeitsklausel selbst ergeben, welche Betriebsabteilung oder welche Arbeitnehmer bspw. betroffen sind und in welchem Umfang Kurzarbeit eingeführt werden kann. Praxistipps –– Ein bloßer Verweis in der Klausel auf die gesetzlichen Regelungen zur Kurzarbeit (§§ 169 ff. SGB III a.F./§§ 95 ff. SGB III n.F.) oder auf die Anerkennung durch die AA ist nicht ausreichend, um einer AGB-Kontrolle standzuhalten und die Wirksamkeit der Kurzarbeitsklausel zu begründen. Die sozialrechtlichen Regeln zur Kurzarbeit setzen gerade die arbeitsrechtliche Zulässigkeit der Anordnung von Kurzarbeit ihrerseits voraus. Es sind die arbeitsrechtliche Ebene und die sozialrechtliche Seite zu trennen. Insbesondere können die Rechte und Pflichten des Arbeitsverhältnisses nicht durch Leistungen einer dritten Partei (AA) geregelt werden.23 –– Die Kurzarbeitsklausel sollte als vorformulierte Regelung im Arbeitsvertrag ausreichend kenntlich gemacht und an geeigneter Stelle eingefügt werden, um die Gefahr einer sog. überraschenden Klausel nach § 305c Abs. 1 BGB zu vermeiden, die nach AGB-Recht nicht Vertragsbestandteil wird. Die Kurzarbeitsklausel sollte in einer separaten Klausel „Kurzarbeit“ eingefügt werden. –– Kurzarbeitsklauseln in älteren Arbeitsverträgen sind vor dem Hintergrund der neuen Rechtsprechung zu überprüfen, ob auf deren Grundlage wirksam Kurzarbeit vereinbart werden kann. Fehlt es an einer wirksamen Rechtsgrundlage für Kurzarbeit, behält der Arbeitnehmer den vollen Vergütungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber und Kurzarbeitergeld kann nicht gezahlt werden. Bei entsprechenden Unsicherheiten ist eine einvernehmliche, individuelle Vereinbarung oder – soweit möglich – eine kollektivrechtliche Vereinbarung24 zur Kurzarbeit empfehlenswert, um Rechtsrisiken auszuschließen.

22 Bauer/Günther, BB 2009, 662, 665; Müller/Deeg, ArbRAktuell 2010, 209, 211. 23 LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 7.10.2010 – 2 Sa 1230/10 – NZA-RR 2011, 65, 66. 24 Ausführlich hierzu Rn 61 ff.; 67 ff.

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 Kapitel 22 Kurzarbeit

Checkliste Nach der derzeitigen Rechtsprechung sind folgende Aspekte in einer Kurzarbeitsklausel zu verankern: –– Anordnungsbefugnis für Kurzarbeit durch den Arbeitgeber, –– erheblicher Arbeitsausfall aufgrund wirtschaftlicher Gründe oder eines unabwendbaren Ereignisses als Voraussetzung, –– Umfang der Arbeitszeitverminderung, –– entsprechende Verminderung der Vergütungspflicht, –– Dauer der Kurzarbeit, –– Ankündigungsfrist von mindestens drei Wochen und –– ggf. Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beantragung der Gewährung von Kurzarbeitergeld bei der AA. 59 Neben der Inhaltskontrolle der arbeitsvertraglichen Klauseln existiert die Aus­

übungskontrolle nach § 315 BGB.25 Danach darf die Anordnung der Kurzarbeit nicht offenbar unbillig sein, sondern es muss eine Abwägung der beiderseitigen Interes­ sen im Einzelfall stattfinden. Praxistipp –– Wenn die Regelung für einzelne Arbeitnehmer sehr schwere finanzielle Einschnitte darstellt – etwa durch persönlichen Nichtbezug von Kurzarbeitergeld bei Empfängern höherer Einkommen – sind diese dann ggf. aus der angeordneten Kurzarbeit herauszunehmen, die Arbeitszeit nur in geringerem Umfang zu reduzieren oder Aufstockungsleistungen zu erbringen.26 –– Bei der Anordnung der Kurzarbeit aus konkretem Anlass ist ein schriftlicher Änderungsvertrag mit jedem betroffenen Mitarbeiter zu vereinbaren, der von beiden Vertragsparteien zu unterzeichnen ist. Diese Änderung fällt ebenfalls unter das Schriftlichkeitsgebot des Nachweisgesetzes. Ein konkludenter Abschluss der Kurzarbeitsvereinbarung – etwa durch Anordnung der Kurzarbeit und Befolgen durch die Mitarbeiter – ist aus diesem Grunde nicht möglich.27 –– Bei Änderungsverträgen zum Arbeitsvertrag sind das Schriftlichkeitsgebot des Nachweisgesetzes sowie vereinbarte Schriftformabreden im Arbeitsvertrag oder im anwendbaren Tarifvertrag zu beachten.

Vorteile für den Arbeitgeber Einzelvertragliche Vereinbarungen bieten aus Sicht des Arbeitgebers den Vorteil, dass –– eine individuelle sowie rechtssichere Vereinbarung zur Einführung der Kurzarbeit mit dem Mitarbeiter getroffen wird, –– auch in betriebsratslosen Betrieben auf dieser Grundlage Kurzarbeit eingeführt werden kann und –– für leitende Angestellte i.S.d. § 5 Abs. 3 BetrVG ebenfalls Kurzarbeit eingeführt werden kann.

25 BAG, Urt. v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04 – BB 2005, 833, 836. 26 Bauer/Günther, BB 2009, 662, 665; Gagel/Bieback, § 169 SGB III Rn 136. 27 Gagel/Bieback, § 169 SGB III Rn 134; a.A. Bauer/Günther, BB 2009, 662, 665.

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Nachteile für den Arbeitgeber Nachteile einer einzelvertraglichen Regelung sind aus Sicht des Arbeitgebers: –– hoher Verwaltungs- und Zeitaufwand, daher spielen Individualvereinbarungen für die Masse der Arbeitnehmer in Praxis keine große Rolle, –– Risiko, dass einzelne Arbeitnehmer der individualvertraglichen Einführung der Kurzarbeit nicht zustimmen.

Der Änderungsvertrag ist für die Dauer der geplanten Kurzarbeit zu befristen. Es ist 60 die entsprechende Reduzierung der Arbeitszeit und Kürzung der Vergütung für die Zeit der Kurzarbeit zu regeln. Folgende Punkte sind bei der einzelvertraglichen Vereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit zu beachten: –– Schriftform, –– Bezugnahme auf den bestehenden Arbeitsvertrag, –– Beginn und Ende der Kurzarbeit, –– Umfang der Absenkung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit, –– ggf. Verteilung der Arbeitszeit auf Wochentage, –– Erholungsurlaub bei Anordnung der Kurzarbeit, –– Zeitpunkt der Zahlung des Kurzarbeitergelds, –– ggf. Aufstockungsbetrag zum Kurzarbeitergeld, –– sonstige Gehaltsansprüche (z.B. Teilzeitgehalt, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, vermögenswirksame Leistungen, betriebliche Altersvorsorge etc.), –– ggf. Verpflichtung zum Abbau von Resturlaubsansprüchen und bestehenden Arbeitszeitkonten, –– ggf. Verzicht auf ordentliche betriebsbedingte Kündigungen während der Dauer der Kurzarbeit als Anreiz zur Unterzeichnung der Zusatzvereinbarung und –– Laufzeit der Vereinbarung.

b) Tarifvertrag Als kollektivrechtliche Grundlage für die Einführung von Kurzarbeit werden in der 61 Praxis häufig Tarifverträge herangezogen. Die tariflichen Ermächtigungsnormen sind unterschiedlich verortet. So findet sich die Regelung zur Kurzarbeit in Manteltarifverträgen, Beschäftigungssicherungstarifverträgen oder in Tarifverträgen zu Arbeitszeitkonten. Tarifvertragliche Bestimmungen, die es dem Arbeitgeber ermöglichen, einsei­ 62 tig Kurzarbeit einzuführen, ohne auf weitere Voraussetzungen abzustellen, sind zu vermeiden. Nach Ansicht des BAG verstoßen diese Regelungen gegen kündigungsschutzrechtliche Bestimmungen und sind daher unwirksam.28

28 BAG, Urt. v. 1.8.2001 – 4 AZR 388/99 – AP TV § 3 Betriebsnormen Nr. 5.

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 Kapitel 22 Kurzarbeit

Umstritten ist die Frage, ob tarifvertragliche Kurzarbeitsklauseln auch für nicht tarifgebundene, d.h. nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer gelten. Die Rechtslage ist hier unklar. Das BAG hält in seinem Urteil vom 1.8.2011 die Einordnung als Betriebsnorm für möglich, lässt die Rechtsfrage für tarifliche Kurzarbeitsregelungen jedoch im Ergebnis offen.29 Es wird in der Literatur die Rechtsansicht vertreten, dass tarifvertragliche Kurzar64 beitsregelungen als Betriebsnorm nach § 3 Abs. 2 TVG zu qualifizieren sind. Danach gelten die tariflichen Kurzarbeitsregelungen unmittelbar und zwingend (§ 4 Abs. 1 S. 2 TVG) für alle Arbeitnehmer, auch für diejenigen, die gar nicht oder nicht in der tarifschließenden Gewerkschaft organisiert sind. Voraussetzung dafür ist lediglich, dass der Arbeitgeber tarifgebunden ist.30 Diese Ansicht erfährt aber starke Kritik. So vertritt die Gegenansicht, dass tarif65 vertragliche Kurzarbeitsregelungen nur für tarifgebundene Arbeitnehmer, die in der tarifschließenden Gewerkschaft Mitglied sind, gelten können. Bei den tariflichen Kurzarbeitsklauseln handelt es sich nach dieser Auffassung nur um Inhaltsnormen eines Tarifvertrages, die gerade nur die Arbeitsverhältnisse der tarifgebundenen Mitarbeiter erfassen. Hierbei besteht jedoch das praktische Problem, dass aufgrund einer tariflichen Kurzarbeitsregelung keine betriebseinheitliche Regelung besteht, sondern dass zwischen organisierten und nicht organisierten Arbeitnehmern unterschieden wird. Während die organisierten Arbeitnehmer also Kurzarbeit aufgrund des Tarifvertrages leisten müssen, haben die nicht organisierten Arbeitnehmer weiter Anspruch auf Vollbeschäftigung und volle Vergütung. Die Vertreter dieser Auffassung verweisen den Arbeitgeber darauf, die nicht organisierten Arbeitnehmer durch Änderungskündigung oder einzelvertraglichen Verweis auf den Tarifvertrag ebenfalls in die Kurzarbeit einzubeziehen.31 Diese Ansicht überzeugt jedoch nicht. Kurzarbeit als vorübergehende Verkür­ 66 zung der betriebsüblichen Arbeitszeit ist als ein kollektiver Tatbestand zu verstehen, der von den Tarifvertragsparteien nur einheitlich betrieblich geregelt werden kann. Eine Differenzierung abhängig von der Gewerkschaftszugehörigkeit in einer Situation der wirtschaftlichen Krise des Unternehmens ist praxisfern und die vorgeschlagenen Lösungswege ermöglichen gerade keine einheitliche betriebliche Rege­ lung. Damit würde der Sinn und Zweck der finanziellen Entlastung der Arbeitgeber und des Erhalts der Arbeitsplätze in der Krise konterkariert, wenn Kurzarbeit nicht betriebseinheitlich geregelt und umgesetzt werden kann. 63

29 BAG, Urt. V. 1.8.2001 – 4 AZR 388/99 – AP TV § 3 Betriebsnormen Nr. 5. 30 Gagel/Bieback, § 169 SGB III Rn 145 m.w.N.; DKK/Hensche, § 1 TVG Rn 782; HWK/Henssler, § 1 TVG Rn 52, 128 m.w.N.; Niesel/Brand/Krodel, § 169 SGB III Rn 10. 31 KR/Weigand, § 19 KSchG Rn 28; ErfK/Franzen, § 1 TVG Rn 45 ff. m.w.N.

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Praxistipp Bei tariflichen Kurzarbeitsregelungen besteht aufgrund der oben geschilderten Gegenauffassung für den Arbeitgeber das Risiko, dass nicht organisierte Arbeitnehmer von der Kurzarbeit nicht erfasst werden. Diese Arbeitnehmer hätten weiterhin Anspruch auf Vollbeschäftigung und volle Vergütung. Um die nicht organisierten Arbeitnehmer in die Kurzarbeit einzubeziehen, sind einzelvertragliche Änderungsverträge oder entsprechende Änderungskündigungen empfehlenswert.

c) Betriebsvereinbarung Eine Betriebsvereinbarung kommt als kollektivrechtliche Grundlage der Kurzarbeit neben dem Tarifvertrag nicht in Betracht, wenn der Tarifvertrag abschließend die Einführung der Kurzarbeit regelt, denn dann ist die Regelung durch eine Betriebsvereinbarung unzulässig (§ 77 Abs. 3 BetrVG). Hier greift der sog. Tarifvorbehalt im Verhältnis zur Betriebsvereinbarung ein. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Tarifvertrag bereits alle Regelungen zur Einführung von Kurzarbeit abschließend regelt. Nur dann wird das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates durch die tariflichen Regelungen vollständig ersetzt und eine Betriebsvereinbarung ist nicht zulässig. Die Tarifverträge enthalten jedoch in der Regel keine abschließende Ermächtigung des Arbeitgebers zur Einführung von Kurzarbeit, sondern legen nur den Rahmen fest, innerhalb dessen der Arbeitgeber gemeinsam mit dem Betriebsrat Kurzarbeit einführen kann; z.B. sind häufig Ankündigungsfristen bezüglich der Anordnung von Kurzarbeit zwischen fünf Arbeitstagen bis zu einem Monat vorgesehen. Es sind bestimmte Personengruppen von der Kurzarbeit ausgenommen oder es werden Zuschläge zum Kurzarbeitergeld festgelegt. Zur konkreten Einführung von Kurzarbeit ist danach eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat erforderlich. Eine Betriebsvereinbarung, die auf der Grundlage der tariflichen Kurzarbeitsre­ gelung basiert, hat die o.g. tarifliche Ankündigungsfrist und die sonstigen tariflichen Vorgaben streng zu beachten, denn verstößt die Betriebsvereinbarung dagegen, ist sie unwirksam. Sollte z.B. keine oder eine viel kürzere Ankündigungsfrist vorgesehen sein, ist die Kurzarbeit für den Zeitraum der Ankündigungsfrist nicht wirksam eingeführt. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber für diesen Zeitraum die volle Vergütung als Annahmeverzugslohn (§ 615 BGB) zahlen muss und ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld nicht besteht. Praxistipp Es ist darauf zu achten, dass die Betriebsvereinbarung auf der Basis eines Tarifvertrages die tariflichen Vorgaben zur Kurzarbeit erfüllt und nicht verändert. Sollten die tariflichen Vorgaben nicht durch die Betriebsvereinbarung erfüllt werden, ist die Betriebsvereinbarung unwirksam, so dass die Kurzarbeit nicht wirksam eingeführt werden kann und die Arbeitnehmer ihren vollen Vergütungsanspruch behalten. Der Betriebsrat vertritt alle Arbeitnehmer des Betriebes. Ist die Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit wirksam geschlossen, gelten die Regelungen zur Kurzarbeit unmittelbar und zwingend

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 Kapitel 22 Kurzarbeit

für alle Arbeitnehmer des Betriebes unabhängig von deren Gewerkschaftszugehörigkeit (§ 77 Abs. 4 BetrVG). Bei Einführung von Kurzarbeit durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung entfällt eine Umsetzung im einzelnen Arbeitsverhältnis. Die Betriebsvereinbarung und der Tarifvertrag ändern das Arbeitsverhältnis unmittelbar und zwingend. 71 Die Betriebsvereinbarung wirkt gem. § 77 Abs. 4 S. 1 BetrVG unmittelbar und zwin­

gend auf die Arbeitsverhältnisse der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer ein, wenn die Betriebsvereinbarung hinreichend bestimmte Regelungen zur Kurzarbeit beinhaltet. Die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit ist hierbei unerheblich. Aus der Betriebsvereinbarung über die Einführung von Kurzarbeit muss sich 72 Inhalt, Zweck und Ausmaß des Regelungssubstrats selbst ablesen lassen. In der Betriebsvereinbarung müssen daher konkrete Regelungen festgelegt werden zu:32 –– Beginn und Dauer der Kurzarbeit, –– die Lage und Verteilung der Arbeitszeit, –– die Auswahl der von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer oder Abteilungen, –– die Zeiträume, in denen die Arbeit ganz ausfallen soll sowie –– auch die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Urlaub statt Kurzarbeit, –– Durchführung von Überstunden, –– eine Regelung zu Zeitkonten, –– ggf. Kündigungsverbote während und im Anschluss der Kurzarbeit, –– ggf. Aufstockungszahlungen zum Kurzarbeitergeld sowie –– Regelungen zur Rückkehr zur normalen Arbeitszeit. Praxistipp Formlose Regelungsabreden zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat sind zu vermeiden, da diese keine unmittelbare und zwingende Wirkung für die Arbeitsverhältnisse entfalten und die Arbeitsverhältnisse nicht gestalten, so dass die Arbeitnehmer weiterhin Anspruch auf volle Arbeitsvergütung haben.

Checkliste Eine Betriebsvereinbarung zur Einführung von Kurzarbeit sollte u.a. folgende Punkte berücksichtigen: –– Auswahl des betroffenen Personenkreises und Abteilungen bzw. Betriebe (räumlicher und persönlicher Geltungsbereich), –– Beginn und Dauer der Kurzarbeit, –– Ankündigungsfrist, –– Befristung der Kurzarbeit, –– Lage und Verteilung der Arbeitszeit, Festlegung der arbeitsfreien Tage, –– Einfluss der Kurzarbeit auf Entlohnung, –– Fragen eines Verbotes von Kündigungen während und nach der Kurzarbeit,

32 LAG Berlin, Urt. v. 29.10.1998 – 10 Sa 95/98 –; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 20.7.2006 – 1 Sa 34/06 – m.w.N.

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ggf. besondere Kündigungsfristen für kurzarbeitende Mitarbeiter, Verbot von Überstunden während der Kurzarbeit, Einsatz von Leiharbeitnehmern, Auszahlung des Kurzarbeitergeldes durch den Arbeitgeber, ggf. Aufstockungszahlungen zum Kurzarbeitergeld, Regelungen über die Vergütungshöhe, falls Kurzarbeitergeld nicht bewilligt wird, Absicherung des Urlaubsgeldes oder anderer Leistungen, die auf den Durchschnittsverdienst der Arbeitnehmer Bezug nehmen, Sonderregelungen für spezielle Personengruppen, wie z.B. Auszubildende, Schwerbehinderte, Schwangere, Laufzeit der Betriebsvereinbarung, Kündigungsfristen der Betriebsvereinbarung, Modalitäten einer etwaigen Fortführung der Kurzarbeit nach Befristungsende und Ausschluss der Nachwirkung.

d) Richtlinie Sollte Kurzarbeit auch für leitende Angestellte gem. §  5 Abs. 3 BetrVG eingeführt 73 werden, kann dies nicht über eine Betriebsvereinbarung erfolgen, da leitende Angestellte nicht vom Betriebsrat vertreten werden. Interessenvertretung der leitenden Angestellten ist der Sprecherausschuss. Mit diesem können Richtlinien über den Inhalt der Arbeitsverhältnisse vereinbart werden (z.B. Dauer der Arbeitszeit). Diese Richtlinien können eine unmittelbare und zwingende Wirkung vorsehen. Da das Gesetz jedoch auch bei unmittelbaren und zwingenden Richtlinien Abweichungen zugunsten leitender Angestellten zulässt, wird oft nur von einer „halbzwingenden“ Wirkung gesprochen. Eine „echte“ zwingende Wirkung kann eine Richtlinie nur haben, wenn der 74 Anstellungsvertrag des leitenden Angestellten bereits eine entsprechende Kurzarbeitsklausel beinhaltet oder der Anstellungsvertrag explizit richtlinienoffen gestaltet ist. Daher eignen sich Richtlinien des Sprecherausschusses aufgrund ihrer eingeschränkten Wirkungsweise in der Regel nicht zur Einführung von Kurzarbeit. Auch sind derartige Richtlinien nicht durch den Arbeitgeber erzwingbar, falls keine Einigung mit dem Sprecherausschuss erfolgt.33 Praxistipp Zur Einführung von Kurzarbeit bei leitenden Angestellten wird in der Praxis in der Regel auf den einvernehmlichen Änderungsvertrag zurückgegriffen.

33 Bauer/Günther, BB 2009, 662, 663.

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 Kapitel 22 Kurzarbeit

e) Änderungskündigung

75 Wenn keine kollektivrechtliche Einführung der Kurzarbeit über einen Tarifvertrag

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oder eine Betriebsvereinbarung erfolgt und die betreffenden Mitarbeiter sich weigern, einen entsprechenden einzelvertraglichen Änderungsvertrag zu schließen, bleibt dem Arbeitgeber nur der Weg, die Kurzarbeit über eine Änderungskündigung nach § 2 KSchG einzuführen. Eine Änderungskündigung bedeutet ein zweigliedriges Rechtsgeschäft, das als Einheit zu betrachten ist. Einerseits spricht der Arbeitgeber eine Beendigungs­ kündigung aus. Gleichzeitig bietet er dem Arbeitnehmer die Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an. Die Änderungskündigung kann als ordentliche (unter Einhaltung der Kündigungsfristen) oder außerordentliche, fristlose Änderungskündigung ausgesprochen werden. Im Rahmen der Einführung von Kurzarbeit kommt eine betriebsbedingte Ände­ rungskündigung in Betracht. Eine solche ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn dringende betriebliche Erfordernisse das Änderungsangebot erfordern und dem Arbeitnehmer nur solche Änderungen angeboten werden, die er aus Billigkeit annehmen muss. Allerdings sind die rechtlichen Anforderungen an eine Änderungskündigung zur Absenkung des Entgeltes und der Arbeitszeit sehr hoch und erfordern, dass erst alle milderen Mittel zur Verlustreduzierung ausgeschöpft werden, bevor eine Änderungskündigung zur Entgeltabsenkung ausgesprochen werden kann. Stimmen in der Literatur vertreten jedoch die Ansicht, dass im Falle von Kurzarbeit die strenge Rechtsprechung zur Entgeltreduzierung nicht unverändert übernommen werden kann. Die gesetzliche Wertung der Kurzarbeit solle es erlauben, in einem erheblichen Arbeitsausfall ein dringendes betriebliches Erfordernis zu sehen, dass eine Änderungskündigung rechtfertigt.34 Ggf. ist für die Änderungskündigung eine Sozialauswahl durchzuführen, wenn nicht alle Mitarbeiter davon betroffen sind. Es sind im Vorfeld Kündigungsverbote und -ausschlüsse zu prüfen, die sich aus Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelvertrag ergeben können und bei deren Vorliegen eine betriebsbedingte Kündigung einschließlich Änderungskündigung nicht möglich ist. Der Arbeitgeber hat eine solche Änderungskündigung zur Reduktion der Arbeitszeit und Vergütung umfassend vorzubereiten. Das Änderungsangebot hat konkret gefasst, vollständig, umfassend und verständlich zu sein, so dass der Arbeitnehmer es mit einem einfachen „Ja“ annehmen kann. Praxistipps –– Die Änderungskündigung muss schriftlich erfolgen. –– Der Betriebsrat muss vor der Änderungskündigung nach § 102 BetrVG sowie nach § 99 BetrVG ordnungsgemäß angehört werden.

34 Bauer/Günther, BB 2009, 662, 666.

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Vor Kündigungsausspruch sind die notwendigen Zustimmungen für besonders geschützte Personengruppen (Arbeitnehmer im Mutterschutz, Elternzeit, Schwerbehinderte, Betriebsräte etc.) bei den zuständigen Behörden und Gremien einzuholen. Werden die Schwellenwerte des § 17 KSchG überschritten, ist vor Ausspruch der Kündigung eine Massenentlassungsanzeige an die zuständige AA zu erstatten. In diesem Zusammenhang hat der Arbeitgeber nach § 17 Abs. 2 KSchG auch den Betriebsrat schriftlich über die beabsichtigen Änderungskündigungen zu unterrichten. Werden diese zusätzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, ist die Kündigung unwirksam.

Der Arbeitgeber geht mit der Änderungskündigung jedoch das Risiko ein, dass der 81 Arbeitnehmer vollständig das Änderungsangebot ablehnt. Als Folge davon wird das Arbeitsverhältnis beendet, auch wenn der Arbeitgeber diese Folge gerade vermeiden wollte. Der Arbeitnehmer kann nach § 2 KSchG das Änderungsangebot unter Vorbehalt 82 annehmen und gerichtlich überprüfen lassen, ob die Änderungen der Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt sind. Der Schutz des KSchG greift jedoch nur zugunsten des Arbeitnehmers ein, wenn sein Arbeitsverhältnis bereits länger als sechs Monate bestanden hat und es sich bei dem Unternehmen nicht um einen Kleinbetrieb (§ 23 Abs. 1 S. 2 KSchG) handelt.

f) Spezialfall: Kurzarbeit bei beabsichtigter Massenentlassung (§ 19 KSchG) Ein Spezialfall zur Einführung der Kurzarbeit liegt vor, wenn eine Massenentlas­ 83 sung nach § 17 KSchG gegeben ist. Weitere Voraussetzung nach § 19 Abs. 1 KSchG ist, dass der Arbeitgeber die Arbeitnehmer nicht bis zum Ende der Sperrfrist des § 18 Abs. 1, 2 KSchG voll beschäftigen kann. In diesen Fällen kann die BA nach §  19 Abs. 1 KSchG die Kurzarbeit zulassen. 84 Die Zulassung als Verwaltungsakt der BA verleiht dem Arbeitgeber ein einseitiges Gestaltungsrecht zur Anordnung von Kurzarbeit. Rechtsgrundlage für die vom Arbeitgeber angeordnete Kurzarbeit ist damit die Zulassungsentscheidung. Eine auf dieser Grundlage vom Arbeitgeber angeordnete Kurzarbeit muss der Arbeitnehmer hinnehmen und verkürzt arbeiten. Enthält ein anwendbarer Tarifvertrag Bestimmungen über die Einführung, das 85 Ausmaß und die Bezahlung von Kurzarbeit, so ist die BA nach § 19 Abs. 3 KSchG daran gebunden. Das Gesetz räumt nur tariflichen Regelungen einen Vorrang nach § 19 Abs. 3 KSchG gegenüber der Zulassung durch die BA ein. Andere Regelungen, wie Betriebs- oder Einzelvereinbarungen, die ebenfalls Einzelaspekte zur Einführung von Kurzarbeit regeln, treten hinter die Ermächtigung durch die BA zurück. Auch in diesem Fall besteht nach h.M. ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG.35

35 KR/Weigand, § 19 KSchG Rn 31 m.w.N.; vgl. ausführlich Rn 86 ff.

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 Kapitel 22 Kurzarbeit

Praxistipp In der Praxis hat diese Alternative zur Einführung von Kurzarbeit jedoch kaum Bedeutung.

g) Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats

86 Sofern im Unternehmen ein Betriebsrat gewählt ist, darf Kurzarbeit nur mit Zustim­

mung des Betriebsrates eingeführt werden, da der Betriebsrat zwingende Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG hat.36 Der Betriebsrat kann auch initiativ tätig werden und von sich aus die Einführung von Kurzarbeit zur Vermeidung von Kündigungen anregen. Das zwingende Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 87 BetrVG kann durch tarifliche Kurzarbeitsklauseln nicht ausgeschlossen werden. Nur sofern Tarifverträge abschließende, konkrete Regelungen zur Einführung von Kurzarbeit vorsehen, wird das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates durch diese Tarifregelungen ersetzt. Jedoch kann ein Tarifvertrag, insbesondere ein Manteltarifvertrag, keine hinreichenden konkreten Regelungen hinsichtlich Personenkreis, Umfang oder Zeitraum der Kurzarbeit enthalten. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht auch in Eilfällen. D.h., 88 auch wenn der Arbeitgeber schnell agieren muss, hat er vor Einführung von Kurz­ arbeit den Betriebsrat zwingend einzubinden und dessen Zustimmung einzuholen. Eine nachträgliche Zustimmung oder Genehmigung durch den Betriebsrat kann die Unwirksamkeit der Maßnahme nicht beseitigen. Praxistipp In der Praxis ist regelmäßig ein zwingendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei Einführung von Kurzarbeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG zu beachten. Die Mitbestimmung des Betriebsrates muss vor Durchführung der Kurzarbeit erfolgen, andernfalls ist die Einführung der Kurzarbeit unwirksam und die Mitarbeiter behalten ihren vollen Vergütungsanspruch. Eine nachträgliche Zustimmung des Betriebsrates kann die Wirksamkeit nicht mehr herbeiführen. 89 Umstritten ist die Frage, ob die Rückkehr zur betrieblichen „Normal“-Arbeitszeit

ebenfalls der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG unterliegt. Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 21.11.1978 vertreten, dass dem Betriebs90 rat für die Rückführung auf die betriebliche „Normal“-Arbeitszeit kein Mitbestim­ mungsrecht zusteht, da durch die Beendigung der Kurzarbeit nicht die betriebsübli-

36 GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rn 389 ff.

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che Arbeitszeit verändert wird, sondern nur die festgelegte „Ausnahme“-Arbeitszeit geändert wird.37 In der Literatur wird dagegen vertreten, dass auch die Rückkehr zur „Normal“- 91 Arbeitszeit erneut der Mitbestimmung des Betriebsrates bedarf. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates entfällt nach dieser Ansicht nur dann, wenn der Zeitraum der Anordnung der Kurzarbeit von Beginn an befristet oder auflösend bedingt war, da insoweit die Frage der Rückkehr zur „Normal“-Arbeitszeit vom Einverständnis des Betriebsrates bereits umfasst ist.38 Praxistipp Wenn im Unternehmen ein Betriebsrat besteht, kann Kurzarbeit nur mit dessen Zustimmung angeordnet werden. In der Regel wird dazu eine Betriebsvereinbarung geschlossen. Um hier die umstrittene Frage der erneuten Mitbestimmung bei Rückkehr zur „Normal“-Arbeitszeit zu vermeiden, ist es empfehlenswert, die Kurzarbeit von vornherein für einen festen Zeitraum zu befristen. Sollte ggf. im Verlauf der Kurzarbeitsperiode eine Verlängerung der Kurzarbeit oder Veränderung der Kurzarbeitszeit erforderlich werden, ist dies mit dem Betriebsrat zu vereinbaren.

Wenn die Kurzarbeit auf der Basis einer Betriebsvereinbarung eingeführt wird, hat 92 der Betriebsrat auch ein Mitbestimmungsrecht als „Annex-Kompetenz“ bei Kün­ digungsverboten, Aufstockungszahlungen und Berechnungsmodellen für Aufstockungszahlungen.39 Das Mitbestimmungsrecht kann mit Abschluss einer förmlichen Betriebsver­ 93 einbarung aber auch formlos im Wege der Regelungsabrede ausgeübt werden. Jedoch sollte der Arbeitgeber auch in den Fällen einer formlosen Verständigung mit dem Betriebsrat die Einbeziehung des Betriebsrates dokumentieren, da der Arbeitgeber für die Einhaltung des Mitbestimmungsrechtes darlegungs- und beweispflichtig ist. Praxistipp Da Regelungsabreden nicht wie eine Betriebsvereinbarung unmittelbar und zwingend auf das Arbeitsverhältnis einwirken, ist der Abschluss von Betriebsvereinbarungen empfehlenswert.

Können sich Arbeitgeber und Betriebsrat über die Fragen zur Einführung von Kurz- 94 arbeit als zwingenden Mitbestimmungstatbestand nicht einigen, so entscheidet die Einigungsstelle (§ 87 Abs. 2 BetrVG). Der Spruch der Einigungsstelle ist verbindlich

37 BAG, Beschl. v. 21.11.1978 – 1 ABR 67/76 –, Richardi/Richardi, § 87 BetrVG Rn 347 f.; HWK/ Clemenz, § 87 BetrVG Rn 84. 38 GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rn 388 m.w.N.; Küttner/Kreitner, „Kurzarbeit“ Rn 9; FESTL, § 87 BetrVG Rn 151; ErfK/Kania § 87 BetrVG Rn 35. 39 Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath/Welkoborsky, § 169 SGB III Rn 13.

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 Kapitel 22 Kurzarbeit

und ersetzt die Einigung zwischen den Betriebsparteien. Der Spruch hat die unmittelbare und zwingende Rechtwirkung einer Betriebsvereinbarung. Die Einigungsstelle wird auf Antrag des Arbeitgebers oder Betriebsrates tätig. 95 Der Betriebsrat ist ebenfalls antragsberechtigt, da ihm bei der Einführung von Kurzarbeit ein zwingendes Mitbestimmungsrecht, das ein Initiativrecht umfasst, zusteht. Praxistipp Ein Einigungsstellenverfahren kostet Zeit und Geld. Zunächst muss eine Einigung in Bezug auf die Anzahl der Beisitzer und auf die Person des Vorsitzenden zwischen den Betriebsparteien erzielt werden. Andernfalls entscheidet im Streitfall das Arbeitsgericht im Beschlussverfahren. Je nachdem wie schnell die entsprechende Verständigung herbeigeführt wird, ist eine mündliche Beratung erforderlich, die entsprechend von den Parteien sorgfältig vorzubereiten ist. Das Einigungsstellenverfahren ist in der Praxis für dringende Fälle faktisch ungeeignet, jedoch ist im Streitfall auch für die Frage der Einführung von Kurzarbeit dieses Verfahren einzuhalten. Die Kosten für die Einigungsstelle trägt der Arbeitgeber.

3. Inhalt und Wirkung der Kurzarbeitsvereinbarung a) Reduzierung der Arbeitszeit 96 Durch die wirksame Anordnung von Kurzarbeit wird die vereinbarte regelmäßige Wochenarbeitszeit vorübergehend im vereinbarten Umfang gekürzt, d.h., der Arbeitnehmer wird von seiner Hauptleistungspflicht – der Erbringung der Arbeitsleistung – ganz oder teilweise befreit. Praxistipp Die Kurzarbeit ist in der beantragten Form durchzuführen und die reduzierte Arbeitszeit für jeden Mitarbeiter nicht zu überschreiten, bei Überstunden kann der Widerruf des Kurzarbeitergeldes durch die AA erfolgen.

b) „Kurzarbeit Null“

97 „Kurzarbeit Null“ bedeutet die vorübergehende vollständige Freistellung von der 98

Arbeitspflicht, d.h., die Arbeitnehmer arbeiten gar nicht. Das BSG hat in zwei Entscheidungen40 Zweifel daran geäußert, ob bei „Kurzarbeit Null“ die Voraussetzungen der §§ 169 f. SGB III a.F./§ 95 f. SGB III n.F. im Sinne eines erheblichen Arbeitsausfalles vorliegen. Seine Zweifel begründet das BSG damit, dass der Begriff „Kurzarbeit“ eine Reduzierung der Arbeitszeit bedeute. Sofern gar keine Arbeit geleistet wird, sei dies keine Kurzarbeit, sondern „Nichtarbeit“, die keine zulässige Variante der Kurzarbeit darstelle. Eine rechtsverbindliche Entscheidung zur „Kurzarbeit Null“ hat das BSG jedoch nicht getroffen.

40 BSG, Urt. v. 14.9.2010 – B 7 AL 21/09 –; BSG, Urt. v. 14.9.2010 – B 7 AL 29/09 –.

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In der Praxis hat die AA bisher „Kurzarbeit Null“ als zulässige Form der Kurzar- 99 beit angesehen.41 Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen 100 am Arbeitsmarkt42 wurde zur Klarstellung dieses Punktes eine Ergänzung in § 170 Abs. 1 Nr. 4 SGB III/§ 96 Abs. 1 Nr. 4 2. HS SGB III n.F. aufgenommen. Danach kann der Entgeltausfall auch jeweils 100 % des monatlichen Bruttoentgeltes betragen.43 In der Gesetzesbegründung wird dazu ausgeführt, dass die Ergänzung des § 170 Abs. 1 Nr. 4 SGB III/§ 96 Abs. 1 Nr. 4 2. HS SGB III n.F. klarstellt, das auch ein vollständiger Arbeitsausfall mit 100 %igem Entgeltausfall von den Vorschriften zum Kurzarbei­ tergeld erfasst wird. Ziel des Kurzarbeitergeldes sei es, den Verbleib von Arbeitnehmern in Beschäftigung zu fördern und Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Dies gilt auch dann, wenn die Arbeitszeit auf null Stunden reduziert ist. Auch in diesen Fällen ist die Anwendung der Kurzarbeit sozial- und arbeitsmarktpolitisch gewollt.44 Insoweit ist durch die neue gesetzliche Klarstellung diese rechtliche Unsicher- 101 heit beseitigt und es ist klargestellt, dass auch „Kurzarbeit Null“ unter die Regelungen zur Kurzarbeit nach §§ 169 ff. SGB III/§§ 95 ff. SGB III n.F. zu fassen ist.

c) Reduzierung des Vergütungsanspruchs Die wirksame Anordnung von Kurzarbeit reduziert vorübergehend neben der regel- 102 mäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auch den Vergütungsanspruch der Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer hat dann einerseits nur den Anspruch auf ein seiner reduzier­ ten Arbeitsleistung entsprechendes Arbeitsentgelt. Andererseits besitzt der Arbeitnehmer einen arbeitsrechtlichen Lohnanspruch 103 in Höhe des Kurzarbeitergeldes aus §  615 S. 3 BGB gegenüber dem Arbeitgeber, sofern dieser nicht vertraglich ausgeschlossen ist. Der Arbeitgeber bleibt damit auch zur Vergütung in Höhe des Kurzarbeitergeldes verpflichtet und zwar auch in dem Falle, wenn die AA kein Kurzarbeitergeld zahlt.45 Dies wird damit begründet, dass der Arbeitgeber das Wirtschaftsrisiko trägt und damit auch das Risiko, dass die AA kein Kurzarbeitergeld bewilligt.

41 BA, Information zur Kurzarbeit in Nordrhein-Westfalen, Stand 4.5.2011; Bieback, NZS 2011, 241, 244. 42 Verkündet im BGBl. I 2011 S. 2854 (27.12.2011). 43 Inkrafttreten dieser Regelung nach Art. 51 Abs. 3 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt am Tag nach der Verkündung. 44 Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks. 17/6277. 45 HWK/Peters-Lange, § 421t SGB III Rn 4; Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath/Welkoborsky, § 169 SGB III Rn 13; ErfK/Preis, § 615 BGB Rn 15; BAG, Urt. v. 22.4.2009 – 5 AZR 310/08 –.

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 Kapitel 22 Kurzarbeit

Beispiel Die Anordnung der Kurzarbeit umfasst 50 % der regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden. Der Arbeitnehmer hat in der Kurzarbeitsphase daher eine Arbeitspflicht von 20 Stunden pro Woche. Demgemäß hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf 50 % seiner Vergütung plus einen Vergütungsanspruch in Höhe des Kurzarbeitergeldes.

Praxistipp Der Anspruch aus § 615 S. 3 BGB kann kollektivrechtlich oder einzelvertraglich abbedungen werden. Ein entsprechender Ausschluss kann in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung verankert werden. Die Vereinbarungen müssen aber eindeutig und klar sein und dürfen keine Unbilligkeit herbeiführen. Gleiches gilt für Einzelverträge. Bei Formular-Arbeitsverhältnissen steht einer Abbedingung durch allgemeine Arbeitsbedingungen das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen entgegen. Eine Abweichung von § 615 S. 3 BGB zum Nachteil des Arbeitnehmers stellt eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar und ist damit unwirksam.46

d) Beendigung der Kurzarbeit

104 Die Kurzarbeit endet nach Ablauf der vereinbarten Zeit oder wenn die Kurzarbeit 105

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beendet wird. Die Kurzarbeit wird häufig zeitlich befristet durchgeführt. Bei zeitlicher Befristung endet die Kurzarbeit mit Ablauf des vereinbarten Tages. Eine Zustimmung des Betriebsrats zur Beendigung der Kurzarbeit ist nicht erforderlich. Seltener ist in der Praxis die Vereinbarung einer unbefristet angeordneten Kurzarbeit. Die Beendigung der unbefristeten Kurzarbeit hängt maßgeblich davon ab, auf welcher Rechtsgrundlage die Kurzarbeit vereinbart wurde.47 Erfolgte die Einführung der Kurzarbeit auf der Grundlage eines individuellen Änderungsvertrages zum Arbeitsvertrag, kann dieser Änderungsvertrag nur im Ein­ vernehmen mit dem Arbeitnehmer aufgehoben oder abgeändert werden. Ist die Kurzarbeit auf der Grundlage von Tarifverträgen oder Betriebsverein­ barungen eingeführt worden, ist zu prüfen, welche Kündigungsfristen zur Beendigung vereinbart wurden. Auch kann ein Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung im Einvernehmen mit den Vertragspartnern ohne Einhalten etwaiger Kündigungsfristen aufgehoben bzw. beendet werden. Soweit nichts anderes vereinbart ist, können Betriebsvereinbarungen mit einer Frist von drei Monaten ordentlich gekündigt werden (§ 77 Abs. 5 BetrVG). Betriebs-

46 ErfK/Preis, § 310 BGB Rn 82. 47 Ausführlich hierzu Rn 54 ff.

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vereinbarungen sind in Form eines Dauerschuldverhältnisses auch in engen Grenzen außerordentlich kündbar.48 Praxistipp Nach Beendigung der Kurzarbeit sind die Arbeitnehmer wieder voll zu beschäftigen und voll zu vergüten.

Fehlt eine Kündigungsabrede im Tarifvertrag, so ist nach h.M. der Tarifvertrag 110 gleichwohl ordentlich mit einer Drei-Monatsfrist in analoger Anwendung des §  77 Abs. 5 BetrVG kündbar.49 Darüber hinaus können Tarifverträge auch außerordent­ lich ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden. Dafür ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes erforderlich, aufgrund dessen dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Tarifvertrages zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.50

e) Kündigung während der Kurzarbeit Während der Kurzarbeit bleibt der Arbeitgeber zum Ausspruch von Kündigungen 111 berechtigt. Sofern der Betrieb unter den Geltungsbereich des KSchG fällt, kommen Kündigungen auch während der Kurzarbeit aus personen- oder verhaltensbedingten sowie betriebsbedingten Gründen in Betracht.51 Allerdings gilt es hinsichtlich betriebsbedingter Kündigungen die Besonder- 112 heit zu beachten, dass nach § 1 Abs. KSchG ein dringendes betriebliches Erforder­ nis vorliegen muss, das einer Weiterbeschäftigung entgegensteht. Hier kann nicht auf die identischen Gründe für die Kurzarbeit zurückgegriffen werden, da diese bereits durch die Einführung der Kurzarbeit „verbraucht“ sind.52 Vielmehr müssen weitere, über die Gründe für die Kurzarbeit hinausgehende Umstände vorliegen, die entgegen der Kurzarbeitsprognose zu einem dauerhaften Arbeitsausfall führen.53 Hierfür ist eine weitere unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers erforderlich, wonach die Beschäftigungsmöglichkeit dauerhaft entfällt. Diese Entscheidung kann der Arbeitgeber auch während der Kurzarbeit treffen. Jedoch wird die Darlegung eines dauerhaften Wegfalls des Arbeitsplatzes 113 während der Kurzarbeit schwieriger für den Arbeitgeber sein, da die Einführung der

48 § 314 Abs. 1 BGB, § 626 BGB analog. 49 AnwK-ArbR/Friedrich, § 1 TVG Rn 48; HWK/Henssler, § 1 TVG Rn 25; BAG, Urt. v. 18.6.1997 – 4 AZR 710/95. 50 § 314 Abs. 1 BGB, § 626 BGB analog. 51 BAG, Urt. v. 17.10.1980 – 7 AZR 675/78 = NJW 1981, 1686. 52 Hass, BC 2009, 181, 183. 53 BAG, Urt. v. 26.6.1997 – 2 AZR 494/96 = NZA 1997, 1286; Bonanni, DStR 2009, 1374, 1376.

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 Kapitel 22 Kurzarbeit

Kurzarbeit gerade dafür spricht, dass der Beschäftigungsmangel nur vorübergehend ist. Praxistipp In der Praxis wird im Rahmen von Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen zur Einführung von Kurzarbeit der Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen während der Kurzarbeitsperiode regelmäßig ausgeschlossen. Sollte der Arbeitgeber im Verlauf der Kurzarbeit feststellen, dass er betriebsbedingte Kündigungen aussprechen muss, ist das vereinbarte Kündigungsverbot zu beachten. Vor Kündigungsausspruch sind Verhandlungen mit dem Betriebsrat oder dem Tarifpartner aufzunehmen, um das Kündigungsverbot aufzuheben. 114 Konsequenz von betriebsbedingten Beendigungskündigungen ist der Wegfall der

Voraussetzungen zum Bezug von Kurzarbeitergeld bei den Arbeitnehmern, die ausscheiden werden. Persönliche Voraussetzung für den Erhalt von Kurzarbeitergeld ist, dass das Arbeitsverhältnis ungekündigt ist bzw. nicht aufgrund eines Aufhebungsvertrages endet. Mit Ausspruch der Kündigung bzw. Abschluss eines Aufhebungsvertrages bzw. mit Vereinbarung einer Namensliste zum Interessenausgleich ist die Leistung von Kurzarbeitergeld ausgeschlossen. Teilweise sehen Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen in der Praxis die Fort­ 115 zahlung der ungekürzten Vergütung für die Zeit der Kündigungsfrist vor. Praxistipp Sobald der Arbeitgeber einen Personalabbau während der Kurzarbeit plant, ist es in der Praxis zu empfehlen, frühzeitig mit der AA Kontakt aufzunehmen, um die Maßnahme und deren Folgen abzustimmen.

116 Der Betriebsrat ist vor der Personalabbaumaßnahme im Rahmen seiner Mitbestim­

mungsrechte bzgl. der Betriebsänderung (§§  111 f. BetrVG) einzubinden und vor den Kündigungen (§ 102 BetrVG) anzuhören.

f) Kurzarbeit während eines Arbeitskampfes

117 Nach § 174 Abs. 1 SGB III/§ 100 SGB III n.F. gelten die Vorschriften über das Ruhen des

Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Arbeitskämpfen entsprechend für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld bei einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsausfall Folge eines inländischen Arbeitskampfes ist, an dem er nicht beteiligt ist. Hintergrund dieser Regelung ist, die Neutralität der BA im Rahmen von Arbeits118 kämpfen zu sichern. Hierbei ist zwischen Kurzarbeit und Aussperrung zu unterscheiden. Denn eine Freistellung von der Arbeitspflicht während eines Arbeits­ kampfes im eigenen Betrieb ist keine Kurzarbeit, sondern es handelt sich um eine Aussperrung als Arbeitskampfmittel des Arbeitgebers. Sind Arbeitnehmer selbst am Arbeitskampf beteiligt, scheiden Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld aus, da der

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Arbeitsausfall nicht aus wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis resultiert. Dagegen kommt die Leistung von Kurzarbeitergeld für mittelbar vom Arbeits- 119 kampf betroffene Mitarbeiter in Betracht. Voraussetzung dafür ist, dass der Arbeitsausfall unvermeidbare Folge des inländischen Arbeitskampfes ist (§ 174 Abs. 1 SGB III/§ 100 Abs. 1 SGB III n.F.). Als Ausnahme von der vorgenannten Regel ruht der Anspruch auf Kurzarbeiter- 120 geld jedoch dann, wenn der betreffende Betrieb: –– räumlich oder fachlich dem umkämpften Tarifbereich zuzuordnen ist oder –– nur fachlich dem umkämpften Tarifvertrag zuzuordnen ist, aber im räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages, dem der betreffende Betrieb zuzuordnen ist, eine gleichartige Forderung (Art und Umfang) erhoben wurde und ein wesentlich übereinstimmender Abschluss zu erwarten ist. Praxistipp Für die Frage des Ruhens des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld kommt es darauf an, ob der Arbeitskampf stellvertretend auch für die anspruchsberechtigten Arbeitnehmer geführt wird und diese ebenfalls an dem Arbeitskampf bzw. Tarifabschluss partizipieren.54

Beispiel Hat ein fremder Arbeitskampf mittelbare Auswirkung auf einen Dritt-Betrieb, so kann dieser Arbeitgeber bei vorübergebenden Produktions- oder Umsatzeinbußen in seinem Dritt-Betrieb Kurzarbeit einführen. Kurzarbeitergeld wird dann an die betreffenden Arbeitnehmer geleistet, wenn der DrittBetrieb nicht dem fachlichen und räumlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrages unterliegt. Ferner wird Kurzarbeitergeld geleistet, wenn der Dritt-Betrieb außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches des umkämpften Tarifvertrages liegt und im Tarifgebiet des Dritt-Betriebes keine gleichartige Forderung geltend gemacht sowie nicht erwartet wird, dass der umkämpfte Tarifabschluss im Tarifgebiet des Dritt-Betriebes übernommen wird.55

Zu beachten ist in diesen Fällen, dass nach der Entscheidung des BAG der Arbeitgeber 121 im Arbeitskampf mitbestimmungsfrei Kurzarbeit anordnen darf. Der Betriebsrat muss nicht beteiligt werden, da seine Rechte im Arbeitskampf eingeschränkt sind. Der Arbeitgeber kann folglich allein entscheiden, ob und in welchem Umfang er Kurzarbeit anordnet. Dagegen unterliegt die Regelung der Modalitäten der Kurzarbeit dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates.56 Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber aufgrund arbeitskampfbedingter Fernwirkungen Kurzarbeit anordnet und die

54 Niesel/Brand/Düe, § 146 Rn 22. 55 LSG Bremen, Beschl. v. 22.6.1984 – L 5 BR 22, 24/84 –. 56 Grundlegend hierzu BAG, Beschl. v. 22.12.1980 – 1 ABR 2/79 –; HWK/Clemenz, § 87 BetrVG Rn 89.

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 Kapitel 22 Kurzarbeit

Kampfparität der Tarifparteien beeinflusst ist. Diese Ansicht ist umstritten.57 Andere Literaturmeinungen vertreten eine uneingeschränkte Mitbestimmung des Betriebsrates, da der Betriebsrat nicht Arbeitskampfgegner des Arbeitgebers, sondern zur Neutralität verpflichtet sei.58 Erfolgt der Arbeitsausfall entgegen der Erklärung des Arbeitgebers nicht in Folge 122 eines Arbeitskampfes, wird nach § 174 Abs. 3 SGB III/§ 100 Abs. 3 SGB III n.F. unter dem Stichwort „Gleichwohlgewährung“ auch dann Kurzarbeitergeld durch die AA geleistet, obwohl die Voraussetzungen der Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalles nicht vorliegen und der Arbeitgeber pflichtwidrig den Arbeitsausfall angeordnet hat. Diese Regelung dient der Sicherung des Lebensstandards der Arbeitnehmer. Allerdings hat die AA dann einen Erstattungsanspruch nach § 115 Abs. 1 SGB X gegen den Arbeitgeber in Höhe des geleisteten Kurzarbeitergelds.59 Erforderlich ist eine Anzeige des Arbeitsausfalles nach § 173 SGB III a.F./§ 99 123 SGB III n.F. und ein Leistungsantrag nach § 323 SGB III. Praxistipp Der Arbeitgeber kann die Gleichwohlgewährung nicht separat beantragen. Die Gleichwohlgewährung erfolgt im Rahmen des bestehenden Verfahrens zur Anzeige und Beantragung von Kurzarbeit, so dass eine Anzeige über Arbeitsausfall und ein Antrag auf Kurzarbeitergeld vorliegen müssen.

g) Anzeige- und Mitteilungspflichten

124 Der Arbeitgeber, in dessen Betrieben Kurzarbeitergeld geleistet wird, hat Anzeige-

und Mitteilungspflichten gegenüber der AA nach § 320 SGB III zu erfüllen. Der Arbeitgeber hat eine Quartalsmeldung gegenüber der AA abzugeben. Er hat die monatlichen Daten zur Betriebsart, Beschäftigtenzahl, Zahl der Kurzarbei­ ter, Ausfall der Arbeitszeit und deren bisheriger Dauer sowie Unterbrechung oder Beendigung der Kurzarbeit in der Quartalsmeldung an die AA zu übermitteln. Auch ist der Arbeitgeber, in dessen Betrieben Arbeitskampfmaßnahmen erfol126 gen, verpflichtet, unverzüglich bei deren Ausbruch und Beendigung der AA Anzeige zu erstatten (§ 320 Abs. 5 SGB III). Dies hat u.a. den Grund, die Neutralitätspflicht der AA im Arbeitskampf zu gewährleisten. Die Anzeige über den Ausbruch der Kurzarbeit muss Name und Anschrift des 127 Betriebes, Datum des Beginns und Zahl der betroffenen Arbeitnehmer enthalten. Eine Benennung der einzelnen Arbeitnehmer ist nicht erforderlich. Die Been­ digungsanzeige hat zusätzlich die Zahl der an den einzelnen Tagen betroffenen Arbeitnehmer und die Zahl der durch Arbeitseinstellung ausgefallenen Arbeits­ 125

57 Wie BAG GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rn 408 m.w.N. 58 FESTL, § 87 Rn 174 ff.; GK-BetrVG/Wiese, § 87 Rn 408; Richardi/Richardi, § 87 BetrVG Rn 394 ff. 59 Niesel/Brand/Krodel, § 174 SGB III Rn 1.

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stunden zu enthalten. Zur Vermeidung von Missverständnissen empfiehlt es sich, die Aufzeichnungen der ausgefallenen Arbeitsstunden zusammen mit der Beendigungsanzeige der AA zu überreichen. Praxistipp Zuständig für die Anzeige ist der Arbeitgeber. Für die Anzeige ist keine Schriftform vorgeschrieben, sondern es reicht eine telefonische Übermittlung der Angaben aus. Jedoch ist es aus Nachweisgründen zu empfehlen, die Anzeige schriftlich zu erstatten und in dringenden Fällen die telefonische Anzeige schriftlich durch Fax oder E-Mail nachzureichen.

Nach § 321 Nr. 3 SGB III ist der Arbeitgeber gegenüber der BA zum Schadensersatz 128 verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig Berechnungs-, Auszahlungs-, Aufzeichnungs- und Mitteilungspflichten bei Kurzarbeitergeld nicht erfüllt und dies zu einem Schaden bei der BA führt.

III. Kurzarbeitergeld Das Kurzarbeitergeld ist Lohnersatz, dient zur Kompensation des Entgeltausfalls 129 bei den Arbeitnehmern und entlastet die Unternehmen von Personalkosten.

1. Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld Ist die Kurzarbeit wirksam eingeführt, haben Arbeitnehmer gem. §§  169 ff. SGB III 130 a.F, §§ 95 ff. SGB n.F. einen sozialrechtlichen Anspruch auf Kurzarbeitergeld (es handelt sich nicht um eine Ermessensentscheidung der AA).60 Kurzarbeitergeld wird nur auf Antrag durch den Arbeitgeber nach § 323 Abs. 2 SGB III gewährt.61

2. Rechtsnatur Kurzarbeitergeld ist Entgeltersatz für die wegen des Arbeitsausfalles entgangene 131 Vergütung. Es handelt sich dabei um eine Versicherungsleistung der Arbeitsförde­ rung, die dem Entstehen von Arbeitslosigkeit entgegenwirkt (§§ 1 Abs. 1 S. 1, 3 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 4 SGB III).62

60 Ausführlich zu den Voraussetzungen der Kurzarbeit Rn 6 ff. 61 Ausführlich hierzu Rn 48 ff. 62 Zur lohnsteuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von Kurzarbeitergeld vgl. Rn 174 ff. und Rn 181 ff.

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 Kapitel 22 Kurzarbeit

3. Höhe des Kurzarbeitergeldes

132 Das Kurzarbeitergeld bestimmt sich als prozentualer Anteil der Nettoentgeltdiffe­

renz im Anspruchszeitraum (§ 178 SGB III a.F./§ 105 SGB III n.F.). Das Kurzarbeitergeld wird in zwei Leistungsumfängen gewährt, die den Leistungssätzen des Arbeitslosengeldes entsprechen: –– 60 % der Nettoentgeltdifferenz als allgemeiner Leistungssatz für Arbeitnehmer ohne Kinder, –– 67 % der Nettoentgeltdifferenz als erhöhter Leistungssatz für Arbeitnehmer, –– die mindestens ein Kind i.S.d. § 32 Abs. 1, 3–5 EStG haben oder –– deren Ehegatte/Lebenspartner mindestens ein Kind i.S.d. § 32 Abs. 1, 3–5 EStG hat, wenn beide Ehegatten/Lebenspartner unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben. Praxistipp Für die Beurteilung der Anwendbarkeit des erhöhten Leistungssatzes ist für den Arbeitgeber die Eintragung auf der Lohnsteuerkarte entscheidend. Ohne Eintragung auf der Lohnsteuerkarte sind die Kinder für den erhöhten Kurzarbeitergeld-Bezug grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Einzige Ausnahme ist eine Bescheinigung der für den Arbeitnehmer zuständigen AA (§ 320 Abs. 1 SGB III).

Beispiel Es kommt für den erhöhten Kurzarbeitergeld-Bezug nicht darauf an, ob Kinder in der Bundesrepublik Deutschland oder im Ausland wohnen. Auch ausländische Kinder sind zu berücksichtigen, wenn das Eltern-Kind-Verhältnis des Arbeitnehmers entsprechend durch allgemeine Beweismittel nachgewiesen wird. 133 Die Nettoentgeltdifferenz ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem pauschalier-

ten Nettoentgelt aus dem Sollentgelt und dem pauschalierten Nettoentgelt aus dem Istentgelt. Dabei versteht man unter dem Sollentgelt das Bruttoarbeitsentgelt, das der 134 Arbeitnehmer ohne Arbeitsausfall im Kalendermonat erzielt hätte, wenn dieser Verdienst sozialversicherungspflichtiges Entgelt nach SGB III darstellen würde. Zuschläge für Mehrarbeit oder Einmalzahlungen werden hierbei nicht berücksichtigt. Lässt sich das Sollentgelt für den Anspruchszeitraum nicht bestimmen, so ist 135 das Arbeitsentgelt heranzuziehen, das der Arbeitnehmer in den letzten drei abge­ rechneten Kalendermonaten vor Beginn des Arbeitsausfalles ohne Zuschläge für Mehrarbeit durchschnittlich verdient hat. Ist dies auch nicht möglich, ist das durch­ schnittliche Sollentgelt eines vergleichbaren Arbeitnehmers zu Grunde zu legen. Praxistipp Nach § 421t Abs. 2 Nr. 3 SGB III a.F. galt ursprünglich bis zum 31.3.2012 folgende Sonderregelung: Hat ab dem 1.1.2008 bereits eine vorübergehende Reduzierung der regulären Arbeitszeit aufgrund

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kollektivrechtlicher Beschäftigungssicherungsvereinbarung stattgefunden, wurde diese Reduzierung für die Bestimmung des Sollentgelts nicht berücksichtigt. Vielmehr war das Bruttoarbeitsentgelt anzusetzen, das der Arbeitnehmer ohne die Arbeitszeitverkürzung erhalten hätte. Damit wurde die Berechnungsgrundlage für das Kurzarbeitergeld für die Arbeitnehmer günstiger.

Diese Sonderregelung des §  421t SGB III a.F. war ursprünglich bis 31.3.2012 befris- 136 tet, wurde jedoch vorzeitig zum 31.12.2011 aufgrund des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt beendet.63 Allerdings ist diese Son­ derbemessungsregelung dauerhaft in §  106 Abs. 2 S. 3 SGB III n.F. übernommen wurden. Damit soll dauerhaft ein Anreiz gesetzt werden, den Arbeitsausfall zunächst im Betrieb durch Arbeitszeitreduzierungen zur Beschäftigungssiche­ rung aufzufangen, ohne dass Kurzarbeit eingeführt wird.64 Die Neufassung des SGB III ist am 1.4.2012 in Kraft getreten. Beispiel Für Arbeitnehmer in Altersteilzeit in Form des Blockmodells bestimmt sich das Sollentgelt nach dem Altersteilzeitgehalt der Aktivphase.

Bei der Feststellung des Sollentgelts berücksichtigt die AA nur Arbeitsentgelt bis 137 zur gesetzlichen Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung (§  341 SGB III i.V.m. §§ 159 f. SGB VI). Der monatliche Wert der gesetzlichen Beitragsbemessungsgrenze liegt im Jahr 2012 für einen Beschäftigen in Westdeutschland bei 5.600 € und in Ostdeutschland bei 4.800 €. Liegt das monatliche Istentgelt über dem monatlichen Wert der Beitragsbemessungsgrenze von max. 5.600 € brutto, hat der betreffende Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld.65 Beispiel Ein Arbeitnehmer hat ein Monatsgehalt von 12.000 € brutto. Es ist Kurzarbeit im Umfang von 50 % der regulären Wochenarbeitszeit vereinbart. Demgemäß erhält der Arbeitnehmer ein Istentgelt in Höhe von 6.000  € brutto. Dieses Istentgelt übersteigt das Sollentgelt von maximal 5.600 € (West) oder 4.800 € (Ost), so dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld hat.

Istentgelt ist das vom Arbeitnehmer im Anspruchszeitraum (Kalendermonat) tat­ 138 sächlich erzielte Bruttoarbeitsentgelt einschließlich aller zustehenden Entgeltanteile (z.B. Zuschläge für Mehrarbeit). Einmalzahlungen werden auch hier nicht berücksichtigt.

63 BGBl. I 2011 S. 2854 (27.12.2011). 64 Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks. 17/6277, S. 86. 65 Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung 2012 verkündet am 2.12.2011 im BGBl. I 2011 S. 2421.

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 Kapitel 22 Kurzarbeit

Praxistipp Sofern eine betriebliche Altersvorsorge in Form einer Entgeltumwandlung besteht, sind die verwendeten Entgeltbestandteile in Höhe von 4 % der jährlichen BBG (West) der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (2012: 67.2000 € pro Jahr; monatlich 5.600 €) kein Arbeitsentgelt (§ 1 Abs. 1 Nr. 9 SvEV). Diese Entgeltbestandteile sind nicht im Soll- oder im Istentgelt zu berücksichtigen. 139 Das ermittelte Soll- und Istentgelt ist auf den nächsten durch 20 teilbaren €-Betrag 140

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zu runden. Um die Nettoentgeltdifferenz zu berechnen, muss aus dem Soll- und Istentgelt das pauschalierte monatliche Nettoentgelt berechnet werden. Hierfür werden das Soll- und das Istentgelt um folgende Beträge gekürzt: –– Sozialversicherungspauschale von 21 %, –– Lohnsteuer nach der eingetragenen Lohnsteuerklasse und –– Solidaritätszuschlag. Die pauschalierten Nettoentgelte werden durch eine Verordnung des BMA kalen­ derjährlich bestimmt und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht, § 182 Abs. 1 SGB III a.F./§ 109 Abs. 1 SGB III n.F. Sollte ein Arbeitnehmer jedoch an dem seit dem 1.1.2010 eingeführten einkom­ mensteuerlichen Faktorverfahren teilnehmen, ist das pauschalierte Nettoentgelt nicht mehr aus der Tabelle zu entnehmen, sondern muss maschinell für den Arbeitnehmer berechnet werden. Hierfür ist in der zuvor genannten Verordnung im Anhang 2 ein entsprechender Programmablauf dargestellt. Im nächsten Schritt ist die Nettoentgeltdifferenz als Differenz des pauschalier­ ten Nettoentgeltes aus dem Sollentgelt vermindert um das pauschalierte Nettoentgelt aus dem Istentgelt zu ermitteln. Abhängig davon, ob für den Arbeitnehmer Kinder zu berücksichtigen sind, erhält er den erhöhten Leistungssatz mit 67 % der Nettoentgeltdifferenz als Kurzarbeitergeld. Für Arbeitnehmer ohne Kinder gilt der allgemeine Leistungssatz von 60 % der Nettoentgeltdifferenz als Kurzarbeitergeld. Insoweit ist als letzter Schritt der Betrag in Höhe von 60 % bzw. 67 % der Net­ toentgeltdifferenz zu errechnen, der dem zu zahlenden Kurzarbeitergeld für den Arbeitnehmer entspricht. Praxistipp Um die Berechnung des Kurzarbeitergeldes für den Arbeitgeber zu vereinfachen, stellt die AA eine „Tabelle zur Berechnung des Kurzarbeitergeldes“ für jedes Kalenderjahr zur Verfügung, die im Internet unter www.arbeitsagentur.de unter Formulare/Kurzarbeitergeld zu finden ist. Aus der Tabelle kann das aus dem jeweiligen Bruttoarbeitsentgelt (Soll- und Istentgelt) resultierende pauschalierte Nettoentgelt unter Berücksichtigung der für den Arbeitnehmer eingetragenen Lohnsteuerklasse für den erhöhten und allgemeinen Leistungssatz entnommen werden.

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Beispiel Ein Arbeitnehmer hat ein Bruttoarbeitsentgelt ohne Kurzarbeit von 2.500 € pro Monat. Im Jahr 2011 ist er von Kurzarbeit betroffen. Sein Arbeitsausfall beträgt 50 %, so dass er während der Kurzarbeit eine monatliche Bruttovergütung von 1.250 € erhält. Der Arbeitnehmer hat auf seiner Lohnsteuerkarte die Steuerklasse III eingetragen und einen Kinderfreibetrag. Aufgrund des Kinderfreibetrages erhält der Arbeitnehmer den erhöhten Leistungssatz (67 % der Nettoentgeltdifferenz) für sein Kurzarbeitergeld. Das pauschalierte Nettoentgelt für das Sollentgelt (2.500 €) beträgt im Jahr 2011 für den erhöhten Leistungssatz mit Steuerklasse III 1.235,71 €. Das pauschalierte Nettoentgelt für das Istentgelt (1.250 €) beträgt im Jahr 2011 für den erhöhten Leistungssatz mit Steuerklasse III 666,92 €. Das Kurzarbeitergeld beträgt 568,79 € (= 1.235,71 € – 666,92 €) pro Monat.

4. Auszahlung Anspruchsinhaber des Kurzarbeitergeld-Anspruchs ist der Arbeitnehmer. Gleich- 146 wohl wird der Arbeitgeber vom Gesetzgeber in Dienst genommen, das Kurzarbeitergeld für seine Arbeitnehmer zu beantragen, zu berechnen und auszuzahlen (§ 320 Abs. 1 S. 2 SGB III). Das AA zahlt die Kurzarbeitergelder an den Arbeitgeber aus und dieser ist verpflichtet, das Kurzarbeitergeld an die Arbeitnehmer weiterzuleiten. Der Arbeitgeber ist insoweit der Träger des gesamten Kurzarbeitergeld-Verfahrens, obwohl leistungsberechtigt nur die Arbeitnehmer sind.

5. Anrechnung von Nebeneinkommen Im Rahmen der Bestimmung des Istentgeltes ist nach § 179 Abs. 3 SGB III a.F./§ 106 147 Abs. 3 SGB III n.F. das Einkommen aus einer anderen Beschäftigung oder Tätigkeit, die während des Bezugs von Kurzarbeitergeld aufgenommen wurde, voll anzurech­ nen. Damit erhöht sich in diesem Falle das Istentgelt und das Kurzarbeitergeld wird verringert. Dabei ist es unerheblich, ob die andere Beschäftigung oder Tätigkeit geringfügig i.S.d. § 8 SGB IV ist oder nicht. Dagegen erfolgt keine Anrechnung von Zuschüssen des Arbeitgebers zum Kurz- 148 arbeitergeld nach § 179 Abs. 2 S. 2 SGB III a.F./§ 106 Abs. 2 S. 2 SGB III n.F. Derartige Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld werden in der Praxis häufig in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen zur Einführung von Kurzarbeit vereinbart. Eine Anrechnung des Zuschusses auf das Istentgelt würde das Kurzarbeitergeld verringern, was dem Sinne der Zuschusszahlung widersprechen würde, den Lohnausfall während Kurzarbeit weiter auszugleichen. Ferner werden auch Erwerbstätigkeiten nicht auf das Istentgelt angerechnet, 149 wenn die Erwerbstätigkeit bereits vor Beginn des Kurzarbeitergeld-Bezugs in gleichem Umfang bestand. Das gilt auch dann, wenn ein zweites getrenntes Arbeitsverhältnis zum selben Arbeitgeber vorliegt. Hier sind die Arbeitsverhältnisse klar von­ einander zu trennen. Kuniß

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 Kapitel 22 Kurzarbeit

6. Bezugsdauer, Verlängerung der Bezugsdauer

150 Kurzarbeit kann nicht dauerhaft vereinbart werden. Sie stellt für den Arbeitgeber

eine Möglichkeit dar, Kündigungen während vorübergehender wirtschaftlicher Schwierigkeiten zu vermeiden. Die Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld beträgt längstens sechs Monate und gilt einheitlich für alle im Betrieb bzw. in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmer (§ 177 Abs. 1 S. 2 und 3 SGB III/§ 104 Abs. 1 S. 2 und 3 SGB III n.F.). Bei außergewöhnlichen Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt, wie in Zeiten 151 einer Finanzkrise, kann das BMA die Bezugsdauer durch Rechtsverordnung auf bis zu 24 Monate verlängern, §  182 Abs. 1 SGB III a.F./§  109 Abs. 1 SGB III n.F. Dies erfolgte zuletzt mit der Verordnung vom 1.12.2010. Danach gelten folgende maximale Bezugszeiten für das Kurzarbeitergeld für Arbeitnehmer, deren Anspruch auf Kurzarbeitergeld in den nachstehenden Zeiträumen entstanden ist:66 Zeitraum, in dem der Kurzarbeitergeld-Anspruch entstanden ist Ab 1.1.2009 bis zum 31.12.2009 Ab 1.1.2010 bis zum 31.12.2010 Ab 1.1.2011 bis zum 31.12.2011 Ab 1.1.2012

Maximale Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld 24 Monate 18 Monate 12 Monate 6 Monate

Beispiel Ein Betrieb ist im August 2009 erstmalig von Kurzarbeit betroffen, erfüllt die Voraussetzungen für die Kurzarbeit und hat die Kurzarbeit fristgemäß und schriftlich bei der zuständigen AA angezeigt. Für die Mitarbeiter dieses Betriebes steht ein maximaler Bezugszeitraum für Kurzarbeitergeld von 24 Monaten zur Verfügung. Für Arbeitnehmer eines Betriebes, der erstmals im Jahr 2011 von der Kurzarbeit betroffen ist, steht nur eine Bezugsdauer von maximal 12 Monaten für das Kurzarbeitergeld zur Verfügung. 152 Die Vorschriften über die Kurzarbeit beziehen sich auf den betroffenen Betrieb, d.h.,

dass der einzelne Arbeitnehmer nicht von vornherein Anspruch auf Kurzarbeitergeld für die maximale Bezugsdauer hat. Vielmehr hat der Arbeitnehmer nur solange Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wie Kurzarbeit im betroffenen Betrieb zulässig ist und der Arbeitnehmer die persönlichen Voraussetzungen erfüllt.

a) Beginn und Ende

153 Kurzarbeitergeld wird frühestens für den Kalendermonat geleistet, in dem die

Anzeige über den Arbeitsausfall bei der AA eingegangen ist.67 Die Bezugsdauer

66 BGBl. I 2010 S. 1823. 67 Ausführlich hierzu Rn 48 ff.

Kuniß



A. Arbeitsrecht  

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beginnt mit dem ersten Kalendermonat, für den in einem Betrieb Kurzarbeitergeld gezahlt wird. Die Bezugsdauer läuft einheitlich für alle vom Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmer und Betriebe. Die Bezugsdauer läuft immer für einen ganzen Monat, auch wenn in dem Monat Tage enthalten sind, an denen nicht verkürzt gearbeitet wird. Beispiel Im Laufe des letzten Kalendermonats wird bereits zum 15. des Monats zur Vollarbeit zurückgekehrt. Die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld läuft jedoch bis zum letzten Tage des Kalendermonats. Diese monatliche Bezugsdauer soll dem Arbeitgeber und der AA die Abrechnung erleichtern. Andererseits kann es zu einer Verkürzung der effektiven Bezugsdauer führen.

Der Beginn der Bezugsdauer erfolgt – wie erwähnt – mit der ersten Zahlung 154 von Kurzarbeitergeld. Der Zeitpunkt der Zahlung hängt von der Anzeige über den Arbeitsausfall und vor allem vom Antrag auf Kurzarbeitergeld ab. Praxistipp Die Anzeige über den Arbeitsausfall legt noch nicht den genauen Bezugszeitraum des Kurzarbeitergeldes fest, sondern dies erfolgt erst im Antrag auf Kurzarbeitergeld-Leistungen. Insoweit können Arbeitgeber und Betriebsrat durch den Zeitpunkt der Beantragung des Kurzarbeitergeldes den Beginn der Bezugsdauer optimal gestalten.

Die Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld endet automatisch mit Ablauf der höchst­ 155 zulässigen Bezugszeit oder wenn der Arbeitsausfall, auf dem die Auszahlung des Kurzarbeitergeldes beruht, entfällt. Der Arbeitgeber ist gem. § 320 Abs. 4 SGB III verpflichtet, den Wegfall der Kurzar- 156 beit der AA zu melden. Wird innerhalb der Bezugsdauer die Kurzarbeitergeld-Gewährung für einen 157 zusammenhängenden Zeitraum von mindestens einem Kalendermonat ausgesetzt, so verlängert sich die Bezugsdauer um diesen Zeitraum. Kürzere Unterbrechungszeiträume, z.B. einzelne Tage mit Vollarbeit, werden in die Bezugsdauer einbezogen.

b) Erneute Gewährung Kurzarbeitergeld kann erneut gewährt werden, wenn seit dem letzten Kalendermo- 158 nat, für den Kurzarbeitergeld gewährt wurde, drei Monate vergangen sind und die Anspruchsvoraussetzungen erneut erfüllt sind. Es ist vom Arbeitgeber eine erneute Anzeige über Arbeitsausfall zu erstatten und ein Antrag auf KurzarbeitergeldLeistungen zu stellen.

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 Kapitel 22 Kurzarbeit

7. Sonderformen a) Transferkurzarbeitergeld 159 Zur Unterstützung betrieblicher Restrukturierungsmaßnahmen und zur Ver­ meidung von Entlassungen kann nach Maßgabe des § 216b SGB III a.F./§ 111 SGB III n.F. Transferkurzarbeitergeld gewährt werden. Fallen aufgrund einer Betriebsänderung Arbeitsplätze dauerhaft weg, kann für die betroffenen, von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeitnehmer eine Transfermaßnahme vorgesehen werden, die der Ein­ gliederung der Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt dient, z.B. Vorbereitung durch Maßnahmen der Weiterbildung auf eine Beschäftigung bei einem neuen Arbeitgeber. Voraussetzung ist jedoch, dass die betroffenen Arbeitnehmer in einer betriebsorganisatorisch selbstständigen Einheit (meist eine sog. Transfergesellschaft) verortet werden. Für die Dauer dieser Transfermaßnahme kann Transferkurzarbeitergeld für längstens zwölf Monate gezahlt werden.68 In § 216b Abs. 2 SGB III a.F./§ 111 Abs. 2 S. 2 SGB III n.F. ist ferner mit Inkrafttreten 160 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt ebenfalls die Klarstellung aufgenommen worden, dass auch bei „Kurzarbeit Null“, d.h. vollständigem Arbeitsausfall, die Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug von Transferkurzarbeitergeld vorliegen können.69

b) Saison-Kurzarbeitergeld

161 In der sog. Schlechtwetterzeit im Zeitraum vom 1.12. bis 31.3. eines Kalenderjahres

kann ein Arbeitnehmer nach § 175 SGB III a.F./§ 101 SGB III n.F. abweichend von den allgemeinen Voraussetzungen in §§ 169 ff. SGB III a.F./§§ 95 ff. SGB III n.F. SaisonKurzarbeitergeld beanspruchen. Erforderlich ist dafür, dass er in einem Betrieb des Baugewerbes beschäftigt ist oder einem sonstigen von saisonbedingtem Arbeits­ ausfall betroffenen Wirtschaftszweig angehört und die Arbeit witterungsbedingt in erheblichem Umfang ausfällt. Ferner müssen die weiteren persönlichen und betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sein.70 Das Saison-Kurzarbeitergeld unterscheidet sich vom allgemeinen Kurzarbeitergeld 162 dadurch, dass Saison-Kurzarbeitergeld auch dann gewährt wird, wenn der Arbeitsausfall auf wiederkehrenden Ereignissen beruht. Diese saison- und witterungsbedingten Ereignisse sind zwar in der Regel voraussehbar, gelten jedoch auch dann weiterhin als unvermeidbar i.S.d. § 170 Abs. 4 SGB III a.F./§ 96 Abs. 4 SGB III n.F.

68 BSG, Urt. v. 29.1.2008 – Az: B 7/7a AL 20/06 R –. 69 Verkündet im BGBl. I 2011 S. 2854 (27.12.2011); Inkrafttreten dieser Regelung nach Art. 51 Abs. 3 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt am Tag nach der Verkündung; Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks. 17/6277. 70 MüArbR/Buchner, § 28 Arbeitsförderung Rn 100.

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A. Arbeitsrecht  

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Praxistipp Tritt der Arbeitsausfall witterungsbedingt oder aus wirtschaftlichen Ursachen regelmäßig in der Schlechtwetterzeit (1.12.–31.3.) ein, so wird der saisonbedingte Arbeitsausfall nach § 175 Abs. 4 und 5 SGB III a.F./§ 101 Abs. 4 und 5 SGB III n.F. vermutet.

c) Kurzarbeitergeld für Heimarbeiter Anspruch auf Kurzarbeitergeld kann auch ein Heimarbeiter haben (§ 176 SGB III 163 a.F./§ 103 SGB III n.F.), wenn er seinen Lebensunterhalt ausschließlich oder weitaus überwiegend aus dem Heimarbeiter-Beschäftigungsverhältnis bezieht. Zusätzlich müssen darüber hinaus die persönlichen und betrieblichen Voraussetzungen für das Kurzarbeitergeld erfüllt sein. Dabei passt §  176 Abs. 2 SGB III a.F./§  103 Abs. 3 SGB III n.F. die persönlichen 164 Voraussetzungen des Kurzarbeitergeldes an das Heimarbeitsverhältnis an. Anstelle eines ungekündigt fortbestehenden Arbeitsverhältnisses gilt für Heimarbeiter, dass der Auftraggeber weiterhin bereit sein muss, nach Beendigung des Arbeitsausfalls Aufträge im vorher üblichen Umfang an die Heimarbeiter zu vergeben und die Heimarbeiter bereit sein müssen, solche Aufträge wieder zu übernehmen.

IV. Befristete Änderungen im Rahmen des sog. Konjunkturpakets II Mit dem Konjunkturpaket II71 ist im Rahmen der Wirtschafts- und Finanzkrise 165 2008/2009 der Versuch unternommen worden, Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu motivieren, dass der Arbeitnehmer während der Kurzarbeit an Qualifizierungsmaß­ nahmen teilnimmt und sich qualifiziert. Darüber hinaus sind Maßnahmen ergriffen worden, die die Unternehmen länger und effektiver finanziell entlasten. Hierzu wurden verschiedene Sonderregelungen zum Anreiz geschaffen, die ursprünglich bis zum 31.3.2012 befristet waren, dann jedoch vorzeitig zum 31.12.2011 endeten:72 –– Die gesetzliche Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld wurde auf einen Zeitraum von maximal 24 Monaten verlängert. –– Bei Kurzarbeit werden einem Arbeitgeber auf seinen Antrag 50 % der von ihm allein zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge in pauschalierter Form erstattet. –– Wenn der Arbeitnehmer während der Kurzarbeit an einer beruflichen Qualifizierungsmaßnahme teilnimmt, die mindestens der Hälfte der ausgefallenen Arbeitszeit entspricht und die bestimmte gesetzliche Anforderungen erfüllt, werden dem

71 Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 2.3.2009, BGBl. I S. 416. 72 Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt, verkündet im BGBl. I 2011 S. 2854 (27.12.2011); Inkrafttreten dieser Regelung nach Art. 51 Abs. 3 am Tag nach der Verkündung.

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 Kapitel 22 Kurzarbeit

Arbeitgeber für diese Qualifizierungszeit auf Antrag die vollen Sozialversiche­ rungsbeiträge in pauschalierter Form für den jeweiligen Kalendermonat erstattet. –– Für ab dem 1.1.2009 durchgeführte Kurzarbeit werden dem Arbeitgeber ab dem siebten Kalendermonat des Bezugs von Kurzarbeitergeld auf Antrag 100 % der von ihm allein zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge in pauschalierter Form erstattet. –– Innerhalb der Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld werden Zeiträume, in denen Kurzarbeitergeld nicht geleistet wird, auf Antrag des Arbeitgebers nicht als Unterbrechung gewertet. Damit können Unternehmen eine längere Unterbrechungszeit einlegen, ohne Ansprüche zu verlieren. –– Wenn weniger als ein Drittel der Arbeitnehmer vom Arbeitsausfall betroffen ist, ist Kurzarbeitergeld gleichwohl unter der Voraussetzung möglich, dass der einzelne Arbeitnehmer einen Arbeits- und Entgeltausfall von mehr als 10 % erleidet. 166 Ursprünglich galten die erleichterten Voraussetzungen für Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld nach §  421t SGB III a.F. befristet bis zum 31.3.2012. Jedoch wurden diese Sonderregelungen vorzeitig durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt73 zum 31.12.2011 beendet. Begründet wurde dies damit, dass sich die während der Wirtschaftskrise eingeführten Sonderregelungen (§  421t SGB III a.F.) im Bereich der Kurzarbeit bewährt haben, aber künftig aufgrund der guten wirtschaftlichen Entwicklung und Prognosen über das Jahr 2011 hinaus nicht mehr erforderlich seien.74 Jedoch wurde eine der Sonderregelungen nunmehr dauerhaft in § 106 Abs. 2 167 S. 3 SGB III n.F. übernommen. Danach bleiben bei der Berechnung der Nettoentgeltdifferenz vorherige vorübergehende Arbeitszeitänderungen aufgrund von kollektivrechtlichen Beschäftigungssicherungsvereinbarungen außer Betracht. Damit soll dauerhaft ein Anreiz gesetzt werden, den Arbeitsausfall zunächst 168 im Betrieb durch Arbeitszeitreduzierungen zur Beschäftigungssicherung aufzufangen, ohne dass Kurzarbeit eingeführt wird.75 Die Neufassung des SGB III ist am 1.4.2012 in Kraft getreten.

73 Im BGBl. I 2011 S. 2854 verkündet (27.12.2011). 74 Inkrafttreten dieser Regelung nach Art. 51 Abs. 3 am Tag nach der Verkündung; Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks. 17/6277, S. 89. 75 Gesetzesbegründung zum Gesetzentwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks. 17/6277, S. 86.

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A. Arbeitsrecht  

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V. Prozessuales 1. Entscheidung, Rechtsbehelfe Die Entscheidung über den Antrag auf Kurzarbeitergeld erfolgt durch die zustän­ 169 dige AA. Gegen die Entscheidung über die Anerkennung der Voraussetzungen der Kurzar- 170 beit und den folgenden Bescheid über das bewilligte Kurzarbeitergeld ist der Wider­ spruch und danach Klage vor dem Sozialgericht zulässig. Der Widerspruch ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung schriftlich bei der zuständigen AA einzureichen, §§ 62 SGB X, 51 Abs. 1 Nr. 4, 83 und 84 SGG. Widerspruchsberechtigt ist nur der Arbeitgeber oder die Betriebsvertretung.

2. Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers Kommt der Arbeitgeber seinen Berechnungs-, Auszahlungs-, Aufzeichnungs- und 171 Mitteilungspflichten bei Kurzarbeitergeld nicht nach, ist er der AA zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet (§ 321 Nr. 3 SGB III).

3. Ordnungswidrigkeit Der Arbeitgeber handelt gem. § 320 Abs. 1 SGB III i.V.m. § 404 Abs. 2 Nr. 25 SGB III 172 ordnungswidrig, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig: –– die für die Gewährung von Kurzarbeitergeld erforderlichen Nachweise nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtszeitig erbringt, –– eine Aufzeichnung nicht, nicht richtig oder nicht vollständig führt oder –– eine Anzeige nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstattet. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 2.000 € geahndet werden. 173

VI. Übersicht der für Kurzarbeit relevanten Paragraphen Alte Fassung SGB III bis 31.3.2012 § 169 Anspruch § 170 Erheblicher Arbeitsausfall § 171 Betriebliche Voraussetzungen § 172 Persönliche Voraussetzungen § 173 Anzeige § 174 Kurzarbeitergeld bei Arbeitskämpfen § 175 Saison-Kurzarbeitergeld § 175a Ergänzende Leistungen § 176 Kurzarbeitergeld für Heimarbeiter § 177 Dauer § 178 Höhe § 179 Nettoentgeltdifferenz

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Neue Fassung SGB III ab 1.4.2012 § 95 Anspruch § 96 Erheblicher Arbeitsausfall § 97 Betriebliche Voraussetzungen § 98 Persönliche Voraussetzungen § 99 Anzeige des Arbeitsausfalls § 100 Kurzarbeitergeld bei Arbeitskämpfen § 101 Saison-Kurzarbeitergeld § 102 Ergänzende Leistungen § 103 Kurzarbeitergeld für Heimarbeiterinnen und Heimarbeiter § 104 Dauer § 105 Höhe § 106 Nettoentgeltdifferenz

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 Kapitel 22 Kurzarbeit

§ 180 Anwendung anderer Vorschriften § 181 Verfügung über das Kurzarbeitergeld § 182 Verordnungsermächtigung § 216b Transferkurzarbeitergeld § 421t Sonderregelungen zu Kurzarbeitergeld, Qualifizierung und Arbeitslosengeld

§ 107 Anwendung anderer Vorschriften § 108 Verfügung über das Kurzarbeitergeld § 109 Verordnungsermächtigung § 111 Transferkurzarbeitergeld Ersatzlos weggefallen

B. Steuerrecht I. Lohnsteuerrechtliche Folgen der Kurzarbeit 1. Allgemeines 174 Kurzarbeit bedeutet eine Verringerung der arbeitsvertraglich vereinbarten Stunden, was dementsprechend mit einer Verringerung des Arbeitseinkommens einhergeht. Der verringerte Arbeitslohn unterliegt weiterhin dem individuellen Lohnsteuerab­ zug; Zuschüsse der BA in Form von Kurzarbeitergeld sind jedoch lohnsteuerfrei. Zahlt die BA das Kurzarbeitergeld über den Arbeitgeber aus, hat der Arbeitgeber dies in der Lohnabrechnung, im Lohnkonto und in der Lohnsteuerbescheinigung gesondert auszuweisen.

2. Progressionsvorbehalt

175 Das nach den §§ 169 bis 182 SGB III gezahlte Kurzarbeitergeld ist als Lohnersatzleis­

tung nach §  3 Nr. 2 EStG steuerfrei. Es unterliegt jedoch dem sog. Progressions­ vorbehalt. Sofern nicht eine Einkommensteuer-Veranlagung bereits aus anderen Gründen durchzuführen ist, ist der Arbeitnehmer zur Abgabe einer Einkommen­ steuererklärung verpflichtet, wenn das Kurzarbeitergeld im Jahr mehr als 410  € betragen hat.76 Der sog. Progressionsvorbehalt bewirkt, dass bestimmte steuerfreie Leistungen (z.B. Lohnersatzleistungen) bei der Ermittlung des Steuersatzes berücksichtigt werden, der für die steuerpflichtigen Einkünfte maßgebend ist. Es kommt im Ergebnis nicht zu einer nachgelagerten Versteuerung von bestimmten Lohnersatzleistungen; es erhöht sich lediglich der anzuwendende Steuersatz für die übrigen (steuerpflichtigen) Einkünfte. Der Arbeitgeber muss den steuerfreien Arbeitslohn, der dem Progressionsvorbehalt unterliegt, sowohl im Lohnkonto besonders aufzeichnen als auch in der (elektronischen) Lohnsteuerbescheinigung in Zeile 15 gesondert bescheinigen.

76 § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG.

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B. Steuerrecht 

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Praxistipp Umfangreiche Erläuterungen zum Ausstellen der Lohnsteuerbescheinigung 2012 hat das BMF mit Schreiben vom 22.8.2011 veröffentlicht.77 Mit welchen weiteren Lohnersatzleistungen das Kurzarbeitergeld in einer Summe zu bescheinigen ist, wird im Schreiben explizit dargestellt.

3. Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld Um die für den Arbeitnehmer finanziell nachteiligen Auswirkungen der Kurzarbeit 176 abzumildern, gewähren manche Arbeitgeber einen Zuschuss zum Kurzarbeitergeld. Zahlt der Arbeitgeber einen Zuschuss zum Kurzarbeitergeld, so ist dieser Zuschuss steuerpflichtig aber unter bestimmten Voraussetzungen sozialversicherungsrechtlich beitragsfrei.78 Die Vorschrift des §  3 Nr. 2 EStG (Zuschuss zum Arbeitsentgelt) betrifft andere Tatbestände, wie z.B. Leistungen des Arbeitsamtes zur Entgeltsicherung nach § 421j SGB III und hat keinen Einfluss auf die steuerliche Beurteilung von Arbeitgeber-Zuschüssen zum Kurzarbeitergeld. Praxistipp Die BA hält auf ihrer Internetseite: www.arbeitsagentur.de umfangreiche Formulare, Tabellen und Merkblätter für Arbeitgeber zum Download bereit. Ein Kurzarbeitergeld-Rechner gibt unter Berücksichtigung der verschiedenen Steuerklassen eine erste Einschätzung über die möglich Höhe des Kurzarbeitergeldes.

II. Praktische Hinweise 1. Maßgeblichkeit der Lohnsteuerklassen Für die Höhe des Kurzarbeitergeldes spielt die Lohnsteuerklasse eine bedeutende 177 Rolle. Zur Ermittlung der pauschalierten Nettoentgelte (bzw. der rechnerischen Leistungssätze) wird von dem maßgebenden Soll- und Istentgelt u.a. Lohnsteuer entsprechend der Lohnsteuerklasse laut Steuerkarte/Ersatzbescheinigung abgezogen. Da sich die Höhe des Kurzarbeitergeldes nach dem Nettoentgelt richtet, ist die 178 Leistung für Beschäftigte mit Steuerklasse III höher als für Beschäftigte mit Steuerklasse V oder IV. Falls also ein Ehegatte bisher Steuerklasse V hat und nun von Kurzarbeit bedroht ist, kann es vorteilhaft sein, wenn er in die günstigere Steuerklasse III wechselt und der besser verdienende und nicht von Kurzarbeitergeld betroffene Ehegatte die ungünstigere Steuerklasse V wählt. Gleiches gilt, wenn beide Eheleute bisher die Steuerklassenkombination IV/IV haben. Eine unterjährige Mehrbelastung im Lohnsteuerabzug kann im Rahmen der Veranlagung zur Einkommen­ steuer ausgeglichen werden.

77 BMF-Schreiben v. 22.8.2011 – IV C 5 – S 2378/11/10002. 78 Vgl. Rn 183.

Breuer

552 

 Kapitel 22 Kurzarbeit

2. Drohende Nachzahlung

179 Arbeitgeber sollten die Bezieher von Kurzarbeitergeld darauf hinweisen, dass sie

infolge des Progressionsvorbehalts mit Steuernachzahlungen rechnen müssen. So können rechtzeitig Vorkehrungen getroffen werden, um die Nachzahlung finanzieren zu können.

3. Lohnzahlungszeitraum

180 Beim Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber ist weiterhin zu beachten, dass beim

Ausfall voller Arbeitstage kein Teillohnzahlungszeitraum entsteht. Anzuwenden ist stets die Monatstabelle.

C. Sozialversicherungsrecht I. Sozialversicherung des Kurzarbeitergeldes 1. Allgemeines 181 Hat ein Unternehmen Kurzarbeit eingeführt und die Mitarbeiter erhalten Kurzarbeitergeld, gelten auch während der Dauer der Kurzarbeit die allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Regelungen. Da der Mitarbeiter während der Dauer der Kurzarbeit ein verringertes Arbeits182 entgelt (Istentgelt) und daneben Kurzarbeitergeld erhält, sind bei der Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge einige Besonderheiten zu beachten. So sind Beiträge nicht nur aus dem tatsächlich erzielten verringerten Arbeitsentgelt (Istentgelt), sondern auch aus einem aufgrund des Bezuges von Kurzarbeitergeld zu bildenden „fiktiven Entgeltes“ zu ermitteln. Die Beiträge für dieses fiktive Entgelt trägt der Arbeitgeber; er erhält aber durch die AA bis zu 100 % der Beiträge zur Sozialversicherung erstattet.

2. Berechnung der Beiträge a) Istentgelt 183 Das bei Kurzarbeit gezahlte verminderte Arbeitsentgelt (Istentgelt) unterliegt den allgemeinen beitragsrechtlichen Regelungen. Das Kurzarbeitergeld selbst bleibt von der Pflicht zur Sozialversicherung befreit. Die Beiträge aus dem Istentgelt werden wie gewohnt von Arbeitnehmer und Arbeitgeber zur Hälfte getragen, wobei der Arbeitnehmer den gesetzlichen Zuschlag zur Krankenversicherung von 0,9 % auch weiterhin zahlen muss. Auch der Zuschlag von 1,225 % zur Pflegeversicherung bei kinderlosen Arbeitnehmern bleibt bestehen.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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b) Fiktives Entgelt Für die Beiträge, die auf das „fiktive Entgelt“ bei Bezug von Kurzarbeitergeld entfallen, gelten jedoch die besonderen Regelungen der §§ 232a Abs. 2, 249 Abs. 2 SGB V, 57, 58 Abs. 5 S. 1 SGB XI, 163 Abs. 6, 168 Abs. 1 Nr. 1a SGB VI, die im Weiteren erläutert werden. Für pflichtversicherte Kurzarbeitergeld-Empfänger werden die Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung aus dem fiktiven Arbeitsentgelt ausschließlich vom Arbeitgeber getragen und auf folgender Basis ermittelt: –– 80 % des Unterschiedsbetrages zwischen dem ungerundeten Sollentgelt (Bruttoarbeitsentgelt ohne Kurzarbeit) und dem ungerundeten Istentgelt –– unter Berücksichtigung des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung und der Rentenversicherung Hierbei hat der Arbeitgeber auch den von dem Mitarbeiter in der gesetzlichen Krankenversicherung allein zu tragenden Zusatzbeitrag in Höhe von 0,9 % zu tragen. Dies gilt jedoch nicht für den erhöhten Beitrag zur Pflegeversicherung für kinderlose Mitglieder. Diesen trägt die BA. Zeiten des Bezuges von Krankengeld in Höhe des Kurzarbeitergeldes nach § 47b Abs. 4 SGB V sind nicht in die Beitragsberechnung einzubeziehen. Beispiel Bruttoarbeitsentgelt ohne Kurzarbeit (Soll-Entgelt) Ist-Entgelt bei 50 % Kurzarbeit Differenzbetrag 80 % des Differenzbetrages (1.250,00 € x 80 %) = fiktives Arbeitsentgelt für die Berechnung der Beiträge

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2.500,00 € 1.250,00 € 1.250,00 € 1.000,00 €

Auf der Grundlage des fiktiven Arbeitsentgeltes (1.000,00 EUR) ergeben sich somit folgende Beiträge: Krankenversicherung: Pflegeversicherung :  Rentenversicherung: Gesamt:

14,90 % = 149,00 € 1,95 % = 19,50 € 19,60 % = 196,00 € = 364,50 €

3. Entgeltbescheinigung zur Sozialversicherung Beim Ausscheiden aus dem Unternehmen oder am Ende des Jahres erhält der Arbeit- 188 nehmer eine Meldung zur Sozialversicherung (Versicherungsnachweis bzw. Entgeltbescheinigung). Eine solche erhält ebenfalls die Einzugsstelle vom Arbeitgeber. In der Entgeltbescheinigung ist das gesamte Entgelt (ggf. bis zur Beitragsbemes- 189 sungsgrenze in der Rentenversicherung) anzugeben, das der Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge zugrunde gelegt wurde, also das Istentgelt und das fiktive Entgelt.

Cichon

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 Kapitel 22 Kurzarbeit

4. Beitrags- und Meldeverfahren

190 Für die Beitragsabrechnung, Beitragsnachweisung, Fälligkeit der Beiträge und das

Meldeverfahren bleiben die geltenden Regelungen (Beitragszahlungsverordnung, DEÜV) auch während der Kurzarbeit wirksam.

Cichon

Kapitel 23 Lebensarbeitszeitkonten A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis Ab 2012 wird das Renteneintrittsalter stufenweise auf 67 Jahre erhöht. Die staatli- 1 che Förderung von Altersteilzeit wurde zum 1.1.2010 eingestellt. Im Hinblick darauf sowie auf physische und psychische Belastungen bei der Arbeit stellt für Beschäftigte zunehmend die Möglichkeit eines vorzeitigen bzw. gleitenden Ausstiegs aus dem Erwerbsleben vor Eintritt in die Vollrente ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl ihres Arbeitgebers dar. Mit Lebensarbeitszeitkonten besteht die Möglichkeit der Finanzierung des Vorruhestands. Vorteile Für Arbeitgeber –– Gewinnung und Bindung qualifizierter Mitarbeiter, –– Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, –– Anreiz der Mehrbeschäftigung, –– Flexibilisierungsinstrument, –– hohe Gestaltungsfreiheit, –– Optimierung der Altersstruktur durch arbeitnehmerfinanzierten Vorruhestand, –– Senkung altersbedingter Fehlzeiten, –– Erhöhung der Produktivität und –– Verringerung der Fluktuation.

Praxishinweis Obwohl die Zahl der Unternehmen, die ihren Arbeitnehmern die Nutzung von Lebensarbeitszeitkonten anbieten, kontinuierlich wächst, sind noch einige rechtliche Fragen ungeklärt.

Lebensarbeitszeitkonten stellen ein flexibles Gestaltungsinstrument im Rahmen der 2 betrieblichen Arbeitsorganisation dar, mit dem Unternehmen langfristig die demografische Entwicklung der aktiven Belegschaft steuern und altersgerechtes Arbeiten fördern können. Praxishinweis Je nach Ausgestaltung der Vereinbarung über Lebensarbeitszeitkonten besteht die Möglichkeit, den Mitarbeiter vor dem gesetzlichen Ruhestand vollständig oder teilweise freizustellen.

Ulbrich

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 Kapitel 23 Lebensarbeitszeitkonten

II. Begriffsbestimmung und rechtliche Grundlagen 1. Definition 3 Lebensarbeitszeitkonten sind Arbeitszeitkonten, auf denen Arbeitnehmer während ihres Erwerbslebens Arbeitszeit oder Gehalt als Wertguthaben ansparen, das dann für eine bezahlte Freistellung in der Zeit vor dem Eintritt in den Ruhestand genutzt werden kann.1 Mit Hilfe des Lebensarbeitszeitkontos kann die letzte Phase des Erwerbslebens verkürzt und der Übergang in den Ruhestand flexibel gestaltet werden. Praxishinweise –– Lebensarbeitszeitkonten sind von der betrieblichen Altersvorsorge abzugrenzen. Lebensarbeitszeitkonten dienen der Freistellung vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die betriebliche Altersvorsorge hingegen stellt auf die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab. –– Im Gegensatz zu Lebensarbeitszeitkonten sehen „Langzeitkonten“ eine Nutzung der Guthaben für eine längere Freistellung während der Arbeitsphase vor, etwa für private Weiterbildung oder ein Sabbatical.

2. Rechtliche Grundlagen

4 Der rechtliche Rahmen für Lebensarbeitszeitkonten wurde durch das Gesetz zur

sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeiten vom 6.4.1998 geschaffen. Zum 1.1.2009 erfolgte mit Einführung des sog. Flexi-II-Gesetzes eine Neureformierung der Vorschriften über die Führung von Arbeitszeitkonten, die nur noch für Langzeit- und Lebensarbeitszeitkonten gelten. Lebensarbeitszeitkonten basieren auf einer Wertguthabenvereinbarung zwi5 schen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die rechtlichen Grundlagen sind in den §§ 7b ff. SGB IV enthalten. Der Gesetzgeber hat mit diesen Regelungen einen öffentlich-rechtlichen Rahmen geschaffen, der auf Grundlage der Privat- bzw. Tarifautonomie auszufüllen und zu konkretisieren ist. Anforderungen –– schriftliche Vereinbarung, –– Wertguthaben wird für Zeiten der Freistellung in den vorzeitigen Ruhestand genutzt, –– in das Wertguthaben wird Arbeitsentgelt eingebracht, –– aus dem Wertguthaben fälliges Arbeitsentgelt wird mit einer vor der Freistellung erbrachten Arbeits­leistung erbracht und –– das fällige Arbeitsentgelt übersteigt monatlich 400 €.

1 Skorczyk/Klups/Jacobsen, BB 2007, Special 4, 152 ff.

Ulbrich

A. Arbeitsrecht 

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Praxistipp Arbeitszeitguthaben, die ohne besondere Vereinbarung erfolgen oder die ohne das vorrangige Ziel der späteren Freistellung gegen Arbeitsentgelt aufgebaut werden, sind nicht als Wertzeitguthaben i.S.d. SGB IV zu qualifizieren. Insoweit sind die weitverbreiteten Kurz- oder Gleitzeitkonten nicht von dem Begriff des Wertzeitguthabens gem. § 7b SGB IV erfasst.

Die Einführung von Lebensarbeitszeitkonten kann durch einzelvertragliche Rege- 6 lung ebenso wie durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung erfolgen. Die Vereinbarung erfolgt freiwillig. Der Arbeitnehmer hat keinen gesetzlichen Anspruch auf Abschluss einer Wertguthabenvereinbarung.2 Bei Einführung und Ausgestaltung von Lebensarbeitszeitkonten durch Betriebs- 7 vereinbarung ist die Regelungssperre der §§ 77 Abs. 3, 87 Abs. 1 BetrVG zu beachten. Danach ist die Mitbestimmung in Angelegenheiten des § 87 Abs. 1 BetrVG, insbesondere bezüglich Arbeitszeit und Auszahlung des Arbeitsentgelts, ausgeschlossen, wenn diesbezüglich eine tarifliche Regelung besteht. Die Regelungssperre greift nur dann nicht, wenn der Tarifvertrag eine Öffnungsklausel bezüglich der Arbeitszeitrege­ lungen enthält oder der Tarifvertrag die Angelegenheit nicht abschließend regelt.3 Praxishinweise –– Bei Anwendbarkeit eines Flächentarifvertrages ist für die Möglichkeit der Einführung von Lebensarbeitszeitkonten auf betrieblicher Ebene eine Öffnungsklausel i.S.d. § 4 Abs. 3 TVG erforderlich, die eine Flexibilisierung der bestehenden Arbeitszeitregelungen zulässt. –– Im Bereich des öffentlichen Dienstes können Lebensarbeitszeitkonten grundsätzlich nur durch Betriebs-/Dienstvereinbarung eingerichtet werden (§ 10 TVöD/§ 10 TV-L).

Der Gesetzgeber hat in § 7b Nr. 1 SGB IV festgelegt, dass die Freistellung aufgrund einer 8 schriftlichen Vereinbarung zu erfolgen hat. Nur dann besteht auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung in der Freistellung eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt i.S.d. §  7 SGB IV, die der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung des Arbeitnehmers dient. Praxistipp –– In der Wertguthabenvereinbarung sollten folgende Aspekte geregelt werden: –– Welche Arbeitsentgelt- und Arbeitszeitkomponenten können eingebracht werden? –– Wie hoch ist das Arbeitsentgelt während der Freistellung? –– Zu welchem Zeitpunkt kann die Freistellung in Anspruch genommen werden? –– Zu welchem Zweck ist das Guthaben zu verwenden? –– Wie wird mit Entgeltfortzahlung während der Freistellung verfahren? –– Wie wird mit Urlaub während der Freistellung verfahren? –– Wie ist das Vorgehen bei Eintritt eines Störfalls?

2 LAG RP, Urt. v. 15.4.2010 – 10 Sa 755/09 – Rn 31. 3 Ars/Blümke/Scheithauer, BB 2009, 1361 f.: Skorczyk/Klups/Jacobsen, BB 2007, Special 4, 154; ErfK/Franzen § 4 TVG Rn 28 ff.

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9 Soweit die Voraussetzungen der Geringfügigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV vorliegen,

ist auch im Rahmen der versicherungsfreien geringfügig entlohnten Beschäfti­ gung der Abschluss einer Wertguthabenvereinbarung möglich.4 Nach Ablauf eines Jahres darf das als Arbeitsentgelt angesparte Wertguthaben die Geringfügigkeitsgrenze nicht übersteigen (bei durchgehender Beschäftigung jährlich 4.800 €). Im Zusammenhang mit der Einführung, Ausgestaltung, Änderung und Abschaf10 fung von Lebensarbeitszeitkonten sind vom Arbeitgeber die Mitbestimmungsrechte des Betriebs- bzw. Personalrats zu beachten. In der Regel sind Fragen der Ordnung des Betriebs sowie Fragen des Beginns und Endes der Arbeitszeit berührt.5

3. Ansparphase a) Einbringung 11 In der Ansparphase wird auf dem Lebensarbeitszeitkonto Wertguthaben in Form von Zeit oder Geld gesammelt. 12 Gem. § 7d SGB IV sind seit dem 1.1.2009 Wertguthaben zwingend als Arbeitsent­ geltguthaben zu führen. Dies bedeutet, dass Ansparvarianten des Faktors Zeit in Entgelt umzurechnen sind. Praxishinweis Wertguthabenvereinbarungen, die bis zum 31.12.2008 geschlossen wurden, können nach der Übergangsregelung des § 116 Abs. 1 SGB IV weiterhin sowohl in Zeit als auch in Geld geführt werden. 13 Einkommensteuer und Sozialversicherungsbeiträge sind bei der Einbringung noch

nicht zu entrichten.6 Die Verbeitragung erfolgt erst bei Inanspruchnahme des Wertguthabens während der Freistellungsphase oder bei Eintritt eines Störfalls.7 Einbringungsmöglichkeiten: –– Mehrarbeitsvergütung, –– Urlaubsabgeltung, –– Teile des laufenden Arbeitsentgelts, –– Einmalzahlungen und –– zusätzliche freiwillige Leistungen des Arbeitgebers.

14 Grundsätzlich dürfen alle steuer- und sozialversicherungspflichtigen Arbeitsent-

gelte eingebracht werden. Im Rahmen der Wertguthabenvereinbarungen kann gere-

4 Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 31.3.2009, Ziff. 3.2.3, S. 14. 5 Skorczyk/Klups/Jacobsen, BB 2007, Special 4, 154; Klemm, NZA 2006, 946, 948. 6 Petersmeier, BB 2005, 932. 7 Klemm, NZA 2006, 948.

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gelt werden, dass nur bestimmte Entgelt- und Zeitbestandteile eingebracht werden dürfen.8 Praxistipp Aufgrund praktischer Erwägungen sollten steuer- und sozialversicherungsfreie Bezüge nicht zur Einbringung in das Lebensarbeitszeitkonto zugelassen werden, da für eine beitragsfreie Auszahlung die Führung eines von den beitragspflichtigen Bezügen getrenntes, zweites Konto zu führen wäre. Dies bedeutet einen erhöhten Verwaltungsaufwand für den Arbeitgeber.

b) Kontoführung und Anlagevorgaben Das Lebensarbeitszeitkonto ist seit dem 1.1.2009 nach § 7d Abs. 1 SGB IV zwingend 15 in Geld zu führen.9 Danach enthält das Wertguthaben Arbeitsentgeltguthaben einschließlich der Gesamtsozialversicherungsbeiträge. Bestehende Arbeitszeitguthaben sind in Arbeitsentgelt umzuwandeln, es sei denn, es kommt die Übergangsregelung des § 116 SGB IV zur Anwendung. Das vom Arbeitnehmer eingebrachte Wertguthaben kann vom Arbeitgeber in 16 Kapitalanlagen, z.B. Wertpapierfonds oder Versicherungen, investiert werden.10 Dabei ist das Wertguthaben entsprechend der §§ 80 ff. SGB IV so anzulegen und zu verwalten, dass ein Verlust ausgeschlossen erscheint, ein angemessener Ertrag erzielt wird und eine ausreichende Liquidität gewährleistet ist.11 Es stehen damit grundsätzlich nur die in § 83 SGB IV aufgeführten Optionen zur Verfügung:12 1. Schuldverschreibungen von Ausstellern mit Sitz in einem Mitgliedsstaat der EG, wenn die Schuldverschreibungen an einer Börse in der EG zum amtlichen Handel zugelassen sind oder in einen anderen organisierten Markt in einem Mitgliedsstaat der EG einbezogen sind, der anerkannt und für das Publikum offen ist und dessen Funktionsweise ordnungsgemäß ist. Wertpapiere gem. S. 1, deren Zulassung in den amtlichen Handel an einer Börse in der EG oder deren Einbeziehung in einen organisierten Markt in einem Mitgliedsstaat der EG nach den Ausgabebedingungen zu beantragen ist, dürfen ebenfalls erworben werden, sofern die Zulassung oder Einbeziehung innerhalb eines Jahres nach ihrer Ausgabe erfolgt, 2. Schuldverschreibungen und sonstige Gläubigerrechte verbriefende Wert­ papiere von Ausstellern mit Sitz in einem Mitgliedsstaat der EG, wenn für die Einlösung der Forderung eine öffentlich-rechtliche Gewährleistung besteht oder

8 Petersmeier, BB 2005, 932. 9 Bzgl. Vereinbarungen, die vor dem 1.1.2009 geschlossen wurden vgl. Rn 11. 10 Petersmeier, BB 2005, 932; Höfer/Greiwe, BB 2006, 2244. 11 Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 31.3.2009, Ziff. 4.3.1, S. 19. 12 Rolfs/Witschen, NZS 2009, 295.

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eine Sicherungseinrichtung der Kreditwirtschaft für die Einlösung der Forderung eintritt oder kraft Gesetzes eine besondere Deckungsmasse besteht, 3. Schuldbuchforderungen gegen öffentlich-rechtliche Stellen aus dem Gebiet der EG, 4. Forderungen aus Darlehen und Einlagen gegen – öffentlich-rechtliche Gebiets- oder Personenkörperschaften oder Sondervermögen aus dem Gebiet der EG, – Personen und Gesellschaften des privaten Rechts aus dem Gebiet der EG, wenn für die Forderungen eine öffentlich-rechtliche Einrichtung die Gewährleistung für Rückzahlung und Verzinsung übernimmt oder wenn bei Kreditinstituten eine Sicherungseinrichtung der Kreditwirtschaft in die Gewährleistung eintritt, 5. Anteile an Sondervermögen nach dem Gesetz über Kapitalanlagegesellschaf­ ten, wenn sichergestellt ist, dass für das Sondervermögen nur Vermögensgegenstände gem. den Nr. 1 bis 4 und 8 dieser Vorschrift erworben werden dürfen, 6. Forderungen, für die eine sichere Hypothek, Grund- oder Rentenschuld an einem Grundstück, Wohnungseigentum oder Erbbaurecht im Bereich der EG besteht, 7. Beteiligungen an gemeinnützigen Einrichtungen, soweit die Zweckbestimmung der Mittelhingabe vorwiegend den Aufgaben des Versicherungsträgers dient sowie Darlehen für gemeinnützige Zwecke, 8. Grundstücke und grundstücksgleiche Rechten im Gebiet der EG. 17 Eine Wertanlage in Aktien oder Aktienfonds ist grundsätzlich nur bis zu einer Höhe von 20 % zulässig. Dagegen werden Wertguthaben aus Lebensarbeitszeitkonten regelmäßig sehr langfristig angelegt, so dass abweichend von der vorgenannten Anlagebeschränkung (§§ 80 ff. SGB IV) auch mehr als 20 % des Wertguthabens in Aktien- oder Aktienfondsanteilen angelegt werden können (§ 7d Abs. 3 S. 2 Nr. 2 SGB IV). Lediglich im Zeitpunkt der Anlage ist der maximale Aktien- oder Aktienfondsanteil von 20 % des Wertguthabens zu beachten.13 §  7d Abs. 3 SGB IV enthält zudem eine Werterhaltungsgarantie, wonach der 18 Arbeitgeber verpflichtet ist, die Verfügbarkeit mindestens in Höhe des angelegten Wertguthabenbetrages zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme zu gewährleisten. Die Vertragsparteien können eine Vereinbarung darüber treffen, wem die Rendite, 19 die mit der Anlage des Wertguthabens erzielt wird, zustehen soll. Wird die Rendite dem Arbeitnehmer zugeschrieben, ist sie bei Auszahlung als Arbeitslohn zu versteuern und zu verbeitragen.14 Wird keine Vereinbarung getroffen, steht die Rendite dem

13 Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 31.3.2009, Ziff. 4.3.2, S. 19. 14 Hanau/Veit, NJW 2009, 185.

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Arbeitgeber zu, der auch das Risiko der Wertanlage und die Kosten der Insolvenzsicherung trägt.15 Praxistipp Zur Vermeidung von Unklarheiten, die ggf. zu langwierigen Rechtsstreitigkeiten führen können, ist dem Arbeitgeber zu empfehlen, in der Vereinbarung nach § 7b SGB IV die Form der Wertanlage und die Zuweisung der Rendite möglichst klar und unmissverständlich zu regeln.

Checkliste –– Wie hoch ist das mit der Anlage verbundene Verlustrisiko? –– Kann mit der gewählten Anlage eine angemessene Rendite erzielt werden? –– Kann die Verfügbarkeit in Höhe des angelegten Wertguthabens gewährleistet werden? –– Wem soll die Rendite zustehen? –– Werden die Arbeitnehmer über die Höhe ihres Arbeitsentgeltguthabens informiert?

c) Information der Arbeitnehmer Der Arbeitgeber muss die Beschäftigten mindestens einmal jährlich in Textform 20 über die Höhe ihres verdienten Arbeitsentgeltguthabens informieren (§  7d Abs. 2 SGB IV). Wird das Wertguthaben durch einen Dritten geführt, muss er den Dritten verpflichten, die erforderlichen Informationen bereitzustellen, um seiner Informa­ tionspflicht nachkommen zu können.16 Die Verletzung dieser gesetzlichen Informationspflicht kann zu Schadensersatzansprüchen nach §  280 Abs. 1 BGB gegen den Arbeitgeber führen. Beispiel Die Auskunft hat die Höhe des verdienten Wertguthabens und – soweit erforderlich – umgerechnet als das vom Arbeitnehmer eingebrachte Bruttoarbeitsentgelt zu enthalten. Dagegen ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, über die Höhe des auf dieses Bruttoarbeitsentgelt entfallenden Arbeitgeber-Anteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag, der ebenfalls Bestandteil des Wertguthabens ist, zu unterrichten.17

4. Freistellungsphase a) Beschäftigungsfiktion Mit Beginn der Freistellungsphase besteht das Arbeitsverhältnis trotz Nichtarbeit 21 fort, wenn die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1a SGB IV vorliegen. Die Beschäftigungs­

15 Ars/Blümke/Scheithauer, BB 2009, 2253 f.; Hanau/Veit, NJW 2009, 185. 16 Hümmerich/Boecken, § 7b SGB IV Rn 12; Hanau/Veit, NJW 2009, 185. 17 Hümmerich/Boecken, § 7b SGB IV Rn 12.

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fiktion für Zeiten von mehr als einem Monat besteht aber nur dann, wenn Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b SGB IV während der Freistellungsphase fällig ist und das fällige Arbeitsentgelt nicht unangemessen vom Durchschnittsverdienst der letzten 12 Monate abweicht. Das erarbeitete Wertguthaben fingiert den Fortbestand des sozialversiche­ 22 rungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses gegen Arbeitsentgelt i.S.d. §  7 Abs. 1 SGB IV und ersetzt die tatsächliche Erbringung der Arbeitsleistung in der Freistellung.18 Praxishinweis Das Arbeitsverhältnis wird durch den Beginn der Freistellungsphase nicht beendet. Es endet erst mit Eintritt ins Rentenalter. Vorher kann es nur durch Kündigung beendet werden. 23 Zur Auszahlung des Wertguthabens in der Freistellungsphase sind der kontofüh-

rende Arbeitgeber bzw. die Deutsche Rentenversicherung Bund, sofern auf sie Wertguthaben übertragen wurde, verpflichtet. Das zu zahlende Entgelt darf in der Freistellungsphase nicht unangemessen 24 vom Durchschnittsverdienst der letzten 12 Monate vor Beginn der Freistellungs­ phase abweichen (§ 7 Abs. 1a Nr. 2 SGB IV). Als angemessen gilt das Arbeitsentgelt, wenn es im Monat mindestens 70 % und maximal 130 % des durchschnittlich gezahlten Arbeitsentgelts der unmittelbar vorangegangenen 12 Kalendermonate der Arbeitsphase beträgt.19 Bei der Berechnung des angemessenen Arbeitsentgelts bleiben während der Ansparphase gewährte Sachbezüge wie Firmenwagen o.ä. ebenso wie beitragsfreie Entgeltbestandteile unberücksichtigt.20 Einmalzahlungen, die regelmäßig und insbesondere auch in den letzten 12 Monaten vor der Freistellungsphase gezahlt wurden, sind in die Feststellung des angemessenen Arbeitsentgelts einzubeziehen, es sei denn die Einmalzahlungen werden auch in der Freistellungsphase gewährt.21

b) Entgeltfortzahlung, Urlaub und Sonderzahlungen 25 Grundsätzlich steht dem Arbeitnehmer im Falle krankheitsbedingter Arbeitsunfä­ higkeit ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 EFZG zu. Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit muss die alleinige Ursache für die Arbeitsver-

18 Rolfs/Witschen, NZS 2009, 297. 19 Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 31.3.2009, Ziff. 3.3.4, S. 16. 20 Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 31.3.2009, Ziff. 3.3.4, S. 16. 21 Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 31.3.2009, Ziff. 3.3.4, S. 17.

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hinderung sein.22 Während der Freistellungsphase im Rahmen einer Wertguthabenvereinbarung besteht hingegen kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, da die Arbeitsleistung hier nicht erst aufgrund von Arbeitsunfähigkeit entfällt, sondern bereits wegen der Freistellung.23 Damit entfällt auch der Anspruch auf Krankengeld nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 SGB V. Ähnliches gilt für den gesetzlichen Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub 26 nach § 1 BUrlG, bei dem es sich ebenfalls um einen Freistellungsanspruch handelt. Da Voraussetzung für den Urlaubsanspruch lediglich das sechsmonatige Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses ist, steht dem Arbeitnehmer der Anspruch grundsätzlich auch in der Freistellungsphase zu; auf die Erbringung einer Mindestarbeitsleistung kommt es nicht an.24 Freistellungen nach dem BUrlG und Freistellungen nach anderen Tatbeständen schließen sich in der Regel aus, so dass der Anspruch auf Frei­ stellung wegen Urlaubs aufgrund der Freistellung auf der Basis des Lebensarbeitszeitkontos ausgeschlossen ist.25 Im Rahmen einer Wertguthabenvereinbarung kann festgelegt werden, dass kein Anspruch auf Urlaub während der Freistellungsphase besteht oder der Urlaubsanspruch bereits in der Ansparphase durch einen Bewer­ tungsfaktor Berücksichtigung findet.26 Praxistipp In der Wertguthabenvereinbarung sollten eindeutige Regelungen zu Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie Weihnachts- und Urlaubsgeld getroffen werden.

Ansprüche auf Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld u.ä. bestehen 27 auch während der Freistellungsphase. Häufig ist der Anspruch auf Sonderzahlung lediglich an das Bestehen des Arbeitsverhältnisses gebunden, welches mit Beginn der Freistellungsphase weiterhin fortbesteht. Die Vertragsparteien müssen sich daher bei Abschluss der Wertguthabenvereinbarung darüber einigen, ob Sonderzahlungen in der Freistellungsphase neu entstehen oder in der Ansparphase bereits mit abgegolten werden. Praxistipp Besteht der Anspruch auf Sonderzahlungen aufgrund eines Tarifvertrages, ist für den Ausschluss des Anspruchs auf diese Leistungsansprüche eine entsprechende Öffnungsklausel erforderlich.

22 BAG, Urt. v. 28.1.2004 – 5 AZR 58/03 –. 23 Frank, NZA 2008, 153; Ars/Blümke/Scheithauer, BB 2009, 1363. 24 BAG, Urt. v. 18.3.2003 – 9 AZR 190/02 –. 25 ErfK/Dörner, § 1 BUrlG Rn 10; Ars/Blümke/Scheithauer, BB 2009, 1358. 26 Vgl. § 3 Nr. 4 Tarifvertrag über Langzeitkonten in der Metall- und Elektroindustrie NRW; Frank, NZA 2008, 153.

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5. Störfall a) Voraussetzung 28 Ein Störfall liegt vor, wenn das Wertguthaben nicht vereinbarungsgemäß verwendet wird oder das Wertguthaben wegen Zahlungsunfähigkeit nicht ausgezahlt wird.27 Beispiele Störfälle sind insbesondere: –– die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Kündigung, Tod des Arbeitnehmers, Zubilligung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ohne Wiedereinstellungsgarantie, –– die Übertragung des Wertguthabens auf eine andere Person, –– Insolvenz des Arbeitgebers, –– vollständige oder teilweise Auszahlung nicht für Zeiten der Freistellung und –– Verwendung des Wertguthabens für Zwecke der betrieblichen Altersvorsorge, ohne dass die Voraussetzungen des § 23b Abs. 3a SGB IV vorliegen.28 29 In Fällen, in denen die Erwerbsminderung nicht auf Dauer, sondern lediglich auf

Zeit festgestellt wird, tritt der gesetzliche Störfall nicht ein. Entweder ruht das Arbeitsverhältnis für die Dauer der Zuerkennung der Rente oder das Arbeitsverhältnis endet im Zusammenhang mit einer Wiedereinstellungszusage für die Zeit nach Ablauf der Rentenzahlung.29 Bei Kündigung hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, das Wertguthaben auf den 30 neuen Arbeitgeber zu übertragen und kann somit den Eintritt des Störfalls vermeiden.30 Im Falle des Todes des Arbeitnehmers ist das Wertguthaben nach § 1922 BGB ver31 erbbar. Es handelt sich um eine geldwerte Leistung. Zu einem unmittelbaren Störfall kommt es bei Arbeitslosigkeit nach Ende der 32 Beschäftigung dann nicht, wenn der Arbeitnehmer unmittelbar anschließend bei einer Arbeitsagentur als Arbeitssuchender gemeldet ist und eine öffentlich-rechtliche Leistung (z.B. Arbeitslosengeld) bezieht oder wenn er keine Leistungen aufgrund eines zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens bezieht, §  23b Abs.  3 SGB  IV. Dem Arbeitslosen verbleibt dann ein Zeitraum von bis zu sechs Monaten, um mit einem (neuen) späteren Arbeitgeber die Übernahme des bisher bestehenden Wertguthabens zu vereinbaren, § 23b SGB IV. Sofern es nach Ablauf von sechs Kalendermonaten seit dem letzten Beschäftigungsverhältnis nicht zu einem neuen

27 KK/Seewald, § 23b SGB IV Rn 11. 28 Klemm, NZA 2006, 946; Kümmerle/Buttler/Keller, S. 104. 29 Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 31.3.2009, Ziff. 6.4.2.2, S. 37. 30 Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 31.3.2009, Ziff. 8. a).

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Beschäftigungsverhältnis kommt bzw. mit dem neuen Arbeitgeber keine Vereinbarung gem. § 7b SGB IV abgeschlossen wird oder werden kann, tritt der Störfall ein.31

b) Rechtsfolge Mit Eintritt eines Störfalls werden Einkommenssteuer und Sozialversicherungs­ 33 beiträge fällig, das Wertguthaben ist aufzulösen und an den Arbeitnehmer bzw. die Hinterbliebenen als Nettobetrag auszuzahlen, §§ 23b Abs. 2, 23a SGB IV. Fällig sind hierbei diejenigen Sozialversicherungsbeiträge, die zum Zeitpunkt der Einstellung des Guthabens in das Lebensarbeitszeitkonto fällig gewesen wären. Die fälligen Sozialversicherungsbeiträge können durch: –– das Summenfeldermodell, § 23b Abs. 2 S. 1 bis 3 SGB IV, oder –– das Optionsmodell, § 23b Abs. 2a SGB IV, ermittelt werden.32 Beim Summenfelder-Modell muss der Arbeitgeber einmal jährlich ab der ersten 34 Gutschrift auf einem Wertguthaben die Differenz zwischen der Beitragsbemessungsgrenze des jeweiligen Versicherungszweiges (Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung) und des im jeweiligen Kalenderjahr erzielten beitragspflichtigen Arbeitsentgelts auf einem separaten Konto feststellen.33 Insoweit ist zu ermitteln, inwieweit für die Abführung von weiteren Sozialversicherungsbeiträgen noch „Luft“ besteht, so dass dies als „SV-Luft“ bezeichnet wird.34 Die SV-Luft ist nur für die Versicherungszweige festzustellen, für die im Zeitpunkt des Aufbaus des Wertguthabens Versicherungspflicht bestand. Im Störfall wird dann das gesamte Wertguthaben, begrenzt auf die SV-Luft, verbeitragt. Beim Optionsmodell dagegen bewertet der Arbeitgeber zum Ende des Jahres den 35 Wert des angesammelten Wertguthabens und vergleicht diesen mit der festgestellten Differenz zwischen der Beitragsbemessungsgrenze des jeweiligen Versicherungszweiges und dem beitragspflichtigen Arbeitsentgelt.35 Beitragsberechnungsgrundlage und damit beitragspflichtiges Arbeitsentgelt ist der jeweils geringere dieser Beträge.36 Dieser Betrag ist bei Eintritt eines Störfalls fortzuschreiben.

31 BeckOK-SGB/Mette, § 23b SGB Rn 10. 32 KK/Seewald, § 23b SGB IV Rn 12 f. 33 Klemm, NZA 2006, 951; Kümmerle/Buttler/Keller, S. 116. 34 Hümmerich/Schwarzkopf, § 10 Rn 8. 35 Klemm, NZA 2006, 951; näheres dazu siehe Rn 114. 36 Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 31.3.2009, Ziff. 4.6.2.2, S. 24.

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 Kapitel 23 Lebensarbeitszeitkonten

6. Kombinationsmöglichkeiten

36 Lebensarbeitszeitkonten können mit einer Altersteilzeitvereinbarung kombiniert

werden. Im Rahmen eines Altersteilzeit-Blockmodells kann bereits während der Arbeitsphase eine Freistellung aufgrund des im Lebensarbeitszeitkonto angesparten Wertguthabens ermöglicht werden.37 Dadurch wird der Freistellungszeitraum verlängert. Praxistipp Im Hinblick auf die sozialversicherungsrechtliche Anerkennung der Altersteilzeitvereinbarung sollte vorher vereinbart werden, dass ein bereits angesammeltes Wertguthaben auf einem Arbeitszeitkonto durch die Freistellung abgebaut wird.

37 Lebensarbeitszeitkonten können auch mit klassischen Gleitzeitkonten kombiniert

werden. Möglich ist hierbei eine Vereinbarung dahin, dass das auf dem Gleitzeitkonto angesparte Guthaben nicht kurzfristig in Freizeit ausgeglichen werden muss, sondern in das Lebensarbeitszeitkonto eingebracht werden kann.38

Praxishinweis Da Lebensarbeitszeitkonten in Geld und Gleitzeitkonten in Zeit geführt werden, empfiehlt es sich in den zugrundeliegenden Vereinbarungen eine Umrechnungsformel für Einbringungskomponenten aus dem Gleitzeitkonto festzulegen. 38 Die beitragsfreie Übertragung von Wertguthaben in die betriebliche Altersvorsorge

bei Eintritt eines Störfalls ist nicht mehr möglich. Lediglich bei Vereinbarungen über Lebensarbeitszeitkonten, die vor dem 13.11.2008 geschlossen wurden, können Langzeitkonten und betriebliche Altersvorsorge kombiniert werden. Voraussetzung ist jedoch, dass die Verwendung des Wertguthabens für die betriebliche Altersversorgung bereits bei Abschluss der Wertguthabenvereinbarung vorgesehen wurde.39 Die Übertragung erfolgt in diesem Fällen dann beitragsfrei, § 23b Abs. 3a SGB IV. Auf Vereinbarungen, die nach dem 13.11.2008 geschlossen wurden, findet § 23b 39 Abs. 3a SGB IV keine Anwendung mehr. Praxishinweis Die Möglichkeit, das Wertguthaben in Störfällen in die betriebliche Altersvorsorge zu übertragen, besteht nur noch für Wertguthaben, die auf einer vor dem 13.11.2008 geschlossenen Vereinbarung beruhen, § 23b Abs. 3a SGB IV.

37 Klemm, NZA 2006, 950. 38 Klemm, NZA 2006, 950. 39 Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 31.3.2009, Ziff. 6.1.2, S. 34.

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7. Übertragung von Guthaben a) Arbeitgeberwechsel Die Übertragung von Guthaben nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ist 40 geregelt in §  7f SGB IV. Danach kann bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Wertguthaben auf einen neuen Arbeitgeber übertragen werden, sofern mit diesem eine Wertguthabenvereinbarung i.S.d. §  7b SGB IV besteht und er der Übertragung zustimmt. Der neue Arbeitgeber tritt damit an die Stelle des alten Arbeitgebers und übernimmt durch Schuldübernahme die Verpflichtungen aus der Wertguthabenvereinbarung.40 Die Wertguthabenvereinbarung kann unverändert fortgeführt oder aber mit einer beim neuen Arbeitgeber bereits bestehenden Vereinbarung angepasst bzw. eine völlig neue Vereinbarung geschlossen werden.41 Den neuen Arbeitgeber trifft mit Übernahme der Arbeitgeberpflichten auch die 41 gesetzliche Verpflichtung zum Werterhalt nach § 7d Abs. 3 SGB IV. Der neue Arbeitgeber trägt damit auch das Risiko eines Nachschusses für den Fall, dass das übertragene Wertguthaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme unter der kritischen Größe liegt.42 Der alte Arbeitgeber wird von seinen Pflichten befreit. Übertragungswert ist das Guthaben nach § 7b SGB IV, das sich zusammensetzt 42 aus dem Entgeltguthaben und dem hierauf entfallenden Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung.43 Die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge richtet sich nach den zum Übertragungszeitpunkt maßgeblichen Beitragssätzen.44

b) Übertragung auf die Deutsche Rentenversicherung Bund Stimmt der neue Arbeitgeber der Übertragung nicht zu oder tritt der Arbeitnehmer 43 nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht in ein neues Beschäftigungsverhältnis ein, hat der Arbeitnehmer zwei Möglichkeiten: –– er kann das Wertguthaben auf die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRVB) übertragen oder –– das Wertguthaben als Störfall auflösen lassen.45 Hat der Beschäftigte keine Rentenanwartschaft bei der Deutschen Rentenversiche- 44 rung, hat er dennoch die Übertragungsmöglichkeit auf die DRVB.46

40 BMF-Schreiben v. 17.6.2009 – IV C 5 – S 2332/07/0004 –, D., S. 8; BT-Drucks. 16/10289 v. 22.9.2008, S. 18. 41 BT-Drucks. 16/10289 v. 22.9.2008, S. 18. 42 Ars/Blümke/Scheithauer, BB 2009, 2258. 43 Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 31.3.2009, Ziff. 8.2, S. 49. 44 Ausführlich dazu Rn 114. 45 BT-Drucks. 16/10289 v. 22.9.2008, S. 18. 46 Ars/Blümke/Scheithauer, BB 2009, 2258.

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 Kapitel 23 Lebensarbeitszeitkonten

45 Die Übertragung des Wertguthabens auf die DRVB ist unumkehrbar und nur möglich,

wenn das Wertguthaben einen Betrag in Höhe des sechsfachen der monatlichen Bezugsgröße übersteigt (2012: West: 15.750 €/Ost: 13.440 €),47 § 7f Abs. 1 Nr. 2 SGB IV. Der Arbeitnehmer hat bei einer Übertragung auf die DRVB nicht die Möglichkeit, 46 weitere Entgeltbestandteile in das Wertguthaben einzuzahlen.48 Kraft gesetzlicher Übertragung nach § 7f Abs. 1 Nr. 2 SGB IV sind von der Deutschen Rentenversicherung die mit dem Wertguthaben verbundenen Arbeitgeberpflichten zu erfüllen. Die DRVB verwaltet das Wertguthaben als Treuhänder nach §  30  Abs. 1 SGB IV. Hinsichtlich der Höhe des auszuzahlenden Wertguthabens gelten die gleichen Grundsätze wie bei Auszahlung durch den Arbeitgeber.49 Bei Auszahlung sind durch die DRVB die Gesamtsozialversicherungsbeiträge an 47 die Einzugsstelle abzuführen (§ 28e SGB IV). Lässt der Arbeitnehmer das Wertguthaben nach Beendigung des Arbeitsverhält48 nisses nach § 23b SGB IV auflösen, wird das Wertguthaben versteuert, verbeitragt und als Einmalbetrag an den Arbeitnehmer ausbezahlt.50

8. Insolvenzschutz

49 In § 7e SGB IV sind Vorgaben für die Sicherung des Wertguthabens einschließlich

der Gesamtsozialversicherungsbeiträge im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers enthalten. Danach sind in die Wertguthabenvereinbarung Regelungen aufzunehmen, die vom Arbeitgeber zu erfüllende Vorkehrungen zur Insolvenzsicherung betreffen. Die Pflicht zum Insolvenzschutz besteht nicht, wenn ein Anspruch auf Insolvenzgeld besteht und das Wertguthaben einen Betrag in Höhe der monatlichen Bezugsgröße übersteigt (2012: West: 2.625 €/Ost: 2.240 €),51 § 7e Abs. 1 S. 1 SGB IV. Ein abweichender Betrag kann in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages in einer Betriebsvereinbarung festgelegt werden.

Praxishinweis Die Pflicht zur Insolvenzsicherung besteht nicht für den Bund, die Länder, Gemeinden, Stiftungen, Anstalten des öffentlichen Rechts und Körperschaften, die nicht insolvenzfähig sind oder deren Zahlungsfähigkeit kraft Gesetzes durch Bund, Land oder Gemeinde gesichert wird. 50 Bei nicht geeigneter oder nicht ausreichender Insolvenzsicherung sieht §  7e Abs. 7

SGB IV eine Haftung des Arbeitgebers und der Organvertreter für eine Verringe-

47 VO SV-Rechengrößen 2012, BGBl. 2011 Nr. 61. 48 BT-Drucks. 16/10289 v. 22.9.2008, S. 12; vgl. Rn 33 ff. 49 Vgl. Rn 21 ff. 50 Rolfs/Witschen, NZS 2009, 302. 51 VO SV-Rechengrößen 2012, BGBl. 2011 Nr. 61.

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rung bzw. den Verlust des Wertguthabens vor. Der Arbeitgeber und der Organvertreter müssen nur dann keinen Ersatz leisten, wenn sie den Schaden nicht zu vertreten haben. Praxishinweis Eine Haftung kann nur durch geeignete Insolvenzsicherungsmaßnahmen vermieden werden.

Die Wertguthaben müssen unter Ausschluss der Rückführung insolvenzfest auf einen 51 Dritten übertragen werden, der im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers für die Erfüllung der Ansprüche aus dem Wertguthaben einsteht. Praxishinweis Das Wertguthaben kann bei einem Dritten oder von dem Arbeitgeber geführt werden.

Es stehen verschiedene Möglichkeiten zur Insolvenzsicherung zur Verfügung. § 7e 52 Abs. 2 SGB IV nennt in diesem Zusammenhang das Treuhandverhältnis, das dem sog. Contractual Trust Arrangement (CTA) entspricht.52 Als weitere gleichwertige Sicherungsmittel werden das Versicherungsmodell sowie schuldrechtliche Verpfän­ dungs- und Bürgschaftsmodelle mit ausreichender Sicherung gegen Kündigung genannt. Nicht als Sicherungsmodell geeignet sind dagegen bilanzielle Rückstellungen 53 sowie Bürgschaften, Patronatserklärungen und Schuldbeitritte zwischen Konzernen, § 7e Abs. 3 SGB IV. Welches das richtige Sicherungsmittel ist, hängt von der tatsächlichen Situation 54 und der Interessenlage des Unternehmens ab. Erforderlich ist aber, dass das Sicherungsmittel im Zeitpunkt des Abschlusses objektiv geeignet erscheint, die vollständige Befriedigung der erarbeiteten Wertguthaben in der Zukunft zu sichern.53 Praxishinweis Für die Beendigung, Auflösung oder Kündigung einer Insolvenzsicherungsmaßnahme vor der bestimmungsmäßigen Auflösung des Wertguthabens sind ein mindestens gleichwertiger Schutz und die Zustimmung des Arbeitnehmers erforderlich.

a) Contractual Trust Arrangement-Modelle In der Praxis werden als Möglichkeit der Insolvenzsicherung überwiegend Treuhand- 55 lösungen vor allem in Form des sog. Contractual Trust Arrangement (CTA) gewählt. Bei der Einrichtung eines CTA hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht, da es

52 Maiß/Orth, ArbRAktuell 2010, 9; Hanau/Veith, NJW 2009, 185. 53 Skorczyk/Klubs/Jacobsen, BB 2007, Special 4, 15.

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sich bei dem CTA nicht um eine Sozialeinrichtung i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG handelt.54 CTA-Modelle sind möglich in Form einer einseitigen oder doppelseitigen Treuhand. Bei der Doppeltreuhand handelt der außerhalb des Unternehmens stehende 56 Treuhänder gleichzeitig als Verwaltungs- und Sicherungstreuhänder. Als Treuhänder handelt in der Regel ein eingetragener Verein.55 Zwischen Arbeitgeber und Treuhänder besteht ein Verwaltungstreuhandver­ 57 trag, durch welchen sich der Treuhänder verpflichtet, das Vermögen als Verwaltungstreuhänder für das Unternehmen zu verwalten und anzulegen.56 Die Höhe der übertragenen Vermögenswerte entspricht der Höhe der Wertguthabenverbindlichkeiten des Arbeitgebers. In der Regel überträgt der Treuhänder das Vermögen auf eine Kapitalanlagegesellschaft, die dann die konkrete Aufteilung des angelegten Vermögens auf verschiedene Anlageklassen wie z.B. Aktien und Anleihen übernimmt (Asset Allocation).57 Da bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. §§ 115 Abs. 1, 116 Abs. 1 InsO die 58 Verwaltungstreuhandabrede als Geschäftsbesorgungsvertrag erlischt, ist zur Gewährleistung der Insolvenzfestigkeit neben dem Verwaltungstreuhandvertrag ein Siche­ rungstreuhandvertrag zwischen Arbeitgeber und Treuhänder zu schließen.58 Dieser Vertrag ist ein echter Vertrag zugunsten Dritter i.S.d. §  328 BGB – Dritter ist der Arbeitnehmer. Der Treuhänder wird Sicherungstreuhänder für den Versorgungsberechtigten.59 Mit Eintritt des Sicherungsfalls, der Insolvenz des Arbeitgebers, hat der versorgungsberechtigte Arbeitnehmer dementsprechend einen eigenen und unmittelbaren Leistungsanspruch in Höhe des auf seine Ansprüche entfallenden Teils des Treuhandvermögens gegen den Treuhänder.60 Der Treuhänder kann in der Insolvenz ein Absonderungsrecht an dem Treuhandvermögen geltend machen.61 Vorteile –– Beteiligung der einzelnen Arbeitnehmer ist nicht erforderlich. –– Neben dem Wertguthaben aus Lebensarbeitszeitkonten können auch solche aus Altersteilzeitvereinbarungen gesichert werden. –– Der Insolvenzschutz durch CTA ist unabhängig von Unternehmensumstrukturierungen.

54 Passarge, NZI 2006, 21. 55 Petersmeier, BB 2005, 936. 56 Skorczyk/Klubs/Jacobsen, BB 2007, Special 4, 12. 57 Klemm, NZA 2006, 950. 58 Skorczyk/Klubs/Jacobsen, BB 2007, Special 4, 12. 59 Passarge, NZI 2006, 23. 60 Klemm, NZA 2006, 950. 61 Passarge, NZI 2006, 23.

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Nachteile –– Umfangreiche Gestaltung und Einrichtung des CTA.

Bei der einseitigen Treuhand überträgt der Arbeitgeber Vermögensgegenstände an 59 den Treuhänder.62 An den Arbeitnehmer werden der Rückübertragungsanspruch des Arbeitgebers oder einzelne Vermögenswerte verpfändet.63 Dem Arbeitnehmer steht im Fall der Insolvenz ein Absonderungsrecht nach § 50 InsO zu, wonach er die gem. § 173 InsO verpfändete Sache verwerten darf.64 Für diese Form der Insolvenz­ sicherung ist eine Vereinbarung mit jedem Mitarbeiter erforderlich.65 Praxistipp Das Verpfändungsmodell empfiehlt sich eher für kleinere Unternehmen, da für die Insolvenzsicherung eine Vereinbarung mit jedem Mitarbeiter erforderlich ist. Für größere Unternehmen führt das zu erheblichem Verwaltungsaufwand.

b) Versicherungsmodell Das Versicherungsmodell bezeichnet die Absicherung des Insolvenzrisikos bei einem 60 Versicherungsunternehmen durch Abschluss einer Bürgschafts-, Risiko- oder Lebensversicherung.66 Das Versicherungsmodell muss eine ausreichende Sicherung gegen Kündigung durch den Sicherungsgeber enthalten, § 7e Abs. 2 S. 2 SGB IV. Praxishinweis Versicherungsschutz wird erst nach Bonitätsprüfung durch das Versicherungsunternehmen gewährt und die Versicherungsunternehmen haben die Möglichkeit, zusätzliche Sicherungsmittel vom Arbeitgeber zu verlangen. Darüber hinaus sind für den Versicherungsschutz entsprechende Versicherungsbeiträge zu zahlen, so dass hier zusätzliche Kosten auf den Arbeitgeber zu kommen.

c) Bürgschaftsmodell Als ein wirksames Sicherungsmittel für den Fall der Insolvenz kommt die Bankbürg- 61 schaft in Betracht.67 Der Bürgschaftsvertrag nach § 765 BGB zwischen Arbeitgeber und Kreditinstitut wird als Vertrag zu Gunsten Dritter i.S.d. § 328 Abs. 1 BGB abgeschlos-

62 Passarge, NZI 2006, 23. 63 Passarge, NZI 2006, 23. 64 Frank, NZA 2008, 155; Küppers/Louven/Schröder, BB 2005, 763. 65 Frank, NZA 2008, 154. 66 Skorczyk/Klubs/Jacobsen, BB 2007, Special 4, 10. 67 Ausführlich BT-Drucks. 14/7944 v. 18.12.2001, S. 23.

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sen.68 Dritter ist der Arbeitnehmer. Da die Bürgschaft akzessorisch zur Hauptschuld ist, ist der Umfang des zu sichernden Wertguthabens grundsätzlich abgedeckt. Im Rahmen der Bürgschaftsvereinbarung ist es erforderlich, die Kündigungsmöglichkeit des Sicherungsgebers zu beschränken, § 7e Abs. 2 S. 2 SGB IV. Vorteile –– Die Bürgschaft deckt immer genau den Betrag der gesicherten Forderung. –– Die Liquidität des Unternehmens wird nicht beeinträchtigt.

Nachteile –– Die Solvenz des Bürgen muss gesichert sein. –– Neben Gebühren sind u.U. weitere Sicherheiten gegenüber dem Kreditinstitut zu leisten. –– Die Bürgschaftssumme wird auf die Kreditlinie des Unternehmens angerechnet.

d) Kontrolle und Sanktionen

62 Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Arbeitnehmer unverzüglich über die Insolvenz-

sicherungsmaßnahmen schriftlich zu unterrichten, wenn das Wertguthaben des Beschäftigten einschließlich des darin enthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeitrages einen Betrag in Höhe der monatlichen Bezugsgröße übersteigt, §  7e Abs. 4 SGB IV. 63 Fordert der Arbeitnehmer den Arbeitgeber schriftlich auf, seiner gesetzlichen Verpflichtung zum Insolvenzschutz nachzukommen, hat der Arbeitgeber zwei Monate Zeit, um die Erfüllung seiner Verpflichtung nachzuweisen, § 7e Abs. 5 SGB IV. Kommt der Arbeitgeber dieser Aufforderung nicht nach, kann der Arbeitnehmer die Wertguthabenvereinbarung kündigen. Das Wertguthaben wird dann nach § 23b Abs. 2 SGB IV aufgelöst. 64 Der Rentenversicherungsträger hat hinsichtlich der Erhaltung der Insolvenzsicherung ein eigenes Prüfungsrecht nach § 7e Abs. 6 SGB IV. Im Rahmen der Betriebsprüfungen nach § 28p SGB IV überprüfen die SV-Behörden daher: –– ob überhaupt eine Insolvenzschutzregelung getroffen worden ist, –– ob das Sicherungsmittel zum Schutz des Wertguthabens geeignet ist, –– ob die Sicherungsmittel mehr als 30 % des Wertguthabens erfassen und –– ob die Sicherungsmittel den im Wertguthaben enthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeitrag umfassen. 65 Wird bei der Betriebsprüfung festgestellt, dass die Voraussetzungen nicht erfüllt werden und werden diese auch innerhalb einer Frist von zwei Wochen nicht durch den Arbeitgeber nachgewiesen, gilt die Wertguthabenvereinbarung als von Anfang

68 Skorczyk/Klubs/Jacobsen, BB 2007, Special 4, 10.

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an unwirksam. Das Wertguthaben ist aufzulösen und die Gesamtsozialversicherungsbeiträge sind sofort fällig. Checkliste –– Kommt ein Tarifvertrag zur Anwendung? Ist eine Öffnungsklausel enthalten? –– Sind bei Abschluss der Wertguthabenvereinbarung die Voraussetzungen des § 7b SGB IV erfüllt? –– Sind in der Wertguthabenvereinbarung Regelungen zur Entgeltfortzahlung, Urlaub und Sonderzahlung etc. enthalten? –– Soll das Lebensarbeitszeitkonto mit anderen Arbeitszeitmodellen kombiniert werden? –– Sind geeignete Vorkehrungen zum Insolvenzschutz getroffen?

B. Steuerrecht I. Einleitung Der Aufbau von Wertguthaben ist zwar ganz wesentlich im Sozialversicherungsgesetz 66 geregelt, kann für Arbeitnehmer allerdings nur von Interesse sein, wenn die Nutzung von Lebensarbeitszeitmodellen auch steuerlich flankiert ist. Die Finanzverwaltung hat auf FlexiG II69 reagiert und ein BMF-Schreiben veröffentlicht.70 Darin sind sowohl die Voraussetzungen zur steuerlichen Anerkennung von Zeitwertkontenmodellen als auch die lohn- und einkommensteuerliche Behandlung derselben dargestellt. In einem älteren Schreiben hatte sich das BMF bereits zur Rückstellungsbildung bei Zeitwertkontenmodellen geäußert.71 Diese beiden Schreiben bilden zurzeit die wesentlichen Grundlagen für die steuerliche Beurteilung von Lebensarbeitszeitkonten. Daneben sind einzelne Bestimmungen insbesondere aus dem EStG zu berücksichtigen. Im weiteren Verlauf werden die steuerlichen Rahmenbedingungen von Lebensar- 67 beitszeitkonten sowohl aus Sicht des Arbeitnehmers als auch aus der Perspektive des Arbeitgebers beleuchtet.

II. Steuerliche Definition von Wertkonten Mit dem FlexiG II hat der Gesetzgeber im Sozialgesetzbuch eine Definition des Begriffs 68 Wertguthaben aufgenommen. Nur wenn die in § 7b SGB IV formulierten fünf Voraussetzungen erfüllt sind, werden die sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen, insbesondere die Versicherungspflicht in der Freistellungsphase erreicht. Auch die

69 Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen v. 21.12.2008, BGBl. I 2008 S. 2940 ff. 70 BMF v. 17.6.2009 – IV C 5 – S 2332/07/0004 –, zur weiteren Vertiefung: Portner, DStR 2009, 1838 ff. 71 BMF v. 11.11.1999 – IV C 2 – S 2176 – 93/99 –.

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Finanzverwaltung hat sich mit einer Begriffsdefinition auseinandergesetzt, wobei das BMF in seinem Schreiben vom 17.6.2009 nicht den Begriff Wertguthaben, sondern den des Zeitwertkontos verwendet.72 Das BMF führt aus, dass Zeitwertkontenmodelle durch eine Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer entstehen, die darauf abstellt, dass künfti­ ger Arbeitslohn nicht ausgezahlt, sondern beim Arbeitgeber erfasst wird, um ihn bei einer vollständigen oder teilweisen Freistellung von der Arbeitsleistung während des fortbestehenden Dienstverhältnisses auszuzahlen. Damit gestattet das BMF auch eine teilweise Freistellung, z.B. mittels Teilzeitregelung. Ebenso beschränkt sich die steuerliche Definition nicht alleine auf Lebensarbeitszeitkonten, sondern umfasst auch Langzeitkonten, bei denen eine Freistellung nicht notwendigerweise als Übergang auf den Ruhestand, sondern z.B. auch zur Realisierung eines Sabbaticals erfolgen kann. Das BMF macht zudem deutlich, dass Vereinbarungen zur flexiblen Gestaltung werktäglicher oder wöchentlicher Arbeitszeiten oder zum Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen nicht als Zeitwertkonten im steuerlichen Sinne einzustufen sind. Somit gelten die Ausführungen des BMF-Schreibens vom 17.6.2009 hierfür nicht. Die steuerliche Anerkennung von Wertguthaben setzt eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern voraus, aus der hervorgeht, dass zum Zeitpunkt der planmäßigen Inanspruchnahme der Wertguthaben (Freistellung) mindestens die zugeführten Arbeitslohnbeträge ohne Arbeitgeberbeitrag zur Gesamtsozialversicherung zurückfließen. Diese Zeitwertkontengarantie kann vom Arbeitgeber oder von einem Anlageinstitut ausgesprochen werden, bei dem der Arbeitgeber die erforderliche Insolvenzsicherung realisiert. Wertminderungen oder Abbuchungen von Verwaltungs- bzw. Depotkosten stehen der steuerlichen Anerkennung nicht im Wege, wenn eine – gegenüber den eingebrachten Entgeltbestandteilen – evtl. vorliegende Unterdeckung durch Wertzuwächse oder zusätzliche Beiträge des Arbeitgebers ausgeglichen wird.

III. Arbeitnehmerperspektive 1. Begünstigter Personenkreis 73 Die Nutzung von Zeitwertkonten mit steuerlicher Wirkung ist grundsätzlich für alle Arbeitnehmer gem. § 1 LStDV möglich. Hiernach handelt es sich „um Personen, die in öffentlichem oder privaten Dienst angestellt oder beschäftigt sind […] und die aus diesem Dienstverhältnis […] Arbeitslohn beziehen.“ Das BMF schließt geringfügig Beschäftigte gem. §§ 8 bzw. 8a SGB IV ausdrücklich mit ein.

72 BMF v. 17.6.2009 – IV C 5 – S 2332/07/0004 – A I.

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Die Finanzverwaltung klammert jedoch folgende Personengruppen von der 74 Steuerbegünstigung aus:73 –– Als Arbeitnehmer beschäftigte Anteilseigner. –– Wertguthaben von befristet Beschäftigten werden steuerlich nur anerkannt, wenn sichergestellt ist, dass eine Freistellung innerhalb der Befristung rea­ lisierbar ist. Somit ist davon auszugehen, dass reine Lebensarbeitszeitmodelle, die auf eine Freistellung im Vorfeld des Ruhestands ausgerichtet sind, keine steuerliche Anerkennung finden, soweit sie befristet Beschäftigte betreffen.74 Alternativ könnte bei befristet Beschäftigten die Nutzung von Sabbaticals eingeräumt werden, um eine Realisierbarkeit der Freistellung zu ermöglichen. –– Organe von Körperschaften, wie Vorstände einer Aktiengesellschaft und Geschäftsführer einer GmbH werden seitens der Finanzverwaltung aus dem Kreis der begünstigten Personen ausgeklammert. Als Begründung führt das BMF an, dass Wertkontenmodelle mit dem Aufgabenbild eines Organs nicht vereinbar sind, da eine Freistellung nicht ohne Beendigung der Organstellung möglich ist.75 Das BMF spricht allgemein von Geschäftsführern einer GmbH, so dass davon auszugehen ist, dass nicht nur beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer vom Ausschluss der steuerlichen Begünstigung erfasst werden.76 Soweit Wertgutha­ ben im Arbeitnehmerstatus vor Erwerb der Organstellung aufgebaut wurden, bleibt deren Steuerbegünstigung unangetastet. Lediglich neue Vereinbarungen nach dem Statuswechsel werden steuerlich nicht mehr gefördert. Zwischenzeitlich haben sich zwei Finanzgerichte mit Klagen gegen die fehlende Anerkennung von Wertguthaben für GmbH-Geschäftsführer beschäftigt. In beiden Fällen wurde den Klagen stattgegeben, so dass die betreffenden Organe mit steuerlicher Wirkung Wertguthaben aufbauen können.77 Es ist von einer Revision der Finanzverwaltung gegen die Urteile auszugehen.

2. Einbringung von Entgeltbestandteilen bzw. von Arbeitgeberbeiträgen Das Kernelement der steuerlichen Förderung betrieblicher Zeitwertkonten ergibt sich 75 aus Nr. II des BMF-Schreibens vom 17.6.2009. Werden die Anforderungskriterien des Schreibens eingehalten, ergibt sich eine nachgelagerte Besteuerung von Wertgut­

73 BMF v. 17.6.2009 – IV C 5 – S 2332/07/0004 – IV, kritisch: Portner, DStR 2009, 1838, 1841. 74 Gegen diese steuerliche Restriktion spricht allerdings, dass seit Einführung des FlexiG II eine Übertragung von Wertguthaben auf den Folgearbeitgeber bzw. die DRVB zulässig ist. Diese Portabilität wurde insbesondere aufgenommen, um Wertguthaben zum Bestandteil eines ganzen Erwerbslebens zu machen. 75 Harder-Buschner, NWB 2009, 2138. 76 Kümmerle/Buttler/Keller, S. 69. 77 FG Kassel, Urt. v. 19.1.2012 – Az. 1 K 250/11 –, FG Düsseldorf, Urt. v. 31.3.2012 – 4 K 2834/11 AO –.

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haben. D.h., dass sowohl die Vereinbarung eines Zeitwertkontenmodells als auch die Gutschrift auf dem Wertguthabenkonto nicht zu einem lohnsteuerpflichtigen Zufluss bei dem Arbeitnehmer führen. Vielmehr wird erst die Inanspruchnahme des Wert­ guthabens in der Phase der Freistellung besteuert. Analog zu den steuerlichen Vorgaben zur Entgeltumwandlung in der betriebli76 chen Altersversorgung78 ist es auch bei Zeitwertkonten möglich, auf die Auszahlung erdienter, aber noch nicht fälliger Vergütungsansprüche zugunsten des Aufbaus von Wertguthaben zu verzichten, ohne dass hierdurch eine Lohnsteuerpflicht entsteht. Dies gilt nicht nur für laufende Entgeltbestandteile, sondern auch für Sonderoder Einmalzahlungen, die einen Zeitraum von mehr als einem Jahr betreffen.79 Beispiel Ein Arbeitnehmer möchte von seinem Monatsgehalt im Mai einen Betrag von 500 € zugunsten eines Wertguthabens umwandeln. Das Gehalt ist am 1.5. fällig. Die Umwandlungsvereinbarung muss bis Ende April abgeschlossen sein, um eine steuerfreie Umwandlung zu ermöglichen. Würde am 1.5. ein Bonus für das vergangene Geschäftsjahr fällig, könnte der Arbeitnehmer darauf ebenfalls bis Ende April ganz oder teilweise mit steuerfreier Wirkung zugunsten des Aufbaus eines Wertguthabens verzichten. 77 Grundsätzlich ist die steuerfreie Umwandlung unbegrenzt gestaltbar. Es ist aller-

dings zu beachten, dass die Steuerfreiheit der Umwandlung dann endet, wenn absehbar ist, dass das vorhandene Wertguthaben nicht mehr für eine Freistellung aufgebraucht werden kann. Beispiel Ein Arbeitnehmer mit einem Jahresgehalt von 40.000 € befindet sich im 64. Lebensjahr. Die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung liegt bei ihm im 67. Lebensjahr. Der Arbeitnehmer hat im Laufe seiner Arbeitstätigkeit ein Wertguthaben (inkl. Wertzuwachs) von 120.000 € aufgebaut. Ausgehend von seinem Jahresgehalt könnte damit eine Freistellung bis zum Altersrentenbeginn finanziert werden. Jede weitere Umwandlung des Arbeitnehmers zur Erhöhung des Wertguthabens unterliegt der Besteuerung.

78 Würde man im vorgenannten Beispiel unterstellen, dass der Arbeitnehmer neben

dem Fixgehalt eine Variable erhält, würde der Durchschnitt der Variablen aus den vergangenen fünf Jahren das maßgebliche Gehalt erhöhen. Beispiel Der Arbeitnehmer aus dem vorstehenden Beispiel erhält neben dem Fixgehalt von 40.000 € eine Variable. In den vergangenen fünf Jahren belief sich diese auf 10.000 €, 6.000 €, 12.000 €, 2.000 € und

78 BMF v. 31.3.2010 – IV C 3 – S 2222/09/10041 – Rn 256. 79 BMF v. 31.3.2010 – IV C 3 – S 2222/09/10041 – Rn 256.

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7.000 €. Im Schnitt ergab sich ein Bonus von 7.400 €, so dass für die im vorstehenden Beispiel dargestellte Prognoseberechnung ein Jahresgehalt von 47.400 € zugrunde gelegt wird. Wäre aufgrund einer kürzeren Beschäftigungsdauer des Arbeitnehmers ein Fünfjahresdurchschnitt nicht kalkulierbar, würde der Durchschnittsbetrag der Variablen auf Basis der tatsächlich zurückgelegten Dienstjahre ermittelt.

Die in den vorstehenden Beispielen dargestellte Prognose des Verbrauchs beste- 79 hender Wertguthaben ist nicht in jedem Fall erforderlich. Vielmehr gestattet das BMF-Schreiben vom 17.6.2009 eine Ausnahme für den Fall, dass die Wertguthabenvereinbarung die Anforderungen an die Angemessenheit gem. § 7 Abs. 1a S. 1 SGB IV erfüllt. Praxistipp Es ist anzuraten, die Bedingungen der Inanspruchnahme des Wertguthabens so zu formulieren, dass die Anforderungen des § 7 Abs. 1a S. 1 SGB IV eingehalten werden.

In den vorstehenden Ausführungen wird unterstellt, dass die Bildung der Wertgut- 80 haben durch die Umwandlung von Entgeltbestandeilen des Arbeitnehmers in Wertguthaben erfolgt. Ebenso ist es denkbar, dass der Arbeitgeber Zuschüsse leistet. Auch hierbei erfolgt eine nachgelagerte Besteuerung, mit der Konsequenz, dass die Bildung des Wertguthabens steuerfrei erfolgen kann. In manchen Zeitwertkontenmodellen werden die Wertguthaben in Investment­ 81 fonds angelegt. Soweit die Arbeitnehmer ein Recht auf Auswahl des Fonds bzw. ein Recht auf Umschichtung erhalten, ist besondere Vorsicht geboten, da dies als steu­ erpflichtige Verfügung ausgelegt werden könnte. Schließlich können auch steuerfreie Gehaltsbestandteile (z.B. steuerfreie 82 Zulagen) in ein Zeitwertkontenmodell eingebracht werden. Die Steuerfreiheit bleibt dann auch bei Inanspruchnahme des Wertguthabens erhalten, wobei ein getrennter Ausweis des steuerfreien Anteils bei der Führung der Wertguthaben vorausgesetzt wird, was aber zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand führt (vgl. Rn 14).

3. Verzinsung des Wertguthabens Soweit Arbeitgeber die umgewandelten Entgeltbestandteile (bzw. die Gegenwerte 83 eingebrachter Überstunden oder sonstiger Zeiten) in Vermögenswerte investieren (z.B. in Investmentfonds oder Versicherungsprodukte), ergeben sich u.U. Zuwächse durch die Verzinsung oder die Kursentwicklung der Anlage. Diese Wertzuwächse unterliegen in der Phase des Aufbaus der Wertguthaben nicht der Besteuerung. Gleiches gilt für Zuwächse aufgrund von Zinszusagen des Arbeitgebers. Bei einer Auszah­ lung während der Freistellungsphase werden die Erträge auf die Vermögensanlage, soweit sie an den Arbeitnehmer weitergeleitet werden, von diesem wie Gehalt, d.h. als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, gem. § 19 EStG versteuert. Sartoris

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4. Insolvenzsicherung

84 Mit der Einführung des FlexiG II wurden die Vorschriften zur Absicherung der Wert-

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guthaben für den Fall der Insolvenz des Arbeitgebers verschärft (vgl. Rn 49 ff.). Das Gesetz schreibt keine Insolvenzsicherungsmaßnahme explizit vor. Es enthält allerdings eine Auflistung solcher Instrumente, die der Gesetzgeber als nicht zulässig erachtet (§ 7e Abs. 3 SGB IV) bzw. eine Erläuterung solcher Lösungen, die grundsätzlich akzeptabel sind (§ 7e Abs. 2 SGB IV). Ungeachtet der Frage, welches der vorstehenden Modelle vorzuziehen ist und in welcher vertraglichen Ausprägung es eingeführt werden soll, stellt sich an dieser Stelle die Frage, inwieweit sich aus der Insolvenzsicherungsmaßnahme heraus eine Besteuerung beim Arbeitnehmer ergeben kann. Eine Besteuerung würde voraussetzen, dass sich durch die Einrichtung des Insolvenzsicherungsinstrumentes ein Zufluss i.S.d. § 11 Abs. 1 S. 1 EStG ergäbe. Dies ist dann der Fall, wenn der Begünstigte eine wirtschaftliche Verfügungsmacht erhält (H 11 EStR). Vorbehaltlich der konkreten inhaltlichen Ausprägung ist das für die vorgenannten Lösungsmöglichkeiten nicht zutreffend bzw. kann bei entsprechender Gestaltung vermieden werden. Die Verpfändung eines Wirtschaftsguts (z.B. eines Versicherungsanspruchs des Arbeitgebers oder eines Wertpapierdepots) hat einen reinen Sicherungscharakter, da das Pfandrecht erst dann greift, wenn der Sicherungsfall (Insolvenz) eintritt. Bis dahin ergibt sich somit in der Regel kein Zufluss. Treuhandmodelle oder CTA werden insbesondere bei größeren Belegschaften zur Besicherung von Pensionsverpflichtungen aber auch von Wertguthaben genutzt. In der Praxis haben sich unterschiedlichste Spielarten entwickelt, wobei die doppelseitige Treuhand sehr häufig zur Anwendung kommt (vgl. Rn 55 ff.). Hierbei erwerben die Arbeitnehmer bei Insolvenz des Arbeitgebers ein eigenständiges Forderungsrecht auf Auszahlung des Treuhandvermögens gegen den Treuhänder. Bis zu diesem Zeitpunkt kann bei entsprechender vertraglicher Gestaltung des CTA davon ausgegangen werden, dass den Arbeitnehmern keine wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Treuhandvermögen zugeordnet wird und somit auch keine Steuerpflicht entsteht. Bei Eintritt der Insolvenz und gleichzeitigem Aufleben des Forderungsrechts ist dagegen sehr wohl von einem Zufluss i.S.d. § 11 Abs. 1 S. 1 EStG auszugehen. Allerdings hat der Gesetzgeber in § 3 Nr. 65 S. 1 lit. c EStG festgelegt, dass der Erwerb des Forderungs­ rechts von der Besteuerung freigestellt wird. In S. 2 der vorgenannten Vorschrift wird zudem ausgeführt, dass die Zahlungen des Treuhänders zu den Leistungen zu zählen sind, die ohne Eintritt einer Insolvenz entstanden wären. Mit anderen Worten führt der Eintritt der Insolvenz noch nicht zu einem lohnsteuerpflichtigen Zufluss. Dieser tritt erst bei der Auszahlung des Treuhandvermögens ein. Im Schreiben vom 17.6.2009 werden die vorstehenden Ausführungen vom BMF für Insolvenzsicherungsmaßnahmen des Arbeitgebers bestätigt.80 Zur Vermeidung

80 BMF v. 17.6.2009 – IV C 5 – S 2332/07/0004 – IV.

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eines steuerlichen Zuflusses darf der Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch gegenüber dem Dritten erwerben. Ebenso wird auf § 3 Nr. 65 EStG im Falle der Insolvenz des Arbeitnehmers und dem Aufleben von Ansprüchen gegenüber Dritten hingewiesen.

5. Besteuerung bei Freistellung (Planmäßige Inanspruchnahme) Der besondere Vorteil der Bildung von Wertguthaben aus steuerlicher Sicht ist die 89 bereits erwähnte, nachgelagerte Besteuerung. Dies bedeutet, dass die Bildung der Wertguthaben lohnsteuerfrei vollzogen werden kann, während die Inanspruch­ nahme – bei Freistellung – die Steuerpflicht der ausgezahlten Beträge auslöst. Die Auszahlungen in der Freistellungsphase stellen Gehaltsbestandteile dar und 90 werden gem. §  19 EStG als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit besteuert. Da es sich explizit nicht um Versorgungsbezüge handelt, findet der Versorgungsfreibetrag des §  19 Abs. 2 EStG keine Anwendung. Dagegen kann der Arbeitnehmer­ pauschbetrag gem. § 9a S. 1 Nr. 1a EStG zum Abzug gebracht werden.

6. Planwidrige Verwendung des Wertguthabens a) Störfall Die sozialversicherungsrechtliche und steuerliche Förderung des Aufbaus von Wert- 91 guthaben im Rahmen von Zeitwertkonten basiert auf der Annahme einer planmäßigen Verwendung der Guthaben zum Zwecke der Freistellung bei bestehendem Arbeitsverhältnis. Gleichwohl können Situationen eintreten, in denen das Wertguthaben ohne Freistellung in Anspruch genommen wird. In einem solchen Fall spricht man von einer planwidrigen Verwendung, die als Störfall zu behandeln ist (vgl. Rn 28 ff.). Abgesehen von der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung des Vorgangs ergibt sich eine Besteuerung des gesamten Auszahlungsbetrags als sonstiger Bezug. Da es sich bei dem zu versteuernden Betrag in der Regel um Arbeitslohn für eine mehrjährige Tätigkeit handelt, ist von der Anwendung des Progressionsvorbehalts gem. § 34 EStG (sog. Fünftelregelung) auszugehen. Im Todesfall wird das Wertguthaben an die Person ausgezahlt, die der Arbeitneh- 92 mer als Begünstigter benannt hat. Auch hier wird der Betrag gem. § 19 EStG besteuert, wobei zusätzlich Erbschaftsteuer anfallen kann.

b) Auszahlung bei laufendem Arbeitsverhältnis ohne Freistellung Sofern Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, das Wertguthaben ganz oder 93 teilweise bei laufendem Arbeitsverhältnis ohne Freistellung auszuzahlen, erfolgt die Besteuerung des gesamten Wertguthabens im Zeitpunkt der planwidrigen Auszahlung.

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 Kapitel 23 Lebensarbeitszeitkonten

Beispiel Ein Arbeitnehmer hat ein Wertguthaben von 30.000 € aufgebaut. Er vereinbart mit seinem Arbeitgeber die Teilauszahlung von 15.000 €, da er diesen Betrag zum Kauf eines PKW nutzen möchte. Eine Freistellung erfolgt somit nicht. Es handelt sich um eine planwidrige Nutzung des Wertguthabens mit der Folge, dass nicht nur der Auszahlungsbetrag von 15.000 €, sondern das gesamte Wertguthaben in Höhe von 30.000 € zu versteuern ist. 94 Die planwidrige Auszahlung von Teilen des Wertguthabens infiziert somit steuerlich

das noch verbleibende Guthaben. Das BMF hat in seinem Schreiben vom 17.6.2009 allerdings hierzu eine Ausnahme formuliert.81 Erfolgt die Auszahlung aufgrund einer existenzbedrohenden Notlage des Arbeitnehmers, wird von der steuerlichen Belastung des noch nicht in Anspruch genommenen Wertguthabens abgesehen. Unklar bleibt jedoch, was die Finanzverwaltung unter einer existenzbedrohenden Notlage genau versteht. Dies ist im Einzelfall, ggf. über eine verbindliche Anrufungsaus­ kunft, zu klären.

c) Übertragung auf den Folgearbeitgeber

95 Scheidet ein Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis aus, ohne dass das Wertgutha-

ben aufgebraucht ist, kommt es grundsätzlich zum Störfall, mit der oben dargestellten steuerlichen Konsequenz. Mit der Einführung des FlexiG II hat der Gesetzgeber in § 7f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB IV die Möglichkeit der Übertragung von Wertguthaben auf den Folgearbeitgeber gesetzlich geregelt. Sofern sich der Folgearbeitgeber bereit erklärt, das Wertguthaben zu übernehmen und zudem eine Wertguthabenvereinbarung gem. § 7b SGB IV mit dem neuen Arbeitnehmer vereinbart, wird sowohl sozial­ versicherungsrechtlich als auch steuerlich von der Störfallabrechnung abgese­ hen. D.h., der Übertragungsvorgang ist aus Sicht des Arbeitnehmers lohnsteuerfrei, da das Wertguthaben von der Sphäre des alten zur Sphäre des neuen Arbeitgebers wechselt, ohne dass der Arbeitnehmer eine wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt. Die Leistungen des neuen Arbeitgebers in der Freistellungsphase aufgrund der Wertguthabenvereinbarung werden als Arbeitslohn (§ 19 EStG) versteuert.

d) Übertragung auf die Deutsche Rentenversicherung Bund

96 Die vorstehend beschriebene Übertragung des Wertguthabens auf den Folgearbeit-

geber setzt voraus, dass dieser willens ist, eine Schuldübernahme zu erklären bzw. eine Wertguthabenvereinbarung mit dem neuen Arbeitnehmer zu vereinbaren. Dies könnte z.B. problematisch sein, wenn der neue Arbeitgeber kein Zeitwertkontenmodell anbieten möchte. Für diesen Fall hat der Gesetzgeber in § 7f Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB IV

81 BMF v. 17.6.2009 – IV C 5 – S 2332/07/0004 – C I.

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B. Steuerrecht 

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die Möglichkeit eingeräumt, das Wertguthaben auf die DRVB zu übertragen. Diese Übertragung wird gem. § 3 Nr. 53 S. 1 EStG von der Besteuerung befreit. Die Leistungen, die bei einer späteren Freistellung des Arbeitnehmers von der DRVB ausgezahlt werden, unterliegen dann i.S.d. § 3 Nr. 53 S. 2 EStG der Besteuerung als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gem. § 19 EStG.

e) Einbringung des Wertguthabes in eine betriebliche Altersversorgung Bis zur Einführung von FlexiG II war es sowohl sozialversicherungs- als auch steuerrechtlich unproblematisch, im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund des Erreichens der Altersgrenze, bei verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. bei Tod Wertguthaben in eine betriebliche Altersversorgung einzubringen. Diese Möglichkeit wurde aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht mit der Anpassung des § 23b Abs. 3a SGB IV für Wertguthabenvereinbarungen nach dem 14.11.2008 beendet (vgl. Rn 40 ff.). Die Einbringung in eine betriebliche Altersversorgung löst insoweit eine Verbeitragung i.S.d. Störfallregelung aus.82 Aus steuerlicher Sicht besteht auch für Wertguthabenvereinbarungen, die nach dem 14.11.2008 getroffen werden, weiterhin eine Einbringungsmöglichkeit in eine betriebliche Altersversorgung. Das BMF-Schreiben vom 17.6.2009 nimmt hierauf explizit Bezug.83 Demnach wird eine Vereinbarung zur teilweisen oder völligen Reduzierung eines Wertguthabens zugunsten der Einbringung in eine betriebliche Altersversorgung als Entgeltumwandlung eingestuft. D.h., die steuerliche Beurteilung des Sachverhalts orientiert sich an den einschlägigen steuerlichen Vorschriften zu den verschiedenen Durchführungswegen. Das setzt aber voraus, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Vereinbarung zur Reduzierung des Wertguthabens vor Fälligkeit des Wertguthabens treffen. Als Fälligkeit definiert das BMF die „planmäßige Auszahlung während der Freistellung“. Bei einer steuerlichen Einstufung des Vorgangs als Entgeltumwandlung richtet sich die Beurteilung nach den steuerlichen Vorgaben zur betrieblichen Altersversorgung.84 Bei der Nutzung versicherungsförmiger Durchführungswege85 gelten die Beiträge grundsätzlich als steuerlich zugeflossen. Allerdings werden sie im Rahmen des §  3 Nr. 63 EStG bis zu 4  % der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung von der Besteuerung befreit. Dabei ist bundesweit die Bei­ tragsbemessungsgrenze West anzuwenden. Diese liegt in 2012 bei 67.200 € im Jahr, so dass eine Entgeltumwandlung über die versicherungsförmigen Durchführungs-

82 Ars/Blümke/Scheithauer, BB 2009, 2252, 2262. 83 BMF v. 17.6.2009 – IV C 5 – S 2332/07/0004 – III. 84 BMF v. 31.3.2010 – IV C 3 – S 2222/09/100041 – Rn 253. 85 Direktversicherung, Pensionskasse, Pensionsfonds.

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 Kapitel 23 Lebensarbeitszeitkonten

wege in Höhe von 2.688 € jährlich steuerfrei ist. Ein evtl. darüber hinausgehender Beitragsteil kann bis maximal 1.800 € im Jahr steuerfrei dotiert werden, wenn der betroffene Arbeitnehmer nicht von der Pauschalierung der Lohnsteuer auf Prämien für eine Direktversicherung i.S.d. § 40b EStG a.F. Gebrauch macht.86 Somit kann eine Entgeltumwandlung in einen der versicherungsförmigen Durchführungswege bis zu einem Gesamtbetrag von 4.488 € jährlich (Stand: 2012) steuerfrei gestaltet werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass ein evtl. Arbeitgeberbeitrag zu einem der drei versicherungsförmigen Durchführungswege die steuerfreie Dotierung i.S.d. § 3 Nr. 63 EStG verdrängt.87 Soweit die Beiträge steuerfrei dotiert wurden, erfolgt die Besteuerung der 101 Leistungen nachgelagert. D.h., die Versorgungsleistungen unterliegen der vollen Besteuerung als sonstige Einkünfte gem. § 22 Nr. 5 S. 1 EStG. Leistungen aufgrund bereits versteuerter Beiträge werden ebenfalls als sonstige Einkünfte, aber gem. § 22 Nr. 1 S. 3 lit. bb) EStG mit dem Ertragsanteil besteuert. Wird das Wertguthaben in eine Unterstützungskasse eingebracht oder erteilt der 102 Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine unmittelbare Pensionszusage, ist die Entgeltumwandlung in voller Höhe steuerfrei.88 Im Sinne einer nachgelagerten Besteuerung unterliegen die Versorgungsleistungen der Besteuerung gem. § 19 Abs. 1 EStG. Praxistipp Vor der Entscheidung über die Nutzung von Wertguthaben zum Aufbau von Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung sollte geprüft werden, ob der Arbeitnehmer mit einer evtl. bereits laufenden Entgeltumwandlung die Grenzen der steuerfreien Dotierung gem. § 3 Nr. 63 EStG bereits ausgeschöpft hat.

IV. Arbeitgeberperspektive 1. Bilanzielle Erfassung des Erfüllungsrückstands 103 Im Rahmen des Zeitwertkontenmodells geht der Arbeitgeber die Verpflichtung ein, dem Arbeitnehmer das gebildete Wertguthaben bei Inanspruchnahme einer Freistellung oder im Störfall auszuzahlen. Das Wertguthaben ergibt sich aus einer aufge­ schobenen Vergütung (bei Umwandlung von Entgelt) bzw. aus nicht in Anspruch genommenen Zeitbestandteilen (z.B. Überstunden, Urlaub). Insofern liegt ein Erfüllungsrückstand vor, für den der Arbeitgeber handels- und steuerrechtlich eine Rückstellung bilden muss. Die weiteren Ausführungen sind auf die steuerliche Bilan-

86 BMF v. 31.3.2010 – IV C 3 – S 2222/09/100041 – Rn 268. 87 BMF v. 31.3.2010 – IV C 3 – S 2222/09/100041 – Rn 271. 88 Eine Begrenzung kann sich lediglich dann ergeben, wenn bei dem Arbeitnehmer eine Überversorgung festgestellt wird. Vereinfacht ausgedrückt ist das der Fall, wenn die Versorgungsleistungen inklusive der Sozialversicherungsrente 75 % der Bezüge vor Renteneintritt übersteigen.

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B. Steuerrecht 

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zierung beim Arbeitgeber beschränkt und berücksichtigen die Ausführungen des BMF in seinem Schreiben vom 11.11.1999.89 Da es sich bei Zeitwertkonten um keine Form der betrieblichen Altersversorgung handelt, orientiert sich die Bewertung der Rückstellung nicht an § 6a EStG, sondern an § 6 Abs. 1 EStG. Bei der Bewertung der Rückstellung ist auf die Inhalte der Vereinbarung abzu- 104 stellen. Dabei kann unterschieden werden zwischen Vereinbarungen mit und ohne Zusage einer Wertentwicklung durch den Arbeitgeber. Die Finanzverwaltung spricht in diesem Zusammenhang von einer gesonderten Gegenleistung. Diese liegt gem. BMF-Schreiben vom 11.11.1999 dann vor, wenn der Arbeitgeber eine feste Verzinsung der Wertguthaben zusagt oder sich diese an der jährlichen Gehaltsentwicklung orientiert. Ebenso liegt eine gesonderte Gegenleistung vor, wenn die Wertentwick­ lung einer Kapitalanlage (z.B. einer Fondsanlage) die Höhe des Wertguthabens bestimmt (sog. Partizipationsmodell). Unklar ist, ob bereits die Garantie der eingezahlten Beiträge steuerlich als eine gesonderte Gegenleistung einzustufen ist. Das BMF spricht in seinem erwähnten Schreiben von einer Verzinsung als Gegenleistung für die zeitverzögerte Auszahlung des Wertguthabens.90 Dementsprechend kann davon ausgegangen werden, dass eine Verzinsung von 0 % nicht als gesonderte Gegenleistung i.S.d. BMF-Schreibens zu interpretieren ist.91 Fehlt es an einer gesonderten Gegenleistung, so ist der Rückstellungsbetrag 105 mit einem Zinssatz von 5,5 % gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3a lit. e EStG abzuzinsen. Der Abzinsungszeitraum orientiert sich am letztmöglichen Zeitpunkt für den Eintritt der Fälligkeit und ist pauschal um drei Jahre zu reduzieren.92 Beispiel Ein Arbeitnehmer im Alter von 40 Jahren hat im laufenden Wirtschaftsjahr ein Wertguthaben in Höhe von 5.000 € gebildet. Der Arbeitgeber gewährt über die Garantie des eingebrachten Betrags hinaus keine weitere Verzinsung. Der späteste Zeitpunkt für den Eintritt der Fälligkeit dieses Betrages ist der Beginn der Altersrente (hier: Vollendung des 67. Lebensjahres). Der Zeitraum bis zum Altersrentenbeginn beträgt somit 27 Jahre. Er wird pauschal um drei Jahre verkürzt, so dass der Abzinsungszeitraum 24 Jahre beträgt. Die Rückstellung beläuft sich auf: 5.000 € × 1,055–24 = 1.383,28 €

Bei Zusage einer gesonderten Gegenleistung durch den Arbeitgeber wird von der 106 Abzinsung der Rückstellung abgesehen. In diesem Fall orientiert sich die Rückstel­ lung an dem Stand des Wertguthabens zum jeweiligen Bilanzstichtag. Separat davon wird eine Rückstellung für die Gegenleistung gebucht. Sofern sich diese an der Wertentwicklung einer Vermögensanlage (z.B. von Investmentfonds) ausrichtet,

89 BMF v. 11.11.1999 – IV C 2 – S 2176 – 102/99 –. 90 BMF v. 11.11.1999 – IV C 2 – S 2176 – 102/99 – Rn 5. 91 Kümmerle/Buttler/Keller, S. 75 92 BMF v. 11.11.1999, Rn 10.

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 Kapitel 23 Lebensarbeitszeitkonten

schlägt sich die jeweils erreichte Wertentwicklung auf den Stand der Rückstellung nieder. Bei der Rückstellungsbildung sind zudem die Arbeitgeberbeiträge zur Sozial­ 107 versicherung zu berücksichtigen.93 Schließlich ist die Rückstellung dann versicherungsmathematisch zu bewer108 ten, wenn die Wertguthabenvereinbarung biometrische Elemente enthält. Das könnte z.B. der Fall sein, wenn die Leistung u.a. vom Eintritt eines bestimmten Alters abhängig ist. Biometrische Elemente in Wertguthabenvereinbarungen sind in der Praxis aber eher untypisch.

2. Bilanzielle Erfassung bei tatsächlicher Anlage der Wertguthaben

109 Aufgrund der Forderung des Gesetzgebers Wertguthaben gegen Insolvenz des Arbeit-

gebers abzusichern, nutzen viele Unternehmen Investmentfonds oder Versicherungslösungen im Rahmen von Verpfändungs- oder Treuhandmodellen. Dabei handelt es sich jeweils um Vermögenswerte, die dem Betriebsvermögen des Arbeitgebers wirtschaftlich zugeordnet und mithin bei ihm bilanziert werden. Die Bewertung orientiert sich am Anschaffungskostenprinzip. D.h., eine Akti110 vierung der Fonds bzw. Versicherungsansprüche erfolgt zu Anschaffungskosten. Bei Versicherungslösungen ist dies üblicherweise das geschäftsplanmäßige Deckungs­ kapital. Die Bewertung zu Anschaffungskosten hat bei Investmentfondsanteilen die 111 Besonderheit, dass mit evtl. Wertsteigerungen der Fondsanteile stille Reserven gebildet werden, die erst bei Verkauf steuerlich realisiert werden. Das gilt auch, sofern die Fondsanteile von einem Treuhänder im Rahmen eines CTA gehalten werden, da nicht die rechtliche, sondern die wirtschaftliche Zuordnung entscheidend für die Bilanzierung ist. D.h., auch bei der Übertragung von Fondsanteilen zur Besicherung der Wertguthaben an einen Treuhänder bleibt es bei der Aktivierung beim Arbeitgeber. Dies setzt aber voraus, dass bestimmte Anforderungskriterien erfüllt werden, die das BMF in einem Schreiben vom 23.5.2008 aufgestellt hat.94 Werden die Kriterien nicht erfüllt, sind die Fondsanteile beim Treuhänder zu bilanzieren, was die Hebung evtl. vorliegender stiller Reserven nach sich zieht.

3. Steuerliche Besonderheiten bei Einbringung der Wertguthaben in eine betriebliche Altersversorgung 112 Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Wertguthaben in Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung umzuwandeln, ist die Rückstellung

93 Wellisch/Machill, BB 2009, 1351, 1355. 94 BMF v. 23.5.2008 – IV B2 – S 2175/07/0003 –.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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aufgrund des Erfüllungsrückstands aus dem Zeitwertkontenmodell entsprechend und gewinnerhöhend aufzulösen. Dagegen stehen Betriebsausgaben aus der Dotierung eines externen Versor- 113 gungsträgers der betrieblichen Altersversorgung (Direktversicherung, Pensionskasse, Unterstützungskasse, Pensionsfonds) oder aus der Bildung einer Pensionsrückstellung gem. § 6a EStG bei der Erteilung einer unmittelbaren Pensionszusage. Die Höhe der jeweiligen Betriebsausgabe hängt von der Ausprägung der Versorgungszusage aber auch von steuerlichen Vorgaben des EStG ab. So werden Pensionsrückstellungen gem. § 6a EStG mit 6 % abgezinst. Zudem wird die Dotierung mittels Einmalbeitrag nicht in jedem Durchführungsweg steuerlich akzeptiert. Wählt der Arbeitgeber die rückgedeckte Unterstützungskasse, können Zuwendungen an die Kasse, soweit sie für Anwärter gewährt werden, gem. § 4d Abs. 1 S. 1 Nr. 1c EStG nur als Betriebsausgabe angesetzt werden, wenn die Verpflichtung bis zum Altersrentenbeginn laufend gleichbleibend oder steigend dotiert wird. Bei der Übertragung von Wertguthaben in eine betriebliche Altersversorgung ist dagegen regelmäßig von Einmalbeitragszahlungen auszugehen, so dass die Unterstützungskasse in der Regel nicht als Ziel einer Übertragung in Betracht kommen dürfte. Praxistipp Im Hinblick auf die steuerliche Auswirkung einer Umstellung von Wertguthaben auf die betriebliche Altersversorgung ist eine vorherige Überprüfung der ertragsteuerlichen Auswirkungen beim Arbeitgeber anzuraten.

Zusammenfassende Übersicht Aufnehmender Durchführungsweg Direktversicherung Pensionskasse Pensionsfonds Unterstützungskasse Direktzusagen

Einmaldotierung = Betriebsausgabe? Ja Ja Ja Nur sukzessive Einzahlung möglich Nein

Lohnsteuerfreie Dotierung? Nur eingeschränkt Nur eingeschränkt Nur eingeschränkt Ja Ja

C. Sozialversicherungsrecht Die sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen von Lebensarbeitszeitkonten sind 114 wegen der engen Verknüpfung und der Untrennbarkeit der Rechtsgebiete bereits unter A – Arbeitsrecht ausführlich erläutert.

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Kapitel 24 Minijobber A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis Die verschärfte Arbeitsmarktlage der letzten Jahre und die zunehmend anzutreffende 1 Situation, dass Menschen mit ihrer hauptberuflichen Tätigkeit teilweise nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, hat zu einer Zunahme im Bereich des sog. „Minijob-Segments“ geführt. Wie groß die Bedeutung des Minijob-Segments mittlerweile für den Arbeits­ 2 markt ist, belegt die Beschäftigungsstatistik „Sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigte nach ausgewählten Merkmalen“ der BA zum Stichtag 30.6.2010. Nach dieser Statistik stellt sich die Anzahl der Beschäftigten im Bereich des Minijob-Segments folgendermaßen dar: Geringfügig entlohnte Beschäftigte Kurzfristig Beschäftigte Insgesamt1

Westdeutschland 6.349.219 331.495 6.680.714

Ostdeutschland 925.179 78.071 1.003.250

Vor dem Hintergrund dieser hohen Anzahl von Beschäftigten im Bereich des Mini- 3 job-Segments zeigt sich, wie wichtig diese Beschäftigungsform für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen ist. So finden insbesondere wettbewerbsschwä­ chere Personen über den Weg des Minijobs oftmals überhaupt ihren Einstieg in den Arbeitsmarkt. Auf der anderen Seite bedeutet die stetige Zunahme der Anzahl der Minijobber für den Arbeitgeber, dass dieser auf eine relativ neue Beschäftigungsform zugreifen kann, die für ihn bestimmte Vorteile mit sich bringt. Vorteile für den Arbeitgeber –– Aktivierung von zusätzlichen Beschäftigten –– Zusätzliche Flexibilisierung bei Personalengpässen –– Geringhaltung von Arbeitskosten

II. Begriffsdefinition und Abgrenzung Spricht man in der Praxis von einem „Minijob“, so ist festzustellen, dass der Begriff 4 des Minijobs grundsätzlich vom Sozialversicherungsrecht her geprägt und definiert ist. Auf dem Gebiet des Arbeitsrechts gibt es hingegen keine allgemeingültige Begriffsdefinition des „Minijobs“. Greift man auf die Begriffsdefinition des Sozialversicherungsrechts zurück, ist zu 5 beachten, dass das Sozialversicherungsrecht bei der Definition des „Minijobs“ dif-

1 Beschäftigungsstatistik der BA, Stichtag: 30.6.2010 (www.arbeitsagentur.de).

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 Kapitel 24 Minijobber

ferenziert. Der allgemeine Begriff des „Minijobs“ umfasst einerseits die geringfügig entlohnte Beschäftigung und andererseits die kurzfristige Beschäftigung, § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV. Praxishinweis Die Koalitionsparteien haben im Koalitionsvertrag eine Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze von 400 € auf 450 € im Rahmen der geringfügigen Beschäftigung vereinbart. Durch diese Anhebung der Geringfügigkeitsgrenze wird für den Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, den Minijobbern mehr Arbeit zuweisen zu können, ohne die Geringfügigkeitsgrenze zu überschreiten. Dies schafft mehr Handlungsspielraum und somit ein Mehr an Flexibilität für den Arbeitgeber.

III. Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Grundsätze 6 Stellt sich für den Arbeitgeber die Frage der Beschäftigung von „Minijobbern“, so ist zu beachten, dass das Arbeitsrecht nicht zwischen geringfügiger und nicht geringfügiger Beschäftigung unterscheidet. Vielmehr handelt es sich bei einem Minijob, sowohl in Form der geringfügig entlohnten Beschäftigung als auch in Form der kurzfristigen Beschäftigung, um ein vollwertiges Arbeitsverhältnis mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten.2 Dies wird bereits durch die Vorschrift des §  2 Abs. 2 i.V.m. §  4 TzBfG sichergestellt, wonach teilzeitbeschäftigt auch ein Arbeitnehmer ist, der einer geringfügigen Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV nachgeht und demnach wie ein Vollzeit beschäftigter Arbeitnehmer zu behandeln ist. Praxishinweis Die Ausschlussregelung des §  1 Abs. 2 lit. m) TVöD, die geringfügig Beschäftigte aus dem Anwendungsbereich des Tarifvertrages ausnimmt, verstößt gegen das Diskriminierungsverbot des § 4 TzBfG und ist unwirksam.

IV. Minijob-Vertrag

7 Führt sich der Arbeitgeber von Beginn an vor Augen, dass es sich bei einem „Minijob-

ber“ um einen „normalen“ Arbeitnehmer handelt, der in arbeitsrechtlicher Hinsicht wie jeder andere Arbeitnehmer zu behandeln ist, so gelten bezüglich der Ausgestaltung eines Minijobvertrages grundsätzlich keine Besonderheiten. Dennoch empfiehlt es sich, einige wesentliche Eckpunkte in einem Vertrag zu regeln, was u.a. den Vorteil mit sich bringt, dass sich die Parteien von Anfang an über ihre Rechte und Pflichten bewusst sind.

2 BAG, Urt. v. 13.3.1987 – 7 AZR 724/85 –.

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A. Arbeitsrecht 

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1. Vertragsniederschrift/Nachweisgesetz Soll ein Arbeitsvertrag zwischen dem Arbeitgeber und einem Minijobber geschlos- 8 sen werden, so kann ein solcher Vertrag – wie jeder Arbeitsvertrag – grundsätzlich mündlich geschlossen werden. Im Rahmen der Beschäftigung eines Minijobbers ist jedoch zu beachten, dass eine Vertragsniederschrift i.S.d. Nachweisgesetzes gem. §  2 NachwG regelmäßig aufgrund der wesentlichen Nebenpflicht des Arbeitge­ bers, auf § 5 Abs. 2 S. 2 SGB VI hinzuweisen, erforderlich ist. Nach dieser Vorschrift ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass dieser seine Rentenbeiträge aufstocken kann, um vollwertige Pflichtbeitragszeiten zu erwerben.

2. Befristung Auch im Fall der Anstellung von Minijobbern stellt sich für den Arbeitgeber regelmä- 9 ßig die Frage der Befristung des Arbeitsverhältnisses, wobei die Befristung vorrangig im Bereich der kurzfristigen Beschäftigung von Relevanz ist, da sich die Erforderlichkeit einer Befristung bereits aus dem Wesen der kurzfristigen Beschäftigung ergibt. Eine etwaige Befristung unterliegt jedoch keinen Besonderheiten. Es finden die all­ gemeinen Vorschriften des TzBfG Anwendung.3 Praxishinweis Im Falle der kurzfristigen Beschäftigung, die regelmäßig befristet ist, ist zwingend die Schriftform des § 14 Abs. 4 TzBfG einzuhalten. Die Missachtung dieser Formvorschrift hat zur Folge, dass das Arbeitsverhältnis als unbefristet abgeschlossen gilt.4

3. Vergütung/Betriebliche Sonderzahlung Geht es für den Arbeitgeber um die Ausgestaltung der Vergütung, so hat er hierbei die 10 Vorschriften der §§ 2 Abs. 2 und 4 Abs. 1 TzBfG zu beachten, wonach bestimmt ist, dass geringfügig Beschäftigte Teilzeitbeschäftigte sind, die weder im Rahmen der normalen Vergütung noch bei anderen geldwerten Leistungen schlechter behandelt werden dürfen als Vollzeitarbeitnehmer, wobei der Anspruch auf Arbeitsentgelt und andere geldwerte Leistungen in der Höhe besteht, der dem Anteil der Arbeitszeit im Vergleich zur Arbeitszeit eines Vollzeitarbeitnehmers entspricht.5 Zudem stehen geringfügig Beschäftigten alle Sonderzahlungen zu, wie z.B. Weihnachts- sowie Urlaubsgeld, die ein Arbeitgeber seinen übrigen Beschäftigten aufgrund tariflicher oder betriebsübli-

3 Hinsichtlich der Einzelheiten der Gestaltungsmöglichkeiten eines befristeten Arbeitsverhältnisses wird auf Kap. 7 – Befristung verwiesen. 4 ErfK/Rolfs, § 8a SGB IV, Rn 15. 5 Küttner/Griese, 2010, Geringfügige Beschäftigung Rn 11.

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 Kapitel 24 Minijobber

cher Regelung erbringt, § 4 TzBfG.6 Der Anspruch auf Weihnachts- und Urlaubsgeld besteht dabei ebenfalls anteilig nach der Arbeitszeit. Praxishinweis Ohne Vorliegen eines sachlich rechtfertigenden Grundes dürfen Arbeitnehmer, wozu auch Minijobber zählen, im Vergleich zu den übrigen Arbeitnehmern nicht schlechter behandelt werden (Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz).

4. Urlaub

11 Arbeitnehmer im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung i.S.d. § 2 Abs. 2 TzBfG

haben ebenso Urlaubsansprüche wie Vollzeitarbeitskräfte.7 Nach §  3 Abs. 1 BUrlG steht einem Minijobber wie jedem anderen Arbeitnehmer der gesetzliche Mindest­ urlaubsanspruch zu.8 Dieser beträgt 24 Werktage und ergibt einen Mindesturlaub von vier Wochen. Das Gesetz geht dabei von einer Sechs-Tage-Woche aus. Gilt für den konkret betroffenen Arbeitnehmer eine andere Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit, so ist der Urlaubsanspruch entsprechend umzurechnen. Insoweit sind die entsprechenden Arbeitstage, die ein Arbeitnehmer im Vollzeitarbeitsverhältnis als Urlaub beanspruchen kann, und die Arbeitstage, an denen der Arbeitnehmer seine Tätigkeit verrichtet, rechnerisch so in Beziehung zueinander zu setzen, dass bei Verteilung der Arbeitszeit auf weniger als fünf Arbeitstage die Gesamtdauer des Urlaubs durch die Zahl fünf geteilt und mit der Zahl der für den Arbeitnehmer maßgeblichen Zahl von Arbeitstagen einer Woche multipliziert wird.9

Beispiel 20 Tage (Gesamturlaubsanspruch) · 4 Arbeitstage = 16 Urlaubstage 5 Tage (Fünf-Tage-Woche) Ausgehend von einer Fünf-Tage-Woche und einem gesetzlichen Urlaubsanspruch von 20 Tagen entspricht dies bei einer 4-, 3-, 2- oder 1-Tage-Woche einem Urlaubsanspruch von 16, 12, 8 bzw. 4 Urlaubstagen. Der Urlaubsanspruch wird erstmals fällig nach sechsmonatigem, ununterbrochenem Bestehen des Arbeitsverhältnisses. Darüber hinausgehende Urlaubsansprüche können sich aus einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung, betrieblicher Übung, dem Gleichbehandlungsgrundsatz oder dem Arbeitsvertrag ergeben,10 so dass regelmäßig die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind.

6 BeckOK-SGB/Rittweger, § 8 SGB IV, Rn 51.4, 51.12. 7 BAG, Urt. v. 14.2.1991 – 8 AZR 97/90 –. 8 Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Merkblatt Fragen und Antworten – Minijobs, 6.9.2006. 9 BAG, Urt. v. 14.2.1991 – 8 AZR 97/90 –. 10 Küttner/Griese, 2010, Geringfügige Beschäftigung Rn 8.

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A. Arbeitsrecht 

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5. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall Grundsätzlich haben alle Arbeitnehmer unabhängig von der vereinbarten Arbeitszeit 12 als auch unabhängig von der Höhe der ihnen gezahlten Vergütung im Krankheitsfall gemäß dem Entgeltfortzahlungsgesetz einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe von 100 % des ausgefallenen Arbeitsentgelts für bis zu sechs Wochen.11 Der Anspruch entsteht mit Eintritt der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs ist jedoch, dass das Arbeitsverhältnis bereits vier Wochen ununterbrochen besteht. Während dieser ersten Zeit des Arbeitsverhältnisses und nach Ablauf der Sechs-Wochen-Frist haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer lediglich einen Anspruch auf Krankengeld gegen die Krankenkasse.12 Praxishinweis Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht erst nach vierwöchigem, ununterbrochenem Bestehen des Arbeitsverhältnisses.

6. Wettbewerbsverbot Da Arbeitnehmer im Bereich der geringfügigen Beschäftigung oftmals mehreren 13 Tätigkeiten gleichzeitig nachgehen, um ihren Lebensunterhalt sichern zu können, stellt sich für den Arbeitgeber oft die Frage, wie in derartigen Fällen die Handhabung eines Wettbewerbsverbotes zu erfolgen hat. Grundsätzlich ist dem Arbeitnehmer während des rechtlichen Bestehens eines 14 Arbeitsverhältnisses jede Konkurrenztätigkeit zum Nachteil seines Arbeitgebers untersagt, auch wenn keine entsprechenden individual- oder kollektivvertraglichen Regelungen bestehen.13 Diese Verhaltenspflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Vertragspartners ist ausdrücklich in § 241 Abs. 3 BGB gesetzlich geregelt. Diese Maßstäbe gelten grundsätzlich auch für die Ausübung von Nebentätigkeiten, wonach es lediglich auf die Konkurrenztätigkeit an sich ankommen soll. Eine Ausnahme sieht das BAG allerdings in dem Fall als gegeben an, in dem die Nebentätigkeit lediglich einfache Tätigkeiten umfasst, die allenfalls zu einer untergeordneten wirtschaftlichen Unterstützung des Konkurrenzunternehmens führen können, und im Übrigen schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers nicht berühren.14 Dies gelte insbesondere, wenn der Arbeitnehmer lediglich eine Teilzeittätigkeit ausübe und deshalb zur Sicherung seines Lebensunterhalts auf die Ausübung

11 Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Merkblatt Fragen und Antworten – Minijobs, 6.9.2006. 12 Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Merkblatt Fragen und Antworten – Minijobs, 6.9.2006. 13 BAG, Urt. v. 24.3.2010 – 10 AZR 66/09 –. 14 BAG, Urt. v. 24.3.2010 – 10 AZR 66/09 –.

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 Kapitel 24 Minijobber

einer weiteren Erwerbstätigkeit angewiesen ist, was gerade im Bereich der einfacheren Tätigkeiten in zunehmendem Maße der Fall ist.15 Praxishinweis Beschäftigt der Arbeitgeber einen Minijobber in einem Teilzeitverhältnis und übt dieser Minijobber weitere Nebentätigkeiten (einfach gelagerte Tätigkeiten) aus, um seinen Lebensunterhalt zu sichern, so schränkt die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbotes den Minijobber unverhältnismäßig ein.

7. Beendigung/Kündigungsschutz

15 Soll das Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem Minijobber beendet

werden, so gelten hinsichtlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine arbeitsrechtlichen Besonderheiten.

Praxistipp Auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit einem geringfügig Beschäftigten bedarf zur ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Diese Formvorschrift ist zwingend zu beachten. 16 Wurde eine geringfügige Beschäftigung auf unbestimmte Zeit, d.h. unbefristet

geschlossen, gelten die gesetzlichen Mindestkündigungsfristen.16 Laut § 622 Abs. 1 BGB gilt zunächst eine Kündigungsfrist von vier Wochen zum 15. oder zum Monatsende. Hat das Arbeitsverhältnis länger als zwei Jahre bestanden, kann nur noch zum Monatsende gekündigt werden mit einer Frist von einem Monat, die sich nach 5, 8, 10, 12 sowie 20 Jahren weiter verlängert, § 622 Abs. 2 BGB. Da auch geringfügig Beschäftigte Arbeitnehmer sind, findet zudem das Kün­ 17 digungsschutzgesetz bei Vorliegen der Voraussetzungen des §  23 Abs. 1 KSchG Anwendung. Infolge der Gleichstellung von geringfügig Beschäftigten mit Teilzeitbeschäftigten ist bei der Ermittlung des jeweiligen Schwellenwertes der erforderlichen Arbeitnehmerzahl insbesondere der Berechnungsmodus des § 23 Abs 1 S. 4 KSchG zu berücksichtigen. Hiernach werden geringfügig Beschäftigte bei der Ermittlung der maßgeblichen Schwellenwerte des Kündigungsschutzgesetzes bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75 berücksichtigt. Praxistipp –– Beachtung von Mindestkündigungsfristen –– Bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl bzw. der Schwellenwerte im Zusammenhang mit der Überprüfung der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes sind geringfügig Beschäftigte lediglich mit 0,5 einzuberechnen

15 BAG, Urt. v. 24.3.2010 – 10 AZR 66/09 –. 16 BeckOK-SGB/Rittweger, § 8 SGB IV, Rn 51.6.

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A. Arbeitsrecht 

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Findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, bedeutet dies, dass für eine Kün- 18 digung in gleicher Weise wie bei einer Vollzeitbeschäftigung ein Kündigungsgrund i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG gegeben sein muss. Eine Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt und wirksam, wenn ein anerkannter verhaltensbedingter, personenbedingter oder betriebsbedingter Kündigungsgrund vorliegt. Schließlich ist vor einer Kündigung eines geringfügig Beschäftigten der Betriebs­ 19 rat anzuhören, sofern ein solcher beim Arbeitgeber besteht.17 Sind also mehr als fünf Arbeitnehmer regelmäßig im Betrieb beschäftigt und findet das BetrVG somit Anwendung, ist der Betriebsrat auch in Bezug auf geringfügig beschäftigte Personen zu beteiligen.18

8. Betriebsverfassungsrecht Da geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer in der Regel teilzeitbeschäftigte Arbeitneh- 20 mer sind, sind diese ebenso Arbeitnehmer des Betriebes, so dass sich hinsichtlich der Anwendbarkeit des BetrVG keine Besonderheiten ergeben.19 Somit steht auch geringfügig/kurzfristig Beschäftigten nach ganz herrschender 21 Auffassung sowohl das aktive als auch das passive Wahlrecht zum Betriebsrat zu.20 Bezüglich der Einräumung des passiven Wahlrechts, d.h. der Wählbarkeit als 22 Betriebsratsmitglied, ist entscheidend, dass das BetrVG für die Wählbarkeit weder verlangt, dass der Arbeitnehmer hauptberuflich tätig ist, noch dass er eine Mindestdauer der wöchentlichen Beschäftigung im Betrieb aufweist.21 Somit haben geringfügig/kurzfristig Beschäftigte das passive Wahlrecht zum Betriebsrat und können bei Einrichtung der entsprechenden Gremien ebenso dem Gesamt- wie Konzernbetriebsrat angehören.22 Checkliste –– Hinweispflicht gem. § 5 Abs. 2 S. 2 SGB VI –– Einhaltung der Schriftform des § 14 Abs. 4 TzBfG bei einer kurzfristigen Beschäftigung –– Erforderlichkeit einer Vertragsniederschrift –– Uneingeschränkte Anwendbarkeit der arbeitsrechtlichen Vorschriften –– Keine Schlechterstellung einer geringfügigen Beschäftigung gegenüber einem „normalen“ Arbeitsverhältnis

17 MüAnwHB-ArbR/Reinfeld, § 72 Rn 40. 18 BeckOK-SGB/Rittweger, § 8 SGB IV, Rn 51.14. 19 MüAnwHB-ArbR/Reinfeld, § 72 Rn 44. 20 MüAnwHB-ArbR/Reinfeld, § 72 Rn 45; BeckOK-SGB/Rittweger, § 8 SGB IV, Rn 51.15. 21 MüAnwHB-ArbR/Reinfeld, § 72 Rn 46. 22 MüAnwHB-ArbR/Reinfeld, § 72 Rn 46.

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I. Überblick Bei einem Minijob handelt es sich um ein Beschäftigungsverhältnis, das im Unterschied zu einer Aushilfe in aller Regel dauerhaft aber geringfügig i.S.d. sozialversicherungsrechtlichen Regelungen ausgestaltet ist. Der Arbeitgeber kann23 ohne Berücksichtigung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale die Lohnsteuer für das Arbeitsentgelt aus einer geringfügigen Beschäftigung i.S.d. Vierten Sozialgesetzbuchs, für das er einen pauschalen Beitrag zur Rentenversicherung von 15 % bzw. 5 % bei einer geringfügigen Beschäftigung im Privathaushalt24 zu entrichten hat, mit einem einheitlichen Pauschalsatz von 2 % des Arbeitsentgelts entrichten (§ 40a Abs. 2 EStG).25 Für den Fall, dass der Arbeitgeber keine pauschalen Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten hat, kann er die Lohnsteuer pauschal mit 20 % des Arbeitsentgelts entrichten (§ 40a Abs. 2a EStG). Anders als bei den Aushilfen hängt die Pauschalierung der Lohnsteuer für einen Minijobber nicht von einer bestimmten Stundenlohngrenze ab. Weil die Regelung des § 40a Abs. 4 Nr. 1 EStG nicht für die Pauschalierung der Lohnsteuer bei geringfügig Beschäftigten gilt, kann der durchschnittliche Stundenlohn eines Minijobbers somit den Wert von 12 € übersteigen.

1. Geringfügige Beschäftigung 27 Voraussetzung für die Pauschalierung nach §  40a Abs.  2 und 2a EStG ist eine geringfügige Beschäftigung gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 oder § 8a SGB IV. Dabei handelt es sich zum einen um eine geringfügig entlohnte Beschäftigung, bei der das Arbeitsent­ gelt regelmäßig im Monat 400 € nicht übersteigt oder um eine Beschäftigung, die innerhalb eines Jahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage begrenzt ist.26

a) Pauschalierung mit 2 %

28 Liegt eine geringfügig versicherungspflichtige Beschäftigung oder eine geringfügig

versicherungsfreie Beschäftigung vor und hat der Arbeitgeber pauschale Beiträge zur Rentenversicherung zu entrichten, kommt die Lohnsteuerpauschalierung mit 2 %

23 Zum Entscheidungsrecht des Arbeitgebers vgl. unter Punkt „Aushilfen“ Rn 3; zu den Arbeitgeberpflichten vgl. ebenda Rn 17 ff. 24 Vgl. dazu im Einzelnen Kap. 17 – Hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis Rn 21 f. 25 Zu den Rechtsfolgen der Lohnsteuerpauschalierung vgl. Kap. 5 – Aushilfen Rn 20 f. 26 Zu den Voraussetzungen im Einzelnen vgl. Rn 28 u. 31.

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in Betracht. Dabei handelt es sich um einen einheitlichen Pauschalsteuersatz, der bereits Solidaritätszuschlag und Kirchensteuern beinhaltet. Die einheitliche Pauschalsteuer ist nicht im Rahmen der Lohnsteueranmel­ 29 dung an das Betriebsstättenfinanzamt abzuführen, sondern an die Deutsche Ren­ tenversicherung Knappschaft-Bahn-See mit ihrer Verwaltungsstelle in Cottbus. Aus diesem Grund wird die Pauschalsteuer im Beitragsnachweis erfasst. Wenngleich die für den Steuerabzug vom Arbeitslohn geltenden Reglungen anzuwenden sind, wird bezüglich Anmeldung, Abführung und Vollstreckung der Pauschalsteuer auf die rentenversicherungsrechtlichen Regelungen abgestellt. Beispiel Der Rentner R wird im Rahmen eines Minijobs als Zeitungsausträger von einem Verlag beschäftigt. Sein monatliches Arbeitsentgelt beträgt 350 €. Die für den Arbeitgeber sich ergebenden Kosten berechnen sich wie folgt: –– Arbeitslohn 350,00 € –– Pauschalsteuer 2 % 7,00 € –– Pauschale Rentenversicherung 15 % 52,50 € –– Pauschale Krankenversicherung 13 % 45,50 € –– Summe 455,00 € Für den Fall, dass der Verlag die Lohnsteuer nach den elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen berechnen würde, ergäbe sich für ihn lediglich eine Belastung von 28 % bezogen auf das Arbeitsentgelt. Die Pauschalsteuer würde nicht anfallen, denn bei Anwendung der Steuerklasse I würden weder individuelle Lohnsteuern noch Annexsteuern anfallen.

Bei einem im Privathaushalt ausgeübten Minijob gelten die Regelungen zum Haus- 30 haltsscheckverfahren.27

b) Pauschalierung mit 20 % Neben einer Hauptbeschäftigung kann nur ein Minijob auf Basis von monatlich 31 maximal 400 € ausgeübt werden, für das der Arbeitgeber die pauschalen Renten­ versicherungsbeiträge zu entrichten hat. Ab dem zweiten Minijob wird das Entgelt mit dem der Hauptbeschäftigung zusammengerechnet, so dass keine pauschalen Rentenversicherungsbeiträge abgeführt werden können. Der Minijob, der zuerst aufgenommen wurde, bleibt anrechnungsfrei mit den Folgen wie oben dargestellt. Für jedes weitere geringfügige Beschäftigungsverhältnis i.S.d. Sozialversicherung kann die Lohnsteuer jedoch mit 20 % erhoben werden.

27 Vgl. Kap. 17 – Hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis Rn 21 f.

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Beispiel Der konfessionslose Buchhalter B übt eine Hauptbeschäftigung gegen monatlichen Arbeitslohn von 2.500 € brutto aus. Daneben hilft er seinem befreundeten Steuerberater bei dessen Buchhaltung und erhält dafür monatlich 350 €. Am 2.4.2012 nimmt B gegen monatliche Zahlung von 300 € einen weiteren Minijob bei der X-KG an. Aufgrund der Zusammenrechnung des zweiten Minijobs mit der Hauptbeschäftigung fallen mit Ausnahme der Arbeitslosenversicherung Regelbeiträge zu allen übrigen Zweigen der Sozialversicherung an. Weil jedoch der zweite Minijob die Geringfügigkeitsvoraussetzungen erfüllt, kann die X-KG die Lohnsteuer mit 20 % pauschalieren. Für steuerliche Zwecke hat keine Zusammenrechnung der Entgelte zu erfolgen. Für die X-KG ergeben sich folgende Kosten: –– Arbeitslohn 300,00 € –– Pauschalsteuer 20 % 60,00 € –– Solidaritätszuschlag 5,5 % 3,30 € –– Rentenversicherung ½ von 19,9 % 29,85 € –– Krankenversicherung ½ von 14,6 % 21,90 € –– Pflegeversicherung ½ von 1,95 % 2,93 € –– Summe 417,98 € Die X-KG muss sich von B bestätigen lassen, dass er keiner Konfession angehört. 32 Einen weiteren Anwendungsfall für die Pauschalierung der Lohnsteuer mit 20 % ist

gegeben, wenn der geringfügig Beschäftigte zum Regelbeitrag in der Rentenver­ sicherung optiert. Dafür können aus Sicht des Minijobbers zwei Gründe sprechen: zum einen werden Rentenansprüche erworben und zum anderen besteht dann ein eigener, unmittelbarer Anspruch für staatliche Förderung bei Abschluss eines sog. Riester-Vertrags. Neben der pauschalen Lohnsteuer von 20  % fallen der Solidaritätszuschlag 33 mit 5,5 % und pauschale Kirchensteuer an. Pauschal- und Annexsteuern sind im normalen Verfahren in der monatlichen Lohnsteuer-Anmeldung zu erfassen und an das Betriebsstättenfinanzamt abzuführen.

Praxistipp Je nach Bundesland beträgt die pauschale Kirchensteuer zwischen 4 % (Hamburg) und 7 % (z.B. Hessen) der Pauschalsteuer. Will der Arbeitgeber keine pauschale Kirchensteuer für alle Minijobber zahlen, kann er zum sog. Nachweisverfahren übergehen. Danach wird der tatsächliche Kirchensteuersatz von 9 %28 fällig, jedoch nur für diejenigen Minijobber, die Mitglied einer kirchensteuererhebungsberechtigten Religionsgemeinschaft sind. Der Nachweis zur Konfessionszugehörigkeit kann entweder durch die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale oder eine Erklärung nach amtlich vorgeschriebenem Muster erfolgen. Diese Dokumente sind als Beleg zum Lohnkonto zu nehmen.

28 In Baden-Württemberg beträgt der Regelsatz 8 %.

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2. Bemessungsgrundlage der pauschalen Lohnsteuer Bemessungsgrundlage für die Pauschalierung nach § 40a Abs. 2 und Abs. 2a EStG ist 34 nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift das Arbeitsentgelt, nicht der Arbeitslohn. Maßgeblich ist damit, was nach sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen in §  14 SGB IV und in §  1 SvEV zum beitragspflichtigen Arbeitsentgelt gehört. Aus diesem Grund haben die sog. Geringfügigkeits-Richtlinien der Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger vom 14.10.200929 einen unmittelbaren Einfluss auf das Lohnsteuerrecht. Für Vergütungsbestandteile, die nicht zum sozialversicherungsrechtlichen 35 Arbeitsentgelt gehören, ist die Pauschalierung unzulässig. In diesem Fall muss insoweit zwingend die Regel-Lohnversteuerung durchgeführt werden. Beispiel Der seit zehn Jahren bei der A GmbH auf Basis einer geringfügigen Beschäftigung tätigen Putzhilfe wird gekündigt. Für den Verlust des Arbeitsplatzes und zur Entschädigung zukünftig entgehender Einnahmen erhält sie eine Abfindung von 2.000 €. Bei der Abfindung handelt es sich nicht um Arbeitsentgelt aus der beendeten Beschäftigung. Aus diesem Grund müssen die 2.000 € nach den allgemeinen Regelungen versteuert werden; die Anwendung der sog. Fünftel-Regelung ist zu prüfen.

Aufgrund der Anlehnung an das Sozialversicherungsrecht ist bei der Bestimmung der 36 Bemessungsgrundlage und auch bei der Prüfung der Geringfügigkeitsgrenze zu differenzieren. Die nachfolgend genannten steuerfreien bzw. nicht steuerbaren Arbeitslohnbestandteile (keine abschließende Aufzählung) sind dann kein Arbeitsentgelt nach § 1 SvEV, wenn sie zusätzlich zur Minijob-Vergütung gezahlt werden: –– Beihilfen aus öffentlichen oder privaten Kassen (§ 3 Nr. 11 EStG, R 3.11 Abs. 2 LStR) –– Reisekosten (§ 3 Nr. 13 oder Nr. 16 EStG) –– Übungsleiterfreibetrag (§ 3 Nr. 26 EStG) –– Aufwandsentschädigung (§ 3 Nr. 26a EStG) –– Typische Berufskleidung ( § 3 Nr. 31 EStG) –– Unentgeltliche oder teilentgeltliche Sammelbeförderung (§ 3 Nr. 32 EStG) –– Kinderbetreuungskosten für nicht schulpflichtige Kinder (§ 3 Nr. 33 EStG) –– Gesundheitsförderungsleistungen (§ 3 Nr. 34 EStG) –– Unentgeltliche oder teilentgeltliche Überlassung von Vermögensbeteiligungen (§ 3 Nr. 39 EStG) –– Private Nutzung von betrieblichen Personalcomputern und Telekommunikationsgeräten (§ 3 Nr. 45 EStG) –– Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung (§ 3 Nr. 63 S. 1 und 2)30

29 Vgl. www.minijobzentrale.de. 30 Der nach § 3 Nr. 63 S. 3 EStG steuerfreie Erhöhungsbetrag i.H.v. 1.800 € gehört nach § 1 S. 1 Nr. 9 SvEV zum beitragspflichtigen Entgelt.

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–– Steuerfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit (§ 3b EStG)31 –– Sachleistungen bis zu 44 € im Monat (§ 8 Abs. 2 S. 9 EStG) –– Aufmerksamkeiten bis zu 40 € je persönlichem Anlass (R 19.6 Abs. 2 LStR) 37 Die nachfolgend genannten steuerpflichtigen Arbeitslohnbestandteile (keine abschließende Aufzählung) sind ebenfalls kein Arbeitsentgelt nach § 1 SvEV: –– Einnahmen, die nach § 40 Abs. 2 EStG pauschal versteuert werden können. Darunter fallen: –– Arbeitstägliche Mahlzeiten einschließlich Restaurantschecks, –– Zuwendungen anlässlich von Betriebsveranstaltungen, –– Erholungsbeihilfen, –– Vergütungen für Verpflegungsmehraufwendungen, –– Unentgeltliche oder verbilligte Übereignung von Personalcomputern und –– Fahrtkostenzuschüsse. –– Beiträge, die für eine sog. Altzusage32 weiterhin pauschal besteuert werden können. Dies gilt auch im Fall der Entgeltumwandlung. Hinweis Sachzuwendungen an Arbeitnehmer, die der Arbeitgeber abgeltend und pauschal nach § 37b Abs. 2 EStG versteuert, sind aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht dennoch als Arbeitsentgelt anzusehen.33 38 Je nach Einzelfall können die vorgenannten Vergütungselemente dazu genutzt

werden, das Gehalt des Minijobbers aufzubessern, ohne dass damit die Pauschalierung der Lohnsteuer gefährdet ist.

3. Überschreiten der Geringfügigkeitsgrenzen 39 Mit Bezugnahme auf das sozialversicherungspflichtige Arbeitsentgelt in § 40a Abs. 2 EStG kommt es nicht zwingend darauf an, was dem Minijobber an Vergütung tatsächlich per Auszahlung oder Überweisung zufließt. Denn anders als im Steuerrecht kommt im Sozialversicherungsrecht nicht das Zufluss- sondern das Entstehungs­ prinzip34 zum Tragen. Danach gehört zum Arbeitsentgelt mindestens das, worauf der Arbeitnehmer einen arbeitsrechtlichen Anspruch hat. Dieser kann sich aus dem Arbeitsvertrag, einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder ggf. aus betrieblicher Übung ergeben.

31 Nach § 1 S. 1 Nr. 1 SvEV gilt abweichend vom Steuerrecht ein maximaler Stundenlohn von 25 €. 32 Maßgeblich ist, dass die Versorgungszusage vor dem 1.1.2005 erteilt wurde; § 40b EStG in der Fassung v. 31.12.2004 i.V.m. § 52 Abs. 52b S. 1 und 2 EStG. 33 Vgl. § 1 S.1 Nr. 14 SvEV. 34 BFH, Urt. v. 29.5.2008 – VI R 57/05 –.

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Praxistipp Weil es sich bei Minijobbern um Teilzeitkräfte handelt, haben sie dem zeitlichen Umfang ihrer Beschäftigung entsprechend Anspruch auf Leistungen, die Vollzeitbeschäftigten z.B. nach Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung zustehen. Nach diesem sog. Phantomlohn-Ansatz muss der Arbeitgeber im Vorfeld prüfen, in welcher Höhe er die Barvergütung bemessen muss, um noch innerhalb der Geringfügigkeitsgrenzen zu bleiben.

Die Prüfung der Geringfügigkeitsgrenzen obliegt dem zuständigen Rentenversiche- 40 rungsträger. Wird im Rahmen einer solchen Prüfung festgestellt, dass infolge der Zusammenrechnung von zwei Minijobs die 400 €-Grenze überschritten wird, dann tritt Versicherungspflicht erst ab dem Tag der Bekanntgabe der Feststellung durch die Einzugsstelle ein. Lohnsteuerlich bedeutet dies, dass die Pauschalierung mit 2 % bis zu diesem Zeitpunkt zulässig ist.

4. Übersicht Das nachfolgende Schaubild35 gibt einen Überblick über die Pauschalierung der 41 Lohnsteuer für Minijobber nach § 40a Abs. 2 und 2a EStG. Pauschalierung der Lohnsteuer

Geringfügige Beschäftigung i.S.v. §§ 8 Abs. 1 Nr. 1, 8a SGB IV?

nein

Pauschalierung nach § 40a Abs. 2 oder 2a EStG unzulässig

ja Pauschale Rentenversicherungsbeiträge?

ja

Pauschsteuersatz 2 %! (einschließlich SolZ + Kirchensteuer)

nein Pauschsteuersatz 20 %! (zuzüglich SolZ + Kirchensteuer)

35 Vgl. Besgen/Greilich/Mader/Perach/Voss, Rn 2158.

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 Kapitel 24 Minijobber

C. Sozialversicherungsrecht I. Allgemeines 42 Sog. „Minijobber“ im sozialversicherungsrechtlichen Sinne werden regelmäßig als geringfügige Beschäftigungen ausgestaltet sein. Im Folgenden werden die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse i.S.d. §  8 Abs.  1 Nr.  1 SGB IV näher beleuchtet. Dabei handelt es sich um Personen, deren Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig 400 € nicht übersteigt.36

II. Versicherungsrechtliche Regelung 1. Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung 43 Eine geringfügige Beschäftigung i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV liegt vor, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig 400 € nicht übersteigt. Damit soll verdeutlicht werden, dass es sich um das geschuldete Arbeitsentgelt handelt, auf das der Arbeitnehmer einen Anspruch hat. Beispiel Ein Arbeitgeber zahlt einem Arbeitnehmer einen Stundenlohn von 10 €. Er arbeitet regelmäßig 38 Stunden im Monat. Der Arbeitgeber zahlt seinem Minijobber daher 380 € Arbeitsentgelt und rechnet ihn als Minijobber ab. Der für dieses Arbeitsverhältnis geltende Tarifvertrag sieht jedoch einen Stundenlohn von 11 € vor. Das geschuldete Arbeitsentgelt liegt daher bei 418 € monatlich und darf nicht als Minijob abgerechnet werden.

2. Regelmäßigkeit

44 Eine Definition der Voraussetzung „Regelmäßigkeit“ sieht das Gesetz nicht vor. Der

Begriff „regelmäßig“ wurde in der Gesetzesformulierung gewählt, um deutlich zu machen, dass eine vorausschauende und nicht eine rückschauende Betrachtung vorgenommen werden muss.37 Die Abgrenzung zu gelegentlicher Tätigkeit ist durch die Rechtsprechung des BSG 45 vorzunehmen. Wie im Sozialversicherungsrecht üblich kommt es auch hier auf die tatsächlichen Verhältnisse des konkreten Einzelfalls an. Als Abgrenzungskriterien hat das BSG folgende Punkte entwickelt:38

36 In Abgrenzung dazu stehen die Aushilfen im Rahmen von kurzfristigen Beschäftigungen, § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV. Diese Form der geringfügigen Beschäftigung wird unter Punkt „Aushilfen (Gelegenheitsarbeiter)“ erläutert. 37 Amtl. Begr. BT-Drucks. 7/4122, S. 43 ff. 38 BSG, Urt. v. 11.5.1993 – 12 RK 23/91 –, BSG, Urt. v. 23.5.1995 – 12 RK 60/93 –.

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–– Regelmäßig wird nicht nur in Dauerarbeitsverhältnissen gearbeitet; ausreichend ist eine auf ständige Wiederholung geplante Beschäftigung, die über mehrere Jahre hinweg ausgeübt werden soll. –– Ein Rahmenvertrag kann als Indiz herangezogen werden, ist aber nicht zwingend erforderlich. –– Voraussetzung ist ein gewisser vorhersehbarer Arbeitszyklus. –– Minimum ist die grundsätzliche Bereitschaft zu regelmäßiger Zusammenarbeit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer beim ersten Arbeitseinsatz.

3. Arbeitsentgelt Zu beachten ist, dass auch bei der Frage der Höhe des regelmäßigen Arbeitsentgelts 46 eine vorausschauende Betrachtung vorzunehmen ist. Um zu beurteilen, ob das regelmäßige Arbeitsentgelt regelmäßig 400 € nicht übersteigt, sind auch Sonderzah­ lungen, wie z.B. Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu berücksichtigen, soweit sie mit hinreichender Sicherheit innerhalb eines Beschäftigungszeitraums von einem Jahr zu erwarten sind.39 Sind bei Beschäftigungsbeginn Sonderzahlungen aufgrund entsprechender Vereinbarung oder nach bisheriger betrieblicher Übung mit Sicherheit zu erwarten, so ist ihr Betrag bei der Berechnung des regelmäßig im Monat erzielten Arbeitsentgelts auf die einzelnen Monate des Jahres zu verteilen.40 Beispiel Ein Arbeitgeber zahlt einem Arbeitnehmer einen Stundenlohn von 10 €. Er arbeitet regelmäßig 38 Stunden im Monat. Der Arbeitgeber zahlt seinem Minijobber daher 380 € als monatliches Arbeitsentgelt und rechnet ihn als Minijobber ab. Der Arbeitnehmer erhält ein weiteres Monatsgehalt in Höhe von 380 € als Weihnachtsgeld. Er wurde vom Arbeitgeber darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um keine tarifliche Zuwendung handelt und künftige Daueransprüche daraus nicht hergeleitet werden können. Bereits in der Vergangenheit hatte der Arbeitgeber diese Sonderzahlung an alle seine Beschäftigten ausgezahlt. Ein Umrechnen des Weihnachtsgeldes auf die einzelnen Monate eines Kalenderjahres bewirkt, dass der Arbeitnehmer regelmäßig ein Arbeitsentgelt von 411,67 € bezieht. Es handelt sich daher um ein voll versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis.

4. Überschreiten der 400 €-Grenze Überschreitet das Arbeitsentgelt regelmäßig 400 € im Monat, tritt ab dem Zeitpunkt 47 des Überschreitens Versicherungspflicht zu Sozialversicherung ein. Die zurück­

39 BSG, Urt. v. 28.2.1984 – 12 RK 21/83 –. 40 BSG, Urt. v. 28.2.1984 – 12 RK 21/83 –.

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liegende Zeit der Beschäftigung wird nicht beitragspflichtig, es bleibt bei der zuvor erfolgten Betrachtungsweise.41 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird gemacht, wenn ein nur gelegent­ liches und nicht vorhersehbares Überschreiten der Arbeitsentgeltgrenze vorliegt. Als gelegentlich wird dabei ein Zeitraum von bis zu zwei Monaten innerhalb eines Zeitjahres angesehen. Es ist daher unschädlich, wenn ein Minijobber für einen Zeitraum von bis zu zwei Monaten in einem Betrachtungszeitraum von zwölf Monaten – auch erheblich – mehr Arbeitsentgelt bezieht als 400 €. Der Arbeitgeber hat auch in diesem Fall lediglich die Pauschalbeträge zur Kranken- und Rentenversicherung zu zahlen. Sofern im Anschluss daran nochmals im gleichen Betrachtungszeitraum ein nicht vorhersehbares Überschreiten der Arbeitsentgeltgrenze erfolgt, kann nicht mehr von einem gelegentlichen Überschreiten gesprochen werden. Für den Zeitraum des Überschreitens tritt dann Versicherungspflicht ein.42 Eine Rückkehr zur Versicherungsfreiheit kann dann erfolgen, wenn ein Überschreiten nicht mehr vorliegt und das regelmäßige Arbeitsentgelt im Durchschnitt einer neuen Jahresbetrachtung 400 € nicht übersteigt. Eine Besonderheit ist bei dieser Betrachtungsweise jedoch zu beachten: Sofern ein unvorhersehbares Überschreiten der Arbeitsentgeltgrenze in mehr als zwei Monaten innerhalb des vom Arbeitgeber gewählten Betrachtungszeitraums von zwölf Monaten erfolgt, insgesamt aber nicht mehr als 4.800 € Entgelt für die Ermittlung des regelmäßigen Entgelts zu Grunde gelegt werden, bleibt es bei der Versicherungs­ freiheit.43

5. Zusammenrechnung von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen

52 Der Wortlaut des Gesetzes zur Zusammenrechnung von geringfügigen bzw. kurz­

fristigen Beschäftigungen ist auf den ersten Blick eher unverständlich.

a) Mehrere geringfügige Beschäftigungsverhältnisse 53 Mehrere geringfügige Beschäftigungen bei verschiedenen Arbeitgebern werden zusammengerechnet. Dies bedeutet im Einzelnen, dass die Arbeitsentgelte zusam­ mengenommen regelmäßig 400 € nicht übersteigen dürfen. Das gleiche gilt, wenn

41 Richtlinien für die versicherungsrechtliche Beurteilung von geringfügig Beschäftigten (Geringfügigkeits-Richtlinien) der Spitzenverbände, Stand 14.10.2009, Ziff. 3.1. 42 Richtlinien für die versicherungsrechtliche Beurteilung von geringfügig Beschäftigten (Geringfügigkeits-Richtlinien) der Spitzenverbände, Stand 14.10.2009, Ziff. 3.1. 43 Richtlinien für die versicherungsrechtliche Beurteilung von geringfügig Beschäftigten (Geringfügigkeits-Richtlinien) der Spitzenverbände, Stand 14.10.2009, Ziff. 3.1.

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bereits zwei geringfügige Beschäftigungen ausgeübt werden, deren Arbeitsentgelt zusammen regelmäßig unter 400 € liegen und eine dritte Beschäftigung aufgenommen werden soll.

b) Geringfügige Beschäftigung neben nicht geringfügiger Beschäftigung Dem Grundsatz nach werden geringfügige Beschäftigungen, die neben einer nicht 54 geringfügigen Beschäftigung – im Regelfall eine Hauptbeschäftigung – ausgeübt werden, zusammengerechnet. Allerdings sieht das Gesetz von diesem Grundsatz eine Ausnahme vor: eine einzige grundsätzlich geringfügige Beschäftigung, die neben einer (Haupt-)Beschäftigung ausgeübt wird, ist und bleibt als geringfügige Beschäftigung ausgestaltet und wird nicht zusammengerechnet. Damit wird dem Gedanken Rechnung getragen, dass Einnahmen in der Größen- 55 ordnung von bis zu 400 € im Monat als sozialversicherungsrechtlich unbedeutend bewertet werden. Diesem Grundgedanken ist auch hier Rechnung getragen: Sofern man eine geringfügige Beschäftigung der Hauptbeschäftigung zurechnen würde, erweiterte sich der schon bestehende Versicherungsschutz. Dies ist aber aufgrund der gesetzlichen Ausnahme wohl nicht gewollt.44 Praxistipp Sofern der Mitarbeiter mehrere geringfügige Beschäftigungen neben einer Hauptbeschäftigung ausübt, ist zu prüfen, ob die Summe der Entgelte für die geringfügigen Beschäftigungen den Grenzbetrag von regelmäßig 400 € übersteigt. Wenn dies nicht der Fall ist, gelten alle geringfügigen Beschäftigungen als eine Einzige i.S.d. Gesetzes. Sie sind dann nicht mit der Hauptbeschäftigung zusammenzurechnen.45 Sofern die Summe der Entgelte regelmäßig größer als 400 € ist, ist zu entscheiden, welche der geringfügigen Beschäftigungen nicht angerechnet werden. Ein Nichtanrechnen der zuerst aufgenommenen geringfügigen Beschäftigung ist denkbar.46

c) Geringfügige Beschäftigung neben zeitgeringfügiger Beschäftigung Zusammenzurechnen sind nur geringfügige Beschäftigungen derselben Kate­ 56 gorie; ein Zusammenrechnen von geringfügiger Beschäftigung und kurzfristiger Beschäftigung ist daher ausgeschlossen.

44 KK/Seewald, § 8 SGB IV, Rn 28e. 45 KK/Seewald, § 8 SGB IV, Rn 28f. 46 Richtlinien für die versicherungsrechtliche Beurteilung von geringfügig Beschäftigten (Geringfügigkeits-Richtlinien) der Spitzenverbände, Stand 14.10.2009, Ziff. 2.2.2.2.

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d) Rechtsfolge der Zusammenrechnung

57 Nach §  8 Abs. 2 S. 3 SGB IV tritt Versicherungspflicht – und damit einhergehend

dann auch die Beitragspflicht – nur für die Zukunft ein. Diese Regelung ist eine klare Abweichung von dem normalerweise geltenden Grundsatz, dass Versicherungspflicht mit dem Eintreten der gesetzlichen Voraussetzungen entsteht. Zudem ist eine Entscheidung der Einzugsstelle oder eines Rentenversicherungsträgers erforder­ lich; mit Bekanntgabe der Feststellung der Versicherungspflicht durch diese Behörden tritt dann diese Wirkung auch erst ein. Beispiel Eine Arbeitnehmerin arbeitet beim Arbeitgeber A im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses. Sie erhält regelmäßig ein Gehalt von 180 €. Sie nimmt ein weiteres Beschäftigungsverhältnis zu einem regelmäßigen Entgelt von 300 € auf und verschweigt dies Arbeitgeber B. Der Minijob-Zentrale fällt zwei Monate später auf, dass wegen Überschreitens der Grenze von regelmäßig 400 € keine geringfügige Beschäftigung vorliegt. Erst mit Information durch die Minijobzentrale an die Arbeitgeber entsteht dann die Versicherungs- und Beitragspflicht zur Einzugstelle.

58 Anders ist der Sachverhalt lediglich dann zu beurteilen, wenn dem Arbeitgeber

Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Grobe Fahrlässigkeit liegt z.B. schon dann vor, wenn der Arbeitgeber nichts unternommen hat, um den Sachverhalt aufzuklären.

Praxistipp Bei der Einstellung eines geringfügig Beschäftigten sollte der Arbeitgeber explizit danach fragen, ob weitere Beschäftigungsverhältnisse – welcher Art auch immer – bestehen. Es ist empfehlenswert, die Antwort schriftlich zu dokumentieren.

III. Beitragsrechtliche Regelung

59 Für geringfügige Beschäftigungen hat der Arbeitgeber – unter bestimmten Vor­

aussetzungen – Pauschalbeiträge zur Kranken- und Rentenversicherung zu zahlen. Zur Pflege- und Arbeitslosenversicherung fallen solche Pauschalbeiträge nicht an.

1. Pauschalbeiträge zur Krankenversicherung

60 Ein geringfügig Beschäftigter ist – ebenso wie ein kurzfristig Beschäftigter – nach § 7 61

Abs. 1 S. 1 SGB V versicherungsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung. § 249b S. 1 SGB V regelt, dass der Arbeitgeber einer geringfügigen Beschäftigung einen Pauschalbeitrag zur Krankenversicherung in Höhe von 13 % des Arbeitsentgelts aus dieser Beschäftigung zu zahlen hat. Allerdings setzt die Zahlung des Pauschalbeitrags voraus, dass der geringfügig Beschäftigte nach dem SGB V gesetzlich

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krankenversichert ist. Für privat krankenversicherte Beschäftigte fällt kein Pauschalbeitrag an. Ergeben sich neben der Versicherungsfreiheit nach §  7 Abs.  1 S.  1 SGB  V noch 62 weitere Gründe, aus denen sich eine Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt, etwa wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V – z.B. beim Zusammentreffen mit einer Hauptbeschäftigung –, fällt trotzdem der Pauschalbetrag zur gesetzlichen Krankenversicherung an.47

2. Pauschalbeiträge zur Rentenversicherung Auch für den Bereich der Rentenversicherung fallen für den Arbeitgeber Pauschal- 63 beiträge an. Voraussetzung für die Zahlung des Pauschalbetrags in Höhe von 15 % des Arbeitsentgelts ist, dass der geringfügig Beschäftigte: –– in der geringfügigen Beschäftigung rentenversicherungsfrei (§ 5 Abs. 2 S. 1 1. HS SGB VI), –– von der Rentenversicherungspflicht befreit (§ 6 SGB VI oder § 229 Abs. 6 SGB VI) (z.B. Versicherungspflichtige in einem Berufsständischen Versorgungswerk) oder –– nach § 5 Abs. 4 SGB VI rentenversicherungsfrei (z.B. Bezieher einer Vollrente) ist.

3. Verzicht auf die Rentenversicherungspflicht Geringfügig Beschäftigte, die grundsätzlich nach § 5 Abs. 2 S. 1 SGB VI rentenversi- 64 cherungsfrei sind, können nach § 5 Abs. 2 S. 2 SGB VI auf diese Versicherungsfrei­ heit verzichten.

a) Bindender Verzicht durch schriftliche Erklärung Der Verzicht auf die Rentenversicherungsfreiheit muss vom Beschäftigten gegen- 65 über dem Arbeitgeber schriftlich erklärt werden. Der Verzicht kann nur mit Wirkung für die Zukunft und bei mehreren geringfügigen Beschäftigungen nur einheitlich erklärt werden. Dieser ist für die Dauer der Beschäftigungen bindend.

b) Arbeitgeberanteil beim Verzicht auf Versicherungsfreiheit Auch der Arbeitgeber muss in diesem Fall nach §  168 Abs.  1 Nr.  1b SGB  VI einen 66 Arbeitgeberanteil von 15 % tragen. Der geringfügig Beschäftigte muss nur den geringeren Differenzbetrag zum vollen Beitrag (2012: 19,6 %) als Arbeitnehmeranteil von seinem geringfügigen Einkommen bezahlen. Durch diese Aufstockung können

47 BSG, Urt. v. 25.1.2006 – B 12 KR 27/04 –.

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die besonderen Voraussetzungen für Rehabilitationsleistungen und Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erfüllt werden.

4. Meldungen

67 Auch für geringfügig Beschäftigte bestehen die Meldepflichten gem. §  28a Abs.  9

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SGB  IV. Die Vorschriften hinsichtlich Sofortmeldungen finden ebenfalls Anwendung, wenn neben den An- und Abmeldungen auch Unterbrechungs- und Jahres­ meldungen sowie Meldungen von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt erfolgen. Die zuständige Einzugsstelle sowohl für die Meldungen i.S.d. § 28a SGB IV als auch für Zahlungen der Umlagen 1 und 2 sowie der ggf. fälligen Insolvenzgeldumlage ist die Minijob-Zentrale in 45115 Essen.48 Für diese Personengruppen gilt das Meldeverfahren nach der Datenerfassungsund Übermittlungsverordnung (DEÜV). Diese notwendigen Meldungen sind zentral an die Bundesknappschaft zu richten, die auch für den Einzug und die Weiterleitung der Sozialversicherungsbeiträge sowie für die Erhebung und Abführung der einheitlichen Pauschalsteuer zuständig ist. Auch für geringfügige Beschäftigungen gilt, dass die Meldungen ausschließlich mit Hilfe zugelassener Programme oder maschinell erstellter Ausfüllhilfen übermittelt werden. Ausgenommen davon sind gem. § 28a Abs. 6a SGB IV nur: –– Arbeitgeber im privaten Bereich mit nichtgewerblichen Zwecken oder –– Arbeitgeber, die mildtätige, kirchliche, religiöse, wissenschaftliche oder gemeinnützige Zwecke i.S.d. § 10b EStG verfolgen. Zur Befreiung ist eine Antragstellung erforderlich, in der glaubhaft gemacht werden muss, dass die Meldung auf maschinell verwertbaren Datenträgern oder durch Datenübertragung nicht möglich ist. Außerdem ist innerhalb der Meldung für Meldezeiträume ab dem 1.1.2009 der Datenbaustein für die Unfallversicherung auszufüllen. Innerhalb dieses Datenbausteins ist die gezahlte Entgelthöhe anzugeben.49 Inhalt der Meldungen: –– Der Personengruppenschlüssel für geringfügig Beschäftigte: 109. –– Die Beitragsgruppe Krankenversicherung ist mit „6“ und die Beitragsgruppe zur Rentenversicherung mit „5“ zu schlüsseln. –– Bei Verzicht auf die Rentenversicherungsfreiheit ist die Beitragsgruppe „1“ zu verwenden.

48 Meldungen vor dem 1.4.2003 sind an die in diesem Zeitraum zuständige Krankenkasse zu richten. 49 Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, Minijobs – Informationen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, 2011, S. 44.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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–– Die Beitragsgruppen Arbeitslosen- und Pflegeversicherung sind mit „0“ zu schlüsseln. Außerdem ist innerhalb der Meldung für Meldezeiträume ab dem 1.1.2009 der Daten- 73 baustein für die Unfallversicherung auszufüllen. Dabei sind folgende Daten zur Unfallversicherung zu melden: –– Betriebsnummer des zuständigen Unfallversicherungsträgers, –– Mitgliedsnummer des Beschäftigungsbetriebs, –– Gefahrtarifstelle und Betriebsnummer des Unfallversicherungsträgers, dessen Gefahrtarif angewendet wird, –– Beitragspflichtiges Entgelt zur Unfallversicherung und –– Geleistete Arbeitsstunden.

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Kapitel 25 Mitarbeitender Gesellschafter A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis 1. Problemaufriss Nicht selten arbeiten Gesellschafter im Geschäftsbetrieb „ihrer“ Gesellschaft mit, sei 1 es als Geschäftsführer, als leitende Angestellte oder als einfache Arbeitnehmer. Solche Konstellationen sind in Deutschland vielfach in mittelständischen Unternehmen zu finden. Hieraus ergeben sich diverse Schnittstellen zwischen dem Gesellschafts- und dem Arbeitsrecht, die in der Regel mit einem Interessenkonflikt des mitarbeitenden Gesellschafters (bspw. Stimmrechte als Gesellschafter versus Weisungsgebundenheit als Geschäftsführer/Arbeitnehmer) einhergehen. Je nach Einzelfall ist die Bandbreite der betroffenen Interessen dabei sehr groß. Auf der einen Seite des Spektrums stehen Arbeitnehmer, die zur Incentivierung 2 ihrer Arbeit Optionsrechte oder Kleinstbeteiligungen an der Gesellschaft erhalten. In der Regel haben sie keine unternehmerischen Mitwirkungsrechte und ihr Interesse wird im Schwerpunkt das Eigeninteresse als Arbeitnehmer bleiben. Auf der anderen Seite steht z.B. ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, deren einziger Anteilseigner er selbst ist. Hier wird das Gesellschaftsinteresse in der Regel mit dem Interesse des Geschäftsführers übereinstimmen. Besonders interessant sind aber die Fälle, die zwischen diesen beiden Polen liegen und in denen die eigenen Interessen des Gesellschafters als Arbeitnehmer mit der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht und den Interessen der Gesellschaft tatsächlich kollidieren. Ein praktischer Anwendungsfall, der die Problematik gut verdeutlicht, ist der- 3 jenige, wenn es bei Gesellschaften, die sich in Familienbesitz befinden, aufgrund eines Erbfalls zu einer Aufteilung der Eigentumsverhältnisse an der Gesellschaft auf verschiedene Familienstämme kommt. Sofern die verschiedenen Stämme sich nicht auf einen externen Geschäftsführer einigen, wollen in der Regel die oft ähnlich starken Stämme selbst tätig werden. Ohne eine klare Abgrenzung der jeweiligen Tätigkeitsfelder sowie eine klare Regelung zu Einflussmöglichkeiten der Gesellschaftergesamtheit auf die jeweiligen Tätigkeitsfelder ist eine erfolgreiche Zusammenarbeit eine Herausforderung. Die folgende Darstellung konzentriert sich auf den Fall der GmbH, da diese und die GmbH & Co. KG (die für diese Zwecke im Ergebnis nach den Grundsätzen der GmbH zu beurteilen ist) in der mittelständischen Praxis die am häufigsten auftretende Gesellschaftsform mitarbeitender Gesellschafter sind.

2. Zugrundeliegende Vertragsverhältnisse Neben den bestehenden Interessenkollisionen in der Person des mitarbeitenden 4 Gesellschafters selbst und zwischen mehreren mitarbeitenden Gesellschaftern untereinander ist das Zusammenspiel von Dienst- bzw. Arbeitsvertrag und GesellschaftsPreiss

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vertrag interessant, insbesondere wenn beide Verträge nicht miteinander in Einklang zu bringen sind. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass der mitarbeitende Gesellschafter auf Grundlage eines sog. Beratervertrages für die Gesellschaft tätig wird.1 Der Gesellschaftsvertrag ist die Verfassung der Gesellschaft. Er bildet die 5 Grundlage der Gesellschaft, er regelt ihre Organisationsstruktur und er legt die wesentlichen Rechte und Pflichten der Gesellschafter untereinander fest. Der mitarbeitende Gesellschafter ist als Partei des Gesellschaftsvertrags an diesen gebunden. Praxistipp Gesellschafter von Joint Venture Gesellschaften schließen regelmäßig eine separate Gesellschaftervereinbarung ab. Die Parteien sind meist dieselben wie die Parteien des Gesellschaftsvertrags. Allerdings wird die Gesellschaftervereinbarung nicht zum Handelsregister eingereicht und ist damit nicht öffentlich. Auch die Gesellschaftervereinbarung kann dem mitarbeitenden Gesellschafter Rechte und Pflichten übertragen, die mit seinen Rechten und Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag oder dem Arbeits- oder Dienstvertrag kollidieren können. 6 Der Anstellungsvertrag regelt das Rechte- und Pflichtenverhältnis zwischen Gesell-

schaft und Geschäftsführer unter dem Aspekt eines Beschäftigungsverhältnisses. Die Gesellschaft kann Anstellungsverträge mit ihren Gesellschaftern ebenso wie mit nichtbeteiligten Dritten abschließen. Die Stellung als Gesellschafter schließt die Arbeitnehmereigenschaft grundsätzlich nicht aus.2 Wenn aber ein Gesellschafter mit der Gesellschaft einen Anstellungsvertrag abschließt, tritt er in ein Vertragsverhältnis ein, dessen Regelungsbereich sich teilweise mit dem des Gesellschaftsvertrags überlappen kann. Bei Personengesellschaften können sich Dienstleistungspflichten der Gesell7 schafter aus dem allgemeinen Gesellschaftsrecht oder auf der Basis des Gesellschaftsvertrags ergeben. So gilt bei Personengesellschaften der Grundsatz der Selbstor­ ganschaft (§ 709 BGB), d.h., das Gesetz geht davon aus, dass die Gesellschafter der Gesellschaft Dienste leisten, nämlich selbst die Geschäftsführung der Gesellschaft übernehmen. Die Gesellschafter sind in diesen Fällen verpflichtet, der Gesellschaft wie einem „normalen“ Arbeitgeber ihre Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Bei Kapitalgesellschaften gilt zwar der Grundsatz der Fremdorganschaft, auch 8 hier kann aber der Gesellschafter oder Aktionär die Geschäftsführung oder eine Vorstandstätigkeit übernehmen und der Gesellschaft damit Dienste leisten. In der Praxis ist es auch üblich, dass Vorstandsmitglieder von AGs Aktien des eigenen Unterneh-

1 Vgl. im Übrigen Kap. 14 – Freelancer Rn 2, 3, dessen Ausführungen vom Grundsatz her auch bei der Ausgestaltung eines Beratervertrages mit einem mitarbeitenden Gesellschafter zu beachten sind. 2 BAG, Urt. v. 9.1.1990, AP 6 zu § 35 GmbHG.

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A. Arbeitsrecht 

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mens halten bzw. dass Mitarbeiter über Aktienbesitz3 zu besserer Leistung motiviert und an das Unternehmen gebunden werden sollen.

3. Weitere allgemeine Grundsätze Aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt sich die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht des 9 Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft. Diese Treuepflicht verlangt vom Gesellschafter, dass er seine Mitgliedschaftsrechte an der Gesellschaft in deren Interesse auszuüben und bei der Ausübung von Befugnissen, die ihm die Gesellschaft verliehen hat, den Belangen der Gesellschaft Vorrang einzuräumen hat. Im Verhältnis zu den anderen Gesellschaftern darf er deren Interessen nicht ungerechtfertigt beeinträchtigen.4 Zu berücksichtigen ist in dem Zusammenhang auch der gesellschaftsrechtliche 10 Grundsatz der Gleichbehandlung von Gesellschaftern. Dieser besagt, dass die Gesellschaft im Rahmen des Gesellschaftsverhältnisses die Gesellschafter unter gleichen Voraussetzungen gleichmäßig berücksichtigen muss. Ausdrücklich normiert ist dieser Grundsatz in § 53a AktG. Dieser Grundsatz gilt unstreitig auch darüber hinaus für alle anderen Gesellschaftsformen, wenn auch die Rechtsgrundlage umstritten ist. Der (mitarbeitende) Gesellschafter-Geschäftsführer erhält damit rein faktisch eine hervorgehobene Position. Durch seine Arbeit erhält er einen vertieften Einblick in die Geschäfte der Gesellschaft. Er hat durch seine Befugnis zur Vertretung der Gesellschaft auch hervorgehobene Rechte im Vergleich zu seinen Mitgesellschaftern. Da durch die Geschäftsführertätigkeit allerdings die Voraussetzungen in seinem Fall andere sind als im Fall der Mitgesellschafter, steht dieses Ungleichgewicht rechtlich nicht im Widerspruch zur Gleichordnung der Gesellschafter. Gesellschafter-Geschäftsführer, die für die Gesellschaft handeln, müssen bei Ausübung ihrer Tätigkeit diesen Grundsatz berücksichtigen. Sie sind einerseits Adressat und müssen sicherstellen, dass die Gesellschaft dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gesellschafter entspricht, andererseits sind sie als Gesellschafter Berechtigte und könnten ggf. ein Interesse daran haben, dass z.B. bestimmte Informationen nicht allen Gesellschaftern zur Verfügung stehen.

II. Gesellschafter-Geschäftsführer Jede Gesellschaft, die einen Gesellschafter zum Geschäftsführer bestimmt, sowie 11 jeder Gesellschafter, der diese Funktion übernehmen will, sollte sich der folgenden Problemstellungen bewusst sein:

3 Näheres siehe Kap. 26 – Mitarbeiter als Unternehmer Rn 2 ff. 4 BGH NZG 2003, 73.

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1. Doppelstellung des Gesellschafter-Geschäftsführers

12 Für Personengesellschaften gilt der Grundsatz der Selbstorganschaft, d.h., das

Gesetz geht davon aus, dass die Gesellschafter im Regelfall selbst die Geschäftsführung der Gesellschaft übernehmen. Im Fall der GmbH & Co. KG ist dabei zu berücksichtigen, dass die Komplementärin nicht von der Geschäftsführung ausgeschlossen werden kann und der Kommanditist nicht zur Vertretung der Gesellschaft nach außen berechtigt ist (§§ 164, 170 HGB). Dies ist allerdings eher eine formale Beschränkung, da in diesem Zusammenhang die Praxis viele Gestaltungsmöglichkeiten bietet. Bspw. kann der Kommanditist, der die Geschäfte der GmbH & Co. KG führen soll, gleichzeitig Geschäftsführer der Komplementär-GmbH werden. Für die GmbH formuliert das Gesetz offen, dass die Geschäftsführung durch Gesellschafter oder andere Personen erfolgen kann (§  6 Abs. 3 S. 1 GmbHG). Insofern ist der Geschäftsführer einerseits Organ der Gesellschaft und folglich zu Vertretung nach außen berechtigt und andererseits stets Angestellter der Gesellschaft im Rahmen eines Dienstverhältnisses. Beide Rechtsverhältnisse existieren rechtlich selbstständig nebeneinander.5 Grundsätzlich bestehen keine Unterschiede zwischen einem Fremdgeschäfts­ 13 führer und einem Gesellschafter-Geschäftsführer. Beide sind als Geschäftsführer der Gesellschaft an das auf Gesetz und Satzung beruhende Organisationsrecht der Gesellschaft gebunden. Aus rechtlicher Sicht ist eine genaue Differenzierung nur im Bereich des Steuer-, Sozialversicherungs- und Altersversorgungsrechts wichtig. Praxistipp Während der Fremdgeschäftsführer grundsätzlich allein das Interesse der Gesellschaft im Auge hat, wird den Gesellschafter-Geschäftsführer daneben auch der Wert der Gesellschaft als Gegenstand seines eigenen Vermögens interessieren. Das Interesse an der Wertsteigerung der Gesellschaft kann dabei mit den Interessen der Gesellschaft durchaus kollidieren.

2. Organschaftliche Bestellung 14 Der Gesellschafter erhält die Organstellung als Geschäftsführer durch den jeweiligen Bestellungsakt. Im Fall einer GmbH muss er also wie ein Fremdgeschäftsführer durch die Gesellschafterversammlung zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt werden. Er selbst ist hierbei aufgrund des Interessenkonflikts (sein Eigeninteresse an der Bestellung lässt ihn nicht allein im Interesse der Gesellschaft abstimmen) mit seinem Stimmrecht ausgeschlossen. Im Fall der Aktiengesellschaft bestellt der Aufsichtsrat den Vorstand. Die Bestellung ist ein körperschaftlicher und kein vertraglicher Akt. Mit der Organstellung erhält der Gesellschafter die spezifischen organschaftlichen

5 Dies folgt aus der heute allgemein anerkannten Trennungstheorie: BGH NJW 2003, 351 ff.; Michalski/Lenz, § 35 Rn 155; Ascheid/Preis/Schmidt/Schmidt, Rn 54.

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Rechte und Pflichten des Geschäftsführers, insbesondere die Vertretungsbefugnis für die Gesellschaft. Praxistipp Die Eintragung des Gesellschafters als Geschäftsführer in das Handelsregister ist rein deklaratorisch und nicht Voraussetzung für die Erlangung der Organstellung.

3. Anstellungsvertrag Die Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer basiert üblicherweise auf einem 15 Anstellungsvertrag. In diesem finden sich insbesondere Regelungen zu Vergütung, Urlaubsanspruch, Altersversorgung und ähnlichem. Darüber hinaus kann er Regelungen zu (nachvertraglichen) Wettbewerbsverboten, Verschwiegenheitspflichten, Pflichten zur Übernahme weiterer Ämter in Tochtergesellschaften, Zustimmungsvorbehalten bei Nebentätigkeit, Vertragstrafen sowie sonstigen Rechten und Pflichten bei Beendigung der Organstellung enthalten. Grundsätzlich wird zwischen einem Gesellschafter-Geschäftsführer und einem 16 Fremdgeschäftsführer nicht oder nur geringfügig differenziert. Allerdings überlagern sich beim Gesellschafter-Geschäftsführer Pflichten, die er aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht der Gesellschaft und seinen Mitgesellschaftern ohnehin schuldet, mit denjenigen aus seinem Anstellungsvertrag. Besonders deutlich wird dies am Beispiel von Wettbewerbsverboten: Schon aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht folgt, dass ein Gesellschafter seiner Gesellschaft nicht unbegrenzt Wettbewerb machen darf. Zusätzlich enthalten Gesellschaftervereinbarungen regelmäßig Wettbewerbsverbote. Diese sollten auch in den Anstellungsvertrag aufgenommen werden. Praxistipp Es sollte sichergestellt werden, dass Wettbewerbsverbote in verschiedenen relevanten Verträgen sich weder in ihrem Inhalt, noch in ihrem örtlichen oder zeitlichen Anwendungsbereich widersprechen.

Aufgrund der selbstverantwortlichen Art der Tätigkeit ist der Anstellungsvertrag 17 grundsätzlich ein Dienstvertrag gem. §§ 611 ff., 675 Abs. 1 BGB und kein Arbeitsvertrag.6 Für den wirksamen Abschluss des Anstellungsvertrages gelten die allgemeinen Regeln über das Zustandekommen von Verträgen. Der Abschluss ist an keine Form gebunden und kann daher auch mündlich oder konkludent geschlossen werden. Die Berechtigung zum Abschluss eines Anstellungsvertrages liegt als Annexkompetenz zur Bestellung in der Regel bei der Gesellschafterversammlung (auch dies erfolgt auf-

6 MüAnwHB-ArbR/Moll, § 4 Rn 55.

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grund des Interessenkonflikts des betroffenen Gesellschafters ohne dessen Mitwirkung). Das maßgebliche Kriterium für die schuldrechtliche Einordnung des Anstellungs18 vertrags als freies Dienstverhältnis und nicht als Arbeitsvertrag ist die unternehme­ rische Freiheit des Geschäftsführers. Diese liegt bei einer persönlichen Abhängigkeit (d.h. bei betrieblicher Eingliederung und umfassenden Weisungen des Arbeitgebers hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung) nicht vor. Zwar unterliegt auch der Geschäftsführer den Weisungen der Gesellschaft. Das Weisung gebende Organ ist die Gesellschafterversammlung. Dass in diesem Fall ausnahmsweise der Geschäftsführer Teil dieses Organs ist, ist für die Einschätzung der Weisungsgebundenheit nicht maßgeblich. Zudem resultiert die Bindung an Weisungen allein aus der organschaftlichen Stellung. Sie darf nicht mit der arbeitsrechtlichen Weisungsgebundenheit verwechselt werden. Besonders deutlich wird dies, wenn man sich das gesellschaftsrechtliche Regel-Ausnahmeverhältnis vor Augen führt: Grundsätzlich ist der Geschäftsführer unbeschränkt zur Vertretung und Geschäftsführung berechtigt. Im Außenverhältnis lässt sich beides auch nicht einschränken. Beschränkungen gelten nur im Innenverhältnis zu den Gesellschaftern. Beschränkungen müssen in Ausnahme zur Generalvertretung einzeln in der Satzung oder über Weisungen (des Organs Gesellschafterversammlung) eingeführt werden. Aus arbeitsrechtlicher Sicht nimmt der Geschäftsführer gegenüber den Arbeitnehmern Arbeitgeberfunktionen wahr und repräsentiert die Gesellschaft als juristische Person nach außen. Deshalb kann er auf dieser Ebene nicht zugleich Arbeitnehmer sein.7 Ein weiteres Indiz für eine fehlende Arbeitnehmereigenschaft des Geschäftsführers ist, dass dieser kraft gesetzlicher Anordnung in § 14 Nr. 1 KSchG aufgrund der Organstellung nicht unter den Schutzbereich des Kündigungsschutzgesetzes fällt. In Ausnahmefällen hält das Bundesarbeitsgericht die Anwendung einzelner arbeitsrechtlicher Vorschriften für zulässig.8 Voraussetzung hierfür ist aber stets, dass der Bedarf nach Sicherung der wirtschaftlichen und persönlichen Existenz des Geschäftsführers stärker wiegt als die Stellung als Unternehmensleiter.9

4. Sonderfall: Ein-Mann-GmbH

19 Eine Sonderform bilden sog. „Ein-Mann-GmbHs“, bei deren Geschäftsführern sich

die Frage stellt, ob sie als Selbstständige oder abhängige Beschäftigte zu behandeln sind. Nach überwiegender Ansicht sind solche Alleingeschäftsführer gleich den

7 So die st. Rspr.: BAG NZA 1999, 987, 988, BGH NJW 1978, 1435 ff.; vgl. auch Boemke, ZfA 1998, 209, 213; Reiserer, BB 1999 Heft 39, 2026. 8 BAG, Urt. v. 16.5.1999 – 5 AZR 664/98 = NJW 1999, 3731 ff. 9 Hümmerich/Reufels/Reufels, § 2 Rn 9; BAG, Urt. v. 13.2.2003 – 8 AZR 654/01 = NZA 2003, 552 ff.

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B. Steuerrecht 

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beherrschenden Gesellschaftern als Selbstständige einzuordnen und stehen zu der Gesellschaft in keinem Beschäftigungsverhältnis.10 Dem steht ein etwaig selbst vereinbartes Anstellungsverhältnis nicht entgegen, da sie die konkrete Ausgestaltung des Anstellungsverhältnisses mit der GmbH und auch die Vergütung selbst festlegen. Praxistipp Bei Abschluss eines Anstellungsvertrages muss der Alleingesellschafter von § 181 BGB (Verbot des Selbstkontrahierens) befreit werden, um diesen Vertrag rechtswirksam zustande bringen zu können. Die Befreiung muss im Gesellschaftsvertrag festgelegt werden und ist ferner in das Handelsregister einzutragen.

Checkliste –– Rechtlich korrekte Einordnung und Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses, auf dessen Basis der mitarbeitende Gesellschafter für die Gesellschaft tätig wird. –– Weitestgehende Vermeidung von Interessenkonflikten, welche die einzelnen Vertragsverhältnisse enthalten können. –– Trennung von Bestellungsakt und Abschluss eines Anstellungsvertrages. –– Enthält der Anstellungsvertrag ein Wettbewerbsverbot und ist dieses rechtskonform und widerspruchsfrei ausgestaltet? –– Bei einem Geschäftsführer ist mit Blick auf das Nichtvorliegen einer Arbeitnehmereigenschaft zwischen Weisungen der Gesellschaft und der Weisung im arbeitsrechtlichen Sinne zu unterscheiden. –– Bei der Ein-Mann-GmbH: Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB).

B. Steuerrecht I. Allgemeines Lohnsteuerliche Arbeitgeberpflichten entstehen für einen mitarbeitenden Gesell- 20 schafter nur, wenn er sich als Arbeitnehmer im steuerrechtlichen Sinn qualifiziert und die an ihn gezahlte Tätigkeitsvergütung Arbeitslohn darstellt. Für die steuerrechtliche Einstufung als Arbeitnehmer ist zwischen mitarbei- 21 tenden Gesellschaftern von Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften zu unterscheiden. Dabei ist bei den Personengesellschaften und den Kapitalgesellschaften grundsätzlich zwischen den unterschiedlichen Gesellschaftsformen wie z.B. der BGB-Gesellschaft, OHG und KG (Personengesellschaften) und der GmbH sowie AG (Kapitalgesellschaften) näher zu differenzieren. Ggf. können auch die prozen­ tualen Beteiligungsverhältnisse an einer Gesellschaft eine Rolle für die lohnsteu-

10 BSG, Urt. v. 9.11.1989 – 11 RAr 39/89 = BSGE 66/69; Ascheid/Preis/Schmidt/Preis, 1. Teil Kap. F. Rn 57.

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erliche Beurteilung spielen.11 Genauso können die vertragliche Ausgestaltung und die tatsächliche Durchführung der Tätigkeit des mitarbeitenden Gesellschafters für etwaige lohnsteuerliche Konsequenzen relevant sein. Angesichts der im Einzelfall zu berücksichtigenden konkreten Ausprägungen der 22 zu prüfenden Merkmale ist die steuerrechtliche Beurteilung einer Mitarbeit von Gesellschaftern im Unternehmen mitunter nicht einfach. Praxistipp Bei Unsicherheiten empfiehlt es sich, die Frage der Arbeitnehmereigenschaft für mitarbeitenden Gesellschafter durch eine Lohnsteuer-Anrufungsauskunft nach § 42e EStG beim zuständigen Betriebsstättenfinanzamt zu klären. 23 Zur Klärung der Frage nach der Arbeitnehmereigenschaft ist für lohnsteuerliche

Zwecke wie folgt zu differenzieren:

II. Gesellschafter von Personengesellschaften

24 Der am Unternehmen beteiligte Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft (Gesellschaft

bürgerlichen Rechts) ist regelmäßig kein Arbeitnehmer im Sinne des Steuerrechts, sondern Mitunternehmer i.S.d. §  15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Gewinnanteile, die z.B. ein an einer gewerblich geprägten BGB-Gesellschaft beteiligter Gesellschafter bezieht, gehören somit zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb, für die keine Pflicht zum Lohnsteuereinbehalt besteht. Auch zusätzliche Vergütungen für eine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft gehören nach §  15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu den Einkünften aus Gewerbetrieb. Dies gilt selbst dann, wenn z.B. der Gesellschafter einer gewerblich geprägten BGB-Gesellschaft mit der Gesellschaft einen Arbeitsvertrag als Geschäftsführer geschlossen hat, da insoweit eine „Umqualifikation“ von Arbeitslohn in gewerbliche Einkünfte erfolgt.12 Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für den an einer OHG (Offenen Handels25 gesellschaft) beteiligten Gesellschafter. Auch der mitarbeitende Gesellschafter einer OHG ist kein Arbeitnehmer im steuerrechtlichen Sinn, sondern Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Seine von der OHG bezogenen Gewinnanteile und Tätigkeitsvergütungen gehören daher zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit der Folge, dass lohnsteuerlich nichts zu veranlassen ist. Bei einer KG muss für die lohnsteuerliche Beurteilung zwischen Kommanditis26 ten, deren Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern beschränkt ist, und den unbeschränkt haftenden Komplementären unterschieden werden.13 Die Komple­

11 Vgl. Rn 29. 12 Besgen/Greilich/Mader/Perach/Voss, Rn 1300. 13 Vgl. dazu auch § 161 HGB.

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B. Steuerrecht 

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mentäre einer KG sind keine Arbeitnehmer im steuerrechtlichen Sinn. Wie bei den mitarbeitenden Gesellschaftern einer BGB-Gesellschaft oder einer OHG sind etwaige Vergütungen auch bei einem Komplementär als gewerbliche Einkünfte i.S.d § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu behandeln. Gleiches gilt grundsätzlich auch für den Komman­ ditisten. Ausnahmsweise können etwaige Vergütungen des Kommanditisten jedoch als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu behandeln sein, z.B. wenn seine Leistungen für die Gesellschaft nicht durch das Gesellschaftsverhältnis (Mitunternehmerverhältnis) veranlasst sind.14 Praxistipp Bei der steuerrechtlichen Beurteilung ist darauf zu achten, ob der Mitarbeiter an der Personengesellschaft beteiligt ist. So wird z.B. ein nicht an der Personengesellschaft beteiligter Geschäftsführer regelmäßig als Arbeitnehmer im steuerrechtlichen Sinn anzusehen sein.15

III. Gesellschafter von Kapitalgesellschaften Arbeiten Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft im Unternehmen mit, können diese 27 als Arbeitnehmer im steuerrechtlichen Sinn, Gesellschafter oder als Selbststän­ dige für die Gesellschaft tätig werden.16 Deswegen können Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft verschiedene Einkunftsarten von der Gesellschaft beziehen. Für lohnsteuerliche Zwecke sind deswegen auch die Einkunftsarten eines mitarbeitenden Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft regelmäßig näher zu würdigen. Als gesetzlicher Vertreter einer GmbH sind Geschäftsführer als solche einer AG 28 (Organmitglieder einer Kapitalgesellschaft) in der Regel als Arbeitnehmer im Sinne des Steuerrechts zu behandeln, soweit sie in den Organismus der Gesellschaft eingegliedert sind.17 Sind die Organmitglieder zugleich Gesellschafter der Kapitalgesellschaft, sind für die steuerrechtliche Beurteilung der Mitarbeit grundsätzlich die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Insbesondere bei Gesellschaftern einer GmbH, die für diese zugleich als 29 Geschäftsführer tätig werden, bereitet die lohnsteuerliche Beurteilung in der Praxis häufig Probleme und es ist deswegen generell zu prüfen, ob eine Arbeitnehmereigenschaft des Gesellschafter-Geschäftsführers vorliegt und etwaige Tätigkeitsvergütungen insgesamt als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren sind. Aufgrund der bestehenden Vertragsfreiheit können sog. Gesellschafter-Geschäftsführer nicht nur als Arbeitnehmer, sondern u.a. auch auf selbstständiger Basis tätig werden (z.B. Mitarbeit aufgrund eines Beratervertrags). Für eine Abgrenzung zwi-

14 BFH, Urt. v. 24.1.1980 – IV R 154–155/77 –. 15 Küttner/Seidel, Geschäftsführer, Rn 35. 16 Schmidt/Drenseck, EStG-Kommentar, § 19 Rn 15. 17 Schmidt/Drenseck, EStG-Kommentar, § 19 Rn 15.

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schen selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit sind dabei anders als etwa im Sozialversicherungsrecht18 die prozentualen Beteiligungsverhältnisse am Stammkapital der Gesellschaft grundsätzlich unerheblich, können jedoch für die steuerrechtliche Beurteilung Indizwirkung haben.19 Bei Abschluss entsprechen­ der Geschäftsführerverträge20 sollte daher darauf geachtet werden, dass klar zum Ausdruck kommt, was zwischen den Parteien gewollt ist. Ist eine Arbeitnehmereigenschaft im steuerlichen Sinn zu bejahen, muss bei 30 Gesellschafter-Geschäftsführern ggf. untersucht werden, ob das gezahlte Entgelt vollumfänglich Arbeitslohn darstellt.21 Denn soweit die Vergütung des Gesellschafter-Geschäftsführers die Grenze der Angemessenheit übersteigt, liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor, die nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört.22 Für die Ermittlung der Angemessenheit ist der Fremdvergleich maßgebend.23 Ein Fremdgleich ist anzustellen, indem u.a. geprüft wird, ob ein Gesellschafter einem Nichtgesellschafter unter gleichen Umständen den gleichen Vermögensvorteil gewährt hätte.24 Bei einem beherrschenden Gesellschafter (eine beherrschende Stellung kann 31 z.B. bei einer Mehrheit der Stimmrechte vorliegen)25 ist zudem darauf zu achten, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung in der Regel auch anzunehmen ist, wenn es bereits an einer zivilrechtlich wirksamen, klaren, eindeutigen und im Voraus abge­ schlossenen Vereinbarung darüber fehlt, ob und in welcher Höhe ein Entgelt für eine Leistung des Gesellschafters zu zahlen ist.26 Praxistipp Zur Vermeidung von verdeckten Gewinnausschüttungen sollten daher vorab entsprechende Vereinbarungen über Vergütungsbestandteile getroffen werden. 32 Auch Überstundenvergütung, Zahlungen von Sonn-, Feiertags- und Nachtzu­

schlägen an den Gesellschafter-Geschäftsführer können eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellen.27

18 Vgl. Ausführungen zur Sozialversicherung Rn 45 ff. 19 BFH, Urt. v. 20.10.2010 – VIII R 34/08 –. 20 Vgl. auch Ausführungen zum Arbeitsrecht Rn 15 ff. 21 Küttner/Seidel, Geschäftsführer, Rn 39. 22 BMF-Schreiben v. 14.10.2002 – IV A 2 – S 2742 – 62/02 –. 23 BMF-Schreiben v. 14.10.2002 – IV A 2 – S 2742 – 62/02 – mit weiteren Beurteilungskriterien und Prüfhinweisen zur Angemessenheit der Gesamtbezüge eines Gesellschafter-Geschäftsführers. 24 BFH, v. 11.2.1987 – I R 177/83 –; vgl. auch H 38 III (Allgemeines) KStR. 25 Vgl. hierzu auch H 36 III (Beherrschender Gesellschafter) KStR. 26 Vgl. R 36 Abs. 2 KStR. 27 Vgl. H 36 IV, V KStR mit weiteren Hinweisen und Beispielen.

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Insbesondere bei einer Firmenwagennutzung durch den Gesellschafter- 33 Geschäftsführer kann es zur verdeckten Gewinnausschüttung kommen. Arbeitslohn liegt für den Gesellschafter-Geschäftsführer grundsätzlich nur bei einer Privatnutzung auf Basis einer ausdrücklich zugelassenen Nutzungsvereinbarung vor.28 Bei einer vertragswidrigen Privatnutzung kann der daraus resultierende Vorteil als verdeckte Gewinnausschüttung zu qualifizieren sein.29 Bei einer nachhaltig vertragswidrigen Privatnutzung bedarf es einer näheren Prüfung. Sofern die vertragswidrige Privatnutzung auf einer konkludent getroffenen Nutzungs- oder Überlassungs­ vereinbarung beruht, kann sie wiederum durch das Arbeitsverhältnis bedingt sein mit der Folge, dass keine verdeckte Gewinnausschüttung, sondern Arbeitslohn vorliegt.30 Eine korrekte Zuordnung kann im Einzelfall schwierig sein. Praxistipp Durch entsprechende Vereinbarungen zur Privatnutzung eines Firmenwagen kann ggf. vermieden werden, dass verdeckte Gewinnausschüttungen für den Gesellschafter-Geschäftsführer angenommen werden.

Sofern die Privatnutzung des Firmenwagens als verdeckte Gewinnausschüttung 34 zu beurteilen ist, ist ferner zu berücksichtigen, dass die Vorteilsbewertung nach Fremdvergleichsmaßstäben mit dem gemeinen Wert der Nutzungsüberlassung erfolgt und die 1%-Methode hierbei keine Anwendung findet.31 Checkliste –– Qualifiziert sich der Gesellschafter als Arbeitnehmer? –– Liegen Arbeitslohn oder andere Einkunftsarten vor? –– Besonderheiten bei Gesellschafter-Geschäftsführer? –– Abgrenzung verdeckte Gewinnausschüttung und Arbeitslohn? –– Vertragswidrige Privatnutzung eines Firmenwagens?

28 BFH, Beschl. v. 23.4.2009 – VI B 118/08 –, vgl. auch BMF-Schreiben v. 3.4.2012 – IV C2 – S2742/08/10001. 29 BFH, Urt. v. 23.1.2008 – I R 8/06 –; Urt. v. 23.4.2009 – VI R 81/06 –. 30 BFH, Urt. 11.2.2010 – VI R 43/09 –. 31 BFH, Urt. v. 23.1.2008 – I R 8/06 –; BFH, Urt. v. 23.4.2009 – VI R 81/06 –; H 37 (Nutzungsüberlassung) KStR.

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 Kapitel 25 Mitarbeitender Gesellschafter

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I. Gesellschafter von Personengesellschaften 1. Kommanditgesellschaft a) Kommanditist Kommanditisten stehen regelmäßig in einem abhängigen Beschäftigungsverhält­ nis zur Gesellschaft und unterliegen somit der Sozialversicherungspflicht. Dies wird damit begründet, dass mit einem Kommanditanteil kein maßgeblicher Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausgeübt werden kann. Ist einem Kommanditisten durch Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführung der Gesellschaft übertragen worden, so bedeutet das nicht zwingend, dass kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis mehr vorliegt. Ein nicht-abhängiges Beschäftigungsverhältnis ist in diesem Fall nur dann gegeben, wenn die Übertragung der Geschäftsführung mit Zustimmung aller Gesellschafter erfolgt ist und der geschäftsführende Kommanditist dabei von dem Komplementär oder den Beschlüssen der Gesellschaft unabhängig ist.32 Ebenfalls liegt kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor, wenn der mitarbeitende Kommanditist zeitgleich an der Komplementär-Gesellschaft mit mindestens 50 % beteiligt ist, da dieser durch die Beteiligung einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben kann. Dies kann bspw. bei einer GmbH & Co KG der Fall sein. Zuletzt kann bei einem mitarbeitenden Kommanditisten auch ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ausgeschlossen sein, wenn die nachfolgend unter Rn 48 ff. genannten Indizien und Merkmale, soweit diese auf die KG anwendbar sind, vorliegen. Hinsichtlich der vorstehenden Fälle obliegt die Entscheidung über die Sozialversicherungspflicht ebenfalls der Deutschen Rentenversicherung bzw. der Einzugsstelle, so dass auch bei mitarbeitenden Kommanditisten die Durchführung eines Sta­ tusfeststellungsverfahrens33 dringend empfohlen wird.

b) Komplementär

40 Bei dem Komplementär einer KG wird das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung

grundsätzlich verneint, so dass diese regelmäßig nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Ist die Komplementärin einer KG eine GmbH, so unterliegt der am Stammkapital 41 der Komplementärin beteiligte Geschäftsführer dann der Sozialversicherungspflicht,

32 Vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 22.2.1963. 33 Siehe Kap. 14 – Freelancer C. III. Rn 63 ff.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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wenn dieser auf die Geschicke der Komplementär-GmbH keinen maßgeblichen Ein­ fluss ausüben kann.34 In Zweifelsfällen wird auch hier die Durchführung eines Statusfeststellungsver­ 42 fahrens dringend empfohlen.35

2. Gesellschaft bürgerlichen Rechts und Offene Handelsgesellschaft Wegen ihrer uneingeschränkten persönlichen Haftung besteht für mitarbeitende 43 Gesellschafter einer GbR und OHG grundsätzlich keine Sozialversicherungspflicht. Dieser Personenkreis wird als selbstständig eingestuft. Selbst wenn diese mit Geschäftsführerbefugnissen betraut werden und hierfür ein besonderes Gehalt beziehen, tritt eine Versicherungsplicht nicht ein

II. Gesellschafter von Kapitalgesellschaften 1. Gesellschaft mit beschränkter Haftung a) Gesellschafter-Geschäftsführer Aufgrund mehrere höchstrichterlicher Entscheidungen entwickelte sich der Grund- 44 satz, dass ein Gesellschafter-Geschäftsführer mit einer Kapitalbeteiligung von mindestens 50  % am Stammkapital der Gesellschaft nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur GmbH steht. Einem entsprechenden GesellschafterGeschäftsführer wird regelmäßig unterstellt, dass er aufgrund seiner Kapitalbeteiligung und den damit verbundenen Stimmrechten (solange er diese auch ausüben kann) in der Gesellschafterversammlung einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausübt und somit in seiner Tätigkeit für die GmbH als sozialversicherungsfrei gilt. Bei Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführern (Kapitalbeteiligung unter 45 50 % des Stammkapitals) ist die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung schwieriger. Grundsätzlich gelten diese als sozialversicherungspflichtig. Liegen allerdings ergänzende Voraussetzungen und Umstände vor und spricht die Gesamtschau der Tätigkeit somit eher für eine (trotz der geringeren Kapitalbeteiligung) beherrschende Stellung des Gesellschafter-Geschäftsführers, so kann auch ein Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer als nicht-abhängig beschäftigt und somit sozialversicherungsfrei gelten. Dabei kommt es auch hier im Wesentlichen nicht nur auf die dienstund gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen sondern auch auf die tatsächlichen gelebten Verhältnisse der Tätigkeit an.

34 Hinsichtlich der Beurteilung, ob ein beherrschender Einfluss auf die Geschicke der (Komplementär-)GmbH vorliegt, kann auf die unter Rn 46 ff. gemachten Ausführungen verwiesen werden. 35 Siehe Kap. 14 – Freelancer C. III. Rn 63 ff.

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 Kapitel 25 Mitarbeitender Gesellschafter

46 Folgende Merkmale der Tätigkeit eines Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführers

können, bei vollständigem oder auch teilweisem Vorliegen, zu einer nicht-abhängi­ gen Beschäftigung des Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführers führen: –– Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot gem. § 181 BGB 47 Die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot gem. §  181 BGB gilt als gewichtiges Indiz für eine nicht-abhängige Beschäftigung. Dadurch ist es dem Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer möglich, mit sich und in eigenem Namen Geschäfte mit der Gesellschaft abschließen. Durch dieses Privileg wird dem Minderheits-GesellschafterGeschäftsführer eine besondere Möglichkeit zur Einflussnahme auf die Geschicke der GmbH unterstellt. –– Weisungsfreiheit hinsichtlich Zeit, Ort und Dauer der Tätigkeit 48 Der Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer darf keinen Vorgaben hinsichtlich der Zeit, dem Ort und der Dauer seiner Tätigkeit unterliegen. D.h., der Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer bestimmt seine Arbeitszei49 ten selbst und entscheidet selbst, von wo aus er seine Tätigkeit erbringt. Beispiel Ein Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer, der jederzeit und ohne gesonderte Erlaubnis vom Home-Office oder von einem Zweitwohnsitz aus seine Tätigkeit für die Gesellschaft ausüben kann und selbst darüber entscheidet, wann er seinen Arbeitstag beginnt und beendet und auch seine Pausen und Freizeit selbst bestimmt, ist weisungsfrei hinsichtlich der Zeit, Ort und Dauer seiner Tätigkeit.

–– Kopf und Seele des Unternehmens

50 Verfügt der Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer über spezielles (Branchen-)

Know-how und Fähigkeiten mit dem Ergebnis, dass keiner der übrigen Gesellschafter in der Lage ist diesem, aufgrund seiner fachlichen Überlegenheit, Weisungen zu erteilen, so ist dies ebenfalls ein Indiz für eine nicht-abhängige Tätigkeit. Gleiches gilt auch, wenn der Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer Inhaber 51 von für die Gesellschaft maßgeblichen Patenten o.ä. ist oder als branchenbezogener Konzessionsträger fungiert (z.B. bei Handwerksbetrieben und Pharma-Unternehmen). Allerdings sind die Maßstäbe für eine fachliche Überlegenheit des Minderheits52 Gesellschafter-Geschäftsführers gegenüber den anderen Gesellschaftern hoch anzusetzen. –– Familien-GmbH 53 Ist die Gesellschaft bzw. die Mehrheit der Gesellschaft in der Hand einer Familie und ist die Geschäftsführertätigkeit des Minderheits-Gesellschafters durch familienhafte Rücksichtnahme bzw. ein gleichberechtigtes Nebeneinander zu den übrigen Gesellschaftern gekennzeichnet, so kann ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ebenfalls ausscheiden.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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Praxishinweis Im Falle einer Familien-GmbH kann sogar ein Familienangehöriger sozialversicherungsfrei sein, der die Gesellschaft nach eigenem Gutdünken frei und unabhängig führt, ohne dass ihn dabei die Gesellschafter hindern, selbst dann wenn er weder Gesellschafter noch Geschäftsführer der GmbH ist.

–– Sperrminorität Kann ein Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer aufgrund besonderer Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag die Beschlüsse oder bestimmte Beschlüsse der anderen Gesellschafter verhindern, so ist dies ebenfalls ein gewichtiges Indiz für eine nicht-abhängige Beschäftigung. Ähnliches gilt auch bei Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführern, welche durch Treuhandvereinbarung das Stimmrecht für einen anderen Gesellschafter (mit-) ausüben und dadurch eine faktische Stimmenmehrheit bzw. Sperrminorität erhalten. –– Mehrere gleichberechtigte Gesellschafter-Geschäftsführer Führen mehrere Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer die Gesellschaft gleichberechtigt, so ist dies ebenfalls ein Indiz für eine nicht-abhängige Beschäftigung, insbesondere wenn die Kapitalbeteiligungen so verteilt sind, dass jedem GesellschafterGeschäftsführer eine Sperrminorität zukommt. –– Unternehmerrisiko und -chance Ein Indiz für eine nicht-abhängige Beschäftigung ist gegeben, wenn der MinderheitsGesellschafter-Geschäftsführer ein über die Kapitalbeteiligung hinausgehendes finanzielles Risiko für die Gesellschaft trägt. Dies kann bspw. durch die Übernahme von Bürgschaftserklärungen oder durch die Gewährung (ungesicherter) Darlehen an die Gesellschaft erfolgen, denn Kennzeichen eines (sozialversicherungsfreien) Selbstständigen ist es auch, dass dieser wirtschaftliche Risiken eingeht und seine Unternehmerchance wahrnimmt. Die Übernahme eines (Unternehmer-) Risikos kann bspw. auch angenommen werden, wenn der Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer keine oder nur eine geringe Fixvergütung für seine Tätigkeit erhält und der angedachte Hauptbestandteil der Vergütung erfolgsabhängig bzw. variabel gewährt wird. Verantwortet ein Minderheits-Gesellschafter-Geschäftsführer die strategische Neu-Ausrichtung einer Gesellschaft und beschreitet dieser neue Geschäftswege, so kann dies ebenfalls ein Indiz für die Wahrnehmung einer Unternehmerchance sein.

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b) Gesellschafter ohne Geschäftsführerstellung Ein mitarbeitender Gesellschafter ohne Geschäftsführereigenschaft, welcher auf- 60 grund seiner Kapitalbeteiligung an der Gesellschaft einen maßgeblichen Einfluss auf diese ausüben kann, gilt nach Auffassung der Rechtsprechung ebenfalls nicht als

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 Kapitel 25 Mitarbeitender Gesellschafter

abhängig Beschäftigter und ist somit von der Sozialversicherungspflicht frei.36 Ein maßgeblicher Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft wird in der Regel angenommen, wenn der Gesellschafter mindestens 50 % der Geschäftsanteile an der Gesellschaft hält. Ein maßgeblicher Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft kann jedoch auch 61 dann angenommen werden, wenn der mitarbeitende Gesellschafter aufgrund gesellschaftsvertraglicher Vereinbarungen über besondere Sperrminoritäten verfügt oder Kraft einer Treuhandvereinbarung das Stimmrecht weiterer Gesellschafter ausüben kann und somit die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich bestimmen kann. Ein mitarbeitender (Minderheits-)Gesellschafter kann möglicherweise auch dann 62 als nicht-abhängig Beschäftigter betrachtet werden, wenn die unter Rn 48 ff. genannten Indizien und Merkmale ganz oder teilweise ergänzend vorliegen.

36 Vgl. BSG, Urt. v. 17.5.2001 – B 12 KR 34/00 R –.

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Kapitel 26 Mitarbeiter als Unternehmer A. Arbeitsrecht I. Einleitung Durch eine finanzielle Mitarbeiterbeteiligung kann der Mitarbeiter zum (Mit-)Unter- 1 nehmer werden. In Deutschland beteiligen die meisten großen Aktiengesellschaften Teile ihrer Mitarbeiter durch Aktienoptionen oder Belegschaftsaktien am Unternehmen. Im Gesamtbild der deutschen Unternehmen spielt die finanzielle Mitarbeiterbeteiligung dennoch eher eine geringe Rolle. Wie eine im September 2011 veröffentlichte Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt, beteiligten im letzten Jahrzehnt lediglich 10 % der 16.000 befragten Unternehmen einzelne Mitarbeiter zumindest teilweise am Gewinn. Von den Unternehmen mit finanzieller Mitarbeiterbeteiligung waren von der Gesamtbelegschaft wiederum nur 1 % der Mitarbeiter am Kapital des Unternehmens beteiligt.1 Praxistipp –– Aus Sicht des Arbeitgebers gibt es gute Gründe sich mit den Chancen einer Mitarbeiterbeteiligung auseinanderzusetzen: –– So kann eine finanzielle Mitarbeiterbeteiligung – je nach Ausgestaltung – zu Verbesserungen im Bereich der Finanzierung, Kostenflexibilisierung, Liquiditätssicherung, Ergebnisverbesserung sowie der Mitarbeiterbindung führen. In Anbetracht der demografischen Veränderungen und eines möglicherweise künftig zunehmenden Wettbewerbs der Unternehmen um Fachkräfte sowie einer ebenfalls erhofften Motivationssteigerung der am Unternehmenserfolg unmittelbar beteiligten Mitarbeiter, erscheint eine Stärkung der Mitarbeiterbeteiligung ebenfalls überlegenswert. –– Auch kann in einer möglichen Krise die finanzielle Mitarbeiterbeteiligung am Gewinn und Kapital des Unternehmens ein mögliches Instrument bei der Unterstützung angeschlagener Unternehmen darstellen. Im Übrigen kann auch für den Mitarbeiter aus einer Mitarbeiterbeteiligung – insbesondere unter Berücksichtigung der steuerlichen Förderung durch das „Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetz“ – eine attraktive Form der Vermögensbildung entstehen.

II. Formen der Mitarbeiterbeteiligungen Mitarbeiterbeteiligungen lassen sich in Eigenkapitalbeteiligungen, Fremdkapitalbe- 2 teiligungen und in Mischformen aus beidem einteilen.

1. Eigenkapitalbeteiligungen Zu Eigenkapitalbeteiligungen zählen finanzielle Mitarbeiterbeteiligungen, bei 3 denen das Kapital des Mitarbeiters dem Unternehmen als Eigenkapital zufließt. Der

1 Vgl. IAB-Kurzbericht 17/2011, S. 3 ff. Das IAB ist eine Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit.

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 Kapitel 26 Mitarbeiter als Unternehmer

Arbeitnehmer wird (z.B. durch die Ausgabe von Belegschaftsaktien, durch die Zuteilung von Aktienoptionen oder durch die notarielle Abtretung von GmbH-Anteilen an den Mitarbeiter) am Gesellschaftsvermögen und am Gewinn und Verlust des Unternehmens beteiligt und erhält dabei die jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsrechte – wie bspw. die Stimmrechte als Aktionär auf der Hauptversammlung einer AG. Bei der GmbH werden die GmbH-Anteile gelegentlich auch von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gehalten, an welcher wiederum die Mitarbeiter beteiligt werden können. Praxistipp Steht bei der Mitarbeiterbeteiligung die gewünschte zusätzliche Motivation des Mitarbeiters im Vordergrund, ist zu beachten, dass – wie die letzten Krisen verdeutlichen – die Zuteilung von Belegschaftsaktien und Aktienoptionen bei fallenden Aktienwerten des Arbeitgebers aus der, in der Regel eher kurzfristigen, Betrachtung des Mitarbeiters kaum eine zusätzliche Motivationshilfe darstellt.

2. Fremdkapitalbeteiligungen 4 Bei der Fremdkapitalbeteiligung ist der Arbeitnehmer nur auf Zeit am Unternehmen beteiligt. Dies geschieht bspw., indem der Mitarbeiter dem Unternehmen Kapital in Form eines Darlehens vorübergehend überlässt. Bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses sind diese Darlehen regelmäßig vom Unternehmen an den Mitarbeiter zurückzuzahlen. Das Darlehen ist nicht an einem möglichen Verlust beteiligt und erhält meist nebst einer ergebnisunabhängigen Verzinsung auch eine erfolgsabhängige Verzinsung. Ist eine staatliche Förderung der Mitarbeiterbeteiligung in Form einer Arbeitnehmersparzulage beabsichtigt, muss der Arbeitgeber allerdings das Mitarbeiterdarlehen gegen eine mögliche Insolvenz des Unternehmens absichern.2

3. Mischformen 5 Zwischen den Möglichkeiten eigen- oder fremdkapitalmäßiger Beteiligungen sind Mischformen angesiedelt, die dem Unternehmen erhebliche Gestaltungsspielräume bezüglich des Kapitalcharakters oder der Mitwirkungsrechte des Mitarbeiters bieten. „Mezzanine Beteiligungen“ in Form von Genussrechten oder stillen Beteiligun6 3 gen sind Mischformen der Beteiligung, die insbesondere im Mittelstand und in Familienunternehmen anzutreffen sind. Als schuldrechtliche Forderungen müssen sie als Fremdkapital bilanziert werden, während sie wirtschaftlich als Eigenkapital gewertet werden, sofern das eingesetzte Kapital mindestens fünf Jahre festgelegt ist und das Kapital mögliche Verluste mitträgt.

2 § 2 Abs. 1 Nr. 1 (k) des Fünften Vermögensbildungsgesetzes. 3 Vgl. zur stillen Gesellschaft die Regelungen der §§ 230 ff. HGB.

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A. Arbeitsrecht 

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Zumeist wird bei diesen Beteiligungen das eingesetzte Kapital erfolgsabhängig ver- 7 zinst und nach Ablauf von der vertraglich vereinbarten Festlegungszeit an den Mitarbeiter zurückgezahlt. Interessant sind Genussscheine und stille Beteiligungen aus Unternehmenssicht auch, weil – anders als bei der Aktie – weder ein Genussrechtsinhaber noch ein stiller Gesellschafter an den unternehmerischen Entscheidungen zu beteiligen ist. Gegenüber dem Mitarbeiter ist klarzustellen, dass dieser im Fall der Unternehmensinsolvenz – ebenso wie der Genussscheininhaber – sein eingesetztes Kapital ganz oder teilweise verlieren kann.

4. Arbeits-, Gesellschafts- und Schuldrecht Je nach Ausgestaltung der Mitarbeiterbeteiligung im Einzelfall kann eine Verknüp- 8 fung mit dem Arbeitsverhältnis vorliegen oder auch nicht. So können bspw. bei einem Arbeitnehmer, der zum Aktionär oder Mitgesellschafter geworden ist, hinsichtlich seiner Mitarbeiterbeteiligung allein schuld- und gesellschaftsrechtliche Vorschriften einschlägig sein. Möglich ist aber auch eine Verknüpfung der Mitarbeiterbeteiligung mit dem Arbeitsverhältnis. Häufig erhalten Arbeitnehmer während der Laufzeit ihres Arbeitsverhältnisses günstigere als marktübliche Beteiligungsbedingungen oder zusätzliche Leistungen des Arbeitgebers beim Erwerb der Beteiligungen. Während die Frage des Rechts auf die Mitarbeiterbeteiligung dem Arbeitsrecht 9 zugeordnet wird, werden Fragen hinsichtlich der Verwendung der aufgebrachten Mittel vom allgemeinen Schuld- oder Gesellschaftsrecht geregelt.4 Praxistipp Die aus der Mitarbeiterbeteiligung resultierenden finanziellen Vorteile, wie Gewinne und Zinsen zählen nicht zum Arbeitsentgelt. Auch eine Beteiligung des Arbeitnehmers an Verlusten ist somit zulässig, da diese, anders als eine entsprechende arbeitsrechtliche Vergütungsregelung, nicht gegen die guten Sitten i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB verstößt.5

5. AGB Anforderungen Der Arbeitgeber muss beachten, dass Regelungen zu Mitarbeiterbeteiligungen den 10 Anforderungen des AGB-Rechts unterliegen können. So hat das BAG festgestellt, dass bei Aktienoptionsbedingungen, sofern sie vom Arbeitgeber gestellt sind, im Rahmen des § 307 BGB eine „typisierte“ Interessenabwägung vorzunehmen sei.6

4 Leuner/Dumser, BB, 2006, 1993,1995. 5 BAG, Urt. v. 10.10.1990 – 5 AZR 404/89 = DB 1991, 659. 6 BAG, Urt. v. 28.5.2008 – 10 AZR 351/07 = NZA 2008, 1066.

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 Kapitel 26 Mitarbeiter als Unternehmer

6. Gleichbehandlungsgrundsatz

11 Bei der Gestaltung von Mitarbeiterbeteiligungen hat der Arbeitgeber den Gleichbe­

handlungsgrundsatz zu beachten. Der Gleichbehandlungsgrundsatz kommt zwar nicht zur Anwendung, sofern es sich um individuell vereinbarte Löhne und Gehälter handelt.7 Er greift jedoch dann ein, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip aufgrund einer abstrakten Regelung gewährt, wie dies häufig bei der Mitarbeiterbeteiligung der Fall ist. Von einer solchen Regelung darf ein Arbeitgeber den Arbeitnehmer daher nur aus sachlichen Gründen ausschließen.8 Praxistipp –– Mitarbeiterbeteiligungen können auch zu besonderen Haftungsrisiken des Arbeitgebers führen: –– Fördert bspw. das Unternehmen den Kauf von Belegschaftsaktien, deren „Notierung an der Börse“ angekündigt wird, durch die Gewährung von zweckgebenden zinsgünstigen Darlehen, hat der Arbeitgeber die Arbeitnehmer über die besonderen Risiken des Erwerbs nicht zum Börsenhandel zugelassener Aktien aufzuklären. Bei schuldhafter Verletzung seiner Aufklärungspflicht haftet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auf Schadensersatz in Form einer Befreiung von der Verpflichtung zur Rückzahlung des Darlehens Zug um Zug gegen Rückgabe der Aktien.9

7. Betriebliche Mitbestimmung 12 Gemäß § 88 Nr. 3 BetrVG kann der Arbeitgeber „Maßnahmen zur Förderung der Vermögensbildung“ – also auch die Beteiligung am arbeitgebenden Unternehmen – gemeinsam mit dem Betriebsrat im Rahmen einer freiwilligen Betriebsvereinbarung regeln. Beabsichtigt dagegen der Arbeitgeber Belegschaftsaktien auszugeben oder Betei13 ligungsverträge bspw. mit AT-Angestellten zu schließen, besteht hinsichtlich der Beteiligungsgrundsätze und deren Durchführung jeweils ein zwingendes Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Der Betriebsrat kann allerdings nicht über die Einigungsstelle die Einführung zusätzlicher Leistungen erzwingen. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates kann sich ferner über §  87 Abs. 1 14 Nr. 8 BetrVG ergeben, wenn die Mitarbeiterbeteiligung der Arbeitnehmer durch Einschaltung einer Beteiligungsgesellschaft erfolgt. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Beteiligungsgesellschaft –– unter dem treuhänderischen zugunsten des Arbeitnehmers ausgeübten Einflusses des Arbeitgebers steht und –– von diesem wenigstens teilweise finanziert wird.

7 BAG, Urt. v. 19.8.1992 – 5 AZR 513/91 –, AP Nr. 102 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAG, Urt. v. 13.2.2002 – 5 AZR 713/00 –, a.a.O. 8 BAG, Urt. v. 21.3.2002 – 6 AZR 144/01 –, EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 88. 9 BAG, Urt. v. 4.10.05 – 9 AZR 598/04 = NZA 2006, 545.

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A. Arbeitsrecht 

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Da eine Sozialeinrichtung nicht vorliegt, wenn es sich um eine Selbsthilfeeinrich- 15 tung der Arbeitnehmer handelt, greift §  87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG nicht ein, wenn die Arbeitnehmer selbst über Form, Ausgestaltung und Verwaltung der Beteiligungsgesellschaft bestimmen können.

8. Gerichtszuständigkeit Gemäß §  2 Abs. 1 Nr. 4a ArbGG ist das Arbeitsgericht ausschließlich zuständig für 16 Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Darunter fallen je nach Ausgestaltung auch Mitarbeiterbeteiligungen (z.B. Mitarbeiterdarlehen an den Arbeitgeber), wenn diese mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen. Für gesellschaftsrechtliche Beteiligungen wie Genussrechte oder stille Beteiligungen scheidet dagegen eine arbeitsgerichtliche Zuständigkeit aus.10

III. Stock Options (Aktienoptionen) 1. Aktienoptionen für Mitarbeiter Eine Aktienoption (engl. stock option) ist ein verbrieftes Recht, wonach der Inhaber 17 eine bestimmte Anzahl von Aktien eines Unternehmens zu einem festgelegten Kurs (Basispreis) erwerben darf.11 Mit Zuteilung der Aktienoptionen sollen Mitarbeiter einen finanziellen Anreiz erhalten, im Unternehmen den Börsenkurs der Aktien und damit den Marktwert des Unternehmens zu steigern. In der Regel wird bei der Mitarbeiterbeteiligung der Kurs der Aktie zum Zeitpunkt 18 der Optionseinräumung als Basispreis festgelegt. Die Aktienoption darf häufig erst nach Ablauf einer Haltefrist ausgeübt werden und erst nachdem die Aktie des Unternehmens einen im Voraus festgelegten höheren Zielkurs erreicht hat. Gerne wird vom Unternehmen auch das Bestehen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Ausübung der Option vereinbart. Die Gewährung von Aktienoptionen an Mitarbeiter ist lediglich eine von zahlrei- 19 chen Vergütungsmöglichkeiten, die alle als Bezugsgröße den Aktienwert des Unternehmens haben: Möglich und zunehmend beliebt sind neben der Zuteilung von Aktienoptionen weitere vom Aktienkurs des Unternehmens abhängige Vergütungsinstrumente, wie bspw. Bonuszahlungen, die von der Entwicklung des Aktienkurses abhängen („stock appreciation rights“) oder die Zuteilung von vergünstigten oder kostenlosen Aktien mit einer Haltefrist („restricted stock awards“). Auch bei den sog. „Phantom Stocks“, bei denen die Mitarbeiter Dividenden und Kursgewinne

10 Hanau, ZGR, Sonderheft 5, 1984, S. 118. 11 Claussen/Bröcker/Ekkenga, S. 362.

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 Kapitel 26 Mitarbeiter als Unternehmer

erhalten, als ob sie eine festgelegte Anzahl der Unternehmensaktien hielten, handelt es sich lediglich um virtuelle Beteiligungen, d.h. der Mitarbeiter hat real zu keinem Zeitpunkt Aktien seines Arbeitgebers oder des Mutterkonzerns.12

2. Aktienoptionen als Bestandteil der Vergütung

20 Auch der maximale rechtlich zulässige Anteil der Mitarbeitervergütung durch Akti-

enoptionen unterliegt Beschränkungen. So entschied 2008 das LAG Düsseldorf „eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, wonach ein erheblicher Teil der vereinbarten Vergütung durch die Gewährung von Aktienrechten erfüllt wird, verstößt gegen § 107 Abs. 1 GewO.“ Eine derartige Vereinbarung entspräche regelmäßig nicht dem Interesse des Arbeitnehmers und könne auch nicht mit der Eigenart des Arbeitsverhältnisses begründet werden.13

3. Aktienoptionen von Muttergesellschaften

21 Unklar kann bei Aktienoptionen sein, welches Unternehmen überhaupt dem Mitar-

beiter die Gewährung von Bezugsrechten schuldet, wenn der Mitarbeiter bei einer deutschen Tochtergesellschaft beschäftigt ist und am Aktienoptionsprogramm der US-Muttergesellschaft teilnimmt. Schließt der Mitarbeiter eine schuldrechtliche Vereinbarung über die Gewährung von Aktienoptionen nicht mit dem Arbeitgeber, sondern mit einer anderen Konzerngesellschaft (z.B. der amerikanischen Muttergesellschaft), kann der Mitarbeiter nach Auffassung des BAG seine Ansprüche aus dem Optionsprogramm grundsätzlich auch nur gegenüber dem vertragsschließenden Konzernunternehmen geltend machen. Praxistipp Das Aktienoptionsprogramm wird nicht Bestandteil des Arbeitsverhältnisses mit der Tochtergesellschaft des Konzernunternehmens, sondern steht rechtlich selbstständig neben dem Arbeitsvertrag des Mitarbeiters der Tochtergesellschaft.14

4. Weitere Besonderheiten bei Aktienoptionsbedingungen

22 Schließt ein Mitarbeiter eine Vereinbarung über die Gewährung von Aktienoptionen

unmittelbar durch seinen Arbeitgeber ab, sind nach Auffassung des BAG die Ansprüche auf die Aktienoptionen Bestandteil des Arbeitsverhältnisses und unterliegen, da regelmäßig vom Arbeitgeber gestellt, der AGB-Kontrolle. Im Rahmen des §  307

12 Baums, S. 4. 13 LAG Düsseldorf, Urt. v. 30.10.2008 – 5 Sa 977/08 = BeckRS 2009, 50340. 14 BAG, Urt. v. 16.1.2008 – 7 AZR 887/06 –, AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 144.

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A. Arbeitsrecht 

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BGB ist dann eine „typisierte“ Interessenabwägung vorzunehmen, wobei die von den Arbeitsgerichten entwickelten Rechtsgrundsätze für bestimmte Sonderzahlungen (insbesondere Gratifikationen) hinsichtlich der Zulässigkeit von Bindungsfristen und Verfallsklausen nicht uneingeschränkt auf die Aktienoptionen übertragen werden. Grundsätzlich dürfen Aktienoptionsprogramme daher auch bestimmen, dass die Aktienoptionsrechte vom Bestehen des Arbeitsverhältnisses abhängen.15

5. Aktienoptionen und Gleichbehandlungsgrundsatz Für Aktienoptionen hat das LAG Berlin entschieden, dass sogar unabhängig davon, 23 ob ein Anspruch auf Aktienoptionen tatsächlich Teil der Vergütung ist, die Grund­ sätze der Gleichbehandlung auch für die Gewährung der Aktienoptionen gelten, da es bereits ausreiche, dass es sich bei den Aktienoptionen um geldwerte Vorteile handelt, die Teil der Vergütung sein können.16

6. Aktienoptionen und betriebliche Mitbestimmung Bei der Einräumung von Aktienoptionen für Mitarbeiter steht dem Betriebsrat nach 24 §  87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG (Fragen der Lohngestaltung) ein Mitbestimmungsrecht zu, da es sich um eine Einführung und Anwendung neuer Entlohnungsmethoden handelt.

7. Aktienoptionen und Arbeitsgerichte Gemäß §  2 Abs. 1 Nr. 4a ArbGG ist das Arbeitsgericht für Streitigkeiten zwischen 25 Arbeitnehmern und Arbeitgebern „über Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, ausschließlich zuständig“. Daher sind Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aus einem Aktienoptionsplan oder dem sich anschließenden Optionsvertrag grundsätzlich vor den Arbeitsgerichten auszutragen. Werden jedoch die Aktienoptionen durch die Konzernmuttergesellschaft 26 gewährt, besteht dagegen keine Zuständigkeit des Arbeitsgerichts. § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG ist i.d.R. nicht einschlägig, da kein Rechtsstreit aus einem Arbeitsverhältnis vorliegt. § 2 Abs. 1 Nr. 4 a ArbGG ist ebenfalls nicht einschlägig, da keine Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über Ansprüche vorliegt, die mit dem Arbeitsverhältnis in rechtlichem oder unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Die Konzernmuttergesellschaft ist nicht Arbeitgeber im Sinne dieser Bestimmung.

15 BAG, Urt. v. 28.5.2008 – 10 AZR 351/07 = NZA 2008, 1066 ff. 16 Vgl. LAG Berlin, 17.8.2005 – 9 Sa 827/05 –.

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8. Aktienoptionen bei Betriebsübergang, Verschmelzung oder Squeeze-Out a) Betriebsübergang Umstritten und bisher von höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht entschieden ist, ob die Arbeitnehmer im Falle des Betriebsübergangs ihre bereits erhaltenen oder zugesagten Optionen verlieren, d.h., ob die Bezugsrechte erlöschen oder ob der Erwerber in die Verpflichtungen aus dem Optionsvertrag eintritt. Bereits ausübungsreife Optionen sind keine übergangsfähigen Rechte i.S.d. § 613 a BGB, da lediglich noch ein kauf- bzw. aktienrechtliches Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht. Die ausübungsreifen Optionen kann der Arbeitnehmer auch nach dem Betriebsübergang noch gegenüber dem Veräußerer ausüben. Die Ansprüche aus noch nicht ausübungsreifen Optionen sowie auf die zukünftige Gewährung von Optionen gehen demgegenüber mit dem Arbeitsverhältnis nach § 613 a BGB über. Da der Erwerber i.d.R. nicht in der Lage sein wird, die Pflichten aus dem Optionsvertrag zu erfüllen, erlöschen diese (§ 275 Abs. 1 BGB). Gem. § 313 BGB steht dem Arbeitnehmer ein wertgleicher Ersatzanspruch (Geldanspruch, Teilnahme an einem vergleichbaren Mitarbeiterprogramm) gegen den Erwerber zu. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei den Aktienoptionen um einen wesentlichen oder unwesentlichen Teil des Gesamteinkommens handelt.17 Bei Gewährung der Aktienoptionen durch die Konzernmuttergesellschaft gehen die Ansprüche wegen der Trennung von Optionsvertrag und Arbeitsvertrag nicht gem. § 613 a BGB über.18

b) Verschmelzung

31 Liegt dem Betriebsinhaberwechsel eine umwandlungsrechtliche Verschmelzung

zu Grunde, ist zu beachten, dass mit dem Wirksamwerden der Verschmelzung gem. § 20 Nr. 2 UmwG der übertragende Rechtsträger erlischt. Gemäß § 23 UmwG ist daher der übernehmende Rechtsträger verpflichtet, den Inhabern von stimmrechtslosen Sonderrechten des übertragenden Rechtsträgers – zu denen auch die Inhaber von Aktienoptionen zählen – gleichwertige Rechte im übernehmenden Rechtsträger einzuräumen.19

17 So auch, teilweise jedoch differenzierend, Willemsen/Müller-Bonanni ZIP 2003, 1177; Balze/ Rebel/Schuck, Rn 1079. 18 BAG, Urt. v. 3.5.2006 – 10 AZR 310/05 = NZA 2006, 1296. 19 Willemsen/Müller-Bonanni ZIP 2003, 1177, 1180.

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A. Arbeitsrecht 

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c) Squeeze-Out Gemäß §§  327 a  ff. AktG hat der Mehrheitsaktionär, sofern er mindestens 95 % der 32 Aktien an einer Gesellschaft hält, die Möglichkeit, die verbliebenen Minderheitsaktionäre auszuschließen. Mit Eintragung des Beschlusses der Hauptversammlung ins Handelsregister gehen die Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär über. Als Ausgleich für den Ausschluss haben die Minderheitsaktionäre Anspruch auf Zahlung einer Barabfindung, deren Höhe gem. § 327 b AktG vom Hauptaktionär festzulegen ist. Der Squeeze-Out, d.h. die Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses in 33 das Handelsregister, hat bezogen auf die Inhaber von Aktienoptionen zur Folge, dass diese ihren Anspruch auf Verschaffung von Aktien verlieren. Anstelle des Anspruchs tritt der Anspruch auf Zahlung einer Barabfindung. Dies folgt aus dem Grundsatz, dass die Stellung der Inhaber von Aktienoptionen nicht stärker sein kann als die der Aktionäre, aber auch nicht schlechter sein darf.20 Der Optionsinhaber ist deshalb wirtschaftlich so zu behandeln wie der Aktieninhaber. Dies kann dergestalt erfolgen, dass die Inhaber von Aktienoptionen die auch den Minderheitsaktionären zustehende volle Barabfindung erhalten21 oder indem man ihnen nur den Anspruch auf eine Barabfindung einräumt, die dem Wert ihrer Optionsrechte entspricht und die nach anerkannten Bewertungsverfahren zu ermitteln ist.22

IV. Deputate 1. Deputatlohn Der Deputatlohn ist eine in der Praxis immer noch vorzufindende Naturalleistung des 34 Arbeitgebers an den Arbeitnehmer (z.B. Lebensmittel, Strom, Kohle, Gas oder Holz). Dazu zählt z.B. die Deputatkohle der Bergarbeiter im Kohletage- oder Untertagebau oder der sog. „Haustrunk“ der Mitarbeiter einer Brauerei oder Brennerei oder auch eines Weingutes. Auch die Freifahrten für Angestellte der Bahn oder ermäßigte Flüge für Angestellte von Fluggesellschaften fallen unter den Begriff des Deputatlohns.

2. Truckverbot Die Möglichkeit, Deputatlöhne zu zahlen, ist durch das „Truckverbot“23 begrenzt. 35 Mit Truckverbot bezeichnet man das in § 107 Gewerbeordnung enthaltene grundsätzliche Verbot als Arbeitgeber seine Arbeitnehmer mit Waren aus der eigenen Produk-

20 Wilsing/Kruse ZIP 2002, 1465, 1468. 21 Vossius ZIP 2002, 511, 513. 22 Wilsing/Kruse ZIP 2002, 1465, 1470; Adams ZIP 2002, 1325, 1328. 23 Von engl. „to truck“, im 19. Jahrhundert so viel wie tauschen.

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 Kapitel 26 Mitarbeiter als Unternehmer

tion zu entlohnen. Mit der Regelung soll verhindert werden, dass der Arbeitnehmer statt eines Gehalts in Geld das Absatzrisiko für die Produkte des Arbeitgebers erhält. Gemäß § 107 Abs. 1 GewO ist grundsätzlich das Arbeitsentgelt in € zu berech36 nen und auszuzahlen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können lediglich als Ausnahme von diesem Grundsatz Sachbezüge als Teil des Arbeitsentgelts vereinbaren, wenn dies dem Interesse des Arbeitnehmers oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entspricht (§ 107 Abs. 2 S. 1 GewO). Auch ist es unzulässig, wenn ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern Waren gegen Ratenzahlung verkauft und die Raten dann vom Arbeitsentgelt abzieht (§ 107 Abs. 2 S. 2 GewO).

V. Checkliste bei Aktienoptionen

37 Folgende Punkte sollten bei Aktienoptionen beachtet werden: Checkliste –– Schriftform bei allen Regelungen zu Aktienoptionen; –– Festlegung, welches Unternehmen die Gewährung der Bezugsrechte schuldet; –– AGB-Kontrolle der Aktienoptionen; –– Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes; –– ggf. Beteiligung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG (Lohngestaltung).

B. Steuerrecht I. Überblick über die Standardinstrumente der Mitarbeiterbeteiligung 38 Durch die Beteiligung der Mitarbeiter am arbeitgebenden Unternehmen oder an Konzerngesellschaften soll eine festere Bindung an das Unternehmen und nicht zuletzt die Teilhabe am Unternehmenserfolg bezweckt werden. Gleichwohl bestehen für Beteiligungen von Mitarbeitern am arbeitgebenden Unternehmen, trotz der Einführung einer anteiligen Steuerbefreiung (§ 3 Nr. 39 EStG) im Rahmen des Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetzes,24 zurzeit im internationalen Vergleich weder nennenswerte steuerliche Vergünstigungen noch Anreize in Deutschland. In der Praxis wird bei Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen zumeist unterschie39 den zwischen echten Aktienprogrammen, welche die Überlassung von Aktien des Unternehmens beinhalten, und sog. virtuellen Programmen, welche auf die Zahlung einer Geldleistung auf Grundlage der Aktienkursentwicklung ausgelegt sind.

24 Gesetz v. 7.3.2009, BGBl. I 2009 S. 451.

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B. Steuerrecht 

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1. Stock-settled Instruments (reale Pläne) a) Stock Options (Aktienoptionen) Eine Aktienoption stellt das Recht dar, zu einem späteren Zeitpunkt Aktien des 40 Unternehmens zu einem vorher festgelegten Preis (exercise price) zu erwerben. Aktienoptionen beinhalten weder Stimm- noch Dividendenrechte. Regelmäßig sind Aktienoptionen erst nach einer Wartefrist (vesting period) aus- 41 übbar, während dieser Periode ist auch ein Verfall der Aktienoptionen (z.B. bei Kündigung) möglich. Nach Ablauf einer Optionsfrist können Aktienoptionen nicht mehr ausgeübt werden.

b) Restricted Stock Units Eine Restricted Stock Unit stellt das Recht dar, nach Ablauf einer Wartefrist (vesting 42 period) unentgeltlich Aktien des Unternehmens zu erhalten. Restricted Stock Units beinhalten keinerlei Aktionärsrechte, diese gehen regelmäßig erst mit der Überlassung der Aktie nach Ablauf der Wartefrist über.

c) Restricted Stock Im Rahmen eines Restricted Stock Plans erhält der Mitarbeiter bei Gewährung sofort 43 unentgeltlich Aktien des Unternehmens inklusive aller Aktionärsrechte. Die Veräußerbarkeit der Aktien ist jedoch für einen bestimmten Zeitraum regelmäßig aktienrechtlich oder vertraglich beschränkt (restricted).

d) Employee Share Purchase Plan Im Rahmen eines Employee Share Purchase Plans erhält der Mitarbeiter die Mög- 44 lichkeit, Aktien des Unternehmens während eines festgelegten Zeitraums (subscription period) zu einem ermäßigten Preis zu erwerben. Häufig besteht für einen gewissen Zeitraum eine Veräußerungssperre. Ein Employee Share Purchase Plan ist häufig so ausgelegt, dass alle Mitarbeiter des Unternehmens teilnahmeberechtigt sind.

2. Cash-settled Instruments (virtuelle Pläne) a) Stock Appreciation Rights Stock Appreciation Rights ähneln Aktienoptionen mit dem Unterschied, dass der 45 Mitarbeiter bei Ausübung keine Aktien des Unternehmens erhält, sondern eine die Wertsteigerung der Aktie abbildende Geldleistung (spread). Neben einem bestehenden aktiven Dienstverhältnis sind vor der Ausübbarkeit eines Stock Appreciation Rights zumeist auch gewisse Zielvorgaben zu erfüllen.

Riehle

636 

 Kapitel 26 Mitarbeiter als Unternehmer

b) Phantom Stocks

46 Phantom Stocks ähneln Restricted Stock Units mit dem Unterschied, dass der Mit-

arbeiter statt der zugrundeliegenden Aktie den Wert dieser unter Grundlage des Aktienkurses in bar erhält.

3. Andere Formen der Mitarbeiterbeteiligung 47 Daneben bestehen weitere Formen der Mitarbeiterbeteiligung, z.B. Genussrechte, stille Beteiligungen oder partiarische Darlehen, welchen jedoch regelmäßig ein schuldrechtliches Kapitalüberlassungsverhältnis zugrunde liegt und die keine Anteile am Eigenkapital der Gesellschaft vermitteln.

II. Vorliegen von Arbeitslohn 1. Bestimmung der Einkunftsart 48 Der unentgeltliche oder verbilligte Zufluss von Aktien25 im Rahmen von Mitarbeiterbeteiligungsplänen ist Ausfluss des Dienstverhältnisses mit dem Arbeitgeber. Entsprechend handelt es sich dabei um einen lohnsteuerlich relevanten geldwerten Vorteil.26 Praxistipp Bei der Veräußerung dieser Aktien sowie beim Erhalt von Dividenden bestehen keine Anknüpfungspunkte mehr zum Dienstverhältnis. Vielmehr handelt es sich dabei um der Abgeltungssteuer unterliegende Einkünfte aus Kapitalvermögen (private Vermögensebene des Mitarbeiters). 49 Nichtsdestotrotz liegt in Einzelfällen kein Arbeitslohn vor, wenn die Zuwendung

wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird.27

2. Zeitpunkt des Zuflusses von Arbeitslohn 50 Der Zeitpunkt des Zuflusses von Arbeitslohn ist nicht nur bedeutend vor dem Hintergrund des Besteuerungszeitpunktes, sondern vielmehr – aufgrund der teils erheblichen Volatilität von Aktien – auch vor dem Hintergrund der Bewertung und der damit zusammenhängenden Höhe des zu versteuernden geldwerten Vorteils.

25 Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die unter Rn 40 ff. dargestellten Stock-settled Instuments (reale Pläne). 26 § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG. 27 BFH, Urt. v. 20.5.2010 – VI R 12/08 –.

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B. Steuerrecht 

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Nach ständiger und gefestigter Rechtsprechung des BFH gilt der geldwerte Vorteil 51 als zugeflossen, sobald der Mitarbeiter die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Vermögensbeteiligung erhält. Dies ist bei Aktien regelmäßig der Einbuchungs­ zeitpunkt im Depot des Mitarbeiters.28 Praxistipp Abweichend davon kann nach Auffassung der Finanzverwaltung auch der Tag der Ausbuchung beim emittierenden Unternehmen oder der Vortag der Ausbuchung als Zuflusszeitpunkt angenommen werden.29

Das Einräumen lediglich eines Anspruchs auf die zukünftige unentgeltliche oder 52 verbilligte Überlassung von Aktien führt indes nicht bereits zu einem Zufluss von Arbeitslohn. Sperrfristen (vertragliche Übertragungsbeschränkungen) hinsichtlich der 53 Veräußerung der Aktien haben keinerlei Auswirkungen auf den steuerlichen Zufluss des geldwerten Vorteils. Lediglich bei einer nach in- oder ausländischem Aktienrecht (z.B. Vinkulierung)30 bestehenden Übertragungsbeschränkung gilt der geldwerte Vorteil erst dann als zugeflossen, wenn die Übertragungsbeschränkung wegfällt.31 Beispiel –– Der Arbeitgeber überlässt dem Mitarbeiter unentgeltlich 1.000 Aktien zum Kurswert im Zuflusszeitpunkt von 10 €/Aktie. Dem Mitarbeiter ist es vertraglich untersagt, die Aktien vor Ablauf einer Zweijahresfrist zu veräußern. Er hat jedoch während dieser Zeit das Stimmrecht sowie das Dividendenbezugsrecht aus den Aktien. –– Der geldwerte Vorteil gilt bereits im Zeitpunkt der Überlassung als zugeflossen und ist entsprechend zu besteuern. Die vertragliche Veräußerungssperre hat diesbezüglich keine Auswirkung.

3. Bewertung des zugewandten Vorteils Die Ermittlung des zugewandten Vorteils aus der unentgeltlichen oder verbilligten 54 Überlassung von Aktien erfolgt anhand des gemeinen Werts32 im Zuflusszeitpunkt. Von diesem Wert sind etwaige Zuzahlungsbeträge oder Kaufpreise (z.B. bei verbilligter Gewährung von Aktien) abzuziehen. Veräußerungssperren mindern den Wert der Vermögensbeteiligung nicht.33

28 BFH, Urt. v. 20.11.2008 – VI R 25/05 –. 29 BMF, Schreiben v. 8.12.2009 – IV C 5 – S 2347/09/10002 –. 30 § 68 Abs. 2 AktG. 31 BFH, Urt. v. 30.6.2011 – VI R 37/09 –. 32 § 11 BewG. 33 BFH, Urt. v. 30.9.2008 – VI R 67/05 –.

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 Kapitel 26 Mitarbeiter als Unternehmer

55 Der gemeine Wert bestimmt sich nach dem niedrigsten an einer deutschen Wertpa­

pierbörse notierten Aktienkurs am Tag des Zuflusses. Dies gilt auch dann, wenn sich der Haupthandelsplatz der Aktien an einer anderen in- oder ausländischen Börse befindet. Sofern die Aktien nicht an einer inländischen Börse notiert werden, ist der 56 gemeine Wert der Vermögensbeteiligung aus den Börsenkursen im Emissionsland abzuleiten.34 Praxistipp Falls die Aktien nicht in € gehandelt werden, ist der Referenzkurs der ausländischen Währung bei der Europäischen Zentralbank am Tag des Zuflusses maßgeblich.

III. Steuerliche Förderung von Mitarbeiterbeteiligungen 1. Förderung durch § 19a EStG 57 Die steuerliche Förderung anhand §  19a EStG wurde im Rahmen des Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetzes mit Wirkung zum 31.12.2008 abgeschafft und durch die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 39 EStG ersetzt. Im Rahmen der Übergangsvorschriften35 ist § 19a EStG nichtsdestotrotz für alle Fälle anwendbar, wenn –– aufgrund einer am 31.3.2009 bestehenden Vereinbarung ein Anspruch auf die unentgeltliche oder verbilligte Überlassung der Vermögensbeteiligung besteht und –– die Vermögensbeteiligung vor dem 1.1.2016 überlassen wird und –– der Arbeitgeber bei demselben Mitarbeiter im Kalenderjahr nicht die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 39 EStG anwendet. 58 Gemäß §  19a EStG ist die Hälfte des geldwerten Vorteils aus der verbilligten oder unentgeltlichen Überlassung von Aktien steuerfrei, jedoch maximal bis zu 135 € pro Jahr und Mitarbeiter. Eine Steuerbefreiung bei virtuellen Instrumenten scheidet in Ermangelung der 59 Überlassung von Aktien aus.

2. Förderung durch § 3 Nr. 39 EStG

60 Im Zuge dieser Vorschrift36 wurde der steuerfreie Betrag auf 360 € pro Dienstver­

hältnis erhöht und damit im Vergleich zur Förderung nach § 19a EStG mehr als verdoppelt. Zudem entfällt die Begrenzung auf den hälftigen Wert der Vermögensbeteili-

34 R 95 Abs. 4 S. 2 ErbStR. 35 § 52 Abs. 35 EStG. 36 Zu Zweifelsfragen: BMF, Schreiben v. 8.12.2009 – IV C 5 – S 2347/09/10002 –.

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B. Steuerrecht 

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gung. Eine Steuerbefreiung bei virtuellen Instrumenten scheidet in Ermangelung der Überlassung von Aktien ebenfalls aus. Steuerlich begünstigt ist insbesondere die Zuwendung von Aktien des arbeit- 61 gebenden Unternehmens,37 wobei auch Konzerngesellschaften gem. § 18 AktG als Arbeitgeber in diesem Sinne anzusehen sind. Aktienoptionen unterliegen nicht der Steuerbefreiung des §  3 Nr. 39 EStG, eine Begünstigung erfolgt daher erst bei Ausübung der Optionen. Die Förderung nach § 3 Nr. 39 EStG erfordert die Überlassung von Vermögensbe­ 62 teiligungen mindestens an alle Arbeitnehmer des Arbeitgebers, die bei Bekanntgabe des Angebots ein Jahr beim Arbeitgeber beschäftigt sind. Mitarbeiterbeteiligungspläne, an welchen ausschließlich ausgewählte Mitarbeiter (z.B. des Top-Managements) teilnehmen dürfen, sind im Rahmen dieser Steuerbefreiungsvorschrift daher nicht begünstigt.

3. Förderung nach § 34 EStG Unabhängig von den Steuerbefreiungen der §§ 19a, 3 Nr. 39 EStG können Zuwendun- 63 gen von Aktien einem ermäßigten Steuersatz (sog. Fünftelregelung) unterliegen. Jedoch gilt dies nur, wenn es sich bei der zugwandten Vermögensbeteiligung um eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit handelt. Voraussetzung ist demnach, dass –– der Zeitraum zwischen Gewährung und steuerlichem Zufluss der Beteiligung mehr als ein Jahr beträgt und –– der Mitarbeiter im Zeitpunkt des steuerlichen Zuflusses in einem aktiven Dienstverhältnis mit dem Arbeitgeber steht.38 Zweck der Regelung ist die steuerliche Entlastung im Jahr des Zuflusses, da es sich um 64 Arbeitslohn für mehrere Jahre handelt. Anhand der Fünftelregelung wird der geldwerte Vorteil aus der Vermögensbeteiligung einer geringeren Progression unterworfen als das übrige Gehalt. Eine steuerliche Entlastung ist jedoch nicht mehr gegeben, sobald das reguläre Gehalt des Mitarbeiters dem Spitzensteuersatz von zurzeit 42 % bzw. 45 % unterliegt.39 Beispiel Der Mitarbeiter ist verheiratet und hat zwei Kinder, die Ehefrau ist nicht berufstätig. Er unterliegt Lohnsteuerklasse III. Das Bruttojahresgehalt des Mitarbeiters beträgt 70.000 €, dazu erhält er im Jahr 2010 zugesagte Aktien des Arbeitgebers in Höhe von 10.000 €.

37 § 2 Abs. 1 Nr. 1a 5. VermBG. 38 BFH, Beschl. v. 10.7.2008 – VI R 70/06 –. 39 Ein Spitzensteuersatz von 45 % („Reichensteuer“) ist anwendbar ab einem zu versteuernden Einkommen von 250.731 € (alleinstehend) bzw. 501.461 € (verheiratet).

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 Kapitel 26 Mitarbeiter als Unternehmer

Die Steuerlast auf die Aktien beträgt ohne Anwendung der ermäßigten Besteuerung 3.498 € und bei Anwendung der ermäßigten Besteuerung 3.397 €. Die ermäßigte Besteuerung führt somit zu einer Ersparnis von 101 €.

4. Förderung durch das 5. Vermögensbildungsgesetz

65 Im Rahmen der Vorschriften des 5. Vermögensbildungsgesetzes wird eine staatli-

che Geldzulage für vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers gewährt. Anspruchsberechtigt sind alle Arbeitnehmer, sofern ihr zu versteuerndes Einkom­ men 20.000 € bzw. 40.000 € für zusammenveranlagte Ehegatten nicht übersteigt. Die Geldzulage beträgt 20 % der angelegten Beträge, soweit diese 400 € nicht 66 übersteigen. Die maximale Geldzulage beträgt daher 80 € pro Jahr. Die Festsetzung erfolgt auf Antrag im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Mitarbeiters. Eine Kombination von Arbeitnehmersparzulage und einem steuerfreien Erwerb 67 nach § 3 Nr. 39 EStG ist hierbei möglich.

Beispiel –– Der Arbeitnehmer erwirbt im Rahmen seines Dienstverhältnisses Aktien an seinem arbeitgebenden Unternehmen im Wert von 500 € verbilligt für 350 €. –– Die Verbilligung in Höhe von 150 € ist bei Erfüllung aller Voraussetzungen nach § 3 Nr. 39 EStG steuerfrei. Die Aufwendungen in Höhe von 350 € können bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen als vermögenswirksame Leistung behandelt werden, für die der Arbeitnehmer eine Zulage in Höhe von 70 € (20 % von 350 €) beantragen kann.

IV. Besonderheiten beim Lohnsteuerabzug

68 Der im Rahmen von Mitarbeiterbeteiligungsplänen realisierte geldwerte Vorteil unter-

liegt als Arbeitslohn dem Lohnsteuerabzug.40

Praxistipp Dies gilt auch dann, wenn die Vermögensbeteiligung im Rahmen des Dienstverhältnisses von einem Dritten, z.B. der ausländischen Muttergesellschaft, gewährt wird. Dem inländischen Arbeitgeber wird Kenntnis der im Rahmen des Konzernverbundes geleisteten Zahlungen unterstellt. 69 Die Freibeträge der §§ 19a, 3 Nr. 39 EStG sowie die ermäßigte Besteuerung nach § 34

EStG sind bei Vorliegen der Voraussetzungen bereits im Rahmen des Lohnsteuerabzugs anzuwenden. Sofern der Zeitpunkt des Zuflusses eines geldwerten Vorteils von der Entschei70 dung des Mitarbeiters abhängt, z.B. bei einer Optionsausübung, muss der Mitarbeiter

40 § 38 Abs. 1 EStG.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten den Arbeitgeber unverzüglich über diesen Umstand unterrichten. Sofern der in dem betreffenden Monat gezahlte Barlohn nicht ausreicht, um die 71 abzuführenden Lohnsteuern zu decken, ist der Mitarbeiter verpflichtet, den Fehlbe­ trag dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen.41 Es besteht jedoch regelmäßig die Möglichkeit, einen Teil der Aktien am Tag des Zuflusses zu verkaufen, um die Lohnsteuer auf den geldwerten Vorteil zu decken (sell to cover). Sofern weder der Fehlbetrag zur Verfügung gestellt wird, noch die Lohnsteuer 72 durch Verkäufe beglichen wird, muss der Arbeitgeber zur Vermeidung einer Lohn­ steuerhaftung umgehend das Betriebsstättenfinanzamt unterrichten. Das Betriebsstättenfinanzamt wird in der Folge entweder den Fehlbetrag direkt 73 vom Arbeitnehmer nachfordern oder eine Kontrollmitteilung an das zuständige Wohnsitzfinanzamt übersenden, um eine Besteuerung im Rahmen einer Einkom­ mensteuerveranlagung sicherzustellen. Praxistipp Sofern ein Lohnsteuerabzug irrtümlich unterblieben ist oder Lohnsteuern zu gering einbehalten wurden, ist dieser Umstand – sofern die Lohnsteuerbescheinigung des betreffenden Kalenderjahres bereits ausgestellt wurde – dem Betriebsstättenfinanzamt des Arbeitgebers unverzüglich mitzuteilen (§ 41c Abs. 4 EStG). Neben der Höhe des geldwerten Vorteils sind dem Finanzamt auch die lohnsteuerlich relevanten Informationen, z.B. Adresse, Lohnsteuerklasse und Kirchensteuerpflicht des betreffenden Mitarbeiters zu übermitteln.

C. Sozialversicherungsrecht I. Grundsätzliches Grundsätzlich richtet sich die Beitragspflicht von Mitarbeiterbeteiligungen bzw. deren 74 Erträge nach der (lohn-)steuerlichen Einschätzung derselben. Handelt es sich bei der empfangenen Leistung um Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 EStG), so sind die Leistungen, bis zu den jeweiligen Beitragsbemessungsgrenzen, sozialversicherungsrechtlich beitragspflichtig. Handelt es sich bei den empfangenen Leistungen um Kapitaleinkünfte (§  20 75 EStG), so stellen diese Leistungen kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt i.S.d. §  14 SGB IV dar.

41 § 38 Abs. 4 S. 1 EStG.

Maihöfer

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 Kapitel 26 Mitarbeiter als Unternehmer

II. Sonderfall Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetz

76 Vermögensbeteiligungen, die unentgeltlich oder verbilligt überlassen werden, sind

nach § 3 Nr. 1 EStG in der Fassung des Mitarbeiterkapitalbeteiligungsgesetzes vom 7.3.2009 steuer- und damit beitragsfrei in der Sozialversicherung, solange der Vorteil für den Arbeitnehmer 360 € im Kalenderjahr nicht übersteigt. Entscheidend dabei ist, dass es sich bei der Vermögensbeteiligung um eine freiwilige Leistung des Arbeitgebers handelt (kein Rechtsanspruch) und allen Beschäftigten des Unternehmens offen steht.

III. Aktien und Aktienoptionen 77 Werden einem Mitarbeiter verbilligte (Belegschafts-)Aktien überlassen, welche lediglich einer Sperrfrist (vesting period) von max. 2 Jahren unterliegen, so ist der geldwerte Vorteil, der durch die (verbilligte) Überlassung besteht, bereits im Zeitpunkt des Erwerbs steuer- und somit auch beitragspflichtig.42 Praxishinweis Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass verbilligte (Belegschaft-)Aktien mit einer Sperrfrist von mehr als 2 Jahren erst mit Ausübung des Optionsrechts beitragspflichtig werden. 78 Bei Aktienoptionsrechten, welche den Mitarbeitern von ihrem Arbeitgeber (oder im

Rahmen ihres Beschäftigungsverhältnisses) zu einem attraktiven Einkaufspreis eingeräumt werden, kann den Mitarbeitern ein geldwerter Vorteil entstehen. Die sozialversicherungsrechtliche Beitragspflicht entsteht zum Zeitpunkt des Zuflusses des geldwerten Vorteils. Hinsichtlich des Zuflusszeitpunktes gilt folgendes: bei der Ausübung eines Aktienoptionsrechts gilt als Zuflusszeitpunkt des geldwerten Vorteils der Tag der Ausbuchung der Aktien aus dem Depot des Überlassenden oder dessen Erfüllungsgehilfen.43 Beträgt der Aktienkurs, z.B. durch Kursverlust, am Tag der Ausbuchung „null“ oder weist einen Minusbetrag auf, dann ist der geldwerte Vorteil ebenfalls „null“, so dass kein beitragspflichtiger Vorteil entsteht. Ist am Tag der Ausbuchung jedoch ein geldwerter Vorteil gegeben, so ist dieser im Monat der Ausbuchung beitragsrechtlich zu erfassen. Fließt der geldwerte Vorteil aufgrund einer Aktienoption erst nach Ausscheiden 79 aus der Beschäftigung neben dem Bezug einer Betriebsrente zu, so stellt dieser geldwerte Vorteil keinen beitragspflichtigen Versorgungsbezug dar und ist demnach nicht beitragspflichtig.

42 BFH, Urt. v. 16.11.1984 – IV R 39/80 –. 43 Vgl. hierzu BFH, Urt. v. 20.6.2001 – VI R 105/99 – und BStBl. I 2003 S. 234.

Maihöfer

Kapitel 27 Nebentätigkeit A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis Die Ausübung von Nebentätigkeiten führt vor dem Hintergrund kollidierender Inte- 1 ressen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern häufig zu Konfliktpotenzial in Unternehmen. Während Arbeitnehmer in der Regel durch einen Nebenjob zusätzliches Einkommen verdienen möchten, befürchten Arbeitgeber als Vertragspartei des Hauptarbeitsverhältnisses nicht selten eine Störung dieser Vertragsbeziehung durch spürbares Nachlassen der Motivation oder Arbeitsleistung der Mitarbeiter. Andererseits sind einige Arbeitgeber auch daran interessiert, dass ihre Arbeitnehmer in bestimmten Fällen Nebentätigkeiten wahrnehmen, die im Interesse des Unternehmens liegen. Unabhängig von der individuellen Motivationslage spiegelt sich die praktische Bedeutung dieser Beschäftigungsform in der in den letzten Jahren stark angestiegenen Zahl der Mehrfachbeschäftigungen in Deutschland wider. Gingen bundesweit im Jahre 2000 noch ca. 900.000 Personen einer zweiten Erwerbstätigkeit nach, waren es im Jahre 2008 bereits mehr als 1,4 Millionen.1 Eine Nebentätigkeit stellt, wenn sie unselbstständig erfolgt, grundsätzlich ein 2 eigenständiges Arbeitsverhältnis dar, mit allen daraus resultierenden Rechten und Pflichten (z.B. Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Kündigungsschutz etc.). Die Tätigkeit kann bei einem Dritten oder dem Hauptarbeitgeber erfolgen und muss nicht entgeltlich sein. Auch ehrenamtliches Engagement stellt eine Nebentätigkeit dar. Ebenso kann ein Arbeitnehmer einer selbstständigen oder freiberuflichen Beschäftigung nachgehen. Praxistipp Das Nebentätigkeits-Arbeitsverhältnis kann befristet werden2 und wird in der Regel als Teilzeit­ beschäftigung3 erbracht.

II. Genehmigungserfordernis/Anzeigepflicht Während der vereinbarten Arbeitszeit des Hauptarbeitsverhältnisses hat der Arbeit- 3 nehmer seine Arbeitskraft dem dortigen Arbeitgeber vollständig zur Verfügung zu stellen. Im Umkehrschluss steht es dem Arbeitnehmer außerhalb dieser Arbeitsverpflichtung frei, seine private Zeit selbst zu gestalten. Daher ist die Ausübung einer

1 Eurostat; Berechnungen des DIW Berlin 2009, abgedruckt in: Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 35/2009, S. 599, Abbildung 1. 2 Für weitere Informationen zur Befristung vgl. Kap. 7 – Befristung. 3 Zu den Voraussetzungen der Teilzeitbeschäftigung vgl. Kap. 37 – Teilzeit Rn 11 ff.

Preiss/Elert

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 Kapitel 27 Nebentätigkeit

Nebentätigkeit grundsätzlich erlaubt und bedarf keiner ausdrücklichen Genehmigung. Vielmehr ist die Freiheit, einer solchen nachzugehen, über Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) verfassungsrechtlich geschützt. Das deutsche Arbeitsrecht kennt eine Reihe von Gesetzen und Vereinbarungen, 4 die Regelungen zur Nebentätigkeit enthalten. Neben dem TzBfG sind dies insbesondere Abreden in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und Individualarbeitsverträgen. Ergänzend sind auch im Steuer- und Sozialversicherungsrecht Vorschriften enthalten. Von der Genehmigungsfreiheit bestehen unterschiedliche Ausnahmen:

1. Gesetzliche Regelungen 5 Für Beamte ergibt sich eine Genehmigungspflicht aus §§ 97 ff. Bundesbeamtengesetz bei Wahrnehmung entgeltlicher oder bestimmter unentgeltlicher Nebentätigkeiten. Steht die Ausübung mit einer dienstlichen Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Beendigung des Beamtenverhältnisses im Zusammenhang und können durch sie dienstliche Interessen beeinträchtigt werden, müssen Beamte im Ruhestand eine solche Nebentätigkeit vor ihrer Aufnahme schriftlich anzeigen. Daneben kann die Pflicht bestehen, die Einnahmen aus der Nebentätigkeit aufgrund der NebentätigkeitsVO beim Dienstherrn abzuliefern. Angestellte im Öffentlichen Dienst haben Nebentätigkeiten dagegen nur noch anzuzeigen.

2. Regelungen in Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung 6 Eine Genehmigungsbedürftigkeit für Nebentätigkeiten kann sich aus Vorschriften in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen ergeben. Maßgebend ist, ob mit der tariflichen Regelung für den einzelnen Arbeitnehmer ein Bezug zum Arbeitsverhältnis hergestellt oder im Rahmen einer Betriebsvereinbarung ein Gegenstand der betrieblichen Ordnung nach §  87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG geregelt wird. Beide Abreden müssen jedoch verhältnismäßig sein. Da ein generelles Verbot den Arbeitnehmer unangemessen einschränken und ihn in seinem Recht auf Berufsfreiheit nach Art. 12 GG beschränken würde, kommt nur eine Regelung in Betracht, die eine Geneh­ migungspflicht vorsieht, bei der ein Arbeitgeber im Einzelfall prüfen muss, ob die Ausübung der Nebentätigkeit ihn in seinen betrieblichen Interessen derart beeinträchtigt, dass ein Verbot der Nebentätigkeit verhältnismäßig wäre. Praxistipp Sofern auf das Arbeitsverhältnis ein Tarifvertrag zur Anwendung kommt, sollten Arbeitgeber Regelungen zum Umgang mit Nebentätigkeiten überprüfen.

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A. Arbeitsrecht 

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3. Vertragliche Regelungen Umgangsregelungen für Nebentätigkeiten können auch im Arbeitsvertrag vereinbart 7 werden. Dies ist in der Praxis weit verbreitet. Neben Zustimmungs- oder Genehmigungsvorbehalten ist auch die Vereinbarung eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt zulässig.4 Wurde eine Klausel vereinbart, die dem Arbeitnehmer jede nicht genehmigte Nebentätigkeit generell verbietet, ist diese verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass nur solche Nebentätigkeiten verboten sind, an deren Unterlassung der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse hat.5 Praxistipp Die Vereinbarung eines generellen Nebentätigkeitsverbots ist jedenfalls unzulässig.

4. Anspruch auf Genehmigung Besteht für ein Arbeitsverhältnis die Notwendigkeit einer Nebentätigkeitsgenehmi- 8 gung, hat der Arbeitnehmer grundsätzlich einen Anspruch auf Erteilung durch den Arbeitgeber, wenn die betrieblichen Interessen durch die Aufnahme der Nebentätigkeit nicht beeinträchtigt werden.6 Maßgebend für die Zustimmungsentscheidung des Arbeitgebers ist die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, mithin eine Abwägung zwischen dem Recht des Arbeitnehmers auf freie Berufswahl und den individuellen Interessen des Arbeitgebers. Praxistipp Der Arbeitgeber ist für die behauptete Interessenbeeinträchtigung, die als Grund für die Verweigerung der Nebentätigkeitsgenehmigung vorgebracht wird, darlegungs- und beweispflichtig.

Als milderes Mittel und Verhandlungsoption ist in der Praxis auch eine befristete Ver- 9 weigerung der Genehmigung möglich.7

5. Rücknahme der Genehmigung Hat der Arbeitgeber einmal ausdrücklich die Genehmigung für eine bestimmte Neben- 10 tätigkeit erteilt, kann er diese nicht einseitig wieder zurücknehmen. Hier kommt für den Arbeitgeber grundsätzlich nur eine Änderungskündigung in Betracht. Da für eine solche wie bei einer „normalen“ Kündigung von Seiten des Arbeitnehmers Kündigungsschutzklage erhoben werden kann, besteht für den Arbeitgeber ein Prozess-

4 BAG, Urt. v. 11.12.2001 – 9 AZR 464/00 –. 5 BAG, Urt. v. 26.8.1976 – 2 AZR 377/75 –. 6 BAG, Urt. v. 11.12.2001 – 9 AZR 464/00 –. 7 BAG, Urt. v. 3.12.1970 – 2 AZR 110/70 –.

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 Kapitel 27 Nebentätigkeit

und Kostenrisiko. Mit der Aufnahme eines Widerrufsvorbehalts in den Arbeitsvertrag kann in Fällen auftretender Konflikte und Beeinträchtigung der berechtigten Interessen des Arbeitgebers die Genehmigung aufgehoben und der Arbeitnehmer von einer weiteren Ausübung abgehalten werden. Praxistipp Der Arbeitsvertrag sollte eine Regelung zur Möglichkeit des Widerrufs einer Nebentätigkeitsgenehmigung enthalten.

6. Anzeigepflicht 11 Ist für das Arbeitsverhältnis keine Regelung bezüglich einer Genehmigungspflicht vorhanden, kann der Arbeitnehmer nach den Grundsätzen der arbeitsvertraglichen Treuepflicht gehalten sein, seine beabsichtigte Nebentätigkeit dem Arbeitgeber anzuzeigen. Dies wird angenommen, wenn die Interessen des Arbeitgebers bedroht sind,8 also insbesondere die Nebentätigkeit mit der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nicht vereinbar ist.9 Praktisch relevant ist zudem der Fall, dass ein pauschal versicherter geringfügig Beschäftigter („400-€-Jobber“) eine weitere geringfügige Beschäftigung aufnimmt und auf diese Weise die Grenzen des § 8 SGB IV überschritten werden.10

III. Grenzen der Nebentätigkeit 12 Nebentätigkeiten können unter bestimmten Umständen unzulässig oder verboten sein. Maßgebend ist eine Abwägung im Einzelfall, bei der die Interessen des Arbeitgebers mit den Interessen des Arbeitnehmers abgewogen werden müssen. Zwar sind absolute Nebentätigkeitsverbote vom BAG als nicht zulässig erachtet 13 worden,11 trotzdem können einzel- oder kollektivvertraglich bzw. über Betriebsvereinbarungen Nebentätigkeitsverbote wirksam vereinbart werden, wenn seitens des Arbeitgebers ein berechtigtes Interesse an der Einschränkung der Nebenbeschäftigung besteht. Praxistipp Nebentätigkeitsverbote können wirksam sein, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sind.

8 BAG, Urt. v. 18.1.1996 – 6 AZR 314/95 –. 9 BAG, Urt. v. 18.1.1996 – 6 AZR 314/95 –. 10 Zu den sozial- und lohnsteuerrechtlichen Folgen siehe Teil B. und C. 11 BAG, Urt. v. 18.11.1988 – 8 AZR 12/86 –.

Preiss/Elert

A. Arbeitsrecht 

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Unabhängig von eventuell vereinbarten Verbotsregelungen existieren darüber hinaus 14 gesetzliche Vorgaben, die in einigen Fällen das Ausüben der Nebenbeschäftigung grundsätzlich unzulässig machen.

1. Konkurrenztätigkeiten Der Arbeitnehmer darf im Rahmen seiner Nebenbeschäftigung keine Konkurrenz- 15 tätigkeit gegenüber dem Hauptarbeitgeber ausüben. Ein solches Verbot ergibt sich aus §  60 HGB, der es kaufmännischen Angestellten untersagt, ohne Einwilligung des Arbeitgebers ein Handelsgewerbe zu betreiben oder in dessen Handelszweig Geschäfte zu treiben. Alle anderen Arbeitnehmer haben ein vergleichbares Wettbe­ werbsverbot nach den Grundsätzen der allgemeinen Treuepflicht zu beachten. Ob eine Nebentätigkeit eine unzulässige Konkurrenztätigkeit darstellt, ist im 16 Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen. Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung ist zu prüfen, ob die Nebentätigkeit zu einer Gefährdung oder Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers führt. Eine nur untergeordnete wirtschaftliche Unterstützung eines Konkurrenz- 17 unternehmens reicht für eine Beeinträchtigung von schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers nicht aus.12

2. Überschreitung der Arbeitszeithöchstgrenzen Nach § 3 ArbZG darf die tägliche Arbeitszeit von acht Stunden nicht überschritten 18 werden. Sie kann auf maximal zehn Stunden verlängert werden, wenn sie innerhalb eines halben Jahres durchschnittlich nicht mehr als acht Stunden beträgt. Dabei wird die werktägliche Arbeitszeit zugrunde gelegt. Werktage sind i.S.d. ArbZG die Tage Montag bis Samstag, so dass neben einer Haupttätigkeit von 40 h/Woche nach dem Arbeitszeitgesetz noch eine regelmäßige Nebentätigkeit von 8 h/Woche zulässig ist. Praxistipp Die Arbeitszeit der Haupt- und der Nebentätigkeit werden zusammengerechnet. Diese Summe darf die in § 3 ArbZG zulässige Höchstarbeitszeitgrenze nicht überschreiten.

Liegt ein Verstoß gegen das ArbZG vor, wird das weniger gewichtige Arbeitsverhältnis 19 als nichtiges Arbeitsverhältnis über die Grundsätze des faktischen Arbeitsverhältnisses abgewickelt. Während der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Vergütung für die Nebenbeschäftigung behält, gerät der Arbeitgeber des Nebenarbeitsverhältnisses in Gefahr, sich wegen einer Ordnungswidrigkeit oder gar Straftat verantworten zu müssen.

12 BAG, Urt. v. 24.3.2010 – 10 AZR 66/09 –.

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 Kapitel 27 Nebentätigkeit

Praxistipp Nach § 5 Abs. 1 ArbZG muss nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden liegen. 20 Besondere Relevanz kann eine Nebentätigkeit auch entfalten, wenn es sich um eine

geringfügige Beschäftigung handelt und eine weitere geringfügige Beschäftigung durch den Arbeitnehmer ausgeübt wird und beide zusammen die Schwelle der Geringfügigkeit überschreiten. Der Arbeitgeber kann dieser Problematik nicht dadurch entgehen, dass er mit 21 dem Arbeitnehmer vereinbart, dass der Arbeitnehmer keine weitere geringfügige Beschäftigung aufnehmen darf. Eine solche Vereinbarung ist, wie ein generelles Nebentätigkeitsverbot, nichtig.13 Praxistipp Bei der Einstellung von Teilzeitarbeitnehmern sollte der Arbeitgeber von seinem Auskunftsanspruch Gebrauch machen und den Arbeitnehmer um Auskunft über seine sonstigen Arbeitnehmertätigkeiten und deren zeitlichen Umfang bitten.

22 Bei einer freiberuflichen oder selbstständigen Nebentätigkeit kommt es auf die auf-

gewendete Arbeitszeit nicht an, da das ArbZG nur für Arbeitnehmer anwendbar ist.

3. Erhebliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers durch die Nebentätigkeit 23 Die Ausübung der Nebentätigkeit darf nicht dazu führen, dass der Arbeitnehmer durch die Nebentätigkeit so sehr beansprucht wird, dass er seine Leistungspflichten aus dem Arbeitsvertrag seiner Haupttätigkeit nicht mehr ausreichend erfüllen kann. Wird er infolge übermäßiger Beanspruchung durch seine Nebenbeschäftigung den quantitativen und qualitativen Arbeitsverpflichtungen aus dem Hauptarbeitsverhältnis nicht mehr gerecht, ist von einer unzulässigen Nebentätigkeit auszugehen. Praxistipp Da es an einem festen Wert zur Bestimmung mangelt, werden gelegentlich beamtenrechtliche Bestimmungen als Vergleichswert herangezogen. Hiernach darf die zeitliche Beanspruchung durch eine oder mehrere Nebentätigkeiten in der Woche 20 % der regelmäßigen Arbeitszeit nicht überschreiten.14

13 BAG, Urt. v. 18.11.1988 – 8 AZR 12/86 –. 14 § 65 Abs. 2 S. 4 BBG, § 42 Abs. 2 S. 3 BRRG.

Preiss/Elert

A. Arbeitsrecht 

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4. Tätigkeit während des Urlaubs Gemäß § 8 BUrlG darf der Arbeitnehmer während seines Urlaubs keine dem Urlaubs- 24 zweck widersprechende Erwerbstätigkeit leisten. Der Urlaub dient der Erholung. Genehmigte Nebentätigkeiten, die der Arbeitnehmer während der Haupttätigkeit ausübt, darf er grundsätzlich auch während seines dortigen Urlaubs ausüben, da es in der Praxis schwierig sein kann, in beiden Arbeitsverhältnissen Urlaub zur gleichen Zeit zu nehmen.15 Allerdings ist für jeden Einzelfall zu prüfen, ob eine dem Urlaubs­ zweck widersprechende Tätigkeit vorliegt. Praxistipp Falls gegen § 8 BUrlG verstoßen wird, entfallen weder der Urlaubs- noch der Entgeltanspruch.16

5. Tätigkeit während krankheitsbedingter Abwesenheit Während einer krankheitsbedingten Abwesenheit im Hauptarbeitsverhältnis darf der 25 Arbeitnehmer keine Nebentätigkeit ausüben, die den Heilungsprozess beeinträchtigt und somit die Abwesenheit verlängert. Allerdings ist er nicht verpflichtet, jede Nebentätigkeit während seiner Krankheit zu unterlassen.17 Ein krankgeschriebener Arbeitnehmer ist nur verpflichtet, sich so zu verhalten, dass er möglichst bald wieder gesund wird. Meldet sich der Arbeitnehmer nur beim Hauptarbeitgeber krank, besteht 26 grundsätzlich die Arbeitsunfähigkeit nur im Hinblick auf die konkret geschuldete Arbeitsleistung für dieses Arbeitsverhältnis. Geht der Arbeitnehmer während der Krankmeldung einer Nebenbeschäftigung nach und beeinträchtigt diese nicht den Heilungsprozess, kann eine solche zulässig sein. Praxistipp Für die Beurteilung, ob eine unzulässige Nebentätigkeit während einer krankheitsbedingten Abwesenheit vorliegt, sind immer die Umstände des Einzelfalls entscheidend.

IV. Verletzung von arbeitsvertraglichen Pflichten – Sanktionsmöglichkeiten Unterfällt das Arbeitsverhältnis einem Genehmigungsvorbehalt oder übt der Arbeit- 27 nehmer eine unzulässige Nebentätigkeit aus, verletzt er seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag. Als Sanktionen kommen eine Abmahnung, eine ordentliche verhal­ tensbedingte Kündigung oder im Extremfall auch eine außerordentliche fristlose Kündigung in Betracht.

15 ArbG Kassel, Urt. v. 9.1.1980 – 4 Ca 539/79 –. 16 BAG, Urt. v. 25.2.1988 – 8 AZR 596/85 –. 17 Braun, DB 2003, 2282.

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 Kapitel 27 Nebentätigkeit

1. Abmahnung

28 Für den Arbeitgeber ist eine Abmahnung von Interesse, wenn der Arbeitnehmer eine

arbeitsvertragliche Pflicht verletzt hat und der Arbeitgeber im Wiederholungsfalle eine Kündigung in Betracht zieht. Eine solche Verletzung liegt vor, wenn der Mitarbeiter eine unzulässige Nebentätigkeit ausübt oder die erforderliche Genehmigung zur Ausübung der Nebentätigkeit nicht eingeholt hat. Letzteres gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer an sich auch Anspruch auf deren Erteilung hat.18 Eine Abmahnung ist nur gerechtfertigt, wenn ein weiteres Fehlverhalten nach 29 Ausspruch der Abmahnung als Kündigungsgrund geeignet sein könnte. Die Abmahnung muss somit verhältnismäßig sein und stellt gegenüber der Kündigung das mildere Mittel dar. Sie hat eine Hinweis-, Ermahnungs- und Warnfunktion. 30 Der Arbeitgeber beanstandet: –– ein bestimmtes vertragswidriges Verhalten (hier: die Ausübung einer unzulässigen Nebentätigkeit), –– fordert zu einem künftigen vertragsgemäßen Verhalten auf (hier bspw.: Aufgabe der Nebentätigkeit) und –– droht im Widerholungsfall entsprechende arbeitsrechtliche Konsequenzen (im Zweifel die Kündigung) an. 31 Die Abmahnung bedarf keiner bestimmten Form, aufgrund der besseren Nachweisbarkeit ist eine schriftliche Abfassung zu empfehlen. Praxistipp Der Empfang der Abmahnung sollte vom Arbeitnehmer quittiert werden, um einen Nachweis des Zugangs erbringen zu können.

2. Ordentliche Kündigung 32 Die Ausübung einer Nebentätigkeit kann eine Kündigung nur rechtfertigen, wenn die vertraglich geschuldeten Leistungen durch die Nebentätigkeit beeinträchtigt werden.19 Ist eine solche Beeinträchtigung durch die Ausübung der Nebentätigkeit nicht zu erwarten, besteht grundsätzlich ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Genehmigung der Nebentätigkeit. In einem solchen Fall ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt. Das BAG hat eine Kündigung jedenfalls für gerechtfertigt gehalten, wenn eine 33 Nebentätigkeit während einer krankheitsbedingten Abwesenheit ausgeübt wird und

18 BAG, Urt. v. 11.12.2001 – 9 AZR 464/00 –. 19 BAG, Urt. v. 26.8.1976 – 2 AZR 377/75 –.

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diese den Heilungsprozess verzögert20 oder wenn die Nebentätigkeit während der Arbeitszeit ausgeübt wird.21 Praxistipp Grundsätzlich ist zu prüfen, ob vor der ordentlichen Kündigung eine Abmahnung erforderlich ist. Dies hat aufgrund einer Interessenabwägung zu erfolgen.

3. Außerordentliche Kündigung Für eine außerordentliche Kündigung muss ein wichtiger Grund vorliegen. Ein wich- 34 tiger Grund liegt vor, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Eine sofortige Kündigung ohne vorherige Abmahnung ist bei besonders groben 35 Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers möglich, wenn dem Arbeitnehmer seine Pflichtwidrigkeit ohne weiteres erkennbar ist und er mit einer Billigung seines Verhaltens durch den Arbeitgeber nicht rechnen kann.22 Ein solch schwerer Verstoß ist beispielsweise in einem Fall angenommen worden, in dem der Arbeitnehmer eine Krankheit vorgetäuscht und damit die Lohnfortzahlung erschlichen hatte.23 Aber auch wenn der Arbeitnehmer tatsächlich arbeitsunfähig krank ist und 36 trotz der Krankheit einer Nebenbeschäftigung nachgegangen ist, kann eine fristlose Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer durch seine anderweitige Tätigkeit die Genesung verzögert und damit den Lohnfortzahlungszeitraum verlängert hat.24 Ebenso kann eine nicht genehmigte Tätigkeit während der Arbeitszeit im Hauptarbeitsverhältnis geeignet sein, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.25 Praxistipp Besonders schwere Verstöße bedürfen grundsätzlich keiner Abmahnung, sollten aber vor dem Hintergrund der Risiken eines Kündigungsschutzprozesses ausgiebig auf ihre inhaltliche Belastbarkeit geprüft werden.

20 BAG, Urt. v. 13.11.1979 – 6 AZR 934/77 –. 21 BAG, Urt. v. 3.12.1970 – 2 AZR 110/70 –. 22 BAG, Urt. v. 26.8.1993 – 2 AZR 154/93 –. 23 BAG, Urt. v. 26.8.1993 – 2 AZR 154/93 –. 24 BAG, Urt. v. 26.8.1993 – 2 AZR 154/93 –. 25 BAG, Urt. v. 3.12.1970 – 2 AZR 110/70 –.

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 Kapitel 27 Nebentätigkeit

4. Schadensersatz

37 Hat der Arbeitnehmer durch eine unzulässige Nebenbeschäftigung gegen seine

arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen und ist dadurch ein Schaden entstanden, kann der Arbeitgeber diesen Schaden vom Arbeitnehmer ersetzt verlangen. Für einen Schadensersatz aus einer solchen Vertragsverletzung ist der Arbeitgeber darlegungsund beweispflichtig.

Praxistipp –– In der Praxis stellt dieses Erfordernis Arbeitgeber vor das Problem der genauen Schadensbezifferung, die oftmals vor dem Hintergrund unterschiedlich umfangreicher Arbeitsorganisationen oder fehlender Einzelwertberechnungen nicht zu bemessen ist. –– Beiträge zur Renten- oder Sozialversicherung, die der Arbeitgeber bspw. im Fall der unterlassenen Anzeige einer weiteren geringfügigen Beschäftigung, die die Geringfügigkeitsschwelle überschreitet, nachentrichten muss, gelten nicht als Schaden.26

5. Anspruch auf Unterlassung 38 Übt der Arbeitnehmer eine unzulässige Nebentätigkeit aus, kann auch ein Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers in Frage kommen. Eine Unterlassungsklage ist jedoch grundsätzlich nicht zulässig, weil es sich bei der Nichtaufnahme oder Nichtfortführung einer Nebentätigkeit um keine selbstständige Hauptpflicht des Arbeitnehmers handelt.27 Die Klage kommt dagegen in Betracht, wenn die Unterlassung einer Wettbewerbstätigkeit begehrt wird. Der Arbeitgeber kann bei einer Beeinträchtigung der arbeitsvertraglichen Pflich39 ten durch die Ausübung einer Nebentätigkeit einen Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitnehmer schriftlich geltend machen. Praxistipp Kommt der Arbeitnehmer der Unterlassensaufforderung nicht nach, besteht u.U. die Möglichkeit, die Entgeltzahlung nach § 320 Abs. 1 BGB zu reduzieren oder einzustellen, weil der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht erfüllt hat. 40 Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Einrede des nichterfüllten Vertrages

entgegenhalten kann, besteht für ihn kein gesondertes Rechtsschutzbedürfnis für eine Unterlassungsklage.

26 BAG, Urt. v. 18.11.1988 – 8 AZR 12/86 – vgl. dazu auch unter C. Rn 75 ff. 27 LAG Hamm, Urt. v. 20.11.1984 – 7 Sa 974/84 –.

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A. Arbeitsrecht 

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6. Anspruch auf Auskunft Da einzelne Nebenbeschäftigungen Einfluss auf die Position und Handlungen des 41 Hauptarbeitgebers haben können, kann dieser ein erhebliches Interesse an einer Auskunft zu Existenz und Umfang von solchen Tätigkeiten seiner Mitarbeiter haben. Zur Überprüfung, ob die Grenzen der Arbeitszeiten nach ArbZG eingehal- 42 ten werden, hat der Arbeitgeber einen Anspruch auf Auskunft über den zeitlichen Umfang der Nebentätigkeit. Das Interesse des Arbeitgebers an dieser Information ergibt sich aus den bei einem Verstoß von ihm möglicherweise zu zahlenden Bußgeldern nach §§ 2, 23 ArbZG. Verweigert ein Arbeitnehmer trotz Aufforderung des Arbeitgebers über Jahre 43 hinweg Angaben über einen Teil seiner erheblichen Nebentätigkeiten oder gibt er zum Umfang über einen anderen Teil seiner arbeitsmäßigen Beanspruchung keine Auskunft, sind die berechtigten Interessen des Arbeitgebers an der ordnungsgemäßen Vertragserfüllung bedroht. In diesem Fall hat der Arbeitgeber einen Anspruch, dass ihm der Arbeitnehmer die Nebentätigkeiten zweier genau bezeichneter Dreimonats­ zeiträume nachträglich anzeigt, damit der Arbeitgeber sein weiteres Vorgehen (z.B. Ausübung eines bisher nicht geltend gemachten tariflichen Zustimmungserfordernisses) prüfen kann.28

V. Rechtsschutz Besteht zwischen Hauptarbeitgeber und Arbeitnehmer Uneinigkeit darüber, ob der 44 Beschäftigte einer Nebentätigkeit nachgehen darf, kann dieser eine Leistungsklage auf Erteilung einer Genehmigung erheben. Wurde im Arbeitsvertrag keine Genehmigungspflicht vereinbart, ist die Nebentätigkeit auch ohne eine solche erlaubt. Sind die Beteiligten generell unsicher, ob eine Nebentätigkeit überhaupt zulässig wäre, kann der Arbeitnehmer diese Rechtsfrage auch im Rahmen einer Feststellungsklage klären lassen. Wurde das Arbeitsverhältnis wegen Ausübung einer Nebentätigkeit gekündigt 45 oder der Arbeitnehmer im Vorfeld abgemahnt, kann sich der Arbeitgeber mit einer Kündigungsschutzklage bzw. einer Klage gegen die Abmahnung konfrontiert sehen. Checkliste –– Ist in den Arbeitsvertrag eine Pflicht zur Einholung einer Genehmigung aufgenommen worden? –– Wurde für die Genehmigung ein Widerrufsvorbehalt vereinbart? –– Liegt eine unzulässige Nebentätigkeit vor, die eine Kündigung bzw. Abmahnung in Betracht kommen lassen?

28 BAG, Urt. v. 18.1.1996 – 6 AZR 314/95 –.

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 Kapitel 27 Nebentätigkeit

Wurde zur Beurteilung der Unzulässigkeit der Nebentätigkeit eine individuelle Interessenabwägung vorgenommen? Übt der Arbeitnehmer noch für andere Arbeitgeber geringfügige Beschäftigungen aus?

B. Steuerrecht I. Nebenberuflichkeit

46 Die nebenberufliche Tätigkeit kann selbstständig oder in einem Arbeitsverhält-

nis als Arbeitnehmer ausgeübt werden. Ob es sich hierbei um eine selbstständige Tätigkeit oder um eine nichtselbstständige Tätigkeit handelt, ist nach den allgemeinen Abgrenzungsmerkmalen des § 1 Abs. 1 und 2 LStDV zu entscheiden. Die entsprechende Qualifizierung entscheidet darüber, wer die jeweiligen steuerlichen Pflichten zu erfüllen hat. Wird die Nebentätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt, kann dies neben dem Hauptbeschäftigungsverhältnis bei einem anderen wie auch bei demselben Arbeitgeber erfolgen.

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1. Ausübung der Nebentätigkeit in einem Arbeitsverhältnis Ob eine Nebentätigkeit in einem Arbeitsverhältnis oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird, ist nach den allgemeinen Regeln des § 1 Abs. 1 und 2 LStDV zu bestimmen. Hierbei können neben den allgemeinen Abgrenzungskriterien folgende Aspekte von Bedeutung sein: 29 Wird eine Tätigkeit nur kurzfristig oder neben einer Haupttätigkeit ausgeübt, so schließt dies eine Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers und damit die Arbeitnehmereigenschaft nicht aus. Muss der Beauftragte die Arbeit in der Betriebsstätte des Auftraggebers leisten, so spricht das eher für die Eingliederung in den Betrieb, als wenn er die Arbeit auch außerhalb der Betriebsstätte leisten kann. Bei einfachen Arbeiten, vor allem bei Handarbeiten, bei denen das Weisungsrecht des Auftraggebers sich stärker auswirkt, ist eher eine Eingliederung in den Betrieb und die Gestellung der Arbeitskraft anzunehmen als bei gehobenen Arbei­ ten, in denen die Weisungsbefugnis des Auftraggebers sich mehr auf äußere und organisatorische Dinge beschränkt, während der Beauftragte in der Gestaltung seiner Arbeit freie Hand hat und der Arbeitserfolg wichtiger ist als Dauer und Umfang der Arbeitsleistung.

29 Besgen/Greilich/Mader/Perach/Voss, Nebentätigkeit, Rn 2058.

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B. Steuerrecht 

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2. Zurechnung der Nebentätigkeit zum Hauptberuf Eine nebenberufliche Tätigkeit ist grundsätzlich für sich allein zu beurteilen, sofern 51 nicht ausnahmsweise die Nebentätigkeit mit der Ausübung des Hauptberufs unmittelbar zusammenhängt und ihn zur Voraussetzung hat.30 Sie muss von der hauptberuflichen Tätigkeit eindeutig abgrenzbar sein und sich deutlich von dieser abheben.31 Das Merkmal der „nebenberuflichen Tätigkeit“ ist anhand der Verkehrsauffassung und einer Reihe von Einzelmerkmalen, wie etwa dem Zeitaufwand und der Höhe der Vergütung, abzugrenzen. Weiter ist auf die Pflichten des (Haupt-)Arbeitsvertrages abzustellen. Dort niedergeschriebene Pflichten können nicht als Nebentätigkeit angesehen werden. Ist die Nebentätigkeit dem Hauptberuf zuzurechnen, sind die insoweit erzielten Einkünfte ebenfalls dem Hauptberuf zuzurechnen, d.h. als Gewerbeeinkünfte, selbstständige Einkünfte, Land- und Forstwirtschaft, freiberufliche oder als nichtselbstständige Einkünfte.32 Praxistipp Für die lohnsteuerliche Einordnung ist jede Nebenberuflichkeit für sich getrennt zu beurteilen.

a) Tätigwerden bei demselben Arbeitgeber Wird die Nebentätigkeit bei demselben Arbeitgeber ausgeübt, kann sie dem Hauptbeschäftigungsverhältnis zugerechnet werden. Dies gilt insoweit auch bei einer geringfügig entlohnten Beschäftigung.33 Die Vergütungen stellen damit Arbeitslohn dar und sind dem Arbeitslohn, ggf. als sonstiger Bezug,34 des Hauptbeschäftigungsverhältnisses zuzurechnen. Eine Zurechnung der Nebentätigkeit zum Hauptberuf ist z.B. gegeben bei einem Bürgermeister, dessen Amt Voraussetzung für den Vorsitz des Verwaltungsrats der örtlichen Sparkasse ist.35 Auch wird regelmäßig die Tätigkeit der bei Universitätskliniken angestellten Assistenzärzte als Gutachter als unselbstständige Nebentätigkeit angesehen, wenn die Gutachten den Auftraggebern als solche der Universitätsklinik zugehen.36 Als Einnahmen aus nichtselbstständiger Tätigkeit wird auch das Honorar angesehen, das ein (leitender) Angestellter von seinem Arbeitgeber dafür erhält, dass er diesen bei Verhandlungen über den Verkauf des Betriebes beraten hat.37

30 Besgen/Greilich/Mader/Perach/Voss, Nebentätigkeit, Rn 2059. 31 FG Saarland, Urt. v. 15.10.1986 – I 48/85 –. 32 Siehe Kap. 9 – Ehrenamt Rn 61 ff. 33 Besgen/Greilich/Mader/Perach/Voss, Mini-Jobs, Rn 1996. 34 R 39b.2 Abs. 2 LStR. 35 Hartz/Meeßen/Wolf, Arbeitnehmer, Rn 54. 36 BFH, Urt. v. 19.4.1956 – IV 88/56 U –. 37 BFH, Urt. v. 20.12.2000 – XI R 32/00 –.

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 Kapitel 27 Nebentätigkeit

Praxistipp Die Nebentätigkeit könnte als selbstständige Tätigkeit zu werten sein, wenn sie nicht aufgrund einer Nebenpflicht zur Haupttätigkeit ausgeübt wird.

b) Tätigwerden bei einem anderen Arbeitgeber

56 Wird die Nebentätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber ausgeübt, so begründet der

Arbeitnehmer dort ein weiteres Arbeitsverhältnis. Es ergeben sich keine abweichen­ den Besonderheiten gegenüber den allgemeinen lohnsteuerlichen Arbeitgeberpflichten.

Praxistipp –– Hingegen können sich bei der Sozialversicherungspflicht Besonderheiten ergeben, wenn die Summe der (nebenberuflichen) Einkünfte die jeweiligen Beitragsbemessungsgrenzen übersteigen.38 Insoweit trifft jeden einzelnen Arbeitgeber auch nur eine gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung des anteiligen Arbeitgeberanteils an den Sozialversicherungsbeiträgen. Darüber hinausgehende Zahlungen sind nicht steuerfrei nach § 3 Nr. 62 EStG und unterliegen der allgemeinen Lohnsteuerpflicht. –– Bei jeder Neueinstellung sollte der Arbeitnehmer nach weiteren Arbeitsverhältnissen befragt werden und ihn ggf. eine entsprechende Erklärung unterschreiben lassen.

c) Mehrere nebenberufliche Tätigkeiten

57 Der Arbeitnehmer kann nach lohnsteuerlichen Gesichtspunkten mehrere nebenbe­

rufliche Tätigkeiten nebeneinander ausüben. Hierbei ist jede dieser Tätigkeiten für sich zu prüfen. Übt ein Steuerpflichtiger mehrere verschiedenartige Tätigkeiten i.S.v. § 3 Nr. 26 EStG aus, ist die Nebenberuflichkeit für jede Tätigkeit getrennt zu beurteilen. Mehrere gleichartige Tätigkeiten sind zusammenzufassen, wenn sie sich als 58 Ausübung eines einheitlichen Hauptberufs darstellen. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn der jeweilige Unterricht in einer Schule zwar weniger als ein Drittel des Pensums einer Vollzeitkraft entspricht, aber in mehreren Schulen unterrichtet wird.39 Praxistipp Ergibt die Zusammenfassung gleichartiger Nebentätigkeiten einen einheitlich ausübbaren Hauptberuf, liegen insoweit keine Nebentätigkeiten vor.

38 Siehe Rn 77 ff. 39 Siehe auch Rn 51.

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B. Steuerrecht 

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3. Nebenberufliche ehrenamtliche Tätigkeit Eine ehrenamtliche Tätigkeit hat regelmäßig keine Einkunftserzielungsabsicht als 59 Grundlage. Diese Tätigkeiten werden regelmäßig in gemeinnützigen Organisationen und zu selbstlosen Zwecken ausgeführt. Dennoch kann es vorkommen, dass der ehrenamtlich Tätige als Arbeitnehmer qualifiziert wird.40 Wird im Ergebnis die ehrenamtliche Tätigkeit als nichtselbstständige Tätigkeit 60 qualifiziert, sind auch in diesem Fall sämtliche lohnsteuerliche Pflichten zu erfüllen. Dies gilt für den Arbeitgeber wie auch für den Arbeitnehmer gleichermaßen. Aber auch hier gilt: Arbeitslohn ist nur insoweit als Lohn zu versteuern, wie über 61 die steuerfrei z.B. nach §§ 3 Nr. 13, 16, 26 und 26a EStG erstattbaren Auslagen hinausgehende Leistungen/Vergütungen erbracht werden.

II. Steuerlich begünstigte Nebentätigkeiten 1. Begünstigte Tätigkeiten Für die Einnahmen aus einer nebenberuflichen Tätigkeit können Steuerbefreiungen gelten. Dies gilt grundsätzlich bei einer selbstständigen wie auch bei einer nichtselbstständigen Nebentätigkeit. Nebenberufliche Tätigkeiten als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher und Be­ treuer oder ähnliche Tätigkeiten werden nach § 3 Nr. 26 EStG mit einem Freibetrag in Höhe von insgesamt 2.100 € p.a. steuerlich begünstigt.41 Diese Tätigkeiten sind in wesentlichen Zügen auf den pädagogischen Dienst am Menschen ausgerichtet.42 Hierunter fällt insbesondere die Tätigkeit eines Sporttrainers, eines Chorleiters oder Orchesterdirigenten, die Lehr- und Vortragstätigkeit im Rahmen der allgemeinen Bildung und Ausbildung, z.B. Kurse und Vorträge an Schulen und Volkshochschulen, Mütterberatung, Erste-Hilfe-Kurse, Schwimmunterricht, oder der beruflichen Ausbildung und Fortbildung. Unter § 3 Nr. 26 fällt auch die Tätigkeit von Hochschullehrern als Prüfer am Landesjustizamt und Finanzbeamte als Prüfer in der Steuerberatung. Gleiches gilt für die Tätigkeit eines Korrekturassistenten, der an der Universität für einen Hochschullehrer mit der Durchsicht und Bewertung von Klausuren und Hausarbeiten befasst ist.43 Weiter ist nach §  3 Nr. 26 EStG die Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen begünstigt. Hierunter fällt auch die häusliche Betreuung einschließlich der Erledigung von Einkäufen, Behördengängen und Schriftverkehr.44

40 Siehe Kap. 9 – Ehrenamt Rn 10 ff. 41 Vfg. LfSt Bayern, Verfügung v. 8.9.2011 – S 2121.1.1 – 1/33 St 32 – m.w.N. 42 R 3.26 Abs. 1 LStR. 43 Frotscher/Fissenewert, EStG, § 3 Nr. 26 Rn 18. 44 R 3.26 Abs. 1 S. 4 ff. LStR.

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 Kapitel 27 Nebentätigkeit

67 Die Ausübung eines Nebenberufs setzt nicht zwingend die Ausübung eines Hauptbe-

rufs voraus. Zur Erlangung der Steuerbefreiungen nach §§ 3 Nr. 26 und 26a EStG darf die nebenberufliche Tätigkeit allerdings – bezogen auf das Kalenderjahr – nicht mehr als ein Drittel der Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeiterwerbs in Anspruch nehmen.45 Hierbei sind mehrere gleichartige Tätigkeiten zusammenzufassen, wenn sie 68 sich nach der Verkehrsanschauung als Ausübung eines einheitlichen Hauptberufs darstellen.46 Dies wäre z.B. dann der Fall, wenn die jeweilige Nebentätigkeit zwar ein Drittel der Vollzeitarbeitszeit nicht überschreitet, aber mehrere gleichartige Nebentätigkeiten nebeneinander ausgeübt werden und in Summe ein Drittel eines vergleichbaren Vollzeiterwerbs überschreiten. Praxistipp Nur solche Tätigkeiten können nebenberuflich sein, die üblicherweise neben einer Vollbeschäftigung ausgeübt werden können.

2. Auftraggeber/Arbeitgeber

69 Die Steuerbefreiung und somit die Gewährung des Freibetrages kommt nur in

Betracht, wenn die Tätigkeit im Dienst oder im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des KStG fallenden Ein­ richtung erfolgt.47 Hierzu gehören z.B. Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände, Industrie70 und Handelskammern, Handwerkskammern, Rechtsanwaltskammern, Steuerberaterkammern, Wirtschaftsprüfungskammern, Ärztekammern, Universitäten oder die Träger der Sozialversicherung. Weiter gehören dazu die Körperschaften, Personenvereinigungen, Stiftungen und 71 Vermögensmassen, die nach Satzung oder dem Stiftungsgeschäft und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen. Fehlt es an einem begünstigten Auftraggeber/Arbeitgeber, kann der Freibetrag 72 nicht gewährt werden.

45 Schmidt/Heinicke, EStG 2011, § 3 ABC Nebeneinkünfte. 46 R 3.26 Abs. 2 LStR. 47 R 3.26 Abs. 3 LStR.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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3. Steuerfreier Auslagenersatz Die Steuerfreiheit von Bezügen nach anderen Vorschriften, z.B. nach § 3 Nr. 12, 13, 16 73 EStG bleibt unberührt. Hierunter fallen z.B. Reisekosten, Umzugskosten, Kosten für beruflich bedingte doppelte Haushaltsführung etc.48

4. Höhe der Steuerbegünstigung Die gezahlten Einnahmen sind gem. § 3 Nr. 26 EStG bis zu einem Betrag von 2.100 € 74 p.a. steuerfrei. Dieser Betrag ist ein Jahresbetrag. Er wird nur einmal gewährt, auch wenn mehrere begünstigte Tätigkeiten ausgeübt werden. Der Freibetrag ist nicht aufzuteilen, auch wenn die begünstigte Tätigkeit nicht das ganze Jahr über ausgeübt wird.49 Checkliste –– Überprüfung, ob selbstständige oder nichtselbstständige Tätigkeit. –– Überprüfung, ob nach dem Gesamtbild der Verhältnisse eine Hauptbeschäftigung vorliegt, ggf. unter Zusammenrechnung weiterer gleichartiger Nebentätigkeiten (anhand der Bestätigungen der Arbeitnehmer). –– Nebenbeschäftigungen bei demselben Arbeitgeber können lohnsteuerrechtlich als ein Arbeitsverhältnis gewertet werden.

C. Sozialversicherungsrecht Die Sozialversicherung definiert „Nebentätigkeit“ nicht eigenständig und hat dafür 75 auch keine speziellen Regelungen. Gleiches gilt für die Begriffe „Aushilfskräfte“, „Mehrfachbeschäftigung“ etc. Die mit einer Nebentätigkeit, einer Aushilfs- oder Mehrfachbeschäftigung zusammenhängenden Probleme sind mit den Regelungen über die Beschäftigung (§ 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV), die geringfügige Beschäftigung (§ 8 SGB IV) und die unständige Beschäftigung zu lösen.50 Grundsätzlich führt jede abhängige entgeltliche Beschäftigung zur Versicherungs- und regelmäßig auch zur Beitragspflicht.51

I. Mehrfachbeschäftigung als Arbeitnehmer Wenn ein Arbeitnehmer bei mehreren Arbeitgebern gleichzeitig beschäftigt ist, liegt 76 eine Mehrfachbeschäftigung vor. Ein Mehrfachbeschäftigungsverhältnis liegt

48 R 3.26 Abs. 7 LStR. 49 R 3.26 Abs. 8 LStR. 50 Küttner/Schlegel, Nebentätigkeit, Rn 23. 51 Vgl Kap. 24 – Minijobber und 27 – Nebentätigkeit.

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 Kapitel 27 Nebentätigkeit

sozialversicherungsrechtlich dann nicht vor, wenn der Arbeitnehmer bei demselben Arbeitgeber gleichzeitig mehrere Beschäftigungen ausübt. In diesem Fall würde unabhängig von der arbeitsvertraglichen Gestaltung ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis vorliegen.52 Praxishinweis Jeder Mitarbeiter ist gesetzlich verpflichtet, seinen Arbeitgeber über alle seine Beschäftigungsverhältnisse zu informieren (vgl. § 28o SGB IV). 77 Werden mehrere Beschäftigungen nebeneinander ausgeübt, sind grundsätzlich alle

Arbeitsentgelte hinsichtlich der versicherungsrechtlichen Beurteilung zu addie­ ren. Dabei sind die Beiträge höchstens bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze abzuführen. Erzielt der Arbeitnehmer mit den Einkommen aus beiden Tätigkeiten weniger als die Beitragsbemessungsgrenze, berechnet der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge bei dem mehrfachbeschäftigten Arbeitnehmer wie bei jedem anderen Arbeitnehmer und führt seinen Teil an die jeweilige Einzugsstelle ab. Erzielt der Arbeitnehmer mit den Einkommen aus beiden Tätigkeiten mehr als die Beitrags­ bemessungsgrenze, so werden die beitragspflichtigen Entgelte zwischen den beteiligten Arbeitgebern aufgeteilt. Praxistipp Die Formel dabei ist: –– Beitragsbemessungsgrenze * Arbeitsentgelt aus Einzelbeschäftigung; –– Summe der Arbeitsentgelte = Beitragspflichtiges Entgelt; –– Dabei ist das beitragspflichtige Arbeitsentgelt jeweils mit den Bemessungsgrenzen für Krankenund Pflegeversicherung und Renten- und Arbeitslosenversicherung getrennt zu berechnen.

78 Nur für die beitragspflichtigen Teile des Arbeitsentgelts führen die jeweiligen Arbeit-

geber Beiträge ab. Der übersteigende Teil ist jeweils beitragsfrei.

Beispiel –– Beschäftigung bei Arbeitgeber A 6.000 €. –– Beschäftigung bei Arbeitgeber B 2.000 €. Ermittlung des beitragspflichtigen Teils des Arbeitsentgelts in der Renten- und Arbeitslosenversicherung nach obiger Formel (bundeseinheitlich) unter Anwendung der Beitragsbemessungsgrenze von 2012: –– Arbeitgeber A: 5.600 € × 6.000 €/ 8.000 € = 4.200 €. –– Arbeitgeber B: 5.600 € × 2.000 €/ 8.000 € = 1.400 €. Die Summe ergibt wieder die Beitragsbemessungsgrenze für die Renten- und Arbeitslosenver­ sicherung von 5.600 € p.M. für 2012.

52 Vgl. Küttner/Schlegel, Nebentätigkeit, Rn 25 ff.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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Ermittlung des beitragspflichtigen Teils des Arbeitsentgelts in der Kranken- und Pflegeversicherung erfolgt ebenso nach obiger Formel.

In der Kranken- und Pflegeversicherung ist darüber hinaus die Versicherungsfrei­ 79 heit des mehrfachbeschäftigten Arbeitnehmers zu überprüfen. Arbeitnehmer, deren regelmäßiges Entgelt durch Aufnahme einer weiteren krankenversicherungspflichtigen Beschäftigung die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschreitet, sind auch in der Zweitbeschäftigung erst mit Ablauf des Kalenderjahres versicherungsfrei, sofern die Arbeitsentgelte aus beiden Beschäftigungen auch die vom Beginn des nächsten Kalenderjahres an geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze überschreiten. Arbeitnehmer, deren regelmäßiges Entgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze bereits durch die Erstbeschäftigung übersteigt, sind auch in der Zweitbeschäftigung versicherungsfrei. Sind die Arbeitnehmer in der Zweitbeschäftigung versicherungsfrei, werden sie dieses auch in der Erstbeschäftigung mit Aufnahme der zweiten Beschäftigung.

II. Mehrfachbeschäftigung im Nebenberuf als Arbeitnehmer mit selbstständiger Tätigkeit Ein hauptberuflich Angestellter wird für diese Tätigkeit grundsätzlich sozialversiche- 80 rungspflichtig. Selbstständige sind grundsätzlich nicht sozialversicherungspflichtig. Wer in seinem Hauptberuf als Angestellter versichert ist, braucht auf seine Zusatzeinnahmen aus selbstständigen Nebentätigkeiten daher auch grundsätzlich keine zusätzlichen Sozialabgaben zu leisten. Ausnahmen gelten allerdings in der Rentenversicherung für rentenversiche- 81 rungspflichtige Selbstständige. In diesem Fall könnte auch bei nebenberuflicher Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit eine Beitragspflicht in der Rentenversicherung entstehen. Versicherungspflicht besteht unter anderem für Erzieher und Lehrer (darunter auch Dozenten, Trainer, Sprach-, Fahr- und Nachhilfelehrer), Pflegepersonen, Hebammen und Entbindungspfleger, Seelotsen, Küstenschiffer und Küstenfischer sowie Hausgewerbetreibende.

III. Mehrfachbeschäftigung als Selbstständiger und Tätigkeit im Nebenberuf als Arbeitnehmer Hauptberuflich Selbstständige sind – von Ausnahmen abgesehen (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 und 82 4 SGB V) – gem. § 5 Abs. 5 SGB V von der Krankenversicherung befreit und können auch nicht nach anderen Vorschriften versicherungspflichtig werden. Der hauptberuflich Selbstständige, der in der Nebentätigkeit Arbeitnehmer ist, 83 ist also auch für seine Tätigkeit als Arbeitnehmer nicht beitragsberechtigt- oder verpflichtet in der Krankenversicherung. Entsprechendes gilt in der Pflegeversicherung, da diese grundsätzlich der Krankenversicherung folgt. In den anderen Sozialversicherungszweigen sind für ihn Beiträge bis zur Bemessungsgrenze abzuführen. Gather

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 Kapitel 27 Nebentätigkeit

Eine hauptberuflich selbstständige Erwerbstätigkeit sieht der Gesetzgeber dann als gegeben an, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstellt.53 Darüber hinaus ist als hauptberuflich selbstständig Erwerbstätiger anzusehen, der mindestens einen Arbeitnehmer mehr als geringfügig bzw. mehrere Arbeitnehmer, deren Arbeitsentgelte bei Zusammenrechnung die Geringfügigkeitsgrenze des §  8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV überschreiten, in seinem Betrieb beschäftigt. Die Spitzenverbände nehmen weiterhin bei Arbeitnehmern, die mindestens 18 Stunden in der Woche arbeiten und deren monatliches Arbeitsentgelt mehr als die Hälfte der monatlichen Bezugsgröße nach §  18 SGB IV beträgt, die widerlegbare Vermutung an, dass für eine hauptberuflich selbstständige Tätigkeit kein Raum mehr verbleibt.54 Die oben genannten Kriterien sind als für die Praxis erarbeitete Vereinfachungs­ 85 regeln zu verstehen.55 Im Einzelfall entscheidet die zuständige Einzugsstelle über Versicherungspflicht und -freiheit.

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53 BVerfG, Beschl. v. 22.5.2001 – 1 BvL 4/96 –. 54 TOP 1 der Besprechung der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs v. 21./22.11.2006. 55 HN/Noftz, SGB V, § 5 Rn 490.

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Kapitel 28 Niedriglohnbeschäftigung A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis 1. Nutzen Die Höhe und Struktur von Lohneinkommen sind für Unternehmer ein wichtiger 1 Indikator als Entscheidungsgrundlage für oder gegen die Einrichtung von Arbeitsplätzen oder die Vergabe externer Aufträge. In Deutschland tätige Unternehmen sehen sich bei ihren Überlegungen häufig mit der Problematik konfrontiert, im internationalen Vergleich höhere Löhne zahlen zu müssen und dabei einer zu geringen Lohnspreizung zu unterliegen. Verdienste und Arbeitskosten bilden somit ein wesentliches Kriterium bei der Auswahl des Produktionsstandortes. Praxishinweis Tätigkeiten mit geringer Wertschöpfung können in der Regel nur gering entlohnt werden, da die Kosten für den Arbeitsplatz sonst höher liegen als der mit ihm verbundene wirtschaftliche Ertrag. Ausgangsüberlegung einer Entscheidung für oder gegen die generelle Einrichtung eines Arbeitsplatzes ist daher: Lohnt sich das?

Mit Hilfe einer Mitarbeiterstruktur, die zu einem Teil aus Arbeitnehmern besteht, 2 deren Lohnkosten unteren Einkommensgruppen zuzurechnen sind, lassen sich die Gesamtlohnkosten eines Unternehmens in ihrem Mittel senken und wirtschaftliche Handlungsspielräume werden frei. Dies stellt einen in Zeiten der internationalen Wettbewerbssituation nicht zu unterschätzenden Faktor dar. Praxishinweis Während das Arbeitsentgelt für einen Beschäftigten die wichtigste Einkommensquelle ist, bedeutet es für den Arbeitgeber Ausgaben. Aus Bruttoverdienst und Lohnnebenkosten setzen sich die Arbeitskosten zusammen, deren Niveau und Entwicklung die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens prägen. Arbeitgeber in Deutschland zahlten für eine Stunde Arbeit im Jahr 2008 im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich insgesamt durchschnittlich 29,60 €.1

Eine Stunde Arbeit war in Deutschland damit 6,70 € teurer als im Durchschnitt der 3 Europäischen Union – das sind 29 % mehr Kosten als für eine vergleichbare Tätigkeit im europäischen Umland gezahlt wurde.2

1 Verdienste und Arbeitskosten 2008, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2009, S. 27, abrufbar im Internet unter www.destatis.de. 2 Von allen 27 EU-Mitgliedsstaaten im Jahre 2007 lag Deutschland auf Platz 7 der Länder mit den höchsten Arbeitskosten – Verdienste und Arbeitskosten 2008, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2009, S. 27 ff., abrufbar im Internet unter www.destatis.de.

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 Kapitel 28 Niedriglohnbeschäftigung

Praxistipp Durch eine stärkere Ausschöpfung von Beschäftigungspotenzialen auch in unteren Lohnbereichen lassen sich Arbeitskosten senken. 4 Neben der tatsächlichen Höhe der Arbeitskosten sind viele Arbeitgeber an flexiblen

Einsatzmöglichkeiten der Arbeitnehmer interessiert. In Wirtschaftszweigen, die von saisonalen Einflüssen oder zeitlich kurzfristiger Nachfrage geprägt sind, bietet der Niedriglohnbereich zahlreiche Möglichkeiten durch die Beschäftigung mehrerer Personen zu individuell günstigeren Konditionen, Personal- oder Produktionseng­ pässe abzufangen. Praxistipp Niedriglohnbeschäftigung kann als Flexibilisierungselement bei Nachfragespitzen, Arbeitseinsätzen an den Wochenenden oder in den Abendstunden sinnvoll sein.

5 Neben den unmittelbaren betrieblichen Vorteilen haben Arbeitsverhältnisse im Nied-

riglohnsektor auch volkswirtschaftliche Auswirkungen. Wettbewerbsschwächere Personen finden über eine Niedriglohnbeschäftigung einen Einstieg in den Arbeitsmarkt und damit über Teilhabe zu Aufstiegschancen in andere Beschäftigungssegmente. Zwar ist die Zahl der für ein geringes Entgelt und ohne Berufsausbildung Tätigen in den letzten Jahren gesunken (1995 waren es 29,1 % aller Niedriglohnarbeitnehmer, 2008 nur noch 20,4 %),3 der gleichwohl hohe Anteil von knapp einem Fünftel aller Niedriglohnbeschäftigten zeigt die große praktische Relevanz dieses Beschäftigungsmodells. Praxishinweis Niedriglohn kann ein Sprungbrett in die Beschäftigung sein – die Erschließung einfacher Tätigkeitsbereiche ermöglicht auch Unqualifizierten, Langzeitarbeitslosen oder generell dem Arbeitsmarkt fernstehenden Personen einen Einstieg in die Berufswelt.

6 Letztlich bietet die Aktivierung eines breiteren Beschäftigungspotenziales gesamt-

wirtschaftliche Vorteile, die jedem einzelnen Unternehmen zu Gute kommen. Mehr Vollzeit beschäftigte Arbeitnehmer haben eine größere Kaufkraft, die in der Regel zu einer Steigerung der Nachfrage, höheren Warenumsätzen und damit verbundenen Umsatzzuwächsen führt.

3 Niedriglohnbeschäftigung 2008, IAQ-Report 2010-06, Universität Duisburg-Essen, Institut für Arbeit und Qualifikation, S. 6, Tab. 2, abrufbar im Internet unter www.iaq.uni-due.de/iaq-report/.

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Vorteile für Arbeitgeber –– Niedrige Arbeitskosten –– Höhere Lohnspreizung –– Finanzieller Spielraum –– Wettbewerbsvorteil –– Flexibilisierungsinstrument –– Aktivierung zusätzlicher Beschäftigter –– Stärkung der Kaufkraft und Umsatzwachstum

2. Praktische Erfahrungen und Entstehung Die praktische Bedeutung des Themas spiegeln auch die von der BA hierzu veröffent- 7 lichten Zahlen wider. Seit Ende der 1990er Jahre ist ein deutlicher Anstieg der Nied­ riglohnbeschäftigung in Deutschland feststellbar. Der Anteil der Beschäftigten mit Arbeitsentgelten unter der jeweiligen Niedriglohnschwelle hat sich zwischen 1999 und 2009 von 16,6 % auf 20,2 % in Westdeutschland und von 17,9 % auf 21,3 % in Ostdeutschland erhöht.4 Die Zunahme der Beschäftigtenzahlen beruht auf diversen arbeitsmarktpolitischen Weichenstellungen und in der Praxis eingeführten Arbeitsrahmenmodellen: Entwicklungsgründe –– Personalüberangebot –– Nachlassende Tarifbindung und tariffreie Zonen –– Konkurrierende Tarifverträge und Gewerkschaften –– Tarifabschlüsse unterhalb vergleichbarer Lohnsätze –– Staatliche Deregulierung –– Fehlen von Mindestlöhnen –– Abschaffung einkommensabhängiger Arbeitslosenhilfe

a) Lohnwettbewerb Grundsätzlich gilt in der Warenwirtschaft die Regel, dass Angebot und Nachfrage 8 den Preis bestimmen. Besteht eine große Nachfrage nach Arbeitsplätzen, fördert dies einen Lohnwettbewerb, an dessen Ende in der Regel der Arbeitnehmer eingestellt wird, der sich bereit erklärt, zu den günstigsten Bedingungen zu arbeiten. Praxistipp Niedriglöhne kommen insbesondere dann in Betracht, wenn Personalkosten einen Konkurrenzfaktor bedeuten – in Branchen mit Personalüberschuss können demzufolge die durchschnittlichen Entgelthöhen sinken.

4 Sozialversicherungspflichtige Bruttoarbeitsentgelte, Beschäftigungsstatistik der BA, Nürnberg, November 2010, S. 25, abrufbar im Internet unter http://statistik.arbeitsagentur.de.

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 Kapitel 28 Niedriglohnbeschäftigung

Praxishinweis Lohnkonkurrenz heißt nicht zwangsläufig Qualitätskonkurrenz.

b) Sinkende Tarifbindung

9 Die Ausweitung der Niedriglohnbeschäftigung ist auch Folge einer sinkenden Tarif­

bindung. Abnehmende gewerkschaftliche Organisation von Arbeitnehmern, Austritte der Arbeitgeber aus Dachverbänden oder der generelle Unwille zum Abschluss von Haustarifverträgen führen dazu, dass tarifrechtliche Schutzwirkungen nicht mehr greifen, die bislang ein zu geringes Lohngefüge verhinderten. Die Zunahme tariffreier Zonen geht einher mit einer Aufsplittung vorhandener Tarifsysteme, deren finanzielle Rahmenvereinbarungen zunehmend ausfransen. Praxishinweis Tarifliche Bindung bedeutet nicht automatisch hohe Lohnkosten – so existieren bereits 648 Tarifgruppen mit Stundenlöhnen unter 6,– €.5

c) Gewerkschafts- und Tarifvertragskonkurrenz 10 In einzelnen Branchen besteht zudem Konkurrenz zwischen Tarifverträgen verschiedener Gewerkschaften. Folge des wachsenden Wettbewerbs zwischen einzelnen Gewerkschaften ist nicht selten ein gegenseitiger Unterbietungswettbewerb mit dem Ziel, neue Tarifverträge mit günstigeren Regelungen auszuhandeln. Die auf diese Weise sichtbar werdende selbstständige Aufgabe der Verhandlungsparität schwächt die Ausgangsposition der Arbeitnehmervertreter und wird für die Arbeitgeberseite zum verhandlungspolitischen Vorteil. Praxishinweise –– Tarifliche Bindung in einem stark umkämpften Preis- und Personalsektor kann die Attraktivität eines Unternehmens als Arbeitgeber steigern und eine Auswahl unter einer größeren Zahl von Bewerbern ermöglichen. –– Arbeitsverträge zu Niedriglohnkonditionen sind generell für alle Arbeitgeber interessant, die nicht tarifvertraglich oder über den Arbeitgeberverband an höhere Entgeltvorgaben gebunden sind.

5 Weinkopf, „Mehr Beschäftigung durch Niedriglöhne?“, Vortrag am 21.1.2005 in Marburg, Institut Arbeit und Technik, Wissenschaftszentrum NRW, abrufbar im Internet unter www.iaq.unidue.de/aktuell/veroeff/2005/weinkopf02.pdf.

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d) Staatliche Deregulierung Die umfassende Deregulierung der Zeitarbeit, insbesondere die Aufhebung der 11 zeitlichen Begrenzung des Verleihs auf zwei Jahre, begünstigt herabsenkenden Druck auf das Lohnniveau ebenso wie die Abschaffung der verbotenen Kopplung der Dauer des Arbeitsvertrages an die Dauer des betrieblichen Einsatzes (Synchronisations­ verbot). Während Vollzeit beschäftigte Arbeitnehmer im Jahr 2006 im Durchschnitt einen Stundenlohn von 18,04 € erhielten, bekamen Zeitarbeitsbeschäftigte ein Entgelt von 9,71 €.6 Dies entspricht einem Lohngefälle von fast 50 %. Unabhängig von einer geringen Entgeltvereinbarung drücken aber auch niedrige Entlohnungen bei Nichteinsatzzeiten oder die Nichtzahlung von Überstundenzuschlägen das Einkommen von Leiharbeitnehmern zusätzlich nach unten. Praxistipp Die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern bietet Arbeitgebern häufig ein geringeres Kostenrisiko, qualifizierte Mitarbeiter und mehr Flexibilität.

Die Verlängerung der befristeten Beschäftigung ohne sachlichen Grund von 12 zunächst einem Jahr, jetzt auf zwei und in neu gegründeten Unternehmen auf bis zu vier Jahre hat ebenso Einfluss auf die Niedriglohnentwicklung wie die veränderten Rahmenbedingungen bei der geringfügigen Beschäftigung durch das Anheben der Verdienstgrenze von 325 € auf 400 € sowie die Aufhebung der 15-Stunden-Grenze. Praxistipp Ein durchorganisierter Einsatz von befristeten und geringfügig beschäftigten Arbeitskräften schafft finanzielle Handlungsspielräume und Wettbewerbsvorteile.

e) Fehlen von Mindestlöhnen Das Fehlen von gesetzlichen oder das reale Absinken von bestehenden Mindest- 13 löhnen (durch jahrelanges Nichtanheben und somit auch mangelnder Anpassung) hat für den Niedriglohnsektor erheblichen Einfluss. Die Lohnuntergrenzen bei der Niedriglohnbeschäftigung sind durch eine fehlende Entgeltmindestregelung nicht beschränkt und theoretisch in ihrer Höhe keinen nach unten dezimierbaren Begrenzungen unterworfen. Während die Festlegung eines Mindestlohnes einerseits die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen aufgrund fixer Arbeitskos­ ten erschwert, schützt ein solcher zugleich alle Anbieter auf dem Markt vor Konkurrenten, die günstigere Angebote unter Nutzung von Schwarzarbeit oder Abhängigkeitsproblemen ausländischer Arbeitskräfte platzieren.

6 Niedrigeinkommen und Erwerbstätigkeit, Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2009, S. 14, Tab. 4, abrufbar im Internet unter www.destatis.de.

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 Kapitel 28 Niedriglohnbeschäftigung

Praxistipp Die Vereinbarung eines Mindestlohns schützt Arbeitgeber vor Klagen hinsichtlich sittenwidrig vereinbarter Entgelthöhen.

f) Abschaffung einkommensabhängiger Arbeitslosenhilfe

14 Schließlich erhöht die Abschaffung der einkommensabhängigen Arbeitslosenhilfe

den Druck auf qualifizierte Langzeitarbeitslose, die ehemals gut verdient haben, auch einen schlechter bezahlten Arbeitsplatz anzunehmen.

Praxistipp Die Anstellung von Langzeitarbeitslosen wird von der Agentur für Arbeit mit einem Beschäftigungszuschuss gefördert. Dieser kann bis zu 75 % des Bruttoarbeitsentgelts betragen und bis zu 24 Monate gezahlt werden.

II. Begriffsbestimmung und Abgrenzung

15 Unabhängig davon, welche Richtung die Entwicklung des Niedriglohnsektors in

den kommenden Jahren noch nehmen wird, unterliegen die in ihm angesiedelten Beschäftigungsverhältnisse bereits jetzt zahlreichen gesetzlichen Anforderungen. Bei Abschluss entsprechender Verträge ist daher ein gründliches Augenmerk auf die arbeits- und sozialrechtlichen Besonderheiten zu legen und eine Abgrenzung zu anderen Beschäftigungsformen notwendig.

1. Definition

16 Niedriglohn bezeichnet das Arbeitsentgelt eines Vollzeitbeschäftigten, welches so

gering ist, dass es durch Sozialleistungen aufgestockt werden muss.

Praxistipp Da es sich nicht um ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis, sondern um eine normale sozialversicherungspflichtige Tätigkeit handelt, ist für die Abwicklung des Melde- und Beitragswesens nicht die im Zuständigkeitsbereich liegende Minijob-Zentrale, sondern die jeweilige Krankenkasse des Arbeitnehmers verantwortlich. 17 Trotz voller Erwerbstätigkeit ist der Arbeitnehmer aufgrund des geringen Lohnes

nicht in der Lage, sein soziokulturelles Existenzminimum zu sichern. Der Niedriglohn liegt damit an der Grenze zur Armutsannahme. Diese wird in Deutschland mit dem wirtschaftlich absoluten Wert des Sozialhilfeniveaus (Arbeitslosengeld II) bemessen.

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Praxishinweis Trotzdem muss ein Niedriglohnjob nicht automatisch einkommensarm und hilfsbedürftig bedeuten. Ein Großteil der abhängig Beschäftigten geht nur einem Teilzeit- oder Minijob nach. Der Grund für die staatliche Aufstockung kann daher auch in einem geringen Arbeitszeiteinsatz zu sehen sein.

Nach oben ist der Niedriglohnsektor in Anlehnung an OECD-Standards durch die sog. 18 Niedriglohnschwelle begrenzt. Diese wird aus dem Bruttolohn der Geringverdiener gebildet, die als sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigte weniger als zwei Drittel des Medianentgelts7 aller sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten erzielen. In Deutschland liegt diese Schwelle aktuell bei 1.784 €. 22,3 % aller Vollzeittätigen bleiben mit ihrem Einkommen unter dieser Schwelle.8 Praxishinweis Ob sich die Aufnahme einer schlecht bezahlten Tätigkeit lohnt, hängt maßgeblich von den individuellen Lebens- und Familienumständen ab.9 Tatsächlich bieten einkommensaufstockende Instrumente, wie das Wohn- oder Kindergeld, ausreichend Möglichkeiten bei gering entlohnter Vollzeittätigkeit einen effizienten Lohnabstand zu Personen, die ausschließlich Grundsicherung beziehen, zu erlangen.10

Die arbeitsrechtliche Stellung entspricht den Rechten und Pflichten eines regulä­ 19 ren Arbeitsverhältnisses. Eine Beschäftigung im Niedriglohnbereich unterscheidet sich ausschließlich durch das geringere Entgelt von anderen Vollzeitarbeitsverhältnissen. Unterschiede im Kündigungsrecht, bei der Urlaubsgewährung, im Hinblick auf Befristungsabreden oder betriebliche Sozialleistungen gibt es nicht.

2. Abgrenzung a) Ein-Euro-Job Zwar suggeriert der Begriff „Ein-Euro-Job“ ein Arbeitsentgelt im Niedriglohnsektor, 20 jedoch handelt es sich bei dieser Beschäftigungsform lediglich um eine Zusatzver-

7 Bei dem Medianlohn handelt es sich um den Median der Zahlenreihe, bestehend aus den effektiv gezahlten Bruttolöhnen aller Vollerwerbstätigen des Landes. D.h., eine Hälfte aller Beschäftigten verdient mehr als den Medianlohn, die andere dementsprechend weniger als den Medianlohn. Dazu Lohmann, S. 109. 8 Sozialversicherungspflichtige Bruttoarbeitsentgelte, Beschäftigungsstatistik der BA, Nürnberg, November 2010, S. 24, abrufbar im Internet unter http://statistik.arbeitsagentur.de. 9 Anschauliche Musterrechnung sowie Gegenüberstellung verschiedener Erwerbseinkommen von Haushalten mit Arbeitslosengeld II-Bezug dargestellt in Wochenbericht des DIW Berlin, Nr. 15–16/2006, S. 202 f. 10 Zu der kontrovers diskutierten Frage, ob sich die Arbeitsaufnahme für Grundsicherungsbezieher finanziell nicht lohne und somit kein Arbeitsanreiz gegeben sei: Expertise des Paritätischen Gesamtverbandes, „Damit sich Arbeit lohnt“, Berlin 2010.

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dienstmöglichkeit von Arbeitslosengeld-II(ALG-II)-Empfängern im Rahmen einer Mehraufwandentschädigung. Die Bezeichnung „Ein-Euro-Job“ ist insoweit irreführend, da die Beschäftigten keinen Arbeitslohn im eigentlichen Sinne, sondern nur einen Ausgleich für Mehrkosten erhalten. Es handelt sich nicht um eine Vergütung pro Stunde im Rahmen einer Vollzeittätigkeit, sondern um eine sozialversicherungs­ freie Beschäftigung bei einem geeigneten Träger, die als selbstverdienter Zuschuss zum ALG-II erworben werden kann. Die auszuführenden Arbeiten müssen zusätzlich, im öffentlichen Interesse und wettbewerbsneutral sein. Rechtsgrundlage für diese Sonderform der Beschäftigung ist § 16d S. 2 SGB II.11 Praxishinweis Zwischen dem Hilfsbedürftigen und dem Anbieter der Arbeitsgelegenheit wird kein Arbeitsverhältnis begründet – trotzdem finden die Vorschriften des Arbeitsschutzes und des Bundesurlaubsgesetzes Anwendung.

b) Mini-Job

21 Als Mini-Jobs werden sowohl geringfügig entlohnte Beschäftigungen mit einem

Arbeitsentgelt nicht über 400 € als auch kurzfristige Beschäftigungen verstanden, deren Zeitdauer im Laufe eines Kalenderjahres nicht mehr als zwei Monate oder insgesamt 50 Arbeitstage betragen. Wird die Beschäftigung an mindestens 5 Tagen pro Woche ausgeübt, ist vom 2-Monats-Zeitraum auszugehen. Findet die Beschäftigung regelmäßig an weniger als 5 Tagen pro Woche statt, wird eine Kurzfristigkeit von 50 Arbeitstagen angenommen. Für ausführlichere Informationen zum Thema wird auf Kap. 24 verwiesen.

Praxishinweis Zentrale Einzugs- und Meldestelle für geringfügig Beschäftigte ist die Minijob-Zentrale bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See. Der Arbeitgeber benötigt zur Meldung eines Arbeitnehmers und zum Nachweis der Höhe der geleisteten Abgaben eine achtstellige Betriebsnummer. Diese kann bei der zuständigen Agentur für Arbeit beantragt werden.

c) Midi-Job

22 Beschäftigungen, deren regelmäßiges monatliches Entgelt zwischen 400,01 € und

800 € liegt, werden als Midi-Job oder Gleitzonentätigkeit bezeichnet.

11 Für ausführlichere Informationen zum Thema wird auf Kap. 10 – Ein-Euro-Jobber verwiesen.

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Praxishinweis Midi-Jobs sind ein wichtiges Instrument bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit. Eine verhältnismäßig unbürokratische Handhabung und kalkulierbare Sozialversicherungskosten setzen rechtlich und wirtschaftlich attraktive Rahmenbedingungen, die oft eine Flucht in die illegale Anstellung von Arbeitskräften vereitelt. Die legale Beschäftigung der Arbeitnehmer wird durch den Krankenversicherungsschutz auch sozial abgesichert.

d) Lohndumping Unter Lohndumping versteht man allgemein das Unterschreiten eines ortsübli­ 23 chen Entgelts oder Tariflohns, das zu einer Existenzgefährdung des Arbeitnehmers führen kann. Es handelt sich um einen in der politischen Debatte verwendeten Begriff, der weniger die Lohnstruktur an sich als den arbeitgeberseitigen Umgang mit dieser im Rahmen eines Unterbietungswettbewerbs beschreibt. Extreme Formen des Lohndumpings, die das Ausbeuten der Arbeitskraft des Arbeitnehmers zum Ziel haben, sind nach mehreren Vorschriften des Strafgesetzbuches sowie in einigen Nebengesetzen unter Strafe gestellt.12 In Branchen, die vom Schutzkreis des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes erfasst 24 sind, wird eine untertarifliche Zahlung als Ordnungswidrigkeit gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 AEntG behandelt. Praxishinweis Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 500.000 € geahndet werden.

e) Lohnwucher Lohnwucher liegt dann vor, wenn in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis die Höhe 25 der Vergütung in einem auffälligen Missverhältnis zur Arbeitsleistung steht. Es handelt sich um eine rechtswidrige Ausbeutung von Arbeitnehmern und kann zu arbeits-/zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen führen. Ein Rechtsgeschäft und damit auch die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses, das durch Ausnutzung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche des Arbeitnehmers zustande gekommen ist, ist nach der Vorschrift des §  138 Abs. 2 BGB nichtig. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen kommt zudem eine Strafbarkeit gem. § 291 Abs. 1 Nr. 3 StGB in Betracht.

12 § 233 StGB, § 10 SchwarzArbG, § 15a AÜG.

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 Kapitel 28 Niedriglohnbeschäftigung

Praxishinweis Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung i.S.v. §  138 Abs.  2 BGB liegt vor, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohns erreicht. Eine strafrechtliche Relevanz wird regelmäßig bei einer 30 %igen Lohnunterschreitung des einschlägigen und ortsüblichen Tariflohns angenommen.13 26 Für eine Prüfung, ob Lohnwucher vorliegt, ist maßgebend, ob einem verhältnismä­

ßig geringem Arbeitslohn eine unangemessen hohe Arbeitsleistung gegenübersteht. Vor dem Hintergrund der weggefallenen wöchentlichen Arbeitszeitbegrenzung im Rahmen eines Mini-Job-Vertrages (400 €-Beschäftigung), kann der Minijob-Arbeitgeber selbst entscheiden, wie viele Stunden der Arbeitnehmer arbeiten soll. Steht dann einer außergewöhnlich hohen Arbeitszeit ein gleichbleibendes monatliches Gehalt von 400 € gegenüber, ist ein sittenwidriger Stundenlohn nicht ausgeschlossen. Praxistipp Bei Abschluss des Arbeitsvertrages über ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis sollte anhand der Arbeitszeit eine Berechnung des zu Grunde liegenden Stundenlohns vorgenommen werden. Die Umrechnung ergibt, ob ein sittenwidriger Stundenlohn vorliegt. Üblicherweise ist der Tariflohn entscheidender Orientierungsmaßstab.

27 Sittenwidrig i.S.d. §  138 Abs. 1 BGB ist der vereinbarte Lohn jedenfalls dann, wenn

seine rechtsgeschäftliche Vereinbarung nach Inhalt, Beweggrund der Beteiligten und Zwecksetzung gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt.14

Praxishinweis Als sittenwidrig wurde in der Rechtsprechung bereits anerkannt: –– Im Arbeitsvertrag vereinbarte Verlustbeteiligung des Arbeitnehmers, wenn dafür kein angemessener Ausgleich gezahlt wird. Der Arbeitnehmer soll nicht mit dem Betriebs- und Wirtschaftsrisiko belastet werden.15 –– Vereinbarung, nach der Arbeitnehmer auf künftig fällig werdende Gehaltsansprüche „verzichten“, wenn dadurch das Geschäftsrisiko auf den Arbeitnehmer abgewälzt wird.16 –– Entlohnung nur für bestimmten Arbeitserfolg, ohne dass dem Arbeitnehmer im Falle des Misserfolges für seine ordnungsgemäß geleisteten Dienste eine Vergütung garantiert wird – gilt auch für hauptberuflich im Außendienst beschäftigte Arbeitnehmer.17

13 BAG, Urt. v. 22.4.2009 – 5 AZR 436/08 –; BGHSt, Urt. v. 22.4.1997 – 1 StR 701/96 –; OLG Köln, Urt. v. 28.3.2003 – 1 Zs 120/03-19/03 –. 14 BeckOK-ArbR/Joussen, § 611 BGB, Rn 122. 15 BAG, Urt. v. 10.10.1990 – 5 AZR 404/89 –. 16 LAG Berlin, Urt. v. 17.2.1997 – 9 Sa 124/96 –. 17 LAG Hamm, Urt. v. 16.10.1989 – 19 (13) Sa 1510/88 –.

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Vereinbarung, nach der eine Vergütungspflicht für eine 14-tägige Probezeit nur für den Fall des Abschlusses eines endgültigen Arbeitsvertrages entstehen soll.18 Arbeitnehmer haben auch während der Probezeit Anspruch auf angemessene Bezahlung – ein Gehalt, das nicht einmal der Hälfte des Tariflohns entspricht, ist rechtswidrig.19 Die übermächtige Arbeitgeberstellung ausländischer Unternehmer, die bei Auftragskonkurrenz mit der deutschen Rechtsordnung, insbesondere dem deutschen Arbeitsrecht nicht vertraute Arbeitnehmer ohne deutsche Sprachkenntnisse und Geldmittel entsenden; wissend, dass diese ohne Chance sind, ihre Ansprüche in Deutschland durchzusetzen.20 Eine Ausbildungsvergütung, die um mehr als 20 % unter der Empfehlung der zuständigen Berufskammer liegt.21

Wird eine Lohnvereinbarung als sittenwidrig eingestuft, ist sie als nichtig anzuse- 28 hen. Dies führt in der Folge regelmäßig aber nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Arbeitsvertrages. Vielmehr wird die nichtige Regelung durch eine wirksame ersetzt. An die Stelle entsprechender Entgeltabreden tritt ein Anspruch auf die übliche Ver­ gütung nach § 612 Abs. 2 BGB. Praxishinweis Nach gängiger Praxis wird hier seitens der Rechtsprechung der übliche und nicht der niedrigste zulässige Lohn gewährt – dies kann im Einzelfall die Lohnkosten überproportional steigen lassen.

III. Arbeitskräfte im Niedriglohnsektor Arbeitgeber, die Arbeitsmöglichkeiten im Niedriglohnsektor anbieten, können ihre 29 Belegschaft in der Regel aus zwei Beschäftigungsströmungen auswählen. Zu unterscheiden ist einerseits zwischen den Personengruppen, die ein besonders hohes Risiko haben, außerhalb des Niedriglohnbereichs keine andere berufliche Tätigkeit zu finden; zum anderen zwischen den Beschäftigungsgruppen, die den Niedriglohnsektor tatsächlich dominieren: Hohe Beschäftigungszahlen: –– Gering-/Höherqualifizierte –– Frauen –– Jugendliche und junge Erwachsene –– Leiharbeitnehmer –– Ausländer

18 LAG Köln, Urt. v. 18.3.1998 – 8 Sa 1662/97 –. 19 Hessisches LAG, Urt. v. 7.8.2008 – 9/12 SA 1118/07 –. 20 LAG München I, Urt. v. 6.2.2006 – 6 Kls 387 Js 34276/05 –; AG München – 1113 Ls 387 Js 45518/05 –; AG München – 1124 Ls 387 Js 48484/04 –. 21 BAG, Urt. v. 30.9.1998 – 5 AZR 690/97 –.

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 Kapitel 28 Niedriglohnbeschäftigung

1. Gering-/Höherqualifizierte

30 In allen Industrieländern gilt der Grundsatz, dass Erwerbslosigkeit umso eher vor-

kommt, je niedriger die Qualifikation der potenziellen Beschäftigten ist.22 Obwohl bezüglich der Gruppe der formal gering Qualifizierten damit ein besonders hohes Risiko besteht, im Niedriglohnsektor beschäftigt zu werden, stellten sie im Jahre 2008 aber nur etwa 20 % aller Niedriglohnbeschäftigten. Im Vergleich dazu hat sich die Zahl der Betroffenen, die über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, deutlich erhöht.23 Bezieht man auch Akademiker in die Vergleichsgruppe mit ein, ist ein Anteil von fast 80 % der Niedriglohnbeschäftigten formal qualifiziert.24 Insbesondere Langzeitarbeitslose, die früher gut verdient haben und über praktische Berufserfahrung verfügen, wählen nach Wegfall der einkommensabhängigen Arbeitslosenhilfe häufig eine Beschäftigung im Niedriglohnbereich, um zurück in den Arbeitsmarkt zu gelangen. Praxistipp Arbeitgeber haben die Möglichkeit, hochqualifizierte Mitarbeiter zu einem niedrigen Entgelt zu beschäftigen – die Wertschöpfung eröffnet Wettbewerbsvorteile.

2. Frauen 31 Grundsätzlich ist feststellbar, dass der Anteil von Frauen im Niedriglohnbereich deutlich höher ist als der von Männern. In Westdeutschland arbeiten 34,3 % der sozialversicherungspflichtigen vollzeitbeschäftigten Frauen unterhalb der Niedriglohnschwelle – in Ostdeutschland sind es 28,8 %. Demgegenüber sind nur 12,6 % der westdeutschen und 15,7 % der ostdeutschen Männer im Niedriglohnsektor tätig.25 Gründe hierfür sind u.a. eine eingeschränkte Berufsvita von Frauen aufgrund jahrelanger Kinderbetreuung, zeitliche Unflexibilität wegen familiärer Verpflichtungen, niedrigere Stundenlöhne oder generell kürzere Arbeitszeiten.

3. Jugendliche und junge Erwachsene

32 Im Vergleich der Altersstrukturen aller im Niedriglohnsektor Beschäftigten ist auf-

fällig, dass Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 15 und 25 Jahren mit 48,7 % in Westdeutschland und 45,2 % in Ostdeutschland einen besonders hohen Anteil an der Gesamtbeschäftigtenzahl stellen. Dies kann einerseits daran liegen, dass sie noch

22 Wochenbericht des DIW Berlin, Nr. 15-16/2006, S. 198. 23 Niedriglohnbeschäftigung 2008, IAQ-Report 2010-06, Institut für Arbeit und Qualifikation, Universität Duisburg Essen, S. 5, abrufbar im Internet unter http://www.iaq.uni-due.de/iaq-report/. 24 Niedriglohnbeschäftigung 2008, IAQ-Report 2010-06, Institut für Arbeit und Qualifikation, Universität Duisburg Essen, S. 6, abrufbar im Internet unter http://www.iaq.uni-due.de/iaq-report/. 25 Sozialversicherungspflichtige Bruttoarbeitsentgelte, Beschäftigungsstatistik der BA, Nürnberg, November 2010, S. 26, abrufbar im Internet unter http://statistik.arbeitsagentur.de.

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nicht über eine spezifische Qualifikation verfügen oder das Entgelt nur eine Zusatz­ einnahme darstellt. Praxishinweis Bei jungen Arbeitnehmern bis 25 Jahre zählt die Dauer der Beschäftigung nicht für die Dauer der Kündigungsfrist – sie sind immer innerhalb von vier Wochen kündbar.

Praxistipp Studenten dürfen während des Semesters bis zu 20 Stunden wöchentlich, in den Semesterferien ohne zeitliche Höchstgrenze versicherungsfrei arbeiten.

4. Leiharbeitnehmer Eine besonders hohe Zahl an Niedriglohnbeschäftigten ist im Leiharbeitsgewerbe 33 zu verzeichnen. Trotz eines sozialversicherungspflichtigen Vollzeitjobs kann ein Großteil der Beschäftigten von seinem Arbeitsentgelt kaum leben. Im Jahr 2009 betrug das mittlere Bruttomonatsentgelt von Leiharbeitskräften in den alten Bundesländern lediglich 1.456 € brutto monatlich, in Ostdeutschland einschließlich Berlin sogar nur 1.224 €.26 Darüber hinaus müssen bundesweit knapp 10 % aller vollzeittätigen Arbeitnehmer im Niedriglohnbereich mit einem Monatsgehalt von weniger als 1.000  € brutto im Monat auskommen. In diesen Fällen kann eine ausreichende Existenzsicherung ohne staatliche Fürsorgeleistungen oftmals nur durch die Annahme eines Zweitjobs oder einer Erwerbstätigkeit anderer Familienangehöriger erreicht werden. Praxistipp Leiharbeitsverhältnisse sind häufig teurer als die Anstellung eigener Beschäftigter zu günstigen Konditionen.

Bezogen auf einzelne Wirtschaftszweige lässt sich feststellen, dass überproportional 34 viele Geringverdiener unter den sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäf­ tigten entweder im Bereich Private Haushalte (75,3 % in Westdeutschland, 58,4 % in Ostdeutschland) oder im Gastgewerbe (73,0 % bzw. 64,9 %) tätig sind. Innerhalb der Berufsbereiche selber dominieren Niedriglohnbeschäftigte beim Pflanzenanbau, der Tierzucht und Fischerei (in Westdeutschland 40,4 %, in Ostdeutschland 38,1 %) sowie bei den sonstigen Arbeitskräften (49,1 % bzw. 43,1 %).27

26 Sozialversicherungspflichtige Bruttoarbeitsentgelte, Beschäftigungsstatistik der BA, Nürnberg, November 2010, S. 26, abrufbar unter http://statistik.arbeitsagentur.de. 27 Sozialversicherungspflichtige Bruttoarbeitsentgelte, Beschäftigungsstatistik der BA, Nürnberg, November 2010, Grafiken S. 27 u. 28; abrufbar unter http://statistik.arbeitsagentur.de.

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 Kapitel 28 Niedriglohnbeschäftigung

Praxishinweis Je weniger fachliches Know-how für die Erledigung einer Arbeitsleistung notwendig ist, desto geringer ist die Vergütung.

5. Ausländer

35 Besonders hoch ist das Lohngefälle innerhalb der Niedriglohnbeschäftigung im

Vergleich von ausländischen und deutschen Arbeitskräften. 31,4 % der Ausländer verdienen in Westdeutschland ein Entgelt unter der Niedriglohnschwelle, in Ostdeutschland sind es sogar 38,9 %. Im Verhältnis hierzu machen die 19,3 % bzw. 20,9 % der deutschen Arbeitnehmer mit einem Niedriglohneinkommen nur die Hälfte der betroffenen Beschäftigten aus.28 Praxistipp Für eine Beschäftigung ausländischer Staatsangehöriger ist je nach Herkunft die Erlaubnis der BA notwendig. Wegen der umfangreichen arbeits- und sozialrechtlichen Besonderheiten ist eine frühzeitige Informationseinholung vor Arbeitsbeginn notwendig.

Checkliste Niedrige Arbeitskosten –– Tarifbindung? –– Öffnungsklauseln? –– Mindestlohnvorgaben? –– Sittenwidriger Lohn? Vollzeitbeschäftigung? –– Beschäftigungszuschuss? –– Genehmigung der BA notwendig?

B. Steuerrecht 36 Wird eine Arbeitnehmertätigkeit als Niedriglohnbeschäftigung qualifiziert, so ergibt

sich hieraus keine steuerliche Besonderheit. Unabhängig von der Höhe wird das Arbeitsentgelt steuerpflichtig, das dem Arbeitnehmer zufließt.29 Von Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind die üblichen steuerlichen Pflichten zu erfüllen, die sich aus einem Arbeitsverhältnis ergeben.

28 Sozialversicherungspflichtige Bruttoarbeitsentgelte, Beschäftigungsstatistik der BA, Nürnberg, November 2010, S. 26, abrufbar unter http://statistik.arbeitsagentur.de. 29 § 2 Abs. 1 S. 1 LStDV.

Libudda

C. Sozialversicherungsrecht 

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C. Sozialversicherungsrecht I. Grundsätzliches Der Begriff Niedriglohn ist aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht nicht abschlie- 37 ßend definiert. Unter den Begriff Niedriglohn können fallen, ob rechtssystematisch richtig oder nicht, –– Ein-Euro-Jobs,30 –– Mini-Jobs (400-€-Jobs),31 –– Midi-Jobs und –– Beschäftigungen mit einem Monatslohn ab 800 €.

II. Midi-Job Als Midi-Job oder Gleitzonenfall bezeichnet man Beschäftigungen mit einem Brutto- 38 lohn von 400,01 € bis 800,00 €. Diese Lohnspanne wird auch als Gleitzone bezeichnet. Dieses im 2. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt32 neu geschaffene beitragsrechtliche Konstrukt geht auf Vorschläge der Hartz-Kommission zurück. Bei Beschäftigungen innerhalb der Gleitzone kann es sich um Niedriglohnoder Teilzeitbeschäftigungen handeln.

1. Beitragsrechtliche Handhabung Für Beschäftigungsverhältnisse innerhalb der Gleitzone besteht in allen Zweigen 39 der Sozialversicherung grundsätzlich Versicherungspflicht nach den allgemeinen Vorschriften. Die jeweiligen Regelungen der unterschiedlichen Versicherungszweige finden uneingeschränkt Anwendung. Besonderheiten bestehen aber wie nachfolgend:

2. Regelmäßiges Arbeitsentgelt Zum Arbeitsentgelt innerhalb der Gleitzone gehören neben dem regelmäßig gezahl­ 40 ten Arbeitsentgelt auch variable Leistungen (Einmalzahlungen), auf die der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch hat.

30 Siehe Kap. 10 – Ein-Euro-Job Rn 1. 31 Siehe Kap. 24 – Mini-Jobber Rn 4 f. 32 Vgl. Art. 2 Nr. 5 des Gesetzes vom 23.12.2002, BGBl. I S. 4621.

Maihöfer

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 Kapitel 28 Niedriglohnbeschäftigung

Beispiel Ein Beschäftigter erhält monatlich 390 €. Zum Jahresende erhält der Beschäftigte zusätzlich ein vertraglich vereinbartes Urlaubsgeld von weiteren 390 €. Demnach ermittelt sich das monatliche Arbeitsentgelt wie folgt: Laufendes Arbeitsentgelt (360 € × 12) 4680 € Urlaubsgeld 390 € Gesamt 5070 € Umgerechnet auf 12 Monate beträgt das monatliche Arbeitsentgelt somit 422,50 € und übersteigt die Arbeitsentgeltgrenze von 400 €. Das Arbeitsentgelt fällt damit in die Gleitzone. Dementsprechend besteht für die Beschäftigung Versicherungspflicht in der Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung. Die für die Gleitzone spezielle Beitragsberechnung ist auch für die Monate anzuwenden, in denen das Arbeitsentgelt 400,01 € unterschreitet. 41 Bei vorstehendem Beispiel ist zu beachten, dass auf das Urlaubsgeld ein Rechtsan­

spruch bestehen muss. Würde es sich bei dem Urlaubsgeld um eine einmalige, freiwillige Arbeitgeberleistung (ohne Rechtsanspruch) handeln, so würden lediglich für den Monat der Auszahlung die beitragsrechtlichen Besonderheiten der Gleitzone ihre Anwendung finden. Die übrigen Monate würden beitragsrechtlich wie ein 400-€-Job zu behandeln sein. Vergleichbares gilt auch, wenn durch eine Einmalzahlung (mit Rechtsanspruch) 42 die Gleitzone überschritten wird. Beispiel Ein Beschäftigter erhält monatlich 780 €. Zum Jahresende erhält der Beschäftigte zusätzlich ein vertraglich vereinbartes Urlaubsgeld von weiteren 780 €. Demnach ermittelt sich das monatliche Arbeitsentgelt wie folgt: Laufendes Arbeitsentgelt (780 € × 12) 9360 € Urlaubsgeld 780 € Gesamt 10.140 € Das monatliche Arbeitsentgelt beträgt somit 845 €, so dass die beitragsrechtlichen Besonderheiten der Gleitzone (für alle Monate) nicht anzuwenden sind. Die Beschäftigung ist wie ein reguläres sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu behandeln. 43 In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass steuerfreie Aufwandsent­

schädigungen nicht zum Arbeitsentgelt i.S.d. Sozialversicherung zu rechnen sind.

3. Beitragsberechnung 44 Bei Beschäftigten, deren regelmäßiges monatliches Einkommen sich in der Gleitzone befindet, werden die Sozialversicherungsbeiträge nicht anhand des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts, sondern anhand der folgenden Formel berechnet: Gleitzonenentgelt = F × 400 + (2 – F) × (AE – 400)33

33 AE = Arbeitsentgelt.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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Der Faktor F wird vom Bundesministerium für Gesundheit und vom Bundesmi- 45 nisterium für Arbeit und Soziales ermittelt. Die Maßgaben der Berechnung sind im § 163 Abs. 10 SGB VI geregelt. Aus den Maßgaben ergibt sich die folgende Formel: 30 % F= durchschn. Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz Praxishinweis Der durchschnittliche Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz beträgt für das Jahr 2012 40,05 % und setzt sich wie folgt zusammen: Rentenversicherung 9,60 % Arbeitslosenversicherung 3,00 % Krankenversicherung 15,50 % Pflegeversicherung 1,95 %

Im Ergebnis ist der Faktor F auf vier Dezimalstellen zu runden. Gegenwärtig 46 beträgt der Faktor F 0,7491. Beispiel Ein Arbeitnehmer erhält 2012 monatlich 600 €. Das Gleitzonenentgelt beträgt somit 549,82 €. 549,82 = 0,7491 × 400 + (2 – 0,7491) × (600 – 400)

4. Beitragsermittlung in den einzelnen Versicherungszweigen Das Gleitzonenentgelt, als (reduzierte) beitragspflichtige Einnahme, bildet die Grund- 47 lage für den vom Arbeitgeber zu zahlenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag bei Beschäftigten mit einem Arbeitsentgelt innerhalb der Gleitzone. Dabei sind Unterschiede hinsichtlich der einzelnen Versicherungszweige zu beachten.

a) Krankenversicherung Bei der Berechnung des Krankenversicherungsbeitrages sind die folgenden Beson­ 48 derheiten zu beachten: 1. Der Gesamtbeitrag zur Krankenversicherung ist durch Anwendung des halben Beitragssatzes auf die beitragspflichtige Einnahme und anschließender Verdopplung des gerundeten Ergebnisses zu berechnen. 2. Der Arbeitgeberbeitragsanteil wird durch Anwendung des halben, um 0,9 Beitragssatzpunkte verminderten allgemeinen oder ermäßigten Beitragssatzes auf das der Beschäftigung zugrunde liegende tatsächliche Arbeitsentgelt berechnet. 3. Der Abzug des Arbeitgeberanteils (Vgl. 2.) von dem unter 1. errechneten Betrags ergibt den Beitragsanteil des Beschäftigten.

Maihöfer

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 Kapitel 28 Niedriglohnbeschäftigung

Beispiel Tatsächliches Arbeitsentgelt Gleitzonenentgelt Beitragssatz KV allgemein

600,00 € 549,82 € 15,5 %

Maßgeblicher Gesamtbeitrag (7,75 %34 = 42,611 €, gerundet = 42,61 € × 2)

85,22 €

Arbeitgeberanteil (600 € × 7,3 %35)

43,80 €

Arbeitnehmeranteil 85,22 € – 43,80 €

41,42 €

b) Renten- und Arbeitslosenversicherung

49 Bei der Beitragsberechnung zur Renten- und Arbeitslosenversicherung ist zwischen

dem Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil wie folgt zu unterscheiden: Bei der Berechnung des Arbeitgeberanteils wird das tatsächlich gezahlte Arbeitsentgelt mitberücksichtigt. Bei der Berechnung des Arbeitnehmeranteils ist das Gleitzonenentgelt maßgeblich. Die genauen Berechnungsmaßgaben lassen sich anhand eines Beispiels verdeutlichen.

Beispiel Ein Arbeitnehmer erhält 2012 monatlich 600 €. Das Gleitzonenentgelt beträgt somit 549,82 €. Rentenversicherung Gesamtbeitrag = 549,82 € × (halber Beitragssatz RV36) 9,8 % × 2 = 107,76 € Arbeitgeberanteil (600 € × 9,8 %) = 58,80 € Arbeitnehmeranteil (Diff. Gesamtbeitrag/AG-Anteil37) = 48,96 € 50 Dasselbe Berechnungsmuster gilt auch für die Beitragsfestlegung hinsichtlich der

Arbeitslosenversicherung. Dabei gilt gegenwärtig (2012) der Beitragssatz von 3,0 % (÷ 2 = 1,5 %). Dies würde bei vorstehendem Beispiel einen Arbeitgeberanteil in Höhe von 9 € und einen Arbeitnehmeranteil von 7,49 € bedeuten.

c) Pflegeversicherung

51 Für die Beitragsberechnung bei Beschäftigungen innerhalb der Gleitzone hinsicht-

lich der Pflegeversicherung gelten ebenfalls die gleichen Berechnungsgrund­

34 15,5 % ÷ 2 = 7,75 %. 35 (15,5 % – 0,9 %) ÷ 2. 36 Beitragssatz RV 2012: 19,6 % (÷ 2 = 9,8 %). 37 107,76 € – 58,80 € = 48,96 €.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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sätze wie bei der Renten- und Arbeitslosenversicherung. Dementsprechend wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das obige Beispiel verwiesen. Bei der Pflegeversicherung ist aktuell (2012) ein Beitragssatz von 1,95 % (÷ 2 = 52 0,975 %) anzuwenden. Bei dem vorgenannten Beispiel würde dies demnach einen Arbeitgeberanteil in Höhe von 5,85 € und einen Arbeitnehmeranteil von 4,87 € bedeuten.

d) Ausnahmen Die beitragsrechtlichen Besonderheiten bei Beschäftigungen innerhalb der Gleitzone 53 gelten ausdrücklich nicht für Personen, die zu Ihrer Berufsausbildung (z.B. Azubis und Praktikanten) beschäftigt sind. Selbiges gilt auch für Personen, für deren Beitragsberechnung fiktive Arbeitsentgelte zugrunde gelegt werden (z.B. behinderte Menschen in anerkannten Werkstätten oder Mitglieder geistlicher Genossenschaften oder ähnlichen Gemeinschaften) oder deren übliches Arbeitsentgelt oberhalb der Gleitzone liegt und nur kurzfristig, konjunkturbedingt die obere Gleitzonengrenze (800 €) unterschreitet.

e) Verzicht auf die Reduzierung des Arbeitnehmerbeitrags Beschäftigte mit einem Arbeitsentgelt innerhalb der Gleitzone haben die Möglich- 54 keit, in der Rentenversicherung auf die Reduzierung des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts zu verzichten und den vollen Arbeitnehmerbeitrag zu zahlen. Dadurch können die Rentenanwartschaften erhöht bzw. normalisiert werden. Praxishinweis Der Verzicht auf die Anwendung der Gleitzonenregelung muss schriftlich gegenüber dem Arbeitgeber erklärt werden. Die Erklärung bleibt für die gesamte Dauer der Beschäftigung bindend und verliert erst mit dem Ende der Beschäftigung ihre Wirkung.

III. Beschäftigungen mit einem monatlichen Arbeitsentgelt über 800 € Beschäftigungen mit einem monatlichen Arbeitsentgelt über 800 € (ab 800,01 €) sind 55 nach den allgemeinen beitragsrechtlichen Grundsätzen von sozialversiche­ rungspflichtigen Beschäftigungen zu behandeln und zu verbeitragen. Beitragsrechtliche Besonderheiten sind hier nicht zu beachten.

IV. Beitragsrechtliche Hinweise bei nichtiger Lohnvereinbarung Stellt sich heraus, dass eine Lohnvereinbarung nichtig bzw. teilnichtig ist (z.B. bei 56 Lohnwucher oder Tariffehlern), kann dies in Einzelfällen auch zu einer Beitrags­ nachzahlung führen, wenn die Nichtigkeit auch für die Vergangenheit festgestellt Maihöfer

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 Kapitel 28 Niedriglohnbeschäftigung

wurde. Bemessungsgrundlage in einem solchen Fall ist das Gehalt, welches tatsächlich hätte gezahlt werden müssen. In diesem Fall ist die Differenz (gezahlter Lohn/ tatsächlicher Lohnanspruch) ggf. nachzuverbeitragen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass eine Pflicht zur Nachverbeitra­ 57 gung auch dann besteht, wenn der höhere Lohnanspruch durch den Arbeitnehmer gar nicht (rückwirkend) eingefordert wird. Dies liegt an dem für das Sozialversicherungsrecht maßgeblichen Entstehungsprinzip. Dies bedeutet, im Umkehrschluss zum (lohn-)steuerlichen Zuflussprinzip, dass Beiträge zu leisten bzw. abzuführen sind, sobald ein Anspruch auf beitragspflichtiges Arbeitsentgelt besteht, unabhän­ gig ob dieses ausbezahlt wurde oder nicht.

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Kapitel 29 Praktikum A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis Aktuelle Änderungen im Bereich der Schulpolitik (Ablegung des Abiturs bereits 1 nach 12 Schuljahren) sowie die Abschaffung des Wehrdienstes haben in jüngster Zeit dazu geführt, dass immer frühzeitiger und immer mehr junge Menschen auf den hart umkämpften Arbeitsmarkt drängen. Diese Flut an neuen potenziellen Bewerbern macht den zukünftigen Arbeitgebern die Auswahl des richtigen Nachwuchses nicht unbedingt leichter. Zwar können bei der Auswahl des Nachwuchses weiterhin die formalen Kriterien wie die Abschlussnote oder Zusatzqualifikationen die Entscheidung vereinfachen. Jedoch können diese formalen Kriterien nur einen richtungsweisenden Indikator darstellen. Ob Bewerber und Arbeitgeber tatsächlich „zusammenpassen“, zeigt sich erst in der Praxis. Aus diesem Grund kann die Beschäftigung von Praktikanten für den Arbeitgeber von 2 großem Vorteil sein. So kann ohne Eingehen einer längerfristigen Bindung eine gezielte Nachwuchsförderung im Wege eines – in der Regel befristeten – gegenseitigen Kennenlernens betrieben werden. Der Praktikant kann zu einem frühen Zeitpunkt wichtige Kontakte für das spätere Berufsleben knüpfen und der Betriebsinhaber kann frühzeitig prüfen, ob der jeweilige Praktikant für eine zukünftige Tätigkeit geeignet erscheint.

II. Abgrenzung zu anderen Beschäftigungsformen In der Praxis kommt es häufig vor, dass Arbeitgeber in generalisierender Weise den 3 Begriff des Praktikums bei der Ausgestaltung eines Anstellungsverhältnisses nutzen. Aufgrund der Vielfältigkeit der Erscheinungsformen vermeintlicher „Praktikantenverhältnisse“ ist es oft nicht einfach, eine rechtssichere Einordnung vorzunehmen. Die richtige Einordnung ist allerdings von essentieller Bedeutung, da dementsprechend unterschiedliche Vorschriften zu berücksichtigen sein können, aus denen in der Regel unterschiedliche Rechtsfolgen erwachsen. Daher ist bereits vor der Anstel­ lung eines Praktikanten eine sorgfältige Differenzierung und Einordnung der Tätigkeit des zu beschäftigenden Praktikanten vorzunehmen, um ein für beide Parteien verlässliches und rechtsicheres Anstellungsverhältnis ausgestalten zu können. Checkliste Im Vorlauf der Ausgestaltung eines Praktikumsvertrags muss sich der Arbeitgeber fragen: –– Wer soll als Praktikant eingestellt werden? (Schüler, Student etc.?) –– Was soll die zu erbringende Tätigkeit des Praktikanten sein? –– Welches Ziel bzw. welchen Zweck soll das Praktikum haben? –– Sind der Zweck bzw. das Ziel mit einem Praktikum i.S.d. § 26 BBiG zu vereinbaren? –– Oder handelt es sich um eine andere Beschäftigungsform, für die anderweitige Regelungen gelten?

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 Kapitel 29 Praktikum

1. Praktikantenverhältnis

4 Der Begriff des Praktikanten wird grundsätzlich vom Anwendungsbereich des

BBiG umfasst und durch dieses Gesetz definiert. Hiernach ist ein Praktikant i.S.d. § 26 BBiG eine Person, die sich ohne eine systematische Berufsausbildung zu absolvieren, zeitweilig einer bestimmten betrieblichen Tätigkeit und Ausbildung im Rahmen einer Gesamtausbildung in einem Betrieb unterzieht, weil das Praktikum für die Zulassung zum Studium, zu einer Prüfung, für den Beruf oder zu anderen Zwecken benötigt wird.1 Diesbezüglich definiert die Vorschrift des §  26 BBiG zwar selbst nicht ausdrücklich den Begriff des Praktikanten, jedoch fällt der Praktikant nach allgemeiner Auffassung unter diese Vorschrift.2

2. Arbeitsverhältnis

5 Das Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von einem Praktikumsverhältnis dadurch,

dass beim Praktikum der Ausbildungszweck im Vordergrund steht. Demnach unterscheidet sich der Praktikant vom Arbeitnehmer dadurch, dass es nicht primär um den Austausch von Arbeitskraft und Entgelt geht, sondern um den Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen.3 Dies wiederum bedeutet, dass bei einer Gegenüberstellung der Anteile „Ausbildungszweck“ und „für den Betrieb erbrachte Leistungen und Arbeitsergebnisse“ das Erlernen praktischer Kenntnisse und Erfahrungen deutlich überwiegen muss.4 Daraus folgt, dass Rechtsverhältnisse, die nicht der Weiterqualifizierung dienen, sondern nur zur Erledigung anfallender Arbeiten geschlossen werden, regelmäßig Arbeitsverhältnisse sind.5 Praxistipp Bei einem Praktikantenverhältnis muss der Schwerpunkt in der Ausbildung liegen.

6 Von besonderer Bedeutung ist in der Praxis die Abgrenzung zwischen einem Prak-

tikantenverhältnis und einem Arbeitsverhältnis im Falle der Anstellung von Absolventen eines Studiums oder einer Berufsausbildung, denen ein Ersteinstieg in den Arbeitsmarkt nur auf dem Umweg über ein oder mehrere gering oder gar nicht vergütete „Praktika“ ermöglicht wird, obwohl sie Tätigkeiten ausüben, die in der Regel Arbeitnehmer übernehmen. Wird in einer solchen Konstellation weder eine zusätzliche Qualifikation vermittelt, noch eine fachlich betreute Ausbildung gewährleis-

1 BAG, Urt. v. 13.3.2003 – 6 AZR 564/01 –; AnwK-ArbR/Schöne, § 611 BGB Rn 35; ErfK/Schlachter, § 26 BBiG, Rn 3. 2 ErfK/Schlachter, § 26 BBiG, Rn 3. 3 Maties, RdA 2007, 135. 4 LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 8.2.2008 – 5 Sa 45/07 –. 5 ErfK/Schlachter, § 26 BBiG Rn 3.

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A. Arbeitsrecht 

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tet, sondern wird auf diese Weise lediglich Berufserfahrung vermittelt, so handelt es sich unabhängig von der Bezeichnung des konkreten Vertrags um ein normales Arbeitsverhältnis mit den gewöhnlichen arbeitsrechtlichen Rechtsfolgen.6 Nach der Rechtsprechung des BAG kommt es dabei nicht darauf an, wie die Parteien das Vertragsverhältnis bezeichnen.7 Vielmehr kommt es allein auf die tatsächliche Durch­ führung an. Ein Praktikantenverhältnis liegt daher nur dann vor, wenn der Schwer­ punkt vorrangig im Zweck der Ausbildung und der Vermittlung von fachlichen Kenntnissen und Fertigkeiten liegt, die für die weitere Berufsausbildung von Bedeutung sind. Praxistipp –– Folgt aus der tatsächlichen Durchführung des Praktikantenverhältnisses, dass es sich in Wirklichkeit um ein Arbeitsverhältnis handelt, sind sämtliche sich aus einem Arbeitsverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten umfassend zu beachten. –– Vorsicht sollte bei der Beschäftigung von graduierten Hochschulabsolventen unter dem „Deckmantel“ eines Praktikantenverhältnisses bestehen. Derartige „Praktikantenverhältnisse“ werden von der Rechtsprechung regelmäßig als gewöhnliches Arbeitsverhältnis mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten behandelt.

3. Werkstudenten Wird ein Student nicht im Rahmen eines ausbildungsplanmäßig vorgeschriebenen 7 Praktikums tätig, sondern bietet er seine Arbeitskraft gegen Entgelt an, so ist der Werkstudent als Arbeitnehmer zu qualifizieren und es finden die allgemeinen arbeitsrechtlichen Vorschriften Anwendung.8

4. Hochschulpraktikanten Studenten, bei denen Praktika in den theoretischen Teil der Ausbildung integriert 8 sind und aufgrund dessen ein Praktikum absolvieren, sind keine Praktikanten i.S.v. § 26 BBiG.9 Hier bestimmt bereits § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG, dass dieses Gesetz nicht für die Berufsbildung gilt, die in berufsqualifizierenden oder vergleichbaren Studiengängen an Hochschulen auf der Grundlage des Hochschulrahmengesetzes und der Hochschulgesetze der Länder durchgeführt wird. Somit finden insbesondere nicht die Vorschriften über die Vertragsgestaltung der §§ 10 ff. BBiG und die Vergütung nach §§ 17 BBiG Anwendung.

6 BAG, Urt. v. 6.5.1998 – 5 AZR 612/97 –; LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 8.2.2008 – 5 Sa 45/07 –; LAG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 18.5.2009 – 6 Sa 432/08 –; ErfK/Schlachter, § 26 BBiG Rn 3. 7 BAG, Urt. v. 13.3.2003 – 6 AZR 564/01 –. 8 Scherer, NZA 1986, 280, 283; Einzelheiten vgl. Kap. 36 – Studenten Rn 3. 9 BAG, Urt. v. 3.9.1998 – 8 AZR 14/97 –.

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 Kapitel 29 Praktikum

5. Betriebspraktikum/Schülerpraktikum

9 Unter einem Betriebspraktikum versteht man i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 2 JArbSchG eine von

der Schule vor- und nachbereitete betriebliche Veranstaltung zur Erleichterung der Berufsfindung und Einführung in die Arbeitswelt. Es handelt sich damit um eine im Betrieb stattfindende Schulveranstaltung, wobei ein Lehrer als „Leiter“ des Betriebspraktikums fungiert und die Durchführung in Zusammenarbeit mit einem Ansprechpartner des Betriebes koordiniert. Leisten Schüler ein Betriebspraktikum ab, so kommt hierdurch weder ein Ausbildungs- noch ein Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsinhaber zustande, da hier keine weisungsgebundene Tätigkeit ausgeübt wird, sondern das Praktikum allein dem Zweck dient, einen Teil der sozialen Wirklichkeit bereits zu einem frühen Zeitpunkt kennenzulernen, um die zukünftige Ausbildungsund Berufswahl zu erleichtern.10 Auf Schüler im Betriebspraktikum sind daher die arbeitsrechtlichen Bestimmungen gemäß den jeweiligen Richtlinien und Verordnungen der Länder grundsätzlich nicht anwendbar. Es sind jedoch die Vorschriften des Jugendarbeitsschutzgesetzes zu wahren, um etwaige Gefahren von den Schülern abzuwehren.

III. Praktikantenvertrag i.S.d § 26 BBiG 10 Der Regelfall des Praktikantenvertrags hat sich an den Maßgaben des BBiG zu orientieren. Zusätzlich hierzu sind in der Praxis bei der häufig anzutreffenden Beschäftigung von Hochschulpraktikanten einige Besonderheiten und Modifizierungen zu beachten.

1. Gegenstand des Praktikums a) Grundsatz 11 Geht es für den Arbeitgeber darum, einen Praktikanten i.S.d. § 26 BBiG zu dem Zweck einzustellen, berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder berufliche Erfahrungen zu erwerben, ohne dass es sich um eine Berufsausbildung i.S.d. BBiG handelt, so sollte bei der Gestaltung des Praktikantenvertrags stets der Gegenstand und die Zielsetzung des Praktikums festgehalten werden, um die rechtlichen Rahmenbedingungen abzustecken. Es sollte dabei hervorgehoben werden, dass es vorrangig auf die Vermittlung von Erfahrungen und Kenntnissen aus der Praxis ankommt. Praxistipp Orientierung an der allgemeinen Begriffsdefinition des Praktikantenverhältnisses i.S.d. § 26 BBiG.

10 Küttner/Röller, Praktikant, Rn 5.

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b) Besonderheit Hochschulpraktikum Für den Fall der Beschäftigung eines Hochschulpraktikanten sollte zusätzlich in den 12 Vertrag mit aufgenommen werden, dass die praktischen Phasen innerhalb des Studiums abgeleistet werden und vorrangig der Vermittlung praxisnaher Inhalte und der Vertiefung des Studienstoffes dienen. Praxistipp –– Zweck des Hochschulpraktikums ist das Ableisten praktischer Phasen innerhalb des Studiums und dient vorrangig der Vermittlung praxisbezogener Inhalte mit Bezug zum Studiengang des Praktikanten. Einzelheiten regeln die jeweiligen Studienordnungen. –– Es sollte stets die Vorlage einer gültigen Immatrikulationsbescheinigung verlangt werden, um den Status „Hochschulpraktikant“ sicherstellen zu können.

2. Schriftform Liegt ein Praktikantenverhältnis i.S.d. Definition des § 26 BBiG vor, so kann auf die 13 Vertragsniederschrift gem. § 26 BBiG i.V.m. § 11 BBiG verzichtet werden. Dies erfolgt vor dem Hintergrund, insbesondere bei der Vereinbarung kurzer Praktika, einen für den Arbeitgeber zusätzlichen Arbeits- und Verwaltungsaufwand zu vermeiden. Praxistipp Es bleibt den Parteien unbenommen, einen schriftlichen Vertrag zu vereinbaren. Hierfür kann unter anderem der Aspekt des Zugewinns an Rechtssicherheit sprechen, da ein schriftlicher Vertrag in Streitfällen die Beweisführung erleichtern kann.

3. Befristung a) Grundsatz Bei der Vereinbarung über die Dauer des Praktikums hat der Arbeitgeber zu beachten, 14 dass ihm bei der Ausgestaltung insoweit Grenzen gesetzt sind, als dass ein Praktikantenverhältnis i.S.d. § 26 BBiG gem. §§ 26, 11 Abs. 1 Nr. 2 BBiG zwingend zu befristen ist und hierzu einer vertraglichen Regelung bedarf. Praxistipp Die Dauer des Praktikums ist zwingend vertraglich zu regeln.

b) Besonderheit Hochschulpraktikum Die Notwendigkeit einer Befristung eines Praktikantenverhältnisses mit einem Hoch- 15 schulpraktikanten folgt regelmäßig bereits aus den Vorgaben der jeweiligen Studienordnungen, die grundsätzlich eine konkrete Dauer der abzuleistenden Praktika vorgeben, so dass bei der Anbahnung des Praktikantenverhältnisses mit dem Bewerber Preiss/Kohl

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 Kapitel 29 Praktikum

die Vorgaben der einschlägigen Studienordnung abzustimmen sind. Dies erfordert eine individuelle Regelung im Einzelfall. Soll im Anschluss an ein Praktikantenverhältnis ein befristetes Arbeitsver­ 16 hältnisses begründet werden, hilft es, dass nach der Rechtsprechung ein Ausbil­ dungs- und Praktikantenverhältnis nicht als Arbeitsverhältnis i.S.d. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG angesehen wird und daher einer erneuten Befristung nicht entgegensteht. Dies beruht auf dem Sinn und Zweck der Regelung des § 14 TzBfG, der darin liegt, dass eine Erleichterung für befristete Arbeitsverträge gerade auch für Berufseinsteiger geschaffen werden soll.11 Würden Ausbildungsverhältnisses bzw. Praktikantenverhältnisse ebenfalls als Arbeitsverhältnis i.S.d. § 14 Abs. 2 TzBfG angesehen werden, so wäre im Anschluss an die Ausbildung eine zulässige sachgrundlose Befristung nicht mehr möglich, da in diesem Fall mit demselben Arbeitgeber ein zuvor befristetes Arbeitsverhältnis bestanden hätte. Dies ist jedoch nicht Sinn und Zweck des Gesetzes.12 Praxistipp Ein zuvor abgeleistetes befristetes Praktikum steht einem nachfolgenden befristeten Arbeitsverhältnis bei demselben Betriebsinhaber nicht entgegen.

4. Vergütung a) Grundsatz 17 Arbeitgeber, die einen Praktikanten beschäftigen wollen, sollten sich auch über dessen Vergütung Gedanken machen. Denn es handelt es sich bei der Vergütung grundsätzlich nicht um eine Gegenleistung für die erbrachte Leistung, sondern um eine Art Aufwandsentschädigung oder Beihilfe zum Lebensunterhalt.13 Die Vergütung muss sich im angemessenen Rahmen i.S.d. § 17 Abs. 1 S. 1 BBiG halten, wobei jeweils die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind. Hierbei sollten die Aspekte der erbrachten Arbeit einerseits und die Funktion einer Beihilfe zum Unterhalt andererseits in die Festsetzung der Vergütung mit einfließen. Checkliste Bei der Festsetzung einer Praktikantenvergütung ist zu berücksichtigen: –– Aspekt der erbrachten bzw. zu erbringenden Leistung, –– Aspekt der Funktion der Vergütung als Unterhaltsbeihilfe, –– es ist nicht der Maßstab eines Arbeitsverhältnisses anzusetzen.

11 LAG Niedersachen, Urt. v. 4.7.2003 – 16 Sa 103/03 –. 12 LAG Niedersachen, Urt. v. 4.7.2003 – 16 Sa 103/03 –. 13 BAG, Urt. v. 13.3.2003 – 6 AZR 564/01 –; LAG Köln, Urt. v. 31.5.2006 – 3 Sa 225/06 –; LAG BadenWürttemberg, Urt. v. 8.2.2008 – 5 Sa 45/07 –; ErfK/Schlachter, § 26 BBiG, Rn 3.

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b) Besonderheit Hochschulpraktikum Eine zu beachtende Ausnahme besteht bei der Beschäftigung von Hochschul­ 18 praktikanten, die im Rahmen ihrer universitären Ausbildung betriebliche Praktika abzulegen haben. Seitens des Betriebsinhabers besteht keine Vergütungspflicht.14 Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der Praktika, die regelmäßig Pflichtpraktika im Rahmen der Hochschulausbildung sind und somit lediglich einen Teil der Gesamtausbildung darstellen. Zudem liegen in einer solchen Konstellation weder ein Praktikum i.S.d. §  26 BBiG mit entsprechendem Vergütungsanspruch nach §  17 Abs. 1 S. BBiG vor, noch besteht ein Austauschverhältnis im Sinne eines Arbeitsverhältnisses. Die Zahlung einer etwaigen „Unterhaltsbeihilfe/Vergütung“ liegt damit allein im Ermes­ sen des Betriebsinhabers. Praxistipp Erbringt ein Praktikant im Rahmen eines sog. Scheinpraktikantenvertrags auf Weisung des Arbeitgebers über einen längeren Zeitraum Leistungen, die nicht seiner Aus- oder Fortbildung dienen, sondern ganz überwiegend im betrieblichen Interesse liegen, und liegt somit tatsächlich ein Arbeitsverhältnis vor, so steht diesem nach der Rechtsprechung ein Vergütungsanspruch gem. § 612 BGB zu.15

5. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub a) Grundsatz Über die Verweisung des § 26 BBiG i.V.m. § 10 Abs. 2 BBiG gelten für ein Praktikanten- 19 verhältnis i.S.d. §  26 BBiG die allgemeinen arbeitsrechtlichen Vorschriften und Rechtsgrundsätze in Gestalt des BUrlG, des EntgeltFG sowie des ArbZG.

b) Besonderheit Hochschulpraktikum Wird das Praktikum im Rahmen der Hochschulausbildung absolviert, unterliegt das 20 Vertragsverhältnis nicht dem BBiG und das Arbeitsrecht findet keine Anwendung.16 Demnach steht dem Hochschulpraktikanten kein Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub zu, da sich die Freizeit zwischen den einzelnen Semestern und Studienabschnitten aus den Vorlesungs- und Prüfungsverordnungen bzw. den Studienordnungen ergibt.17 Darüber hinaus folgt aus der fehlenden Vergütungspflicht, dass der Praktikant, der ein vom Hochschulrecht vorgeschriebenes Praktikum ableistet, keinen Anspruch auf Feiertagsvergütung und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall hat.18

14 ErfK/Preis, § 611 BGB, Rn 179. 15 LAG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 18.5.2009 – 6 Sa 432/08 –. 16 Hirdina, NZA 2008, 916. 17 Hirdina, NZA 2008, 916, 917. 18 Hirdina, NZA 2008, 916, 917.

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 Kapitel 29 Praktikum

6. Beendigung und Kündigungsschutz a) Grundsatz 21 Ein Praktikum i.S.d. § 26 BBiG endet gem. § 22 Abs. 1 BBiG grundsätzlich infolge der zwingenden Befristung des Praktikantenverhältnisses durch Zeitablauf.19 Eine vor­ zeitige Kündigung kommt nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 22 BBiG in Betracht, wobei dies für den Betriebsinhaber grundsätzlich das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist. Demgegenüber kann der Praktikant das Praktikantenverhältnis jederzeit mit einer Frist von vier Wochen kündigen, wenn er das Praktikum vorzeitig beenden möchte.

b) Besonderheit Hochschulpraktikum

22 Für Hochschulpraktikanten ist zu beachten, dass diese nicht in den Anwendungs-

bereich des KSchG fallen, da es hierfür am Arbeitnehmerstatus des Hochschulpraktikanten fehlt.20 Vor diesem Hintergrund, dass Praktikanten, die ihr Praktikum im Rahmen eines Hochschulstudiums absolvieren, nicht vom Schutz des Arbeitsrechts erfasst werden, stellt sich in der Praxis häufig die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein derartiges Vertragsverhältnis wieder gelöst werden kann. Da auch das Hochschulpraktikum grundsätzlich auf einen befristeten Zeitraum abgeschlossen wird, was zumeist aus den Vorgaben der jeweiligen Studienordnung folgt, endet das Praktikum in der Regel durch Zeitablauf. Um jedoch die Interessen beider Parteien für den Fall, dass eine vorzeitige Lösung des Vertragsverhältnisses notwendig wird, auch im Rahmen eines Hochschulpraktikums in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen, bietet es sich an, eine vertragliche Klausel aufzunehmen, die die vorzeitige Kündigungsmöglichkeit regelt. Dies sollte jedoch nur für schwerwiegende Pflichtverletzungen bestimmt werden, die eine Fortführung des Praktikums unzumutbar machen.

IV. Betriebsverfassungsrecht 1. Grundsatz 23 Hinsichtlich der Anwendbarkeit des BetrVG auf ein mit dem Betrieb bestehendes Praktikantenverhältnis ist Anknüpfungspunkt § 5 Abs. 1 BetrVG. Hiernach sind alle zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten Arbeitnehmer i.S.d. BetrVG, unabhängig davon, ob das der Beschäftigung zugrundeliegende Ausbildungsverhältnis als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist.21 Somit findet das Betriebsverfassungsgesetz auf alle Rechtsverhältnisse Anwendung, die aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags berufliche

19 ErfK/Schlachter, § 21 BBiG, Rn 1. 20 Hirdina, NZA 2008, 916, 917. 21 ErfK/Koch, § 5 BetrVG, Rn 6.

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A. Arbeitsrecht 

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Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen vermitteln, wozu auch Praktikantenverhältnisse zählen.22

2. Besonderheit Hochschulpraktikum Für den Fall, dass ein Student ein hochschulbezogenes Praktikum absolviert, ist nach 24 der Rechtsprechung des BAG hinsichtlich der Anwendbarkeit des BetrVG zu differenzieren.23 Nach Auffassung des BAG hängt die Frage, ob ein betriebliches Praktikum, das im Rahmen eines Studiums abzuleisten ist, als Berufsausbildung i.S.d. § 5 Abs. 1 BetrVG anzusehen ist, von der jeweiligen Studienordnung ab und ist insoweit einzelfallbezogen zu betrachten.24 Praxistipp Bei einem studentischen Hochschulpraktikum ist regelmäßig die einschlägige Studienordnung der jeweiligen Hochschule des sich bewerbenden Studenten zu beachten.

Ergänzend hierzu führt das BAG aus, dass die Hochschulen und Fachhochschulen 25 Praktika als Hochschul- oder Fachhochschulmaßnahme ausgestalten können, bei deren Durchführung sie sich der Betriebe bedienen. Sie können aber auch trotz weitgehender Vorgaben und enger Verzahnung der berufspraktischen Tätigkeiten mit den übrigen Teilen des Studiums die Praktika von den Betrieben eigenverantwortlich durchführen lassen. Letzteres ist dann der Fall, wenn die praktische Ausbildung aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags mit dem Betriebsinhaber erfolgt und der Praktikant in die Organisation des Ausbildungsbetriebs eingegliedert ist.25 Für die Anwendung des BetrVG ist somit entscheidend, ob der Hochschulpraktikant aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags tätig wird. Wer unter dieser Voraussetzung in einem Betrieb ausgebildet wird, ist im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne Auszubildender. Der Umfang und die Tiefe der vermittelten beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie die Dauer der Praktika sind hingegen nicht entscheidend, da auch kurzfristige Bildungsmaßnahmen erfasst werden.26 Der privatrechtliche Vertrag muss jedoch die Berufsausbildung des Studenten zum Gegenstand haben und zwischen dem Betriebsinhaber und dem Studenten müssen Rechte und Pflichten im Rahmen des Vertrags geregelt sein. Werden bezüglich des Praktikums im entsprechenden Vertrag hingegen keine Rechte und Pflichten geregelt, liegt zwar ein privatrechtlicher Vertrag zwischen den Parteien vor, aber kein privatrechtlicher Vertrag, der die Berufs-

22 ErfK/Koch, § 5 BetrVG, Rn 6; BAG, Beschl. v. 25.10.1989 – 7 ABR 1/88 –. 23 BAG, Beschl. v. 30.10.1991 – 7 ABR 11/91 –. 24 BAG, Beschl. v. 15.3.2006 – 7 ABR 39/05 –. 25 BAG, Beschl. v. 15.3.2006 – 7 ABR 39/05 –. 26 BAG, Beschl. v. 15.3.2006 – 7 ABR 39/05 –.

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 Kapitel 29 Praktikum

ausbildung zum Gegenstand hat. Dies hat zur Folge, dass der Student kein Arbeitnehmer i.S.d. BetrVG ist.27 Checkliste –– Abgrenzung eines Praktikums zu anderen Beschäftigungsformen. –– Liegt ein Praktikum i.S.d. § 26 BBiG vor? –– Wenn ja, so sind die Restriktionen des BBiG zu beachten. –– Besonderheiten sind z.B. der Zweck, die Möglichkeit des Verzichts auf das Schriftformerfordernis und die zwingende Befristung. –– Hochschulpraktikanten unterfallen nicht den Vorgaben des BBiG. –– Beachtung der Besonderheiten eines Hochschulpraktikums, wie z.B. das Nichtbestehen einer Vergütungspflicht, keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall etc. –– Anwendbarkeit des BetrVG. –– Differenzierung bezüglich der Anwendbarkeit des BetrVG bei Hochschulpraktikum.

B. Steuerrecht I. Allgemeines

26 Praktikanten, die für ihre Beschäftigung in einem Unternehmen eine Tätigkeitsvergü-

tung erhalten, sind Arbeitnehmer im steuerrechtlichen Sinn. Für die steuerrecht­ liche Einordung als Arbeitnehmer gelten daher generell andere Maßstäbe als im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht. Anders als z.B. im Arbeitsrecht muss somit nicht zwischen einem Praktikantenverhältnis nach BBiG oder aufgrund eines Arbeitsverhältnisses unterschieden werden. Die gezahlte Tätigkeitsvergütung stellt grundsätzlich Arbeitslohn dar und unterliegt dem Lohnsteuerabzug wie bei typischen Arbeitnehmern im steuerrechtlichen Sinn. Ggf. sind Sonderregelungen für Aushil­ fen28 und Minijobber29 zu beachten. Kommen die Sonderregelungen für Aushilfen und Minijobber nicht zur Anwen27 dung, erfolgt voraussichtlich ab 2013 der Lohnsteuerabzug unter Berücksichtigung der vom Arbeitgeber abgerufenen elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale des Arbeitnehmers. Bis dahin erfolgt der Lohnsteuerabzug unter Berücksichtigung der Lohnsteuerkarte 2010 bzw. einer Ersatzbescheinigung.30 Bei ledigen, kinderlosen Praktikanten erfolgt der Lohnsteuerabzug regelmäßig 28 unter Anwendung der Steuerklasse I. Die Jahresarbeitslohngrenze, bis zu der in der Steuerklasse I keine Lohnsteuer anfällt, beträgt für das Jahr 2012 ca. 10.863 €.

27 BAG, Beschl. v. 15.3.2006 – 7 ABR 39/05 –. 28 Vgl. Kap. 5 – Aushilfen. 29 Vgl. Kap. 24 – Minijobber. 30 BMF-Schreiben v. 6.12.2011 – IV C 5 – S 2363/07/0002-03 –.

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B. Steuerrecht 

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Praxistipp Im Allgemeinen wird die Individualbesteuerung für Praktikanten mit Steuerklasse I günstiger sein, sofern die aktuelle Jahresarbeitslohngrenze, bis zu der keine Lohnsteuer anfällt, nicht überschritten wird und wenn bei Abgabe einer Einkommensteuerklärung die für das Jahr einbehaltene Steuer vom Finanzamt zurückerstattet wird.31

Vergütungen an Praktikanten können insbesondere auch unter den Voraussetzun- 29 gen der §§ 3 Nr. 11 und 44 EStG lohnsteuerfrei erfolgen, wenn sie aus öffentlichen Mitteln oder Mitteln einer öffentlichen Stiftung gewährt werden. Bei Kostenerstat­ tungen kommt ggf. ein steuerfreier Auslagenersatz unter den in §  3 Nr. 50 EStG genannten Voraussetzungen in Betracht.32 Für Praktikanten, die unentgeltlich im Unternehmen beschäftig werden, 30 ergeben sich hingegen keine lohnsteuerlichen Konsequenzen.

II. Besonderheiten bei ausländischen Praktikanten Für Praktikanten aus dem Ausland, die eine inländische Tätigkeitsvergütung erhal- 31 ten, kann sich ggf. eine Steuerbefreiung der gezahlten Tätigkeitsvergütung aufgrund von Vorschriften eines anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommens ergeben. Praxistipp Inländische Arbeitgeber, die an Auslandspraktikanten eine Tätigkeitsvergütung zahlen, sollten daher prüfen, ob ein Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Herkunftsland des Praktikanten und Deutschland besteht.33

Im Übrigen gelten die für ausländische Studenten dargestellten Grundsätze für Aus- 32 landspraktikanten gleichermaßen.34 Checkliste –– Sonderregelungen für Aushilfen und Minijobber? –– Prüfung, ob Individualbesteuerung günstiger? –– Steuerbefreiungsvorschriften? –– Anwendung Doppelbesteuerungsabkommen? –– Beantragung Freistellungsbescheinigung?

31 Vgl. Kap. 36 – Studenten Rn 35. 32 Küttner/Schlegel, Praktikant, Rn 11. 33 Vgl. Kap. 36 – Studenten Rn 39 . 34 Vgl. Kap. 36 – Studenten Rn 38 ff.

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 Kapitel 29 Praktikum

C. Sozialversicherungsrecht I. Allgemeines 33 Der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen, der im Rahmen betrieblicher Berufsbildung erfolgt, gilt nach § 7 Abs. 2 SGB IV als Beschäftigung i.S.d. Sozialversicherung. Es sind einige sozialversicherungsrechtliche Besonderheiten zu beachten. Ähnlich dem Arbeitsrecht wird im Sozialversicherungsrecht ebenfalls zwischen denjenigen Hochschulpraktikanten unterschieden, welche das Praktikum auf Grundlage des Hochschulrahmengesetzes durchführen („vorgeschriebenes Vor-, Zwischen- und Nachpraktikum“) und denjenigen, welche kein vorgeschriebenes Praktikum absolvieren. Eine Unterscheidung nach Praktikanten i.S.d. § 26 BBiG wird im Sozialversicherungsrecht nicht vorgenommen.

II. Hochschulpraktikum 34 Hochschulen sollen nach dem Hochschulrahmengesetz für jeden Studiengang eine Studienordnung erstellen. Auf der Grundlage der Prüfungsordnung wird darin Inhalt und Aufbau des Studiums geregelt und ggf. eine in den Studiengang eingeordnete berufspraktische Tätigkeit vorgeschrieben. Da der akademische Abschluss ein berufsqualifizierendes Reifezeugnis darstellt, muss der Transfer von der Theorie in die Praxis gewährleistet sein. Bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung ist zunächst von Bedeutung, ob es sich bei dem ausgeübten Praktikum um ein vorgeschriebenes Praktikum nach dem Hochschulrahmengesetz handelt oder um ein nicht vorgeschriebenes Praktikum.

1. Vorgeschriebenes Praktikum 35 Handelt es sich bei dem Praktikum um ein vorgeschriebenes Praktikum hängt die versicherungsrechtliche Position davon ab, ob es sich bei dem von der betreffenden Person ausgeübten Praktikum um ein Zwischenpraktikum oder um ein Vor- oder Nachpraktikum handelt. Die innerstaatlichen Regelungen über die versicherungsrechtliche Beurteilung von Praktikanten sind auch auf ausländische Praktikanten anzuwenden, sofern sich die Verpflichtung der Ableistung eines solchen Praktikums ebenfalls aus der ausländischen Studien- bzw. Prüfungsordnung ergibt.

a) Vorgeschriebenes Zwischenpraktikum (während des Studiums)

36 Wird das Praktikum in der Ausbildungs-, Studien- oder Prüfungsordnung vorge-

schrieben und während des Studiums ausgeübt, bleibt der Status „Student“ bestehen. Hierbei kommt es allein aus diesem Grund zur Versicherungsfreiheit in der

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C. Sozialversicherungsrecht 

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Kranken-, Pflege,- Renten- und Arbeitslosenversicherung.35 Die Dauer des Praktikums, die wöchentliche Arbeitszeit sowie die Höhe des während des Praktikums erzielten Arbeitsentgelts spielen dabei keine Rolle. Die Verpflichtung zum Ableisten eines Praktikums ist vom Praktikanten nachzuweisen.36 Zu beachten ist hierbei, dass der Student nur in seiner Arbeitnehmerrolle ver- 37 sicherungsfrei in der Kranken- und Pflegeversicherung ist. Dies schließt eine Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung der Studenten nicht aus. Solange für den Studenten eine Familienversicherung besteht, benötigt der Student keine weitere Versicherung. Die Familienversicherung kann nur so lange bestehen, wie das Einkommen des Studenten regelmäßig die Entgeltgrenze von derzeit 365 € monatlich nicht übersteigt. Praxistipp –– Personengruppenschlüssel „190“. –– Beitragsgruppenschlüssel „0000“.

b) Vorgeschriebenes Vor-/Nachpraktikum (vor Beginn bzw. direkt nach Ende des Studiums) Praktikanten, die ein in einer Studien- oder Prüfungsordnung vorgeschriebenes 38 Praktikum absolvieren, aber nicht an einer Hoch- bzw. Fachhochschule immatrikuliert sind, unterliegen als zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte der Versicherungs­ pflicht in der Sozialversicherung. Ob Arbeitsentgelt bezogen wird oder nicht, ist dabei nicht entscheidend.37

aa) Mit Arbeitsentgelt Erhält die Person Arbeitsentgelt, ist sie als Arbeitnehmer versicherungspflichtig in 39 der Kranken- und Pflegeversicherung. Versicherungsfreiheit aufgrund Geringfügigkeit (geringfügig entlohnte Beschäftigung oder kurzfristige Beschäftigung i.S.d. §  8 SGB IV) ist für diesen Personenkreis ausgeschlossen (vgl. § 7 Nr. 1 SGB V). Da es sich bei einem vorgeschriebenen Praktikum um eine Beschäftigung im 40 Rahmen betrieblicher Berufsbildung bzw. Berufsausbildung handelt und die Regelungen über die Versicherungsfreiheit geringfügiger Beschäftigungen nach ausdrücklicher Bestimmung in §  5 Abs. 2 S. 3 SGB VI und §  27 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB III auf Beschäftigungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung bzw. Berufsausbildung

35 BSG, Urt. v. 17.12.1980 – 12 RK 3/80 –. 36 BSG, Urt. v. 1.12.2009 – B 12 R 4/08 R –. 37 BSG, Urt. v. 17.3.1981 – 12 RK 44/80 –.

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 Kapitel 29 Praktikum

nicht anzuwenden sind, unterliegen die Praktikanten auch der Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung.38 41 Es sind also Beiträge zu allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung zu entrichten. Verdient der Praktikant unterhalb der Grenze für Geringerverdiener (derzeit 325 € monatlich), trägt der Arbeitgeber sowohl den Arbeitgeber- als auch den Arbeitnehmeranteil. Überschreitet der Praktikant diese Grenze, sind die Beiträge nach den üblichen Grundsätzen in Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge zu unterteilen. Ebenso trägt der Arbeitgeber allein den Beitragszuschlag in Höhe von 0,25% für Kinderlose in der Pflegeversicherung für Auszubildende, die das 23. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Praxistipp –– Personengruppenschlüssel „105“. –– Beitragsgruppenschlüssel „1111“.

bb) Ohne Arbeitsentgelt

42 Wenn kein Arbeitsentgelt gezahlt wird, besteht Versicherungspflicht in der

Kranken- und Pflegeversicherung. Besteht bisher keine eigene Versicherung oder Familienversicherung, ist hier eine Krankenversicherung abzuschließen. Versicherungspflicht besteht als Praktikant (§ 5 Abs. 1 Nr. 10 SGB V) auch in der Renten- und Arbeitslosenversicherung, wie bei einem zur Berufsausbildung Beschäftigten (Regelungen zur Geringfügigkeit i.S.d. § 8 SGB IV sind hier ebenso nicht anzuwenden). Die Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung sind aus einem fikti43 ven Arbeitsentgelt zu berechnen. Dieses beträgt 1 % der monatlichen Bezugsgröße (derzeit 25,55 € West und 22,40 € Ost). Diese Beiträge trägt der Arbeitgeber allein. Sollten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung wegen fehlender Familienmitversicherung anfallen, trägt der Praktikant diese alleine.39 Praxistipp –– Personengruppenschlüssel „105“. –– Beitragsgruppenschlüssel „0110“.

2. Nicht vorgeschriebenes Praktikum 44 Übt eine Person ein Praktikum aus, welches nicht in einer Studien- bzw. Prüfungsordnung vorgeschrieben ist, wird das Praktikum wie ein Beschäftigungsverhältnis beurteilt, da dieses nicht als betriebliche Berufsausbildung gewertet wird. Insofern

38 Vgl. Rundschreiben der Spitzenverbände v. 27.7.2004, Punkt 2.2.2.2. 39 BB 1995 Heft 31 Rn 1595.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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können in einem solchen Falle auch die Voraussetzungen einer Versicherungsfreiheit nach den Regelungen der geringfügig entlohnten Beschäftigung oder der kurzfristigen Beschäftigung in Betracht kommen (§ 8 SGB IV). Hierbei ist allerdings zu beachten, dass bei Personen, die während der Dauer 45 ihres Studiums als ordentliche Studierende einer Hochschule eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ausüben, Versicherungsfreiheit in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung besteht. Die Versicherungsfreiheit kommt allerdings nur für Studierende in Betracht, deren Zeit und Arbeitskraft überwiegend durch das Studium in Anspruch genommen wird (20-Stunden-Regelung).40 In der Rentenversicherung besteht im Gegensatz dazu Versicherungsfreiheit, wenn das nicht vorgeschriebene Praktikum im Rahmen einer geringfügig entlohnten Beschäftigung ausgeübt wird.

III. Betriebspraktikum/Schülerpraktikum Ein Schülerpraktikum, das eine Dauer von regelmäßig ein bis zwei Wochen umfasst, 46 ist Bestandteil des Unterrichts und nicht sozialversicherungspflichtig. Eine Sofortmeldung ist daher in diesen Fällen nicht abzugeben. Ein Praktikum, das ein Schüler außerhalb des Unterrichts absolviert, kann grundsätzlich die sozialversicherungsrechtlichen Kriterien eines Beschäftigungsverhältnisses erfüllen und zwar unabhängig von einer Entgeltzahlung. In diesen Fällen ist eine Sofortmeldung abzugeben. Praxistipp Sofortmeldung: –– Gem. § 28a Abs.4 SGB IV, § 7 DEÜV ist der Arbeitgeber in bestimmten Wirtschaftsbranchen verpflichtet, bei Eintritt eines neuen Arbeitnehmers die sog. Sofortmeldung abzugeben. Die betroffenen Arbeitgeber haben die Pflicht, ihre neuen Mitarbeiter vor Beginn der Beschäftigung elektronisch an das Rechenzentrum der Deutschen Rentenversicherung Bund zu melden. Ziel der Sofortmeldung ist die Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung. –– Gar nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstattete Sofortmeldungen können als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Hat eine Prüfung stattgefunden, ist eine „nachträgliche“ Sofortmeldung nicht mehr möglich.

40 Schauhoff/Wagner, § 16 Rn 75.

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Kapitel 30 Probezeit/Einfühlungsverhältnis A. Arbeitsrecht I. Bedeutung und Nutzen für die Praxis Die Einstellung eines Arbeitnehmers stellt für den Arbeitgeber ein langfristiges 1 Investment dar. Der Arbeitgeber hat daher ein Interesse daran, den Arbeitnehmer zu erproben, bevor er eine längerfristige Bindung mit dem Arbeitnehmer eingeht, welche er nur unter verlängerten Kündigungsfristen oder u.U. nur unter Beachtung des Kündigungsschutzgesetzes wieder lösen kann. Sinn und Zweck der Probezeit ist es, in einer überschaubaren ersten Zeit der 2 Beschäftigung die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers sowie die Einfügung des Arbeitnehmers in das jeweilige kollegiale Umfeld festzustellen bzw. aus Sicht des Arbeitnehmers die Arbeitsbedingungen zu erproben und zu testen, ob das neue Unternehmen und die neuen Tätigkeitsfelder zu seinen persönlichen Erwartungen passen. Bei negativem Ausgang kann das Arbeitsverhältnis relativ kurzfristig beendet werden. Die Probezeit erleichtert damit unbefristete Einstellungen. Bei Fehlen einer solchen Möglichkeit bestünde die Gefahr, dass zu ihrer Vereinbarung in größerem Umfang als bisher auf befristete Arbeitsverträge zurückgegriffen würde, die den Arbeitnehmer in eine ungünstigere Rechtsposition gegenüber dem unbefristeten Arbeitsvertrag mit Probezeit bringen können. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber nur während der Probezeit die Möglichkeit, sich schnell und ohne größere Komplika­ tionen von dem Arbeitnehmer wieder zu trennen. Dies gilt im Übrigen auch für den Arbeitnehmer. Nutzen –– Feststellen der Fähigkeiten, Erfahrungen und Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers –– Erstes Kennenlernen der Kollegen untereinander –– Schnelle und kostengünstige Trennungsmöglichkeit

Je nach Zweckrichtung kann diese Erprobungsphase jedoch unterschiedlich rechtlich 3 und tatsächlich ausgestaltet werden. In der Praxis ist der Abschluss eines unbefriste­ ten Arbeitsverhältnisses mit vorgeschalteter Probezeit1 die am häufigsten anzutreffende Form der Probearbeit. Diese Form der Probearbeit empfiehlt sich, wenn sich der Arbeitgeber relativ sicher ist, dass er den Arbeitnehmer übernehmen wird, z.B. weil er gut in das Stellenprofil passt oder dort ausgebildet worden ist. Ist sich der Arbeitgeber in besonderem Maße unsicher, ob er wirklich den richtigen 4 Kandidaten ausgewählt hat oder handelt es sich um eine besonders anspruchsvolle und schwierige Tätigkeit, kommt der Abschluss eines befristeten Arbeitsvertra­

1 Siehe Rn 9 ff.

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 Kapitel 30 Probezeit/Einfühlungsverhältnis

ges als Probearbeitsverhältnis in Betracht.2 Die „Erprobung“ ist ein anerkannter Sachgrund für eine Befristung des Arbeitsvertrages nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 TzBfG.3 5 Der Unterschied zwischen dem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit vorgeschalteter Probezeit und dem befristeten Probearbeitsverhältnis liegt darin, dass das befristete Probearbeitsverhältnis nach Ablauf der Befristung endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Das unbefristete Arbeitsverhältnis mit vorgeschalteter Probezeit bedarf hingegen der Kündigung, also der Aktion des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers, nämlich deren Ausspruchs. Wollen sich die Vertragsparteien hingegen nur erst einmal kennenlernen, kann 6 ein sog. Einfühlungsverhältnis abgeschlossen werden.4 Für den Arbeitgeber ist von Vorteil, dass er sich ein erstes Urteil über die persönliche und fachliche Eignung des Interessenten bilden kann, ohne hierfür ein Arbeitsverhältnis mit Entgeltverpflichtungen und Sozialabgabenpflicht einzugehen. Der Interessent hat die Möglichkeit, den Arbeitsplatz, die auszuübende Tätigkeit, die Arbeitsumgebung und die potenziellen Kollegen erst einmal kennenzulernen, ohne sich rechtlich zu binden. Beispiel –– Schüler vor Aufnahme einer Berufsausbildung –– Spätere Einstellung als Auszubildender ist geplant –– Quereinsteiger (Fachfremde oder bislang nicht ausgeübte Tätigkeiten sollen ausprobiert werden.) –– Langzeitarbeitslose (Eingliederungsverhältnis SGB III) –– Wiedereinsteiger (z.B. nach längeren Kindererziehungs- oder Pflegezeiten.) 7 Schließlich besteht auch die Möglichkeit, ein bloßes Anlernarbeitsverhältnis zu

vereinbaren. Dies ist der Fall, wenn der Beschäftigte nur Kenntnisse sammeln soll, aber grundsätzlich keine spätere Einstellung geplant wird.5 Beispiel –– Praktikum6 –– Umschulung –– Volontariat (im karitativen oder kaufmännischen Bereich, nicht im Bereich von Tageszeitungen und Zeitschriften)

8 Jede Art der oben dargestellten Probearbeit unterliegt unterschiedlichen gesetzlichen

Vorschriften und Rechtsgrundsätzen. Bei der vertraglichen Gestaltung ist unbedingt

2 Siehe Rn 28 ff. 3 Zur Befristung von Arbeitsverträgen allgemein siehe Kap. 7 – Befristung. 4 Siehe Rn 38 ff. 5 Siehe hierzu ausführlich: Barth, BB 2009, 2646. 6 Zum Thema Praktikum siehe ausführlich Kap. 29 – Praktikum.

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A. Arbeitsrecht 

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darauf zu achten, dass die jeweils ausgewählte Art der Probearbeit nicht rechtlich oder tatsächlich mit anderen Formen vermischt wird und die Eigenheiten der jeweils geltenden Gesetzesbestimmungen (z.B. TzBfG) berücksichtigt werden. Anderenfalls können unbeabsichtigt die Rechtsfolgen eintreten, die gerade vermieden werden sollen, z.B. Begründung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses statt Vereinbarung eines Einfühlungsverhältnisses.

II. Unbefristetes Arbeitsverhältnis mit vorgeschalteter Probezeit 1. Vereinbarung Entgegen einer in der Praxis weit verbreiteten Meinung ist eine Probezeit vom Gesetz 9 nicht zwingend vorgesehen. Eine Ausnahme gibt es für Auszubildende gem. §  20 BBiG. Auch einzelne Tarifverträge sehen eine Probezeit zwingend vor. Möchte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zunächst erproben, ist – soweit gesetz- 10 lich oder tarifvertraglich nicht anderweitig geregelt – eine ausdrückliche Vereinba­ rung der Probezeit im Arbeitsvertrag erforderlich. Praxistipp Die Vereinbarung einer Probezeit ist im Zweifel als Vereinbarung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit vorgeschalteter Probezeit anzusehen.7 Soll der Arbeitnehmer nur zur Probe, zunächst aber nicht darüber hinaus, beschäftigt werden, ist hierauf im Arbeitsvertrag explizit hinzuweisen.8

Wird eine Probezeit mit einem schwerbehinderten Menschen oder einem diesen 11 Gleichgestellten vereinbart, ist der Arbeitgeber gem. § 90 Abs. 3 SGB IX verpflichtet, innerhalb von vier Tagen eine Anzeige beim Integrationsamt zu tätigen. Die Frist beginnt mit dem vereinbarten Antritt des Arbeitsverhältnisses. Außerhalb des Anwendungsbereichs eines Tarifvertrages können Arbeitgeber 12 und Arbeitnehmer gem. § 622 Abs. 3 BGB eine Probezeit mit einer verkürzten Kündigungsfrist für die Dauer von maximal sechs Monaten vereinbaren.

2. Probezeitkündigungsfrist Innerhalb der Probezeit kann sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer das 13 Arbeitsverhältnis gem. § 622 Abs. 3 BGB jederzeit unter Beachtung der verkürzten Kündigungsfrist von zwei Wochen kündigen (ordentliche Kündigung). Der Arbeitgeber ist berechtigt, das Arbeitsverhältnis ohne Angaben von Gründen zu kündigen. Die Kündigung bedarf jedoch der Schriftform, § 623 BGB. Bei der Kündigung von Frauen,

7 Vgl. BAG, Urt. v. 29.7.1958 – 3 AZR 49/56 –. 8 Ausführlich hierzu siehe Rn 28 ff.

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 Kapitel 30 Probezeit/Einfühlungsverhältnis

die unter das MuSchG fallen, ist gem. § 9 Abs. 3 S. 2 MuSchG auch in der Probezeit der Kündigungsgrund anzugeben. Ein bestimmter Kündigungstermin, z.B. Kündigung mit einer Frist von zwei 14 Wochen zum Monatsende, ist gesetzlich nicht vorgesehen. Den Parteien steht es jedoch frei, einen Kündigungstermin zu vereinbaren, der die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem späteren Zeitpunkt vorsieht, als dies nach der zweiwöchigen Kündigungsfrist der Fall wäre. Für Berufsausbildungsverhältnisse gelten Sonderregelungen. Während der 15 Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, § 22 Abs. 1 BBiG.

3. Verlängerung und Verkürzung der Probezeitkündigungsfrist

16 Arbeitgeber und Arbeitnehmer steht es frei, im Arbeitsvertrag einvernehmlich auch

längere Kündigungsfristen in der Probezeit als die zweiwöchige Frist des § 622 Abs. 3 BGB zu vereinbaren, sofern diese für beide Vertragsparteien und nicht nur für den Arbeitgeber gelten. Vereinbaren die Parteien eine Probezeit, die länger als sechs Monate andauert, 17 gelten nach Ablauf der sechs Monate die gesetzlichen Kündigungsfristen des § 622 Abs. 1 BGB. Ferner findet bei einer über die gesetzliche Regelung des §  622 Abs. 3 BGB hinausgehenden Probezeit das Kündigungsschutzgesetz bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen Anwendung, mit der Folge, dass die Kündigung einer sozialen Rechtfertigung bedarf. Der Arbeitgeber kann mit dem Betriebsrat auch eine freiwillige Betriebsverein­ 18 barung9 über die Dauer der Probezeit schließen und von den gesetzlichen Regelungen abweichen. Von dieser Möglichkeit wird in der Praxis jedoch wenig Gebrauch gemacht, da in der Regel die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG greift und die Vereinbarung einer Betriebsvereinbarung aufgrund einer tarifvertraglichen Regelung gesperrt ist. Eine Sonderregelung gilt für Auszubildende. Der Arbeitgeber hat mit Auszubil19 denden gem. §  20 BBiG zwingend eine Probezeit von mindestens einem Monat bis maximal vier Monaten zu vereinbaren. Praxistipp – Dauer Probezeit Eine einvernehmliche Verlängerung der Probezeit ist auch möglich, wenn die zunächst vereinbarte kürzere Probezeit bereits abgelaufen war.10 Eine einseitige Verlängerung durch den Arbeitgeber ist jedoch nicht möglich. Der Sechs-Monats-Zeitraum sollte hierbei nicht überschritten werden, da anderenfalls die gesetzlichen Kündigungsfristen und ggf. die Vorschriften des KSchG greifen und der Vorteil der schnellen und kostengünstigen Trennungsmöglichkeit verloren geht.

9 § 88 BetrVG. 10 Vgl. LAG RP, Urt. v. 5.1.1999 – 2 (4) Sa 1139/98 –.

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A. Arbeitsrecht 

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Innerhalb der Probezeit kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit einer kürze­ 20 ren als der gesetzlichen Zwei-Wochen-Frist nur kündigen, wenn ein auf das Arbeitsverhältnis anzuwendender Tarifvertrag dies vorsieht.11 Praxistipp Zur Klarstellung, dass für beide Vertragsparteien während der Probezeit eine verkürzte Kündigungsfrist gilt, sollte in dem Arbeitsvertrag eine ausdrückliche Regelung diesbezüglich aufgenommen werden.

4. Rechtzeitiger Zugang der Kündigung – Kündigungszeitpunkt Will der Arbeitgeber während der Probezeit eine ordentliche Kündigung aussprechen, 21 so muss die Kündigungserklärung dem Arbeitgeber noch vor Ablauf der Probezeit zugehen. Unschädlich ist, wenn der unter Hinzurechnung der Kündigungsfrist sich ergebende Beendigungszeitpunkt außerhalb der Probezeit liegt. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber auch noch am letzten Tag der Probezeit kündigen kann.12 Die Zwei-Wochen-Kündigungsfrist liegt in diesem Fall nach den ersten sechs Monaten. Entscheidend für die Fristwahrung ist nicht die Absendung der Kündigungserklärung, sondern der Zugang beim Arbeitnehmer. Beispiel Die Parteien haben eine sechsmonatige Probezeit vereinbart. Innerhalb dieser Probezeit kann das Arbeitsverhältnis von beiden Seiten mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Das Arbeitsverhältnis begann am 1.1.2011. Die Probezeit endet mit Ablauf des 30.6.2011. Der Arbeitgeber kündigt das Arbeitsverhältnis am 28.6.2011 zum 14.7.2011. Die Kündigung geht dem Arbeitnehmer am 30.6.2011 zu. Die Probezeitkündigung ist fristgerecht. Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf des 14.7.2011.

5. Arbeitsunfähigkeit Wird der Arbeitnehmer während der Probezeit wegen Krankheit arbeitsunfähig, 22 kann der Sinn und Zweck der Probezeit, die Erprobung des Arbeitnehmers, ggf. nicht erreicht werden. Dennoch verlängert sich die Probezeit nicht automatisch um die Fehlzeiten. Die vereinbarte Probezeit ist keine Netto-Probezeit. Praxistipp – Krankheit während Probezeit –– War es dem Arbeitgeber nicht möglich, den Arbeitnehmer wegen länger andauernder Krankheit zu erproben, kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer fristgemäß innerhalb der Probezeit kündigen. Eine Kündigung ist trotz Erkrankung des Arbeitnehmers innerhalb der Probezeit rechtmäßig.

11 § 622 Abs. 4 BGB. 12 Vgl. BAG, Urt. v. 21.4.1966 – 2 AZR 264/65 –.

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 Kapitel 30 Probezeit/Einfühlungsverhältnis

Alternativ kann der Arbeitgeber aber auch die Verlängerung der Probezeit mit dem Arbeitnehmer einvernehmlich vereinbaren.13 Ferner kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis noch während der Probezeit ordentlich kündigen und zwar mit einer längeren Frist als die in § 622 Abs. 3 BGB vorgesehene Zwei-WochenFrist. Die Frist sollte nicht länger sein als die längsten einschlägigen tariflichen oder gesetzlichen Kündigungsfristen und nicht allein oder überwiegend dem Interesse des Arbeitgebers dienen. In der Kündigungserklärung sollte die verlängerte Kündigungsfrist unter Hinweis auf die weitere Erprobung zum Ausdruck kommen und mit dem weiteren Hinweis verbunden werden, dass eine Wiedereinstellung im Falle der Bewährung in Betracht kommt.14 Schließlich kann der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des BAG mit dem Arbeitnehmer während der Probezeit einen Aufhebungsvertrag schließen, in dem ein Beendigungszeitpunkt vereinbart wird, der die kurze Probezeitkündigung angemessen überschreitet und mit einer Wiedereinstellungszusage verbunden ist.15 Auch hier ist entscheidend, dass die Frist zur definitiven Beendigung unterhalb der anzuwendenden tarifvertraglichen bzw. gesetzlichen Kündigungsfristen liegt, dem Zweck der Erprobung dient und objektiv angemessen ist.16

6. Beendigung außerhalb der Probezeitkündigungsfrist (§ 622 Abs. 3 BGB)

23 Die außerordentliche Kündigungsmöglichkeit richtet sich nach § 626 BGB und ist

während der gesamten Probezeit wie in einem normalen Arbeitsverhältnis möglich. Liegt ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 BGB vor, kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis in der Probezeit auch ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist außerordentlich kündigen. Zu beachten ist, dass Schlechtleistungen oder fehlende Eignung grundsätzlich 24 keinen außerordentlichen Kündigungsgrund darstellen.17 Nach der Rechtsprechung wird der Zweck der Probezeit gerade darin gesehen, den Arbeitnehmer zu erproben und sein Wissen und Können festzustellen. Entspricht er nicht den in ihn gesetzten Erwartungen, so kann das fachliche Versagen nur dazu führen, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Ablauf der Probezeit oder innerhalb derselben mit der, regelmäßig erleichterten, ordentlichen Kündigung beendet wird.18 Etwas anderes gilt hingegen, wenn die von dem Arbeitnehmer behaupteten Eigenschaften fehlen. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung kann auch gegeben sein, wenn selbstverständliche Basiskenntnisse fehlen oder die Leistungen des Arbeitnehmers als Vertragserfüllung völlig unbrauchbar sind.19

13 Siehe Rn 16 ff. 14 So auch Lembke, DB 2002, 2648, 2649. 15 Vgl. BAG, Urt. v. 7.3.2002 – 2 AZR 93/01 –. 16 Vgl. Lembke, DB 2002, 2648, 2649. 17 Vgl. BAG, Urt. v. 10.5.1971 – 3 AZR 126/70 –. 18 Vgl. BAG, Urt. v. 10.5.1971 – 3 AZR 126/70 –. 19 Vgl. LAG Hessen, Urt. v. 5.2.1987 – 12 Sa 1449/86 –.

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A. Arbeitsrecht 

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Praxistipp –– Da der Arbeitgeber innerhalb der Probezeit das Arbeitsverhältnis ordentlich mit zweiwöchiger Kündigungsfrist kündigen kann, ohne den Ausspruch der Kündigung rechtfertigen zu müssen, sollte eine außerordentliche Kündigung während der Probezeit nur in besonders schwerwiegenden Fällen ausgesprochen werden. Die außerordentliche Kündigung ist nur wirksam, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und die Interessenabwägung ergibt, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. –– Liegen Gründe vor, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, sollte der Arbeitgeber zusätzlich zu der außerordentlichen Kündigung eine separate, ordentliche Probezeitkündigung aussprechen, um das Arbeitsverhältnis innerhalb der Probezeit zu beenden.

Treu- und sittenwidrige Kündigungen, z.B. wegen Homosexualität, sind allerdings 25 auch während der Probezeit verboten.20

7. Sonderkündigungsschutz Soll ein Arbeitnehmer gekündigt werden, der einem besonderen Kündigungs­ 26 schutz unterliegt, ist nach der jeweiligen Personengruppe zu differenzieren. Schwer­ behinderte können gem. § 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX in den ersten sechs Monaten ohne Zustimmung des Integrationsamtes gekündigt werden. Allerdings muss der Arbeitgeber die Probezeitkündigung gem. § 90 Abs. 3 SGB IX beim Integrationsamt innerhalb von vier Tagen anzeigen. Die Frist beginnt entsprechend dem Wortlaut mit dem Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.21 Der Arbeitgeber kann Schwangere und Mütter während der Mutterschutzfristen gem. § 9 MuSchG in der Probezeit nur mit Zustimmung der zuständigen Behörde kündigen. Nach § 9 Abs. 3 S.2 MuSchG muss in der Kündigung der zulässige Kündigungsgrund angegeben werden.

8. Mitbestimmung Der Betriebsrat ist auch bei Probezeitkündigung gem. § 102 BetrVG vorher anzuhö- 27 ren.

20 Vgl. BAG, Urt. v. 23.6.1994 – 2 AZR 617/93 –: Kündigung in der Probezeit wegen Homosexualität. 21 So wie hier: Ernst/Adlhoch/Seel/Kuhlmann, § 90 SGB IX, Rn 34; a.A.: LPK-SGB IX/Düwell, § 90 SGB IX, Rn 31, der den Fristbeginn nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift auf den Tag der Kündigung bezieht.

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 Kapitel 30 Probezeit/Einfühlungsverhältnis

III. Befristetes Probearbeitsverhältnis 1. Abschluss und Inhalt 28 Möchte der Arbeitgeber, dass keine weitere Handlung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist und damit auch nicht die Gefahr besteht, dass Kündigungsfristen versäumt werden, kann er ein befristetes Probearbeitsverhältnis abschließen. Das Probearbeitsverhältnis endet, ohne das es einer weiteren Handlung des Arbeitgebers bedarf, wenn die Erprobungsphase abgelaufen ist. Die Erprobung stellt einen gesetzlich geregelten Sachgrund für einen befristeten Arbeitsvertrag nach § 14 Abs. 1 Nr. 5 TzBfG dar. Dies bedeutet, dass der Vertrag wie ein normaler befristeter Arbeitsvertrag ausgestaltet sein muss und den Regelungen des Befristungsrechts unterliegt. Insbesondere ist gem. § 14 Abs. 4 TzBfG die Schriftform zu wahren. Anderenfalls entsteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, § 16 TzBfG.22 Praxistipp –– Im Falle der Probezeitbefristung sollte der Sachgrund Erprobung ausdrücklich benannt werden. Der Beweis, dass Sachgrund für die Befristung die Erprobung des Arbeitnehmers war, obliegt dem Arbeitgeber. –– Ist der Arbeitnehmer bereits zuvor z.B. im Rahmen einer Aushilfstätigkeit, einer früheren Beschäftigung, eines Praktikums oder einer Ausbildung in dem betreffenden Aufgabenfeld bei dem Arbeitgeber tätig geworden und hatte der Arbeitgeber hierbei ausreichend Zeit, die Fähigkeiten und Erfahrungen des Arbeitnehmers kennenzulernen, kann der Sachgrund der Erprobung nicht mehr wirksam vereinbart werden. Der Sachgrund ist als „verbraucht“ anzusehen. 29 Bei Auszubildenden ist die Vereinbarung eines befristeten Probearbeitsverhältnis-

ses vor dem eigentlichen Ausbildungsverhältnis unzulässig, da § 20 BBiG vorschreibt, dass das Berufsausbildungsverhältnis mit der Probezeit beginnt, also stets ein unbefristetes Rechtsverhältnis vorausgesetzt wird. 30 Die Dauer der Probezeit richtet sich nach dem Erprobungszweck und kann entsprechend variieren. Allerdings muss die Erprobungsdauer in einem angemessenen Verhältnis zum Erprobungszweck stehen.23 Grundsätzlich ist, in Anlehnung an die gesetzlichen Fristen in § 622 Abs. 3 BGB, § 1 Abs. 1 KSchG oder § 4 BUrlG, von einer maximalen Dauer von sechs Monaten auszugehen. Eine darüber hinaus gehende Erprobungszeit bedarf einer erhöhten Rechtfertigung und dürfte nur in Ausnahmefällen zulässig sein. Beispiel –– Besonders schwierige Tätigkeiten –– Akademische Berufe –– Betroffener hat sehr lange Zeit die Tätigkeit nicht mehr ausgeübt (insbesondere bei Ärzten, Rechtsanwälten, Steuerberatern, Künstlern, Wissenschaftlern)

22 Ausführlich zu den Einzelheiten des Befristungsrechts, siehe Kap. 7 – Befristung. 23 Vgl. BAG, Urt. v. 24.1.2008 – 6 AZR 519/07 –.

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A. Arbeitsrecht 

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Eine Verlängerung der befristeten Erprobungszeit ist grundsätzlich möglich. Jedoch muss der Zweck der Erprobung noch begründbar sein. In diesem Fall finden die arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen wie das BUrlG u.ä. nach Ablauf von sechs Monaten Anwendung, so dass der zur Erprobung befristet eingestellte Arbeitnehmer z.B. Anspruch auf (anteiligen) Erholungsurlaub geltend machen kann. Die Erprobungszeit muss jedoch auch mit der Verlängerungszeit insgesamt noch angemessen sein.24 Bei der Einstellung von Schwerbehinderten zur Erprobung besteht eine Anzei­ gepflicht nach § 90 Abs. 3 SGB IX gegenüber dem Integrationsamt. Der Arbeitgeber muss dieser Pflicht innerhalb von vier Tagen, gerechnet ab dem Tag des Antritts des Arbeitsverhältnisses, nachkommen. Da mit dem Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages eine Einstellung vorliegt, muss der Betriebsrat gem. § 99 BetrVG informiert werden und der Einstellung zustimmen. Der Betriebsrat hat kein Recht auf Verweigerung der Zustimmung nach §  99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG (Benachteiligung des Betroffenen durch die personelle Maßnahme), wenn sich der Arbeitgeber nicht für den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit vorgeschalteter Probezeit entscheidet. Ansonsten läge nach der Rechtsprechung ein zweckwidriger Missbrauch der Vorschrift vor, da diese nur die in Aussicht genommene Einstellung betrifft, nicht jedoch aber die vorgesehene Art und Weise der Durchführung und späteren Auflösung des Arbeitsverhältnisses.25

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2. Beendigungsmöglichkeiten Das zur Erprobung befristete Arbeitsverhältnis endet automatisch mit Ablauf der 35 Befristung, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Der Arbeitgeber kann das befristete Arbeitsverhältnis darüber hinaus nur dann 36 ordentlich kündigen, wenn dies in dem Befristungsvertrag oder in dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag vorgesehen ist.26 Mit Ablauf der Befristung enden auch die zur Erprobung befristeten Arbeitsver- 37 hältnisse Schwerbehinderter sowie die zur Erprobung befristeten Arbeitsverhältnisse Schwangerer und Mütter in Mutterschutz. Der jeweilige besondere Kündigungsschutz steht der Beendigung nicht entgegen. Praxistipp In der Praxis ist eine Probezeitkündigung einer Schwangeren aufgrund der kurzen Fristen oder der Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes kaum möglich. Will der Arbeitgeber schwangere

24 Siehe hierzu Rn 30. 25 Vgl. LAG Düsseldorf, Urt. v. 7.11.1978 – 18 (20) TaBV 55/78 –. 26 § 15 Abs. 3 TzBfG.

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 Kapitel 30 Probezeit/Einfühlungsverhältnis

Arbeitnehmerinnen einstellen, bietet sich hierfür ein mit dem Sachgrund der Erprobung befristetes Arbeitsverhältnis an, welches mit Ablauf der Befristung endet, ohne dass es einer Kündigung oder einer Zustimmung des Integrationsamtes bedarf.

IV. Einfühlungsverhältnis

38 Das Einfühlungsverhältnis ist gesetzlich nicht geregelt. Es wird jedoch entsprechend

den Grundsätzen der Vertragsfreiheit allgemein als rechtlich zulässig anerkannt und als „loses Rechtsverhältnis eigener Art“ verstanden.27 Es ist überall dort sinnvoll, wo eine erhöhte, ggf. auf beiden Seiten bestehende 39 Unsicherheit besteht, ob der Bewerber die Tätigkeit z.B. nach längerer Abwesenheit aus der Berufstätigkeit (Langzeitarbeitsloser) oder als Quereinsteiger tatsächlich (noch) ausüben kann. Ferner können die Voraussetzungen der Zusammenarbeit für das potenzielle spätere Arbeitsverhältnis geklärt werden. Das Einfühlungsverhältnis unterscheidet sich vom Probearbeitsverhältnis und 40 vom Arbeitsverhältnis dadurch, dass –– kein Entgeltanspruch besteht, –– keine Weisungsgebundenheit vorliegt, sondern nur das Hausrecht des Arbeitgebers zu beachten ist, –– keine Verpflichtungen (insbesondere keine Arbeitspflichten) bestehen und –– der Zeitraum nur von kurzer Dauer ist. Hierbei wird regelmäßig ein Zeitraum zwischen einer Woche28 und – im seltenen Ausnahmefall – von mehreren Wochen29 als vertretbar angesehen. Praxistipp Da kein Entgelt gezahlt wird, sollte das Einfühlungsverhältnis nur wenige Tage andauern und den Zeitraum von einer Woche nicht überschreiten. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass die Rechtsprechung den Zeitraum als nicht mehr angemessen ansieht und die Ausgestaltung als Umgehung von arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen bewertet mit der Folge, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis (ohne Probezeit) begründet wird. 41 Für die Differenzierung unerheblich ist, wie die Beteiligten das Rechtsverhältnis

bezeichnen. Indizien für das Vorliegen eines Arbeits- und nicht eines bloßen Einfüh-

27 Vgl. LAG RP, Urt. v. 24.5.2007 – 2 Sa 87/07 –; LAG Sachsen, Urt. v. 5.3.2004 – 2 Sa 386/03 –; LAG Hamm, Urt. v. 24.5.1989 – 15 Sa 18/89 –; LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 25.4.2007 – 13 Sa 129/05 –; LAG Bremen, Urt. v. 25.7.2002 – 3 Sa 83/02 –; ArbG Weiden, Urt. v. 7.5.2008 – 1 Ca 64/08 C –; Löw, RdA 2007, 124; Barth, BB 2009, 2646. 28 Vgl. Löw, RdA 2007, 124, Mathies, RdA 2007, 135 sowie Barth, BB 2009, 2646, die maximal eine Woche als zulässig erachten. 29 Vgl. Dollmann, ArbRB 2006, 306, der auch mehrere Wochen genügen lässt, wenn keine gegenseitigen Pflichten begründet werden.

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A. Arbeitsrecht 

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lungsverhältnisses sind, ob der Bewerber in den betrieblichen Ablauf tatsächlich eingegliedert wird und ob er Arbeitsanweisungen unterworfen ist.30 Ob ein Einfühlungsverhältnis zu einem Arbeitsverhältnis mit einem Entgeltan- 42 spruch führt, wenn die Tätigkeiten für den Arbeitgeber verwertbar oder nützlich sind, ist streitig. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung gibt es bislang hierzu nicht. Die Landesarbeitsgerichte beurteilen die Frage uneinheitlich.31 Nach Auffassung der Verfasser stellt die Verwertbarkeit der Arbeitsleistung kein brauchbares Abgrenzungskriterium dar. Eine Differenzierung zwischen produktiver und nichtproduktiver Arbeit wird in der Praxis im Einzelfall nur schwierig möglich sein. Zudem bezweckt das Einfühlungsverhältnis gerade, dass der Bewerber seine Fähigkeiten, ob er noch produktive Arbeit leisten kann, ausprobieren soll.32 Soll ein Einfühlungsverhältnis vereinbart werden, ist größte Sorgfalt bei der Aus- 43 gestaltung geboten. Zu Beweiszwecken ist der Abschluss einer schriftlichen Verein­ barung dringend zu raten. Praxistipp In der vertraglichen Vereinbarung müssen u.a. enthalten sein: –– Zweck des Einfühlungsverhältnisses, –– keine Arbeitspflicht, –– keine Arbeitszeiten, –– kein Direktions-/Weisungsrecht, –– kein Entgeltanspruch, –– ggf. Fahrtkostenerstattung/Aufwandsentschädigung, –– Hausrecht des Arbeitgebers, –– Dauer (wenige Tage bis maximal eine Woche). In der praktischen Ausübung ist strikt darauf zu achten, dass der Bewerber nicht in den betrieblichen Arbeitsablauf eingegliedert und Arbeiten zugewiesen bekommt. Kritisch dürften u.a. folgende Konstellationen zu sehen sein: –– Der Bewerber erledigt die Arbeiten anstelle eines erkrankten Arbeitnehmers. –– Mit dem von dem Bewerber erarbeiteten Teilprodukt wird im weiteren Produktionsablauf weitergearbeitet. –– Eine Bewerberin zur Pflegekraft wird zu Pflegehandlungen angeleitet und bei der Vornahme derselben überwacht.33

30 Vgl. ArbG Weiden, Urt. v. 7.5.2008 – 1 Ca 64/08 C –. 31 Vgl. LAG Hamm, Urt. v. 24.5.1989 – 15 Sa 18/89 –, welches dazu neigt, einen Entgeltanspruch zu bejahen, wenn in dem Arbeitsverhältnis produktive Arbeit geleistet wird; vgl. LAG Bremen 25.7.2002 – 3 Sa 83/02 –, welches tendenziell einen Entgeltanspruch verneint; siehe auch Löw, RdA 2007, 124. 32 So auch die h.M.: LAG Bremen 25.7.2002 – 3 Sa 83/02 –; ferner Löw, RdA 2007, 124, Mathies, RdA 2007, 135 m.w.N. 33 Vgl. ArbG Weiden, Urt. v. 7.5.2008 – 1 Ca 64/08 C –.

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 Kapitel 30 Probezeit/Einfühlungsverhältnis

44 Die Beweislast trägt grundsätzlich jeweils die Partei, die sich auf das Vorliegen der

tatsächlichen Voraussetzungen einer ihr günstigen Rechtsnorm beruft. Danach muss der Bewerber in der Regel beweisen, dass ein entgeltliches Arbeitsverhältnis geschlossen wurde.34 Zu einem Vertragsschluss kommt es allerdings sowohl bei einem Einfühlungsverhältnis als auch bei einem Arbeitsverhältnis. Daher muss der Inhalt des jeweiligen Vertragsverhältnisses durch Auslegung ermittelt werden. Werden die Hauptleistungspflichten eines Arbeitsvertrags (Arbeitsleistung und Entgelt) schon konkretisiert, obliegt es dem Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen, dass er nicht, wie dies der Regelfall ist, ein entgeltliches Arbeitsvertragsangebot machen möchte, sondern ausnahmsweise lediglich den Willen hat, ein Angebot für eine nicht vergütete Kennenlernphase abzugeben.35 Besondere Vorsicht ist daher geboten, wenn sich die Beteiligten bereits im 45 Vorfeld über die Modalitäten eines etwaigen Arbeitsverhältnisses unterhalten und der Arbeitgeber hierbei nicht klar zum Ausdruck bringt, dass er zunächst nur ein Einfühlungsverhältnis ohne gegenseitige Pflichten abschließen möchte. Checkliste – Einfühlungsverhältnis –– Ausdrückliche schriftliche Vereinbarung: –– des Zwecks (Kennenlernen des Arbeitsplatzes, der Tätigkeit, des Betriebes) –– Nichtbestehens einer Arbeitspflicht –– Jederzeitige Beendigung durch einseitige Erklärung –– Angemessene Dauer –– Ggf. Vereinbarung einer Aufwandsentschädigung/Fahrtkostenerstattung

46 Unabhängig für welche Form der Probearbeit sich der Arbeitgeber entscheidet, ist in

jedem Fall auf eine klare Abgrenzung der einzelnen Formen bei der Vertragsgestaltung zu achten.

B. Steuerrecht 47 Aus lohnsteuerlicher Sicht gilt als Arbeitnehmer, wer aus einem Arbeitsverhältnis

Arbeitslohn bezieht. Bei der Prüfung, ob im Rahmen der Probearbeit ein lohnsteuerrechtlich relevantes Arbeitsverhältnis zustande kommt, ist auf das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im konkreten Einzelfall abzustellen. Die für und gegen ein Arbeitsverhältnis sprechenden Merkmale sind dann zu gewichten und entsprechend ihrer Bedeutung gegeneinander abzuwägen. Der arbeits- und sozialversicherungs-

34 Vgl. LAG RP, Urt. v. 24.5.2007 – 2 Sa 87/07 –; Baden-Württemberg, Urt. v. 25.4.2007 – 13 Sa 129/05 –. 35 Vgl. LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 25.4.2007 – 13 Sa 129/05 –.

Karges

C. Sozialversicherungsrecht 

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rechtlichen Behandlung des Probearbeitsverhältnisses kommt insoweit lediglich Indiz-Wirkung zu.36 Wie für jeden Arbeitnehmer, so ist auch für den Probezeitmitarbeiter ein Lohn­ konto einzurichten und den lohnsteuerlichen Meldepflichten nachzukommen, wenn die lohnsteuerliche Arbeitnehmereigenschaft bejaht wird. Vereinbaren Probezeitmitarbeiter und Arbeitgeber, dass während der Probearbeit kein Arbeitslohn gezahlt wird, ergeben sich insoweit keine lohnsteuerlichen Pflichten. Im Einzelfall kann es möglich sein, dass eine Pauschalierung der Lohnsteuer vorgenommen wird, wenn ein sog. Minijob gegeben ist.37 Sollte der Arbeitgeber zudem Zahlungen geleistet oder Vorteile gewährt haben, die als Arbeitslohn zu qualifizieren, entsprechend an das Finanzamt zu melden und zu versteuern sind, ist dem Kandidaten ein Ausdruck der elektronisch übermittel­ ten Lohnsteuerbescheinigung auszuhändigen. Etwas anderes gilt nur bei geringfü­ gig beschäftigten Probearbeitern, die pauschal versteuert wurden. Demgegenüber liegt bei einem sog. Einfühlungsverhältnis38 kein Arbeitsverhältnis i.S.d. Lohnsteuerrechts vor, weil die dafür wesentlichen Voraussetzungen (weisungsgebundene Tätigkeit, Verpflichtung zur Arbeitsleistung) nicht erfüllt werden.

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C. Sozialversicherungsrecht Das Sozialversicherungsrecht enthält keine Besonderheiten für Probearbeiten oder 52 Einfühlungsverhältnisse. Das bedeutet, es ist anhand der allgemeinen Grundsätze, wie sie in den Begriffsbestimmungen dieses Buches dargestellt werden, zu prüfen, ob aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Bei der Anwendung dieser Kriterien kommt man zum Ergebnis, dass das Ein­ 53 fühlungsverhältnis kein Beschäftigungsverhältnis darstellt. Der Grund hierfür besteht darin, dass es an einer Eingliederung in den Betrieb und an einer Weisungsgebundenheit fehlt. Darüber hinaus fehlt es auch an einer Verpflichtung zur Arbeitsleistung. Somit können Personen in einem Einfühlungsverhältnis nicht als Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig werden. Daher scheidet auch eine Beitragspflicht aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses aus. Demgegenüber hat die Vereinbarung einer Probezeit keinen Einfluss auf das Vor- 54 liegen eines Beschäftigungsverhältnisses. Sofern die grundsätzlichen Merkmale einer Beschäftigung gegeben sind, entsteht auch während der Probezeit Sozialversiche­ rungspflicht.

36 Zu den weiteren Einzelheiten vgl. Kap. 14 – Freelancer Rn 36 ff. 37 Vgl. Kap. 24 – Minijobber Rn 23 ff. 38 Vgl. Rn 23.

Libudda

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 Kapitel 30 Probezeit/Einfühlungsverhältnis

Sofern es sich um eine Beschäftigung zur Berufsausbildung oder ein vorgeschriebenes Praktikum handelt, kann Sozialversicherungspflicht sogar entstehen, wenn kein Arbeitsentgelt gezahlt wird.39 Die Regelungen zum missglückten Arbeitsversuch, wonach Versicherungs56 pflicht nicht eintrat, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, die Arbeit auszuüben, wurde Ende der 1990er Jahre aufgegeben.40 Wenn eine Beschäftigung nur zum Schein aufgenommen wurde, tritt Versiche57 rungspflicht nicht ein. Hierdurch soll die missbräuchliche Inanspruchnahme von Sozialleistungen vermieden werden. 55

39 Nähere Erläuterungen hierzu enthält das Kap. 29 – Praktikum. 40 BSG, Urt. v. 4.12.1997 – 12 RK 3/97 –.

Libudda

Kapitel 31 Prozessbeschäftigung A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers, besteht das 1 Risiko, dass die Kündigung durch arbeitsgerichtliches Urteil für unwirksam erklärt wird und das Arbeitsverhältnis über den Kündigungszeitpunkt hinaus fortbesteht. Da der Arbeitnehmer in dem Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens keine Arbeitsleistung mehr für den Arbeitgeber erbringt, hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Falle eines Unterliegens im Kündigungsschutzprozess Annahmeverzugslohn1 zu zahlen, ohne eine entsprechende Gegenleistung seitens des Arbeitnehmers erhalten zu haben. Durch eine Weiterbeschäftigung während eines Kündigungsschutzprozesses 2 (sog. Prozessbeschäftigung) kann der Arbeitgeber erreichen, dass er für seine Lohnzahlung zumindest eine Gegenleistung erhält. Darüber hinaus kann, insbesondere wenn kein verhaltensbedingter Kündigungsgrund vorliegt, die Arbeitskraft des Mitarbeiters für den Arbeitgeber bis zum Ablauf des Kündigungsschutzverfahrens z.B. in folgenden Fällen von Interesse sein: –– Abwicklungsarbeiten im Falle von Betriebsschließungen; –– kurzfristige Überbrückung eines Personalengpasses aufgrund von Krankheitsund Urlaubszeiten; –– kurzfristige Überbrückung eines Personalengpasses wegen des Ausscheidens einer größeren Anzahl von Mitarbeitern aus dem Unternehmen als dies nach dem Zeitplan eines Sozialplans im Falle eines mehrstufigen Personalabbaus vorge­ sehen ist.

II. Fallgruppen der Prozessbeschäftigung Für eine Prozessbeschäftigung kommen verschiedene Fallgruppen mit unterschied­ 3 lichen Rechtsgrundlagen in Betracht: –– Prozessbeschäftigung aufgrund gesetzlicher Anordnung nach Betriebsratswiderspruch; –– Prozessbeschäftigung aufgrund vertraglicher Vereinbarung; –– Prozessbeschäftigung aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs.

1 Auf den Annahmeverzugslohn wird (Zwischen-)Verdienst aus anderweitiger Tätigkeit sowie ggf. in diesem Zeitraum bezogene Sozialleistungen angerechnet. Ferner wird fiktiver Lohn aus zumutbarer Arbeit angerechnet, welche der Arbeitnehmer trotz Arbeitsmöglichkeit, Zumutbarkeit der Arbeit und der Kenntnis der nachteiligen Folgen für den Arbeitgeber nicht angenommen hat.

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 Kapitel 31 Prozessbeschäftigung

Übersicht der Arten der Prozessbeschäftigung im Instanzenzug: Vertragliche und gesetzliche Prozessbeschäftigung Kündigung

Kündigungsschutzklage mit Forderung auf Weiterbeschäftigung

Widerspruch Betriebsrat

Ablauf Kündigungsfrist

Gütetermin

Urteil 1. Instanz

Urteil 2. Instanz

Urteil 3. Instanz

Vertragliche Prozessbeschäftigung Beschäftigung nach Auslaufen der Kündigungsfrist bis zum Eintritt der Rechtskraft

Keine Prozessbeschäftigung Beschäftigung während Kündigungsfrist

Beschäftigung nach obsiegendem Arbeitnehmerurteil

Gesetzliche Prozessbeschäftigung Beschäftigung wegen Betriebsratswiderspruch

1. Prozessbeschäftigung aufgrund gesetzlicher Anordnung nach Betriebsratswiderspruch gem. § 102 Abs. 5 BetrVG (Weiterbeschäftigungsanspruch) 4 Das BetrVG verpflichtet den Arbeitgeber, den Arbeitnehmer auch nach Ausspruch der Kündigung weiter zu beschäftigen. Voraussetzungen dieser gesetzlichen Prozessbeschäftigung bzw. des gesetzlichen Weiterbeschäftigungsanspruches sind: –– Bestehen eines Betriebsrats, –– Ausspruch einer ordentlichen Kündigung, –– frist- und ordnungsgemäßer Widerspruch des Betriebsrats gegen die ordentliche Kündigung, –– Klage des Arbeitnehmers auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung beendet worden ist und –– ausdrückliche Geltendmachung des Weiterbeschäftigungsanspruches gegenüber dem Arbeitgeber.2

2 Vgl. ErfK/Kania, § 102 BetrVG Rn 32 ff.

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A. Arbeitsrecht 

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Diese ausdrückliche Geltendmachung muss dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist zugehen, nach der Rechtsprechung des BAG spätestens am ersten Arbeitstag nach Ablauf der Kündigungsfrist.3 Liegen diese Voraussetzungen vor, muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer gem. § 102 Abs. 5 BetrVG zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiterbeschäftigen. Das gesetzliche Prozessarbeitsverhältnis beginnt mit Ablauf der Kündigungsfrist und endet automatisch mit Eintritt der Rechtskraft des Urteils, ggf. auch erst nach der 3. Instanz. Das gesetzliche Prozessarbeitsverhältnis bedarf demnach keiner Kündigung durch den Arbeitgeber. Die Rechtskraft tritt ein, wenn kein weiteres Rechtsmittel (Berufung oder Revision) gegen die Gerichtsentscheidung eingelegt werden kann, d.h. mit Ablauf der für die Einlegung des Rechtsmittels vorgesehenen Frist oder, wenn es von vornherein kein Rechtsmittel gibt, mit dem Tag der Verkündung der Entscheidung.4 Während des gesetzlichen Prozessbeschäftigungsverhältnisses erhält der Mitarbeiter seine bisherige Vergütung nebst allen sonstigen Leistungen wie z.B. Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung, Zuschläge etc.5 Kein Anspruch besteht jedoch auf Leistungen, die erst zukünftig – nach Ablauf der Kündigungsfrist – entstehen. Hierzu zählen z.B. Leistungen, für die eine bestimmte Dauer der ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit erforderlich ist wie z.B. Jubiläumsgeld, Gratifikationen etc. oder Lohnerhöhungen.6 Diese Leistungen sind jedoch bei einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage des Mitarbeiters als Annahmeverzugslohn nachzuzahlen.7

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Hinweis Nach Ablauf der Kündigungsfrist aufgrund der gesetzlichen Prozessbeschäftigung erworbene Beschäftigungszeiten führen nicht zu einem erhöhten Kündigungsschutz bzw. zur tariflichen Unkündbarkeit des Arbeitsverhältnisses. Die Weiterbeschäftigungspflicht soll nicht die Berechtigung zur Kündigung in Frage stellen.8

Während des Prozessbeschäftigungsverhältnisses ist der Mitarbeiter wie bisher tat­ 10 sächlich zu beschäftigen. Der Arbeitgeber kann von der gesetzlichen Pflicht zur Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nur durch eine einstweilige Verfügung

3 BAG, Urt. v. 11.5.2000 – 2 AZR 54/99 –. 4 Vgl. MüKo-ZPO/Krüger, § 705 ZPO Rn 5 f. 5 Vgl. FESTL, § 102 BetrVG Rn 114. 6 Streitig; wie hier: FESTL, § 102 BetrVG Rn 114; ErfK/Kania, § 102 BetrVG Rn 35; Düwel/Braasch, § 102 BetrVG Rn 108; a.A.: GK-BetrVG/Raab, § 102 Rn 178; DKK/Kittner, § 102 Rn 272; Richardi/ Thüsing, § 102 BetrVG Rn 232. 7 Vgl. FESTL, § 102 BetrVG Rn 114; ErfK/Kania, § 102 BetrVG Rn 35. 8 So zutreffend: Richardi/Thüsing, § 102 BetrVG Rn 232.

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 Kapitel 31 Prozessbeschäftigung

entbunden werden, welche der Arbeitgeber bei dem zuständigen Gericht beantragen muss. Mit der üblichen Formulierung im Kündigungsschreiben, dass der Mitarbeiter ggf. unter Anrechnung der noch bestehenden Urlaubstage und Überstunden freigestellt wird, kann der Weiterbeschäftigungsanspruch des Mitarbeiters aus § 102 Abs. 5 BetrVG nicht beseitigt werden. Praxistipp Der Arbeitgeber muss in dem Antrag auf einstweilige Verfügung darlegen, dass: –– die Klage des Arbeitnehmers mutwillig ist oder keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder –– die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führt oder –– der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

2. Prozessbeschäftigung aufgrund vertraglicher Vereinbarung

11 Eine Prozessbeschäftigung kann vertraglich zwischen dem Arbeitgeber und dem

Arbeitnehmer vereinbart werden, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen: –– der Arbeitgeber hat das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers gekündigt, –– der Mitarbeiter hat Kündigungsschutzklage erhoben, –– es besteht kein betriebsverfassungsrechtlicher Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG und –– der Arbeitnehmer hat keinen Antrag auf Weiterbeschäftigung gestellt und ein diesbezügliches vollstreckbares Urteil gegen den Arbeitgeber auf Weiterbeschäftigung erwirkt. 12 Die Prozessbeschäftigung kann in dem Zeitraum zwischen dem Ablauf der Kündigungsfrist und der Beendigung des Kündigungsschutzprozesses vertraglich vereinbart werden.

Hinweis Der Zeitraum zwischen Ausspruch der Kündigung und Ablauf der Kündigungsfrist ist keine Prozessbeschäftigung, da Rechtsgrundlage für dieses Arbeitsverhältnis der zu diesem Zeitpunkt noch bestehende Arbeitsvertrag ist. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist – wie üblich – Kündigungsschutzklage erhebt. 13 Obsiegt der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzverfahren in der ersten oder zweiten

Instanz und wird der Arbeitgeber zur (vorläufigen) Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers verurteilt, stellt die Beschäftigung des Arbeitnehmers im Zeitraum zwischen dem erst- bzw. zweitinstanzlichen Urteil und dem rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses ebenfalls kein Prozessarbeitsverhältnis dar. Vielmehr wird das ursprüngliche Arbeitsverhältnis fortgesetzt. Fordert der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zur Weiterbeschäftigung auf, stellt dies nach der Rechtsprechung kein „freiwilliges“ Weiterbeschäftigungsangebot des Arbeitgebers und damit ein Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages dar, sondern dient lediglich dazu, die Baumann/Speier

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Zwangsvollstreckung des erst- bzw. zweitinstanzlichen Urteils und den Annahme­ verzug abzuwenden.9 Obsiegt der Arbeitgeber hingegen im erst- bzw. zweitinstanzlichen Urteil, kann 14 ein Prozessarbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vertraglich vereinbart werden. Hinsichtlich der vertraglichen Ausgestaltung der Weiterbeschäftigung im Rahmen 15 eines Prozessarbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber zwei Optionen: –– Abschluss eines zweckbefristeten Prozessarbeitsverhältnisses, welches mit Erreichen des Zwecks (d.h. rechtskräftiger Abschluss des Kündigungsschutzprozesses) automatisch endet, oder –– Vereinbarung der auflösenden Bedingung mit dem Inhalt, dass das bereits bestehende Arbeitsverhältnis über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus fortbesteht, jedoch automatisch endet, wenn der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess obsiegt und das Urteil rechtskräftig ist. Praxistipp Es empfiehlt sich, das Prozessarbeitsverhältnis als zweckbefristetes Arbeitsverhältnis auszugestalten. Da das Arbeitsverhältnis bei der Zweckbefristung auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt wird, können die Arbeitsbedingungen, insbesondere Arbeitsumfang und Arbeitslohn, an die aktuelle Situation angepasst werden.

Hinweis Der Abschluss eines vertraglichen Prozessarbeitsverhältnisses stellt eine „Einstellung“ dar. Der Betriebsrat bzw. Personalrat ist daher entsprechend zu beteiligen.

Unabhängig davon, für welche vertragliche Ausgestaltungsoption sich der Arbeit- 16 geber entscheidet, muss in beiden Fällen ein Sachgrund für die befristete Prozessbeschäftigung nach dem TzBfG vorliegen. Hinsichtlich der Zweckbefristung ergibt sich dies aus § 14 Abs. 1 TzBfG, wobei die Prozessbeschäftigung gesetzlich nicht ausdrücklich als Sachgrund aufgeführt ist, aber als sog. ungeschriebener sachlicher Grund i.S.d. TzBfG allgemein anerkannt ist. Bezüglich der auflösenden Bedingung ergibt sich dies aus § 21 TzBfG.10 Sowohl die zweckbefristete Prozessbeschäftigung als auch die unter eine auf- 17 lösende Bedingung gestellte Prozessbeschäftigung bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Die jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen sind daher zwingend schriftlich vor Beginn der Arbeitsaufnahme abzuschließen. Soll sich das Prozess-

9 Vgl. LAG Niedersachsen, Urt. v. 27.9.2005 – 13 Sa 275/05 –; BeckOK-ArbR/Bayreuther, § 14 TzBfG, Rn 80. 10 Siehe auch Kap. 7 – Befristung.

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 Kapitel 31 Prozessbeschäftigung

beschäftigungsverhältnis unmittelbar an das aus Sicht des Arbeitgebers „beendete“ Arbeitsverhältnis anschließen, ist demnach spätestens am letzten Tag des gekündigten Arbeitsverhältnisses das Prozessbeschäftigungsverhältnis schriftlich zu vereinbaren. Versäumt es der Arbeitgeber vor Arbeitsaufnahme ein Prozessarbeitsverhältnis 18 mit dem Arbeitnehmer schriftlich zu begründen, hat dies den Abschluss eines unbe­ fristeten Arbeitsverhältnisses zur Folge, welches der Arbeitgeber ggf. durch einen erneuten Kündigungsausspruch beenden muss. Praxistipp Wegen der weitgehenden Rechtsfolgen sollten bei der Gestaltung der schriftlich abzuschließenden Prozessbeschäftigungsvereinbarung insbesondere folgende Punkte berücksichtigt werden: –– Hinweis auf Ausspruch der Kündigung und des laufenden Kündigungsschutzverfahrens (Datum des Kündigungsschreibens, Gerichtsaktenzeichen); –– eindeutige Bezeichnung des Befristungsendes (rechtskräftiger Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens oder rechtskräftiger Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens in erster Instanz) oder der auflösenden Bedingung (rechtskräftige Abweisung der Kündigungsschutzklage); –– Hinweis, dass zu unveränderten Bedingungen bzw., bei Änderung der bisherigen Bedingungen, zu welchen Bedingungen der Arbeitnehmer weiterbeschäftigt wird; –– Hinweis, dass die Beendigung erfolgt, ohne dass es gesonderter Kündigung bedarf; –– Unterschrift von beiden Vertragsparteien (nur das schriftliche Angebot und die tatsächliche Wiederaufnahme der Arbeit durch den Arbeitnehmer genügen nicht).

3. Prozessbeschäftigung aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs

19 Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer können eine Prozessbeschäftigung auch in

einem gerichtlichen Vergleich vereinbaren. Nach der Rechtsprechung des BAG setzt dies voraus, dass der Vergleich der „Beilegung einer Bestandsstreitigkeit“ dienen muss,11 d.h., das (Fort-)Bestehen eines Arbeitsverhältnisses muss zwischen den Parteien streitig sein und der diesbezüglich geführte Rechtsstreit muss durch den Abschluss des gerichtlichen Vergleichs beendet werden. Prozessbeschäftigung aufgrund gerichtlichen Vergleichs: Kündigung Widerspruch Betriebsrat

Kündigungsschutzklage mit Forderung auf Weiterbeschäftigung

Ablauf Kündigungsfrist

Gerichtlicher Vergleich

Vergleich im Gütetermin

Im Vergleich vereinbartes Beendigungsdatum

Beschäftigung aufgrund gerichtlichen Vergleichs

11 BAG, Urt. v. 13.6.2007 – 7 AZR 287/06 –.

Baumann/Speier

B. Steuerrecht 

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Hinweis Nach alter Rechtslage konnte ein Prozessarbeitsverhältnis auch in einem außergerichtlichen Vergleich vereinbart werden.12 Das TzBfG sieht jedoch in § 14 Abs. 1 Nr. 8 TzBfG ausdrücklich die Mitwirkung des Gerichts vor. Das Gericht muss demnach zumindest das Zustandekommen und den Inhalt des Vergleichs durch Beschluss feststellen.

Der gerichtliche Vergleich ist ausdrücklich als Sachgrund i.S.d. TzBfG benannt. 20 Demnach sind auch die für den wirksamen Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnis vorgeschriebene Schriftform einzuhalten. Diese wird durch die schriftliche Protokollierung des Vergleichs gewahrt.13 Hinweis Sollte der Vergleich unter einen Widerrufsvorbehalt gestellt sein, darf der Arbeitnehmer nicht vor Ablauf der Widerrufsfrist beschäftigt werden. Es besteht sonst die Gefahr, dass die Befristung unwirksam ist und ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis begründet wird, von welchem sich der Arbeitgeber einseitig nur durch Ausspruch der Kündigung lösen kann. Um dieses Risiko zu vermeiden, sollte die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts möglichst vermieden und von den Parteien außergerichtlich ein Vergleichsvorschlag erarbeitet werden, dessen Zustandekommen und Inhalt von dem Gericht durch Beschluss festgestellt wird. Ein gerichtlicher Verhandlungstermin kann in diesem Falle entbehrlich sein.

Hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung des Prozessvergleichs sind die Parteien 21 frei. Es sollten jedoch die unter Rn 18 genannten Punkte berücksichtigt werden.

B. Steuerrecht Allein die Einleitung eines arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzverfahrens ändert 22 nichts an der lohnsteuerlichen Einordnung des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses. Sofern die maßgebenden tatsächlichen Umstände auch während des Kündigungsschutzprozesses die für eine nichtselbstständige Tätigkeit typischen Merkmale14 aufweisen, gelten für die in Streit geratenen Parteien auch weiterhin dieselben lohnsteuerlichen Rechte und Pflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Je nach Fallkonstellation kann die Entscheidung des Arbeitsgerichts jedoch zu einer Änderung dieser Qualifikation führen. Es kommt somit darauf an, welche Entscheidung das Gericht letztlich trifft.

12 BAG, Urt. v. 4.12.1991 – 7 AZR 307/90 –. 13 Siehe auch Kap. 7 – Befristung. 14 Vgl. Kap. 14 – Freelancer Rn 38.

Karges

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 Kapitel 31 Prozessbeschäftigung

I. Arbeitnehmerstellung: Unveränderte Lohnsteuerpflicht 1. Fortbestehen der lohnsteuerlichen Pflichten und Rechte 23 Wenn das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit einer Kündigung bestätigt, wird das Arbeitsverhältnis als von Anfang an wirksam behandelt. Die lohnsteuerlichen Rechte und Pflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehen dann unverän­ dert fort.

2. Nachträgliche Korrektur des Lohnsteuerabzugs

24 Sollte ein Arbeitgeber seit Beginn der arbeitsrechtlichen Streitigkeiten seinen lohn-

steuerlichen Rechten und Pflichten nicht oder nicht vollständig nachgekommen sein, hat er während des laufenden Kalenderjahres entsprechende Korrekturen vorzunehmen. Insoweit ist § 41c Abs. 1 EStG zu beachten. Der Arbeitgeber ist berechtigt bzw. verpflichtet, bei der jeweils nächsten Lohn25 zahlung bisher erhobene Lohnsteuer zu erstatten oder noch nicht erhobene Lohnsteuer nachträglich einzubehalten. Nach Ablauf des Kalenderjahres sind lediglich unter den Voraussetzungen der 26 §§ 41c Abs. 3, 42b EStG Korrekturen möglich. § 41c Abs. 3 EStG betrifft dabei die Fälle, in denen Lohnsteuer nachträglich erhoben, einbehalten und abgeführt wird. Dies ist lediglich bis zur Übermittlung der Lohnsteuerbescheinigung zulässig.15 Dabei ist zu beachten, dass die nachträglich einzubehaltende Lohnsteuer bei Änderung des Lohnsteuerabzugs nach Ablauf des Kalenderjahres nach dem Jahresarbeitslohn zu ermitteln ist.16 Wenn der Arbeitgeber die Lohnsteuerbescheinigungen nach Ablauf des Kalen­ 27 derjahres bereits übermittelt hat, kann er Lohnsteuer nicht nachträglich einbe­ halten. Dann hat der Arbeitgeber den Sachverhalt dem Betriebsstättenfinanzamt unverzüglich anzuzeigen.17 Das Finanzamt hat die zu wenig erhobene Lohnsteuer dann vom Arbeitnehmer nachzufordern, wenn der nachzufordernde Betrag 10 € übersteigt.18

II. Bestätigung der Kündigung: Lohnsteuerpflicht während Prozessbeschäftigung nur bei derselben Tätigkeit 28 Stellt das Arbeitsgericht fest, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wirksam erfolgt ist, muss für die Zeit der Prozessbeschäftigung eine Prüfung anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls vorgenommen werden.

15 § 41c Abs. 3 S. 1 EStG. 16 § 41c Abs. 3 S. 2 EStG. Dies ist in der Regel spätestens der 28.2. des Folgejahres. 17 § 41c Abs. 4 S. 1 EStG. 18 § 41c Abs. 4 S. 2 EStG.

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B. Steuerrecht 

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1. Qualifikation der Einkünfte während der Prozessbeschäftigung a) Arbeitslohn während der Prozessbeschäftigung Ändert sich das Tätigkeitsbild während der Prozessbeschäftigung nicht, sind auch 29 die in diesem Zeitraum gewährten Bar- und Sachleitungen als Arbeitslohn einzuordnen. Maßgebend sind allein die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls. Dies gilt selbst dann, wenn der durch das Gericht bestätigte Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits vor dem Ende des Gerichtsverfahrens liegt. Erhält der gekündigte Mitarbeiter die Zahlungen als Entschädigung für währenddessen erbrachte Leistungen, hat der Arbeitgeber entsprechend Lohnsteuer, den Solidari­ tätszuschlag und ggf. Kirchensteuer einzubehalten. Werden in diesem Zeitraum hingegen Vorteile erkennbar für eine andere Tätig­ 30 keit, die einen abweichenden (z.B. selbstständigen) Charakter aufweist, so muss eine steuerliche Neubewertung erfolgen. Insoweit sind die allgemeinen Kriterien zur Abgrenzung selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeiten heranzuziehen.19 Nur wenn die dabei vorgenommene Würdigung zu dem Ergebnis führt, dass eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, kann der Lohnsteuereinbehalt unterbleiben.

b) Besonderheiten im Zusammenhang mit bestimmten Vergütungsbestandteilen Nutzt der Arbeitnehmer während der Prozessbeschäftigung wie zuvor einen vom 31 Arbeitgeber gestellten Firmenwagen, ist dieser Vorteil unter den oben genannten Bedingungen wie bisher zu versteuern. Ergibt die vorstehend beschriebene Würdigung jedoch, dass die Nutzung des Fahrzeugs im Rahmen einer anderen (z.B. selbstständigen) Tätigkeit erfolgt ist, muss dies entsprechend steuerlich gewürdigt werden. Hinzuweisen ist ferner auf die Möglichkeit, bisherige Zukunftssicherungsleis­ 32 tungen in bestimmten Fällen nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses in ein neues Arbeitsverhältnis zu übertragen. Die dabei zu berücksichtigenden lohnsteuerlichen Konsequenzen sind im Einzelfall zu prüfen.

2. Rückabwicklung des Arbeitsverhältnisses und Rückzahlung des erhaltenen Arbeitslohnes Wenn das Arbeitsgericht rückwirkend die Beendigung des Arbeitsverhältnisses fest- 33 stellt, hat der gekündigte Arbeitnehmer den bereits versteuerten Arbeitslohn regelmäßig zurückzuzahlen. Dies führt zu negativem Arbeitslohn. Dementsprechend kommt es zu einer Korrektur der bisherigen Lohnsteueranmeldungen. Der Arbeitgeber hat in diesen Fällen entsprechende Erstattungsbeträge gegenüber dem Finanzamt anzuzeigen und geltend zu machen. Sofern dies kalenderjahresübergreifende Zeiträume betrifft und die Lohnsteuerbescheinigungen bereits ausgestellt oder über-

19 Vgl. Kap. 14 – Freelancer Rn 36 ff.

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 Kapitel 31 Prozessbeschäftigung

mittelt wurden, hat der Arbeitgeber keine Möglichkeit der Erstattung bereits entrichteter Lohnsteuerbeträge. Der Arbeitnehmer kann jedoch die zurückgezahlten Beträge als negative Einnahmen geltend machen und dementsprechend steuermindernd berücksichtigen. Etwas anderes gilt für Arbeitslohn, der vom Arbeitgeber pauschal versteuert wurde. Dessen Erstattung kann der Arbeitgeber vom Betriebsstättenfinanzamt bis zur Bestandskraft der jeweiligen Lohnsteueranmeldung durch Abgabe einer korrigierten Lohnsteueranmeldung verlangen.

III. Praktische Hinweise 1. Lohnsteuerliche Konsequenzen von Vergleichszahlungen und Entschädigungen im Rahmen von Kündigungsschutzprozessen 34 Oftmals erfolgt am Ende eines Kündigungsschutzprozesses der Abschluss eines Vergleichs, in dessen Rahmen dem gekündigten Arbeitnehmer die Zahlung einer Ver­ gleichssumme zugesagt wird. Diese führt regelmäßig zum Zufluss von Arbeitslohn. Lohnsteuerliche Besonderheiten sind dann zu beachten, wenn die Vergleichs35 zahlung als Entschädigung oder auch als Abfindung gesehen werden kann, für die die sog. Fünftelregelung20 in Betracht kommen kann. Ferner ist zu beachten, dass nachträglich geleistete Vergleichszahlungen auch 36 regelmäßig auf die Höhe des Nettoarbeitslohnes als Bemessungsgrundlage weiterer Leistungen Einfluss nehmen. Dies kann demnach Auswirkungen auf z.B. das Arbeitslosengeld, Elterngeld etc. haben.

2. Lohnsteuerliche Arbeitgeberpflichten bei Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitserbringung 37 Nicht selten wird vereinbart, dass der Arbeitnehmer für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses von der Verpflichtung zur Erbringung seiner Arbeitsleistungen befreit wird. Erfolgt diese Freistellung gegen den Wegfall des Arbeitslohnanspruches für mindestens fünf aufeinanderfolgende Arbeitstage, hat der Arbeitgeber dies durch Eintragung des Großbuchstabens „U“ im Lohnkonto des Arbeitnehmers entsprechend zu dokumentieren.21 Dabei ist es nicht erforderlich, den genauen Zeitraum zu vermerken. Es ist aber folgendes zu beachten: der Unterbrechungszeitraum von fünf Arbeitstagen bezieht sich jeweils auf das Kalenderjahr, d.h. jedes Kalenderjahr ist gesondert für sich zu betrachten. Verbleiben nach dem Jahreswechsel lediglich drei Tage der unbezahlten Freistellung, kann für diesen Zeitraum die Eintragung des Großbuchstabens „U“ unterbleiben.

20 §§ 24 Nr. 1, 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG. 21 § 41 Abs. 1 S. 5 EStG.

Karges

C. Sozialversicherungsrecht 

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C. Sozialversicherungsrecht Während der Weiterbeschäftigung für die Dauer eines Kündigungsschutzprozesses (sog. Prozessbeschäftigung) erhält der Arbeitnehmer seine bisherige Vergütung nebst allen sonstigen Leistungen wie z.B. Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung, Zuschläge etc.22 Die Versicherungspflicht in der deutschen Sozialversicherung knüpft an das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses an, §  7 SGB IV. Wie der Wortlaut des Gesetzes schon sagt, besteht ein Beschäftigungsverhältnis, sofern eine Tätigkeit gegen Entgelt ausgeübt wird. Der Bestand des Beschäftigungsverhältnisses ist nicht davon abhängig, ob ein wirksamer Arbeitsvertrag besteht oder nicht.23 Aus welchem Grunde eine Prozessbeschäftigung auch durchgeführt wird – aufgrund eines Widerspruchs des Betriebsrats, arbeitsgerichtlichen Vergleichs, durch Urteil oder individualvertraglich vereinbart – in allen Fallkonstellationen wird die Tätigkeit weiter ausgeübt und das Arbeitsentgelt weitergezahlt. Sozialversicherungsrechtlich besteht unzweifelhaft ein Beschäftigungsverhältnis i.S.d. § 7 SGB IV mit der Konsequenz, das Versicherungspflicht und daraus resultierend auch Beitragspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung besteht.

22 Vgl. nähere Ausführungen im Rahmen der arbeitsrechtlichen Erläuterungen in Kap. 31 – Prozessbeschäftigung. 23 Vgl. nähere Ausführung zur Begründung von Versicherungspflicht aufgrund einer Beschäftigung in Teil 2 – Grundlagen, Rn 95 ff.

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Kapitel 32 Referendare A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis Die Beschäftigung von Referendaren – vor allem von Rechtsreferendaren – in deren potenziellen zukünftigen Aufgabenbereichen gehört seit jeher bei vielen Unternehmen zur Praxis. Abseits des eigentlichen Referendariats hat der Einsatz von Referendaren vor allem im Rahmen der Ausübung von Nebenerwerbstätigkeiten, die parallel zum Referendariat ausgeübt werden, große Bedeutung. So können sich potenzielle künftige Arbeitgeber und Arbeitnehmer kennenlernen und Referendare erste Berufserfahrung sammeln. Bei der Ausübung einer Nebentätigkeit als Referendar sind allerdings einige rechtliche Rahmenbedingungen zu beachten, denn eine Nebentätigkeit während des Referendariats ist nicht mit jeder anderen Nebenbeschäftigung gleichzusetzen. Dies sollte jedem Arbeitgeber von Anfang an bewusst sein. Zu unterscheiden ist zwischen dem Lehramtsreferendar und dem Rechtsreferendar. Grundsätzlich versteht man unter dem Begriff „Lehramtsreferendariat/Rechts­ referendariat“ den Vorbereitungsdienst nach dem ersten Staatsexamen bzw. ersten juristischen Staatsexamen, welcher mit dem zweiten Staatsexamen bzw. zweiten juristischen Staatsexamen endet. Die Bezeichnung „Referendar“ ist geschützt und darf lediglich während der Dauer des Vorbereitungsdienstes geführt werden. Der Zugang zum Referendariat setzt die öffentlich-rechtliche Zulassung zum Referendariat voraus. Hierfür ist im Regelfall Zulassungsvoraussetzung, dass der Abschluss eines Lehramtsstudiums bzw. Studiums der Rechtswissenschaften einer Hochschule mit erstem Staatsexamen oder eines gleichwertigen akademischen Abschlusses nachgewiesen wird. Das abgeschlossene Hochschulstudium bietet zugleich den für den Arbeitgeber interessantesten Aspekt bei der Beschäftigung eines Referendars in Nebentätigkeit: Der Referendar verfügt bereits über ein abgeschlossenes Hochschulstudium und bringt daher im Regelfall eine solide Wissensbasis für die auszuübende Tätigkeit mit. Demgegenüber liegt für den Referendar der Vorteil der Ausübung einer Nebentätigkeit darin, dass er neben dem Referendariat wichtige und im Idealfall einschlägige Praxiserfahrungen sammeln kann, wobei er gleichzeitig die im Referendariat gewährte Unterhaltsbeihilfe durch Einkünfte aus der Nebentätigkeit aufstocken kann.

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 Kapitel 32 Referendare

II. Grundsätze 1. Anstellungsverhältnis zum Dienstherrn 7 Der Vertragspartner des Referendars in Nebenbeschäftigung muss sich bewusst sein, dass der Referendar in einem weiteren Hauptanstellungsverhältnis steht. In den meisten Bundesländern wird auf Grundlage des § 14 Abs. 1 BRRG a.F. das öffentlichrechtliche Ausbildungsverhältnis des Referendars als Angestelltenverhältnis geführt, wenn das Referendariat auch für Berufe außerhalb des Beamtenverhältnisses Voraussetzung ist. Dies gilt vor allem für Rechtsreferendare. Lediglich im Bundesland Thüringen werden Rechtsreferendare noch als Beamte auf Widerruf geführt. Lehramtsreferendare sind regelmäßig Beamte auf Widerruf. 8 Das öffentlich-rechtliche Ausbildungsverhältnis mit dem Dienstherrn endet mit 9 der Verkündung über das Bestehen oder endgültige Nichtbestehen der zweiten juristischen Staatsprüfung, vgl. für Nordrhein-Westfalen § 31 Abs. 1 JAG NRW.

2. Anwendbarkeit von Gesetzen zum Schutze der Arbeitnehmer a) Arbeitnehmereigenschaft im Rahmen einer Nebentätigkeit 10 Die Frage, ob ein Referendar im Rahmen seiner Nebentätigkeit als Arbeitnehmer einzustufen ist, kann nicht in einer pauschalisierenden Weise beantwortet werden. So kann die Klassifizierung einer juristischen Nebentätigkeit von Rechtsre11 ferendaren in einer Rechtsanwaltskanzlei als Arbeitsverhältnis durchaus schwierig sein. Dies ist dadurch begründet, dass Rechtsreferendare auf der einen Seite bei ihrer Tätigkeit in erheblichem Maße Weisungen der Kanzlei unterliegen, auf der anderen Seite aber vielfach berechtigt sind, die Übernahme von Aufträgen auch abzulehnen sowie die zeitliche Lage der Dienstleistung (z.B.: Vorbereitung von Schriftsätzen, Erstellung von Gutachten) frei zu bestimmen.1 Nach einem Beschluss des Sächsischen Landesarbeitsgerichts genügt für die 12 Annahme eines Arbeitsverhältnisses zumindest nicht allein die Übergabe von drei Handakten durch einen Rechtsanwalt an einen Rechtsreferendar mit dem Angebot der Fertigung von drei schriftlichen Stellungnahmen, ohne konkrete Angaben zu Art und Weise der Erstellung der Arbeiten vorzugeben.2 Insoweit fehlt es an einer fachlichen Weisungsgebundenheit. Die Frage, ob das Anstellungsverhältnis eines Referendars in Nebentätigkeit als Arbeitsverhältnis zu beurteilen ist, hängt somit maßgeblich davon ab, wie stark der Weisungsumfang ist, jedoch kommt es hierbei regelmäßig auf die Umstände des Einzelfalles sowie ggf. auf die vertragliche Ausgestaltung an.3

1 ErfK/Preis, § 611 BGB, Rn 83. 2 LAG Sachsen, Beschl. v. 13.9.2004 – 4 Ta 191/04 (6) –. 3 LAG Sachsen, Beschl. v. 13.9.2004 – 4 Ta 191/04 (6) –.

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Praxishinweis Die Beurteilung, ob die ausgeübte Nebentätigkeit des Referendars ein Arbeitsverhältnis darstellt, hängt maßgeblich von der Frage ab, wie der Weisungsumfang des Arbeitgebers ausgestaltet ist. Grundsätzlich gilt, je stärker die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausgestaltet werden, desto wahrscheinlicher ist das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses.

b) Anwendbare Schutzvorschriften Dem Arbeitgeber, der einen Referendar beschäftigen will, muss ferner bewusst sein, 13 dass grundsätzlich auf Referendare die wichtigsten Arbeitnehmerschutzgesetze Anwendung finden. Dies wird für Rechtsreferendare im Rahmen des Referendariats z.B. in NRW durch § 32 Abs. 3 JAG NRW sichergestellt, wonach u.a. das Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (EFZG), das Gesetz zum Schutze erwerbstätiger Mütter (MuSchG) und das Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld und zur Elternzeit (BErzGG) in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finden. Laut § 32 Abs. 4 JAG NRW erhält der Referendar ferner Erholungsurlaub nach den jeweiligen Erholungsurlaubsverordnungen. Entsprechende Regeln treffen die jeweiligen Gesetze der einzelnen Bundesländer. Diese Regelungen sind nicht disponibel. Praxishinweis Auch für Referendare, die im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses eine Nebentätigkeit ausüben, gelten grundsätzlich die für Arbeitnehmer geltenden Schutzgesetze.

3. Ausübung einer Nebentätigkeit a) Grundsätzliches zur Nebentätigkeit Der Arbeitgeber eines Referendars in Nebentätigkeit muss wissen, dass jeder 14 Rechtsreferendar zwar grundsätzlich einer vom Ausbildungszweck unabhängigen Nebentätigkeit nachgehen kann, §  65 Abs. 1 BBesG. Die Ausübung ist allerdings genehmigungsbedürftig. Nach vorheriger Genehmigung des Präsidenten des Oberlandesgerichts des zuständigen Bezirks kann eine Nebentätigkeit ausgeübt werden, vgl. für NRW §§ 6 Abs. 1, 48, 49 LBG NRW. Die zeitlichen Höchstgrenzen variieren von Bundesland zu Bundesland. In der 15 Regel liegt der zeitliche Umfang der zulässigen Nebentätigkeit jedoch zwischen 9 und 10 Stunden pro Woche. Lehramtsanwärter dürfen ebenfalls parallel zum Referendariat eine Nebentätig­ 16 keit ausüben, die ebenfalls genehmigungsbedürftig und zeitlich begrenzt ist. In­soweit werden die Einzelheiten durch die jeweiligen Nebentätigkeitsverordnun­gen der einzelnen Länder bestimmt.

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 Kapitel 32 Referendare

b) Gestaltung des Nebentätigkeitsvertrags

17 Werden sich Referendar und Arbeitgeber hinsichtlich der Ausübung einer Neben-

tätigkeit einig, so stellt sich die Frage, was vertraglich geregelt werden sollte bzw. muss. Die jeweiligen zuständigen ausbildenden Gerichte (Stamm­dienststellen des Referendars) machen bei der Gestaltung des Nebentätigkeits­vertrages keine weitreichenden Vorgaben. Da es sich bei der Beschäftigung eines Referendars in Nebentätigkeit und dem gleichzeitig vorrangig zu absolvie­renden Referendariat jedoch um eine besondere Konstellation handelt, emp­fiehlt es sich, die maßgebenden Aspekte vor Aufnahme einer Nebentätigkeit vertraglich zu regeln. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die angestrebte Nebentätigkeit im Rahmen der Nebentätigkeits­ erlaubnis bewegen muss, wobei zudem gewährleistet sein muss, dass die Nebentätigkeit den Ausbildungszweck des Referendariats nicht beeinträchtigt. Im Übrigen hängt die rechtliche Ausgestaltung des Nebentätigkeitsvertrages 18 von den Umständen des Einzelfalles ab, wobei es letztlich auf die tatsächliche Durchführung ankommt. Soll im Rahmen einer Nebentätigkeit eines Referen­dars ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien begründet werden, so sind nachfolgende Aspekte zu beachten:

aa) Nebentätigkeitsgenehmigung/Arbeitszeit

19 Vor Aufnahme einer Nebentätigkeit ist der Referendar verpflichtet, eine ent­sprechende

Nebentätigkeitsgenehmigung durch seine Stammdienststelle ein­zuholen. Hieraus ergibt sich regelmäßig auch der gestattete Umfang der zulässigen Nebentätigkeit, der dem Vertrag zu Grunde gelegt werden muss. Die Nebentätigkeitsgenehmigung von Seiten der Ausbildungs­ stelle/Stamm20 dienststelle des Referendars wird dabei grundsätzlich unbegrenzt mit dem Vorbehalt erteilt, dass die dienstlichen Interessen im Rahmen des Referendariats durch die Ausübung der Nebentätigkeit nicht beeinträchtigt werden dürfen. Eine zeitliche Begrenzung der Nebentätigkeitsgenehmigung erfolgt dabei letztlich nur durch das Ende des Referendariats. Sollte ein Referendar den Rahmen seiner genehmigten Nebentätigkeit (in NRW 8–10 Stunden) überschreiten, würde die Nebentätigkeitsgenehmigung insgesamt widerrufen werden, d.h., er dürfte seine Nebentätigkeit nicht mehr ausüben. Sollte er sie daraufhin dennoch weiter ausüben, kann das Verhalten des Referendars durch seine Stammdienststelle sanktioniert werden (z.B. Abmahnung). Die möglichen Disziplinarmaßnahmen treffen den Referendar allerdings ausschließlich im Rahmen des Dienstverhältnisses des Referendariats. Das zusätzliche Arbeitsverhältnis im Rahmen der Nebentätigkeit wird in seiner Wirksamkeit hiervon zwar grundsätzlich nicht betroffen. Um nicht Gefahr zu laufen, dass dem Referendar die Tätigkeit für die Zukunft untersagt wird, sollte der Arbeitgeber hinsichtlich der Vertragsgestaltung jedoch Folgendes beachten:

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Praxistipp –– Vor Abschluss eines Anstellungsvertrages für eine Nebentätigkeit mit einem Referendar sollte stets die Vorlage der Nebentätigkeitsgenehmigung verlangt werden. Ergänzend hierzu ist eine Klausel in den Vertrag aufzunehmen, die den zeitlich genehmigten Umfang der Nebentätigkeitsgenehmigung widerspiegelt. –– Der Arbeitgeber sollte sich stets an die Vorgaben der Nebentätigkeitsgenehmigung halten, um nicht Gefahr zu laufen, dass die Genehmigung nachträglich durch die Stammdienststelle widerrufen wird und der Referendar unter Umständen nicht mehr tätig werden darf. –– Die Arbeitszeit im Rahmen der Nebentätigkeit darf nicht mit Pflichtveranstaltungen (z.B. Arbeitsgemeinschaftsterminen) des Referendariats kollidieren. Der Nebentätigkeit geht jede andere Tätigkeit im Rahmen des Referendariats vor. Dies ist zu berücksichtigen, da ansonsten ebenfalls die Nebentätigkeit untersagt werden kann. Es sollte daher kein fester, regelmäßiger Arbeitstag vereinbart, sondern lediglich die wöchentliche Stundenanzahl festgelegt werden.

bb) Schriftform Die schriftliche Niederlegung der wesentlichen Vertragsbedingungen ist bereits 21 aus praktischen Aspekten erforderlich. Bei der Ausübung einer Nebentätigkeit eines Referendars handelt es sich um eine Tätigkeit mit besonderen Rechten und Pflichten, wobei der Referendar sich vorrangig an die gesteckten Rahmenbedingungen der von seiner Stammdienststelle erteilten Nebentätigkeitsgenehmigung halten muss. Hieraus ergeben sich auch für den Arbeitgeber wichtige Gesichtspunkte, weshalb sich für ihn das schriftliche Festhalten der wesentlichen Vertragsbedingungen empfiehlt: –– Die Parteien sind sich von Beginn an über die vertraglichen Rahmenbedingungen im Klaren. –– Um sicherstellen zu können, dass die vertraglichen Rahmenbedingungen im Einklang mit der erteilten Nebentätigkeitsgenehmigung stehen, verlangen die zuständigen Stammdienststellen des angestellten Referendars regelmäßig die Vorlage des Nebentätigkeitsvertrages.

cc) Vergütung/Hinzuverdienstgrenzen Die Höhe der Vergütung des Referendars ist zwischen den Parteien des Nebentätig- 22 keitsverhältnisses frei verhandelbar. Praxishinweis Es empfiehlt sich regelmäßig die detaillierte schriftliche Niederlegung der zwischen den Parteien vereinbarten Vergütung, um im Falle eines Rechtsstreits eine vertragliche Grundlage vorweisen zu können. Nur so kann der Arbeitgeber das Prozessrisiko mindern.

Hinsichtlich der Anrechnung eines Entgelts der Nebentätigkeit auf die Unterhalts- 23 beihilfe, die im Rahmen des Referendariats geleistet wird, gilt §  3 der Verordnung über die Gewährung von Unterhaltsbeihilfen an Rechtsreferendare. Hiernach erfolgt Preiss/Kohl

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 Kapitel 32 Referendare

eine Anrechnung, soweit das Entgelt aus einer Nebentätigkeit oder einer in den Ausbildungsrichtlinien der Juristenausbildungsgesetze vorgeschriebenen Tätigkeit (Ausübung der Pflichttage gegen Vergütung z.B. im Rahmen der Anwaltstage oder Wahlpflichttage) außerhalb des öffentlichen Dienstes den Grundbetrag der Unterhaltsbeihilfe zzgl. etwaiger Familienzuschläge um das 1 ½ fache übersteigt.4 Insoweit erfolgt die Anrechnung durch Kürzung der Unterhaltsbeihilfe seitens der Ausbildungsstelle bzw. Stammdienststelle des jeweiligen Referendars. Praxishinweis –– Die Überschreitung von zulässigen Hinzuverdienstgrenzen durch Ausübung von entgeltlichen Nebentätigkeiten und deren Meldung an die zuständige Ausbildungsstelle/Stammdienststelle fällt in den Verantwortungsbereich des Referendars. –– Im Vertrag sollte geregelt werden, dass der Referendar sich verpflichtet, die erzielten zusätzlichen Einkünfte ordnungsgemäß an seine Ausbildungsstelle/Stammdienststelle zu melden.

dd) Urlaub 24 Grundsätzlich erhalten Referendare in NRW Erholungsurlaub in entsprechender Anwendung der Verordnung über den Erholungsurlaub der Beamtinnen und Beamten und Richter im Lande NRW in der jeweils geltenden Fassung. Dieser Erholungsurlaub ist auf den jeweiligen Ausbildungsabschnitt anzurechnen (vgl. für NRW § 32 Abs. 5 JAG NRW), in dem sich der Referendar zur Zeit des Urlaubs befindet. Der Antritt des Urlaubs bedarf dabei stets der rechtzeitigen, vorherigen Bewilligung der Ausbil­ dungsstelle/Stammdienststelle. Da es sich bei dem Referendariat im Vergleich zur Nebentätigkeit um die vom Referendar vorrangig zu betreibende Tätigkeit handelt, hat sich der Urlaub im Rahmen der Nebentätigkeit am Urlaubsanspruch im Rahmen des Referendariats zu orientieren. Praxishinweis In den Vertrag sollte eine Klausel aufgenommen werden, die bestimmt, dass Urlaub auch in Absprache mit dem Vertragspartner der Nebentätigkeit unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse zu erfolgen hat. Hierbei hat der Arbeitgeber die Erfordernisse des Referendariats angemessen zu berücksichtigen, um den Ausbildungszweck des Referendariats nicht zu gefährden.

ee) Krankmeldung/Dienstverhinderung 25 Hinsichtlich einer krankheitsbedingten oder sonstigen Arbeitsunfähigkeit sollte im Vertrag vereinbart werden, dass der Referendar verpflichtet ist, jede Arbeitsunfä­ higkeit und ihre voraussichtliche Dauer unverzüglich anzuzeigen. Schließlich bietet sich die vertragliche Verpflichtung seitens des Referendars an, im Falle einer Arbeits-

4 Vgl. Merkblatt für Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare im OLG-Bezirk Düsseldorf.

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unfähigkeit bei anstehenden Terminsachen auf vordringlich zu erledigende Arbeiten hinzuweisen. Sollte eine Arbeitsunfähigkeit von länger als drei Kalendertagen gegeben sein, so 26 empfiehlt sich die klarstellende vertragliche Regelung, dass der Referendar verpflichtet ist, eine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauf folgenden Arbeitstag dem Arbeitgeber der Nebentätigkeit vorzulegen.

ff) Verschwiegenheitspflichten Da Rechtsreferendare in der Regel mit sensiblen Daten in Kontakt kommen, sollte 27 eine Verschwiegenheitsklausel hinsichtlich der auszuübenden Tätigkeit in den Vertrag aufgenommen werden.

gg) Befristung und Beendigung des Nebentätigkeitsvertrages In der Praxis wird ein Nebentätigkeitsvertrag regelmäßig befristet abgeschlossen. 28 Dabei bleibt es im Rahmen der Privatautonomie den Parteien jedoch selbst überlassen, wie sie diesbezüglich verfahren wollen. Eine zeitliche Bindung an die Dauer des Referendariats ist nicht zwingend. Die Beendigung des Referendariats, auch die vorzeitige Beendigung (z.B. Krankheit, Aufgabe des Referendariats aus persönlichen Gründen) haben keinen Einfluss auf den Bestand des Vertragsverhältnisses der Nebentätigkeit. Diese sind in ihrem Bestand rechtlich voneinander unabhängig. Aus diesem Grund ist ergänzend zu einer Befristung eine Kündigungsmöglichkeit für beide Parteien einzuräumen, um den im Einzelfall möglichen Besonderheiten gerecht zu werden. Checkliste –– Gültige Nebentätigkeitsgenehmigung –– Beachtung des zulässigen Beschäftigungsumfangs –– Hinzuverdienstgrenze –– Urlaub –– Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall –– Regelung zu Verschwiegenheitspflichten –– Befristung der Nebentätigkeit/Kündigungsmöglichkeiten

B. Steuerrecht I. Lohnsteuerliche Beurteilung einer Nebentätigkeit im Referendariat Eine parallel zum Referendariat ausgeübte Erwerbstätigkeit, die nach den allgemei- 29 nen Abgrenzungskriterien als nichtselbstständige Tätigkeit zu beurteilen ist, führt zu einem zweiten/weiteren Dienstverhältnis, da das öffentlich-rechtliche AusbilBreuer

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 Kapitel 32 Referendare

dungsverhältnis ebenfalls ein Dienstverhältnis darstellt.5 Die Arbeitgeberpflich­ ten obliegen jedem Arbeitgeber unabhängig davon, ob es sich um eine Haupt- oder Nebenbeschäftigung handelt. Jeder Arbeitgeber muss prüfen, ob Zuwendungen an den Arbeitnehmer Arbeitslohn sind oder nicht und wenn ja, ob dieser Arbeitslohn steuerfrei oder steuerpflichtig ist. Er muss die Lohnsteuer richtig berechnen und für die rechtzeitige Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer sorgen. Außerdem hat er eine ganze Reihe von Aufzeichnungs- und Bescheinigungsvorschriften zu beachten.

II. Besteuerungsmerkmale 30 Grundsätzlich ergeben sich keine abweichenden Besonderheiten gegenüber den allgemeinen lohnsteuerlichen Arbeitgeberpflichten. Die Nebentätigkeit kann als kurzfristige Beschäftigung,6 geringfügig entlohnte Beschäftigung (Minijob)7 oder Teilzeitbeschäftigung8 vereinbart werden. Der Lohnsteuerabzug ist entweder nach den individuellen Lohnsteuerabzugs31 merkmalen des Referendars oder pauschal vorzunehmen. Die Wahl des Beschäftigungsverhältnisses entscheidet sich allein nach der Anzahl der Arbeitsstunden und der Höhe des Arbeitslohnes. Praxishinweis Da es sich bei der nichtselbstständigen Nebentätigkeit um ein zweites/weiteres Beschäftigungsverhältnis handelt, ist der individuelle Lohnsteuerabzug nach Steuerklasse VI vorzunehmen.

III. Nebentätigkeit als geringfügige Beschäftigung 1. Pauschalierung der Lohnsteuer mit 2 % 32 Der Arbeitgeber kann den Arbeitslohn für einen 400-€-Job entweder nach den individuellen Lohnsteuerabzugsmerkmalen des Arbeitnehmers oder pauschal mit 2 % versteuern, wenn der Arbeitgeber für diese geringfügige Beschäftigung einen Pau­ schalbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 15 % entrichtet. Die Voraussetzungen für eine Pauschalierung der Lohnsteuer mit 2 % richten sich ausschließlich nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften. Bei Beamten, bzw. Beamtenanwärtern, bei denen der Dienstherr die Gewährleistung auf Versor­ gungsanwartschaften auch auf die geringfügig entlohnte Beschäftigung erstreckt, sind keine Pauschbeträge zu zahlen. Hierfür ist es allerdings erforderlich, dass der

5 BFH, Urt. v. 12.8.1983 – VI R 155/80 – BStBl. 1983 II S. 718. 6 Siehe Kap. 5 – Aushilfen. 7 Siehe Kap. 24 – Minijobber. 8 Siehe Kap. 37 – Teilzeit.

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Dienstherr einen entsprechenden Gewährleistungsbescheid erteilt.9 Für eine „normale“ Nebenbeschäftigung wird dies in aller Regel nicht der Fall sein.

2. Pauschalierung der Lohnsteuer mit 20 % Liegen die Voraussetzungen für eine Pauschalierung der Lohnsteuer mit 2 % nicht vor, 33 weil der Arbeitgeber für ein geringfügig entlohntes Beschäftigungsverhältnis keinen Pauschalbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung von 15 % entrichtet, so kann die Lohnsteuer mit 20 % pauschaliert werden, wenn das Arbeitsentgelt monatlich 400 € nicht übersteigt.10 Auf die Höhe des Stundenlohns kommt es nicht an. Praxistipp Der Arbeitgeber kann anstelle einer Pauschalierung der Lohnsteuer diese auch nach den Merkmalen einer vorgelegten Lohnsteuerkarte bzw. Lohnsteuerabzugsbescheinigung erheben (Wahlrecht).

IV. Nebentätigkeit als selbstständige Tätigkeit Ein Referendar kann im Rahmen einer Nebentätigkeit auch selbstständig tätig 34 werden, wenn er eigene Unternehmerinitiative entfaltet und eigenes Unternehmerrisiko trägt. Im Falle eines Referendars, der von Fall zu Fall für einen Rechtsanwalt arbeitete, 35 hat der BFH11 entschieden, dass kein Dienstverhältnis vorliegt. Als weitere Kriterien für die Einordnung als freiberufliche Tätigkeit sah der BFH an, dass der Referendar seine Arbeit nicht im Büro des Rechtsanwaltes erbrachte, in seiner Zeiteinteilung unabhängig war und sein Entgelt in Art eines Honorars je bearbeiteten Fall erhielt. Das Gesamtbild der Verhältnisse sprach hier für eine selbstständige Tätigkeit. Praxistipp In Zweifelsfällen der Abgrenzung zwischen selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit ist es ratsam, beim Betriebsstätten-Finanzamt eine Anrufungsauskunft gem. § 42e EStG einzuholen.

V. Praktische Hinweise Wird im Rahmen der Nebentätigkeit unter Anwendung der individuellen Lohnsteu- 36 erabzugsmerkmale die Steuerklasse VI berücksichtigt, so fällt Lohnsteuer ab dem ersten € an. Die Anwendung der individuellen Lohnsteuerabzugsmerkmale für Referendare ist jedoch meist günstiger als eine Pauschalierung der Lohnsteuer. Da die

9 Siehe Rn 44. 10 § 40a Abs. 2a EStG. 11 BFH, Urt. v. 22.3.1968 – VI R 228/67 = BStBl. 1968 II S. 455.

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 Kapitel 32 Referendare

einbehaltene Lohnsteuer nach Ablauf des Kalenderjahrs vom Finanzamt erstattet wird, wenn die Jahresarbeitslohngrenze, bis zu der bei einer Veranlagung zur Einkommensteuer nach Ablauf des Kalenderjahrs keine Einkommensteuer anfällt, nicht überschritten wird. Die Höhe der monatlichen individuellen Lohnsteuer belastet den Arbeitgeber nicht, da diese allein vom Arbeitnehmer, aus seinem vereinbarten Brut­ togehalt heraus, getragen wird. Pauschalsteuer wird in der Regel zusätzlich zum vereinbarten Bruttolohn vom Arbeitgeber getragen. Sollte die Unterhaltsbeihilfe durch den Dienstherrn niedriger als der Arbeits37 lohn aus der Nebentätigkeit sein, empfiehlt sich ein Tausch der Lohnsteuerkarten bzw. Lohnsteuerabzugsbescheinigungen. Bei Steuerklasse I bleibt 2012 ein Monatslohn in Höhe von 905,24 € steuerfrei.

C. Sozialversicherungsrecht I. Sozialversicherungspflicht des Referendars für Vergütung aus dem Ausbildungsverhältnis 38 Aus sozialversicherungsrechtlicher Perspektive gehören Referendare zu den Nach­ praktikanten.12 Der Vorbereitungsdienst wird nicht mehr während des Studiums ausgeübt, so dass Versicherungsfreiheit als ordentlicher Studierender nicht mehr in Betracht kommt. Der Referendar unterliegt dann der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung, wenn er nach den landesrechtlichen Bestimmungen als Angestellter im öffentlichen Dienst tätig ist. Sollte er Beamter auf Widerruf sein, ist er von der gesetzlichen Kranken- und 39 damit auch in der Pflegeversicherung nach §  6 Abs. 1 Nr. 2 SGB V befreit. Darüber hinaus besteht für Referendare in einem Beamtenverhältnis Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung nach § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI und in der Arbeitslosenversicherung nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Ist der Referendar Angestellter im öffentlichen Dienst, besteht Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung, sofern eine Gewährleistungsentscheidung nach § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i.V.m. S. 2 SGB VI vorliegt.

II. Sozialversicherungspflicht des Referendars bei einer weiteren Beschäftigungsstelle 40 Referendare, die eine Station z.B. in der freien Wirtschaft absolvieren, und dafür eine zusätzliche Vergütung erhalten, sind in dieser grundsätzlich als rentenversicherungsfrei anzusehen.13 Eine solche Beschäftigung erfolgt im Rahmen der Ausbildung. Die

12 Gemeinsames Rundschreiben der Krankenkassen, der Verband Rentenversicherungsträger und der BA vom 27.7.2004. 13 BSG, Urt. v. 11.3.1970 – 3 RK 40/67 –.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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Vergütung, die gewährt wird, erfolgt aufgrund des wirtschaftlichen Nutzens, den der Ausbildungsbetrieb hat. Sie steht dem Sinn und Zweck der Ausbildung nicht entgegen und begründet daher auch keine eigene Beschäftigung. Nehmen die Referendare allerdings außerhalb ihrer Ausbildungsstation eine Tätigkeit auf, erfolgt diese nicht mehr im Rahmen der Ausbildung, auch wenn der Referendar seine beruflichen Kenntnisse erweitert. Eine solche Tätigkeit kann nach ihrer Eigenart eine selbstständige Tätigkeit oder eine versicherungspflichtige Tätigkeit darstellen. Sollte der Referendar Beamter auf Widerruf sein, ist er auch für diese Tätigkeit von der gesetzlichen Kranken- und damit auch der Pflegeversicherung befreit. In der Renten- und Arbeitslosenversicherung sind auch Beamte auf Widerruf nicht befreit, da diese Befreiung nur das Beamtenverhältnis betrifft.14 Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung liegt aber gem. §  5 Abs. 1 S. 2 SGB VI dann vor, wenn der Dienstherr des Referendars mit einer Gewährleistungsentscheidung die Ausdehnung der mit dem Beamtenverhältnis verbundenen Versorgungsanwartschaft auf das weitere Beschäftigungsverhältnis ausspricht.15 Durch eine solche Ausdehnung werden im Falle eines unversorgten Ausscheidens aus dieser weiteren Beschäftigung die Beschäftigungszeiten bei der späteren Berechnung der Versorgungsbezüge und auch bei der Nachversicherung berücksichtigt.16 Referendare als Angestellte im öffentlichen Dienst sind in allen Zweigen sozial­ versicherungspflichtig.

14 BSG, Urt. v. 11.3.1970 – 3 RK 40/67 –. 15 KK/Gürtner, SGB VI § 5, Rn 15–16. 16 BSGE 40, 208 = SozR 2200 § 169 Nr. 1.

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Kapitel 33 Rentnerbeschäftigung A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis Als Folge des demographischen Wandels nimmt die Zahl älterer Menschen stetig zu. Das Renteneintrittsalter steigt ebenfalls an. Es zeigt sich, dass eine Vielzahl von aus dem Berufsleben ausscheidenden Berufstätigen auch nach Erreichen des Renteneintrittsalters als Rentner weiterhin einer entgeltlichen Beschäftigung nachgehen will bzw. muss. Aus diesem Grund gewinnen Fragen rund um das Thema der Rentnerbe­ schäftigung für den Arbeitgeber zunehmend an Bedeutung. Die Konstellation der Beschäftigung von Rentnern kann sich für den Arbeitgeber grundsätzlich in zwei Varianten darstellen: Einerseits kann es um die nahtlose Wei­ terbeschäftigung bzw. zeitnahe Wiedereinstellung eines ehemaligen Mitarbeiters gehen, der grundsätzlich aufgrund Erreichens der Regelaltersgrenze aus dem Unternehmen ausscheidet bzw. bereits ausgeschieden ist, jedoch über diesen Zeitpunkt hinaus oder wieder für das Unternehmen tätig sein soll bzw. möchte. Andererseits kann es sich um die Erst- bzw. Neuanstellung eines Rentners handeln, bei der der anzustellende Rentner nicht bereits zuvor als Mitarbeiter für das Unternehmen tätig war. Die Rentnerbeschäftigung kann sowohl für den arbeitswilligen Rentner als auch für den potenziellen Arbeitgeber von Interesse sein. Der Antrieb zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Rentenalter bzw. die Beschäftigung von Rentnern auf Arbeitgeberseite kann auf unterschiedlichen Motiven beruhen. Auf Seiten des Rentners kann dies z.B. der Wunsch sein, durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit eine bestehende Versorgungslücke aufgrund des sinkenden Rentenniveaus zu schließen. Auch rein persönliche Anreize, wie z.B. nach Eintritt in den Ruhestand weiterhin oder wieder eine Tätigkeit ausüben zu wollen, sind möglich. Auf Arbeitgeberseite stellen vor allem der Wegfall von erfahrenen Know-howTrägern durch Eintritt in den Ruhestand und der gleichzeitig fehlende qualifizierte Nachwuchs zunehmend eine Herausforderung dar, die durch eine Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern über das Renteneintrittsalter hinaus, zumindest teilweise, abgemildert werden kann. Zusammenfassend stellen sich die Vor- und Nachteile auf Seiten des Arbeitgebers wie folgt dar: Vorteile für den Arbeitgeber –– Möglichkeit des Haltens von erfahrenen Know-how-Trägern; –– Möglichkeit der Überbrückung von Zeiten fehlenden qualifizierten Nachwuchses; –– Sicherung des Wissenstransfers für Nachwuchskräfte; –– Rentner können regelmäßig auf eine langjährige Berufserfahrung zurückgreifen; –– Rentner sind zeitlich flexibel einsetzbares Personal.

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 Kapitel 33 Rentnerbeschäftigung

Nachteile für den Arbeitgeber –– U.U. schnellerer Leistungsabbau des Rentners als bei jüngeren Mitarbeitern; –– Risiko vermehrter alters- und krankheitsbedingter Ausfälle; –– Gefahr des Entstehens von unbefristeten Arbeitsverhältnissen.

II. Begriffsbestimmung und Abgrenzung 5 Unter den Begriff der Rentnerbeschäftigung ist grundsätzlich die Beschäftigung von Rentnern zu Erwerbszwecken zu verstehen, die nicht mehr überwiegend erwerbstätig sind und ihren Lebensunterhalt aus einer Rente, d.h. aus einer gesetzlichen oder privaten Versicherungsleistung, bestreiten.1 Diese allgemeine Begriffsdefinition ist begrifflich abzugrenzen vom Vorruhestand sowie dem Bezug von Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung. So handelt es sich beim Vorruhestand um ein Rechtsverhältnis eigener Art zwischen dem beendeten Arbeitsverhältnis und dem Eintritt in den Ruhestand und regelt ein vorzeitiges Ausscheiden älterer Arbeitnehmer aus dem Arbeitsleben. Demgegenüber liegt eine Rente wegen teilweiser Erwerbs­ minderung bzw. voller Erwerbsminderung vor, wenn der Antragsteller auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich bzw. nur noch weniger als drei Stunden täglich tätig sein kann.2

III. Arbeitsrechtliche Aspekte 1. Rentnerbeschäftigung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses 6 Stellt sich für den Arbeitgeber die Frage der Beschäftigung eines Rentners, so ist Ausgangsfrage für die rechtlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten des Beschäftigungsverhältnisses, ob es sich im konkreten Fall um eine Wiedereinstellung eines ehemaligen Mitarbeiters oder um eine Erstanstellung/Neueinstellung eines Mitarbeiters handelt, der nunmehr Rentner ist. Praxistipp Bei der Beschäftigung von Rentnern ist für den Arbeitgeber Dreh- und Angelpunkt die Frage, ob es sich um eine Wiedereinstellung eines ehemaligen Mitarbeiters oder eine Neuanstellung handelt. Diese Frage ist richtungsweisend, da beide Anstellungsformen unterschiedliche rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten mit sich bringen, aber auch rechtlichen Grenzen ausgesetzt sind. 7 Im Grundsatz unterscheiden sich Arbeitsverhältnisse mit Rentnern nicht von anderen

Arbeitsverhältnissen,3 wobei es keinen Unterschied macht, ob es sich um ein Vollzeit-

1 Küttner/Schlegel, Rentnerbeschäftigung, Rn 7. 2 Küttner/Schlegel, Rentnerbeschäftigung, Rn 31. 3 Zu den sozialversicherungsrechtlichen Besonderheiten siehe unten unter C. Rn 51 ff.

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oder Teilzeitarbeitsverhältnis oder um eine geringfügige Beschäftigung handelt.4 Dies zieht u.a. die Folge nach sich, dass auf jedes Arbeitsverhältnis mit einem Rentner sowohl der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz anwendbar ist, als auch Ansprüche auf Urlaub nach dem BUrlG sowie Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach dem EFZG.5 Praxishinweis Die grundsätzliche Anwendbarkeit der arbeitsrechtlichen Grundsätze auf die Rentnerbeschäftigung gilt nicht für die Teilhabe an der betrieblichen Altersvorsorge. Dies folgt aus dem Umstand, dass der Arbeitnehmer, der seine Tätigkeit im Rahmen einer Rentnerbeschäftigung ausübt, bereits durch seinen Rentenbezug ausreichend abgesichert ist.6

2. Befristetes Arbeitsverhältnis a) Grundlagen Geht es in der Praxis um die Ausgestaltung eines Arbeitsverhältnisses mit einem 8 Rentner, ist einer der zentralen zu klärenden Punkte, ob das Arbeitsverhältnis unbefristet oder befristet ausgestaltet werden soll. In der Regel ist von beiden Parteien, d.h. sowohl auf Arbeitgeberseite als auch auf Arbeitnehmerseite (Rentner), eine befristete Anstellung gewünscht. Dies ermöglicht sowohl dem Arbeitgeber als auch dem Arbeitnehmer größtmögliche Flexibilität im Hinblick auf die zukünftige Ausgestaltung der Zusammenarbeit. Gleichzeitig vermeidet die Vereinbarung eines befristeten Arbeitsverhältnisses 9 den wesentlichen Nachteil der unbefristeten Anstellung, namentlich die Gefahr einer stark erschwerten arbeitgeberseitigen Kündigung aufgrund der hohen Schutzbedürftigkeit des Rentners. Dies gilt insbesondere bei Vorliegen der Voraussetzung für die Anwendbarkeit des KSchG,7 das bei einem neuerlichen unbefristeten Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber ebenso zu beachten wäre wie für jüngere Arbeitnehmer. Praxistipp Vor dem Hintergrund des bereits höheren Alters eines Rentners und der damit grundsätzlich einhergehenden Abnahme der Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter sowie der erhöhten Schutzbedürftigkeit von älteren Arbeitnehmern bei arbeitgeberseitigen Kündigungen sollten Arbeitsverhältnisse mit Rentnern regelmäßig nur befristet abgeschlossen werden.

Haben sich die Parteien dazu entschieden, ein befristetes Arbeitsverhältnis zu 10 begründen, ist auch im Rahmen der Befristung zu differenzieren, ob es sich um eine

4 Küttner/Griese, Rentnerbeschäftigung, Rn 1. 5 Küttner/Griese, Rentnerbeschäftigung, Rn 1. 6 Küttner/Griese, Rentnerbeschäftigung, Rn 1. 7 Vgl. zu den Einzelheiten Rn 33 f.

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 Kapitel 33 Rentnerbeschäftigung

Wiedereinstellung oder eine Erstanstellung handelt. Hiervon ausgehend normiert § 14 TzBfG unterschiedliche Befristungsmöglichkeiten, wobei stets zu beachten ist, dass die Befristung zur ihrer Wirksamkeit der Schriftform gem. §  14 Abs. 4 TzBfG bedarf. Praxishinweis Die Missachtung dieser Formvorschrift hat zur Folge, dass das Arbeitsverhältnis als unbefristet abgeschlossen gilt.

b) Befristungsmöglichkeiten mit Sachgrund bei Wiedereinstellung/ Weiterbeschäftigung eines ehemaligen Mitarbeiters aa) § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG (1) Vorübergehender betrieblicher Bedarf an der Arbeitsleistung 11 Sieht sich der Arbeitgeber mit der Situation konfrontiert, dass ein langjähriger und für die Betriebsorganisation wichtiger Arbeitnehmer aufgrund Erreichens des Renteneintrittsalters aus dem Unternehmen ausscheidet, kann dies für den Arbeitgeber u.U. einen Know-how-Verlust bedeuten. Um diesen Know-how-Verlust minimieren zu können, ist es oft Wunsch des Arbeitgebers, den ausscheidenden Arbeitnehmer z.B. noch für eine längere Einarbeitungsphase eines neuen Mitarbeiters zu gewinnen, um diesen vollumfänglich mit dem Aufgabenbereich vertraut zu machen. In diesem Zusammenhang kann eine Befristung des Arbeitsverhältnisses auf den Sachgrund des „vorübergehenden Bedarfs an der Arbeitsleistung“ gem. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG gestützt werden, da gerade die Ausbildung des Nachfolgers einen vorübergehenden Bedarf darstellt. Hierbei setzt der Sachgrund des vorübergehenden betrieblichen Bedarfs an 12 der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nach der Rechtsprechung des BAG voraus, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw. der Vereinbarung über die Befristungsabrede mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass für eine Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers über das vorgesehene Vertragsende hinaus kein Bedarf besteht.8 Diesbezüglich hat der Arbeitgeber eine Prognose zu erstellen, der konkrete Anhaltspunkte zugrunde liegen müssen.9 Praxistipp Die Beweislast bezüglich der Darlegung der tatsächlichen Grundlage der Prognose liegt beim Arbeitgeber. Eine etwaige Ungewissheit der künftigen Bedarfsentwicklung als solche reicht für die Rechtfertigung einer Befristung nach §  14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG nicht aus, da diese Unsicherheit zum unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers gehört.10

8 BAG, Urt. v. 29.7.2009 – 7 AZR 907/07 –. 9 Boecken/Joussen/Boecken, § 14 Rn 45. 10 Boecken/Joussen/Boecken, § 14 Rn 46.

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(2) Projektbefristung Für den Arbeitgeber kann sich die Situation ergeben, dass der ausscheidende Arbeit- 13 nehmer/Rentner an einem über den Zeitpunkt des Ausscheidens andauernden Projekt beteiligt und derart eingebunden gewesen ist, dass sein Ausscheiden u.U. das gesamte Projekt gefährden kann. Um in solchen Situationen wettbewerbsfä­ hig agieren zu können, wird es dem Arbeitgeber darum gehen, den ausscheidenden Mitarbeiter zumindest noch für dieses Projekt weiterbeschäftigen zu können. Diesbezüglich bietet sich für den Betriebsinhaber bzw. Arbeitgeber ein Rückgriff auf den Sachgrund der Projektbefristung als Unterfall des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG an, sofern das Projekt nicht mit der eigenen Stammbelegschaft ordnungsgemäß abgewickelt werden kann. Handelt es sich um eine Projektbefristung, ist für den Arbeitgeber von besonde- 14 rem Interesse, dass das BAG an die Zulässigkeit der Befristung grundsätzlich gerin­ gere Anforderungen stellt. Dies gilt insbesondere für die anzustellende Prognose für den zusätzlichen Arbeitsbedarf. Nach der Rechtsprechung des BAG muss sich bei der Projektbefristung die Prognose des Arbeitgebers allein auf den durch die Beendigung des konkreten Projekts vorhersehbaren Wegfall des zusätzlichen Arbeitsbedarfs für den befristet eingestellten Arbeitnehmer beziehen.11 Es genügt für eine fundierte Prognose im Rahmen einer Projektbefristung, wenn der Arbeitgeber die Tatsachen, aus denen sich die zeitliche und/oder sachliche Begrenztheit des Auftrags ergibt, darlegt, da bereits dieser Umstand die ausreichende Prognose begründet, dass nach Ablauf des Projekts der Bedarf an der Arbeitsleistung des zu dessen Durchführung befristet eingestellten Arbeitnehmers entfällt.12 Praxistipp Die Beweislast bezüglich der Prognose für den zusätzlichen Arbeitsbedarf im Rahmen eines Projekts trägt der Arbeitgeber. Für die Prognose des Arbeitgebers im Rahmen einer Projektbefristung genügt es, wenn dieser darlegen kann, dass der zusätzliche Arbeitsbedarf mit Abschluss des Projektes wegfällt.

Darüber hinaus verlangt das BAG für die sachliche Rechtfertigung der Projektbe- 15 fristung, dass es sich bei den im Rahmen des Projekts zu bewältigenden Aufgaben um eine auf vorübergehende Dauer angelegte und gegenüber den Daueraufgaben des Arbeitgebers abgrenzbare Zusatzaufgabe handelt. Dies ist nicht der Fall bei Tätigkeiten, die der Arbeitgeber im Rahmen des verfolgten Betriebszwecks dauerhaft wahrnimmt.13

11 BAG, Urt. v. 29.7.2009 – 7 AZR 907/07 –. 12 Boecken/Joussen/Boecken, 14 Rn 47. 13 BAG, Urt. v. 29.7.2009 – 7 AZR 907/07 –.

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 Kapitel 33 Rentnerbeschäftigung

Praxistipp Für beide Befristungsvarianten des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG ist erforderlich, dass zwischen dem vorübergehend erhöhten Arbeitsanfall und der befristeten Einstellung ein kausaler Sachzusammenhang bestehen muss. Dieser Zusammenhang wird nicht bereits dadurch unterbrochen, dass der Arbeitgeber die vorhandene Arbeitsmenge verteilt, seine Arbeitsorganisation ändert oder die zusätzlich anfallenden Arbeiten einem anderen als dem befristet eingestellten Arbeitnehmer zuweist.14

bb) § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG 16 Fällt im Betrieb des Arbeitgebers ein Mitarbeiter aus, so kann der Arbeitgeber für den Zeitraum, in dem der Mitarbeiter ausfällt, eine entsprechende Vertretung einstellen, um einen kontinuierlichen Betriebsablauf gewährleisten zu können, § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG. Diesen Vertretungsbedarf kann der Arbeitgeber auch durch die befristete Einstellung eines Rentners abdecken. Der Sachgrund für die Befristung liegt in Vertretungsfällen darin, dass der Arbeit17 geber bereits zu dem vorübergehend an der Arbeitsleistung verhinderten Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Arbeitnehmers rechnet, so dass für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Mitarbeiter obliegenden Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis besteht.15 Teil des Sachgrundes ist die Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs durch die Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters.16 Davon kann grundsätzlich ausgegangen werden, weil in der Regel damit zu rechnen ist, dass der Vertretene nach Beendigung der Freistellung oder Beurlaubung seine arbeitsvertraglichen Pflichten wieder erfüllen wird.17 Die Prognose des Arbeitgebers im Rahmen einer Befristung gem. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG muss sich nur auf den Wegfall des Vertretungsbedarfs durch die zu erwartende Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters beziehen, nicht aber auf den Zeitpunkt der Rückkehr und damit auf die Dauer des Vertretungsbedarfs erstrecken.18 Praxishinweis Der Befristungsgrund der Vertretung greift nur, sofern der Arbeitgeber sicher damit rechnet, dass der Vertretene nach seinem Ausfall an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt. Nur in diesem Fall besteht ein zeitlich begrenzter Vertretungsbedarf, der durch eine Aushilfskraft (in Form der Rentnerbeschäftigung) gedeckt werden kann. Die Prognose des Arbeitgebers bezüglich des Sachgrundes des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG muss sich nur auf den Wegfall des Vertretungsbedarf durch die Rückkehr des Vertretenen beziehen. Die Beweislast trägt der Arbeitgeber.

14 BAG, Urt. v. 20.2.2008 – 7 AZR 950/06 –. 15 BAG, Urt. v. 25.3.2009 – 7 AZR 34/08 –; BAG, Urt. v. 6.6.2002 – 7 AZR 201/01 –. 16 BAG, Urt. v. 25.3.2009 – 7 AZR 34/08 –. 17 BAG, Urt. v. 25.3.2009 – 7 AZR 34/08 –; BAG, Urt. v. 11.12.1991 – 7 AZR 431/90 –. 18 BAG, Urt. v. 25.3.2009 – 7 AZR 34/08 –.

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Eine wiederholte Befristung des Arbeitsverhältnisses wegen der mehrfachen Ver- 18 hinderung der zu vertretenden Stammkraft steht der Prognose des künftigen Wegfalls des Vertretungsbedarfs nicht entgegen. Nur wenn der Arbeitgeber im Ausnahmefall aufgrund ihm vorliegender Informationen erhebliche Zweifel daran haben muss, dass die zu vertretende Stammkraft überhaupt wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren wird, kann dies dafür sprechen, dass der Sachgrund der Vertretung nur vorgeschoben ist, womit die Befristung unwirksam sein kann.19 Praxishinweis Ist dem Arbeitgeber bekannt oder drängen sich ihm Zweifel auf, dass der vertretene Arbeitnehmer nicht wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt bzw. zurückkehren kann, kann die Befristung des Arbeitsverhältnisses mit dem Rentner nicht auf § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG gestützt werden.

Der Sachgrund der Vertretung setzt nicht voraus, dass der befristet zur Vertretung ein- 19 gestellte Mitarbeiter die vorübergehend ausfallende Stammkraft unmittelbar vertritt und die von ihr bislang ausgeübten Tätigkeiten erledigt.20 Insoweit kann der Vertreter auch mit anderen Aufgaben betraut werden, da die befristete Beschäftigung zur Vertretung die Versetzungs- und Umsetzungsbefugnisse des Arbeitgebers unberührt lässt, wobei hierbei sichergestellt sein muss, dass die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers wegen des Arbeitskräftebedarfs erfolgt, der durch die vorübergehende Abwesenheit des zu vertretenden Mitarbeiters entsteht.21 Fehlt ein solcher Kausalzusammenhang, ist die Befristung nicht durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt.22

cc) Befristung gem. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG (1) Wunsch des Rentners Als weiterer Sachgrund kommt i.S.v. § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG der Wunsch des Arbeitneh- 20 mers an der befristeten Rentnerbeschäftigung in Betracht. Der Wunsch des Arbeitnehmers rechtfertigt eine Befristung jedoch nur dann, wenn der Rentner ein Interesse gerade an der befristeten Beschäftigung als solcher hat; ein Interesse allein an der Weiterbeschäftigung genügt nicht.23

19 BAG, Urt. v. 25.3.2009 – 7 AZR 34/08 –; BAG, Urt. v. 23.1.2002 – 7 AZR 440/00 –; BAG, Urt. v. 27.6.2002 – 7 AZR 326/00 –. 20 BAG, Urt. v. 25.3.2009 – 7 AZR 34/08 –; BAG, Urt. v. 20.1.1999 – 7 AZR 540/97 –. 21 BAG, Urt. v. 25.3.2009 – 7 AZR 34/08 –. 22 BAG, Urt. v. 25.3.2009 – 7 AZR 34/08 –. 23 ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG, Rn 61; Sediq, NZA 2009, 524, 525.

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 Kapitel 33 Rentnerbeschäftigung

(2) Rentnerstatus

21 Da der Katalog des §  14 Abs. 1 TzBfG nicht abschließend ist, könnte unter Berück-

sichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Altersbefristungsregelungen auch der „Rentnerstatus“ an sich einen Sachgrund i.S.d. § 14 Abs. 1 Nr. 6 TzBfG darstellen. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu liegt derzeit jedoch nicht vor. Allerdings ist in Fortentwicklung der Rechtsprechung des BAG zu Altersbefristungsregelungen die Annahme des Rentnerstatus an sich als Sachgrund aus guten Gründen zu befürworten. So ist nach dem BAG eine Altersgrenze, nach der das Arbeitsverhältnis mit Erreichen des gesetzlichen Renteneintrittsalters enden soll, grundsätzlich wirksam.24 Als legitimes Ziel für eine solche Regelung sieht das BAG u.a. eine berechenbare Personal- und Nachwuchsplanung an.25 Zudem sei die Verhältnismäßigkeit einer solchen Höchstaltersbefristungsregelung insbesondere zu bejahen, sofern der Arbeitnehmer durch den Bezug einer gesetzlichen Altersrente wegen Erreichens des gesetzlichen Renteneintrittsalters wirtschaftlich abgesichert sei.26 Für diese Annahme der wirtschaftlichen Absicherung genüge, dass der befristet beschäftigte Arbeitnehmer (Regelaltersgrenze als Befristungsgrund) nach dem Vertragsinhalt und der Vertragsdauer eine Altersversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung erwerben könne oder bei Vertragsschluss bereits die für den Bezug einer Altersrente erforderliche rentenrechtliche Wartezeit erfüllt habe.27 Knüpft man an diese Rechtsprechung an, muss die befristete Weiterbeschäftigung und Beendigung zu einem späteren Zeitpunkt bei Erreichen einer noch höheren Altersgrenze als milderes Mittel erst recht zulässig sein. Denn das Interesse des Arbeitgebers an einer berechenbaren Personal- und Nachwuchsplanung besteht in diesem Fall unverändert fort. So kann die Personalplanung auch die vorübergehende Rentnerbeschäftigung umfassen, vor allem in der Konstellation, dass zum Zeitpunkt des Ausscheidens eines Arbeitnehmers aufgrund Erreichens der Regelaltersgrenze keine geeigneten Nachwuchskräfte zur Verfügung stehen. Praxishinweis Mangels Rechtsprechung zum Befristungsgrund des „Rentnerstatus“ ist derzeit in der Praxis eine restriktive Handhabung dieses Befristungsgrundes geboten. Zwar spricht die konsequente Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung des BAG zu Höchstaltersbefristungsregelungen für die Zulässigkeit der Befristung, es bleibt jedoch abzuwarten, wie sich das BAG zu dieser Frage in Zukunft positionieren wird.

24 BAG, Urt. v. 18.6.2008 – 7 AZR 116/07 –; BAG, Urt. v. 27.7.2005 – 7 AZR 443/04 –. 25 BAG, Urt. v. 27.7.2005 – 7 AZR 443/04 –. 26 BAG, Urt. v. 27.7.2005 – 7 AZR 443/04 –. 27 BAG, Urt. v. 18.6.2008 – 7 AZR 116/07 –.

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b) Befristungsmöglichkeiten mit Sachgrund bei Erst-/Neueinstellung eines Rentners Geht es dem Arbeitgeber darum, einen Personalbedarf durch die Einstellung eines 22 Rentners zu decken, der nicht bereits zuvor für das Unternehmen tätig war, so kann eine Erstanstellung des Rentners befristet mit oder ohne Sachgrund erfolgen. Bei einer befristeten Erstanstellung mit Sachgrund gelten die Ausführungen im Rahmen der „Wiedereinstellung“ (vgl. Rn 11 f.) entsprechend.

c) Befristungsmöglichkeiten ohne Sachgrund gem. § 14 Abs. 2 TzBfG Hinsichtlich der Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis ohne Vorliegen eines Sachgrun- 23 des befristen zu können, ist im Gegensatz zur Befristung mit Sachgrund die Frage der Wieder- bzw. Erstanstellung von elementarer Bedeutung. Ist der einzustellende Rentner zuvor nicht bereits für das Unternehmen des 24 Arbeitgebers tätig geworden, kann das Arbeitsverhältnis gem. §  14 Abs. 2 TzBfG unproblematisch bis zu einer Höchstdauer von zwei Jahren auch mit einem Rentner befristet werden. Dies gilt nicht ohne Weiteres bei einer Weiter- bzw. Wiederbe­ schäftigung eines bereits zuvor angestellten Rentners. Insofern ist das sog. Zuvor­ beschäftigungsverbot zu beachten, nach dem eine sachgrundlose Befristung nicht erfolgen darf, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Allerdings ist nach der Rechtsprechung des BAG Arbeitgeber i.S.v. §  14 Abs. 2 S. 2 TzBfG der Vertragsarbeitgeber; das ist die natürliche oder juristische Person, die mit dem Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag geschlossen hat.28 Ein vorheriger Arbeitsvertrag hat deshalb nur dann mit demselben Arbeitgeber bestanden, wenn Vertragspartner des Arbeitnehmers bei beiden Verträgen dieselbe natürliche oder juristische Person ist.29 Praxishinweis Das Zuvorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG führt grundsätzlich dazu, dass eine nahtlose Weiterbeschäftigung eines bereits zuvor beschäftigten Mitarbeiters, der nunmehr Rentner ist, nicht möglich ist. Nach der neuen Rechtsprechung des BAG greift das Zuvorbeschäftigungsverbot jedoch nicht mehr, sobald zwischen der Erst- und der Wiedereinstellung ein Zeitraum von drei Jahren liegt. In diesem Fall kann gem. § 14 Abs. 2 TzBfG eine Befristung des Arbeitsverhältnisses ohne Vorliegen eines Sachgrundes bis zu einer Dauer von zwei Jahren erfolgen.30 Eine sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG ist für den Fall der nahtlosen Weiterbeschäftigung im Anschluss an das vor Renteneintritt bestehende Arbeitsverhältnis rechtlich nicht möglich.

28 BAG, Urt. v. 9.3.2011 – 7 AZR 657/09 –. 29 BAG, Urt. v. 9.3.2011 – 7 AZR 657/09 –. 30 BAG, Urt. v. 6.4.2011 – 7 AZR 716/09 –.

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 Kapitel 33 Rentnerbeschäftigung

d) Befristung ohne Sachgrund gem. § 14 Abs. 3 TzBfG

25 Eine weitere Alternative für eine sachgrundlose Befristung eines Arbeitsverhältnisses

mit einem Rentner stellt grundsätzlich § 14 Abs. 3 TzBfG dar. Diese Variante kann für den Arbeitgeber vor allem deshalb interessant sein, da das Zuvorbeschäftigungsverbot nicht eingreift und eine Differenzierung zwischen Wiederanstellung und Erstanstellung nicht zu erfolgen hat. § 14 Abs. 3 TzBfG weist jedoch einige Besonderheiten auf, die der Arbeitgeber zwingend beachten sollte. Grundsätzlich sieht die Vorschrift des § 14 Abs. 3 TzBfG erleichterte Befristungs26 möglichkeiten im Rahmen der Anstellung für ältere Arbeitnehmer vor, ohne dass für die Befristung ein sachlicher Grund erforderlich ist. Insoweit war ursprünglich der Abschluss befristeter Arbeitsverträge mit Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, uneingeschränkt zulässig. Nachdem der EuGH in seinem Urteil vom 22.11.2005 – Az. C-144/04 (Mangold-Entscheidung) – entschieden hat, dass diese Norm gegen das im europäischen Gemeinschaftsrecht verankerte allgemeine Verbot der Diskriminierung wegen des Alters verstoße, wurde § 14 Abs. 3 TzBfG a.F. in der Fassung bis zum 30.4.2007 für unanwendbar erklärt und durch das Gesetz zur Verbesserung der Beschäftigungschancen älterer Menschen vom 19.4.2007 (BGBl. I S. 538) neu gefasst. Demnach ist jetzt, um eine Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht zu erreichen, neben dem Erreichen des Mindestalters von nunmehr 52 Jahren zusätzlich erforderlich, dass der Arbeitnehmer unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos war, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach SGB II oder SGB III teilgenommen hat. Mit dem Erlass dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber den Zweck verfolgt, durch 27 eine erleichterte Befristungsmöglichkeit die Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer zu erhöhen und eine bessere Wiedereingliederung älterer Arbeitsloser zu erreichen.31 Dies ist dem Umstand geschuldet, dass Menschen im Alter zwischen 50 und 64 Jahren wesentlich stärker von Arbeitslosigkeit betroffen sind als andere Altersgruppen; so ist über die Hälfte von ihnen langzeitarbeitslos, wobei die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit bei 16,5 Monaten liegt.32 Bereits vor dem Hintergrund der Intention des Gesetzgebers ergeben sich 28 Zweifel, ob diese Vorschrift überhaupt auf Arbeitsverhältnisse mit Rentnern anzuwenden ist. Es ist fraglich, ob Rentner überhaupt vom Adressatenkreis des §  14 Abs.  3 TzBfG erfasst sind, da sich die Vorschrift vorrangig an Personen richtet, die sich in einer altersspezifisch benachteiligten Arbeitsmarktsituation befinden.33 Dies trifft jedoch nicht auf Rentner zu, die durch den Bezug einer Rente bereits abgesichert sind, sondern soll vielmehr Personen erfassen, die zwischen dem 52. Lebensjahr

31 BT-Drucks. 16/3793, S. 1. 32 BT-Drucks. 16/3793, S. 1. 33 BT-Drucks. 16/3793, S. 1.

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 747

und vor Erreichen der Regelaltersgrenze aufgrund ihres bereits erreichten Alters u.U. einen erschwerten Zugang zum Arbeitsmarkt haben, sofern sie einmal von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Praxishinweis Nach der Gesetzesbegründung des Gesetzgebers ist derzeit eher fraglich, ob auch Rentner von der Regelung des §  14 Abs. 3 TzBfG n.F. erfasst sein sollen. Mangels einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung zu dieser Thematik ist derzeit eine restriktive Handhabung dieser Befristungsmöglichkeit zu empfehlen.

Unabhängig von der Frage, ob Rentner überhaupt dem Adressatenkreis des § 14 Abs. 3 29 TzBfG n.F. zuzuordnen sind, bestehen auch nach der Neufassung des § 14 Abs. 3 TzBfG weiterhin begründete Zweifel an der europarechtlichen Vereinbarkeit. Zwar knüpft die Neuregelung des § 14 Abs. 3 TzBfG n.F. nunmehr nicht mehr ausschließlich an das Alter des Arbeitnehmers an, sondern versucht in Form der Berücksichtigung grundsätzlich rechtmäßiger Ziele der Beschäftigungspolitik und des Arbeitsmarktes eine angemessene Regelung i.S.d. RL 2000/78/EG zu gewährleisten.34 Zweifel bestehen jedoch insoweit, als dass die erleichterte Befristung wiederum an die fixe Altersgrenze von mindestens 52 Jahren anknüpft und damit einhergehend in der hierdurch bewirkten Beseitigung des Kündigungsschutzes weiterhin eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung älterer Arbeitnehmer gegeben ist, deren Rechtfertigung und Vereinbarkeit mit den europarechtlichen Vorgaben der Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie 2000/78/EG problematisch erscheint.35 Praxishinweis Die praktische Handhabung des § 14 Abs. 3 TzBfG n.F. hat auch nach der Neufassung durch den Gesetzgeber letztlich keine Vereinfachung erfahren, so dass die Anwendung der Vorschrift – auch in der Neufassung – weiterhin rechtliche Risiken birgt. So sind weiterhin Zweifel an einer Vereinbarkeit der Vorschrift mit den europarechtlichen Vorgaben geboten. Letztlich dürfte ein erneutes Tätigwerden des Gesetzgebers erforderlich sein, so dass grundsätzlich eine restriktive Handhabung der Vorschrift empfohlen wird.

3. Vergütung/ Hinzuverdienstgrenzen Hinsichtlich einer etwaig zu erzielenden Vergütung für die ausgeübte Tätigkeit sind 30 beim Bezug von Altersrente Hinzuverdienstgrenzen zu beachten. Insoweit muss differenziert werden zwischen dem Bezug von Altersrente bereits vor Erreichen der Regelaltersgrenze sowie Bezug von Altersrente nach Erreichen der Regelaltersgrenze.

34 ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG, Rn 110a. 35 Kast, BB 2007, 1841, 1842.

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 Kapitel 33 Rentnerbeschäftigung

31 Vor Erreichen der Regelaltersgrenze ist ein Hinzuverdienst neben dem Bezug einer

Altersrente nur begrenzt zulässig, §  34 SGB VI. Die Regelaltersgrenze wird zurzeit gem. § 35 S. 2 SGB VI mit Vollendung des 67. Lebensjahrs erreicht. Nach dem Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demographische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007 werden mit Beginn des Jahres 2012 dabei die Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung stufenweise angehoben, wobei die Regelaltersgrenze für die Geburtsjahrgänge 1947 bis 1958 um jeweils einen Monat pro Jahr auf 66 Jahre und für die Geburtsjahrgänge 1959 bis 1964 um jeweils zwei Monate pro Jahr auf 67 Jahre ansteigt.36 Versichertes Geburtsjahr 1947 1948 1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 Ab 1964

Anhebung um Monate 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 14 16 18 20 22 24

Jahr 65 65 65 65 65 65 65 65 65 65 65 66 66 66 66 66 66 67

Alter

Monat 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 0 2 4 6 8 10 0

Praxistipp Um die maßgebliche Regelaltersgrenze des Arbeitnehmers ermitteln zu können, ist infolge der stufenweisen Anhebung der Regelaltersgrenze auf den Geburtsjahrgang des Betroffenen zu achten. 32 Das Überschreiten der bestehenden Hinzuverdienstgrenzen, die im Falle einer Rent-

nerbeschäftigung für den Arbeitnehmer gelten, führt zu einer Kürzung der Rentenbezüge. Dies gilt entsprechend auch für den Bezug von Rente wegen verminderter oder voller Erwerbsminderung. Bei Erreichen der Regelaltersgrenze entfällt die Hinzuverdienstgrenze. Der Rentner kann ab Erreichen des 67. Lebensjahres bzw. dem für ihn

36 ErfK/Rolfs, § 41 SGB VI, Rn 2; BGBl. I. Nr. 16, 20/30.4.2007, S. 550.

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A. Arbeitsrecht 

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maßgeblichen Renteneintrittsalters in unbegrenztem Umfang Einkommen aus einer abhängigen Beschäftigung oder einer selbstständigen Tätigkeit erzielen.37 Praxishinweis Das Überschreiten von etwaigen Hinzuverdienstgrenzen fällt ausschließlich in den Verantwortungsbereich des Rentners.

4. Kündigungsschutz und Kündigungsfristen a) Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes Der Arbeitgeber hat zu beachten, dass auch Rentner dem normalen Kündigungs- 33 schutz unterliegen, sofern der Anwendungsbereich des KSchG eröffnet ist. Dies hängt maßgeblich von den Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 S. 2 und 3 KSchG ab. Hiernach gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des §  13 Abs.  1 S.  1 und 2 KSchG nicht für Betriebe und Verwaltungen, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden. In Betrieben und Verwaltungen, in denen in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden, gelten die Vorschriften des Ersten Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 und des § 13 Abs. 1 S. 1 und 2 KSchG nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31.12.2003 begonnen hat. Ist im Fall der Kündigung eines Rentners das KSchG zu beachten, so stellen der 34 Bezug einer Altersrente oder die finanziellen Verhältnisse keine Kriterien dar, die eine ausreichende Berücksichtigung der in § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG genannten Kriterien entbehrlich machen.38 Dies macht bereits die Regelung des § 41 S. 1 SGB VI deutlich, wonach allein ein Anspruch auf Bezug einer Altersrente kein Grund zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist. Ferner kann aufgrund der sich stetig verschärfenden Rentensituation nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass ein Arbeitnehmer mit Bezug einer Altersrente generell „ausgesorgt“ hat, so dass der Arbeitgeber auch bei einem Arbeitnehmer, der Altersrente bezieht, gehalten ist, die Kriterien des § 1 Abs. 3 KSchG ausreichend zu berücksichtigen.39

b) Kündigungsfristen Sollte zwischen den Parteien aufgrund konkreter Umstände der Abschluss eines 35 unbefristeten Arbeitsverhältnisses vereinbart werden, so gelten die Kündigungsfristen des § 622 BGB. Im Rahmen der Anwendung der gesetzlichen Kündigungsfristen

37 ErfK/Rolfs, SGB VI, Arbeitsrechtliche Fragen der gesetzlichen Rentenversicherung Rn 5. 38 ArbG Paderborn, Urt. v. 22.3.2006 – 3 Ca 1947/05 –. 39 ArbG Paderborn, Urt. v. 22.3.2006 – 3 Ca 1947/05 –.

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 Kapitel 33 Rentnerbeschäftigung

nach § 622 Abs. 2 BGB muss allerdings differenziert werden, ob es sich um eine Wie­ deranstellung oder eine Erstanstellung handelt. Im Falle der Erstanstellung eines Rentners gelten keine Besonderheiten und es 36 kommen die allgemeinen Grundsätze des §  622 BGB zur Anwendung. Die Wiederanstellung kann jedoch Auswirkungen auf die Berechnung der Kündigungsfristen haben. Sollte somit seitens des Arbeitgebers geplant sein, den bereits zuvor beschäftigten Mitarbeiter in unmittelbaren bzw. zeitnahen Anschluss wieder zu beschäftigen, ist zu berücksichtigen, dass bei der Berechnung der Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB die Beschäftigungszeiten des vorherigen Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber und die Beschäftigungszeit des neuen Arbeitsverhältnisses nach der Rechtsprechung des BAG zusammenzurechnen sind.40 Dies nimmt die Rechtsprechung regelmäßig an, sofern ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang der beiden Beschäftigungsverhältnisse besteht.41 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine Weiterbeschäftigung auf dem bisherigen Arbeitsplatz erfolgen soll.42

5. Betriebsverfassungsrecht

37 Als Ausfluss des Gleichbehandlungsgrundsatzes und der diesbezüglichen Bindung

des Arbeitgebers muss der beschäftigte Rentner in kollektivrechtlicher Hinsicht wie alle anderen Arbeitnehmer behandelt werden. Demnach sind die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bei Einstellung, Versetzung und Kündigung zu beachten, vgl. §§ 99 Abs. 1 und 102 Abs. 1 BetrVG. Zudem kommt dem Rentner das aktive Wahlrecht i.S.d. §  7 BetrVG zu, sofern 38 er als Arbeitnehmer dem Betrieb angehört und dementsprechend eingegliedert ist. Besteht dabei die vorbenannte Zugehörigkeit zum Betrieb gem. § 8 BetrVG mindestens sechs Monate, so kommt dem Rentner zudem auch das passive Wahlrecht zu.

6. Alternative Beschäftigungsformen zum Arbeitsverhältnis a) Einsatz als freier Mitarbeiter 39 Neben der Anstellung in Form eines Arbeitsverhältnisses besteht die Möglichkeit, einen Rentner aufgrund eines befristeten Einsatzes als freien Mitarbeiter, z.B. im Wege eines Beratervertrages, zu beschäftigen. Hierbei ist ebenso wie bei der Beschäftigung eines Rentners in Form eines Arbeitsverhältnisses zwischen der Erstanstel­ lung und Wiedereinstellung zu differenzieren. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass bei einem freien Mitarbeiter40 vertragsverhältnis regelmäßig latent das Risiko der sog. Scheinselbstständigkeit

40 BAG, Urt. v. 18.9.2003 – 2 AZR 330/02 –. 41 BAG, Urt. v. 18.9.2003 – 2 AZR 330/02 –. 42 BAG, Urt. v. 18.9.2003 – 2 AZR 330/02 –.

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A. Arbeitsrecht 

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besteht. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob das als „freies Mitarbeiterverhältnis“ bezeichnete Vertragsverhältnis im Rahmen der tatsächlichen Durchführung den Anforderungen eines freien Mitarbeiterverhältnisses genügt, oder ob das Vertragsverhältnis vielmehr einem Arbeitsverhältnis entspricht, was weitreichende rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.43 Bei der Abgrenzung kommt es maßgeblich auf den Grad der persönlichen Abhängigkeit des zur Dienstleistung Verpflichteten an. Nach der Rechtsprechung des BAG ist selbstständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.44 Arbeitnehmer ist demgegenüber, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist.45 Die Eingliederung in eine fremde Arbeitsorgani­ sation zeigt sich darin, dass ein Arbeitnehmer einem umfassenden Weisungsrecht seines Arbeitgebers bezüglich Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der von ihm geschuldeten Dienste unterliegt.46 Das Risiko der Scheinselbstständigkeit besteht sowohl bei der Erstanstellung 41 eines Rentners als auch im Fall der Wiederanstellung, wobei das Risiko im Falle der Zuvorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber weitaus höher ist als bei einer Erstanstellung eines Rentners. So ist das Risiko einer Scheinselbstständigkeit bei Beschäf­ tigung eines Rentners als freien Mitarbeiter nach einer Zuvorbeschäftigung besonders hoch, sofern der Rentner im Rahmen der freien Mitarbeit unter den identischen Arbeitsbedingungen weiterarbeiten soll, die zuvor im Rahmen eines regulären Arbeitsverhältnisses gegolten haben. Praxistipp Soll der einzustellende Rentner, der zuvor für denselben Arbeitgeber tätig war, seine vorherigen Tätigkeiten eines vorhergehenden Arbeitsverhältnisses weitestgehend unverändert fortführen, ist von der Begründung eines freien Mitarbeiterverhältnisses abzusehen. Vor dem Hintergrund des Risikos der Scheinselbstständigkeit ist stets – unabhängig von der Frage der Erst- oder Wiederanstellung – zu prüfen, ob es sich tatsächlich um ein freies Mitarbeiterverhältnis handelt oder ob eine Überprüfung der tatsächlichen Durchführung des Vertragsverhältnisses nicht für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses spricht. Diesbezüglich sind die Abgrenzungskriterien zu berücksichtigen, die die Rechtsprechung hierzu aufgestellt hat.47

Zusammenfassend stellen sich die Vor- und Nachteilhaftigkeit der Anstellung 42 eines Rentners als freien Mitarbeiter aus Sicht des Arbeitgebers folgendermaßen dar:

43 Vgl. zu den Einzelheiten Kap. 14 – Freelancer und Kap. 35 – Selbstständige Arbeit. 44 BAG, Urt. v. 13.3.2008 – 2 AZR 1037/06 –. 45 BAG, Urt. v. 13.3.2008 – 2 AZR 1037/06 –. 46 BAG, Urt. v. 13.3.2008 – 2 AZR 1037/06 –. 47 BAG, Urt. v. 9.5.1984 – 5 AZR 325/82 –.

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 Kapitel 33 Rentnerbeschäftigung

Vorteile für den Arbeitgeber –– Die Restriktionen des TzBfG knüpfen an den Bestand eines Arbeitsverhältnisses an und sind bei der Beschäftigung von freien Mitarbeitern nicht zu beachten. –– Keine Lohnnebenkosten/geringe Fixkosten. –– Ggf. kann der Rentner seine Tätigkeit von zu Hause aus erledigen, so dass keine Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden müssen. –– Beschäftigung des Rentners je nach Auftragslage und auch projektbezogen möglich (Flexibilität).

Nachteile für den Arbeitgeber –– Ein freies Mitarbeiterverhältnis birgt regelmäßig das Risiko der Scheinselbstständigkeit, das besonders hoch ist bei einer Zuvorbeschäftigung. –– Evtl. höhere Kosten durch Zahlung einer Vergütung für jeden einzelnen Auftrag. –– Freier Mitarbeiter ist nicht ständig verfügbar und kann daher in der Regel im Betriebsalltag nicht entlastend mitwirken.

b) Einsatz im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung

43 Grundsätzlich besteht auch hinsichtlich der Beschäftigung von Rentnern die Mög­

lichkeit der Arbeitnehmerüberlassung.48 Ausgangspunkt ist hierbei die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses zwischen dem betreffenden Arbeitnehmer (Rentner) und dem Verleiher.49 Dieser überlässt den Rentner im Wege der Arbeitnehmerüberlassung an den vor44 maligen Vertragsarbeitgeber. Hierdurch kann im Ergebnis erreicht werden, dass der Rentner unverändert auf seinem bisherigen Arbeitsplatz eingesetzt werden kann. Auf diese Weise kann auch eine sachgrundlose Befristung gem. § 14 Abs. 2 TzBfG erreicht werden, da i.S.d. Befristungsrechts nur entscheidend ist, dass im Verhältnis zwischen Verleiher und Rentner ein neues Arbeitsverhältnis zustande kommt, welches für die Dauer von zwei Jahren ohne Sachgrund befristet werden kann.50 Nach der Rechtsprechung des BAG liegt ein ausschließendes „Zuvor-Arbeitsverhältnis“ nicht vor, wenn ein Verleiher einen Arbeitnehmer anstellt, um ihn an diesen vormaligen Arbeitgeber zu verleihen, und der Arbeitnehmer bei dem Entleiher auf demselben Arbeitsplatz eingesetzt wird.51

48 Hinsichtlich der Anforderungen an eine wirksame Arbeitnehmerüberlassung wird auf Kap. 3 – Arbeitnehmerüberlassung verwiesen. 49 Sediq, NZA 2009, 443. 50 BAG, Urt. v. 18.10.2006 – 7 AZR 749/05 –. 51 BAG, Urt. v. 18.10.2006 – 7 AZR 749/05 –.

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B. Steuerrecht 

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Praxishinweis Nach der Rechtsprechung des BAG liegt eine gegen Treu und Glauben verstoßende und damit rechtsmissbräuchliche Gestaltung nur dann vor, wenn sie allein darauf abzielt, einen Arbeitnehmer unter Einschaltung mehrerer Vertragsarbeitgeber für eine unangemessene Zeit mit sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen im Wege der Arbeitnehmerüberlassung bei ein und demselben Arbeitgeber zu beschäftigen.52 Dieses Risiko besteht jedoch bei der Beschäftigung eines Rentners regelmäßig nicht, da die Beschäftigung im Regelfall nur für einen einmaligen, überschaubaren Zeitraum erfolgt.

Checkliste –– Wiedereinstellung oder Neu-/Ersteinstellung? –– Arbeitsverhältnisse mit Rentnern sind normale Arbeitsverhältnisse mit allen sich daraus ergebenden Rechten und Pflichten! –– Befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis? –– Befristungsmöglichkeiten? Differenzieren zwischen Wieder- und Erstanstellung! –– Anwendbarkeit des KSchG? –– Beachtung der Besonderheiten bei der Berechnung von Kündigungsfristen im Falle der Zuvorbeschäftigung. –– Möglichkeit alternativer Beschäftigungsformen zum Arbeitsverhältnis.

B. Steuerrecht I. Lohnsteuerabzugsverfahren bei Rentnern 1. Allgemeines Der Hinzuverdienst von (weiterbeschäftigten) Rentnern unterliegt grundsätzlich dem 45 Lohnsteuerabzug. Wenn die Voraussetzungen für eine Pauschalierung der Lohnsteuer nicht vorliegen, hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer nach den Besteuerungsmerkmalen der Lohnsteuerkarte/Ersatzbescheinigung zu ermitteln. Praxishinweis Im Regelfall wird der weiterbeschäftigte Rentner den Lohnsteuerabzug nach seinen individuellen Lohnsteuerabzugsmerkmalen wählen, denn hierbei fällt Lohnsteuer nur an, soweit die für die jeweilige Steuerklasse maßgebenden Freibeträge überschritten sind.

2. Lohnsteuerabzug (Weiterbeschäftigte) Rentner unterliegen mit ihrem Arbeitslohn dem Lohnsteuer- 46 abzug, der nach den individuellen Lohnsteuerabzugsmerkmalen (Steuerklasse, Kirchen­zugehörigkeit) vorzunehmen ist.

52 BAG, Urt. v. 18.10.2006 – 7 AZR 145/06 –.

Breuer

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 Kapitel 33 Rentnerbeschäftigung

3. Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse

47 Ohne Vorlage einer Steuerkarte/Ersatzbescheinigung kann der Arbeitgeber bei

geringfügig Beschäftigten53 (max. 400 € Arbeitslohn pro Monat) die Lohnsteuer mit 2 % pauschalieren, wenn er für das Arbeitsentgelt pauschale Beiträge zur Rentenund Krankenversicherung entrichtet.54 Die pauschalen Beiträge zur Rentenversicherung sind selbst dann zu entrichten, wenn der Rentner eine Altersvollrente bezieht und in Folge dessen nicht mehr der Rentenversicherungspflicht unterliegt.

4. Altersentlastungsbetrag

48 Hat der Rentner vor Beginn des Kalenderjahres das 64. Lebensjahr vollendet (für 2012:

geboren vor dem 2.1.1948), so hat der Arbeitgeber beim Lohnsteuerabzug den Alters­ entlastungsbetrag zu berücksichtigen. Bei Arbeitnehmern, die das 64. Lebensjahr vor dem 1.1.2012 vollendet haben, beträgt der Altersentlastungsbetrag 28,8 % der Bemessungsgrundlage, höchstens jedoch 1368 € jährlich bzw. 114 € monatlich. Die Voraussetzungen für den Abzug des Altersentlastungsbetrags hat der Arbeitgeber in eigener Zuständigkeit zu prüfen, da dieser nicht als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte/Ersatzbescheinigung vermerkt ist. Praxishinweis Die meisten Lohnprogramme ermitteln das Alter des Arbeitnehmers durch Eintragung des Geburtsdatums in den Arbeitnehmer-Stammdaten und berücksichtigen ggf. den Altersentlastungsbetrag in der Lohnabrechnung programmgesteuert.

5. Besteuerung nach dem besonderen Lohnsteuertarif

49 Bei der Lohnabrechnung für (weiterbeschäftigte) Altersrentner ist der Abzug des

Altersentlastungsbetrags und die Anwendung eines besonderen Lohnsteuertarifs mit einer gekürzten Vorsorgepauschale zu beachten.

Beispiel Ein Altersvollrentner (geb. 20.5.1947), der das 65. Lebensjahr vollendet hat, wird ab Juli 2012 gegen einen Monatslohn von 1200 € beim bisherigen Arbeitgeber weiterbeschäftigt. Er legt eine Lohnsteuerkarte vor, auf der die Steuerklasse I sowie als Religionszugehörigkeit rk eingetragen sind.

53 Siehe Kap. 24 – Minijobber Rn 24. 54 § 40a Abs. 2 EStG.

Breuer

B. Steuerrecht 

Berechnung der Lohnsteuer: Steuerpflichtiger Arbeitslohn: abzüglich: Altersentlastungsbetrag 28,8 % v. 1200,00 € = 345,60 € max. zu versteuern: Lohnsteuer nach dem besonderen Lohnsteuertarif: Solidaritätszuschlag: Kirchensteuer (z.B. 9 %):

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1200,00 € 114,00 € 1086,00 € 30,25 € 0,00 € 2,72 €

Praxistipp Gegenüber der Normaltabelle ergibt sich insoweit ein höherer Lohnsteuerabzug.

II. Praktische Hinweise Es kommt häufig vor, dass ein Rentner neben seiner Altersrente aus der gesetzlichen 50 Rentenversicherung auch noch eine Betriebsrente von seinem früheren Arbeitgeber erhält. Für die Besteuerung dieser Betriebsrente muss der Arbeitgeber die Lohnversteuerung nach den Besteuerungsmerkmalen der Steuerkarte/Ersatzbescheini­ gung durchführen. Hat der Rentner eine Betriebsrente und nimmt er eine Beschäftigung als Arbeitnehmer auf, wird für beide Dienstverhältnisse ein Lohnsteuerabzug durchgeführt. Der Lohnsteuerabzug für das zweite Dienstverhältnis ist mit Steuerklasse VI vorzunehmen. Hierbei wird in der Regel stets Lohnsteuer einbehalten, die ggf. bei Rentnern nach Ablauf des Kalenderjahrs im Wege einer Veranlagung zur Einkommensteuer wieder erstattet werden muss. Der Rentner kann jedoch den Lohnsteuerabzug nach Steuerklasse VI vermeiden, wenn er sich einen Freibetrag in den Lohnsteuerabzugsmerkmalen für sein zweites Dienstverhältnis und einen Hinzu­ rechnungsbetrag in den Lohnsteuerabzugsmerkmalen seines ersten Dienstverhältnisses eintragen lässt. Beispiel Rentner R bezieht eine monatliche Betriebsrente i.H.v. 350 € und arbeitet als Aushilfskoch für 500 € in einem Restaurant. Er hat seinem ehemaligen Arbeitgeber, von dem er die Betriebsrente erhält, angegeben, dass es sich um das erste Dienstverhältnis handelt. Dementsprechend wird der Lohnsteuerabzug nach der Steuerklasse I und im Restaurant mit der Steuerklasse VI vorgenommen. R beantragt bei seinem Wohnsitzfinanzamt für das erste Dienstverhältnis einen Hinzurechnungsbetrag in Höhe von 500 € monatlich in seine Steuerkarte/Ersatzbescheinigung einzutragen. Der dem Lohnsteuerabzug unterliegende Gesamtbetrag von 850 € führt bei Anwendung der Steuerklasse I zu keiner abzuführenden Lohnsteuer. Dementsprechend wird für das zweite Dienstverhältnis ein Freibetrag in Höhe von ebenfalls 500 € eingetragen, so dass der steuerpflichtige Arbeitslohn 0 € beträgt. Durch Ausnutzung der Steuerfreibeträge fällt weder bei der Lohnversteuerung der Betriebsrente noch bei der Nebentätigkeit Lohnsteuer an. Einzige Voraussetzung für die Anwendung dieser Regelung ist, dass der Arbeitslohn aus dem ersten Dienstverhältnis niedriger ist als der Betrag, bis zu dem nach der Steuerklasse des ersten Dienstverhältnisses keine Lohnsteuer zu erheben ist.

Breuer

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 Kapitel 33 Rentnerbeschäftigung

C. Sozialversicherungsrecht I. Allgemeines 51 Von einer sog. Rentnerbeschäftigung ist immer dann auszugehen, wenn die betreffende Person einen Anspruch auf eine Rentenzahlung hat und diese Rente auch bezieht. Hierbei kann es sich um Renten wegen Alters, verminderter Erwerbsfähigkeit oder Hinterbliebenenrente handeln. Hier stellt sich die Frage, welche sozialversicherungsrechtlichen Konsequen­ 52 zen sich aus einer Beschäftigung hinsichtlich einer Versicherungs- und Beitragspflicht für den Arbeitgeber und die betroffene Person ergeben. Dies hängt davon ab, welche Rente der Betreffende bezieht und ob diese Rente als Voll- oder Teilrente gezahlt wird. Praxishinweis Bei Beschäftigung eines Rentners ist immer zu prüfen, welche Rente er bezieht, um versicherungsrechtliche Fragestellungen rechtzeitig zu klären.

53

54 55 56

II. Versicherungs- und Beitragspflicht 1. Bezieher einer Vollrente a) Rentenversicherung Versicherungsfrei in der gesetzlichen Rentenversicherung sind Personen, die eine Vollrente wegen Alters beziehen.55 Dabei kommen als Vollrente in Betracht: –– Regelaltersrente, –– Rente für langjährig Versicherte, –– Altersrente für schwerbehinderte Menschen, Berufsunfähige und Erwerbsunfähige nach dem bis zum 31.12.2000 geltenden Recht, –– Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder Altersteilzeit, –– Altersrente für Frauen und –– Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute. Die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung tritt mit dem Beginn der Vollrente ein. Bei beschäftigten Rentnern ist auch zu beachten, ob sie bereits die Regelalters­ grenze erreicht haben oder ob es sich um eine sog. vorgezogene Altersrente handelt. Wird eine Vollrente wegen Alters vor Erreichen der Regelaltersgrenze bezogen und neben dem Rentenbezug eine Beschäftigung ausgeübt, sind Hinzuverdienst­ grenzen zu beachten. Werden die Hinzuverdienstgrenzen überschritten, ist der Rentenbezieher nicht mehr als Bezieher eine Vollrente zu betrachten. Unschädlich für

55 § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI.

Limbach

C. Sozialversicherungsrecht 

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den weiteren Bezug einer Vollrente ist ein Hinzuverdienst in Höhe von bis zu 400 € monatlich. Praxishinweis Die Hinzuverdienstgrenze ist für jeden beschäftigten Rentner individuell festzustellen. Hier empfiehlt sich, eine Auskunft bei der DRVB einzuholen. Ohne dass es für den Rentenanspruch schädlich ist, darf die Hinzuverdienstgrenze zweimal im Kalenderjahr um das doppelte des Grenzwertes überschritten werden (2 x 400 € = 800 € im jeweiligen Kalendermonat).

In den meisten Fällen wird eine Rentnerbeschäftigung im Rahmen einer geringfügi­ 57 gen Beschäftigung erfolgen. Hier gelten dann die allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Regelungen für die geringfügig Beschäftigten.56 Hat der beschäftigte Rentner die Regelaltersgrenze erreicht, bezieht er eine Voll- 58 rente wegen Alters, ist versicherungsfrei in der gesetzlichen Rentenversicherung und erhält ein Arbeitsentgelt oberhalb der Grenze für eine geringfügige Beschäftigung (> 400 €), hat sein Arbeitgeber dennoch Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten. Dabei trägt der Arbeitgeber die Hälfte des Beitrages, der zu zahlen gewesen wäre, wenn der Beschäftigte versicherungspflichtig gewesen wäre. Der Rentner selbst hat keine Beiträge zu entrichten. Praxishinweis Ist der beschäftigte Rentner in der knappschaftlichen Rentenversicherung versichert, ist an Stelle der Hälfte des Beitrages der auf den Arbeitgeber entfallende Beitragsanteil zu zahlen.

b) Arbeitslosenversicherung In der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung sind Personen versicherungsfrei, die 59 die Regelaltersgrenze erreicht haben. In der Regel sind dies Personen, die eine Regelaltersrente erhalten. Ist der beschäftigte Rentner versicherungsfrei und erzielt ein Arbeitsentgelt ober- 60 halb der Grenze für eine geringfügige Beschäftigung (> 400 €), hat sein Arbeitgeber dennoch Beiträge zur gesetzlichen Arbeitslosenversicherung zu entrichten. Dabei trägt der Arbeitgeber die Hälfte des Beitrages, der zu zahlen gewesen wäre, wenn der Beschäftigte versicherungspflichtig gewesen wäre. Ein Arbeitnehmeranteil ist nicht zu entrichten.

56 Vgl. Kap. 24 – Minijobber, Rn 42 ff.

Limbach

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 Kapitel 33 Rentnerbeschäftigung

Übt der beschäftigte Rentner eine geringfügige Beschäftigung aus, wird hinsichtlich der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung auf Kap. 24 – Minijobber verwiesen.

c) Kranken- und Pflegeversicherung

62 In der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung bestehen für beschäftigte

Rentner keine besonderen Regelungen – es gelten die für Arbeitnehmer anzuwenden Vorschriften.57 Danach unterliegt ein beschäftigter Rentner – sofern keine geringfügige Beschäf63 tigung58 vorliegt – grundsätzlich der Kranken- und Pflegeversicherungspflicht. Erzielt er in der Beschäftigung ein Entgelt oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze, besteht Versicherungsfreiheit.59 Praxishinweis Auch in der gesetzlichen Unfallversicherung (Berufsgenossenschaft) sind die beschäftigten Rentner versichert.

2. Bezieher einer Teilrente a) Rentenversicherung 64 Wird die Altersrente als Teilrente gezahlt – das ist auch der Fall, wenn die Hinzuver­ dienstgrenzen (z.B. bei Beziehern einer Rente für langjährig Versicherte) überschritten werden – besteht keine Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI.60 Hinsichtlich der Versicherungs- und Beitragspflicht gelten die allgemeinen 65 sozialversicherungsrechtlichen Regelungen,61 d.h., es sind ggf. auch Beiträge zur Rentenversicherung zu entrichten.

b) Arbeitslosenversicherung 66 Die Versicherungsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung erstreckt sich nur auf Altersrentner, die die Regelaltersgrenze erreicht haben. Ist dies nicht erreicht, gelten

57 Vgl. Teil 2 – Grundlagen, Rn 95 ff. 58 Vgl. Kap. 24 – Minijobber, Rn 42 ff. 59 Vgl. Teil 2 Grundlagen, C. Sozialversicherungsrecht. 60 Vgl. Küttner/Küttner, Rentnerbeschäftigung. 61 Vgl. Kap. 24 – Minijobber, Rn 42 ff.

Limbach

C. Sozialversicherungsrecht 

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auch hier die allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Regelungen.62 Somit besteht in der Arbeitslosenversicherung weiterhin Versicherungspflicht.

c) Kranken- und Pflegeversicherung Vgl. dazu oben Rn 62 f.

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3. Bezieher einer Erwerbsminderungsrente a) Rentenversicherung Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung besteht nur dann, 68 wenn eine Vollrente wegen Alters bezogen wird.63 Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Personen, die eine andere Rente beziehen, nicht versicherungsfrei in einer neben dem Rentenbezug ausgeübten Beschäftigung sind. Für sie gelten vielmehr die allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Regelungen.64 Wird während der Rentnerbeschäftigung eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt (bspw. Minijobber),65 besteht Versicherungsfreiheit auch für den Bezieher einer vollen Erwerbsminde­ rungsrente.66

b) Arbeitslosenversicherung Die Bezieher einer vollen Erwerbsminderungsrente sind in der Arbeitslosenversi- 69 cherung versicherungsfrei.67 Dabei ist nicht von Bedeutung, ob die Rente tatsächlich als Vollrente oder aufgrund von Hinzuverdienst in Höhe von ¾, ½ oder ¼ der Vollrente gezahlt wird.68 Eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung eines Arbeitgeberanteils besteht 70 nicht.

c) Kranken- und Pflegeversicherung Auch bei den Beziehern einer Erwerbsminderungsrente bestehen keine Besonder- 71 heiten hinsichtlich der Versicherungs- und Beitragspflicht – es gelten die allgemeinen sozialversicherungsrechtlichen Regelungen.69

62 Vgl. Kap. 24 – Minijobber, Rn 42 ff. 63 § 5 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI. 64 Vgl. Teil 2 Grundlagen, C. Sozialversicherungsrecht. 65 Vgl. Kap. 24 – Minijobber, Rn 42 ff. 66 Vgl. Küttner/Küttner, Rentnerbeschäftigung. 67 § 28 Abs. 1 Nr. 3 SGB III. 68 Vgl. Küttner/Küttner, Rentnerbeschäftigung. 69 Vgl. Teil 2 Grundlagen, C. Sozialversicherungsrecht.

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 Kapitel 33 Rentnerbeschäftigung

4. Bezieher einer Hinterbliebenenrente

72 Hinsichtlich Versicherungs- und Beitragspflicht in der Sozialversicherung bestehen

für Bezieher einer Hinterbliebenenrente keine Besonderheiten – es gelten die allgemeinen Regelungen,70 d.h., bei Ausübung einer Beschäftigung ist nach den allgemeine Regelungen der Sozialversicherung zu prüfen, ob und in welchem Umfang Sozialversicherungspflicht besteht. Praxistipp Zu beachten ist als Hinweis für den Mitarbeiter, dass neben den Beiträgen aus der Beschäftigung auch die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Beitragspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung unterliegt.

70 Vgl. Kap. 24 – Minijobber Rn 42 ff. und Küttner/Küttner, Rentnerbeschäftigung.

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Kapitel 34 Sabbatical A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis 1. Nutzen Flexible Arbeitszeitmodelle bieten Arbeitgebern zahlreiche Möglichkeiten, auf ver- 1 änderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu reagieren oder betrieblich angelegte Produktions- oder Organisationseigenheiten zu gestalten. Geplante berufliche Auszeiten gewinnen dabei als Flexibilisierungsvariante im Rahmen der Arbeitszeitgestaltung mehr und mehr an Bedeutung. Berufspausen wie das Sabbatical – auch „Sab­ batjahr“ genannt – vereinbaren hierbei die Wünsche zahlreicher Arbeitnehmer nach einer mittleren oder längeren Auszeit vom Arbeitsalltag mit unternehmerischen Interessen im Hinblick auf die eigene Positionierung am Markt (auch in rezessiven Phasen) oder beim Wettbewerb auf der Suche nach hochqualifizierten Mitarbeitern („war for talents“). Vorteile für Arbeitgeber –– Teilnahme der Arbeitnehmer an privaten Fortbildungs- und Qualifikationsmaßnahmen während der beruflichen Auszeit, –– kompetente Mitarbeiter können langfristig gehalten werden, –– beruflicher Abstand fördert neue Ideen für betriebliche Entwicklung, –– Wettbewerbsvorteil bei der Suche nach qualifiziertem Fachpersonal, –– Kosten krankheitsbedingter Ausfälle sinken, –– Abbau von Überstunden, –– Übergangsweg in den Ruhestand, –– Ausgleich von Auftragsschwankungen, –– Vermeidung von betriebsbedingten Kündigungen, –– (wieder-)erstarkte Leistungsfähigkeit und –– höhere Mitarbeitermotivation.

Praxishinweis Das Sabbatical kann für das Unternehmen ein Gewinn sein, wenn die persönlichen Interessen des Arbeitnehmers nach einer temporären Arbeitsauszeit mit den wirtschaftlichen und personalpolitischen Zielen des Betriebes in Einklang stehen.

Während Personalstrategien oftmals bereits kurzfristig Erfolge herbeiführen sollen, 2 steht auch immer eine langfristige Ausrichtung des Unternehmens im Vordergrund. Neben der finanziellen Komponente eines krisensicheren Wirtschaftshandelns mit ausreichender Kapitalversorgung gilt es stets die Attraktivität des Unternehmens für alle Beschäftigten zu halten und weiter zu steigern. Situationsgerechte Perso­ nalstrategien können dabei hilfreich sein. Die demographische Entwicklung und zunehmende Qualifizierungsdefizite in einzelnen Fachbereichen bei gleichzeitig fortElert/Mues

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 Kapitel 34 Sabbatical

schreitender Spezialisierung zwingen zu neuen betrieblichen Handlungsstrategien. Sabbatical-Modelle sind eine Möglichkeit, auf diese neuen Herausforderungen zu reagieren. Achtung! Sabbatical-Modelle sind keine Lösung für die Notwendigkeit dauerhaften Personalabbaues.

2. Begriffsbestimmung und typische Merkmale a) Definition 3 Das Wort Sabbatical, abgeleitet vom hebräischen Wort „schabbat“ (ruhen), hat eine alttestamentarische Bedeutung. Ursprünglich bezeichnete es die Unterbrechung des Ackerbaus in einem regelmäßig nach sechs Jahren wiederkehrenden Sabbatjahr, um die Regeneration des Bodens für die nächste Wachstumsperiode zu fördern. Demgegenüber ist im modernen Sprachgebrauch unter Sabbatical ein bezahlter Lang­ zeiturlaub zu verstehen. Seine Dauer beträgt in der Regel zwischen drei Monaten und einem Jahr. Angelehnt an die sprachliche Herkunft soll den Arbeitnehmern für eine bestimmte Zeitspanne die Möglichkeit gegeben werden, eine berufliche Ruhepause einzulegen, um dann „wiedererstarkt“ an den Arbeitsplatz zurückzukehren. In Vorbereitung auf die längere Dauer einer betrieblichen Abwesenheit ist durch den Arbeitnehmer – je nach Wahl oder Vorhandensein betrieblicher Arbeitszeitmodelle – eine Vorleistung zu erbringen, um die Zeit der Freistellung von der Arbeitspflicht finanziell zu überbrücken und arbeitszeitlich auszuglei­ chen. Praxishinweis Die Ein- und Durchführung eines Sabbaticalkonzepts erfordert aufgrund der langjährigen Bindung eine gründliche Vorbereitung und Planung.

b) Praktische Erfahrungen 4 Ein Sabbatical bietet Arbeitgebern und Arbeitnehmern verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten. Unabhängig von den jeweils vereinbarten Regelungen ist die Konzep­ tion und Realisierung mit umfangreichen Abstimmungsaufgaben verbunden, um den wunschgemäßen Verlauf der betrieblichen Abwesenheit für beide Parteien zu gewährleisten. Hierbei kann die Initiative für ein Sabbatical sowohl vom Arbeitnehmer als auch vom Arbeitgeber ausgehen. Entscheidet sich ein Arbeitgeber für die Einführung eines solchen personalpolitischen Beschäftigungsinstruments, hat er die betriebliche Grundlage für eine generelle Durchführungsmöglichkeit zu schaffen. Ob und wie der einzelne Arbeitnehmer dann ein Sabbatical in Anspruch nehmen kann, ist durch rechtliche Vereinbarungen näher auszugestalten.

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A. Arbeitsrecht 

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Praxistipp Um alle mit dem Sabbatical zusammenhängenden Fragen rechtzeitig klären zu können, sollte die Anmeldefrist beim Arbeitgeber mindestens drei Monate vor Beginn der Abwesenheit betragen. Um ausreichende Planungssicherheit für alle Beteiligten zu erlangen, wird eine Frist von sechs bis neun Monaten empfohlen.

3. Rechtliche Rahmenbedingungen Ein gesetzlicher Anspruch auf ein Sabbatical besteht nicht. Mit Ausnahme einzel- 5 ner Bereiche des Öffentlichen Dienstes und weniger Berufsgruppen, für die spezielle tarifliche Regelungen bestehen, handelt es sich im privatwirtschaftlichen Sektor um ein betrieblich zu vereinbarendes Arbeitszeitmodell. Die generelle Möglichkeit eines solchen Vorgehens regelt das TzBfG, welches eine flexible Gestaltung der Arbeitszeit ausdrücklich erlaubt. Gem. § 8 Abs. 1 TzBfG ist Voraussetzung, dass ein Betrieb, der die Einführung eines solchen Systems überlegt, mehr als 15 Mitarbeiter beschäftigt und diese bereits länger als sechs Monate für das Unternehmen tätig sind. Praxishinweis Das Begehren eines Arbeitnehmers auf Gewährung eines Sabbaticals kann jederzeit aus betrieblichen Gründen abgelehnt werden (§ 8 Abs. 4 S. 1 TzBfG); die Gründe müssen aber rational verständlich und nachvollziehbar sein.

Sabbatical-Vereinbarungen werden zumeist individualvertraglich geregelt, da 6 Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge durch ablösende Regelungen zwischenzeitlichen Änderungen unterliegen können. Um Missverständnisse und falsche Erwartungshaltungen während der Anspar- oder Abwesenheitsphase zu vermeiden, sollten alle den Umgang mit dem Arbeitsverhältnis und der Freistellung betreffenden Fragen in jedem Fall schriftlich vereinbart werden. Notwendiger Vertragsinhalt –– Dauer des Sabbaticals, –– gewähltes Arbeitszeitmodell, –– Regelung zu Entgeltbestandteilen und Einmalzahlungen, –– Anrechnung/Ausschluss von Krankenzeiten während der Freistellung auf das angesparte Zeitguthaben, –– Umgang mit Urlaubszeiten, –– unabhängig von Verfehlung des Freistellungszwecks und –– Wiedereingliederung in den Betrieb nach Freistellungsphase.

In der Praxis sind insbesondere die Fälle problematisch, in denen der Arbeitgeber 7 den Arbeitnehmer aufgrund betrieblicher Engpässe oder Notfällen nach Antritt des Sabbaticals aus der Freistellung zurückrufen möchte bzw. aus Arbeitnehmersicht der Zweck des Sabbaticals nicht erfüllbar ist (z.B. die geplante FortbilElert/Mues

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 Kapitel 34 Sabbatical

dungsmaßnahme nicht stattfinden oder aufgrund höherer Gewalt die gebuchte Reise während der Freistellungsphase nicht angetreten werden kann). Nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) ist unter diesen Umständen die Anpassung der arbeitsrechtlichen Vereinbarung möglich. Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss so schwerwiegend geändert, dass die Parteien diesen bei Kenntnis hierüber nicht oder so nicht geschlossen hätten, kann ein weiteres Festhalten am Vertrag unter Berücksichtigung aller Umstände für eine Partei unzumutbar sein. Praxistipp Eine einvernehmliche Regelung über Rückrufoptionen – evtl. auch unter finanziellen Anreizpunkten – kann jederzeit zwischen den Parteien vereinbart werden. 8 Sollte der Arbeitgeber bereits einen Ersatzmitarbeiter eingestellt, um die geplante

Abwesenheit seines Beschäftigten zu überbrücken, oder andere organisatorische bzw. personelle Maßnahmen getroffen haben, kann ein Wegfall der Geschäfts­ grundlage dazu führen, dass dem Arbeitgeber zwei Arbeitnehmer für den gleichen Arbeitsplatz zur Verfügung stehen, die arbeitsvertragliche Ansprüche gegen ihn erheben könnten. Praxishinweis Der Zweck des Sabbaticals ist nicht in den Vertragsinhalt aufzunehmen. Vielmehr sollte ausdrücklich festgelegt werden, dass die Arbeitsbefreiung nicht von der Realisierung des Zweckes des Sabbaticals abhängt.

9 Erkrankt der Arbeitnehmer während der Freistellungsphase, so ist festzulegen, ob die

Tage der Arbeitsunfähigkeit vom angesparten Zeitguthaben abzuziehen sind oder nicht. Mangels einer einschlägigen gesetzlichen Regelung, kann insoweit eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 9 BUrlG in Betracht kommen. Hiernach sind Tage der Erkrankung nicht auf eine Freistellung anzurechnen, sondern nachzugewähren. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung1 wurde hinsichtlich kurzer Zeitabschnitte betrieblicher Abwesenheitszeiten bereits festgestellt, dass vereinbarte Freischichten oder freie Tage nicht nachzugewähren sind, wenn der Arbeitnehmer an diesen Tagen arbeitsunfähig erkrankt sein sollte. Rechtsprechung zu Fällen länger andauernder Freistellungsphasen – wie einem Sabbatical – steht dagegen noch aus. Praxishinweis Die rechtlich unsichere Lage ist durch Aufnahme einer entsprechenden Klausel im Vertrag über die Durchführung des Sabbaticals zu kompensieren.

1 BAG, Urt. v. 2.12.1987 – 5 AZR 652/86 – und BAG, Beschl. v. 18.12.1990 – 1 ABR 11/90 –.

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A. Arbeitsrecht 

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Praktisch problematisch ist auch die Frage, ob und in welchem Umfang Urlaubsan­ 10 sprüche zum Auffüllen eines Arbeitszeitkontos genutzt werden können. Während der gesetzliche Urlaubsanspruch gem. § 7 Abs. 1 BUrlG auf das laufende Kalenderjahr begrenzt ist, müssen Zeitwertkonten über mehrere Jahre bespart werden, um dem Arbeitnehmer eine mehrmonatige betriebliche Abwesenheit zu ermöglichen. Jedoch ist nach § 7 Abs. 3 S. 1 und S. 2 BUrlG die Übertragbarkeit des Urlaubsanspruchs auf die ersten drei Monate des Folgejahres nur in engen Grenzen erlaubt; danach verfällt der gesetzliche Urlaubsanspruch.2 Da die Gefahr besteht, dass zum Zeitpunkt der Freistellungsphase bzw. im Laufe dieser die angesparten Zeiträume bereits verfallen sind, ist eine pauschale Verbuchung aller Urlaubsansprüche nicht zweckdienlich. Denn Folge hierbei wäre eine verkürzte Freistellungsphase, die den Arbeitnehmer zu einer schnelleren Rückkehr in den Betrieb verpflichten und den Arbeitgeber zu einer plötzlichen Umorganisation seines Ersatzdienstes zwingen würde. Ansprüche, die über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehen, können dagegen unproble­ matisch angespart werden, da diese nicht von dem dauerhaften Übertragungs­ verbot des Bundesurlaubsrechts betroffen sind. Insoweit kann eine Vereinbarung dahingehend geboten sein, dass die über den gesetzlichen Urlaubsanspruch hinausgehenden (vertraglichen) Urlaubstage zum Zwecke des Sabbatical nicht verfallen sollen. Praxishinweis Ein Verstoß gegen die gesetzlichen Urlaubsvorschriften kann vermieden werden, wenn Urlaubsansprüche auf Arbeitszeitkonten differenziert verbucht werden.

Relevanz in der Praxis kann schließlich die Störung/Nichterreichung des Vertrags­ 11 ziels einer Sabbatical-Vereinbarung vor Antritt des Sabbaticals entfalten. Muss dem Arbeitnehmer während der Ansparphase gekündigt werden oder verlässt er das Unternehmen freiwillig, wird er arbeitsunfähig oder verstirbt er gar, ist zu klären, was mit dem erwirtschafteten Zeitguthaben geschieht. Dem Arbeitnehmer, der Mehrarbeit geleistet hat, indem er für ein vermindertes Entgelt einer Vollzeittätigkeit nachging, könnten erhebliche Lohnansprüche zustehen, die in diesen Fällen entweder ersatzlos verfallen können oder möglicherweise verrechnet werden müssen. Während das BAG die Vererbbarkeit von Urlaubsansprüchen wegen ihrer höchstpersönlichen Natur verneint hat,3 steht eine Entscheidung darüber, ob es sich bei den angesparten Guthabenansprüchen evtl. um geldwerte – und damit vererbbare – Vorleistungen handelt, noch aus.

2 BAG, Urt. v. 26.6.1969 – 5 AZR 393/68 –. 3 BAG, Urt. v. 23.6.1992 – 9 AZR 111/91 – und BAG, Urt. v. 20.9.2011 – 9 AZR 416/10 –.

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 Kapitel 34 Sabbatical

Praxishinweis Um Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegenseitig abzusichern, ist eine vertragliche Regelung über den Umgang mit einer Störung des Ansparziels zu treffen.

II. Die verschiedenen Modelle des Sabbaticals

12 Sabbatical-Vereinbarungen können auf verschiedene Weise ausgestaltet sein. Ob

und welches Arbeitszeitmodell der Arbeitgeber in seinem Unternehmen anbieten möchte, hängt von den betrieblichen Eigenheiten ab. Maßgabe sollte im jeweiligen Einzelfall sein, dass das Arbeitszeitmodell möglichst aufwandsarm in die haus­ interne Organisation eingegliedert werden kann.

1. „Die unsichtbare Teilzeit“

13 Hinter dem Schlagwort „unsichtbare Teilzeit“ wird eine vertragliche Reduzierung

der Arbeitszeit verstanden, die eine Vollzeit- in eine Teilzeitstelle umwandelt. Trotz der an die Teilzeitstelle angepassten geringeren Vergütung arbeitet der Arbeitnehmer de facto jedoch in Vollzeit weiter und spart auf einem Arbeitszeitkonto die Mehrarbeit als Plusstunden an. Im Sabbatical-Zeitraum wird dieses Zeitguthaben sukzessive abgebaut. Dabei wird unter Freistellung von der Arbeit das monatliche Gehalt in Höhe der Teilzeitvergütung weiter ausbezahlt. Beim Ansparen der Arbeitszeit sind die gesetzlichen Vorschriften zur maximal täglichen Arbeitszeitdauer nach dem ArbZG sowie die Pflicht zur Urlaubsgewährung und -nahme (bis zum 1.4. des Folgejahres) nach dem BUrlG zu berücksichtigen. Beispiel Eine vereinbarte Arbeitszeit von 30 Stunden/Woche bei einer tatsächlichen erbrachten Arbeitsleistung von wöchentlich 40 Stunden, ermöglicht nach drei Jahren ein einjähriges Sabbatical.

2. Zeitlich begrenzter Lohnverzicht

14 Bei diesem Sabbatical-Modell verzichtet der Arbeitnehmer über mehrere Jahre auf

Teile seiner Vergütung bei Fortführung seines bisherigen Arbeitsverhältnisses in gleichem zeitlichem Umfang. Er spart sich auf diese Weise ein Gehaltsguthaben an, das seiner Freistellungsdauer entspricht und mit dem er während des Sabbaticals als Arbeitslohn bezahlt wird. Hier wird jedoch Vorsorge zu treffen sein, dass dieses Gehaltsguthaben eine Insolvenzsicherung erfährt.

Praxishinweis Wegen der leichten praktischen Handhabung und der zeitlich schnellen Realisierungsmöglichkeit ist dies ein besonders beliebtes Modell, insbesondere für kürzere berufliche Auszeiten.

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A. Arbeitsrecht 

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3. Fondssparmodell/Zeitwertpapiere Das Fondssparmodell bzw. das Anlegen von Arbeitszeit in Form von Zeitwertpapieren 15 ähnelt zunächst dem Modell der „unsichtbaren Teilzeit“. Der Arbeitnehmer redu­ ziert vertraglich seine Arbeitszeit und sammelt die mehrgeleistete Arbeitszeit als Überstunden sowie nicht genutzte Urlaubszeit auf einem Langzeitarbeitskonto an. Ein Unterschied liegt darin, dass hier das Langzeitkonto an ein Fondsspar­modell gekoppelt wird, so dass der Arbeitgeber den Gegenwert des angesparten Zeitguthabens auf dem Kapitalmarkt in einem speziellen Investmentfonds anlegen kann. Im Sabbatical-Zeitraum kommt das (wieder in Arbeitszeit umgerechnete) Guthaben als Entlohnung zur Auszahlung, inklusive Verzinsung. Auch in dieser Konstellation sollten die erforderlichen Schritte für eine Insolvenzsicherung bedacht werden. Praxishinweis Dieses Modell kann bei einem Wechsel des Arbeitgebers bislang nicht „mitgenommen“ werden – das Konto muss ausgezahlt oder abgebaut werden.

4. Vorgezogener Ruhestand Für Arbeitnehmer, für die in absehbarer Zeit durch Erreichen der Regelaltersgrenze 16 oder ein geplantes vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben der Eintritt in den Ruhestand bevorsteht, kann anstatt eines Langzeiturlaubs mit anschließender Rückkehr an den Arbeitsplatz die Freistellungsphase mit Hilfe eines Teilzeitmodells unter Beibehaltung der Bezüge den Übergang erleichtern. Das Blockmodell bei der Altersteilzeit (§ 2 Abs. 2 S. 1 ATG) stellt ein ähnliches Modell dar. Praxishinweis Diese Variante ist im Hinblick auf langfristige personalpolitische Entscheidungen zur Gestaltung der Mitarbeiterstruktur in besonderem Maße geeignet.

III. Betriebsverfassungsrecht Sabbatical-Modelle können in Betriebsvereinbarungen geregelt werden. Ist dies der 17 Fall, können die jeweiligen Vorschriften zugleich die rechtliche Grundlage für einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Gewährung eines Sabbaticals bilden. Handlungsempfehlung Um den im jeweiligen Einzelfall ggf. erforderlichen Entscheidungsspielraum zu bewahren, sollte in einer entsprechenden Betriebsvereinbarung von der Formulierung eines generellen Anspruchs abgesehen werden, sondern allein der Durchführungsweg für Sabbaticals geregelt werden.

Da Sabbaticals eine Veränderung der betrieblichen Arbeitszeitregelungen bewirken 18 können, ist bei ihrer Einführung das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 BetrVG zu beachten. Elert/Mues

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 Kapitel 34 Sabbatical

Praxishinweis Das Absenken der wöchentlichen Arbeitszeit bei gleichzeitiger Mehrarbeit betrifft Fragen der Lage und Verteilung der Arbeitszeit sowie des Umgangs mit geleisteten oder zu leistenden Überstunden. 19 In der Praxis stellt sich zuweilen das Problem, ob ein Arbeitnehmer auch während

der Freistellungsphase als Betriebsangehöriger anzusehen ist. Interessant wird die Frage insbesondere bei der Ermittlung von Schwellenwerten und der aktiven und passiven Wahlberechtigung des Arbeitnehmers nach §  7 ff. BetrVG. Anknüpfungspunkt für die Überlegungen bildet ein Umkehrschluss aus §  21 Abs. 7 BEEG, nach dem Arbeitnehmer, die Elternzeit in Anspruch nehmen, dann nicht bei der Feststellung der Betriebsgröße mitzuzählen sind, wenn für sie eine Vertretungskraft eingestellt worden ist. Bei dieser Vorschrift handelt es sich jedoch um eine nicht übertragbare Ausnahmeregelung.4 Da unter Betriebszugehörigkeit im Allgemeinen die Zugehörigkeit zur Betriebsbelegschaft zu verstehen ist, wird die tatsächliche Anbindung des Arbeitnehmers in den Betrieb als maßgebend angesehen. Die fehlende Ein­ gliederung in den Betrieb während des Zeitraums des Langzeiturlaubs schadet der Annahme des Status einer Betriebszugehörigkeit aber nicht. Weder folgt dies aus anderslautenden gesetzlichen Regelungen, noch liegt hierzu entsprechend einschlägige Rechtsprechung vor. Vergleichbar ist dies mit den Fällen länger andauernder Krankheit oder generell während Zeiten des Urlaubs: auch hier bleibt die Eingliederung in den Betrieb aufrechterhalten.

Praxishinweis Wird das Sabbatical als Übergang in den Ruhestand verwendet, ist die Betriebszugehörigkeit dagegen zu verneinen, da der Arbeitnehmer dauerhaft nicht mehr in den Betrieb zurückkehren wird und die Situation damit dem Blockmodell der Altersteilzeit entspricht.

Checkliste –– Einführung eines Sabbatical-Konzepts hängt allein vom Arbeitgeberwillen ab, –– Sabbatical-Konzept kann über Betriebsvereinbarung geregelt werden, –– verschiedene Arbeitszeitmodelle möglich, –– Betriebsrat hat bei Einführung des Arbeitszeitmodells Mitbestimmungsrecht, –– individueller und umfassender Sabbatical-Vertrag mit jedem einzelnen Arbeitnehmer notwendig.

4 Vgl. zum gleichlautenden § 21 Abs. 7 BErzGG: Hamm, S. 207 ff.

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B. Steuerrecht 

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B. Steuerrecht Die verschiedenen Modelle des Sabbaticals5 basieren entweder auf einer Reduzierung der vertraglichen Arbeitszeit („unsichtbare Teilzeit“) zugunsten eines Anspruchs auf spätere Freistellung und/oder auf der Einbringung von Vergütungsbestandteilen zum Aufbau von Wertguthaben im Rahmen von Langzeitkonten („zeitlich begrenzter Lohnverzicht“ bzw. „Fondssparmodelle/Zeitwertpapiere“). Die Reduzierung der Arbeitszeit wirkt sich aus Sicht der Begünstigten steuerlich nur insoweit aus, als die Vergütung und damit die darauf entfallende Steuerlast ebenfalls verringert werden. Bei der Inanspruchnahme der Freistellung erfolgt eine fortgeführte Besteuerung der Gehaltszahlungen als Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit gem. § 19 EStG. Letzteres gilt auch für die beiden anderen Sabbatical-Modelle („zeitlich begrenzter Lohnverzicht“ bzw. „Fondssparmodelle/Zeitwertpapiere“). Soweit der Aufbau von Wertguthaben durch eine Umwidmung von Gehaltsbestandteilen erfolgt, ist zu beachten, dass die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter nur dann nicht zu einem lohnsteuerpflichtigen Zufluss führt, wenn sie vor Fälligkeit der Gehaltszahlung getroffen wird. Wird z.B. ein Teil des Monatsgehalts Mai umgewidmet und ist die Gehaltszahlung am 15.5. fällig, so kann eine Umwidmung noch am 14.5. ohne lohnsteuerpflichtigen Zufluss erfolgen. Die Inanspruchnahme der Wertguthaben zur Freistellung führt zu Gehaltszahlungen, die als Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit gem. § 19 EStG zu versteuern sind. Dies gilt auch für Zinserträge, die bei einem Fondsmodell thesauriert wurden und den Gegenwert des Wertguthabens erhöhen. Eine Besteuerung der Zinserträge erfolgt im Betriebsvermögen des Arbeitgebers, dem die Fondsanteile bis zur Inanspruchnahme der Wertguthaben wirtschaftlich zugeordnet werden. Für Details wird auf die steuerlichen Ausführungen in Kap. 23 – Lebensarbeitszeitkontenmodelle verwiesen.

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C. Sozialversicherungsrecht Sozialversicherungsrechtlich ist ein Sabbatical wie die Führung von Lebensar­ 24 beitszeitkonten zu bewerten. Während Lebensarbeitszeitkonten Arbeitszeitkonten darstellen, auf die der Arbeitnehmer während seines Erwerbslebens Gehalt als Wertguthaben anspart, um dann eine bezahlte Freistellung vor dem Eintritt in den Ruhestand in Anspruch nehmen zu können, werden für ein Sabbatical Langzeitkonten angelegt, um während der Arbeitsphase eine längere bezahlte Freistellung von der

5 Vgl. Rn 12 ff.

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 Kapitel 34 Sabbatical

Arbeitsleistung nutzen zu können. Die Rechtsgrundlage ist in den §§ 7b SGB IV ff. festgelegt und hat die gleichen Voraussetzungen wie bei den Lebensarbeitszeitkonten.6

6 Vgl. Einzelheiten Kap. 23 – Lebensarbeitszeitkonten.

Brandes

Kapitel 35 Selbstständige Arbeit A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis 1. Nutzen Arbeitgeber setzen in den letzten Jahren neben der Beschäftigung von unternehmens- 1 eigenen Arbeitnehmern zunehmend auf den Einsatz von Selbstständigen. Veränderte Ziele in den betrieblichen Organisationsstrukturen, insbesondere die Vergabe von Teilen der Produktion an andere Firmen im In- und Ausland oder das Outsourcing von betriebsinternen Dienstleistungen haben zur Folge, dass neue Beschäftigungs­ formen entstehen und eine Verschiebung innerhalb der arbeitsrechtlich relevanten Betätigungsfelder stattfindet. Von den knapp 38,7 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland waren im Jahre 2009 durchschnittlich 4,2 Millionen selbstständig tätig. Dies entspricht einem Anteil von etwa 11 %. Den Bedeutungszuwachs, den die selbstständige Tätigkeit in den letzten Jahren erfahren hat, spiegeln auch die Ergebnisse einer statistischen Erhebung der Jahre 1999 bis 2009 wider. Innerhalb von 10 Jahren ist die Zahl der Selbstständigen in der Bundesrepublik stetig angestiegen und um 38,8 % gewachsen. Die Nachfrage nach selbstständig Tätigen ist größtenteils auf die zahlreichen 2 Vorteile zurückzuführen, die deren Einsatz für Arbeitgeber angesichts knapper wirtschaftlicher Margen und enger arbeitsrechtlicher Rahmenbedingungen hat. Neben der Tatsache, dass für Selbstständige kein Kündigungsschutz gilt, zählen diese auch nicht für die Berechnung des Schwellenwertes bei Kündigungsschutzverfahren betrieblicher Arbeitnehmer. Weiterhin entfallen eine Reihe direkter oder indirekter Personalkosten: Entgeltleistungen im Krankheitsfall oder an Feiertagen sind nicht vom Arbeitgeber zu tragen, ebenso besteht kein Anspruch auf Gewährung bezahlten Urlaubs. Fragen des Betriebsverfassungs- sowie Tarifrechts bleiben mangels Anwendbarkeit unberührt. Arbeitnehmerschutzvorschriften wie das MutterschutzG, das ArbeitszeitG oder das TzBfG sind für Selbstständige nicht einschlägig. Vorteile für Arbeitgeber –– keine dauerhafte arbeitsvertragliche Bindung, –– keine Überstundenregelung notwendig, –– Entfallen von Sozialversicherungsabgaben (Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung), –– keine Verantwortung für die Abführung der Lohnsteuer, –– keine Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, –– keine Verpflichtung zur Gewährung von bezahltem Urlaub, –– Arbeitnehmerschutzvorschriften finden keine Anwendung, insbesondere kein Kündigungsschutzrecht, –– kein Zählwert bei der Ermittlung des Schwellenwertes,

Ferbeck

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 Kapitel 35 Selbstständige Arbeit

Vergütung/Honorar richtet sich nicht nach tariflichen oder gesetzlichen Vorgaben, sondern ist frei verhandelbar, kein Aufwand für betriebliche Altersversorgung notwendig und keine Kosten für Kündigungsverfahren oder Abfindungsvergleiche.

3 Mit dem verstärkten Einsatz von Selbstständigen sind Arbeitgeber zudem in der Lage,

kurzfristige oder saisonale Auftragsspitzen flexibel zu bewältigen oder Projekte und in sich geschlossene Aufgaben unabhängig von sonstigen betrieblichen Rahmenvorgaben zu erledigen. Ein besonders entscheidender Vorteil ist jedoch die Einsparung der Beiträge für die Sozialversicherung. Das Wegfallen dieser Sozialabgaben im Unterschied zur Leistungsverpflichtung bei der Beschäftigung von Arbeitnehmern eröffnet den Arbeitgebern einen breiteren wirtschaftlichen Spielraum und die Möglichkeit, die freigewordenen finanziellen Ressourcen anderweitig einzuplanen. Die Tendenz zu vermehrter Selbstständigkeit in der Arbeitswelt wird auch 4 durch einen Abgleich mit der aktuellen Gründungs- und Liquidationsstatistik bestätigt.1 Zwar ist im Jahr 2011 die Zahl der Existenzgründungen in Deutschland um knapp 3,9 % gesunken, zugleich ist aber auch die Anzahl der Unternehmensliquidationen um 0,2 % zurückgegangen. Für das Jahr 2011 bedeutet dies in absoluten Zahlen einen positiven Gründungssaldo von 18.200 Unternehmen. Die Anzahl der Insolvenzen im Jahr 2011 ist im Vergleich zum Jahr 2010 um 5,9 % gesunken. Diese Entwicklung zum Ausbau der Beschäftigungsform selbstständig Tätiger entspricht dem politischen Willen zur eigenverantwortlichen sowie zugleich gemeinschaftsförderlichen Grundlagensicherung und wird von staatlicher Seite durch die Gewährung von (Existenz-) Gründungszuschüssen weiter begünstigt und gefördert.

Praxishinweis Der Gründungszuschuss ist eine staatlich subventionierte finanzielle Einzelmaßnahme der BA mit dem Ziel, arbeitslose Bezieher von Arbeitslosengeld durch Aufnahme einer selbstständigen Vollzeitbeschäftigung die Sicherung des Lebensunterhalts nach der Existenzgründung zu ermöglichen. Für weitere Informationen zu den Fördervoraussetzungen, der Antragstellung sowie Förderdauer und -höhe geben die zuständigen Agenturen für Arbeit Auskunft.

2. Begriffsbestimmung und typische Merkmale a) Definition 5 Der Begriff der Selbstständigkeit ist gesetzlich nicht ausdrücklich definiert. Über die Bezugnahme auf verschiedene Rechtsnormen lässt sich jedoch eine bestimmungsmäßige Annäherung herbeiführen. § 84 Abs. 1 S. 2 HGB enthält eine Legaldefinition,

1 Institut für Mittelstandsforschung Bonn, Gründung und Liquidationsstatistik, Abbildung 2011, im Internet abrufbar unter www.ifm-bonn.org.

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A. Arbeitsrecht 

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nach der selbstständig ist, der im Wesentlichen frei in der Gestaltung seiner Tätigkeit und der Bestimmung seiner Arbeitszeit ist. Obwohl die Vorschrift nicht als abschließend anzusehen ist, wird mit dieser Regelung der selbstständige Handelsvertreter von dem mit gleichen Aufgaben betrauten Arbeitnehmers abgegrenzt. Mit Hilfe eines Umkehrschlusses aus § 7 Abs. 1 des SGB IV ist eine Begriffsbestim- 6 mung in sozialrechtlicher Hinsicht und damit eine Abgrenzung zwischen selbst­ ständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung möglich. Eine sozialversicherungsrechtlich einzuordnende Beschäftigung ist eine nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Aus der Formulierung „insbesondere“ kann geschlossen werden, dass immer dann ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, wenn ein wirksames Arbeitsverhältnis begründet worden ist. Fehlt ein solches, bedeutet dies ein Vorliegen selbstständiger Tätigkeit. Da es keine ausdrückliche gesetzliche Regelung hinsichtlich der weiteren Vor- 7 aussetzungen für eine Selbstständigkeit gibt, wurden diese nach und nach von der Rechtsprechung2 entwickelt: Für eine Bestimmung sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Abstrakte, für alle Tätigkeiten geltende Kriterien lassen sich nicht aufstellen. Manche Tätigkeiten können sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses erbracht werden. Praxistipp Die vertragliche Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses ist zwar zu beachten, weichen die tatsächlichen Verhältnisse jedoch von den getroffenen Vereinbarungen ab, so haben die tatsächlichen Ge­ gebenheiten ausschlaggebende Bedeutung.

b) Typische Merkmale Mit dem Merkmal der Selbstständigkeit wird eine Abgrenzung zu arbeitnehmersei­ 8 tig ausgeübten Tätigkeiten hergestellt. Schwierigkeiten bereitet in der Praxis häufig die Frage, welche Indizien für eine Einordnung als Selbstständiger oder Arbeitnehmer sprechen und in welchem Verhältnis diese Kriterien zueinander stehen. Nach der Rechtsprechung von BAG und BSG sprechen nachfolgende Kennzeichen für ein eigenständig unternehmerisches Handeln: Erkennungsmerkmale –– Leistung im eigenen Namen, –– Leistung auf eigene Rechnung,

2 BSG, Urt. v. 28.10.1960 – 3 RK 13/56 –, BSG, Urt. v. 17.5.1973 – 12 RK 23/72 – und BSG, Urt. v. 1.12.1977 – 12/3/12 RK 39/74 –.

Ferbeck

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 Kapitel 35 Selbstständige Arbeit

eigenes unternehmerisches Risiko, mehrere Auftraggeber, Existenz einer eigenen Organisation, eigenständige Entscheidung über Personaleinsatz und -maßnahmen, eigenständige Entscheidung über Maschinen- oder Kapitaleinsatz, eigenständige Gestaltung von Preisen, Nutzung eigener Geschäftsräume, Unterhaltung eines Dienstfahrzeugs, eigenständiger Umgang mit Kundenstamm und Kundenakquise, selbstständige Werbemaßnahmen, Beschäftigung von Mitarbeitern (nicht nur als Aushilfe), Leistung muss nicht in Person ausgeübt werden, Führung eigener Geschäftsbücher, Abschluss einer Betriebshaftpflichtversicherung für Schäden bei Kunden und Altersversorgung ist eigenständig sicherzustellen.

9 Die genannten Kriterien müssen keineswegs kumulativ vorliegen. Fehlt eines oder

mehrere von ihnen, kann der Betroffene trotzdem selbstständig sein. Letztlich ist eine wertende Gesamtbetrachtung entscheidend.

Praxishinweis Unbeachtlich sind im Gegensatz dazu formelle Merkmale wie bspw. die Gewerbeanmeldung, die Eintragung ins Handelsregister, die Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen, die Führung von Personalakten sowie die Nichtteilnahme an Betriebsratswahlen. 10 Neben den Vorteilen, die eine Beschäftigung Selbstständiger für ein Unternehmen

mitbringt, birgt die Vergabe von Aufträgen an diese aber auch hohe Risiken, wenn das Vertragsverhältnis zu der beauftragten Person nicht umfassend ausgestaltet wurde. Neben sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Haftungsfragen kann dem Arbeitgeber eine Feststellungsklage mit dem Ziel der Feststellung eines Arbeitnehmerstatus drohen. Grundsätzlich gilt, dass die Beschäftigung Selbstständiger auch Nachteile für 11 den Arbeitgeber mit sich bringen kann. Vor der Entscheidung, wie der Betrieb hinsichtlich der Personalstruktur aufgestellt werden soll, ist daher eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Nachteile für Arbeitgeber –– Endet das Vertragsverhältnis, nimmt der Selbstständige sein Know-how wieder mit und entzieht es dem Unternehmen. –– Sämtliche Änderungen des Auftrages bedürfen neuer Vereinbarungen, da dem Arbeitgeber/Auftragsgeber kein arbeitsrechtliches Direktions- bzw. Weisungsrecht zusteht. –– Da der Selbstständige auch für andere Arbeitgeber/Auftraggeber tätig wird, ist die persönliche Erreichbarkeit in der Regel begrenzt. –– Ein nachträgliches Wettbewerbsverbot im arbeitsrechtlichen Sinne ist mangels Nachweisbarkeit oder nicht zu verhandelnder Vertragsklausel kaum durchsetzbar.

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3. Abgrenzung Während sich an den Begriff des Arbeitnehmers die unterschiedlichsten Rechtsfolgen 12 anknüpfen, besteht für Selbstständige ein verhältnismäßig kleiner Kreis zu beachtender rechtlicher Rahmenbedingungen. Aus diesem Grund ist eine genaue Abgren­ zung zwischen abhängiger Beschäftigung oder anderen Arbeitsformen und der Selbstständigkeit vorzunehmen. Dies hilft arbeitsrechtlichen sowie sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Problemen vorzubeugen und Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

a) Arbeitnehmer Der Arbeitnehmerbegriff kennt zwar keine gesetzliche Definition, das BAG hat 13 jedoch in ständiger Rechtsprechung3 festgestellt, dass ein Arbeitnehmer derjenige ist, der aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages oder eines ihm gleichgestellten Rechtsverhältnisses für einen anderen unselbstständige Dienste leistet. An den Arbeitnehmerbegriff, der weder durch vertragliche noch tarifvertragliche Regelung4 gestaltbar ist, knüpfen die Arbeitnehmerschutzrechte an, die Selbstständigen nicht zu Gute kommen. Wichtigstes Kriterium für die Abgrenzung von Selbstständigen und Arbeitneh- 14 mern ist deren persönliche Abhängigkeit vom Arbeitgeber. Persönliche Abhängigkeit besteht, wenn statt der freien Tätigkeitsbestimmung eine Eingliederung in die vom Arbeitgeber geschaffene und kontrollierte fremde Arbeitsorganisation vorliegt.5 Die Eingliederung wiederum äußert sich in der Weisungsunterworfenheit, die sich gem. § 106 GewO auch auf Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit beziehen kann. Arbeitnehmer ist also derjenige, der regelmäßig nicht frei über seine Zeit, die Art der zu leistenden Tätigkeit oder den Arbeitsort bestimmen kann. Der genaue Umfang des Weisungsrechts hängt aber von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab.6 Praxishinweis Weitere Indizien, die für die Annahme einer Arbeitnehmerstellung sprechen und von der Rechtsprechung bereits anerkannt wurden, sind: –– Fremdnützigkeit der Arbeitsleistung, –– Pflicht zur eigenen Erbringung der Arbeitsleistung, –– Verbot, eigene Mitarbeiter einzustellen, –– Gleichbehandlung mit Arbeitnehmern, –– keine eigene Betriebsstätte,

3 Zuletzt mit Urt. v. 20.1.2010 – 5 AZR 99/09 –. 4 BAG, Urt. v. 2.10.1990 – 4 AZR 106/90 –. 5 BAG, Urt. v. 30.11.1994 – 5 AZR 704/93 –. 6 BAG, Urt. v. 30.11.1994 – 5 AZR 704/93 –.

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 Kapitel 35 Selbstständige Arbeit

ausschließliche Verwendung fremden Arbeitsmaterials, keine Tragung des Unternehmerrisikos, Eingliederung in den Betrieb, Pflicht zur Krankmeldung, Pflicht zur Urlaubsanmeldung und -genehmigung, Arbeitskontrollen und Berichtspflichten, bei Vollzeitarbeitsverhältnis Bindung an nur einen Arbeitgeber, Leistungen werden im Namen auf Rechnung des Auftraggebers erbracht, Auftragnehmer hat keinen Gestaltungsspielraum in den das Auftragsverhältnis ausfüllenden Fragen.

15 Wurde für die Übernahme fremdgeplanter und fremdnütziger, auf fremder Risiko-

bereitschaft beruhender Arbeit bei Eingliederung in einem fremden Produktions-, Dienstleistungs- oder sonstigen Tätigkeitsbereich ein Arbeitsvertrag geschlossen, so ist eine Abgrenzung nicht mehr nötig. In der Einwilligung des Arbeitnehmers in den Arbeitsvertrag ist eine Unterordnung unter das Direktionsrecht des Arbeitsgebers zu sehen.

b) Scheinselbstständigkeit 16 So vorteilhaft die Beschäftigung Selbstständiger ist, so wichtig ist auch die Überprüfung, ob es sich bei den beauftragten Personen tatsächlich um eben solche und nicht um Scheinselbstständige handelt. Scheinselbstständigkeit liegt dann vor, wenn eine erwerbstätige Person zwar als Selbstständiger auftritt, sie jedoch derart in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert und dessen Weisungen unterworfen ist, dass sie in Wahrheit als Arbeitnehmer des Auftraggebers anzusehen ist. Fälle, in denen ein Arbeitnehmer irrtümlich als freier Mitarbeiter tätig wird, tatsächlich jedoch vom Arbeitgeber abhängig und somit scheinselbstständig ist, sind ebenso denkbar, wie eine nicht genehmigte Arbeitnehmerüberlassung durch dauerhaften Einsatz eines Mitarbeiters eines anderen Arbeitgebers. Vor dem Hintergrund der staatlichen Finanzierungsmodelle von Arbeitsrisiken 17 über die Solidargemeinschaft gehen die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung mehr und mehr dazu über, hohe Anforderungen an die Tätigkeit als freier Mitarbeiter zu stellen. Grundgedanke ist hier die Vermeidung der Umgehung des Sozialversicherungsrechts und damit ein weiteres Aushöhlen der ohnehin durch den demographischen Faktor dezimierten Renten- und Krankenkassen. Die Aufdeckung verdeckter sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsver18 hältnisse ist für Unternehmen meist mit schwerwiegenden finanziellen Folgen verbunden, weil sie für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag, d.h. auch für den Arbeitnehmeranteil und ggf. auch die abzuführende Lohnsteuer haften. Das Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen kann ordnungs-, bußgeld- oder sogar strafrechtlich relevantes Verhalten darstellen und entsprechend geahndet werden. Unabhängig davon besteht die Gefahr, dass mit freien Mitarbeitern und „LeiharbeitFerbeck

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nehmern“ ein Arbeitsverhältnis begründet wird, welches nur durch den Ausspruch einer (betriebsbedingten) Kündigung beendet werden kann. Praxishinweis Je nach Anzahl der Beschäftigten, die als Scheinselbstständige einzuordnen sind, kann das eigene Unternehmen in die Insolvenz treiben – gem. § 28 g SGB IV sind Nachforderungen an Sozialversicherungsbeiträgen theoretisch bis zu fünf Jahren rückwirkend vom Auftraggeber zu leisten, da diese gem. § 25 Abs. 1 SGB IV in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig werden, verjähren.

Angesichts der sich ständig ändernden Rechtsprechung sowie Gesetzesänderungen 19 sind Unternehmen angehalten, die jeweiligen Standardverträge und die Verwen­ dungspraxis regelmäßig zu überprüfen und an die Rechtsprechungspraxis anzupassen. Praxishinweis Aufgrund jüngster Änderungen im Falle der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung ist nunmehr bspw. eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis notwendig.

Das tatsächlich bestehende und durchgeführte Arbeitsverhältnis wird durch die 20 rechtliche Gestaltung zum wirtschaftlichen Nutzen des Auftraggebers verschleiert, da der Scheinselbstständige das alleinige Risiko trägt, tatsächlich aber weiterhin die Pflichten eines Arbeitnehmers zu erfüllen hat. Mit rechtskonformen Vertragsmustern kann „Scheinselbstständigkeit“ und uner- 21 laubte Arbeitnehmerüberlassung jedoch nicht abschließend vermieden werden. Denn die Art und Weise des tatsächlichen Personaleinsatzes ist entscheidend für die rechtliche Beurteilung. Praxishinweis Zur Bezifferung des latenten Kostenrisikos bedarf es einer Einzelfallbetrachtung der vertraglichen und tatsächlichen Gegebenheiten.

Wer ohne eigenes Kapital sein Betriebskapital vom Auftraggeber gegen Entgelt, bspw. 22 durch Kredit, Miete oder Leasing gestellt bekommt und von der Arbeitsorganisation in zeitlicher und örtlicher Hinsicht weisungsgebunden arbeitet, ohne nach der Vertragslage noch wie ein Unternehmer am Markt auftreten zu können, weil bspw. konkurrierende Tätigkeit vertraglich untersagt ist, der kann nicht als selbstständiger Unternehmer angesehen werden.

c) Arbeitnehmerähnliche Selbstständige Bei arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen liegt die eigentliche Problematik im 23 Bereich der Sozialversicherung, so dass auf die dortigen Ausführungen verwiesen wird. Ferbeck

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 Kapitel 35 Selbstständige Arbeit

d) Arbeitnehmerähnliche Personen

24 Nach §  12a Abs. 1 Nr. 1 TVG, der eine Legaldefinition enthält, sind arbeitnehmer-

ähnliche Personen wirtschaftlich abhängig und – vergleichbar einem Arbeitnehmer – sozial schutzbedürftig, wenn sie aufgrund von Dienst- oder Werkverträgen für andere Personen tätig sind, die geschuldete Leistung persönlich und im Wesentlichen ohne Mitarbeit von Arbeitnehmern erbringen und dabei entweder überwiegend für eine Person tätig sind oder ihnen von einer Person im Durchschnitt mehr als die Hälfte des Entgelts zusteht, das ihnen für ihre Erwerbstätigkeit insgesamt zusteht. Praxishinweis Einige arbeitsrechtliche Schutzvorschriften wie bspw. § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG, § 2 S. 2 BUrlG, § 2 Abs. 2 Nr. 3 ArbSchG, § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AGG, § 12a TVG sind auch auf arbeitnehmerähnliche Personen anwendbar.

25 Arbeitnehmerähnliche Personen sind wegen ihrer fehlenden Eingliederung in eine

betriebliche Organisation und im Wesentlichen freier Zeitbestimmung also nicht im gleichen Maße persönlich abhängig wie Arbeitnehmer. Die Voraussetzung der einseitigen Unternehmensbindung kann auch noch bei 26 mehr als einem Auftraggeber erfüllt sein, da mehrere Auftraggeber dann als einer gelten, wenn sie der betreffenden Person als wirtschaftliche Einheit gegenübertreten, so dass aufgrund dessen ein einheitliches Abhängigkeitsverhältnis besteht (§ 12a Abs. 2 TVG). Praxishinweis Hinsichtlich der konkreten Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern, arbeitnehmerähnlichen Personen und Selbstständigen ist stets auf die tatsächlichen Umstände des Einzelfalles abzustellen.

II. Formen der selbstständigen Arbeit

27 Selbstständige Arbeit kann in vielen unterschiedlichen Ausprägungen auftreten. Je

nach Form sind aber andere arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen zu beachten.

1. Freiberufler

28 Grundsätzlich gilt, wer Dienstleistungen für einen anderen, aber nicht in dessen

Dienst erbringt, ist kein Arbeitnehmer.7 Eindeutige Kriterien für die Einordnung einer selbstständigen Tätigkeit als Freiberuflichkeit existieren nicht. In § 1 Abs. 2 des PartGG findet sich als Anhaltspunkt aber eine berufssoziologische Definition. Hier-

7 Dies gilt z.B. für Ärzte oder Rechtsanwälte, die zwar Dienstverträge abschließen, die aber wiederum keine Arbeitsverträge darstellen. Es handelt sich um selbstständige Dienstverträge.

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nach haben Freie Berufe im Allgemeinen auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit zum Inhalt. Während im steuerlichen Sinne nach § 18 EStG grundsätzlich vier Freiberufler- 29 Gruppen8 unterschieden werden können, ist für eine arbeitsrechtliche Bestimmung der persönliche Arbeitseinsatz des Betriebsinhabers und nicht der Kapitaleinsatz von Bedeutung. Der Freiberufler muss die volle fachliche Verantwortung für alle Aufträge tragen. Vorteile einer freiberuflichen Tätigkeit –– keine Gewerbesteuer, –– kein Unterliegen der Gewerbeaufsicht, –– einfache Einnahme-Überschussrechnung, da in der Regel keine Verpflichtung zur Bilanzierung, –– diverse Förderungsmöglichkeiten (z.B. Gründerzuschuss gem. § 57 SGB III oder Förderung durch öffentliche Kreditprogramme).

Werden Mitarbeiter beschäftigt, so muss sich der freiberufliche Gründer selbst bei 30 der zuständigen Berufsgenossenschaft melden. Er ist dazu verpflichtet, seinen Mitarbeiter gegen Unfälle am Arbeitsplatz bei der Berufsgenossenschaft zu versichern. Praxishinweis Für einige Berufe besteht ein Werbeverbot.

2. Gewerbetreibende Die Abgrenzung zwischen gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit stellt häufig 31 eine Gratwanderung dar, da viele Berufe Merkmale beider Formen der selbstständigen Arbeit zeigen. Gleichwohl ist eine saubere Trennung notwendig, da die jeweilige Einordnung gewerbe- und steuerrechtliche Folgen nach sich zieht; so wird der Freiberufler zur Einkommensteuer veranlagt, während der Gewerbetreibende verpflichtet ist, sein Gewerbe gem. § 14 GewO beim zuständigen Gewerbeamt der Stadtverwaltung anzumelden und entsprechende Gewerbesteuern zu zahlen. Grundsätzlich ist Gewerbetreibender, wer ein Gewerbe i.S.d. § 1 GewO ausführt. 32 Nach der Rechtsprechung ist ein Gewerbe jede erlaubte, selbstständige, nach außen erkennbare Tätigkeit, die planmäßig, für eine gewisse Dauer und zum Zwecke der Gewinnerzielung ausgeübt wird und kein freier Beruf ist. Im engeren Sinne versteht

8 Freie technische und naturwissenschaftliche Berufe, freie rechts-, steuer- und wirtschaftsberatende Berufe, freie Heilberufe und freie künstlerische, publizistische und pädagogische Berufe.

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man unter Gewerbe die produzierenden und verarbeitenden Gewerbe: Industrie und Handwerk. Ein Gewerbe wird durch einen Gewerbetreibenden in einem Gewerbebetrieb ausgeführt. Die Rechtsprechung hat verschiedene Kriterien entwickelt, um eine Einordnungs33 entscheidung treffen zu können. So werden Freie Berufe den Dienstleistungsberufen zugeordnet. Dementsprechend sind sie mit Massenproduktion und Handelsgeschäften nicht kompatibel. Auch eine höhere Bildung, d.h. ein Hochschulabschluss und/ oder schöpferische Begabung sind entscheidend für Freie Berufe. Gewerbetreibende können sowohl natürlich Personen (jede Einzelperson und 34 die persönlich haftenden, vertretungsberechtigten Gesellschafter von Personengesellschaften) als auch juristische Personen (z.B. GmbH und Genossenschaft) sein. Auch der selbstständige Betrieb eines Handwerks ist ein Gewerbebetrieb. Eine gewerbliche Tätigkeit kann sowohl als hauptberufliche, aber auch als nebenberufliche Tätigkeit ausgeübt werden. Nicht zum Gewerbe wird die sog. „Urproduktion“, also Land- und Forstwirt35 schaft, Gärtnerei, Tierzucht, Fischerei usw. gerechnet. Ebenfalls nicht Gewerbetreibende sind Freiberufler, wie Rechtsanwälte, Ärzte, Architekten, Ingenieure, beratende Volks- und Betriebswirte, Unternehmensberater, Journalisten, Dolmetscher und Übersetzer.9 Praxishinweis Maßgeblich für die Einordnung als Gewerbetreibender ist letztlich die Entscheidung des zuständigen Finanzamtes nach § 18 Abs. 1 EStG. Bei Unsicherheiten empfiehlt sich das Einholen einer verbindlichen Auskunft gem. § 89 Abs. 2 AO.

3. Kleingründung 36 Vor dem Hintergrund zeitlich begrenzter Aufbaumöglichkeiten eines eigenen Unternehmens wegen anderweitiger beruflicher sowie privater Verpflichtungen oder der Unsicherheit, ob und wie erfolgreich die eigene Geschäftsidee verlaufen wird, bietet die sog. Kleingründung eine attraktive Alternative. Als Kleingründung wird in der EU eine Existenzgründung bezeichnet, deren Finanzierungsbedarf unter 25.000  € liegt und damit nur ein verhältnismäßig geringes finanzielles Startvolumen benötigt. In der Regel bietet die Kleingründung nur dem Gründer selbst einen dauerhaften Arbeitsplatz.

9 Vgl. insoweit die Ausführungen unter Rn 28 ff.

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Vorteile von Kleingründungen –– niedrige Kostenbelastung, –– in der Regel keine Verantwortung für Mitarbeiter, –– anderweitiges Einkommen ermöglicht unternehmerische Testphase, –– niedrigerer Zeitbedarf, –– zusätzliches Einkommen.

Eine besondere Form der Kleingründung ist die Nebenerwerbsgründung. Hierunter 37 sind Gründer zu verstehen, die hauptberuflich z.B. als Angestellte, im Nebenberuf selbstständig tätig sind oder keine Vollerwerbsgründung vorliegt – die Erträge aus der Gründung also nicht zur Deckung des täglichen Lebensbedarfs ausreichen. Praxishinweis Neben kostengünstigen Krediten der KfW Mittelstandsbank in Form eines „KfW-StartGeldes“ werden Gründungen aus der Arbeitslosigkeit auch von der BA gefördert. Zudem kann ein geringes Startkapital aus den „Mikrokreditfonds Deutschland“ über die beteiligten Mikrofinanzinstitute bezogen werden.

Arbeitsrechtlich sieht sich der Kleingründer meist mit zwei Problemkreisen konfron- 38 tiert: Ist er zum Zeitpunkt der Gründung noch anderweitig angestellt, ist dem Arbeitsvertrag zu entnehmen, ob und in welchem Umfang er neben der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auch selbstständig tätig sein darf. In einzelnen Fällen hängt die Gründung zudem von der Zustimmung des Arbeitgebers ab. Soweit nicht ohnehin ein arbeitsvertragliches Wettbewerbsverbot vorliegt, ist dies insbesondere bei Tätigkeiten der Fall, die in Konkurrenz zum Unternehmen des Arbeitgebers stehen. Zum anderen gilt: Kleingründer sind nicht per se „echte“ Selbstständige. Dies 39 gilt insbesondere, wenn sie fachlich an Weisungen des Auftraggebers gebunden sind und keine freie Wahl des Arbeitsortes und der Zeit haben. Praxishinweis Die Abgrenzung zur Scheinselbstständigkeit ist durch striktes Prüfen der Voraussetzungen für eine selbstständige Tätigkeit10 zu beachten.

4. Freie Mitarbeit Bei freien Mitarbeitern handelt es sich um Personen, welche eine selbstständige 40 unternehmerische Tätigkeit für ein fremdes Unternehmen auf der Grundlage eines Dienstleistungs- oder Werkvertrages ausführen. Sie werden vor allem von

10 Siehe Erläuterungen unter Rn 5 ff.

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Presse- und Verlagsunternehmen sowie in den Rundfunk- und Fernsehanstalten beschäftigt. Freie Mitarbeiter sind dabei nicht wie Arbeitnehmer weisungsgebunden, da sie in 41 der Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen relativ frei und formal weder in zeitlicher, örtlicher oder fachlicher Hinsicht den Weisungen des Auftraggebers direkt unterworfen sind. Freie Mitarbeiter sind ungeachtet ihrer Bezeichnung nicht von vornherein selbst42 ständig tätig. Auch bei ihnen ist nach den hierfür maßgeblichen Grundsätzen und Kriterien zu beurteilen, ob sie ihre Tätigkeit selbstständig ausüben oder aber ob sie nicht doch in einem Beschäftigungsverhältnis stehen.11 Praxishinweis Ist der freie Mitarbeiter ausschließlich oder überwiegend für nur einen Auftraggeber tätig und steht dadurch in einem Abhängigkeitsverhältnis, so erfüllt dies wiederum den Tatbestand der Scheinselbstständigkeit. Der Auftraggeber zahlt keine Sozialversicherungsbeiträge. Es ist vielmehr Sache des freien Mitarbeiters, für seine soziale Absicherung zu sorgen.

5. Betriebsübernahme/Unternehmensnachfolge

43 Die Fortführung eines Betriebs ist eine besondere Form der Existenzgründung.

Anstatt ein neues Unternehmen zu gründen, wird ein bereits bestehendes übernommen. Familieninterne Übernahmen (z.B. im Wege der vorweggenommenen Erbfolge) sind dabei ebenso gangbare Alternativen, wie die Miete bzw. Pacht oder der Kauf des Unternehmens. Ebenso möglich ist aber auch eine Unternehmensbeteiligung, indem durch Kapitalbindung an Personen- oder Kapitalgesellschaften Gesellschaftsrechte erworben werden. Vorteile einer Betriebsübernahme –– kein Gründungsverfahren notwendig, –– Unternehmen ist bereits auf dem Markt etabliert, –– Dienstleistungen oder Produkte des Unternehmens sind eingeführt, –– Eintritt in bestehende Kunden- und Lieferantenbeziehungen, –– räumliche Infrastruktur besteht bereits, –– eingearbeiteter Mitarbeiterstamm steht zur Verfügung, –– Inventar ist schon vorhanden.

44 Da der Übernehmer in die rechtliche Position des Übernehmenden eintritt, gelten für

ihn die gleichen Rechte und Pflichten eines Selbstständigen.

11 Ergänzende Ausführungen zu diesem Stichwort können Kap. 14 – Freelancer entnommen werden.

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Praxishinweis Eine gemeinsame Initiative des BMWi, der KfW-Mittelstands Bank sowie Vertretern von Verbänden, Institutionen und Organisationen der Wirtschaft, des Kreditwesens und der Freien Berufe bieten Unterstützung bei der Vorbereitung und Umsetzung von Unternehmensübertragungen an (Initiative „nexxt“).

6. Subunternehmer Subunternehmer (auch Nachunternehmer genannt) erbringen aufgrund eines Werk- 45 vertrages oder eines Dienstvertrages im Auftrag eines anderen Unternehmens, des Hauptunternehmens, einen Teil oder die gesamte vom Hauptunternehmen gegenüber dessen Auftraggeber geschuldeten Leistung. Das Subunternehmen ist rechtlich selbstständig und in der Art und Weise, wie es seinen Vertrag erfüllt, frei. Praxishinweis Die Zusammenarbeit mit dem Hauptunternehmen kann den Tatbestand der Scheinselbstständigkeit erfüllen, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen.12

Erfolgt die Tätigkeit im Rahmen eines Gewerbes, so müssen dafür die gleichen Vor- 46 aussetzungen wie beim Gewerbetreibenden vorliegen.13 Praxishinweis Durch die Auftragsvergabe an Subunternehmer verlagert der Hauptunternehmer das unternehmerische Risiko auf den Subunternehmer, da dieser für seine geleistete Arbeit die volle Verantwortung übernehmen muss. Im Verhältnis zum Auftraggeber verbleibt es aber bei einer Haftung des Hauptunternehmers, was zu schwierigen rechtlichen Auseinandersetzungen führen kann.

7. Handelsvertreter Gem. § 84 Abs. 1 S. 1 HGB ist Handelsvertreter, wer als selbstständiger Gewerbetrei­ 47 bender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (Unternehmer-) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Er arbeitet in fremdem Namen und für fremde Rechnung, ist im Wesentlichen frei in der Gestaltung seiner Tätigkeit sowie der Bestimmung seiner Arbeitszeit und somit grundsätzlich selbstständig. Dass er im Wesentlichen bei der Bestimmung seiner Arbeitszeit und der Ausübung seiner Tätigkeit frei entscheiden kann, unterscheidet ihn von abhängig Beschäftigten mit ähnlicher Vertriebsfunktion (z.B. dem Reisenden). Da der Handelsvertretervertrag ein Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.v. §  675 48 i.V.m. § 665 BGB ist, hat der Handelsvertreter kraft Gesetz jedoch allgemeine fachliche

12 Vgl. hierzu die Ausführungen unter Rn 16 ff. 13 Vgl. hierzu die Ausführungen unter Rn 31 ff.

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Weisungen in Bezug auf den Inhalt seiner Tätigkeit zu befolgen, sofern ihm ein so hinreichender Gestaltungsspielraum verbleibt, dass von einer im Wesentlichen freien Gestaltung seiner Tätigkeit ausgegangen werden kann. Ausnahmsweise kann der Handelsvertreter aber auch als arbeitnehmerähn­ 49 liche Person einzuordnen sein, auf die das Arbeitsrecht Anwendung findet. Dies ist der Fall, wenn sein Verdienst nicht höher als 1.000 € brutto monatlich beträgt. Der Handelsvertreter gilt dann als wirtschaftlich abhängig und sozial schutzbedürftig und könnte gem. § 5 Abs. 3 ArbGG vor dem Arbeitsgericht versuchen, Ansprüche oder Rechte geltend zu machen. Voraussetzung ist aber, dass er tatsächlich nur für ein Unternehmen tätig war oder faktisch nur für ein Unternehmen tätig werden könnte (Einfirmenhandelsvertreter – § 92a HGB). Praxishinweis Ein geringes Einkommen, das die wirtschaftliche Abhängigkeit begründet, ist anzunehmen, wenn die Provisionen der letzten sechs Monate im Durchschnitt einen Betrag von 1.000 € nicht überstiegen haben (BAG, Urt. v. 20.10.2009 – 5 AZB 30/09 –). 50 Der Handelsvertreter kann unter bestimmten Umständen, bspw. bei Umsatzvorga-

ben, eng angelegten Kontrollen des Auftraggebers, Pflichtanwesenheit, vorgegebenen Terminen bei Kunden, Tourenplänen, Urlaubsabstimmungen mit dem Auftraggeber, Teilnahmezwang an Fortbildungen, Nachweisverpflichtungen im Krankheitsfall sowie dem Verbot, Angestellte einzustellen, auch scheinselbstständig sein.14 Praxishinweis Arbeitgeberseitig sollte dem Handelsvertreter die Teilnahme an Seminaren oder anderen Veranstaltungen lediglich empfohlen und eine Einladung verschickt werden. Eine Nachfrage bezüglich der Teilnahme kann mit dem Hinweis verbunden werden, dass man sich über das Erscheinen freuen würde und die Teilnahme generell für erfolgsnotwendig gehalten wird.

51 Insbesondere das Verbot der Ausübung von Nebentätigkeiten kann mittelbare

Auswirkung auf den Status als Selbstständiger haben, wenn der Handelsvertreter über seine Arbeitszeit nicht mehr frei verfügen darf. Bei einem totalen Verbot von Nebentätigkeiten ist der Handelsvertreter darauf angewiesen, die finanzielle Grundlage für seinen Lebensunterhalt ausschließlich mit Arbeiten für das verbundene Unternehmen zu schaffen und dort u.U. gegen seinen Willen Arbeitszeiten zu verlängern oder neu anzupassen.

14 Stellvertretend für die Auflistung: BAG, Urt. v. 15.12.1999 – 5 AZR 169/99 –, – 5 AZR 566/98 – und – 5 AZR 770/98 –.

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Praxishinweis Der Arbeitgeber sollte keinen Einfluss auf die Einteilung der Arbeitszeit des Handelsvertreters nehmen – es sei denn, der Handelsvertreter hat um Zeitfenster für die Vergabe von Terminen gebeten oder solche mitgeteilt. Aus Beweisgründen ist eine Archivierung entsprechender Unterlagen angeraten.

8. Franchisenehmer Ein Franchisevertrag liegt vor, wenn ein Unternehmer (Franchise-Geber) einem 52 anderen Unternehmer (Franchise-Nehmer) für dessen Betriebsführung zur Nutzung gegen Entgelt und Übernahme bestimmter Pflichten Handelswaren oder Handelsmarken, Warenzeichen, Geschäftsform, Vertriebsmethoden und Know-how sowie das Recht überlässt, bestimmte Waren oder Dienstleistungen zu vertreiben. Bei einem Franchisesystem handelt es sich somit um eine Absatzorganisation, die einerseits aus einem Ideengeber besteht, der einen selbstständig entwickelten Geschäftsbereich samt Durchführungs- und Planungsüberlegungen gewinnbringend vermarkten möchte. Andererseits setzen Ideennehmer auf das (erprobte) Konzept, den Wettbewerbsvorsprung oder das Imagekonzept des Unternehmens und verpflichten sich über einen bestimmten Zeitraum, ein Nutzungsentgelt zu zahlen. Der Franchise-Nehmer betreibt sein Geschäft grundsätzlich im eigenen Namen und für eigene Rech­ nung und ist demnach selbstständiger Unternehmer. Die Bindungen zwischen dem Franchise-Geber und dem Franchise-Nehmer 53 können allerdings so stark werden, dass der Franchise-Nehmer nicht mehr als selbstständiger Unternehmer angesehen werden kann. Wird der Franchise-Nehmer durch eine vertragliche Vereinbarung vollständig in die Organisation des Franchise-Gebers einbezogen und verliert er dadurch die Möglichkeit, seine Tätigkeit im Wesentlichen frei zu gestalten, so ist er Arbeitnehmer. Betreibt der Franchise-Geber in diesem Fall ein Handelsgewerbe, so hat der Franchise-Nehmer regelmäßig die Rechtsstellung eines Handlungsgehilfen, da er kaufmännische Dienste verrichtet. Praxishinweis Bei unklarer Rechtslage kann der Franchise-Nehmer eine Statusfeststellungsklage vor den Arbeitsgerichten erheben, um klären zu lassen, ob er Arbeitnehmer ist und ihm Arbeitnehmerschutzrechte mit entsprechenden Ansprüchen zustehen.

III. Prozessuales Arbeitsrechtliche Rechtsstreitigkeiten in Zusammenhang mit Selbstständigen sind 54 aufgrund der nicht anwendbaren Vorschriften des Kündigungsschutzgesetztes und anderer Arbeitnehmerschutzvorschriften auf enge Rechtsfragen begrenzt. So ist gem. §  6 Abs. 3 AGG zwar der persönliche Anwendungsbereich auch für Selbstständige eröffnet, sachlich gilt diese Erweiterung allerdings nur für die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit und den beruflichen Aufstieg, was dem Anwendungsbereich des Gesetzes gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG entspricht. Ferbeck

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 Kapitel 35 Selbstständige Arbeit

Praxishinweis Honorarforderungen, Auftragskündigungen, Urheber- und Leistungsschutzrechte müssen vor den Zivilgerichten und nicht über die Arbeitsgerichtsbarkeit geltend gemacht werden. 55 Rechtlich problematisch sind Fälle, die aufgrund einer Rechtsnorm entschie-

den werden müssen, die dem Selbstständigen einen Anspruch sowohl aus dem Arbeitsrecht als auch aus dem Zivilrecht ermöglichen könnten (§§ 611 ff. BGB). In derartigen Fällen wäre der Kläger in der Lage, die Spruchpraxis von Arbeits- und Zivilgericht für seinen Fall zu vergleichen und sich durch entsprechende Klageeinreichung das für ihn günstigere Recht „auszusuchen“. Diese Vorgehensweise ist jedoch unzulässig. Gem. Art. 101 Abs. 2 GG muss für jeden Rechtsfall das zuständige Gericht im Vorhinein festgelegt werden, um ein willkürliches, einzig nach Erfolgsaussichten motiviertes Klageverfahren zu verhindern. Arbeitsrechtlich liegt ein sog. „et-et“-Fall vor. Hier muss das angerufene Gericht wenigstens für eine Anspruchsgrundlage zuständig sein. Der Rechtsstreit wird dann gem. § 17 Abs. 2 S. 1 GVG „unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten“ geprüft. Zur Begründung der Rechtswegzuständigkeit reicht die bloße Rechtsansicht der klagenden Partei, sie sei Arbeitnehmer, nicht aus. Nach der Rechtsprechung des BAG muss sich seine Zuständigkeit aus den Darlegungen im Verfahren schlüssig ergeben (BAG, Beschl. v. 10.12.1996 – 5 AZB 20/96 –). Praxishinweis Ist der Selbstständige der Ansicht, dass er aufgrund der Tätigkeiten für seinen Auftraggeber Arbeitnehmer ist, reicht für die Zuständigkeit einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung allein nicht aus, dies zu behaupten. Tatsächlich ist der Selbstständige dazu angehalten, diesbezügliche Indizien anzuführen, die durch ihr schlüssiges Erscheinen eine Überprüfung vor dem Arbeitsgericht sinngemäß erscheinen lassen.

56 Kann der Anspruch dagegen entweder nur auf eine arbeitsrechtliche oder nur auf eine

bürgerlich-rechtliche Anspruchsgrundlage gestützt werden, schließen sich mithin zivil- und arbeitsrechtliche Ansprüche aus, spricht man von einem „aut-aut“-Fall.

Praxishinweis Ein Anspruch auf Zahlung von Vergütung und Aufwendungsersatz setzt bspw. kein Arbeitsverhältnis voraus, sondern lässt sich auch auf bürgerlich-rechtliche Anspruchsgrundlagen stützen. Das Rechtsverhältnis zwischen Auftraggeber und Selbstständigem kann dagegen nur entweder ein Arbeitsverhältnis oder ein anderes Rechtsverhältnis sein.

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B. Steuerrecht 

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Checkliste –– Inhalt und Bezeichnung des Vertrages prüfen, –– Vertragsinhalte mangels Direktionsrechts genau festlegen, –– tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses beobachten, –– Abgrenzung zu Arbeitnehmern/Scheinselbstständigen berücksichtigen, –– im Zweifel Statusabfragen veranlassen, –– Betriebsverfassungs- und Tarifrecht kann unbeachtet bleiben.15

B. Steuerrecht Für selbstständig tätige Personen ergeben sich keine lohnsteuerlichen Pflichten. 57 Ob es sich im steuerrechtlichen Sinn tatsächlich um eine Tätigkeit handelt, die selbstständig ausgeübt wird, muss nach wertender Betrachtung aller Umstände des kon­ kreten Einzelfalls bei Abschluss der vertraglichen Vereinbarung geprüft werden.16

C. Sozialversicherungsrecht I. Grundsatz der Selbstständigen Arbeit Eine selbstständige Tätigkeit liegt in der Regel dann vor, wenn die Person im eigenen 58 Namen und auf eigene Rechnung erwerbstätig ist. Die in der Regel sozialversicherungsfreie selbstständige Arbeit ist von der stets sozialversicherungspflichtigen abhängigen Beschäftigung abzugrenzen. Hinsichtlich der Abgrenzungskriterien und der Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit wird an dieser Stelle auf die in Kap. 14 – Freelancer, Rn 51 ff. getätigten Ausführungen verwiesen. Allerdings sind nicht alle Personen, welche formal oder tatsächlich einer selbst- 59 ständigen Arbeit nachgehen als vollumfänglich sozialversicherungsfrei einzustufen. Auf diese Ausnahmen soll im Folgenden Bezug genommen werden.

II. Rentenversicherungspflichtige Selbstständige Wie bereits erwähnt, sind nicht alle Selbstständigen ausnahmslos sozialversiche- 60 rungsfrei. Der in § 2 SGB VI genannte Personenkreis der rentenversicherungspflichtigen Selbstständigen unterliegt jedoch, obwohl die Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit gegeben sind, der Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Rentenver­ sicherung. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass dieser Personenkreis von den

15 Eine weitere ausführliche Checkliste zur Abgrenzung befindet sich im Kap. 14 – Freelancer. 16 Zu den Einzelheiten der Abgrenzung vgl. Kap. 14 – Freelancer Rn 36 f.

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 Kapitel 35 Selbstständige Arbeit

anderen Versicherungszweigen (Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung) befreit sind. Im Falle der rentenversicherungspflichtigen Selbstständigen sind die Ren­ 61 tenversicherungsbeiträge von diesen vollumfänglich selbst zu tragen. Zum Kreis der rentenversicherungspflichtigen Selbstständigen gehören insbe62 sondere (vgl. § 2 SGB VI): –– Lehrer und Erzieher, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, –– Pflegepersonen, die in der Kranken-, Wochen-, Säuglings- oder Kinderpflege tätig sind und im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, –– Hebammen und Entbindungspfleger, –– Seelotsen der Reviere i.S.d. Gesetzes über das Seelotsenwesen, –– Künstler und Publizisten nach näherer Bestimmung des Künstlersozialversicherungsgesetzes, –– Hausgewerbetreibende, –– Küstenschiffer und Küstenfischer nach näheren Bestimmungen, –– Gewerbetreibende, die in der Handwerksrolle eingetragen sind, entsprechend den konkreten berufsständischen Maßgaben und –– Personen für die Dauer des Bezuges eines Existenzgründungszuschusses durch die ARGE (§ 421 l SGB III) oder einer Leistung zur Eingliederung (§ 16 SGB II).

III. Arbeitnehmerähnliche Selbstständige

63 Ein weiterer besonders praxisrelevanter Fall der rentenversicherungspflichtigen

Selbstständigen gem. § 2 SGB VI sind die Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitneh­ mer beschäftigen und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind (§ 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI). Hinsichtlich dieses Personenkreises spricht man von arbeitnehmerähnlichen Selbstständigen. Die Begriffe „auf Dauer und im Wesentlichen für einen Auftraggeber“ sind gesetz64 lich nicht abschließend definiert. Von der Dauerhaftigkeit der Tätigkeit für einen Auftraggeber ist auszugehen, 65 wenn diese im Rahmen eines Dauerauftragsverhältnisses oder eines regelmäßig wiederkehrenden Auftragsverhältnisses erfolgt.17 Bei einer im Voraus begrenzten (insbesondere projektbezogenen) Tätigkeit ohne begründete Aussicht auf eine Verlängerung liegt keine Bindung an nur einen Auftraggeber vor. Die Praxis geht hiervon immer dann aus, wenn die Tätigkeit voraussichtlich nicht länger als ein Jahr andauern wird. Hinsichtlich der Dauer sind die jeweiligen branchenspezifischen Besonder-

17 Vgl. Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 20.12.1999.

Maihöfer

C. Sozialversicherungsrecht 

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heiten und regelmäßige Auftrags- bzw. Projektvolumina zu berücksichtigen. So sind die zeitlichen Projekt- bzw. Auftragsvolumina bei IT-Spezialisten/Programmierern in der Regel länger als bspw. bei selbstständigen Gärtnern oder Handwerkern. Dies ist im Einzelfall abzuwägen. Hinsichtlich der Frage, ob der Selbstständige im Wesentlichen für einen Auftrag- 66 geber tätig ist, hängt auch von den erzielten Umsätzen des Selbstständigen ab. Die Praxis geht von einer wesentlichen Tätigkeit für einen Auftraggeber aus, wenn der Selbstständige mindestens 5/6 seiner Brutto-Einkünfte aus der Tätigkeit für einen einzigen Auftraggeber erzielt. Bei dem vorstehenden Wert handelt es sich jedoch nur um eine Orientierungsgröße. Der Beurteilungszeitraum für diesen Orientierungswert ist grundsätzlich das Kalenderjahr. Einkünfte des Vorjahres und künftige Einkünfte sind in der Gesamtschau jedoch ebenfalls mit zu berücksichtigen. Praxishinweis Arbeitnehmerähnliche Selbstständige unterliegen gem. § 2 Nr. 9 SGB VI jedoch nur der Rentenversicherungspflicht. Die anderen Versicherungszweige werden hier nicht umfasst. Die gegenständliche Rentenversicherungspflicht gilt jedoch nicht für selbstständige Künstler und Publizisten, da diese bereits über die Künstlersozialkasse rentenversichert sind.

Wird bei einer Betriebsprüfung festgestellt, dass die beauftragte Person zu den arbeit- 67 nehmerähnlich Selbstständigen zählt, droht nicht dem Auftraggeber, sondern dem schwächeren Teil der Geschäftsbeziehung, also dem Selbstständigen, der von einem Auftraggeber abhängig ist, beitragsrechtliche Konsequenzen. Es kann eine Nach­ zahlungsverpflichtung von Rentenversicherungsbeiträgen in Höhe von bis zu fünf Jahren drohen (Ansprüche auf Beiträge verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind). Bei vorsätzlich vorenthaltenen Beiträgen droht sogar eine dreißigjährige Verjährungsfrist. Praxistipp Besteht Unklarheit, ob eine selbstständige Tätigkeit oder eine arbeitnehmerähnliche Selbstständigkeit vorliegt, ist die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens gem. § 7a SGB IV zu empfehlen.18

IV. Sonderfall „1-Mann-GmbH“ Die vorstehenden Ausführungen zu rentenversicherungspflichtigen Selbstständigen 68 i.S.d. § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI19 können auch hinsichtlich Gesellschaften mit beschränkter Haftung gelten. Bei GmbHs, welche regelmäßig keine versicherungspflichtigen

18 Näheres dazu siehe Kap. 14 – Freelancer, Rn 63 ff. 19 Siehe Rn 60 ff.

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 Kapitel 35 Selbstständige Arbeit

Arbeitnehmer beschäftigen und auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind, spricht man von sog. „1-Mann-GmbHs“. In diesem Fall ist der Gesellschafter-Geschäftsführer der Gesellschaft (selbst bei einer 100 %igen Kapitalbeteiligung) ebenfalls rentenversicherungspflichtig.

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V. Scheinselbstständige Bei der Abgrenzung zwischen selbstständiger Arbeit und abhängiger Beschäftigung ist auch die Gruppe der Scheinselbstständigen zu beachten. Die Scheinselbstständigkeit ist gesetzlich nicht normiert. Scheinselbstständige sind Personen, welche im Außenverhältnis als Selbstständige auftreten, aber im Innenverhältnis gegenüber ihrem Auftraggeber die Merkmale eines Beschäftigten erfüllen. Merkmale einer Scheinselbstständigkeit sind u.a. in §  2 S. 1 Nr. 9 SGB IV definiert.20 Hinzu kommt, dass die Tätigkeit eines Scheinselbstständigen die Merkmale eines unternehmerischen Handelns regelmäßig nicht erkennen lässt und der Auftraggeber entsprechende Tätigkeiten auch durch eigene Arbeitnehmer verrichten lässt. Ebenso sind die Scheinselbstständigen oft auch in die Betriebsabläufe des Auftraggebers eingebunden und unterliegen dessen Direktionsund Weisungsrecht. Scheinselbstständige tragen kein nachhaltiges unternehmerisches Risiko, nutzen die Betriebsmittel des Auftraggebers und nehmen keine eigene Unternehmerchance wahr. Häufige Fälle von Scheinselbstständigkeit findet man bei Handelsvertretern und bei Personen, die dieselbe Tätigkeit für den Auftraggeber vorher als beschäftigter Arbeitnehmer erbracht haben. Scheinselbstständige sind versicherungspflichtig in allen Zweigen der Sozialversicherung. Das Risiko für nicht geleistete Sozialversicherungsbeiträge im Falle von Scheinselbstständigkeit trägt der Auftraggeber. Scheinselbstständige werden beschäftigten Arbeitnehmern gleichgestellt. Praxistipp Bei Zweifeln, ob eine selbstständige Tätigkeit oder Scheinselbstständigkeit vorliegt, wird die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens gem. § 7a SGB IV empfohlen.21

20 Vgl. Rn 63 ff. 21 Näheres dazu siehe Kap. 14 – Freelancer, Rn 63 ff.

Maihöfer

Kapitel 36 Studentische Aushilfsarbeitsverhältnisse A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis Arbeitgeber sehen sich in der Praxis regelmäßig mit Geschäftslagen konfrontiert, die 1 phasenweise einen erhöhten Personalbedarf erfordern, z.B. bei erhöhter Auftragslage oder bei Ausfällen in der Stammbelegschaft. In diesem Zusammenhang werden meist zeitnah flexibel einsetzbare Arbeitskräfte benötigt. Hierfür bietet die stetig zunehmende Anzahl von Studenten1 einen für den Arbeitgeber interessanten „Personal­ pool“ einsetzbarer studentischer Aushilfsarbeitskräfte. Nutzen für den Arbeitgeber –– Ein Großteil der Studenten ist regelmäßig auf der Suche nach studentischen Nebenjobs, –– Befreiung von der Sozialversicherungspflicht bei entgeltlicher Beschäftigung neben dem Studium, –– Studenten sind hinsichtlich der Zeitgestaltung flexibel einsetzbar.

Bei der Anbahnung und Begründung eines studentischen Aushilfsarbeitsverhältnis- 2 ses stellt sich für viele Unternehmen die Frage, wie ein solches Anstellungsverhältnis auszugestalten und zu handhaben ist. Dieser bestehenden Unsicherheit lässt sich in der Praxis durch die Beachtung einiger Grundsätze, die den rechtlichen Rahmen vorgeben, begegnen. Unter einem studentischen Aushilfsarbeitsverhältnis versteht man grund- 3 sätzlich die Tätigkeit, die ein Student neben dem Studium zu Erwerbszwecken gegen Bezahlung ausübt. Hiervon abzugrenzen ist ein Student, der im Rahmen eines Praktikums in einem Betrieb tätig wird. Dies unterscheidet sich insoweit, als dass es im Rahmen des Praktikums vorrangig um das Sammeln und Ableisten von praktischen Erfahrungen geht, die in der Regel Teil eines Studiums sind. Steht jedoch der Austausch von Arbeitsleitung und Entgelt im Vordergrund, so handelt es sich regelmäßig um ein studentisches Aushilfsarbeitsverhältnis. Der Einsatz des Studenten kann jedoch sowohl als freier Mitarbeiter als auch als Arbeitnehmer erfolgen.2 Dies hängt stark von den individuellen Einzelumständen ab, aufgrund derer die Tätigkeit im Unternehmen ausgeübt werden soll. Die Abgrenzung zwischen einem Arbeitsverhältnis und einem Anstellungsverhältnis als freier Mitarbeiter erfolgt auch im Rahmen einer Studentenbeschäftigung vorrangig anhand des Abgrenzungskriteriums der Weisungsabhängigkeit. Der Student ist als Arbeitnehmer zu qualifizieren,

1 Definiert wird ein Student als eine an einer Hochschule immatrikulierte Person, die dort einen akademischen Abschluss anstrebt. 2 Einzelheiten siehe Kap. 14 – Freelancer.

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 Kapitel 36 Studentische Aushilfsarbeitsverhältnisse

sofern er bezüglich des Ob, Wann und Wie der Arbeitsleistung weisungsabhängig ist. Kann der Student diese Aspekte frei gestalten, so ist ein freies Mitarbeiterverhältnis anzunehmen.

II. Verträge mit studentischen Aushilfen 1. Immatrikulationsbescheinigung 4 Bei der Begründung eines studentischen Aushilfsarbeitsverhältnisses spielt der Status „Student“, insbesondere das Vorhandensein einer Immatrikulation an einer Hochschule mit entsprechendem Nachweis, eine große Rolle. Denn gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V sind Studenten von der Sozialversicherungspflicht als Beschäftigte nur dann befreit, sofern sie neben ihrem Studium eine entgeltliche Beschäftigung ausüben, um sich durch ihre Arbeit die zur Durchführung des Studiums und zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts erforderlichen Mittel zu verdienen.3 Praxistipp Die Vorlage der Immatrikulationsbescheinigung vor Arbeitsantritt sollte als aufschiebende Bedingung für das Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses vertraglich vereinbart sein. Auch während der Dauer eines Anstellungsverhältnisses mit einem Studenten ist die regelmäßige Vorlage einer aktuellen Immatrikulationsbescheinigung der jeweiligen Hochschule zu verlangen. Der Student sollte vertraglich verpflichtet sein, unaufgefordert die aktuellste Immatrikulationsbescheinigung in regelmäßigen Abständen vorzulegen. Um die Verpflichtung des Studenten nicht leerlaufen zu lassen, sollte dem Arbeitgeber im Vertrag ein Kündigungsrecht eingeräumt werden für den Fall, dass der Student die erforderlichen Bescheinigungen nicht vorlegt. Alternativ kann das Arbeitsverhältnis unter die auflösende Bedingung der Vorlage der Immatrikulationsbescheinigung gestellt werden.

2. Befristung 5 Bei Abschluss eines studentischen Aushilfsarbeitsvertrages mit einem Studenten muss sich der Arbeitgeber die Frage stellen, ob die Beschäftigung unbefristet oder befristet erfolgen soll. In der Praxis dürfte sich regelmäßig eine Befristung des Arbeitsverhältnisses anbieten und von beiderseitigem Interesse sein. So wird das Interesse des Arbeitgebers an der Beschäftigung von Studenten im Grundsatz darauf ausgerichtet sein, den Studenten nur für einen begrenzten Zeitraum als „studentische Aushilfskraft“ zu beschäftigen. Demgegenüber liegt das Interesse des Studenten vorrangig darin, sich neben dem Studium eine Erwerbsquelle zu schaffen, um sich das Studium und/oder den Lebensunterhalt zu finanzieren, ohne das Studium vernachlässigen zu müssen.

3 BeckOK-SGB/Ulmer, SGB V § 6 Rn 24.

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a) Teilzeit- und Befristungsgesetz aa) Befristung gem. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG Für den Arbeitgeber bietet sich zunächst der Befristungsgrund4 des § 14 Abs. 1 S. 2 6 Nr. 6 TzBfG („in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen“) an. Die Befristung ist hiernach grundsätzlich möglich, da Studenten im eigenen Interesse ihre Erwerbstätigkeit immer wieder den wechselnden Erfordernissen des Studiums anpassen müssen. Auch das BAG sieht die Befristung von Arbeits­ verhältnissen mit Studenten im Arbeitsleben grundsätzlich als üblich und sachlich gerechtfertigt an.5 Eine Befristung gem. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG ist jedoch nicht möglich, wenn dem Interesse des Studenten, die von ihm zu erbringende Arbeitsleistung mit den wechselnden Erfordernissen des Studiums in Einklang zu bringen, bereits durch anderweitige Maßnahmen Rechnung getragen werden kann.6 Dies ist z.B. der Fall, wenn der Student lediglich an Wochenenden eingesetzt wird und daher in der Regel keine Kollisionen mit dem Studium zu erwarten sind. bb) Befristung gem. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG Entsteht im Betrieb des Arbeitgebers ein vorübergehend erhöhter Arbeitsanfall, so 7 stellt hierfür der Befristungsgrund des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG das richtige Handlungsinstrument dar. Nach dieser Vorschrift liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses vor, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht. Der Sachgrund des vorübergehenden betrieblichen Bedarfs an der Arbeitsleis- 8 tung des Arbeitnehmers setzt nach der Rechtsprechung des BAG voraus, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw. der Vereinbarung über die Befristungsabrede mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass für eine Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers über das vorgesehene Vertragsende hinaus kein Bedarf besteht.7 Diesbezüglich hat der Arbeitgeber eine Prognose zu erstellen, der konkrete Anhaltspunkte zugrunde liegen müssen.8 Praxistipp Die Beweislast bezüglich der Darlegung der tatsächlichen Grundlage der Prognose des betrieblichen Bedarfs trägt der Arbeitgeber. Eine etwaige Ungewissheit der künftigen Bedarfsentwicklung als solche reicht für die Rechtfertigung einer Befristung nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG nicht aus, da diese Unsicherheit zum unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers gehört.9

4 Weitere Einzelheiten siehe auch Kap. 7 – Befristung. 5 BAG, Urt. v. 4.4.1990 – 7 AZR 259/89 –. 6 BAG, Urt. v. 16.4.2003 – 7 AZR 187/02 – ; BAG, Urt. v. 29.10.1998 – 7 AZR 561/97 –; BAG, Urt. v. 10.8.1994 – 7 AZR 695/93 –. 7 BAG, Urt. v. 29.7.2009 – 7 AZR 907/07 –. 8 Boecken/Joussen/Boecken, § 14 TzBfG Rn 45. 9 Boecken/Joussen/Boecken, § 14 TzBfG Rn 46.

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 Kapitel 36 Studentische Aushilfsarbeitsverhältnisse

9 Besteht das Tätigkeitsfeld des Arbeitgebers vorrangig darin, individuelle und zeitlich

begrenzte Projekte für seine Kundschaft abzuwickeln, so kann die sog. Projektbe­ fristung als Unterfall des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG das richtige Befristungsinstrument zur Ausgestaltung des studentischen Aushilfsarbeitsverhältnisses sein. Handelt es sich um eine Projektbefristung, so ist zu beachten, dass das BAG an die Zulässigkeit der Befristung grundsätzlich geringere Anforderungen stellt. Dies gilt insbesondere für die anzustellende Prognose.10 Nach der Rechtsprechung des BAG muss sich die Prognose des Arbeitgebers bei 10 der Projektbefristung allein auf den durch die Beendigung des konkreten Projekts vorhersehbaren Wegfalls des zusätzlichen Arbeitsbedarfs für den befristet eingestellten Arbeitnehmer beziehen.11 Unerheblich ist, ob der befristet beschäftigte Arbeitnehmer nach Fristablauf aufgrund seiner Qualifikation auf einem freien Arbeitsplatz in einem anderen Projekt befristet oder unbefristet beschäftigt werden könnte.12 Es genügt für eine fundierte Prognose im Rahmen einer Projektbefristung, wenn der Arbeitgeber die Tatsachen, aus denen sich die zeitliche und/oder sachliche Begrenztheit des Auftrags ergibt, darlegt, da bereits dieser Umstand die ausreichende Prognose begründet, dass nach Ablauf des Projekts der Bedarf an der Arbeitsleistung des zu dessen Durchführung befristet eingestellten Arbeitnehmers entfällt.13 Praxishinweis Auch im Rahmen der Projektbefristung trägt der Arbeitgeber die Beweislast für die Prognose der Notwendigkeit einer Projektbefristung. 11 Darüber hinaus verlangt das BAG für die sachliche Rechtfertigung der Projektbefris-

tung, dass es sich bei den im Rahmen des Projekts zu bewältigenden Aufgaben um eine auf vorübergehende Dauer angelegte und gegenüber den Daueraufgaben des Arbeitgebers abgrenzbare Zusatzaufgabe handelt; dies ist nicht bei Tätigkeiten der Fall, die der Arbeitgeber im Rahmen des verfolgten Betriebszwecks dauerhaft wahrnimmt.14 Praxishinweis Beide Befristungsvarianten des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG erfordern zwischen dem vorübergehend anfallenden erhöhten Arbeitsanfall und der befristeten Einstellung der studentischen Aushilfsarbeitskraft einen kausalen Sachzusammenhang. Dieser Zusammenhang wird nicht bereits dadurch

10 BAG, Urt. v. 20.2.2008 – 7 AZR 950/06 –. 11 BAG, Urt. v. 20.2.2008 – 7 AZR 950/06 –. 12 BAG, Urt. v. 7.11.2007 – 7 AZR 484/06 –. 13 Boecken/Joussen/Boecken, § 14 TzBfG Rn 47. 14 BAG, Urt. v. 29.7.2009 – 7 AZR 907/07 –.

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A. Arbeitsrecht 

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unterbrochen, dass der Arbeitgeber die vorhandene Arbeitsmenge verteilt, seine Arbeitsorganisation ändert oder die zusätzlich anfallenden Arbeiten einem anderen als dem befristet eingestellten Arbeitnehmer zuweist.15

cc) Befristung gem. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG Fällt im Betrieb des Arbeitgebers ein Mitarbeiter aus, so benötigt der Arbeitgeber in 12 aller Regel für den Zeitraum, in dem der Mitarbeiter ausfällt, eine Vertretung, um einen kontinuierlichen Betriebsablauf gewährleisten zu können. Dies kann auch durch die befristete Einstellung einer studentischen Aushilfskraft zur Vertretung i.S.d. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG erreicht werden. Der Sachgrund für die Befristung liegt in Vertretungsfällen darin, dass der Arbeit- 13 geber bereits zu dem vorübergehend an der Arbeitsleistung verhinderten Arbeitnehmer in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Arbeitnehmers rechnet, so dass für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Mitarbeiter obliegenden Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis besteht.16 Teil des Sachgrundes ist daher die Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs durch die Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters.17 Davon kann grundsätzlich ausgegangen werden, weil in der Regel damit zu rechnen ist, dass der Vertretene nach Beendigung der Erkrankung, Freistellung oder Beurlaubung seine arbeitsvertraglichen Pflichten wieder erfüllen wird.18 Die Prognose des Arbeitgebers muss sich nur auf den Wegfall des Vertretungsbedarfs durch die zu erwartende Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters beziehen, nicht aber auf den Zeitpunkt der Rückkehr und damit auf die Dauer des Vertretungsbedarfs erstrecken.19 Praxishinweis Der Befristungsgrund der Vertretung greift nur, sofern der Arbeitgeber sicher damit rechnet, dass der Vertretene nach seinem Ausfall an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt. Nur in diesem Fall besteht ein zeitlich begrenzter Vertretungsbedarf, der durch eine Aushilfskraft gedeckt werden kann. Die Beweislast bezüglich der Prognose des Sachgrundes des § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG trägt der Arbeitgeber.

Eine wiederholte Befristung des Arbeitsverhältnisses wegen der mehrfachen Verhin- 14 derung der zu vertretenden Stammkraft steht der Prognose des künftigen Wegfalls des Vertretungsbedarfs nicht entgegen. Nur wenn der Arbeitgeber im Ausnahmefall aufgrund ihm vorliegender Informationen erhebliche Zweifel daran haben muss, dass

15 BAG, Urt. v. 20.2.2008 – 7 AZR 950/06 –. 16 BAG, Urt. v. 25.3.2009 – 7 AZR 34/08 –; BAG, Urt. v. 5.6.2002 – 7 AZR 201/01 –. 17 BAG, Urt. v. 25.3.2009 – 7 AZR 34/08 –. 18 BAG, Urt. v. 25.3.2009 – 7 AZR 34/08 –; BAG, Urt. v. 11.12.1991 – 7 AZR 431/90 –. 19 BAG, Urt. v. 25.3.2009 – 7 AZR 34/08 –.

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 Kapitel 36 Studentische Aushilfsarbeitsverhältnisse

die zu vertretende Stammkraft überhaupt wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren wird, kann dies dafür sprechen, dass der Sachgrund der Vertretung nur vorgeschoben ist, womit die Befristung unwirksam sein kann.20 Praxistipp Ist dem Arbeitgeber bekannt oder drängen sich ihm Zweifel auf, dass der vertretene Arbeitnehmer nicht wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehrt bzw. zurückkehren kann, dann kann die Befristung nicht auf § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG gestützt werden. 15 Der Sachgrund der Vertretung setzt nicht voraus, dass der befristet zur Vertretung

eingestellte Student die vorübergehend ausfallende Stammkraft unmittelbar vertritt und die von ihr bislang ausgeübten Tätigkeiten erledigt.21 Der Student kann auch mit anderen Aufgaben betraut werden, da die befristete Beschäftigung zur Vertretung die Versetzungs- und Umsetzungsbefugnisse des Arbeitgebers unberührt lässt. Es muss aber sichergestellt sein, dass die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers wegen des Arbeitskräftebedarfs erfolgt, der durch die vorübergehende Abwesenheit des zu vertretenden Mitarbeiters entsteht. Fehlt ein solcher Kausalzusammenhang, ist die Befristung nicht durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt.22

dd) Befristung ohne Sachgrund gem. § 14 Abs. 2 TzBfG

16 Nach § 14 Abs. 2 TzBfG kann ein studentisches Aushilfsarbeitsverhältnis auch ohne

Sachgrund bis zu einer Dauer von zwei Jahren befristet werden, wobei bis zur Gesamtdauer von zwei Jahren höchstens die dreimalige Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags zulässig ist.23 Praxishinweis Bei der Befristung ohne Sachgrund nach § 14 Abs. 2 TzBfG ist stets das Zuvorbeschäftigungsverbot des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG zu beachten. Stand hiernach der anzustellende Arbeitnehmer bereits zuvor in einem befristeten oder unbefristeten Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber, so scheidet eine sachgrundlose Befristung grundsätzlich aus, es sei denn, das frühere Arbeitsverhältnis liegt mehr als drei Jahre zurück.24 Sinn und Zweck des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ist nicht die Verhinderung befristeter Verträge, sondern die Verhinderung von „Befristungsketten“.

20 BAG, Urt. v. 25.3.2009 – 7 AZR 34/08 –; BAG, Urt. v. 23.1.2002 – 7 AZR 440/00 –; BAG, Urt. v. 27.6.2002 – 7 AZR 326/00 –. 21 BAG, Urt. v. 25.3.2009 – 7 AZR 34/08 –; BAG, Urt. v. 20.1.1999 – 7 AZR 640/97 –. 22 BAG, Urt. v. 25.3.2009 – 7 AZR 34/08 –. 23 Küttner/Röller, Aushilfskräfte Rn 2. 24 BAG, Urt. v. 6.4.2011 – 7 AZR 716/09 –.

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ee) Schriftform Wird das studentisches Aushilfsarbeitsverhältnis befristet abgeschlossen, so ist zu 17 beachten, dass die Befristung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform gem. § 14 Abs. 4 TzBfG bedarf. Praxishinweis Die Missachtung dieser Formvorschrift hat zur Folge, dass das Arbeitsverhältnis als unbefristet abgeschlossen gilt.

ff) Wissenschaftszeitvertragsgesetz Eine Sonderregelung im Rahmen der Befristung ist nach §  1 Abs. 1 WZVG für stu­ 18 dentische Aushilfskräfte an Einrichtungen des Bildungswesens zu beachten, die nach Landesrecht staatliche Hochschulen sind. Hiernach sind Befristungen möglich, die den allgemeinen Katalog des Teilzeit- und Befristungsgesetzes im Bereich des Hochschul- und Forschungsbereichs erweitern. Grundsätzlich gilt auch hier das Teilzeit- und Befristungsgesetz, soweit seine Regelungen den Vorschriften der §§ 2 bis 6 WZVG nicht widersprechen, § 1 S. 5 WZVG. Die Dauer der Befristung orientiert sich vorwiegend an dem Umstand, ob der 19 Student promoviert ist oder nicht. So dürfen mit Studenten, sofern sie wissenschaftliches oder künstlerisches Personal sind, aber noch keine abgeschlossene Promotion nachweisen können, befristete Arbeitsverträge bis zu einer Höchstdauer von maximal sechs Jahren geschlossen werden. Nach abgeschlossener Promotion darf die Gesamtdauer befristeter Arbeitsverträge insgesamt sechs Jahre, bei Medizinern insgesamt neun Jahre, nicht überschreiten. Dies gilt jedoch nur für wissenschaftliche Mitarbeiter der medizinischen Fachrichtungen Medizin, Zahnmedizin sowie Tiermedizin, nicht für andere in der medizinischen Forschung tätige wissenschaftliche Mitarbeiter.25 Gem. § 1 Abs. 1 S. 2 WZVG kann von §§ 2 und 3 WZVG nicht durch Vereinbarung 20 abgewichen werden. Dies kann nur durch Tarifvertrag geschehen, § 1 Abs. 1 S. 3 WZVG. Praxistipp Bei der befristeten Anstellung von studentischen Aushilfskräften an Einrichtungen des Bildungswesens (Bereich des Hochschul- und Forschungsbereichs) sind die Modifizierungen des TzBfG durch das WZVG zu beachten.

25 BAG, Urt. v. 2.9.2009 – 7 AZR 291/08 –.

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 Kapitel 36 Studentische Aushilfsarbeitsverhältnisse

3. Vereinbarung einer Probezeit

21 Es bleibt den Parteien unbenommen, eine Probezeit im Rahmen des Arbeitsverhält-

nisses zu vereinbaren. Diese darf jedoch gem. § 622 Abs. 3 BGB nicht länger als sechs Monate dauern.

4. Vergütung 22 Bei der Bestimmung der Vergütung ist zu berücksichtigen, dass der Vorrang der Ver­ tragsfreiheit vor dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gilt.26 Somit hängt die Festlegung der Vergütung von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Wird im Betrieb das jeweilige Gehalt der Angestellten stets individualvertraglich geregelt, so ist der Gestaltungsrahmen hinsichtlich der Entgeltfestlegung aufgrund der Vertragsfreiheit relativ weit. Wird die Vergütung anhand gruppenspezifischer Merkmale bzw. anhand abs­ 23 trakter Regelungen vorgenommen, d.h. bestehen feste betriebliche Vergütungsregelungen sowie vergleichbare Gruppen mit ähnlich gelagerten Aufgaben innerhalb des Betriebes, so ist vor dem Hintergrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes auch auf die Gleichbehandlung im Rahmen der Vergütung zu achten. Wird der Student im Rahmen eines studentischen Aushilfsarbeitsverhältnisses beschäftigt, so ist er demnach i.S.d. arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrund­ satzes ebenso zu entlohnen wie jeder andere Arbeitnehmer in vergleichbarer Tätigkeit. Von einer Vergleichbarkeit ist auszugehen, wenn die studentische Aushilfskraft die Aufgaben eines Vollzeitbeschäftigten in dessen Abwesenheit vollständig übernimmt, nicht aber wenn er nur ausschnittweise dessen liegengebliebenes Arbeits­ pensum nach Weisung abarbeitet.27 Abzustellen ist hierbei auf die vorherrschend auszuübende Tätigkeit.28 Abweichungen können sich nur aus einem sachlich rechtfertigenden Grund 24 ergeben, die einzelfallabhängig sind. Dies gilt ebenso für studentische Aushilfsarbeitskräfte, die in Teilzeit beschäftigt sind. Diese dürfen nicht allein aufgrund der Teilzeitbeschäftigung schlechter bezahlt werden, §  4 Abs. 1 TzBfG. Entsprechendes gilt für die Gewährung einer variablen Vergütung sowie Überstundenvergütung.

5. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

25 Für das studentische Aushilfsarbeitsverhältnis gelten auch die Vorschriften, die für

sonstige Arbeitnehmer gelten. Somit hat eine studentische Aushilfskraft im Falle der Erkrankung grundsätzlich Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nach

26 MüAnwHB-ArbR/Boudon, § 17 Rn 8. 27 Behrend, JuS 2010, 757. 28 Behrend, JuS 2010, 757.

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A. Arbeitsrecht 

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dem Entgeltfortzahlungsgesetz, wobei zur Entstehung des Anspruches das vierwöchige ununterbrochene Bestehen des studentischen Aushilfsarbeitsverhältnisses erforderlich ist.

6. Urlaub Das studentische Aushilfsarbeitsverhältnis unterfällt auch den allgemeinen Regelun­ 26 gen des BUrlG. Dies gilt ebenso für Studenten, die nicht in Vollzeit, sondern nur in Teilzeit beschäftigt werden. Die Berechnung des Urlaubsanspruchs im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung erfolgt dabei dadurch, dass die Arbeitstage, die ein Arbeitnehmer im Vollzeitarbeitsverhältnis beanspruchen kann, und die Arbeitstage, an denen der Arbeitnehmer seine Tätigkeit verrichtet, rechnerisch so in Beziehung zueinander zu setzen sind, dass bei Verteilung der Arbeitszeit auf weniger als fünf Arbeitstage die Gesamtdauer des Urlaubs durch die Zahl fünf geteilt und mit der Zahl der für den Arbeitnehmer maßgeblichen Zahl von Arbeitstagen einer Woche multipliziert wird. Ausgehend von einer Fünf-Tage-Woche und einem gesetzlichen Urlaubsanspruch von 20 Tagen, entspricht dies bei einer 4, 3, 2 oder 1-Tage-Woche einem Urlaubsanspruch von 16, 12, 8 bzw. 4 Urlaubstagen.

7. Beendigung des Vertragsverhältnisses Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses mit einem Studenten weist im Grunde 27 keine Besonderheiten auf. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass bei der Beendigung eines Studentenarbeitsverhältnisses die Formvorschrift des §  22 Abs. 3 BBiG auf das Studentenarbeitsverhältnis keine Anwendung findet, da studentische Arbeitsverhältnisse bereits nicht vom Anwendungsbereich des § 26 BBiG erfasst sind. Hat das Studentenarbeitsverhältnis über sechs Monate gedauert und greifen die 28 sonstigen Anwendungsvoraussetzungen des KSchG, so greift der Kündigungsschutz nach § 1 KSchG. Zudem ist bei der Beendigung eines Studentenarbeitsverhältnisses der Betriebsrat gem. § 102 BetrVG einzuschalten und anzuhören. Zu beachten ist, dass der Wegfall der Sozialversicherungsfreiheit eines Stu- 29 denten im Rahmen eines studentischen Aushilfsarbeitsverhältnisses keinen personenbedingten Kündigungsgrund i.S.d § 1 Abs. 2 KSchG darstellt, wenn der Student aufgrund einer überlangen Studiendauer von den Sozialversicherungsträgern nicht mehr als sozialversicherungsfrei angesehen wird. Wird im Arbeitsvertrag an die bestehende Eigenschaft als Student angeknüpft, stellt die Sozialversicherungsfreiheit des Studenten lediglich die sozialversicherungsrechtliche Folgebedingung und keine für die Arbeitsleistung notwendige und sachlich gerechtfertigte Anforderung und damit keinen personenbedingten Kündigungsgrund dar.

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 Kapitel 36 Studentische Aushilfsarbeitsverhältnisse

III. Betriebsverfassungsrecht

30 Gem. § 5 Abs. 1 S. 1 BetrVG findet das BetrVG auf alle Arbeitnehmer Anwendung, wobei

hierunter auch alle Arbeiter und Angestellten einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten gelten. Besteht zwischen dem Studenten und dem Betriebsinhaber ein Arbeitsverhältnis, 31 so ist auch der Student als Arbeitnehmer i.S.d. § 5 Abs. 1 BetrVG anzusehen und unterfällt dann ebenfalls dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes. Checkliste –– Studentische Aushilfsarbeitsverhältnisse sind gewöhnliche Arbeitsverhältnisse mit alle Rechten und Pflichten, –– Erforderlichkeit einer gültigen Immatrikulationsbescheinigung, –– Befristungsmöglichkeiten, –– Vergütung, –– Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, –– Urlaub.

B. Steuerrecht I. Allgemeines

32 Studenten, die neben dem Studium in einem Unternehmen beschäftigt sind, sind

als Arbeitnehmer im steuerrechtlichen Sinn zu qualifizieren. Die lohnsteuerliche Behandlung von Studenten erfolgt wie bei Arbeitnehmern typischer Beschäftigungsverhältnisse. Die für die Beschäftigung von Studenten gezahlte Tätigkeitsvergütung stellt grundsätzlich steuerpflichtigen Arbeitslohn dar und der Arbeitgeber ist zum Lohnsteuerabzug verpflichtet. Im Vergleich zu typischen Beschäftigungsverhältnissen besteht bei einer Aus­ 33 hilfs- und Teilzeitbeschäftigung von Studenten jedoch die Möglichkeit der Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40a EStG. Insoweit sind die Sonderregelungen für Aushilfen29 bzw. Minijobber30 zu beachten. Liegen die Voraussetzungen für eine Lohnsteuerpauschalierung nicht vor, erfolgt 34 voraussichtlich ab 2013 der Lohnsteuerabzug unter Berücksichtigung der vom Arbeitgeber abgerufenen elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale des Arbeitnehmers. Bis dahin erfolgt der Lohnsteuerabzug unter Berücksichtigung der Lohn­ steuerkarte 2010 bzw. einer Ersatzbescheinigung.31

29 Vgl. Kap. 5 – Aushilfen. 30 Vgl. Kap. 24 – Minijobber. 31 BMF-Schreiben v. 6.12.2011 – IV C 5 – S 2363/07/0002-03 –.

Spirovic

B. Steuerrecht 

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Bei ledigen, kinderlosen Studenten erfolgt das Lohnsteuerabzugsverfahren in der 35 Regel unter Anwendung der Steuerklasse I. Die Jahresarbeitslohngrenze, bis zu der in der Steuerklasse I keine Lohnsteuer anfällt, beträgt für das Jahr 2012 ca. 10.863 €. Praxistipp In Fällen, in denen die aktuelle Jahresarbeitslohngrenze, bis zu der keine Lohnsteuer anfällt, nicht überschritten wird, kann für beschäftigte Studenten mit Steuerklasse I ggf. eine Individualbesteuerung auch günstiger als eine Pauschalierung der Lohnsteuer sein, wenn bei Abgabe einer Einkommensteuererklärung die für das Jahr einbehaltene Steuer vom Finanzamt zurückerstattet wird.32

Zahlungen an Studenten können auch nach Steuerbefreiungsvorschriften lohn- 36 steuerfrei sein. Insbesondere können Zahlungen aus öffentlichen Mitteln oder Mitteln einer öffentlichen Stiftung unter den in den §§ 3 Nr. 11 und 44 EStG genannten Voraussetzungen steuerfrei erfolgen. Daneben kommt insbesondere auch die steuerfreie Zahlung einer Tätigkeitsvergütung nach § 3 Nr. 26 EStG für bestimmte nebenberufli­ che Tätigkeiten bis zu einer Höhe von 2.100 € in Betracht.33 Bis 2011 konnte der Tätigkeitsverdienst von Studenten auch Auswirkungen auf 37 das Kindergeld bzw. den Kinderfreibetrag haben. Wenn die Einkünfte und Bezüge von Kindern über 18 Jahren den zuletzt maßgebenden Betrag von 8.004 € auch nur geringfügig überschritten haben, entfiel der Anspruch der Berechtigten auf Kindergeld bzw. den Freibetrag. Ab 2012 entfällt die Einkommens- und Bezügegrenze für volljährige Kinder unter 25 Jahren und das Kindergeld wird nunmehr einkommens­ unabhängig gewährt.

II. Besonderheiten bei ausländischen Studenten Ausländische Studenten sind mit Blick auf ihre inländischen Einkünfte entweder 38 unbeschränkt oder beschränkt einkommensteuerpflichtig. In beiden Fällen besteht für den inländischen Arbeitgeber die Pflicht, auf die für die Beschäftigung gezahlte Tätigkeitsvergütung vollumfänglich Lohnsteuer einzubehalten, es sei denn, eine Auszahlung darf steuerfrei erfolgen. Neben einer steuerfreien Auszahlung der Tätigkeitsvergütung aufgrund der 39 Berücksichtigung von Steuerfreibeträgen oder Steuerbefreiungsvorschriften34 kommt eine Steuerbefreiung für im Inland bezogene Tätigkeitsvergütungen für ausländische Studenten ggf. nach einem Doppelbesteuerungsabkommen in Betracht. Dies gilt insbesondere dann, wenn der ausländische Student ein Praktikum bei einem inländischen Unternehmen absolviert.35

32 Schönfeld/Plenker, S. 740. 33 Küttner/Schlegel, Studentenbeschäftigung, Rn 21; vgl. Kap. 29 Rn 29. 34 Vgl. Kap. 29 Rn 29 ff. 35 Vgl. Kap. 29 – Praktikum Rn 31.

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 Kapitel 36 Studentische Aushilfsarbeitsverhältnisse

Praxistipp Inländische Arbeitgeber, die an ausländischen Studenten eine Tätigkeitsvergütung zahlen, sollten daher prüfen, ob ein Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Herkunftsland des Studenten und Deutschland besteht. Ggf. enthält das jeweilig anzuwendende Doppelbesteuerungsabkommen eine Sonderregelung für Studenten und vergleichbare Personen, die zu einer Steuerbefreiung der im Inland gezahlten Tätigkeitsvergütung führt, welche für das Lohnsteuerabzugsverfahren zu berücksichtigen ist.36 Sonderregelungen für Studenten und vergleichbare Personen finden sich u.a. in folgenden Doppelbesteuerungsabkommen: Argentinien (Art. 20); China (Art. 21), Finnland (Art. 20), Frankreich (Art. 13 Abs. 3), Island (Art. 20 Abs. 3), Niederlande (Art. 18), Portugal (Art. 21 Abs. 1b, Abs. 2 (c), Abs. 3), Slowakei (Art. 20 Abs. 3), Tschechien (Art. 20 Abs. 3), Türkei (Art. 20 Abs. 1), Ungarn (Art. 20 Abs. 2) und USA (Art. 20 Abs. 4).37 40 Falls nach einem Doppelbesteuerungsabkommen Tätigkeitsvergütungen für Studen-

ten steuerfrei zu stellen sind, ist diese Steuerbefreiung bereits für das Lohnsteuerab­ zugsverfahren zu berücksichtigen. Bedingt die Steuerfreiheit nach dem jeweils anzuwendenden Doppelbesteue41 rungsabkommen, dass sie formal beantragt wird, so ist sowohl für unbeschränkt als auch beschränkt Steuerpflichtige eine Freistellungsbescheinigung unter Verwendung des jeweils amtlich vorgeschriebenen Vordrucks zu beantragen. Ein Antrag für eine entsprechende Bescheinigung ist bis zum Ablauf des Jahres, für das die Bescheinigung erstmals gelten soll, beim zuständigen Finanzamt vom Arbeitgeber bzw. Studenten zu stellen. Liegen die Antragsvoraussetzungen vor, erteilt das Finanzamt die Freistellungs42 bescheinigung in der Regel für die Dauer der begünstigten Tätigkeit (max. drei Jahre). Eine Ablehnungsentscheidung ist mit einem Einspruch anfechtbar. Soweit die Steuerbefreiung nach dem jeweilig anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommen nicht antragsgebunden ist, hat eine entsprechend beantragte Freistellungsbescheinigung lediglich bestätigende Wirkung. Praxistipp Durch die Beantragung einer Freistellungsbescheinigung kann jedoch ein Haftungsrisiko wegen falscher Auslegung eines Doppelbesteuerungsabkommens vermieden werden. Daher sollte auch bei nicht antragsgebundenen Steuerbefreiungen eine Freistellungsbescheinigung beantragt werden. Die erteilte Bescheinigung ist für Nachweiszwecke zum Lohnkonto zu nehmen. 43 Kommt für die an den Studenten gezahlte Tätigkeitsvergütung keine Steuerbefrei­

ung nach einem Doppelbesteuerungsabkommen zur Anwendung, gelten für das

36 Schönfeld/Plenker, S. 123. 37 Weitere Doppelbesteuerungsabkommen mit Sonderregelungen für Studenten und vergleichbare Personen: OFD Berlin, Verfügung v. 9.10.1998 – St 414 – S 1300 – 11/98 = IStR, S. 25.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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Lohnsteuerabzugsverfahren die allgemeinen Regelungen für ausländische Arbeitnehmer.38 Checkliste –– Lohnsteuerpauschalierung? –– Günstigerprüfung der Individualbesteuerung? –– Steuerbefreiungsvorschriften? –– Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen? –– Beantragung einer Freistellungsbescheinigung?

C. Sozialversicherungsrecht I. Grundsätze Studenten, die an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule ein- 44 geschrieben sind, unterliegen der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung.39 Diese Versicherungspflicht ist nachrangig zur Familienversicherung nach §  10 SGB V. D.h., solange der Student kostenlos in der Familienversicherung versichert werden kann, tritt Versicherungspflicht als Student nicht ein. Für die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ist der als Student versicherte selbst verantwortlich. Sofern ein Student gleichzeitig eine abhängige Beschäftigung gegen Entgelt 45 ausübt, ist zu prüfen, ob Sozialversicherungspflicht aufgrund der Beschäftigung eintritt. Zunächst ist nach den allgemeinen Grundsätzen zu prüfen, ob ein Beschäftigungsverhältnis gegen Entgelt und damit grundsätzlich Sozialversicherungspflicht als Arbeitnehmer besteht. Anschließend ist dann das sog. Werkstudentenprivileg zu beachten. Ordentlich Studierende, die gleichzeitig gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, 46 sind versicherungsfrei. Das bedeutet, es tritt aufgrund der Beschäftigung als Arbeit­ nehmer keine Versicherungspflicht ein.40 Diese Versicherungsfreiheit gilt allerdings nicht für die Rentenversicherung. In der Rentenversicherung entsteht grundsätzlich Versicherungspflicht als Beschäftigter. Eine Versicherungsfreiheit kann sich allerdings ergeben, wenn es sich um eine geringfügige Beschäftigung handelt.41

38 Schönfeld/Plenker, S. 123. 39 § 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V. Diese Versicherungspflicht besteht grundsätzlich bis zum 14. Fachsemester längstens aber bis Vollendung des 30. Lebensjahres. In Ausnahmefällen ist eine Versicherung als Student über diese Frist hinaus möglich. Das Überschreiten dieser Grenze hat allerdings keinen Einfluss auf das Werkstudentenprivileg. 40 § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V, § 27 Abs. 4 Nr. 2 SGB III, dies gilt ebenfalls für die Pflegeversicherung, da diese grundsätzlich der Krankenversicherung folgt. 41 Vgl. Kap. 24 – Minijobber.

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 Kapitel 36 Studentische Aushilfsarbeitsverhältnisse

Darüber hinaus liegt in der Rentenversicherung Versicherungsfreiheit vor, wenn es sich bei der Tätigkeit um ein in der Studienordnung vorgeschriebenes Praktikum handelt.42 „Ordentlich Studierender“ ist, wer an einer staatlichen oder staatlich anerkann­ ten Hochschule43 oder einer der wissenschaftlichen oder fachlichen Ausbildung dienenden Schule44 eingeschrieben ist. Auch ein Aufbau- oder Zweitstudium wird akzeptiert. Das Werkstudentenprivileg endet also nicht mit dem Erreichen des ersten Studienabschlusses.45 Ein Promotionsstudium nach dem Hochschulabschluss gehört – trotz Fortbestehens der Immatrikulation – nicht mehr zur wissenschaftlichen Ausbildung.46 Das bedeutet, ein Promotionsstudent kann die Versicherungsfreiheit als Student nicht in Anspruch nehmen. Dies gilt auch dann, wenn ein Zweit- oder Aufbaustudium neben der Erwerbstätigkeit lediglich der beruflichen Weiterbildung dient.47 Zusätzlich zu der Tatsache, dass eine Einschreibung vorliegt, darf das Studium im Verhältnis zur Tätigkeit als Arbeitnehmer nicht zur Nebensache werden. Ordent­ lich Studierender kann somit nur derjenige sein, bei dem das Studium unter Würdigung aller Umstände im Vordergrund steht. Leitbild bei dieser Regelung ist der Werk­ student, der durch die Tätigkeit seine finanziellen Mittel für das Studium und den Lebensunterhalt aufbessert. Den Status des Studierenden behält die Person bis zur Ablegung der vorgesehen Abschlussprüfung. Endet das Studium ohne Prüfung, so ist der Tag der Exma­ trikulation entscheidend. Soweit Versicherungsfreiheit für die Beschäftigung vorliegt, entfällt für den Arbeitgeber die Verpflichtung zur Beitragsabführung und zur Erstattung von Meldungen.

42 § 6 Abs. 3 SGB VI. 43 Zu den Hochschulen gehören z.B.: Universitäten, Technische Hochschulen/Universitäten, Pädagogische Hochschulen, Bergakademien, Tierärztliche Hochschulen, Landwirtschaftliche Hochschulen, Wirtschaftshochschulen, Kunst- und Musikhochschulen, Kirchliche/PhilosophischTechnologische Hochschulen und Fachhochschulen. Vgl. Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 27.7.2004. 44 Zu den der fachlichen Ausbildung dienenden Schulen gehören die Fachschulen, Höheren Fachschulen und Berufsfachschulen. Genauere Ausführungen zum Begriff der Fachschule enthält das Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 27.7.2004. 45 BSG, Urt. v. 29.9.1992 – 12 RK 31/91 –. 46 BSG Urt. v. 23.3.1993 – 12 RK 45/92 –. 47 BSG, Urt. v. 29.9.1992 – 12 RK 31/91 –.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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Praxistipp –– Die Studenteneigenschaft sollte dem Arbeitgeber durch Vorlage einer Immatrikulationsbescheinigung nachgewiesen werden. –– Das Werkstudentenprivileg gilt nicht für den Bereich der Rentenversicherung. Somit hat der Nachweis der Studenteneigenschaft auf die Rentenversicherung keine Auswirkung. Hier ist lediglich zu prüfen, ob ein sog. Minijob vorliegt oder ob es sich um ein nach der Studienordnung vorgeschriebenes Praktikum handelt.

Die nachfolgenden Erläuterungen beziehen sich ausschließlich auf die Versiche- 52 rungspflicht bzw. -freiheit in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung.

II. Beschäftigung in der Vorlesungszeit 1. Unbefristete Tätigkeit Studenten, die eine oder mehrere Beschäftigungen neben ihrem Studium während der Vorlesungszeit ausüben, sind dem Gesamtbild nach Arbeitnehmer, wenn sie ihre Tätigkeit an mehr als 20 Stunden pro Woche ausüben. Dadurch liegt für diese Personen Versicherungspflicht als Beschäftigte vor. Dieser Grundsatz wurde vom BSG entwickelt. Er basiert auf der Annahme, dass eine Person, die mehr als 50 % der wöchentlichen Arbeitszeit als Arbeitnehmer tätig ist, von seinem Erscheinungsbild her ein Arbeitnehmer ist. Sofern die wöchentliche Arbeitszeit 20 Stunden nicht überschreitet, steht das Studium im Vordergrund. Es ist dabei unerheblich, ob die Tätigkeit befristet ist und wie hoch das Entgelt ist. Trotz einer wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden ist es möglich, dass das Studium weiterhin im Vordergrund steht. Dies ist denkbar, wenn die Tätigkeit überwiegend an Wochenenden oder in den Abendstunden ausgeübt wird. Voraussetzung ist dann allerdings, dass die Arbeitskraft des Studenten überwiegend durch das Studium in Anspruch genommen wird.48 Eine Tätigkeit mit einer grundsätzlichen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden bleibt versicherungsfrei, wenn die Arbeitszeit während der Semesterferien auf mehr als 20 Stunden ausgedehnt wird.49

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2. Befristete Tätigkeit Eine im Voraus befristete Tätigkeit, deren wöchentliche Arbeitszeit 20 Stunden über- 57 schreitet, ist versicherungsfrei, wenn sie auf höchstens zwei Monate befristet ist. Die Höhe des Entgelts spielt dabei wiederum keine Rolle. Stellt sich im Laufe der

48 BSG, Urt. v. 22.2.1980 – 12 RK 34/79 –. 49 Vgl. 1.2.3.1 Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 27.7.2004.

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 Kapitel 36 Studentische Aushilfsarbeitsverhältnisse

Beschäftigung heraus, dass die Tätigkeit doch länger als zwei Monate dauert, so tritt mit Bekanntwerden der Überschreitung Versicherungspflicht für die Zukunft ein. Sofern die Tätigkeit an weniger als fünf Tagen die Woche ausgeübt wird, dann tritt an die Stelle der Zwei-Monatsgrenze eine Frist von 50 Arbeitstagen pro Jahr. Ein Student, der innerhalb eines Zeitjahres mehrere befristete Beschäftigun­ 58 gen mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden ausübt, ist nach seinem Erscheinungsbild ein Arbeitnehmer, wenn er mehr als 26 Wochen oder 182 Kalendertage beschäftigt ist. Die Jahresfrist für diese Prüfung wird ermittelt, in dem man vom Ende der zu beurteilenden Beschäftigung ein Jahr zurückrechnet. Bei dieser Zusammenrechnung ist es unerheblich, ob die Tätigkeiten innerhalb oder außerhalb der vorlesungsfreien Zeit liegen. Wird die Frist von 26 Wochen (182 Kalendertage) überschritten, so ist die Person 59 für die gesamte Dauer der Beschäftigung, durch die die Frist überschritten wird, als Arbeitnehmer anzusehen.50

III. Beschäftigungen während der vorlesungsfreien Zeit

60 Sofern die Beschäftigung ausschließlich in der vorlesungsfreien Zeit (Semesterfe-

rien) ausgeübt wird, ist davon auszugehen, dass die Arbeitskraft und Zeit überwiegend durch das Studium in Anspruch genommen wird. Die Person bleibt nach ihrem Erscheinungsbild Student. Sobald erkennbar wird, dass die Tätigkeit über die vorlesungsfreie Zeit hinaus61 geht, ist davon auszugehen, dass die Tätigkeit als Arbeitnehmer im Vordergrund steht. Außerdem ist eine Arbeitnehmerstellung gegeben, wenn die 26-WochenGrenze überschritten wird.51

IV. Duale Studiengänge

62 Bei dualen Studiengängen ist ebenfalls abzuwägen, ob die Personen ihrem Erschei-

nungsbild nach Student oder Beschäftigter sind. Diese Prüfung stellt sich als praktisch schwierig dar, da Studium und Praxisphasen in der Regel sehr eng miteinander verzahnt sind. Gegenüber den normalen Studiengängen zeichnen sich duale Studiengänge durch einen sehr hohen Anteil an betrieblichen Lernphasen aus. Die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger haben in diesen Fällen eine Beschäftigung gegen Entgelt angenommen. Das BSG hat dieser Einschätzung widersprochen und Grundsätze zur Abgren­ 63 zung aufgestellt.52 Danach war zu unterscheiden zwischen:

50 Vgl. 1.2.3.2 Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 27.7.2004. 51 Siehe hierzu den vorherigen Abschnitt. 52 BSG, Urt. v. 1.12.2009 – B 12 R 4/08 R –; die Spitzenorganisationen der

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C. Sozialversicherungsrecht 

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–– ausbildungsintegrierte duale Studiengänge, –– berufsintegrierte und berufsbegleitende duale Studiengänge und –– praxisintegrierte duale Studiengänge. Für alle drei Fälle wurden unterschiedliche sozialversicherungsrechtliche Konse- 64 quenzen gezogen, die in der Praxis zu einigen Irritationen geführt haben. Dies hat der Gesetzgeber aufgegriffen. Durch eine gesetzliche Änderung mit Wirkung vom 1.1.2012 wurde wieder eine einheitliche Behandlung von Teilnehmern an dualen Studiengängen eingeführt.53 Teilnehmer an dualen Studiengängen sind nun in der Renten-, Kranken-, Pflege- 65 und Arbeitslosenversicherung den zur Berufsausbildung beschäftigten gleichgestellt.54 Dadurch entsteht in allen Zweigen Versicherungspflicht als Arbeitnehmer. Praxistipp Die Überprüfung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Studenten ist zu dokumentieren. Im Fall einer Betriebsprüfung können damit die Studenteneigenschaft und die bei der Prüfung berücksichtigten Tätigkeitszeiten und Fristen belegt werden.

Sozialversicherungsträger haben mit Schreiben vom 5.7.2010 diese Grundsätze zunächst übernommen. 53 Viertes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze, BT-Drucks. 17/6764. 54 § 25 Abs. 1 S. 2 SGB III, § 5 Abs. 4a S. 3 SGB V, § 1 letzter Satz SGB VI.

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Kapitel 37 Teilzeit A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis Die Zahl der in Deutschland lebenden erwerbstätigen Personen ist mit derzeit rund 1 40 Millionen so hoch wie nie zuvor.1 Während die Quote der Vollzeitbeschäftigten seit dem Jahr 2008 stark rückläufig ist, wächst die Zahl der Teilzeitbeschäftigten in überdurchschnittlichem Maße. Der Trend, während des Arbeitslebens zumindest vorübergehend auch in Teilzeit zu arbeiten, breitet sich auf zunehmend mehr Tätig­ keiten und Berufsfelder aus. Dabei ist der Anteil der nicht in Vollzeit arbeitenden Frauen 4,7mal so hoch wie der der Männer. Neben dem Geschlecht spielt auch das Alter eine entscheidende Rolle – so ist die Hälfte der in Teilzeit beschäftigten Frauen über 55 Jahre alt, bei den Männern ist es ein Siebtel.2 Die Gründe für diese Entwicklung sind sehr vielseitig. Ausschlaggebend ist nicht 2 nur die jeweils aktuelle Lage auf dem Arbeitsmarkt. Vermehrt spielen familiäre Gegebenheiten oder persönliche Motive eine zentrale Rolle. So wird eine Vollzeitbeschäftigung durch Frauen häufig deshalb nicht ausgeübt, weil gleichzeitig Kinder zu betreuen sind oder pflegebedürftige Personen mit im Haushalt leben. Männer arbeiten dagegen überwiegend verkürzt, um der eigenen beruflichen Aus- und Wei­ terbildung nachzugehen.3 Die Reform der Mini-Jobs hat schließlich auch zu einer Ausweitung der Teilzeitarbeit geführt. „Mini Jobber“ stellen derzeit nahezu 50 % aller Teilzeitbeschäftigten.4 Nachdem das Beschäftigungsförderungsgesetz von 1985 die Teilzeitbeschäftigung 3 erstmals gesetzlich regelte, wurde mit dem Inkrafttreten des TzBfG zum 1.1.20015 ein umfassendes Regelwerk geschaffen, mit dem der Gesetzgeber den Ausbau von Arbeitsplätzen für diese Beschäftigungsform sichern und neue Arbeitsplätze schaffen wollte. Ziel des Gesetzes ist zudem, die Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern zu fördern, indem die Rechte aus der Teilzeitbeschäftigung denen aus der Vollzeitbeschäftigung gleichgestellt werden.6

1 Hessisches Statistisches Landesamt, Amtliche Statistik der „Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder“, Berechnungsstand August 2011/Februar 2012, abrufbar unter www.statistik-hessen.de. 2 Brenke, DIW Wochenbericht Nr. 42.2011, S. 6. 3 Brenke, DIW Wochenbericht Nr. 42.2011, S. 3. 4 Hierzu ausführlich: Kap. 24 – Mini-Jobber. 5 Die Bestimmungen über die Teilzeit in den §§ 2 bis 6 des BeschFG traten daraufhin zum 31.12.2000 außer Kraft. 6 BT-Drucks. 14/4374, S. 11.

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 Kapitel 37 Teilzeit

Praxishinweis Das TzBfG ist zwingendes Recht. Es legt die Rahmenbedingungen für Teilzeitarbeitsverhältnisse fest, an die ein Arbeitgeber, unabhängig von der Unternehmens- und Betriebsgröße, gebunden ist.

II. Grundsätzliches 1. Definition 4 Ein Arbeitnehmer ist gem. §  2 TzBfG teilzeitbeschäftigt, wenn seine regelmäßige Wochenarbeitszeit kürzer ist als die eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Mitarbeiters. Ist eine regelmäßige Wochenarbeitszeit nicht vereinbart, so liegt Teilzeitbeschäftigung nur dann vor, wenn die regelmäßige Arbeitszeit dieses Arbeitnehmers im Durchschnitt eines bis zu einem Jahr reichenden Beschäftigungszeitraums unter der eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers liegt. Vergleichbar ist ein Arbeitnehmer mit derselben Art des Arbeitsverhältnisses und der gleichen oder einer ähnlichen Tätigkeit. Praxistipp Gibt es im jeweiligen Betrieb keinen vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, so ist ein solcher anhand des für die Branche des Arbeitgebers geltenden einschlägigen Tarifvertrages zu bestimmen. Ein Arbeitnehmer arbeitet danach Vollzeit, wenn der Umfang der geschuldeten Arbeitszeit nicht unter der tarifvertraglich vorgesehenen Arbeitszeit liegt. Teilzeitbeschäftigt und damit dem TzBfG unterfallend sind auch Arbeitnehmer, die eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV ausüben (sog. 400 €-Kräfte ).

2. Diskriminierungsverbot

5 Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Ausübung der Teilzeitarbeit

objektiv nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Mitarbeiter, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behand­ lung rechtfertigen (§ 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG). Damit stellt § 4 TzBfG eine Konkretisierung des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots dar. Praxishinweis Nach dem Wortlaut von § 4 TzBfG findet die Vorschrift jedoch keine Anwendung, wenn nur teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer untereinander ungleich behandelt werden. Begehrt ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer die Gleichbehandlung mit einem Vollzeitarbeitnehmer, so wird zunächst vorausgesetzt, dass die beiden Arbeitnehmer auch tatsächlich miteinander vergleichbar sind. Vergleichbarkeit meint aber keine Identität der gesamten Arbeitsbedingungen. Voraussetzung ist lediglich ein gemeinsamer Bezugspunkt; dies kann eine gleichwertige Arbeitsleistung oder eine gleichlange Betriebszugehörigkeit sein. Den Rahmen für die Bildung von derartigen Vergleichsgruppen bildet grundsätzlich der Betrieb.

6 Eine Ungleichbehandlung ist immer dann anzunehmen, wenn gerade die Dauer der

Arbeitszeit der Anknüpfungspunkt für die Differenzierung ist. Die Regelung des § 4

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A. Arbeitsrecht  

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Abs. 1 S. 1 TzBfG greift aber nur dann, wenn Gegenstand der Schlechterbehandlung nicht eine Entgeltleistung bzw. eine andere teilbare geldwerte Leistung ist (§ 4 Abs. 1 S. 2 TzBfG). In Betracht kommen demnach etwa die Nichtgewährung altersbedingter Arbeitsverkürzung, die Anrechnung von Betriebszugehörigkeit und Dienstzeiten. Nach Ansicht des BAG müssen etwaige Arbeitszeitverkürzungen, die Vollzeit- 7 arbeitnehmern zugestanden werden, auch Teilzeitbeschäftigten anteilig gewährt werden. Entsprechende Kürzungen bei Vollzeitkräften haben sich bei Teilzeitarbeitnehmern entweder in Form einer verminderten Arbeitszeit oder einer erhöhten Entgeltzahlung auszuwirken.7 Hingegen wird keine Ungleichbehandlung angenommen, wenn Arbeitsschutznormen ein zeitliches Höchstmaß für bestimmte, evtl. gesundheitsschädliche Tätigkeiten vorsehen, die zu einem unterschiedlichen prozentualen Anteil der gesundheitsgefährdenden Arbeit im Verhältnis zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung führen.8 Praxishinweis § 4 Abs. 1 S. 2 TzBfG enthält eine lex specialis Regelung. Eine Ungleichbehandlung ist nur dann gerechtfertigt, wenn sich der Differenzierungsgrund aus dem Leistungszweck selbst ergibt.

Vom Entgeltbegriff im Sinne dieser Vorschrift ist nicht nur das Grundgehalt erfasst, 8 sondern auch Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit, Gratifikatio­ nen, Zuwendungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld, pauschale Vergütungen für Bereitschaftsdienst, Freistellungsansprüche oder Leistungszulagen. So ist bspw. eine pauschale Kürzung des Weihnachtsgeldes durch Tarifvertrag eine unzulässige Diskriminierung, wenn teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer ohnehin nur ein anteiliges Weihnachtsgeld im Verhältnis ihrer Arbeitszeit zu derjenigen von Vollzeitbeschäftigten erhalten.9 Die Entgeltleistung umfasst auch die Überstundenvergütung. Nach Ansicht des 9 BAG ist keine ungerechtfertigte Schlechterbehandlung gegeben, wenn eine Regelung vorsieht, dass zuschlagspflichtige Mehrarbeit für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer erst dann zu bejahen ist, sofern sie die regelmäßige Arbeitszeit für Vollzeitarbeitnehmer überschreitet. Eine Schlechterstellung ist deswegen nicht anzunehmen, da jeder Arbeitnehmer für die gleiche Arbeit auch die gleiche Vergütung erhält, sodass Teilzeitkräfte nicht benachteiligt werden, wenn sie bis zum Erreichen der betrieblichen Wochenarbeitszeit keine Zuschläge erhalten.10

7 BAG, Urt. v. 29.1.1992 – 4 AZR 293/91 –; BAG, Urt. v. 22.8.2001 – 5 AZR 108/00 –. 8 BAG, Urt. v. 9.2.1989 – 6 AZR 174/89 –. 9 BAG, Urt. v. 24.5.2000 – 10 AZR 129/92 –. 10 BAG, Urt. v. 16.6.2004 – 5 AZR 448/03 –; so auch EuGH, Urt. v. 15.12.2004 – C-399/92 –.

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 Kapitel 37 Teilzeit

Praxistipp Eine nach § 4 Abs. 1 TzBfG unzulässige Schlechterbehandlung ist rechtswidrig. Eine diskriminierende rechtsgeschäftliche Vereinbarung ist gem. § 134 BGB nichtig. 10 Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, dem eine bestimmte Leistung versagt wurde,

hat einen Anspruch auf deren Gewährung. Geht es um eine teilbare oder geldwerte Leistung ist dem benachteiligten Arbeitnehmer diese in dem Umfang zu gewähren, der dem Verhältnis seiner Teilzeitarbeit zu der eines vergleichbaren Vollzeitarbeitnehmers entspricht. Bei einer unteilbaren Leistung, wie z.B. dem Zugang zu Sozial­ einrichtungen des Arbeitgebers oder einer Belohnung der Betriebstreue durch eine Jubiläumszusage, ist dem Teilzeitbeschäftigten regelmäßig die gesamte Leistung zu gewähren.

Praxistipp Macht der Teilzeitarbeitnehmer einen Anspruch auf Gewährung einer versagten Leistung geltend, ist stets zu beachten, dass er darlegen und beweisen muss, gerade wegen der Teilzeitarbeit schlechter behandelt worden zu sein als ein vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter. Der Arbeitgeber hingegen trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sachliche Gründe vorgelegen haben, welche die Schlechterbehandlung rechtfertigten.

III. Teilzeitanspruch

11 Jeder Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Reduzierung und Umverteilung der

Arbeitszeit (§ 8 TzBfG). Folgende Voraussetzungen müssen vorliegen:

1. Anspruchsvoraussetzungen des allgemeinen Teilzeitanspruchs a) Betriebliche Voraussetzungen 12 Ein Anspruch auf Teilzeitarbeit besteht nach § 8 Abs. 7 TzBfG nur, wenn der Arbeitgeber, unabhängig von der Anzahl der in Berufsausbildung beschäftigten Personen, mindestens 15 Arbeitnehmer in seinem Unternehmen beschäftigt. Es gilt das sog. „Pro-Kopf-Prinzip“, d.h. auch geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer werden mitgezählt. Praxistipp Bei Gemeinschaftsbetrieben ist zur Berechnung der Mindestarbeitnehmerzahl auf die Anzahl der Arbeitnehmer beim Vertragsarbeitgeber und nicht auf die Anzahl der dem Gemeinschaftsbetrieb zugeordneten Arbeitnehmer abzustellen. Entscheidender Zeitpunkt für die geforderte Mindestanzahl an Arbeitnehmern ist der Tag des Teilzeitbeginns. Unerheblich ist es also, wenn im Zeitpunkt des Teilezeitverlangens weniger Arbeitnehmer beschäftigt sind.

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A. Arbeitsrecht  

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b) Anspruchsberechtigte Antragssteller können nur Arbeitnehmer sein. Dazu gehören nach § 6 TzBfG auch 13 leitende Angestellte und gem. § 4 Abs. 2 TzBfG befristet beschäftigte Arbeitneh­ mer, nicht jedoch Beschäftigte, die eine Berufsbildungsmaßnahme nach §  1 Abs.  1 BBiG (Ausbildung, Fortbildung, Umschulung) durchlaufen oder sich in einem „anderen Beschäftigungsverhältnis“ i.S.v. § 26 BBiG (Volontäre, Praktikanten) befinden. Eine Teilzeitbeschäftigung würde hier dem Beschäftigungszweck der Anlernung zuwiderlaufen. Bei Auszubildenden ist der allgemeine arbeitsmarktpolitische Teilzeitanspruch nicht mit dem Sinn und Zweck eines Ausbildungsvertrages nach §  10 Abs. 2 BBiG vereinbar. Vom Arbeitnehmerbegriff werden auch keine Organe (z.B. Geschäftsführer) umfasst. Ferner muss der Arbeitnehmer bereits länger als sechs Monate in einem Arbeits- 14 verhältnis gestanden haben. Der Sechs-Monatszeitraum beginnt am Tag der Lohnzahlungspflicht und endet im Zeitpunkt der Teilzeitarbeitsaufnahme.

c) Inhaltliche und formelle Voraussetzungen Gegenstand des Anspruchs auf Teilzeitarbeit ist die Verringerung der Arbeitszeit. 15 Mit Arbeitszeit ist die vereinbarte Vertragsarbeitszeit gemeint. Der Arbeitnehmer darf jedoch nicht die Befreiung von Überstunden verlangen. In welchem Umfang die Arbeitszeit genau herabgesetzt werden soll, unterliegt zunächst dem Willen des Arbeitnehmers. Eine Mindest- oder Höchstgrenze für die gewünschte Verringerung sieht § 8 TzBfG nicht vor. Erforderlich ist jedoch, dass der Arbeitnehmer den Umfang der verringerten Arbeitszeit in seinem Antrag konkret und klar formuliert, so dass auf Seiten des Arbeitgebers keinerlei Zweifel aufkommen und er den Antrag lediglich annehmen muss.11 Gem. §  8 Abs. 4 TzBfG steht einem Arbeitnehmer auch das Recht zu, die Ver­ 16 teilung der Arbeitszeit festzulegen Er ist dabei nicht auf das arbeitsvertraglich vereinbarte Modell der Arbeitszeitverteilung beschränkt. Bei dem Anspruch auf Verteilung der Arbeitszeiten handelt es sich allerdings nur um einen Annexanspruch. Er kann ausschließlich zusammen mit dem Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit geltend gemacht werden, wobei es genügt, dass der Arbeitnehmer den Antrag auf Verkürzung der Arbeitszeit zunächst ohne Angabe der genaueren Verteilung stellt und den Verteilungswunsch erst im Rahmen der Erörterung mit dem Arbeitgeber (§ 8 Abs. 3 TzBfG) äußert.

11 BAG, Urt. v. 15.11.2011 – 9 AZR 729/07 –, Urt. v. 24.6.2008 – 9 AZR 514/97 –, Urt. v. 16.10.2007 – 9 AZR 239/07 –.

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 Kapitel 37 Teilzeit

Beispiel „Hiermit beantrage ich die Verringerung meiner Arbeitszeit. Ich möchte künftig bis zu 10 Stunden weniger arbeiten. Dabei kommt es mir darauf an, dass ich am Freitag grundsätzlich nicht arbeiten muss. Ansonsten stelle ich die Auswahl der Arbeitstage in das Ermessen meines Arbeitgebers.“ 17 Ein solcher Antrag ist nicht hinreichend bestimmt. Die Angaben „künftig“ und „bis

zu 10 Stunden“ sind zu ungenau. Die Zustimmung des Arbeitgebers kann hier nicht durch ein bloßes „ja“ oder „nein“ erfolgen, da es noch einer Konkretisierung des Arbeitsumfangs bedarf.

Beispiel „Meine konkrete Wochenarbeitszeit soll ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt 18 Stunden betragen. Meine Arbeitsleistung erbringe ich künftig dadurch, dass ich jeweils sechs Stunden an drei Wochentagen in der Zeit von 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr arbeiten will. Dabei möchte ich nicht am Mittwoch arbeiten. Im Übrigen stelle ich die Auswahl der Arbeitstage in das Ermessen meines Arbeitgebers.“ 18 Dieser Antrag ist hinreichend bestimmt, sodass der Arbeitgeber nur noch mit „ja“

oder „nein“ antworten braucht. Antwortetet der Arbeitgeber mit „ja“, hat er die Wahl, die Umsetzung des Teilzeitwunsches i.S.d. „frühestmöglichen Zeitpunkts“ sofort vorzunehmen oder entsprechend § 8 Abs. 2 S. 1 TzBfG spätestens drei Monate nach Ankündigung des Arbeitnehmers. Die Frist, innerhalb derer der Teilzeitarbeit fordernde Arbeitnehmer seinen 19 Antrag stellen muss, ergibt sich aus § 8 Abs. 2 S. 1 TzBfG. Danach müssen zwischen dem Zugang der Erklärung beim Arbeitgeber und dem tatsächlichen Beginn der Teilzeitarbeit drei Monate liegen. Die Frist dient dem Schutz des Arbeitgebers, welchem genügend Zeit zur Prüfung des Anspruches und Vorbereitung von arbeitsorganisatorischen oder personellen Auffangmaßnahmen bleiben soll.12 Allerdings handelt es sich lediglich um eine Mindestfrist, d.h. der Arbeitnehmer hat durchaus auch schon eher die Möglichkeit, die Verringerung der Arbeitszeit zu verlangen. Praxishinweis Da die Frist zur Geltendmachung des Anspruchs auf Teilzeitarbeit drei Monate beträgt, ergibt sich für Arbeitnehmer, die bereits ab Beginn eines Vollzeit-Arbeitsverhältnisses an einer Verkürzung der Arbeitszeit Interesse haben, aufgrund der sechsmonatigen Wartefrist (§ 8 Abs. 1 TzBfG) de facto eine Wartezeit von insgesamt neun Monaten.

d) Ablehnungsrecht des Arbeitgebers

20 Nach § 8 Abs. 4 TzBfG hat der Arbeitgeber dem Anspruch des Arbeitnehmers auf Teil-

zeitarbeit zuzustimmen, sofern keine betrieblichen Gründe entgegenstehen. Eine

12 BT-Drucks. 14/4374, S. 17.

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dementsprechende Prüfung sollte nach den vom BAG entwickelten Grundsätzen13 in drei Stufen erfolgen: –– Zunächst wird das betriebliche Organisationskonzept (Plan zur Verwirklichung der unternehmerischen Aufgabenstellung) festgestellt, welches der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung zugrunde liegt (Schritt 1). –– Danach ist eine Feststellung zu treffen, inwieweit die betriebliche Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen des Arbeitnehmers tatsächlich entgegensteht (Schritt 2). –– Zum Schluss muss ermittelt werden, welches Gewicht die betrieblichen Belange des Arbeitgebers haben (Schritt 3). Ein betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeits- 21 zeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht. Die in §  8 Abs. 4 TzBfG aufgezählten Tatbestände sind lediglich Regelbeispiele. Das Berufen des Arbeitgebers auf betriebliche Gründe ist die häufigste Ursache für die Verweigerung einer Arbeitszeitverkürzung und zieht in der Praxis zumeist Streitigkeiten nach sich. Ob ein betrieblicher Grund auch tatsächlich vorliegt, ist stets durch Auslegung zu ermitteln. Die betrieblichen Gründe müssen zwar nicht dringend sein, aber nachvollziehbar und plausibel. Einer Interessenabwägung bedarf es dabei nicht. Der Arbeitnehmer muss sein Verlangen nach Teilzeitarbeit nicht näher begründen, da ein Anspruch unabhängig von den Gründen des Arbeitnehmers besteht, wenn die Voraussetzungen des § 8 TzBfG vorliegen. Eine wesentliche Beeinträchtigung des Organisationskonzeptes ist bspw. 22 gegeben, wenn der Arbeitnehmer mit der reduzierten Arbeitszeit nicht entsprechend eingeplant werden kann, anderweitige Arbeitskräfte nicht zum Ausgleich der Ausfallzeit zur Verfügung stehen oder aber der Arbeitsplatz nicht teilbar ist.14 Dies betrifft vor allem die Fälle der Projekt- oder Gruppenarbeit, bei der die Mitarbeiter nicht ausgetauscht werden können.15 Entstünden dem Arbeitgeber durch die Teilzeitarbeit unverhältnismäßige 23 Kosten, so steht dies einem Verlangen nach Teilzeit ebenfalls entgegen. Unverhältnismäßige Kosten können vor allem dadurch entstehen, dass durch die Arbeitsplatzteilung zusätzliche, sehr kostspielige Betriebsmittel angeschafft werden müssen oder aber infolge der Arbeitsplatzteilung beide Teilzeitkräfte an kostenintensiven Fortbildungsmaßnahmen teilnehmen müssen.

13 BAG, Urt. v. 18.2.2003 – 9 AZR 356/02 –. 14 Bruns, BB 2010, 956, 960. 15 BAG, Urt. v. 18.3.2003 – 9 AZR 126/02 –.

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 Kapitel 37 Teilzeit

Praxistipp Unabhängig davon, ob der Arbeitgeber dem Antrag zustimmt oder diesen ablehnt, muss er dem Arbeitnehmer seine Entscheidung sowohl über die Verringerung der Arbeitszeit als auch über ihre Verteilung spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn der Verringerung schriftlich mitteilen. Wird das Arbeitszeitverkürzungsbegehren mit dem Wunsch nach einer konkreten Verteilung verbunden, kann in diesem Fall nur über beide Anträge einheitlich entschieden werden. Da es an einem gesetzlich geregelten Begründungszwang fehlt, kann und sollte sich eine negative Entscheidung auch auf eine reine Ablehnung des Antrags beschränken. Im Streitfall trifft den Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast, d.h. er muss ggf. ein Konzept vorlegen, dass sowohl durch unternehmerisch als auch wirtschaftlich nachvollziehbare Gründe gestützt wird.

e) Rechtsschutzmöglichkeiten des Arbeitnehmers 24 Für den Fall, dass sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht über die Verringerung der Arbeitszeit einigen können, stellt sich die Frage, wie der Arbeitnehmer seinen Anspruch durchsetzen kann. In den Fällen, in denen der Arbeitgeber die Frist zur Ablehnung des Teilzeitverlangens versäumt oder die Ablehnung nicht in der dafür vorgesehenen Form vornimmt, wird die Arbeitszeitverringerung gesetzlich fingiert, §  8 Abs. 5 S. 2 und 3 TzBfG. Die Arbeitszeit verringert sich also „automatisch“ wie beantragt. Akzeptiert der Arbeitgeber dies nicht, kann der Arbeitnehmer Feststellungsklage gem. § 256 Abs. 1 ZPO erheben Eine Änderung der gesetzlich fingierten Verteilung der Arbeitszeit kann vom 25 Arbeitgeber erst wieder vorgenommen werden, wenn das betriebliche Interesse das Interesse des Arbeitnehmers überwiegt und der Arbeitgeber die geplante Änderung der Verteilung mindestens einen Monat vorher ankündigt (Korrekturmöglichkeit nach § 8 Abs. 5 S. 3 i.V.m. § 8 Abs. 3 S. 2 TzBfG) Lehnt der Arbeitgeber das Teilzeitverlangen jedoch form- und fristgerecht ab, 26 bleibt für den Arbeitnehmer nur noch die Möglichkeit der gerichtlichen Durchset­ zung. Er ist hingegen nicht berechtigt, der Arbeit einfach fernzubleiben. In Betracht kommt die Erhebung einer allgemeinen Leistungsklage, gerichtet auf die Zustimmung zur Änderung des bestehenden Arbeitsvertrages und mithin auf Abgabe einer Willenserklärung durch den Arbeitgeber. In seiner Klagebegründung muss der Arbeitnehmer die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und beweisen. Die Beweislast für betriebliche Gründe, die der Teilzeit möglicherweise entgegenstehen, liegt beim Arbeitgeber.16 Praxistipp Der klägerische Antrag ist dann hinreichend bestimmt, wenn er die Dauer der verringerten Arbeitszeit und den genauen Umfang dieser beinhaltet. Der exakte Beginn der Verringerung ist hingegen nicht anzugeben, da sich dieser durch den Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils ohne Weiteres bestimmen lässt.

16 Brahm, NZA 2001, 1175, 1178.

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2. Sonderformen der Teilzeit Neben dem allgemeinen Teilzeitanspruch gem. § 8 TzBfG bestehen noch weitere spe­ 27 zialgesetzliche Regelungen, die bestimmten Arbeitnehmern das Recht auf Verringerung der Arbeitszeit einräumen. So haben etwa Eltern während der Dauer der Elternzeit gem. §  15 Abs. 7 BEEG einen Anspruch auf Verringerung der Elternzeit, sofern das Kind des Antragsberechtigten nach dem 1.1.2011 geboren ist.17 Arbeitnehmer, die sich zu Hause um einen pflegebedürftigen Angehörigen kümmern müssen, können ebenfalls teilweise von der Arbeit freigestellt werden (§ 3 Abs. 1 PflegeZG). Eine weitere besondere Form der Teilzeitarbeit ist die Arbeit auf Abruf entspre- 28 chend dem jeweiligen Arbeitsanfall. Geregelt ist sie in § 12 Abs. 1 TzBfG.18 Letztlich ist Teilzeittätigkeit auch häufig ein Regelungsgegenstand von Tarifverträgen, so z.B. in § 11 TVöD.

IV. Umsetzung der Teilzeitarbeit in der Praxis Wenn ein Arbeitsplatz öffentlich ausgeschrieben ist, muss der Arbeitgeber ihn 29 gem. §  7 TzBfG grundsätzlich auch als Teilzeitarbeitsplatz ausschreiben, wenn er sich hierfür eignet. Weiterhin hat der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer, der ihm den Wunsch nach einer Veränderung von Dauer und Lage seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat, über entsprechende Arbeitsplätze, die besetzt werden sollen, zu informieren. Auch die Arbeitnehmer-Vertretung ist über Teilzeitarbeit im Betrieb und Unternehmen in Kenntnis zu setzen, insbesondere über vorhandene oder geplante Teilzeitarbeitsplätze und die Umwandlung von Teilzeitarbeitsplätzen in Vollzeitarbeitsplätze. Ihr sind auf Verlangen die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Gem. § 10 TzBfG muss der Arbeitgeber zudem Sorge dafür tragen, dass auch teil- 30 zeitbeschäftigte Arbeitnehmer an Ausbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen können. Dazu gehören nicht nur Maßnahmen, die die aktuelle Tätigkeit des Teilzeitbeschäftigten betreffen, sondern auch solche zur Verbesserung der beruflichen Qualifikation und die seine berufliche Mobilität fördern. Die Berechnung von Urlaubsansprüchen bei Teilzeitbeschäftigten bietet in der 31 Praxis häufig Anlass für Probleme. Grund sind zumeist flexibel vereinbarte Arbeitszeiten mit wöchentlich wechselndem Stundenumfang oder variierenden Arbeitstagen. Auf diese Beschäftigungsmodelle kann die normale Berechnungsformel für die Berechnung von Urlaubstagen von regelmäßig an gleichbleibenden Arbeitstagen der Woche und in gleichem Arbeitszeitumfang tätigen Teilzeitbeschäftigten (nominale Anzahl der jährlichen Urlaubstage von Vollzeitarbeitnehmern pro Jahr (Schritt 1) geteilt durch Arbeitstage der Vollzeitarbeitnehmer pro Woche (Schritt 2) multipliziert

17 Vgl. Kap. 11 – Elternzeit. 18 Hierzu ausführlich: Kap. 2 – Arbeit auf Abruf.

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 Kapitel 37 Teilzeit

mit den tatsächlichen Arbeitstagen des Teilzeitbeschäftigten pro Woche (Schritt 3)) nicht ohne Weiteres angewendet werden. Für den unregelmäßig arbeitenden Teilzeitbeschäftigten ist zunächst zu berech32 nen, wie viele Tage er wie lange durchschnittlich im Betrieb verbringt. Erst dann kann in einem zweiten Schritt die genaue Ermittlung des Urlaubsanspruchs erfolgen. Maßgebend für die Berechnung ist der Zeitraum, in dem sich der individuelle Arbeitsrhythmus wiederholt. Das BAG lässt hier eine Dauer zwischen zwei Wochen und einem Jahr als Anhaltspunkte für eine Durchschnittsberechnung gelten.19 Die Berechnungsformel lautet dann: nominale Anzahl der jährlichen Urlaubs33 tage eines Vollzeitarbeitnehmers (Schritt 1) multipliziert mit den tatsächlichen Arbeitstagen des Teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers über eine als Bezugszeitraum bestimmten Anzahl von Arbeitstagen (Schritt 2) geteilt durch die Arbeitstage von Vollzeitarbeitnehmern während des als ermittelten Bezugszeitraumes (Schritt 3). Praxistipp Zur Erleichterung der Berechnung des Urlaubsanspruchs und bei Fragen der Lohnfortzahlung an gesetzlichen Feiertagen sind eine präzise Vereinbarung der wöchentlichen Arbeitszeit und die Verteilung auf die einzelnen Wochentage dringend geboten.

V. Beendigung der Teilzeit

34 Die Beendigung einer Teilzeitbeschäftigung kann auf zwei unterschiedlichen Wegen

erfolgen:

1. Kündigung

35 Ein Teilzeitarbeitsverhältnis kann zunächst auf dem gleichen Wege wie ein Vollzeitar-

beitsverhältnis beendet werden: durch Aufhebungsvertrag (§ 623 BGB), Kündigung oder durch Ablauf einer wirksamen Befristung (§ 15 TzBfG). Es gelten insoweit die allgemeinen Grundsätze; insbesondere greift für Teilzeitarbeitsverhältnisse bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 1, 2 KSchG der besondere Kündigungsschutz. Eine Besonderheit ergibt sich lediglich aus §  10 TzBfG. Danach ist die Kündigung eines Arbeitnehmers, der sich weigert, von einer Vollzeit- in eine Teilzeitbeschäftigung zu wechseln, unwirksam. Das Recht zur Kündigung aus anderen Gründen bleibt dagegen unberührt, § 11 TzBfG.

19 BAG, Urt. v. 22.10.1991 – 9 AZR 621/90 –; Urt. v. 20.8.2002 – 9 AZR 261/01 –; Urt. v. 15.3.2011 – 9 AZR 799/09 –.

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2. Vertragsänderung Ein Teilzeitarbeitsverhältnis kann aber auch dadurch beendet werden, dass der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis als Vollzeitarbeitsverhältnis fortsetzt. Dies kann entweder im Wege einer einvernehmlichen Vertragsänderung gem. § 311 BGB oder im Wege des § 9 TzBfG erfolgen. Gem. § 9 TzBfG ist ein Teilzeitbeschäftigter bei der Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen, wenn er dem Arbeitgeber den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit angezeigt hat. Diesen Anspruch können alle Teilzeitbeschäftigten geltend machen. Zwar sind sie sind nicht an bestimmte Voraussetzungen innerhalb des Betriebes gebunden, jedoch ist der Arbeitgeber auch nicht dazu verspflichtet, eine neue Vollzeitstelle einzurichten. Dem Verlangen des Antragstellers können die Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer entgegenstehen. Bewerben sich mehrere Teilzeitbeschäftigte mit der erforderlichen Eignung auf den freien Arbeitsplatz, kann der Arbeitgeber zwischen diesen frei wählen, ohne verpflichtet zu sein, eine Auswahlentscheidung nach billigem Ermessen zu treffen. 20 Sind die Voraussetzungen des § 9 TzBfG zu bejahen und gibt es keine weiteren Bewerber, welche die Eignung für den Arbeitsplatz ebenfalls besitzen würden, so steht dem Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber ein Anspruch auf Zustimmung zur Änderung des Arbeitsvertrages zu. Diesen kann er dann, wie bei einem Anspruch gem. §  8 TzBfG, im Rahmen einer allgemeinen Leistungsklage gerichtlich geltend machen.

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VI. Checklisten 1. Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit Um einen möglichst reibungslosen Ablauf der Teilzeitbeschäftigung zu sichern und 40 unnötige Probleme sowie Streitigkeiten zu vermeiden, ist vom Arbeitgeber ein besonderes Augenmerk auf das Fristenmanagement zu richten. Versäumt es der Arbeitgeber hier in seiner Arbeitsorganisation entsprechende Merkposten zu setzen, läuft er Gefahr, die grundsätzliche Entscheidungshoheit über die Einführung von Teilzeitarbeit zu Gunsten einer gesetzlichen Fiktion aus der Hand zu geben. Checkliste –– Anspruchsberechtigte sind alle Arbeitnehmer, außer Auszubildende und Organe, –– das Arbeitsverhältnis muss länger als sechs Monate bestehen, –– der Arbeitgeber beschäftigt in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer im Unternehmen,

20 BAG, Urt. v. 13.2.2007 – 9 AZR 575/05 –.

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 Kapitel 37 Teilzeit

der Gegenstand des Anspruchs bezieht sich nur auf die Verkürzung der Arbeitszeit auf den bisherigen Arbeitsplatz, nicht auf die Zuweisung eines anderen freien Arbeitsplatzes, der Umfang der Verringerung der Arbeitszeit muss vom Arbeitnehmer angegeben werden, die Angabe der Arbeitszeitverteilung ist nicht zwingend, sollte aber auch erfolgen, die Prüfung, ob betriebliche Gründe dem Antrag entgegenstehen und die Entscheidung, dem Antrag entweder zuzustimmen oder ihn abzulehnen, ist dem Arbeitgeber schriftlich mitzuteilen.

2. Vertragsgestaltung

41 Bei Abschluss eines Teilzeitarbeitsvertrages empfiehlt es sich, folgende Punkte zu

regeln:

Checkliste –– Festlegung der wöchentlichen Arbeitszeit, –– Verteilung der Arbeitszeit, –– Inhalt der konkreten Arbeitsverpflichtung, –– Reduzierung der Arbeit um den entsprechenden Anteil, –– Vergütung, –– Urlaub/Urlaubsgeld, –– Probezeit/Beendigung des Arbeitsverhältnisses/Kündigungsfristen, –– betriebliche und tarifliche Regelung/Öffnungsklausel, –– Vereinbarung einer Freistellung, –– Verschwiegenheitspflicht und –– Nebenabreden/Schriftformerfordernis/Salvatorische Klausel.

B. Steuerrecht 42 Das Teilzeitarbeitsverhältnis weist im Vergleich zum typischen (Vollzeit-) Arbeitsver-

hältnis keine Besonderheiten auf. Der Lohnsteuerabzug ist somit grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln unter Berücksichtigung der individuellen Besteuerungsmerkmale vorzunehmen.21 Praxistipp Liegen die Voraussetzungen eines geringfügigen Arbeitsverhältnisses vor, kann unter den entsprechenden Voraussetzungen alternativ die Lohn- und Kirchensteuer auch mit einem Pauschsteuersatz i.H.v. 2 % erhoben werden.22

21 Voraussichtlich ab 1.1.2013: elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale – ELStAM. 22 Vgl. hierzu Kap. 24 – Minijobber Rn 28 ff.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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C. Sozialversicherungsrecht I. Allgemeines Ob ein Beschäftigungsverhältnis i.S.d. § 7 SGB IV besteht und damit die Vorausset- 43 zung für das Bestehen von Versicherungspflicht in der Sozialversicherung gegeben ist, hängt nicht von einer Mindeststundenzahl ab. Daher ist jedes Teilzeitverhältnis grundsätzlich auch ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, wenn es die übrigen Anforderungen ebenfalls erfüllt. Allerdings ist die Ausprägung des Versicherungsschutzes in der Sozialversiche- 44 rung unterschiedlich. Je größer der Umfang der Beschäftigung desto umfangreicher ist ein Beschäftigter gegen die Risiken des Lebens, die durch die gesetzliche Sozialversicherung abgedeckt ist, geschützt. Sofern die Teilzeitbeschäftigung die Voraussetzungen einer geringfügigen 45 Beschäftigung erfüllt, gelten besondere Vorschriften, was die Beiträge zur Sozialversicherung angeht. Der Beschäftigte wird bei der Bemessung der Beiträge begünstigt, um ihm den Schutz der Sozialversicherung zu gewährleisten, ihn aber gleichzeitig nicht mit zu hohen Beiträgen zu belasten.23

II. Kranken- und Pflegeversicherung Sofern die Teilzeittätigkeit die Voraussetzungen einer geringfügigen Beschäftigung 46 erfüllt, besteht Versicherungsfreiheit gem. §  7 SGB V und damit auch Versicherungsfreiheit in der Pflegeversicherung.24 Eine Besonderheit besteht zudem, wenn ein zuvor Vollzeitbeschäftigter wegen 47 der Höhe seines Entgeltes mindestens fünf Jahre versicherungsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung war und dann seine Arbeitszeit auf die Hälfte der regelmäßigen Wochenarbeitszeit oder weniger reduziert, § 8 Abs. 1 Nr. 3 SGB V. Entsprechendes gilt, wenn im Anschluss an das bisherige Beschäftigungsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber ein (Teilzeit-) Beschäftigungsverhältnis aufgenommen wird. In diesen Fällen kann eine ggf. private Absicherung gegen Krankheit trotzdem aufrecht erhalten bleiben, obwohl kein Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze mehr vorliegt. Mit diesen Regelungen soll ein zusätzlicher Anreiz geschaffen werden, um Arbeitnehmern die Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung zu erleichtern und Nachteile bei der Krankenversicherung auszuschließen.

23 Einzelheiten zu Geringfügigen Beschäftigungen vgl. Kap. 24 – Minijobber und Kap. 5 – Aushilfen. 24 Einzelheiten zu Geringfügigen Beschäftigungen vgl. Kap. 24 – Minijobber und Kap. 5 – Aushilfen.

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 Kapitel 37 Teilzeit

Beispiel Arbeitnehmerin A ist seit 2000 beim Arbeitgeber B beschäftigt. Ihr Arbeitsentgelt liegt von Beginn an über der jeweils geltenden Jahresarbeitsentgeltgrenze. Sie ist privat krankenversichert. In 2006 entschließt sich A ihre Arbeitszeit auf 50 % der üblichen Wochenarbeitszeit zu reduzieren. Der Personalreferent von B weist sie auf die Möglichkeit hin, trotzdem weiter privatversichert zu bleiben, obwohl ihr Entgelt nicht mehr über der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegt. A denkt darüber nach und stellt zwei Monate nach Beginn der Teilzeittätigkeit einen entsprechenden Antrag bei der zuständigen Krankenkasse. Da sie in der Zwischenzeit Leistungen in Anspruch genommen hat, beginnt die Freistellung von der Versicherungspflicht mit dem auf den Antrag folgenden Monat.25

Praxistipp Es ist gut zu überlegen, ob ein solcher Befreiungsantrag gestellt wird, da dieser nicht widerrufen werden kann.26 Der Wechsel in eine Teilzeitbeschäftigung ermöglicht auch die Chance, wieder in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig zu werden und damit ggf. hohen Beiträgen zur privaten Krankenversicherung zu entgehen. Diese Entscheidung ist von den persönlichen Lebensumständen abhängig und muss wohl durchdacht sein. 48 Schließlich ist zu beachten, dass zwar Sach- und Dienstleistungen der gesetzli-

chen Krankenversicherung unabhängig von der Beitragshöhe gewährt werden. Es macht für Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte daher keinen Unterschied, ob eine Voll- oder Teilzeitbeschäftigung mit zwangsläufig geringeren Beiträgen ausgeübt wird. Anderes gilt aber für den Bereich der Geldleistungen, die auch zum Schutz der gesetzlichen Krankenkasse gehören. Die Berechnung der Höhe des Krankengeldes bestimmt sich nach dem der Beitragsberechnung zugrunde liegenden Arbeitsent­ gelt; daher folgt aus einem Übergang zu Teilzeitarbeit im Versicherungsfall auch ein geringeres Krankengeld.27

III. Rentenversicherung 49 Sofern die Teilzeittätigkeit die Voraussetzungen einer geringfügigen Beschäftigung erfüllt, besteht Versicherungsfreiheit gem. § 5 Abs. 2 SGB VI.28 Teilzeitbeschäftigte unterliegen wie jeder Beschäftigte der Versicherungspflicht 50 in der Rentenversicherung und haben Ansprüche auf das volle Leistungsspektrum der gesetzlichen Rentenversicherung. §  63 Abs. 1 SGB VI regelt, dass sich die Höhe einer Rente vor allem nach der 51 Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsent-

25 § 8 Abs. 2 SGB V. 26 § 8 Abs. 2 S. 3 SGB V. 27 Küttner/Voelzke, Teilzeitbeschäftigung Rn 125. 28 Einzelheiten zu Geringfügigen Beschäftigungen vgl. Kap. 24 – Minijobber und Kap. 5 – Aushilfen.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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gelte und Arbeitseinkommen richtet. Die Rente soll einen Lebensstandard im Alter sicherstellen, der sich am Lebensstandard während der gesamten Erwerbsphase orientiert und damit die individuelle Lebensarbeitsleistung widerspiegelt.29 Daher ist bei der Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung regelmäßig zu erwar- 52 ten, dass zwar das gesamte Leistungsspektrum der Rentenversicherung abgedeckt wird, allerdings die zu erwartende Rentenhöhe sich im Verhältnis zur erbrachten Arbeitsleistung geringer ausfällt.

IV. Arbeitslosenversicherung Sofern die Teilzeittätigkeit die Voraussetzungen einer geringfügigen Beschäftigung erfüllt, besteht Versicherungsfreiheit gem. § 27 Abs. 2 S. 1 SGB III.30 Teilzeitbeschäftigte unterliegen wie jeder Beschäftigte der Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung und haben Ansprüche auf das volle Leistungsspektrum der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung. Bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes können sich jedoch ebenso Nachteile ergeben. Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn die erforderliche Anwartschaftszeit erfüllt ist. Die Anwartschaftszeit ist erfüllt, wenn der Beschäftigte in den letzten zwei Jahren vor der Arbeitslosmeldung und der eingetretenen Arbeitslosigkeit mindestens 12 Monate in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gestanden hat. Für die Höhe des Arbeitslosengeldes ist grundsätzlich von Bedeutung: –– das beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Beschäftigte im letzten Jahr vor der Arbeitslosigkeit erzielt hat, –– die zu berücksichtigende Lohnsteuerklasse und –– die Frage, ob ein Kind i.S.d. § 32 Abs. 1, 3 bis 5 EStG zu berücksichtigen ist. Das Arbeitslosengeld für Kinderlose beträgt grundsätzlich 60 %, bei Arbeitslosen mit Kindern 67 % des pauschalierten Nettoentgelts, das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Wie sich aus den §§  130 Abs. 3, 132 Abs. 1 SGB III ergibt, sieht das Gesetz eine Erweiterung des Bemessungsrahmens über zwei Jahre hinaus nicht vor. Daran ändert nichts, dass nach § 130 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 SGB III bei der Ermittlung „des Bemessungszeitraums“ Teilzeittätigkeiten im dort genannten Umfang außer Betracht bleiben, wenn der Arbeitslose Beschäftigungen mit einer höheren Arbeitszeit innerhalb der letzten dreieinhalb Jahre vor der Entstehung des Anspruchs während eines sechs Monate umfassenden zusammenhängenden Zeitraums ausgeübt hat.31

29 Kreikebohm, § 63 SGB VI, Rn 3. 30 Einzelheiten zu Geringfügigen Beschäftigungen vgl. Kap. 24 – Minijobber und Kap. 5 – Aushilfen. 31 BSG, Urt. v. 6.5.2009 – B 11 AL 7/08 R –.

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 Kapitel 37 Teilzeit

Sofern daher ein Beschäftigter länger als zwei Jahre eine Teilzeittätigkeit ausgeübt hat, wird das davor erzielte Arbeitsentgelt aus einer Vollzeitbeschäftigung nicht mehr als Bemessungsgrundlage herangezogen. Die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung reduzieren sich daher. Praxistipp Ein Beschäftigter, der zwei Teilzeitbeschäftigungen ausübt, eine davon verliert und eine neue sucht, kann Anspruch auf Teilarbeitslosengeld nach § 150 SGB III haben.

V. Unfallversicherung 59 Grundsätzlich sind in der Unfallversicherung alle Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf den Umfang der Beschäftigung und die Höhe des Arbeitsentgelt versichert, § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Dies resultiert daraus, dass das Gesetz lediglich den Begriff „Beschäftigte“ nennt und keine Differenzierung vornimmt; Sach- und Dienstleistungen stehen Teilzeitbeschäftigten wie Vollzeitbeschäftigten zu. Allerdings bestehen Besonderheiten bei den Geldleistungen. Die Lohnersatz60 leistungen (z.B. Verletztengeld) und Rentenzahlungen richten sich nach dem zuletzt erzielten Arbeitsentgelt. Die Verletztenrente errechnet sich auf der Grundlage des Gesamtbetrags aller 61 Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen des Verletzten in den letzten zwölf Kalendermonaten vor Eintritt des Arbeitsunfalls, § 82 SGB VII. Ist die Zugrundelegung dieses Betrags wegen eines vorübergehenden Übergangs zu einer Teilzeitbeschäftigung in erheblichem Maße unbillig, so kann gem. §  87 SGB VII der Jahresarbeitsverdienst nach billigem Ermessen festgestellt werden.32

32 Küttner/Voelzke, Teilzeitbeschäftigung Rn 132.

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Kapitel 38 Telearbeit A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis 1. Begriff und Nutzen Mit dem Aufkommen neuer Informations- und Kommunikationstechnologien 1 erlebte die Telearbeit ihren Höhepunkt in den 80er und 90er Jahren.1 Heute hat sich durchgesetzt, dass nicht mehr jeder Arbeitnehmer vor Ort im Betrieb tätig ist. Die Verlagerung der Arbeitsstätte ist regelmäßig an jeden denkbaren Ort außerhalb der Betriebsstätte möglich. Zwar gibt es keine allgemeingültige Definition für Telearbeit, jedoch sind folgende Merkmale für sie ausschlaggebend:2 eine auf programm­ gesteuerte Arbeitsmittel gestützte Tätigkeit ganz oder teilweise außerhalb der Betriebsstätte in einer Arbeitsstätte, die mit der Betriebsstätte durch elektronische Kommunikationsmittel verbunden ist. Dazu werden häufig Kommunikationsgeräte wie Computer, Fax und Telefon genutzt. Es wird auch der Begriff e-Work verwendet. Für die verschiedenen Formen der Telearbeit haben sich Begriffe3 wie Tele­ heimarbeit, alternierende Telearbeit, Telearbeit in Telearbeitszentren und mobile Telearbeit etabliert. Begriffsbestimmung –– Teleheimarbeit –– Alternierende Telearbeit –– Telearbeit in Telearbeitszentren –– Mobile Telearbeit

Bei der Teleheimarbeit arbeitet der Telearbeiter ausschließlich zu Hause. Er hat 2 keinen eigenen Arbeitsplatz mehr im Büro. Der Kontakt zum Arbeitgeber wird mittels Telefon, E-Mail oder auch Videokonferenz gehalten. Auf gleichem Wege werden die Ergebnisse der Arbeit ausgetauscht. Im Büro ist der Telearbeiter zwecks Konferenzen o.ä. Als Rechtsform sind ein Arbeitsverhältnis, Heimarbeit nach dem Heimarbeitsgesetz oder berufliche Selbstständigkeit möglich. Alternierende Telearbeit ist die verbreiteteste Form der Telearbeit. Hier besteht 3 neben dem betrieblichen Arbeitsplatz zugleich eine häusliche Arbeitsstätte, auch Telearbeitsplatz genannt. Die alternierende Telearbeit ist eine Mischform aus der Tätigkeit am Telearbeitsplatz und an der betrieblichen Arbeitsstätte. Das Verhältnis von häuslicher und betrieblicher Arbeitsstätte kann höchst unterschiedlich aus-

1 Hohmeister/Küper, NZA 1998, 1206; Wedde, CR 1994, 230, 231. 2 Boemke, BB 2003, 147; MüArbR/Hoenen, § 316 Rn 1. 3 Eine aktuelle Übersicht über die vorhandenen Formen sowie weiterführende Literatur gibt Rheinheimer, S. 40 ff.

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 Kapitel 38 Telearbeit

geprägt sein. Alternierende Telearbeit bietet sich für alle Tätigkeitsbereiche an, die eine Zusammenarbeit mit Kollegen oder den Zugriff auf zentrale Informationen erfordern, aber nicht ständig in der betrieblichen Arbeitsstätte verrichtet werden müssen. Bei alternierender Telearbeit kann es möglich sein, dass sich verschiedene Telearbeiter den Arbeitsplatz teilen, die ebenfalls in der alternierenden Telearbeit tätig sind (sog. „desk-sharing“). Der Telearbeitsplatz muss nicht gezwungenermaßen zu Hause eingerichtet sein. 4 Häufig kommen auch sog. Telecenter zum Einsatz. Telecenter sind Orte, an denen sich mehrere Telearbeiter treffen, um gemeinsam ihrer Arbeit nachzugehen. Bei jenen vom Arbeitgeber eingerichteten Arbeitsorten spricht man von Satellitenbü­ ros. Sie befinden sich regelmäßig in der Nähe der Mitarbeiterwohnorte und werden ausschließlich von Beschäftigten ein und desselben Unternehmens genutzt und vom Arbeitgeber als Zweigstelle betrieben. Häufig erfolgt eine räumliche Dezentralisierung einzelner Funktionseinheiten der Hauptbetriebsstätte. Bei sog. Nachbar­ schaftsbüros teilen sich Beschäftigte mehrerer Unternehmen einen Raum oder ein Gebäude sowie die installierte technische Infrastruktur. Die Nachbarschaftsbüros befinden sich ebenfalls häufig in der Nähe der Wohnorte der Arbeitnehmer, da diese Form der Telearbeit überwiegend von Mitarbeitern genutzt wird, die aufgrund ihrer Wohnsituation keine Möglichkeit besitzen, ihrer Arbeit zu Hause nachzugehen. Bei den Telecentern werden sog. Teledienstleistungen für fremde Auftraggeber erbracht. Die Telearbeitscenter sind eigenständige Unternehmen, die den Auftraggebern Telearbeitsplätze, bei Bedarf sogar inklusive Personal, für ihre Aufgaben zur Verfügung stellen. Bei mobiler Telearbeit steht die Tätigkeit an wechselnden Arbeitsorten sowie 5 der Fernzugriff auf die unternehmensinterne IT-Infrastruktur im Vordergrund. Außendienstler im weitesten Sinne (z.B.: Berater, Reporter etc.) arbeiten hier mit einer entsprechenden Telekommunikationsausrüstung auch in öffentlichen Verkehrsmittel. Bei on-site-Telearbeit befindet sich die Arbeitsstätte projektbezogen am jeweili6 gen Kundenstandort. Der Kontakt zum Unternehmen findet mittels Telemedien statt. Nutzen –– Nachhaltigkeit –– Verbesserte Kundennähe und Kundenorientierung –– Kosteneinsparungen –– Verringerung von Fehlzeiten –– Flexibilisierungsinstrument –– Steigerung der Attraktivität des Arbeitgebers –– Mitarbeiterbindungsprogramm –– Aktivierung zusätzlicher Beschäftigter –– Vereinbarkeit betrieblicher und persönlicher Belange (work-life-balance, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, freie Wahl des Wohnortes) –– Nutzung von Kreativphasen –– Entfaltung von Mitarbeiterpotenzialen –– Stärkere Diversity

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Für die Einführung von Telearbeit sind regelmäßig verschiedene Aspekte von 7 Bedeutung. Es spielen z.B. eine große Rolle: –– der Nachhaltigkeitsgedanke in Bezug auf Mitarbeiter und Umwelt, –– Kosteneinsparungsgesichtspunkte durch nicht in der betrieblichen Arbeitsstätte vorhandene günstigere Arbeitsplätze mittels Nutzung der vorhandenen technischen Möglichkeiten (weniger Büro-, Park- und Sonderflächen, Einsparungen bei Wege- und Umzugskosten), –– Flexibilisierungspotenziale vorhandener Arbeitsformen (Verbesserung der Kundennähe, flexibler Einsatz zusätzlicher Beschäftigter), –– die persönliche Situation des Mitarbeiters (Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Gestaltung der work-life-balance) sowie –– Entwicklungsmöglichkeiten der Mitarbeiterpotenziale insbesondere im Hinblick auf Selbstmanagement und Selbstorganisation. Weitere wichtige Themen sind zudem die Mitarbeiterbindung sowie die Steigerung 8 der Attraktivität des Arbeitgebers aufgrund flexibler und innovativer Arbeitsformen. Gegenüber diesem Nutzen tritt der erforderliche Aufwand für die Anpassung der betrieblichen Organisation an die Bedürfnisse des Telearbeitsplatzes (Investitionskosten, Überarbeiten der Reportingsysteme, technische Herausforderungen), ein etwaiger höherer Zeitaufwand für die Auswahl der für Telearbeit geeigneten Mitarbeiter und die Anpassung von Dokumentations- und Überwachungspflichten in den Hintergrund.

2. Herausforderungen Telearbeit kann nach den zuvor genannten Definitionen sowohl im Rahmen eines 9 Arbeitsverhältnisses, einer arbeitnehmerähnlichen Beschäftigung, in Heimarbeit oder in Selbstständigkeit erbracht werden.4 Die häufigste Form ist die des Telear­ beitsverhältnisses. Im Rahmen einer selbstständigen Beschäftigung kann der Auftraggeber wie bei jedem anderen Vertragsverhältnis das unternehmerische Risiko auf den Auftragnehmer verlagern. Im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ist dies nicht ohne Weiteres möglich. Hier greifen die allgemeinen Regelungen im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Der Telearbeit anbietende Arbeitgeber, sog. Telearbeitgeber, muss sich daher folgenden Herausforderungen bei der Einrichtung eines Telearbeitsplatzes bewusst sein: Herausforderungen –– Gefahrenpotenziale in der häuslichen Arbeitsstätte –– Zutrittsrechte zu häuslichen Arbeitsstätten

4 Nachfolgend wird davon ausgegangen, dass Telearbeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erbracht wird.

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 Kapitel 38 Telearbeit

Datenschutz Technische Schwierigkeiten Einhaltung und Dokumentation der Arbeitszeit Isolation des Telearbeitnehmers

10 Telearbeit birgt für den Telearbeitgeber ein erhöhtes Gefahrenpotenzial, da mit

der Einrichtung eines Arbeitsplatzes in der häuslichen Arbeitsstätte der Telearbeits­ platz dem Zugriff nicht mit dem Unternehmen verbundener Dritter (Lebenspartner, Kinder, Besucher, Handwerker, Vermieter etc.) ausgesetzt ist. Damit erhöhen sich auch die technischen Anforderungen. So können Betriebsmittel und Geschäftsgeheimnisse des Arbeitgebers gefährdet sein. Zudem hat der Arbeitgeber, anders als bei der betrieblichen Arbeitsstätte, keinen uneingeschränkten Zugriff auf den Arbeitsplatz, da sich der Telearbeitsplatz oftmals in der Wohnung des Arbeitnehmers und damit in denselben Räumen, in denen sich auch dessen Privatleben abspielt, befindet. Von zentraler Bedeutung sind dabei die Rechte Dritter, wie die des Lebenspartners oder auch des Vermieters. Zudem ist auch dem nicht immer einfachen Bereich des Datenschutzes besonders Rechnung zu tragen. Der Arbeitgeber muss sich ferner bewusst sein, dass Telearbeit zugleich Vertrauensarbeit heißt. Der Telearbeitgeber muss nicht nur darauf vertrauen, dass der Telearbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringt, sondern auch darauf, dass dieser das Arbeitszeitgesetz einhält und auch im eigenen Interesse nicht über Maß Überstunden anhäuft. Als weitere typische Herausforderung der Telearbeit wird eine mögliche Isola11 tion des Telearbeitnehmers gesehen, wenn die Arbeitszeit in der häuslichen Arbeitsstätte wesentlich länger ist als in der betrieblichen Arbeitsstätte. Befürchtet wird die informationelle Entfremdung gegenüber Kollegen und dem Betriebsrat, der umgekehrt wegen der fehlenden persönlichen Kontakte ggf. in seiner Bereitschaft zur Unterstützung beeinträchtigt sein könnte. Hier ist der Telearbeitgeber gefordert, den Telearbeitnehmer weiterhin in die Betriebsorganisation und betriebliche Kommunikation einzubinden. Betriebliche Gremien wie der Betriebsrat müssen dem Telearbeitnehmer ebenso offen stehen wie Karriereprogramme.

II. Alternierender Telearbeitsvertrag 1. Vereinbarung der häuslichen Arbeitsstätte als Arbeitsort 12 Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen sich neben der Art der Tätigkeit, Entgelt und Arbeitszeit immer auch über den Ort der zu erbringenden Arbeitsleistung des Arbeitnehmers einigen. Nichts anderes gilt bei Telearbeit. Die Festlegung des Arbeitsortes ist elementarer Bestandteil des Arbeitsvertrages und findet in § 2 Abs. 1 Nr. 4 NachwG ihren Niederschlag. Sie erfolgt regelmäßig zu Beginn der Tätigkeitsaufnahme. Der Arbeitsort ist regelmäßig der Betrieb des Arbeitgebers, d.h. der Ort, an dem der Arbeitgeber mit seinen materiellen und immateriellen Betriebsmitteln seinen Unternehmenszweck in einer organisatorischen Einheit verfolgt. Der Arbeitsort kann während Elert

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des laufenden Arbeitsverhältnisses abgeändert werden. Dies kann einvernehmlich, aber auch durch eine Versetzungsklausel erzielt werden.

a) Kein einseitiges Zuweisungsrecht des Arbeitgebers Die Vereinbarkeit des Telearbeitsplatzes bedarf der einvernehmlichen Regelung. 13 Ein einseitiges Zuweisungsrecht des Arbeitgebers besteht auch nicht in den Grenzen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts nach §  106 GewO.5 Danach kann der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer vertraglich geschuldete Leistung nach Ort, Zeit, Inhalt und Art ganz oder teilweise festlegen. Als Arbeitsort muss dabei die Betriebsstätte des Arbeitgebers verstanden werden, da der Arbeitgeber kein einseitiges Eingriffsrecht in das Eigentums- oder Besitzrecht sowie die Privatsphäre des Arbeitnehmers hat. Die Verlegung der betrieblichen Arbeitsstätte in die häusliche Arbeitsstätte würde aber letztendlich einen solchen Eingriff in den persönlichen Bereich des Arbeitnehmers, nämlich dessen Wohnung, darstellen. Daraus folgt die Notwendigkeit einer einvernehmlichen Regelung zwischen Telearbeitgeber und Telearbeitnehmer. Hierbei muss auch festgelegt werden, in welchem Umfang innerhalb der geschuldeten Arbeitszeit die Arbeitsleistung des Telearbeitnehmers außerhalb der betrieblichen Arbeitsstätte zu erbringen ist. Spätere Änderungen hinsichtlich des Umfangs der Arbeitszeit in der häuslichen Arbeitsstätte bedürfen ebenfalls der einvernehmlichen Festlegung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Es muss ferner die Adresse der häuslichen Arbeitsstätte genannt werden. Dies ist wichtig für die Entscheidungskompetenz des Arbeitgebers bei einem etwaigen späteren Woh­ nungswechsel des Telearbeitnehmers.6 Diese Angabe sollte nicht nur aufgrund § 2 Nr. 4 NachwG, sondern auch aus Gründen der Beweislast schriftlich erfolgen. Praxistipp Soll der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung außerhalb der betrieblichen Arbeitsstätte an einem Telearbeitsplatz erbringen können, bedarf es hierzu einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Diese sollte schriftlich erfolgen und auch die Verteilung der wöchentlich geschuldeten Arbeitszeit auf die häusliche und betriebliche Arbeitsstätte regeln. Explizit sollte die häusliche Arbeitsstätte mit Adresse benannt werden.

b) Keine Verknüpfung mit Versetzungsklausel Ob die Arbeitsleistung in der häuslichen Arbeitsstätte erbracht wird und wie genau 14 die Arbeitszeit prozentual zwischen häuslicher und betrieblicher Arbeitsstätte verteilt wird, sollte unabhängig von dem in Arbeitsverträgen üblichen Versetzungsrecht

5 Boemke, BB 2000, 147, 150; Nikisch, S. 261 f. 6 Vgl. hier unter Rn 24 und Rn 26.

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ausgestaltet werden. Das Versetzungsrecht, das den arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsinhalt und die betriebliche Arbeitsstätte betrifft, sollte dem Arbeitgeber immer im Rahmen des rechtlich Zulässigen vorbehalten bleiben. Änderungen betreffend der häuslichen Arbeitsstätte, wie bspw. Aufgabe und Umzug oder aber auch deren einseitiger Widerruf durch den Arbeitgeber, sollten damit nicht kombiniert werden, um größtmögliche Flexibilität des Telearbeitgebers unabhängig von der Rechtsprechung zu Versetzungsklauseln zu erhalten. Praxistipp Eine etwaige Versetzungsklausel im Telearbeitsvertrag zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses und der betrieblichen Arbeitsstätte sollte nicht mit Regelungen zum „Ob“ der Telearbeit und zum prozentualen Verhältnis von häuslich und betrieblich erbrachter Arbeitszeit kombiniert werden.

c) Recht auf festen betrieblichen Arbeitsplatz 15 Für die Zeit, die in der betrieblichen Arbeitsstätte zu erbringen ist, stellt sich die Frage, ob dem Telearbeitnehmer ein fester Arbeitsplatz zugewiesen werden sollte. Schon aus Gründen der Flexibilität empfiehlt sich dies nicht. Ausreichend ist das Vorrätig­ halten eines Arbeitsplatzes, der zur Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung geeignet ist. Aus Gründen der Klarheit sollte dies in den Vertrag aufgenommen werden. Praxishinweis Es sollte dem Telearbeitnehmer kein Recht auf einen festen betrieblichen Arbeitsplatz eingeräumt werden. Stellt der Telearbeitgeber dem Telearbeitnehmer aber überhaupt keinen Arbeitsplatz in der betrieblichen Arbeitsstätte zur Verfügung, kann der Telearbeitnehmer seine Arbeitsleistung zurückhalten. Der Arbeitgeber ist dann zur Fortzahlung des Arbeitsentgeltes verpflichtet.

d) Recht auf häuslichen Arbeitsplatz während der Probezeit oder bei Befristung

16 Der Telearbeitgeber sollte sich die Frage stellen, ob er bereits innerhalb der im Unter-

nehmen vorgesehenen Probezeit gem. § 622 Abs. 3 BGB einen Telearbeitsplatz einrichten will. Dafür spricht, dass der auch später in Telearbeit eingesetzte Arbeitnehmer von Anfang an in realistischer Arbeitssituation erprobt werden und seiner individuellen Situation von Anbeginn des Arbeitsverhältnisses Rechnung getragen werden kann. Dagegen spricht, dass sich die Einbindung des neuen Arbeitnehmers in den Betrieb des Arbeitgebers durch vermehrte Abwesenheitszeiten schwieriger gestalten könnte. Kontakte zu Kollegen und dem Betriebsrat sowie die Identifikation mit dem Unternehmen könnten beeinträchtigt werden. Ferner fallen Kosten für die Einrichtung des Arbeitsplatzes an, die bei nicht bestandener Probezeit andernfalls vermieden worden wären. Gleiche Fragen stellen sich im Übrigen bei zeitlich befristeten Arbeitsverhältnissen. Elert

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Praxishinweis Der Telearbeitgeber muss entscheiden, ob er auch bereits während der vereinbarten Probezeit oder bei befristeten Arbeitsverhältnissen Telearbeit anbieten will.

e) Eingliederung des Telearbeitnehmers in die betriebliche Organisation des Telearbeitgebers Der Anwendbarkeit allgemeiner arbeitsrechtlicher Grundsätze steht es nicht 17 entgegen, dass der Telearbeitnehmer eine häusliche und eine betriebliche Arbeitsstätte hat.7 So unterliegt der Telearbeitnehmer selbstverständlich vollumfänglich dem arbeitgeberseitigen Direktionsrecht nach § 106 GewO. Ferner finden auf ihn die Arbeitsschutzgesetze ebenso Anwendung wie das Arbeitszeitgesetz und z.B. das TzBfG. Der Telearbeitnehmer bleibt auch in die betriebliche Organisation eingegliedert mit der Folge, dass der Betriebsrat oder der Sprecherausschuss für ihn zuständig und die betrieblichen Regelungen für ihn einschlägig sind. Dies bedeutet, dass der Telenehmer Zugang zu Betriebsversammlungen, Unternehmensfesten etc. haben muss. Ferner ist er stets bei der Berechnung von Arbeitnehmerzahlen wie z.B. beim DrittelbG und MitbestimmungsG zu berücksichtigen und wählbar sowie wahlberechtigt nach dem BetrVG.

2. Aufgabe der häuslichen Arbeitsstätte a) Widerrufsrecht Zur Verhinderung der Festschreibung der häuslichen Arbeitsstätte als Arbeitsort für 18 das gesamte Beschäftigungsverhältnis bedarf es der Vereinbarung eines Widerrufs­ rechts. Dies kann beidseitig eingeräumt werden. Die Beidseitigkeit hängt von dem Grad der Flexibilität ab, die der Telearbeitgeber seinem Telearbeitnehmer einräumen will. Da Telearbeit ein starkes Vertrauensverhältnis zwischen Telearbeitgeber und Telearbeitnehmer voraussetzt, empfiehlt sich ein beidseitiges Widerrufsrecht. Zu beachten ist hier, dass für beide Parteien des Arbeitsverhältnisses der Widerruf zu einer Neuorientierung führt. Fällt die häusliche Arbeitsstätte weg, ist die Frage zu klären, wie der Telearbeitsplatz rückabzuwickeln ist. Damit sich beide Parteien auf die Beendigung der Telearbeit einrichten können, sollte das Widerrufsrecht mit einer Ankündigungsfrist für beide Seiten von mindestens zwei Monaten vereinbart werden. Auch wenn hierzu bislang keine Rechtsprechung vorliegt, so sollte sich der Telearbeitgeber an der Rechtsprechung zum Widerruf von Vertragsbestandteilen gem. § 310 Abs. 4 BGB orientieren, um ausreichende Transparenz zu gewährleisten. Allgemein formuliert hat das BAG hierzu entschieden, dass die Gründe für einen Widerruf bereits im Vertrag möglichst konkret benannt werden müssen.

7 Hohmeister/Küper, NZA 1998, 1206; MüArbR/Hoenen, § 316 Rn 4, Rn 14.

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Ob und inwiefern während der Probezeit eine kürzere Widerrufsfrist gewollt ist, müssen letztendlich Investitionsaufwand und betriebliche Organisation des Telearbeitgebers beantworten. Rechtlich dürfte aus der gesetzlich vorgesehenen zweiwöchigen Kündigungsfrist während der Probezeit gem. § 622 Abs. 3 BGB folgen, dass auch das Widerrufsrecht bei nicht erfolgter Beendigung des Arbeitsverhältnisses als milderes Mittel mit einer Zwei-Wochen-Frist während der Probezeit möglich sein muss. Besondere tarifrechtliche Regelungen sollten hier zudem Berücksichtigung finden. Überlegt werden kann auch, ob das Widerrufsrecht an einen wichtigen Grund 20 geknüpft werden sollte. Zu beachten ist, dass hierdurch die Flexibilität der Vertragsparteien deutlich eingeschränkt wird. Zudem steht bislang nicht fest, ob eine solche Vereinbarung zu Lasten des Arbeitnehmers rechtswirksam wäre. 19

Praxistipp Der Widerruf des Telearbeitsplatzes sollte beidseitig für Telearbeitgeber und Telearbeitnehmer vereinbart werden. Damit es nicht zu einer Überraschung einer der beiden Parteien kommt, sollte eine mindestens zweimonatige Frist vereinbart werden. Dies dient der Rechtssicherheit und Transparenz. Während der Probezeit kann eine kürzere Frist vereinbart werden. Die Möglichkeit des Widerrufs kann zudem auf einen wichtigen Grund reduziert werden.

b) Rückabwicklung mit (Wieder-)Eingliederung in die betriebliche Arbeitsstätte

21 Kommt es von einer Seite zum Widerruf der Telearbeit, muss der Telearbeitsplatz

rückabgewickelt werden. Dies beinhaltet nicht nur die Neuregelung der nunmehr alleinigen Arbeitszeit in der betrieblichen Arbeitsstätte, sondern auch die (Wieder-) Eingliederung des bisherigen Telearbeiters in die Betriebsorganisation und die physische Auflösung des Telearbeitsplatzes. Um von Anbeginn des Telearbeitsverhältnisses beiden Parteien diese Konsequenzen vor Augen zu führen, sollten die Rechtsfolgen ausdrücklich in den Telearbeitsvertrag aufgenommen werden. So sollte z.B. geregelt werden, wo, wann, an wen und auf welche Kosten die 22 Arbeitsmittel des Telearbeitgebers zurückzugeben sind. Von Bedeutung ist hier die Frage, ob der Telearbeitnehmer die Betriebsmittel dem Telearbeitgeber zu bringen (Bringschuld) oder der Telearbeitgeber diese beim Telearbeitnehmer abzuholen (Holschuld) hat. Wird keine Regelung getroffen, so gilt, dass es sich grundsätzlich um eine Holschuld des Arbeitgebers handelt.8 Dies bedeutet, dass der Telearbeitnehmer die Betriebsmittel allein zur Abholung vorrätig halten muss. Soll der Telearbeitnehmer verpflichtet werden, die Betriebsmittel an die betriebliche Arbeitsstätte des Telearbeitgebers zu verbringen, ist dies ausdrücklich zu regeln. Die technischen Anforderungen dürften es aber wohl regelmäßig als erforderlich ansehen lassen,

8 Dies ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung des § 269 I BGB; MüArbR/Blomeyer, § 46 Rn 68.

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dass der Telearbeitgeber seine Betriebsmittel beim Telearbeitnehmer abbaut und auf Kosten des Telearbeitgebers wieder zur betrieblichen Arbeitsstätte verbringt. Hierzu bedarf es eines zuvor vereinbarten Zutrittsrechts des Telearbeitgebers zur Wohnung des Telearbeitnehmers. Aus Gründen der Rechtsklarheit sollte bei der Rückgabe ein Inventarverzeichnis angefertigt werden, das sämtliche zurückzugebenden Gegenstände ausweist. Kehrt der Telearbeitnehmer nun vollständig in die betriebliche Stätte zurück, 23 so wird sich automatisch die Frage stellen, wo er sodann eingesetzt wird. Das „Wo“ bezieht sich hierbei auf den tatsächlichen betrieblichen Arbeitsplatz, nicht hingegen auf den Arbeitsinhalt. Letzteren bestimmt der Arbeitsvertrag. Um von Anfang an Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden und Transparenz zu gewährleisten, sollte die Rückkehr an einen vormals evtl. innegehabten Arbeitsplatz im Betrieb ausgeschlossen werden. Die Wieder- oder erstmalige Eingliederung sollte dem Direktionsrecht des Arbeitgebers obliegen. Praxistipp Im Arbeitsvertrag sollten die Konsequenzen eines Widerrufs des Telearbeitsplatzes ausdrücklich geregelt und deren Umsetzung aufgelistet werden. Ein Inventarverzeichnis kann hier hilfreich sein. Die Rückkehr zu einem bestimmten, evtl. vormals innegehabten Arbeitsplatz sollte ausgeschlossen werden.

c) Wohnungswechsel Einen besonderen Fall stellt der Wohnungswechsel des Telearbeitnehmers dar. Die 24 Einräumung der häuslichen Arbeitsstätte, wie nachfolgend noch zu zeigen sein wird, ist an eine ganze Bandbreite von Voraussetzungen geknüpft. An dieser Stelle seien allein die Eignung der Wohnung wie auch das Zustimmungsrecht Dritter genannt. Damit diese Voraussetzungen immer gewahrt sind, der Telearbeitgeber dies entsprechend überprüfen kann und es nicht zu einer Vermehrung der Kosten durch häufiges Umziehen kommt, empfiehlt es sich, bei einem Wohnungswechsel automatisch die Vereinbarung über die häusliche Arbeitsstätte beenden zu lassen. Soll die Telearbeit auch in der neuen Wohnung des Arbeitnehmers fortgesetzt werden, so bedarf es hierfür einer neuen, fortführenden Vereinbarung. Aus Transparenzgesichtspunkten ist dies von Anfang an in den Telearbeitsvertrag aufzunehmen. Praxistipp Bei einem Wohnungswechsel sollte es nicht zu einem Automatismus für die Aufrechterhaltung der häuslichen Arbeitsstätte kommen. Jeder Wohnungswechsel sollte die Telearbeit beenden und die Fortsetzung eine Folgevereinbarung notwendig werden lassen.

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d) Beendigung des Arbeitsverhältnisses

25 Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfällt selbstverständlich auch

das Erfordernis für die häusliche Arbeitsstätte mit allen zuvor dargestellten Konsequenzen. Problematisch ist hier oftmals die Frage von Rückgabepflichten/Zurück­ behaltungsrechten nach Ausspruch einer arbeitgeberseitigen Kündigung, die der Telearbeitnehmer im Wege der Kündigungsschutzklage angeht. Hier ist die Frage von Rückgabepflichten, Rückgaberechten und Zurückbehaltungsrechten wie bei jedem anderen Arbeitsverhältnis auch maßgebend.

3. Häusliche Arbeitsstätte 26 Mit der Vereinbarung über die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung des Telearbeitnehmers in der häuslichen Arbeitsstätte wird diese zur Arbeitsstätte i.S.d. ArbStättV. Die ArbStättV legt fest, was der Arbeitgeber beim Einrichten von Arbeitsstätten in Bezug auf Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer zu beachten hat. Arbeitsstätten gem. § 2 ArbStättV sind alle Orte in Gebäuden, die zur Nutzung für Arbeitsplätze vorgesehen sind sowie Orte, an denen Arbeitsplätze dauerhaft eingerichtet werden und Arbeitnehmer sich bei der von ihnen auszuübenden Tätigkeiten regelmäßig aufhalten. Der Arbeitgeber ist dabei sowohl zur Möglichkeit der Benutzung als auch zur Instandhaltung der Arbeitsstätte verpflichtet. Damit muss auch die häusliche Arbeitsstätte vollumfänglich den Vorschriften der ArbStättV gerecht werden. Der Arbeitgeber trägt hierfür die Verantwortung. Ihm obliegt die Gefährdungsbeurteilung. Nach § 3a ArbStättV trägt der Arbeitgeber die Sorge dafür, dass die Arbeitsstätte so eingerichtet und betrieben wird, dass von ihr keine Gefährdung für die Sicherheit und die Gesundheit des Arbeitnehmers ausgeht. Dabei hat er den Stand der Technik und insbesondere die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales nach § 7 Abs. 4 ArbStättV bekannt gemachten Regelungen und Erkenntnisse zu berücksichtigen. Im Falle der häuslichen Arbeitsstätte kann der Arbeitgeber seine Verantwortung nicht auf den Telearbeitnehmer übertragen. Da er jedoch nur ein eingeschränktes Zugangsrecht hat, muss zwischen Telearbeitgeber und Telearbeitnehmer vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer für die Einhaltung der notwendigen Vorschriften Rechnung trägt. Dies kann dadurch erzielt werden, dass der Telearbeitnehmer ausdrücklich im Telearbeitsvertrag erklärt, die häusliche Arbeitsstätte befinde sich in Räumlichkeiten, die für den dauerhaften Aufenthalt von Menschen zugelassen und vorgesehen, sowie zur entsprechenden Aufgabenerledigung geeignet sind. Dem Telearbeitgeber, wie auch seinen Beauftragten, sollte die Überprüfungsmöglichkeit diesbezüglich eingeräumt werden.9 Dies setzt ein im Vorfeld vereinbartes Begehungsrecht voraus. Der Telearbeitnehmer ist auf die Anforderungen der einschlägigen Verordnungen hinzuweisen. Diese können ihm auch zusätzlich ausgehändigt werden.

9 Vgl. hier unter Rn 30.

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Praxishinweis Die häusliche Arbeitsstätte ist Arbeitsstätte i.S.d. Arbeitsstättenverordnung. Die Verantwortung für die Einhaltung der maßgeblichen Regelungen kann auf den Telearbeitnehmer delegiert werden. Der Telearbeitnehmer sollte im Telearbeitsvertrag ausdrücklich erklären, dass seine häusliche Arbeitsstätte als Arbeitsstätte allen einschlägigen gesetzlichen Vorschriften genügt. In diesem Zusammenhang ist der Telearbeitnehmer auf die einschlägigen Regelungen hinzuweisen.

4. Bildschirmarbeitsverordnung Von zentraler Bedeutung für Telearbeitsplätze sind ferner die speziellen Regelun- 27 gen zur Arbeit an Bildschirmen. Diese finden sich in der Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit an Bildschirmgeräten (BildscharbV).10 Bildschirmarbeitsplatzbeschäftigte i.S.d. §  2 Abs. 3 BildscharbV sind Personen, die gewöhnlich bei einem nicht unwesentlichen Teil ihrer normalen Arbeit ein Bildschirmgerät benutzen. Als Bildschirmgerät i.S.d. § 2 Abs. 1 BildscharbV gilt jeder Bildschirm zur Darstel- 28 lung alphanumerischer Zeichen oder zur Grafikdarstellung, ungeachtet des Darstellungsverfahrens. Um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Telearbeitnehmer an Bildschirmgeräten zu gewährleisten, ist der Arbeitgeber verpflichtet, vor Aufnahme der Arbeit und dann in regelmäßigen Abständen eine „angemessene Untersuchung der Augen und des Sehvermögens“ zu ermöglichen und die Arbeitstätigkeit so zu gestalten, dass eine permanente Bildschirmarbeit durch ausreichende Pausen oder anderweitige Tätigkeiten unterbrochen wird (§ 5 BildscharbV). Nach § 4 BildscharbV ist jeder Bildschirm ergonomisch i.S.d. Mindestanforderungen (an Bildschirmgeräte, Tastatur, Arbeitsumgebung, Software und Arbeitsmittel) einzurichten. Die Rechte aus der BildscharbV sind für den betroffenen Telearbeitnehmer unmittelbar einklag­ bare Rechte. Kommt der Telearbeitgeber seiner Verpflichtung zur Einhaltung der Schutzvorschriften nicht nach und handelt es sich dabei nicht um einen nur kurzfristigen Verstoß, hat dies nicht nur die Nichtigkeit der einzelnen Arbeitsanweisung zur Folge, sondern führt auch zum Wegfall der Arbeitspflicht bei bestehend bleibender Vergütungspflicht. Die Verletzung der Pflicht zur Ermöglichung einer Augenuntersuchung stellt nach § 7 BildscharbV i.V.m. § 25 Abs. 1 Nr. 1 eine Ordnungswidrigkeit dar und kann bei vorsätzlicher Gesundheitsgefährdung den Straftatbestand des § 28 Nr. 2 ArbSchG erfüllen.

10 Die Verordnung erging aufgrund der Ermächtigung in § 19 Arbeitsschutzgesetz und trat am 20.12.1996 in Kraft. Sie dient i.V.m. dem Arbeitsschutzgesetz der Umsetzung der RL 90/270/EWG des Europäischen Rates vom 29.5.1990 über die Mindestvorschriften bezüglich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit an Bildschirmgeräten.

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a) Zustimmung Dritter

29 Da regelmäßig nicht bekannt ist, ob die Räume, die der Telearbeitnehmer als häus-

liche Arbeitsstätte nutzen will, in dessen alleinigem Eigentum stehen, ist stets zu klären, wie die Eigentumsverhältnisse sind und ob, im Verhältnis zum (Mit-) Eigentümer – und damit im Regelfall zum Vermieter oder Ehepartner – die Nutzung des Wohnraums als häusliche Arbeitsstätte vereinbart ist. Ist Letzteres nicht der Fall, ist eine Genehmigung des Vermieters oder Miteigentümers notwendig. Im Idealfall sollte die Genehmigung von Miteigentümern bzw. Vermietern vor Aufnahme der Tätigkeit in der häuslichen Arbeitsstätte schriftlich vorliegen. Ist dies nicht möglich, so ist dem Telearbeitgeber zu empfehlen, die Wirksamkeit der Vereinbarung über die Telearbeit unter die aufschiebende Bedingung zu stellen, dass der Telearbeitnehmer die entsprechenden Erklärungen schriftlich vorlegt. Praxistipp Steht das Gebäude bzw. die Wohnung, in der der Telearbeitsplatz eingerichtet werden soll, nicht im (alleinigen) Eigentum des Telearbeitnehmers, ist vor Aufnahme der Tätigkeit die Zustimmung der (Mit-) Eigentümer zur Nutzung als häusliche Arbeitsstätte schriftlich seitens des Telearbeitnehmers vorzulegen. Ist dies nicht möglich, sollte die Wirksamkeit der Vereinbarung über die häusliche Arbeitsstätte als Arbeitsort unter der aufschiebenden Bedingung stehen, dass sämtliche Dritte mit der Nutzung des Wohnraumes als häusliche Arbeitsstätte einverstanden sind.

b) Zugang Dritter

30 Im Falle der Telearbeit ist nicht nur das Einverständnis Dritter zur Nutzung der

häuslichen Arbeitsstätte von großer Bedeutung, sondern auch die Lage des Telear­ beitsplatzes in der Wohnung des Telearbeitnehmers. Diese birgt stets das Risiko, dass Dritte wie Lebenspartner, Kinder, Vermieter, Handwerker oder auch Gäste des Arbeitnehmers Zugang zu der häuslichen Arbeitsstätte erlangen und damit Zugriff auf die vom Telearbeitgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel und in der Folge zu dessen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen haben können. Es ist daher von besonderem Interesse für den Telearbeitgeber sicherzustellen, dass der Telearbeitnehmer Sorge trägt, den Zugang bzw. Zugriff Dritter zu verhindern. Dies sollte ausdrücklich im Telearbeitsvertrag hervorgehoben werden. Sämtliche Nutzungsmöglichkeiten von Dritten sollten ausdrücklich ausgeschlossen werden. Im Rahmen dessen sollte der Telearbeitgeber den Telearbeitnehmer darauf hinweisen, dass sämtliche in der betrieblichen Arbeitsstätte geltenden Regelungen zum Datenschutz und zur Sicherstellung von Arbeitsqualität auch für die häusliche Arbeitsstätte gelten. Praxistipp Zum Schutz der Betriebsmittel sowie der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sollte der Zugriff Dritter zum Telearbeitsplatz vollumfänglich schriftlich ausgeschlossen werden. Die in der betrieblichen Arbeitsstätte geltenden Regelungen sollten auch für die häusliche Arbeitsstätte vereinbart werden.

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c) Begehungsrecht des Arbeitgebers Hinsichtlich der Errichtung des Telearbeitsplatzes, eines etwaigen späteren Aus- 31 tauschs von betrieblichen Arbeitsmitteln, der Beseitigung von Störungen und der Überprüfung, ob die häusliche Arbeitsstätte tatsächlich dauerhaft allen gesetzlichen Anforderungen der ArbeitsstättenV entspricht, bedarf es des Zugangs des Telear­ beitgebers bzw. seiner Vertreter zu der häuslichen Arbeitsstätte. Dabei ist Art. 13 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. Dieser gewährleistet die Unverletzlichkeit der Woh­ nung.11 Es bedarf daher der ausdrücklichen Vereinbarung eines Zutrittsrechts des Telearbeitgebers. Da es dem Interesse des Telearbeitnehmers entsprechen wird, nicht ohne Grund, ohne Ankündigung und nicht in jedem Fall seinem Arbeitgeber, dessen Vertretern oder beauftragten Personen ein Zugangsrecht einzuräumen, sollte dieses näher bestimmt werden. Es empfiehlt sich als Minimallösung zu regeln, dass der Telearbeitgeber bzw. seine Vertreter im Falle gesetzlicher Verpflichtung und bei begründetem Verlangen ein Zugangsrecht haben. Damit das Zugangsrecht nicht zur Unzeit ausgeübt wird, sollte eine Verpflichtung bestehen, wonach Telearbeitgeber und Telearbeitnehmer im Vorfeld gemeinsam Zeiten des Zugangs festlegen. Hierbei können die betriebsüblichen Arbeitszeiten zugrunde gelegt werden. Für alle Fälle sollte darüber hinaus auch ein sog. „außerordentliches“ Zugangsrecht gewährt werden. Schließlich müssen die in der häuslichen Lebensgemeinschaft mit dem Telearbeitnehmer lebenden Personen ebenfalls ihre Zustimmung schriftlich zu jeglicher Form des Begehungsrechts erklären. Fehlt eine solche Zustimmung, müsste sich der Telearbeitgeber z.B. bei Gefahr für seine Betriebsmittel die Frage stellen, wie das Recht nach Art. 13 GG auf Unverletzlichkeit des Wohnraums des Telearbeitnehmers mit den Eigentumsrechten des Telearbeitgebers nach Art. 14 GG abzuwägen ist. Praxistipp Der Telearbeitgeber hat grundsätzlich kein automatisches Zugangsrecht zur häuslichen Arbeitsstätte des Telearbeitnehmers, sofern diese in dessen Wohnung liegt. Die Spielregeln des arbeitgeberseitigen Zugangsrechts nebst Zustimmung etwaiger Dritter sollten daher von Anfang an im Telearbeitsvertrag schriftlich niedergelegt werden.

d) Begehungsrechte des Betriebsrates Der Betriebsrat kann nach Maßgabe des § 80 BetrVG Zugang zur häuslichen Arbeits­ 32 stätte verlangen.12 Der Telearbeitgeber sollte den Telearbeitnehmer hierauf hinweisen und sich ebenfalls dessen Zustimmung schriftlich zusichern lassen.

11 Art. 13 GG entfaltet auch Drittwirkung zwischen Privatpersonen, vgl. Rheinheimer, S. 149; BVerfGE 32, 54, 67. 12 Körner, NZA 1999, 1190, 1191; Schmechel, NZA 2004, 237, 238; Peter, DB 1998, 573, 579.

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Praxistipp Der Telearbeitnehmer muss auch dem Betriebsrat Zugang zur häuslichen Arbeitsstätte ermöglichen.

e) Kosten für Einrichtung, Unterhalt und Fahrten von der betrieblichen zur häuslichen Arbeitsstätte 33 Die häusliche Arbeitsstätte muss eingerichtet und im Laufe des Telearbeitsverhältnisses auch unterhalten werden. Neben der Frage, wie die häusliche Arbeitsstätte im Einzelfall auszustatten ist, stellt sich daher immer auch die Frage, wer die Kosten hierfür trägt. Die Einrichtung mit den notwendigen technischen Mitteln wie auch deren Unterhalt sollte der Telearbeitgeber tragen, da er auch die betriebliche Arbeitsstätte mit seinen Betriebsmitteln ausstattet und so größtmögliche Flexibilität erlangt. Für die Zurverfügungstellung seines Wohnraums steht dem Telearbeitnehmer 34 gem. §  670 BGB ein Aufwendungsersatzanspruch zu, welcher sich auf die antei­ligen Kosten für Heizung, Energie etc. erstreckt.13 Der Aufwand für eine detaillierte Abrechnung wird regelmäßig zu hoch sein. Es empfiehlt sich daher, den Aufwendungsersatz als Pauschalbetrag zu erstatten. Dessen Höhe und Fälligkeit sollten im Telearbeitsvertrag geregelt werden. Es ist sicherlich auch grundsätzlich möglich, dass der Telearbeitgeber mit dem Telearbeitnehmer einen gesonderten Miet- bzw. Untermietvertrag abschließt. Dies bedeutet jedoch regelmäßig einen höheren Verwaltungsaufwand für Telearbeitgeber sowie Telearbeitnehmer und setzt im Falle eines Mietverhältnisses wiederum die Zustimmung des Vermieters zum Untermietverhältnis voraus. Es ist ferner eine Fahrtkostenregelung für die Strecke zwischen betrieblicher 35 und häuslicher Arbeitsstätte zu treffen. Hier sollte der Telearbeitnehmer nicht anders behandelt werden als alle Mitarbeiter, die ohne eine häusliche Arbeitsstätte die betriebliche Arbeitsstätte aufsuchen. Auch diese Kosten werden im Regelfall seitens des Arbeitgebers nicht erstattet. Aus Gründen der Gleichbehandlung sollte daher auch die Fahrt von der häuslichen zur betrieblichen Arbeitsstätte nicht seitens des Arbeitgebers erstattet werden. Aus Gründen der Rechtsklarheit sollte dies in den Vertrag aufgenommen werden. Praxistipp Die Kosten für die Ausstattung der häuslichen Arbeitsstätte sollte der Arbeitgeber tragen. So kann er entscheiden, wie die Arbeitsstätte ausgestattet werden soll. Hinsichtlich der vom Telearbeitnehmer gegenüber Dritten zu tragenden Kosten für den Telearbeitsplatz, wie z.B. Kosten für Energie und Wohnraum, steht dem Telearbeitnehmer eine Aufwandserstattung zu. Die Erstattung sollte pauschaliert erfolgen. Fahrtkosten zwischen häuslicher und betrieblicher Arbeitsstätte sollten nicht ersetzt werden.

13 Boemke, BB 2001, 147, 152; Schaub, BB 1998, 2106, 2109.

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f) Ausstattung der häuslichen Arbeitsstätte Ferner ist zu klären, wie die häusliche Arbeitsstätte im Einzelnen ausgestattet wird 36 und wie die Arbeitsmittel verwendet werden können. Letzteres betrifft insbesondere die Frage, ob eine Privatnutzung betrieblicher Mittel seitens des Telearbeitgebers gestattet werden soll oder nicht. Was die Ausstattung der häuslichen Arbeitsstätte mit betrieblichen Arbeitsmitteln betrifft, so sollte der Telearbeitgeber diese dem Telearbeitnehmer in gleicher Form zur Verfügung stellen wie den in der betrieblichen Arbeitsstätte tätigen Arbeitnehmern. Nur so kann der Telearbeitgeber sicherstellen, dass die betrieblichen Arbeitsmittel allen gesetzlichen und betrieblichen Anforderungen zur Ausstattung von Arbeitsstätten gerecht werden. Zudem sichert er sich die Einheitlichkeit der verwendeten Betriebsmittel bei Computer, Laptop, Bildschirm, Telefonanlage, Drucker, Scanner, Faxgerät etc. Er vermeidet zudem Ausstattungsschwierigkeiten und Ausstattungsstreitigkeiten. Bei der Einrichtung der Arbeitsmittel sollte der Telearbeitgeber dem Telearbeitsvertrag ein Inventarverzeichnis als Anlage beifügen, so dass bei Aufgabe des Telearbeitsplatzes keine Meinungsverschiedenheiten zwischen Telearbeitgeber und Telearbeitnehmer über Umfang und Eigentum entstehen können. Dieses Inventarverzeichnis sollte stets fortgeführt werden. Es empfiehlt sich auch ein Hinweis darauf, dass die Arbeitsmittel in der häuslichen Arbeitsstätte im Eigentum des Telearbeitgebers stehen. Stehen die Betriebsmittel im Eigentum des Telearbeitgebers, ist dieser auch für Austausch, Ersatz und Reparatur zuständig. Aus Gründen der Transparenz kann dieses im Telearbeitsvertrag klargestellt werden. Der Telearbeitgeber sollte zudem die Regelungen, die er in der betrieblichen Arbeitsstätte zu den Themen Datenschutz, Datensicherheit und Arbeitsqualität in Anwendung hat, auch in den Telearbeitsvertrag aufnehmen. Praxistipp Der Telearbeitgeber – und nicht der Telearbeitnehmer – sollte den Telearbeitsplatz ausstatten. Die Ausstattung sollte in einem Inventarverzeichnis festgehalten werden, das kontinuierlich fortgeschrieben wird. Ein Hinweis auf das Eigentum des Telearbeitgebers empfiehlt sich.

Eine andere Frage ist, ob die Betriebsmittel nur zu betrieblichen Zwecken oder 37 auch privat genutzt werden dürfen. Hier gilt für das Telearbeitsverhältnis nichts anderes als bei der rein betrieblichen Arbeitsstätte. Aus Gründen des Datenschutzes sowie der Frage der Verwendbarkeit von Unterlagen im Falle von Gerichtsprozessen gilt die Empfehlung, die Betriebsmittel stets ausschließlich zu dienstlichen Zwecken zuzulassen. Nur so sichert sich der Arbeitgeber größtmögliche Flexibilität.

g) Störungen Es obliegt dem Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeits­ 38 platz zur Verfügung zu stellen. Der Arbeitgeber trägt insofern das unternehmerische Elert

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 Kapitel 38 Telearbeit

Risiko.14 Er trägt die Gefahr dafür, dass es aufgrund eines nicht funktionsfähigen Arbeitsplatzes zu Arbeitsausfällen kommt. Um als Telearbeitgeber möglichst zeitnah reagieren zu können, sollte bei Betriebsstörungen – nicht anders als bei Erkrankungen des Telearbeitnehmers – vereinbart werden, dass der Telearbeitnehmer unverzüg­ lich den Telearbeitgeber über die Störungen und damit den drohenden oder bereits vorhandenen Arbeitsausfall informiert. Der Telearbeitsvertrag sollte auch vorsehen, an wen (Position) sich der Telearbeitnehmer beim Telearbeitgeber zu wenden hat und auf welchem Weg. Praxistipp Im Telearbeitsvertrag sollte vereinbart werden, dass der Telearbeitnehmer bei Betriebsstörungen unverzüglich den Telearbeitgeber über diese unterrichtet. Ansprechpartner und Kommunikationsweg sollten hierbei festgeschrieben werden.

5. Arbeitszeit a) Verteilung der Arbeitszeit auf häusliche und betriebliche Arbeitsstätte 39 Aus Gründen der Gleichbehandlung entspricht das Gesamtvolumen der Arbeitszeit bei einem in Telearbeit Arbeitenden dem eines ausschließlich in der betrieblichen Arbeitsstätte Arbeitenden. Telearbeitnehmer dürfen nicht aufgrund der Telearbeit schlechter gestellt werden. Die Aufteilung der geschuldeten wöchentlichen Arbeitszeit auf die Zeiten in der betrieblichen und in der häuslichen Arbeitsstätte ist allerdings festzulegen. Laut § 2 I Nr. 4 NachwG muss bei Ausübung der Tätigkeit an wechselnden Orten in den wesentlichen Vertragsbedingungen nicht nur darauf hingewiesen werden, dass der Arbeitsort ein bestimmter ist. Vertraglich festzulegen ist ferner die „vereinbarte Arbeitszeit“ i.S.d. § 2 I Nr. 7 NachwG, also die Gesamtstundenzahl. Hinsichtlich der genauen Verteilung der Stunden genügt es, diese in der Anlage eines Vertrages festzuschreiben. Das gilt insbesondere dann, wenn die Arbeitszeit nicht auf alle Tage gleichmäßig verteilt sein soll. Eine Herausforderung gilt es hierbei zu meistern, wenn bei dem Telearbeitgeber Vertrauensarbeitszeit Anwendung findet. Dann sollte klargestellt werden, dass auch auf die in der häuslichen Arbeitsstätte zu leistende Arbeitszeit die betrieblichen Regelungen Anwendung finden. Die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit unterliegt der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.15 Will der Telearbeitgeber für eine Vielzahl von Arbeitsplätzen vorschreiben, wie das prozentuale Verhältnis zwischen häuslicher und betrieblicher Arbeitsstelle ausfällt, so ist dies nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Dies gilt auch für die Einführung der Kernarbeitszeiten.

14 Dies ergibt sich aus den allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen; vgl. auch Boemke, BB 2001, 147, 152. 15 BAG, Urt. v. 13.10.1987 – 1 ABR 10/86 –; BAG, Beschl. v. 28.5.2002 – 1 ABR 40/01 –.

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A. Arbeitsrecht 

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Der Telearbeitgeber sollte sich aus Gründen der Flexibilität grundsätzlich vor- 40 behalten, die Arbeit in der betrieblichen Arbeitsstätte auch an solchen Arbeitstagen verlangen zu können, die üblicherweise in der häuslichen Arbeitsstätte verrichtet werden. Da dies eine Abweichung von der Vereinbarung zur Telearbeit darstellt, sollte dies nur im Einzelfall und aufgrund betrieblicher Gründe möglich sein und ausdrücklich im Vorfeld schriftlich vereinbart werden. Ein explizit festzuschreibender Fall könnte bspw. das „Rückrufrecht“ des Arbeitgebers von der häuslichen in die betriebliche Arbeitsstätte sein, wenn es in der häuslichen Arbeitsstätte zu Betriebsstörungen wie Systemausfällen, Systemstörungen oder Schäden an den Betriebsmitteln kommt. So ist sichergestellt, dass der Arbeitnehmer in solchen Ausnahmefällen seine Arbeitsleistung tatsächlich erbringen kann. Wichtig ist auch, die Entscheidung darüber zu treffen, ob der Mitarbeiter jeweils 41 an einem oder mehreren festgelegten Tagen der Woche bzw. im Monat in der betrieblichen Arbeitsstätte anwesend sein soll. Dies bietet sich an, damit der Mitarbeiter, der ja ohnehin rechtlich in die betriebliche Organisation des Arbeitgebers eingegliedert bleibt, den sozialen Kontakt zu seinen Kollegen im Betrieb halten kann. Es sollte aber kein Recht auf einen festen betrieblichen Arbeitsplatz eingeräumt werden.16 Praxistipp Die Verteilungsquote der Arbeitszeit auf die häusliche und betriebliche Arbeitsstätte sollte in einer Anlage festgehalten werden. Der Telearbeitgeber sollte sich vorbehalten, in begründeten Fällen (Betriebsstörungen) die Leistung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit anstatt in der häuslichen in der betrieblichen Arbeitsstätte fordern zu können. Ein fest vereinbarter Tag wöchentlich oder monatlich in der betrieblichen Arbeitsstätte empfiehlt sich.

Die Fahrzeiten sollten nicht als Arbeitszeit angerechnet werden, da die vertraglich 42 geschuldete Arbeitsleistung eine sog. Bringschuld ist.17 Damit der Telearbeitnehmer nicht anders als der Nicht-Telearbeitnehmer behandelt wird, der seine Fahrzeit regelmäßig nicht als Arbeitsleistung angerechnet bekommt, sollte dies auch beim Telearbeitsplatz nicht der Fall sein.

b) Erreichbarkeit in der häuslichen Arbeitsstätte Bei der Telearbeit ist es immanent, dass es sich um ein besonderes Vertrauensverhält- 43 nis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer handelt. Dies gilt im besonderen Maße für die Arbeitszeit. Im Regelfall wird der Telearbeitnehmer frei sein, seine Arbeits­

16 Vgl. hier unter Rn 16. 17 Ort der Arbeitsleistung ist der Leistungsort gem. § 269 BGB, der gleichzeitig auch Erfüllungsort für die Arbeitsleistung ist.

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 Kapitel 38 Telearbeit

zeit in der häuslichen Arbeitsstätte eigenverantwortlich einzuteilen. Das gilt bei Arbeitszeitmodellen wie der Vertrauensarbeitszeit ohnehin. Da der Telearbeitnehmer aber nicht nur aus sozialen Gründen in den Betrieb des Telearbeitgebers eingegliedert bleiben soll, sondern auch, um die Arbeitsorganisation einheitlich zu gewährleisten, sollte eine Kernzeit vereinbart werden, in der der Telearbeitnehmer für andere Mitarbeiter in seiner häuslichen Arbeitsstätte erreichbar ist. Im Übrigen sollte der Mitarbeiter sodann frei sein, sich im Rahmen der betrieblichen Regelungen seine häusliche Arbeitszeit frei einzuteilen. Für Mehrarbeit sollten allerdings keine abweichenden Regelungen von denen in der betrieblichen Arbeitsstätte gelten. Praxistipp Um die Erreichbarkeit des Telearbeitnehmers für dessen Kollegen und den Telearbeitgeber zu gewährleisten, sollte eine Kernzeit im Telearbeitsvertrag vereinbart werden, in der der Telearbeitnehmer verfügbar ist.

c) Einhaltung Arbeitszeitgesetz

44 Das ArbzG findet auch auf den in Telearbeit Beschäftigten Anwendung. Verant-

wortlich für die Einhaltung von dessen Vorgaben ist grundsätzlich der Arbeitgeber. Da dieser bei Telearbeit jedoch nur über eingeschränkte Kontrollmöglichkeiten verfügt, ist es wichtig, schriftlich festzuhalten, dass dessen Pflichten auf den Telear­ beitnehmer delegiert werden. Es entspricht hierbei der Fürsorgepflicht des Telearbeitgebers, darauf zu achten, dass sich der Telearbeitnehmer dieser Verpflichtung bewusst ist und auch über die notwendige Kenntnis betreffend der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften verfügt. Dem Telearbeitnehmer ist dabei aufzugeben, die Arbeitszeiten in der häuslichen Arbeitsstätte selbst zu dokumentieren. Hierbei kann dem Telearbeitsvertrag eine entsprechende Musteranlage beigefügt sein. Es ist ferner zu regeln, wann der Arbeitnehmer die Selbstdokumentation wem zur Kontrolle zur Verfügung stellen soll. Die Selbstdokumentation18 kann in handschriftlicher Form erfolgen oder auch auf elektronischem Wege. Dokumentiert der Telearbeitnehmer seine Arbeitszeit im Sinne einer Zeiterfassung nicht handschriftlich, sondern bedient er sich hierbei elektronischer Mittel, ist dieses Verfahren mitbestimmungspflichtig nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.19 Praxistipp Die Verantwortung für die Einhaltung des ArbzG ist auf den Telearbeitnehmer zu übertragen. Dies gilt insbesondere für die Pflicht zur Dokumentation der Arbeitszeit. Bei einer elektronischen Selbstdokumentation sind die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates zu beachten.

18 Hohmeister/Küper, NZA 1998, 1206, 1208. 19 Boemke, BB 2000, 147, 151.

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A. Arbeitsrecht 

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III. Telearbeitsbetriebsvereinbarung 1. Bedeutung Ob und in welchem Umfang ein Unternehmen bezüglich eines individuellen Bewer- 45 bers oder Arbeitnehmers Telearbeit einführen will, sollte immer Gegenstand einer individualvertraglichen Vereinbarung zwischen Telearbeitgeber und Telearbeitnehmer sein. Die Regelungsspanne, die für ein Telearbeitsverhältnis notwendig ist, wie z.B. Eignung der häuslichen Arbeitsstätte, Einsatz von privaten Arbeitsmitteln, Privatnutzung, Kostentragung, Zeiterfassung, Datenschutz, Zugangsrechte und Beendigung der Telearbeit sollte in der Regel einheitlich für alle Arbeitnehmer gelten. Daher bietet es sich an, Regelungen für das „Wie“ der Einführung von Telearbeit im Wege einer Betriebsvereinbarung zu treffen. Eine Betriebsvereinbarung zur Telearbeit bietet sich insbesondere auch deshalb an, da im Rahmen von Telearbeit unterschiedliche Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte des Betriebsrates berührt sein können. So kann bspw. die automatische Zeiterfassung bzw. die Selbstdokumentation des Arbeitnehmers mit Hilfe technischer Elemente das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG berühren. Zudem kommen die Rechte nach §§ 87 Abs. 1 Nr. 7, 91 BetrVG sowie § 87 Abs. 1 Nr. 2 und §§ 94, 95 BetrVG in Betracht.

2. Persönlicher Geltungsbereich a) Kein automatischer Anspruch aller Arbeitnehmer Telearbeit ist eine Form flexibler Arbeitsorganisation. Eine Betriebsvereinbarung 46 sollte daher keinen automatischen Anspruch der Arbeitnehmer auf die Einrichtung eines Telearbeitsplatzes begründen. Das letzte Entscheidungsrecht sollte stets beim Arbeitgeber liegen. Praxistipp Die Telearbeitsbetriebsvereinbarung sollte keinen automatischen Anspruch auf Einräumung eines Telearbeitsplatzes vorsehen.

b) Persönlicher Anwendungsbereich Der Telearbeit einführende Arbeitgeber muss sich die Frage stellen, ob sich sämtli- 47 che Bereiche seines Betriebes zur Telearbeit eignen. Ist dies nicht der Fall, kann er bereichsspezifische Ausnahmen vornehmen. Es stellt sich auch die Frage, inwiefern Arbeitnehmer, die sich in einer Ausbildung befinden, in ein Telearbeitsverhältnis zu übernehmen sind, ohne dass der Ausbildungszweck gefährdet wird. Insbesondere aber die Probezeit stellt einen Fall dar, bei dem der Arbeitgeber von vornherein überlegen sollte, ob ein Mitarbeiter in der Probezeit die Möglichkeit zur Einräumung eines Telearbeitsplatzes haben soll. Gleiches gilt für die Frage, ob zeitbefristete Arbeitsverhältnisse wegen ihrer eingeschränkten Dauer geeignet für ein Telearbeitsverhältnis sind. Elert

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 Kapitel 38 Telearbeit

Praxistipp Die Telearbeitsbetriebsvereinbarung muss nicht zwingend auf alle Arbeitnehmergruppen Anwendung finden.

3. Informationsrechte des Betriebsrates

48 § 80 Abs. 2 BetrVG verleiht dem Grundsatz Ausdruck, dass dem Betriebsrat ein umfas-

sendes Unterrichtungsrecht zur Durchführung seiner Rechte nach dem BetrVG zusteht. Um dies zu erfüllen, bietet es sich an, den Betriebsrat kontinuierlich über die Anzahl der Telearbeitsverhältnisse zu unterrichten. Darüber hinaus sollen ihm auch Dokumentationen der Zeiterfassung nach den üblichen betrieblichen Regelungen vorgelegt werden.

4. Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates 49 Eine Betriebsvereinbarung zur Telearbeit kann auch bereits zu dem Zeitpunkt zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber abgeschlossen werden, zu dem noch gar kein Telearbeitsverhältnis besteht. Soll Telearbeit sodann eingeführt werden, kann dem Betriebsrat ein Initiativrecht eingeräumt werden. Will der Arbeitgeber im Vorfeld der Einführung von Telearbeit Erhebungen bei den Arbeitnehmern durchführen, inwiefern Telearbeit für diese in Betracht kommt, sind die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach dem §§ 94, 95 BetrVG zu beachten. Ein darüber hinausgehendes Mitbestimmungsrecht nach § 91 BetrVG kommt heute nicht mehr in Betracht. Angesichts der Üblichkeit des Telearbeitsplatzes als Form der Arbeitsorganisation ist der in § 91 BetrVG niedergelegte Zweck bereits erfüllt. Trotzdem sollte dem Betriebsrat die Begehung der häuslichen Arbeitsstätte durch die Betriebsvereinbarung ermöglicht werden. Denn immer da, wo die Arbeitsschutzbestimmungen dem Arbeitgeber einen Ermessensspielraum zubilligen, kann das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates auf § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG in Betracht kommen. Der Betriebsrat braucht insofern die Möglichkeit, sich ein persönliches Bild zu machen.20

5. Initiativrecht der Mitarbeiter

50 Selbstverständlich kann auch den Mitarbeitern des Unternehmens ein Initiativrecht

zur Einräumung eines Telearbeitsplatzes eingeräumt werden. Ein Anspruch sollte hingegen nicht festgeschrieben werden. Es bedarf der Flexibilität des Arbeitgebers, entscheiden zu können, inwiefern er den Tätigkeitsbereich des Mitarbeiters und den Mitarbeiter selbst für Telearbeit geeignet hält. Telearbeit beruht daher immer auf beidseitiger Zustimmung.

20 BAG, Beschl. v. 15.1.2002 – 1 ABR 13/01 –.

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B. Steuerrecht 

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IV. Checkliste zur Vertragsgestaltung Bei Abschluss eines Telearbeitsvertrages sowie einer Betriebsvereinbarung zur Tele­ 51 arbeit empfiehlt es sich, folgende Punkte zu regeln: Checkliste –– Schriftliche Vereinbarung –– Adresse der häuslichen Arbeitsstätte –– Keine Verknüpfung mit Versetzungsrecht –– Kein Recht auf festen betrieblichen Arbeitsplatz –– Probezeit + Telearbeit –– Zeitliche Befristung + Telearbeit –– Widerrufsmöglichkeit –– Wohnungswechsel –– Wiedereingliederung –– Eignung der Räumlichkeiten –– Ausstattung –– Kosten –– Zustimmung Dritter –– Zugang Dritter –– Begehungsrechte –– ArbZG –– Verteilung der Arbeitszeit zwischen häuslicher und betrieblicher Arbeitsstätte –– Kernzeit –– Zeiterfassung –– Rückrufrecht –– Fahrtzeiten und Fahrtkosten

B. Steuerrecht Telearbeit wird in der Regel als nichtselbstständige Tätigkeit ausgeübt. Hierbei erfolgt 52 lediglich eine örtliche Verlagerung des Arbeitsplatzes; die wesentlichen Inhalte der Arbeit bleiben gewöhnlich gleich. Lohnsteuerliche Besonderheiten ergeben sich daraus nicht. Für den Arbeitgeber stellt sich jedoch die Frage, in welchem Umfang er dem Arbeitnehmer Aufwendungen steuerfrei ersetzen kann.

I. Lohnsteuerliche Vorschriften zur Telearbeit 1. Allgemeines zum häuslichen Arbeitszimmer Aufwendungen des Arbeitnehmers für ein Arbeitszimmer können entweder be- 53 schränkt oder unbeschränkt steuerlich geltend gemacht werden. Handelt es sich bei dem häuslichen Arbeitszimmer um den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers, sind die Aufwendungen in vollem Umfang als Werbungskosten abziehbar. In den Fällen, in denen kein anderer Arbeitsplatz Breuer

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 Kapitel 38 Telearbeit

zur Verfügung steht, ist ein Werbungskostenabzug bis zu einer Höhe von 1.250 € der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer zulässig. Praxishinweis Ersetzt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Kosten für ein Arbeitszimmer in dessen eigener oder gemieteter Wohnung, liegt steuerpflichtiger Arbeitslohn vor, weil es für diesen Werbungskostenersatz keine gesetzliche Steuerbefreiungsvorschrift gibt.

2. Erstattung der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer a) Kosten der EDV-Geräte 54 Trägt der Arbeitgeber die Kosten für die Beschaffung der EDV-Geräte (PC, Drucker, Fax, Software, Zubehör) und bleiben diese im Eigentum des Arbeitgebers, führt die Gestellung für den Arbeitnehmer nicht zu einem steuerpflichtigen geldwerten Vorteil und zwar auch dann nicht, wenn die Geräte privat genutzt werden, § 3 Nr. 45 EStG. Übereignet der Arbeitgeber EDV-Geräte an den Arbeitnehmer, so gehört der Wert dieser Sachbezüge zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. Die Lohnsteuer kann gem. § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 EStG mit 25 % pauschaliert werden. Die Pauschalierung der Lohnsteuer ist auch möglich, wenn der Arbeitgeber ausschließlich technisches Zubehör oder Software übereignet.21 Eine pauschale Vergütung für die berufliche Nutzung von im Eigentum des Arbeitnehmers stehenden EDV-Geräten führt zum steuerpflichtigen Entgelt.

b) Internetanschluss

55 Die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 45 EStG gilt auch für die private Nutzung

des Internetanschlusses in der Wohnung des Arbeitnehmers, wenn die EDV-Geräte im Eigentum des Arbeitgebers bleiben. Barzuschüsse des Arbeitgebers zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für dessen privaten Internetanschluss sind zwar steuerpflichtiger Arbeitslohn, die Lohnsteuer kann jedoch mit 25 % pauschaliert werden.22 Zu den Aufwendungen für den privaten Internetanschluss gehören sowohl die 56 laufenden Kosten (z.B. Grundgebühr für den Internetzugang, laufende Gebühren für die Internetnutzung, Flatrate), als auch die Kosten der Einrichtung des Internetzugangs (z.B. ISDN-Anschluss, Modem, Anschaffungskosten des PC). Aus Vereinfa­ chungsgründen kann der Arbeitgeber den vom Arbeitnehmer erklärten Betrag für die laufende Internetnutzung (Gebühren) pauschal versteuern, soweit dieser 50 € im

21 R 40.2 Abs. 5 S. 3 LStR. 22 § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 S. 2 EStG.

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B. Steuerrecht 

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Monat nicht übersteigt.23 Der Arbeitgeber hat diese Erklärung als Beleg zum Lohnkonto aufzubewahren. Will der Arbeitgeber mehr als 50 € monatlich erstatten und pauschalieren, muss der Arbeitnehmer für einen repräsentativen Zeitraum von drei Monaten die entstandenen Aufwendungen im Einzelnen nachweisen.

c) Möbel Trägt der Arbeitgeber die Kosten für die Beschaffung von beruflich genutzten Einrich- 57 tungsgegenständen sowie Möbeln und bleiben diese im Eigentum des Arbeitgebers, führt die Gestellung für den Arbeitnehmer nicht zu einem steuerpflichtigen Vorteil, wenn die Nutzung zu privaten Zwecken untersagt wird. Stehen diese Arbeitsmittel dagegen im Eigentum des Arbeitnehmers und zahlt 58 der Arbeitgeber für die betriebliche Verwendung eine Vergütung, gehört diese zum steuerpflichtigen Entgelt.

d) Stromkosten Hierbei wird es sich vor allem um die Stromkosten für den Betrieb der Arbeitsmittel 59 und die Beleuchtung des Arbeitszimmers handeln. Die tatsächlichen Kosten kann der Arbeitgeber steuerfrei ersetzen, wenn die Kosten im Einzelnen, z.B. durch Einsatz eines gesonderten Stromzählers, nachgewiesen werden. Ein pauschaler Auslagener­ satz ist dagegen in der Regel steuerpflichtig. Allerdings kann in Abstimmung mit dem Betriebsstätten-Finanzamt des Arbeitgebers aufgrund eines Nachweises der anfallenden Kosten für einen repräsentativen Zeitraum von drei Monaten ein steuerfreier pauschaler Erstattungsbetrag festgelegt werden.

e) Telefonkosten Benutzt der Arbeitnehmer ein privates Telefon für beruflich veranlasste Gespräche, 60 so können Ersatzleistungen des Arbeitgebers steuerfreier Auslagenersatz i.S.v. § 3 Nr. 50 EStG sein. Voraussetzung hierfür ist der Nachweis der einzelnen Gesprächsgebühren/Verbindungsentgelte anhand eines Einzelverbindungsnachweises. Bei einem Einzelnachweis können auch die Aufwendungen für das Nutzungsentgelt einer Telefonanlage sowie für den Grundpreis der Anschlüsse entsprechend dem beruflichen Anteil der Verbindungsentgelte an den gesamten Verbindungsentgelten steuerfrei ersetzt werden. Bei einem pauschalen Ersatz von Telefonkosten gilt, dass 20 % des Rechnungsbe- 61 trages, höchstens 20 € monatlich, steuerfrei ersetzt werden kann. Zur Vereinfachung kann ein monatlicher Durchschnittsbetrag, der sich aus den Rechnungsbeträgen für

23 R 40.2 Abs. 5 S. 7 LStR.

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 Kapitel 38 Telearbeit

einen repräsentativen Zeitraum von drei Monaten ergibt, für den pauschalen Ausla­ genersatz ermittelt werden. Die Aufzeichnungen sind als Anlage zum Lohnkonto zu nehmen. Wurde der Telefonanschluss vom Arbeitgeber eingerichtet, führt die Übernahme 62 der Kosten hierfür und für die laufenden Gebühren beim Arbeitnehmer nicht zu einem steuerpflichtigen geldwerten Vorteil.24 Voraussetzung ist, dass es sich um ein betriebliches Gerät handelt. Davon ist in der Regel auszugehen, wenn der Arbeitgeber Eigentümer oder Mieter (Leasing) des dem Arbeitnehmer überlassenen Geräts ist.

f) Sonstige Kosten 63 Weitere Kosten, wie z.B. Aufwendungen für Heizung, Beleuchtung oder Reinigung des häuslichen Arbeitszimmers, kann der Arbeitgeber nicht steuerfrei ersetzen, da es sich um originäre Kosten für das Arbeitszimmer handelt. Wird hierfür eine Vergütung gezahlt, gehört diese als Werbungskostenersatz zum steuerpflichtigen Arbeitslohn.

II. Praktische Hinweise

64 Die Ausstattung des Telearbeitsplatzes kann unter dem Gesichtspunkt der Steuer­

optimierung erfolgen. Bleiben die dem Arbeitnehmer überlassenen Gegenstände im Eigentum des Arbeitgebers, ist in der Gestellung und Unterhaltung der Gegenstände insoweit kein geldwerter Vorteil zu sehen. Dies gilt insbesondere für die Überlassung der EDV-Geräte, des Internetanschlusses und der Telefonanlage. Steuerfreie Kostenerstattungen für die berufliche Nutzung der im Eigentum des Arbeitnehmers stehenden Geräte bedingen einen umfangreichen Nachweis und somit auch größeren Verwaltungsaufwand für den Arbeitgeber. Soweit der Telearbeitsplatz nicht den Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit 65 bildet und die Betriebsstätte des Arbeitgebers als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen ist, sind die Fahrten zur Betriebsstätte als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anzusehen.25 Ein steuerfreier Ersatz für Aufwendungen des Arbeitnehmers (Werbungskostenersatz) ist dann nicht möglich. Sollte der Arbeitnehmer über einen Dienstwagen verfügen, ist neben der 66 1  %-Regelung für Privatfahrten noch die 0,03 %-Regelung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu beachten. Anstelle der 0,03 %-Regelung kann der Arbeitnehmer, in Abstimmung mit seinem Arbeitgeber, auch die einzelfahrtbezogene Regelung mit 0,002 % wählen. Diese Regelung führt zu einem niedrigeren zu versteuernden geldwerten Vorteil, wenn die Betriebsstätte im Jahr weniger als 180 Tage aufgesucht wird. Sollte die Betriebsstätte des Arbeitgebers jedoch nicht als

24 § 3 Nr. 45 EStG. 25 Vgl. Kap. 18 – Home-Office Rn 45 ff.

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C. Sozialversicherungsrecht 

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regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen sein, entfällt der Ansatz eines geldwerten Vorteils für diese Fahrten.

C. Sozialversicherungsrecht Die rechtliche Behandlung des Telearbeitnehmers richtet sich nach seinem Rechts- 67 status. Agiert der Auftragnehmer als Selbstständiger beziehungsweise Freiberufler, sind die Vorschriften des BGB bzw. des HGB anwendbar. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird an dieser Stelle auf die Ausführungen im Kap. 35 zum Thema „Selbstständige Arbeit“ verwiesen. Ist der Telearbeitnehmer als nichtselbstständig Tätiger in die Betriebsorgani- 68 sation des Unternehmens eingegliedert, unterliegt er der Sozialversicherungspflicht. Dies ist insbesondere der Fall, wenn er trotz räumlicher Abkopplung vom Unternehmen eine feste tägliche Arbeitszeit einhalten und volle Arbeitsleistung erbringen muss. Hierzu wird auf die allgemeinen Regelungen eines versicherungspflichtigen 69 Beschäftigungsverhältnisses zwecks Vermeidung von Wiederholung ebenfalls verwiesen.

Cichon

Kapitel 39 Transferarbeitsverhältnis A. Arbeitsrecht I. Bedeutung für die Praxis 1. Nutzen In Situationen existenzieller wirtschaftlicher Krisen sind Unternehmen nicht selten 1 zu Restrukturierungsmaßnahmen gezwungen, in deren Folge Betriebsteile veräußert oder ein Personalabbau vollzogen werden muss. Schwierigkeiten bringen in diesem Zusammenhang regelmäßig die ggf. erforderliche Sozialauswahl nach dem KSchG, das Massenentlassungsanzeigeverfahren etc. Arbeitgeber und Betriebsrat verhandeln dann über Interessenausgleich und Sozialplan, wonach regelmäßig Abfindungen für diejenigen Arbeitnehmer vorgesehen werden, die durch den Verlust des Arbeitsplatzes von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Für ein ohnehin wirtschaftlich angeschlagenes Unternehmen bedeutet dies zunächst erhebliche weitere Kosten, die einer zügigen und nachhaltigen wirtschaftlichen Gesundung im Wege stehen können. Die Bildung von Transfergesellschaften stellt hier eine interessante und für 2 beide Arbeitsvertragsparteien vorteilhafte Alternative dar. Während den Arbeitnehmern über den Weg in eine Transfergesellschaft die Möglichkeit einer allgemei­ nen Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt mit Wechseloptionen zu anderen Arbeitgebern eröffnet wird, kann das Unternehmen frei von Kündigungsfristen und Abfindungszahlungen seinen Personalbedarf neu entwickeln und andere unternehmerische Wege beschreiten. Der einvernehmliche Übergang hilft Kündigungsschutzklagen zu vermeiden und erhält die Handlungsfähigkeit des zu restrukturierenden Betriebes aufrecht. Vorteile für Arbeitgeber –– Steigerung der Attraktivität eines Unternehmens für Investoren, –– Auswahl des Personals nach eigenen Bedarfsaspekten, –– Übernahme von Personal zu eigenen Anstellungsbedingungen, –– höhere Wahrscheinlichkeit, Arbeitnehmer ohne tarifliche Bindung einstellen zu können, –– Erprobung eines Arbeitnehmers bis zu zwölf Monate möglich, –– Vermeidung von Abfindungszahlungen und –– Vermeidung von Kündigungsschutzverfahren.

2. Begriffsbestimmung und typische Merkmale Als Transfergesellschaft wird ein Unternehmen bezeichnet, welches zur Aufnahme 3 bzw. Übernahme von Arbeitnehmern eines Krisenunternehmens bereit ist, um diese durch geeignete Transfermaßnahmen für den allgemeinen Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Transfergesellschaften sind Instrumente zur Vermeidung von Elert/Mues

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 Kapitel 39 Transferarbeitsverhältnis

Arbeitslosigkeit bei betriebsbedingten Kündigungen.1 Wesentliche Zweckbestim­ mung der Transfergesellschaft ist die Vermittlung der Beschäftigten zu einem anderen Arbeitgeber, wobei die Vermittlung vor dem Hintergrund der zeitlichen Befristung staatlicher Fördermittel innerhalb eines Zeitraumes von maximal zwölf Monaten erfolgen soll. Transfergesellschaften (auch als Beschäftigungs- und Qualifizie­ rungsgesellschaften – kurz: BQG – bezeichnet) sind in der Regel eigens zu diesem Zweck gegründete Unternehmen, die über ein gesetzliches Verfahren in Kooperation mit der Agentur für Arbeit errichtet werden.2 Während Transfergesellschaften auch im eigenen Unternehmen eingerichtet werden können (durch Schaffung einer entsprechenden betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit), darf der Arbeit­ geber die Transfermaßnahmen einer Transferagentur nicht selbst durchführen. Die Möglichkeit der Hinzuziehung einer Transferagentur ist dann zu erwägen, 4 wenn die Arbeitnehmer noch beschäftigt sind, ihren Arbeitsplatz aber verlieren werden. Der Zeitpunkt der Einbindung von Transferagenturen liegt zumeist während der Kündigungsfrist. Parallel zur (noch) verbleibenden Tätigkeit im Unternehmen findet eine Beratung durch externe Dienstleister statt. Das Ziel ist die Vermittlung eines neuen Arbeitsplatzes aus der ursprünglichen Beschäftigung heraus. Seit dem 1.4.2012 unterliegen Transfermaßnahmen der Akkreditierungs-und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung (AZAV).3 Transferierender bzw. bisheriger Arbeitgeber ist das Unternehmen, welches 5 krisenbedingt nicht mehr in der Lage ist, den Arbeitsplatz eines Arbeitnehmers aufrechtzuerhalten und daher den Arbeitgeber in eine Transfergesellschaft abgeben möchte. Zu transferierender Arbeitnehmer ist der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz wegzufallen und dessen konkretem Arbeitsverhältnis eine Beendigung droht. In der Transfergesellschaft wird er übergangsweise beschäftigt bzw. weiterqua­ lifiziert. Im Anschluss ist ein Transfer in ein neues Unternehmen (ggf. sogar in den alten – zwischenzeitlich etwaig übernommenen und weitergeführten – Betrieb) angedacht. Unter einem Transferarbeitsverhältnis ist die Situation eines Arbeitnehmers 6 zu verstehen, dessen Arbeitsverhältnis bei seinem ursprünglichen Arbeitgeber nicht weiter aufrechterhalten werden kann und daher – zwecks Vermeidung einer dro­ henden Arbeitslosigkeit – in einer Vermittlungsphase befindet. Das Transferar-

1 Vgl. Grobys/Panzer/Schimmelpfennig/Sigle, Ziff. 148 (Transfergesellschaft) Rn 2. 2 Siehe hierzu unter Rn 16 ff. 3 BMA, Verordnung über die Voraussetzungen und das Verfahren zur Akkreditierung von fachkundigen Stellen und zur Zulassung von Trägern und Maßnahmen der Arbeitsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (Akkreditierungs-und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung – AZAV) vom 2.4.2012.

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A. Arbeitsrecht 

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beitsverhältnis erfasst die arbeitsrechtliche Beziehung zwischen Transfergesellschaft und zu transferierendem Arbeitnehmer. Bei Inanspruchnahme einer Transferagentur erfasste der Begriff den Abschnitt dieses Arbeitsverhältnisses während der Vermittlungsphase.4

3. Interessenlagen beim Transferarbeitsverhältnissen Bei einem Transferarbeitsverhältnis sind insgesamt fünf Interessensrichtungen zu 7 erkennen, die in Einklang zu bringen sind. Neben der unternehmerischen Freiheit und den arbeitsmarktpolitischen Zielen des Staates sind hierbei insbesondere die Rechte des individuellen Arbeitnehmers zu schützen und zu wahren: –– Das Interesse des Arbeitnehmers, nicht in die Arbeitslosigkeit zu fallen, sondern einen möglichst nahtlosen Übergang aus dem ursprünglichen Arbeitsverhältnis in ein neues Arbeitsverhältnis zu gestalten, das ihm die Perspektive einer gesicherten, möglichst langfristigen Beschäftigung bietet. –– Das Interesse des transferierenden Arbeitgebers und Unternehmers, der in der Situation einer wirtschaftlich existentiellen Krise die bestmögliche Ver­ handlungssituation für eine denkmögliche Veräußerung oder anderweitige Restrukturierung seines Unternehmens einzunehmen versucht. Vorrangiges Ziel ist hierbei der Erhalt bzw. die Steigerung der Attraktivität des Unterneh­ mens für einen möglichen Investor. –– Das Interesse des Investors oder Betriebserwerbers, der eine Übernahme von Personal lediglich aufgrund eigener Auswahlentscheidung und zu eigenen Anstellungsbedingungen („lastenfrei“) anstreben wird. So bewirken die Kosten bestehender Personal- und Arbeitsvertragsstrukturen – nicht zuletzt mit Blick auf etwaige Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen – häufig eine „Sollbruchstelle“ bei Restrukturierungsvorhaben wirtschaftlich notleidender Unternehmen. –– Das Interesse der Transfergesellschaft an einer Vermittlung der Arbeitnehmer bei eigener Gewinnerzielungsabsicht. –– Das Interesse der BA an einer möglichst umfassenden Beschäftigtenauslastung des Arbeitsmarktes sowie der Vermeidung von Zeiten der Arbeitslosigkeit.

4 Anmerkung: Die arbeitsrechtliche Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Situation der Einschaltung einer Transferagentur bewirkt keine erheblichen Veränderungen des Arbeitsvertragsverhältnisses. Daher beschränkt sich die nachfolgende Darstellung des Transferarbeitsverhältnisses auf die Situation unter Einbeziehung einer BQG.

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 Kapitel 39 Transferarbeitsverhältnis

4. Statistiken

8 Der tatsächliche praktische Einsatz von Transfermaßnahmen stellt sich in der Wirt-

schaft wie folgt dar: 5 Transfermaßnahmen gem. § 216a SGB III a.F. Jahr 2007 2008 2009 2010 bis 8/2011

Anzahl der Maßnahmen 185 881 1.665 1.114 505

Anzahl der Teilnehmer/innen 10.986 34.412 72.206 35.325 14.663

Transfer-Kurzarbeitergeld gem. § 216b SGB III a.F. Jahr 2007 2008 2009 2010

Anzahl der Betriebe 619 403 749 1.077

Anzahl Kurzarbeiter/innen 12.177 5.617 26.878 28.459

II. Arbeitsbedingungen im Transferarbeitsverhältnis

9 Der Wechsel des zu transferierenden Arbeitnehmers in eine BQG kann nicht gegen

dessen Willen gestaltet werden, sondern bedarf dessen Einverständnis. In der Praxis erfolgt eine Überleitung in der Regel durch Abschluss einer dreiseitigen Vereinba­ rung zwischen neuem Arbeitgeber, dem Arbeitnehmer sowie dem bisherigen Arbeitgeber, in welcher die Beendigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses (durch Aufhebungsvertrag) sowie die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses vereinbart werden. Hinzu tritt zumeist eine Verpflichtung des bisherigen Arbeitgebers gegenüber der Transfergesellschaft zur Kofinanzierung der Personalkosten. Möglich ist auch ein Arbeitsvertragsschluss nur zwischen Arbeitnehmer und BQG, wenn die Beendigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses bereits feststeht (z.B. nach Ausspruch betriebsbedingter Kündigung). Vor dem Hintergrund, dass die BA die För­ derungsleistung (Transferkurzarbeitergeld) gem. §  111 Abs. 1 S. 2 für längstens zwölf Monate erbringt,6 wird das Arbeitsverhältnis zur BQG in aller Regel – gleichlaufend – auf maximal zwölf Monate befristet sein. Überleitung in die BQG Die dreiseitige Vereinbarung des Arbeitnehmers beinhaltet den Aufhebungsvertrag zum bisherigen Anstellungsverhältnis und den neuen Arbeitsvertrag zur Transfergesellschaft. Der Anstellungsvertrag zur BQG ist regelmäßig auf max. zwölf Monate befristet.

5 Nach Schnitzler, NZA-Beil 2012, 17, Bereichsleiter für die Geldleistungen des SGB III in der Zentrale der BA in Nürnberg. 6 Siehe hierzu unten Rn 24.

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A. Arbeitsrecht 

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Das Transferarbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und der Transfergesell- 10 schaft ist als reguläres Arbeitsverhältnis zu erkennen, dessen Arbeitsbedingun­ gen aber gegenüber dem vorherigen Arbeitsvertragszweck modifiziert sind. So ist es im Hinblick auf den Zweck der Transfergesellschaft üblich, den Arbeitnehmer vertraglich zu verpflichten, an Qualifizierungsmaßnahmen – die hier von der Bundesarbeitsagentur finanziert werden – teilzunehmen. Trotz einer vereinbarten „Kurzarbeit Null“ ist der Arbeitnehmer somit gehalten, im Rahmen der Vermittlung (ebenfalls) selbst tätig zu werden. Hinweis Trotz „Kurzarbeit Null“ ist der Arbeitnehmer verpflichtet, Tätigkeiten der Vermittlung und Qualifizierung durchzuführen.

Oft wird vereinbart, dass die Transfergesellschaft den Arbeitnehmer einem anderen 11 Unternehmen auf Zeit überlassen kann, was der Erprobung eines neuen Arbeits­ verhältnisses dienen kann. Ein Rückverleih an den bisherigen Arbeitgeber ist nach der maßgeblichen Geschäftsanweisung der BA seit dem 1.1.2011 nicht (mehr) möglich. Achtung Auch bei Personalüberlassung seitens einer Transfergesellschaft ist regelmäßig eine Erlaubnis nach den Vorgaben des AÜG erforderlich.

Häufig anzutreffen ist eine Regelung, wonach das Arbeitsverhältnis vorübergehend 12 ruhend gestellt werden kann, falls der Arbeitnehmer ein befristetes Arbeitsverhältnis bei einem anderen Unternehmen eingeht. Auch kann ein Recht zuerkannt werden, während des Befristungszeitraums und innerhalb einer kurzen Ankündigungsfrist das Arbeitsverhältnis mit der Transfergesellschaft zu kündigen. Die Beschäftigung eines Arbeitnehmers bei der Transfergesellschaft nach Überlei- 13 tung aus dem bisherigen Arbeitsverhältnis wirft regelmäßig die Frage auf, ob in dieser Situation die Bestimmungen zum Betriebsübergang nach § 613a BGB zu beachten sind. Im Regelfall ist hierbei eine Anwendung des § 613a BGB ausgeschlossen, da bei dem Wechsel von Arbeitnehmern in eine Transfergesellschaft keine Betriebsmit­ tel übernommen werden und die Arbeitnehmer dort einen anderen Betriebszweck – nämlich die eigene Fortbildung und Weiterqualifizierung zwecks Vermittlung – verfolgen und somit die erforderliche Fortführung einer wirtschaftlichen Einheit zu verneinen ist.7

7 Vgl. BAG, Urt. v. 18.3.1999 – 8 AZR 196/98 = NZA 1999, S. 869; BAG, Urt. v. 10.12.1998 – 8 AZR 324/97 = NZA 1999, S. 422; Gaul/Kliemt, NZA 2000, 674.

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 Kapitel 39 Transferarbeitsverhältnis

Merke Der Wechsel in die BQG löst im Regelfall nicht die Anwendung des § 613a BGB aus. 14 Bei einem Einsatz von Transfergesellschaften aufgrund Erwerber-Konzepts

ist demgegenüber eine differenzierte Bewertung geboten. Bei Verhandlungen mit potenziellen Betriebserwerbern, die einen Betrieb weiterführen wollen, wird häufig angeregt, sämtliche Arbeitnehmer des Betriebes in eine Transfergesellschaft überwechseln zu lassen, um sodann mit einzelnen Arbeitnehmern über eine Tätigkeit im erworbenen Betrieb zu verhandeln. Dieses Vorgehen soll einerseits die Betriebsübergangsproblematik vermeiden, andererseits werden den Arbeitnehmern hierbei regelmäßig zunächst befristete Arbeitsverträge mit schlechteren Konditionen angeboten werden. Auch wird der Betrieb zumeist nur mit reduziertem, ausgewähltem Personalbestand weitergeführt. Soweit in solchen Konstellationen ein Aufhebungsvertrag (der regelmäßig Inhalt der dreiseitigen Vereinbarung ist) zum Zwecke der Beseitigung der Kontinuität des Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitigem Erhalt des Arbeits­ platzes abgeschlossen und zugleich ein neues Arbeitsverhältnis vereinbart oder zumindest verbindlich in Aussicht gestellt wird, ist der Aufhebungsvertrag als unzulässige Umgehung des § 613a BGB zu erkennen.8 Ein solcher Vertrag ist gem. § 134 BGB nichtig. Beispiel Ein Vorgehen nach dem sog. Lemgoer Modell (Wechsel des Arbeitnehmers in die Transfergesellschaft unter Garantie einer Anschlussbeschäftigung) ist als unzulässige Umgehung des § 613a BGB zu werten.

15 Gleichwohl ist eine Umgehung nicht zu erkennen, soweit der Arbeitnehmer in

vollem Umfang über die Situation aufgeklärt ist und den Aufhebungsvertrag freiwillig abschließt, die Transfergesellschaft zwischengeschaltet ist und der Arbeitnehmer keine sichere Aussicht darauf hat, bei dem Erwerber eingestellt zu werden.9 Der Abschluss der dreiseitigen Vereinbarung muss aus Sicht des Arbeitnehmers also als Risikogeschäft zu bewerten sein. Ein Folge-Arbeitsvertrag wird insoweit bereits auch dann verbindliche in Aussicht gestellt, wenn ein Losentscheid für die Auswahl der Arbeitnehmer gelten soll, die einen solchen neuen Arbeitsvertrag erhalten.10 Zulässige Gestaltung fordert –– vollständige Unterrichtung des Arbeitnehmers, –– Freiwilligkeit bei Vertragsschluss, –– Wechsel in die BQG und –– Risikogeschäft des Arbeitnehmers hinsichtlich künftiger Anstellung.

8 Vgl. BAG, Urt. v. 23.11.2006 – 8 AZR 349/06 = NZA 2007, S. 866. 9 Vgl. BAG, Urt. v. 18.8.2005 – 8 AZR 523/04 = BB 2006, S. 665. 10 Vgl. BAG, Urt. v. 18.8.2011 – 8 AZR 312/10 = NZA 2012, S. 152.

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III. Rahmenbedingungen der Transfergesellschaft Zweck der Transfergesellschaft ist es, die von Arbeitslosigkeit bedrohten Arbeit­ 16 nehmer vorübergehend aufzunehmen. Hierbei werden die Arbeitnehmer in aller Regel nicht zur Verfolgung eines eigenen arbeitstechnischen Zwecks der Transfergesellschaft eingestellt. Vielmehr erfolgt eine reine Beschäftigung zur Fortbildung und Weiterqualifizierung, wodurch letztlich der Wiedereinstieg in ein vollwertiges Beschäftigungsverhältnis (mit eigenen arbeitstechnischen Zielen) vorbereitet werden soll.

1. Finanzierung und Kosten Eine besondere Attraktivität erfahren Transfermaßnahmen durch die staatlichen 17 Förderungen, die in den §§ 110, 111 SGB III (vormals bis zum 31.3.2012: §§ 216a, 216b SGB III) verankert sind.11 Hierdurch wird in aller Regel ein Großteil der erforderlichen Finanzierung einer BQG durch die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld gem. § 111 SGB III (ergänzt durch Zuschüsse zu Qualifizierungsmaßnahmen im Einzelfall gem. § 110 SGB III) durch die BA erfolgen. Neben einer Finanzierung über den Staat wird der bisherige Arbeitgeber durch 18 eine Kofinanzierung beteiligt sein (Aufstockung des Transferkurzarbeitergel­ des), was letztlich entscheidungserheblichen Einfluss auf die Attraktivität eines Wechsels in die Transfergesellschaft für den betroffenen Arbeitnehmer hat. Diese Beteiligung des bisherigen Arbeitgebers wird in einem Transfersozialplan gem. §  112 BetrVG festgeschrieben, wobei es gängige Praxis ist, den betroffenen Arbeitnehmern als Gegenstück zur finanziellen Förderung des Wechsels in die Transfergesellschaft abzuverlangen, dass das Arbeitsverhältnis unter Abkürzung der persön­ lichen Kündigungsfristen beendet wird. Kaum sonst wird der bisherige Arbeitgeber die für diese Sozialplanleistungen notwendigen Mittel gerade in der Krise aufbringen können. Praxistipp Zulässig ist es, die dreiseitige Vereinbarung unter die aufschiebende Bedingung der Förderung durch die BA bzw. unter die auflösende Bedingung von kontinuierlichen Zuschüssen des bisherigen Arbeitgebers zu stellen.12

Die Vergütung der eingeschalteten Transfergesellschaft erfolgt meist über eine 19 Beteiligung an den – durch Vermittlung der Transfermitarbeiter und Ruhendstellung der Arbeitsverhältnisse – eingesparten Kosten. Weitere Dienstleistungen (z.B.

11 Anmerkung: Die Änderungen der ab dem 1.4.2012 geltenden Neufassungen sind im Hinblick auf die hier erörterten Regelungen sprachlich-redaktioneller Art. 12 Vgl. LAG Hamburg, Urt. v. 7.9.2005 – 5 Sa 41/05 = NZA RR 2005, S. 658.

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 Kapitel 39 Transferarbeitsverhältnis

monatliche Entgeltabrechnung, Durchführung von Beratungsgesprächen mit den zu transferierenden Arbeitnehmern) werden in der Regel einzeln abgerechnet. Möglich ist auch eine Vergütung anhand sog. Beratungs- oder Verwaltungspauschalen, die in Abhängigkeit von der Verweildauer der zu transferierenden Arbeitnehmer in Rechnung gestellt werden.

2. Transferkurzarbeitergeld

20 Da bei Einrichtung einer Transfergesellschaft in der Praxis zumeist der Bezug von

Transferkurzarbeitergeld vorgesehen ist, sind die gesetzlichen Vorgaben der §§ 110, 111 SGB III stets zu beachten.

a) Allgemeines

21 Gem. § 111 Abs. 1 SGB III haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld

zur Förderung der Eingliederung bei betrieblichen Restrukturierungen, damit deren Entlassungen vermieden und ihre Vermittlungsaussichten verbessert werden. Dies ist entsprechend den weiteren Vorgaben der Fall, wenn und solange: –– die Arbeitnehmer von einem dauerhaften unvermeidbaren Arbeitsausfall mit Entgeltausfall betroffen sind, –– die betrieblichen und persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind, –– sich die Betriebsparteien im Vorfeld der Entscheidung über die Inanspruchnahme der Leistung von der Agentur für Arbeit beraten haben lassen und –– der dauerhafte Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt ist.

b) Betriebliche Voraussetzungen 22 Die betrieblichen Voraussetzungen gem. § 111 Abs. 3 SGB III bestimmen, dass ein dauerhafter Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegen muss, was der Fall ist, wenn die Beschäftigungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer aufgrund einer Betriebs­ änderung i.S.d. § 111 BetrVG nicht nur vorübergehend entfallen. Auch müssen die von Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmer zur Vermeidung von Entlassungen und zur Verbesserung ihrer Eingliederungschancen in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit zusammengefasst werden, wobei es sich insoweit sowohl um eine interne Einheit im bisherigen Betrieb als auch um eine externe Gesellschaft handeln kann. Soweit eine Betriebsänderung in einem bloßen Stellenabbau besteht, muss eine Mindestanzahl von zu entlassenden Arbeitnehmern entsprechend der Vorgaben des § 17 Abs. 1 KSchG gegeben sein.13 Ferner muss vor dem Hintergrund der Betriebsänderung der Abschluss eines Transfersozialplans erfolgt sein, vor dessen

13 Vgl. Grobys/Panzer/Schimmelpfennig/Sigle, Ziff. 148 (Transfergesellschaft) Rn 5.

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Abschluss sich die Betriebsparteien von der BA beraten haben lassen. Zusätzlich ist zu prüfen, ob die Organisation und Mittelausstattung der betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit den angestrebten Integrationserfolg erwarten lässt und ein System zur Sicherung der Qualität angewendet wird.

c) Persönliche Voraussetzungen Die persönlichen Voraussetzungen sehen im Hinblick auf den einzelnen Arbeitneh- 23 mer vor, dass dieser zunächst von Arbeitslosigkeit bedroht sein muss, er also nicht im Anschluss an die bisherige Tätigkeit tatsächlich nicht beschäftigungslos sein darf (etwa bei Wechsel in ein Anschlussarbeitsverhältnis oder in die Selbstständigkeit). Eine versicherungspflichtige Beschäftigung muss fortgesetzt werden, was Arbeitnehmer ausschließt, die nicht versicherungspflichtig beschäftigt sind, wie bspw. geringfügig Beschäftigte. Des Weiteren muss sich der Arbeitnehmer grundsätzlich vor seiner Überleitung in die Transfergesellschaft bei der Arbeitsagentur arbeits­ suchend melden; eine Nachholung ist in berechtigten Ausnahmefällen innerhalb von vier Wochen nach der Überleitung möglich. Der Arbeitnehmer darf nicht vom Kurzarbeitergeldbezug ausgeschlossen sein.

d) Umfang der Förderung Die Berechnung des Transferkurzarbeitergeldes entspricht den Maßgaben zur Kurz- 24 arbeit.14 Die Leistung ist gem. § 111 Abs. 1 S. 2 AGB III auf zwölf Monate begrenzt, wobei eine Verlängerungsmöglichkeit durch Verordnung nicht (mehr) besteht.

IV. Betriebsverfassungsrecht In den Konstellationen eines Transferarbeitsverhältnisses, d.h. bei Vorliegen einer 25 Betriebsänderung i.S.d. §  111 BetrVG, ist ein (erzwingbarer) Sozialplan abzuschließen, auch Transfersozialplan genannt. Gem. § 112 Abs. 5 S. 2 Nr. 2a BetrVG soll die Einigungsstelle ausdrücklich die im SGB III vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigen. Die Einrichtung einer Transfergesellschaft wird somit in aller Regel im Sozialplan bestimmt, bei dessen Verhandlung sich die Betriebsparteien gem. § 111 Abs. 1 Nr. 4 SGB III von der Arbeitsagentur beraten lassen müssen. Im Übrigen gelten die betriebsverfassungsrechtlichen Grundsätze zur Verhandlung und Gestaltung von Sozialplänen. Durch den Wechsel des Arbeitnehmers in eine externe betriebsorganisatorisch 26 eigenständige Einheit (Transfergesellschaft) endet die Einflussnahme des Betriebs­ rats. Möglich ist jedoch eine Einrichtung von Beiräten, in denen ein regelmäßiger

14 Siehe hierzu Kap. 22 – Kurzarbeit Rn 132.

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 Kapitel 39 Transferarbeitsverhältnis

Austausch zwischen bisherigem Arbeitgeber, Betriebsrat und Transfergesellschaft über den aktuellen Stand von Vermittlungen und Qualifizierungsmaßnahmen etc. erfolgt. Checkliste –– Einrichtung und Förderung der Transfergesellschaft gem. den §§ 110, 111 SGB III, –– einvernehmliche Überleitung des Arbeitnehmers durch dreiseitige Vereinbarung, –– bei Überleitungen aufgrund Erwerberkonzepts ist stets das Risiko einer Umgehung des § 613a BGB zu berücksichtigen (!), –– Befristung des Transferarbeitsverhältnisses auf zwölf Monate, –– Rückverleih an den bisherigen Arbeitgeber ist ausgeschlossen, –– Abschluss eines Transfersozialplans unter Beratung durch die Arbeitsagentur.

B. Steuerrecht I. Pflichten der Transfergesellschaft 27 Besteht zwischen der Transfergesellschaft und dem Arbeitnehmer ein Vertragsver­ hältnis, ist die Transfergesellschaft als Arbeitgeber zu qualifizieren und die Erfüllung lohnsteuerlicher Pflichten erfolgt nach den allgemeinen Grundsätzen wie bei Arbeitnehmern typischer Beschäftigungsverhältnisse. Auch bei der Arbeitnehmerüberlassung bleibt die Transfergesellschaft als Ver28 leiher Arbeitgeber, so dass sich grundsätzlich keine lohnsteuerlichen Besonderheiten ergeben. Etwas anderes gilt jedoch, wenn das Arbeitsverhältnis mit der Transfergesellschaft ruht und der Arbeitnehmer bei einem anderen Unternehmen eine entgeltliche Beschäftigung aufnimmt. Dann sind die lohnsteuerlichen Pflichten grundsätzlich von dem anderen Unternehmen zu erfüllen. Praxistipp Zur Klärung der Frage, wen die lohnsteuerlichen Arbeitgeberpflichten treffen, sollte daher auch das mit dem Arbeitnehmer bestehende Vertragsverhältnis genauer überprüft werden.

II. Abgrenzung zu Outplacement-Leistungen

29 Bei Maßnahmen im Zusammenhang mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnis­

ses, die der alte Arbeitgeber selbst oder eine von ihm beauftragte Transfergesellschaft zur beruflichen Neuorientierung des ausscheidenden Arbeitnehmers erbringt, handelt es sich um Outplacement-Leistungen. Die Kostenübernahme von Out­ placement-Leistungen durch den Arbeitgeber führt beim Arbeitnehmer in der Regel zu steuerpflichtigem Arbeitslohn und der Arbeitgeber, nicht aber die beauftragte Transfergesellschaft, ist daher grundsätzlich zum Lohnsteuerabzug verpflichtet. Outplacement-Leistungen sind als ergänzende Zusatzleistungen regelmäßig Teil 30 einer Abfindungsvereinbarung. Dabei ist die Kostenübernahme für OutplacementLeistungen durch den Arbeitgeber als sozial motivierte Zusatzleistung für die Anwen­ Spirovic

B. Steuerrecht 

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dung einer tarifermäßigten Besteuerung der Hauptleistung selbst dann unschädlich, wenn die Outplacement-Maßnahme in einem anderen Kalenderjahr erbracht wird als die Auszahlung der Barabfindung.15 Arbeitgeberleistungen für Outplacement-Leistungen stellen hingegen dann 31 keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn dar, wenn der Arbeitnehmer die Maßnahmen nicht in Anspruch nimmt oder wenn die Outplacement-Leistungen im überwie­ gend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers erfolgen.16 Ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse ist anzunehmen, wenn eine 32 Gesamtwürdigung ergibt, dass der mit der Vorteilsgewährung verfolgte betriebliche Zweck des Arbeitgebers im Vordergrund steht.17 In der Regel wird ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse zu verneinen sein, 33 da die Outplacement-Leistungen der künftigen beruflichen Entwicklung des Arbeitnehmers zugutekommen.18 Wenn hingegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses z.B. unter der Bedingung erfolgt, dass der Arbeitnehmer infolge der OutplacementLeistung eine neue Beschäftigung findet, sprechen gute Gründe für ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse des Arbeitsgebers. Praxistipp Ob ein eigenbetriebliches Interesse zu bejahen ist, obliegt grundsätzlich einer Überprüfung im Einzelfall. Zur Vermeidung etwaiger Haftungsrisiken sollte eine Lohnsteueranrufungsauskunft nach § 42e EStG beim zuständigen Betriebsstättenfinanzamt eingeholt werden.

Ausnahmsweise ist bei SGB III entsprechenden Trainings- und Qualifikationsmaß­ 34 nahmen, die der Arbeitgeber oder eine beauftragte Transfergesellschaft im Zusammenhang mit der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses erbringt, regelmäßig ein überwiegend eigenbetriebliches Interesse anzunehmen.19 Bei der Prüfung, ob sich eine Maßnahme als eine nach dem SGB III qualifiziert, ist auf die Maßnahme als solche abzustellen. Checkliste –– Überprüfung des Vertragsverhältnisses? –– Outplacement-Leistung? –– Überwiegend eigenbetriebliches Interesse? –– SGB III entsprechende Maßnahmen? –– Lohnsteueranrufungsauskunft?

15 FG Baden-Württemberg, Urt. v. 6.3.2007 – 4 K 280/06 = DStRE 2007, S. 737; BFH, Urt. v. 14.8.2001 – XI R 22/00 –. 16 Vgl. R 19.7 Abs. 1 S. 1 LStR. 17 BFH, Urt. v. 11.3.2010 – VI R 7/08 –. 18 Schönfeld/Plenker, S. 565; FG Baden-Württemberg, Urt. v. 6.3.2007 – 4 K 280/06 = DStRE 2007, S. 737. 19 Vgl. R 19.7. Abs. 2 S. 5 LStR.

Spirovic

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 Kapitel 39 Transferarbeitsverhältnis

C. Sozialversicherungsrecht 35 Die sozialversicherungsrechtlichen Arbeitgeberpflichten sind grundsätzlich von

der Transfergesellschaft zu erfüllen. Diese hat das Weisungsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer inne und ist zur Lohn- und Gehaltszahlung verpflichtet. Die Sozialversicherungspflicht der einzelnen Arbeitnehmer ist dann nach den allgemeinen Grundsätzen zu prüfen.

Praxistipp Auf Arbeitnehmer, die vor dem Bezug des Transferkurzarbeitergeldes wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei und privat krankenversichert waren, nun aber diese Grenze unterschreiten, ist der § 8 I Nr. 3 SGB V nicht anwendbar. Dabei ist zu beachten, dass weder das Transferkurzarbeitergeld noch der Arbeitgeberzuschuss zum hierfür maßgeblichen Arbeitsentgelt zählen. Das bedeutet, dass diese Arbeitnehmer pflichtversichert in der gesetzlichen Krankenversicherung sind.20

20 SG Dresden, Beschl. v. 27.5.2009 – S 18 KR 285/09 ER –.

Gather

Stichwortverzeichnis Die Zahlen und Buchstaben in Fettdruck beziehen sich auf die Teile und Kapitel des Werkes, die Ziffern beziehen sich auf die Randnummern innerhalb der Teile bzw. Kapitel. 0,03 %-Zuschlag Teil 3 Kap. 15 39 1 %-Methode Teil 3 Kap. 15 39 46-Tage-Regel Teil 3 Kap. 6 53 183-Tage-Regel Teil 3 Kap. 12 212, 221, Teil 3 Kap. 3 69 ––Leiharbeitnehmer Teil 3 Kap. 3 69 A Abfindung ––Außendienstmitarbeiter Teil 3 Kap. 6 79 ff. ––Entsendung Teil 3 Kap. 12 247 ––Freistellung Teil 3 Kap. 15 41 ff. Abgabepflicht ––Künstlersozialkasse Teil 3 Kap. 21 64 f. ––kurzfristige Beschäftigung Teil 3 Kap. 5 55 Abrufarbeit Teil 3 Kap. 2 71 Abrufarbeitsverhältnis ––AGB-Kontrolle Teil 3 Kap. 2 14 ––Arbeitspflicht Teil 3 Kap. 2 43 ––Arbeitszeiten Teil 3 Kap. 2 4, 6, 15 f., 31, 32 ––Bandbreitenregelung Teil 3 Kap. 2 7 ––Feiertagsvergütung Teil 3 Kap. 2 51 f. ––Krankheit Teil 3 Kap. 2 54 ––Kündigungsschutz Teil 3 Kap. 2 30 ––Leistungsverweigerungsrecht Teil 3 Kap. 2 38 ––Lohnsteuer Teil 3 Kap. 2 73 ––Mindestarbeitszeit Teil 3 Kap. 2 18, 20 f., 25, 27 f., 43 ––Personenkreis Teil 3 Kap. 2 11, 13 ––Teilzeitarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 2 9 ––Überstunden Teil 3 Kap. 2 29, 44 ––Urlaub Teil 3 Kap. 2 15, 17, 59 f., 62, 66 ––Verhinderung, persönliche Teil 3 Kap. 2 57 ––Vorankündigungsfrist Teil 3 Kap. 2 34, 39, 41 Abwicklungsvertrag Teil 3 Kap. 15 34 Adoptivkinder ––Elternzeit Teil 3 Kap. 11 23 AGB-Kontrolle ––Abrufarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 2 14 ––Mustervertrag Teil 2 15 Aktien ––Arbeitslohn, Zufluss Teil 3 Kap. 26 50 ––Einbuchungszeitpunkt Teil 3 Kap. 26 51

––Sperrfrist Teil 3 Kap. 26 53 ––Überlassung Teil 3 Kap. 26 54, 58 ––Vinkulierung Teil 3 Kap. 26 53 Aktienoption ––Entsendung Teil 3 Kap. 12 238 ff. ––Mitarbeiterbeteiligung Teil 3 Kap. 26 17, 19, 20 ff., 26, 30, 37, 40, 61 Altersgrenze Teil 3 Kap. 7 42 Altersregelung Teil 3 Kap. 7 59 Altersrente Teil 3 Kap. 1 1, 4, 17, 53, 58, 75 ––Befristung Teil 3 Kap. 7 42 ––Regelaltersrente Teil 3 Kap. 1 58, Teil 3 Kap. 33 59 ––Rentenminderung Teil 3 Kap. 1 75 ––Teilrente Teil 3 Kap. 33 64 ––Vollrente Teil 3 Kap. 33 53, 56, 68 ––vorgezogene Teil 3 Kap. 33 55 Altersteilzeit Teil 3 Kap. 1 1, 95, Teil 3 Kap. 23 1 ––Arbeitsentgelt Teil 3 Kap. 1 32 ––Arbeitsunfähigkeit Teil 3 Kap. 1 113 ff. ––Aufstockungsbetrag Teil 3 Kap. 1 32 f., 56, 58, 60, 62 f., 70, 84, 88 f., 96, 106 ––Ausgestaltung Teil 3 Kap. 1 21 ff. ––Beamte, Zuschläge an Teil 3 Kap. 1 77 f. ––Beendigung Teil 3 Kap. 1 34 ff. ––Beginn Teil 3 Kap. 1 21 ––Beschäftigungsverhältnis Teil 3 Kap. 1 117 ff. ––Betriebsverfassungsrecht Teil 3 Kap. 1 46 ff. ––Blockmodell Teil 3 Kap. 1 12, 22, 25, 27, 32, 38 f., 42, 45, 50, 81, 83, 87 f., 90, 108 ––Erwerbsminderung Teil 3 Kap. 1 115 f. ––Gesamtentgeltleistungen Teil 3 Kap. 1 32 ff. ––Insolvenz Teil 3 Kap. 1 125 ff., 128 ––Krankheit Teil 3 Kap. 1 28 ––Kurzarbeitergeld Teil 3 Kap. 22 24 ––Langzeitkonto Teil 3 Kap. 1 54 ff. ––Leistungen, steuerfreie Teil 3 Kap. 1 56, 59 f., 76, 82 ––Mehrarbeit Teil 3 Kap. 1 107 ff. ––Mindestaufstockungsbetrag Teil 3 Kap. 1 69 ––Modell Arbeit und Freistellung Teil 3 Kap. 1 22, 24, 32, 42 ––Nebenbeschäftigung Teil 3 Kap. 1 110

864 

 Stichwortverzeichnis

––Nettoarbeitslohn Teil 3 Kap. 1 70 ff. ––Progressionsvorbehalt Teil 3 Kap. 1 106 ––Rechtsweg Teil 3 Kap. 1 45 ––Regelarbeitsentgelt Teil 3 Kap. 1 101 ff. ––Rentenaufstockungsbetrag Teil 3 Kap. 1 74, 78 ––Sozialversicherungspflicht Teil 3 Kap. 1 97 ff. ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 1 95 ff. ––Sozialversicherungsrecht, Checkliste Teil 3 Kap. 1 95 ff. ––Steuerfreiheit Teil 3 Kap. 1 56 ff. ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 1 55 ff. ––Steuerrecht, Blockmodell Teil 3 Kap. 1 81 ff. ––Steuerrecht, Verfahrensrecht Teil 3 Kap. 1 78 ff. ––Störfall Teil 3 Kap. 1 35, 61, 83, 85 f., 119 ff., 126, 128 ––Tarifvertragsrecht Teil 3 Kap. 1 49 ff. ––Teilzeitmodell Teil 3 Kap. 1 12, 22 f., 31, 37 ––Todesfall Teil 3 Kap. 1 40 ––Urlaub Teil 3 Kap. 1 29 ––Verteilzeitraum Teil 3 Kap. 1 30 ––Voraussetzungen Teil 3 Kap. 1 3 ff. ––Zuschläge, steuerfreie Teil 3 Kap. 1 90 ff. Altersteilzeittarifvertrag Teil 3 Kap. 1 51 f. Altersteilzeitverhältnis ––Form und Inhalt Teil 3 Kap. 1 15 ff. ––Kein Zwangsabschluss Teil 3 Kap. 1 18 ff. ––Ruhen und Erlöschen des Anspruchs Teil 3 Kap. 1 20 ff. ––Vertragsabschluss Teil 3 Kap. 1 5 ff. Altersteilzeitvertrag Teil 3 Kap. 1 2, 36, 53 ––Abschluss Teil 3 Kap. 1 18 f. ––Anspruch Teil 3 Kap. 1 5, 14, 20 ––billiges Ermessen Teil 3 Kap. 1 6 ff., 14 ––Dauer Teil 3 Kap. 1 17 ––Form Teil 3 Kap. 1 15 ––Inhalt Teil 3 Kap. 1 16 ––Insolvenzsicherung Teil 3 Kap. 1 41, 43 f., 51 ––Kündigung Teil 3 Kap. 1 36 ff. ––Überforderungsklausel Teil 3 Kap. 1 10 f. ––Überforderungsschutz Teil 3 Kap. 1 11 Altersversorgung, betriebliche ––Auslandseinsatz Teil 3 Kap. 12 97 ff., 249 ff. Altersvorsorge ––Elternzeit Teil 3 Kap. 11 109 Änderungskündigung Teil 3 Kap. 22 75 ff., 79 ff. Änderungsvertrag Teil 3 Kap. 22 60, 107 Angehörigenbegriff Teil 3 Kap. 13 28 f.

Anlernarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 30 7 Annahmeverzugslohn Teil 3 Kap. 2 45, Teil 3 Kap. 31 1 ––Berechnung Teil 3 Kap. 2 46 f. Annexkompetenz Teil 3 Kap. 25 17 Annexsteuern Teil 3 Kap. 3 65, Teil 3 Kap. 5 48, Teil 3 Kap. 24 33 Ansässigkeitsbescheinigung Teil 3 Kap. 16 30 f. Ansässigkeitsstaatsprinzip Teil 3 Kap. 12 202 f., 204 ff. ––Arbeit auf Abruf Teil 3 Kap. 37 28, Teil 3 Kap. 5 19 ––Ankündigungsfrist Teil 3 Kap. 2 34 ff. ––Arbeitsvertrag Teil 3 Kap. 2 69 ––Arbeitszeit Teil 3 Kap. 2 18 ff. ––Beschäftigungspflicht Teil 3 Kap. 2 43 ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 2 70 ff. ––Direktionsrecht Teil 3 Kap. 2 67 ff. ––Entgelt Teil 3 Kap. 2 45 ff. ––Form Teil 3 Kap. 2 14 ff. ––Personenkreis Teil 3 Kap. 2 11 ff. ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 2 75 ff. ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 2 73 ff. ––Überstunden Teil 3 Kap. 2 44 ––Urlaub Teil 3 Kap. 2 58 ff. Anschlussverbot Teil 3 Kap. 7 5 f. Anstellungsvertrag Teil 3 Kap. 25 15, 18 Anzeige- und Mitteilungspflicht Teil 3 Kap. 22 124, 128, 171 Arbeit, selbstständige ––Formen Teil 3 Kap. 35 27 ff. ––Prozessuales Teil 3 Kap. 35 54 ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 35 58 ff. ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 35 57 Arbeitgeber Teil 2 19 ff., 37 ff. ––Anzeige- und Mitteilungspflicht Teil 3 Kap. 22 124, 128, 171 ––ausländischer Teil 2 44 ––Außendienstmitarbeiter Teil 3 Kap. 6 6 f., 63 ––Beitragspflicht Teil 2 99, 134 ––Beschäftigungsverbot Teil 3 Kap. 2 67 ––Betriebsrisiko Teil 3 Kap. 15 17 ––Direktionsrecht Teil 2 22, 23, Teil 3 Kap. 2 9, 67, Teil 3 Kap. 4 11, Teil 3 Kap. 6 38, 40, Teil 3 Kap. 11 29, Teil 3 Kap. 12 48 ––Fürsorgepflicht Teil 3 Kap. 12 23, 51, 53, 253, Teil 3 Kap. 18 32 ––inländischer Teil 3 Kap. 12 217, 226, 233, Teil 2 43

Stichwortverzeichnis 

––Kürzungsrecht Teil 3 Kap. 11 62 ––lohnsteuerlicher Teil 3 Kap. 12 193 ––Melde- und Aufzeichnungspflichten Teil 2 79 ff., 153 ff., 157 f., Teil 3 Kap. 3 88, Teil 3 Kap. 5 96 ––Prognoseentscheidung Teil 3 Kap. 7 33 ––steuerliche Pflichten Teil 2 34 ff. ––transferierender Teil 3 Kap. 39 5 ––Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug Teil 3 Kap. 12 217, 226, 233 ––Verpflichtung zum Lohnsteuereinbehalt Teil 3 Kap. 12 194 ––Verpflichtung zur Lohnzahlung Teil 2 21 ––Weisungsrecht Teil 3 Kap. 6 6, 8, Teil 3 Kap. 12 26, 271, 315 ––wirtschaftlicher Teil 3 Kap. 12 198, 200 ––zivilrechtlicher Teil 3 Kap. 12 198 f. Arbeitgeber-Arbeitnehmerverhältnis Teil 2 41, Teil 3 Kap. 9 72 Arbeitgeberbegriff, wirtschaftlicher Teil 2 48 ––Doppelbesteuerungsabkommen Teil 3 Kap. 12 197 ff. Arbeitgeberdarlehen Teil 3 Kap. 4 30 Arbeitgebereigenschaft Teil 2 24, 25, 37 ––Definition Teil 2 37 ––Rechtsform Teil 2 24, 42 Arbeitgeberwechsel Teil 3 Kap. 12 286, 288 Arbeitnehmer Teil 2 26 ff., 49 ff. ––Abgrenzung Teil 3 Kap. 35 15 ––Aufsichtsrat Teil 3 Kap. 4 1 f., 5 ––Außendienstmitarbeiter Teil 3 Kap. 6 37 ––Definition Teil 2 26, 49 ––Direktionsrecht Teil 3 Kap. 18 5 ––Eingriffsrecht Teil 3 Kap. 18 6 ––familienfremder Teil 3 Kap. 13 47 f. ––hochqualifizierter Teil 2 5 ––illegaler Teil 2 124 ––im öffentlichen Dienst Teil 3 Kap. 1 9 ––Lohnsteuer Teil 2 62 ff. ––Mitwirkungspflicht Teil 3 Kap. 18 22 ––persönliche Abhängigkeit Teil 2 29 ––Pflichten Teil 2 27 f. ––Rechte Teil 2 32 f. ––ständiger Teil 3 Kap. 5 24 ––Steuerpflicht Teil 2 56 ff. ––transferierender Teil 3 Kap. 39 5 ––Treuepflicht Teil 3 Kap. 9 17, Teil 3 Kap. 27 11 ––Verbrauchereigenschaft Teil 2 17 ––verstorbener Teil 2 51

 865

Arbeitnehmer, ausländischer Teil 2 48, Teil 3 Kap. 12 103, 126, 159 f., Teil 3 Kap. 28 35 ––Arbeitsgenehmigungsverfahren Teil 3 Kap. 12 115 ff. ––Arbeitsmarktprüfung Teil 3 Kap. 12 126 ––Aufenthaltstitel Teil 3 Kap. 12 104 ff. ––Aufhebungsvertrag Teil 3 Kap. 12 174 ––Beschäftigung, illegale Teil 3 Kap. 12 158 ––Beschäftigungsaufnahme Teil 3 Kap. 12 115 ff. ––Beschäftigungsverhältnis, hauswirtschaftliches Teil 3 Kap. 17 19 ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 12 186 ––Diskriminierungsverbot Teil 3 Kap. 12 161 ––Geschäftsreise Teil 3 Kap. 12 110 ff. ––Gleichbehandlungsgrundsatz Teil 3 Kap. 12 160 ––Krankheit Teil 3 Kap. 12 169 ––Kündigung Teil 3 Kap. 12 175 f., 180, 182 ––Kurzarbeitergeld Teil 3 Kap. 22 37 ––Lohnsteuerbescheinigung Teil 3 Kap. 12 234 f. ––Personalaustausch, internationaler Teil 3 Kap. 12 127 ff. ––Sprachrisiko Teil 3 Kap. 12 165 ff. ––Tarifvertrag Teil 3 Kap. 12 183 ––Veranlagung Teil 3 Kap. 12 237 ––Wehrdienst Teil 3 Kap. 12 177 f. Arbeitnehmerbegriff Teil 3 Kap. 14 36 f., Teil 3 Kap. 35 13 Arbeitnehmereigenschaft Teil 2 31, 54, Teil 3 Kap. 14 24, 30 ––Abgrenzung von Selbstständigkeit Teil 2 31 ––Home-Office Teil 3 Kap. 18 42 ––Interimsmanager Teil 3 Kap. 19 16 ff. Arbeitnehmerfreizügigkeit Teil 3 Kap. 12 114, 153, Teil 3 Kap. 17 19 Arbeitnehmerhaftung ––Beschäftigungsverhältnis, hauswirtschaftliches Teil 3 Kap. 17 18 ––Entleiher Teil 3 Kap. 3 43 Arbeitnehmerüberlassung Teil 3 Kap. 19 7 ––Abgrenzung Teil 3 Kap. 3 22 ff. ––Abgrenzung, Dienst-/Geschäftsbesorgungsvertrag Teil 3 Kap. 3 26 ff. ––Abgrenzung, Werkvertrag Teil 3 Kap. 3 23 ff. ––Entsendung Teil 3 Kap. 12 329 ––gelegentliche Teil 3 Kap. 3 14 ––Grundsatz des equal pay/equal treatment Teil 3 Kap. 3 16

866 

 Stichwortverzeichnis

––Interimsmanager Teil 3 Kap. 19 24 ––Merkmale Teil 3 Kap. 3 25 ––Ordnungswidrigkeiten Teil 3 Kap. 3 58 ff. ––Sozialversicherungspflicht Teil 3 Kap. 3 83 ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 3 83 ff. ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 3 65 ff. ––unerlaubte Teil 3 Kap. 3 71, 73, Teil 3 Kap. 35 21 ––Unwirksamkeit Teil 3 Kap. 3 33 ––vorübergehende Teil 3 Kap. 3 47 Arbeitnehmerüberlassungsvertrag Teil 3 Kap. 3 28 ––Betriebsverfassungsrecht Teil 3 Kap. 3 44 ff. ––Entleiher Teil 3 Kap. 3 29 ––Form und Inhalt Teil 3 Kap. 3 28 ff. ––Individualarbeitsrecht Teil 3 Kap. 3 37 ff. ––Schriftform Teil 3 Kap. 3 28 ––Unwirksamkeit Teil 3 Kap. 3 31 ff. Arbeitnehmerverleih ––internationaler Teil 2 46 Arbeitnehmervertreter Teil 3 Kap. 4 6 ––Altersteilzeitvertrag Teil 3 Kap. 4 46 ––Arbeitskampf Teil 3 Kap. 4 38 ff. ––Aufsichtsrat Teil 3 Kap. 4 65 ––Aufsichtsratsmitglied Teil 3 Kap. 4 42 ––Behinderungs- und Benachteiligungsverbot Teil 3 Kap. 4 6 f., 10, 44 ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 4 25, 38 ––Bevorteilung Teil 3 Kap. 4 9 ––Blockmodell Teil 3 Kap. 4 46, 48 f. ––Freistellung Teil 3 Kap. 4 33 ––Gewerkschaft Teil 3 Kap. 4 38 ––Konzern Teil 3 Kap. 4 50 f. ––Kündigung Teil 3 Kap. 4 45 ––Lohnsteuer Teil 3 Kap. 4 65 ––Schulung Teil 3 Kap. 4 35 ff. ––Überstunden Teil 3 Kap. 4 34 ––Vergütung Teil 3 Kap. 4 13 f., 22, 24, 84 Arbeitsentgelt Teil 2 103 f., 111 ff., 125, 128, 133, 138, Teil 3 Kap. 1 3 ––Altersteilzeit Teil 3 Kap. 1 32 ––Bruttoentgelt Teil 2 122 ––Definition Teil 2 113 ––einmalig gezahltes Teil 2 117 ff., 129, Teil 3 Kap. 1 124 ––Form Teil 2 114 ––Höhe Teil 2 122 ff. ––laufendes Teil 2 117, Teil 3 Kap. 1 124 ––Nettoentgelt Teil 2 123

––Sachleistungen Teil 2 115, Teil 3 Kap. 1 87 f. ––Verzicht auf Teil 2 130 Arbeitsentgeltgrenze Teil 3 Kap. 24 48 f., 51 Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung Teil 3 Kap. 10 1, 12, 23 Arbeitsgenehmigung ––Grenzgänger Teil 3 Kap. 16 9 Arbeitsgenehmigung EU Teil 3 Kap. 12 155 Arbeitskampf ––Arbeitnehmervertreter Teil 3 Kap. 4 38 ff. ––Kurzarbeit Teil 3 Kap. 22 117 ff., 121 f. Arbeitslohn Teil 2 60, 65 ff., 112, Teil 3 Kap. 5 35 f., Teil 3 Kap. 12 231 ––Ansässigkeitsstaatsprinzip Teil 3 Kap. 12 202 ff. ––Arbeitsortprinzip Teil 3 Kap. 12 202 f. ––Aufteilung Teil 3 Kap. 12 211, 214, 216 ––Barlohn Teil 2 70, 74, 80, Teil 3 Kap. 11 105 ––Begriff Teil 2 66 ––echte Lohnzahlung eines Dritten Teil 2 76 ff. ––Lohnsteuerabzug Teil 3 Kap. 12 217, 227 ––Lohnsteuereinbehalt Teil 3 Kap. 12 225 ––negativer Teil 3 Kap. 31 33 ––Sachbezug Teil 2 70, 72, 80, Teil 3 Kap. 11 104 f. ––unechte Lohnzahlung eines Dritten Teil 2 75 Arbeitslohn von dritter Seite Teil 3 Kap. 3 77 Arbeitslosengeld Teil 3 Kap. 37 55 f. ––einkommensabhängiges Teil 3 Kap. 28 14 ––Elternzeit Teil 3 Kap. 11 122 ––Grenzgänger Teil 3 Kap. 16 49 Arbeitslosenversicherung ––Elternzeit Teil 3 Kap. 11 120 f. ––Grenzgänger Teil 3 Kap. 16 47 ––Midijob Teil 3 Kap. 28 49 f. ––Teilzeitarbeitnehmer Teil 3 Kap. 37 54, 58 Arbeitsmarktprüfung Teil 3 Kap. 12 126 Arbeitsorganisation Teil 2 4 Arbeitsortprinzip Teil 3 Kap. 12 202 f. ––Abrufarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 2 43 Arbeitsschutz ––Home-Office Teil 3 Kap. 18 21 Arbeitsunfähigkeit ––Altersteilzeit Teil 3 Kap. 1 113 f. Arbeitsverhältnis Teil 2 9 f., 14, 108 ––Befristung Teil 3 Kap. 7 3 ––bei Angehörigen Teil 2 55 ––Dokumentationspflicht Teil 2 12, 15 ––Ehrenamt Teil 3 Kap. 9 39, 42

Stichwortverzeichnis 

––Elternzeit Teil 3 Kap. 11 4 ––Nebentätigkeit Teil 3 Kap. 27 2 ––Niederschrift Teil 2 13 Arbeitsvertrag Teil 2 9 f., 12 ––Abschluss Teil 2 11 ––befristeter Teil 1 2, Teil 2 11, Teil 3 Kap. 7 2, 35, Teil 3 Kap. 14 20 ––klassischer Teil 2 8 ––Schriftformerfordernis Teil 2 11, 50 ––Verbot des Insichgeschäfts Teil 3 Kap. 13 13 ––Verbrauchervertrag Teil 2 17 Arbeitszeit ––Außendienstmitarbeiter Teil 3 Kap. 6 9 f. –– Beschäftigungsverhältnis, hauswirtschaftliches Teil 3 Kap. 17 9 f. ––Haushaltshilfe, ausländische Teil 3 Kap. 17 44 ––Home-Office Teil 3 Kap. 18 9 f., 29 ff. ––Job-Sharing Teil 3 Kap. 20 11, 16 ––Nebentätigkeit Teil 3 Kap. 27 18, 22 ––Teilzeit Teil 3 Kap. 37 11, 15 f. ––Telearbeit Teil 3 Kap. 38 39, 42 f. Arbeitszeitguthaben Teil 3 Kap. 1 86 Aufenthaltserlaubnis ––Befristung Teil 3 Kap. 7 39 ––One-Stop-Government-Prinzip Teil 3 Kap. 16 10 Aufenthaltstitel Teil 3 Kap. 12 104, 115 ––Ablaufen Teil 3 Kap. 12 157 ––befristeter Teil 3 Kap. 12 106 ––elektronischer Teil 3 Kap. 12 120, 123 ––ohne Visum Teil 3 Kap. 12 113, 121 ––unbefristeter Teil 3 Kap. 12 107, 150 ––Visum Teil 3 Kap. 12 105, 111, 116, 118, 124 Aufhebungsvertrag Teil 3 Kap. 11 86 ––ausländischer Arbeitnehmer Teil 3 Kap. 12 174 ––Entsendung Teil 3 Kap. 12 73 ff. Aufsichtsrat Teil 1 17 ––Annahme von Geschenken Teil 3 Kap. 4 32 ––Arbeitnehmer Teil 3 Kap. 4 1 f., 5 ––Arbeitnehmervertreter Teil 3 Kap. 4 65 ––Einkommensteuererklärung Teil 3 Kap. 4 78 ––fakultative Mitbestimmung Teil 3 Kap. 4 1 ––fakultativer Teil 3 Kap. 4 20, 31 ––Gewerkschaftsvertreter Teil 3 Kap. 4 57 f. ––Konzern Teil 3 Kap. 4 52 ff. Aufsichtsratsmandat ––Altersteilzeit Teil 3 Kap. 4 46 ff. ––Arbeitnehmervertreter, Konzern Teil 3 Kap. 4 50 ff.

 867

––Arbeitskampf Teil 3 Kap. 4 38 ff. ––Behinderungs- und Benachteiligungsverbot Teil 3 Kap. 4 6 ff. ––Direktionsrecht Teil 3 Kap. 4 11 ––Einkommensteuer Teil 3 Kap. 4 60 ff. ––Freistellung Teil 3 Kap. 4 33 ––Gewerkschaftsvertreter Teil 3 Kap. 4 57 ff. ––Kündigungsschutz Teil 3 Kap. 4 43 ff. ––Schulung Teil 3 Kap. 4 35 ff. ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 4 83 ff. ––Steuerabzug Teil 3 Kap. 4 69 ff. ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 4 59 ff. ––Überstunden Teil 3 Kap. 4 34 ––Umsatzsteuer Teil 3 Kap. 4 79 ff. ––Verhältnis zu Arbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 4 5 Aufsichtsratsmitglied ––Arbeitnehmervertreter Teil 3 Kap. 4 42 ––Beratervertrag Teil 3 Kap. 4 15 f., 19 ––Einkommensteuererklärung Teil 3 Kap. 4 62 ––im Ausland wohnhaft Teil 3 Kap. 4 67, 78, 82 ––im Inland wohnhaft Teil 3 Kap. 4 79 ––Kleinunternehmerregelung Teil 3 Kap. 4 80 f. ––Kreditgewährung Teil 3 Kap. 4 29 ––Kündigungsschutz Teil 3 Kap. 4 43 ––Lohnsteuer Teil 3 Kap. 4 60 ––Treuepflicht Teil 3 Kap. 4 41 ––Verschwiegenheitsverpflichtung Teil 3 Kap. 4 45 ––Wohnsitzstaat Teil 3 Kap. 4 68 Aufsichtsratssteuer Teil 3 Kap. 4 69, 73 f. Aufsichtsratsvergütung ––Annahme von Geschenken Teil 3 Kap. 4 32 ff. ––Aufwendungsersatz Teil 3 Kap. 4 26 ff. ––Darlehensgewährung Teil 3 Kap. 4 29 ff. ––Vergütungsgrundsätze Teil 3 Kap. 4 12 ff. Aufstockungsbetrag ––Altersteilzeit Teil 3 Kap. 1 32 f., 56, 58, 60, 62 f., 70, 84, 88 f., 96, 106 Aufwandsentschädigung Teil 3 Kap. 9 66, 69 ––Außendienstmitarbeiter Teil 3 Kap. 6 84 ––Ehrenamt Teil 3 Kap. 9 57 f. ––Ein-Euro-Job Teil 3 Kap. 10 45 Au-Pair-Kraft Teil 3 Kap. 17 29 Ausbildungs- und Weiterbildungsmaßnahme ––Teilzeitarbeitnehmer Teil 3 Kap. 37 30 Ausbildungsvertrag Teil 3 Kap. 13 39 Aushilfe ––Abgrenzung, geringfügig entlohnte Beschäftigung Teil 3 Kap. 5 77 ff.

868 

 Stichwortverzeichnis

––Arbeitgeberpflichten Teil 3 Kap. 5 44 ff. ––Arbeitslosenversicherung Teil 3 Kap. 5 87 ––Betriebsverfassungsrecht Teil 3 Kap. 5 24 ff. ––Krankenversicherung Teil 3 Kap. 5 85 ––Lohnsteuerpauschalierung Teil 3 Kap. 5 30 ff., 48 ––Meldepflicht Teil 3 Kap. 5 96 ff. ––Pflegeversicherung Teil 3 Kap. 5 86 ––Rentenversicherung Teil 3 Kap. 5 88 ff. ––Sozialversicherungspflicht Teil 3 Kap. 5 53 ff. ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 5 28 ff. ––Überschreiten der Zeitgrenzen Teil 3 Kap. 5 80 ff. ––Umlagepflicht Teil 3 Kap. 5 91 ff. ––Unfallversicherung Teil 3 Kap. 5 90 ff. ––Zeitgeringfügigkeit Teil 3 Kap. 5 58 ff. Aushilfsarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 5 2 ––Arbeit auf Abruf Teil 3 Kap. 5 19 ––Beendigung Teil 3 Kap. 5 22 ––befristetes Teil 3 Kap. 5 6 ff., Teil 3 Kap. 5 24 ––Krankheit Teil 3 Kap. 5 20 ––Kündigung Teil 3 Kap. 5 22 ––Kündigungsfrist Teil 3 Kap. 5 18 ––Nachweispflicht Teil 3 Kap. 5 4 ff. ––ohne Sachgrund Teil 3 Kap. 5 17 ––Schriftform Teil 3 Kap. 5 6 ––unbefristetes Teil 3 Kap. 5 6, 18 ff. ––Urlaub Teil 3 Kap. 5 21 ––Zeugnis Teil 3 Kap. 5 23 Aushilfsarbeitsverhältnis, studentisches Teil 3 Kap. 36 2 f. ––Beendigung Teil 3 Kap. 5 22, Teil 3 Kap. 36 27 ––Befristung Teil 3 Kap. 36 5, 17 ––Beschäftigung in vorlesungsfreier Zeit Teil 3 Kap. 36 60 ––Beschäftigung in Vorlesungszeit Teil 3 Kap. 36 53 ff. ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 36 28 ––Betriebsverfassungsrecht Teil 3 Kap. 36 30 ff. ––dualer Studiengang Teil 3 Kap. 36 62 ff. ––Immatrikulationsbescheinigung Teil 3 Kap. 36 4 ––Krankheit Teil 3 Kap. 36 25 ––Kündigung Teil 3 Kap. 36 29 ––Lohnsteuerabzug Teil 3 Kap. 36 32, 34 f. ––Lohnsteuerpauschalierung Teil 3 Kap. 36 33 ––Probezeit Teil 3 Kap. 36 21 ––Projektbefristung Teil 3 Kap. 36 9 ––Sozialversicherungspflicht Teil 3 Kap. 36 45

––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 36 44 ff. ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 36 32 ff. ––Teilzeit Teil 3 Kap. 36 24 ––Urlaub Teil 3 Kap. 36 26 ––Vergütung Teil 3 Kap. 36 22 f. ––Vertretung Teil 3 Kap. 36 12 Aushilfskraft Teil 3 Kap. 5 1, 21 ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 5 24 f. ––Daueraushilfe Teil 3 Kap. 5 3 ––Land- und Forstwirtschaft Teil 3 Kap. 5 29, 44, 50 f. ––Lohnsteuer Teil 3 Kap. 5 29, 50 ––Springer Teil 3 Kap. 5 3 Ausland, vertragsloses Teil 3 Kap. 12 254, 308 ––Ausstrahlung Teil 3 Kap. 12 258 ff. ––Einstrahlung Teil 3 Kap. 12 294 ff. Auslandseinsatz Teil 3 Kap. 12 3 ff. ––betriebliche Altersversorgung Teil 3 Kap. 12 97 ff., 249 ff. ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 12 94 ––Dienst-/Geschäftsreise Teil 3 Kap. 12 7, 110 ––Einsatzplanung Teil 3 Kap. 12 23 ––interkultureller Vorbereitungskurs Teil 3 Kap. 12 21 ––Krankheit Teil 3 Kap. 12 62 f. ––Krisengebiet Teil 3 Kap. 12 52, 54 f. ––Naturkatastrophe Teil 3 Kap. 12 61 ––Tropentauglichkeitsuntersuchung Teil 3 Kap. 12 19 ––Übertritt Teil 3 Kap. 12 8 ––Versetzung Teil 3 Kap. 12 9 Auslandsprojekt, internationales Teil 3 Kap. 12 129 Auslandstätigkeitserlass Teil 3 Kap. 12 222 Auszubildender ––Probearbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 30 29 ––Probezeit Teil 3 Kap. 30 9, 19 Außendienstmitarbeiter Teil 3 Kap. 6 29 ––Abfindung Teil 3 Kap. 6 79 ff. ––Abgrenzung abhängige/selbstständige Beschäftigung Teil 3 Kap. 6 70 ff. ––Altersversorgung, betriebliche Teil 3 Kap. 6 29 ––Arbeitgeber Teil 3 Kap. 6 6 f. ––Arbeitnehmer Teil 3 Kap. 6 37 ––Arbeitsort Teil 3 Kap. 6 8, 34, 52 ff., 57 ––Arbeitszeit Teil 3 Kap. 6 9 f. ––Aufwandsentschädigung Teil 3 Kap. 6 84 ––Außendienstpauschale Teil 3 Kap. 6 66

Stichwortverzeichnis 

––Beitragspflicht Teil 3 Kap. 6 76 ff. ––betriebliche Altersversorgung Teil 3 Kap. 6 29 ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 6 38, 42 ––Betriebsverfassungsrecht Teil 3 Kap. 6 37 ff. ––Bewirtungskosten Teil 3 Kap. 6 65 ––Dienstwagen Teil 3 Kap. 6 10 ff., 16, 20, 59 ––Domizillösung Teil 3 Kap. 6 35 ––Elternzeit Teil 3 Kap. 6 31 ––Entleiher Teil 3 Kap. 3 41 ––Gerichtsstand Teil 3 Kap. 6 33, 36 ––Kontrolle Teil 3 Kap. 6 39 f., 44 ––Krankheit Teil 3 Kap. 6 31 ––Privatdetektiv Teil 3 Kap. 6 45 f. ––Privatnutzung Teil 3 Kap. 6 19 ––Provision Teil 3 Kap. 6 68, 77 ––Reisekosten Teil 3 Kap. 6 60 ––Reisenebenkosten Teil 3 Kap. 6 64 ––Rennerliste Teil 3 Kap. 6 47 ––Schutzvorschriften Teil 3 Kap. 6 30 ff. ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 6 70 ff. ––Spesen Teil 3 Kap. 6 27 ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 6 50 ff. ––Übernachtungskosten Teil 3 Kap. 6 63 ––Urlaub Teil 3 Kap. 6 28 ––Vergütung Teil 3 Kap. 6 22 ff., 67 ––Verpflegungsmehraufwendung Teil 3 Kap. 6 62, 66 ––Wertguthaben Teil 3 Kap. 23 97 f., 113 Außendienstpauschale Teil 3 Kap. 6 66 Außenprüfung ––Lohnsteuer Teil 2 92, Teil 3 Kap. 5 31 B Barlohn Teil 2 70, 74, 80, Teil 3 Kap. 11 105 Bauabzugssteuer Teil 3 Kap. 3 74 Beamter ––Nebentätigkeit Teil 3 Kap. 27 5 Beamter auf Widerruf Teil 3 Kap. 32 7 f., 39, 42 Befristung Teil 3 Kap. 7 3, Teil 3 Kap. 33 10 ––Altersgrenze Teil 3 Kap. 7 42 ––Altersregelung Teil 3 Kap. 7 59 ––Anschlussverbot Teil 3 Kap. 7 5 f. ––Arbeitnehmer, ältere Teil 3 Kap. 7 56 ff. ––Arbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 7 3 ––Aufenthaltserlaubnis Teil 3 Kap. 7 39 ––Dauer Teil 3 Kap. 7 4 f., 52, Teil 3 Kap. 36 19 ––Erprobung Teil 3 Kap. 7 36 ––Erstbeschäftigung Teil 3 Kap. 7 24

 869

––gerichtlicher Vergleich Teil 3 Kap. 7 45 ––Höchstaltersbefristungsregelung Teil 3 Kap. 33 21 ––Lohnsteuerabzug Teil 3 Kap. 7 60 ––ohne Sachgrund Teil 3 Kap. 33 25, 44, Teil 3 Kap. 36 16 ––Prognose Teil 3 Kap. 5 8 ––Sachgrund Teil 3 Kap. 7 16, 49, 53, Teil 3 Kap. 33 11, 13, 17, 22, Teil 3 Kap. 36 8 ––Saisonarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 7 22 ––Schriftform Teil 3 Kap. 7 51 ––Sozialversicherungspflicht Teil 3 Kap. 7 63 ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 7 61 ff. ––Sperrwirkung Teil 3 Kap. 7 7 ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 7 60 ––Student Teil 3 Kap. 7 41, Teil 3 Kap. 36 5 f. ––studentisches Aushilfsarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 36 17 ––Tarifvertrag Teil 3 Kap. 7 13, 36, 50 ––Verlängerung Teil 3 Kap. 7 9 f., 14, Teil 3 Kap. 28 12 ––Vertretung Teil 3 Kap. 7 29, 31 ––wiederholte Teil 3 Kap. 36 14 ––Wirksamkeit Teil 3 Kap. 7 19 Befristungsabrede Teil 3 Kap. 5 8, Teil 3 Kap. 7 51, 54 Befristungsgrund Teil 3 Kap. 5 7, Teil 3 Kap. 36 7 Beherrschungsvertrag Teil 3 Kap. 4 51, 55 Behinderungs- und Benachteiligungsverbot Teil 3 Kap. 4 6 f., 10, 44 Beitragsabzug ––Sozialversicherungsbeiträge Teil 2 135 Beitragsbemessungsgrenze ––Kurzarbeit Teil 3 Kap. 22 137 ––Sozialversicherungsbeiträge Teil 2 138 f. Beitragseinzug ––Sozialversicherungsbeiträge Teil 2 131 Beitragspflicht ––Arbeitgeber Teil 2 99, 134 ––Künstlersozialversicherung Teil 3 Kap. 21 3 ––Mitarbeiterbeteiligung Teil 3 Kap. 26 73, 77 ––Nebentätigkeit Teil 3 Kap. 27 75 ––Prozessbeschäftigung Teil 3 Kap. 31 41 Beitragssätze ––Sozialversicherungsbeiträge Teil 2 141 f. Beratervertrag Teil 3 Kap. 25 4 ––Aufsichtsratsmitglied Teil 3 Kap. 4 15 f., 19

870 

 Stichwortverzeichnis

Berufsmäßigkeit Teil 3 Kap. 5 67, 70 Beschäftigung, geringfügig entlohnte Teil 3 Kap. 5 77, 84 Beschäftigung, geringfügige Teil 3 Kap. 17 32 f., 39, Teil 3 Kap. 24 42 f., Teil 3 Kap. 33 47 ––Abgrenzungskriterien Teil 3 Kap. 24 45 ––Arbeitsentgelt Teil 3 Kap. 24 46 ––Arbeitsentgeltgrenze Teil 3 Kap. 24 48 f., 51 ––Job-Sharing Teil 3 Kap. 20 38 f. ––Krankenversicherung Teil 3 Kap. 17 33, Teil 3 Kap. 24 60 ff. ––Nebentätigkeit Teil 3 Kap. 27 11, 20 ––Rentenversicherung Teil 3 Kap. 24 63 ––Rentnerbeschäftigung Teil 3 Kap. 33 57 ––Teilzeit Teil 3 Kap. 37 45 f. ––Unfallversicherung Teil 3 Kap. 24 72 f. ––Versicherungspflicht Teil 3 Kap. 24 47, 49, 57 ––Zeitwertkonto Teil 3 Kap. 23 73 ––Zusammenrechnung Teil 3 Kap. 20 43, Teil 3 Kap. 24 52 ff., 56 Beschäftigung, illegale Teil 3 Kap. 12 158 Beschäftigung, kurzfristige Teil 3 Kap. 5 53, 60, 78, 84 ––Abgabepflicht Teil 3 Kap. 5 55 ––Berufsmäßigkeit Teil 3 Kap. 5 67, 70 ––Beschäftigungsdauer Teil 3 Kap. 5 63 ––Rahmenarbeitsvertrag Teil 3 Kap. 5 61 f., 82 ––Überschreiten der Zeitgrenzen Teil 3 Kap. 5 80, 83 ––Umlagepflicht Teil 3 Kap. 5 91 ff. ––Versicherungsfreiheit Teil 3 Kap. 5 85 ff. ––Versicherungspflicht Teil 3 Kap. 5 54, 90 ––Voraussetzungen Teil 3 Kap. 5 57 ––Zeitgeringfügigkeit Teil 3 Kap. 5 58 f. ––Zusammenrechnung Teil 3 Kap. 5 75 Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft Teil 3 Kap. 39 3 Beschäftigungsdauer Teil 3 Kap. 5 63 Beschäftigungsüberhang Teil 3 Kap. 2 30 Beschäftigungsverbot Teil 3 Kap. 2 67 Beschäftigungsverhältnis Teil 2 105, 108 ff. ––Abrufarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 2 2 ––Altersteilzeit Teil 3 Kap. 1 117 f. ––Ausstrahlung Teil 3 Kap. 12 259, 261, 291 ––Einstrahlung Teil 3 Kap. 12 296, 298 ––inländisches Teil 3 Kap. 12 262 f., 266, 273 ––Rentnerbeschäftigung Teil 3 Kap. 33 6 ––Sachgrund Teil 3 Kap. 7 26 ––Territorialitätsprinzip Teil 2 106

––Übergangsregelung Teil 3 Kap. 12 360 Beschäftigungsverhältnis, hauswirtschaftliches Teil 3 Kap. 17 1 ––Arbeitnehmer, ausländischer Teil 3 Kap. 17 19, 41 ff. ––Arbeitnehmerhaftung Teil 3 Kap. 17 18 ––Arbeitsschutz Teil 3 Kap. 17 16 ––Arbeitszeit Teil 3 Kap. 17 9 f. ––Betriebsverfassungsrecht Teil 3 Kap. 17 15 ––Definition Teil 3 Kap. 17 2 ––Einkommensteuer Teil 3 Kap. 17 25 ––Einsatz von Kindern und Jugendlichen Teil 3 Kap. 17 20 ––familiäre Mitarbeit Teil 3 Kap. 17 20 ––Haushaltsscheckverfahren Teil 3 Kap. 17 21 ff., 34 ––Krankenversicherung Teil 3 Kap. 17 40 ––Krankheit Teil 3 Kap. 17 12 ––Kündigung Teil 3 Kap. 17 13, 17 ––Kündigungsschutz Teil 3 Kap. 17 17 ––Pauschalsteuer Teil 3 Kap. 17 23 ––Privathaushalt Teil 3 Kap. 17 31 ff. ––Rentenversicherung Teil 3 Kap. 17 7, 40 ––Schwarzarbeit Teil 3 Kap. 17 4 ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 17 27 ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 17 21 ff. ––Tarifbegünstigung Teil 3 Kap. 17 25 ff. ––Tarifvertrag Teil 3 Kap. 17 14 ––Umlagepflicht Teil 3 Kap. 17 28 ––Unfallversicherung Teil 3 Kap. 17 5, 40 ––Urlaub Teil 3 Kap. 17 11 ––Vergütung Teil 3 Kap. 17 8 Besteuerung ––Betriebsrente Teil 3 Kap. 33 50 ––Dienstwagen Teil 3 Kap. 6 59, 61 ––Sabbatical Teil 3 Kap. 34 21 ––Wertguthaben Teil 3 Kap. 23 75 Betriebsmittel ––Home-Office Teil 3 Kap. 18 25, 44 ––Telearbeitsplatz Teil 3 Kap. 38 36 f. Betriebspraktikum Teil 3 Kap. 29 9, 46 Betriebsprüfung Teil 2 162 ff. ––Rentenversicherungsträger Teil 2 163 ff. Betriebsrat Teil 3 Kap. 2 70 ––Abrufarbeit Teil 3 Kap. 2 71 ––aktives Wahlrecht Teil 3 Kap. 5 26, Teil 3 Kap. 12 187, Teil 3 Kap. 24 21, Teil 3 Kap. 33 38 ––Altersteilzeit Teil 3 Kap. 1 46 ff., 50

Stichwortverzeichnis 

––Arbeitnehmer, ausländischer Teil 3 Kap. 12 186 ––Arbeitnehmervertreter Teil 3 Kap. 4 25, 38 ––Aushilfsarbeitsverhältnis, studentisches Teil 3 Kap. 36 28 ––Aushilfskraft Teil 3 Kap. 5 24 f. ––Auslandseinsatz Teil 3 Kap. 12 93 f. ––Außendienstmitarbeiter Teil 3 Kap. 6 38, 42 ––Beteiligungsgesellschaft Teil 3 Kap. 26 14 ––Ehrenamt Teil 3 Kap. 9 24, 53 ––Ein-Euro-Job Teil 3 Kap. 10 25 ––Einigungsstelle Teil 3 Kap. 22 94 ––Elternzeit Teil 3 Kap. 11 98 ff. ––Freelancer Teil 3 Kap. 14 28 ––Freistellung Teil 3 Kap. 15 35 ––Home-Office Teil 3 Kap. 18 24, 38, 40 ––inländisches Teil 3 Kap. 12 264 ––Job-Sharing Teil 3 Kap. 20 17, 19 ––Kurzarbeit Teil 3 Kap. 22 48, 85 ff., 116, 121, 126 ––Lebensarbeitszeitkonto Teil 3 Kap. 23 10 ––Leiharbeitnehmer Teil 3 Kap. 3 20, 51 ––Mindestarbeitnehmerzahl Teil 3 Kap. 5 24 ––Minijob Teil 3 Kap. 24 19 ––Mitarbeiterbeteiligung Teil 3 Kap. 26 12 ff., 24 ––Mitbestimmungsrecht Teil 3 Kap. 6 43, 49 ––passives Wahlrecht Teil 3 Kap. 5 27, Teil 3 Kap. 12 187, Teil 3 Kap. 24 21 f., Teil 3 Kap. 33 38 ––Probezeit Teil 3 Kap. 30 27, 33 f. ––Prozessbeschäftigung Teil 3 Kap. 31 4 ––Rentnerbeschäftigung Teil 3 Kap. 33 37 ––Sabbatical Teil 3 Kap. 34 18 ––Stammbelegschaft Teil 3 Kap. 5 25 ––Telearbeit Teil 3 Kap. 38 11, 17, 32, 45, 49 ––Territorialitätsprinzip Teil 3 Kap. 12 90 ––Transfergesellschaft Teil 3 Kap. 39 26 ––Überwachungsrecht Teil 3 Kap. 14 28 ––Unterrichtungsrecht Teil 3 Kap. 18 40, Teil 3 Kap. 38 48 Betriebsrente ––Beschäftigung als Aushilfe Teil 3 Kap. 5 41 ––Besteuerung Teil 3 Kap. 33 50 ––Elternzeit Teil 3 Kap. 11 72 ––Rentner Teil 3 Kap. 33 50 Betriebsrisiko Teil 3 Kap. 15 17 Betriebsrisikolehre Teil 3 Kap. 12 59 Betriebsstätte Teil 2 45

 871

Betriebsübergang ––Gleichbehandlungsgrundsatz Teil 3 Kap. 26 11 ––Mitarbeiterbeteiligung Teil 3 Kap. 26 27 f. ––Transfergesellschaft Teil 3 Kap. 39 13 Betriebsübernahme Teil 3 Kap. 35 43 Betriebsvereinbarung ––Altersteilzeit Teil 3 Kap. 1 6, 14, 30 ––Elternzeit Teil 3 Kap. 11 5 ––Home-Office Teil 3 Kap. 18 34, 36 ––Kurzarbeit Teil 3 Kap. 22 67, 70 ff., 93, 108 f. ––Probezeit Teil 3 Kap. 30 18 ––Sabbatical Teil 3 Kap. 34 17 ––Telearbeit Teil 3 Kap. 38 45 f., 51 Bewirtungskosten Teil 3 Kap. 6 65 Bilaterales Abkommen über soziale Sicherheit Teil 3 Kap. 12 254, 308, 361 ––Ausnahmevereinbarung Teil 3 Kap. 12 369 ff. ––Entsendung Teil 3 Kap. 12 365 ff. Bildschirmarbeit Teil 3 Kap. 38 27 f. Blaue Karte EU Teil 3 Kap. 12 109 Blockmodell ––Altersteilzeit Teil 3 Kap. 1 12, 22, 25, 27, 32, 38 f., 42, 45, 50, 81, 83, 87 f., 90, 108, 112 ––Arbeitnehmervertreter Teil 3 Kap. 4 46, 48 f. ––Lebensarbeitszeitkonto Teil 3 Kap. 23 36 Blue Card Teil 3 Kap. 12 109 Bruttoentgelt Teil 2 122 Bundesfreiwilligendienst Teil 3 Kap. 9 2, 47 Bürgschaftsmodell Teil 3 Kap. 23 61 Bußgeld ––Künstlersozialabgabe Teil 3 Kap. 21 92 C Compliance-Regelung Teil 3 Kap. 4 32 Contractual Trust Arrangement-Modell Teil 3 Kap. 1 43, Teil 3 Kap. 23 52, 55, 87, 111 D D&O Versicherung Teil 3 Kap. 4 45 Datenschutz ––Home-Office Teil 3 Kap. 18 27 f. ––Telearbeit Teil 3 Kap. 38 30 Datenschutzbeauftragter Teil 3 Kap. 8 1, Teil 1 17 ––Aufgaben Teil 3 Kap. 8 4 ––Bestellung Teil 3 Kap. 8 2, 8 ––Kündigung Teil 3 Kap. 8 17 ––Kündigungsschutz Teil 3 Kap. 8 16 ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 8 21 ff.

872 

 Stichwortverzeichnis

––Stellung Teil 3 Kap. 8 6 ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 8 19 ff. ––Voraussetzungen, personelle Teil 3 Kap. 8 8 ––Wahlmöglichkeit Teil 3 Kap. 8 7 ––Widerruf der Bestellung Teil 3 Kap. 8 13, 15, 18 Datenschutzbeauftragter, externer Teil 3 Kap. 8 7, 18 Datenschutzbeauftragter, interner Teil 3 Kap. 8 7 ––Interessenkonflikte Teil 3 Kap. 8 10 ff. ––Kündigungsschutz Teil 3 Kap. 8 16 ff. ––Widerruf Teil 3 Kap. 8 13 ff. Daueraufenthalt EG Teil 3 Kap. 12 107 Daueraushilfe Teil 3 Kap. 5 3 Deputatlohn Teil 3 Kap. 26 34 ––Truckverbot Teil 3 Kap. 26 35 Dienst, öffentlicher ––Nebentätigkeit Teil 3 Kap. 27 5 ––Referendar Teil 3 Kap. 32 44 Dienst-/Geschäftsreise Teil 3 Kap. 12 7, 110 Dienstleistungsvertrag Teil 3 Kap. 3 26, Teil 3 Kap. 19 15 Dienstverhältnis ––Mitarbeit, familiäre Teil 3 Kap. 13 2, 21, 25 Dienstwagen Teil 3 Kap. 38 66 ––Außendienstmitarbeiter Teil 3 Kap. 6 11 ff., 14, 16 ––Besteuerungsgrundsätze Teil 3 Kap. 6 59, 61 ––Freistellung Teil 3 Kap. 15 39 ––Gesellschafter-Geschäftsführer Teil 3 Kap. 25 34 f. ––Haftung Teil 3 Kap. 6 17 ff. ––Herausgabeanspruch Teil 3 Kap. 6 20 ––Home-Office Teil 3 Kap. 18 46 ––Nutzung durch Dritte Teil 3 Kap. 6 16 ––Nutzungsvereinbarung Teil 3 Kap. 6 12 ––Privatnutzung Teil 3 Kap. 6 14 ff. ––Prozessbeschäftigung Teil 3 Kap. 31 31 Direktionsrecht ––Arbeitgeber Teil 2 22 f., Teil 3 Kap. 2 9, 67, Teil 3 Kap. 4 11, Teil 3 Kap. 12 48 ––Außendienstmitarbeiter Teil 3 Kap. 6 38, 40 ––Entsendung Teil 3 Kap. 12 49 ––Flexwork Teil 3 Kap. 18 5 ––Freelancer Teil 3 Kap. 14 14 ––Home-Office Teil 3 Kap. 18 5 ––Job-Sharing Teil 3 Kap. 20 9 ––Kurzarbeit Teil 3 Kap. 22 56

––Telearbeit Teil 3 Kap. 38 13, 17 Diskriminierungsverbot Teil 3 Kap. 12 161 Dokumentationspflicht ––Arbeitsverhältnis Teil 2 12, 15 Domizillösung Teil 3 Kap. 6 35 Doppelbefristung Teil 3 Kap. 7 29 Doppelbesteuerung ––Freistellung Teil 3 Kap. 15 40 Doppelbesteuerungsabkommen Teil 3 Kap. 12 201, 207, 218, Teil 3 Kap. 15 40, 45, Teil 3 Kap. 36 39 f., Teil 3 Kap. 4 68 ––Frankreich Teil 3 Kap. 16 17 ––Grenzgänger Teil 3 Kap. 16 14, 16 ––Österreich Teil 3 Kap. 16 22 ––Schweiz Teil 3 Kap. 16 24, 39 Doppeltreuhand Teil 3 Kap. 23 56, 87 Doppelversicherung Teil 3 Kap. 12 293 Drehtür-Effekt Teil 3 Kap. 3 17 E Ehegatten ––Lohnsteuerabzug Teil 3 Kap. 20 41 f. ––Mitarbeit, familiäre Teil 3 Kap. 13 4 f., 9 Ehegattenarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 13 17, 31 Ehegatteninnengesellschaft Teil 3 Kap. 13 23 f. Ehegatten-Unterarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 13 37 Ehrenamt Teil 3 Kap. 9 1, Teil 3 Kap. 27 59 ––Abgrenzung von Einkunftsarten Teil 3 Kap. 9 60 ff. ––Arbeitnehmer Teil 3 Kap. 9 13 ff. ––Arbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 9 40, 42 ––Aufwandsentschädigung Teil 3 Kap. 9 57 f. ––Begriff Teil 3 Kap. 9 4 ––Beschäftigung Ehrenamtlicher Teil 3 Kap. 9 37 ff. ––betriebliches Teil 3 Kap. 9 10, 13, 23 ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 9 24, 53 ––Freibeträge Teil 3 Kap. 9 69 ––Freistellung Teil 3 Kap. 9 16 f., 68 ––Kündigung Teil 3 Kap. 9 27, 32 ––Nebentätigkeit Teil 3 Kap. 9 62 f. ––öffentliches Teil 3 Kap. 9 8, 13, 20 ––privates Teil 3 Kap. 9 7, 16, 29, 31 ––Sozialversicherungspflicht Teil 3 Kap. 9 71 ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 9 71 ff. ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 9 57 ff. ––Tarifvertrag Teil 3 Kap. 9 18 ––Tätigkeit, nichtselbstständige Teil 3 Kap. 27 60

Stichwortverzeichnis 

––Tätigkeitsvergütung Teil 3 Kap. 9 66 ff. ––Verbot Teil 3 Kap. 9 33 ––Verpflichtung Teil 3 Kap. 9 54 ––Zeugnis Teil 3 Kap. 9 50 f. Eigenwerber Teil 3 Kap. 21 55, 58 Ein-Euro-Job Teil 3 Kap. 10 1, Teil 3 Kap. 28 20 ––Aufwandsentschädigung Teil 3 Kap. 10 45 ––Beendigung Teil 3 Kap. 10 35 ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 10 25 ––Dauer Teil 3 Kap. 10 19, 22 ––Haftung Teil 3 Kap. 10 30 ––Mehraufwandentschädigung Teil 3 Kap. 10 41 ff., 46 ff. ––öffentliches Interesse Teil 3 Kap. 10 12 ––Pflichtverletzung Teil 3 Kap. 10 34 ––Rechtsschutz Teil 3 Kap. 10 37 f. ––Rechtsverhältnis Teil 3 Kap. 10 10 ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 10 43 ff. ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 10 40 ff. ––Umfang Teil 3 Kap. 10 19 f. ––Unfallversicherung Teil 3 Kap. 10 28 ––Urlaub Teil 3 Kap. 10 29 ––Zumutbarkeit Teil 3 Kap. 10 16 ––Zusätzlichkeit Teil 3 Kap. 10 13, 15 ––Zuweisung Teil 3 Kap. 10 17 f. Ein-Euro-Job, Rechtsverhältnis ––Arbeitnehmerstatus Teil 3 Kap. 10 23 ff. ––Beendigung Teil 3 Kap. 10 35 ––Begründung Teil 3 Kap. 10 5 ff. ––Betriebsverfassungsrecht Teil 3 Kap. 10 25 ff. ––Inhalt Teil 3 Kap. 10 11 ff. ––Prozessuales Teil 3 Kap. 10 36 ff. ––Sanktionen Teil 3 Kap. 10 34 Einfirmenhandelsvertreter Teil 3 Kap. 35 49 Einfühlungsverhältnis Teil 3 Kap. 30 6, 38, 40, 42, 53 ––Lohnsteuer Teil 3 Kap. 30 51 ––Vereinbarung Teil 3 Kap. 30 43, 45 Eingliederungsvereinbarung Teil 3 Kap. 10 5 f., 38 Eingriffsrecht ––Arbeitnehmer Teil 3 Kap. 18 6 ––Home-Office Teil 3 Kap. 18 6 Einigungsstelle Teil 3 Kap. 22 94 Ein-Mann-GmbH Teil 3 Kap. 25 19, Teil 3 Kap. 35 68 Einkommensteuererklärung ––Aufsichtsrat Teil 3 Kap. 4 78 ––Aufsichtsratsmitglied Teil 3 Kap. 4 62

 873

Einkommenssteuerpflicht ––Grenzgänger Teil 3 Kap. 16 40 Einsatzzeit Teil 3 Kap. 19 20 Einvertragsmodell Teil 3 Kap. 12 35 ELENA-Verfahren Teil 2 161 Elterngeld Teil 3 Kap. 11 2 Elternzeit Teil 3 Kap. 11 1 ––Adoptivkinder Teil 3 Kap. 11 23 ––Altersvorsorge Teil 3 Kap. 11 109 ––Anspruch Teil 3 Kap. 11 5, 8 ff. ––Anspruchsberechtigte Teil 3 Kap. 11 8 ff. ––Anspruchszeitraum Teil 3 Kap. 11 18 ––Arbeitgeberpflichten Teil 3 Kap. 11 102 ff. ––Arbeitslosengeld Teil 3 Kap. 11 122 ––Arbeitslosenversicherung Teil 3 Kap. 11 120 f., 134 ff. ––Arbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 11 4 ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 11 98 ff. ––Betriebsrente Teil 3 Kap. 11 72 ––Betriebsvereinbarung Teil 3 Kap. 11 5 ––Betriebsverfassungsrecht Teil 3 Kap. 11 98 ff. ––Erklärungsfrist Teil 3 Kap. 11 31, 33 f. ––Gehaltszuschläge Teil 3 Kap. 11 111 ––Haushaltsführung, doppelte Teil 3 Kap. 11 113 ––Inanspruchnahme Teil 3 Kap. 11 24 f., 28 ff., 44 ––Krankenversicherung Teil 3 Kap. 11 116 ––Krankheit Teil 3 Kap. 11 71 ––Kündigung Teil 3 Kap. 11 82 ––Lohnsteuer Teil 3 Kap. 11 104, 106 ––Optimierung Nettoentgelt Teil 3 Kap. 11 107 ff. ––Pflegekinder Teil 3 Kap. 11 23 ––Pflegeversicherung Teil 3 Kap. 11 116 ff., 131 ff. ––Progressionsvorbehalt Teil 3 Kap. 11 112 ––Rentenversicherung Teil 3 Kap. 11 123 ––Selbstständigkeit Teil 3 Kap. 11 58 ––Sonderkündigungsrecht Teil 3 Kap. 11 95 ff. ––Sonderkündigungsschutz Teil 3 Kap. 11 75 ff., 83, 85 ––Sonderzahlung Teil 3 Kap. 11 74 ––Sonderzuwendung Teil 3 Kap. 11 73 ––Steuerklassenwechsel Teil 3 Kap. 11 108 ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 11 101 ff. ––Tarifvertrag Teil 3 Kap. 11 5 ––Teilzeit Teil 3 Kap. 11 42 ff., 48, 53 f., 63, 114, 131, Teil 3 Kap. 37 27 ––Übertragung Teil 3 Kap. 11 20 f. ––Unfallversicherung Teil 3 Kap. 11 130

874 

 Stichwortverzeichnis

––Unterbrechung Teil 3 Kap. 11 78 ––Urlaub Teil 3 Kap. 11 62, 65 ff. ––Verkürzung Teil 3 Kap. 11 39 ––Verlängerung Teil 3 Kap. 11 26, 41 ––Versicherungspflicht Teil 3 Kap. 11 132, 134 ––Vertretung Teil 3 Kap. 11 88 f. ––Zeitabschnitte Teil 3 Kap. 11 17, 27 ––Zustimmung Teil 3 Kap. 11 17, 20, 26 f., 35 f., 59 Elternzeit, Teilzeitbeschäftigungsanspruch ––Arbeitgeber, anderer Teil 3 Kap. 11 58 ff. ––Vereinbarungslösung Teil 3 Kap. 11 46 ff. ––Verfahren, einseitiges Teil 3 Kap. 11 48 ff. Elternzeitanspruch ––Dauer/Verteilung Teil 3 Kap. 11 15 ff. ––Erklärung Teil 3 Kap. 11 24 ff. ––Verkürzung/Verlängerung Teil 3 Kap. 11 35 ff. Employee Share Purchase Plan Teil 3 Kap. 26 44 Entleiher ––Arbeitnehmerhaftung Teil 3 Kap. 3 43 ––Arbeitslohn von dritter Seite Teil 3 Kap. 3 77 ––Bauabzugssteuer Teil 3 Kap. 3 74 ––Grundsatz des equal pay/equal treatment Teil 3 Kap. 3 53 ––Haftung Teil 3 Kap. 3 71, 75 f. ––Informationspflicht Teil 3 Kap. 3 20 ––Lohnsteuer Teil 3 Kap. 3 65, 70, 77 ––Lohnsteuerpflicht Teil 3 Kap. 3 81 ––Ordnungswidrigkeiten Teil 3 Kap. 3 59 ff. ––Pflichten Teil 3 Kap. 3 36 f. ––Subsidiärhaftung Teil 3 Kap. 3 84, 87 ––Zugang zu betrieblicher Altersversorgung Teil 3 Kap. 3 41 ––Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen Teil 3 Kap. 3 21, 38 Entleiherbetrieb Teil 3 Kap. 3 44 ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 3 44, 47 f. Entsandte Teil 3 Kap. 16 5 Entsendung Teil 3 Kap. 12 1, 303, Teil 2 47 ––Abfindung Teil 3 Kap. 12 247 ––Aktienoption Teil 3 Kap. 12 238 ff. ––Altersteilzeit Teil 3 Kap. 1 111 ––Altersversorgung, betriebliche Teil 3 Kap. 12 249 ff. ––Arbeitgeberwechsel Teil 3 Kap. 12 286, 288 ––Arbeitsschutz Teil 3 Kap. 12 189 ff. ––Aufhebungsvertrag Teil 3 Kap. 12 73 ff. ––Ausland, Versetzung ins Teil 3 Kap. 12 32

––Ausland, vertragsloses Teil 3 Kap. 12 255 ff. ––Auslandsprojekt Teil 3 Kap. 12 129 ff. ––Ausnahmevereinbarung Teil 3 Kap. 12 331 ff., 336 ff. ––Ausstrahlung Teil 3 Kap. 22 35 ––Beendigung Teil 3 Kap. 12 68, 82 ––Befristung Teil 3 Kap. 12 79 ff., 274, 318 ––Begriff Teil 3 Kap. 12 10 ––Beschäftigung Teil 3 Kap. 12 277, 279, 282 ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 12 185 ff. ––Bilaterales Abkommen über soziale Sicherheit Teil 3 Kap. 12 365 ff. ––Boni Teil 3 Kap. 12 244 ––Dauer Teil 3 Kap. 12 323, 325 ––Direktionsrecht Teil 3 Kap. 12 49 ––Einstrahlung Teil 3 Kap. 22 37 ––Einvertragsmodell Teil 3 Kap. 12 35 ––Entsendevereinbarung Teil 3 Kap. 12 28, 31 ––Gerichtsstand Teil 3 Kap. 12 45 ff. ––Grund Teil 3 Kap. 12 12, 14 f. ––konzerninterne Teil 3 Kap. 12 265, 267 ––Kündigung Teil 3 Kap. 12 71 f., 93 ––Lohnsteuerabzug, Freistellung Teil 3 Kap. 12 201 ff. ––Lohnsteuerrecht Teil 3 Kap. 12 191 ff. ––Rechtswahl Teil 3 Kap. 12 38 f., 42, 44 ––Rückruf Teil 3 Kap. 12 58, 65 f., 84 ––Rückrufklausel Teil 3 Kap. 12 50, 83, 85 ff. ––Ruhendvereinbarung Teil 3 Kap. 12 33 f. ––Rumpfarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 12 270 ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 12 253 ff. ––Unterbrechung Teil 3 Kap. 12 289 ––Verlängerung Teil 3 Kap. 12 280, 319, 321, 330 ––Visum Teil 3 Kap. 12 25 ff. ––Voraussetzung Teil 3 Kap. 12 315 ff., 326 ––Vorbereitung Teil 3 Kap. 12 12 ff. ––vorübergehende Teil 3 Kap. 12 41, 69 ––Wohnsitzstaat Teil 3 Kap. 12 347 f., 352 ff. Entsendung ins Ausland ––Altersversorgung, betriebliche Teil 3 Kap. 12 96 ff. ––Beendigung Teil 3 Kap. 12 68 ff. ––Betriebsverfassungsrecht Teil 3 Kap. 12 90 ff. ––Direktionsrecht Teil 3 Kap. 12 48 ff. ––Fürsorgepflicht Teil 3 Kap. 12 48 ff. ––Gerichtsstand Teil 3 Kap. 12 45 ff. ––Grundlagen, vertragliche Teil 3 Kap. 12 26 ff. ––Rechtswahl Teil 3 Kap. 12 37 ff.

Stichwortverzeichnis 

––Störung Teil 3 Kap. 12 52 ff. Entsendungsvereinbarung Teil 3 Kap. 12 9 f. equal pay/equal treatment-Grundsatz ––Arbeitnehmerüberlassung Teil 3 Kap. 3 16 ––Entleiher Teil 3 Kap. 3 53 ––Verleiher Teil 3 Kap. 3 19 Erstbeschäftigung Teil 3 Kap. 7 24 Erwerbsminderung ––Altersteilzeit Teil 3 Kap. 1 115 f. Erwerbsminderungsrente Teil 3 Kap. 33 68 f., 71 EU-Grenzgänger Teil 3 Kap. 16 8 Europäischer Betriebsrat Teil 3 Kap. 12 188 e-Work Teil 3 Kap. 38 1 F Fachkräfte, ausländische Teil 3 Kap. 12 132, 134, 136 Fahrtkosten ––Home-Office Teil 3 Kap. 18 45 ff. ––Telearbeit Teil 3 Kap. 38 35 Faktorverfahren Teil 3 Kap. 20 42, Teil 3 Kap. 22 142 Familiengesellschaft Teil 3 Kap. 13 23 Familien-GmbH Teil 3 Kap. 25 54 Familienleistungen Teil 3 Kap. 16 50 Feiertagsvergütung Teil 3 Kap. 2 53 Fiktionsbescheinigung Teil 3 Kap. 12 123 Finanzamt Teil 2 82, 84, 89 ––Auskunftsrecht Teil 2 86 Finanzierung ––Künstlersozialversicherung Teil 3 Kap. 21 7 ––Sozialversicherung Teil 2 99 ––Transfergesellschaft Teil 3 Kap. 39 18 Flexwork Teil 3 Kap. 18 2 Franchisenehmer Teil 3 Kap. 35 52 f. Frankreich ––Doppelbesteuerungsabkommen Teil 3 Kap. 16 17 Freelancer Teil 3 Kap. 14 1 f., 49, Teil 3 Kap. 19 20 ––Abgrenzung Teil 3 Kap. 14 10 ff. ––Abgrenzung selbstständige/nichtselbstständige Tätigkeit Teil 3 Kap. 14 36 ff. ––Abgrenzung zur abhängigen Beschäftigung Teil 3 Kap. 14 51 ff. ––Arbeitsort Teil 3 Kap. 14 14 ––Begriff Teil 3 Kap. 14 5 ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 14 28 ––Betriebsverfassungsrecht Teil 3 Kap. 14 26 ff.

 875

––Direktionsrecht Teil 3 Kap. 14 14 ––Krankheit Teil 3 Kap. 14 18 ––Lohnsteuer Teil 3 Kap. 14 46 f. ––Mitbestimmungsrecht Teil 3 Kap. 14 28 ––Nebentätigkeit Teil 3 Kap. 14 19 ––nichtselbstständige Tätigkeit Teil 3 Kap. 14 34 ––Prozessuales Teil 3 Kap. 14 29 ff. ––Scheinselbstständigkeit Teil 3 Kap. 14 21 ff. ––selbstständige Tätigkeit Teil 3 Kap. 14 33 ––Selbstständigkeit Teil 3 Kap. 14 3 ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 14 49 ff. ––Statusfeststellungsverfahren Teil 3 Kap. 14 63, 66 ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 14 33 ff. ––Unternehmerchance Teil 3 Kap. 14 58 f. ––Unternehmerrisiko Teil 3 Kap. 14 60 ––Urlaub Teil 3 Kap. 14 17, 56 ––Vergütung Teil 3 Kap. 14 24 f. ––Weisungsrecht Teil 3 Kap. 14 53 ––zeitlicher Umfang Teil 3 Kap. 14 13 Freiberufler Teil 3 Kap. 14 9, Teil 3 Kap. 35 28 ––Mitarbeiter Teil 3 Kap. 35 30 Freibeträge ––Ehrenamt Teil 3 Kap. 9 70 ––Lohnsteuer Teil 2 64 Freistellung Teil 3 Kap. 15 3, 5 ––Abfindung Teil 3 Kap. 15 41 ff. ––Anspruch Teil 3 Kap. 15 6 f. ––Beendigung Teil 3 Kap. 15 39 ff. ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 15 35 ––Betriebsverfassungsrecht Teil 3 Kap. 15 35 ff. ––Dienstwagen Teil 3 Kap. 15 39 ––Doppelbesteuerung Teil 3 Kap. 15 40 ––einseitige Teil 3 Kap. 15 16 ––einvernehmliche Teil 3 Kap. 15 10, 13 ––entgeltliche Teil 3 Kap. 15 7 ––in besonderen Fällen Teil 3 Kap. 15 48 ff. ––Krankheit Teil 3 Kap. 15 26 ––Kündigung Teil 3 Kap. 15 28 f., 33 ––Lohnfortzahlung Teil 3 Kap. 15 27 ––Lohnsteuer Teil 3 Kap. 15 37 ––Möglichkeiten Teil 3 Kap. 15 3 ff. ––nach Beendigung Arbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 15 52 ff. ––Rückruf Teil 3 Kap. 15 12 ––Sozialversicherungspflicht Teil 3 Kap. 15 48 ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 15 46 ff. ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 15 36 ff.

876 

 Stichwortverzeichnis

––unentgeltliche Teil 3 Kap. 15 7, 36 ––unwiderrufliche Teil 3 Kap. 15 22, 52, 54 ––Urlaub Teil 3 Kap. 15 24 f., 32 ––Vergütung Teil 3 Kap. 15 13 f. ––widerrufliche Teil 3 Kap. 15 21, 23 Freistellungsanordnung ––arbeitgeberseitige Teil 3 Kap. 15 16 ––einseitige Teil 3 Kap. 15 19 f. Freistellungsklausel Teil 3 Kap. 15 30 f. Freistellungsphase ––Lebensarbeitszeitkonto Teil 3 Kap. 23 21, 23 f. Fremdgeschäftsführer Teil 3 Kap. 25 13 Fünftelregelung Teil 3 Kap. 23 91, Teil 3 Kap. 26 63 f., Teil 3 Kap. 31 35 ––Arbeitszeitguthaben Teil 3 Kap. 1 86 Fürsorgepflicht Teil 3 Kap. 12 23, 51, 53, Teil 3 Kap. 18 32 G Gefälligkeitsverhältnis Teil 3 Kap. 13 2, 25 Gehaltsabrechnung Teil 2 134 ff. Generalklausel ––Künstlersozialkasse Teil 3 Kap. 21 60, 62 Gerichtsstand ––Außendienstmitarbeiter Teil 3 Kap. 6 33, 36 ––Entsendung Teil 3 Kap. 12 45 ff. Geringfügigkeitsgrenze Teil 3 Kap. 23 9, Teil 3 Kap. 24 36, 40 Gesamtsozialversicherungsbeitrag Teil 2 137 ––Fälligkeit Teil 2 144 Geschäftsbesorgungsvertrag Teil 3 Kap. 3 26 Geschäftsführer Teil 3 Kap. 25 12 Gesellschafter, beherrschender Teil 3 Kap. 25 31 Gesellschafter-Geschäftsführer Teil 3 Kap. 25 13, Teil 3 Kap. 35 68 ––Anstellungsvertrag Teil 3 Kap. 25 15, 18 ––Arbeitnehmereigenschaft Teil 3 Kap. 25 29 f. ––Beschäftigungsverhältnis Teil 3 Kap. 25 45 ––Dienstwagen Teil 3 Kap. 25 34 f. ––Gewinnausschüttung, verdeckte Teil 3 Kap. 25 34 f. ––Organstellung Teil 3 Kap. 25 14 ––Pflichten Teil 3 Kap. 25 16 ––Weisungen Teil 3 Kap. 25 18 Gesellschafter, mitarbeitender Teil 3 Kap. 25 1 ––Arbeitnehmereigenschaft Teil 3 Kap. 25 6, 21, 23

––Bemessungsgrundlage Lohnsteuerpauschale Teil 3 Kap. 25 34 ff. ––Gesellschaftsvertrag Teil 3 Kap. 25 5 ––Gleichbehandlung Teil 3 Kap. 25 10 ––Grundsätze, arbeitsrechtliche Teil 3 Kap. 25 6 ––Kapitalgesellschaft Teil 3 Kap. 25 8 ––Mitunternehmer Teil 3 Kap. 25 24 f. ––ohne Geschäftsführereigenschaft Teil 3 Kap. 25 61 ––Personengesellschaft Teil 3 Kap. 25 7 ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 25 42 ff. ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 25 23 ff. ––Treuepflicht Teil 3 Kap. 25 9 ––Überschreiten 400 €-Grenze Teil 3 Kap. 25 47 ff. ––Zusammenrechnung geringfügige Beschäftigungen Teil 3 Kap. 25 52 ff. Gesellschaftsvertrag Teil 3 Kap. 25 5 Gewerbetreibender Teil 3 Kap. 35 31 f., 34 ––selbstständiger Teil 3 Kap. 35 47 Gewerkschaft ––Arbeitnehmervertreter Teil 3 Kap. 4 38 ––Unterbietungswettbewerb Teil 3 Kap. 28 10 Gewerkschaftsvertreter ––Aufsichtsrat Teil 3 Kap. 4 57 f. Gleichbehandlungsgrundsatz ––Arbeitnehmer, ausländischer Teil 3 Kap. 12 160 ––Betriebsübergang Teil 3 Kap. 26 11 ––Mitarbeiterbeteiligung Teil 3 Kap. 26 11 ––Gleitzeitkonto ––Lebensarbeitszeitkonto Teil 3 Kap. 23 37 Grenzarbeitnehmer Teil 3 Kap. 16 4 Grenzgänger Teil 3 Kap. 16 1, Teil 1 7 ––Arbeitsgenehmigung Teil 3 Kap. 16 9 ––Arbeitslosengeld Teil 3 Kap. 16 49 ––Definition Teil 3 Kap. 16 2 ff., 45 ––Doppelbesteuerungsabkommen Teil 3 Kap. 16 14, 16 ––Drittstaat Teil 3 Kap. 16 10 ff. ––Einkommensteuerpflicht Teil 3 Kap. 16 38 ff. ––EU-Grenzgänger Teil 3 Kap. 16 7 ff. ––EWR/Schweiz Teil 3 Kap. 16 9 ––Familienleistungen Teil 3 Kap. 16 50 ––Lohnsteuer Teil 3 Kap. 16 29 ––Lohnsteuerabzug Teil 3 Kap. 16 29 ff. ––Sozialleistungen Teil 3 Kap. 16 44 ––Sozialleistungen innerhalb EU Teil 3 Kap. 16 47 ff.

Stichwortverzeichnis 

––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 16 42 ff. ––Steuererklärung Teil 3 Kap. 16 38 ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 16 14 ff. ––Versicherung Teil 3 Kap. 16 47 ––Wohnsitzstaat Teil 3 Kap. 16 18 f., 22, 25 Grenzgängerkarte Teil 3 Kap. 16 9 ff. Grenzpendler Teil 3 Kap. 16 28 ––Lohnsteuer Teil 3 Kap. 16 33, 37 ––Einkommenssteuerpflicht Teil 3 Kap. 16 40 ––Wohnsitzstaat Teil 3 Kap. 16 28 H Haftung ––Dienstwagen Teil 3 Kap. 6 17 ff. ––Ein-Euro-Job Teil 3 Kap. 10 30 ––Entleiher Teil 3 Kap. 3 71, 75 f. ––Lohnsteuer Teil 2 85, 89 Haftungsmodell Teil 3 Kap. 10 31 Handelsvertreter Teil 3 Kap. 6 70, Teil 3 Kap. 35 48 ff. ––Verbot von Nebentätigkeiten Teil 3 Kap. 35 51 ––Verkäufer im Außendienst Teil 3 Kap. 6 2, 4 f. Handlungsgehilfe Teil 3 Kap. 35 53 Handlungsvollmacht ––Interimsmanager Teil 3 Kap. 19 6, 22 Haushaltshilfe Teil 3 Kap. 17 1 Haushaltshilfe, ausländische Teil 3 Kap. 17 41 f. ––Arbeitsentgelt Teil 3 Kap. 17 45 ––Arbeitszeit Teil 3 Kap. 17 44 ––Unfallversicherung Teil 3 Kap. 17 47 f. ––Versicherungspflicht Teil 3 Kap. 17 43 Haushaltsscheck Teil 3 Kap. 17 30, 36 Haushaltsscheckverfahren Teil 3 Kap. 17 21, 34, 38, Teil 3 Kap. 24 30 Heimarbeiter Teil 3 Kap. 22 163 f. Hinterbliebenenrente Teil 3 Kap. 33 72 Hinzuverdienstgrenze Teil 3 Kap. 33 30, 32, 56, 64 Hochschulpraktikum Teil 3 Kap. 29 10, 12, 24 ––Beendigung Teil 3 Kap. 29 22 ––Befristung Teil 3 Kap. 29 15 ––Urlaub Teil 3 Kap. 29 20 ––Vergütung Teil 3 Kap. 29 18 ––vorgeschriebenes Teil 3 Kap. 29 35 Höchstaltersbefristungsregelung Teil 3 Kap. 33 21 Home-Office Teil 3 Kap. 18 1, Teil 1 7 ––Arbeitsschutz Teil 3 Kap. 18 21 ––Arbeitszeit Teil 3 Kap. 18 9 f., 29 ff.

 877

––Bedingungen Teil 3 Kap. 18 15 ––Begriff Teil 3 Kap. 18 2 ––Betriebsmittel Teil 3 Kap. 18 25, 44 ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 18 24, 38, 40 ––Betriebsvereinbarung Teil 3 Kap. 18 34, 36 ––Datenschutz Teil 3 Kap. 18 27 f. ––Dienstwagen Teil 3 Kap. 18 46 ––Einführung Teil 3 Kap. 18 5 ––Eingriffsrecht Teil 3 Kap. 18 6 ––Fahrtkosten Teil 3 Kap. 18 45 ff. ––Geltungsbereich, persönlicher Teil 3 Kap. 18 12 ff. ––Lohnsteuer Teil 3 Kap. 18 43 ––Mietvertrag Teil 3 Kap. 18 23 ––Mitbestimmung Teil 3 Kap. 18 37, 39 ––regelmäßige Arbeitsstätte Teil 3 Kap. 18 48, 53 ––Sozialversicherungspflicht Teil 3 Kap. 18 56 ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 18 55 ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 18 41 ff. ––Störung Teil 3 Kap. 18 26 ––Umfang Teil 3 Kap. 18 9 ––Voraussetzungen Teil 3 Kap. 18 15 ff. ––Widerruf Teil 3 Kap. 18 33 ff. ––Widerrufsvorbehalt Teil 3 Kap. 18 33 ff. Home-Office-Arbeitsplatz ––Räumlichkeit Teil 3 Kap. 18 21 ––Störung Teil 3 Kap. 18 26 ––Unterhalt Teil 3 Kap. 18 25 ––Verschwiegenheitspflicht Teil 3 Kap. 18 27 ––Zugang Arbeitgeber Teil 3 Kap. 18 24 ––Zugang Betriebsrat Teil 3 Kap. 18 24 ––Zustimmung Dritter Teil 3 Kap. 18 23 I Informationspflicht Teil 3 Kap. 3 20 Insolvenz ––Altersteilzeit Teil 3 Kap. 1 125, 128 ––Wertguthaben Teil 3 Kap. 23 49, 51, 84, 87, 109 Insolvenzsicherung ––Altersteilzeitvertrag Teil 3 Kap. 1 41, 43 f., 51 ––Lebensarbeitszeitkonto Teil 3 Kap. 23 52, 54, 63 f. Interimsmanager Teil 3 Kap. 14 43, Teil 3 Kap. 19 3 ff. ––Abgrenzung Arbeitnehmerüberlassung Teil 3 Kap. 19 7 ––Abgrenzung Unternehmensberatung Teil 3 Kap. 19 6

878 

 Stichwortverzeichnis

––Arbeitnehmereigenschaft Teil 3 Kap. 19 16 ff. ––Arbeitnehmerüberlassung Teil 3 Kap. 19 24 ––Einsatzzeit Teil 3 Kap. 19 20 ––Handlungsvollmacht Teil 3 Kap. 19 6, 22 ––nichtselbstständige Tätigkeit Teil 3 Kap. 19 31, 33 ––Organstellung Teil 3 Kap. 19 8 f., 11, 13 f., 34 f. ––Personalüberlassungsfirma Teil 3 Kap. 19 36 ––selbstständige Tätigkeit Teil 3 Kap. 19 32 f., 38 f. ––Selbstständigkeit Teil 3 Kap. 19 15 ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 19 38 ff. ––Statusfeststellungsverfahren Teil 3 Kap. 19 40 ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 19 27 ff. ––Tätigkeitsgebiet Teil 3 Kap. 19 29 ––Vergütung Teil 3 Kap. 19 25 ––Vermittlungsagentur Teil 3 Kap. 19 23 f. ––Widerruf Teil 3 Kap. 19 12 ––zweite Führungsebene Teil 3 Kap. 19 20 ff. IT-Sicherheitsbeauftragter Teil 3 Kap. 8 11 J Jahresausgleich ––Lohnsteuer Teil 2 90 f. Job-Sharing Teil 3 Kap. 20 2 f. ––Arbeitsplan Teil 3 Kap. 20 16, 19 f. ––Arbeitszeit Teil 3 Kap. 20 11, 16 ––Aufteilung Arbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 20 38 ff. ––Begriff Teil 3 Kap. 20 4 ––Beschäftigung, geringfügige Teil 3 Kap. 20 38 f. ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 20 17, 19 ––Checkliste Vereinbarung Teil 3 Kap. 20 36 ––Kündigung Teil 3 Kap. 20 31 f. ––Kündigungsschutz Teil 3 Kap. 20 30 ff. ––Leistungsstörung Teil 3 Kap. 20 15 ––Lohnsteuer Teil 3 Kap. 20 40 ––Rechtsbeziehung Teil 3 Kap. 20 8 ––Sozialversicherungspflicht Teil 3 Kap. 20 45 ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 20 45 ––Steuerklassenwahl Teil 3 Kap. 20 41 ff. ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 20 37 ––Tarifvertrag Teil 3 Kap. 20 10, 33, 34 f. ––Urlaub Teil 3 Kap. 20 29 ––Vergütung Teil 3 Kap. 20 13 ––Vertretungspflicht Teil 3 Kap. 20 21 ff., 27 Job-Sharing-Vertrag Teil 3 Kap. 20 9 f. ––Arbeitszeit, individuelle Teil 3 Kap. 20 16

––Begründung Teil 3 Kap. 20 9 ––Direktionsrecht Teil 3 Kap. 20 9 ––Vergütungsanspruch Teil 3 Kap. 20 13 ff. ––Vertretungsverpflichtung Teil 3 Kap. 20 21 ff. ––Voraussetzungen Teil 3 Kap. 20 10 K Kampagnenbetrieb Teil 3 Kap. 7 21, 23 Kapitalgesellschaft Teil 3 Kap. 25 8 Katalogeinkünfte Teil 3 Kap. 12 231 Kettenarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 7 34 Kettenentsendung Teil 3 Kap. 12 282 Kleinbetrieb Teil 3 Kap. 11 1, Teil 3 Kap. 12 175, Teil 3 Kap. 13 18, Teil 3 Kap. 17 28, Teil 3 Kap. 22 82 Kleingründung Teil 3 Kap. 35 36, 38 f. Kleinunternehmerregelung Teil 3 Kap. 4 80 f. Kommanditist ––Beschäftigungsverhältnis Teil 3 Kap. 25 36 f., 38 f. ––Statusfeststellungsverfahren Teil 3 Kap. 25 40 Komplementär Teil 3 Kap. 25 41 ––Statusfeststellungsverfahren Teil 3 Kap. 25 43 Komplementär-Gesellschaft Teil 3 Kap. 25 38 Konkurrenztätigkeit Teil 3 Kap. 27 15 f. Konzern ––Arbeitnehmervertreter Teil 3 Kap. 4 50 f. ––Aufsichtsrat Teil 3 Kap. 4 52 ff. Krankenversicherung Teil 3 Kap. 1 97 ––Altersteilzeit Teil 3 Kap. 1 100 ––Beschäftigung, geringfügige Teil 3 Kap. 17 33, Teil 3 Kap. 24 60 ff. ––Beschäftigungsverhältnis, hauswirtschaftliches Teil 3 Kap. 17 40 ––Elternzeit Teil 3 Kap. 11 116 ––Grenzgänger Teil 3 Kap. 16 47 ––Midijob Teil 3 Kap. 28 48 ––Selbstständigkeit Teil 3 Kap. 27 82 Krankheit ––Abrufarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 2 54 ––Altersteilzeit Teil 3 Kap. 1 28 ––Arbeitnehmer, ausländischer Teil 3 Kap. 12 169 ––Aushilfsarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 5 20 ––Auslandseinsatz Teil 3 Kap. 12 62 f. ––Außendienstmitarbeiter Teil 3 Kap. 6 31

Stichwortverzeichnis 

––Beschäftigungsverhältnis, hauswirtschaftliches Teil 3 Kap. 17 12 ––Elternzeit Teil 3 Kap. 11 71 ––Freelancer Teil 3 Kap. 14 18 ––Freistellung Teil 3 Kap. 15 26 ––Lebensarbeitszeitkonto Teil 3 Kap. 23 25 ––Minijob Teil 3 Kap. 24 12 ––Mitarbeit, familiäre Teil 3 Kap. 13 16 ––Nebentätigkeit Teil 3 Kap. 27 25 f. ––Praktikum Teil 3 Kap. 29 20 ––Probezeit Teil 3 Kap. 30 22 ––Referendar in Nebentätigkeit Teil 3 Kap. 32 25 f. ––Sabbatical Teil 3 Kap. 34 9 Kreditgewährung ––Aufsichtsratsmitglied Teil 3 Kap. 4 29 Kündigung Teil 3 Kap. 31 1 ––Altersteilzeitvertrag Teil 3 Kap. 1 36 ff. ––Beschäftigungsverhältnis, hauswirtschaftliches Teil 3 Kap. 17 13, 17 ––betriebsbedingte Teil 3 Kap. 7 47 ––Datenschutzbeauftragter Teil 3 Kap. 8 17 ––Ehrenamt Teil 3 Kap. 9 27, 32 ––Elternzeit Teil 3 Kap. 11 75, 82 ––Freistellung Teil 3 Kap. 15 28 f., 33 ––Job-Sharing Teil 3 Kap. 20 31 f. ––Kurzarbeit Teil 3 Kap. 22 31 f., 111 f., 114 ––Minijob Teil 3 Kap. 24 16 ff. ––Mitarbeit, familiäre Teil 3 Kap. 13 17 f., 20 ––Nebentätigkeit Teil 3 Kap. 27 32 ff. ––Probezeit Teil 3 Kap. 30 12, 14, 17 ––Rentnerbeschäftigung Teil 3 Kap. 33 34 ––Selbstständigkeit Teil 3 Kap. 35 2 ––Teilzeit Teil 3 Kap. 37 35 ––Wertguthaben Teil 3 Kap. 23 30 Kündigungsfrist ––Aushilfsarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 5 18 ––Rentnerbeschäftigung Teil 3 Kap. 33 35 Kündigungsschutz ––Abrufarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 2 30 ––Arbeitslosenversicherung Teil 3 Kap. 4 43 ––Datenschutzbeauftragter Teil 3 Kap. 8 16 Künstler Teil 3 Kap. 21 9, 67 ––Berufsanfänger Teil 3 Kap. 21 74 ––Film- und Fernsehfilmproduktion Teil 3 Kap. 21 23 ––gastspielverpflichteter Teil 3 Kap. 21 13 ––Lohnsteuer Teil 3 Kap. 21 27, 32 ––Lohnsteuerabzug Teil 3 Kap. 21 29 ff.

 879

––Musiker Teil 3 Kap. 21 26 ––nebenberuflicher Teil 3 Kap. 21 71 ––Tätigkeit, nichtselbstständige Teil 3 Kap. 21 9 ff., 27 ––Tätigkeit, selbstständige Teil 3 Kap. 21 11 ––spielzeitverpflichteter Teil 3 Kap. 21 12 ––versicherungsfreier Teil 3 Kap. 21 72 f. Künstlererlass Teil 3 Kap. 21 9, 21 ––Negativkatalog Teil 3 Kap. 21 21 f. Künstlersozialabgabe Teil 3 Kap. 21 76, 78 f. ––Bemessung Teil 3 Kap. 21 80 f. ––Bußgeld Teil 3 Kap. 21 92 ––Säumniszuschlag Teil 3 Kap. 21 90 ––Überwachung Teil 3 Kap. 21 77 ––Verjährung Teil 3 Kap. 21 91 Künstlersozialkasse Teil 3 Kap. 21 2, 4 ff., 36 ––Abgabepflicht Teil 3 Kap. 21 64 f. ––Eigenwerber Teil 3 Kap. 21 55, 58 ––Generalklausel Teil 3 Kap. 21 60, 62 ––typische Verwerter Teil 3 Kap. 21 39 ––Vorauszahlung Teil 3 Kap. 21 87 ff. Künstlersozialversicherung Teil 3 Kap. 21 36, 75 ––Abgabepflicht, Feststellung Teil 3 Kap. 21 75 ff. ––Abgrenzung selbstständige Tätigkeit Teil 3 Kap. 21 11 ff. ––Abwälzungsverbot Teil 3 Kap. 21 8 ––Beitragspflicht Teil 3 Kap. 21 3 ––Finanzierung Teil 3 Kap. 21 7 ––Lohnsteuerabzug nichtselbstständige Künstler Teil 3 Kap. 21 27 ––Melde- und Abgabeverfahren Teil 3 Kap. 21 83 ff. ––Privatpersonen/Endverbraucher Teil 3 Kap. 21 63 ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 21 35 ff. Kurzarbeit Teil 1 3, 9, 11, Teil 3 Kap. 15 16, Teil 3 Kap. 22 1 ff. ––Änderungskündigung Teil 3 Kap. 22 75 ff., 79 ff. ––Änderungsvertrag Teil 3 Kap. 22 60, 107 ––Anzeige Teil 3 Kap. 22 127 ––Arbeitskampf Teil 3 Kap. 22 117 ff., 121 f. ––Ausübungskontrolle Teil 3 Kap. 22 59 ––Beantragung Teil 3 Kap. 22 51 f. ––Beendigung Teil 3 Kap. 22 104, 106, 108 ––Beitragsbemessungsgrenze Teil 3 Kap. 22 137 ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 22 48, 85 ff., 116, 121, 126

880 

 Stichwortverzeichnis

––Betriebsvereinbarung Teil 3 Kap. 22 67, 70 ff., 93, 108 f. ––Direktionsrecht Teil 3 Kap. 22 56 ––Grundlagen, rechtliche Teil 3 Kap. 22 4 ff. ––Kündigung Teil 3 Kap. 22 31 f., 111 f., 114 ––Kurzarbeitsvereinbarungen Teil 3 Kap. 22 54 ff. ––Lohnsteuer Teil 3 Kap. 22 177 ––Lohnsteuerabzug Teil 3 Kap. 22 174, 180 ––Ordnungswidrigkeit Teil 3 Kap. 22 172 f. ––Prozessuales Teil 3 Kap. 22 170 ff. ––Sonderregelungen Teil 3 Kap. 22 165 ff. ––Tarifvertrag Teil 3 Kap. 22 61 f., 65, 68 f., 87, 108, 110 ––Verfahren Teil 3 Kap. 22 48 ––Vergütung Teil 3 Kap. 22 102 f. ––Voraussetzungen Teil 3 Kap. 22 6 f., 21 ff., 166 ––Widerspruch Teil 3 Kap. 22 170 Kurzarbeit Null Teil 3 Kap. 22 97 ff., 101, 160, Teil 3 Kap. 39 10 Kurzarbeitergeld Teil 3 Kap. 22 18, 130 ––Altersteilzeit Teil 3 Kap. 22 24 ––Angestellter, leitender Teil 3 Kap. 22 73 f. ––Anrechnung Nebeneinkommen Teil 3 Kap. 22 147 ff. ––Anspruch Teil 3 Kap. 22 18 ff., 41 ––Arbeitnehmer, ausländischer Teil 3 Kap. 22 37 ––Ausschluss Teil 3 Kap. 22 38 ––Auszahlung Teil 3 Kap. 22 146 ––Auszubildende Teil 3 Kap. 22 25 ––Berechnung Teil 3 Kap. 22 145 ––Bezugsdauer Teil 3 Kap. 22 150 ff., 157 ––fiktives Entgelt Teil 3 Kap. 22 182, 184, 189 ––Heimarbeiter Teil 3 Kap. 22 163 f. ––Höhe Teil 3 Kap. 22 132, 177 f. ––Istentgelt Teil 3 Kap. 22 133, 138, 147, 149, 183 f. ––ohne Anspruch Teil 3 Kap. 22 27, 30 ––pauschaliertes Nettoentgelt Teil 3 Kap. 22 133, 140 f. ––Progressionsvorbehalt Teil 3 Kap. 22 175, 179 ––Rechtsnatur Teil 3 Kap. 22 131 ––Saison-Kurzarbeitergeld Teil 3 Kap. 22 161 f. ––Sollentgelt Teil 3 Kap. 22 133 ff., 137 ––Sonderformen Teil 3 Kap. 22 159 ff. ––Sperrzeit Teil 3 Kap. 22 45 ––Teilzeitarbeitnehmer Teil 3 Kap. 22 26 ––Transferkurzarbeitergeld Teil 3 Kap. 22 159 f.

––Voraussetzungen Teil 3 Kap. 22 130 ––Zuschuss Teil 3 Kap. 22 148, 176 Kurzarbeitsklausel Teil 3 Kap. 22 57 f. ––tarifvertragliche Teil 3 Kap. 22 63 Kürzungsrecht Teil 3 Kap. 11 62 L Land- und Forstwirtschaft ––Aushilfskraft Teil 3 Kap. 5 29, 44, 50 f. Landeserziehungsgeld Teil 3 Kap. 11 101 Langzeitkonto Teil 3 Kap. 34 24 ––Altersteilzeit Teil 3 Kap. 1 54 Lebensarbeitszeitkonto Teil 3 Kap. 23 1 f., Teil 1 11 ––Ansparphase Teil 3 Kap. 23 11 ––Beschäftigungsfiktion Teil 3 Kap. 23 21 ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 23 10 ––Blockmodell Teil 3 Kap. 23 36 ––Definition Teil 3 Kap. 23 3 ––Freistellungsphase Teil 3 Kap. 23 21, 23 f. ––Gleitzeitkonto Teil 3 Kap. 23 37 ––Insolvenzsicherung Teil 3 Kap. 23 52, 54, 63 f. ––Kombinationsmöglichkeit Teil 3 Kap. 23 36 ff. ––Krankheit Teil 3 Kap. 23 25 ––Regelungssperre Teil 3 Kap. 23 7 ––Sonderzahlung Teil 3 Kap. 23 27 ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 23 114 ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 23 66 ff. ––Steuerrecht, Arbeitgeberperspektive Teil 3 Kap. 23 103 ff. ––Steuerrecht, Arbeitnehmerperspektive Teil 3 Kap. 23 73 ff. ––Störfall Teil 3 Kap. 23 28 ––Tarifvertrag Teil 3 Kap. 23 7, 49 ––Übertragung von Guthaben Teil 3 Kap. 23 42 ––Urlaub Teil 3 Kap. 23 26 ––Werterhaltungsgarantie Teil 3 Kap. 23 18 ––Wertguthabenvereinbarung Teil 3 Kap. 23 5 f., 9, 26, 65 ––Wertkonto, steuerliche Definition Teil 3 Kap. 23 68 ff. Leiharbeitnehmer Teil 3 Kap. 28 33 ––183-Tage-Regel Teil 3 Kap. 3 69 ––Arbeitsbedingungen Teil 3 Kap. 3 17 ––Arbeitsstätte, regelmäßige Teil 3 Kap. 3 78 ff. ––ausländischer Teil 3 Kap. 3 64 ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 3 49 ––Mindeststundenentgelt Teil 3 Kap. 3 18 Leistungsverweigerungsrecht Teil 3 Kap. 2 38

Stichwortverzeichnis 

Lemgoer Modell Teil 3 Kap. 39 14 Lohndumping Teil 3 Kap. 28 23 Lohnfortzahlung Teil 3 Kap. 15 27 Lohnkonto Teil 2 80, 85, Teil 3 Kap. 1 79, Teil 3 Kap. 3 67 ––Kurzarbeit Teil 3 Kap. 22 175 Lohnsteuer Teil 2 43, 62, 83 ––Abrufarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 2 73 ––Anrufungsauskunft Teil 3 Kap. 14 45 ––Arbeitnehmervertreter Teil 3 Kap. 4 65 ––Aufsichtsratsmitglied Teil 3 Kap. 4 60 ––Außenprüfung Teil 2 92 ff., Teil 3 Kap. 5 31 ––Elternzeit Teil 3 Kap. 11 104, 106 ––Freelancer Teil 3 Kap. 14 46 f. ––Freibeträge Teil 2 64 ––Freistellung Teil 3 Kap. 15 37 ––Grenzgänger Teil 3 Kap. 16 29 ––Grenzpendler Teil 3 Kap. 16 33, 37 ––Haftung Teil 2 85, 89 ––Home-Office Teil 3 Kap. 18 43 ––Jahresausgleich Teil 2 90, 91 ––Job-Sharing Teil 3 Kap. 20 40 ––Korrektur Teil 2 87 ff. ––Künstler Teil 3 Kap. 21 27, 32 ––Kurzarbeit Teil 3 Kap. 22 177 ––Lohnsteuerabzugsmerkmale Teil 2 81 ff. ––Lohnsteuerklassen Teil 2 63 f. ––Mitarbeit, familiäre Teil 3 Kap. 13 42 ––Teillohnzahlungszeitraum Teil 3 Kap. 2 74 Lohnsteuerabzug ––Altersentlastungsbetrag Teil 3 Kap. 33 48 f. ––Arbeitslohn Teil 3 Kap. 12 217, 227 ––Ehegatten Teil 3 Kap. 20 41 f. ––Künstler Teil 3 Kap. 21 29 ff. ––Verpflichtung zum Teil 3 Kap. 12 217, 226, 233 Lohnsteuerabzugsverfahren ––Mitarbeit, familiäre Teil 3 Kap. 13 43 ––Student, ausländischer Teil 3 Kap. 36 43 Lohnsteuerbescheinigung Teil 2 85, 88, Teil 3 Kap. 1 94, Teil 3 Kap. 22 175 ––elektronische Teil 3 Kap. 1 79, 94, Teil 3 Kap. 5 47 ––ELStAM Teil 2 81, Teil 3 Kap. 7 60 Lohnsteuereinbehalt, Verpflichtung zum Teil 3 Kap. 12 194 Lohnsteuerhaftung Teil 3 Kap. 26 72 Lohnsteuerjahresausgleich Teil 2 90 f. Lohnsteuerpauschalierung Teil 3 Kap. 5 30, 32, 36, 38, 40

 881

––Abgeltungswirkung Teil 3 Kap. 5 48 ––Bemessungsgrundlage Teil 3 Kap. 5 43 Lohnsteuerpflicht Teil 3 Kap. 3 81 Lohnsteuer-Tagestabelle Teil 3 Kap. 2 74 Lohnwettbewerb Teil 3 Kap. 28 8 Lohnwucher Teil 3 Kap. 28 25 f. Lohnzahlung, Verpflichtung zur Teil 2 21 Look and see-Trip Teil 3 Kap. 12 18, 24 M März-Klausel Teil 2 121 Mehrarbeit ––Altersteilzeit Teil 3 Kap. 1 107, 109 ––Vergütung Teil 3 Kap. 1 107 Mehraufwandsentschädigung Teil 3 Kap. 10 41, 46 ––Progressionsvorbehalt Teil 3 Kap. 10 41 Mehrfachbeschäftigung Teil 3 Kap. 27 76 f. ––Versicherungsfreiheit Teil 3 Kap. 27 79 ––Versicherungspflicht Teil 3 Kap. 27 81 Melde- und Aufzeichnungspflichten ––Arbeitgeber Teil 2 79, 153 ff., 157 f., Teil 3 Kap. 5 96 Meldeverfahren Teil 3 Kap. 5 98 ––Inhalt Teil 3 Kap. 5 100 ––Sozialversicherungsträger Teil 2 156, 159, 161 Midijob Teil 3 Kap. 28 22, 38 ––Arbeitslosenversicherung Teil 3 Kap. 28 49 f. ––Einmalzahlung Teil 3 Kap. 28 42 ––Gleitzone Teil 3 Kap. 28 38 ff., 53 f. ––Gleitzonenentgelt Teil 3 Kap. 28 45, 47 ––Krankenversicherung Teil 3 Kap. 28 48 ––Pflegeversicherung Teil 3 Kap. 28 51 f. ––Rentenversicherung Teil 3 Kap. 28 49 ––Urlaubsgeld Teil 3 Kap. 28 41 Mietvertrag ––Home-Office Teil 3 Kap. 18 23 Minderheits-GesellschafterGeschäftsführer Teil 3 Kap. 25 46 f. ––Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot Teil 3 Kap. 25 48 ––fachliche Überlegenheit Teil 3 Kap. 25 53 ––Sperrminorität Teil 3 Kap. 25 56 f. ––Unternehmerchance Teil 3 Kap. 25 58 ––Weisungsfreiheit Teil 3 Kap. 25 49 Mindestarbeitnehmerzahl ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 5 24 Mindestarbeitszeit Teil 3 Kap. 2 18, 20 f., 25, 27 f., 43

882 

 Stichwortverzeichnis

Mindestaufstockungsbetrag ––Altersteilzeit Teil 3 Kap. 1 69 Mindestlohn Teil 3 Kap. 28 13 Mindeststundenentgelt ––Leiharbeitnehmer Teil 3 Kap. 3 18 Minijob Teil 3 Kap. 24 3, Teil 3 Kap. 28 21, Teil 3 Kap. 30 49, Teil 3 Kap. 37 2 ––Befristung Teil 3 Kap. 24 9 ––Begriff Teil 3 Kap. 24 4 f. ––Bemessungsgrundlage Lohnsteuerpauschale Teil 3 Kap. 24 34 ff. ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 24 19 ––Grundsätze, arbeitsrechtliche Teil 3 Kap. 24 6 ––Krankheit Teil 3 Kap. 24 12 ––Kündigung Teil 3 Kap. 24 16 ff. ––Lohnsteuer Teil 3 Kap. 24 24 ––Lohnsteuerpauschalierung Teil 3 Kap. 24 25 ff., 32, 34, 38, 41 ––Meldepflicht Teil 3 Kap. 24 67 ff. ––Rentenversicherung Teil 3 Kap. 24 24, 28, 31 ––Sonderzahlung Teil 3 Kap. 24 10 ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 24 42 ff. ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 24 23 ff. ––Überschreiten 400 €-Grenze Teil 3 Kap. 24 47 ff. ––Urlaub Teil 3 Kap. 24 11 ––Vertragsniederschrift Teil 3 Kap. 24 8 ––Wettbewerbsverbot Teil 3 Kap. 24 13 f. ––Zusammenrechnung geringfüge Beschäftigungen Teil 3 Kap. 24 52 ff. Mitarbeit, familiäre Teil 1 11, Teil 3 Kap. 13 1 ff. ––Beschäftigungsverhältnis zwischen Ehegatten Teil 3 Kap. 13 31 ff. ––Beschäftigungsverhältnis zwischen Eltern und Kindern Teil 3 Kap. 13 38 ff. ––Beschäftigungsverhältnis zwischen Geschwistern Teil 3 Kap. 13 41 ––Dienstverhältnis Teil 3 Kap. 13 2, 21, 25 ––Ehegatten Teil 3 Kap. 13 4 f., 9 ––Entgeltanspruch Teil 3 Kap. 13 8, 16 ––familienrechtliche Verpflichtung Teil 3 Kap. 13 6 f. ––freie Mitarbeit Teil 3 Kap. 13 21 ––hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis Teil 3 Kap. 17 20 ––Krankheit Teil 3 Kap. 13 16 ––Kündigung Teil 3 Kap. 13 17 ff. ––Lohnsteuer Teil 3 Kap. 13 26, 42, 45 ––Lohnsteuerabzugsverfahren Teil 3 Kap. 13 43

––Pflicht Teil 3 Kap. 13 5 ––Rechtsgrundlage Teil 3 Kap. 13 4 ff., 10 ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 13 50 ff. ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 13 26 ff. ––Voraussetzungen Teil 3 Kap. 13 4 ff. Mitarbeit, freie Teil 3 Kap. 35 17, 40 ––familiäre Mitarbeit Teil 3 Kap. 13 21 ––Rentnerbeschäftigung Teil 3 Kap. 33 39 ff. ––Selbstständigkeit Teil 3 Kap. 35 42 Mitarbeiter ––Freiberufler Teil 3 Kap. 35 30 Mitarbeiter als Unternehmer ––Checkliste Aktienoptionen Teil 3 Kap. 26 37 ––Deputate Teil 3 Kap. 26 34 ff. ––Formen Mitarbeiterbeteiligung Teil 3 Kap. 26 2 ff. ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 26 73 ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 26 38 ff. ––Stock Options Teil 3 Kap. 26 17 ff. Mitarbeiter, wissenschaftlicher Teil 3 Kap. 36 19 Mitarbeiterbeteiligung Teil 3 Kap. 26 1, 8 ––Aktienoption Teil 3 Kap. 26 17, 19 ff., 30, 37, 40, 61 ––Aktienoptionsplan Teil 3 Kap. 26 25 ––Beitragspflicht Teil 3 Kap. 26 73, 77 ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 26 12 ff., 24 ––Betriebsübergang Teil 3 Kap. 26 27, 28 ––Eigenkapitalbeteiligung Teil 3 Kap. 26 3 ––Fremdkapitalbeteiligung Teil 3 Kap. 26 4 ––Gleichbehandlungsgrundsatz Teil 3 Kap. 26 11 ––Lohnsteuerabzug Teil 3 Kap. 26 68 f. ––Mezzanine Beteiligung Teil 3 Kap. 26 6 ––Verschmelzung Teil 3 Kap. 26 31 Mitbestimmungsrecht ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 6 43, 49 ––Freelancer Teil 3 Kap. 14 28 Mitunternehmer Teil 3 Kap. 25 24 f. Mitwirkungspflicht Teil 3 Kap. 18 22 Modell Arbeit und Freistellung ––Altersteilzeit Teil 3 Kap. 1 22, 24, 32, 42 Mustervertrag Teil 2 15 ––Abrufarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 2 69 ––AGB-Kontrolle Teil 2 15 Mutterschaftsgeld Teil 3 Kap. 11 101 Mutterschutzfrist Teil 3 Kap. 11 15, 32 N Nachbarschaftsbüro Teil 3 Kap. 38 4

Stichwortverzeichnis 

Nachweispflicht ––Aushilfsarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 5 5 Nebenbeschäftigung ––Altersteilzeit Teil 3 Kap. 1 110 Nebenerwerbsgründung Teil 3 Kap. 35 37 Nebentätigkeit Teil 3 Kap. 5 53, Teil 3 Kap. 27 1 ––Arbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 27 2 ––Arbeitszeit Teil 3 Kap. 27 18, 22 ––Anzeigepflicht Teil 3 Kap. 27 11 ––Auskunftsanspruch Teil 3 Kap. 27 41 ff. ––Beamte Teil 3 Kap. 27 5 ––Beitragspflicht Teil 3 Kap. 27 75 ––Beschäftigung, geringfügige Teil 3 Kap. 27 11, 20 ––Ehrenamt Teil 3 Kap. 9 62 f. ––Freelancer Teil 3 Kap. 14 19 ––Genehmigung Teil 3 Kap. 27 6, 8 ff., 44 ––Genehmigungserfordernis Teil 3 Kap. 27 3 ff. ––Grenzen Teil 3 Kap. 27 12 ff. ––Konkurrenztätigkeit Teil 3 Kap. 27 15 f. ––Krankheit Teil 3 Kap. 27 25 f. ––Kündigung Teil 3 Kap. 27 32 ff., 45 ––Nebenberuflichkeit Teil 3 Kap. 27 46 ff. ––nichtselbstständige Tätigkeit Teil 3 Kap. 27 46, 55 ––öffentlicher Dienst Teil 3 Kap. 27 5 ––Rechtsschutz Teil 3 Kap. 27 44 ––Sanktionsmöglichkeiten Teil 3 Kap. 27 27 ff. ––selbstständige Tätigkeit Teil 3 Kap. 27 46 ––Steuerbefreiung Teil 3 Kap. 27 69, 73 ––steuerbegünstigte Teil 3 Kap. 27 63, 66, 74 ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 27 46 ff. ––Urlaub Teil 3 Kap. 27 24 ––Verbot mit Erlaubnisvorbehalt Teil 3 Kap. 27 7 ––Zurechnung Teil 3 Kap. 27 51 ––Zusammenfassung Teil 3 Kap. 27 58, 68 Nebentätigkeit, unzulässige Teil 3 Kap. 27 27 ––Abmahnung Teil 3 Kap. 27 28 f., 31 ––Schadensersatz Teil 3 Kap. 27 37 ––Unterlassung Teil 3 Kap. 27 38 f. Nebentätigkeitsvertrag Teil 3 Kap. 32 17 f., 21 ––Befristung Teil 3 Kap. 32 28 ––Verschwiegenheitsklausel Teil 3 Kap. 32 27 Nettoarbeitslohn ––Altersteilzeit Teil 3 Kap. 1 70 ff. Nettoentgelt Teil 2 123 Niederlassungserlaubnis Teil 3 Kap. 12 107, 150 f.

 883

––Sicherheitsüberprüfung Teil 3 Kap. 12 152 Niedriglohn Teil 3 Kap. 28 16 f., 37 Niedriglohnbereich Teil 3 Kap. 28 30 f. Niedriglohnbeschäftigung Teil 3 Kap. 28 7, 9, 29, 35 ––Abgrenzung Ein-Euro-Job Teil 3 Kap. 28 20 ––Abgrenzung Midi-Job Teil 3 Kap. 28 22 ––Abgrenzung Mini-Job Teil 3 Kap. 28 21 ––Beitragsnachzahlung Teil 3 Kap. 28 56 f. ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 28 37 ff. ––steuerliche Pflichten Teil 3 Kap. 28 36 ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 28 36 Niedriglohnschwelle Teil 3 Kap. 28 18, 35 O on-site-Telearbeit Teil 3 Kap. 38 6 One-Stop-Government-Prinzip Teil 3 Kap. 16 10 Organstellung ––Gesellschafter-Geschäftsführer Teil 3 Kap. 25 14 ––Interimsmanager Teil 3 Kap. 19 8 f., 11, 13 f., 34 f. Ortskräfte Teil 3 Kap. 12 285 Österreich ––Doppelbesteuerungsabkommen Teil 3 Kap. 16 22 Outplacement-Leistung Teil 3 Kap. 39 29 ff., 33 P Partizipationsmodell Teil 3 Kap. 23 104 Personalaustausch, internationaler Teil 3 Kap. 12 127 Personalüberlassung Teil 3 Kap. 39 11 Personalüberlassungsfirma Teil 3 Kap. 19 36 Personen, arbeitnehmerähnliche Teil 3 Kap. 35 24 f. Personengesellschaft Teil 3 Kap. 25 7 Pflegekinder ––Elternzeit Teil 3 Kap. 11 23 Phantom Stocks Teil 3 Kap. 26 46 Praktikant, ausländischer Teil 3 Kap. 29 31 f., 35 ––Doppelbesteuerungsabkommen Teil 3 Kap. 29 31 Praktikantenverhältnis Teil 3 Kap. 29 5 f. Praktikum Teil 3 Kap. 29 2 ––Abgrenzung Teil 3 Kap. 29 3 ff. ––Befristung Teil 3 Kap. 29 14 ff.

884 

 Stichwortverzeichnis

––Begriff Teil 3 Kap. 29 3 f. ––Betriebsverfassungsrecht Teil 3 Kap. 29 23 ff. ––Gegenstand Teil 3 Kap. 29 11 ––Krankheit Teil 3 Kap. 29 20 ––Kündigung Teil 3 Kap. 29 21 ––Lohnsteuerabzug Teil 3 Kap. 29 26 ff. ––nicht vorgeschriebenes Teil 3 Kap. 29 44 ––Niederschrift Teil 3 Kap. 29 13 ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 29 33 ff. ––steuerfreier Auslagenersatz Teil 3 Kap. 29 29 ––Student Teil 3 Kap. 29 8, 10, 12, 15, 18, 20 ––Urlaub Teil 3 Kap. 29 20 ––Vergütung Teil 3 Kap. 29 17 f. ––verkürzte Kündigungsfrist Teil 3 Kap. 30 13 ––Versicherungsfreiheit Teil 3 Kap. 29 44 f. ––Versicherungspflicht Teil 3 Kap. 29 38, 40, 42 Privatdetektiv Teil 3 Kap. 6 45 f. Privatnutzung ––Außendienstmitarbeiter Teil 3 Kap. 6 19 ––Dienstwagen Teil 3 Kap. 6 14 ff. Probearbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 30 4 f., Teil 3 Kap. 7 35 ––Auszubildender Teil 3 Kap. 30 29 ––befristetes Teil 3 Kap. 30 28 ––Kündigung Teil 3 Kap. 30 5 ––längere Kündigungsfrist Teil 3 Kap. 30 16 Probezeit Teil 3 Kap. 30 2 f. ––Arbeitsverhältnis, befristetes Teil 3 Kap. 30 28 ff. ––Arbeitsverhältnis, unbefristetes Teil 3 Kap. 30 9 ff. ––außerordentliche Kündigung Teil 3 Kap. 30 23 f. ––Auszubildender Teil 3 Kap. 30 9, 19 ––Beendigung Teil 3 Kap. 30 37 ––Beendigungszeitpunkt Teil 3 Kap. 30 21 ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 30 27, 33 f. ––Betriebsvereinbarung Teil 3 Kap. 30 18 ––Dauer Teil 3 Kap. 30 30 ––Krankheit Teil 3 Kap. 30 22 ––Kündigung Teil 3 Kap. 30 12, 14, 17 ––Lohnsteuer Teil 3 Kap. 30 47 ––missglückter Arbeitsversuch Teil 3 Kap. 30 56 ––Schwerbehinderter Teil 3 Kap. 30 32 ––Sonderkündigungsschutz Teil 3 Kap. 30 26 ––Sozialversicherungspflicht Teil 3 Kap. 30 54 f. ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 30 52 ff. ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 30 47 ff.

––studentisches Aushilfsarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 36 21 ––Tarifvertrag Teil 3 Kap. 30 20 ––Vereinbarung Teil 3 Kap. 30 10 ––Verlängerung Teil 3 Kap. 30 31 Prognoseentscheidung Teil 3 Kap. 7 33 Progressionsvorbehalt Teil 3 Kap. 12 210 ––Altersteilzeit Teil 3 Kap. 1 106 ––Elterngeld Teil 3 Kap. 11 112 ––Kurzarbeitergeld Teil 3 Kap. 22 175, 179 ––Mehraufwandsentschädigung Teil 3 Kap. 10 41 ––Rentenversicherung Teil 3 Kap. 1 78 ––Wertguthaben Teil 3 Kap. 23 91 Projektbefristung Teil 3 Kap. 36 9 ff., Teil 3 Kap. 5 9 ––Prognose Teil 3 Kap. 5 10 f. ––Sachgrund Teil 3 Kap. 5 12 ––studentisches Aushilfsarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 36 9 Provision Teil 3 Kap. 6 68, 77 Prozessbeschäftigung Teil 3 Kap. 31 2 ––Arbeitsaufnahme Teil 3 Kap. 31 18 ––Arbeitslohn Teil 3 Kap. 31 29, 33 f. ––Arten Teil 3 Kap. 31 3 ––Beitragspflicht Teil 3 Kap. 31 41 ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 31 4 ––Dienstwagen Teil 3 Kap. 31 31 ––Fallgruppen Teil 3 Kap. 31 3 ff. ––Freistellung Teil 3 Kap. 31 37 ––Kündigung Teil 3 Kap. 31 28 ––Leistungen Teil 3 Kap. 31 8 f. ––Lohnsteuer Teil 3 Kap. 31 23, 25 ff. ––Qualifikation Einkünfte Teil 3 Kap. 31 29 ff. ––Rückabwicklung Arbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 31 33 ––selbstständige Tätigkeit Teil 3 Kap. 31 30 ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 31 38 ff. ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 31 22 ff. ––Zeitraum Teil 3 Kap. 31 12 f. ––zweckbefristete Teil 3 Kap. 31 15 ff. Prozessbeschäftigungsvereinbarung Teil 3 Kap. 31 18 Publizist Teil 3 Kap. 21 68 R Rahmenarbeitsvertrag ––kurzfristige Beschäftigung Teil 3 Kap. 5 61 f., 82

Stichwortverzeichnis 

Referendar Teil 3 Kap. 32 1 ––Anstellungsverhältnis Teil 3 Kap. 32 7 ff. ––Arbeitnehmerschutz Teil 3 Kap. 32 10 ff. ––Beamter auf Widerruf Teil 3 Kap. 32 7 f., 39, 42 ––Nachpraktikant Teil 3 Kap. 32 38 ––öffentlicher Dienst Teil 3 Kap. 32 44 ––Schutzvorschriften Teil 3 Kap. 32 13 ––Sozialversicherungspflicht Teil 3 Kap. 32 38 ff. ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 32 29 ff. Referendar in Nebentätigkeit Teil 3 Kap. 32 10 ––Anrechnung Teil 3 Kap. 32 23 ––Disziplinarmaßnahmen Teil 3 Kap. 32 20 ––Genehmigung Teil 3 Kap. 32 14, 19 f. ––Krankheit Teil 3 Kap. 32 25 f. ––Lohnsteuerabzug Teil 3 Kap. 32 31 f. ––Lohnsteuerpauschalierung Teil 3 Kap. 32 32 f., 36 ––nichtselbstständige Tätigkeit Teil 3 Kap. 32 29 ––Rentenversicherung Teil 3 Kap. 32 43 ––selbstständige Tätigkeit Teil 3 Kap. 32 34 f. ––Umfang Teil 3 Kap. 32 15 ––Urlaub Teil 3 Kap. 32 24 ––Vergütung Teil 3 Kap. 32 22 ––Weisungsgebundenheit Teil 3 Kap. 32 12 Referendariat Teil 3 Kap. 32 1 ––Zugang Teil 3 Kap. 32 4 Regelarbeitsentgelt Teil 3 Kap. 1 33, 42, 63 ff., 74, 88, 101 f., 115, 122 ––Bestandteile Teil 3 Kap. 1 66 ff. ––Festlegung Teil 3 Kap. 1 103 f. Reisekosten Teil 3 Kap. 6 60 Reisenebenkosten Teil 3 Kap. 6 64 Rennerliste Teil 3 Kap. 6 47 Rentenaufstockungsbetrag ––Altersteilzeit Teil 3 Kap. 1 74, 78 Rentenminderung ––Altersrente Teil 3 Kap. 1 75 Rentenversicherung Teil 2 152 ––Beschäftigung, geringfügige Teil 3 Kap. 24 63 ––Beschäftigungsverhältnis, hauswirtschaftliches Teil 3 Kap. 17 7, 40 ––Elternzeit Teil 3 Kap. 11 123 ––Grenzgänger Teil 3 Kap. 16 47 ––Midijob Teil 3 Kap. 28 49 ––Minijob Teil 3 Kap. 24 24, 28, 31 ––Pflichtbeitrag des Arbeitgebers Teil 3 Kap. 1 76

 885

––Progressionsvorbehalt Teil 3 Kap. 1 78 ––Referendar in Nebentätigkeit Teil 3 Kap. 32 43 ––Rentnerbeschäftigung Teil 3 Kap. 33 47, 58 ––Teilzeitbeschäftigter Teil 3 Kap. 37 50, 52 Rentenversicherungsträger Teil 2 162 ––Betriebsprüfung Teil 2 163 ff. Rentnerbeschäftigung Teil 3 Kap. 33 1, 51, Teil 1 13 ––Arbeitnehmerüberlassung Teil 3 Kap. 33 43 f. ––Arbeitslosenversicherung Teil 3 Kap. 33 60, 66 ––Befristung Teil 3 Kap. 33 11, 18, 20 ––Begriff Teil 3 Kap. 33 5 ––Beschäftigung, geringfügige Teil 3 Kap. 33 57 ––Beschäftigungsformen, alternative Teil 3 Kap. 33 39 ff. ––Beschäftigungsverhältnis Teil 3 Kap. 33 6 ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 33 37 ––Betriebsverfassungsrecht Teil 3 Kap. 33 37 ff. ––Erstanstellung Teil 3 Kap. 33 22, 36 ––Hinterbliebenenrente Teil 3 Kap. 33 72 ––Hinzuverdienstgrenze Teil 3 Kap. 33 30, 32 ––Kündigung Teil 3 Kap. 33 34 ––Kündigungsfrist Teil 3 Kap. 33 35 ––Lohnsteuerabzug Teil 3 Kap. 33 45 f., 48 ––Mitarbeit, freie Teil 3 Kap. 33 39 ff. ––Projektbefristung Teil 3 Kap. 33 13 f. ––Rentenversicherung Teil 3 Kap. 33 47, 58 ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 33 51 ff. ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 33 45 ff. ––Varianten Teil 3 Kap. 33 2 ––Vergütung Teil 3 Kap. 33 30 ––Versicherungsfreiheit Teil 3 Kap. 33 63, 68 ––Vertretung Teil 3 Kap. 33 16 f., 19 ––vorübergehender betrieblicher Bedarf Teil 3 Kap. 33 12 ––Wiederanstellung Teil 3 Kap. 33 11, 36 ––Wiederbeschäftigung Teil 3 Kap. 33 24 Restricted Stock Teil 3 Kap. 26 43 Restricted Stock Unit Teil 3 Kap. 26 42 Reverse-Charge-Verfahren Teil 3 Kap. 4 82 Riestervertrag Teil 3 Kap. 11 109, Teil 3 Kap. 24 32 Rumpfarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 12 270 S Sabbatical Teil 3 Kap. 34 1, 4 ––Anspruch Teil 3 Kap. 34 5 ––Besteuerung Teil 3 Kap. 34 21

886 

 Stichwortverzeichnis

––Betriebsrat Teil 3 Kap. 34 18 ––Betriebsvereinbarung Teil 3 Kap. 34 17 ––Betriebsverfassungsrecht Teil 3 Kap. 34 17 ff. ––Betriebszugehörigkeit Teil 3 Kap. 34 19 ––Dauer Teil 3 Kap. 34 3 ––Krankheit Teil 3 Kap. 34 9 ––Modelle Teil 3 Kap. 34 12 ff. ––Rahmenbedingungen, rechtliche Teil 3 Kap. 34 5 ff. ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 34 24 ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 34 20 ff. ––Störung Teil 3 Kap. 34 7, 11 ––Urlaub Teil 3 Kap. 34 10 ––Vereinbarung Teil 3 Kap. 34 6 ––Wertguthaben Teil 3 Kap. 34 22 Sabbatical-Vereinbarung Teil 3 Kap. 34 12, 20 ––Fondssparmodell Teil 3 Kap. 34 15 ––unsichtbare Teilzeit Teil 3 Kap. 34 13 ––vorgezogener Ruhestand Teil 3 Kap. 34 16 ––zeitlich begrenzter Lohnverzicht Teil 3 Kap. 34 14 Sachbezug Teil 2 70, 72, 80, Teil 3 Kap. 11 104 f. Sachgrundbefristung Teil 3 Kap. 7 15 ff. ––Sachgründe Teil 3 Kap. 7 18 Sachleistungen Teil 3 Kap. 1 87 f., Teil 2 115 Saisonarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 7 22 Sammelkonto Teil 3 Kap. 5 44, 46 Satellitenbüro Teil 3 Kap. 38 4 Säumniszuschlag ––Künstlersozialabgabe Teil 3 Kap. 21 90 Scheinarbeitsvertrag Teil 3 Kap. 13 14 f. Schein-Ehrenamt Teil 3 Kap. 9 37, 46 Scheinpraktikantenvertrag Teil 3 Kap. 29 18 Scheinselbstständigkeit Teil 2 31, Teil 3 Kap. 14 26, 62, 64, Teil 3 Kap. 33 40 f., Teil 3 Kap. 35 16, 69, 71 ––Merkmale Teil 3 Kap. 35 70 ––Statusfeststellungsverfahren Teil 3 Kap. 35 72 ––Versicherungspflicht Teil 3 Kap. 35 72 Scheinvertrag Teil 3 Kap. 14 22 f. Schlechtwetterzeit Teil 3 Kap. 22 161 Schriftform ––Arbeitnehmerüberlassungsvertrag Teil 3 Kap. 3 28 ––Aushilfsarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 5 6 Schriftformerfordernis ––Arbeitsvertrag Teil 2 11, 50 Schülerpraktikum Teil 3 Kap. 29 9, 46 Schulung

––Arbeitnehmervertreter Teil 3 Kap. 4 35 ff. Schwarzarbeit Teil 3 Kap. 17 1, 48, Teil 3 Kap. 28 13 ––hauswirtschaftliches Beschäftigungsverhältnis Teil 3 Kap. 17 4 Schweiz ––Doppelbesteuerungsabkommen Teil 3 Kap. 16 24, 39 Schwerbehinderter ––Probezeit Teil 3 Kap. 30 32 Selbstständigkeit Teil 3 Kap. 35 54, Teil 2 31 ––Abgrenzung Teil 3 Kap. 35 12, 14 ––arbeitnehmerähnliche Teil 3 Kap. 35 23, 63, 66 f. ––Begriff Teil 3 Kap. 35 5 f., 12 ––Elternzeit Teil 3 Kap. 11 58 ––Freelancer Teil 3 Kap. 14 3 ––Interimsmanager Teil 3 Kap. 19 15 ––Krankenversicherung Teil 3 Kap. 27 82 ––Kündigung Teil 3 Kap. 35 2 ––Merkmale Teil 3 Kap. 35 8 f. ––Mitarbeit, freie Teil 3 Kap. 35 42 ––rentenversicherungspflichtige Teil 3 Kap. 35 60 ff. ––Unternehmerrisiko Teil 3 Kap. 14 16 ––Urlaub Teil 3 Kap. 35 2 Sicherungstreuhandvertrag Teil 3 Kap. 23 58 Sonderkündigungsrecht ––Elternzeit Teil 3 Kap. 11 95 ff. Sonderkündigungsschutz ––Elternzeit Teil 3 Kap. 11 75 ff., 79, 83, 85 ––Probezeit Teil 3 Kap. 30 26 Sonderzahlung ––Elternzeit Teil 3 Kap. 11 74 ––Lebensarbeitszeitkonto Teil 3 Kap. 23 27 ––Minijob Teil 3 Kap. 24 10 Sozialleistungen ––Grenzgänger Teil 3 Kap. 16 44 Sozialversicherung Teil 3 Kap. 17 27, Teil 2 98, 104 ––Entgeltverordnung Teil 2 131 ff. ––Finanzierung Teil 2 99 Sozialversicherungsbeiträge Teil 2 125, 127, 129 ––Anspruchsverjährung Teil 2 147 ––Beitragsabzug Teil 2 135 ––Beitragsbemessungsgrenze Teil 2 138 f. ––Beitragseinzug Teil 2 131 ––Beitragslastverschiebung Teil 3 Kap. 3 82, Teil 2 136

Stichwortverzeichnis 

––Beitragssätze Teil 2 141 f. ––Entstehungsprinzip Teil 2 127, 129 f. ––Fälligkeit Teil 2 144 ––Verrechnung Teil 2 151 ––Zuflussprinzip Teil 2 129, Teil 3 Kap. 1 82 ––Zusatzbeitrag Teil 2 143 ––zu Unrecht gezahlte Teil 2 147 ff. Sozialversicherungspflicht Teil 2 125 ff., Teil 3 Kap. 17 34 ––Arbeitnehmerüberlassung Teil 3 Kap. 3 83 ––Befristung Teil 3 Kap. 7 63 ––Beginn Teil 2 126 ––Ehrenamt Teil 3 Kap. 9 71 ––Freistellung Teil 3 Kap. 15 48 ––Home-Office Teil 3 Kap. 18 56 ––Job-Sharing Teil 3 Kap. 20 45 Sozialversicherungsträger Teil 2 155 ––Meldeverfahren Teil 2 156, 159, 161 Sperrminorität ––Minderheits-GesellschafterGeschäftsführer Teil 3 Kap. 25 56 f. Sperrwirkung Teil 3 Kap. 7 7 Sperrzeit ––Kurzarbeitergeld Teil 3 Kap. 22 45 Spesen Teil 3 Kap. 6 27 Sprachrisiko Teil 3 Kap. 12 165 ff. Springer Teil 3 Kap. 5 3 Squeeze-Out Teil 3 Kap. 26 33 Stammbelegschaft ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 5 25 Statusfeststellungsverfahren ––Außendienstmitarbeiter Teil 3 Kap. 6 73 ––Beschäftigung Angehörige Teil 3 Kap. 13 52 f. ––Freelancer Teil 3 Kap. 14 63, 66 ––Interimsmanager Teil 3 Kap. 19 40 ––Kommanditist Teil 3 Kap. 25 40 ––Komplementär Teil 3 Kap. 25 43 ––Scheinselbstständigkeit Teil 3 Kap. 35 72 Steuerbefreiung ––Nebentätigkeit Teil 3 Kap. 27 69, 73 Steuerklassenwechsel Teil 3 Kap. 11 108 Steuerpflicht ––beschränkte Teil 2 56, 59 ––fiktive unbeschränkte Teil 3 Kap. 16 34, 38 ––gewöhnlicher Aufenthalt Teil 2 58 ––unbeschränkte Teil 2 56 ––Wohnsitz Teil 2 57 Stock Appreciation Rights Teil 3 Kap. 26 45

 887

Streikrecht Teil 3 Kap. 4 58 Student ––Arbeitnehmer Teil 3 Kap. 36 3 ––befristete Tätigkeit Teil 3 Kap. 36 57 f. ––Befristung Teil 3 Kap. 7 41 ––dualer Studiengang Teil 3 Kap. 36 62, 64 f. ––Mitarbeit, freie Teil 3 Kap. 36 3 ––Praktikum Teil 3 Kap. 29 8, 10, 12, 15, 18, 20, 36, Teil 3 Kap. 36 46 ––Semesterferien Teil 3 Kap. 36 60 ––Sozialversicherungspflicht Teil 3 Kap. 36 4 ––Versicherungsfreiheit Teil 3 Kap. 29 36, Teil 3 Kap. 36 46, 51 ––Versicherungspflicht Teil 3 Kap. 29 37, Teil 3 Kap. 36 44, 53, 65 Student, ausländischer Teil 3 Kap. 36 38, 39 f., 42 ––Lohnsteuerabzugsverfahren Teil 3 Kap. 36 43 ––Steuerbefreiung Teil 3 Kap. 36 39 f., 42 Subunternehmer Teil 3 Kap. 35 45 Summenfelder-Modell Teil 3 Kap. 23 34 Suspendierung Teil 3 Kap. 15 1 f. ––einseitige Teil 3 Kap. 15 17, 23 ––einvernehmliche Teil 3 Kap. 15 14, 34 ––vorübergehende Teil 3 Kap. 15 8 Synchronisationsverbot Teil 3 Kap. 28 11 T Tageshöchstgrenze Teil 3 Kap. 5 34 Tarifvertrag ––Abrufarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 2 22, 40 f. ––Altersteilzeit Teil 3 Kap. 1 6, 14, 30, 36, 41, 49, 73 ––Arbeitnehmer, ausländischer Teil 3 Kap. 12 183 ––Befristung Teil 3 Kap. 7 13, 36, 50 ––Beschäftigungsverhältnis, hauswirtschaftliches Teil 3 Kap. 17 14 ––Ehrenamt Teil 3 Kap. 9 18 ––Elternzeit Teil 3 Kap. 11 5 ––grenzüberschreitender Teil 3 Kap. 12 184 ––Job-Sharing Teil 3 Kap. 20 10, 33, 34 f. ––Kurzarbeit Teil 3 Kap. 22 61 f., 65, 68 f., 87, 108, 110 ––Lebensarbeitszeitkonto Teil 3 Kap. 23 7, 49 ––Probezeit Teil 3 Kap. 30 20 ––Tarifvorbehalt Teil 3 Kap. 1 50 ––Zuschusspflichten Teil 3 Kap. 1 28, 30 Tätigkeit, nichtselbstständige Teil 3 Kap. 14 37

888 

 Stichwortverzeichnis

––Freelancer Teil 3 Kap. 14 34 ––Interimsmanager Teil 3 Kap. 19 31, 33 ––Künstler Teil 3 Kap. 21 9 ff., 27 ––Merkmale Teil 3 Kap. 14 38 f. ––Nebentätigkeit Teil 3 Kap. 27 46, 55 ––Referendar in Nebentätigkeit Teil 3 Kap. 32 29 ––Telearbeit Teil 3 Kap. 38 52, 68 Tätigkeit, selbstständige Teil 3 Kap. 14 37, 58 ––Ehrenamt Teil 3 Kap. 27 60 ––Formen Teil 3 Kap. 35 27 ––Freelancer Teil 3 Kap. 14 33 ––Interimsmanager Teil 3 Kap. 19 32 f., 38 ––Künstler Teil 3 Kap. 21 11 ––Merkmale Teil 3 Kap. 14 42 ––Nebentätigkeit Teil 3 Kap. 27 46 ––Referendar in Nebentätigkeit Teil 3 Kap. 32 34 f. ––Telearbeit Teil 3 Kap. 38 67 Tätigkeitsschlüssel Teil 3 Kap. 3 89 Teilrente Teil 3 Kap. 33 64 Teilzeit Teil 3 Kap. 11 42, Teil 3 Kap. 20 1, Teil 3 Kap. 37 1 ––Anspruch Teil 3 Kap. 37 16 f., 21, 24 ––Antragsprüfung Teil 3 Kap. 37 20 ––Antragssteller Teil 3 Kap. 37 13 ––Arbeitszeit Teil 3 Kap. 37 11, 15 f. ––Aushilfsarbeitsverhältnis, studentisches Teil 3 Kap. 36 24 ––Beendigung Teil 3 Kap. 37 34 ––Beschäftigung, geringfügige Teil 3 Kap. 37 45 f. ––Checkliste Arbeitszeitverringerung Teil 3 Kap. 37 40 ––Checkliste Vertragsgestaltung Teil 3 Kap. 37 41 ––Definition Teil 3 Kap. 37 4 ––Diskriminierungsverbot Teil 3 Kap. 37 5 ––Elternzeit Teil 3 Kap. 11 42 ff., 48, 53 f., 63, 114, 131, Teil 3 Kap. 37 27 ––Entgelt Teil 3 Kap. 37 8 f. ––Frist Teil 3 Kap. 37 19 ––Gleichbehandlung Teil 3 Kap. 37 5 ––Kündigung Teil 3 Kap. 37 35 ––Lohnsteuerabzug Teil 3 Kap. 37 42 ––Sonderformen Teil 3 Kap. 37 27 ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 37 43 ff. ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 37 42 ––Umsetzung Teil 3 Kap. 37 29 ff.

––Ungleichbehandlung Teil 3 Kap. 37 6 f. ––Vertragsänderung Teil 3 Kap. 37 36 Teilzeitarbeitnehmer Teil 3 Kap. 2 49, Teil 1 2 ––Arbeitslosenversicherung Teil 3 Kap. 37 54, 58 ––Ausbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen Teil 3 Kap. 37 30 ––Job-Sharing Teil 3 Kap. 20 7 ––Krankenversicherung Teil 3 Kap. 37 48 ––Kurzarbeitergeld Teil 3 Kap. 22 26 ––Mehrarbeit Teil 3 Kap. 2 50 ––Rentenversicherung Teil 3 Kap. 37 50, 52 ––Unfallversicherung Teil 3 Kap. 37 59 ––Urlaub Teil 3 Kap. 37 31 ff. ––Versicherungsfreiheit Teil 3 Kap. 37 46 ––Versicherungspflicht Teil 3 Kap. 37 43 Teilzeitarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 2 9 Teilzeitmodell ––Altersteilzeit Teil 3 Kap. 1 12, 22 f., 31, 37 ––Job-Sharing Teil 3 Kap. 20 37 Telearbeit Teil 3 Kap. 38 1, 9 ––Arbeitsort Teil 3 Kap. 38 12 ––Arbeitszeit Teil 3 Kap. 38 39, 42 f. ––Beendigung Teil 3 Kap. 38 25 ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 38 11, 17, 32, 45, 49 ––Betriebsvereinbarung Teil 3 Kap. 38 45 f., 51 ––Bildschirmarbeit Teil 3 Kap. 38 27 ff. ––Checkliste Vertragsgestaltung Teil 3 Kap. 38 51 ––Datenschutz Teil 3 Kap. 38 30 ––Direktionsrecht Teil 3 Kap. 38 13, 17 ––Fahrtkosten Teil 3 Kap. 38 35 ––Merkmale Teil 3 Kap. 38 1 ––Probezeit Teil 3 Kap. 38 16, 19, 47 ––Rückabwicklung Teil 3 Kap. 38 21 f. ––Rückkehr Teil 3 Kap. 38 23 ––Rückrufrecht Teil 3 Kap. 38 40 ––Schutzvorschriften Teil 3 Kap. 38 28 ––Selbstdokumentation Teil 3 Kap. 38 44 ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 38 67 ff. ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 38 52 ––Tätigkeit, nichtselbstständige Teil 3 Kap. 38 52, 68 ––Tätigkeit, selbstständige Teil 3 Kap. 38 67 ––Versetzungsklausel Teil 3 Kap. 38 14 ––Widerrufsrecht Teil 3 Kap. 38 18, 20 ––Wohnungswechsel Teil 3 Kap. 38 13, 24 Telearbeit, alternierende Teil 3 Kap. 38 3

Stichwortverzeichnis 

Telearbeit, mobile Teil 3 Kap. 38 5 Telearbeitsbetriebsvereinbarung Teil 3 Kap. 38 45 ff. Telearbeitsplatz Teil 3 Kap. 38 3, 10 ––Aufwendungserstattungsanspruch Teil 3 Kap. 38 34 ––Betriebsmittel Teil 3 Kap. 38 36 f. ––EDV-Geräte Teil 3 Kap. 38 54 ––Genehmigung Dritter Teil 3 Kap. 38 29 ––Initiativrecht Teil 3 Kap. 38 50 ––Instandhaltung Teil 3 Kap. 38 26 ––Internetanschluss Teil 3 Kap. 38 56 ––Möbel Teil 3 Kap. 38 57 ––Steueroptimierung Teil 3 Kap. 38 64 ––Störung Teil 3 Kap. 38 38 ––Telefon Teil 3 Kap. 38 60 ff. ––Werbungskosten Teil 3 Kap. 38 53, 63 ––Zugang Dritter Teil 3 Kap. 38 30 ––Zugangsrecht Teil 3 Kap. 38 31 Telecenter Teil 3 Kap. 38 4 Teleheimarbeit Teil 3 Kap. 38 2 Territorialitätsprinzip Teil 3 Kap. 12 255, 258 ––Durchbrechen Teil 3 Kap. 12 259 Todesfall ––Altersteilzeit Teil 3 Kap. 1 40 Trainings- und Qualifikationsmaßnahmen ––Transfergesellschaft Teil 3 Kap. 39 34 Transferagentur Teil 3 Kap. 39 4 Transferarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 39 6 f. ––Abgrenzung Outplacement-Leistung Teil 3 Kap. 39 29 ff. ––Arbeitsbedingungen Teil 3 Kap. 39 9 ff. ––Betriebsverfassungsrecht Teil 3 Kap. 39 25 ––Qualifizierungsmaßnahmen Teil 3 Kap. 39 10 ––Sozialversicherungsrecht Teil 3 Kap. 39 35 ––Steuerrecht Teil 3 Kap. 39 27 ff. Transfergesellschaft Teil 1 16, Teil 3 Kap. 39 2 ––Begriff Teil 3 Kap. 39 3 ––Beratungs- oder Verwaltungspauschale Teil 3 Kap. 39 19 ––Betriebsrat Teil 3 Kap. 39 26 ––Betriebsübergang Teil 3 Kap. 39 13 ––Finanzierung Teil 3 Kap. 39 18 ––Lemgoer Modell Teil 3 Kap. 39 14 ––Lohnsteuer Teil 3 Kap. 39 27 f. ––Personalüberlassung Teil 3 Kap. 39 11 ––Pflichten Teil 3 Kap. 39 27 ff. ––Rahmenbedingungen Teil 3 Kap. 39 16 ff. ––Sozialversicherungspflicht Teil 3 Kap. 39 35

 889

––Trainings- und Qualifikationsmaßnahmen Teil 3 Kap. 39 34 ––Vergütung Teil 3 Kap. 39 19 Transferkurzarbeitergeld Teil 3 Kap. 39 9, 17, 20 ––Anspruch Teil 3 Kap. 39 21 ––Berechnung Teil 3 Kap. 39 24 Transfersozialplan Teil 3 Kap. 39 22, 25 Treuhand, einseitige Teil 3 Kap. 23 59 Treuepflicht ––Arbeitnehmer Teil 3 Kap. 9 17, Teil 3 Kap. 27 11 ––Aufsichtsratsmitglied Teil 3 Kap. 4 41 ––Gesellschafter, mitarbeitender Teil 3 Kap. 25 9 Tropentauglichkeitsuntersuchung Teil 3 Kap. 12 19 U Überforderungsklausel ––Altersteilzeitvertrag Teil 3 Kap. 1 10 f. Überforderungsschutz ––Altersteilzeitvertrag Teil 3 Kap. 1 11 Übernachtungskosten Teil 3 Kap. 6 63 Überstunden Teil 3 Kap. 2 29, 44, Teil 3 Kap. 4 34 Überwachungsrecht Teil 3 Kap. 14 28 Umlagepflicht ––ausländische Unternehmen Teil 3 Kap. 12 311 ––Beschäftigung, kurzfristige Teil 3 Kap. 5 91 ff. ––Beschäftigungsverhältnis, hauswirtschaftliches Teil 3 Kap. 17 28 Unfallversicherung Teil 3 Kap. 11 128 ––Beschäftigung, geringfügige Teil 3 Kap. 24 72 f. ––Beschäftigungsverhältnis, hauswirtschaftliches Teil 3 Kap. 17 5, 40 ––Elternzeit Teil 3 Kap. 11 130 ––Haushaltshilfe, ausländische Teil 3 Kap. 17 47 f. ––Teilzeitarbeitnehmer Teil 3 Kap. 37 59 Unternehmen, ausländisches ––Umlagepflicht Teil 3 Kap. 12 311 Unternehmerrisiko ––Freelancer Teil 3 Kap. 14 60 ––Selbstständigkeit Teil 3 Kap. 14 16 Unterrichtungsrecht Teil 3 Kap. 18 40, 48 Urlaub ––Abrufarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 2 15, 17, 59 f., 62, 66

890 

 Stichwortverzeichnis

––Altersteilzeit Teil 3 Kap. 1 29 ––Aushilfsarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 5 21 ––Außendienstmitarbeiter Teil 3 Kap. 6 28 ––Beschäftigungsverhältnis, hauswirtschaftliches Teil 3 Kap. 17 11 ––Elternzeit Teil 3 Kap. 11 62, 65 ff. ––Freistellung Teil 3 Kap. 15 24 f., 32 ––Job-Sharing Teil 3 Kap. 20 29 ––Lebensarbeitszeitkonto Teil 3 Kap. 23 26 ––Minijob Teil 3 Kap. 24 11 ––Mitarbeit, familiäre Teil 3 Kap. 13 16 ––Nebentätigkeit Teil 3 Kap. 27 24 ––Praktikum Teil 3 Kap. 29 20 ––Referendar in Nebentätigkeit Teil 3 Kap. 32 24 ––Selbstständigkeit Teil 3 Kap. 35 2 ––Teilzeitarbeitnehmer Teil 3 Kap. 37 31 ff. ––Verkäufer im Außendienst Teil 3 Kap. 6 28 V Veranlagung Teil 3 Kap. 12 237 Verbrauchereigenschaft Teil 2 17 Verbrauchervertrag Teil 2 17 Vergütung ––Arbeitnehmervertreter Teil 3 Kap. 4 13 f., 22, 24, 84 ––Aushilfsarbeitsverhältnis, studentisches Teil 3 Kap. 36 22 f. ––Außendienstmitarbeiter Teil 3 Kap. 6 22, 67 ––Beschäftigungsverhältnis, hauswirtschaftliches Teil 3 Kap. 17 8 ––Freelancer Teil 3 Kap. 14 24 f. ––Freistellung Teil 3 Kap. 15 13 f. ––Hochschulpraktikum Teil 3 Kap. 29 18 ––Job-Sharing Teil 3 Kap. 20 13 ––Kurzarbeit Teil 3 Kap. 22 102 f. ––Mehrarbeit Teil 3 Kap. 1 107 ––Praktikum Teil 3 Kap. 29 17 f. ––Referendar in Nebentätigkeit Teil 3 Kap. 32 22 ––Rentnerbeschäftigung Teil 3 Kap. 33 30 ––Transfergesellschaft Teil 3 Kap. 39 19 ––Verkäufer im Außendienst Teil 3 Kap. 6 22 Verkäufer im Außendienst Teil 3 Kap. 6 76 ––Bezirksprovision Teil 3 Kap. 6 24 ––Handelsvertreter Teil 3 Kap. 6 2, 4 f. ––Superprovision Teil 3 Kap. 6 25 ––Urlaub Teil 3 Kap. 6 28 ––Vergütung Teil 3 Kap. 6 22 ––Vermittlungs- bzw. Abschlussprovision Teil 3 Kap. 6 23

Verleiher ––Auswahlpflicht Teil 3 Kap. 3 35 ––Grundsatz des equal pay/equal treatment Teil 3 Kap. 3 19 ––Lohnsteuer Teil 3 Kap. 3 65 ––Ordnungswidrigkeiten Teil 3 Kap. 3 63 f. ––Wegfall der Erlaubnis Teil 3 Kap. 3 35 ––Weisungsrecht Teil 3 Kap. 3 53 Verleiher, ausländischer Teil 3 Kap. 3 68 ––Betriebsstätte Teil 3 Kap. 3 68 Verleiher, inländischer Teil 3 Kap. 3 67 ––lohnsteuerliche Pflichten Teil 3 Kap. 3 67 Verletztenrente Teil 3 Kap. 37 61 Vermittlungsagentur Teil 3 Kap. 19 23 f. Vermittlungs- bzw. Abschlussprovision ––Verkäufer im Außendienst Teil 3 Kap. 6 23 Verpfändungsmodell Teil 3 Kap. 1 43, Teil 3 Kap. 23 59 Verpflegungsmehraufwendung Teil 3 Kap. 6 62, 66 Verschwiegenheitsklausel Teil 3 Kap. 32 27 Versetzung ––Auslandseinsatz Teil 3 Kap. 12 9 ––Entsendung Teil 3 Kap. 12 32 Versetzungsklausel Teil 3 Kap. 38 14 Versicherungsfreiheit ––Beschäftigung, kurzfristige Teil 3 Kap. 5 85 ff. ––Mehrfachbeschäftigung Teil 3 Kap. 27 79 ––Praktikum Teil 3 Kap. 29 44 f. ––Rentnerbeschäftigung Teil 3 Kap. 33 63, 68 ––Student Teil 3 Kap. 29 36, Teil 3 Kap. 36 46, 51 ––Teilzeitarbeitnehmer Teil 3 Kap. 37 46 Versicherungsmodell Teil 3 Kap. 23 60 Versicherungspflicht ––Arbeitnehmer Teil 2 103 ––Beschäftigung, geringfügige Teil 3 Kap. 24 47, 49, 57 ––Beschäftigung, kurzfristige Teil 3 Kap. 5 54, 90 ––Elternzeit Teil 3 Kap. 11 132, 134 ––Haushaltshilfe, ausländische Teil 3 Kap. 17 43 ––Mehrfachbeschäftigung Teil 3 Kap. 27 81 ––Praktikum Teil 3 Kap. 29 38, 40, 42 ––Student Teil 3 Kap. 29 37, Teil 3 Kap. 36 44, 53, 65 ––Teilzeitarbeitnehmer Teil 3 Kap. 37 43 Vertretung Teil 3 Kap. 5 13, Teil 3 Kap. 11 90

Stichwortverzeichnis 

––Aushilfsarbeitsverhältnis, studentisches Teil 3 Kap. 36 12 ––Elternzeit Teil 3 Kap. 11 88 f. ––Prognose Teil 3 Kap. 5 14 f. ––Rentnerbeschäftigung Teil 3 Kap. 33 16 f., 19 ––Sachgrund Teil 3 Kap. 5 13, 16, Teil 3 Kap. 36 13, 15 Vertretungspflicht Teil 3 Kap. 20 21 ff., 27 Verwaltungstreuhandvertrag Teil 3 Kap. 23 57 Visum Teil 3 Kap. 12 105, 111, 116, 118, 124 Vollrente Teil 3 Kap. 33 53, 56, 68 Vorankündigungsfrist Teil 3 Kap. 2 34, 39, 41 Vorauszahlung ––Künstlersozialkasse Teil 3 Kap. 21 87 ff. W Wehrdienst ––Arbeitnehmer, ausländischer Teil 3 Kap. 12 177 f. Weisungsgebundenheit ––Referendar in Nebentätigkeit Teil 3 Kap. 32 12 Weisungsrecht ––Arbeitgeber Teil 3 Kap. 6 6, 8, Teil 3 Kap. 12 26, 271, 315 ––Freelancer Teil 3 Kap. 14 53 ––Verleiher Teil 3 Kap. 3 53 Werkstudent Teil 3 Kap. 29 7 Werkstudentenprivileg Teil 3 Kap. 36 45, 47 Werkvertrag Teil 3 Kap. 3 23, Teil 3 Kap. 19 15 ––Leistungsverzeichnis Teil 3 Kap. 3 23 ––Merkmale Teil 3 Kap. 3 24 Werterhaltungsgarantie ––Lebensarbeitszeitkonto Teil 3 Kap. 23 18 Wertguthaben Teil 3 Kap. 23 3, 16, 22 ––Altersteilzeitvertrag Teil 3 Kap. 1 41 f., 44, 85, 115, 118, 121 ff. ––Altersversorgung, betriebliche Teil 3 Kap. 23 97 f., 113 ––Arbeitsentgeltguthaben Teil 3 Kap. 23 12, 20 ––Arbeitslosigkeit Teil 3 Kap. 23 32 ––Auflösung Teil 3 Kap. 23 48 ––Auszahlung Teil 3 Kap. 23 23 ––Besteuerung Teil 3 Kap. 23 75 ––Entgeltumwandlung Teil 3 Kap. 23 98 ff., 102 ––Haftung Teil 3 Kap. 23 50

 891

––Insolvenz Teil 3 Kap. 23 49, 51, 84, 87, 109 ––Kündigung Teil 3 Kap. 23 30 ––nachgelagerte Besteuerung Teil 3 Kap. 23 89 ––Optionsmodell Teil 3 Kap. 23 35 ––Progressionsvorbehalt Teil 3 Kap. 23 91 ––Rückstellung Teil 3 Kap. 23 103 ff., 108 ––Sabbatical Teil 3 Kap. 34 22 ––steuerfreie Umwandlung Teil 3 Kap. 23 77, 82 ––Störfall Teil 3 Kap. 23 28 f., 33, 38, 91, 95 ––Summenfelder-Modell Teil 3 Kap. 23 34 ––Tod Teil 3 Kap. 23 31, 92 ––Übertragung Teil 3 Kap. 23 40 f., 44 ff., 95 f. ––Zeitwertkonto Teil 3 Kap. 23 68, 72 ––Zuschuss Teil 3 Kap. 23 80 Wertguthabenvereinbarung ––Lebensarbeitszeitkonto Teil 3 Kap. 23 5 f., 9, 26, 65 Wettbewerbsverbot ––Minijob Teil 3 Kap. 24 13 f. Wohnsitzstaat Teil 3 Kap. 3 69 ––Aufsichtsratsmitglied Teil 3 Kap. 4 67 ––Entsendung Teil 3 Kap. 12 347 f., 352 ff. ––Grenzgänger Teil 3 Kap. 16 18 f., 22, 25 ––Grenzpendler Teil 3 Kap. 16 28 Z Zeitarbeit Teil 1 3, 13 ––Deregulierung Teil 3 Kap. 28 11 ––Sozialversicherungsbeiträge Teil 3 Kap. 3 55 Zeitarbeitsfirma Teil 3 Kap. 19 7 Zeitbefristung Teil 3 Kap. 7 22 ––Tariföffnungsklausel Teil 3 Kap. 7 13 ––Unternehmensneugründung Teil 3 Kap. 7 14 ––Verlängerung Teil 3 Kap. 7 9 ff. Zeitwertkonto Teil 3 Kap. 23 68, 76 ––geringfügige Beschäftigung Teil 3 Kap. 23 73 ––Wertguthaben Teil 3 Kap. 23 72 ––Zeitwertkontengarantie Teil 3 Kap. 23 72 Zeugnis ––Aushilfsarbeitsverhältnis Teil 3 Kap. 5 23 ––Ehrenamt Teil 3 Kap. 9 50 f. Zusammenballung Teil 3 Kap. 15 44 Zuvorbeschäftigungsverbot Teil 3 Kap. 5 17, Teil 3 Kap. 33 24 f. Zweckbefristung Teil 3 Kap. 7 22, 29, 48