Praxis der Planungs- und Bauökonomie: Architektenaufgaben, Gebäudebetrieb, Anlagenerhalt 9783486599824, 9783486589658

Dieser Band lässt den Leser den Planungsbetrieb des Architekten und den Lebenszyklus eines Gebäudes aus bauökonomischem

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German Pages 369 Year 2008

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Praxis der Planungs- und Bauökonomie: Architektenaufgaben, Gebäudebetrieb, Anlagenerhalt
 9783486599824, 9783486589658

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Bauen und Ökonomie Herausgegeben von Universitätsprofessor Dr. Dietrich-Alexander Möller und Universitätsprofessor Dr.-Ing.Wolfdietrich Kalusche Lieferbare Titel: Kalusche, Projektmanagement für Bauherren und Planer, 2. Auflage Möller, Planungs- und Bauökonomie, Band 1: Grundlagen der wirtschaftlichen Bauplanung, 5. Auflage Möller · Kalusche, Planungs- und Bauökonomie, Band 2: Grundlagen der wirtschaftlichen Bauausführung, 4. Auflage Möller · Kalusche, Übungsbuch zur Planungs- und Bauökonomie, 4. Auflage Oelsner, Praxis der Planungs- und Bauökonomie

Praxis der Planungs- und Bauökonomie Architektenaufgaben, Gebäudebetrieb, Anlagenerhalt

herausgegeben von

Dipl.-Ing. Uta Oelsner 3., vollständig überarbeitete Auflage

OldenbourgVerlag München

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2009 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D -81671 München Telefon: (089) 4 50 51- 0 oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, [email protected] Herstellung: Anna Grosser Coverentwurf: Kochan & Partner, München Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Druck: Grafik + Druck, München Bindung: Thomas Buchbinderei GmbH, Augsburg ISBN 978-3-486-58965-8

V

Vorwort der Herausgeber der Reihe Bauen und Ökonomie Die Planungs- und Bauökonomie, wie sie in den bislang vier Bänden der Reihe „Bauen und Ökonomie“ dargelegt ist, wurde Anfang der 1980er Jahre von Dietrich-Alexander Möller und Wolfdietrich Kalusche begründet und seitdem fortlaufend weiterentwickelt. Sie darf inzwischen als Standard für den planungs- und bauökonomischen Lehrstoff an Hochschulen angesehen werden, wird an einer Vielzahl von Universitäten und Fachhochschulen vermittelt und darf gleichzeitig als unverzichtbares Wissen für die Praxis gelten. Anlässlich des 10-jährigen Bestehens des Lehrstuhls Planungs- und Bauökonomie an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus im Jahr 2006 haben wir mit zahlreichen Fachleuten aktuelle Themen der Planungs- und Bauökonomie in der Praxis diskutiert und dazu schriftliche Beiträge erhalten. So konnten wir eine Vielzahl von Gedanken und Erfahrungen gewinnen, die schließlich zu diesem neuen Band geführt haben. Frau Dipl.-Ing. Uta Oelsner, von 2001 bis 2007 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl in Cottbus, hat die Koordination der Autorenbeiträge und die redaktionelle Bearbeitung des Buches übernommen. Es ist ihr dabei gelungen, aus einer Vielzahl von Themenstellungen einen neuen Band in unserer Reihe zu gestalten, der den Planungsbetrieb des Architekten und den Lebenszyklus eines Gebäudes mit bauökonomischem Blick betrachtet und dabei die folgenden Kapitel umfasst: A Die Aufgaben des Architekten und sein Büro B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen. Die Autoren der im Buch enthaltenen Aufsätze und die Herausgeber der jetzt fünfbändigen Reihe „Bauen und Ökonomie“ bedanken sich bei Frau Oelsner für die erfolgreiche Bearbeitung dieses weiteren Werkes zur Planungs- und Bauökonomie ganz herzlich und hoffen auf eine erfolgreiche Aufnahme des neuen Buches durch einen großen Kreis interessierter Praktiker, Studierender und Lehrender. Cottbus und Dresden im Juli 2008 Wolfdietrich Kalusche

Dietrich-Alexander Möller

VII

Vorwort Die Planungs- und Bauökonomie ist immer noch ein relativ junger Wissenschaftszweig im Studium der Architektur und der Stadt- und Regionalplanung. Annähernd 12 Jahre Lehre am Lehrstuhl Planungs- und Bauökonomie (PBÖK) der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus geben Anlass, besondere Aspekte des wirtschaftlichen Planens, Bauens und Gebäudebetriebs näher zu betrachten und dabei die aktuellen Erfahrungen von Praktikern und Fachkollegen einfließen zu lassen. Die Autoren dieses Buches sind in vielfältiger Weise durch Kontakte in der Lehre und Forschung und in der Anwendung der darin gewonnenen Erkenntnisse mit dem Lehrstuhl verbunden. Das Buch richtet sich an alle Leser, die an Planung, Errichtung und Betrieb von Gebäuden interessiert sind. In über zwanzig Fachaufsätzen wird dargelegt, wie sich aktuell Inhalte der Lehre der Planungs- und Bauökonomie mit der Praxis verzahnen und wie sich aktuelle Erkenntnisse aus der Praxis in der bauökonomischen Ausbildung niederschlagen. Die Themen der Autoren des vorliegenden Buches erstrecken sich von der Betrachtung der wirtschaftlichen Führung eines Architekturbüros mit seinen einzelnen Handlungsfeldern und Aufgabenbereichen der Büroorganisation bis hin zu den Aufgabenfeldern der Architekten, die sich beim Betrieb und Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen im Rahmen des Facility Management ergeben. Ein weites Betätigungsfeld des Architekten heute und auch künftig ist das Bauen im Bestand, ist die Betrachtung des Gebäudebestands mit der Anforderung an strategische Überlegungen und Entscheidungen zum Umgang mit demselben. Das vorliegende Buch gibt Ausblick auf spezielle künftige Betätigungsfelder von Architekten und ergänzt in diesem Sinne die bestehende Reihe Bauen und Ökonomie. Mein Dank gilt für die tatkräftige Unterstützung bei der Entstehung dieses Buches allen Autoren, die durch ihre Beiträge und Erfahrungen das Erscheinen dieses Bandes ermöglichten. Dank besonders an Herrn Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfdietrich Kalusche, wie auch an Frau Dipl.-Ing. Ingeborg Dusatko und Frau Roswitha Kutzner, Lehrstuhl Planungsund Bauökonomie der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus, für ihre Hilfe bei der Vorbereitung des Drucks und die freundliche und fachkundige Unterstützung bei der Herausgabe dieses Buches. Bedanken möchte ich mich ebenso bei Anke Paulenz, Antje Lindemann, Öztur Tur für die aufwändige und umfangreiche Bearbeitung der Abbildungen und Tabellen sowie bei Philipp Kohde, Matthias Krause und Thomas Fütterer für ihre Hinweise und Unterstützung bei der technischen Bearbeitung des Buches. Hervorheben möchte ich besonders die große Sorgfalt bei der Endbearbeitung der Texte und Verzeichnisse, die Frau Löhnert vom Lehrstuhl Baubetrieb und Bauwirtschaft der BTU Cottbus geleistet hat. Uta Oelsner

IX

Inhaltsverzeichnis Vorwort der Herausgeber der Reihe Bauen und Ökonomie ............................V Vorwort ..............................................................................................................VII Inhaltsverzeichnis ............................................................................................... IX Abbildungsverzeichnis ......................................................................................XV Tabellenverzeichnis ......................................................................................... XIX

A

Die Aufgaben des Architekten und sein Büro

1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5

Strategisches Management im Architekturbüro .....................................3 Einleitung .....................................................................................................3 Problemstellung – Synthese zwischen Künstler und Kaufmann ..................4 Zielsetzung und Vorgehensweise der Unternehmensplanung .....................4 Strategische Unternehmensplanung .............................................................5 Schlussbetrachtung ....................................................................................10

2

Vertrag geht vor HOAI ...........................................................................12

3

Fuzzy Logic zur Entscheidungsunterstützung in der strategischen Planung ..............................................................................16 Geschichte und Einsatzgebiete ..................................................................16 Unsere unscharfe Welt ...............................................................................16 Grundlagen ................................................................................................17 Vorgehensweise .........................................................................................18 Beispiel zur Entscheidungsunterstützung in der strategischen Planung ......................................................................................................21 Anmerkungen .............................................................................................25

3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 4 4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.4

Asymmetrische Information im Projektmanagement ..........................28 Einleitung ...................................................................................................28 Theoretische Grundlagen ...........................................................................28 Die Principal-Agent-Theorie im Rahmen der „neueren Institutionenökonomie“ ..............................................................................28 Asymmetrische Information ......................................................................29 Agency-Kosten ..........................................................................................30 Bewältigung von Agency-Gefahren ..........................................................31 Asymmetrische Information im Bauprojektmanagement ..........................31 Die Organisation im Bauprojekt ................................................................31 Auftretende Probleme durch asymmetrische Information .........................33 Klärung des Informationsbedarfs im Projekt .............................................34 Zusammenfassung ......................................................................................35

X 5 5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5 5.2.6 5.2.7 5.2.8 5.2.9 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.4 6

Inhaltsverzeichnis Terminplanung: Aufgabe des Architekten ............................................36 Terminplanung in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure ..................................................................................................37 Hierarchie, Gegenstand und Bezeichnung von Terminplänen ...................40 Terminrahmen ............................................................................................42 Generalablaufplan ......................................................................................46 Grobablaufplan Planung ............................................................................48 Detailablaufplan Planung ...........................................................................48 Grobablaufplan Ausführung ......................................................................50 Steuerungsablaufpläne für die Ausführung ...............................................53 Überprüfen der Zeitpläne ...........................................................................53 Veranlassen der Detailablaufpläne .............................................................53 Zahlungsplan nach Baufortschritt ..............................................................54 Terminkontrolle, Terminsteuerung und Entscheidungen ...........................54 Terminkontrolle .........................................................................................54 Terminsteuerung ........................................................................................56 Entscheidungen ..........................................................................................56 Zusammenfassung und Ausblick ................................................................58

6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.5

Die Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung (AVA) auf der Grundlage des CAD-Entwurfs ................................................................61 Bedeutung des Themas ..............................................................................61 Ausschreibung-Vergabe-Abrechnung im Leistungsbild des Architekten .................................................................................................61 Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis ......................................63 Grundlagen für die Ausschreibung von Leistungspositionen ....................65 Mengenermittlungen zum Leistungsverzeichnis ........................................66 Die Anwendung von Software für die Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung (AVA) von Bauleistungen .....................................................68 Nemetschek mit den Programmen Allplan und Allright ............................69 Anwendung von CAD- und AVA-Software an der BTU Cottbus..............73 Bewertung der Anwendung dieser CAD- und AVA-Software...................81 Hinweise für die weitere Bearbeitung ........................................................82

7 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5

Baucontrolling in Russland .....................................................................84 Controlling in der Bauausführung .............................................................84 Das Beispiel-Projekt ..................................................................................85 Informationsversorgung .............................................................................85 Consulting ..................................................................................................89 Fazit und Ausblick .....................................................................................92

8 8.1 8.2 8.3 8.4

Wirtschaftlichkeit in rationalen Bau-Entscheidungen .........................94 Erfolg .........................................................................................................94 Rational entscheiden ..................................................................................94 Wirtschaftlichkeit .......................................................................................99 Wirtschaftlichkeits-Arten .........................................................................100

6.1 6.2 6.3 6.3.1 6.3.2 6.4

Inhaltsverzeichnis

XI

8.5 8.6 8.7 8.8 8.9 8.10 8.11 8.12 8.13

Aufwand ..................................................................................................101 Nutzen ......................................................................................................102 Wert .........................................................................................................105 Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen ............................................................106 Schwierigkeiten .......................................................................................107 Strategien .................................................................................................108 Beurteilungstechniken ..............................................................................110 Bauwesen .................................................................................................111 Zusammenfassung ....................................................................................115

9

Die Zukunft des Freiraums in der Agglomeration ..............................118

B

Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

1

Die „deutsche“ Wohnungsfrage und die Antwort in- und ausländischer „Heuschrecken“ .............................................................133 Die „deutsche“ Wohnungsfrage ...............................................................134 Abgrenzung der Wohnungswirtschaft von der Immobilienwirtschaft und der Bauwirtschaft sowie Standortbestimmung einiger Fehlentwicklungen ...............................................................................................136 Die Skandale und Pleiten begleiten die Wohnungswirtschaft seit Jahrhunderten (eine Auswahl) ........................................................................139 Der Bäckermeister Gräf aus Nürnberg .....................................................139 Der Häuserspekulant Günter Kaußen ......................................................139 Der Fall „Neue Heimat“ ...........................................................................141 Die Fiktionen des Bewertungswesens und der Fall Schneider ................142 Bauträgeruntreue, Bauherrenmodelle ......................................................144 Ausländische Finanzinvestoren in deutschen Sozialwohnungen .............146

1.1 1.2 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.4 2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5

Dimensionierungsverfahren zur Bestimmung der Personalressourcen im Immobilienmanagement ...............................................150 Einleitung .................................................................................................150 Dimensionierungsansatz ..........................................................................150 Vorgehensmethodik .................................................................................151 Sensitivitätsanalysen ................................................................................154 Projekterfahrungen ...................................................................................155 Fazit .........................................................................................................156 Planen mit Nutzungskosten am Beispiel von landwirtschaftlichen Betriebsgebäuden ........................................................................157 Einleitung .................................................................................................157 Aspekte der Wirtschaftlichkeit von Milchviehbetrieben .........................158 Bedeutung der Planung mit Nutzungskosten ...........................................159 Ermittlung der Wirtschaftlichkeit mit Nutzungskosten ...........................160 Nutzungskosten im Hochbau nach DIN 18960 (08.99) ...........................161

XII

Inhaltsverzeichnis

3.6 3.7 3.8 3.9 3.10 3.11 3.12

Bauökonomie im landwirtschaftlichen Bauen .........................................162 Gegenwärtige Ermittlung der Nutzungskosten in der Landwirtschaft .....163 Betriebskosten – Einflüsse und Vorschläge zur Kostenreduzierung ........164 Vorgehensweise .......................................................................................164 Materialkritik und Evaluation der Ergebnisse .........................................170 Anwendung und Übertragbarkeit .............................................................173 Ausblick ...................................................................................................174

4 4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6 4.3

Facility Management am Planungstisch ..............................................177 Einleitung .................................................................................................178 Planungsfehler .........................................................................................180 Fehlende Räumlichkeiten .........................................................................180 Kommunikation .......................................................................................184 Schmutzfang ............................................................................................186 Natursteinfußboden ..................................................................................186 Edelstahlflächen .......................................................................................189 Inventar ....................................................................................................190 Fazit .........................................................................................................191

5

Dokumentationsleistungen und ihre Bedeutung für den Architekten .............................................................................................192 Grundlagen für Dokumentation ...............................................................194 Qualitätssicherungssysteme .....................................................................195 Validierung und Qualifizierung ...............................................................195 Bedeutung von Validierung und Qualifizierung für den Architekten ......197

5.1 5.2 5.3 5.4 6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5

Bauwerk-Begleit-System – Entwicklung einer Arbeitsplattform für Bauunternehmen .............................................................................202 Ausgangslage ...........................................................................................202 Tendenzen für das Bauwesen ...................................................................207 Konzeption und Aufbau Bauwerk-Begleit-System ..................................213 Schlussfolgerungen ..................................................................................216 Zusammenfassung ....................................................................................217

C

Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

1

Einfluss der Steuerpolitik auf die Wirtschaftlichkeit von Bauinvestitionen .....................................................................................221 1.1 Steuervorteile und Zuschüsse ..................................................................222 1.1.1 Änderung der Abschreibungsregelungen .................................................222 1.1.2 Änderungen des Einkommensteuertarifes und des Solidaritätszuschlages ................................................................................................224

Inhaltsverzeichnis

XIII

1.2

Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit von Bauinvestitionen im Privatvermögen .................................................................................................224 1.2.1 Wirtschaftlichkeitseinfluss bei Eigennutzung ..........................................225 1.2.2 Wirtschaftlichkeitseinfluss bei Vermietung .............................................226 1.3 Zusammenfassung ....................................................................................229 2 2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4

Ökonomie des Stadtumbaus ..................................................................231 Ausgangslage ...........................................................................................231 Betriebswirtschaftliche Vorteilhaftigkeit von Wohnungsabrissen ...........233 Veränderung des Liquiditätsbeitrags durch Abriss ..................................235 Amortisation der Abrissausgaben ............................................................237 Interessenausgleich zwischen den beteiligten Wohnungsunternehmen ...241 Interne Ausgleichszahlungen ...................................................................243 Stadtumbau-Gesellschaft .........................................................................245 Handelbare Rechte oder Pflichten ...........................................................248 Die Modelle im Vergleich ........................................................................253

3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5

Investitionsplanung im Bestand ............................................................256 Einleitung .................................................................................................256 Investitionsplanung im Neubau ...............................................................257 Investitionsplanung im Bestand ...............................................................259 Leistungen des Architekten und Honorierung .........................................262 Fazit .........................................................................................................264

4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6

Vermessen, verplant, verpfuscht – Erfahrungen aus der Bauschadenspraxis .................................................................................266 Schadenursachen ......................................................................................266 Rechtliche Rahmenbedingungen ..............................................................267 Juristische Fallstricke ...............................................................................269 „Vermessen“ ............................................................................................269 „Verplant“ ................................................................................................271 „Verpfuscht“ ............................................................................................272

5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5

Instandhaltung in der Wohnungswirtschaft ........................................274 Ausgangssituation ....................................................................................274 Untersuchungsgegenstand „Instandsetzung“ ...........................................277 Organisation und Prozessoptimierung der Instandsetzung ......................282 Optimierungsansätze für die Instandsetzung ...........................................288 Zusammenfassung ....................................................................................292

6 6.1 6.2 6.3 6.4

Benchmarking: Konzept und Anwendung ..........................................294 Vorbemerkungen .....................................................................................294 Benchmarking-Konzept ...........................................................................295 Benchmarking-Anwendung .....................................................................300 Schlussbemerkungen ...............................................................................307

XIV 7 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 7.7 7.8 8 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 8.7

Inhaltsverzeichnis Die Wirtschaftlichkeit der Instandhaltung von Wohnbauten ...........310 Einleitung und Zielstellung ......................................................................310 Verfahren zur Ermittlung der Wirtschaftlichkeit bei Wohnbauten ..........311 Maßnahmenkatalog für die Schadensdokumentation nach DIN 276 (06.93) ......................................................................................................313 Kostenermittlung für den Maßnahmenkatalog .........................................313 Ermittlung der Modernisierungsumlage ..................................................316 Ermittlung der Rentabilität .......................................................................316 Ausblick und Resümee ............................................................................317 Anwendungsbereiche des Verfahrens zur Ermittlung der Wirtschaftlichkeit .....................................................................................................317 Gewinnung von Kennwerten der Instandhaltung von Plattenbauten.......................................................................................................319 Einleitung .................................................................................................319 Definition und Begriffe ............................................................................320 Denkmalpflegerische Aspekte .................................................................321 Städtebauliche Aspekte – Stadtumbaukonzept (Cottbus) ........................322 BKI Baukosteninformationszentrum der Deutschen Architektenkammern ..................................................................................................325 GWC – Gebäudewirtschaft Cottbus .........................................................328 Fazit und Umsetzung ...............................................................................335

Autoren (alphabetisch) .....................................................................................339 Stichwortverzeichnis .........................................................................................344

XV

Abbildungsverzeichnis A

Die Aufgaben des Architekten und sein Büro

1-1 1-2 1-3 1-4 3-1 3-2 3-3

Beispiel eines Leitfadens zur strategischen Büroführung ............................5 Die vier Perspektiven der Balanced Scorecard ............................................6 Beispiel einer Strategy Map – Verknüpfung der strategischen Ziele ...........8 Beispiel einer Vorgehensweise zur Finanzplanung .....................................9 Zugehörigkeitsgrade ..................................................................................17 Vorgehensweise Fuzzy ..............................................................................18 Kostenverteilung bei der Fallgruppe Entscheidungsstrukturbaum für Bsp. Tomatenkauf ................................................................................19 Regelblock .................................................................................................20 Zugehörigkeitsfunktionen ..........................................................................21 Fuzzifizierung ............................................................................................22 Regelblöcke A und B, Beispiel strategische Entscheidung .......................23 Regelblock B, Zugehörigkeitsfunktionen ..................................................25 Der Architekt bei der Terminplanung.........................................................36 Bekanntmachung eines Architekturwettbewerbes (Auszug) ......................49 Aufgaben Bauherr – Architekt – Ausführende Firmen...............................62 Möglichkeiten der Ausschreibung und Vergabe von Bauleistungen .........64 Beispiel für die Mengenermittlung von Mauerarbeiten ............................67 Flächen- und Raumdefinitionen..................................................................70 Installationsbauteil, neu in Allplan 2006 ...................................................71 Positionsbezogene Visualisierung in Allplan durch Oberflächenvergabe in AVA-Allright ...........................................................................71 Katalogzuordnung für die Materialauswahl ..............................................73 Beispielobjekt für Allplan + Allright ........................................................74 Beispiel einer Übergabedatei für das AVA-System Allright ......................75 AVA-Teil mit SirAdos ...............................................................................75 Stammverzeichnis, gegliedert in Leistungsbereiche (VOB/C, 2000), ohne Mengen ..............................................................................................77 Stämme und Projekte im AVA-Bereich .....................................................78 Verknüpfung vom Grundriss – SirAdos – Stamm CAD/AVA ..................79 AVA-Projekt mit eingespielter CAD-Übergabedatei mit Angebotspreisen, Einheitspreisen (EP) und Gesamtpreisen (GP) .............................80 Beispiel für Preisspiegel – Leistungsverzeichnis Haus (AVA) .................81 Controlling nach Horvath ..........................................................................84 Beispiel – Arbeitsblatt mit Notizen ............................................................87 Beispiel – Graphische Darstellung aus einem Statusbericht ......................88 Beispiel – Detailbericht ..............................................................................89 Veralteter Maschinenpark ..........................................................................91

3-4 3-5 3-6 3-7 3-8 5-1 5-2 6-1 6-2 6-3 6-4 6-5 6-6 6-7 6-8 6-9 6-10 6-11 6-12 6-13 6-14 6-15 7-1 7-2 7-3 7-4 7-5

XVI

Abbildungsverzeichnis

8-1 8-2 8-3 8-4 8-5 8-6 8-7 8-8 8-9 8-10 8-11 8-12 8-13 8-14 8-15 8-16 8-17 8-18 8-19 8-20 8-21 8-22 9-1 9-2 9-3 9-4 9-5 9-6 9-7 9-8 9-9 9-10

Im Sinn der Zielsetzung vorteilhaft = sinnvoll? .........................................94 Entscheidungsablauf ..................................................................................95 Entscheidungsformen .................................................................................97 Manipulation durch Verzerrung .................................................................98 Wirtschaftlichkeit .......................................................................................99 Wirtschaftlich .............................................................................................99 Technische Wirtschaftlichkeit .................................................................100 Aufwand ..................................................................................................102 Nutzen ......................................................................................................102 Das BMW-Hochhaus in München, Arch. Karl Schwanzer .....................103 Brandenburger Tor ...................................................................................104 Gesamtnutzen = Gebrauchsnutzen + Zusatznutzen .................................104 Wert ≠ Preis .............................................................................................105 Gesamtwirtschaftlichkeit .........................................................................106 Asymmetrische Abgrenzungen ................................................................107 Wirtschaftlichkeitsveränderung ...............................................................109 Überblick über Beurteilungstechniken ....................................................110 Komplexität aus Art, Zeit und Region .....................................................111 Wirtschaftlichkeit bei Kostensubstitution und Qualitätssteigerung .........113 Wirtschaftlichkeitssichten von Investor und Nutzer ................................113 Polyökonomisches System Immobilie .....................................................114 Nutzen-Aufwands-Abwägungen: rational, nachvollziehbar, bewusst! ....117 Offengelassenes Bahngelände .................................................................118 Parc Joan Miró, Paris ...............................................................................119 Gewerbepark Kottenforst bei Bonn .........................................................120 Brandenburgpark .....................................................................................122 Wohngebiet an der Luzerner Straße, Basel ..............................................123 Am Landwehrkanal, Berlin, Fränkelufer .................................................124 Oerlikon Park, Zürich Wallisellen ...........................................................125 Ufer der Limmat, Zürich ..........................................................................126 Wahlenpark, Zürich Neu Oerlikon ..........................................................127 Wohngebiet auf dem Gelände der ehemaligen Kreidler Werke, Stuttgart-Zuffenhausen ............................................................................128

B

Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

1-1 1-2 1-3 1-4

Wanderheuschrecke .................................................................................133 Bedürfnis, Bedarf und Nachfrage ............................................................134 Die Abgrenzung von Bau-, Immobilien- und Wohnungswirtschaft ........136 Standortbestimmung von Fehlentwicklungen und möglichen Deliktfeldern ............................................................................................137 Die Motive dargestellt als „Wurzelwerk“ ................................................138 „Feuerdreieck“ und Dreieck der Immobilienspekulation ........................142

1-5 1-6

Abbildungsverzeichnis

XVII

1-7 2-1 2-2 2-3 3-1 4-1 4-2 4-3 4-4 4-5 4-6 4-7 4-8 4-9 4-10 4-11 4-12 5-1 5-2 5-3 6-1 6-2

Fiktionen des Bewertungswesens ............................................................143 Dimensionierungsmodell .........................................................................151 Leistungsmodule ......................................................................................152 Bestandteile der Personalberechnung ......................................................154 Vorgehensweise .......................................................................................165 DIN 32736 Gebäudemanagement ............................................................179 Schrubb- Saugautomat zur Fußbodenreinigung .......................................181 Gerätewagen und Fahreimer ....................................................................181 saurer Reiniger (Desinfektionsreiniger) ...................................................182 Karton Papierhandtücher .........................................................................182 Bodeneinlauf zur Entsorgung des Schmutzwassers .................................183 Repeater in der Mall eines Shopping-Centers ..........................................185 Schmutzfang im Eingangsbereich eines Verwaltungsobjektes ................186 Granitfußböden in WC-Bereichen ...........................................................187 Ausstellungsfußboden mit Colaflecken ...................................................188 Fahrtreppenverkleidung aus Edelstahl mit Fingerprints ..........................189 Ausstellungsstück ....................................................................................190 mechanische Fertigstellung ......................................................................192 Dokumentation .........................................................................................196 Bausteine ..................................................................................................198 Entwicklung der Beschäftigten im Bauhauptgewerbe .............................202 Bauvolumen in Deutschland nach Bausparten und Art der Produzenten (2005) ..................................................................................204 6-3 Entwicklung des Altersscheitels in Deutschland .....................................204 6-4 Veränderung der Arbeitswelt ...................................................................206 6-5 Künftige Unternehmenslandschaft in der Bauwirtschaft .........................208 6-6 Zukunftsanforderungen ............................................................................209 6-7 Lebenszyklus von Bauwerken .................................................................210 6-8 Wertschöpfung und Kundenwert .............................................................211 6-9 Leistungsangebote aus dem Bau- und Dienstleistungsbereich ................213 6-10 Struktur des BBS und Zusammenwirken mit dem Kompetenzpool ........214

C

Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

1-1

Degressive Abschreibungsmöglichkeiten von Wohngebäuden nach EStG § 7(5) Nr.3 ......................................................................................223 Summe der Barwerte der Steuervorteile durch § 10e EStG......................225 Entwicklung der Eigenkapitalrendite einer Eigentumswohnung aus der Sicht des jeweiligen Baujahres ..........................................................227 Entwicklung der Eigenkapitalrendite einer Eigentumswohnung aus der Sicht des jeweiligen Baujahres ...........................................................228 Finanzwirtschaftlich bestimmter Algorithmus für Abrissentscheidungen .........................................................................................234

1-2 1-3 1-4 2-1

XVIII 2-2 2-3 2-4 2-5 2-6 3-1 3-2 3-3 4-1 5-1 5-2 5-3 5-4 5-5 5-6 5-7 5-8 5-9 5-10 5-11 5-12 5-13 6-1 6-2 7-1 8-1 8-2 8-3 8-4 8-5

Abbildungsverzeichnis Baumdiagramm – Variation der Berechnungsparameter .........................235 Indifferenz zwischen Abriss und weiterer Bewirtschaftung in Abhängigkeit von Leerstand, Verbleibensquote und Schuldendienstbelastung ........................................................................................237 Vom Unternehmen zu tragende Abrissausgaben .....................................238 Amortisation der Abrissausgabe durch verbesserte Liquidität nach Abriss bei 50 % Leerstand und 75 % Verbleibensquote ..........................239 Ausgleich durch handelbare Rechte – Modell .........................................249 Phasenmodell des Projektentwicklungsprozesses ....................................257 Verfahrensstufen der Investitionsplanung im Bestand ............................260 Modelle Investitionsplanung im Neubau und im Bestand .......................261 Schadenursachen ......................................................................................267 Verteilung des finanziellen Gesamtaufwandes ........................................275 Verteilung des Instandsetzungs-Aufwandes nach Kostenklassen ............276 Verteilung des finanziellen Instandsetzungs-Aufwandes nach Gewerken .................................................................................................277 Kostenverteilung bei der Fallgruppe „Reparaturen“ ................................279 Kostenverteilung bei der Fallgruppe „Höherwertige Teile“ ....................279 Abrechnungsverhalten von Auftragnehmern bei der Instandsetzung ......280 Preiswettbewerb der Anbieter von Instandsetzungsleistungen nach öffentlicher Ausschreibung ......................................................................281 Einheitspreisbildung nach öffentlichem Wettbewerb ..............................282 Organisationsformen bei der Abwicklung der Instandsetzungs – Leistungen ................................................................................................283 Beispiel einer Festpreisbeschreibung nach dem „VERA-Verfahren“.......285 Beispiel einer Festpreisfindung ................................................................290 Einsparpotentiale durch Leistungs-Pauschalierungen ..............................290 Prinzip einer Handwerker-Kopplung .......................................................291 Grafische Darstellung des Kostenplans ...................................................297 Standorte der untersuchten Bürogebäude des MGB im Großraum Zürich .......................................................................................................301 Aufbau Verfahren der Ermittlung der Wirtschaftlichkeit ........................311 Unterteilung der Instandhaltung; DIN 31051 (06.03), S. 2 .....................320 Abbruchmaßnahmen in der Berthold Brecht Straße in Cottbus durch die GWC ..................................................................................................330 Turnower Strasse in Cottbus nach der Instandsetzung ............................331 Kurzexposé 1-Raumwohnung Wehrpromenade 1 in Cottbus, instandgesetzt ...........................................................................................333 Instandhaltungsnormative – Dachdecker .................................................334

Die Autoren der Aufsätze sind eigenverantwortlich für die Herkunft und Verwendung der in ihren Aufsätzen abgebildeten Darstellungen und dafür, dass Rechte Dritter durch die Darstellung nicht verletzt werden. Die Darstellungen werden als Zitat verwendet und dienen der Lehre.

XIX

Tabellenverzeichnis A

Die Aufgaben des Architekten und sein Büro

5-1

5-7 5-8 5-9 6-1

Die Terminplanung im Leistungsbild Objektplanung für Gebäude, Freianlagen und Raumbildenden Ausbau des § 15 HOAI:1996-01 ...........38 Ebenen der Terminplanung nach AHO.......................................................41 Zusammenhang der Projektstufen (AHO) und Leistungsphasen (HOAI)........................................................................................................42 Vorgänge der Terminplanung und Alternativen der Projektdurchführung........................................................................................................43 Terminrahmen für ein Bauprojekt, dargestellt als Terminliste ...................46 Detailablaufplanung Planung der Grundlagenermittlung als Terminliste ..................................................................................................50 Die Abfolge der Fachlose von Rohbau, Ausbau und Gebäudetechnik.......52 Terminkontrollunterlage zum Soll-Ist-Vergleich – Muster ........................55 Entscheidungsliste für ein Bauprojekt – Muster .........................................57 Leistungsbereich 012 Mauerarbeiten ..........................................................64

B

Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

1-1 1-2 1-3 3-1

Aktiva ......................................................................................................143 Aufwendungen .........................................................................................144 Zielunternehmen ......................................................................................146 Anteil der einzelnen Kostengrupppen an den Betriebskosten nach DIN 18960 (08.99) ...................................................................................168

C

Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

1-1

Rendite einer Eigentumswohnung aus der Sicht des Jahres 1990 (Eigenfinanzierung) .................................................................................226 Rendite einer Eigentumswohnung aus der Sicht des Jahres 2006 (Eigenfinanzierung) .................................................................................227 Festsetzung des Kurses für Abriss-Freistellungs-Zertifikate ...................251 Modelle des Nachteilsausgleichs im Vergleich .......................................253 Leistungsbild: Investitionsplanung im Bestand .......................................262 Die wichtigsten Beweismittel ..................................................................268 Übersicht Verjährungsfristen ...................................................................268

5-2 5-3 5-4 5-5 5-6

1-2 2-1 2-2 3-1 4-1 4-2

XX

Tabellenverzeichnis

5-1 5-2 5-3

Analyse der Instandsetzungs-Abrechnungsdaten .....................................278 Verteilung gestellter Rechnungen auf Firmen .........................................278 Vergleich der Abrechnungen nach Zeitvertrag und „VERAVerfahren“ ...............................................................................................286 Vergleich der Abrechnungsverfahren ......................................................287 Beispiel einer Pauschalbeschreibung für eine Komplettleistung .............289 Kosteneinsparungen durch Prozessoptimierung ......................................291 Kostenkennwerte [CHF/m2 Hauptnutzfläche und Jahr] und deren Kosteneinflussfaktoren ............................................................................299 Objektinformation der sechs untersuchten Bürogebäude des MGBPortfolios ..................................................................................................302 Baunutzungskosten der untersuchten Bürogebäude des MGB ................303 Kostenvergleich der Verwaltung .............................................................304 Kostenvergleich der Abwasser-, Wasser-, Gasanlagen ...........................305 Kostenvergleich der Wärmeversorgungsanlagen .....................................305 Kostenvergleich zu Starkstromanlagen ....................................................305 Kostenvergleich der Reinigung und Pflege .............................................306 Kostenvergleich der Instandhaltung ........................................................307 Schadensdokumentation nach DIN 276 Kosten im Hochbau (06.93) .....312 Maßnahmenkatalog für die Schadensdokumentation nach DIN 276 .......314 Kostenermittlung für den Maßnahmenkatalog .........................................316 BKI Codierung nach KG.AK.AA; Baukosteninformationszentrum, Stuttgart ....................................................................................................327

5-4 5-5 5-6 6-1 6-2 6-3 6-4 6-5 6-6 6-7 6-8 6-9 7-1 7-2 7-3 8-1

1

A

Die Aufgaben des Architekten und sein Büro

Wirtschaftliches Handeln beim Betreiben eines Architekturbüros steht in Anbetracht des zunehmenden Wettbewerbsdrucks heute mehr denn je im Vordergrund. Eine bedeutende Rolle spielen dabei das Projektmanagement, die strategische Planung eines Büros, das Treffen von Entscheidungen und umfassendes Planen von Terminen sowie eine den heutigen Verhältnissen angepasste Vertragsgestaltung und das Controlling. Wege der strategischen und zielorientierten Unternehmensplanung für Architekten legt Gunnar Gombert (Kapitel 1) in Form eines praxisorientierten Leitfadens zur nachhaltigen und profitablen Büroführung dar. Von grundlegender Bedeutung für die Sicherung der Finanzsituation eines Architekturbüros ist die Sicherung der Honorare. Inwieweit das Hinausschieben der Vertragsabschlüsse auf einen späteren Zeitpunkt der Projektrealisierung eine Gefährdung der Honorarvorstellungen des Architekten nach sich zieht und darauf, dass das mit der HOAI festgelegte Preisrecht allein nicht als verlässliche Sicherung zu betrachten ist, sondern vielmehr der Vertrag eindeutig Vorrang vor diesem Preisrecht hat, weist Klaus Eschenbruch (Kapitel 2) anhand eines Beispiels zur Urteilssprechung hin. Die Strategische Planung im Architekturbüro basiert auf aussagekräftigen und eindeutigen Entscheidungen. Herbert Dirnberger (Kapitel 3) stellt Fuzzy Logic als Instrument vor, um den menschlichen Entscheidungsprozess transparent zu machen. Er verdeutlicht an Beispielen, wie Fuzzy Logic mit Ungenauigkeiten und Toleranzen arbeitet, subjektive Einschätzungen und/oder exakte Werte über untereinander verknüpfte Regeln zu einer eindeutigen Entscheidung führt und so der Unterstützung von Entscheidungen im Planungsprozess dienen kann. Mit dem Thema des zielorientierten rationalen Entscheidens als Grundlage für wirtschaftliches Handeln setzt sich Peter Richter auseinander (Kapitel 8). Er regt in seinem Aufsatz dazu an, in der Betrachtung über das derzeit weit verbreitete kurzfristige Kostensenkungs-Denken hinaus hin zur Förderung von rationalen, nachvollziehbaren, bewussten Nutzen-Aufwands-Abwägungen zu gelangen. Über das Thema zu treffender Entscheidungen hinaus, wird von Martin Schieg (Kapitel 4) die Qualität des Informationsflusses und die Beziehung zwischen den Auftragnehmern und dem Bauherrn als Auftraggeber hinsichtlich Effektivität und Optimierung der Informationsverteilung im Sinne eines Projekterfolgs näher betrachtet. Die sorgfältige Terminplanung ist eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung eines Bauvorhabens. Im Architektenvertrag, soweit er schriftlich vereinbart wird, findet zwar meist der Fertigstellungstermin des Bau-

2 vorhabens Erwähnung, die Art und der Umfang der Terminpläne wird allerdings in den wenigsten Fällen ausdrücklich geregelt. Wolfdietrich Kalusche gibt hierzu praktische Hinweise (Kapitel 5). Die Anwendung von elektronischer Informations- und Datenverarbeitung im Planungsbüro ist heute selbstverständlich. Ingeborg Dusatko (Kapitel 6) legt dar, wie diese in Verbindung mit CAD speziell bei der Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung (AVA) auch in Lehrveranstaltungen zur Anwendung kommen kann. Mit der Internationalisierung und Globalisierung des Bauwesens kommen neue hohe Anforderungen auf Architekten zu. Für sie ist eine sorgfältige Vorbereitung auf künftige Projekte im Ausland unerlässlich. Welche Anforderungen Bauvorhaben im Ausland hinsichtlich der länderspezifischen Aspekte an das Controlling stellen, zeigt ein von Tristan Kunze und Markus G. Viering (Kapitel 7) dargestelltes Beispiel eines Bauvorhabens in Russland. Und nicht zuletzt gehört die Betrachtung der Bedeutung und der Zukunft des Freiraums in unserer gebauten Umwelt zu den wichtigen Themen, dem sich der Fachaufsatz über den Wert der Landschaft von Monika Daldrop-Weidmann (Kapitel 9) widmet.

3

1

Strategisches Management im Architekturbüro Ein Leitfaden zur zielorientierten Unternehmensplanung Gunnar Gombert

Aufgrund des zunehmenden Wettbewerbdrucks ist eine strategische und zielorientierte Unternehmensplanung für Architekten unumgänglich geworden, um langfristig am Bauplanungsmarkt zu überleben. Ein praxisorientierter Leitfaden zur nachhaltigen und profitablen Büroführung wird aufgezeigt. Schwerpunkte bilden neben Situationsanalyse, Vision und Mission die strategischen Unternehmensziele, die perspektivisch strukturiert und in Form der Strategy-Map miteinander verbunden werden. Daraus werden strategische Maßnahmen abgeleitet und die zukünftige Finanzsituation simuliert.

1.1

Einleitung

Belastung und Hektik im Tagesgeschäft verstellen oft den Blick auf das Wesentliche: Was kommt nach diesem Auftrag? Wie bleibt das Büro wettbewerbsfähig? „Dabei ist es wichtiger denn je, die Zukunft zu planen. Bestehen kann nur, wer eine klare Unternehmensstrategie für die nächsten Jahre festlegt und konsequent nach wirtschaftlichen Zielen handelt.“ (vgl. Haeder, 2006, S. 53) [1]. Die strategische und zielorientierte Unternehmensplanung gehört daher zu den zentralen Aufgaben der Führungsspitze eines Architekturbüros. Die Erarbeitung der Unternehmensvision und -mission, strategischer Ziele, Kennzahlen, Zielwerte sowie konkreter Maßnahmen muss forciert werden. Den Aufgaben des Strategischen Managements innerhalb eines Architekturbüros wird zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, so dass ein hohes Umsetzungspotenzial von Seiten der Büros zu erschließen ist. Strategisches Management – Das Wesen des Strategischen Managements hat seinen Ursprung in der Militärwissenschaft (Stratos = Heer, agos = Führer). Es ist eine spezifische Denkweise über die Entwicklung von Unternehmen und beinhaltet die Konsistenz aller Entscheidungen und Handlungen. „Die Schaffung und Sicherung von Erfolgspotentialen durch die Entwicklung und den Einsatz aller Kräfte eines Unternehmens stehen dabei im Vordergrund.“ (vgl. Müller-Stewens, Lechner, 2005, S. 16) [2]. „Der Architektenberuf“ – Das Selbstverständnis der Architekten hat seinen Ursprung im Handwerk und in der Kunst. „Im Wesentlichen kann der Beruf des Architekten alle Projektphasen im Lebenszyklus eines Gebäudes beinhalten. Es han-

4

A Die Aufgaben der Architekten und sein Büro

delt sich um die funktionale, ästhetisch gestaltende, wirtschaftliche und technische Planung von Bauwerken.“ (vgl. Kromik, 1999, S. 5) [3].

1.2

Problemstellung – Synthese zwischen Künstler und Kaufmann

Von Seiten der Architekten war das Interesse an der Zusammenführung der Disziplinen bisher eher gering, da die Bauplanungsbranche sich lange Zeit in den „Goldenen Jahren“ befand. Mittlerweile erkennen Architekten, dass ein Wandel notwendig ist, jedoch praktische, branchenspezifische Werkzeuge zur Unternehmensführung Mangelware sind und Grundlagen dazu fehlen. Hinzu kommt, dass sich die freien Architekten meist mehr als Künstler, statt als Unternehmer sehen. Somit blieben Ihnen bisher oft Werkzeuge der modernen Unternehmensführung verschlossen, die von anderen Branchen längst seit Jahren erfolgreich genutzt werden. Aufgrund der Globalisierung und Liberalisierung der Märkte verstärkt sich auch der Wettbewerbsdruck auf Architekturbüros. „Strategien werden nicht abgeleitet und implementiert.“ (vgl. Inmit, 2004, S. 7) [4]. Die Mehrheit der planenden Berufe ergibt sich ohnmächtig dem Schicksal Baukonjunktur, Preiskampf und nicht vergüteter Leistungen. Ein wachsendes Interesse an branchenspezifischen Management Tools zur strategischen und profitablen Büroführung ist daher zu verzeichnen und notwendig. Zu den internen Problemstellungen gehört eine nur selten vorhandene Vision, die die Grundlage eines Strategieplans bildet. Häufig fehlen strukturierte, eindeutige Ziele sowie eine Verknüpfung zwischen Maßnahmen und Zielen. Mangelndes Wissen über notwendige ergebnis- und erfolgsorientierte Kennzahlen führen zu unzureichendem Controlling und oft zu unrentablen Projekten. Das Marktumfeld wird zu wenig beobachtet, sodass sich Büros nur selten bedarfsorientiert verhalten und ihr Leistungsbild – oft streng an der HOAI orientiert – nicht rechtzeitig anpassen.

1.3

Zielsetzung und Vorgehensweise der Unternehmensplanung

Ein erster Schritt aus der Misere ist die Erarbeitung einer Strategie, um fortlaufend auf externe und interne Herausforderungen reagieren zu können. Ziel ist es, Büroinhabern einen Leitfaden zur zielorientierten Büroführung aufzuzeigen, um eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation zu erreichen. Es wird eine solide Grundlage geschaffen, um den Erfolg, die Wettbewerbsfähigkeit und die Rendite der Büros zu erhöhen.

1 Strategisches Management im Architekturbüro

5

Externe Analyse

SWOT Analyse

Interne Analyse

Kundenanalyse, Marktanalyse Porters Five Forces, ...

Strenghts Weaknesses Opportunities Treats Vernetzungsmatrix

Produkt-, Dienstleistungs-, Erfolgsfaktorenanalyse, ...

Vision, Mission

Strategische Ziele Kennzahlen und Zielwerte Finanz-, Kunden-, Prozess-, Potentialperspektive

Strategy Map Finanz-, Kunden-, Prozess-, Potentialperspektive

Feedback & Lernen

Feedback & Lernen

Finanz-, Kunden-, Prozess-, Potentialperspektive

Konkrete Maßnahmen - Strategische Initiativen Finanz-, Kunden-, Prozess-, Potentialperspektive

Simulation der Initiativen - Finanzplanung Umsatz, Deckungsbeitrags-, Fixkosten-, Erfolgs-, Finanzplanung, Planbilanz, Kennzahlen

Strategie Implementierung + Strategie Anpassung Unternehmens-, Niederlassungs-, Bereichs-, Projektstrategie

Abb. 1-1

1.4

Beispiel eines Leitfadens zur strategischen Büroführung

Strategische Unternehmensplanung

Situationsanalyse Der Leitfaden beginnt mit einer Situationsanalyse des Bauplanungsmarktes (extern) und des Unternehmens (intern). Diese mündet in der SWOT-Analyse. Marktanalyse (Extern) – Die Außenperspektive beschreibt den Bauplanungsmarkt und zeigt die Chancen und Risiken der Branche auf. Sie ist vergangenheitsorientiert, prognostiziert aber auch zukünftige Marktentwicklungen. Wesentliche Wettbewerber und Bauherren werden analysiert sowie zukünftige Geschäftsfelder identifiziert. Sie liefert somit ihren Beitrag (Opportunities, Threats) zur SWOTAnalyse. Büroanalyse (Intern) – Die Innenperspektive gibt einen Einblick in das Architekturbüro. Sie zeigt die internen Stärken und Schwächen auf. Projektarten, Objektmaßnahmen, ggf. Niederlassungen sowie Leistungsphasen werden in Bezug auf Umsatzvolumen und -rendite analysiert sowie Branchenerfolgsfaktoren evaluiert, um Entscheidungen zur strategischen Positionierung des zukünftigen Portfolios und die strategische Ausrichtung zu fällen.

6

A Die Aufgaben der Architekten und sein Büro

SWOT – Innerhalb der SWOT-Analyse werden externe Chancen und Risiken mit internen Stärken und Schwächen vernetzt. Mit dem Vorbau der Situationsanalyse folgt die Strategieplanung. Aus der SWOT-Matrix wird die strategische Richtung deutlich, sodass strategische Unternehmensziele formuliert werden können. Ganz zu Beginn einer jeden Unternehmung steht jedoch eine Vision. Vision und Leitbild „A vision is an almost impossible dream.” (Kotler). Eine Unternehmensvision ist abstrakt und kann damit über einen längeren Zeitraum als Leitmaxime bestehen. „Sie zeichnet sich durch folgende Charakteristika aus: Zukunftsorientierung, Integrationsfunktion, Verständlichkeit, emotionale Wirkung und Motivationsfunktion.“ (vgl. Jossé, 2005, S. 27-28) [5]. Die Vision steht an oberster Stelle. Im Rahmen der Strategiegenese bildet sie die Ausgangsbasis für alle nachfolgenden Schritte der Strategieplanung. Sie schwebt als „Wolke des Ganzen“ über dem kompletten Strategieprozess. „We shall build good ships here. At a profit – if we can. At a loss – if we must. But always good ships” (Huntington, um 1900). Die Mission hingegen oder auch das Leitbild, beinhaltet den Auftrag des Architekturbüros und gibt die Spielregeln vor, wie Ziele erreicht werden sollen. Strategische Ziele Ausgangspunkt der Strategieplanung sind neben Situationsanalyse, Vision und Mission die strategischen Ziele. Diese werden in finanz-, bauherren-, prozess- und lernperspektivische Ziele nach dem Vorbild der Balanced Scorecard unterteilt. „Mit diesen Perspektiven wird die Unternehmung aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, die Erfolgspotentiale darstellen und strategisch bedeutsam sind, da über sie letztlich der Gewinn erzielt wird. Ausgangsbasis sind die klassischen vier Perspektiven.“ (vgl. Kaplan; Norton, 1997, S. 9) [6]. Bei der Wahl der Ziele ist darauf zu achten, dass sie einen logischen Ursache-Wirkungszusammenhang bilden, d. h., dass Ziele einer Perspektive auf solch einer übergeordneten Perspektive wirken.

Finanzperspektive Ziel, Indikatoren, Zielwerte, Verantwortlichkeit

Mitarbeiterperspektive Ziel, Indikatoren, Zielwerte, Verantwortlichkeit

Vision

Kundenperspektive Ziel, Indikatoren, Zielwerte, Verantwortlichkeit

Prozessperspektive Ziel, Indikatoren, Zielwerte, Verantwortlichkeit

Abb. 1-2

Die vier Perspektiven der Balanced Scorecard

1 Strategisches Management im Architekturbüro

7

Finanzperspektive – Wie muss das Architekturbüro aus den Augen ihrer Kapitalgeber aussehen? Die finanzwirtschaftliche Perspektive gilt als die wichtigste, da hier Resultate (z. B. Gewinn, Umsatz, Cashflow) fokussiert werden. Allerdings stellt diese Perspektive bzw. deren Ziele nur das Ergebnis der betrieblichen Tätigkeit dar, nicht aber dessen Zustandekommen, worüber die anderen Perspektiven etwas aussagen. Insofern sind finanzwirtschaftliche Ziele immer Endziele der übrigen Perspektiven. „Dies schließt auch ein, dass eine Steuerung vornehmlich über die anderen Perspektiven erfolgt.“ (vgl. Jossé, 2005, S. 30) [5]. Bauherrenperspektive – Wie muss das Architekturbüro aus den Augen ihrer Bauherren und ihres Marktes aussehen? In dieser Perspektive werden Kunden- und Marktsegmente fokussiert, in denen das Büro tätig ist und sein möchte (z. B. Auslandsmarkt, neue Geschäftsfelder). Prozessperspektive – Welche internen Abläufe benötigt das Architekturbüro zur Erreichung der Ziele aus der Bauherren- und der Finanzperspektive? Die Prozessperspektive ist die dritte klassische Ebene, aus deren Blickwinkel die Gesamtunternehmensstrategie betrachtet und verdeutlicht werden soll. Gegenstand sind grundsätzlich alle betrieblichen Prozesse (z. B. Akquise-, Beratungs-, Entwurfs-, Planungsprozesse). Bei den Zielen der Prozessperspektive geht es um die drei Dimensionen Zeit, Kosten und Qualität, die in enger Beziehung zueinander stehen. Auch hier werden die Ziele ausgewählt, die am besten geeignet sind, die Strategie zu verwirklichen. Mitarbeiter-/Potentialperspektive – Welche internen Potentiale und Fähigkeiten muss das Architekturbüro zur Erreichung der vorherigen Ziele aufbauen? Als vierte klassische Perspektive untersucht die Mitarbeiter-, Potential- oder Lern- und Entwicklungsperspektive das Büro aus dem Blickwinkel der Mitarbeiter sowie der Informationsversorgung. Sie bildet die Basis für alle darüber stehenden Perspektiven. Indikatoren und Zielwerte „What gets measured gets done.” (Kaplan). Die formulierten Ziele müssen nun mit Indikatoren und Zielwerten (z. B. 10 % Umsatzrendite/Jahr, 5 Einladungen zu VOF-Verfahren/Jahr) versehen werden, um das Erreichen oder Nichterreichen messbar und somit kontrollierbar zu machen. Deshalb ist es entscheidend, sich auf wenige wesentliche Ziele zu beschränken, um den Verwaltungsaufwand gering zu halten. Die Feststellung der Istwerte ist als Vergleichsbasis unumgänglich, um Zielwerte in den nächsten Perioden festzulegen. Zudem sollten für die Zukunft Eskalationsprinzipien im Falle relevanter Zielabweichungen definiert werden, um von Beginn an die Stellschrauben zu kennen. „Sind alle Ziele der Perspektiven definiert und wurden daraus die Messgrößen mit ihren Ist- und Zielwerten abgeleitet sowie die entsprechenden Maßnahmen ausgewählt, so würden vier Scorecards vorliegen, die alle beschlossenen Inhalte zusammenfasst.“ (vgl. Jossé, 2005, S. 5657) [5].

8

A Die Aufgaben der Architekten und sein Büro

Strategy-Map Die Strategy-Map dient als Hilfsmittel zur Strukturierung des Strategieprozesses und soll hier keineswegs mystifiziert werden. Sie soll die Komplexität durch individuelle und klar verständliche Strategiebotschaften reduzieren. Themen und methodisches Vorgehen sind standardisierbar, nicht aber die Antworten auf Fragen wie: Welche Märkte? Welche Bauherrengruppen? Welche Projekte? Welche Alleinstellungsmerkmale? Welche Akquisitionskanäle? Welche Prozessstruktur? Welche Kernkompetenzen?. Vision „Erfolgreichste deutsche Architekten im Ausland, Bauherrenzufriedenheit, überdurchschnittlicher Rendite“

Finanzperspektive Jahresumsatz steigern

Umsatzwachstum im Ausland

Steigerung der Umsatzrendite

Kundenperspektive Markterschließung im Ausland

Spezialisierung auf Wohngebäude

Spezialisierung auf Energieeffizientes Bauen

Prozessperspektive Aquisitionsoptimierung

Verbesserung der Planungsprozesse

Lernperspektive

Aufbau von ausl. Markt-Know-how

Steigerung des SpezialKnow-hows

Professionalisierung der Personalplanung

Mission

Abb. 1-3

„Bauherrenorientierung, Leidenschaft, Werte, Kommunikation, Weiterentwicklung

Beispiel einer Strategy-Map – Verknüpfung der strategischen Ziele

Bei der Auswahl der Ziele wurde darauf geachtet, dass sie in einem logischen Ursache-Wirkungszusammenhang stehen, d. h., dass Ziele einer Perspektive auf solch einer übergeordneten Perspektive wirken. In einem Ursache-Wirkungsdiagramm werden nicht sämtliche denkbaren, sondern nur die wesentlichen und direkt beeinflussenden Verbindungen abgebildet. Die dargestellten Beziehungen werden damit zwar nicht bewiesen, aber in einen plausiblen Zusammenhang gebracht, der über die Visualisierung der Strategy-Map kommuniziert werden kann. Diese Abbildung ist somit wesentlicher Bestandteil und Kommunikationselement einer komplexen Strategie.

1 Strategisches Management im Architekturbüro

9

Strategische Maßnahmen Bei einem Strategieplan sind die konkreten Maßnahmen entscheidend. Eine Auflistung aller geplanten Initiativen und die Untersuchung auf deren strategischen Zielbeitrag sind daher von großer Bedeutung. Dies geschieht durch die Sammlung von Einzelmaßnahmen für jedes strategische Ziel sowie durch Priorisierung und Auswahl der Maßnahmen, die sich in der aktuellen Situation und mit den vorhandenen Ressourcen realisieren lassen. Der Nutzen für das Architekturbüro ist ein bereinigtes Maßnahmenportfolio nach strategischen Kriterien und eine Zusammenstellung von Maßnahmen zur Umsetzung der strategischen Zielsetzungen. Finanzsimulation Ausgangs GuV

1

3 Umsatzplanung 4

Fixkosten Variable Kosten

DB-Plan

(Deckungsbeit.)

5

Ausgangsbilanz Aktiva Anlagevermögen Umlaufvermögen Rechnungsabgrenzungen

Fixkosten

Erfolgsplan

7 Finanzplan

(Delta)

Unternehmensergebnisse nach Steuern +/- Korrekturen (AfA. Rückstellungen, akt. Eigenl., ...) = I Cashflow + Working Capital (+/- Lieferford.,-verbindlichkeiten, UV, ...) + III Langfristbereich (- Investitionen, +/- Verbindlichkeiten) + IV Gesellschafterbereich (+ Einlagen, - Entnahmen) = V Geldbedarf/ -überschuss

9

Kennzahlen im Erfolgsbudget: Mindestumsatz, Honorar-, Projektgrößenspielraum, usw. ROX-Kennzahlen: ROI (Gesamtkapitalrentabilität), ROE (Eigenkapitalrentabilität), ROS (Umsatzrentabilität)

Abb. 1-4

Passiva Eigenkapital Rückstellungen Verbindlichkeiten Rechnungsabgrenzungsp. Haftungsverhältnisse

6 (Plan G + V)

Planumsatz (Umsatzziel) - Variable Kosten = Deckungsbeitrag - Fixkosten = Betriebsergebnis +/- Überleitung (+ Kalk. AfA, Zinsen, .../ - Buchh. AfA, FK-Zinsen,...) = Unternehmensergebnis - Steuern = Unternehmensergebnis nach Steuern

Kennzahlen

2

Planbilanz

8

Aktiva Passiva Anlagevermögen Eigenkapital Umlaufvermögen Rückstellungen Rechnungsabgrenzungen Verbindlichkeiten Rechnungsabgrenzungsp. Haftungsverhältnisse

Beispiel einer Vorgehensweise zur Finanzplanung

In Form einer Finanzplanung werden nun zur Überprüfung der Zielwerte, die Umsetzung der Maßnahmen für die nächsten Wirtschaftsjahre simuliert. Die Investition in immaterielle Vermögenswerte mit dem Ziel des langfristigen Umsatzwachstums steht üblicherweise in Konkurrenz zur Reduktion der Kosten für kurzfristigen finanziellen Erfolg. Kurzfristige Ergebnisse können immer erzielt werden, indem langfristige Investitionen – häufig unbemerkt – geopfert werden. Daher ist der Ausgangspunkt einer Strategie der Ausgleich und die Verbindung zwischen den

10

A Die Aufgaben der Architekten und sein Büro

kurzfristigen finanziellen Zielen der Kostenreduktion und der Produktivitätssteigerung mit dem langfristigen Ziel des profitablen Wachstums. Die Umsatzplanung basiert auf prognostiziertem Honorarvolumen zukünftiger sowie laufender, aktueller Projekte sowie auf Soll-Umsätze der Strategieplanung. Deckungsbeitragsrechnung und Fixkostenplanung orientieren sich an den strategischen Zielen. Aus diesen Daten wird der Erfolgsplan erstellt, der die Grundlage des Finanzplans bildet. Daraus resultiert die Planbilanz. Abschließend werden Kennzahlen generiert, um die Steuerung des Unternehmens zu gewährleisten. Mit den Kennzahlen soll die Rentabilität des Architekturbüros dargestellt werden. Neben dem EBIT, bilden die Rendite in Bezug auf das gesamte eingesetzte Kapital (ROI), das eingesetzte Eigenkapital (ROE) sowie auf die erwirtschafteten Umsätze (ROS) wichtige Kennzahlen.

1.5

Schlussbetrachtung

Eine strategische Unternehmensplanung wird niemals die Zahl der Auftragseingänge oder die Rentabilität erhöhen, wenn nach einem theoretischen Planungsprozess keine Implementierung der Strategie stattfindet. Ein kontinuierliches Controlling der Kennzahlen sowie die flexible Anpassung der Strategie als Reaktion auf den Markt sind zu berücksichtigen. Es ist entscheidend, die richtigen Ziele und Indikatoren zu wählen, da diese letztlich professionell umgesetzt werden. Daher sind eine sehr gute Marktkenntnis sowie unternehmerisches Denken und Handeln noch immer wesentlich. „Strategie ist immer das Ergebnis geglückter Vorausschau. […] Deshalb müssen Unternehmen dabei möglichst viele, auch kontroverse Meinungen zulassen und Experimente mit kalkulierbarem Risiko auf allen Ebenen erlauben.“ (Hamel). Literatur [1] HAEDER, Kai: Vorausschauend planen – gezielt handeln. Strategische Unternehmensplanung für Architekten, 2006 [2] MÜLLER-STEWENS, Günter; LECHNER, Christoph: Strategisches Management. Wie strategische Initiativen zum Wandel führen. Stuttgart, 2005 [3] KROMIK, Wolfgang: Das Architekturbüro. Rechtsgrundlagen, Vertragswesen, Organisation. Düsseldorf, 1999 [4] INMIT (Hrsg.): Wettbewerbssituation im Wandel. Architekten und Planer vor großen Herausforderungen. Trier-Föhren, 2004 [5] JOSSÈ, Germann: Balanced Scorecard. Ziele und Strategien messbar umsetzen. München, 2005

1 Strategisches Management im Architekturbüro

11

[6] KAPLAN, R. S.; NORTON, D. P.: Balanced Scorecard. Strategien erfolgreich umsetzen. Stuttgart, 1997 HOMMERICH, Christoph; HOMMERICH, Nicole; RIEDEL, Friedericke: Zukunft der Architekten. Berufsbild und Märkte. Düsseldorf, 2005 NAGEL, Kurt: Praktische Unternehmensführung. Analysen – Instrumente – Methoden. München, 2005 SEEBACHER, Werner: Artikelserie Budgetierung und Controlling. 19992006 VON OETINGER, Bolko: Das Boston Consulting Group Strategie-Buch. Die wichtigsten Managementkonzepte für den Praktiker. Düsseldorf, 2000

12

2

Vertrag geht vor HOAI – zur kostenlosen Inanspruchnahme von Planungsleistungen durch Auftraggeber – Eine Urteilsbesprechung zu: BGH, NZBau 2007, 180 Klaus Eschenbruch

In einer neuen Entscheidung hat sich der BGH mit einer praxisrelevanten Fallgestaltung zur Anwendung der HOAI befasst. Ein Tragwerksplanungsbüro war mit einem schriftlichen Vertrag beauftragt worden, die in § 64 Abs. 1 HOAI beschriebenen Leistungen zu erbringen. Beauftragt wurden dabei allerdings lediglich die Leistungsphasen 2 bis 4. Nachdem sich die Parteien zerstritten hatten und der Vertrag „gekündigt“ worden war, verklagte der Tragwerksplaner den Auftraggeber auf Bezahlung der erbrachten Leistungen, dabei auch Leistungen der Grundlagenermittlung (Leistungsphase 1), die er erbracht hatte, die allerdings vertraglich nicht vergütet werden sollten. Das Oberlandesgericht gab dem Tragwerksplaner recht und führte aus, dass die Nichtbeauftragung der Leistungsphase 1 – trotz entsprechender Tätigkeiten des Tragwerksplaners – gegen § 4 Abs. 2 HOAI verstoße und eine unwirksame, versteckte Unterschreitung der Mindestsätze darstelle (vgl. OLG Naumburg, BauR 2005, 1357) [1]. Diese Auffassung teilte der Bundesgerichtshof in der besprochenen Entscheidung nicht. Schon in früheren Entscheidungen hatte der BGH ausgeführt, dass die Vorschriften der HOAI als öffentlich-rechtliche Preisvorschriften für die Berechnung des Entgeltes der Architekten und Ingenieure den Bestand eines nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts begründeten vertraglichen Vergütungsanspruchs voraussetze. Die Vorschriften der HOAI regelten nicht die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein derartiger Anspruch vertraglich begründet oder wieder aufgehoben werden könne (BGH BauR 1997, 154) [2]. Daraus wird allgemein abgeleitet, dass die Vertragsparteien einerseits völlig unentgeltliche Architekten- und Ingenieurleistungen vereinbaren können, z. B. als Akquisition oder bedingte Honorarvereinbarungen, und Honorarverzichtsvereinbarungen nach Beendigung der Architekten- oder Ingenieurtätigkeit grundsätzlich möglich und wirksam sind (vgl. dazu BGH BauR 1998, 579; BGH BauR 1996, 414; dazu Vygen, in: Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 6. Aufl., § 1 HOAI, Rn. 7; Locher/Koeble/Frik, Kommentar zur HOAI, 9. Aufl., Einl. Rn. 7) [3]. § 5 Abs. 1 HOAI regelt, dass dann, wenn nicht alle Leistungsphasen eines Leistungsbildes übertragen werden, nur die für die übertragenen Leistungen vorgesehenen Teilhonorare berechnet werden dürfen. Offen war jedoch bislang die Fragestellung, ob es der Auftraggeber in der Hand hat, vor oder nach Erbringung von

2 Vertrag geht vor HOAI

13

Teilleistungen für einzelne Leistungsphasen die Vergütung auf bestimmte Leistungsphasen eines Leistungsbildes zu beschränken. Eine sehr praxisrelevante Vorgehensweise von Auftraggebern besteht dabei darin, eine gesonderte Vergütung für die Grundlagenermittlung nicht vorzusehen, wobei dies teilweise mit der Argumentation erfolgt, diese Leistungen seien im Wesentlichen bereits auftraggeberseits erbracht worden. Zumeist müssen die Planungsbüros die Grundlagenermittlung gleichwohl miterledigen. Der BGH hatte dementsprechend die für die Baupraxis wichtige Fragestellung zu beantworten, ob das zwingende Preisrecht derartige auftraggeberseitige Praktiken zulässt. In seiner neuen Entscheidung (BGH NZBau 2007, 180, 181) [4] hat der BGH dies klar bejaht und unter Zurückdrängung der Sachlogik (wonach die Erbringung von bestimmten Leistungen späterer Leistungsphasen – zumal dann, wenn kein anderer Planer tätig ist – die Miterledigung der in den vorgelagerten Phasen notwendigen Leistungen vom Planer notwendigerweise mit umschließen muss) ausschließlich auf die vertragsrechtliche Seite abgestellt. Er führt aus: „Anders als das Berufungsgericht offenbar annimmt, macht allein der Umstand, dass eine Leistung erbracht wird, sie noch nicht zum Vertragsgegenstand. Das kann auch die Feststellung des Berufungsgerichts nicht bewirken, die Grundlagenermittlung sei eine notwendige Voraussetzung der weiteren Planungsschritte. Diese Wechselbeziehung besteht regelmäßig zwischen jeder vorangehenden und nachfolgenden Leistungsphase. Sie allein macht eine Teilleistung nicht zu einer Leistung, die nach dem Vertrag über die jeweils nachfolgenden Leistungen geschuldet ist und deshalb zu vergüten wäre. Daraus ergibt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine versteckte Unterschreitung von Mindestsätzen. Die preisrechtlichen Bestimmungen über die Mindestsätze gelten für die im Vertrag vereinbarten und deshalb geschuldeten Leistungen.“ Damit hat der BGH dem Vertrag eindeutigen Vorrang vor dem Preisrecht der HOAI zugewiesen. Das ist vor dem Hintergrund des Wortlautes des § 1 HOAI, der auf eine bestimmte vertragliche Basis nicht abstellt, nicht selbstverständlich, für die Praxis jedoch in der Zukunft zu beachten. Die Rechtsprechung schafft ein weiteres Einfallstor für Strategien der Auftraggeber, Vergütungen unter HOAINiveau zu vereinbaren. Formal gesehen, lässt der BGH den Architekten und Ingenieur bei derartigen Konstellationen indessen nicht gänzlich ungeschützt. Er führt nämlich in den weiteren Entscheidungsgründen aus, dass auch bei Fehlen einer vertraglichen Vergütungsvereinbarung noch ein Anspruch des Architekten/Ingenieurs in Betracht kommen kann. Die Rechtsgrundlagen hierfür sind: -

die Grundsätze über die Geschäftsführung ohne Auftrag, das Bereicherungsrecht.

14

A Die Aufgaben des Architekten und sein Büro

Nach § 683 BGB hat derjenige, der die Geschäfte eines Dritten ohne Auftrag führt, einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen: Entspricht die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn, so kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. Die Vorschrift verweist danach auf § 670 BGB. Nach dieser Vorschrift ist der Auftraggeber zum Ersatz derjenigen Aufwendungen des Geschäftsführers verpflichtet, die der Geschäftsführer den Umständen nach für erforderlich halten darf. Ohnehin regelt § 812 Abs. 1 BGB, dass derjenige, der durch die Leistung eines anderen auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, diesem zur Herausgabe verpflichtet ist. Gemäß § 818 Abs. 2 BGB hat der Empfänger den Wert der Leistung zu ersetzen, wenn die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich ist. Nach Abs. 3 der Vorschrift entfällt allerdings die Verpflichtung zur Herausgabe und zum Ersatz des Wertes, soweit der Empfänger (hier Auftraggeber) nicht bereichert ist. Diese Vorschriften beinhalten jedoch erhebliche Unsicherheiten der Rechtanwendung. Hiernach kann der Architekt nur unter bestimmten Voraussetzungen die Erstattung des Vermögensvorteils verlangen, der dem Auftraggeber zugeflossen ist. Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass die Mindestsätze der HOAI in aller Regel als Untergrenze einer üblichen Vergütung angesetzt werden können. Andererseits verbleibt dem Auftraggeber die Möglichkeit vorzubringen, er hätte die Leistungen (sofern er etwa selbst Architekt ist) selbst erbracht oder durch Dritte, die er nicht nach der HOAI zu vergüten habe, billiger erhalten können. Zudem bleibt ihm der Einwand erhalten, er hätte ohne Verstoß gegen zwingendes Preisrecht eine anderweitige Beschaffungsmöglichkeit gehabt (z. B. durch Mitübertragung an einen Kumulativleistungsträger oder Projektsteuerer ohne gesonderte Vergütung). Im Rahmen des Bereicherungsanspruchs kann er zudem vorbringen, die Bereicherung sei weggefallen, weil sie inzwischen von einem neu beauftragten Architekten oder sonstigen Dritten erbracht worden sei (zu diesem Problemkomplex ausführlich: Vygen, in: Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 6. Aufl., § 1 HOAI, Rn. 16 f) [5]. Speziell zum Thema Wegfall der Bereicherung des Auftraggebers legt der BGH in der besprochenen Entscheidung einen weiteren für Architekten und Ingenieure ungünstigen Grundstein. Denn der BGH führt aus, dass ein Wertersatz für eine erbrachte Teilleistung eines Architekten dann nicht verlangt werden könne, wenn ein Dritter dieselbe Leistung nochmals erbringe (im konkreten Fall entschieden, für den, nach Auflösung des Vertrages mit dem Tragwerksplaner, beauftragten neuen Tragwerksplaner) (vgl. BGH NZBau 2007, 180, 182) [6]. Mit dem Verweis auf Ansprüche wegen Geschäftsführung ohne Auftrag und Bereicherungsrecht gibt die Judikatur den Architekten und Ingenieuren somit mehr Steine als Brot. In der gerichtlichen Auseinandersetzung verbleiben dem qualifiziert beratenen Auftraggeber ausreichende Möglichkeiten, die Honoraransprüche in einem derartigen Fall gänzlich in Frage zu stellen.

2 Vertrag geht vor HOAI

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Die neue Entscheidung des BGH verdeutlicht die Brüchigkeit des HOAI-Preismodells. Erfahrene Auftraggeber haben es durch eine Vielzahl von Strategien in der Hand, das vermeintlich zwingende Preisrecht durch vertragliche Gestaltungen weitestgehend auszuhebeln. Andererseits können die preisrechtlichen Regelungen zu Lasten der Architekten und Ingenieure genutzt werden, um deren Vergütungsansprüche zu begrenzen. Angesichts der sich positiv entwickelnden Baukonjunktur, mit in absehbarer Zeit zu erwartenden Ressourcenengpässen auf Seiten der Architektur- und Ingenieurbüros und einem jetzt schon deutlich werdenden Nachwuchsmangel, verlieren die durch die HOAI preisrechtlich gebundenen Architekten und Ingenieure zunehmend die Möglichkeit, die objektiv im Verhältnis zu anderen Berufsgruppen deutlich zu niedrigen Honorarsätze, entsprechend der wirtschaftlichen Entwicklung, nach oben anzupassen. Architekten und Ingenieure müssen sich bewusst sein, dass der Vertragsverhandlung und dem Vertragsabschluss grundlegende Bedeutung für die Sicherung ihrer Honorare zukommt. Das Hinausschieben der Vertragsabschlüsse auf einen späteren Zeitpunkt der Projektrealisierung, wie sie heutigen Akquisitionsstrategien oftmals zu Eigen ist, gefährdet letztlich berechtigte Honorarvorstellungen. Auf die HOAI allein ist somit kein Verlass! Literatur [1] OLG Naumburg, BauR 2005, 1357 [2] BGH BauR 1997, 154 [3] BGH BauR 1998, 579; BGH BauR 1996, 414; dazu Vygen, in: Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 6. Aufl., § 1 HOAI, Rn. 7; Locher/Koeble/Frik, Kommentar zur HOAI, 9. Aufl., Einl. Rn. 7 [4] BGH NZBau 2007, 180, 181 [5] Vygen, in: Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 6. Aufl., § 1 HOAI, Rn. 16 f. [6] BGH NZBau 2007, 180, 182

16

3

Fuzzy Logic zur Entscheidungsunterstützung in der strategischen Planung Herbert Dirnberger

3.1

Geschichte und Einsatzgebiete

1965 veröffentlichte Prof. Lofty Zadeh seinen 1. Artikel zu diesem Thema mit dem Titel „Fuzzy Sets“ (Zadeh, 1965, S. 338-353) [1]. In Deutschland ist seit Anfang der 1970er Jahre Prof. Hans Jürgen Zimmermann als wesentlichster und erfolgreichster Vertreter, Verfechter, Forscher und Unternehmer im Bereich der Fuzzy Logic (FL) zu nennen. Mittlerweile findet die Fuzzy Logic weltweiten Einsatz in der Regelungstechnik (z. B. Camcorder, die „Verwackeln“ ausgleichen), der Datenanalyse und auch in entscheidungsunterstützenden Systemen (Zimmermann/Zysno, 1983, S. 403-416) [2]. In der Baubranche gibt es Ansätze in so unterschiedlichen Bereichen wie im Konstruktiven Ingenieurbau (Möller, 1997, S. 75-84 [3] oder Schnellenbach-Held/ Albert, 2000, S. 2-9 [4]), der Prozesssteuerung von Baumaschinen (Schlick, 1985, S. 183-190) [5], in der Risikoabschätzung von Bauabläufen (Xiong, 1995, S. 688695) [6] oder unterstützend in einer Software zur Bauschadensverhütung (Rizkallah/Döbbelin, 2001, S. 30-35) [7]. Sie findet Anwendungen in der Steuerung und Regelung der Gebäudetechnik, zur Entscheidungsunterstützung in der Raumplanung oder allgemein ausgedrückt in jeder Art von wissensgestützten Systemen und zur Berechnung, Regelung, Optimierung und Überwachung von Prozessen.

3.2

Unsere unscharfe Welt

Der menschlichen Intelligenz ist es möglich, mit ungenauen oder vagen Begriffen Sachverhalte und Aufgabenstellungen zu erfassen und trotzdem aussagekräftige und eindeutige Entscheidungen daraus abzuleiten. Ein Beispiel aus unserem Alltag soll an die Aufgabenstellung heranführen. Ich will im Gemüseladen Tomaten kaufen, da ich morgen Abend Gäste erwarte und als Beilage Mozarella mit Tomaten servieren will. Selbstverständlich sollen die Tomaten schön rot und gleichzeitig schnittfest sein. Sie sollen aber auch nicht zu teuer sein, da mindestens 15 Gäste kommen werden. Für Tomaten aus Bio-Anbau bin ich aber gerne bereit, auch mehr zu bezahlen.

3 Fuzzy Logic zur Entscheidungsunterstützung in der strategischen Planung

17

Welche Tomaten landen in meinem Einkaufswagen? Wie verläuft mein Entscheidungsvorgang? Diese Aufgabenstellung auf herkömmlichen Weg abzubilden, dürfte recht umfangreich werden. Eine anschauliche und gleichzeitig unserer Denkweise nachempfundene mathematische Lösung bietet Fuzzy Logic. Prof. Zadeh hat die mathematischen Grundlagen geschaffen, um auch mit ungenauen und vagen Variablen aus unserer „krausen Realität“ mathematisch fundiert agieren zu können.

3.3

Grundlagen

Die „unscharfe“ Mathematik der Fuzzy Methode ist als Erweiterung der „klassischen“ Mengenlehre als auch der klassischen Logik zu verstehen. So kann ein Objekt, eine Variable, ein Element einer „unscharfen“ Menge ganz oder nur zu einem Teil angehören. Die grafische Darstellung einer unscharfen Menge erfolgt als Zugehörigkeitsfunktion. Dabei werden kurvenförmige Funktionen oft vereinfacht linear dargestellt. Nachfolgend werden ausschließlich dreiecks- oder trapezförmige Zugehörigkeitsfunktionen eingesetzt. Der Grad, zu dem ein Element xj einer unscharfen Menge A angehört, wird als Zugehörigkeitsgrad μA (xj) bezeichnet.

Zugehörigkeitsgrad µ

(auf 1,0 normalisierter Ordinate)

In der Ordinate der Zugehörigkeitsfunktion wird der Zugehörigkeitsgrad (normalisiert auf 1,0), in der Abszisse, die in dieser Funktion abgebildete Eigenschaft der Menge (z. B. in Prozent) gezeigt.

1,00 µB(yi) = 0,83 µA(xj) = 0,67

Sehr weich

weich

Zugehörigkeitsfunktion je Term (hier Dreiecksoder Trapezform)

µB(xj) = 0,23

Abb. 3-1

Terme der Variablen

xj

yi

Variable (auf skalierter Abszisse)

Zugehörigkeitsgrade

In Abbildung 3-1 gehört das Element xj sowohl der unscharfen Menge „sehr weich“ (mit einem Zugehörigkeitsgrad von 0,67), als auch der unscharfen Menge „weich“ (mit einem Zugehörigkeitsgrad von 0,23) an. Das Element yi ist lediglich der Menge „weich“ zugehörig (mit einem Zugehörigkeitsgrad von 0,83). Die Mathematik der „unscharfen Logik“ erlaubt die Verknüpfung der Eigenschaften unscharfer Mengen über UND-/ODER-Regeln.

18

3.4

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

Vorgehensweise

Abbildung 3-2 zeigt den Ablauf der Fuzzy Methode bezogen auf Anwendungen in der Entscheidungsfindung.

Abb. 3-2

Vorgehensweise Fuzzy (Verfasser)

Der Schritt 1 wird als Fuzzifizierung bezeichnet. Die bei einer Entscheidung zu berücksichtigenden Variablen werden erfasst und deren mögliche Werte, die Terme genannt werden, sprachlich formuliert. Im Tomatenkauf-Beispiel wurden die Variablen Farbe, Schnittfestigkeit, Preis und Anbaumethode genannt. Als Terme der Variable Schnittfestigkeit könnten z. B. „nicht geeignet“, „wenig geeignet“ oder „geeignet“ genannt werden. Aus den festgestellten Eingangsvariablen werden Ausgangsvariablen abgeleitet. In unserem Beispiel könnten die Eingangsvariablen Farbe und Schnittfestigkeit zu einer Ausgangsvariablen „Eignung für Gebrauch“, die Variablen Anbaumethode und Preis zu einem Faktor „Ökologie und Ökonomie“ komprimiert werden. Je Variable werden für die gewählten Terme die Zugehörigkeitsfunktionen bestimmt.

3 Fuzzy Logic zur Entscheidungsunterstützung in der strategischen Planung

19

Regelblock A Farbe Regelblock C Festigkeit

Regelblock B Anbaumethode

Eignung für Gebrauch

Kauf

Ökologie und Ökonomie

Preis

Abb. 3-3

Entscheidungsstrukturbaum für Bsp. Tomatenkauf

Es ist sinnvoll, sich bereits in dieser Phase einen Entscheidungsstrukturbaum zu erarbeiten. Dieser macht die Rangfolge der Variablen transparent und zeigt, wie die Teilkriterien schlussendlich in ein Ergebnis münden. Dabei sind Variablen je Ebene zu Regelblöcken zusammengefasst. Nachdem die übergeordnete Struktur der Variablen bis zum Ergebnis hin sowie die Terme je Variable festgelegt sind, erfolgt als Schritt 2 die Fuzzy-Inferenz. Die Variablen werden durch „WENN-DANN“-Regeln miteinander verknüpft. In Beziehung zueinander werden in der „Wenn“-Bedingung Terme von „Eingangsvariablen“ und in der „DANN“-Bedingung, die den Variablen übergeordnete „Ausgangsvariable“ gesetzt. Je Regelblock werden die Teilergebnisse der einzelnen Regeln über die Verknüpfung „ODER“ zu einem Gesamtergebnis dieses Regelblockes geführt. Innerhalb einer Regel erfolgt die Verknüpfung der Variablen durch „UND“ mit dem „Minimum Operator“, der dem Durchschnitt „∩„ der Mengenalgebra (μA UND B (x) = min {μA (x); μB (x)}) gleichkommt. Das Ergebnis innerhalb der „WENN“-Bedingung einer Regel ist der geringste Zugehörigkeitsgrad einer dort genannten Bedingung. Die Kopplung der Regeln innerhalb eines Regelblockes erfolgt durch das „ODER“ mit dem „Maximum Operator“, welcher der Vereinigungsmenge „∪„ der Mengenalgebra (μ A ODER B (x) = max {μA (x); μB (x)}) entspricht. Das Ergebnis eines Regelblockes ist der größte Zugehörigkeitsgrad aller Teilergebnisse der Regeln dieses Blockes (μ A ODER B (x) = max [min {μA (x); μB (x)}]).

20

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

In allgemeiner Form ist der Zusammenhang für einen Regelblock in Abbildung 3-4 dargestellt:

Regelblock A Regel A1: WENN (Bedingung A UND Bedingung B und ...) DANN (Schlussfolgerung) ODER Regel A2: WENN (Bedingung C UND Bedingung D und ...) DANN (Schlussfolgerung) ODER Regel A3: ...

Abb. 3-4

Regelblock

Eine Regel für das Tomaten-Beispiel könnte lauten: WENN (eine Tomate bezüglich Festigkeit „nicht geeignet“ UND bezüglich Farbe „wenig geeignet“ ist) DANN (hat die Tomate eine sehr geringe Eignung für den Gebrauch). Für den „WENN“-Anteil ergibt sich als Resultat die geringste Bewertung der verknüpften Konditionen, oder mit anderen Worten ausgedrückt, das schwächste Glied einer Kette. Bekannt sind derartige Aussagen zum Beispiel aus der Zuverlässigkeitsanalyse technischer Systeme: „Ein Atomreaktor ist so sicher wie sein schwächster Einzelbaustein.“ (Zimmermann/Zysno, 1982, S. 409) [2]. „Ein diesem ersten Aggregationstyp entgegengesetzter Operator lässt sich aus der menschlichen Neigung erklären, Nachteile bezüglich des einen Aspekts durch bestimmte Vorteile eines anderen zu kompensieren.“ (Zimmermann/Zysno, 1982, S. 409) [2]. Hiermit ist der „Maximum Operator“ gemeint, der über das „ODER“ die einzelnen Regeln zu einem Ergebnis des Regelblockes führt. Aus den „schwächsten Gliedern“ der einzelnen Regeln wird das „stärkste Glied“ zum Gesamtergebnis des Regelblockes bestimmt. Den Anspruch menschliche Entscheidungsstrukturen abbilden zu wollen, können weder der Minimum noch der Maximum Operator ganz zufrieden stellend erfüllen, da die krause Wirklichkeit oft zwischen diesen Extremen liegt. Zu diesem Zweck werden in der erweiterten Fuzzy-Methodik kompensatorische Operatoren und Gewichtungen eingeführt. In dieser Einführung soll darauf verzichtet werden. Der bereits im ersten Schritt entworfene Entscheidungsbaum wird im Schritt 2 noch einmal überdacht. Gleiches gilt für die Zugehörigkeitsfunktionen. Auch diese sollten beim Aufstellen der Regeln getestet und gegebenenfalls angepasst werden. In einem 3. Schritt, der Defuzzifizierung werden die Ergebnisse der „WENNDANN“-Regeln in „Entscheidungs“-Größen rückgewandelt.

3 Fuzzy Logic zur Entscheidungsunterstützung in der strategischen Planung

21

1,0

nicht geeignet

wenig geeignet

geeignet

wenig geeignet

nicht geeignet

0,25 0,75

Zugehörigkeitsgrad

Hierzu werden die Zugehörigkeitsfunktionen verwendet. Die Größe, bzw. Ausprägung der Variablen wird geschätzt oder berechnet. Eine Tomate, die wir bezüglich ihrer Festigkeit schon eher weich als schnittfest einordnen, hätte nach Abbildung 3-5 eine Zugehörigkeit von 0,25 zum Term „geeignet“ und eine solche von 0,75 zum Term „wenig geeignet“.

hart

Abb. 3-5

schnittfest

weich

Festigkeit

Zugehörigkeitsfunktionen

Die mit Hilfe der Regeln der Inferenz und der Zugehörigkeitsfunktionen ermittelten Teilergebnisse werden ebenenweise zu einem Gesamtergebnis verdichtet. Das Defuzzifizierungsverfahren Mean-of Maximum ergibt die „plausibelste Lösung“. Dabei wird der Term mit dem höchsten Grad der Zugehörigkeit gewählt. „Das scharfe Ergebnis ist dann der typischste Wert dieses Terms. (Altrock, Band 1, 1995, S. 166) [8]. Die Teilergebnisse (Zugehörigkeiten von Termen der Variablen) werden in eine eindeutige Aussage zurück übersetzt. Das Ergebnis für meinen Einkauf könnte so aussehen: die Tomaten der Sorte 01 haben eine Kaufeignung von 55 %. Die Tomaten der Sorte 02 haben eine Kaufeignung von 70 %. Ich entscheide mich für die Sorte 02.

3.5

Beispiel zur Entscheidungsunterstützung in der strategischen Planung

In einem Ingenieurbüro werden grundsätzliche strategische Überlegungen angestellt. Es werden zwei mögliche Richtungen herausgearbeitet und es wurde deutlich, dass man sich für eine der beiden Varianten wird entscheiden müssen. Auf eine Darstellung der Analyse der Varianten durch das Unternehmen wird nicht eingegangen. Bei der Beschreibung der Möglichkeiten werden lediglich kurze Hinweise gegeben, wie die Bewertung der gewählten Eingangsvariablen begründet wird.

22

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

Die Aufgabenstellung lautet also: wie kann dieser Entscheidungsprozess mit Fuzzy Logic abgebildet werden und was kann diese Methode zur Unterstützung zu einer Entscheidungsfindung beitragen? Schritt 1: Fuzzifizierung Als Bewertungskriterien werden die derzeit „vorhandenen Fähigkeiten und Mittel“, der „interne Aufwand“ zur Umsetzung des Zieles, die „Marktchancen“ (Veränderung Markt und Branche, Marktpotential) und die „derzeitige Marktstellung“ herangezogen. Die Variablen „vorhandene Fähigkeiten und Mittel“ und „interner Aufwand“ werden zu einem Aspekt Priorität „Unternehmen intern“, die Variablen „Marktchancen“ und die „derzeitige Marktstellung“ zum Kriterium Priorität „Unternehmensumwelt“ verdichtet. Die Verknüpfung der letztgenannten soll als Ergebnis die Priorität der untersuchten Variante verdeutlichen (Abb. 3-6). Regelblock A Vorhandene Fähigkeiten und Mittel Interner Aufwand Regelblock B Marktchancen

Regelblock C Unternehmen intern

Priorität

UnternehmensUmwelt

derzeitige Marktstellung

Abb. 3-6

Fuzzifizierung

Schritt 2: Fuzzy-Inferenz Die „WENN-DANN“-Regeln können einzeln formuliert oder in Matrizenform dargestellt werden. Die paarweise verknüpften Variablen der Regelblöcke können dann als Matrizen dargestellt werden (siehe Abb. 3-7). Die Regelblöcke A und C (ohne Darstellung) zeigen einfache Zusammenhänge. Im Wesentlichen ist eine zunehmende Priorität in einer Ecke der Matrizen zu erkennen. Im Regelblock A steigt die Priorität mit zunehmenden Fähigkeiten und sinkendem internen Aufwand.

3 Fuzzy Logic zur Entscheidungsunterstützung in der strategischen Planung

23

Da die Regeln subjektiv festgelegt werden, sind die Ergebnisse nicht allgemeingültig, sondern reflektieren die ganz spezifischen Wertungen der Bearbeiter. Im Regelblock B wurde z. B. dem Zusammenhang zwischen sehr guter Marktstellung und sehr großen Marktchancen nur eine mittlere Priorität zugewiesen. Hier wurde argumentiert, dass bestehende hervorragende Positionen bei Kunden oder Kundengruppen derzeit mit dem gewohnten Aufwand gehalten und gefestigt werden können. Solche Geschäftsbereiche bedürfen also keiner zusätzlichen Mittel.

Vorhandene Fähigkeiten und Mittel

Abb. 3-7

sehr groß groß durchschnittlich gering sehr gering

Legende: Variante hat bezogen auf die unternehmensinterne Sichtweise eine:

Marktchancen

sehr hohe Priorität hohe Priorität

Interner Aufwand

sehr hoch hoch überschaubar niedrig sehr niedrig

Regelblock B

mittlere Priorität geringe Priorität keine Priorität

sehr gut gut durchschnittlich schwach sehr schwach

derzeitige Marktstellung

Regelblock A

keine gering durchschnittlich hoch sehr hoch

Nun erfolgt das Schätzen bzw. Berechnen der Größen der Eingangsvariablen. Die Wertungen der Eingangsvariablen dienen als Eingangsgrößen für das Antragen auf der Ordinate der Zugehörigkeitsfunktion. Diese erfolgen als subjektive Einschätzungen oder als Bewertung anhand messbarer Kriterien und werden dann in %Angaben übertragen.

Legende: Variante hat bezogen auf die Unternehmensumwelt eine: sehr hohe Priorität hohe Priorität mittlere Priorität geringe Priorität keine Priorität

Regelblöcke A und B, Beispiel strategische Entscheidung

Geschäftsfeld 1 = Variante 1: Aufbau des Fachbereiches Infrastrukturplanung Unser fiktives Beispiel – Ingenieurbüro – hat vor der Erarbeitung der beiden Varianten eine Unternehmensbeteiligung an einem Büro für Infrastrukturplanung verkauft. Somit gibt es keine eigenen Mitarbeiter für diesen Bereich. Einen Teil der diesbezüglichen Referenzen hat es jedoch mit dem Verkauf erhalten. Die vorhandenen Fähigkeiten und Mittel werden mit 10 % (totes Wissen der Referenzprojekte liegt im Archiv bereit), der interne Aufwand wird mit 35 % (100 % = kein interner Aufwand) angesetzt. Die Marktchancen werden mit 75 % angegeben, da man zwar die starke Konkurrenz kennt, sich aber Synergieeffekte bei der Akquisition mit dem Fachbereich Tragwerksplanung verspricht. Die Marktstellung wird mit 35 % als noch vorhanden eingestuft, da man sowohl einen Teil des Namens als auch Referenzen des Unternehmens vorweisen kann, von dem man sich getrennt hat.

24

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

Geschäftsfeld 2 = Variante 2: Ausbau der bestehenden Kernkompetenzen Tragwerksplanung und Ingenieurbauwerke Die vorhandenen Fähigkeiten werden mit 55 von 100, der Interne Aufwand (Investieren in Fortbildung Mitarbeiter, Verstärken Aufwand Akquisition...) wird mit 70 %, also relativ gering eingestuft. Geringer als für die Variante 1 werden die Marktchancen gesehen. Diese werden wegen der Konzentration auf das Kerngeschäft trotzdem mit 35 % angegeben. Die vorhandene Marktstellung wird mit 55 % (also durchaus ausbaufähig) gesehen. Vorhandene Fähigkeiten und Mittel Interner Aufwand (100 % = kein interner Aufwand) Marktchancen Marktstellung

Variante 01 Variante 02 10 % 55 % 35 % 70 % 75 % 35 % 35 % 55 %

Schritt 3: Defuzzifizierung Variante 1: für Regelblock A für Fähigkeiten (FÄH) = 10 %, Aufwand (AW) = 35 % max · RA1 (MIN (1,00 I 0,75) = 0,75 - RA1 (MIN (FÄH – keine I AW – hoch) · RA2 (MIN (1,00 I 0,25) = 0,25 - RA2 (MIN (FÄH – keine I AW – überschaubar) Höchster Erfüllungsgrad: max = 0,75 · RA1 = Priorität (siehe Grafik Regelblock A) für FÄH – keine und AW hoch: keine Priorität in Zugehörigkeitsfunktion unternehmensinterne Sichtweise: · Hineingehen mit Zugehörigkeit 0,75 und Mitte des Maximalwertes unter der Zugehörigkeitsfunktion keine Priorität ablesen · Ergebnis für Regelblock A: 7,5 % Die Berechnung der Regelblöcke B und C erfolgt analog. Für die Variante 1 errechnet sich eine Priorität 30 % (für Variante 01).

3 Fuzzy Logic zur Entscheidungsunterstützung in der strategischen Planung gering

sehr hoch

0

20

10

30

50

60

überschaubar

70

80

90

niedrig

100 sehr niedrig

0,75

hoch

40

Interner Aufwand (AI)

0,25

Zugehörigkeitsgrad

hoch

Vorhandene Fähigkeiten und Mittel (FÄH) sehr hoch

0

10

20

keine

30 35 40 gering

50

60

mittel

70

80

90

hoch

100 sehr hoch

Unternehmensinterne Sichtweise (UI)

0,75

Zugehörigkeitsgrad

durchschnittlich

1,00

Zugehörigkeitsgrad

keine

25

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

7,5

Abb. 3-8

Regelblock B, Zugehörigkeitsfunktionen

Variante 2 Die Berechnung der Variante 2 erfolgt nach dem entsprechenden Vorgehen. Für die Variante 2 errechnet sich eine Priorität von 5 % im Gegensatz zu einer Vorrangigkeit von 30 % für die Variante 1. Dieses Ergebnis wurde unter Anwendung elementarer Fuzzy Technologien erzielt.

3.6

Anmerkungen

Das gewählte Beispiel ist wegen der eingangs formulierten Aufgabenstellung in jeder Hinsicht reduziert und vereinfacht. Auf erweiterte Fuzzy Technologien (z. B. kompensatorische Operatoren und Gewichtungen) und Herleitungen in vielen Teilen der Lösung wurde verzichtet. Fuzzy Logic ist in der Lage, den menschlichen Entscheidungsprozess transparent zu machen. Es arbeitet mit Ungenauigkeiten und Toleranzen und führt subjektive Einschätzungen und/oder exakte Werte über untereinander verknüpfte Regeln zu einer eindeutigen Entscheidung. Die Erfahrung eines Moderators bei der Erarbeitung von Varianten und der Generierung des Modells können unterstützend sein. Zur Berechnung wird eine geeignete Software eingesetzt.

26

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

Fuzzy Logic Modelle können zu neuronalen Netzen ausgebaut werden, sind dann auch „lernfähig“. Vielleicht ist es unsere auf Aristoteles bauende Geschichte der westlichen Logik, die verhindert, dass wir uns nicht nur im Alltag an unscharfe Herangehensweisen gewöhnen und diese gebührend nutzen. China und Japan tun sich hier scheinbar leichter und sind führend in Forschung und Anwendung. In der japanischen Stadt Sendai fährt seit 1987 eine fahrerlose Fuzzy Logic gesteuerte U-Bahn. Literatur [1] ZADEH, Lofti A. (u. a. Hrsg.): Fuzzy sets and their Applications to cognitive and decision processes. New York: Academic Press, 1975 [2] ZIMMERMANN, H.-J.; ZYSNO P. V.: Ein hierarchisches Bewertungssystem für die Kreditwürdigkeitsprüfung im Konsumentenkreditgeschäft. in: DBW 42 (1983). – S. 403-416 [3] MÖLLER, B.: Fuzzy Modellierung in der Baustatik. in: Bauingenieur 72 (1997). VDI Verlag, Springer, 1997, S. 75-84 [4] SCHNELLENBACH-HELD, Martina; ALBERT, Andrej: Anwendung der Fuzzy Logic im konstruktiven Ingenieurbau. in: Bautechnik 77 (2000). Heft 1. Verlag Ernst & Sohn. – S. 2-9 [5] SCHLICK, Heinrich: Die Anwendung der „Fuzzy Set Theory“ zur Entscheidungsfindung und Prozesssteuerung im Bauingenieurwesen. in: Baumaschine und Bautechnik (BMT). Bauverlag, Frankfurt: Mai 1985. – S. 183-190 [6] XIONG, Guangwei: Schätzung der zeitlichen Änderungen der Baustellenabläufe mit Fuzzy-Methoden bei bekannten Störeinflüssen. in: Bautechnik 72 (1995). Heft 10. – S. 688-695 [7] RIZKALLAH, Victor; DÖBBELIN, Jens U.: Pluris schätzt das Risiko ab. in: Deutsches Ingenieur Blatt, März 2001. – S. 30-35 [8] ALTROCK, Constatin von: Fuzzy Logic: Band 1: Technologie. 2. Aufl. Oldenbourg, München, 1995 ALTROCK, Constatin von (Hrsg.): Fuzzy Logic: Band 3: Werkzeuge. Oldenbourg, München, 1995

3 Fuzzy Logic zur Entscheidungsunterstützung in der strategischen Planung

27

BOTHE, Hans-Heinrich: Fuzzy Logic: Einführung in Theorie und Anwendungen. 2. Aufl., Springer, Berlin, 1995 DRÖSSER, Christoph: Fuzzy Logic: Methodische Einführung in krauses Denken. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg, 1996 TRAEGER, Dirk H.: Einführung in die Fuzzy Logic. 2. Aufl. Teubner, Stuttgart, 1994 ZIMMERMANN, Hans-Jürgen; ALTROCK, Constantin von (Hrsg.): Fuzzy Logic: Band 2: Anwendungen. Oldenbourg, München, 1994 SCHLICK, Heinrich: Vorhersagen und Planen mit unscharfen Mengen: „Fuzzy Set Theory“ im Bauingenieurwesen: Teil 1. in: Baumaschine und Bautechnik (BMT). Bauverlag, Frankfurt, August 1988. – S. 199-203 SCHLICK, Heinrich: Vorhersagen und Planen mit unscharfen Mengen: „Fuzzy Set Theory“ im Bauingenieurwesen: Teil 2. in: Baumaschine und Bautechnik (BMT). Bauverlag, Frankfurt, Oktober 1988. – S. 280-282

28

4

Asymmetrische Information im Projektmanagement Martin Schieg

4.1

Einleitung

Neue Wettbewerbs- und Vertragsformen haben sich auf dem deutschen Baumarkt etabliert, das klassische, in der HOAI beschriebene Leistungsbild und die damit verbundene, klar geregelte Vergütung verlieren mehr und mehr an Bedeutung. Baudienstleistungen sind bereits auf dem Weg einer starken Ausrichtung nach den Bedürfnissen der Bauherren. Diese möchten in der Regel nicht einer Vielzahl technisch hoch spezialisierter Ingenieure gegenüberstehen, sondern sie suchen einen qualifizierten Berater für den gesamten Lebenszyklus ihrer Bauwerke. Dahingehend wurden in den letzen Jahren Angebote wie die des Risikomanagements, des Facility-Managements und des Construction-Managements entwickelt. Bauherren geben verstärkt Leitungs- und Überwachungsfunktionen ab. Diese Entwicklung wird verstärkt durch die Notwendigkeit, kundenorientiert, kosteneffizient und qualitätsbewusst zu planen und zu bauen. Die Vielzahl der am Bau beteiligten Personen muss durch das Projektmanagement so organisiert und geführt werden, dass es zu einer den Zielen des Bauherren entsprechenden Realisierung des Bauwerks kommt. Bei der Gestaltung von Vertragsbeziehungen, der Auswahl von Vertragspartnern und im Baucontrolling ist es wichtig zu berücksichtigen, dass neben dem Ziel der Erstellung eines Bauwerks zum Nutzen des Bauherren, die einzelnen Akteure auch Eigennutzen erzielen wollen. Stellen die Beteiligten ihre eigenen Ziele über die des Bauherren, kann es zu Störungen im Transformationsprozess kommen, die in einer Minderung des Bauherrennutzens resultieren. Diese Problematik wird in der Agency-Theorie, die Zielkonflikte und Informationsungleichgewichte behandelt, aufgegriffen und untersucht. Diese soll im Folgenden kurz beschrieben werden.

4.2

Theoretische Grundlagen

4.2.1 Die Principal-Agent-Theorie im Rahmen der „neueren Institutionenökonomie“ Mitte des letzten Jahrhunderts entstanden aus der Unzufriedenheit mit den neoklassischen Modellen der Wirtschaftswissenschaften verschiedene neue Ansätze, die unter dem Begriff „neue institutionelle Ökonomik“ zusammengefasst werden. Im Mittelpunkt dieser Forschungsrichtung steht die Berücksichtigung institutioneller Gegebenheiten und deren Erklärung im Rahmen der ökonomischen Analyse sowie eine darauf aufbauende Gestaltung von Institutionen. Die neuere Institutionenökonomie umfasst insbesondere den Property-Rights-Ansatz, die Transakti-

4 Asymmetrische Information im Projektmanagement

29

onskostentheorie sowie die Agency-Theorie. Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit stehen Erkenntnisse auf der Basis der Agency-Theorie, im Rahmen derer Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehungen aller Art behandelt werden. Man spricht von einer Agency-Beziehung, wenn ein Auftraggeber (Principal) einem Auftragnehmer (Agent) bestimmte Aufgaben und die dazugehörige Entscheidungskompetenz überträgt. Der Auftragnehmer wählt aus einer Vielzahl von Handlungsmöglichkeiten eine aus, mit möglichen Auswirkungen auf ihn und auch auf den Auftraggeber. Der Auftraggeber kann die Aktionen des Agenten nicht beobachten, sondern nur das Resultat. Dieses hängt jedoch nicht nur von den Aktionen des Auftragnehmers, sondern auch von äußeren Umwelteinflüssen ab. Deshalb kann der Auftraggeber nicht auf Grund des Resultats auf das Handeln des Auftragnehmers schließen. Bei einer Analyse des Verhaltens des Auftragnehmers ist davon auszugehen, dass er sich eigennützig verhalten wird. Die Konsequenzen dieses eigennützigen Verhaltens hängen davon ab, welchen Restriktionen sein Verhalten unterliegt. Die effiziente Gestaltung dieser Restriktionen, z. B. durch gesetzliche und vertragliche Regelungen steht im Mittelpunkt ökonomischer Organisationsprobleme. Kernproblem der Agency-Beziehung ist die asymmetrische Informationsverteilung, d. h. der Informationsvorsprung des Agenten.

4.2.2 Asymmetrische Information Die Situation, dass von zwei Kooperationspartnern der eine vergleichbar besser informiert ist als der andere, wird als asymmetrische Information beschrieben. Daraus entstehende Probleme sind zum einen ökonomische Nachteile für eine der Parteien, der ineffiziente Einsatz von Ressourcen und daraus entstehende Wohlfahrtsverluste andererseits. Die asymmetrische Informationsverteilung entsteht durch versteckte Aktion und versteckte Information. Es ist davon auszugehen, dass der Agent seinen eigenen Nutzen auch dann zu maximieren versucht, wenn seinem individuellen Vorteil ein höherer Schaden auf Seiten des Auftraggebers gegenübersteht (vgl. Wenger/Terberger, 1988, S. 507) [1]. Der Begriff der asymmetrischen Information umschreibt drei Informationsprobleme, denen ein bestimmtes Koordinations- und Motivationsproblem zugrunde liegt, Adverse Selection, Moral Hazard und Hold-up. Adverse Selection bezeichnet die Qualitätsunsicherheit des Auftraggebers in Bezug auf seinen Auftragnehmer. Der Auftraggeber kennt vor Vertragsabschluss nicht die Eigenschaften oder die genaue Qualifikation des Auftragnehmers. Der Auftragnehmer könnte fehlende bzw. schlechte Eigenschaften verheimlichen, bzw. ein besonders qualifizierter Auftragnehmer könnte seine positiven Eigenschaften nicht entsprechend offenbaren. Die Folge davon wäre die Auswahl unerwünschter Vertragspartner.

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A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

Im Gegensatz zu Adverse Selection liegen bei Moral Hazard Informationsasymmetrien vor, die nach Vertragabschluss im Lauf der Zusammenarbeit von Auftragnehmer und Auftraggeber entstehen. Kann der Auftraggeber den Auftragnehmer nicht vollständig überwachen oder kann er aus dem Arbeitsergebnis nicht zwingend auf die Qualität seiner Leistung schließen, entsteht ein Informationsungleichgewicht zugunsten des Auftragnehmers. Die Gefahr, dass der Agent dies opportunistisch ausnutzt, wird als Moral Hazard bezeichnet. Tätigt der Auftraggeber wegen des Kooperationsverhältnisses hohe Investitionen, und gehen diese verloren, wenn sich der Auftragnehmer unkooperativ verhält, so entsteht ein einseitiges Abhängigkeitsverhältnis. Das daraus resultierende AgencyProblem wird als Hold-up bezeichnet. Der Auftraggeber erhält zwar a posteriori die zuvor zurückgehaltenen Informationen, der Auftraggeber ist dann aber bereits eine irreversible Investition eingegangen. Dies ermöglicht dem Auftragnehmer, ihn z. B. mit überzogenen Forderungen zu konfrontieren.

4.2.3 Agency-Kosten In einer Welt kostenloser Information wären alle Akteure vollständig informiert und es gäbe keinerlei Koordinations- und Motivationsprobleme. Aufträge könnten so erteilt bzw. Entscheidungen so delegiert werden, dass stets die produktivsten Strukturen der Arbeitsteilung und Spezialisierung realisiert würden. In der Realität ist das Wissen der ökonomischen Akteure unvollständig und zudem meist ungleich verteilt. In Principal-Agent-Beziehungen öffnen sich Spielräume, die zum Schaden des Principals ausgenutzt werden könnten. Um dem entgegenzuwirken, wird der Auftraggeber versuchen, durch Kontrollmechanismen oder entsprechende Vertragsgestaltung die Handlungsfähigkeit des Agenten einzuschränken. Dadurch könnten wiederum die aus der Entscheidungsdelegation erhofften Vorteile in der Auftragsabwicklung zunichte gemacht werden. Unter Umständen kann dies sogar dazu führen, dass der Auftraggeber eine Delegation von Entscheidungen aus Angst vor nachteiligem Verhalten des Auftragnehmers ganz vermeiden wird. Der Vorteil der Arbeitsteilung und Spezialisierung wird dann möglicherweise aufgrund von Kontrollproblemen nicht genutzt. Die Agency-Kosten setzen sich aus drei Komponenten zusammen: -

den Signalisierungskosten des Agenten, den Kontrollkosten des Principals, dem verbleibenden Wohlfahrtsverlust.

Signalisierungskosten subsumieren all diejenigen Anstrengungen, die der Agent selbst unternimmt, um die Informationsasymmetrie zwischen ihm und dem Principal zu verringern. Dazu gehören z. B. Zeugnisse, die seine Qualifikation belegen, Garantiezusagen oder Sicherheitsleistungen.

4 Asymmetrische Information im Projektmanagement

31

Kontrollkosten umfassen die Bemühungen des Principals, seinen Informationsnachteil zu verkleinern. Diese sind Qualitätskontrollen, Prüfung von Arbeitsproben oder Referenzprüfungen. Liegt asymmetrische Information vor, kommt es in der Regel nicht zu der effizientesten möglichen Aufgabenverteilung. Die Differenz zwischen der Produktivität bei optimaler Information und der tatsächlichen Leistung des Agenten wird als Wohlfahrtsverlust bezeichnet.

4.2.4 Bewältigung von Agency-Gefahren Um die Agency-Gefahren zu bewältigen, werden im Wesentlichen drei Instrumente vorgeschlagen: die Herstellung von Zielkongruenz, der Abbau von Informationsasymmetrien und die Risikoallokation. Eine Interessensangleichung kann z. B. durch eine Ergebnisbeteiligung des Agenten geschaffen werden, so dass der Agent aus Eigeninteresse heraus die vom Principal erwünschte Leistung erbringen wird. Für den Abbau von Informationsasymmetrien kann neben dem Signalling des Auftragnehmers auch ein Monitoring durch den Auftraggeber erfolgen. Formale Planungs- und Kontrollsysteme sowie ein durchgängiges Berichtswesen helfen in Projekten, Informationsdefizite des Auftraggebers abzuschwächen. Eine weitere Möglichkeit der Informationsgewinnung ist für den Auftraggeber das Screening. Als Screening bezeichnet man alle Aktivitäten, durch die der Principal versucht, genauere Informationen über die von ihm relevanten Qualitätsmerkmale des Agenten zu erlangen, dazu zählen Arbeitsproben, Referenzen, Zeugnisse, Kreditwürdigkeit. Eine weitere Möglichkeit, um Adverse Selection zu vermeiden, ist es, die Verträge so zu konstruieren, dass nur erwünschte Auftragnehmer diese unterzeichnen würden, da nur diese das Eigeninteresse besitzen, unter diesen Bedingungen eine Leistung anzubieten. Beispiele dafür sind Garantien oder ein möglicher Reputationsverlust des Agenten.

4.3

Asymmetrische Information im Bauprojektmanagement

4.3.1 Die Organisation im Bauprojekt Ein Bauprojekt ist ein Investitionsprojekt mit festen Zielen und Ergebnissen sowie fixierten Terminen und Kosten. Das Projektmanagement hat die Aufgabe, eine optimale Lösung für die Einhaltung von Kosten, Terminen und Qualität zu finden. Neben dem Bauherren sind an einem Bauprojekt weitere hierarchisch organisierte Gruppen beteiligt, in der Planung müssen Architekten, technische Ausrüster, Tragwerksplaner und abhängig vom jeweiligen Projekt weitere Spezialisten koordiniert werden. In der Ausführung arbeiten die unterschiedlichen Unternehmen aus verschiedenen Branchen wiederum mit von ihnen ausgewählten Subunternehmern zusammen. Die unterschiedlichen Wissensstände und Ziele führen zu Missver-

32

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

ständnissen und Konflikten. Ein Fehler, der in einem der Teilschritte des Vorgangs auftritt, kann zu Verzögerung, im schlimmsten Fall zum Stillstand des Gesamtprojekts führen. Zur Bewältigung der komplexen Aufgaben des Bauherren, die die Koordination, Steuerung und Überwachung des Baugeschehens in technischer, rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht umfassen, wird in Großprojekten die Leistung des Projektmanagements beauftragt. Der Projektmanager übernimmt dabei in einer Linienfunktion Entscheidungen für den Auftraggeber. Eine wesentliche Aufgabe ist die Auswahl der Projektbeteiligten. Hierzu zählen die Planer, Berater und Gutachter. Der Projektmanager muss dabei die Projektziele der Bauherrenorganisation verfolgen: -

die Qualität des Bauwerks, die Kosten seiner Errichtung und Nutzung, die Zeitdauer der verschiedenen Stufen der Bauwerksentwicklung, das Nutzungspotential, das Risikoniveau, das der Bauherr in der Verwirklichung seiner sonstigen Ziele zu akzeptieren bereit ist.

Je nachdem, welche Gewichtung der Bauherr in Abhängigkeit von seinem Projekt den einzelnen Zielen gibt, wird das Projektmanagement Kriterien zur Auswahl der Dienstleistungsanbieter aufstellen: -

Fachkunde, Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit, Bekanntheitsgrad, Image, Preis, Qualität, Termintreue, Unternehmen ist durch frühere Aufträge positiv bekannt, Beratung vor Auftragsvergabe durch Bauunternehmen, Referenzobjekte, Architekten-/Beraterempfehlung, lokale Präferenzen.

Die Leistung der Planer ist erfahrungs- und vertrauensbestimmt. Die Qualität ihrer Arbeit offenbart sich erst nach der Vertragsunterzeichnung, z. B. durch die eingesetzten Arbeitsmittel. Es handelt sich um ein Vertrauensgut, da sich auch nach fertiger Erstellung des Bauwerks vom Kunden nicht wirklich beurteilen lässt, inwieweit dies auf die Leistung des einzelnen Planers zurückzuführen ist. Vor der Vertragsunterzeichnung steht der Bauherr deshalb vor einem Auswahlproblem. So sind ihm Informationen über die Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten der Planer verborgen. Eine Fehlauswahl, z. B. des Architekten, kann sich gravierend auswirken. Die Adverse-Selection-Problematik führt bei verborgener

4 Asymmetrische Information im Projektmanagement

33

Qualität dazu, dass der Bauherr verstärkt mit dem Auftreten von, für ihn und seine Aufgaben, ungeeigneten Architekten rechnen muss (vgl. Steiner, 2004, S. 275) [3]. In einem Bauprojekt bestehen Geflechte ineinander verschränkter Principal-AgentBeziehungen. Der einzelne Projektmitarbeiter ist Agent gegenüber seinem Auftraggeber sowie dem Bauherren. Er kann in der Projektorganisation aber auch die Rolle eines Principals z. B. gegenüber dem ausführenden Unternehmen übernehmen.

4.3.2 Auftretende Probleme durch asymmetrische Information Adverse Selection Vor Vertragsabschluss sieht sich der Projektmanager als Vertreter des Bauherren mit dem Problem der Adverse Selection konfrontiert. Er kann nicht sicher sein, dass der ausgewählte Planer die oben genannten Eigenschaften in ausreichendem Maß erfüllt. Ein Lösungsansatz für diese Problematik ist die Überwindung der Informationsasymmetrie durch Signalling. Dadurch kann der Planer seine Eigenschaften darstellen und zum Beispiel mittels Zeugnissen oder Referenzen belegen. Die Vorteile der Signalproduktion müssen für erwünschte Agenten höher sein als die Kosten der Signalproduktion. Ebenfalls müssen die Vorteile der Signalproduktion für unerwünschte Agenten geringer sein als die Kosten der Signalproduktion. Unternimmt der Auftraggeber Anstrengungen, von sich aus mehr über die Eigenschaften des Auftragnehmers zu erfahren, so bezeichnet man dies als Screening. In Bauprojekten der öffentlichen Hand werden deshalb VOF-Verfahren zur Auswahl von Baudienstleistungen durchgeführt. Auch private Bauherren führen Präqualifikationen durch. Eine weitere Möglichkeit, das Informationsungleichgewicht zu reduzieren, sind Wettbewerbe. Oberhalb definierter Schwellenwerte läuft die öffentliche Vergabe von Planungsleistungen häufig über ein VOF-Verfahren ab, indem vorab die Qualifikation des sich bewerbenden Unternehmens und seiner Mitarbeiter explizit abgefragt wird. Diese Vorqualifikation der Unternehmen hilft der ausschreibenden Stelle, sich ein Urteil über die Eignung für das vorgesehene Projekt zu bilden. Noch weitergehend ist der Architektenwettbewerb, er sendet Signale auf zwei Ebenen aus, als Qualifikationskontrolle und als Verhaltensindikator. Zunächst erhält der Bauherr neben den Lösungen der Wettbewerbsaufgabe als eigentlichem Ziel auch einen Einblick in die fachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten der beteiligten Büros, er liefert aber auch Informationen über Kreativität und Können der Architekten. Da sich nur Büros am Wettbewerb beteiligen werden, die sich auch einen Sieg zutrauen, erfolgt von vorneherein eine Selektion. Die Teilnahme am Wettbewerb ist für das Büro mit dem Risiko eines hohen Aufwands verbunden, risikoaverse Büros werden also die Teilnahme vermeiden. Moral Hazard Ein Hauptmittel zum Abbau der Risiken durch Moral Hazard ist die Angleichung der Interessen, zum Beispiel durch Ergebnisbeteiligung des Auftragnehmers. Für

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A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

die Planungsbeteiligten müssen vertragliche Anreize geschaffen werden, so dass die Ziele des Bauherren verwirklicht werden können. Hierzu gehören die genaue Prognose der Kosten sowie deren Einhaltung durch die entsprechende Planungsleistung. Ein Vertrag, der dazu führt, dass Kostenoptimierungen ohne Qualitätsreduktion bewirkt werden, ist streng anreizkompatibel. Wird die Entlohnung an den Gesamterfolg gekoppelt, so ist es für die einzelnen Projektbeteiligten unattraktiv, nur ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Im Zusammenhang mit Moral Hazard spielt die Häufigkeit der Zusammenarbeit der Projektbeteiligten eine große Rolle. Gehen die Vertragspartner wiederholt eine Zusammenarbeit ein, so kann dadurch ein Abbau von Informationsasymmetrien erreicht werden. Das durch längerfristiges Kooperieren entstehende Vertrauen, bewirkt eine Reduktion von Risikokosten. Neben der Interessenangleichung kann auch eine Abschwächung der Auswirkungen der Informationsasymmetrie durch Monitoring erreicht werden, formale Planungs- und Kontrollsysteme schaffen mehr Transparenz hinsichtlich des Handelns der Projektbeteiligten. Hierbei spielt die Kompetenz des eingesetzten Projektmanagements eine große Rolle. Hold-up Grundsätzlich ließen sich Hold-up-Probleme lösen, wenn es möglich wäre, eindeutig verifizierbare Verträge zu schließen. Oft bleiben in der Realität jedoch Vertragslücken bestehen, die es den Vertragsparteien ermöglichen, sich opportunistisch zu verhalten. Es lassen sich unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit unterscheiden. SPREMANN spricht in diesem Zusammenhang von harten und weichen Designs. Abhängig davon, ob die Zusammenarbeit durch stark formulierte, präzise Regelungen an objektivierbare Bedingungen geknüpft ist, z. B. Vertragsstrafen, Gewinnbeteiligung, Rechtsfolgen etc., oder ob die Bedingungen eher formal und subjektiv sind wie Lob, Anerkennung, Reputation etc.. Hold-up-Probleme lassen sich auch dann abschwächen, wenn aus einem einseitigen Abhängigkeitsverhältnis ein wechselseitiges wird. Langfristig angelegte Geschäftsbeziehungen bewirken eine Interessensangleichung, da der Agent so eher interessiert ist, im Sinne des Auftraggebers zu handeln.

4.3.3 Klärung des Informationsbedarfs im Projekt Der Bedarf nach Informationen, die ein Projektmitarbeiter zur Erfüllung seiner Aufgaben innerhalb einer bestimmten Zeitperiode benötigt, definiert sich nach Art, Qualität und Quantität. Hierbei lassen sich subjektiver und objektiver Informationsbedarf unterscheiden. Ersterer beschreibt die Informationsmenge, die der Projektmitarbeiter aus seiner subjektiven Sicht des Projekts benötigt, letzterer die Informationsmenge, die zur Aufgabenerfüllung notwendig ist. Um diese Informa-

4 Asymmetrische Information im Projektmanagement

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tionsmengen zur Deckung zu bringen und so eine optimale Versorgung der Projektbeteiligten mit den tatsächlich benötigten Informationen zu erreichen, ist es wichtig, die Erfolgsfaktoren des Projekts in einem Workshop zu definieren. Dadurch werden diejenigen Faktoren und Parameter identifiziert, die für den jeweiligen Mitarbeiter besonders wichtig sind. Besonders in komplexen, technisch anspruchsvollen Projekten führt dies für den einzelnen Projektteilnehmer zu mehr Verständnis jener Prozesse, die für den Projekterfolg am wichtigsten sind (vgl. Picot/Reichenwald/Wigand, 1997, S. 88) [4].

4.4

Zusammenfassung

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Projektmanagement ist es, im Projektablauf vor und nach Vertragsunterzeichnung, diejenigen Phasen zu identifizieren, in denen durch asymmetrische Information der Projekterfolg gestört werden könnte. Bei der Gestaltung der Projektorganisation muss die Interaktion der Projektbeteiligten hinsichtlich opportunistisch ausnutzbarer Spielräume untersucht werden. Im Rahmen der Leistung des Projektmanagements ist ein besonderer Schwerpunkt auf die Gestaltung der Informationspflichten der beteiligten Planer zu richten. Hat das Projektmanagement ein Bewusstsein für das mögliche Vorliegen von Informationsungleichgewichten entwickelt, dann kann bei der Gestaltung des Informationsflusses im Projekt darauf verstärkt eingegangen werden. Durch ein geeignetes Berichtssystem nimmt die Transparenz im Projekt zu. Der Einsatz von Projektkommunikationssystemen kann hierbei das Projektmanagement bei der Steuerung von Informationen unterstützen. Literatur [1] WENGER, E./TERBERGER, E.: Die Beziehung zwischen Agent und Prinzipal als Baustein einer ökonomischen Theorie der Organisation, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium. 10, 1988. – S. 506-514 [2] LINDE, F.: Ökonomie der Information. Göttinger Schriften zur Internetforschung. Göttingen: Universitätsdrucke, 2005 [3] STEINER, E.: Anreizkompatible Architektenentlohnung: Vorschläge zur Reform der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure. Gabler, 2004 [4] PICOT, A./REICHWALD, R./WIEGAND, R.: Information, Organization and Management. Wiley, 1997

36

5

Terminplanung: Aufgabe des Architekten Wolfdietrich Kalusche

Die sorgfältige Terminplanung ist eine wesentliche Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung eines Bauvorhabens. Allerdings spielt die Terminplanung in der Ausbildung von Architekten bislang keine nennenswerte Rolle. Im Architektenvertrag, soweit er schriftlich vereinbart wird, findet zwar meist der Fertigstellungstermin des Bauvorhabens Erwähnung, die Art und der Umfang der Terminpläne wird allerdings in den wenigsten Fällen ausdrücklich geregelt. Sind das die Gründe, warum beim Bauen die Termine oft nicht eingehalten werden? Was könnte hierbei besser gemacht werden und worauf ist bei der Vereinbarung von Architektenleistungen zu achten?

Abb. 5-1

Der Architekt bei der Terminplanung (Zeichnung: Ernst Hürlimann)

Eine Terminplanung muss den gesamten Prozess von der Idee zu Bauen bis zur Fertigstellung des Bauwerkes umfassen. Die Gesamtdauer eines Bauvorhabens schließt dabei die Dauer der Planung und die Dauer der Bauausführung als jeweils wichtige Teilprozesse ein. Auch die Beseitigung eventueller Mängel und die Abrechnung aller Vertragsleistungen sind bei der Terminplanung zu berücksichtigen. Zu Beginn eines Bauprojektes bringt der Bauherr diesbezüglich in vielen Fällen keine Erfahrung mit. Umso wichtiger ist es dann, dass er sich auf seinen Architekten als fachkundigen Partner verlassen kann. Welche Anforderungen bestimmen die Terminplanung und welche Grundlagen sind dafür maßgebend? Wie können die erforderlichen Teilleistungen im Architektenvertrag umfassend und zweifelsfrei beschrieben werden? Enthalten die Leistungsbilder der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) hierzu die erforderlichen Teilleistungen? (HOAI: 1996-01).

A Terminplanung: Aufgaben des Architekten

5.1

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Terminplanung in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure

Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure ist eine Preisverordnung. Sie regelt die Vergütung von Planungsleistungen. Zu diesem Zweck wurden Leistungsbilder beschrieben, z. B. § 15 Objektplanung für Gebäude, Freianlagen und Raumbildenden Ausbau. Es handelt sich hierbei aber nicht um normative Leitbilder. Die Anforderungen an notwendige werkvertragliche Vereinbarungen im Architektenvertrag werden durch die HOAI nicht erfüllt oder gar ersetzt. Der Bauherr und sein Architekt müssen im Einzelfall regeln, was Gegenstand des Architektenvertrages ist, indem nicht nur Leistungen, also Tätigkeiten, sondern vor allem das Ergebnis vereinbart werden: Ein individuelles Objekt. Dennoch macht es Sinn, das Leistungsbild des Objektplaners im Hinblick auf die Terminplanung näher zu betrachten. Anmerkung: Im weiteren Zusammenhang werden die Bezeichnungen Objektplaner und Architekt synonym verwendet. In Ermangelung anderer Grundlagen wird die HOAI in der Praxis oft sprichwörtlich überfordert. Viele Planungsverträge werden ohne differenziertes Leistungsbild und lediglich unter Hinweis auf einen Paragraphen der HOAI geschlossen. Schließlich werden dort Teilleistungen aufgeführt, die auch im Architektenvertrag nicht fehlen dürfen. So werden die Arten der Kostenermittlung (Kostenschätzung, Kostenberechnung, Kostenanschlag, Kostenfeststellung nach DIN 276:1981-04) ausdrücklich genannt. In Verbindung mit der DIN 276, Kosten im Hochbau, werden zumindest Grundsätze und die Bearbeitungstiefe der Kostenermittlungen geregelt. Einen entsprechenden Zusammenhang in Bezug auf die Terminplanung gibt es nicht. Der Grund liegt offensichtlich darin, dass die Ermittlungen nach DIN 276 als Grundlage (anrechenbare Kosten) für die Honorarermittlung dienen. Für die Terminplanung bestehen keine Verweise auf z. B. eine Norm oder ähnliches. Welche Teilleistungen der Terminplanung sind überhaupt in der HOAI zu finden? Aufgaben der Terminplanung werden in der Leistungsphase 8. Objektüberwachung (Bauüberwachung) ausdrücklich genannt: „Aufstellen und Überwachen eines Zeitplanes (Balkendiagramm)“. Hierzu erläutert Locher: „Das Aufstellen und Überwachen eines Zeitplanes in Form eines Balkendiagramms ist eine Grundleistung, [...]. Der Zeitplan mit Balkendiagramm ist vor allem bei größeren Bauvorhaben von Bedeutung, weil er die ineinander greifende Abwicklung der Bauarbeiten ermöglicht und die Leistungen der an der Objektüberwachung fachlich Beteiligten koordiniert. Dabei wirken die anderen fachlich Beteiligten für ihre Fachbereiche (z. B. Technische Ausrüstung) an der Aufstellung und Überwachung des Zeitplans mit.“ (Locher, H. u. a.: Kommentar zur HOAI, 1996, S. 513).

38

5 Die Aufgaben der Architekten und sein Büro

Leistungsbilder und Leistungsphasen § 15 Objektplanung für Gebäude, Freianlagen und Raumbildende Ausbauten 1. Grundlagenermittlung

2. Vorplanung 8. Objektüberwachung (Bauüberwachung)

Tab. 5-1

Grundleistungen

Besondere Leistungen

Klären der Aufgabenstellung (dabei grober Zeitplan für Planung und Bauausführung) -

-

Aufstellen und Überwachen eines Zeitplanes (Balkendiagramm)

Aufstellen eines Zeit- und Organisationsplanes Aufstellen, Überwachen und Fortschreiben von differenzierten Zeit-, Kosten- oder Kapazitätsplänen

Die Terminplanung im Leistungsbild Objektplanung für Gebäude, Freianlagen und Raumbildenden Ausbau des § 15 HOAI:1996-01

Aufgabe des Objektplaners ist also während der Bauausführung die technische und terminliche Koordination der ausführenden Firmen aufgrund des von ihm erstellten Zeitplanes. Diese erfolgt unter Beachtung des Terminzieles, welches vom Auftraggeber vorgegeben wird. In der Praxis wird dies häufig wie folgt verstanden: Es ist ausreichend, wenn der Architekt einen Balkenplan für den Zeitraum der Baudurchführung erstellt. Diese Auffassung ist problematisch, denn es bleibt die Frage offen: Wie erfolgt die notwendige Terminplanung davor? In den Kommentaren zur Honorarordnung findet man weitere Hinweise auf die Terminplanung im Zusammenhang mit der Leistungsphase 1. Grundlagenermittlung. So formuliert z. B. Locher: „Zum Klären der Aufgabenstellung gehört das Abfragen und Besprechen der Wünsche, Vorstellungen und Forderungen des Auftraggebers [...]. Im Rahmen dieser Teilleistung hat der Architekt ferner die finanziellen Möglichkeiten des Auftraggebers auszuloten, einen Kostenrahmen für seine Bauabsichten und einen groben Zeitplan für Planung und Bauausführung aufzustellen.” (Locher, H. u. a.: Kommentar zur HOAI, 1996, S. 661). Hierbei handelt es sich um eine werkvertragliche Nebenpflicht: Die Beratung des Bauherrn in Bezug auf die Durchführung eines Bauprojektes. Dafür sind Terminsetzungen nötig, denn tatsächlich ist eine Terminplanung bereits vor dem eigentlichen Planungsbeginn, der Leistungsphase 2. Vorplanung, unverzichtbar. Grundsätzlich muss, um ein Bauvorhaben zum Erfolg zu führen, in allen Leistungsphasen nach einem Terminplan gearbeitet werden.

A Terminplanung: Aufgaben des Architekten

39

Über die Grundleistungen hinaus enthält der § 15 HOAI als Besondere Leistung zur Leistungsphase 2. Vorplanung das Aufstellen eines Zeit- und Organisationsplanes. Der Zeit- und Organisationsplan „umfasst in der Regel alle sich aus dem Planungsablauf, dem Genehmigungsverfahren und dem Baudurchführungsprozess ergebenden Zeiten und Zeitabhängigkeiten, Entscheidungsschritte und sonstigen Einflüsse (Ablaufplanung). Der Zeit- und Organisationsplan kann sich auch auf die spätere Nutzung des Objekts erstrecken. Er dient als Grundlage für Balkendiagramme und Netzpläne bzw. wird in diese umgesetzt. Seine Genauigkeit wird durch die Anforderungen des Auftraggebers bestimmt.” (Locher, H. u. a.: Kommentar zur HOAI, 1996, S. 476). Der Autor vertritt die Auffassung, dass zumindest im Bereich der Terminplanung das Leistungsbild des Architektenvertrages wesentlich über die in der HOAI beschriebenen Grundleistungen hinausgehen muss. Diese über die Grundleistungen hinausgehenden Aufgaben sind im Vorfeld inhaltlich und in Bezug auf die Vergütung schriftlich als Besondere Leistungen zu vereinbaren. Zu der Frage, welche Teilleistungen über den Zeitplan (Balkenplan) hinaus in den Architektenvertrag aufgenommen werden sollten, gab es in der Fachliteratur lange Zeit nur wenige Informationen. Erst mit den Untersuchungen zum Leistungsbild des § 31 HOAI und zur Honorierung für die Projektsteuerung durch den Deutschen Verband der Projektsteuerer e. V. und durch die AHO-Fachkommission Projektsteuerung ab den 1980er Jahren wurden Begriffe erläutert, Grundlagen beschrieben und Gliederungen aufgestellt, die für die Terminplanung bei Bauprojekten als Standard angesehen werden dürfen. Die bisher veröffentlichten -

Untersuchungen zum Leistungsbild des § 31 HOAI und zur Honorierung für die Projektsteuerung. Bundesanzeiger, Bonn 1996, und Untersuchungen zum Leistungsbild, zur Honorierung und zur Beauftragung von Projektmanagementleistungen in der Bau- und Immobilienbranche, Bundesanzeiger, Bonn 2004,

der AHO-Fachkommission Projektsteuerung bzw. Projektmanagement werden sowohl von Auftraggebern als auch von Architekten und Ingenieuren, die unterschiedliche Leistungen bei der Durchführung von Bauvorhaben erbringen, als Grundlage für vertragliche Leistungsbilder verwendet. Deswegen wird im Folgenden auf die dort enthaltenen Begriffe, Grundlagen und Gliederungen Bezug genommen. Auch für den Architektenvertrag enthalten die genannten Untersuchungen im Wesentlichen alle erforderlichen Teilleistungen zur Beschreibung von Besonderen Leistungen im Bereich der Terminplanung. Grundsätzlich ist vor allem der Bauherr in seiner Funktion als oberster Projektmanager für die Terminplanung verantwortlich. Er muss ein Terminziel setzen und hierfür geeignete Partner – Architekt, Fachingenieure, ausführende Firmen – auswählen sowie mit entsprechenden Leistungen beauftragen. Nur so kann er seine

40

5 Die Aufgaben der Architekten und sein Büro

Zielsetzung tatsächlich erreichen. Man bezeichnet die Terminplanung des Bauherrn auch als projektorientiert. Damit ist gemeint, dass für den Bauherrn die Koordination der Zusammenarbeit der am Projekt Beteiligten im Vordergrund steht. Seine Aufgaben reichen in der Regel weit über den eigentlichen Herstellungsprozess des Bauwerkes hinaus. Da er in der Regel für die Koordination der Bauausführung nicht erfahren genug ist und außerdem nur in Ausnahmefällen die dafür erforderlich Zeit aufbringen kann, ist er auf die Unterstützung durch einen Architekten angewiesen. Die Terminplanung für ein Bauvorhaben kann sehr vielfältig und umfangreich sein. Eine klare Abgrenzung zwischen den Aufgaben des Bauherrn und des Architekten besteht diesbezüglich nicht. In der Praxis übernimmt der Architekt, auch ohne ausdrückliche Beauftragung und entsprechende Vergütung, häufig Aufgaben, deren Erledigung er vom Bauherrn hätte erwarten dürfen. Letztlich muss sich aber der Bauherr darüber im Klaren sein, in welchem Umfang und in welcher Genauigkeit er für sein Projekt eine Terminplanung benötigt. Der Architekt muss ihn entsprechend beraten. Bei Bedarf kann der Bauherr dann über die Grundleistungen des HOAI-Leistungsbildes hinaus den Architekten mit den notwendigen Teilleistungen der Terminplanung beauftragen. Das in der HOAI als Besondere Leistung genannte „Aufstellen eines Zeit- und Organisationsplanes für das gesamte Projekt“ ist nicht als umfassende, ausschließliche oder gar ausreichende Beschreibung der meist objektiv erforderlichen Leistungen zu verstehen.

5.2

Hierarchie, Gegenstand und Bezeichnung von Terminplänen

Die Terminplanung für ein Bauprojekt erfolgt in der Regel auf mehreren Ebenen. Im Zuge der Projektvorbereitung wird ein Terminrahmen gesetzt und es wird daraus ein Generalablaufplan entwickelt. Er dient der Überprüfung des Terminrahmens und ist gleichzeitig die Grundlage für die weitere Terminplanung. Die Ebenen der Terminplanung werden wie aus Tabelle 5-2 ersichtlich gestaltet. Mit dem Beginn der Planung werden sowohl für die Planung selbst als auch für die Ausführung jeweils Grobablaufpläne erstellt. Diese werden zum einen ab der Planung durch einen Detailablaufplan für die Planung und zum anderen mit der Ausführungsvorbereitung durch Steuerungsablaufpläne für die Ausführung ergänzt. Während der Ausführung sind alle Zeitpläne regelmäßig zu überprüfen. Schließlich werden Detailablaufpläne für die Übergabe und gleichzeitig für die Inbetriebnahme des Objektes erforderlich. Alle Terminpläne sind regelmäßig zu vergleichen und gegebenenfalls anzupassen.

A Terminplanung: Aufgaben des Architekten Projektvorbereitung

Planung

Ausführungsvorbereitung

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Ausführung

Projektabschluss

Terminrahmen Generalablaufplan Grobablaufplan Planung Detailablaufplan Planung Grobablaufplan Ausführung Steuerungsablaufpläne Ausführung Überprüfen Zeitpläne Veranlassen Detailablaufpläne Übergabe/Inbetriebnahme Tab. 5-2

Ebenen der Terminplanung nach AHO (AHO (Hrsg.): Untersuchungen zum Leistungsbild [...], Bonn 2004, Seite 46)

Die Bezeichnungen, Inhalte und Grundlagen dieser Terminpläne wurden im Jahr 1996 durch die AHO-Fachkommission Projektsteuerung für die Beschreibung diesbezüglicher Leistungen definiert. Da es sich hierbei vorrangig, aber nicht ausschließlich um die Wahrnehmung von Bauherrenaufgaben handelt, werden die hierarchische Gliederung, die Bezeichnungen und Inhalte nachfolgend für die erweiterte Terminplanung des Architekten verwendet (AHO (Hrsg.): Untersuchungen zum Leistungsbild des § 31 HOAI [...], Bonn 1996, Seiten 14 bis 18). Wesentliche Teile der Terminplanung werden dem Projektmanagement zugeordnet. Diese Leistungen werden nach AHO in die fünf Projektstufen 1. Projektvorbereitung, 2. Planung, 3. Ausführungsvorbereitung, 4. Ausführung und 5. Projektabschluss unterschieden. Diese stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit den neun Leistungsphasen, wie sie in den Leistungsbildern der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) definiert sind.

42

5 Die Aufgaben der Architekten und sein Büro

Projektstufen nach AHO 1 Projektvorbereitung 2. Planung 3. Ausführungsvorbereitung 4. Ausführung 5. Projektabschluss Tab. 5-3

Leistungsphasen nach HOAI 1. Grundlagenermittlung 2. Vorplanung 3. Entwurfsplanung 4. Genehmigungsplanung 5. Ausführungsplanung 6. Vorbereitung der Vergabe 7. Mitwirkung bei der Vergabe 8. Objektüberwachung (Bauüberwachung) 9. Objektbetreuung und Dokumentation

Zusammenhang der Projektstufen (AHO) und Leistungsphasen (HOAI)

Der Objektplanung des Architekten, die mit der Grundlagenermittlung beginnt, geht bei größeren Bauprojekten häufig eine strategische Planung oder eine Projektentwicklung voraus. Sie ist hier als Projektstufe 1. Projektvorbereitung zusammengefasst. Zur strategischen Planung eines Bauherrn zählt z. B. die Gründung eines neuen Werkes oder die Erweiterung eines bestehenden Gebäudes aufgrund einer geänderten oder erweiterten Produktion. Gegenstand der Projektentwicklung ist die Kombination der Faktoren Standort, Projektidee und Kapital unter bestimmten Zielsetzungen. Die weiteren Projektstufen nach AHO bis zur Projektstufe 5. Projektabschluss sind eng mit der Objekt- und Fachplanung gemäß HOAI verbunden. Diese ist herkömmlich in die neun Leistungsphasen unterteilt.

5.2.1 Terminrahmen Die erste Terminermittlung bei einem Bauprojekt wird als Terminrahmen bezeichnet. Er umfasst die gesamte Projektdauer vom Projektstart bis zur Fertigstellung des Objektes. Voraussetzung für die Festlegung eines Terminrahmens ist zum einen die Vorgabe eines Terminziels, in der Regel durch den Bauherrn, und zum anderen dessen Überprüfung und letztlich die Bestätigung. Dazu benötigt der Bauherr in der Regel die Unterstützung durch einen fachkundigen Planungspartner, den Architekten. Der Terminrahmen soll im Zuge der Projektvorbereitung oder Grundlagenermittlung aufgestellt werden. Es fallen die folgenden Aufgaben an: -

Vorgabe von Anfangs- und Enddaten für die Durchführung des Projektes, Erstellen des Terminrahmens als Konzept, Prüfung und Abstimmung der Durchführbarkeit in technischer, organisatorischer, rechtlicher und finanzieller Hinsicht, Freigabe des Terminrahmens durch den Bauherrn.

A Terminplanung: Aufgaben des Architekten

43

Der Terminrahmen ist wenigstens in die Vorgänge Planung und Ausführung zu unterscheiden, er soll ferner Meilensteine enthalten. Ein Meilenstein ist ein „Ereignis besonderer Bedeutung“ (DIN 69900-1). Bei einem Neubau zählen zu den Meilensteinen in der Regel der Beginn der Planung, das Einreichen des Baugesuchs, die Erteilung der Baugenehmigung, der Baubeginn und die Baufertigstellung. Die Bauausführung kann in weitere Meilensteine, z. B. Fertigstellung des Rohbaus, unterteilt werden. Bei der Erstellung des Terminrahmens sind die in Frage kommenden Alternativen der Durchführung zu berücksichtigen. Diese unterscheiden sich in der Regel hinsichtlich der Dauer, der Abhängigkeiten und der Anforderungen an die am Projekt Beteiligten. Die endgültige Festlegung des Terminrahmens kann erst dann erfolgen, wenn die Entscheidung zu Gunsten einer jeweiligen Alternative gefallen ist, z. B. Beginn der Objektplanung mit oder ohne einen Architektenwettbewerb. Wesentliche Vorgänge

Alternativen der Projektdurchführung (Auswahl)

Projektvorbereitung

Durchführung eines Architektenwettbewerbes oder Direktbeauftragung eines Architekturbüros System- und Integrationsplanung bis Ausführungsplanung oder Projekt- und Planungsvorbereitung, z. B. Vorplanung Leistungsverzeichnis auf „Positionsebene“ Leistungsprogramm, auch bezeichnet als „Funktionalausschreibung“ Fachunternehmer in Einzelgewerken als „Fachlosvergabe“ oder Generalunternehmer mit vollen Leistungsumfang als „Gesamtgewerkevergabe“ Einheitspreisvertrag mit Abrechung „auf Positionsebene“ oder Pauschalvertrag, Pauschalierung der Bausumme, Abrechnung nach Zahlungsplan Bauherr betreibt das Objekt selbst oder Verkauf des Objektes an Dritte

Planung Leistungsbeschreibung Vergabe

Bauvertrag

Verwertung Tab. 5-4

Vorgänge der Terminplanung und Alternativen der Projektdurchführung (vgl. Kalusche, W.: Alternativen bei Planung, Leistungsbeschreibung [...]. Graz 2006, S. 141-152)

Die Änderung einer einmal getroffenen Festlegung ist in jedem Fall hinsichtlich der Auswirkungen auf die Gesamtdauer des Projektes zu überprüfen. Sollen z. B. die Bauleistungen entgegen der ursprünglich getroffenen Entscheidung nicht an mehrere Fachunternehmer, sondern an einen Generalunternehmer vergeben werden, dann sieht der Terminablauf für die Planung, die Leistungsbeschreibung und

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5 Die Aufgaben der Architekten und sein Büro

Vergabe anders aus. Auch die Gesamtdauer des Projektes kann sich dadurch wesentlich verändern. Wie unterscheiden sich die Alternativen der Projektdurchführung und wie sind jeweils die Dauer, die Abhängigkeiten und der Einfluss der Alternativen auf den Terminrahmen insgesamt einzuschätzen? Projektvorbereitung: Die direkte Beauftragung eines Architekten ist der herkömmlich nahe liegende Weg. Er kann den Bauherrn bereits in der Grundlagenermittlung beim Klären der Aufgabenstellung unterstützen. Wird ein Architektenwettbewerb durchgeführt, ist zuerst eine Auslobungsunterlage zu erstellen und anschließend der Wettbewerb durchzuführen. Beispiel: „Realisierungswettbewerbe sollen auf der Grundlage eines fest umrissenen Programms und bestimmter Leistungsanforderungen die planerischen Möglichkeiten für die Realisierung eines Projektes aufzeigen“ (GRW 1995, Punkt 2.1.2). Das Ergebnis der Planung soll wesentliche Teile der Vorplanung umfassen. Für die Durchführung des Wettbewerbes ist ein eigener Detailablaufplan Planung zu erstellen. Planung: Grundsätzlich werden Gebäude vom Objektplaner bis zur Ausführungsreife durchgeplant. Ergebnis ist unter anderem die zeichnerische Darstellung des Objektes mit allen Einzelangaben einschließlich Detail- und Konstruktionszeichnungen. Mindestens ist jedoch eine Vorplanung anzufertigen, bevor die weitere Bearbeitung durch eine ausführende Firma beginnen kann. Der Unterschied hierfür dürfte je nach Umfang und Komplexität des Projektes zwischen sechs Monaten und einem Jahr betragen. Leistungsbeschreibung: Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen den Arten der Leistungsbeschreibung besteht abgesehen von der Form darin, dass für das Leistungsprogramm die Anforderungen an das Objekt vollständig abgestimmt sein müssen, bevor die Vergabe an eine ausführende Firma erfolgen kann. Bei den in der Regel zahlreichen Leistungsverzeichnissen kann durchaus bereits nach einigen wesentlichen Leistungsbeschreibungen, z. B. Rohbauarbeiten, mit dem Bauen begonnen werden. Dieser Zeitpunkt kann ebenfalls sechs Monate früher liegen. Vergabe: Hat ein Generalunternehmer den Auftrag zur Baudurchführung erhalten und handelt es sich um eine Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm, liegen vor Baubeginn noch zeitaufwendige Aufgaben in der Objektplanung und im notwendigen Umfang Ausschreibung und Vergabe von Leistungen an Nachunternehmer, z. B. für die Raumlufttechnik, in seinem Verantwortungsbereich. Bauvertrag: Ob die Baudurchführung mit einer Vielzahl von Fachunternehmen länger dauert als mit einem Generalunternehmer kann ohne weiteres beurteilt werden. Hinsichtlich der Terminsicherheit und der Bauqualität setzt der Bauherr mit dem Generalunternehmer „alles auf eine Karte“, denn im Falle der Insolvenz des Auftragnehmers ist das Terminziel auf keinen Fall mehr zu erreichen.

A Terminplanung: Aufgaben des Architekten

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Verwertung: Wird das Gebäude nicht vom Bauherrn selbst betrieben, sei es als Nutzer oder Vermieter, hat er so früh wie möglich mit Marketing und Vertrieb der Immobilie oder entsprechender Flächen zu beginnen. Dadurch ist unter anderem die Finanzierung des Projektes sicherzustellen, welche wenn die Verwertung nicht wie geplant gelingt, zur Verlängerung der Projektdauer führen kann. Zu den weiteren Gesichtpunkten, die auf die Gesamtdauer des Projektes Einfluss haben können und deshalb bei der Festlegung eines Terminrahmens zu beachten sind, zählen: -

Eigentum am Grundstück und vergleichbare Rechte, Art der Finanzierung, gegebenenfalls Zuschüsse, Organisation des Bauherrn und Entscheidungsfindung, Baugenehmigungsverfahren, gegebenenfalls Planfeststellungsverfahren, politische Rahmenbedingungen, spezifische Nutzeranforderungen.

Zu den wesentlichen Voraussetzungen für die Festlegung des Terminrahmens gehört es, dass -

wichtige Rahmenbedingungen erfasst werden, notwendige Annahmen getroffen und dokumentiert werden, wesentliche Vorgänge mit Anfang, Ende und Dauer definiert werden, die Abhängigkeiten der Vorgänge untereinander berücksichtigt werden, zu Alternativen in der Projektdurchführung Entscheidungen getroffen werden, die an der Terminplanung Beteiligten sich abgestimmt haben, der Bauherr den Terminplan als verbindlich festlegt, die Grundlagen und das Ergebnis der Terminplanung in einem Erläuterungsbericht dokumentiert und den Beteiligten zeitnah zugestellt werden.

Nach den Entscheidungen zum Projektablauf sind die wesentlichen Vorgänge zu bestimmen, durch welche sich das Projekt beschreiben lässt. Mit Vorgang wird ein „Ablaufelement bezeichnet, das ein bestimmtes Geschehen beschreibt. Hierzu gehört auch, dass Anfang und Ende definiert sind. [...] Vorgänge werden dann durch Anordnungsbeziehungen miteinander verknüpft.“ Je nach Art, Dauer und Komplexität soll deren Anzahl bei einem Bauprojekt 20 Vorgänge nicht überschreiten. Die Abhängigkeiten der Vorgänge untereinander lassen sich auch als Ablaufstruktur darstellen. Anmerkung: „Eine Ablaufstruktur beschreibt den logischen und/ oder zeitlichen Ablauf von einzelnen Vorgängen und Ereignissen in Prozessen. Typisch für eine Ablaufstruktur ist die symbolische Darstellung von Vorgängen und Ereignissen über einer absoluten oder relativen Zeitachse. Die Anordnung dieser Elemente ergibt sich aus den Anordnungsbeziehungen zwischen ihnen.“ (http://www.projektmagazin.de/glossar/gl-0372.html, aufgerufen am 01.03.2008).

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5 Die Aufgaben der Architekten und sein Büro

Nr. Bezeichnung des Vorgangs 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10

Projektstart Grundlagenermittlung Vorplanung bis Genehmigungsplanung Ausführungsplanung Fachlosvergabe Baudurchführung Rohbau Baudurchführung baulicher Ausbau Baudurchführung Technische Anlagen Marketing und Vertrieb Abnahmen, Übergabe an Eigentümer

Tab. 5-5

frühester Anfang 07.06.08 07.06.08 ... ... ... ... ... ... ... ...

frühestes Ende

Dauer (AT)

25.06.08 ... ... ... ... ... ... ... ...

15 ... ... ... ... ... ... ... ...

Terminrahmen für ein Bauprojekt, dargestellt als Terminliste

Die einzelnen Vorgänge sind vorzugsweise nach den Phasen Projektvorbereitung (Projektentwicklung, strategische Planung und Grundlagenermittlung), Planung (Vorplanung, Entwurfsplanung, Genehmigungsplanung, Ausführungsplanung), Vergabe (Vorbereitung der Vergabe, Mitwirkung bei der Vergabe) und Ausführung (Rohbau, Ausbau, Gebäudetechnik) sowie erforderlichenfalls Inbetriebnahme zu unterscheiden. Für die Bearbeitung von Terminplänen, z. B. des Terminrahmens, kommen unterschiedliche Techniken und Darstellungsformen in Betracht, z. B. Terminliste, Netzplan oder Balkenplan. Entscheidend ist, dass einerseits der für die Terminplanung zuständige Architekt das geeignete Werkzeug anwendet, z. B. ein DVProgramm, das auf der Netzplantechnik aufgebaut ist, und dass andererseits der Bauherr den Terminplan gut lesen kann, z. B. als Terminliste oder Balkenplan. In der Praxis verbreitete DV-Programme erlauben dieses problemlos. Der Terminrahmen, das Raum- und Funktionsprogramm sowie der Kostenrahmen sollen das Ergebnis der Projektvorbereitung oder der Grundlagenermittlung sein. Sie bilden die überprüften Projektziele des Bauherrn ab und sind ein wesentlicher Teil der Aufgabenstellung für den Objektplaner und die fachlich Beteiligten. Der Terminrahmen ist wiederum Grundlage weiterer Terminpläne im Planungs- und Bauprozess und regelmäßig mit diesen abzugleichen.

5.2.2 Generalablaufplan Der Betrachtungszeitraum des Generalablaufplanes entspricht dem des Terminrahmens. Es werden alle Projektstufen oder Leistungsphasen des Projektes berücksichtigt. Es ist zweckmäßig, die Leistungsphasen der HOAI zu berücksichtigen, z. B. Leistungsphase 2. Vorplanung, und es ist darüber hinaus oft notwendig, die

A Terminplanung: Aufgaben des Architekten

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Übergabe und Inbetriebnahme des Gebäudes in die Terminplanung einzubeziehen. Die einzelnen Phasen auf dieser Ebene sind Grundlage der weiteren Terminablaufpläne. Für einen Generalablaufplan werden folgende Informationen benötigt: -

wesentliche Leistungsbilder, z. B. Objektplanung, Tragwerksplanung, und wesentliche Vergabeeinheiten, z. B. Rohbauarbeiten, Fassadenbauarbeiten, überschlägig ermittelte Mengendaten, z. B. auf der Grundlage von Kennwerten, die wichtigsten Ablaufstrukturen, Generaltermine, auch als Meilensteintermine bezeichnet, der angestrebte Leistungsverlauf.

Weiterhin sind im Generalablaufplan als Grundlage für die Terminpläne der folgenden Ebene, die Grobablaufpläne, festzulegen: -

Anfangs- und Endtermine für die Planung, die Einschätzung der Dauer des Genehmigungsverfahrens, der Vorbereitung der Ausführung und der Ausführung selbst, kritische Wege und kritische Vorgänge, Leitbetriebe bzw. Leitgewerke, z. B. Rohbauarbeiten, Anzahl und Kapazität der wichtigsten Vorgänge, Randbedingungen für die Baustelleneinrichtung.

Der Generalablaufplan soll vor dem eigentlichen Planungsbeginn erstellt werden. Die Brutto-Grundflächen des Objektes, die Anzahl der Geschosse sowie seine ungefähre räumliche Ausdehnung sollen weitgehend ermittelt sein. Denn „Ziel des Generalablaufplans ist es, aus dem Terminrahmen in übersichtlicher Form den zeitlichen Ablauf so zu entwickeln, zu bewerten, festzulegen und darzustellen, dass darauf aufbauend die Entscheidungen über den weiteren Projektfortschritt getroffen werden können. Er ist Grundlage zur Entwicklung der weiteren Grobund Steuerungsablaufpläne und muss bereits den „kritischen Weg“ (nach DIN 69900) zur Erreichung des Terminzieles für das Projektende ausweisen.“ (Diederichs, C.-J.: Untersuchungen zum Leistungsbild des § 31 HOAI ..., S. 43). Anmerkung: Der kritische Weg „ist ein Begriff der Netzplantechnik und bezeichnet jenen Weg durch den Netzplan, der all die Arbeitsgänge miteinander verbindet, bei denen die Ausdehnung der Bearbeitungszeit die Verlängerung der Gesamtzeit des Projektes zur Folge hätte.“ (http://www.wirtschaftslexikon24.net/d/kritischerweg/kritischer-weg.htm, aufgerufen am 29.02.08). Auch für den Generalablaufplan sind die Bedingungen, Voraussetzungen, notwendigen Annahmen sowie die entscheidenden Objektdaten (Nutzeinheiten, BruttoGrundflächen, Nutzflächen, Brutto-Rauminhalt) in einem ergänzenden Bericht festzuhalten und mit dem Bauherrn, bei Erfordernis auch weiteren am Projekt Beteiligten, abzustimmen.

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5 Die Aufgaben der Architekten und sein Büro

5.2.3 Grobablaufplan Planung Beim Grobablaufplan Planung sind für die Objektplanung wenigstens die Leistungsphasen nach HOAI, z. B. Entwurfsplanung usw., und darüber hinaus die Leistungsbilder der fachlich Beteiligten, z. B. Tragwerksplaner, zu berücksichtigen. Die jeweilige Dauer der einzelnen Leistungsphasen und Leistungsbilder soll Gegenstand der entsprechenden Verträge sein. Nicht nur für den Bauherrn, sondern auch für seine Auftragnehmer ist es wichtig, dass die Teilleistungen der Planung als in sich abgeschlossene Vertragsbestandteile verstanden und förmlich abgenommen werden. Aus der Sicht der Auftragnehmer sind dies Voraussetzungen für die Honorarrechnungen. Für die an der Planung Beteiligten, den Objektplaner und die fachlich Beteiligten, regelt der Grobablaufplan Planung die Koordination und Integration von Planungsleistungen. Als fachlich Beteiligte nennt die HOAI die Leistungen für Tragwerksplanung, Technische Ausrüstung, Thermische Bauphysik, Bodenmechanik, Erdund Grundbau sowie Vermessungstechnische Leistungen. Häufig haben sich die entsprechenden Fachingenieure auf einzelne Fachgebiete spezialisiert, z. B. Heizungs-, Klima- und Lüftungstechnik oder Elektroplanung, welche zum Gebiet der Technischen Ausrüstung zählen. Darüber hinaus ist in der Praxis eine über die genannten Anlagegruppen hinausgehende Aufteilung der Fachbereiche zu beobachten. Durch die Terminplanung und die entsprechenden Verträge ist sicherzustellen, dass der Objektplaner früh genug, spätestens zu Beginn der Leistungsphase 3. Entwurfsplanung, die für seine eigenen Vertragsleistungen notwendigen Beiträge von den fachlich Beteiligten einfordern kann. Bei dieser Gelegenheit müssen die Planungsbedürftigkeit des Objektes und die Schnittstellen zwischen den vertraglichen Leistungsbildern überprüft und noch fehlende Teilleistungen erkannt werden. Nur so kann der Architekt das Terminziel einhalten und unter Mitwirkung der fachlich Beteiligten eine Optimierung der Planung leisten.

5.2.4 Detailablaufplan Planung Bei dem Detailablaufplan Planung sind die regelmäßig stattfindenden Ablaufbesprechungen (Jours-fixes) zu berücksichtigen. Dabei werden gegebenenfalls festgestellte Terminabweichungen erörtert und notwendige Anpassungsmaßnahmen vorgeschlagen, abgestimmt und vereinbart werden. Die Kontrolle von Planlieferterminen erfolgt durch die Überwachung des rechtzeitigen Planeingangs anhand von Planlieferlisten. Ein Detailablaufplan Planung bezieht sich auf z. B. ein Geschoss oder einen Nutzungsbereich. Er ist auch dann unverzichtbar, wenn weitere Beteiligte an der Planung mitwirken, z. B. Fachpreisrichter bei einem Architektenwettbewerb, oder wenn durch Regelwerke bestimmte Abläufe vorgegeben werden, z. B. durch die Grundsätze und Richtlinien für Wettbewerbe (GRW 95). Die Dauer des Architek-

A Terminplanung: Aufgaben des Architekten

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tenwettbewerbes beträgt für die Teilnehmer am Wettbewerb mehrere Monate. Eine solche Auslobung benötigt eine umfangreiche Vorbereitung für die ebenfalls wenigstens mehrere Monate anzusetzen sind. Realisierungswettbewerb Neubau Landesamt für Finanzen, Dienststelle Landshut Auslober Freistaat Bayern, vertreten durch das Staatliche Bauamt Landshut, Innere Regensburger Strasse 7-8, 84034 Landshut ... Termine Ende der Bewerbungsfrist 31.03.06 Kolloquium (15 Uhr) Auslosung 25.04.06 Abgabe Pläne Versand der Unterlagen 05.05.06 Preisgerichtssitzung Fachpreisrichter ... ... Abb. 5-2

22.06.06 18.08.06 21./22.09.06

Bekanntmachung eines Architekturwettbewerbes (Auszug) (DAB 03/2006, S. 86)

Die Detailablaufplanung ist ferner Grundlage der Kapazitätsplanung auf der Seite eines jeden an der Planung Beteiligten. Das gilt auch für den Auftraggeber, der bei Großprojekten durch eine Bauabteilung vertreten wird. Deren Aufgabe besteht darin, die Interessen des Auftraggebers zu verfolgen und dessen Mitwirkungspflichten wahrzunehmen. Hierzu gehört regelmäßig eine übergeordnete Terminkontrolle. Terminabweichungen sind frühzeitig festzustellen und es sind Maßnahmen der Terminsteuerung zu veranlassen. Eine Alternative zur herkömmlichen Projektorganisation mit mehreren Auftragnehmern in der Planung – Architekt und mehrere fachlich Beteiligte – ist die Generalplanung. Diese umfasst mehr als die einfache Addition der einzelnen Leistungsbilder, welche für die Objekt- und Fachplanung notwendig sind. Zu den zusätzlichen Leistungen des Generalplaners gehört z. B. neben der Vorbereitung des Vertrages durch Beschreibung aller erforderlichen Leistungsbilder und deren Abrechnung, der Information des Bauherrn über den Projektablauf und deren Dokumentationen die verantwortliche Koordination und Steuerung der Gesamtleistung in fachlicher, wirtschaftlicher und vor allem in terminlicher Hinsicht. Für den Generalplaner ist eine umfassende Detailablaufplanung unverzichtbar. Er verantwortet sie vollständig und berichtet dem Bauherrn deren Ergebnisse.

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5 Die Aufgaben der Architekten und sein Büro

Detailablaufplan Planung, hier LP 1. Grundlagenermittlung (HOAI) als Terminliste Projekt: Bearbeitung: Nr. Leistungsphase und Teilleistungen Anfang Ende Dauer 1. 1.01 1.02 1.03 1.04 1.05 106 1.07 1.08 1.09 1.10 1.11 1.12 1.13 1.14

Stand: Bemerkungen

Grundlagenermittlung Klären der Aufgabenstellung (GL) Beraten zum gesamten Leistungsbedarf (GL) Formulieren von Entscheidungshilfen (GL) Bestandsaufnahme (BL) Standortanalyse (BL) Betriebsplanung (BL) Aufstellen eines Raumprogramms (BL) Aufstellen eines Funktionsprogramms (BL) Prüfen der Umwelterheblichkeit (BL) Prüfen der Umweltverträglichkeit (BL) Sonstiges (BL): ... Sonstiges (BL): ... Zusammenfassen der Ergebnisse (GL): ... Freigabe durch den Bauherrn

(Anmerkung: GL = Grundleistung, BL = Besondere Leistung nach HOAI)

Tab. 5-6

Detailablaufplanung Planung der Grundlagenermittlung als Terminliste

5.2.5 Grobablaufplan Ausführung Mit dem Grobablaufplan Ausführung ist der Leistungsumfang angesprochen, der in der HOAI mit „Aufstellen und Überwachen eines Zeitplanes (Balkendiagramm)“ beschrieben wird (§ 15 HOAI:1996-01). Grobablaufpläne werden für einzelne Bauwerke oder Bauabschnitte aufgestellt. Die darin vorgegebenen Anfangs- und Endtermine der einzelnen Vorgänge sind Grundlage der Bauverträge. Als Vorgang sind die durch den Bauvertrag beschriebenen Leistungen oder wesentliche Teile, z. B. Teillose oder Bauabschnitte, zu verstehen. Als Voraussetzung für die Baudurchführung sind weitere Maßnahmen, Lieferungen und Planungsleistungen in den Grobablaufplan Ausführung aufzunehmen.

A Terminplanung: Aufgaben des Architekten

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Gegenstand eines Grobablaufplanes Ausführung sind auf der Grundlage des Generalablaufes: -

Meilensteine der Bauausführung, Bau- und Planungsverträge, Lieferungen sowie Teilleistungen, Mengendaten je Vertrag (Fach- oder Teillos), Ablaufstrukturen, Leistungsdaten und Aufwandswerte.

Auf dieser Ebene sind als Ergebnis eines Grobablaufplanes zu erwarten: -

Anfangs- und Endtermine der Planungs- und Bauleistungen oder Lieferungen, Ausführungsdauern der berücksichtigten Vorgänge und deren Abhängigkeiten, überschlägige Dimensionierung der Kapazitäten, wesentliche Zwischentermine, bezogen auf Bau- und Planungsabschnitte sowie das Ineinandergreifen der Teilleistungen.

Die Erstellung eines Gebäudes ist in Rohbau, Ausbau und Gebäudetechnik zu unterscheiden. Zum Rohbau gehören: Sicherheits- und Baustelleneinrichtungen, Erdarbeiten, Verbau-, Ramm- und Einpressarbeiten, Abwasserkanalarbeiten, Dränarbeiten, Mauerarbeiten, Betonarbeiten, Natursteinarbeiten, Betonwerksteinarbeiten, Zimmer- und Holzbauarbeiten, Stahlbauarbeiten, Abdichtungsarbeiten gegen Wasser, Dachdeckungsarbeiten, Dachabdichtungsarbeiten sowie Klempnerarbeiten. Der Rohbau umfasst die tragenden Teile eines Gebäudes. Ferner verfügt dieses mit dem Abschluss der Rohbauarbeiten über Regenrinnen, Fallrohe sowie einen Anschluss an den Abwasserkanal und ist damit „regenfest“. Das ist ein Meilenstein. Bei einem Bürogebäude machen die Kosten des Rohbaus durchschnittlich 45 % der Bauwerkskosten (KG 300 + 400 nach DIN 276) aus. Zum Ausbau eines Gebäudes werden gezählt: Putz- und Stuckarbeiten, Wärmedämmsysteme, Fliesen- und Plattenarbeiten, Estricharbeiten, Fenster und Außentüren, Tischlerarbeiten, Parkettarbeiten, Holzpflasterarbeiten, Rollladenarbeiten, Metallbauarbeiten, Maler- und Lackiererarbeiten, Bodenbelagsarbeiten, vorgehängte, hinterlüftete Fassaden sowie Trockenbauarbeiten. Durch den Einbau der zum Ausbau gehörenden Fassaden, Türen und Fenster wird das Gebäude „wetterfest“. Dieses ist ein weiterer Meilenstein. Anschließend können alle anderen Ausbauarbeiten, die überwiegend empfindlich gegen Nässe sind, in den jeweils wetterfesten Geschossen oder Bereichen ohne weiteres ausgeführt werden. Die Kosten des Ausbaus betragen bei Bürogebäuden durchschnittlich 30 % der Bauwerkskosten.

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5 Die Aufgaben der Architekten und sein Büro

Alle weiteren technischen Anlagen, zu denen grundsätzlich auch die oben bereits aufgeführten Abwasserinstallationen gehören, bilden den Teil Gebäudetechnik am Bauwerk: Wärmeerzeuger, Gas- und Wasserinstallationsarbeiten mit Leitungen und Einrichtungsgegenständen, Dämmarbeiten an betriebstechnischen Anlagen, Feuerlöschanlagen, Feuerlöschgeräte, Blitzschutz- und Erdungsanlagen, Mittelspannungsanlagen, Niederspannungsanlagen, Ersatzstromanlagen, Gebäudesystemtechnik, Leuchten und Lampen, Elektroakustische Anlagen, Kommunikationsnetze, Gefahrenmeldeanlagen, Aufzüge, Gebäudeautomation und Raumlufttechnische Anlagen. Für diese weiteren Arbeiten ist bei der genannten Objektart von durchschnittlich 25 % der Bauwerkskosten auszugehen. Sie können bei Objekten mit einem hohen Anteil an technischer Gebäudeausrüstung, z. B. Krankenhäusern oder Schwimmbädern, ein Drittel der Bauwerkskosten oder mehr ausmachen. Ausführungsvorbereitung

Ausführung

Projektabschluss

Grobablaufplan Ausführung Fachlose Rohbau Fachlose Ausbau Fachlose Gebäudetechnik Tab. 5-7

Die Abfolge der Fachlose von Rohbau, Ausbau und Gebäudetechnik

Bauleistungen werden herkömmlich nach Fachlosen vergeben. Als Fachlose gelten Bauleistungen verschiedener Fachgebiete oder Gewerbezweige, wenn sie üblicherweise von Unternehmen in einem Betrieb ausgeführt werden. Die Zusammensetzung und Zahl von Fachlosen richtet sich nach den jeweiligen Bedingungen des einzelnen Bauvorhabens. Die Anzahl der Fachlose und damit der Bauverträge soll im Allgemeinen nicht größer als 20 bis 25 sein. Die einzelnen Fachlose des Rohbaus, des Ausbaus und der Gebäudetechnik sollen, wie in der Tabelle 5-7 gezeigt, zeitlich gebündelt werden. Die Rohbauarbeiten werden häufig in einem Bauvertrag zusammengefasst. Es ist darauf zu achten, dass der Ausbau erst dann beginnt, wenn wenigstens Teile des Gebäudes regenfest sind. Einzelne Anlagenteile müssen allerdings schon während des Rohbaus eingebaut werden, weil sie wegen ihrer Größe oder ihres Gewichtes nicht mehr durch Türen oder Treppenhäuser eingebracht werden können, z. B. Aufzüge, Rolltreppen, Heizöltanks. Für den Grobablaufplan Ausführung gilt grundsätzlich: „Die Strukturierung der Baustelle nach Bauabschnitten kann bei einem komplexen Bauwerk starke Rückwirkungen auf die Planung haben und hier die Prioritäten neu setzen. Jahreszeitliche Einflüsse müssen berücksichtigt werden, da sie nicht nur die jeweilige Arbeit beeinflussen, sondern auch auf Nachfolgegewerke zeitverschiebend wirken.“ (Mittmann, P.: Untersuchungen zum Leistungsbild des § 31 HOAI ..., S. 52)

A Terminplanung: Aufgaben des Architekten

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5.2.6 Steuerungsablaufpläne für die Ausführung Ein Steuerungsablaufplan beinhaltet die weitere Unterteilung der Vorgänge in einem Grobablaufplan. Wenn diese den Bauverträgen entsprechen, kann eine Unterscheidung in Geschosse, Grob- und Feinmontagen oder Abschnitte auf Geschossebenen sinnvoll sein. Den Steuerungsablaufplänen kommt bei Verträgen mit großem Leistungsumfang und zahlreichen Gewerken eine besondere Bedeutung zu. Das gilt erst recht für den Einsatz eines Generalunternehmers. „Wichtig ist, dass der [...] Baufortschritt im Ist mit dem jeweils erforderlichen Stand im Soll verglichen werden kann und aus dem Soll-/Ist-Vergleich erforderliche Anpassungsmaßnahmen erkannt, abgestimmt und umgesetzt werden können. Die Vorgangsdauern sollen daher einen Zeitraum von max. 3 Monaten nicht überschreiten, ggf. sind hierzu weitere Vorgangsunterteilungen vorzunehmen. Bei terminkritischen [...] Ausführungsleistungen ist mit Hilfe von Produktionsfunktionen zu überprüfen, ob die vorgesehenen Dauern mit den verfügbaren Kapazitäten eingehalten werden können bzw. ob rechtzeitig Maßnahmen zur Terminsicherung durch Kapazitätserhöhung, Einplanung von Überstunden oder Zweischichtbetrieben oder durch beschleunigend wirkende Verfahren eingeplant werden müssen.“ (Diederichs, C. J.: Grundleistungen ... Handlungsbereich D, DVP-Verlag Wuppertal 2002, S. 44).

5.2.7 Überprüfen der Zeitpläne Das Überprüfen und Überwachen der Zeitpläne ist Aufgabe des Architekten im Rahmen der Objektüberwachung. Gegenstand der Überprüfung sind die Beiträge zur Terminplanung von den fachlich Beteiligten, gegebenenfalls auch von Terminplänen ausführender Firmen. Dabei ist auf die Einheitlichkeit der Strukturen und die Angemessenheit von Dauern zu achten. Bei der Bauvorbereitung und während der Durchführung sind im Fall von Änderungen die Auswirkungen zu bewerten und erforderlichenfalls Steuerungsmaßnahmen auszuarbeiten. Sie sind mit dem Auftraggeber abzustimmen und von ihm durchzusetzen.

5.2.8 Veranlassen der Detailablaufpläne Ziel des Bauherrn ist die bald mögliche Nutzung seines Objektes. Unabhängig davon, ob er die Immobilie selbst nutzen, vermieten oder veräußern will, ist ihm bewusst, dass er in der Baumaßnahme in erheblichem Umfang Kapital gebunden hat. Hieraus entstehen Kosten der Finanzierung vor Nutzungsbeginn, die im Übrigen zu den Gesamtkosten des Objektes zählen (KG 760 Finanzierung nach DIN 276-1). Um diese gering zu halten, ist ein vorübergehender Leerstand zu vermeiden und es sind die Übergabe und Inbetriebnahme unverzüglich nach der Fertigstellung des Objektes anzustreben. Die Übergabe und die Inbetriebnahme des Objektes sind grundsätzlich Aufgabe des Bauherrn. Sie sollen Gegenstand eines eigenen Detailablaufplanes sein. Dieser

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5 Die Aufgaben der Architekten und sein Büro

kann zusätzlich dem Architekten in Auftrag gegeben werden. Die entsprechenden Maßnahmen sind bei der Termin- und Kapazitätsplanung als eigenständige Vorgänge zu verstehen. Sie bilden im Rahmen der Projektdurchführung häufig einen weiteren kritischen Weg. Die Anwendung der Netzplantechnik ist dabei unverzichtbar, damit eine Vernetzung mit der Terminplanung für die Baudurchführung erfolgen kann.

5.2.9 Zahlungsplan nach Baufortschritt Für die Abrechnung und Zahlungen bei Pauschalverträgen ist ein Zahlungsplan üblich. Dieser wird unter Beachtung der geplanten Ausführungsdauer sowie dem zu erwartenden Baufortschritt in Form von prozentual anteiligen Abschlagsrechnungen und Abschlagszahlungen vereinbart. Beim Erwerb einer Immobilie von einem Bauträger ist die Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) zu beachten. Sie gilt nicht nur für Baubetreuer und Bauträger, sondern auch für andere, im Zusammenhang mit Immobiliengeschäften tätige Personen wie Makler, Darlehensund Anlagevermittler. Nach den darin enthaltenen Vomhundertsätzen ergibt sich die Zahlungspflicht des Erwerbers nach dem Baufortschritt.

5.3

Terminkontrolle, Terminsteuerung und Entscheidungen

Die Terminkontrolle ist der Vergleich einer aktuellen mit einer vorangegangenen Terminermittlung. Werden Abweichungen festgestellt, muss erforderlichenfalls eine Terminsteuerung veranlasst werden. Um die gesetzten Termine einzuhalten, sind in der Regel Entscheidungen zu treffen. In vielen Fällen müssen diese durch den Bauherrn getroffen werden. Dieser ist bei seinen das Bauprojekt betreffenden Entscheidungen zu unterstützen.

5.3.1 Terminkontrolle Regelmäßige Terminkontrollen sind während der Planung und Ausführung von Bauvorhaben unverzichtbar. Grundlage ist mindestens ein Terminrahmen, besser ein Generalablaufplan, ergänzt durch den Grobablaufplan Planung und den Grobablaufplan Ausführung. Zu den Aufgaben der Terminkontrolle gehören: -

regelmäßiger Soll-/Ist-Vergleich von Terminvorgaben und -einhaltung durch Datenerhebung in Besprechungen sowie bei Baustellenbegehungen, Bericht an den Bauherrn sowie Information weiterer Projektbeteiligter, fortlaufende Aktualisierung der Terminplanung besonders auf der Ebene der Detailterminplanung nach Abstimmung mit Fachplanern, Behörden, ausführenden Firmen usw. sowie mit dem Bauherrn, bei erkennbaren oder eingetretenen Abweichungen Entwicklung von Terminsteuerungsmaßnahmen sowie deren Abstimmung und Bewertung, Dokumentation der Terminentwicklung.

A Terminplanung: Aufgaben des Architekten

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Gegenstand der Terminkontrolle der Planung sind Plansätze, Baubeschreibungen, Informationen aus Planungs- und Baubesprechungen, Leistungsbeschreibungen, Bautagebücher und anderes mehr. Vor allem bei der Bauausführung ist die Erhebung des Fertigstellungsgrades der Bauarbeiten nach Bauverträgen erforderlich. Hierzu finden regelmäßig Baustellenbegehungen und die Überprüfung des Baufortschrittes anhand von Vergleichen der Soll-Vorgaben mit dem jeweiligen IstZustand vor Ort statt. Die Angaben erfolgen zweckmäßigerweise in Prozentangaben der vollständigen Leistung zu Stichtagen. Terminkontrollunter- Soll-Termine lage zum Terminplan ..............vom 31.03.2008

Ist-Termine

Nummer

Bezeichnung

Dauer

Beginn Ende

Beginn

... H 0218

... Rohbauarbeiten Wartungshalle 3 ...

... 40 AT ...

...

Kenntnisnahme: Bauherr Pfeiffer

Tab. 5-8

Prognose

Steuerung

Stand

Dauer

Anmerkung

Zuständigkeit

... ... ... ... 10. KW 18. KW 11. KW -

... 20 %

... 32 AT

... Nachtrag 05

... Arch. Mayer

...

...

...

...

...

...

Erhebung: Bautagebuch H 0218

...

Ende

...

Bearbeitung: Architekt Mayer

Terminkontrollunterlage zum Soll-Ist-Vergleich – Muster

„Zur Auswertung der Terminkontrollen, bei denen vor Ort zunächst ja nur der Leistungsstand mengenmäßig oder prozentual erfasst wurde, sind folgende Bearbeitungsschritte je Vorgang erforderlich: -

Soll-Ist-Vergleich der bis zum Stichtag fertig gestellten Menge je Vorgang (bzw. Fertigstellungsgrad in %), Umrechnung von der Menge (oder Prozentangabe) auf die Dauer bzw. Teildauer je Vorgang, Ermittlung der Restdauer je Vorgang (Gesamtdauer abzüglich ermittelter Teildauer), Ermittlung des nach dem Ist-Stand zu erwartenden Fertigstellungstermins je Vorgang Stichtag der Terminkontrolle zuzüglich der ermittelten Restdauer), Soll-Ist-Vergleich der Fertigstellungstermine und Angabe des Terminverzuges insgesamt bzw. bezogen auf den Gesamtfertigstellungstermin.“ (Schofer, R.: Erfolgreiche Terminsteuerung und Terminprognose ..., 1997, o. S.)

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5 Die Aufgaben der Architekten und sein Büro

Die bei Baustellenbegehungen erkannten oder bei Bausprechungen mitgeteilten Ist-Termine sind in der Terminkontrollunterlage in tabellarischen Soll-Ist-Vergleichen festzuhalten. Im Hinblick auf die Terminziele sind alle Abweichungen zu bewerten: -

-

Auswirkungen der festgestellten Abweichungen auf die sich daraus ergebende Dauer des einzelnen Vorganges bzw. die Fristen der Bauverträge sowie die Gesamtdauer der Baumaßnahme unter Beachtung des kritischen Weges. Beurteilung zu erwartender Auswirkungen, z. B. Behinderung von Folgegewerken, und mögliche Auswirkungen in Form eines gestörten Bauablaufes, Mehrkosten aus Nachforderungen ausführender Firmen, spätere Inbetriebnahme, Bauzeitzinsen.

Änderungen von Terminen und Dauern müssen auf allen Ebenen der Terminplanung abgestimmt und gepflegt werden. Besprechungsprotokolle oder Aktennotizen zu den Änderungen sind den betroffenen Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Die Dokumentation der Terminplanung enthält alle gültigen Versionen. Diese sind zur Vermeidung oder Klärung auftretender Streitigkeiten nicht verzichtbar. Immer wieder wird die Frage gestellt: Wer hat die aufgetretene Verzögerung verursacht?

5.3.2 Terminsteuerung Zur Terminsteuerung gehören alle Maßnahmen, die erforderlich sind, die bei der Terminkontrolle festgestellten Abweichungen zu beseitigen. Zu den häufigsten Abweichungen gehören Verzögerungen des Bauablaufes. Diese wirken sich zunächst im Rahmen einzelner Gewerke aus, können jedoch schnell den gesamten Bauablauf (vgl. kritischer Weg) beeinflussen. Deshalb ist Terminsteuerung meist für die Beschleunigung des Ablaufes erforderlich.

5.3.3 Entscheidungen Eine nicht delegierbare Aufgabe des Bauherrn in seiner Eigenschaft als Auftraggeber ist das Treffen von Entscheidungen. Diese betreffen zunächst die Projektziele und weiter zahlreiche einzelne Sachverhalte der Planung. Es gilt: „Eine Entscheidung ist eine bewusste oder unbewusste Wahl zwischen Alternativen oder zwischen mehreren unterschiedlichen Varianten anhand bestimmter Präferenzen von einem oder mehreren Entscheidungsträgern. Sie kann spontan bzw. emotional, zufällig oder rational erfolgen. Ein rational begründeter Entscheid richtet sich nach bereits vorgängig abgesteckten Zielen oder vorhandenen Wertmaßstäben. Der Entscheid wird durch den oder die Entscheidungsträger nach objektiven und subjektiven Entscheidungskriterien gefällt.“ (o. Verfasser: http://de.wikipedia.org/wiki/Entscheidung, aufgerufen am 01.03.08) Bei einem Bauprojekt ist die Zahl der zu treffenden Entscheidungen sehr groß. Entscheidungen reichen von der Projektentwicklung – die Idee, den Standort und

A Terminplanung: Aufgaben des Architekten

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das Kapital betreffend – bis zur Auswahl von Produkten der Ausstattung. Ist der Bauherr nicht in der Lage, eine für die Planung wesentliche Entscheidung rechtzeitig zu treffen, kann das gesamte Projekt in Verzug geraten. Es ist deshalb erforderlich, den Bauherrn bei dieser Aufgabe zu unterstützen. Es haben sich Entscheidungslisten und die Entscheidungsvorlagen bewährt. Eine Entscheidungsliste enthält alle Sachverhalte, die voraussichtlich im Projektablauf zu treffen sind. Sie werden nach Erfahrung und auf eine Nutzungsart, z. B. Bürogebäude, und gegebenenfalls nach anderen Gesichtspunkten, z. B. Strategie der Verwertung des Objektes, zusammengestellt. Der für die Terminplanung verantwortliche Architekt bereitet sie vor und trägt die Entscheidungspunkte vorzugsweise in Form einer Entscheidungsunterlage an den Bauherren heran. Eine Entscheidungsunterlage enthält die Alternativen (zwei Möglichkeiten) oder Varianten (mehrere Möglichkeiten) und Erläuterungen zu deren Vor- und Nachteilen in funktionaler, gestalterischer, wirtschaftlicher, terminlicher oder sonstiger Hinsicht. Dabei sind die vorgegebenen Projektziele zu berücksichtigen. Der notwendige Zeitpunkt der Entscheidung kann die Bedeutung eines Meilensteins haben. Auf jeden Fall ist die Dauer der Entscheidungsfindung an der Terminplanung auszurichten. Insofern kann der Terminablauf eines Bauprojektes aus Sicht des Bauherrn als Kette von Entscheidungen verstanden werden. Entscheidungsliste Bauprojekt Entscheidung ………………... vom 31.03.2008 ja/nein

Erläuterungen zu Funktion, Steuerung Gestaltung, Wirtschaftlichkeit, Terminen, sonstiges

Nummer Bezeichnung

Terminvorgabe

... 012

... Doppelboden Regelgeschoss

... 14.04.2008

... ja

...

...

...

...

Kenntnisnahme: Bauherr Pfeiffer

Tab. 5-9

Zuständigkeit ... ... siehe Erläuterungsbericht zu E 012 Arch. Mayer vom 28.02.2008 ... ...

Bearbeitung: Architekt Mayer

Entscheidungsliste für ein Bauprojekt – Muster

Beispiel: Bei der Planung eines Bürogebäudes ist die Entscheidung zu treffen, ob umfangreiche Installationen in Doppelböden, Wandkanälen oder abgehängten Decken verlegt werden. Diese drei Varianten unterscheiden sich in mehrfacher

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5 Die Aufgaben der Architekten und sein Büro

Hinsicht. Vor allem haben die Varianten Doppelboden und abgehängte Decke unmittelbar Einfluss auf die Geschosshöhen des Gebäudes. Diese Entscheidung sollte deswegen auf keinen Fall erst in der Leistungsphase 5. Ausführungsplanung, sondern so früh wie möglich, getroffen werden; eine Festlegung hierzu sollte mit dem Raum- und Funktionsprogramm, also in der Leistungsphase 1. Grundlagenermittlung, oder spätestens in der Leistungsphase 2. Vorplanung erfolgen.

5.4

Zusammenfassung und Ausblick

Obwohl der Architekt bei der Planung und Überwachung von Baumaßnahmen für die Einhaltung von Terminen ein hohes Maß an Verantwortung trägt, werden Leistungen der Terminplanung im Architektenvertrag häufig nicht oder nicht ausreichend geregelt. Obwohl sich der Architekt unabhängig von entsprechenden Vereinbarungen nach Kräften um die termingerechte Planung und Ausführung bemüht, sind die erforderlichen Leistungen nur anteilig als Grundlage des Vergütungsanspruchs erkennbar. Der Vergleich der Teilleistungen des § 15 HOAI mit den entsprechenden Leistungen des Projektmanagement nach AHO hat gezeigt, welcher Aufwand bei der Terminplanung nicht nur möglich, sondern in vielen Fällen auch erforderlich, ist. Die Regelung einer umfassenden Terminplanung und damit einer erheblichen Entlastung des Auftraggebers, in dessen Verantwortung die Einhaltung der Termine grundsätzlich liegt, bedarf der ausdrücklichen und detaillierten Beschreibung im Architektenvertrag. Hierbei handelt es sich überwiegend um Besondere Leistungen, die zusätzlich oder als Ersatz für Grundleistungen vereinbart werden. Die vorangegangenen Erläuterungen, gestützt auf die Untersuchungen von AHO, sollen dafür eine Hilfe sein. Die Techniken und Darstellungsformen der Terminplanung (Terminliste, Balkenplan, Netzplan) wurden nur am Rande behandelt, da mit den verfügbaren Programmen für diese Frage keine Beschränkungen bestehen. Es bleibt zu hoffen, dass die Architektenkollegen sich in Zukunft mehr um die Terminplanung bemühen und diese auch angemessen vergütet bekommen. Ansonsten werden Leistungen der Terminplanung noch umfangreicher als bisher schon von den Vertretern anderer Berufsgruppen oder Unternehmenseinsatzformen übernommen. Der Architekt soll nicht als derjenige gelten, dessen Arbeit zu Terminverzögerungen führt – so liest man es öfter in Nachtragsangeboten ausführender Firmen. Sondern er soll auch als der in Terminfragen zuverlässige und kompetente Partner des Bauherrn gelten.

A Terminplanung: Aufgaben des Architekten

59

Literatur AHO-Fachkommission Projektsteuerung (Hrsg.): Untersuchungen zum Leistungsbild des § 31 HOAI und zur Honorierung für die Projektsteuerung. Bundesanzeiger, Bonn, 1996 AHO-Fachkommission Projektsteuerung/Projektmanagement (Hrsg.): Untersuchungen zum Leistungsbild, zur Honorierung und zur Beauftragung von Projektmanagementleistungen in der Bau- und Immobilienbranche. Bundesanzeiger, Bonn, 2004 ANGERMEIER, Georg: Projektmanagement-Lexikon, Projekt Magazin, München, 2005 DIEDERICHS, Claus Jürgen: Kommentar zu den Grundleistungen der Projektsteuerung, Abschnitt 3.1.4, in: AHO-Fachkommission Projektsteuerung (Hrsg.): Untersuchungen zum Leistungsbild des § 31 HOAI und zur Honorierung für die Projektsteuerung. Bundesanzeiger, Bonn, 1996 DIEDERICHS, Claus Jürgen: Grundleistungen der Projektsteuerung – Beispiele für den Handlungsbereich D Termine und Kapazitäten, DVP-Verlag, Wuppertal, 2002 GRW 95. Bonn 2003. – Textausgabe KALUSCHE, Wolfdietrich: Projektmanagement für Bauherren und Planer, 2. Auflage, Oldenbourg, München und Wien, 2005 KALUSCHE, Wolfdietrich: Alternativen bei Planung, Leistungsbeschreibung, Vergabe und Bauvertrag. in: Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft TU Graz (Hrsg.): Baubetriebs- und Bauwirtschaftssymposium 07.04.2006: Ausschreibung funktional vs. konstruktiv. Tagungsband. Graz: Verlag der TU Graz, 2006. Seiten 141 bis 152 LOCHER, Horst u. a.: Kommentar zur HOAI – mit einer Einführung in das Recht der Architekten und Ingenieure. 7. Aufl. Werner, Düsseldorf, 1996 MITTMANN, Peter, in: Kommentar zu den Grundleistungen der Projektsteuerung, Abschnitt 3.2.4, in: AHO-Fachkommission Projektsteuerung (Hrsg.): Untersuchungen zum Leistungsbild des § 31 HOAI und zur Honorierung für die Projektsteuerung. Bundesanzeiger, Bonn, 1996 SCHOFER, Rainer: Erfolgreiche Terminsteuerung und Terminprognose durch Controlling. Vortrag zur Konferenz: Bau- und Projektcontrolling für den Auftraggeber am 23. und 24. September 1997 in Köln, veranstaltet durch Institute for International Research, Sulzbach

60

5 Die Aufgaben der Architekten und sein Büro

o. Verfasser: Bekanntmachung eines Architekturwettbewerbes, in: Deutsches Architektenblatt 03/2006 o. Verfasser: www.wirtschaftslexikon 24.net o. Verfasser: http://de.wikipedia.org/wiki/Entscheidung Normen und Verordnungen DIN 276:1981-04, Kosten im Hochbau DIN 276-1:2006-11, Kosten im Bauwesen – Teil 1: Hochbau DIN 69900:1987-08, Projektwirtschaft; Netzplantechnik, Teil 1: Begriffe; Teil 2: Darstellungstechnik DIN 69904:1999-07, Entwurf, Projektmanagementsysteme. Elemente und Strukturen HOAI:1996-01,Verordnung über die Honorare für Leistungen der Architekten und Ingenieure

61

6

Die Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung (AVA) auf der Grundlage des CAD-Entwurfs Ingeborg Dusatko

6.1

Bedeutung des Themas

Der Begriff Rechnerunterstützte Konstruktion oder englisch Computer Aided Design (CAD) bezeichnet eine Art „elektronisches Zeichenbrett“. CAD-Software kommt in allen Fachbereichen, in denen Konstruktionen entwickelt werden, zur Anwendung, wie zum Beispiel im Anlagen- und Maschinenbau, in der Architektur, im Bauwesen sowie im Modedesign. Hier soll die Anwendung in der Architektur näher betrachtet werden. Die Kopplung von CAD (computer aided design/drafting) und AVA-Projekten soll den Architekturbüros die Arbeit erleichtern. Am Ende der Planung soll nicht nur eine zuverlässige Kostenplanung möglich sein, sondern es sollen auch die Ausschreibungsunterlagen vorliegen, die in den Leistungsphasen 6. Vorbereitung der Vergabe und 7. Mitwirkung bei der Vergabe des § 15 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI 11.01), zu den Grundleistungen gehören. Alle Personen, die Leistungen nach der Honorarordnung erbringen, müssen diese anwenden. Nachdem die allgemeinen Grundlagen zur Ausschreibung der Bauleistungen mit Leistungsverzeichnis, bei Beachtung der Vergabe- und Vertragsordnung (VOB) 2006, hier besonders des Teils C, der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen (ATV) für die Teilleistungen – Bauarbeiten erläutert werden, erfolgt eine kurze Erörterung möglicher CAD-Programme. Das Programm von Nemetschek wird genauer betrachtet und die Umsetzung in der Lehre an der Brandenburgischen Technischen Universität genauer erläutert.

6.2

Ausschreibung-Vergabe-Abrechnung im Leistungsbild des Architekten

Die Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung (AVA) ist eine wichtige Aufgabe des Architekten. Das Leistungsbild Objektplanung für Gebäude, Freianlagen und raumbildende Ausbauten ist im § 15 der HOAI definiert, wofür es dann die Honorare gibt. Die beschriebenen Leistungen gelten z. B. sowohl für Neubau, Modernisierung und Umbau. Ein bestimmter Planungsstand ist wesentliche Grundlage für die Ausschreibung von Leistungen. Vor allem müssen die Planungsunterlagen die Vorgaben des Bauherrn/Auftraggebers berücksichtigen, u. a. unter Beachtung der Anerkannten Regeln der Technik und der rechtlichen Grundlagen.

62

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

Für die auszuschreibenden Bauleistungen für Gebäude braucht man in der Regel mindestens: -

Ausführungspläne, Maßstab 1:50 oder 1:100, Details bis Maßstab 1:1 mit Materialangaben und Hinweisen für die Ausführung, Grundlagen für die anderen an der Planung fachlich Beteiligten und Integrierung ihrer Beiträge bis zur ausführungsreifen Lösung.

Sobald ein Werkvertrag zwischen Bauherr und Architekt geschlossen wird, muss der Architekt die Ausschreibung in Form der Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis als Grundleistung in der Leistungsphase 6 erbringen. Es sind auch die Beiträge anderer an der Planung fachlich Beteiligter, wie der Tragwerksplaner oder Bauphysiker, in den Leistungsverzeichnissen der verschiedenen Leistungsbereiche zu berücksichtigen. Die Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm steht in dieser Leistungsphase als besondere Leistung. Auf der Grundlage der Unterlagen der Ausführungsplanung erfolgt durch den Architekten die Zusammenstellung von Mengen als Grundlage für das Aufstellen von Leistungsbeschreibungen, die den ausführenden Firmen zugestellt werden, um ihre Angebote zu machen. Diese führen dann letztendlich zum Zuschlag für den jeweilig zu erbringenden Leistungsumfang. Die Verknüpfung der Aufgaben des Bauherrn, Architekten und der ausführenden Firmen von der Ausführungsplanung bis zur Erteilung des Zuschlags (LP 5-7 lt. HOAI) spiegelt Abbildung 6-1 wider. Bauherr

Architekt

Ausführende Firmen

Ausführungsplanung Formulierung der Vertragsbedingungen

Erstellen der Leistungsbeschreibung

Zusammenstellen der Verdingungsunterlagen Ausschreibung Angebotskalkulation Angebot Angebotsprüfung und Bieterauswahl Bietergespräch Erteilung des Zuschlags Abb. 6-1

Aufgaben Bauherr – Architekt – Ausführende Firmen (Skript)

6 Die Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung (AVA)

63

Mit der Problematik der Ausschreibung-Vergabe-Abrechnung (AVA) haben sich auch Rösel und Mantscheff sehr intensiv in ihren Büchern auseinandergesetzt. Hier kommen hauptsächlich eigene Erfahrungen zum Tragen, die in der Lehre umgesetzt werden. Die VOB und das Lehrbuch Band 2: Grundlagen der wirtschaftlichen Bauausführung sowie das Übungsbuches kommen zur Anwendung.

6.3

Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis

Die Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis stellt nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) den Regelfall dar. Nach VOB, Teil A, § 9, Nr. 11 soll die Leistung i. d. R. durch eine allgemeine Darstellung der Bauaufgabe (Baubeschreibung) und ein in Teilleistungen (Leistungsbereiche) gegliedertes Leistungsverzeichnis beschrieben werden. Im Leistungsverzeichnis ist die Leistung derart aufzugliedern, dass unter einer Ordnungszahl (Position) nur solche Leistungen aufgenommen werden, die nach ihrer technischen Beschaffenheit und für die Preisbildung als in sich gleichartig anzusehen sind. (§ 9 Nr. 14). Es ist darauf zu achten, dass keine Leistungen vergessen werden. Im Leistungsverzeichnis wird die Gesamtleistung in technisch und wirtschaftlich einheitliche Teilleistungen aufgegliedert, für die dann der Bieter (Auftragnehmer) im Regelfall Einheitspreise anzugeben hat (Einheitspreisvertrag nach VOB/A, § 5 Nr. 1a). Generell sollten Leistungsbeschreibungen so untergliedert sein, dass sich überschaubare Abschnitte eines Leistungsverzeichnisses ergeben, die ein Auftragnehmer auch in Eigenleistung realisieren kann. Je nach Größe des Bauwerks sollte bei der Ausschreibung und Vergabe die Gliederung in Gewerke/Leistungsbereiche, Lose (Fach- und Teillose), Titel und Positionen erfolgen (Abb. 6-2). Das spiegelt sich in der Gliederung der Bauaufträge bzw. Vergabeeinheiten aber nicht vollständig wider. Terminliche, organisatorische wie auftragnehmerspezifische Belange sind zu berücksichtigen.

64

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro Gesamtleistung, die zur Errichtung des Bauwerks erforderlich ist

Bauwerk

Fachlos 1

Fachlos 2

Fachlos n

Untergliederung der Gesamtleistung unter dem Gesichtspunkt der fachlichen (handwerklichen) Einheit (anbieterorientiert)

Fachlos 2 Teillos 1

Fachlos 2 Teillos 2

Fachlos 2 Teillos n

ggf. Untergliederung der Gewerke in ähnliche oder gleiche Teilleistungen zur Vergabe an mehrere Anbieter (bei größeren Bauvorhaben)

Fachlos 2 Teillos 2 Titel 1

Fachlos 2 Teillos 2 Titel 2

Fachlos 2 Teillos 2 Titel n

Untergliederung in Abrechnungs-Einheiten (Zusammenfassung mehrerer Positionen, die eine gemeinsam abzurechnende Leistung darstellen)

Fachlos 2 Teillos 2 Titel 2 Position 1

Fachlos 2 Teillos 2 Titel 2 Position 2

Fachlos 2 Teillos 2 Titel 2 Position n

Untergliederung in Einheiten gleichartiger technischer Beschaffenheit

Abb. 6-2

Möglichkeiten der Ausschreibung und Vergabe von Bauleistungen (Bd. 2, S. 74)

Die Positionen sind im Leistungsverzeichnis die kleinste Einheit und richten sich bei ihrem Inhalt nach den Bestimmungen der VOB/A § 9, wo steht, das die Leistung so eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben ist, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können (§ 9 Nr. 1). In der Leistungsbeschreibung der jeweiligen Position sind die Bestimmungen der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen (ATV) der VOB/C unbedingt einzuhalten, wobei die abweichenden Regelungen in der jeweils gültigen ATV des Leistungsbereiches, z. B. DIN 18330 Mauerarbeiten, vor den Allgemeinen Regelungen für Bauarbeiten jeder Art – DIN 18299 vorgehen. Eine Position in der Ausschreibung für den Leistungsbereich 012 Mauerarbeiten könnte z. B. formell und inhaltlich wie in Tabelle 6-1 gegliedert sein: Pos. Menge Nr. (ME) 3

525 m2

Tab. 6-1

Leistungstext Mauerwerk der Innenwände im 1. OG, MZ 20, d = 24 cm, herstellen

Einheitspreis (EP) €/ME

Gesamtpreis (GP) €

__________

__________

Position des Leistungsbereichs 012 Mauerarbeiten

6 Die Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung (AVA)

65

Formelle Vorgaben gibt es nicht, aber die Einhaltung des VOB/A § 9 wie im obigen Absatz erläutert, ist geboten, damit alle Bewerber ihre Preise ordnungsgemäß kalkulieren können Für den Fall, dass im Vertrag Widersprüche enthalten sind, gelten gemäß VOB/B § 1 Nr. 2 nacheinander: -

die Leistungsbeschreibung (LB), die Besonderen Vertragsbedingungen (BVB), etwaige Zusätzliche Vertragsbedingungen (ZVB), etwaige Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen (ZTV), die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV-VOB/C), die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (AVB-VOB/B).

Der richtigen Leistungsbeschreibung kommt also eine große Bedeutung zu. Die Anwendung der Rechentechnik mit entsprechender Software in Verknüpfung mit der VOB/C, d. h. Berücksichtigung der jeweiligen ATV, könnte hierbei eine gute Hilfe sein.

6.3.1 Grundlagen für die Ausschreibung von Leistungspositionen Die Forderung der VOB Teil A, § 9 Nr. 1 nach so eindeutiger und erschöpfender Beschreibung der Leistung, „dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen,“ ist nicht leicht zu erfüllen − zumal, wenn man bedenkt, welch’ vielfältige Ausdrucks- und Interpretationsmöglichkeiten unsere Sprache bietet. Eine Hilfe hierbei kann eine „Sprachregelung“ durch standardisierte Leistungstexte sein, z. B. nach Standardleistungsbuch. Dieses ist anfangs vom Gemeinsamen Ausschuss Elektronik im Bauwesen (GAEB) in Verbindung mit dem Deutschen Verdingungsausschuss für Bauleistungen (DVA) aufgestellt worden und wurde vom DIN Institut für Normung e. V. herausgegeben. Das Standardleistungsbuch gibt es inzwischen für rund 70 Leistungsbereiche (diese Leistungsbereiche entsprechen in etwa der Gliederung der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen nach VOB/C). Das Standardleistungsbuch ist durch das Standardleistungsbuch Bau ersetzt worden. Bei jeder Leistungsposition im Leistungsverzeichnis sind die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen (ATV) der VOB/C zu beachten. Sie sind in Form von DIN-Normen zusammengestellt und beginnen mit der DIN 18299 – Allgemeine Regelungen für Bauarbeiten jeder Art. In dieser Norm sind diejenigen technischen Vertragsbedingungen enthalten, die für alle bzw. die meisten der folgenden DINNormen gemeinsam gelten, wodurch der Text dieser Normen von Standardformulierungen entlastet worden ist. Jede dieser DIN-Normen ist in sechs Abschnitte untergliedert. J. Mantscheff (2004, S. 127 ff.) fasst die Aussagen und Inhalt dieser sechs Abschnitte der VOB/C folgendermaßen zusammen:

66

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

0

Hinweise für das Aufstellen der Leistungsbeschreibung „richten sich an die ausschreibende Stelle oder den ausschreibenden Architekten […]. Speziell sind zu jeder Einzel-ATV fachspezifische ergänzende Hinweise zu den vorgenannten Bereichen enthalten.

1

Geltungsbereich „grenzt für Bauherr und Unternehmer den Geltungsbereich der betreffenden ATV ab.“

2

Stoffe, Bauteile „legt die für eine Standardausführung zu verwendenden Baustoffe fest und bestimmt die normale Art und Güte. Der Bauherr wird mit diesen Festlegungen vor der Verwendung minderwertiger Materialien, der Unternehmer vor überspitzten Forderungen des Bauherrn bewahrt.“

3

Ausführung „legt wie Nr. 2 die durch den Bauherrn vom Unternehmer zu beanspruchende ‘Standardleistung’ fest.“

4

Nebenleistungen, Besondere Leistungen „Nebenleistungen werden als nicht gesondert vergütete, aber mit der in der Leistungsbeschreibung verlangten Leistung zu erbringende Leistungen festgelegt. (Dagegen gehören Besondere Leistungen nur dann zur vertraglichen Leistung, wenn sie in der Leistungsbeschreibung besonders erwähnt sind; Anm. d. Verf.) Es erfolgt eine Abgrenzung in der ‘finanziellen Auseinandersetzung’ zwischen Bauherr und Unternehmer.“

5

Abrechnung „regelt die zur ‘finanziellen Auseinandersetzung’ zwischen Bauherr und Unternehmer notwendige Feststellung der tatsächlich ausgeführten Mengen.“

Besonders der Abschnitt 5 Abrechnung ist immer für die Mengenermittlung der jeweiligen Leistungspositionen bei der Ausschreibung sowie für die Abrechnung (Aufmaß) zu berücksichtigen.

6.3.2 Mengenermittlungen zum Leistungsverzeichnis Unter Mengenermittlung beim Bauen versteht man die Berechnung oder Feststellung von Massen oder Bauleistungen, also eine Quantifizierung der zu erbringenden bzw. erbrachten Bauleistungen. Mengenermittlungen sind erforderlich für die Ausschreibung, Angebotskalkulation und Abrechnung von Bauleistungen. Die Mengenermittlung geht in das Leistungsverzeichnis ein und ist vom Architekten durchzuführen (Grundleistung in der Leistungsphase 6. Vorbereitung der Vergabe, HOAI).

6 Die Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung (AVA)

67

Hinsichtlich des Schärfegrades der Mengenermittlung in dieser Leistungsphase ist darauf hinzuweisen, dass die VOB/B § 2 Nr. 3, bei einer über 10%igen Abweichung der ausgeführten Menge der unter einem Einheitspreis erfassten Leistung von dem im Vertrag vorgesehenen Umfang, auf Verlangen eine Neuvereinbarung des Preises vorsieht. Um dies zu vermeiden, sollte der Ungenauigkeitsgrad dieser Mengenermittlung in einem Bereich von höchstens ± 10 % liegen. Dies gilt für den Einheitspreisvertrag (siehe VOB/A § 5 Nr. 1a). Ein höherer Schärfegrad sollte bereits in der Ausschreibungsphase bei einem Pauschalvertrag erwartet werden können, der nach VOB/A § 5 Nr. 1b nur zur Anwendung kommen soll, „wenn die Leistung nach Ausführungsart und Umfang genau bestimmt ist.“ Ziel ist es, den Aufwand für die Mengenermittlung in einer vernünftigen Relation zu dem Wert der betreffenden Leistung zu halten. Für die Auslegung der Abrechnungsvorschriften nach VOB/C gibt es verschiedene Kommentare, so z. B.: P. J. Fröhlich 2007; H. von der Damerau, A. Tauterat, R. Franz 2007. Ein Beispiel für die Mengenermittlung von Mauerarbeiten, Mauerwerk ist in Abbildung 6-3 dargestellt. Hier ist zu erkennen, dass Öffnungen und Aussparungen über 2,5 m² Einzelgröße abzuziehen sind (Pos. 1, Tür 2,85 m²). Diese Festlegung entspricht den Bestimmungen der VOB/C (ATV), DIN 18300 Mauerarbeiten, 5 Abrechnung. Das bedeutet, dass das Herstellen der Türöffnung in einer gesonderten Position auszuschreiben ist. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass für das Herstellen von Öffnungen unter 2,5 m² alle Leistungen in der Position abgegolten sind und von den Bauunternehmen in der Angebotskalkulation zu berücksichtigen sind. Das muss unbedingt auch bei der Anwendung von Software für die Auschreibung-Vergabe-Abrechnung (AVA) beachtet werden. Lfd. Raum- Stück- Gegenstand der Nr. Nr. zahl Mengenermittlung 1

2

m³ Mauerwerk der Außenwände in MZ, 36,5 cm dick 2 x 7,99 + 2 x 5,01 1 Tür 6 Fenster

m² Mauerwerk der Innenwände in KSL, 11,5 cm dick 2 x 5,01

3 Türen

Abb. 6-3

Länge (m)

Höhe (m)

Fläche (m²)

anrechenbare Fläche (m²)

Bemerkung

26,00 1,26 1,01

3,25 2,26 1,26

84,50 2,85 7,64

84,50 -2,85 - < 2,5 m² Einzelgröße 81,65

10,02 3,51 13,53 0,885

2,51 2,01

33,96 5,34

33,96 - < 2,5 m² Einzelgröße 33,96

Beispiel für die Mengenermittlung von Mauerarbeiten (Bd. 2, S. 78)

68

6.4

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

Die Anwendung von Software für die Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung (AVA) von Bauleistungen

Die Baubranche steht vor wachsenden Herausforderungen: Architekten und Fachplaner müssen Gebäude in immer kürzerer Zeit noch kostengünstiger errichten – und das bei steigenden Qualitätsansprüchen. Hinzu kommt, dass die fortschreitende Spezialisierung im Bauwesen sowie der Einsatz unterschiedlicher Softwarelösungen das Zusammenwirken der Projektbeteiligten im Bau- und Planungsprozess erschwert. Um in dem wettbewerbsintensiven Markt bestehen zu können, bedarf es automatisierter Systeme, die eine effiziente Kommunikation möglich machen. Denn nur so können Projekte erfolgreich abgewickelt werden. Bisher ist eine durchgängige Bearbeitung von Projekten und der Austausch von Gebäudedaten eher selten. Jedes Gebäude ist ein Unikat, das zu entwerfen, zu berechnen und konstruktiv durchzubilden ist. Um die Planungseffizienz nachhaltig zu verbessern, ist daher eine Lösung gefragt, die Architekten, Fachplaner, Ausschreibende, Kalkulatoren und Bauherrn vernetzt. Die Anwendung entsprechender Software für die AVA setzt voraus, dass man sich mit den Bestimmungen und der Umsetzung der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen (ATV) der VOB/C gut auskennt. Die Kopplung der CAD- und AVA-Programme soll den Architekturbüros die Arbeit erleichtern. Sinn und Zweck ist es, ausgehend vom Entwurf über die entsprechende Software eine gute Ausschreibung zu erzielen. Viele Büros verfügen über die entsprechende Software, können sie aber nicht richtig einsetzen, da die Verknüpfung der CAD-Daten bis hin zu den Ausschreibungsmengen für die Positionen der Ausschreibung zur Vergabe nicht so einfach zu realisieren ist. Per Knopfdruck oder automatisch erzeugt sich keine Mengenermittlung z. B. für die Ausschreibungsunterlage. Der Wunsch nach einer durchgängigen Prozesskette von der Geometrie des Entwurfs zur Berechnung der Kostenplanung und AVA besteht seit der Konzipierung von CADund AVA-Software. Inzwischen gibt es viele CAD-AVA-Programme, wie z. B. von Nemetschek, RIB, Graphisoft, Softtech, Architext und ProjektPro, die aber nicht alle gleich gut für die Praxis anzuwenden sind. Auf die einzelnen Programme soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Viele Büros verfügen über die entsprechende Software, aber die „Kinderkrankheiten“ der Programme sorgen dafür, dass diese z. T. nicht eingesetzt werden. Schwierigkeiten bereitet es hauptsächlich, aus den vorhandenen groben CAD-Daten, detaillierte Ausschreibungsmengen zur Verfügung zu stellen. Für die korrekte Ausschreibung ist immer eine Vermischung von automatischer Erzeugung von Positionen mit Hilfe von Musterleistungsverzeichnissen und manuell eingefügten Positionen notwendig. Jeder Anwender sollte auf jeden Fall schon Erfahrungen bei der manuellen Anwendung und Umsetzung der Vergabeund Vertragsordnung (VOB), Teil C (ATV) bei der Mengenermittlung für die Positionen der Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis haben (vergleiche

6 Die Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung (AVA)

69

VOB/A § 9). Trotz aller Probleme, kann aber die Anwendung von AVA-Software zu einer wesentlichen Zeitersparnis führen.

6.4.1 Nemetschek mit den Programmen Allplan und Allright (Handbuch) Zeitgemäße CAD-Systeme (computer aided design/drafting) lassen die Entnahme AVA-relevanter Daten zu. Moderne Schnittstellen ermöglichen die unmittelbare Verwendung von Maßen zur Mengenermittlung bei gleichzeitiger Kennzeichnung der Baumaterialien, so dass z. B. Leistungsbeschreibungen ohne manuelle Betätigung im EDV-Programm erstellt werden. Es sind die Bestimmungen der Vergabeund Vertragsordnung (VOB) 2006 dann bereits berücksichtigt. Allplan (Allplan 2006) Nemetschek stellt mit Allplan ein Hochleistungs-CAD-Programm für anspruchsvolle Architekten und Planer zur Verfügung. Im Unterschied zu klassischen CADSystemen benötigen sie keine Zusatzprogramme für Layout und Visualisierung. Die Mengenermittlung ist bereits integriert und kann bei Bedarf für die Baukostenplanung in Verbindung mit jedem AVA-System verwendet werden. Der Paketinhalt umfasst u. a. im Überblick: -

2D-Konstruktion und 3D-Modellieren, Layout und Design, Bauteilorientierte Gebäudeplanung, Modellieren von Fassaden, Sparrenkonstruktion und Skelettbau, Animationen und Filme, Nachvollziehbare, VOB-gerechte Mengenermittlung (TÜV-zertifiziert), Auswertung von Räumen und Flächen, Kostenschätzung nach DIN 276, Intelligenter Datenaustausch,

ideal für kleine und große Bauvorhaben sowie Gesamtplanungen. Ein wichtiger Bestandteil dieses Pakets ist die nachvollziehbare, VOB-gerechte Mengenermittlung, die TÜV-zertifiziert ist. Die Mengen der konstruierten AllplanBauteile können sehr schnell automatisch ermittelt werden und stehen für umfangreiche Auswertungen zur Verfügung. Wenn zusätzlich ein AVA-System wie Allright eingesetzt wird, profitiert man von einem weiteren Geschwindigkeitsvorteil. Grafisch unterstützte, nachvollziehbare Mengenermittlung nach VOB-Regeln, konsistenter Datenbestand durch gemeinsamen Katalogzugriff mit Allright-AVA und Mengenübergabe und Mengenupdate an AVA sowie effektive Mengenermittlung in Verbindung mit Allright (TÜV-geprüft), so dass reale Mengen ermittelt werden, ohne Einzelheiten zeichnen zu müssen, sind vorteilhaft. Der laufende Abgleich und die Aktualisierung der Änderungen in Allplan oder Allright, die automatische Anpassung der Oberflächen in Allplan bei Änderung einer Position

70

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

in Allright sowie die Identifizierung von Mengen aus Allright durch Farbanzeige in den Allplan-Zeichnungen ist nachvollziehbar. Die Definition von Standards kann sowohl die Flächendefinition für den ganzen Raum als auch einzelner Flächen speichern (Abb. 6-4).

Abb. 6-4

Flächen- und Raumdefinitionen (Handbuch allplan 2004, Nemetschek, Lektion 9, S. 398)

Die Neuerungen in Allplan sind von Jahr zu Jahr für die Handhabung besser geworden, so macht die verbesserte Detaildarstellung von Fenster- und Türrahmen die Planung noch exakter und mit dem neuen Legendengenerator können Flächen und Räume nach unterschiedlichen Kriterien (z. B. Materialien) ausgewertet, die Flächen visualisiert und eine Legende abgelegt werden. Somit können Bemusterungspläne für Bauherren und Handwerker einfach erstellt werden (Abb. 6-5).

6 Die Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung (AVA)

Abb. 6-5

71

Installationsbauteil, neu in Allplan 2006

Seit 2006 steht nun zur optimalen Kontrolle der Baukosten während der Planung ein so genanntes Mengen- und Kostentachometer in Allplan zur Verfügung. Das ist ideal für die Bauherrenberatung, da sobald in Allright eine Position geändert wird, werden die Oberflächen in Allplan sofort korrigiert (Abb. 6-6). Attributbearbeitung Allgemein Typ Kurztext Codetext Dimension Gewerk

Pos. Bodenbelag 024.00002 m2 024

CAD Mengenformel Makrotyp Textur

VOB_Menge 64 fliesen

Attributbearbeitung Allgemein Typ Kurztext Codetext Dimension Gewerk

Pos. Bodenbelag 024.00002 m2 024

CAD Mengenformel Makrotyp Textur

Abb. 6-6

VOB_Menge 64 parkett

Positionsbezogene Visualisierung in Allplan durch Oberflächenvergabe in AVA-Allright

72

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

Allright Allright 2006 ist die aktuelle Version des Nemetschek AVA- und Baukostenmanagement-Systems. Es bietet weit mehr als ein klassisches AVA-System, denn es bietet den Architekten oder Ingenieuren auch bei der Baukostenplanung eine effiziente Anwendung. Allright bietet u. a. die ideale Lösung für die Bereiche Baukostenplanung mit verschiedenen Methoden, Erfassen, Überwachen und Steuern von Bauleistungen, das Katalogisieren eigener Projekte sowie die Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung von Bauleistungen, auch unter Bezugnahme der grafischen Mengenermittlung mit Allplan 2006. Der Datenaustausch kann ohne Einschränkung über eine GAEB-Schnittstelle erfolgen. Im Laufe der Weiterentwicklung von Allplan und Allright wurde die Transparenz der Mengenermittlung wesentlich verbessert. So können Mengenansätze, die in Allright übertragen wurden, grafisch in Allplan visualisiert werden. Auch das Dialogfeld für die Materialauswahl in Allplan wurde vereinfacht. So können in Allright zusammengestellte Elemente mit Positionen, die die Mengenermittlungsregeln enthalten, nun wesentlich einfacher ausgewählt werden. Übergabeprotokoll, Visualisierung der Mengenansätze in Allplan und Ausdrucke aus Allright und Allplan helfen die Berechnung nachzuvollziehen; Plausibilitätsprüfungen sorgen für mehr Sicherheit bei der Mengenermittlung mit Allplan, für die Ausschreibung oder Kostenberechnung. In Allplan enthaltene Architekturlisten erleichtern die Zuordnung von wesentlichen Angaben. Die Mengenermittlung kann so gestaltet werden, dass die Mengen an ein AVA-Programm übergeben werden können. Dazu ist es vorteilhaft, bei der Vergabe der Materialien, Materialkataloge mit Positionsnummern zu verwenden, z. B. den SirAdos-Katalog oder selbst definierte Kataloge (z. B. Abb. 6-7). Wichtig ist, dass der richtige Zusammenhang zwischen dem CAD-Projekt und den AVA-Leistungen hergestellt, realisiert und kontrolliert wird.

6 Die Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung (AVA)

Abb. 6-7

73

Katalogzuordnung für die Materialauswahl (Handbuch allplan 2004, Nemetschek, S. 194)

6.4.2 Anwendung von CAD- und AVA-Software an der BTU Cottbus An der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus wird im Studiengang Architektur seit dem Wintersemester 2002/2003 in der Lehre das CADund AVA-System der Nemetschek AG angewendet. Von den Lehrstühlen Darstellungslehre und Planungs- und Bauökonomie werden den Studierenden gemeinsam in Lehrveranstaltungen die notwendigen Kenntnisse in CAD und AVA vermitteln. Die Studierenden setzen diese am eigenen Projekt um. Neben der Erstellung von Plänen und der Visualisierung ist die VOB-gerechte Mengen- und Massenermittlung die Analysemöglichkeit im CAD-Bereich, die als Input für die rechnergestützte Ausschreibung-Vergabe-Abrechnung (AVA) bereitgestellt wird. Das Beispielprojekt kann dann, wie in Abbildung 6-8 dargestellt, in den Lehrveranstaltungen gemeinsam mit den Studierenden bearbeitet werden. Dieses stark vereinfachte Gebäude wird nur im Wesentlichen modelliert, wobei der Technische Ausbau vernachlässigt wird.

74

Abb. 6-8

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

Beispielobjekt für Allplan + Allright (Skript LS Darstellungslehre)

Über das Bauteil Raum kann der Ausbau modelliert werden. Das ist in Abbildung 6-4 schon mal schematisch dargestellt, so dass dort z. B. die Qualität und Dicke des Wand- und Deckenputzes, bei Beachtung der Festlegungen der ATV, DIN 18350 Putz- und Stuckarbeiten (VOB/C) sowie des Fußbodenaufbaus zu erkennen sind. Im Programm CAD besteht die Möglichkeit der Verknüpfung mit der VOBgerechten Mengenermittlung, so dass automatisch bei der rechnerischen Mengenermittlung im Hintergrund des Programms, die Festlegungen betreffs des Abzugs bei Einzelgrößen über 2,50 m² der jeweiligen ATV berücksichtigt werden. In Abbildung 6-3 ist dazu das Beispiel dargestellt, wenn die Mengenermittlung manuell durch einen Bearbeiter erfolgt. Als AVA-relevantes Ergebnis der CAD-Modellierung entsteht eine Übergabedatei Allright, wie in Abbildung 6-9 (z. B. Übersicht nach VOB). Über die Wahl der Auswerteliste und einer möglichen Bauteilnummerierung kann die Zusammenfassung von Mengen gesteuert werden.

6 Die Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung (AVA)

75

ALLRIGHT-MENGEN ZEICHNUNG:

DATUM/ZEIT: 06.05.2006

___________

_____________________

MATERIALBEZ.

OBJEKTNAME TEXT 1 Aufkantung Bodenfläche Trittstufe 012021190 Fenstertüröffnung 012021190 Fensteröffnung 012021190 Türöffnung 012021190 Wand 012031060 Wand 012061020 Schornstein 013021030 Stütze 013051020 Decke 013101050 Decke 016041090 Bodenfläche 016041090 Bodenfläche 023031070 Fensteröffnung 023031070 Wand 023051020 Seitenfläche 023071010 Deckenfläche Fenster Küche Fenstermakro Gerade Treppe Treppe Küche Raum Treppe OG-UG Raum Tür Haupteingang Türmakro Tür Hintereingang Fenstermakro Windfang Raum Wohnraum Raum Wohnzimmer Raum m Fenstermakro

Abb. 6-9

ERSTELLER: ___________ EINH m m² m² m² m² m² m² m² m m² m² m² m² m² m² m² m² m² St St m³ m³ St St m³ m³ m³ St

BAUTEILNR.

MENGE 36.810 16.579 3.378 -0.579 -4.425 -0.651 32.337 35.960 11.200 3.546 77.009 16.939 4.672 50.038 -10.870 91.962 148.186 50.410 1.000 1.000 9.240 3.600 1.000 1.000 4.740 10.870 21.600 4.000

Beispiel einer Übergabedatei für das AVA-System Allright

Die Ausschreibung-Vergabe-Abrechnung (AVA) kann dann positionsweise manuell oder mit Hilfe von Textkonserven (SirAdos, StLB-Bau), wie in Abbildung 6-10 dargestellt, erfolgen.

76

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro AVA-Teil (Ausschreibung-Vergabe-Abrechnung) AVA-Systeme beinhalten Verzeichnisse strukturierter Bauleistungsbeschreibungen und ermöglichen den Umgang mit ihnen:

Diese Verzeichnisse können individuell erstellt oder aus so genannten „Textkonserven“ (SirAdos, Heinze Baudatenbank, Standardleistungsbuch (StLB-Bau)) übernommen werden.

Abb. 6-10

Mauerwerk der Außenwand, als Hintermauerung für Mauerschale einschl. Drahtanker DIN 1053 Teil 1, lot- und fluchtgerecht ausgeführt, Mauerziegel DIN105 Teil 2 - HLzW 12 0,9 10 DF, mit Stoßfugenverzahnung MG II a, Wärmeleitfähigkeit 0,24 W/(mK) (Mauerwerk incl. Mörtelfuge), Mauerwerksdicke 24 cm, erforderl. Druckspannung Sigma 0 in N/mm2 ’ ’ (gemäß Standsicherheitsnachweis), Höhe bis 2,75 m, Wandanschlüsse in Stumpfstoßtechnik (nach DIN 1053) mit Flachanker aus nichtrostendem Stahl (V4A-Stahl, Werkstoff-Nr. 1.4401) (Querschnitt gemäß Standsicherheitsnachweis), Ausführung in allen Geschossen. Ausführung gemäß Zeichnung Nr. ’ ’ und Standsicherheitsnachweis.

AVA-Teil mit SirAdos (Skript, Lehrstuhl Darstellungslehre)

Die AVA-Anbindung an das CAD-Projekt erfolgt dann über Kataloge und Stammdaten, was intern erfolgen kann. Es sind interne Übergabedateien notwendig, die über Pufferdatenbanken übermittelt werden. Im AVA-Bereich unterscheidet man prinzipiell nach gewerkeorientierter (Leistungsbereiche) oder elementorientierter (Bauelemente) Vorgehensweise. Das gewerkeorientierte Prinzip wird hier als das Bessere angesehen, weil es genauer die VOB-gerechte Menge für die Position ermittelt. Die Erstellung ein oder mehrerer Stammverzeichnisse ist erforderlich, um anhand der dann existierenden Stämme die Übergabedatei einspielen zu können. Es wird aus beiden Informationsmengen das AVA-Projekt erzeugt und im Zusammenhang mit dem CAD-System Allplan [Nemetschek AG] das ideal passende AVA-System Allright [Nemetschek AG] genutzt. Jedes andere AVA-System könnte allerdings ebenfalls verwendet werden. Nach dem Anlegen des Stamms wurde ein LV definiert. Dieses wurde in die üblichen Leistungsbereiche (Titel) gegliedert. Die Texte für Positionen entnimmt man an besten aus Textkonserven (z. B. SirAdos), da diese unter Beachtung der VOB/C erarbeitet wurden. Der jeweilige Aktualitätsgrad ist unbedingt zu beachten, da Ausschreibungen unbedingt dem aktuellen Stand der Technik (VOB/C 2006) entsprechen müssen.

6 Die Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung (AVA)

77

In den Leistungsbereichen werden Positionen aufgeführt, die die Leistungen für das im CAD-Modell begonnene Projekt qualitativ (textlich) umfassend beschreiben (Abb. 6-11). Es ist notwendig, dass bei den übernommenen Werten auch die Dimensionen (z. B. St oder Stck.) übereinstimmen. Hier entspricht der Codetext dem des CAD-Modells. Zu beachten ist, dass es auch bei der DIN 18331 die Änderung gab, dass aus dem Leistungsbereich Beton- und Stahlbetonarbeiten (VOB/C 2000) der Leistungsbereich 013 Betonarbeiten (2006) wurde. Die Mengenermittlung der Positionen muss nun grundsätzlich getrennt in Beton, Schalung und Bewehrung erfolgen. Die Leistungsbeschreibung kann nicht mehr so zusammengefasst sein, dass man schreibt „Beton herstellen, inklusive Schalung und Bewehrung“. Für die direkte Verknüpfung zwischen dem CAD-Objekt und dem AVA-Projekt sind dieselben Codetexte entscheidend, wie in Abbildung 6-12 schematisch dargestellt. Aber nicht alles, was auszuschreiben ist, stammt aus dem CAD-Modell. Im Stammverzeichnis wird dann z. B. AVA oder CAD als Anmerkung angegeben, um sofort die Herkunft zu erkennen.

Abb. 6-11

Stammverzeichnis, gegliedert in Leistungsbereiche (VOB/C, 2000), ohne Mengen

78

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

CAD

Stämme und Projekte im AYA-Bereich

CAD-Objekte

Übergabedatei (XCA, TXT, ...)

AVA-Projekt

AVA

Spalte: CODETEXT u. DIMENSION !

CAD-relevante AVA-Stämme

CAD-irrelevante AVA-Stämme

Projekte

Abb. 6-12

Stämme (ohne Mengen, Preise, …)

Stämme und Projekte im AVA-Bereich (LS Darstellungslehre)

Die Verknüpfung zwischen dem Projekt Haus (Grundriss), der aus dem SirAdosText herausgesuchten möglichen Positionsbeschreibung (Außenwand in HLZ) und dem Stammverzeichnis, könnte wie in Abbildung 6-13 aussehen. Hierbei ist zu beachten, dass bei der Übernahme von Leistungsbeschreibungen aus den Textkonserven von SirAdos hier z. B. die Herausgabe der Texte auf der Grundlage der VOB/C 2002 erfolgte, wo die Wände, bei einer Dicke von 36,5 noch in m³ ermittelt und ausgeschrieben wurden, aber ab der VOB/C 2006 nur noch in m². So ist es notwendig, dass die Verknüpfung zur Mengenermittlung in CAD korrekt auch mit dem Text der Leistungsbeschreibung im Stamm angepasst wird. Bei der notwendigen Änderung einer bereits im AVA-Projekt enthaltenen Menge einer Position, ist ein Update der Änderungen dieser Position im Stamm durchzuführen, bis hin zur Position im AVA-Projekt.

6 Die Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung (AVA)

79

SIRADOS:

Anmerkung: Einheit m³ entspricht SirAdos-Texte 2004 (VOB 2000)

STAMM:

Anmerkung: Einheit und Menge in m² entspricht VOB 2006 (aktueller Stand)

Abb. 6-13

Verknüpfung vom Grundriss – SirAdos – Stamm CAD/AVA (Beispiel Lehrveranstaltung CAD/AVA)

Nachdem das AVA-Projekt fertig gestellt ist, kann elektronisch ausgeschrieben werden, d. h. es wird eine „Bieterdiskette“ erzeugt (Programm und Datenblatt). Auch manuell können ebenfalls über das Ausdrucken (verschiedene Varianten) Ausschreibungsunterlagen erzeugt werden. Von den ausführenden Firmen werden Angebote abgegeben, die elektronisch oder manuell in das AVA-Projekt eingepflegt werden können, wie in Abbildung 6-14 zu sehen.

80

Abb. 6-14

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

AVA-Projekt mit eingespielter CAD-Übergabedatei mit Angebotspreisen, Einheitspreisen (EP) und Gesamtpreisen (GP)

Diese Angebote der Bieter werden in grafischen Preisspiegeln für den Bauherrn ausgewertet, damit er sich für den „preisgünstigsten“ entscheiden kann, der seine Vorstellungen am besten realisiert (Abb. 6-15). Dieser grafische Preisspiegel kann entsprechende Aufschlüsse geben.

6 Die Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung (AVA)

Abb. 6-15

81

Beispiel für Preisspiegel – Leistungsverzeichnis Haus (AVA) (Beispiel Lehrveranstaltung)

Nicht immer ist allerdings der preisgünstigste auch der Beste, besonders auch, wenn ein Einheitspreisvertrag zwischen dem Bauherrn und Bieter abgeschlossen wird. In Abschnitt 6.3.2 wurde bereits darauf eingegangen.

6.4.3 Bewertung der Anwendung dieser CAD- und AVA-Software Die integrierte Planung mit diesem CAD-AVA-System von Nemetschek hat den Vorteil, dass die Mengen- und Massenberechnungen aus dem CAD-System sofort im AVA-Programm zur Verfügung stehen sollen. So können Daten schnell berechnet und weiterverwendet werden. Wichtig ist, dass die Verknüpfung der Leistungsbeschreibung von Allplan und Allright nur über einen Codetext erfolgen kann. Da muss gut aufgepasst werden, damit das System funktioniert. Hier wurde ein Stammkatalog mit Hilfe von SirAdos-Texten verwendet, wobei es hier Schwierigkeiten gibt, da bei der Importfunktion die Hierarchie des Stammtextes verloren gehen kann. Das macht besonders bei großen Projekten, beim Auffinden von Positionen und deren Langtexten, erhebliche Schwierigkeiten. Bei der CAD-Modellierung erfolgt in Allplan die Flächen- und Raumdefinition, wie in Abbildung 6-4 dargestellt, über die Materialen. Hier werden u. a. Fensterund Türleibungen nicht erkannt und demzufolge nicht in der Mengenermittlung berücksichtigt. Das betrifft auch die Fensterbänke. Solche Positionen müssen so-

82

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

mit von Hand beschrieben und mengenmäßig berechnet werden. Man kann sich nicht einfach darauf verlassen, dass schon nichts vergessen werden wird, ist ja „VOB-konform“. Das AVA-System Allright ist übersichtlich und bedienerfreundlich, da sich Mengenupdates in einem bestehenden Leistungsverzeichnis über Übergabedateien, wie in Abbildung 6-12 dargestellt, realisieren lassen. Umständlich gestaltet sich allerdings der Kopier- und Einfügungsvorgang, der je nach Datenmenge viel Zeit in Anspruch nehmen kann. Es sollten stichprobenweise manuelle Überprüfungen der ermittelten Mengen bei Positionen durchgeführt werden, um zu prüfen, wie groß die Abweichungen zur Ermittlung nach CAD sind. Diese darf es eigentlich nicht geben, da alles VOB-genau ermittelt wird. Kleine Abweichungen können aber, infolge von Rundungen mit Excel, bei Formelanwendungen auftreten. Hier wurden z. B. bei der Berechnung der Wandfläche für die Leistungsbereiche 023 Putzund Stuckarbeiten, Wandputz und 037 Tapezierarbeiten in einem Raum z. B. 58,255 m² mit Allplan (VOB-gerecht) ermittelt und 58,297 m² manuell (eigene Formel). Generell ist die Anwendung von Software positiv zu sehen, aber man darf nie in routinemäßige Bearbeitung übergehen, es ist eher eine kritische Betrachtungsweise angebracht.

6.5

Hinweise für die weitere Bearbeitung

Die Verknüpfung von CAD und AVA sollte stets auf aktueller Basis der notwendigen rechtlichen Vorschriften erfolgen. Ist das nicht immer möglich, wie z. B. bei Leistungstexten von SirAdos (Stand 2004), dann müssen diese entsprechend der gültigen VOB/C angepasst werden. Die gewerke- bzw. leistungsbereichsbezogene Verbindung von CAD und AVA bringt den Studierenden die Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen (ATV) der VOB/C besonders nah und macht eine manuelle, rechnerische Prüfung besser möglich. Literatur Allplan 2004 Architektur Handbuch. Nemetschek Technology GmbH, München, 2004 Allplan 2006 Paket Architektur. Nemetschek, München, 2006 Allright 2006 Neues seit 2003. Nemetschek, München, 2006 DAMERAU, von der, A.; FRANZ, R.; FRÖHLICH, P. J.; TAUTERAT, H.: VOB im Bild. Köln, 2007

6 Die Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung (AVA)

83

HOAI Honorarordnung für Architekten und Ingenieure vom 17.09.1976 (BGBl. I S. 2805, 3616); 5. ÄVO der HOAI vom 21.09.1995 (BGBl. I S. 1174) zuletzt geändert durch das Neunte Euro-Einführungsgesetz, 2001 MANTSCHEFF, Jack; BOISSERÉE, Dominik. Bau- Betriebslehre I. München, 2004 MÖLLER, Dietrich-Alexander; KALUSCHE, Wolfdietrich: Planungs- und Bauökonomie, Band 2: Grundlagen der wirtschaftlichen Bauausführung. Oldenbourg, 2008 MÖLLER, Dietrich-Alexander; KALUSCHE, Wolfdietrich: Übungsbuch zur Planungs- und Bauökonomie. Oldenbourg, 2002 RÖSEL, Wolfgang; BUSCH, Antonius: AVA-Handbuch. Ausschreibung – Vergabe – Abrechnung. Wiesbaden, 2004 Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) 2006: VOB Teil A Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen (DIN 1960) VOB Teil B Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (DIN 1961) VOB Teil C Allgemeine Technische Vertragsbedingungen (ATV) für Bauleistungen (DIN 18299-18421)

84

7

Baucontrolling in Russland am Beispiel Tristan Kunze, Markus G. Viering

7.1

Controlling in der Bauausführung

Nach Horváth (Horváth, 1998, S. VI) [1] besteht Controlling grundlegend aus den Elementen Planung, Kontrolle und Informationsversorgung (siehe Abb. 7-1). Ziel des Controllings speziell im Bauwesen ist die Sicherstellung des wirtschaftlichen Erfolgs einer Baumaßnahme. Hierfür stehen drei wesentliche Aspekte für das Controlling im Vordergrund. „Erstens geht es darum, der Führung Systeme und Prozesse zur Wahrnehmung der genannten Führungsaufgaben zur Verfügung zu stellen. Zweitens benötigt die Führung geeignete aufbereitete Informationen, um zieladäquate Steuerungsentscheidungen treffen zu können. Drittens braucht die Führung einen Gesprächspartner, der interpretierend, analysierend und beratend zur Verfügung steht.“ (Horváth, 2001, S. 33) [2]. Das Controlling während der Bauausführung verknüpft somit u. a. die Kontrolle, die Analyse (Vergleichsrechnungen und Abweichungsanalysen) und die Organisation (Eingriff in die Prozessrealisation) unter Einbeziehung des Informations- und Kommunikationswesens im Sinne einer zielgerichteten, auf das Ende der Baumaßnahme ausgerichteten, Steuerung (in Anlehnung an Oepen, 2002, S. 19) [3]. Informationen Führungssystem Controllingsystem: Planungsund Kontrollsystem

Ergebniszielorientierte Koordination Informationen Ausführungssystem Güter Geld

Abb. 7-1

Controlling nach Horváth

Informationsversorgungssystem

7 Baucontrolling in Russland am Beispiel

7.2

85

Das Beispiel-Projekt

Russland ist das flächenmäßig größte Land der Erde. Gekennzeichnet durch zehn Zeitzonen und sechs Klimazonen stellt dieses Land allein durch seine geographischen Dimensionen eine Herausforderung dar. Aufgrund der Unterschiede zwischen einzelnen Regionen bezieht sich der nachfolgende Bericht lediglich auf Erfahrungen aus der Ural-Region um Ekaterinburg, der drittgrößten Stadt Russlands. In der Stadt Ekaterinburg, in der südöstlichen Uralregion, wurde eine FamilyShopping-Mall errichtet. Das Gebäude besitzt eine Brutto-Grundfläche von rund 150.000 m² in der Shoppingebene und gut 200.000 m² Parkflächen. Das Gebäude erstreckt sich teilweise über drei Etagen. Sowohl für die Planung als auch für die Bauausführung wurde ein türkisches Bauunternehmen als Generalübernehmer (GÜ) – im weiteren Verlauf Auftragnehmer genannt – vertraglich gebunden. Im Rahmen der Ausführung dieser Baumaßnahme wurde das Projektsteuerungsunternehmen, in dem die beiden Verfasser beschäftigt sind, damit beauftragt, den Bauherrn bzw. dessen Projektleitung hinsichtlich eines Qualitäts- und Termincontrollings beratend vor Ort zu unterstützen. Das Aufgabenspektrum der Verfasser umfasste folglich zwei Kernaufgaben. Zum einen eine effektive und aktuelle Informationsbereitstellung und -versorgung der Projektleitung und zum anderen deren Beratung im Hinblick auf Ausführungsqualitäten und Termine.

7.3

Informationsversorgung

Informationen sollen sowohl auf Möglichkeiten hinweisen als auch vor Risiken warnen. Betrachtet man Informationen als unternehmerische Ressource, müssen die Aufgaben des Informationsmanagements darauf abzielen, Informationen für das Management und damit der Planung, Organisation und Kontrolle effektiv und effizient zur Verfügung zu stellen (vgl. Kochendörfer/Viering/Liebchen, 2004, S. 235) [4]. Ein Informationssystem unterstützt somit die Führungsfunktionen Planung und Kontrolle des Bauherrn bzw. seiner Projektleitung. Um eine effektive Informationsbereitstellung für den Bauherrn gewährleisten zu können, ist die Zusammenstellung eines wirkungsvollen Teams aus Ingenieuren und Assistenten eine Grundvoraussetzung. Hierfür erwies sich die Teambildung aus deutschen Ingenieuren sowie russischen Ingenieuren und Assistenten unter deutscher Teamleitung als optimal. Durch die Einbindung russischer Fachkräfte wurde sichergestellt, speziell die Einhaltung russischer Normen und Gesetze sowie regionaler Ausführungsverordnungen zu überprüfen und Abweichungen festzustellen.

86

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

Voraussetzung für eine effektive Arbeit im Team ist eine einheitliche Sprache. Im Rahmen dieses Projektes ist durch den Auftraggeber Englisch als Verhandlungsund Arbeitssprache gefordert worden. Dieser Umstand stellt wiederum eine Schwierigkeit im zentralen Russland dar. Zum einen ist lediglich eine geringe Verfügbarkeit an qualifizierten Ingenieuren gegeben, zum anderen sind verfügbare Ingenieure und Assistenten häufig nicht der englischen Sprache mächtig. Des Weiteren muss im Rahmen der Team-Zusammenstellung beachtet werden, dass die von Russland geforderten zu erfüllenden Formalitäten oftmals eines langwierigen Verlaufs bedürfen. Hierbei sind im Besonderen Visa-Beschaffung, Registration und der Erwerb der Arbeitserlaubnis zu nennen. Eine weitere Grundvoraussetzung für eine effektive Durchführung der Informationsbereitstellung ist die Einrichtung eines Informationspools, auf welchen die Projektleitung des Bauherrn jederzeit zugreifen kann. Dieser Informationspool dient dazu, den Bauherrn sowie das Projektteam mit notwendigen Informationen u. a. über ausgeführte Qualitäten und Baufortschritte zu versorgen, denn bspw. die Qualität der Bauausführung hängt nicht allein von der handwerklich richtigen Ausführung, sondern auch von der Qualität der Kontrolle der Bauausführung selbst ab (siehe auch Viering/Liebchen/Kochendörfer, 2007, S. 300) [5]. Durch diese Informationen wird ermöglicht, umgehend in das Baugeschehen einzugreifen und sowohl terminlichen als auch monetären Engpässen rechtzeitig vorzubeugen und frühzeitig entgegen zu wirken. Zur Errichtung eines solchen Informationspools ist von Relevanz, Kenntnis von der vertraglich geschuldeten Leistung des vom Bauherrn beauftragten Auftragnehmers zu erlangen. Erst wenn die geforderte Leistung umfassend bekannt ist, lassen sich Abweichungen zwischen Qualitäten und vertraglich geschuldetem Soll feststellen und erfassen. Ist die vom Bauherrn geforderte Bauleistung detailliert bekannt, wird es notwendig, ein Informationserfassungssystem zu entwickeln. Dieses bildet die Basis dafür, gesammelte Informationen verarbeiten und ablegen zu können. Das Erfassungssystem sollte hierbei die Daten: -

aktualisiert, strukturiert, zuverlässig, thematisiert und vor allem nach ihrer Priorität gestaffelt

erfassen und widerspiegeln können (siehe hierzu auch Greiner/Mayer/Stark 2002, S. 295/296) [6]. Weiterhin sollte das Erfassungssystem sowohl intern im Team als auch extern im Hinblick auf die Projektleitung des Bauherrn einheitlich sein. Das setzt selbstverständlich eine stetige Kooperation mit der Projektleitung voraus. Nachdem ein auf

7 Baucontrolling in Russland am Beispiel

87

die jeweilige Baustellen- und Beteiligtensituation ausgerichtetes Erfassungssystem installiert wurde, ist mit der Aufnahme von Daten in dieses System zu beginnen. Grundsätzlich dienen die gesammelten Daten dazu, mögliche Abweichungen zwischen dem geplanten und tatsächlichen Zustand des Bauprojektes frühestmöglich festzustellen, des Weiteren die ermittelten Diskrepanzen bezüglich ihrer Ursache und späteren Wirkung auf die weitere Realisation der Baumaßnahme zu analysieren, also um eine Betrachtung der Kausalkette durchführen zu können. Das Sammeln von Informationen und Daten sollte zielgerichtet verlaufen, um ein späteres „Daten-Chaos“ und überflüssige Redundanzen zu vermeiden. Vornehmlich werden Informationen bei Baustellenbegehungen gesammelt. Hierfür haben sich vorgefertigte Arbeitsblätter, welche den zu überprüfenden Teilbereich, wahlweise ein vorgegebenes Areal oder das einzelne Gewerk, grob graphisch darstellen, erfolgreich bewährt. Dieses liegt u. a. daran, dass während einer solchen Baustellenbegehung – speziell sehr großer Baustellen – selten genug Zeit bleibt, um bspw. Koordinaten, Fundstellen oder auch Hinweise handschriftlich zu umschreiben und darzustellen. Ein Planabriss mit maßgeblichen zu untersuchenden Stichpunkten ermöglicht als Arbeitsblatt dahingehend die schnelle und ortsgenaue Notiz (siehe Abb. 7-2). Diese Arbeitsblätter sollten jedoch auch genug Raum für individuelle Eintragungen besitzen, um bspw. unvorhersehbare Informationen und Ergänzungen erfassen zu können. Es empfiehlt sich die Arbeitsblätter durch Bildund Videomaterial zu ergänzen. Im Sinne der Effektivität werden die Veränderungen der Ergebnisse des letzten Erfassungszeitraums weiterverfolgt und somit nur die Veränderungen erfasst.

Abb. 7-2

Beispiel – Arbeitsblatt mit Notitzen

88

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

Durch das stetige Sammeln von Informationen und Ablegen im Erfassungssystem lassen sich regelmäßig zu aktualisierende Statusberichte erstellen (Abb. 7-3).

Abb. 7-3

Beispiel – Graphische Darstellung aus einem Statusbericht

Diese helfen der Projektleitung des Bauherrn u. a. dabei, einen groben Überblick über Bautenstand und angesetzte Termine zu erhalten. Außerdem versetzen solche Status-Berichte den Controller in die Lage, Engpässe frühzeitig zu erkennen und notwendige Entscheidungen und Anweisungen der Projektleitung zu forcieren. Im Hinblick auf zu erfüllende Meilensteine durch den ausführenden Auftragnehmer können diese Daten weiter differenziert werden. Aussagekräftig erlauben solche Detailberichte eine realistische Einschätzung der Terminsicherheit einzelner Teilbereiche und der gesamten Baumaßnahme. Speziell gegen Ende einer Teilleistung bzw. Abschluss der Baumaßnahme haben sich Berichte die Aussagen über die Restzeit, die zu erbringende Restleistung und insbesondere eine auf die Restzeit bezogene Tagesleistung erlauben, bewährt (siehe Abb. 7-4). Von besonderem Interesse ist dabei die zukünftige Tagesleistung, da sie durch Vergleiche mit entsprechenden Aufwandswerten die Einhaltung von festgesetzten Terminen einschätzbar macht.

7 Baucontrolling in Russland am Beispiel

Abb. 7-4

7.4

89

Beispiel – Detailbericht

Consulting

Im Falle eines festgestellten möglichen Engpasses ist die Beratung des Bauherrn hinsichtlich zu treffender Entscheidungen nötig. Neben einer erforderlichen stetigen Informationsversorgung stellt die Beratung der Projektleitung des Bauherrn eine weitere Kernaufgabe dar (siehe Abschnitt 7.1). Die Aufgabe des Controllers bzw. in diesem Fall des Consultants liegt hierbei in der Unterstützung der Projektleitung zur Umsetzung des Bauziels. Insbesondere

90

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

ein eventuelles Eingreifen der Projektleitung in den Bauablauf muss fachlich und fundiert erfolgen und bedarf somit einer vorherigen urteilssicheren Beratung. Um die Projektleitung kompetent beraten zu können, darf sich der Controller allerdings nicht allein auf seine Erfahrungen, die er in Deutschland gesammelt hat, verlassen. Vielmehr sind die speziellen Eigenheiten Russlands zu beachten. Gerade diese Eigenheiten müssen dem Controller bekannt sein. Der Erfolg der Baumaßnahme hängt entscheidend von dem Wissen um solche Sachverhalte ab. Im Folgenden werden einige der Besonderheiten angerissen, welche in jedem Fall beachtet werden müssen. -

-

-

-

Grundlegend sind in Russland nicht die Regelungen der DIN, sondern der SNiP (строительные нормы и правила [Stroitelnye Normy i Pravila] = Bauliche Normen und Regeln) anzuwenden. Diese weisen z. T. beträchtliche Unterschiede zur deutschen DIN auf, und können sich somit bedeutend auf die Eckpfeiler der Bauwirtschaft – Qualität, Kosten und Termine – auswirken. Hinsichtlich des Kontaktes zu Behörden und Ämtern wird zusätzlich ein so genannter „заказчик (zakaztshik = russ. Besteller)“ als Kontaktperson erforderlich. Dieser dient in erster Linie zur Koordination und Regelung besonderer behördlicher Auflagen und Teilgenehmigungen. Außerdem ist eine seiner speziellen Aufgaben, die Regelung von behördlichen Problemen, welche in Russland häufig von langwieriger Prozessdauer und von Ausländern kaum zu lösen sind. Weiterhin ist, wie bei jedem Bauprojekt, der Anschluss an die regionalen Mediennetze, bspw. an die Wasserversorgung, notwendig. Neben dem Wissen um die z. T. sehr maroden Netze in Russland ist im Hinblick auf Bauzeitenpläne zu beachten, dass es in der Regel einer langen Vorlaufzeit zur Klärung einer möglichen Verfügbarkeit mit den öffentlichen oder auch privaten Trägern bedarf. Hinzu kommt, dass eine vertragliche Bindung mit diesen Trägern nicht zwingend Termintreue garantiert. Somit sind stets Nachverhandlungen und terminliche Risiken einzukalkulieren. Zusätzlich ist zu beachten, dass es in Russland allgemein Regel ist, zu erbringende Leistungen im Voraus zu zahlen. Aus diesem Grund besteht trotz vertraglicher Bindung keine Sicherheit auf Vertragserfüllung. Dieser Punkt ist von Seiten des „beratenden“ Controllers sehr ernst zu nehmen. Neben diesen eher formellen Aspekten, stellt eine russische Baustelle stets ein Umdenken des Controllers hinsichtlich der Bauausführung dar. Im Gegensatz zum gemäßigten Klima in Mittel- und Westeuropa herrscht im zentralen Russland das Kontinentalklima vor. Das bedeutet heiße Sommer und sehr kalte Winter. Klimaschwankungen von 70°C sind somit keine Seltenheit. Aufgrund dessen bestehen in Russland besondere Regelungen, die (durch verschiedene „Statements of Method“) Arbeiten, die in Mittel- und Westeuropa untersagt sind, zulassen. Hierbei ist insbesondere das Betonieren bis zu -25°C zu erwähnen. Zum Beispiel durch zusätzliches elektrisches Beheizen der Bewehrungsstähle und des Schalmaterials darf bis zu dem genannten Kältegrad betoniert werden, ohne die Baustelle in den in Deutschland üb-

7 Baucontrolling in Russland am Beispiel

91

lichen Winterbau zu versetzen bzw. die Baustelle für diesen Zeitraum zu schließen. Die niedrigen Energiepreise in Russland begünstigen ein solches Vorgehen.

Abb. 7-5 -

-

-

Veralteter Maschinenpark

Im Gegensatz dazu stehen behördliche Festlegungen, welche aufgrund der angegriffenen Infrastruktur, speziell wegen der Straßenverhältnisse, Schwerlasttransporte während der Tauperiode untersagen. Das hat zur Folge, dass solche Transporte besonders im Frühjahr nicht stattfinden können, und somit der Bauablauf erheblich beeinflusst werden kann. Insofern hat ein Termincontrolling diesen Sachstand in seine Terminplanung und Kontrolle einzubeziehen. Russische Baustellen kennzeichnen sich in der Regel durch einen verstärkten „Manpower-Einsatz“ aus. Auf Baustellen der genannten Größe ist mit rund 2.500 Arbeitern/Tag zu rechnen. Selten sind hier jedoch Fachkräfte zu finden. Aus diesem Grund sind Ausführungsmängel und Qualitätsdefizite vorprogrammiert. Ein Qualitätscontrolling ist somit grundsätzlich notwendig und effektiv zu gestalten. Den hohen Arbeitskräftezahlen steht ein geringer und wenig spezialisierter Maschinenpark gegenüber. Hinzu kommt, dass der verwendete Maschinenpark meist überaltert ist und somit nicht an die Leistungswerte heranreicht, mit welchen in Mitteleuropa Leistungen kalkuliert werden (Abb. 7-5).

92 -

-

7.5

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro Hierfür hat in erster Linie der Controller bzw. Consultant eine verminderte Arbeitsleistung der Geräte und Maschinen zu berücksichtigen. Zusätzlich erfordert die hohe Arbeiterzahl, insbesondere, da die Arbeiter z. T. nicht als Facharbeiter anzusehen sind, eine verstärkte Überwachung der Arbeitsleistung und -qualität. Im Hinblick auf Großgeräte (z. B. Krane), Materialien und Ersatzteile ist vom Consultant zwingend zu beachten, dass diese in der Regel nicht vor Ort verfügbar sind, sondern teilweise über weite Strecken herantransportiert werden müssen und lange Lieferzeiten benötigen. Diese Tatsache wirkt sich erheblich auf die Terminplanung und deren Nachverfolgung aus und ist somit sowohl in Planung, Ausführung als auch bei Ausführungsänderungen frühzeitig zu berücksichtigen.

Fazit und Ausblick

Ein Bauvorhaben in Russland stellt an jeden Controller hohe Anforderungen. Die genannten Sachverhalte, ob während der Informationsversorgung oder der Beratungstätigkeit, stellen lediglich einen Abriss dar. Somit ist eine Einarbeitung des Controllers in länderspezifische Aspekte, ob Russland oder weiteres Ausland, ein Muss zur Vorbereitung auf ein künftiges Projekt im Ausland. Hinzu kommt, dass eine immer stärkere Entscheidungsbeteiligung des Controllers zu verzeichnen ist. Ein Grund hierfür liegt sicherlich darin, dass der Schritt von der umfassenden Informations- und Methodenversorgung über deren Interpretation und Bewertung zur Entscheidungsmitwirkung nicht mehr groß ist (siehe hierzu auch Horváth, 2002, S. 81) [7]. Literatur [1] HORVÁTH, Peter: Controlling. 4. Aufl., München, 1998 [2] HORVÁTH, Peter: Der Controller: Navigator der Führung. in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (2001) Nr. 122, S. 33, 2001 [3] OEPEN, Ralf-Peter: Phasenorientiertes Bauprojekt-Controlling in bauausführenden Unternehmen unter besonderer Berücksichtigung einer zweigliedrigen Arbeitskalkulation. Dissertation an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg, 2002 [4] KOCHENDÖRFER, Bernd; VIERING, Markus G.; LIEBCHEN, Jens H.: Bau-Projekt-Management – Grundlagen und Vorgehensweisen, 2. Auflage, Wiesbaden, 2004

7 Baucontrolling in Russland am Beispiel

93

[5] VIERING, Markus G.; LIEBCHEN, Jens. H.; KOCHENDÖRFER, Bernd (Hrsg.): Managementleistungen im Lebenszyklus von Immobilien, Wiesbaden, 2007 [6] GREINER, Peter; MAYER, Peter E.; STARK, Karlhans: Baubetriebslehre – Projektmanagement, Wiesbaden, 2002 [7] HORVÁTH, Peter: Controlling. 8. Aufl. München, 2002

94

8

Wirtschaftlichkeit in rationalen Bau-Entscheidungen Peter Richter

Von einem Räuber vor die Alternativen gestellt „Geld oder Leben“, entscheiden wir uns spontan und intuitiv für das, was uns wichtiger ist. Auch Rational bestätigt sich: Geld ohne Leben ist wertlos! Aber warum übersehen wir die erstrebenswerte Qualität unseres Lebens in vielen „rationalen“ Entscheidungen? Es scheint mir daher sinnvoll, dazu folgenden Überlegungen nachzugehen: -

8.1

Was ist rationales Entscheiden? Welche Rolle spielt dabei die Wirtschaftlichkeit? Wie wirkt sich dies auf Entscheidungen beim Bauen aus?

Erfolg

Erfolg ist nach meiner Ansicht, Ziele erreicht zu haben. Als vorteilhaft sehe ich dazu das an, was mich dem Erfolg, also den gesetzten Zielen, näher bringt. Häufig wird vorteilhaft mit sinnvoll gleich gesetzt. Doch ist das wirklich so? Meines Erachtens geht Sinnvolles über die Vorteilhaftigkeit i. S. einer Zielsetzung hinaus und enthält auch Aspekte subjektiver oder allgemeiner moralisch-ethischer Werte.

Abb. 8-1

8.2

Im Sinn der Zielsetzung vorteilhaft = sinnvoll?

Rational entscheiden

Was ist das Wesen von Entscheidungen? Bei jeder Entscheidung stehen wir vor der Wahl, unter verschiedenen Lösungsmöglichkeiten für eine Aufgabe, die beste herauszufinden. So wie in einer Scheideanstalt taubes Gestein von Edelmetall (z. B. mittels mechanischer Siebe) ausgefiltert oder durch Ausnutzung unterschiedlicher physikalisch-chemischer Eigen-

8 Wirtschaftlichkeit in rationalen Bau-Entscheidungen

95

schaften (z. B. Schmelzpunkt) getrennt und ausgesondert wird, gilt es auch hier, die weniger oder gar untauglichen Lösungen auszuscheiden.

Möglichkeiten Variante 1 Variante 2 Aufgabe

Variante 3 Variante ..

Entscheiden = Zielorientiert auswählen

Lösung

Variante n

Zielsetzung

Abb. 8-2

Entscheidungsablauf

Im Gegensatz zu den bekannten und gleich bleibenden Eigenschaften von Metallen, sind die Gegebenheiten von Lebenssituationen und Bauaufgaben sehr vielfältig und immer wieder anders. Vieles ist uns zudem nicht bewusst, so dass gar nicht alle Abhängigkeiten und Auswirkungen überschaut werden können. Und selbst die uns bekannten Zusammenhänge und Wirkungen können sehr oft nicht in exakten Zahlen gefasst werden. Trotzdem treffen wir Entscheidungen oft darum nach Gefühl, sogar sehr wichtige, wie z. B. die Partnerwahl. Trotz Überzeugung von der Richtigkeit, sind uns bei intuitiven Entscheidungen die wirklichen Beweggründe letztlich unbewusst. Wir können daher oft anschließend nicht genau erklären, warum wir uns so und nicht anders entschlossen haben. Soll eine Entscheidung allerdings für Andere, wie z. B. den Chef im Beruf oder Geldgeber (Bank/Aktionär) im Geschäftsleben, nachvollziehbar sein, muss sie mit einer sachlichen Darstellung begründet werden: Die Entscheidungskriterien werden gesammelt, aufgelistet, sowie ihr Gewicht und ihre Ausprägung aufgezeigt. Ist dies mühsam oder gar nicht möglich, fällt es uns schwer, eine knappe Entscheidung Anderen verständlich zu machen. Nur im privaten Bereich kann ein Freund oder Partner sie vielleicht nachfühlen und auch ohne Verstehen akzeptieren. Insbesondere bei Investitionen – wie dem Bauen – versucht man daher vernünftig vorzugehen, auch um sich selbst Rechenschaft geben zu können und möglichst sicher das „Richtige“ zu finden. Rational entscheiden, bedeutet vernünftig und nachvollziehbar entscheiden: Messbaren Größen, mit dem Verstand fass- und darstellbaren Zahlen und Daten wird der Vorrang vor unklaren, kaum bewussten Emotionen gegeben. Daraus werden meist verdichtete Kennzahlen errechnet, wie die Wirtschaftlichkeit. Sie wird häu-

96

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

fig als zweifelsfreies, neutrales und objektives Kriterium angesehen und ist immer wieder eines der einflussreichsten Entscheidungskriterien. Diese Kennzahlen bilden gleichsam die Maschen des Entscheidungsfilters. Sie müssen den Zielgrößen entsprechen, um die geeigneten Lösungen herauszufinden: Wie beim Fischen mit Netzen muss die Maschengröße dem Zielfisch entsprechen: Sind sie zu groß, wird die Ausbeute klein sein, ist sie zu klein, gibt es zuviel nicht verwertbaren Beifang („Kollateralschaden“). Nur wenn die Maschen den Zielkriterien entsprechen, sind Entscheidungsnetze zielführend. Zielkriterien ergeben sich unmittelbar aus der Aufgabe. Ist das Ziel jedoch nicht klar festgelegt, können weder gezielte Aufgaben, noch Zielerfüllungskriterien formuliert werden – mithin steht dann auch kein Entscheidungsfilter zur Verfügung. Unbewusste Ziele und Kriterien entziehen sich einer „vernünftigen“ Betrachtung und damit einer rationalen Entscheidung. Bei fast allen von Menschen angestrebten Zielen kann man feststellen, dass es sowohl klar fassbare, in Zahlen ausdrückbare Ergebnisse (z. B. eine erzielbare Miete) als auch nicht bezifferbare Werte (z. B. der gute Ruf) und auch Unbewusstes gibt. Selbst wenn sich mancher Nutzen über Umwege noch errechnen lässt (z. B. über ersparte Ersatzaufwendungen), so spielt doch bei jeder Entscheidung ein mehr oder weniger großer Anteil an nicht bezifferbaren Nutzwerten bewusst oder unbewusst eine maßgebliche Rolle. Überdies sind sogar messbare Nutzwerte nicht in jedem Falle monetär oder auf andere Weise bewertbar. Rationalität erfordert Transparenz, im Idealfall vollständige Information. Im Informationszeitalter ist dies heute paradoxerweise weniger denn je zuvor erreichbar: Die Verarbeitung der verfügbaren Informationsmenge überfordert unsere Fähigkeiten, die verfügbare Zeit und einsetzbaren Mittel. Statt das Informationsangebot zu mehr Transparenz und damit mehr Rationalität nutzen zu können, versuchen wir die Komplexität von Entscheidungen zu verringern, indem wir die Entscheidungskriterien auf wenige „Kern“-Aspekte einschränken. Um Auseinandersetzungen mit Anderen zu vermeiden ziehen wir uns zusätzlich auf Kriterien zurück, die im Allgemeinen unstrittig sind, also von Vielen und ohne besonderen Überzeugungsaufwand anerkannt werden. Hierfür ist ein mathematisch oder kaufmännisch rechenbarer Sachverhalt am bequemsten – denn „Zahlen lügen nicht“: Man zeigt, dass „es sich rechnet“. Mit Kontrolle bzw. Nachweis eines formelgerechten (richtigen) Rechenganges übergeht man oft die Prüfung der Eingangsdaten auf Sinnhaftigkeit, Vollständigkeit und Richtigkeit, obwohl (oder weil?) auch eine richtige Rechnung mit falschen Zahlen ein falsches Ergebnis liefert. Da man auf diese Weise schwierigen Diskussionen über Wertungen und Werte (Sinn oder Unsinn) aus dem Wege gehen kann, hat sich die Wirtschaftlichkeit zu dem am meisten verwendeten, akzeptierten und strapazierten Entscheidungskrite-

8 Wirtschaftlichkeit in rationalen Bau-Entscheidungen

97

rium entwickelt. Eigentlich müsste man hier genauer von einer kaufmännischen Wirtschaftlichkeit sprechen, da in solche Rechnungen i. d. R. nur monetär erfassbare Größen einfließen. Jede Entscheidung fordert uns also nicht nur in der Sache selbst, sondern stürzt uns darüber hinaus auch in ein Entscheidungsdilemma: -

Rationalität durch vollständige Information überfordert uns. Subjektive Werte und Wertungen sind kaum objektiv vermittelbar.

Flüchten wir uns darum in Zahlenwelten? Erfordert Entscheidungsstärke „Ignoranz“?

qualitativ rational

ZDF

monetär

„Es rechnet sich“

Pro

ble

m

über den Verstand

LösungsMöglichkeiten Variante 1 Variante 2 Aufgabe

Variante 3 Variante ..

überschaubar

Entscheiden = Zielorientiert auswählen

nachvollziehbar transparent operational „objektiv“ richtig

Lösung

Variante n

Zielsetzung

„subjektiv“ un-überschaubar (komplex)

„aus dem Bauch“ „irrational“

Abb. 8-3

emotional intuitiv

schwer nachvollziehbar

qualitativ

Entscheidungsformen

Wie leicht uns jedoch auch vermeintlich objektive Zahlen täuschen können, zeigen die folgenden Darstellungen der Entwicklung der Heizölpreise: Durch unterschiedliche Spreizung der beiden Achsen im Verhältnis zueinander, entstehen unterschiedliche Steigungswinkel der beiden Preiskurven und rufen dadurch unterschiedliche Eindrücke hervor. Durch geschickte Darstellung eines objektiven Sachverhalts kann also gezielt ein subjektiver Eindruck hervorgerufen werden.

98

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

Zahlen lügen nicht! ?

Abb. 8-4

Manipulation durch Verzerrung

8 Wirtschaftlichkeit in rationalen Bau-Entscheidungen

8.3

99

Wirtschaftlichkeit

Was ist Wirtschaftlichkeit? Wir verwenden dieses Wort fast täglich und jeder glaubt, den Anderen zu verstehen, d. h. das Gleiche damit zu meinen. Doch auf die Frage, was der Einzelne darunter versteht, erhalte ich meist ganz unterschiedliche Antworten: Es gibt also viele verschiedene Vorstellungen von Wirtschaftlichkeit. Demgemäß beurteilen verschiedene Entscheider in derselben Situation die Wirtschaftlichkeit auch unterschiedlich – im Glauben, dasselbe zu meinen – und entscheiden sich in der Folge auch anders. Wirtschaftlichkeit i. A. ist wertneutral als das Verhältnis eines Nutzens zum dafür nötigen Aufwand definiert:

AUFWAND

Abb. 8-5

Wirtschaftlichkeit

Als vorteilhaft erachten wir etwas, wenn sein Nutzen (Nutzwert i. S. der Zielerreichung) größer ist als der dazu erforderliche Aufwand. Dann ist die Wirtschaftlichkeit = Nutzen / Aufwand > 1, was man als wirtschaftlich bezeichnet. Ist der Aufwand größer als der Nutzen (W < 1), dann nennt man das unwirtschaftlich.

AUFWAND Abb. 8-6

Wirtschaftlich

AUFWAND

100

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

Bei Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen wird also „nur“ das Verhältnis eines Nutzens zu allen für diesen Nutzen erforderlichen Aufwendungen untersucht. Häufig wird in dieser Formel „Ertrag“ für den Nutzen eingesetzt. Auch wenn dieser Begriff eine weite Bedeutung besitzt (z. B. Ernteertrag), wird er heute oft nur als monetäre Größe angesehen – womit Nutzen plötzlich nur auf monetäre Aspekte beschränkt wird.

8.4

Wirtschaftlichkeits-Arten

Einige Beispiele für technische oder monetär bewertete Wirtschaftlichkeiten und betriebswirtschaftliche Kennzahlen zeigen unterschiedliche Sichten, Auffassungen und subjektive Abgrenzungen von „Wirtschaftlichkeit“. Technische Wirtschaftlichkeiten sind z. B. der Benzinverbrauch eines Kraftfahrzeugs für 100 km Fahrstrecke bzw. die Ausbeute an gefahrenen Kilometern mit einem Liter Treibstoff, bei einem Gebäude das Verhältnis der nutzbaren Fläche (Hauptnutz- oder Nutzfläche) zur gesamten Geschossfläche.

Abb. 8-7

Technische Wirtschaftlichkeit

Auch der Energiegehalt pro Mengeneinheit eines Brennstoffes – seine „Ergiebigkeit“ – ist eine technische Wirtschaftlichkeit: Wt = Energiegehalt / Einheit Brennstoff, wie z. B. Holzbriketts Scheitholz

4,7 kWh/kg 1700 kWh/m3.

8 Wirtschaftlichkeit in rationalen Bau-Entscheidungen

101

Bewertet man den Energiegehalt (Nutzen) der Brennstoffe in Geld mit dem dafür am Markt zu bezahlenden Kaufpreis, so wird aus der technischen eine monetär bewertete Wirtschaftlichkeit. Danach kostet die Energie (Herbst 2005) z. B. bei Holzbriketts Scheitholz Holzpellets Öl Gas

5,2 4,0 3,1 5,7 5,9

c/kWh c/kWh c/kWh c/kWh c/kWh.

Auf dieser monetären Grundlage kann man nun weitere Wirtschaftlichkeitsvergleiche aufbauen, wie dies in der Betriebswirtschaft mit monetären (kaufmännischen) Kennzahlen als Entscheidungsgrundlage üblich ist. Kennzahlen zur Wirtschaftlichkeit: 1 Produktivität = Faktorertrag / Faktoreinsatz 2 Wirtschaftlichkeit = bewerteter Faktorertrag / bewerteter Faktoreinsatz = Leistung / Kosten 3 Totalerfolg = Einnahmen – Ausgaben 4 Periodenerfolg = Ertrag(P) – Aufwand(P) 5 Rentabilität = Periodenerfolg * 100 / eingesetztes Kapital 6 Return on Investment = Gewinn / Umsatz * Umsatz / inv. Kapital. „Produktivität“ kann im Grunde als die technische Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens angesehen werden: das Verhältnis des Ausstoßes an Leistungen oder Gütern verglichen mit dem Aufwand (Input) an Ressourcen für ihre Erstellung. Der (kaufmännische) Unternehmens-Erfolg insgesamt oder einer Periode (z. B. Jahr, Quartal, Monat oder Tag) ist der Ertrag abzüglich des Aufwands in Geld ausgedrückt. Rentabilität ist der Erfolg, ausgedrückt in Prozent, des eingesetzten Kapitals. Alle diese Verhältniszahlen beschreiben Wirtschaftlichkeiten.

8.5

Aufwand

Aufwand kann i. A. einfach festgestellt werden, da er als Arbeit, Zeit, Materialbedarf, Energieverbrauch oder auch als Anlagenverzehr (z. B. Abschreibung) anfällt, der am Markt beschafft wird. Damit ist er in der Regel quantifiziert und auch in Geld bewertet, weil wir ihn zu Marktpreisen bezahlen. Die in Aufwandskalkulationen oft „vergessenen“, also nicht eingerechneten Eigenleistungen (z. B. durch Selbst- oder Nachbarschaftshilfe am Bau) sind die bestätigende Ausnahme. Schäden allerdings, seien sie extern oder auch intern, werden häufig unbewusst und auch bewusst ignoriert.

102

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

Aufwand hat noch einen weiteren wichtigen Aspekt, den Zeitpunkt. Bei Gebäuden fallen zuerst Herstellungskosten der Errichtung als Erstaufwand und anschließend in der Benutzungsphase Nutzungskosten als Folgeaufwand an. Die Erkenntnis, dass der Folgeaufwand i. A. deutlich größer ist als der Erstaufwand, rückt erst allmählich bei Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen von Gebäuden in den Mittelpunkt.

AUFWAND

Abb. 8-8

Aufwand

Zum Aufwand gehören auch Aufwendungen zur Behebung von Schäden, die beider Nutzenerstellung verursacht werden.

8.6

Nutzen

Der Nutzen verwirklicht angestrebte Ziele oder bringt uns diesen näher. Sein Umfang und damit auch die Nutzenbewertung werden vom Zielerfüllungsgrad bestimmt. Daher ist ohne definierte Ziele eine Nutzenfeststellung nicht möglich.

WIRTSCHAFTLICHKEIT

Nutzen = Erfolg = Zielerreichung

Abb. 8-9

NUTZEN W= AUFWAND

Nutzen

>>>

Nutzen ist zielabhängig

Zielerfüllung

8 Wirtschaftlichkeit in rationalen Bau-Entscheidungen

103

Auch beim Nutzen lassen sich zwei Kategorien feststellen: Der sog. Gebrauchsnutzen lässt sich i. d. R. gut messen und monetär fassen, z. B. die Mieteinnahmen oder die Beförderungsleistung eines Verkehrsmittels. Ganz anders verhält es sich mit dem sog. Zusatznutzen. Dieser liegt oft in Formen vor, die nicht unmittelbar in Geld ablesbar oder ausdrückbar sind. Das Unternehmen BMW beispielsweise hat für sein Verwaltungshochhaus in München mehr aufgewendet als für ein „normales“ Verwaltungsgebäude erforderlich gewesen wäre. Die einzigartige Konstruktion und Gestalt bewirkten zusätzliche Aufmerksamkeit, Bekanntheit und Image für das Unternehmen. Dieser Mehr-Nutzen, aufgrund seiner Gestalt, war dem Unternehmen den Mehr-Aufwand (Preis) wert. Kaufleute haben übrigens ermittelt, dass ein ähnlicher Imagenutzen für das Unternehmen einen deutlich höheren Werbeaufwand in Medien erfordert hätte, als die tatsächlich angefallenen baulichen Mehrkosten (Ersatzaufwand) betrugen. In diesem Sinne war der Mehraufwand zielführend, vorteilhaft und also wirtschaftlich. Ob Hängehäuser rein konstruktiv sinnvoll sind, ist eine andere Frage.

Abb. 8-10

Das BMW-Hochhaus in München, Arch. Karl Schwanzer

104

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

Abb. 8-11

Brandenburger Tor

WIRTSCHAFTLICHKEIT

Gebrauchsnutzen materiell NUTZEN

ideell immateriell

W= AUFWAND

Zusatz- / Gestaltnutzen

Gesamtnutzen

Ein anderes Beispiel ist das Brandenburger Tor. Überspitzt formuliert hat dieses Bauwerk keinen Gebrauchsnutzen, es steht dem fließenden Verkehr sogar im Wege. Sein Nutzen ist allerdings symbolischer Natur, also von ganz anderer Art: Es besitzt ausschließlich Gestalt- oder Zusatznutzen.

- schwer quantifizierbar - schwer in Geld bewertbar Gesamtnutzen =

Gebrauchsnutzen + Zusatznutzen

& Abb. 8-12

Gesamtnutzen = Gebrauchsnutzen + Zusatznutzen

Der Nutzen von Bauwerken umfasst also i. A. einen Gebrauchs- und einen Gestaltnutzen. Nur wenige Bauten dienen ausschließlich dem einen (ein unterirdischer Bunker hat gar keine wahrnehmbare Gestalt) oder anderen Zweck (z. B. Denkmal).

8 Wirtschaftlichkeit in rationalen Bau-Entscheidungen

8.7

105

Wert

Wie tritt der Geldwert eines Zusatznutzens in Erscheinung? Wenn Käufer und Verkäufer Gut und Geld untereinander austauschen, führt die subjektive, sich aus Gebrauchs- und Gestaltnutzen ergebende Wertschätzung beider zum gemeinsam akzeptierten Tauschwert der Sache, der als Preis in Geldeinheiten beziffert, bezahlt und damit feststellbar wird. Die oft unterschiedlichen Wertvorstellungen von Anbieter und Nachfrager bis zu diesem Augenblick führen manchmal zu eigenartigen Erscheinungen, wie sie z. B. am Schwarzmarkt für WM-Tickets zu beobachten waren oder auf dem Börsenparkett als Diskrepanzen zwischen (auch durch Werbung getriebenem) Ausgabepreis und tatsächlichem (mitunter späterem) Handelskurs auftreten. Ein subjektiv gefühlter Wert eines Gutes entspricht sehr oft nicht dem taxierten, kalkulierten oder tatsächlichen Marktwert.

Der Wert einer Sache muss nicht ihrem Preis entsprechen. • • • •

Abb. 8-13

Schwarzmarkt Aktien Versteigerung Emissionshandel

WM-Eintrittskarten Ausgabepreis: Börsenkurs eBay Luftverschmutzungsrechte

Wert ≠ Preis

Da zur Zeit der Klimawandel im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit steht, möchte ich hierzu auf den vielleicht (subjektiv) wirtschaftlichen, gleichwohl (objektiv) unsinnigen Emissionshandel hinweisen. Diese Absurdität – übrigens als Unwort des Jahres ausgezeichnet – wird sogar in einem Index notiert: Der Preis für das Recht, die Luft verschmutzen zu dürfen, richtet sich am Markt nach Angebot und Nachfrage! -

Ist dies wirtschaftlich? Für wen ist dies vorteilhaft? Und ist dies auch sinnvoll?

Dieses Beispiel zeigt, dass wir zwar von Vielem den Preis kennen, doch kaum seinen Wert schätzen.

106

8.8

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen

Wie stellt sich „Wirtschaftlichkeit“ für Unternehmungen und Investoren dar? Unternehmen werden i. d. R. betrieben, um einen Gebrauchs-Zweck (im technischen Sinne einen sachlichen Bedarf) zu erfüllen oder einen monetären Gewinn als Rendite einer Kapitalanlage zu erZielen. Ihre Ziele sind also in erster Linie sachlicher oder geldlicher Natur (Gebrauchsnutzen). Sekundäre Gestalt- und Zusatznutzen dienen der Förderung der primären Geschäftsziele, z. B. beeinflusst das Firmen-Image (Corporate Identity), das auch vom Erscheinungsbild der Gebäude des Unternehmens geprägt wird (Kleider machen Leute!), die Absatzchancen. Diese Nachrangigkeit und die schwierige Fass- und Darstellbarkeit des Gestaltnutzens sind wohl die Gründe, dass in Wirtschaftlichkeitsüberlegungen – nicht nur von Unternehmen – der Zusatznutzen meist keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielt. Und da das kaufmännische Denken mit seiner Suche nach dem kurzfristigen monetären Gewinn in immer stärkeren Maße unsere Gesellschaft durchdringt und sogar in private Bereiche einbricht, wird unser Entscheidungsverhalten immer stärker dadurch geprägt, wie die inzwischen gängige Redewendung zeigt: Hauptsache, es „rechnet“ sich. Diese vorwiegend oder sogar ausschließlich auf monetäre Aspekte ausgerichteten „wirtschaftlichen“ Betrachtungen und Entscheidungen nenne ich „kaufmännische“, weil sie sich nur auf rechenbare Zahlen beschränken, also weder umfassend noch rational sind!

AUFWAND

Abb. 8-14

Gesamtwirtschaftlichkeit

8 Wirtschaftlichkeit in rationalen Bau-Entscheidungen

8.9

107

Schwierigkeiten

Für die Wirtschaftlichkeit spielen also nicht nur quantifizierbare und monetarisierbare Größen eine wichtige Rolle, sondern auch immaterielle Werte, wie Zusatznutzen oder Zusatzaufwand. Wirtschaftlichkeit kann durch „geschickte“ Aus-, Ab- oder Eingrenzung beeinflusst werden, wie dies ja auch bei Statistiken oft zu beobachten ist. Zum Beispiel beeinflusst Umweltverschmutzung die Wirtschaftlichkeit erheblich: Durch Verlagerung des Aufwands für umweltverträgliche Maßnahmen aus einem Betrachtungsbereich hinaus (Externalisierung) wird die eigene (interne) Wirtschaftlichkeit verbessert, die (externe) Anderer (z. B. der Gesellschaft) belastet. Die Vereinnahmung externen Nutzens wird Internalisierung genannt. Durch diese Verlagerungen – die im Grunde Verfälschungen sind – entstehen „asymmetrische“ Schein-Wirtschaftlichkeiten, da gleich wirkende Nutzen- und Aufwandsaspekte nicht in gleicher Weise in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung einbezogen werden. Schließlich werden auch Wirtschaftlichkeiten verwendet, die per Definition nur Ausschnitte eines Sachverhaltes betrachten, wie z. B. die technische Wirtschaftlichkeit (das Verhältnis von Ausbringungsmenge zu Einbringungsmenge), die Kostenwirtschaftlichkeit (Ausbringungsmenge zu Einbringungsmenge bewertet in Geld) oder die Rentabilität im betriebswirtschaftlichen Sinne (Ausbringungsmenge in Form von Einnahmen zu Einbringungsmenge bewertet als Kosten). Doch nur wenn alle Nutzenaspekte und alle Aufwendungen (also auch entfernte und mittelbare Umweltschäden oder soziale Verbesserungen und Nachteile u. a. m.) eines Sachverhaltes berücksichtigt werden, erhält man eine umfassende, realistische und zutreffende Wirtschaftlichkeit: Die Berücksichtigung aller externen positiven (Nutzen) und externen negativen (Aufwendungen) Effekte, zusätzlich zu allen internen Wirkungen, ist für „richtige“ Entscheidungen erforderlich.

oder ?

Abb. 8-15

Asymmetrische Abgrenzungen

108

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

Dieser theoretische Idealfall einer ausgewogenen und objektiven Wirtschaftlichkeitsbetrachtung ist praktisch allerdings nahezu unmöglich. Umgekehrt gibt es aber viele Möglichkeiten, eine subjektive Wirtschaftlichkeit scheinbar korrekt zu berechnen, z. B. durch sachliche, systemische, technische, zeitliche, räumliche, topologische oder personelle Willkür, wie auch durch einfache Verzerrung von Maßstäben tendenziell darzustellen. Da solche Unausgewogenheiten nicht unmittelbar ersichtlich sind und die Nachprüfung der Ausgangsdaten oft verschleiert oder nicht möglich ist, erscheinen solche Wirtschaftlichkeiten oft plausibel. Sollte man darum in Anlehnung an Churchill nur noch die Wirtschaftlichkeitsrechnung glauben, die man selbst manipuliert hat?

8.10 Strategien Um eine Wirtschaftlichkeit zu verbessern, bieten sich mathematisch zwei Wege an: Verringern des Aufwands bei gleich bleibendem Nutzen (Minimalstrategie) oder Steigerung des Nutzens bei gleichem Aufwand (Maximalstrategie). Perfektionismus verleitet manchmal dazu, beides gleichzeitig zu verändern: Das ist aber nur dann von Vorteil, wenn der Nutzen weniger sinkt als der Aufwand. Über reale Produktivitätssteigerungen ist dies durchaus möglich, diese stellen sich i. d. R. aber nur als Folge langwieriger Entwicklungen ein, kaum jedoch schnell durch kurzfristigen Aktionismus. Bei Entscheidungen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit dominiert bei uns das Kostendenken. Dieses erschöpft sich oft in kaufmännischen Kostensenkungsmaßnahmen (z. B. Aushandeln von Konditionen), bei denen allerdings zu oft übersehen wird, dass mit gesenkten Preisen (Kosten) auch die Qualität der Gegenleistung (Nutzen) i. d. R. nachlässt, so dass sich unter dem Strich die gleiche oder sogar eine schlechtere Wirtschaftlichkeit einstellt wie zuvor, was dann eine Verschlechterung der Zielerfüllung und damit kontraproduktiv ist. Oft merken wir dies aber nicht oder erst (zu) spät, wie wenn nach eingesparter Operation der Patient stirbt. Um zunächst Kosten zu sparen, werden z. B. manche Heilbehandlungen von Krankenkassen nicht bezahlt, was dann in der Folge aber oft zu erheblichen anderen Kosten und einer Verminderung der Lebensqualität des Patienten führt. Bei Unternehmensübernahmen (z. B. Daimler-Chrysler, BMW-Rover u. a. m) stellen sich die angestrebten Kosteneinsparungen durch Synergieeffekte nur in etwa einem Fünftel der Fälle ein, ansonsten führen nicht kalkulierte Aufwendungen und Wertverluste (sinkt der Börsenkurs um 50 %, können Milliarden € vernichtet werden) jegliche Wirtschaftlichkeitsüberlegungen einer rational begründeten Fusionsentscheidung ad absurdum. Denken und planen wir zu kurzfristig?

8 Wirtschaftlichkeit in rationalen Bau-Entscheidungen

109

AUFWAND

Abb. 8-16

Wirtschaftlichkeitsveränderung

In allen Lebensbereichen unserer Gesellschaft kann heute beobachtet werden, wie unter dem Diktat verbesserter Wirtschaftlichkeit in erster Linie Kosten gesenkt werden. Die Kostenwirtschaftlichkeit feiert zwar Triumphe – aber unsere Lebensqualität sinkt. Das Kostenbewusstsein wird immer weiter gesteigert – doch brauchen wir nicht vielmehr ein besseres Bewusstsein für den Nutzen? Es wäre einmal interessant zu erfahren, in welchem Zusammenhang der Anstieg der tatsächlichen (nicht nur der förmlichen) Sozialbeiträge bei gleichzeitiger Reduktion von Leistungen der Sozialkassen (beides Aufwandspositionen, einmal für die Versicherten, zum anderen für die Versicherungen) mit der Lebensqualität der Betroffenen (Nutzen) stehen. Doch wir sparen, koste es, was es wolle. Buchstäblich. Zum Beispiel werden in meiner Heimat durch Streichen eines Notarztes zweifellos Kosten gesenkt. Welche Wirtschaftlichkeit wird verbessert, wenn dadurch Unfallopfer nicht mehr gerettet werden? Leider geben sich politische, unternehmerische oder auch ideologische Motive auf diese Weise mitunter ein scheinbar rationales Aus- bzw. Ansehen.

8.11 Beurteilungstechniken Wie können materielle und immaterielle Sachverhalte beurteilt und in einen gemeinsamen Entscheidungsfilter gebracht werden? Für monetäre Betrachtungen eignen sich die Investitionsrechnungsverfahren auf der Grundlage der Zinseszinsrechnung. Damit können, bei statischem oder dynamischem Zeitbezug, verschiedene Kennzahlen errechnet oder Vergleiche von

110

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

Gewinn und Kosten, Erfolg, Rendite, Amortisationszeit, Annuität, Wirkungsgrad usw. erstellt werden. Für immaterielle, nicht quantifizierbare und/oder rechenbare Kriterien stehen andere Verfahren zur Verfügung, wie z. B. die Nutzwert-Analyse. Da sie allerdings nicht so bekannt und anerkannt wie die kaufmännischen Verfahren und außerdem schwieriger und aufwendiger anzuwenden sind, werden sie offenbar seltener eingesetzt. Dies trägt wohl auch dazu bei, dass Investitionen vorwiegend nur gerechnet werden.

Abb. 8-17

Überblick über Beurteilungstechniken

Die Komplexität einer Entscheidung wächst mit jedem zusätzlichen Beteiligten und betrachteten Zusammenhang überproportional und wird weniger überschaubar. Darum sind einzelwirtschaftliche Betrachtungen leichter zu bewältigen, während mehrere und größere Zusammenhänge zunehmende Risiken für die Beurteilung bergen. Statt die Kriterien zu nur zahlenmäßige zu verringern, müssten sie verdichtet werden.

8 Wirtschaftlichkeit in rationalen Bau-Entscheidungen

111

global

gruppenwirtschaftlich

einzelwirtschaftlich

qua lita tiv

Abb. 8-18

mo net är

ung

g llun erste

Nutz

H

Komplexität aus Art, Zeit und Region

8.12 Bauwesen Für das Bauwesen erscheinen mir folgende Punkte wesentlich: •

Der bauliche Gestaltnutzen bestimmt Gebäudeertrag und Gebäudewert in besonderem Maße. Leider findet diese Tatsache bei baulichen Investitionsentscheidungen sowohl seitens der Immobilien-Entwickler, -Bauträger, -Finanzinstitute, wie auch der -Käufer immer noch nicht angemessene Berücksichtigung, obwohl der Gestaltnutzen sich wesentlich auf die Ertragsfähigkeit einer Immobilie auswirkt. Selbst in einer rein monetär-kaufmännischen Kalkulation müsste sich dies in Leerstandquote und erzielbarem Mietpreis niederschlagen. An vielen (Groß-)Siedlungen sowie nicht vermietbaren „Schrottimmobilien“ wird jedoch deutlich, dass mit nicht zutreffenden Annahmen kalkuliert, gearbeitet und akquiriert wird, warum auch immer. Die Skandale um die ehemalige Neue Heimat und die Badenia sind zwei Beispiele hierzu. Bei Großsiedlungen zeigt sich auch, dass Einsparungen „an falscher Stelle“ bei der Gestaltung von Siedlungen und Bauten zu erheblichen sozialen Folgekosten und Verwerfungen beitragen (Paris 2006).

112

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro Umgekehrt kann man bei Verwaltungsbauten auch beobachten, dass aus Prestigestreben, nicht angemessener baulicher Aufwand bei der Gestaltung von Gebäuden betrieben wird, der später nicht wirtschaftlich getragen werden kann, sei es, dass die dafür erforderlichen Mietpreise am Markt nicht erzielt werden, sei es, dass die Folgekosten zu hoch werden und nicht mehr von den Nutzern akzeptiert werden.



Bauentscheidungen wirken zeitlich sehr lange (mehr als 50 oder 100, mitunter auch tausend(e) Jahre). Da wir die Zukunft nicht sicher vorhersehen können, müssen wir Annahmen treffen und auf ihnen entscheiden, z. B. zur Entwicklung der Energiepreise. Prognosen für die Zukunft sind mit großen Unsicherheiten behaftet. Diese kann man quantifizieren, z. B. kann ein Schadensrisiko als Produkt aus Schadenshöhe und Ausfallwahrscheinlichkeit erfasst werden. Entscheidungen in der Immobilienwirtschaft sind immer mit Risiken behaftet und daher unternehmerische Entscheidungen, die sich nie vollständig „rechnen“ lassen: Nur eine klare Zielsetzung, ein klares Wertesystem und die bewusste Auseinandersetzung mit den Risiken führt hier zu rational nachvollziehbaren Entscheidungen und Erfolg. Für Entscheidungen im Bereich der Ökologie gilt dies in besonderem Maße: Sie erfordern nachhaltiges Denken, da sie nachhaltig wirken – nachhaltig im Hinblick auf die schonende Nutzung von Ressourcen, und nachhaltig im Sinne ihrer lang anhaltenden Wirksamkeit. Allerdings ist dies kaum exakt quantifizierbar. Bei einer Immobilie wird beispielsweise der kurzfristige Gewinn durch Kostensubstitution (Kurve B) gesteigert: Herstellungskosten werden (z. B. durch Einbau minderer Qualitäten) gesenkt zu Lasten höherer Erhaltungskosten in der Nutzungsphase. Das Nutzen-Aufwand-Verhältnis des Investors (1, bei Verkauf der Immobilie) wird verbessert zu Lasten der Wirtschaftlichkeit des späteren Nutzers (2). Umgekehrt bieten sich aber auch einem Investor Chancen durch Aufwendungen, die den Nutzwert für den Mieter steigern (z. B. höherer funktionaler Gebrauchswert, niedrigere Energiekosten), längerfristig gegenüber dem hierzu aufgebrachten Aufwand überproportional höhere Mieten und damit eine bessere Rendite zu erZielen (Kurve A).

113

Nutzung B

Verkauf

Errichtung

Entscheidung

Zielsetzung

8 Wirtschaftlichkeit in rationalen Bau-Entscheidungen

A Nutzen

ZEIT Aufwand

B

1

Abb. 8-19

Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen

2

A

Wirtschaftlichkeit bei Kostensubstitution und Qualitätssteigerung

Der Betrachtungszeitraum einer Immobilieninvestition spielt eine wichtige Rolle: Für Trader-Developer (Strategie A) und Investor-Developer (Strategie B) ergeben sich, ihren Interessen entsprechend, unterschiedliche Wirtschaftlichkeiten.

EA

EA

Abb. 8-20

Wirtschaftlichkeitssichten von Investor und Nutzer

114 •

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro Bauentscheidungen sind polyökonomisch. In einem Bauvorhaben verfolgen viele verschiedene Beteiligte, mitunter sogar in mehreren Rollen (Bank als Finanzier und Nutzer) mit jeweils eigenem Rolleninteresse unterschiedlichste Ziele, Interessen und spezifische Wirtschaftlichkeiten. Dieses komplexe Beziehungssystem Bau-Projekt und BauObjekt ist nur dann erfolgreich, wenn jeder dieser Beteiligten seine Ziele, also seinen Nutzen und seine Wirtschaftlichkeit realisieren kann. Dazu ist ein Interessenausgleich notwendig.

Abb. 8-21

Polyökonomisches System Immobilie

Erhöhten Aufwendungen eines Investors für energiesparende Maßnahmen stehen nicht nur z. B. die langfristige Senkung der Energiekosten des Nutzers gegenüber, sondern auch eine Wertsteigerung bzw. -erhaltung, was zu höheren Mietpreisen führt, und ein Imagegewinn. Für die Gesellschaft machen sich die Anreiz-Förderungen über reduzierte Emissionen und geringere Lieferantenabhängigkeiten von Energie exportierenden Staaten „bezahlt“. Erfolgreiche Bauentscheidungen werden also möglichst vielen der verschiedenen Zielsetzungen und subjektiven Wirtschaftlichkeiten der Beteiligten gerecht.

8 Wirtschaftlichkeit in rationalen Bau-Entscheidungen •

115

Nur größtmögliche Unabhängigkeit sichert langfristigen Erfolg. Entscheidungen, die auf Prognosen beruhen, hängen in ihrer Treffsicherheit von Genauigkeit und Risiken der Zukunftsannahmen ab. Ihre Eintrittswahrscheinlichkeit kann gesteigert werden, wenn die Risiken im Prognosezeitpunkt möglichst gut erfasst und danach verringert werden. Gebäude verbrauchen bei ihrer Nutzung Energie. Deren Preisentwicklung hängt im Wesentlichen von ihrer Verfügbarkeit (Knappheit) ab. Je höher die Abhängigkeit von den Lieferanten ist, umso höher steigt das Preisrisiko. Eine Möglichkeit, dies zu mindern oder zu verhindern, ist weitgehende Unabhängigkeit. Darum zeichnen sich Investitionen in energiesparende Maßnahmen oder selbst erzeugte grüne Energie nicht nur durch finanzmathematische Werte (Rendite, Amortisation) aus, sondern vor allem auch durch eine höhere Eintrittswahrscheinlichkeit der Annahmen in der wirtschaftlichen Zukunftsbetrachtung: Die Risiken einer ungünstigeren Preisentwicklung sinken. Steigen die Preise stärker als angenommen, verbessert dies die Wirtschaftlichkeit gegenüber anderen (konventionellen) Lösungen. Auf den darüber hinaus gehenden immateriellen Nutzen solcher Investitionen sei hier nur ergänzend hingewiesen: Hauptnutzen energiesparenden Bauens ist eine risikoärmere „Energie-SparRente“ (langfristiger Nutzen der Investition). Rolle Nutzer Investor Finanzier Gesellschaft Für ALLE

Nutzen Ursache -> Wirkung + Wohnklima geringere + Rendite Energiepreis- Risiko abhängigkeit - Risiko => + Nachhaltigkeit „Freiheit“ & Sicherheit -> ENERGIE-SPAR-RENTE

8.13 Zusammenfassung Wirtschaftlichkeit ist ein sehr viel komplexeres Phänomen als wir gemeinhin annehmen. Sie wird zwar oft als scheinbar zweifelsfreie Begründung in rationalen Entscheidungen angeführt, doch ist sie immer zu überprüfen, um eine irrationale, subjektive Sicht darstellende Wirtschaftlichkeit auszuschließen, die weder in ihren Abgrenzungen, noch in ihren Wertansätzen, objektiven Maßstäben standhielte. Wirtschaftlichkeit ist komplex (Gebrauchs- und Zusatznutzen) / Aufwand, fallspezifisch nach Gegenstand und Betrachtungsweise, subjektiv zielorientiert für den Betroffenen, a-/sozial ohne/mit gesellschaftlichem Konsens, politisch interessenorientiert für den Betrachter, nie "objektiv" i. S. von absolut & neutral "richtig" oder "falsch".

116

A Die Aufgabe des Architekten und sein Büro

Rational entscheiden bedeutet nicht nur Zahlen und Daten zu berücksichtigen, sondern auch nicht quantitativ oder monetär fassbare Fakten bewusst einzubeziehen oder nachvollziehbar auszuschließen. Um vielschichtige Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen und Entscheidungen bewältigen zu können, darf man ihre Komplexität auf wesentliche Kernaspekte nicht reduzieren, sondern muss sie wirkungsgerecht verdichten. Differenzbetrachtungen von Nutzen und/oder Aufwand können hier mitunter helfen. Da eine objektive Wirtschaftlichkeit, d. h. eine alle relevanten Aspekte umfassende Betrachtung, weder möglich noch leistbar ist, stellt eine Wirtschaftlichkeitsrechnung immer einen subjektiven Ausschnitt der Realität dar. Nur wenn diese subjektiven Abgrenzungen zutreffend und nachvollziehbar berücksichtigt werden, kann eine Wirtschaftlichkeit „richtig“ und verstehbar sein. Das derzeit weit verbreitete kurzfristige Kostensenkungs-Denken (z. B. Kostensubstitution beim Bauen) führt letztlich zu suboptimalen Entscheidungen, da längerfristige Nutzen- oder Schadenauswirkungen außer Acht gelassen werden und sich kurzfristige Ziele meist asymmetrisch auswirken. Bumerang-Effekte (die Lösung einer Aufgabe bewirkt ein zunächst unerkanntes, größeres Problem) stellen sich ein. Erfolgreiches, also zielorientiertes, rationales Entscheiden setzt die klare Festlegung von Zielen mit nachprüfbaren Erfüllungskriterien voraus. Dazu gehört vor allem auch Nutzen qualitativer, immaterieller Art, die zwar i. d. R. nicht rechenbar, aber wert- und abwägbar sind (wenn auch mühsamer). Bei Bauentscheidungen sollte die Nutzungsphase mit dem Nutzen, der dann Betroffenen, im Mittelpunkt stehen: Nicht Bauplanung, sondern Gebäudeplanung bringt zufriedene Nutzer und Kunden. Wollte man nur Kosten sparen, dann ließe sich das am besten durch Nicht-Bauen erreichen. Wirtschaften bedeutet entscheiden. Richtige Entscheidungen erfordern klare Ziele und wertbare Zielerfüllungskriterien: Die Zielsetzung ist entscheidend! Langfristig kann nur eine bewusste Nutzen-Orientierung unsere Lebensqualität verbessern mit zielführender und umfassend optimierter Wirtschaftlichkeit: Ersetzen wir darum unser Denken in Kosten-Nutzen-Rechnungen durch bewusste, nachvollziehbare Nutzen-Aufwands-Abwägungen!

8 Wirtschaftlichkeit in rationalen Bau-Entscheidungen NUTZEN erZIELEn statt durch Gebäudeplanung

Abb. 8-22

117

Kosten-Denken/senken in der Bauplanung

Nutzen-Aufwands-Abwägungen: rational, nachvollziehbar, bewusst!

118

9

Die Zukunft des Freiraums in der Agglomeration Über den Wert der Landschaft Monika Daldrop-Weidmann

Nicht nur in Deutschland – in ganz Europa – stehen in naher Zukunft große Freiräume zur Disposition. Betroffen sind großflächige, ehemalige militärische Liegenschaften, Altindustriegebiete, Bahngelände, Hafenbereiche, aber auch kleinere innerstädtische Gewerbeareale.

Abb. 9-1

Offengelassenes Bahngelände Als Beispiel für unzählige ehemals genutzte Brachflächen in Städten und Gemeinden

Sollen diese Gebiete neu geordnet und für eine nachhaltige Entwicklung genutzt werden, bekommt die umgebende Landschaft einen ausgesprochen hohen Stellenwert. Ihre Qualität entscheidet über die prägenden Werte dieser Gebiete in Konkurrenz der Kommunen und Städte untereinander. Diese Werte müssen bereits zu Beginn von der Struktur- und Neuplanung herausgearbeitet werden, da sie zum zentralen Faktor zukünftiger Vermarktungschancen werden. Ein Blick zurück: Nach dem 2. Weltkrieg gab es eine Orientierung von innen aus der Stadt heraus auf die Landschaft. Bauland wurde zum gefragten Faktor. In den 60er Jahren wurde die Notwendigkeit der Freiflächen-Nutzung aus ökologischer Sicht diskutiert,

9 Die Zukunft des Freiraums in der Agglomeration

119

dabei waren die Anforderungen an die Gestaltung weitestgehend untergeordnet. Heute gibt es eine grundsätzlich neue Art, die Landschaft einzustufen: landschaftliche Werte beeinflussen städtebauliche Betrachtungen und nicht umgekehrt. Nicht nur Einfamilienhäuser am Stadtrand, sondern auch die Entwicklung neuer Gewerbegebiete zeigen dem Städtebauer deutlich, wie entscheidend die Landschaft als Planungsgrundlage ist.

Abb. 9-2

Parc Joan Miró, Paris Geschützt vom viel befahrenen Boulevard Massena und der Avenue d’Italie liegt der weitläufige Park wie eine grüne Oase im steinernen Meer

Im Verdichtungsraum bilden Freiräume die Klammer zwischen den unterschiedlichsten Räumen und Nutzungsbereichen. Viele kleine und größere landschaftlich geprägte (Rest)-Flächen müssen zu einem zusammenhängenden System aufgebaut und miteinander vernetzt werden. Die Nutzung dieser Flächen muss definiert und deklariert werden, auch unter Beachtung von Flächen, die erst als tabuisiert gelten und dem Naturschutz überlassen werden. Seit Jahrzehnten wird von Landschaftsplanern und -architekten, ebenso auch von Naturschützern darüber geklagt, dass der Flächenverbrauch in unserem Staatswesen dramatisch zunimmt. Im gleichen Rahmen wird darüber nachgedacht, wie dieser Landschaftsverbrauch einzudämmen ist und welche Hebel anzusetzen sind, um vorhandene Gesetze auszunutzen, mehr noch zu optimieren sind.

120

A Die Aufgaben des Architekten und sein Büro

In Deutschland werden freiraumplanerische Maßnahmen zunächst sehr kritisch eingestuft. In den Köpfen von Investoren und Immobilienmaklern, Gemeindeverwaltungen oder auch Liegenschaftsämtern verursacht nicht bebauter oder nicht genutzter, aber gestalteter Freiraum lediglich „Kosten“. Eine Gewinnorientierung ist im klassischen Sinne nicht ableitbar. Letztlich bestimmen dann noch Eigentumsvorbehalte und vorgeschobene Nicht-Finanzierbarkeit die Entscheidung für oder gegen ein Planungsprojekt. „Die Landschaft muss das Gesetz werden“ so lautete bereits 1965 die Aufforderung von Prof. Dr. Walter Rossow. Ein Votum übrigens, für das er sich sein ganzes Leben einsetzte. Hat diese These ein Umdenken in der Politik erreichen können? Konnten Entscheidungen im positiven Sinne beeinflusst werden? Die Antwort lautet leider: Ja, aber nur marginal! Stadt- und Regionalplanung sind eine langfristig angelegte Disziplin, deren Ergebnisse innerhalb der landschaftlichen Faktoren einbezogen und integriert werden müssen. Dabei spielen auch die Prüfung der Belastbarkeit und die Nachhaltigkeit eine eminent wichtige Rolle. Fehlentwicklungen sind erst nach Jahren erkennbar – zu einem Zeitpunkt, an dem Reparaturen nicht mehr möglich sind.

Abb. 9-3

Gewerbepark Kottenforst bei Bonn Vor der Ansiedlung von neuen Firmen wurde zunächst der öffentliche Straßenraum qualifiziert und begrünt.

9 Die Zukunft des Freiraums in der Agglomeration

121

Welche Beobachtungen stellen wir aber heute fest? Zwar geht in manchen Regionen Europas der Flächenverbrauch zurück – meist aus strukturellen Gründen, weniger aus Gründen der Landschaftsplanung – aber gleichzeitig werden neue Probleme sichtbar, die ein Stadt- und Regionalplaner bislang niemals in sein Kalkül einbezogen hat: Da werden z. B. in Deutschland ehemals großflächig genutzte Flächen vollständig frei. -

Was für Flächen sind dies? Welche Qualität haben diese Flächen? Was bedeutet das?

Vordergründig sind dies nicht gerade die Flächen, für die Naturschützer gekämpft haben, um z. B. einen Biotopverbund und damit landschaftliche Beziehungen wieder herzustellen. Stadt- und Regionalplanung muss sich heute mit Flächen auseinandersetzen, die im Grunde keiner Nutzung mehr zugewidmet werden können: -

Landwirtschaftliche Flächen, die unrationell sind, nicht mehr bewirtschaftet werden und damit brach fallen. Meist sind dies Flächen, die in keinem Verbund zu nutzbaren Nachbarschaften stehen. Ehemalige Militärflächen, die mit mehr oder weniger Altlasten in Form von Munitionsrückständen zurückgelassen wurden. Große, brach gefallene Industriestandorte mit hohen Altlasten. Nicht mehr notwendiges und der Nutzung entzogenes Bahngelände. Restflächen zwischen ganz unterschiedlichen Nutzungen. Dazu zählen unter anderem auch Verkehrsschneisen ohne einen zusammenhängenden Landschaftsverbund.

Erst allmählich fällt jetzt auf, dass ungenutzte Flächen ganz neue Landschaftstypen generieren, die nichts mit dem gewohnten „heilen“ Landschaftsbild aus dem 19. Jahrhundert zu tun haben. Als Konsequenz leite ich davon ab, dass auch diesen Landschaftstypen ein höherer Stellenwert zugemessen werden muss, ein Stellenwert, den man ihnen bislang in der Phase ungehemmter Wachstumsentwicklung verweigert hat. Als Basis gilt jedoch: -

Noch immer ist die Landschaft die Grundlage jeder räumlichen Planung. Noch immer sind die natürlichen Faktoren Boden, Wasser, Klima, Flora und Fauna die Anzeiger für eine gesunde, intakte und funktionstüchtige Umwelt. Noch immer steht der Mensch in einer direkten Abhängigkeit von einer intakten Lebensumwelt.

122

Abb. 9-4

A Die Aufgaben des Architekten und sein Büro

Brandenburgpark Südlich von Berlin entstand nach der Wende ein ökologisch orientierter Gewerbepark mit offener Regenwasserversickerung, welche umfangreiche Grün- und Wasserflächen erforderte und zugleich eine hohe Imageaufwertung für das Gewerbegebiet brachte

Fazit Nr. 1: Planer, konkret die Stadt- und Regionalplaner, müssen lernen, dass Landschaft eine ausgesprochen hohe Wertigkeit hat. Diese Wertigkeit muss im Rahmen der Struktur- und Entwicklungsplanung, ebenso auch bei der Realisierung von Projekten Berücksichtigung finden. Ein Blick in die 20er Jahre zeigt Beispiele, von denen wir lernen können. Regionale Identitäten und Stadtentwicklungskonzepte haben sich über ihre stadt- und landschaftsplanerische Einbindung entwickelt. Das Bild einer integrierten Landschaft hat die Entwicklung bis heute geprägt. Die Politik ist gefordert. Hier gilt meine Anmerkung, dass Politiker, vor allem im kommunalen und regionalen Bereich, oft zu wenig Mut zu weitsichtigen planerischen Entscheidungen haben. Selbst überschaubare Planungen einzelner Städte und Gemeinden sind oft weit entfernt von einer Forderung an ein Gleichgewicht zwischen Mensch und Natur. Viele Untersuchungen belegen, dass Stadtbewohner ihre Lebensumgebung nach sehr persönlichen, weitgehend auch emotionalen Kriterien treffen und weniger nach den theoretisch festgesetzten Regeln abstrakter Stadtplanungsmodelle.

9 Die Zukunft des Freiraums in der Agglomeration

123

Es entsteht somit ein Ungleichgewicht zwischen „Orten“ und „Lebensräumen“. Da können auch die Verschärfungen von Gesetzen zum Schutz von Natur und Landschaft (UVP-Gesetz, § 8a BNatSchG – Eingriffs-Ausgleichs-Regelung, Bodenschutzgesetz, Änderung des BauGB zum 01.01.1998 und erneut Mitte des Jahres 2004) nur recht wenig ausrichten. In vielen Fällen empfindet sie die kommunale Planung als Störfaktor. Das Ungleichgewicht zwischen Orten und Lebensräumen muss konsequenterweise planerisch vorbereitet und im Detail mit den Planungsbetroffenen geklärt werden.

Abb. 9-5

Wohngebiet an der Luzerner Strasse, Basel 5-geschossige Wohnhäuser mit großzügigen Balkonen und nutzbaren Grünflächen schaffen qualitätvolle Wohnsituationen in unmittelbarer Innenstadtnähe auch auf der Etage

Fazit Nr. 2: Landschaft als Gesamtzusammenhang hat keinerlei Marktwert. In der öffentlichen Meinung kostet Landschaft und deren Erhaltung nur Geld! Aus der individuellen Wertigkeit einer Wohn- und Lebensumgebung legt der Bürger jedoch größten Wert auf die Nähe zum Grünraum. Das Einfamilienhaus auf eigenem Grundstück ist Synonym für diese Denkweise. Landschaft ist einfach da und kann zum persönlichen Vorteil genutzt werden. Dabei spielen ganz andere Faktoren eine maßgebliche Rolle im Wertesystem der Stadt: Die Identifikation mit dem Ort, das Image, die Gestaltqualität, die Nähe zu

124

A Die Aufgaben des Architekten und sein Büro

Erholungsräumen, das persönliche Wohlbefinden – all dies sind Faktoren, die sich im Qualitätssystem eines Bürgers niederschlagen. Die Umgebung in Form von Grünflächen ist heute mehr denn je ein entscheidender Fakt, der zum „Ökosystem Stadt“ beiträgt. Gärten und Parks gehören zu den „weichen“ Standortkriterien einer Stadt. Ihr Wert ist nur teilweise nach ökonomischen Kriterien messbar. Allerdings ist hinreichend bekannt, dass die Nähe zu Gärten und Parks sehr intensiven Einfluss auf das Qualitätsempfinden von Stadtbewohnern haben kann. Neben den notwendigen ökologischen Forderungen an eine offene Landschaft findet die Nähe zum Freiraum ihren Niederschlag in ökonomischen Werten und Forderungen: -

bei den Grundstückspreisen und beim Image/Profil einer Stadt im Wettbewerb mit anderen Städten.

Abb. 9-6

Am Landwehrkanal, Berlin, Fränkelufer Natürliche, vorhandene Landschaftselemente erhöhen die Wohnqualität im dichten Berlin

Die heutige Stadtplanung muss an diesen Kriterien ansetzen und Leitbilder entwickeln. Es müssen Maßstäbe entwickelt und erarbeitet werden, die der Landschaft und dem Freiraum ein höheres Gewicht innerhalb von planerischen Entscheidungsprozessen geben.

9 Die Zukunft des Freiraums in der Agglomeration

125

Diese Aufgabe ist nicht neu. Bereits 1898 rief Ebenezer Howard unter dem Titel „To-Morrow“ zur konkreten Verbesserung der Lebensverhältnisse in den Städten auf (Ebenezer, Howard: Gartenstädte von morgen. 1968) [1]. Sein Programm zielte auf die Aufhebung des Gegensatzes von Stadt und Land durch ein neues Städtesystem, in dem alle Vorzüge des städtischen Lebens gewahrt und zugleich durch unmittelbare Nähe zur Landschaft gesteigert werden sollten. Die kleinteilige Durchdringung, die enge Vernetzung von Architektur und gestaltetem Freiraum war ein zentraler Leitgedanke für die Planungen der Gartenstädte in ganz Europa. Ernst May fasste seine Grundsätze in dem Lehrsatz zusammen: „Städtebau ist Landschaftssteigerung“ und Bruno Taut konkretisierte seine Ideen vom Städtebau bis zur Grundrissfigur und zur optimalen Belichtung und Belüftung der Häuser. Diese im Grunde sehr modernen Ansätze städtebaulicher Planungen wurden durch den zweiten Weltkrieg unterbrochen. Neuanfang und Wiederaufbau nach 1945 haben neue Lebensmuster entstehen lassen, die dem technischen Fortschritt einen höheren Wert beimessen und oftmals die natürlichen Faktoren in den Hintergrund drängten. Eine Übereinstimmung von Städtebau und Landschaft galt nicht mehr als das vorrangige Ziel der Stadtplanung.

Abb. 9-7

Oerlikon Park, Zürich Wallisellen Eine großzügige Grünfläche bestimmt den neuen Ortsmittelpunkt und sortiert die Nutzungen neu.

126

A Die Aufgaben des Architekten und sein Büro

Inzwischen sind die Fehler, die diese Planungen ausgelöst hatten, evident geworden. Die Städte organisierten sich um; ein tiefer, nie gekannter Umbruch trat zu Tage. Zuerst sind die Bewohner an den Rand gezogen, die Industrie folgte mit der Konsequenz, dass Zwischenbereiche zwischen historischer Stadtmitte und Wohnbebauung entstanden. Aber noch nicht genug, inzwischen sind weitere Ringe um die Stadtkerne entstanden: Einkaufsmärkte, Logistik- und Verteilzentren und überdimensionale Fertigungshallen prägen oftmals die Stadtränder. Dazu kamen in jüngster Zeit noch neue und vor allem fremde Nutzungen: Freizeitareale, Center Parcs, Multiplexkinos etc.. An den vormals historischen Stadträndern bleiben Gewerbebrachen, Hafenanlagen, Bahnhofsgelände und ehemals militärisch genutzte Konversionsbereiche zurück – durchweg Infrastruktur, die auf neue Nutzungen und Umstrukturierungen wartet. In dieser Situation erweist sich die Landschaft als einzig stabiler Faktor. Einige Städte können auf ihre alten Struktur- und Entwicklungs-Modelle der 20er und 30er Jahre zurückgreifen, um sie konsequent unter Berücksichtigung landschaftsplanerischer Faktoren weiterzuentwickeln. Andere Städte haben völlig neue Modelle für die übergreifende Stadt- und Regionalplanung entwickelt. Alle diese Modelle haben jedoch eines gemeinsam: die Landschaft wird zunehmend als Gerüst und Grundlage der Planung verstanden.

Abb. 9-8

Ufer der Limmat, Zürich Mit der Sanierung und Umstrukturierung des Industrie-Quartiers um den Escher-Wyss-Platz bekam auch das Limmatufer seine Freiraumqualität zurück.

9 Die Zukunft des Freiraums in der Agglomeration

127

Die größeren Regionen und Ballungszentren haben Planungen für Landschaftsparks ausgearbeitet, die sich heute als große Chance und Potenzial erweisen. Im Rahmen der Stadtentwicklungsplanungen muss den übergeordneten Grünflächen und Freiräumen, den Gärten und Parks, die mit Landschaftselementen wie Bächen, Flüssen, Höhenrücken und Tälern vernetzt sind sowie den neu zugeordneten Nutzungen wie Gewerbebrachen und Restflächen erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt werden. Gemeindeübergreifend erarbeitet, zählen sie zum wichtigsten Kapital einer Stadt oder einer Region. Historische Beispiele geben genügend Zeugnis dafür, dass politische Grenzen für die Beurteilung landschaftlicher Potenziale keineswegs geeignet sind. Trotz eines gewandelten Bewusstseins und trotz einer Verschärfung gesetzlicher Grundlagen genügt die reine Naturschutzplanung sowie die Argumentation nach ökologisch naturwissenschaftlichen Kriterien nicht, die heutigen Anforderungen an die Stadtentwicklungsplanung durchzusetzen.

Abb. 9-9

Wahlenpark, Zürich Neu Oerlikon Ein altes Industriegelände wurde aufgewertet, umstrukturiert und auf die neuen umgebenden Nutzungen abgestimmt

Dazu zählt vielmehr, dass Eigentumsrechte zugunsten der Allgemeinheit, zugunsten eines wirksamen Umweltschutzes und zugunsten ökologischen Stadtumbaus eingeschränkt werden müssen. Zu oft hat die Praxis bewiesen, dass der persönliche Egoismus einzelner Minoritäten stadt- und freiraumplanerischen Entscheidungen entgegensteht. Dazu zählt ferner, dass planerische Begründungen auch bei den „weichen Standortkriterien“ plausibel, nachvollziehbar, durchschaubar und auch bewertbar gemacht werden.

128

A Die Aufgaben des Architekten und sein Büro

Abb. 9-10

Wohngebiet auf dem Gelände der ehemaligen Kreidler Werke, Stuttgart-Zuffenhausen mit offener Regenwasserrückhaltung und -versickerung

Als Resümee lässt sich festhalten: -

-

Demografische Eckdaten und die sozialen Lebensmuster der Bevölkerung ändern sich radikal. Der Freiraum, die umgebende Landschaft sollte unabhängig von dieser Entwicklung zu einem stabilen, vor allem übergreifenden Faktor der Stadt- und Regionalplanung werden. Unter diesem Aspekt bekommt der Freiraum nicht nur einen ökologischen, sondern ebenso einen messbaren ökonomischen Wert. Wasser, und vor allem der Wasserhaushalt, wird das zentrale Thema zukünftiger ökologisch orientierter Stadtplanung sein. Damit erhält die belebte Bodenschicht eine Schlüsselfunktion in der gesamten Planung, mit der Konsequenz, dass bestimmte Lebensräume neu überdacht und beplant werden müssen.

Beide Forderungen legen nahe, dass zukünftige Entwicklungsflächen an den Kriterien einer langfristigen und übergeordneten Freiraumplanung gemessen werden.

9 Die Zukunft des Freiraums in der Agglomeration

129

Literatur [1] EBENEZER, Howard: Gartenstädte von morgen. Hrsg. Julius Posener, Bauwelt Fundamente 21, Verlag Ullstein GmbH, 1968 DEUTSCHE AKADEMIE FÜR STÄDTEBAU UND LANDESPLANUNG: Die Rolle der europäischen Stadt im 21. Jahrhundert. Edition StadtBauKunst Berlin, Bericht 1997 DEUTSCHE AKADEMIE FÜR STÄDTEBAU UND LANDESPLANUNG: Neue Landschaften. Almanach, 2004 JENTSCH Christoph, LUKHAUP Rainer Lukhaup (Hrsg.): Der Regionale Landschaftspark. Südwestdeutsche Schriften ROSSOW, Walter: Die Landschaft muss das Gesetz werden. Hrsg. Monika Daldrop-Weidmann, Deutsche Verlagsanstalt, 1991 SIEVERTS, Thomas: Zwischenstadt. Bauwelt Fundamente 118, Friedr. Viehweg & Sohn Verlagsgesellschaft GmbH, 1998

131

B

Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

Die umfassende Betrachtung des gesamten Lebenszyklus von Bauwerken hat in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Um den Bauherrn im Betrieb von baulichen Anlagen qualifiziert beraten zu können, zur Wirtschaftlichkeit des Gebäudebetriebes und zur Renditesteigerung von Immobilien beitragen zu können, spezialisierte sich das Berufsbild des Architekten u. a. in dem Bereich des Facility-Managements. Mit den schnellen und hohen Rendite-Erwartungen von Investoren befasst sich Karlheinz Pfarr (Kapitel 1). Er zieht ein Resümee zum Verhältnis von Bedürfnis, Bedarf und Nachfrage in der Wohnungsfrage und zum Auftreten ausländischer Finanzinvestoren, so auch zu Erscheinungsformen so genannter „Heuschrecken“ in der Geschichte der deutschen Wohnungswirtschaft. Einen großen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit beim Betreiben von Gebäuden hat die Dimensionierung des angemessenen Personalbestandes für das Immobilienmanagement. Peter Staub und Marion Peyinghaus (Kapitel 2) berichten zum Ergebnis ihrer Forschungsarbeit, in der sie gezielte Empfehlungen zur Optimierung der bestehenden Organisationsstrukturen im Immobilienmanagement und zur allgemeingültig anwendbaren Quantifizierung der erforderlichen Personalressourcen geben. Nicht nur die Planung des Personalaufwandes, sondern die Gesamtheit der Nutzungskosten eines Gebäudes sollten bei Beginn der Planung ermittelt, beurteilt und den zu erwarteten Erstinvestitionskosten gegenüber gestellt werden, um die Wirtschaftlichkeit der Baumaßnahme optimieren zu können. Welche Schwierigkeiten bei der Ermittlung von Nutzungskosten, insbesondere der Gebäude-Betriebskosten, existieren, zeigt Sarah Möller (Kapitel 3) am Beispiel von landwirtschaftlichen Betriebsgebäuden auf und entwickelt Handlungsempfehlungen als Basis für eine künftige Weiterbearbeitung für eine allgemeingültige Anwendung. Die Wirtschaftlichkeit einer Baumaßnahme wird durch die späteren Bewirtschaftungskosten des errichteten Gebäudes stark beeinflusst. Volker Rausch (Kapitel 4) beschreibt, dass viele grundlegende Entscheidungen für eine effiziente Gebäudebewirtschaftung bereits in der Planungsphase getroffen werden, in welcher ca. 50 bis 80 % der späteren Bewirtschaftungskosten einer Immobilie unabänderlich festgelegt werden. Er stellt anhand von Beispielen aus der Praxis dar, wie Planungsfehler verhindert werden können bei Einbezug von Experten der Gebäudebewirtschaftung während der Planung.

132 Von der Planung zur Inbetriebnahme: Um den Gebäudebetrieb nach Fertigstellung eines Gebäudes reibungslos aufnehmen und vom Projektmanagement – der Phase der Planung und Ausführung eines Gebäudes – reibungslos in das Objektmanagement übergehen zu können, sind klar strukturierte und nachvollziehbare Informationen aus dem vorangegangenen Projektmanagement erforderlich. Arno Kraus (Kapitel 5) setzt sich in diesem Zusammenhang mit Validierung und Qualifizierung als Qualitätssicherungssysteme an Dokumentationsleistungen auseinander und weist auf ihre Bedeutung für den Architekten hin. Ein bauwerkbegleitendes Dienstleistungssystem als Entwicklung einer Arbeitsplattform für kleine Bauunternehmen und das Handwerk ist Gegenstand der Ausführungen von Armin Proporowitz (Kapitel 6).

133

1

Die „deutsche“ Wohnungsfrage und die Antwort in- und ausländischer „Heuschrecken“ Die Mieter zwischen Visionären, Spekulanten, Betrügern, Finanzinvestoren und sonstigen Hauseigentümern Karlheinz Pfarr

Wanderheuschrecken (lateinisch gregaria) gelten als die gefräßigsten, die bei Massenauftritten ganze Landstriche verwüsten und Ernten vernichten. Das Verhalten der private-equity-Firmen wurde in der wirtschaftspolitischen Diskussion auch auf ausländische Finanzinvestoren im Bereich der deutschen Wohnungswirtschaft übertragen. Blickt man jedoch in die Geschichte der Wohnungswirtschaft zurück, so ist sie reich an Beispielen deutscher Heuschrecken. Aus Platzgründen können nur einige Beispiele gebracht werden.

Abb. 1-1

Wanderheuschrecke

134

1.1

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

Die „deutsche“ Wohnungsfrage

Die meisten volkswirtschaftlichen Lehrbücher beginnen mit dem Verhältnis von Bedürfnis, Bedarf und Nachfrage. Bei Aristoteles, wo die oikonomia noch ein Bestandteil der Ethik ist, wird das Problem gelöst. Der oikos (der Haushalt) soll nicht mehr nachfragen, als er braucht, als er verbraucht. Mehr haben zu wollen, ist Maßlosigkeit. Die Behandlung der so genannten Wohnungsfrage hat etwas mit dem Verhältnis von Bedürfnis, Bedarf und Nachfrage zu tun (Abb. 1-2).

Angebot an Nutzungsmöglichkeiten

+ Kaufkraft Nachfrage nach Nutzungsmöglichkeiten Bedarf Märkte für Nutzungsmöglichkeiten

Abb. 1-2

(z. B. Wohnraum)

z. B. Wohnungsbedarf

Bedürfnis z. B. Wohnungsbedürfnis

Verfügbares Einkommen

Bedürfnis, Bedarf und Nachfrage

Das schnelle Wachstum der Städte im Deutschen Reich erzeugte spektakulären Bedarf, brachte Wohnungsnot hervor. Den konkreten Anlass für den Wunsch der Politik, bestehende oder sich abzeichnende Wohnungsverhältnisse zu ändern, boten in Deutschland in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die für die Frühstadien des laissez-fair-kapitalistischen Zeitalters charakteristischen Erscheinungsformen der Wohnungsfrage. In jenen Gemeinden, in denen die Zuwanderung von Arbeitern (die durch den Ortswechsel bessere Verdienstmöglichkeiten anstrebten), die Nachfrage nach Wohnungen erhöht hatte, kam es zu Erscheinungen in der Bebauungsdichte, der Belegungsdichte und Mängeln in hygienischer Hinsicht, die Anlass für Kritik boten. Anschaulich ist das in den Schriften des Vereins für Sozialpolitik nachzulesen (Die Wohnungsnot der ärmeren Klassen in deutschen Großstädten und Vorschläge zu deren Abhilfe, 1886). Bis zum Beginn des 1. Weltkrieges – und hier wenigstens für ein Jahrhundert – war die Wohnungswirtschaft Bestandteil der Marktwirtschaft. Die Wohnung wurde vom privatwirtschaftlichen Unternehmer erstellt, vom Hausbesitzer erworben, dem Wohnungssuchenden angeboten und von diesem schließlich gemietet. Es gab einen Wohnungsmarkt, in dem das Angebot um einige hunderttausend Wohnungen ständig überwog. Der Wohnungssuchende konnte zu einem geringeren Preis eine kleinere und weniger gute Wohnung finden und für einen höheren Preis eine größere und bessere (nach Ausstattung und Lage) mieten. Der Hausbesitzer und Vermieter konnte sich seine Mieter aussuchen, jeden ablehnen, den er nicht haben wollte, und jedem kündigen, wann immer er dazu Lust verspürte. Die Miete war ein echter Marktpreis und deckte die Aufwendungen des Hausbesitzers. Sie warf

1 Die „deutsche“ Wohnungsfrage

135

eine Rendite ab, die Rothkegel (in Schmollers Jahrbuch 1920) für Berliner Vororte im Jahr 1914 mit einer Gesamtrentabilität von 4,5 % (bei 3,36 % Eigenkapitalrentabilität und durchschnittlich 4,65 % Hypothekenzins) angibt. In den Städten bildete sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts ein Grundstücks-, Häuser- und Wohnungsmarkt. Empfindliche Wohnungsnöte mit sprunghaft gestiegenen Mieten wechselten mit Zeiten des Überangebots. Wie lässt sich der in der Literatur als Wohnungsnot bezeichnete Zustand beschreiben? Es herrschte ein Mangel an Wohnungen, insbesondere an Kleinwohnungen, die den finanziellen Möglichkeiten der Mieter entsprachen (Wohnungsmangel). Demzufolge mussten oftmals größere Wohnungen gemietet werden. Um die finanzielle Belastung solcher Wohnungen tragen zu können, wurden Untermieter und Schlafgänger aufgenommen, die die Familienharmonie störten. Der Kinderreichtum der Familien einerseits und die Aufnahme von fremden Personen andererseits führten zu einer hohen Wohndichte. Die optimale Ausnutzung des Bodens führte zu einer dichten und hohen Bebauung mit Hinterhofwohnungen. Eine vernünftige Belichtung und Belüftung der unteren Wohnungen war nicht möglich. Neben der schlechten individuellen Wohnungssituation führten eine ungenügende Infrastruktur und die Zusammenballung solcher Mietskasernen zu einer Ghettoatmosphäre (Armenviertel). Das Fehlen von Wasseranschlüssen und mangelhafte Abortverhältnisse erfüllten den Anspruch an die sanitären Anlagen nicht. Die Wohnungen waren zudem schlecht geschnitten, es fehlten Küchen, und in vielen Fällen besaßen sie nur ein beheizbares Zimmer (Die schlechte Qualität der Wohnungen wurde auch als Wohnungselend bezeichnet). Die unterschiedliche Machtposition in der Vertragsgestaltung zwischen Mieter und Vermieter wurde als Wohnungsfeudalismus bezeichnet. Kurze Kündigungsfristen und ein uneingeschränktes Vermieterpfandrecht bedrohten den Mieter. Schon ein kurzfristiger Zahlungsverzug konnte für ihn zur fristlosen Kündigung führen. Diese Zustände waren auch noch durch ein hohes Mietpreisniveau gekennzeichnet, welches in keinem Verhältnis zu den gemieteten Wohnungen stand. In der Nachkriegsentwicklung lassen sich in Anlehnung an L. Hübl vier Phasen der Wohnungsmarktentwicklung unterscheiden (Hübl, 1997) [1]: 1950-1956: 1957-1969: 1970-1987: 1988-heute:

Überwindung der kriegsbedingten Wohnungsnot, Überwindung des Wohnungsmangels, Ausgleich von Angebot und Nachfrage, neue Herausforderungen aus der Zuwanderungswelle und durch Altersstruktureffekte.

136

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

So wurde zum Beispiel im Jahre 1973 über Knappheit am Wohnungsmarkt geklagt, 1976 gab es Wohnungshalden, 1981 kam das Schlagwort von der „Neuen Wohnungsnot“ auf. 1983 konnten Neubauwohnungen nur schwer vermietet werden, Grundstücks- und Häuserpreise fielen im Wert. Die Erklärung für diese Wohnungsnotzyklen ist in „Überbleibseln“ von planwirtschaftlichen Eingriffen am Wohnungsmarkt zu finden. Bei Neuvermietungen können Mieten frei ausgehandelt werden, alte Mieten ließen sich nur selten erhöhen und Kündigung ist/war schwer durchsetzbar.

1.2

Abgrenzung der Wohnungswirtschaft von der Immobilienwirtschaft und der Bauwirtschaft sowie Standortbestimmung einiger Fehlentwicklungen Immobilienwirtschaft

Bauwirtschaft Wohnungswirtschaft Planungsbüro Märkte für Planungsleistungen Neubau Baubetrieb

Nachfrage nach Neubauten Angebot an Nutzungsmöglichkeiten

Märkte für Bauleistungen Märkte für Bauten (Immobilienmärkte) Investor

Nachfrage nach Nutzungsmöglichkeiten Märkte für Nutzungsmöglichkeiten (z. B. Wohnraum)

Nachfrage nachAltbauten

(z. B. Gewerberaum) Altbauten

Abb. 1-3

Die Abgrenzung von Bau-, Immobilien- und Wohnungswirtschaft

Wie wir der Abbildung 1-3 entnehmen können, ist die Wohnungswirtschaft ein Segment der Immobilienwirtschaft, verbunden mit dem System Bauwirtschaft. Die Geschichte der Wohnungsmärkte ist auch eine Geschichte ihrer Finanzierung. Neben Visionären finden wir auch Spekulanten, Betrüger, Schwindler, häufig Menschen, die aus Habgier, Geltungssucht andere Menschen, die ihnen Geld anvertrauten, dieses legal, halblegal oder illegal rücksichtslos ausgenommen haben.

1 Die „deutsche“ Wohnungsfrage

137

In einer früheren Veröffentlichung (Pfarr, 1988, S. 79) [2] haben wir versucht, einige Erscheinungen zu lokalisieren (vgl. Abb. 1-4).

Abb. 1-4

Standortbestimmung von Fehlentwicklungen und möglichen Deliktfeldern

Einige Erscheinungen ziehen sich durch die ganze Geschichte: -

Leiharbeit, Sub-Sub-Unternehmer, Amtsuntreue.

Andere sind einzelnen Perioden zuzuordnen: 50er Jahre



60er Jahre 70er Jahre

→ →

80er Jahre 90er Jahre

→ →

betrügerische Wohnungsvermittlung, verlorene Baukostenzuschüsse/Mietvorauszahlungen Bauträgeruntreue Kun-Bau, Winkler, Becker, Wetterstein, Doma, Mosch, Düsseldorfer Baukreditbank, Steglitzer Kreisel, Avalon-Bau Neue Heimat Schneider

138

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

Interessant wird es, wenn man den Motiven nachgeht, die zu deliktischen Erscheinungen geführt haben.

Betrugsdelikte

Insolvenzdelikte

Abgaben- und Subventionsdelikte

Wettbewerbsdelikte Korruption, Bestechung, Ausbeutung, Untreue, Fälschung, Wucher Verstöße gegen die Wirtschaftsordnung

Deliktfördernde Strukturen Mangelndes Unrechtbewußtsein Zwangslage durch ....... „Überforderung“ Freude an der Inkompetenz Persönliche der Vorgesetzten („als Volkssport“) Wesenszüge Kantengänger im Grauzonenbereich Skrupellosigkeit Dummes Verhalten Konkurrenzkampf (Kampf ums Überleben)

Macht - und Gewinnstreben

Abb. 1-5

Die Motive dargestellt als „Wurzelwerk“

1 Die „deutsche“ Wohnungsfrage

1.3

139

Die Skandale und Pleiten begleiten die Wohnungswirtschaft seit Jahrhunderten (eine Auswahl)

1.3.1 Der Bäckermeister Gräf aus Nürnberg „Aus dem mittelalterlichen Nürnberg wird uns Folgendes berichtet: ‚Immer häufiger aber wurden Häuser, die das ganze 15. Jahrhundert hindurch einer Familie als Wohnraum gedient hatten, durch das Einziehen von Wänden und Einbringen von Fenstern unterteilt und weitervermietet. Der Rat versuchte diese Entwicklung unter Kontrolle zu halten und bemängelte etwa den feuergefährlichen Zustand der Häuser, das Benutzen nur eines Privets durch mehrere Mietparteien und die damit verbundene erhöhte Ansteckungsgefahr. Vom Bäckermeister Heinrich Gräf ist bekannt, dass er allerlei Lumpengesindel von Unbürgern und Landverwiesenen und auch sonst liederliche Leute einziehen ließ, sie aber dann, wenn sie die Miete nicht bezahlen konnten, hart hielt und sie aus dem Hause stieß, sodass sie auf der Gasse liegen mussten. Der Rat musste es dabei belassen, Gräf einen schändlichen Bürger zu nennen und ihn mit Geldstrafen zu belegen, aber weitere Handhabe fand er nicht.’“ (Deutsch/Esser, 1974, S. 156) [3].

1.3.2 Der Häuserspekulant Günter Kaußen „Von Gräf haben wir keine persönlichen Daten. Über einen – nämlich Günter Kaußen – der seine Geschäfte rücksichtslos in unserer Zeit betrieb, wissen wir mehr. Der Vater war Arbeiter und schickte seinen Sohn sonntäglich als Messdiener in die Kirche. Beide Eltern starben früh. Der Zurückgebliebene stieg von dem Studium der Philosophie, Psychologie und Germanistik auf das Studium der Betriebswirtschaftslehre um. Als Assistent bei Professor Erich Gutenberg verdiente er sich die ersten Lorbeeren. Der Doktorvater erinnert sich: ‚Er war hochintelligent, ein klarer Kopf, präzise in seiner Arbeit und ein Mann von zupackender Energie. Er war der Beste, das haben alle anerkannt.’ Zum Abschluss der Dissertation ist es nicht mehr gekommen. Eine Tante hatte dem 29-jährigen ein altes Zweifamilienhaus in BonnBad Godesberg vermacht. Er renovierte seinen ersten Altbau und vermietete ihn an ausländische Diplomaten. Zwei Jahre später verfügte er erneut über ausreichende Mittel, um ein weiteres Haus zu kaufen und zu renovieren. Schon früh muss ihm dabei das Geschäft mit den betagten Bauten aus der Zeit nach der Jahrhundertwende aufgefallen sein. Kaum jemand erwarb zu jener Zeit solche Altbauten. Er hingegen griff zu, wo er nur konnte: zuerst in Köln, dann in Berlin und Hamburg, im Ruhrgebiet, in Düsseldorf und in Wiesbaden. Schließlich übersprang er sogar die Landesgrenze und kaufte in den Vereinigten Staaten und in Kanada. Sein Imperium umfasste in den besten Zeiten rund 10.000 Wohnungen in der Bundesrepublik und nochmals ebenso viele in Nordamerika. [4] Seine Kalkulation war denkbar einfach gewesen: alte Wohnungen billig erstehen, sie teuer renovieren und modernisieren, die derart verbesserten Wohnungen bei Banken und Bausparkassen hoch beleihen und mit den Darlehen weiter kaufen,

140

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

kaufen, kaufen – solange die Geldinstitute nur mitspielen. Sie spielten lange mit. Die Zinseinnahmen durch den Kölner Hauswirt waren erklecklich. Doch Günter Kaußen verschaffte sich sein Geld nicht nur bei Banken und Bausparkassen. Auch im Mietrecht fand er immer neue Möglichkeiten, sein Geschäft mit einem Minimum an eigenen Mitteln zu betreiben. Die Kosten für das Verlegen neuer Elektroleitungen, die Einrichtung einer Zentralheizung oder den Einbau von Küchen und Bädern legte er einfach auf die Mieter um. Mieterhöhungen von 50 bis 100 Prozent waren keine Seltenheit. Zum Teil wandelte er die Wohnungen auch in Eigentumswohnungen um. Für Alte, Arme und Ausländer bedeutete das in der Regel den Auszug. Auch im Steuerrecht hatte er einen sicheren Blick für die Möglichkeiten, den Staat mitbezahlen zu lassen. Die Investitionen, die schon seine Mieter bezahlten, wurden nochmals beim Finanzamt abgesetzt und die Wertverbesserung steuersparend angelegt. Seinen Ruf als skrupelloser Vermieter begründetet Günter Kaußen jedoch durch weniger übliche Handelspraktiken: Häuser, bei denen sich die Renovierung nicht rentierte, ließ er einfach verfallen. Heruntergekommene Treppenhäuser mit zerbrochenen Fensterscheiben, feuchte Wände, in denen der Schimmel gedeiht, kaputte Dächer, durch die der Regen tropft – durch solche Bilder blieb sein Name in der Erinnerung haften. Aber auch mit dem Verfall von Wohnungen ließen sich Gewinne machen. Die Kosten für Instandhaltung und Reparatur ließen sich sparen. Häufig führten die Bewohner der Häuser die notwendigen Arbeiten auf eigene Rechnung aus. Mehrfach konnte er nur durch städtische Verfügungen unter Androhung von Geldstrafen gezwungen werden, Ausbesserungen an Fassaden und Fenstern vorzunehmen. Leerstehende Wohnungen waren keine Seltenheit. Ziel allen Wirtschaftens, die Befriedigung von menschlichen Bedürfnissen, hatte Günter Kaußen längst aus den Augen verloren. Bei diesem Geschäft, mit der Ware Wohnung, bewegte Günter Kaußen sich stets im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten, was allerdings weniger über ihn und mehr über das Mietrecht aussagt. Günter Huppertz, der über zwei Jahre als sein technischer Leiter angestellt war, kündigte Anfang 1984 seinen Arbeitsvertrag. ‚Ich hatte den Eindruck gewonnen, dass er die Grenze vom Genie zum Wahnsinn überschritten hatte.’ Am 14. April 1985 erhängte sich Günter Kaußen im Alter von 57 Jahren. [4] Andere, die Schlösser verschmieren, Dachstühle „warm abbauen“, Heizungsanlagen ruinieren, Gasleitungen „frei legen“ usw. kommen fast täglich in der Regionalpresse vor. ‚Auf keinem Gebiet’, meinte Miquel – schon vor 100 Jahren‚ ist es gefährlicher für die Gesetzgebung, den richtigen Zeitpunkt zu verpassen, als auf dem der Wohnungsfrage; nirgendwo ist es aber auch schwieriger, eingewurzelte schlechte Gewohnheiten zu überwinden, nirgendwo kostspieliger, bestehenden

1 Die „deutsche“ Wohnungsfrage

141

Übelständen zu begegnen, als im Bauwesen und in der Benutzung der Wohnungen.’“ Als Bodenschichten kommen also in Frage: deliktfördernde Strukturen, mangelndes Unrechtsbewusstsein, Skrupellosigkeit, dummes Verhalten infolge zu hoher Intelligenz, Macht- und Gewinnstreben.

1.3.3 Der Fall „Neue Heimat“ Die Zeitschrift „Bauwirtschaft“ (Heft 34/35 vom 28.08.1986) schrieb: „Als dem Unternehmen von Amts wegen bereits durch Gutachten eines Hamburger Untersuchungsausschusses und Ermittlungen des Hamburger Rechnungshofes ‚erhebliche Verletzungen’ vor allem des Wohnungsgemeinnützigkeitsrechtes, Benachteiligung von Mietern, Vermögensverlagerungen in nichtgemeinnützige Bereiche zu Lasten der Mieter, unsaubere Grundstücksgeschäfte und persönliche Bereicherung von Mitgliedern der Geschäftsführung längst nachgewiesen worden waren, da hat Ernst Breit – in aller Öffentlichkeit – Anlass gesehen, sich über ‚polemische und geschäftsschädigende Verzerrungen’ zu empören. … Eine Mammut-Konferenz von über 150 Banken-Gläubigern soll in allernächster Zeit versuchen festzustellen, ob an dem heruntergewirtschafteten Wrack noch etwas zu retten ist: Der von den Eigentümern als ‚Berater’ ins Haus geholte Dr. Manfred Meier-Preschany – mit dem ehemaligen Vorstandsmitglied der Dresdner Bank akzeptieren die Gewerkschaften in dieser Situation offenbar selbst den ‚Klassenfeind’ – hatte für diesen Tag die Vertreter jener Kreditinstitute in die Main-Metropole gerufen, die der Neuen Heimat zusammen über 15 Milliarden (!!) DM an Krediten gegeben haben; weitere 2 Milliarden entfallen auf rund 3.000 andere Gläubiger. … Im Untersuchungsausschuss des Bundestages sind unter anderem ‚Scheinverkäufe’ von Wohnungen, Täuschung von Mietern, Manipulationen, fehlerhafte Betriebsabrechnungen und andere Unregelmäßigkeiten zur Sprache gekommen. ‚Erhebliche Rechtsverletzungen’ sind nachgewiesen. Der Sprecher der CDU/CSU im Ausschuss, Johannes Gerster, hat den ‚erheblichen Verdacht’ geäußert, dass ‚kriminelles Unrecht von Verantwortlichen begangen’ worden sei; bei der Neuen Heimat könne es sich um eine kriminelle Vereinigung zur Ausbeutung von Mietern und zur Plünderung der öffentlichen Kassen handeln.“ Zuerst sollten die Bundesländer die Wohnungsbaugesellschaft Neue Heimat (ca. 300.000 Mieter und eine Verschuldung von 17 Mrd. DM) kaufen, aber die weigerten sich. Dann verschenkte der damalige BGAG-Chef Lappas den gesamten Konzern für eine symbolische Mark an den unbekannten Großbäcker Schiesser aus Berlin. An der Börse kursierte der Witz: „Was heißt DGB? Antwort: Deutschlands größte Brotfabrik.“ Nach etwa 43 Tagen musste die BGAG vom Kaufvertrag – für eine Millionenentschädigung – zurücktreten.

142

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

1.3.4 Die Fiktionen des Bewertungswesens und der Fall Schneider Für Feuerwehrleute sind die Elemente jedes Brandes brennbares Material, Sauerstoff und Hitze (vgl. Abb. 1-6).

Abb. 1-6

„Feuerdreieck“ und Dreieck der Immobilienspekulation

Was der Sauerstoff ist, sind hier die Bankkredite. Der erhoffte, rasche Umsatz am Markt wird zusätzlich angeheizt mit „Argumenten“ wie: -

letzte Gelegenheit beim Kauf (nur noch ein Haus, eine Wohnung zu haben), steuerliche Vorteile (siehe Förderung in den neuen Bundesländern), Mietgarantien oder gar Generalmietverträge.

Damit sich Bankiers und Investoren in euphorische Grundstimmung versetzen können, wären noch zu erwähnen Glanz und Charme gewisser Bauvorhaben und die Flucht aus der wirtschaftlichen Realität (Marktpotentiale im falschen Licht zu sehen). Gerade der gewissen Vorhaben anhaftende Glanz blendet die Chefetagen. Damit entstehen die beiden Fiktionen, die ich schon in meinem Handbuch zur kostenbewussten Bauplanung vor Jahren auf S. 243 ff. [5] beschrieben habe. Als „die“ Sache und „der“ Ertrag ihre Ehe eingingen, aus der im Laufe der Zeit eine Vielzahl von Kindern hervorgingen, wie z. B. der Beleihungswert, der Einheitswert, der Versicherungswert, der Verkehrswert, war die Verbindung von zwei Fiktionen begleitet (vgl. Abb. 1-7), nämlich der -

Wertübergangsfiktion, Wertabgabefiktion.

1 Die „deutsche“ Wohnungsfrage

143

Kombinationsprozeß Planungs- und

Wertsteigerung

Bauleistungen

Wertsteigerung

Wertabgabefiktion

Wertsteigerung

Boden Kapital

Wertübergangsfiktion

Abb. 1-7

Fiktionen des Bewertungswesens

Zu 1. Wertübergangsfiktion Dies ist die vom Sachgedanken geprägte Unterstellung, dass die beim Kombinationsprozess verbrauchten Güter in das erstellte Bauobjekt mit ihrem Wert „hinüberwechseln“. Mit anderen Worten, dass die Preise von Planungs- und Bauleistungen, die Preise von Grund und Boden sowie allfällige Nebenkosten sich in diesem kumulieren und ihm seinen Wert verleihen. Der Grundgedanke dieser Überlegung findet sich in der sogenannten Bilanzgleichung wieder: Aktiva Wert des Grundstückes Wert des Gebäudes usw. 100 % Tab. 1-1

Passiva Eigenkapital Fremdkapital 100 %

Aktiva

Zu 2. Wertabgabefiktion Diese zweite Fiktion besteht nun darin, dass die aus der Investition und ihrer Finanzierung resultierenden Ausgaben und/oder Kosten, die für die vereinbarte Tilgungszeit aufgebracht werden müssen, auf der Ertragsseite auch wieder in Erscheinung treten, d. h. dass Werte abgegeben werden. Dabei wird jeder einsehen, dass Güterverzehr auch dann entsteht, wenn keine Vermietungsleistung vorliegt, d. h. wenn die Gebäude nicht wie vorgesehen genutzt werden können. Auch diese Ertragswertüberlegungen lassen sich in Kontenform darstellen.

144

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

Aufwendungen Fremdkapitalzinsen Eigenkapitalzinsen Abschreibung Verwaltung Steuern Betrieb Bauunterhaltung Mietausfallwagnis

Erträge „Soll“-Mieten (=Jahresrohmiete) sog. Bewirtschaftungskosten

Subtrahiert man vom ROHertrag die Bewirtschaftungskosten, so erhält man den REINertrag: Aufwendungen Fremdkapitalzinsen Eigenkapitalzinsen = Reinertrag Tab. 1-2

Erträge Jahresrohmiete ./. Bewirtschaftungskosten

Aufwendungen

Da die künstlich hineingeblasene Luft an den oben beschriebenen Kostenarten relativ rasch abgelassen wird und nur wenig reale Substanz übrig bleibt, kommt es zu einem allmählichen Verfall von Immobilienwerten, wobei der Bürger noch gezwungen wird, mit seinen Steuern den Verfall des Wertes der eigenen Immobilie zu beschleunigen. Für Schneider lautete das operationale Prinzip: „Miethöhe und Mietflächen bildeten die beiden Schrauben, deren Drehung den zu erwartenden Ertrag beeinflusste.“ Das bedeutet: man muss nur die angenommene Miethöhe und die errechnete Mietfläche nach oben drehen, um von der Bank mehr Geld zu bekommen, als das Objekt wert ist. Schneider nannte das Potenzialabschöpfung, und die „landete in der Frostkasse“. „Ich … konnte mir so manche Frechheit leisten. Schließlich trugen mir die Banken das Geld hoch ins Schlösschen und glaubten, dass der Himmel sich weit öffnete, wenn ich ihnen nur die Huld gewährte, ihre milden Gaben anzunehmen.“ (Broder) [6]. Und im Originalton Schneider: „Wer auf meine Mogeleien hereinfiel, hatte selbst Schuld und musste mein Risiko tragen.“ (Broder) [6].

1.3.5 Bauträgeruntreue, Bauherrenmodelle Der rasche Aufschwung der deutschen Wirtschaft nach dem 2. Weltkrieg führte in der Bauwirtschaft zu einem Boom bisher nicht gekannten Ausmaßes. Auf der Plattform dieses Booms entwickelte der Immobiliensektor eine verblüffende Eigendynamik in der Formenvielfalt sozialschädlichen Verhaltens. Zwischen die soliden Unternehmen drängten sich Schwindelfirmen, meist in der Rechtsform der GmbH & Co. KG durch unseriöse Geschäftemacher – unter Vorwegnahme zukünftigen Gewinns mittels Bildung von Scheinkapital – gegründet, die mit hoch-

1 Die „deutsche“ Wohnungsfrage

145

fahrenden Projekten und imposanten Luftschlössern Fremdgelder anlockten. Die Anreize der westlichen Wirtschaft für Profitsucht, für die Übersteigerung des legitimen Gewinnmotivs potenzierten sich in der Zeit des Aufstiegs um ein Vielfaches. So bildete sich mit der Baubetreuung zwar eine durchaus notwendige und zweckmäßige Form des Bauens heraus, bald schossen aber auch schon Betreuungsgesellschaften sehr unterschiedlicher Qualifikation wie Pilze aus dem Boden und nicht erst der Rückgang der Baukonjunktur mit den eklatanten Baupleiten der 70er Jahre veranlasste manches Unternehmen, es einmal mit unlauteren Finanzierungsmethoden zu versuchen. Viele Wohnungsbauunternehmen wirtschafteten mit einer völlig unzureichenden Eigenkapitaldecke. Die Rezession – die Wohnungshalden, der Ausleseprozess in der Bauwirtschaft – und die durch die Presse bekannt gewordenen Konkursfälle großer Bauträgergesellschaften, ließen die Schutzlosigkeit und erheblichen Risiken der Bauwilligen und sonstigen Kapitalgeber dann vollends deutlich werden. Es stellte sich allerdings auch heraus, dass die ihrerseits durch den Boom unvorsichtig gewordenen Interessenten nicht selten ohne irgendeine Bonitätsprüfung des Unternehmens, ohne Sachkunde oder Beratung und ohne Bereitstellung von Sicherheiten, gleich welcher Art, hohe Beträge hergegeben hatten. Da das Mietrecht eine ausreichende Rentabilität in vielen Fällen ausschloss, konnte häufig erst durch eine konsequente Ausnutzung aller, durch die Steuergesetzgebung gebotenen steuerlichen Möglichkeiten eine zufrieden stellende Rentabilität von Baumaßnahmen erreicht werden. Das Suchen der Steuervorteile macht den Steuervorteil interessanter als das Objekt selbst – womit auch der Kreis der Interessenten wechselt, denn nicht der Immobilienerwerber wird angesprochen, sondern der Spitzenverdiener, der einen hohen steuerlichen Abschreibungsbedarf hat. Die Idee lebt von einer hohen Fremdfinanzierung, denn der „Verlust“ ist desto höher, je niedriger das eingesetzte Eigenkapital ausfällt. Die Sogwirkung der steuerlichen Vergünstigungen hat nicht nur unseriöse Projektträger in die Abschreibungsbranche gezogen, sondern auch regelrechte Betrüger und Wirtschaftskriminelle im weitesten Sinne angezogen. Man sprach von „Geldidioten“, die als Anleger-Kommanditisten auf primitiven Prospektschwindel hereingefallen sind.

146

1.4

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

Ausländische Finanzinvestoren in deutschen Sozialwohnungen

Ohne Vollständigkeit seien einige Immobilientransaktionen in Deutschland aufgeführt: Zielunternehmen Thyssen Krupp WCM (residental real estate) GAGFAH GSW Aurelis Real German Railway Flats WOBA (Dresden) Viterra AG Tab. 1-3

Übernehmer Morgan Stanley/Corpus The Blackstone group Fortress Cerberus Whitehall WestLB/JP Morgan/Goldman Sachs TerraFIRMA Fortress Deutsche Annington (TerraFIRMA)

Zielunternehmen

Bis jetzt waren es ca. 1 Mio. WE, die zu ca. 100 Mrd. EUR an so genannte Heuschrecken (ausländische Finanzinvestoren) übergegangen sind. Der Berliner Mieterverein weiß auch schon, wo die Reise hingeht (Schwarzbuch Privatisierung, Pressemitteilung vom 23.02.2006): „Bei den derzeitigen Verkäufen handelt es sich nur um die Spitze des Eisbergs einer auf uns zu rollenden Privatisierungswelle. Sie wurde unter anderem durch die Meldung von Analysten ausgelöst, die den deutschen Wohnungsbestand als im europäischen Vergleich als stark unterbewertet bezeichnet. Bundesrechtliche Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit den so genannten börsennotierten REITsUnternehmen (Real Estate Investment-Trusts) werden zusätzlich dafür sorgen, dass international agierende Trusts mit immens hohen Renditeerwartungen (bis zu 25 %) auftreten. Diese Trusts müssen 90 % ihrer Gewinne an die Anleger ausschütten und sind im Gegenzug von der Körperschaftssteuer befreit. Die Anleger – so das Kalkül unserer Bundespolitiker – müssen ihre Gewinne über die Einkommenssteuer an die Finanzämter abführen und sorgen so angeblich für hohe und rasche Mehreinnahmen. Der damit geschaffene Verwertungsdruck wird den Druck auf die Mieter und Miete weiter erhöhen. Die bisherigen Erfahrungen stellen nur erste Eindrücke dar, da die Investoren sich angesichts der weiteren geplanten Ankäufe (es stehen bundesweit noch ca. eine Million öffentlicher Wohnungen zum Verkauf) zurückhalten und sich noch nach außen als ‚Mieterfreunde’ gerieren. Die wahren Absichten werden erst offenbar, wenn der Wohnungsmarkt abgegrast ist. Aber was bisher an den Tag gelegt wurde, reicht, um die Gefahren und Risiken für den Wohnungsmarkt und die Wohnungsversorgung in den Gemeinden und Städten beurteilen und voraussagen zu können.“

1 Die „deutsche“ Wohnungsfrage

147

Die Investoren haben schnelle und hohe Renditeerwartungen. Diese realisieren sie durch folgende Strategien, die sich unterschiedlich auswirken: -

Ausschlachten der Unternehmen durch Weiterverkauf werthaltiger Teilbestände, maximale Mieterhöhungen, teure und z. T. unökonomische und unsinnige Modernisierungen, Unterdrucksetzung von Mietern, die ihre Wohnung nicht kaufen bzw. einer Modernisierung nicht zustimmen wollen, Betriebskostensteigerungen, Unterstützung von Mieterbeiräten wird eingeschränkt, rechtliche Schikanen, Beeinträchtigung stadtentwicklungspolitischer Ziele, Unterlassung bzw. Rückstellung notwendiger Instandhaltungen, Gefährdung vertraglicher Vereinbarungen mit Kommunen und karitativen Organisationen, Entlassung von Mitarbeitern und Schwächung der regionalen Wirtschaftsstruktur.

Davon mag einiges zutreffen. Unerwähnt bleiben die Probleme, die sich in den letzen Jahren ergeben haben. Diese können wir vereinfacht drei Bereichen zuordnen: 1.

Wirtschaft (allgemein) - die wirtschaftliche Situation war und ist geprägt durch (wirtschaftliche) Stagnation und Reformstau, - wachsende Verschuldung und angespannte Haushalte erhöhen Privatisierungsdruck bei der öffentlichen Hand, - Rückbesinnung auf Kernkompetenzen, - regionaler Strukturwandel, - mangelnde Investitionslust am eigenen Standort usw.

2.

Gesellschaft - demografische Verwerfung, - Zersiedelung der Landschaft, - Stadtflucht usw.

3.

Wohnungswirtschaft - knappe Immobilienrendite (Ø 4 %), nur halb so hoch wie in den Nachbarländern (Großbritannien, Frankreich, Niederlande, Spanien), - Fehlinvestitionen bei Instandhaltung und Modernisierung (hohe Unterhaltungskosten), - Managementprobleme bei Wohnungsbaugesellschaften, - wohnungspolitische Fehleinschätzungen, - zunehmender Leerstand.

148

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

Das führt zu technischen, ökonomischen, psychologischen und soziologischen Auswirkungen. So ist das Vorsorgedenken der Bundesbürger betroffen: -

der Staat zieht sich aus der Versorgung zurück, was an Miete hingelegt werden muss, beträgt im Durchschnitt schon 30 % der Rente, Alterseinkünftegesetz, Hartz IV, schlechte Erfahrungen bei Anlageprodukten (wie Aktien- und Immobilienfonds), geringe Eigentümerquote.

Diejenigen, die solche Bestände übernehmen, kalkulieren ein: -

die Anpassung der Ist-Mieten bei Bestandsmieten auf Höhe der Marktmieten, Senkung der Instandhaltungskosten (Einkaufsgemeinschaft), Maßnahmen zur Senkung der zweiten Miete, Durchführung von werterhöhenden Modernisierungsmaßnahmen, Erhöhung der Mieterbindung/Vermietung durch Einführung eines kundenorientierten Qualitätsmanagements.

Neben der Bestandsoptimierung ist aber auch an den Verkauf gedacht: -

Privatisierung, Verkauf an Mieter oder Selbstnutzer, Tippgeber-Geschäft mit Multiplikatorwirkung (Kapitalanleger, Kunden).

oder Block-Sale -

Verkauf von ausgesuchten Beständen über Makler, geschlossene Immobilienfonds, Spezialfonds (offene Fonds), Investment-Banken, vermögende Privatanleger (über Direktansprache und „gehobene“ Finanzdienstleister).

Literatur [1] HÜBL, Lothar: Der soziale Wohnungsbau in Deutschland. DSL Bank (Hrsg.): DSL Bank, Bonn, 1997 [2] PFARR, Karlheinz: Trends, Fehlentwicklungen und Delikte in der Bauwirtschaft. Springer, Berlin, Heidelberg, New York, London, Paris, Tokio, 1988

1 Die „deutsche“ Wohnungsfrage

149

[3] DEUTSCH, P.; ESSER, W.: Die Bauordnungen der Reichsstadt Nürnberg. in: 6. Veröffentlichungen der Abteilung Architektur des Kunsthistorischen Instituts der Universität Köln, herausgegeben von A. Binding. Köln, 1974 [4] DEUTSCHES ALLGEMEINES SONNTAGSBLATT, Nr. 48 vom 01.12.1985 [5] PFARR, Karlheinz: Handbuch der kostenbewussten Bauplanung : Ansätze zu einem den Planungs- und Bauprozess begleitenden Kosteninformationssystem. Deutscher Consulting-Verlag, Wuppertal, 1976 [6] BRODER, H. M.: Buchbesprechung von Schneiders „Bekenntnisse eines Baulöwen“

150

2

Dimensionierungsverfahren zur Bestimmung der Personalressourcen im Immobilienmanagement Modellierung und Benchmarking von Organisationsstrukturen Marion Peyinghaus, Peter Staub

2.1

Einleitung

Die Dimensionierung des angemessenen Personalbestandes für das Immobilienmanagement ist für Eigentümer und Bewirtschafter von Immobilienportfolios bis heute eine große Herausforderung. Die Fragen, wie sich die genaue Anzahl der Personalressourcen für einen definierten Leistungsbedarf bestimmen lassen und welche Einflussfaktoren auf den Ressourcenverzehr einwirken, konnten bisher im Immobilienmarkt nicht ausreichend beantwortet werden. Gemeinsam mit der Universität St. Gallen sowie den Unternehmen ETH Immobilien, Inselspital Bern, Helvetia Versicherungen sowie der OC Oerlikon Balzers AG wurde ein Forschungsprojekt gestartet, um diese Fragen zu beantworten. Den vier Unternehmen gemeinsam sind die Größe ihres Immobilienbestands, die Professionalität ihres Immobilienmanagements und das hohe Anforderungsprofil ihrer Kunden. Trotz der Gemeinsamkeiten gibt es wesentliche Unterschiede im Kerngeschäft, die es ermöglicht haben, einen allgemeingültigen Ansatz der Dimensionierung zu entwickeln. Als Ergebnis wurde eine Methodik erarbeitet, welche den Personalbestand in Abhängigkeit zum Leistungsumfang und zum Portfolio bestimmen lässt.

2.2

Dimensionierungsansatz

Werden die immobilienbezogenen Leistungen von zwei Portfolios, die in ihren Kenngrößen übereinstimmen, verglichen, stellt sich oftmals heraus, dass der Ressourcenverzehr zur Ausführung dieser Leistungen sehr unterschiedlich ausfällt. Was unterscheidet die Bewirtschaftung eines Portfolios von der eines anderen? Wie lassen sich Unterschiede zum Durchschnitt im Markt erklären? Im Projekt wurde postuliert, dass es dafür zwei Gründe geben kann. Einerseits spielen die Charakteristika des ausführenden Unternehmens eine entscheidende Rolle. Andererseits werden ressourcenbeeinflussende Vorgaben durch das Portfolio bzw. durch den Kunden gemacht (vgl. Fitz-Enz, J., 2000) [1]. Sowohl die Eigenschaften des Dienstleisters als auch die Anforderungen des Kunden lassen den Ressourcenbedarf für die immobilienbezogenen Leistungen nach

2 Dimensionierungsverfahren zur Bestimmung der Personalressourcen

151

oben schnellen oder gegenüber dem Marktdurchschnitt senken. Im Projekt als Einflussfaktoren definiert, konnten diese Kräfte mit Hilfe des EFQM-Modells (European Foundation for Quality Management (1999-2003), S. 12) [1] gegliedert werden. Das Modell der European Foundation for Quality Management (EFQM) teilt sich in Befähiger- und Ergebnis-Kriterien, welche somit auf der einen Seite die Potenziale des dienstleistenden Unternehmens und auf der anderen Seite die Anforderungen des Kunden widerspiegeln. Visionär wurde als Ziel des Projektes eine Berechnungsmethodik gesehen, eine Formel, die sowohl Kenngrößen des Portfolios als auch die Einflussfaktoren einbezieht und auf der Grundlage von Leistungskennzahlen aus dem Markt den optimalen Personalbestand errechnet.

Kennzahl Markt: x CHF/m² Geschossfläche Portfolio: 800.000 m²

= 10,3 FTE

f(x) = Kennzahl Markt x Einflussfaktoren Führung Politik & Strategie Mitarbeiter Ressourcen Prozesse Ergebnisse

= 9,1 FTE

Abb. 2-1

2.3

Dimensionierungsmodell

Vorgehensmethodik

Um einen zielgerichteten Ablauf zu garantieren, müssen bei der Berechnung der Personalressourcen verschiedene Schritte durchlaufen werden. Da eine Berechnung des Personalbestands nur auf Basis von einheitlichen Grundlagen möglich ist, wird in einem ersten Schritt das Portfolio durch Angaben zu Flächen und Werten näher beschrieben.

152

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

Zusätzlich werden die Leistungserstellungsprozesse durch vergleichbare, standardisierte Leistungsmodule abgebildet. Diese Leistungsmodule setzen sich insgesamt aus drei strategischen und fünf operativen Leistungsmodulen zusammen. Die strategischen Leistungsmodule umfassen das Portfoliomanagement, das Facility Management sowie das Baumanagement. Zu den operativen Leistungen gehören der Kauf und Verkauf, Betrieb und Instandhaltung, Verwaltung sowie Dienste. Diese Leistungsmodule setzen sich dabei aus weiteren Teilleistungen zusammen, wie beispielsweise die Reinigung bei dem Betrieb und der Instandhaltung.

LM 4 Kauf

LM 8 Verkauf

Bauen

Rückbau

Abb. 2-2

Leistungsmodule (LM)

In einem zweiten Schritt folgte die Analyse der quantitativen Einflussgrößen wie die Gesamtkosten der Leistungserstellung, dem Sachkostenanteil oder dem Outsourcinggrad. Von diesen Gesamtkosten wird der Outsourcing- und der Sachkostenanteil abgezogen, um die effektiven Personalkosten zu erhalten. Neben diesen kostenbezogenen Modellparametern spielt als weiterer Aspekt das Lohnniveau des jeweiligen Leistungserstellers eine Rolle. Das Lohnniveau wird anhand des Vollkostenansatzes in die Berechnung der Personalressourcen einbezogen und lässt letztendlich auf die effektiven Stellenprozente schließen. Die Methodik greift jedoch nicht nur auf quantitative Kriterien zurück, sondern bezieht in einem dritten Schritt qualitative Kriterien in die Dimensionierung der Personalressourcen ein. Die qualitativen Kriterien beziehen sich auf eine subjektive Beschreibung des Unternehmens, welches die Leistungen ausführt sowie auf die Kundenwünsche bzw. das Anforderungsprofil des Portfolios (vgl. Naber, S. (2001) [2]; Schreiner, P. (2005) [3]; Stoy, Ch. (2005) [4]; Frey, B. S.; Osterloh, M. (2000) [5]). Als Grundlage für die Identifikation und Gliederung der qualitativen Einflussfaktoren dient das EFQM-Modell. Das EFQM-Modell setzt sich aus fünf Befähiger- und vier Ergebniskriterien zusammen, die zur Beurteilung eines Unternehmens und seiner Leistungserstellung dienen. Die Befähiger-Kriterien beschreiben die spezifischen Charakteristika des Leistungserstellers, wobei die Ergebnis-Kriterien das Anforderungsprofil des Portfolios konkretisiert. Die Krite-

2 Dimensionierungsverfahren zur Bestimmung der Personalressourcen

153

rien zur Beschreibung des Leistungserstellers fokussieren die Aspekte Führung, Politik und Strategie, Mitarbeiter, Partnerschaften und Ressourcen sowie Prozesse. Auf Seiten des Portfolios werden die Fragestellungen Kundenbezogene Ergebnisse, Gesellschaftsbezogene Ergebnisse sowie Schlüsselergebnisse betrachtet. Die Mitarbeiterbezogenen Ergebnisse sind im Rahmen der Methodik die Zielgröße und haben daher keine beschreibende Funktion. Hinter jedem Kriterium des EFQM-Modells verstecken sich verschiedene TeilKriterien, die einen verringernden oder verstärkenden Einfluss auf den Personalverzehr haben. Insgesamt 21 Faktoren auf Seiten des Leistungserstellers (bspw. Automatisierungsgrad der Prozesse, Motivation der Mitarbeiter) und 15 beeinflussenden Faktoren durch das Portfolio bzw. die Bedürfnisse des Kunden (bspw. Service Level, Zustand der Objekte) konnten im Rahmen des Forschungsprojekts identifiziert werden. Dabei wurden verschiedene Kreativitätstechniken und die Methodik des vernetzten Denkens angewendet, um die wesentlichen Treiber im System herauszukristallisieren und die Faktoren untereinander zu gewichten. Um die Auswahl der Faktoren nicht nur im Rahmen der Projektmitglieder zu prüfen, sondern auch durch eine breit abgestützte Umfrage im Immobilienmarkt zu verifizieren, wurden im Rahmen der FM Monitor Befragung 2006 (ETH Zürich, pom+Consulting AG, 2006) [6] die Einflussfaktoren weiter analysiert. Aufgrund der durchgeführten Befragung können Aussagen gemacht werden, welche Einflussfaktoren für die Immobilienbranche lohnend und gewinnbringend sind. Bei der Untersuchung dieser Zusammenhänge wurde auf die Regressionsanalyse zurückgegriffen (Backhaus, K.; Erichson, B.; Plinke, W.; Weiber, R., 2000) [7]. Anhand dieser Analyse konnten die wesentlichen Elemente des Berechnungsmodells überprüft und verifiziert werden und eine Feinabstimmung der Stellhebel in der Dimensionierungsmethodik getroffen werden. Die qualitativen Rahmenbedingen werden anhand eines Fragenbogens ermittelt. Die einzelnen Fragen beziehen sich auf die Situation des Leistungserstellers oder die Anforderungen des Portfolios. Die einzelnen Teil-Kriterien sind dabei mit einer Gewichtung versehen und nehmen je nach Einfluss auf den Ressourcenverzehr eine negative oder eine positive Ausprägung an. Eine negative Ausprägung bedeutet dabei, dass das Teilkriterium eine verringernde Wirkung auf den Personalverbrauch hat. Die Beurteilung der Teilkriterien ist aber nicht als ein positiver oder negativer Zustand zu verstehen, sondern soll Aufschluss über die reale Situation der Rahmenbedingungen der Leistungserstellung geben. Zudem gewährleistet die unterschiedliche Gewichtung, dass der Grad der Beeinflussung je nach Teilkriterium variieren kann. Sind die quantitativen und qualitativen Faktoren erhoben, werden diese Daten in das Berechnungsmodell eingespeist. Neben den Daten des Unternehmens fließen Leistungskennzahlen aus dem Markt in die Modellberechnung ein. Diese Leistungskennzahlen spiegeln Durchschnittswerte von Marktteilnehmern für eine bestimmte Leistung wieder. Eine der Quellen für diese Leistungskennzahlen stellt beispielsweise der FM Monitor dar. Auf Basis dieser Marktkennzahlen wird ein

154

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

Soll-Marktwert ermittelt, der wiederum durch einen Korrekturfaktor aufgrund der qualitativen Einflussgrößen angepasst wird. Das Ergebnis bildet ein Soll-Wert für die Anzahl des notwendigen Personalbestands für einen definierten Leistungsumfang, der sowohl der besonderen Situation des Leistungserstellers als auch des Portfolios Rechnung trägt und zu den effektiven Stellenprozenten eine Kapazitätsüber- oder Kapazitätsunterdeckung aufzeigen kann.

Abb. 2-3

2.4

Bestandteile der Personalberechnung

Sensitivitätsanalysen

Die qualitativen Einflussfaktoren nehmen zusätzlich eine zweite Rolle in der Dimensionierungsmethodik ein. Einerseits dienen sie dazu, bei der Berechnung der Personalressourcen das Umfeld und die Rahmenbedingung der Leistungserstellung ausreichend in die Dimensionierung einfließen zu lassen. Andererseits dienen sie zur Modellierung von Soll-Zuständen und der Bemessung von möglichen Potenzialen im Ressourcenverzehr. Im Rahmen dieser Sensitivitätsanalysen können verschiedene Szenarien für die Art der Leistungserstellung als auch für die Anforderungen aus dem Portfolio gebildet werden. Aufgrund der Szenarien kann erkannt werden, welche Situation zu einem höheren oder zu einem niedrigerem Personalverzehr führt. Die Potenzialanalysen zeigen den Einspareffekt bei einem veränderten Szenario der Einflussfaktoren auf. Die Potenzialanalysen werden pro Kriterium des EFQM-Modells durchgeführt, wobei

2 Dimensionierungsverfahren zur Bestimmung der Personalressourcen

155

die Teil-Kriterien dabei auf ihren theoretischen Maximalwert gesetzt sind. Bei Teilkriterien, deren Veränderung nicht möglich ist (bspw. Branche), wird diese Verschiebung unterlassen und mit dem real eingesetzten Wert gerechnet. Maßnahmen können somit im Vorfeld hinsichtlich ihres Potenzials abgeschätzt und im Rahmen einer Kosten-Wirkungs-Analyse betrachtet werden.

2.5

Projekterfahrungen

Die Methodik konnte bereits erfolgreich bei Unternehmen der öffentlichen Hand und aus der Privatwirtschaft eingesetzt werden. Die Projekte dienen dabei einerseits zur Beantwortung der Fragestellung nach dem angemessenen Personalbestand als auch zur Durchführung eines Benchmarking durch den Vergleich der Ergebnisse mit Marktwerten. Ein Benchmarking der Leistungen und Personalressourcen ermöglicht Unter- oder Überkapazitäten zu identifizieren und Schwachstellen zu erkennen. Aus der Berechnung der Personalressourcen in den ersten Projekten hat sich ergeben, dass oftmals eine Unterdeckung in den strategischen und eher eine Überdeckung in den operativen Leistungen zu verzeichnen ist. Da die verantwortlichen Organisationseinheiten für die Bewirtschaftung historisch gewachsen sind, stehen die operativen Leistungsfelder nach wie vor im Vordergrund. Erst schrittweise werden die Ressourcen für die strategischen Aufgaben aufgestockt und in den operativen Feldern eine höhere Effizienz durch die Aufweichung von bestehenden Strukturen erreicht. In der Umsetzung der Projekte und der Berechnung der Sensitivitätsanalysen hat sich herauskristallisiert, dass nicht jede Erfolg versprechende Maßnahme einen Einspareffekt über das gesamte Leistungsspektrum hat. Je nach dem, ob eine Reduktion des Ressourcenverbrauchs in eher strategischen Leistungen oder eher in operativen Leistungen erreicht werden soll, müssen verschiedene Maßnahmen fokussiert werden. Die Sensitivitätsanalysen helfen dabei, die Auswirkung jeder Maßnahme zu analysieren. So können Maßnahmen gezielt ausgewählt werden und mit den Schwachstellen in den einzelnen Leistungsmodulen abgeglichen werden. Detailliert betrachtet hat sich gezeigt, dass insbesondere das Kriterium Prozesse bei der Höhe des notwendigen Personalbedarfs eine bedeutende Rolle spielt. Da sich das Kriterium selbst in weitere Teilkriterien aufteilt, konnten die einzelnen Maßnahmen näher spezifiziert werden. Ein Thema ist beispielsweise die Integration und aktive Nutzung eines Prozessmanagementsystems. Ebenso von Relevanz ist die Höhe des Standardisierungsgrads oder der Anteil der handwerklichen Leistungen.

156

2.6

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

Fazit

Im Rahmen des Forschungsprojekts konnte eine Methodik entwickelt werden, um den Personalbestand im Immobilienmanagement zu quantifizieren und die bestehenden Organisationsstrukturen durch gezielte Gestaltungsempfehlungen zu optimieren. Damit gehen die Projektergebnisse über die bestehenden Ansätze zur Dimensionierung von Personalressourcen hinaus. Durch das heterogene Kerngeschäft der Projektteilnehmer konnte ein allgemeingültiger Ansatz entwickelt werden, der nicht nur innerhalb einer Branche, sondern branchenübergreifend seine Gültigkeit hat. Die ersten Projekterfahrungen zeigen, dass die theoretisch entwickelte Dimensionierungsmethodik in die Praxis übertragbar ist und erfolgreich angewendet werden kann. Mit Hilfe der Befragung des FM Monitors 2006 konnten wesentliche Bausteine des Berechnungsmodells überprüft und verifiziert werden. Weiterhin bieten die laufenden Projekte eine konstante Quelle, um das Modell zu optimieren. Nachdem die Grundstruktur des Modells auf eine solide Basis gestellt wurde, dienen die laufenden Erfahrungen zur Erweiterung des Modells auf neue Leistungsmodule oder zur Verfeinerung der einzelnen Stellhebel. Literatur [1] FITZ-ENZ, Jack: The ROI of Human Capital: measuring the economic value of employee performance. AMACOM American Management Association, New York, 2000 [2] NABER, Sabine: Planung unter Berücksichtigung der Baunutzungskosten: als Aufgabe des Architekten im Feld des Facility-Management. Europäische Hochschulschriften. Reihe 37. Architektur. 24. Peter Lang, Frankfurt am Main, 2002 [3] SCHREINER, Peter: Gestaltung kundenorientierter Dienstleistungsprozesse. Wiesbaden: Dt. Univ.-Verl., Gabler, 2005 [4] STOY, Ch.: Benchmarks und Einfluss der Baunutzungskosten, vdf Hochschulverlag AG, 2005 [5] FREY, Bruno S.; OSTERLOH, Margit (Hrsg.): Managing Motivation: Wie Sie die neue Motivationsforschung für Unternehmen nutzen können. Gabler, Wiesbaden, 2000 [6] ETH Zürich, pom+Consulting AG: FM Monitor, Zürich, 2006 [7] BACKHAUS, K.; ERICHSON, B.; PLINKE, W.; WEIBER, R.: Multivariate Analysemethoden: eine anwendungsorientierte Einführung. 9. überarb. und erw. Aufl., Springer, Berlin, 2000

157

3

Planen mit Nutzungskosten am Beispiel von landwirtschaftlichen Betriebsgebäuden Sarah Möller

3.1

Einleitung

Die Milchviehhaltung in Deutschland nimmt eine sehr bedeutende Position in der Landwirtschaft und in der gesamten Ernährungsindustrie ein, daher ist sie besonders von dem Strukturwandel in der Landwirtschaft der letzten Jahre betroffen. Viele kleine Milchviehbetriebe können auf Grund geringer Milchpreise im Wettbewerb nicht bestehen und sind gezwungen, ihren Betrieb aufzugeben, da eine Entwicklung zu immer größeren Betriebsstrukturen vorherrscht. Hinzu kommt eine unvorteilhafte Verhandlungsposition der Milcherzeuger und der Verarbeiter gegenüber den Einkaufszentralen des Lebensmittelhandels. Die Erzeugerpreise pro Kilogramm liegen weit unter den Einnahmen. So sind die landwirtschaftlichen Betriebe nur mit Hilfe von Subventionszahlungen und erheblichen Einsparungen bezogen auf Produktionsaufwendungen überlebensfähig. Die Zusatzabgabenverordnung (ZAV, Milchquote), durch welche die Menge der Milchproduktion EUweit gesteuert wird, macht es den Milcherzeugern unmöglich auf die Höhe der Milchpreise Einfluss zu nehmen. Somit bleibt den Erzeugern nur die Möglichkeit, die Ausgaben zu reduzieren. Ein bemerkenswerter Kostenschwerpunkt für die Milcherzeuger liegt bei den Investitionen für bauliche Anlagen, da an die zugehörigen Einrichtungen und Anlagen sehr hohe ökonomische Anforderungen für eine optimale Produktion gestellt werden. Landwirtschaftliche Betriebsgebäude sind von einer überproportionalen Gebäudeentwertung gekennzeichnet, wodurch hohe Investitionen auf die Betriebe zukommen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Bereits während der Planungsphase von Milchviehlaufställen und somit weit vor Beginn der Bautätigkeit, müssen die zu erwartenden Baukosten und Nutzungskosten im Rahmen der Planung mit Nutzungskosten ermittelt und beurteilt werden. Nur auf diesem Wege kann die Wirtschaftlichkeit einer Baumaßnahme optimiert werden. Dabei ist es besonders wichtig die Planung nicht nur bezogen auf die zu erwartenden Baukosten zu beurteilen, sondern die zu erwartenden Nutzungskosten, welche während der Nutzungsphase eines Gebäudes entstehen, mit in die Wirtschaftlichkeitsbeurteilung einzubeziehen und beide Kosten abzuwägen. Um die Nutzungskosten schon in der Planungsphase abschätzen und beurteilen zu können, ist es notwendig, Kennwerte für bestimmte Gebäudetypen zu dokumentieren und bereitzustellen, auf die während der Planungsphase zurückgegriffen werden kann. Zusätzlich können diese Kennwerte der Beurteilung eines sich in der Nutzungsphase befindlichen Gebäudes dienen.

158

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

Die DIN 18960 ‚Nutzungskosten im Hochbau’ (08.99) enthält eine Gliederung der Nutzungskosten in verschiedene Kostengruppen, in denen die gebäudespezifischen jährlichen Nutzungskosten zusammengefasst werden. Um einheitliche Kennwerte errechnen zu können, werden Verhältniswerte zwischen den ermittelten Kosten der einzelnen Kostengruppen und Flächen- und Rauminhalten nach DIN 277 (04.05) und beispielsweise der Anzahl der Gebäudenutzer (im Falle von Milchviehlaufställen – die Anzahl der gehaltenen Milchkühe) gebildet. Diese beziehen sich auf einen bestimmten Gebäudetyp mit bestimmten Gebäudekenndaten, wie beispielsweise Nutzung, Größe, Nutzungsintensität usw., sowie auf die jeweilige Baubeschreibung nach DIN 276 ‚Kosten im Hochbau’ (06.93) und den Grundriss (eventuell zusätzliche Schnitte und Lagepläne) der einzelnen Objekte.

3.2

Aspekte der Wirtschaftlichkeit von Milchviehbetrieben

Vor dem Hintergrund eines auch zukünftig steigenden Milchpreises in Deutschland, gewinnen Kriterien, welche den Milchviehbetrieben zu einer höheren Wirtschaftlichkeit verhelfen, wie bereits erwähnt, zunehmend an Bedeutung. Dabei können die Kosten reduziert und der Umsatz erhöht werden. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf der Reduzierung der Kosten, da die Erlöse pro Kilogramm Milch für die Erzeuger kaum beeinflussbar sind. Die bestehenden Wirtschaftlichkeitskriterien lassen sich in vier wesentlichen Gesichtspunkten zusammenfassen. Dazu gehören ein optimiertes Controlling und Management, eine möglichst hohe biologische Leistung der Tiere, eine effiziente Arbeitswirtschaft sowie niedrige Produktionskosten (vgl. Bauförderung Landwirtschaft e. V., 2004, S. 16) [1]. An dieser Stelle wird genauer auf die Produktionskosten eingegangen: Das Vollkostenniveau in den Milchviehbetrieben liegt durchschnittlich bei 32 bis 36 Cent pro Kilogramm Milch. Bezüglich der Kosten bestehen erhebliche Unterschiede unter den Betrieben. Milchviehbetriebe, bei denen die Kosten pro Kilogramm Milch über 36 Cent liegen, haben zukünftig kaum Chancen im Wettbewerb zu bestehen. Die Produktionskosten setzen sich zur einen Hälfte aus festen und zur anderen Hälfte aus variablen Kosten zusammen. Die festen Spezialkosten hängen von der Bestandsgröße und der Milchleistung ab und umfassen die Kosten für die Stallgebäude inklusive Stalleinrichtung. Die variablen Spezialkosten setzen sich aus den Futterkosten, den Bestandsergänzungskosten, den Kosten für Besamung, Tierarzt, Wasser, Energie und dem sonstigen Spezialaufwand für die Produktion zusammen, welche im weiteren Verlauf des Beitrages als Direktkosten der Produktion bezeichnet werden. Hinzu kommen die gebäudespezifischen Nutzungskosten (vgl. Bauförderung Landwirtschaft e. V., 2004, S. 13) [1]. Aufgrund hoher Investitionen von 4.000 bis 5.000 Euro je Kuhplatz, ist eine möglichst hohe Milchleistung pro Platz zwingend. Wenn eine Bestandserweiterung

3 Planen mit Nutzungskosten am Beispiel

159

geplant wird, müssen von dem Deckungsbetrag der Lohnanspruch und die Kosten für die Fremdquote abgezogen werden. Für die Gebäudekosten pro Jahr kann nur maximal der daraus entstehende Differenzbetrag veranschlagt werden. Je höher die Kosten für die Fremdquote in einem Betrieb sind, desto weniger besteht für diesen Betrieb die Möglichkeit Gebäudeinvestitionen zu tätigen. Nur geringe Baukosten und geringe jährliche Nutzungskosten können in Verbindung mit einer hohen Milchleistung zu längerfristigen Wettbewerbsvorteilen führen. Die jährlichen Gebäudekosten können durch eine möglichst hohe Bestandsgröße eines Betriebes reduziert werden, da sich der Kapitalbedarf pro Platz mit zunehmender Anzahl der Plätze reduziert. Bei einem größeren Bestand entsteht zusätzlich eine Kostendegression bei dem Einkauf von Produktionsmitteln (vgl. Bauförderung Landwirtschaft e. V., 2004, S. 13-14) [1].

3.3

Bedeutung der Planung mit Nutzungskosten

Das Planen mit Nutzungskosten, d. h. die Betrachtung von Baukosten und Nutzungskosten während der Planungsphase dient der Erfassung und Beurteilung der Wirtschaftlichkeit einer Gebäudeplanung (vgl. Kalusche, 1999, S. 1) [2]. Die Planung der Kosten und Nutzungskosten einer Baumaßnahme ermöglicht die Kostenermittlung, die Kostenkontrolle sowie die Kostensteuerung und ist damit essenziell für die Wirtschaftlichkeit einer Baumaßnahme. Sie begleitet die Planung und Ausführung eines Bauvorhabens zur detaillierten Erfassung der Ursachen und Auswirkungen von Kosten und Nutzungskosten. Im Rahmen der Kostenermittlung werden die zu erwartenden Kosten berechnet, durch die Kostenkontrolle werden gezielte Vergleiche mit den Kosten anderer vergleichbarer Baumaßnahmen durchgeführt. Zeigt die Kostenkontrolle Defizite, dient die Kostensteuerung der gezielten Regulierung der Kosten (vgl. Grau, www.architext.de, 21.07.2006) [3]. Dass sich die Planung eines Gebäudes auf seine gesamte Lebensdauer beziehen muss, ist Planern und Bauherren in vielen Fällen nicht ausreichend bewusst. In der Regel wird unter einer wirtschaftlichen Planung einer Baumaßnahme nur die Einhaltung einer (Bau-)Kostenobergrenze verstanden, Aspekte der Nutzung und der Nutzungsdauer werden nicht berücksichtigt, obwohl gerade hier langfristig betrachtet, ein großes Kostenminimierungspotenzial vorhanden ist (vgl. Kalusche, 1999, S. 1) [2]. Weiterhin muss das Gebäude im Zuge einer wirtschaftlichen Planung optimiert werden. Dabei werden geeignete Raum- und Funktionsprogramme, eine geeignete Geometrie des Gebäudes und eine wirtschaftliche Auswahl der zu verwendenden Materialien erstellt, wobei die Nutzung, die Lebensdauer und die Festlegung eines Zeitpunktes der Beseitigung des Bauvorhabens bzw. der Baumaßnahme nicht außer Acht gelassen werden darf.

160

3.4

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

Ermittlung der Wirtschaftlichkeit mit Nutzungskosten

Die Ermittlung und Planung der Baukosten eines Gebäudes sind leicht durchführbar, die Ermittlung der Kosten der Nutzungsphase ist dagegen recht komplex, da eine Reihe variabler Randbedingungen Berücksichtigung finden muss. Mit Hilfe der Verfahren der Investitionsrechnung können im Rahmen der Nutzungskostenuntersuchung alle Ausgaben und Einnahmen in Form eines Gesamtbetrags als Barwerte oder entsprechende Jahreswerte der jährlichen Nutzungskosten berücksichtigt werden. Es können variable Einflussfaktoren zu einheitlichen und einfachen Werten, die jedoch langfristig schwer abschätzbar sind, zusammengefasst werden. Einflussfaktoren, wie die Preisentwicklungen von Bauleistungen für Instandsetzungen oder Kosten für die Energieversorgung, sind im Voraus nur schwer einzuschätzen. Die veranschlagten Kosten sind Grundlage der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung und können bei großen Abweichungen zu Ungenauigkeiten bei der Wirtschaftlichkeitsermittlung führen (vgl. Kalusche, 2004, S. 18) [2]. Die Baukosten sind leicht zu ermitteln, wirken sich jedoch aufgrund der variablen Zinsentwicklung ähnlich auf die Wirtschaftlichkeitsermittlung aus (vgl. Kalusche, 2004, S. 18) [2]. Bei einer Ermittlung der Wirtschaftlichkeit mit Hilfe der Investitionsrechnung werden die drei von einander abhängigen Größen Zahlungen, Zins und Zeit berücksichtigt. Um die Nutzungskosten zu ermitteln, wird die Methode der Kostenvergleichsrechnung angewandt, welches ein statisches Verfahren der Investitionsrechnung darstellt. Es können Vergleiche zwischen Gebäuden unterschiedlicher Nutzungsdauer gezogen werden, da sich die ermittelten Jahreskosten unmittelbar gegenüberstellen lassen. Der Zeitraum, auf den sich die Ermittlungen beziehen, ist von der technischen Lebensdauer des jeweiligen Gebäudes abhängig. Diese ergibt sich aus der Zeitspanne, in der es genutzt werden kann und wird nicht nur für das gesamte Bauwerk festgelegt, sondern ebenfalls für einzelne Bauteile, die im Rahmen der Instandsetzung nach einem gewissen Zeitraum ausgetauscht werden. Verschiedene Bauteile besitzen dabei auch unterschiedliche Lebensdauern. Weiterhin wird eine wirtschaftliche Lebensdauer des Gebäudes festgestellt. Hierbei handelt es sich um die Zeit, in der das Objekt aufgrund seiner Funktionalität, beispielsweise in Hinblick der Grundrissorganisation und der Nutzungsart, entsprechend nutzbar ist. Zusätzlich hat die Nachfrage auf dem Immobilienmarkt einen Einfluss auf die wirtschaftliche Nutzungsdauer (vgl. Kalusche, 2004, S. 1821) [2].

3 Planen mit Nutzungskosten am Beispiel

3.5

161

Nutzungskosten im Hochbau nach DIN 18960 (08.99)

Nach DIN 18960 ‚Nutzungskosten im Hochbau’ (08.99) werden die Nutzungskosten in folgende Nutzungskostengruppen untergliedert: 100 200 300 400

Kapitalkosten, Verwaltungskosten, Betriebskosten, Instandsetzungskosten.

Die Abschreibung wurde in der Ausgabe der DIN 18960 (08.99) nicht mit einbezogen, obwohl die Abschreibung eine Wertminderung durch Abnutzung darstellt und somit für Vergleiche der Wirtschaftlichkeit mit Hilfe einer Kostenvergleichsrechnung unentbehrlich ist. Veröffentlichungen von Nutzungskosten von öffentlichen Gebäuden erscheinen regelmäßig jedes Jahr von der Zentralstelle für Bedarfsmessung und Wirtschaftliches Bauen (ZBWB) der Staatlichen Vermögens- und Hochbauverwaltung BadenWürttemberg. Viele dieser Angaben beziehen sich jedoch nur auf die beiden Kostengruppen 300 ‚Betriebskosten’ und 400 ‚Instandsetzungskosten’ (vgl. Möller, 2001, S. 154) [4]. Die Gliederung der Nutzungskosten erfolgt analog zu der Gliederung der aktuellen DIN 276 ‚Kosten im Hochbau’ (06.93). Bildung von Grundlagen und Kennwerten Bevor mit der Berechnung von Nutzungskostenkennwerten begonnen wird, ist es notwendig, Grundlagen zu bestimmen, um die Ursachen von Kostenunterschieden zu identifizieren. Damit ein Vergleich der Nutzungskosten von sich in der Nutzungsphase befindlichen Gebäuden gleicher Nutzungsart durchgeführt werden kann, bedarf es der Bildung von Kennwerten mit Hilfe von einheitlich festgelegten Bezugsmengen, wie: -

-

die Grundflächen und Rauminhalte nach DIN 277 ‚Grundflächen und Rauminhalte von Bauwerken im Hochbau’ (02/04.05) (z. B.: BGF, BRI), hier ist im Besonderen der DIN 277-Teil 3 ‚Mengen und Bezugseinheiten’ zu erwähnen, die Art und Weise der Nutzung und die Anzahl der Nutzer (bei Milchviehanlagen, die Bestandsgröße bzw. die Anzahl der Milchkühe), andere, nutzungsbezogene Faktoren.

Bei der Bildung von Kennwerten ist eine hohe Qualität und Verlässlichkeit notwendig, um repräsentative und brauchbare Daten zu schaffen. Deshalb werden bei der Erhebung der Nutzungskosten klare Abgrenzungen zu anderen Kosten vorgenommen, wie z. B. zu den Produktionskosten bei Betriebsgebäuden oder den In-

162

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

standhaltungskosten. Zu einer hohen Qualität der Kennwerte tragen einheitliche Messungen bei. Außerdem ist eine Indizierung der Kostenangaben über Indexreihen notwendig, um einen einheitlichen Kostenstand zu erreichen. Zusätzlich werden die jeweiligen Kostenkennwerte mit Beschreibungen zu den Bauwerken ergänzt, die die Ursachen der Kosten verdeutlichen, wie z. B. Angaben zum Raumklima, zur Intensität der Nutzung, zu Energiekosten, zu Standortfaktoren, zur Objektqualität, zur Bausubstanz bzw. zum Alter des Gebäudes und zum Erfassungszeitraum (vgl. Kalusche, 1999, S. 1) [2]. Stand der Forschung und Daten über Nutzungskosten Bisher wurden Daten über Kosten im Hochbau nach DIN 276 (06.93) ermittelt, vom Baukosteninformationszentrum (BKI) gesammelt und veröffentlicht, sodass diese für die Planung zukünftiger Gebäude zur Verfügung stehen. Überwiegend handelt es sich dabei um Kostendaten der Kostengruppen 300 ‚Bauwerk – Baukonstruktionen’ und der Kostengruppe 400 ‚Bauwerk – technische Anlagen’, wobei die übrigen Kostengruppen der DIN 276 (06.93) in Form von Kennwerten für die Planung bereitgestellt werden. Daten und Kennwerte der Nutzungskosten wurden bisher jedoch kaum veröffentlicht bzw. ausreichend ermittelt. Die Ursache dafür ist, dass der Berücksichtigung von Nutzungskosten bisher kaum Beachtung geschenkt wurde und die DIN 18960 (08.99) in einigen Bereichen sehr schwer in der Praxis anwendbar ist.

3.6

Bauökonomie im landwirtschaftlichen Bauen

Jeder landwirtschaftliche Betrieb benötigt Gebäude und bauliche Anlagen, um den Schutz von Menschen, Tieren, Vorräten und Geräten vor klimatischen Einflüssen zu gewährleisten. An landwirtschaftliche Betriebsgebäude und die dazugehörigen Einrichtungen sowie Anlagen werden hohe ökonomische Anforderungen für optimale Produktionsverfahren gestellt. Trotzdem sind die vorhandenen Betriebsgebäude überwiegend veraltet und können ihren Anforderungen aus Sicht der Ökonomie kaum gerecht werden. Sie unterliegen einer überproportionalen Gebäudeentwertung, wobei ständig steigende Ansprüche an die Gebäude, in Form von technischen Entwicklungen und Auflagen hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und der Tierhaltung sowie hohe Gebäudekosten, hinzukommen. Da Investitionen für viele Betriebe notwendig sind, um mit den technischen und strukturellen Entwicklungen mitzuhalten, sind Fehlinvestitionen unbedingt zu verhindern. Daher sollte schon während der Planungsphase einer Baumaßnahme und damit weit vor Beginn der Herstellung des Gebäudes die zu erwartende Wirtschaftlichkeit hinsichtlich der Baukosten und der Nutzungskosten ermittelt werden. Bei einer Produktion wird die Wirtschaftlichkeit ermittelt, indem Aufwendungen und Erträge miteinander verglichen werden.

3 Planen mit Nutzungskosten am Beispiel

163

Der Anteil der Nutzungskosten beträgt bei der Milcherzeugung nach Berechnungen von Fuchs, Doluschitz und Zeddies ca. 20 % der notwendigen Aufwendungen insgesamt. Nach Gartung, Uminski, Hartwig und Hoch betragen die jährlichen Nutzungskosten von Milchviehanlagen ca. 10 % der Baukosten. Die Baukosten haben einen erheblichen Einfluss auf die Höhe der Nutzungskosten, deshalb müssen Investitionen sowohl in Bezug auf die Baukosten, als auch in Bezug auf die Nutzungskosten bei einer Baumaßnahme überprüft werden. Voraussetzung für eine optimale Investitionsentscheidung ist die Ermittlung der Höhe der Erstausgaben-Investition im Vergleich zu den jährlichen Kosten während der Phase der Nutzung. Diese Erstausgaben werden, wie bereits erwähnt, nach der DIN 276 ‚Kosten im Hochbau’ (06.93) gegliedert und enthalten alle Ausgaben für Güter, Leistungen und Abgaben, die durch die Planung und Ausführung einer Baumaßnahme entstehen. Notwendig für möglichst genaue Ermittlungen der zu erwartenden Baukosten sind Baukostendaten und für die zu erwartenden Nutzungskosten sind es Nutzungskostendaten. Das Institut für Betriebstechnik und landwirtschaftliche Bauforschung hat Kostendaten von gebauten und bereits abgerechneten Bauwerken erstellt. Diese Kostendaten sind Daten für Schweine- und Rindviehanlagen. Sammlungen anderer Gebäudenutzungen werden von dem Baukosteninformationszentrum Deutscher Architektenkammern (BKI) für Hochbauten zur Verfügung gestellt (vgl. Gartung/ Uminski/Hoch, 2006, S. 1-2) [5]. Daten zu den Nutzungskosten von landwirtschaftlichen Betriebsgebäuden werden dagegen bisher an keiner zentralen Stelle gesammelt und aufbereitet. Es gibt jedoch die Software ‚KTBL-Baukost 2.0’ (Herausgeber: Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft), mit deren Hilfe die dort als Jahreskosten benannten Nutzungskosten, welche hier die Abschreibung und die Kapitalkosten enthalten, ermittelt werden können.

3.7

Gegenwärtige Ermittlung der Nutzungskosten in der Landwirtschaft

Um die Jahreskosten landwirtschaftlicher Betriebsgebäude berechnen zu können, bietet das Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) die bereits erwähnte Software ‚BAUKOST – Investitionsbedarf und Jahreskosten für landwirtschaftliche Betriebsgebäude’ an. Dabei werden, durch das Institut für Betriebstechnik und Bauforschung errechnete Baukostendaten, welche unterschiedlichen Stalltypen zugeordnet sind, als Grundlage genutzt, um die anteiligen Jahreskosten zu berechnen. Es handelt sich hier um eine Ermittlungsmethode der Jahreskosten, welche die Abschreibung und die Kapitalkosten enthält.

164

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

Bei einem Vergleich mit der Gliederung der Kostengruppen der DIN 18960 ‚Nutzungskosten im Hochbau’ (08.99) wird deutlich, dass die Abschreibung in der hier gewählten Ermittlungsmethode im Vergleich zur aktuellen DIN 18960 (08.99) berücksichtigt wird. Weiterhin sind die Kapitalkosten als Zinssatz und die Reparaturkosten als Instandsetzung enthalten. In der DIN 18960 (08.99) werden die hier als Versicherungskosten und sonstige Kosten bezeichneten Kosten, in der Kostengruppe 300 ‚Betriebskosten’ zusammengefasst. Die Software ‚Baukost’ arbeitet wie folgt: Nach der Auswahl eines bestimmten Stalltyps ist die Möglichkeit gegeben, einen Prozentsatz, welcher sich auf die Baukosten bezieht, für den Zinssatz, die Reparaturkosten, die Versicherung und die sonstigen Kosten, anzugeben. In einem weiteren Schritt errechnet das Programm die daraus resultierenden Jahreskosten. Um den Vergleich unterschiedlicher Nutzungskosten verschiedener Baumaßnahmen zu ermöglichen, sollte jedoch nach Meinung des Verfassers eine einheitliche und vor allem genauere Ermittlung der Nutzungskosten landwirtschaftlicher Betriebsgebäude nach der DIN 18960 ‚Nutzungskosten im Hochbau’ (08.99) und somit eine Ermittlung von Nutzungskostenkennwerten erfolgen. Aus diesem Grund wird als Grundlage der Erhebungen in der beschriebenen Arbeit die DIN 18960 ‚Nutzungskosten im Hochbau’ (08.99) gewählt. Die Auswertung und Erstellung von Nutzungskostenkennwerten in der vorgestellten Arbeit beschränkt sich jedoch ausschließlich auf die Gebäude-Betriebskosten, auf die im Folgenden Abschnitt genauer eingegangen wird.

3.8

Betriebskosten – Einflüsse und Vorschläge zur Kostenreduzierung

Neben den Einflüssen aus dem Bauwerk an sich, sind verschiedene äußere Einflüsse wie das Klima, die Witterung, das Nutzerverhalten, die örtlichen Tarife für Verbrauchsstoffe wie Wasser und Energie, die Ausgestaltung von Verträgen (Reinigung, Energielieferung, Wartung, Objektschutz), Versicherungsbeiträge usw. von essentieller Bedeutung. Eine Menge der genannten Einflussfaktoren sind teilweise während der Nutzungsphase, jedoch zu einem großen Teil schon während der Planungsphase eines Objektes durch den Architekten oder Planer wesentlich beeinflussbar (vgl. Naber, 2002, S. 144-145) [6].

3.9

Vorgehensweise

Ziel der beschriebenen Arbeit ist es, die Erhebung und die Erarbeitung von Daten zur Wirtschaftlichkeit von Milchviehlaufställen hinsichtlich der Gebäude-Betriebskosten als Teil der Nutzungskosten nach DIN 18960 (08.99) durchzuführen. Mit-

3 Planen mit Nutzungskosten am Beispiel

165

tels der Nachkalkulation der jährlichen Gebäude-Betriebskosten, welche nur einen Anteil der Nutzungskosten während der Nutzungsphase darstellen, werden die Daten der Kostengruppe 300 ‚Betriebskosten’ der DIN 18960 (08.99) an Hand von ausgewählten Fallbeispielen erhoben und analysiert. Im Mittelpunkt steht die Ermittlung von Gebäude-Betriebskostenkennwerten, welche anschließend als Orientierungs- oder Vergleichswerte für alternative Planungsmöglichkeiten von Milchviehlaufställen herangezogen werden können. Zusätzlich werden Handlungsempfehlungen zur Erhebung von Gebäude-Betriebskosten im Bereich von Milchviehlaufställen und praktische Empfehlungen für den Umgang mit der DIN 18960 (08.99) im Rahmen der Untersuchung erarbeitet. Es wird darauf hingewiesen, dass sich alle Kosten und Kennwerte im Rahmen der Erhebung nur auf die Gebäude mit reiner Nutzung für Milchviehhaltung und auf das Melkhaus beziehen. Dabei werden die Gebäude-Betriebskosten von beispielsweise Reproduktionsställen für Jungrinder, Sozialgebäuden, Scheunen und Futterhäusern nicht erhoben, da es hier zu Nutzungsüberschneidungen kommt, welche kalkulatorisch schwer zu differenzieren sind. Die hier erhebbaren Daten wären nicht sehr eindeutig, und folglich wären die Analyseergebnisse auf der Grundlage dieser Daten nicht repräsentativ. In Abbildung 3-1 ist die Vorgehensweise der Untersuchung in den nachfolgend erläuterten Arbeitsschritten dargestellt. 1. Erarbeitung der Grundlagen zur Ermittlung von Gebäude-Betriebskostenkennwerten DIN 18960 „Nutzungskosten im Hochbau“ KG 300 (08.99) DIN 277 „Grundflächen und Rauminhalte von Hochbauten“ (04.05) Forschungsarbeit zum Investitionsbedarf für Milchviehlaufställe (FAL)

2. Erarbeitung der Werkzeuge zur Gebäude-Betriebskostenkennwert-Ermittlung Gebäudekenndaten-Erhebungsblatt Gebäude-Betriebskosten-Erhebungsblatt

3. Anwendung - Untersuchung von Fallbeispielen 8 Milchviehlaufställe im Land Brandenburg

4. Analyse und Schlussfolgerungen Ziel: Darstellung von Gebäude-Betriebskostenkennwerten für Milchviehlaufställe als Grundlage zur Orientierung und zum Vergleich alternativer Planungsmöglichkeiten

5. Ableitung von Handlungsempfehlungen zur Ermittlung und Beurteilung von Gebäude-Betriebskostenkennwerten nach DIN 18960 (08.99)

Abb. 3-1

Vorgehensweise

166

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

Erarbeitung der Grundlagen zur Ermittlung von Gebäude-Betriebskostenkennwerten Als Grundlage dienen zwei DIN-Normen und der Forschungsbericht der FAL von 2005 zur Ermittlung von Gebäude-Betriebskosten und Gebäude-Betriebskostenkennwerten. Die Kostengruppe 300 ‚Betriebskosten’ der DIN 18960 ‚Nutzungskosten im Hochbau’ (08.99) ist die Basis zur Erhebung der jährlichen GebäudeBetriebskosten. Die Gebäude-Betriebskostenermittlung erfolgt gemäß der Ordnungszahlen und der nach DIN festgelegten Reihenfolge der definierten Kostengruppen. Die DIN 277 ‚Grundflächen und Rauminhalte im Hochbau’ (02/04.05) bietet die zweite Grundlage. Hier sind die Definitionen von Flächen- und Rauminhalten sowie die Vorgehensweise zur Ermittlung von Flächen und Rauminhalten im Hochbau festgeschrieben. Der ‚Forschungsbericht zum Investitionsbedarf für Milchviehlaufställe’ der FAL ist die dritte Grundlage, hier konnten Informationen zu der Erhebung und der Darstellung von Planungskennzahlen und von Kostenkennwerten in Bezug auf Milchviehlaufställe entnommen werden. Erarbeitung der Werkzeuge zur Gebäude-Betriebskostenkennwert-Ermittlung Auf Basis der genannten Grundlagen wurden im Rahmen der vorliegenden Arbeit zwei Werkzeuge herausgearbeitet, mit denen eine Ermittlung der Gebäude-Betriebskosten und Gebäude-Betriebskostenkennwerte praktisch umgesetzt werden kann. Zur Ermittlung der Daten wurden zwei Erhebungsblätter entwickelt, das Gebäudekenndaten- und das Gebäude-Betriebskosten-Erhebungsblatt. Das Gebäudekenndaten-Erhebungsblatt dient der Ermittlung von Planungskennzahlen und von weiteren einschlägigen Kenndaten, welche den jeweiligen Gebäude-Betriebskostenkennwerten zugeordnet werden. Mit Hilfe des Gebäudekenndaten-Erhebungsblattes werden Grundrisse, Schnitte und Lagepläne zusammengestellt. Falls notwendig, müssen ausgewählte Flächen und Rauminhalte nach DIN 277 ‚Flächen und Rauminhalte von Hochbauten’ (02/04.05) ermittelt werden. Der ‚Forschungsbericht zum Investitionsbedarf für Milchviehlaufställe’ der FAL dient hier zusätzlich als Grundlage zur Ermittlung festgelegter Flächen und Rauminhalte (z. B. Stallraum) sowie landwirtschaftlicher Gebäudekenndaten (z. B. Haltungssystem). Die Baubeschreibungen nach der 2. Ebene der DIN 276 ‚Kosten im Hochbau’ (06.93) werden ebenfalls durch das Gebäudekenndaten-Erhebungsblatt erfasst. Im Resultat können die erhobenen Baubeschreibungen den jeweiligen ermittelten jährlichen Gebäude-Betriebskostenkennwerten eines bestimmten Gebäudes zugeordnet werden. Somit können Zusammenhänge zwischen beispielsweise dem Ausstattungsgrad des Gebäudes und der Höhe der jährlichen GebäudeBetriebskosten hergestellt werden. Ein weiteres Werkzeug stellt das erarbeitete Gebäude-Betriebskosten-Erhebungsblatt dar, welches aus der Kostengruppe 300 ‚Betriebskosten’ der DIN 18960 ‚Nutzungskosten im Hochbau’ (08.99) entwickelt wurde und zusätzliche Anmerkungen zur genauen Anwendung der DIN enthält, welche in der Norm nicht enthalten sind. Diese werden der Auflistung beigefügt, um es Planern und Nutzern zu

3 Planen mit Nutzungskosten am Beispiel

167

vereinfachen, die Kostendaten möglichst genau zu erfassen. Zusätzlich wird eine Auflistung erstellt, welche alle Direktkosten der Produktion in der Milchviehhaltung zusammenfasst, die nicht zu den Gebäude-Betriebskosten gehören. Anwendung – Untersuchung von Fallbeispielen Die zwei entwickelten Erhebungsblätter für eine praxisnahe Gebäude-Betriebskostenkennwert-Ermittlung wurden anschließend im Rahmen der Ermittlung der Gebäude-Betriebskostenkennwerte bei acht Milchviehlaufställen angewandt. Das Ziel ist die Erhebung und die Darstellung von Gebäude-Betriebskostenkennwerten für diese Milchviehlaufställe, welche als Grundlage zur Orientierung und zum Vergleich alternativer Planungsmöglichkeiten dienlich sein können. Bereits bei diesem Arbeitsschritt wurden Defizite bei der praxisnahen Anwendbarkeit der DIN-Normen deutlich. Analyse und Schlussfolgerungen Im Rahmen der Analyse werden die Erhebungsergebnisse dargestellt und analysiert. Die Darstellung erfolgt in Form von Tabellen, welche die Erhebungsergebnisse dokumentieren und im Zusammenhang mit den jeweiligen dazugehörigen Gebäudekenndaten, Grundrissen, Lageplänen, gegebenenfalls Schnitten, Baubeschreibungen und Fotos aufführen. Auf eine Darstellung der detaillierten Erhebungsergebnisse wird an dieser Stelle verzichtet. Zunächst erfolgt die Auswertung der Gebäudekenndaten. Im Anschluss werden die Erhebungsergebnisse in einer allgemeinen Auswertung analysiert, wobei nach der 2. Ebene der Kostengruppe 300 ‚Betriebskosten’ der DIN 18960 (08.99) vorgegangen wird. Die Auswertung der acht Milchviehanlagen hat ergeben, dass für die Kostengruppe 300 ‚Betriebskosten’ der DIN 18960 ‚Nutzungskosten im Hochbau’ (08.99) pro Milchkuh durchschnittlich etwa jährlich knapp 77 Euro anfallen. Für den Quadratmeter Brutto-Grundfläche ergeben sich jährlich über 7 Euro und für den Quadratmeter Hauptnutzfläche jährlich über 9 Euro. Bei der Auswertung der sieben Kostengruppen der Kostengruppe 300 ‚Betriebskosten’ der DIN 18960 (08.99) ergibt sich nach ihrem prozentualen Anteil an den gesamten Gebäude-Betriebskosten eine Rangfolge, welche in folgender Tabelle (Tab. 3-1) verdeutlicht wird. Die Prozentsätze der einzelnen Kostengruppen ergeben sich aus den Durchschnittwerten der 8 untersuchten Milchviehanlagen. Wenn für ein Objekt in einer Kostengruppe keine Angaben gemacht werden konnten, wurde dieser Betrieb nicht mit in die Auswertung des jeweiligen Durchschnittswertes einbezogen. Nur wenn eindeutig keine Kosten für eine bestimmte Kostengruppe angegeben wurden, wurde dieser Nullwert in die Auswertung aufgenommen.

168

Tab. 3-1

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

Anteil der einzelnen Kostengruppen an den Betriebskosten nach DIN 18960 (08.99)

Deutlich wird, dass die beiden Kostengruppen 320 ‚Reinigung und Pflege’ und 310 ‚Ver- und Entsorgung’ den größten Einfluss auf die gesamten GebäudeBetriebskosten mit insgesamt 68 % haben, gefolgt von der Kostengruppe 370 ‚Abgaben und Beiträge’, welche 25 % der gesamten Gebäude-Betriebskosten ausmacht. Einen geringen Anteil an der gesamten Kostengruppe 300 ‚Betriebskosten’ hat die Kostengruppe 350 ‚Inspektion und Wartung der technischen Anlagen’ mit 5 %, wobei die Kostengruppe 340 ‚Inspektion und Wartung der Baukonstruktionen’ mit 2 % den geringsten Einfluss auf die gesamten Gebäude-Betriebskosten hat. Der hohe Prozentsatz der Reinigung und Pflege und der Ver- und Entsorgung zeigt, dass bei der Nutzung von Milchviehanlagen, der Schwerpunkt auf der Reinigung und Pflege sowie der Ver- und Entsorgung liegt. Das ist jedoch nur im Vergleich zu allen anderen Kostengruppen der Gebäude-Betriebskosten der Fall. Aus Befragungen der Betreiber ging hervor, dass der Aufwand für Reinigung und Pflege im Vergleich zu dem produktionsbedingten Arbeitsaufwand eine eher untergeordnete Rolle spielt. Der Grund dafür ist darin zu sehen, dass es sich bei Milchviehanlagen um sehr funktionale Gebäude handelt, welche intensiv auf die Ziele der Milchproduktion ausgerichtet sind. Die wichtigsten Faktoren, wie Hygiene und eine optimale Versorgung bei der Haltung von Nutztieren steht dabei im Vordergrund. Alle Kosten, die dafür entstehen, sind Direktkosten der Produktion und keine Gebäude-Betriebskosten. Bei der Ver- und Entsorgung wird ebenfalls deutlich, dass hier der überwiegende Teil für die Produktion aufgewendet wird und im Verhältnis dazu ein geringer Anteil der Gebäude-Betriebskosten besteht. Die Kostengruppe 370 ‚Abgaben und Beiträge’ nimmt ebenfalls eine relativ wichtige Stellung ein, da Milchviehanlagen sowie landwirtschaftliche Betriebsgebäude in der Regel mit sehr großen Grundstücksflächen ausgestattet sind, sowie sehr große Gebäudevolumen vorweisen, welches sich mit hohen Kosten auf die Grundsteuer und die Gebäudeversicherung im Vergleich zu anderen Kostengruppen der

3 Planen mit Nutzungskosten am Beispiel

169

Betriebskosten auswirkt. Da Milchviehanlagen als einfache und funktionale Gebäude eine vergleichsweise geringe Ausstattung mit technischen Anlagen aufweisen, welche nicht für die Produktion vorgesehen sind, ist ein sehr geringer Kostenanteil der Inspektion und Wartung von technischen Anlagen zu erwarten. Im Rahmen der Auswertung beläuft sich der Anteil der Kostengruppe 350 ‚Inspektion und Wartung der technischen Anlagen’ somit auf knapp 5 %. Der sehr geringe Anteil der Kostengruppe 340 ‚Inspektion und Wartung der Baukonstruktionen’ von 2 % der gesamten Gebäude-Betriebskosten erklärt sich damit, dass die Konstruktion sowie die gesamten Baukonstruktionen von Milchviehanlagen in der Regel als einfacher und zweckmäßiger Hallenbau hergestellt werden. Es werden kaum Inspektions- und Wartungsarbeiten an den Baukonstruktionen dieser Gebäude durchgeführt. Die Kostengruppe 330 ‚Bedienen der technischen Anlagen’ wurde bei der Erhebung vernachlässigt, da die Kosten für diese Kostengruppe nicht erfassbar sind. Das Bedienen von technischen Anlagen ist heute weitgehend automatisiert bzw. wird zentral gesteuert. Eine Untergliederung nach DIN 18960 (08.99) ist somit sehr schwer oder gar nicht möglich. In der Kostengruppe 360 ‚Kontroll- und Sicherheitsdienste’ fielen für keinen der acht Betriebe Kosten an, da in Milchviehanlagen in der Regel keine Kontroll- und Sicherheitsdienste durchgeführt werden. Anschließend an die Auswertung nach der 2. Ebene werden alle Ergebnisse nach der 3. Ebene der DIN 18960 (08.99) ausgewertet und Gebäude-Betriebskostenschwerpunkte herausgearbeitet. Während der detaillierten Auswertung wird Bezug auf die Hintergründe genommen, welche einen unterschiedlich starken Einfluss auf die jeweilige Kostengruppe der Gebäude-Betriebskosten haben können. Dabei handelt es sich um Einflüsse, welche auf die Art und Weise der Nutzung des jeweiligen Gebäudes, sowie seine bauliche Ausstattung und Bauweise zurückzuführen sind. Bedeutende Einflussfaktoren, welche auf die einzelnen Kostengruppen schwerpunktmäßig einwirken, sind beispielsweise der Stundenverrechnungssatz (brutto), die Reinigungsfläche, die Reinigungshäufigkeit oder beispielsweise die von den Nutzern gestellten Anforderungen. Im Rahmen der Untersuchung hat sich ein Anteil der jährlichen GebäudeBetriebskosten an den jährlichen Nutzungskosten incl. Abschreibung von rund 25 % ergeben. Der Anteil an den Baukosten im Rahmen der Erhebung beträgt ca. 2,5 % und der Anteil der jährlichen Gebäude-Betriebskosten an den Direktkosten der Produktion liegt bei ca. 5 %.

170

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

3.10 Materialkritik und Evaluation der Ergebnisse Ein wichtiger Punkt bei der Erstellung von Kennwerten ist die Verfügbarkeit sowie die Genauigkeit der erhobenen Daten. Im Rahmen der Erhebung der Gebäudekenndaten konnten in den meisten Fällen vollständige Angaben gemacht werden. Bei der Abfrage der Baukosten hingegen konnten in keinem der acht Fälle vollständige Aussagen getroffen werden, da diese nicht einheitlich bzw. nicht nach DIN 276 ‚Kosten im Hochbau’ dokumentiert wurden. Häufig wurden nur einzelne Beträge für Modernisierungsmaßnahmen genannt. Für sechs von acht Milchviehanlagen standen die Grundrisse zur Verfügung, sodass zur Erhebung der Flächen- und Rauminhalte in zwei Fällen die Stallgebäude und das Melkhaus ausgemessen und Grundrisse angefertigt werden mussten. Hier ist mit Ungenauigkeiten aus den Vermessungsarbeiten zu rechnen. In der Regel sollten jedoch zu jedem Gebäude Grundrisse und eine entsprechende Auflistung der Baukosten nach DIN 276 ‚Kosten im Hochbau’ vorhanden sein. Da es teilweise nicht möglich war, Angaben zu den Bezugseinheiten BruttoGrundfläche (BGF) und Hauptnutzfläche (HNF) zu erhalten, wurden diese, sowie die landwirtschaftlichen Planungskennzahlen mit Hilfe der Grundrisse und der DIN 277 Teil 1 (02.05) ermittelt. Die nach DIN 277 ‚Grundflächen und Rauminhalte von Hochbauten’ (02/04.05) errechneten Bezugseinheiten müssen normalerweise für jedes Gebäude abrufbar sein. Bei der Erhebung der jährlichen Gebäude-Betriebskosten mit Hilfe des GebäudeBetriebskosten-Erhebungsblattes bestand das Problem, dass der Verbrauch bei der Ver- und Entsorgung häufig nicht getrennt von dem Verbrauch für die Produktion erhoben werden konnte. Deshalb musste teilweise mit Schätzwerten gearbeitet werden, was zur Folge hatte, dass die errechneten Gebäude-Betriebskostenkennwerte eine dementsprechende Qualität aufweisen. Da für keine Milchviehanlage eindeutige Angaben zu den Flächen und Kosten für die Reinigung und Pflege gemacht werden konnten, wurden die durch die Betreiber geschätzten Flächen mit Hilfe der Grundrisse ermittelt. Die Reinigungskosten der jeweiligen Fläche wurden ebenfalls von den Betreibern eingeschätzt. Es konnten in allen Fällen, wenn auch nur schätzungsweise, Aussagen getroffen werden, wie viele Stunden im Jahr für die Reinigung bestimmter Flächen benötigt werden und welche Stundenverrechnungssätze (brutto) gezahlt werden. Die Ermittlung mit Hilfe von Schätzwerten muss im Hinblick auf die Qualität der Betriebskostenkennwerte für Reinigung und Pflege ebenso wie für einige Teile der Ver- und Entsorgung berücksichtigt werden.

3 Planen mit Nutzungskosten am Beispiel

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Im Bereich der Inspektion und Wartung ist die Datenqualität ähnlich zu beurteilen, da bei einer hofeigenen Wartung ebenfalls mit Schätzungen gerechnet werden musste. Bei jährlichen Wartungsverträgen ließen sich die Kosten relativ unkompliziert ermitteln. Bei der Angabe der Abgaben und Beiträge bestand das Problem der anteiligen Zuordnung der jährlichen Kosten zu dem Betriebszweig Milchproduktion. Die Daten beruhen ebenfalls auf Schätzwerten und sind im Zuge eines Vergleichs oder als Orientierungswerte für alternative Lösungsmöglichkeiten, wie der durchschnittliche Gesamtkennwert der jährlichen Gebäude-Betriebskosten, vorsichtig zu verwenden. Im Rahmen der Auswertung der Gebäudekenndaten der acht untersuchten Milchviehanlagen, welche ausschließlich im Land Brandenburg liegen, zeigt sich eine verhältnismäßig große Bestandsgröße der Milchviehställe im Osten der Bundesrepublik. Diese Situation lässt sich auf die vorhandene Bausubstanz nach der politischen Wende im Jahr 1989 zurückführen. Bei der Betrachtung der Höhe der Gebäude-Betriebskostenkennwerte und den Ursachen wird deutlich, dass diese im Vergleich zu Gebäuden anderer Nutzungen, wie z. B. Schulgebäude oder Bürogebäude wesentlich geringer ausfallen. Beispielsweise liegen die Reinigungskosten für ein durchschnittliches Bürogebäude pro Jahr etwa bei knapp 200 € (Kostenstand (brutto): 2005) (vgl. Kalusche, 2006, S. 88) [2], während die Reinigungskosten für eine durchschnittliche Milchviehanlage laut der vorliegenden Erhebung nur knapp 30 € im Jahr liegen (Kostenstand (brutto) 2005). Das ergibt für die jährlichen Reinigungskosten einer Milchviehanlage unter 7 % der Reinigungskosten eines Bürogebäudes. Diese großen Kostenunterschiede liegen darin begründet, dass in der Nutzungsphase von Stallgebäuden, welche der landwirtschaftlichen Produktion dienen, ein Kostenschwerpunkt auf den produktionsbedingten laufenden Kosten liegt. Die jährlichen Gebäude-Betriebskosten als Teil der ausgabenwirksamen Nutzungskosten (KG 300 und 400 der DIN 18960 (08.99)) von Stallgebäuden spielen dabei eine eher geringere Rolle, da es sich um sehr einfache Gebäude handelt, welche ausschließlich der Produktion dienen. Die Ausstattung der Gebäude mit produktionsbedingten technischen Anlagen, wie beispielsweise die Ausstattung des Melkstandes und der Melkanlage bei Milchviehlaufställen sind vordergründig. Die hierfür laufenden anfallenden Kosten werden jedoch den Direktkosten der Produktion zugeordnet und sind für die Gebäude-Betriebskosten-Erhebung nicht relevant. Hinzu kommt, dass Gebäude, welche für die Unterbringung von Milchvieh dienen, nicht beheizt werden und somit die gesamten jährlichen GebäudeBetriebskosten für eine Wärmeversorgung entfallen. Bei Schulgebäuden fallen beispielsweise wesentlich höhere Wärmeversorgungs- und Reinigungskosten an. Schulgebäude werden in der Regel beheizt und der Reinheitsanspruch sowie der daraus resultierende gebäudespezifische Reinigungsaufwand sind hoch.

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B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

Ableitung von Handlungsempfehlungen zur Ermittlung und Beurteilung von Gebäude-Betriebskostenkennwerten nach DIN (08.99) Am Ende werden Handlungsempfehlungen gegeben, welche im Laufe der Ausarbeitung der Werkzeuge und deren Anwendung auf die untersuchten Objekte, erarbeitet werden. Diese Handlungsempfehlungen sind speziell auf die Nutzung von Gebäuden als Milchviehlaufställe ausgerichtet und sollen Planern und Bauherren die Anwendung der Kostengruppe 300 ‚Betriebskosten’ der DIN 18960 ‚Nutzungskosten im Hochbau’ (08.99) auf diese Nutzungsart erleichtern. Um möglichst zuverlässige und anwendbare Gebäude-Betriebskostenkennwerte ermitteln zu können, ist es notwendig, eine einheitliche und zuverlässige Dokumentation aller Nutzungskosten pro Jahr, welche in der Kostengruppe 300 ‚Betriebskosten’ der DIN 18960 (08.99) zusammengefasst sind, zu realisieren. Zu beachten ist dabei, dass die Nutzungskosten, insbesondere die GebäudeBetriebskosten und auch die Instandsetzung (KG 400 der DIN 18960 (08.99)) von den Direktkosten der Produktion getrennt werden müssen. Hierzu hieß es in der ersten Ausgabe der DIN 18960 ‚Baunutzungskosten von Hochbauten’ (04.76): ‚Die betriebsspezifischen und produktionsbedingten Personal- und Sachkosten sind nicht nach dieser Norm zu erfassen, soweit sie sich von den Nutzungskosten trennen lassen. Die Kosten der Herstellung, des Umbaus oder der Beseitigung von Gebäuden sind Kosten von Hochbauten nach DIN 276.’ Diese Festlegung ist sowohl in der aktuellen Ausgabe der DIN 18960 als auch in der sich in der Bearbeitung befindenden DIN-Norm nicht enthalten. Diese Anmerkung ist jedoch zu einer sachgemäßen Anwendung der DIN 18960 (08.99) auf alle Arten von Betriebsgebäuden von besonderer Bedeutung und nicht entbehrlich. Im Folgenden werden beispielhaft einige Handlungsempfehlungen aufgeführt, welche zu einer einheitlichen und zuverlässigen Dokumentation der jährlichen Gebäude-Betriebskosten beitragen sollen, die Gliederung der Handlungsempfehlungen orientiert sich an der DIN 18960 (08.99). Ein Hauptproblem bei der Anwendung der Norm ist die Dokumentation der einzelnen Kosten- und Untergruppen. Um eine praktikable Kostenzuordnung zu gewährleisten, ist es essentiell, schon während der Planung eines Bauvorhabens, die technischen Anlagen so zu konzipieren, dass die Dokumentation von Verbrauchsmengen (z. B. von Strom) eine gesonderte Erfassung entsprechend der Kostengruppen ermöglicht. Weiterhin ist es notwendig, produktionsbedingte Verbrauche von den gebäudespezifischen Verbrauchen differenzierbar aufzuzeichnen. Falls eine solche Erfassung nicht möglich ist, müssen die Anteile des unterschiedlichen Verbrauchs kalkulatorisch ermittelt werden (vgl. Kalusche, 2004, S. 18-21) [2]. Die Qualität und Aussagekraft von Nutzungskosten ist jedoch entsprechend besser, wenn diese direkt identifiziert und dokumentiert werden. Im Folgenden werden Vorschläge zur Verbesserung der praxisorientierten Anwendbarkeit der Kostendifferenzierung nach DIN beispielhaft an der Kostengruppe 311 ‚Ver- und Entsorgung, Abwasser-, Wasser-, und Gasanlagen’ gegeben:

3 Planen mit Nutzungskosten am Beispiel

173

Da die jährlichen Kosten für Abwasser- Wasser-, und Gasanlagen sich in der Praxis teilweise kaum in die Gebäude-Betriebskosten und die Direktkosten der Produktion aufteilen lassen, da beispielsweise das Tränkwasser mit dem Brauchwasser zusammen abgerechnet wird, wird vorgeschlagen, alle Wasserverbrauche mit separaten Wasserzählern zu messen. So können Listen für die Zuordnung des unterschiedlichen Verbrauchs erstellt werden und eine genaue Differenzierung der Gebäude-Betriebskosten und der Direktkosten der Produktion wird möglich.

3.11 Anwendung und Übertragbarkeit Die entwickelten Handlungsempfehlungen für eine einheitliche und zuverlässige Dokumentation der jährlichen Gebäude-Betriebskosten von Milchviehlaufställen, als Grundlage zur Orientierung bei der Bauplanung, lassen sich mit relativ geringen Veränderungen auf andere landwirtschaftliche Betriebsgebäude mit einer anderen Nutzung übertragen, sodass die Gebäude-Betriebskosten eindeutiger als bisher erhoben werden können. Eine Übertragung auf andere Betriebsgebäude, die einer bestimmten Produktion dienen, ist ebenfalls denkbar. Bei der Erhebung der jährlichen Gebäude-Betriebskosten landwirtschaftlicher Betriebsgebäude, welche beispielsweise für die Mastschwein- oder Geflügelhaltung genutzt werden, besteht wie bei der Milchviehhaltung gleichermaßen die Notwendigkeit, die jährlichen Direktkosten der Produktion von den jährlichen Gebäude-Betriebskosten zu trennen. Diesen Aspekt betreffend bieten die erarbeiteten Handlungsempfehlungen eine Grundlage, um eine praxisorientierte Anwendung der Kostengruppe 300 ‚Betriebskosten’ der DIN 18960 (08.99) auf landwirtschaftliche Betriebsgebäude zu gewährleisten. Die erarbeiteten Tabellen für die unterschiedlichen Kostengruppen im Rahmen der Handlungsempfehlungen lassen sich teilweise komplett oder mit geringfügigen Veränderungen, beispielsweise für Gebäude für Mastschwein- oder Geflügelhaltung, übertragen. Bei der Erhebung der Direktkosten der Produktion im Bereich der Inspektionsund Wartungsarbeiten der technischen Anlagen in der Mastschweinhaltung findet man andere technische Anlagen vor als in der Milchviehhaltung. Für eine eindeutige Gebäude-Betriebskostenerhebung im Bereich der Kostengruppe 350 ‚Inspektion und Wartung der technischen Anlagen’ sind jedoch nur die jährlichen Kosten relevant, welche durch die gebäudespezifischen technischen Anlagen verursacht werden. Hier sind daher keine Veränderungen in der vorgegebenen Tabelle notwendig, denn die technische Ausstattung zur Produktion findet hier keine Berücksichtigung. Ähnlich ist die Übertragbarkeit der Handlungsempfehlungen für andere Kostengruppen der Gebäude-Betriebskosten zu beurteilen. Eine Übertragung der beschriebenen Handlungsempfehlungen auf andere Betriebsgebäude (Industrie und Handwerk), welche einer bestimmten Produktion dienen, kann nur erfolgen, wenn die erarbeiteten Handlungsempfehlungen entsprechend angepasst werden. Dabei werden produktionsbedingte jährliche Kosten auf

174

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

eine vergleichbare Art und Weise von den jährlichen Gebäude-Betriebskosten getrennt. Die erarbeiteten Handlungsempfehlungen bieten lediglich eine Grundlage zur Erarbeitung einer Vorgehensweise bei der Ermittlung von GebäudeBetriebskostenkennwerten von anderen Betriebsgebäuden. Mit den errechneten Kennwerten muss ein vorsichtiger Umgang erfolgen. Die Datenqualität weist im Rahmen der Erhebung in verschiedenen Punkten Defizite auf, beispielsweise auf Grund von Schätzwerten. Die dargestellten GebäudeBetriebskostenkennwerte sollten aus den genannten Gründen ausschließlich zur groben Orientierung dienen, jedoch nicht als Richtwerte (Benchmarks) angesehen und im Rahmen von Planungen genutzt werden.

3.12 Ausblick Um Fehlinvestitionen und hohen Nutzungskosten bereits während der Vorplanung von Milchviehlaufställen vorzubeugen, ist es unbedingt notwendig, die Nutzungskosten bereits in der Vorplanung besonders gut abschätzen zu können. Eine Investition lohnt sich nur dann, wenn der Nutzen langfristig betrachtet höher ist, als der Aufwand (vgl. Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft, 2005, S. 100) [7]. Die Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung auf dem Milchmarkt bzw. auf dem Sektor der Landwirtschaft allgemein und ihre Auswirkung auf die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe unterstreichen die Notwendigkeit der ständigen Steigerung der Effizienz der Produktion und damit eine Reduktion der Kosten. Hinzu kommt, dass ein weiterer Anstieg der Energiepreise und entsprechende Folgen für die Nutzungskosten im Hochbau zu erwarten sind. Im Vergleich zu anderen Gebäudenutzungen werden die Nutzungskosten, insbesondere die Gebäude-Betriebskosten von Milchviehlaufställen, jedoch nicht so stark von einem Energiepreisanstieg betroffen sein, da hier der überwiegende Energieverbrauch auf die Produktion zurückzuführen ist. Aus den oben genannten Gründen ist es unbedingt notwendig eine eindeutige und nach einheitlichen Kriterien erfolgende Ermittlung von Gebäude-Betriebskosten, als Teil der Nutzungskosten im Hochbau nach DIN 18960 (08.99), vorzunehmen. Im Rahmen der beschriebenen Arbeit wurde jedoch deutlich, dass bezüglich der Erhebung von Nutzungskosten, allgemein und insbesondere der Gebäude-Betriebskosten nach DIN 18960 (08.99), im Bereich von landwirtschaftlichen Betriebsgebäuden noch ein erhebliches Defizit, sowohl in der Erhebungsmethode als auch in der Dokumentation von Gebäude-Betriebskosten während der Nutzungsphase, besteht. Besonders bei der Dokumentation von Gebäude-Betriebskosten fehlt es an einer einheitlichen DIN-gerechten Zusammenstellung der jährlich anfallenden Gebäude-Betriebskosten.

3 Planen mit Nutzungskosten am Beispiel

175

Es ist und wird zukünftig, auf Grund von wirtschaftlichen Entwicklungen in der Landwirtschaft für eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung von Milchviehlaufställen zunehmend unentbehrlich sein, ebenfalls Methoden zur Ermittlung und Nutzungskostenkennwerte für die übrigen Kostengruppen der Nutzungskosten im Hochbau nach DIN 18960 zu entwickeln. Dabei sind sowohl die kalkulatorischen (KG 100 und KG 200) als auch die ausgabenwirksamen Nutzungskosten (KG 300 und KG 400) einzubeziehen. Die entwickelten Handlungsempfehlungen bieten eine Basis, welche zukünftig eine Weiterbearbeitung erfordert, um allgemeingültig und zuverlässig angewandt werden zu können. Durch eine Ermittlung der Gebäude-Betriebskosten, entsprechend der beschriebenen Vorgehensweise, können weitere Erfahrungswerte gesammelt werden, sodass Defizite bei der Anwendung ausgeräumt und Gebäude-Betriebskostenkennwerte ermittelt werden können, welche nicht nur einer Orientierung dienen, sondern als Richtwerte für die Planung genutzt werden können. Weiterhin kann dann eine Differenzierung gemäß der im Forschungsbericht der FAL dokumentierten Kosten von Milchviehlaufställen nach Haltungsverfahren und Bestandsgröße erfolgen. Somit können genauere Gebäude-Betriebskostenkennwerte für bestimmte Gebäudetypen erstellt werden, welche der Planung in Form von Benchmarks (Richtwerten) dienen können. Zukünftig ermittelte Richtwerte zu Gebäude-Betriebskostenkennwerten bzw. Nutzungskostenkennwerten von Milchviehlaufställen, sollten ebenfalls wie die Baukostenkenndaten beim Baukosteninformationszentrum (BKI) an einer allgemein zugänglichen Stelle gesammelt und aufbereitet werden, sodass sie Planern und Bauherren zur Verfügung stehen. Von besonderer Bedeutung ist eine regelmäßige Aktualisierung der Nutzungskostenkennwerte. Nur durch eine zukünftig vertiefende Erarbeitung von praktikablen Ermittlungsmethoden von Nutzungskosten im Hochbau nach DIN 18960 (08.99) und die Bereithaltung von zuverlässigen Nutzungskostenkennwerten von landwirtschaftlichen Betriebsgebäuden kann bei der Planung zukünftiger Betriebe zu einer nachhaltigen Reduzierung der Nutzungskosten während der gesamten Nutzungsphase und letztendlich der Gesamtkosten der Produktion führen, was zukünftig die Grundlage einer höheren Wettbewerbsfähigkeit der milcherzeugenden Betriebe darstellt.

Literatur [1] BAUFÖRDERUNG LANDWIRTSCHAFT E. V. (BFL): Milchviehhaltung. BauBriefe Landwirtschaft. Heft 44. Münster-Hiltrup, 2004 [2] KALUSCHE, Wolfdietrich: Planen mit Baunutzungskosten. Dieser Text ist eine Wiedergabe eines Artikels aus dem Deutschen Architektenblatt im März 1999

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B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

[3] GRAU, Felix: Baukosten im Zusammenhang mit der DIN 276. Mühltal, 2006 http://www.architext.de/informationen/baukosten-nach-din276.html (21.07.2006) [4] MÖLLER, Dietrich-Alexander: Planungs- und Bauökonomie. Band 1. Grundlagen der wirtschaftlichen Bauplanung. München, 2001 [5] GARTUNG, Jürgen/UMINSKI, Kerstin/HOCH, Christel: Bauökonomik im landwirtschaftlichen Bauen. Braunschweig, 2006 http://www.bb.fal.de/index.htm?page=/gebaeude/bauoekonomik/ (15.06.2006) [6] NABER, Sabine: Planung unter Berücksichtigung der Baunutzungskosten als Aufgabe des Architekten im Feld des Facility Management. Frankfurt am Main, 2002 [7] BUNDESFORSCHUNGSANSTALT FÜR LANDWIRTSCHAFT, 2005 DIN 276 1993 – Normausschuss Bauwesen (NABau) im DIN Deutsches Institut für Normung e. V. DIN 276 Juni 1993 – Kosten im Hochbau. Berlin, 1993 DIN 277 2005 – Normausschuss Bauwesen (NABau) im DIN Deutschen Institut für Normung e. V. DIN 277 April 2005 – Grundflächen und Rauminhalte von Bauwerken im Hochbau. Berlin, 2005 DIN 18960 1976 – Normausschuss Bauwesen (NABau) im DIN Deutschen Institut für Normung e. V.: DIN 18960, April 1976 – Baunutzungskosten von Hochbauten. Berlin, 1976 DIN 18960 1999 – Normausschuss Bauwesen (NABau) im DIN Deutsches Institut für Normung e. V. DIN 18960 August 1999 – Nutzungskosten im Hochbau. Berlin, 1999 KALUSCHE, Wolfdietrich: Seminare, Kostenplanung – Baunutzungskosten. Nr. 04168. Düsseldorf, 2004 KALUSCHE, Wolfdietrich: Nutzungskosten im Hochbau. Vortragsfolien. Cottbus, 2006

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4

Facility Management am Planungstisch Verhinderung von Planungsfehlern bei Einbezug von Experten der Gebäudebewirtschaftung während der Planung anhand von Beispielen aus der Praxis Volker Rausch

Einer der wichtigsten Meilensteine rund um das Entstehen einer Immobilie ist die Planung. Dieser Prozess ist sehr vieldimensional, weil er zum Tätigkeitsfeld vieler Beteiligter geworden ist und seine realisierten Ergebnisse die Lebens- und Arbeitsgrundlagen der Menschen auf vielfältige Weise bestimmen. Die rasche und immer differenziertere Entwicklung der Technik und damit auch der bautechnischen Möglichkeiten verlangt von Planungs- und Baufachleuten ein Fachwissen von ständig zunehmendem Umfang. Die Folge daraus ist eine immer stärkere Arbeitsteilung beim Planen und Bauen. Für große Bauobjekte werden im Extremfall bereits 10-30 Fachplaner koordiniert, im Ausführungsbereich 10-30 Spezialisten beteiligt. Hinzu kommen weitere 10-20 Fachleute für die Durchführung des Genehmigungsvorganges. Der Auftraggeber (Bauherr, Investor, Bauträger bzw. sein Treuhänder) hat hierbei mit etwa 50-100 Partnern zu verhandeln. Zur vorherigen Klärung der Nutzungsanforderungen wird der Facility Manager in den Planungsprozess einbezogen. Doch dies ist leider nur ein Wunschdenken, da es kaum Planungsteams gibt, welche auf die Erfahrung von Bewirtschaftungsprofis setzen. Sind es einerseits die Befindlichkeiten von Architekten, sich nicht ins eigene Geschäft reden zu lassen oder andererseits der zusätzliche Kostenfaktor für den Bauherren? – Man weiß es nicht genau. Dabei lassen sich viele entscheidende Weichen für eine effiziente Gebäudebewirtschaftung bereits in der Planungsphase stellen. 50 bis 80 % der späteren Bewirtschaftungskosten einer Immobilie werden in dieser Phase unabänderlich festgelegt. Problematisch ist, dass auf der Planungsseite alle räumlichen, sachlichen und sozialen Dimensionen Berücksichtigung finden, die Interessen der Nutzerseite jedoch gänzlich vernachlässigt werden. Daraus entstehen Planungsfehler, welche mit teilweise verheerenden Folgen die Nutzungsphase der Gebäude bis zu deren Revitalisierung oder Verwertung begleiten. Die höheren Kosten während der Gebäudenutzung trägt dann der Nutzer. Der folgende Aufsatz stellt Planungsmängel aus der Sicht des Autors vor, welche er in seiner Berufspraxis als Facility Manager vorfindet und soll die Wichtigkeit darlegen, nicht auf die Planungskompetenzen des „Machers vor Ort“ zu verzichten.

178

4.1

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

Einleitung

„Die geistige Verkleisterung unserer Gesellschaft gestattet uns zwar, Scheiße als Kunst und Hybris als technischen Fortschritt zu verbreiten, von aufklärerischem Gedankengut wird nach wie vor mit Missachtung nicht unter Jahren bestraft.“ (vgl. Geberzahn, 1994, S. 28) [1]. Diese Aussage des Architekten und Journalisten Wilhelm Otto Geberzahn zur Architektur entstand im Zuge der ständig wachsenden Flut relevanter Informationen über Planungsmängel. Dies ist ein nicht haltbarer Zustand. Doch wer veröffentlicht diesen? Bei den wichtigsten Medien, wie Presse, Film und Fernsehen spielt dies hierzulande eine untergeordnete Rolle. Vergleicht man dies mit anderen technischen, künstlerischen und gesellschaftlichen Bereichen, die in unserem Alltag nicht annähernd so existentiell und gegenwärtig sind wie die räumliche Umgebung bei Wohnen, Arbeit, Bildung oder Freizeit, ist die kritische Information über Planungsmängel außerhalb der Fachpresse oder der Nutzungsbeteiligten der Immobilien kaum erkennbar. Nur ein wie auch immer entstandener „Skandal“ kann anscheinend einem Bauwerk und somit seinem Architekten negative Publizität verschaffen. Die immer wieder vorkommenden Kostenüberschreitungen, die Verwendung ungesunder Baumaterialien, die Fehlplanung des Wegeverlaufs, falsche Fußbodenmaterialen, ungünstige Lichtführungen, Nichterreichbarkeit von Fassaden usw. sind beispielgebend dafür. Dabei gibt die Literatur eine Vielzahl von Merkmalen bekannt, wie Architektur bewertet wird: -

Angemessenheit Sinnvolles, der Aufgabe angemessenes Gestaltungskonzept und entsprechende Verwendung der Mittel. Ausgewogenheit Die Gestalt hat den Charakter der Notwendigkeit; es scheint nicht möglich, einen substantiellen Teil hinwegzunehmen oder hinzuzufügen ... Ganzheit Einheit, die mehr als die Addition vielfältiger Elemente ist ... Individualität Die Gestalt ist unverwechselbar, originell ... Einprägsamkeit Die Intensität des im Bewusstsein bleibenden Gestalteindrucks, Prägnanz ... Identität Entsprechung von Raum, Form, Konstruktion, Nutzung und Bedeutung ... Erlebniswert Grad der assoziativen Anregung, Symbol- und Bedeutungsgehalt, Innovationsgrad (vgl. Joedicke, 1976) [2].

4 Facility Management am Planungstisch

179

Nachvollziehbar ist, dass diese Merkmale nicht gleichwertig sein können, da sich die Bedeutung jedes einzelnen Merkmals von Bauwerk zu Bauwerk ändern kann und manches fast bedeutungslos wird. Dann muss jedoch ein anderes hinzukommen. Die Erfahrung zeigt, dass die Identität von Raum, Funktion, Konstruktion und Nutzung bei fast allen zu bewirtschaftenden Gewerbeimmobilien nicht funktioniert. Vor allem die prozessorientierten Planer, welche sich sowohl auf die Zusammenhänge (planungs- und systemtheoretische Grundlagen), die Beteiligten und Betroffenen (soziotechnische Grundlagen) und die Kompetenzen (planungs- und baurechtliche Grundlagen) als auch Abläufe (zeit- und ablaufbezogene Planung) und Methoden (methodische und instrumentelle Grundlagen) beziehen, benötigen profunde Kenntnis in der Bewirtschaftung von Immobilien. Die Planungskonkretisierung auf die DIN 32736 „Gebäudemanagement“ kann nur im Vorfeld der Erstellung des Gebäudes, d. h. am Planungstisch, mit dem Facility Manager geschehen. Im Nachhinein können Fehler nicht mehr beseitigt werden. Wenn doch, dann nur mit erheblichen Kosten. Kaufmännisches Gebäudemanagement

Technisches Gebäudemanagement

Infrastrukturelles Gebäudemanagement

Flächenmanagement

Controlling

Instandhaltung

Reinigung

Flächendefinition

Kostenmanagement

Betreiben

Sicherheit

Dokumentieren

Hausmeister

Flächendokumentation

Gewährleistungsverfolgung

Grünflächen

Objektbuchhaltung Vertragsmanagement

Modernisieren

Vermarktung von Mietflächen Benchmarking

Sanieren Umbauen

Winterdienst Catering Umzugsmanagement Entsorgung

Marketing Sonstige kaufmännische Leistungen

Büroservice Postdienste

Flächenanalyse Flächenoptimierung Flächenbedarfsplanung CAD Flächenmanagement Leerstandsmanagement

Transportdienste Sonstige Dienste

Abb. 4-1

DIN 32736 „Gebäudemanagement“ (Quelle: eigene Erstellung)

180

4.2

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

Planungsfehler

In den folgenden Beispielen werden Planungsmängel beschrieben, welche bei der Ausführung von Leistungen des Gebäudemanagements zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Die Bilder wurden vom Autor selbst erstellt. Alle objektbezogenen Informationen, wie z. B. Eigentümer, Standort, Betreiber usw. werden nicht näher publiziert.

4.2.1 Fehlende Räumlichkeiten Für die Durchführung von kaufmännischen, technischen und infrastrukturellen Gebäudedienstleistungen werden Personal und Technik benötigt. Es muss daher zur Selbstverständlichkeit gehören, dass entsprechende Räumlichkeiten seitens des Eigentümers zur Verfügung stehen. Am Beispiel eines Shopping-Centers war dies jedoch nicht der Fall: Der Center-Manager hatte kein Büro und sollte sich extern eines in Standortnähe mieten. Kein guter Vorschlag, da der Center-Manager die Gesamtverantwortung für das Center hat. Er muss über kurze Wege Mieter, Kunden, Mitarbeiter, Kommune und andere Interessensgruppen erreichen können und selbst erreichbar sein. Zu vergleichen wäre dieser Zustand mit einem Schiff „auf großer Fahrt“ 1 , bei dem der Kapitän das Schiff und seine Crew von einem anderen Schiff aus navigieren müsste, da er weder einen Platz auf der Brücke noch unter Deck hat. Erst nach dieser Vergleichsdarlegung wurde dem Eigentümer die Notwendigkeit klar und es wurde eine Lösung gefunden, welche nicht unerhebliche Kosten verursachte. Gebäudereinigung Für die Sauberkeit im Gebäude und in den Außenanlagen sind die Gebäudereiniger verantwortlich. Neben dem Personal werden aber noch weitere Komponenten benötigt, um den Reinigungserfolg sicherzustellen. Dies sind z. B.: -

1

Maschinen (z. B. Schrubb-Saugautomaten, Poliermaschinen, Nasssauger, Staubsauger)

Seemännischer Ausdruck für Schiffe, die über die Weltmeere fahren

4 Facility Management am Planungstisch

Abb. 4-2

-

181

Schrubb-Saugautomat zur Fußbodenreinigung (Quelle: eigene Erstellung)

Arbeitsmittel (z. B. Gerätewagen, Leitern, Fahreimer, Textilwischbezüge, ...)

Abb. 4-3

Gerätewagen und Fahreimer (Quelle: eigene Erstellung)

182 -

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen Chemikalien (z. B. Desinfektionsreiniger, Küchenreiniger, neutrale Reiniger)

Abb. 4-4 -

Saurer Reiniger (Desinfektionsreiniger) (Quelle: www.ecolab.de)

Verbrauchmittel (z. B. Papierhandtücher, Toilettenpapier, ...)

Abb. 4-5

Karton Papierhandtücher (Quelle: eigene Erstellung)

Häufig wird festgestellt, dass es zur Unterbringung dieses Equipments keine Räumlichkeiten gibt. Verlust durch Diebstahl kann eine Folge sein bzw. die zweckentfremdete Anwendung von Chemikalien tödlich enden. Weiterhin benötigt der Gebäudereiniger für den Betrieb eines Schrubb-Saugautomats einen Frischwasseranschluss und einen Fußbodeneinlauf mit Sandsieb zur Entsorgung des Schmutzwassers aus dem Tank.

4 Facility Management am Planungstisch

Abb. 4-6

183

Bodeneinlauf zur Entsorgung des Schmutzwassers (Quelle: eigene Erstellung)

Weiterhin muss den Mitarbeitern die Möglichkeit der Pausengestaltung in publikumsfreien Räumen gegeben werden. Von einigen Center-Managern wird es nicht gern gesehen, wenn Mitarbeiter ihre Pause in öffentlichen Bereichen verbringen.

184

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

Grünflächen- und Winterdienst Der Winterdienst hat die Aufgabe, auch bei extremen Wetterlagen einen möglichst hohen Grad von Verkehrssicherheit vorzuhalten. Die Sicherheit auf allen Flächen und Wegen muss auch gewährleistet sein, wenn sich die Wetterlage plötzlich verändert. Schneefall, Eisregen und Sturm können in kürzester Zeit zu chaotischen Zuständen führen, wenn nicht der Winterdienst einsetzt und auch die Mitarbeiter des Auftraggebers ihre Pflichten wahrnehmen, d. h. selbst mit Hand anlegen. Auf Gehwegen und Flächen darf nur mit Sand gestreut werden 2 . Nur in Ausnahmesituationen, also beispielsweise bei Glatteis, dürfen salzhaltige Streumittel in geringen Mengen verwendet werden. Falls ein Gehweg aber von Bäumen gesäumt ist, dürfen diese Mittel grundsätzlich nicht benutz werden, da Salz erwiesenermaßen erhebliche Schäden im Wurzelbereich hervorrufen. Um die entsprechenden Werkzeuge und Abstumpfmittel vor Ort zu haben, werden ebenfalls Räumlichkeiten benötigt. Diese müssen nicht beheizbar sein, jedoch ist die trockene Bevorratung wichtig. Die Dimension der Räume hängt vom Umfang der Beauftragung ab. Haustechnik Zur Grundausstattung der Haushandwerker gehört eine Werkstatt, wo Kleinreparaturen ausgeführt werden können. Im Bestand sind z. B. Ständerbohrmaschine, Handbohrmaschinen, Akkuschrauber, Schneidwerkzeuge, Schweißgerät, Polierund Schleifbock, Lötkolben, Steckschlüsselsätze usw. Dieses Inventar ist ortsveränderlich und kann somit leicht weggenommen werden. Ein verschließbarer Raum mit entsprechender Bezeichnung (Haustechnik, Werkstatt, Technik, ...) und mehreren Netzanschlüssen 380 V/32A/50 Hz und 230 V/16A/50 Hz bietet sich hierfür an.

4.2.2 Kommunikation Die Erreichbarkeit von Mitarbeitern hat oberste Priorität im operativen Gebäudemanagement und muss rund um die Uhr – bei Bereitschaftsdiensten – sichergestellt sein. Mangelnde Erreichbarkeit der Ansprechpartner ist einer der Hauptgründe für die Unzufriedenheit von Nutzungsbeteiligten im Objekt. Ist ein Haustechniker nicht erreichbar, kann der Unterhaltskraft nicht die umgefallene Cola-Flasche im Eingangsbereich mitgeteilt werden, kann dem Leiter während seiner Abwesenheit im Büro kein wichtiger Anruf weitergeleitet werden, so sind dies hohe Kommunikationsverluste, die nicht passieren dürfen, zumal bei großen Kundenfrequentierungen im Objekt immer eine ständig besetzte Stelle sein muss.

2

Ist in Kommunalsatzung festgeschrieben. Kann in anderen Kommunen anders sein.

4 Facility Management am Planungstisch

185

Um die Kommunikation im Objekt zu gewährleisten, gibt es verschiedene mobile Endgeräte. Entweder auf der Basis des Mobilfunks, der einer festnetzbetriebenen Telekommunikationsanlage oder des Bündelfunks 3 . Bei der Planung von Kommunikationsmöglichkeiten ist darauf zu achten, dass die Installation aller Leitungen, besonders die der Versorgung von Repeatern 4 , vor Bezug und Ausbau der Mietfläche geschieht. Nachträgliche Installationen sind aufgrund der dann vorhandenen räumlichen Begebenheiten schwer machbar. Sie können nur außerhalb der Arbeits- bzw. Öffnungszeiten des Bereichs durchgeführt werden und führen zu Mehrausgaben wegen möglicher Wochenend- oder Nachtarbeit. In den meisten Fällen wird zudem ein Bewachungsunternehmen gestellt, da aufgrund der Arbeiten im gesamten Objekt die Mietbereiche nicht verschlossen werden können. Die Kosten hierfür werden auf den Mieter umgelegt und spiegeln sich in der Betriebskostenabrechnung wieder.

Abb. 4-7

3 4

Repeater in der Mall eines Shopping-Centers (Quelle: eigene Erstellung)

Austausch von Informationen im Nahbereich innerhalb geschlossener Benutzergruppen. Ein Repeater in der digitalen Kommunikationstechnik ist ein Signalregenerator, der ein Signal empfängt, dieses Signal neu aufbereitet und wieder aussendet.

186

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

4.2.3 Schmutzfang Schmutzfänge haben die Aufgabe, haftende Verschmutzung von den Sohlen der Kunden eines Objektes bereits vor oder kurz nach dem Eintritt in das Objekt zu entfernen. Ein Schmutzfang ist aber dann nur wirksam, wenn er groß genug ist und keine Stolpergefahr für den Kunden darstellt.

Abb. 4-8

Schmutzfang im Eingangsbereich eines Verwaltungsobjektes (Quelle: eigene Erstellung)

Die in der Abbildung gezeigte Variante der Schmutzentfernung funktioniert nur halbseitig, da 50 % der Besucher den Schmutzfang nicht betreten werden. Dies stellt besonders in den Wintermonaten eine erhöhte Verschmutzung im Innenbereich dar.

4.2.4 Natursteinfußboden Welcher Natursteinfußboden ist geeignet für welche Nutzung? Böden aus Naturstein strahlen je nach Blickwinkel des Betrachters eine Besonderheit für Eigentümer und Kunde aus. Problematisch wird es dann, wenn dem Fußboden eine falsche Nutzung zugeordnet wird.

4 Facility Management am Planungstisch

187

Um eine möglichst gute Schmutzentfernung zu erhalten, sind Reinigungsmittel mit höheren oder niedrigeren pH-Werten 5 in der Waschflotte 6 notwendig. Schmutze, Säuren und Alkalien können jedoch den Natursteinboden beschädigen. Es kommt zu chemischen Reaktionen, welche auf der Oberfläche sichtbar sind und irreversibel bleiben. Sanitärbereich Im Bereich der Sanitäranlagen sind irreversible Schäden auf dem Natursteinfußboden sehr hoch. Der Grund dafür sind Rückstände von Urin, welche wie auch immer auf den Fußboden gelangen und Schäden verursachen (Abb. 4-9 links) sowie die Tatsache, dass es keine säurebeständigen Natursteine gibt. Da der pH-Wert von Urin je nach Tageszeit zwischen 5 und 7 7 liegt, gehört Urin zu den sauren Flüssigkeiten. Trotz der sofortigen Entfernung mit Hilfe von Desinfektionsreinigern kann das Eindringen nicht verhindert werden. Zudem haben Desinfektionsreiniger ebenfalls einen pH-Wert unter 7 und gehören somit zu den sauren Reinigungsmitteln. Dies ist quasi eine doppelte Zerstörung des Bodens.

Abb. 4-9

Granitfußböden in WC-Bereichen (Quelle: eigene Erstellung)

Das Verschütten von Rotwein auf einer Damentoilette eines Restaurants (Abb. 4-9 rechts) führte dazu, dass sich die Oberfläche des Steines farblich veränderte. Nach der Entfernung der roten Flecken mit Reiniger bot sich dem Besucher ein Boden, welcher mit weißen Flecken übersät war. Auch hier ist wieder festzustellen, dass saure Flüssigkeiten Schäden auf dem Naturstein hinterlassen.

5 6

7

pH-Wert 7 = neutral; pH-Wert < 7 = sauer; pH-Wert > 7 = alkalisch Die Waschflotte ist die gesamte Flüssigkeitsmenge, die jeweils während eines ReinigungsArbeitsgangs vorhanden ist. Der erste Wert früh ist saurer, weil der Körper alle Gifte, die er in der Nacht abbauen konnte, morgens ausscheidet.

188

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

Um diese Schäden zu vermeiden, muss ein Fußbodenmaterial verwendet werden, welches der Nutzung des Raumes angepasst ist. Im Bereich von Sanitäranlagen bzw. von Flächen, welche mit Säure in Berührung kommen, bieten sich immer Kunststeine an. Der am häufigsten vorkommende Kunststeinboden hierfür ist der Fliesenboden. Fliesen sind gegen säurehaltige und alkalische Reinigungsmittel bestens geeignet, da sie aus Ton mit Flussmitteln (Kalk, Feldspat, Quarz u. a. m.) durchsetzt sind und bis zur Sinterung gebrannt werden 8 . Ausstellungsräume Die Anforderung an Räumlichkeiten, in denen Ausstellungen stattfinden, ist eine besondere. Neben den technischen Eigenschaften müssen sie auch in künstlerischem Einklang zum Thema der Ausstellung stehen. Im Beispiel ist ein Fußboden zu sehen, welcher Wüstensand darstellen soll, da es sich um eine Ausstellung von Caravan- und Freizeitmobilen handelt. Auf dem Boden wurde Sand aufgeschüttet, dieser wurde geformt und dessen Oberfläche mit Harzkomponenten gehärtet. Laut Herstellerverweis darf der Boden zur Schmutzentfernung nicht feucht gereinigt werden.

Abb. 4-10

Ausstellungsfußboden mit Colaflecken (Quelle: eigene Erstellung)

Aufgrund des Ausstellungsthemas kamen viele Familien mit ihren Kindern. Herunterfallendes Softeis oder verschüttete Cola drang in die offenporige Oberfläche ein und stellt nun ein, für das Aufenthalts- und Erlebnisempfinden der Besucher negatives Beispiel gebäudeplanerischer Synergie von technischen und künstlerischen Anforderungen dar. Da es sich hierbei um eine ständige Ausstellung handelt, ist das Problem umso größer, denn der Schmutz kann nicht beseitigt werden.

8

Erhitzen eines Steines bis zu einer Temperatur, bei der sich die Poren schließen (sintern), ohne dass sich die Form des Steines verändert.

4 Facility Management am Planungstisch

189

4.2.5 Edelstahlflächen Edelstahl – auch Chrom-Nickel-Stahl – ist eine Legierung aus Eisen und Chrom, Nickel, Molybdän oder Mangan. Er ist korrosionsbeständig und unempfindlich gegenüber Säuren und Laugen. Sehr widerstandsfähig gegen Korrosion ist ChromNickel-Stahl. Dieser enthält 17 % Chrom und hat infolge seines höheren Chromgehaltes (12-17 %) eine wesentlich bessere Korrosionsbeständigkeit. Er wird beispielsweise bei der Erstellung von Großküchen verwendet. Weitere Verwendung findet er bei hochwertigem Besteck und Kochgeschirr, also überall dort, wo das Metall gegen Säuren und Laugen wiederstandsfähig sein muss (vgl. Breslauaer, 2004, S. 60). Aufzugs- und Fahrtreppenverkleidung sind zum größten Teil aus Edelstahl. Besonders im Kabinenbereich bei Personenaufzügen sowie im Bodenbereich von Fahrtreppen ist der unmittelbare Kontakt mit Säuren und Laugen und Salzen gegeben. Verursacher sind neben den natürlichen Abnutzungserscheinungen die Nutzer, indem sie ungewollt mit direktem Körperkontakt, beispielsweise mit der Hand, Salze auf die Oberfläche bringen und bei einem Material mit niedrigem Chromgehalt irreversible Schäden hinterlassen (siehe Abb. 4-11).

Abb. 4-11

Fahrtreppenverkleidung aus Edelstahl mit Fingerprints (Quelle: eigene Erstellung)

Bei einer Verwendung von Edelstahlverkleidung mit höherem Chromgehalt (17 %) im Bereich des direkten Kundenkontakts wäre die Korrosion nicht entstanden. Lediglich Fett- und Flüssigkeitsabsonderungen der Haut müssten entfernt werden.

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B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

4.2.6 Inventar Zur Unterhaltsreinigung im Objekt zählen auch Inventargegenstände. Diese unterliegen ebenso einer planerischen Arbeit wie die vor der Erstellung eines Hauses. Auch hier entstehen Planungsfehler. In der Abbildung 4-12 ist ein Motorblock eines Personenkraftwagens zu erkennen. Das Modell wird von 12 VSG-Scheiben 9 gehalten und von unten mittels Halogenlampen beleuchtet. Motor und Glasscheiben wiegen zusammen ca. 600 kg und können nur mittels Einsatz eines Kettenzuges demontiert werden. Das Problem für den Gebäudereiniger besteht im Abstand zwischen den einzelnen Glasscheiben, welcher exakt eine „Handytiefe“, d. h. in diesem Fall 20 mm beträgt. Es gibt keine Reinigungsgeräte, welche zur Reinigung der oberen und unteren Glasfläche bei dieser geringen Arbeitshöhe eingesetzt werden können. Alternative Versuche mit Lappen, eigengebauten Verlängerungen usw. schlugen fehl. Auch in diesem Fall kann keine Reinigung erfolgen. Das Glas bleibt staubig.

Abb. 4-12

9

Ausstellungsstück (Quelle: eigene Erstellung)

VSG = Verbund-Sicherheitsglas ist eine spezielle Form eines Verbundglases, die gesetzlichen Mindestanforderungen entspricht. Sie besteht aus mindestens zwei Scheiben, meist Flachglasscheiben, und einer Zwischenschicht, meist aus reißfester Polyvinyl-Butyral-Folie (PVB).

4 Facility Management am Planungstisch

4.3

191

Fazit

Nach 5 bis 7 Jahren, so lautet eine Faustregel, überholen die laufenden Bewirtschaftungskosten für eine Immobilie die ursprünglichen Investitionen. Über den gesamten Lebenszyklus des Objektes betrachtet, verdeutlicht das Verhältnis 80 % Bewirtschaftungsaufwendungen zu 20 % Investitionskosten ebenfalls eine deutliche Aussage. Dennoch gilt, dass bei einer Mehrzahl von Immobilienprojekten erst an das Facility Management gedacht wird, wenn das Richtfest längst vergangen ist, die ersten Nutzer eingezogen sind und erste Probleme bei der Objektbewirtschaftung auftreten. Eine von uns Praktikern ständig erhobene Forderung lautet, dass diejenigen, welche von der Planung originär betroffen sind, von Anfang an in den Planungsprozess einbezogen werden. Auch wenn sich hierdurch höhere Investitionskosten ergeben, so sind diese nur kurzfristig. Langfristig jedoch bringen sie erhebliche Einsparungen. Bei der Lebensdauer einer Immobilie von durchschnittlich 50 Jahren haben sich die Mehrkosten vorgeschlagener Alternativ-Maßnahmen zumeist innerhalb von 2 bis 5 Jahren amortisiert (vgl. Hallman, 2004, S. 12) [4]. Literatur [1] GEBERZAHN, W.O.: Ein Versuch über die Schwierigkeit, Architektur zu beschreiben, DBZ 4/94 [2] JOEDICKE, J.: Angewandte Entwurfsmethodik für Architekten, Stuttgart, 1976 [3] BRESLAUAER, J.: Reinigungsverfahren, 2004 [4] HALLMAN, D.: Experten der Gebäudebewirtschaftung, Bochum, 2004 Recherche Planungsfehler DeTeImmobilien GmbH 2007; Sven Heinrich, Masterthese Facility Management Donau-Universität Krems, 2004

192

5

Dokumentationsleistungen und ihre Bedeutung für den Architekten Organisation der Objektdokumentation in Abhängigkeit zur Qualifizierung als Qualitätssicherungssystem Arno Kraus

Forschende und produzierende Industrieunternehmen benötigen für ihre Ausübung der Kernaufgaben Räumlichkeiten, in denen Forschungstätigkeiten ausgeführt und Produktionsprozesse ablaufen können. Diese Räumlichkeiten müssen ihre Nutzbarkeit u. a. gemäß den gestellten Nutzungsanforderungen erfüllen und werden geschaffen durch Investitionen im Bauen im Bestand oder durch Neubauten. Architekten als Auftragnehmer für die Umsetzung solcher Baumaßnahmen durch Planung und Überwachen der Ausführung sind Teil des Projektmanagements. Ihre Haupttätigkeiten des Leistungsbildes nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) in Bezug auf Umbau und Neubau von Gebäuden endet mit der mechanischen Fertigstellung und der Übergabe der Dokumentation. Die mechanische Fertigstellung wird hierbei als erfolgte und erfolgreiche Abnahme der jeweiligen Gewerkeleistungen nach etwaiger Mängelbeseitigung verstanden.

Objektmanagement

Abb. 5-1

Mechanische Fertigstellung

Grundlage für die Aufnahme von Betriebsgeschehen ist die Inbetriebnahme von Gebäuden, welche nach Möglichkeit zeitlich minimiert zur mechanischen Fertigstellung erfolgen muss, da die wirtschaftlichen Interessen des jeweiligen Industrieunternehmens eine unmittelbare Nutzung der Räumlichkeiten verlangt. Die mechanische Fertigstellung und die Inbetriebnahme überschneiden sich zeitlich, da die

5 Dokumentationsleistungen und ihre Bedeutung für den Architekten

193

Inbetriebnahme teilweise schon während noch laufender Bauarbeiten beginnen kann bzw. wegen noch nicht komplett erfolgter Abnahmen vor der mechanischen Fertigstellung erfolgen muss. Die Inbetriebnahme stellt die Schnittstelle des Projektmanagements zum Objektmanagement dar. Kalusche beschreibt dies wie folgt: „Die Inbetriebnahme von Gebäuden oder anderen Bauwerken ist Teil des Projektmanagements und bildet vorerst dessen Abschluss (...). Nach der Inbetriebnahme ist das Gebäude in Abgrenzung zum Projektmanagement Gegenstand des Objektmanagement, häufig auch als Gebäudemanagement bezeichnet“ (Kalusche, 2005, S. 263) [1]. Der zentral wichtigste Baustein für ein erfolgreiches Objektmanagement ist die Versorgung mit Information aus dem vorangegangenen Projektmanagement. Daten als Informationsträger – ob analog oder digital – müssen strukturiert und nachvollziehbar sein, damit sie nun von Mitarbeitern, die vermutlich erst an dieser Stelle in den Lebenszyklus des Gebäudes integriert werden, verwendet werden können. Die inhaltliche Qualität der Daten in Hinblick auf das Objektmanagement wird maßgeblich bestimmt durch die gestellten Anforderungen. Insofern Projektmanagement innerhalb von Objektmanagement entsteht, z. B. innerhalb betrieblicher Gebäudemanagement Abteilungen von Industrieunternehmen für einen Umbau oder Neubau, ist zu erwarten, dass die Anforderungen an die zu erstellenden Daten, die ja später selbst als Lebensgrundlage benötigt werden, bekannt sind. Leistungsbezogen erfasst wird die Erstellung und Übergabe der Daten innerhalb der Leistungsphase 9 (HOAI) Objektbetreuung und Dokumentation sowie innerhalb der Leistungsphase 8 Bauüberwachung. Bei den Daten sind zwei Bereiche zu unterscheiden: Zum einen den Datenbereich, den der Architekt durch Planung, Überwachung und Koordinierung produziert, im weitesten Sinne als „Planerdokumentation“ bezeichnet, zum anderen den Datenbereich, der von Lieferanten in Form von Werkstattzeichnungen und Datenblättern eingebauter Materialien erstellt wird – im folgenden als „Gewerkedokumentation“ bezeichnet. Generell treten im Zusammenhang der Dokumentation zwei Problemkreise auf, die von Simone Ickerodt in ihrer Diplomarbeit „Konzept zur Gebäudeplanung für ein erfolgreiches Gebäudemanagement“ in einem Unterkapitel anschaulich dargelegt werden. Sie analysiert sowohl einen möglichen mangelhaften Ist-Zustand für die Nutzbarkeit vorhandener Daten in Form von Gebäudedokumentation bestehender Bauten, zum anderen führt sie deren Ursachen bei der Erstellung von Neubau- und Umbauprojekten auf (vgl. Ickerodt, 2001, S. 18-22) [2]. Architekten werden teilweise von Bauherrn für die Aufarbeitung vorhandener Gebäudedokumentation beauftragt. Der Grund für eine solche Beauftragung muss nicht unbedingt mängelbedingt durch Fehler in der Zusammenstellung oder Archivierung der Dokumentation sein, sondern kann durchaus an einer Änderung von Standards liegen. Hier sei das Beispiel aufgeführt, dass Bestandspläne in CAD – Form nun als 3-dimensionale Pläne vorliegen sollen.

194

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

Grundlegend für Gebäudeplanung im Industriebau ist die Berücksichtigung optimaler Bedingungen für die wirtschaftliche Nutzung eines Gebäudes. Hierbei werden zum einen die reinen Investitionskosten der Erstinvestition der Gebäudeerstellung nach DIN 276 Kosten im Bauwesen (02.07) sowie deren Auswirkungen auf die zu erwartenden Nutzungskosten nach DIN 18960 Nutzungskosten im Hochbau (08.99) betrachtet. Hierbei geht es nicht um eine Reduzierung und Einschränkung von gestaltender und baukünstlerischer Identität, sondern um die Beweisführung von Funktionalität und Wirtschaftlichkeit. Diese kann sich z. B. auswirken in der Dimensionierung von Unterzügen, um eine Ebene für Technikinstallation zu ermöglichen, welche wiederum eine Reduzierung von Wartungsraum über begehbaren abgehängten Decken bewirkt, oder in der Auswahl eines Bodenbelags, der innerhalb der festgelegten Nutzungsdauer beständig gegen chemische und mechanische Einwirkungen ist.

5.1

Grundlagen für Dokumentation

Die zu erbringende Leistung der Dokumentation setzt voraus, dass ihre Gliederung und inhaltliche Struktur eindeutig und verständlich beschrieben ist. Formulierungen wie „alle notwendigen Unterlagen“ müssen definiert werden. Eine zentrale Bedeutung für die Erstellung von Dokumentation stellt hierfür das Lastenheft dar, welches wie folgt definiert sein kann: „Das Lastenheft repräsentiert die wirtschaftlichen, technischen und organisatorischen Erwartungen des Auftraggebers. Im Lastenheft werden Ziele und Zweckbestimmungen festgelegt.“ (Aide memoire, 2003, S. 6) [3]. Auf Basis der gestellten Anforderungen wird vom Lieferanten das Lastenheft als Pflichtenheft bestätigt. Mit dem existenten Pflichtenheft besteht im Folgenden eine eindeutige Vorgabe für die Dokumentation. Fehlt das Pflichtenheft, liegt keine inhaltliche Grundlage vor, nach denen die beauftragten Architekten und ausführenden Firmen Dokumentationsleistungen zu erbringen haben. „Ickerodt spricht hier von einer fehlenden konkreten Anleitung, die die betroffenen Mitarbeiter zur Bewältigung ihrer täglichen Arbeiten benötigen (Ickerodt 2001, S. 20).“ Generell wird unter Dokumentationsleistungen der Leistungsphase 9 nach HOAI eine „systematische Zusammenstellung der zeichnerischen Darstellungen und rechnerischen Ergebnisse des Objekts“ verstanden, die „das Erfassen, Ordnen und Aufbereiten aller bei der Planung und Baudurchführung angefallener Daten als Ausgangspunkt für eine bessere Durchdringung und Lösung zukünftiger Planungsaufgaben (...) zum Gegenstand“ hat (Locher, 1996, S. 528) [4]. Diese allgemeine Auffassung wird jedoch keineswegs der benötigten Dokumentation als Gebäudedokumentation im Industriebau gerecht, da diese nicht nur Bedeutung für die zukünftigen Planungsaufgaben innerhalb des Objektmanagements hat, sondern auch für den regulären Gebäudebetrieb sowie bereits für das Projektmanagement.

5 Dokumentationsleistungen und ihre Bedeutung für den Architekten

5.2

195

Qualitätssicherungssysteme

Ein essentieller Bereich, den die allgemeine Auffassung der Dokumentation der Leistungsphase 9 teilweise unbefriedigend abdeckt, ist die Verwendbarkeit und Bedeutung für die Qualitätssicherungssysteme (QS-Systeme) der forschenden und produzierenden Industrieunternehmen. QS-Systeme sind bedeutend, da sie zum einen gesetzlich vorgeschrieben sein können, zum anderen die Qualitätspolitik eines Herstellers durchsetzen. In der Europäischen Union sind QS-Systeme z. B. für die Arzneimittel-Herstellung gesetzlich vorgeschrieben (vgl. Art 6. der EGGMP-Richtlinie) [5]. Für Räumlichkeiten und Ausrüstung, die für die Arzneimittel-Herstellung bereitgestellt werden, gelten in Bezug auf Anordnung, Auslegung, Ausführung und Instandhaltung spezielle Anforderungen, welche auf die Eignung für die vorgesehenen Arbeitsgänge abgestimmt sind. Die Maßgaben zur Erfüllung dieser Anforderungen wird in Grundsätzen formuliert und beschreibt die Eignung, die nach dem Arzneimittelgesetz (§ 14 Abs. 1 Nr. 6) [6] eine wesentliche Voraussetzung für die Erteilung einer Herstellungserlaubnis ist (vgl. Oeser/Sander, 2004, Kapitel 3) [7]. Analog zu diesen gesetzlichen Anforderungen der speziellen Industriegattung der Pharmaunternehmen können vergleichbare Anforderungen aus der Qualitätspolitik allgemeiner Unternehmen gelten, die z. B. Produkte der Unterhaltungselektronik herstellen. Räumlichkeiten, in denen diese speziellen Anforderungen gelten, werden im Allgemeinen als Reinraum-Bereiche oder Reinräume bezeichnet.

5.3

Validierung und Qualifizierung

Der Betrieb von Räumlichkeiten für produzierende Nutzungen in Reinraumbereichen, z. B. in der Pharmazeutischen Industrie, bedingt somit einen qualitätssichernden Prozess, der mit Validierung bezeichnet wird. Unter Validierung wird hierbei die systematische Untersuchung und Dokumentation verstanden, die dazu beiträgt, dass die Systeme und Einrichtungen ihre Aufgabe erfüllen und Prozesse wie vorgesehen und reproduzierbar ablaufen (vgl. BAH, www.bah-bonn.de) [8]. Eine Phase der Validierung ist die Qualifizierung. Diese belegt, dass die zur Herstellung und Qualitätskontrolle eingesetzten Räume, Anlagen und Verfahren für ihre Zwecke geeignet sind und stellt sicher, dass die hergestellten Produkte die erforderliche Qualität aufweisen (vgl. Aide memoire, 2003, S. 4) [3]. Qualifizierung wiederum ist ein mehrstufiger Prozess, der aus folgenden Teilen bestehen kann:

196 -

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen Designqualifizierung, Installationsqualifizierung, Funktionsqualifizierung.

Die Designqualifizierung umfasst die Dokumentation der Planungsphase einschließlich der Entscheidungsfindung für ein Gerät bzw. eine Anlage. Die Anforderungen an das geplante Gerät bzw. die geplante Anlage sollen hierbei definiert werden. Grundsätzlich gilt das Design qualifiziert, wenn das Pflichtenheft die Anforderungen des Lastenheftes erfüllt (vgl. Aide memoire, 2003, S. 20) [3]. Das Design beschreibende Dokumente können nach Peither „zum Beispiel Zeichnungen, R+I-Schemata, Anforderungsprofile, Bestellunterlagen etc. (...)“ sein (Peither, 2/2003, S. 118) [9].

Abb. 5-2

Dokumentation

Die Installationsqualifizierung dokumentiert die korrekte Umsetzung der in der Designqualifizierung definierten Anforderungen bei der Montage/Aufstellung der Anlage/des Geräts. Die Überprüfung der Installation erfolgt im Wesentlichen auf der Grundlage der Unterlagen, die zuvor im Rahmen der Designqualifizierung erarbeitet wurden (vgl. Aide memoire, 2003, S. 21) [3]. Statt der Durchführung einer Designqualifizierung werden auch Anforderungen vergleichbar eines Lastenheftes zunächst basierend auf „User Requirement Spezifications“ (URS) dokumentiert. Die URS stellen eine Art Nutzeranforderungen dar, welche zu den Spezifikationen des zu erstellenden Systems führen. Die Installationsqualifizierung wird dann nach den Vorgaben dieser Spezifikationen durchgeführt.

5 Dokumentationsleistungen und ihre Bedeutung für den Architekten

197

Die Funktionsqualifizierung dient schließlich dem Nachweis, dass Geräte/die Anlage auf der Basis festzulegender Parameter und innerhalb definierter Grenzen funktionieren. Sie folgt der Installationsqualifizierung. Die Funktionsqualifizierung ist ein Prüfprozess, deshalb müssen die anzuwendenden Testverfahren sowie die Akzeptanzkriterien im Voraus definiert und festgelegt werden (vgl. Aide memoire, 2003, S. 21) [3].

5.4

Bedeutung von Validierung und Qualifizierung für den Architekten

Da der Prozess der Qualifizierung stets in der Verantwortung des herstellenden Unternehmens liegt, scheint zunächst deren Bedeutung hinsichtlich der an den Planer gestellten Aufgaben indifferent. Dieser Eindruck wird dahingehend verstärkt, da die Akzeptanzkriterien der Prüfprozesse zunächst im Zusammenhang mit Geräten und Anlagen verstanden werden. Der Gegenstand der Qualifizierung wird hingegen über Anlagen und Geräte hinaus über deren Versorgungsleitungen und deren Standorte als Räumlichkeiten erweitert. Die Umschließungsflächen dieser Räumlichkeiten müssen Spezifikationen ausweisen, die bezeichnet werden als „Hauptakzeptanzkriterien einer Qualifizierung“ (vgl. BAH, S. 49 f.) [10]. Diese Anforderungen werden z. B. in rechtsverbindlichen Richtlinien für Arzneimittelhersteller – den GMP-Richtlinien – eindeutig beschrieben und geregelt. Die BAH beschreibt die Akzeptanzkriterien beispielhaft wie folgt: „Boden: Der Boden ist rutschfest, frei von Rissen und offenen Fugen, abriebsfest und leicht zu reinigen. Er ist den zu erwartenden mechanischen Belastungen entsprechend ausgelegt. Er ist beständig gegen die eingesetzten Reinigungs- und Desinfektionsmittel. Die Abflüsse sind ausreichend groß dimensioniert und geruchlos verschlossen. Übergänge zu den Wände sind abgesiegelt und leicht zu reinigen, z. B. rechtwinklig oder Hohlkehle entsprechend der Reinigungsausrüstung. Wände: Die Oberfläche der Wände ist glatt, frei von Rissen und offenen Fugen, abriebsfest und leicht zu reinigen. Die Wände sind beständig gegen die eingesetzten Reinigungs- und Desinfektionsmittel. Fenster sind möglichst flächenbündig eingebaut; Türen werden nach Möglichkeit als Schwingtüren ausgebildet; bei Einsatz von Schiebetüren wird eine abriebarme Mechanik sowie eine nach oben abgeschrägte Verkleidung verwendet. Decken: Die Oberfläche der Decken ist glatt, frei von Rissen und offenen Fugen, abriebsfest und leicht zureinigen. Sie sind beständig gegen die eingesetzten Reinigungs- und Desinfektionsmittel. Deckeneinbauten sind flächenbündig eingesetzt.“ (BAH, 1998, S. 49 f.) [10].

198

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

Da für dieses Beispiel von Arzneimittelherstellern die rechtsverbindlichen GMPRichtlinien nicht erschöpfend sind und zudem viele Hersteller analog eigene firmeninterne Richtlinien besitzen, soll hier im Folgenden bei Akzeptanzkriterien bildenden Richtlinien generell von rechtsverbindlichen Richtlinien und von firmeninternen Richtlinien gesprochen werden. Die Qualifizierung kann in ihren verschiedenen Stufen im Sinne von singulären konsekutiven Bausteinen verstanden werden. Im ersten Baustein werden die Anforderungen dezidiert niedergeschrieben in dem Lastenheft. Dieses erfolgt im Wesentlichen durch den späteren Auftraggeber selbst. Architekten planen und schreiben im Folgenden auf inhaltlicher Grundlage des ersten Bausteins aus. Ein daraus resultierendes Leistungsverzeichnis wird bei Vertragsabschluss mit ausführenden Firmen zum Pflichtenheft als Baustein 2. An dieser Stelle erfolgt die Designqualifizierung als Baustein 3. AG

Architekt

Lieferant

Lastenheft

a

plant schreibt aus

mögliche Korrektur

1

nach Vergabe c

prüft d mit a (DQ)

prüft mittels f Übereinstimmung mit d (IQ)

Baustein

b

Pflichtenheft

Abb. 5-3

Vorgang

fordert ein stellt zusammen

Bausteine

nach mechanischer Fertigstellung Gewerkedokumentation

d

2

e

3

f

4

g

5 Dokumentationsleistungen und ihre Bedeutung für den Architekten

199

Der Erfolg des Bausteins 3 hängt im Wesentlichen von der Prüffähigkeit der Dokumente der vorangegangen Bausteine ab sowie selbstverständlich von der Übereinstimmung der planerischen Umsetzung in Zeichnung und Ausschreibung in Bezug auf die rechtsverbindlichen Richtlinien und von firmeninternen Richtlinien. Dieses kann u. a. dadurch erreicht werden, dass die Bestandteile eines zukünftigen Pflichtenhefts bereits vor Vertragsabschluss mit einem Lieferanten auf Richtigkeit im Sinne einer Korrekturlesung überprüft werden. Der Baustein 4 erfolgt nach mechanischer Baufertigstellung und erfordert in Bezug auf die räumlichen Umschließungsflächen Dokumente, mittels derer die Umsetzung der Vorgaben aus dem Pflichtenheft geprüft werden können. Zu dem sollen innerhalb der Installationsqualifizierung die räumlichen Umschließungsflächen in Bezug auf die Konstruktionsmaterialien verifiziert werden (vgl. Oeser/Sander, 2005, C 6.15, S. 3) [7]. Ausführende Firmen werden innerhalb der Leistungsphase 8 gebeten, ihre Dokumentationsunterlagen als Gewerkedokumentation (GD) spätestens bei Abnahme der Gewerkeleistung vorzulegen. Die GD besteht aus den unterschiedlichsten Inhalten und Teilbereichen, und ist in ihrer Struktur nicht auf Prüffähigkeit im Hinblick auf die Installationsqualifizierung ausgelegt. Dokumentationsunterlagen für die Installationsqualifizierung sind generell maximal ein Teilbereich der GD. Die Unterlagen sind vorhanden, aber nicht speziell erfasst. Um dies sicherzustellen, wird die GD im Hinblick auf die Installationsqualifizierung erstellt oder zumindest erweitert. Dies kann dadurch geschehen, dass die Anforderungen speziell beschrieben und beim Lieferanten als besondere Leistung beauftragt werden. Zusammen mit einem abschließenden Dokument – einer Konformitätserklärung, mittels derer der Lieferant die Übereinstimmung seiner Leistung mit den rechtsverbindlichen Richtlinien und firmeninternen Richtlinien bestätigt – bilden diese Unterlagen als Bestandteil der GD die spezielle Dokumentation. Weitergehend ist es sinnvoll, die spezielle Dokumentation gewerkeübergreifend für die Installationsqualifizierung zusammenzufassen. Dies kann z. B. durch Mitarbeiter der Bauabteilungen von Industrieunternehmen geschehen, oder durch einen zusätzlichen Koordinierungsauftrag an den Planer. Wie unzureichende Dokumentation durch Fehlen der speziellen Dokumentation vermieden werden kann, beschreibt Naber allgemein: „Eine solche Dokumentation enthält Lücken, die nur mit einer separaten Beauftragung der erforderlichen Dokumentationsarbeiten geschlossen werden können. Dabei werden die detaillierten Vorgaben des Pflichtenhefts zum festen Bestandteil der Planer- und Lieferantenverträge wie die vereinbarte Honorierung dieser Leistung“ (Naber, 2000, S. 896) [11]. Die Bedeutung dieser speziellen Dokumentation ist nicht zu unterschätzen: Der wesentlichste Unterschied zu den generellen Dokumentationsunterlagen der Leistungsphase 9 und 8 ist hier darin begründet, dass diese spezielle Dokumentation nicht unmittelbar für zukünftige Umbauten innerhalb des Lebenszyklus des Gebäudes im Objektmanagement benötigt wird. Sie ist erforderlich, die Inbetrieb-

200

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

nahme des Gebäudes zu ermöglichen, das Projektmanagement der Baumaßnahme abzuschließen und den anschließenden Betrieb der Immobilie zu ermöglichen. Fehlt diese Dokumentation, kann das Gebäude nicht betrieben werden und die Phase des Gebäudemanagements wird nicht erreicht. Damit der reibungslose Übergang von der Inbetriebnahme in den regulären Gebäudebetrieb sichergestellt wird, ist es notwendig, dass die einzelnen Bausteine in ihren Verantwortungsbereichen wahrgenommen werden. Sie schichten aufeinander, und fast jede Leistung hat eine Vorleistung. Der Architekt als Teil des Projektmanagements kann hier einen wesentlichen Beitrag leisten, dass das Gefüge der Bausteine fest ineinander greift und planmäßig der Gebäudebetrieb beginnt. Literatur [1] KALUSCHE, Wolfdietrich: Projektmanagement für Planer und Bauherren. München, 2005 [2] ICKERODT, Simone: Konzept zur Gebäudeplanung für ein erfolgreiches Gebäudemanagement am Beispiel eines Gebäudes des Städtischen Klinikums St. Georg in Leipzig. Leipzig, 2001 [3] Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten, Aide memoire 07121104: Inspektion von Qualifizierung und Validierung in pharmazeutischer Herstellung und Qualitätskontrolle. 2003 [4] LOCHER, Horst; KOEBLE, Wolfgang; FRIK, Werner: Kommentar zur HOAI. Düsseldorf, 1996 [5] EG-GMP Richtlinie: Richtlinie 2003/94/EG der Kommission vom 8. Oktober 2003 zur Festlegung der Grundsätze und Leitlinien der Guten Herstellungspraxis für Humanarzneimittel und für zur Anwendung beim Menschen bestimmte Prüfpräparate [6] Arzneimittelgesetz; Bundesministerium der Justiz; Ausfertigungsdatum: 24.08.1976; Stand: Neugefasst durch Bek. v. 12.12.2005 I 3394; zuletzt geändert durch Art. 2 G v. 24.10.2007 I 2510: http://bundesrecht.juris.de/amg_1976/index.html [7] OESER, Walter H.; SANDER, Axel: Pharmabetriebsverordnung: Grundregeln für die Herstellung von Arzneimitteln. Stuttgart, 2004 und 2005 [8] Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller e. V. (BAH): Qualitätssicherung/Validierung.: http://www.bah-bonn.de/arzneimittel/sicherheit/qualitaet.htm, Stand 04.2007

5 Dokumentationsleistungen und ihre Bedeutung für den Architekten

201

[9] PEITHER, Thomas: Alles klar? : Aktuelle GMP-Richtlinien und deren Forderungen. Pharma + Food, 2/2003 [10] Bundesfachverband der Arzneimittel-Hersteller e. V. (BAH): Handbuch Qualifizierung und Validierung. 1998 [11] NABER, Sabine: Architektur und Facility Management : Unvereinbare Gegensätze oder Teile eines großen Ganzen?, DAB 6/2000, S. 764-767

202

6

Bauwerk-Begleit-System – Entwicklung einer Arbeitsplattform für Bauunternehmen Armin Proporowitz

6.1

Ausgangslage

Die Bauwirtschaft ist nach wie vor mit immer noch 10 % Anteil am Bruttoinlandsprodukt einer der größten Wirtschaftszweige in Deutschland. Aber: Die Position der Bauwirtschaft wird nie mehr so sein, wie sie einmal war! Die Bauinvestitionen nehmen seit Jahren ab und die Anzahl der Beschäftigten hat sich gegenüber den Höchstständen halbiert. 1200,0 1000,0

968,6

895,8

832,9

800,0

767,2

717,1

710,0

705,0

2005

2006

2007

600,0 Prognose

400,0 200,0 0,0 2001

Abb. 6-1

2002

2003

2004

Entwicklung der Beschäftigten im Bauhauptgewerbe (in Tsd.)

Wie sieht die Ausgangssituation der Bauwirtschaft in Deutschland aus? 1. Die Schrumpfung der Bauwirtschaft, insbesondere im Osten wird anhalten. Es ist mit einer weiteren Reduzierung der Beschäftigtenzahl bis 2010 um 1/4 bis 1/3 zu rechnen (Basis 2002). Bis 2015 wird die Anzahl der am Bau Beschäftigten im Westen um 28 % und im Osten um 40 % zurückgehen. Damit wird sich eine Angleichung an das westdeutsche Niveau, Anteil der Bauinvestitionen in Prozent am Bruttoinlandsprodukt, vollziehen. 2. Der strukturelle Umbruch hat gerade erst begonnen. Es wirken langfristige ökonomische und außerökonomische Trends. Die Bevölkerungs- und Haushaltsentwicklung tritt in eine neue Phase ein, aber nicht schockartig, sondern stetig. Die globale Entwicklung führt zu einer weiteren Verschärfung des Wettbewerbs.

6 Bauwerk-Begleit-System

203

Heute kann man die Situation als Käufermarkt mit immer kürzeren Produktlebenszyklen und einer extremen Verbreiterung und Differenzierung der Produktsortimente beschreiben. Die anbieterdominierte Wirtschaft hat sich in eine abnehmerdominierte Wirtschaft verwandelt. Ein Ende der Entwicklung zu immer mehr globalem Wettbewerb, wachsenden Überkapazitäten, zunehmender Produktstandardisierung und immer informierteren und dementsprechend mächtigeren Kunden ist nicht absehbar. 3. Für die Wirtschaft und auch die Bauwirtschaft bedeutet das, die Notwendigkeit der Forcierung von Produktinnovationen und Prozessinnovationen zur weiteren Kostensenkung und Produktivitätsentwicklung. Die Managementinnovationen der vergangenen zwei Jahrzehnte, wie z. B. Justin-time-Lagerhaltung, Total Quality Management, funktionsübergreifende Arbeitsteams, Portfoliomanagement, leistungsbezogene Vergütung, Kompetenzprofile in der Personalführung, Balanced Scorecards, Business process reengineering, Lean Production, Best-Practice-Methoden, versetzten die Unternehmen in die Lage, schneller bessere Produkte zu entwickeln, sie zuverlässiger und mit geringeren Kosten herzustellen, die Anlagen besser auszulasten, eine Reduzierung der Lagerhaltung vorzunehmen, Ausschuss und Fehler zu reduzieren, auf Kundenwünsche flexibler zu reagieren. Die Einführung neuer Managementtechniken führte zu höherer Leistungsfähigkeit durch Produktivitätssteigerung und Innovation (vgl. Hammer, 2002, S. 19). [1] Die Brutalität des Marktes wurde und wird im Unternehmen eingeführt. Das Prinzip des internen Wettbewerbs um Innovationen und Beschäftigung fördert auf allen Ebenen u. a. die Tendenz, dass bessere Methoden eifersüchtig zurückgehalten und den internen Wettbewerbern nicht unbedingt preisgegeben werden. Hier entstand für die Unternehmen Handlungsbedarf, der inzwischen erkannt wurde und eine neue Phase der Rationalisierung einläutete. 4. Für die Bauwirtschaft insgesamt gilt: Sie ist nach wie vor binnenwirtschaftlich orientiert. Der Exportanteil ist äußerst gering. Die Rolle ausländischer Anbieter von Bauleistungen auf dem deutschen Markt verstärkt sich. Die Heterogenität und Differenzierung ist stark ausgeprägt (76.000 Unternehmen im Bauhauptgewerbe). Der hohe Grad der Arbeitsteilung führt zu Abstimmungs- und Schnittstellenproblemen wie in keiner anderen Branche. Die Freizügigkeit, Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit werden ausgeweitet (Handwerksordnung, HOAI, Beratungsmonopol der Rechtsanwälte). Verwerfungen und der Verdrängungswettbewerb werden zunehmen.

204

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

Öffentl. Bau; 15,4 %

Wirtschaftsbau 29,6 %

230,5 Mrd. €

Wohnungsbau; 55,1 %

Sonstige Bereiche; 30,8 %

Bauhhauptgewerbe 30,7 %

230,5 Mrd. €

Ausbaugewerbe 38,5 %

Abb. 6-2

Bauvolumen in Deutschland nach Bausparten und Art der Produzenten (2005)

Auf welche Entwicklungstrends der Zukunft müssen wir uns einstellen? Eindeutig ist: Die Transformation von der Industriegesellschaft in die Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft mit mehrfach wechselnden Arbeitsplätzen und Tätigkeitsprofilen innerhalb eines Berufslebens ist nicht aufzuhalten. Vier große Entwicklungslinien lassen sich benennen: [2] Als erstes ist die Informatisierung der Arbeitswelt zu nennen. Die Welt befindet sich heute in einer digitalen Revolution, die in den 70er Jahren begonnen hat und immer schneller voranschreitet. Das Wissen, das mit diesen neuen Technologien einhergeht, wird zur alles entscheidenden Ressource. Ohne Wissen gibt es praktisch keine Arbeit. Information tritt damit als vierter Produktionsfaktor neben die klassischen Faktoren Arbeit, Kapital und Boden (vgl. Weidenfeld/Turek, a. a. O., S. 18). [3] Die Informationstechnologie hat die Bedeutung anderer Technologien zurückgedrängt. Die Digitalisierung gehört zu den Basistrends, die den sozioökonomischen Wandel vorantreiben. Eng mit der Informatisierung ist das Arbeiten im Netzwerk verbunden, dem zweiten großen Trend. Durch vernetzte Arbeitsstationen löst sich die Arbeit vom einstigen Arbeitsort. Der Vorgang der Arbeit kann von räumlich völlig unterschiedlichen Orten vollzogen werden. Damit stellen weltweite Netzwerke die vorherrschende Arbeitsform der Zukunft dar. Es ergeben sich Möglichkeiten zur Bildung von globalen Teams, die an der Lösung eines Problems gemeinsam, aber örtlich voneinander getrennt, arbeiten. Ist ein Projekt abgeschlossen, werden diese Teams häufig aufgelöst, um neue Vernetzungen einzugehen. Somit werden sich

6 Bauwerk-Begleit-System

205

Zeiten der Projektarbeit abwechseln mit Zeiten, in denen sich nicht immer sofort die nächste Erwerbsarbeit anschließt. Die Organisation erfolgreicher flexibler Unternehmen gründet darauf, dass aus hierarchisch und komplex organisierten Unternehmen mit einfachen Arbeitsaufgaben weniger streng hierarchisch gegliederte, stärker dezentralisierte und netzorientierte Organisationen mit vielseitigeren Arbeitsaufgaben werden (vgl. Brech, Heft 3/2001, S. 6). [4] Während die großen Unternehmen zu globalen Netzwerken werden, die die Grenzen einzelner Wirtschaftsbereiche und Länder überspannen, werden die kleinen und mittleren Unternehmen das Erscheinungsbild in den entwickelten Ländern prägen. Der dritte Trend ist die Globalisierung. Ein weltweiter, schrankenloser Wettbewerb mit Gütern und Dienstleistungen auf allen Märkten ist möglich. Der Profit hängt dabei häufig von der Schnelligkeit der elektronisch gesteuerten, internationalen Finanzströme ab. Der Prozess der Globalisierung ist der Anfang vom Ende der nationalen Systeme, als bisherigem Höhepunkt der Organisation von menschlichen Aktivitäten und Strategien. Die weitere Globalisierung wird angetrieben durch Liberalisierung, Privatisierung und Deregulierung und wird sich noch verstärken. An vierter Stelle sind schließlich die Aspekte Flexibilität und Mobilität zu nennen. In der künftigen globalisierten Arbeitswelt der Informationsgesellschaft sind die Eigenschaften Flexibilität und Mobilität Grundvoraussetzungen für Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Der einmal erlernte und lebenslang ausgeübte Beruf tritt in den Hintergrund. Vielmehr werden lebenslanges Lernen und Weiterbilden die Grundlage für viele, wechselnde Tätigkeiten sein. Diese Trends werden unter bestimmten Rahmenbedingungen realisiert (wie z. B. Verknappung der Ressource Zeit, interkulturelle Zusammenarbeit in einer globalen Ökonomie, dramatische Steigerung der Komplexität, Innovationssprünge in Informatik und Telekommunikation), die neue Formen der Organisation bedürfen. Die Führung wird neu zu definieren sein, ein Rollenwandel für Manager und Mitarbeiter findet statt. Hindernisse und Konflikte erfordern Moderation, Mediation und Kommunikation. Neben diesen global wirkenden Entwicklungstrends beeinflusst die demographische Entwicklung in Deutschland wesentlich die künftige Arbeitswelt und Beschäftigung. Das Bild der erwerbsfähigen Personen ändert sich. Die Bevölkerungszahl der Bundesrepublik schrumpft, der Anteil der älteren Personen steigt und auch der Anteil der Zuwanderer aus verschiedenen Kulturen ist zunehmend. Doch der eigentliche Alterungsschub steht noch bevor. In den nächsten 40 Jahren wird sich der Altersaufbau der Bevölkerung Deutschlands und Europas dramatisch verändern. Der Altersscheitelpunkt (die eine Hälfte der Bevölkerung ist jünger, die

206

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

andere Hälfte der Bevölkerung ist älter als der Altersscheitel) verlagert sich von den Mittdreißigern 1960 zu den Fünfzigjährigen 2040 – binnen eines Menschenlebens!

Entwicklung des Altersscheitels in Deutschland 60 50 50

Jahre

40 40

30

44

34

20

23

10 0 1850

Abb. 6-3

1900

1950 Jahreszahlen

2000

2050

Entwicklung des Altersscheitels in Deutschland

Im Land Brandenburg wird sich die Bevölkerung in den Randgebieten um 15 % bis 2010 reduzieren, bis 2040 sogar um 40 bis 50 % (Gründe: Demografie – Geburtenrückgang, Wanderungsbewegung, De-Industrialisierung).

Veränderung der Arbeitswelt Entwicklung der Altersgruppe 15 bis 29 Jahre von 1990 bis 2020 in Europa 85

Anzahl in Mio.

80 75 70 65 60 55 50

1990

1995

2000

2005

Jahre

Abb. 6-4

Veränderung der Arbeitswelt

2010

2015

2020

6 Bauwerk-Begleit-System

6.2

207

Tendenzen für das Bauwesen

Der Ausblick in die Zukunft lässt folgende Tendenzen für den Bau erkennen: Qualitativ werden folgende Trends am Bau benannt: a) Zunahme der Komplexität Die Projekte werden nicht nur größer, sondern auch immer komplexer. Die steigende Nachfrage nach Gesamtlösungen bringt massive Veränderungen mit sich. Zusätzliche Kompetenzen, langfristige Risiken durch Betreibermodelle, hochgradiges Finanzierungs-Know-how etc. müssen abgedeckt und übernommen werden. Planung, Angebotsbearbeitungen und Bauausführungen müssen unter einem immer größer werdenden Zeitdruck bewältigt werden. Es besteht eine zunehmende Diskrepanz zwischen der für einen Bauablauf sinnvollen und der verfügbaren Zeit. Überdies werden – wie auch in anderen Industriezweigen – neben einer Zeitersparnis zugleich Qualitätsverbesserungen verlangt. Abnehmende Fertigungstiefen auf der Auftragnehmerseite verschärfen diese Problematik zusätzlich, da der Koordinationsaufwand bei der zunehmenden Zahl von Projektbeteiligten nicht linear sondern progressiv ansteigt. Die Kunden wünschen immer mehr Komplettlösungen, die nicht nur Planung und Realisierung umfassen, sondern auch Standortanalysen, Projektentwicklung, Finanzierung vor Projektbeginn und Betreibung, Bewirtschaftung, Vermietung und Verkauf im weiteren Lebenszyklus einer Immobilie oder bautechnischen Anlage. Dies nicht nur für Neubau, sondern immer stärker für Umbau, Sanierung, Erneuerung im Hoch-, Tief- und Ingenieurbau. b) Höhere Anforderungen an Umweltschutz, Umweltgestaltung, Nachhaltigkeit Aufgaben in Umweltplanung, Landschaftsschutz, Gewässerbewirtschaftung, Verfahrenstechnik, Abwasser- und Abfalltechnik, Betrieb von Deponien, Sanierung von Abfall-Altlasten und Emissionsschutz werden umfangreicher. Die Aufwendungen zum Schutz gegen Emissionen von Schadstoffen, Lärm, Erschütterungen werden ansteigen. c) Einsatz der Informatik und moderner Kommunikationssysteme Die alle Fachgebiete durchdringende Anwendung der Informationstechnologie wird planerische, entwerfende, regelnde Aufgaben entscheidend beeinflussen. Die Nutzung der Informationstechnik kann in allen Tätigkeitsfeldern für mehr Entscheidungstransparenz, zum Durchspielen alternativer Annahmen, zu Sensitivitätsanalysen, zum besseren Verstehen grundsätzlicher Zusammenhänge beitragen. Es ist abzusehen, dass die Verfügbarkeit vernetzter Arbeitsplatzrechner mit integrierten CAE- und Experten-Systemen bis zu Regelungssystemen im Betrieb von technischen Systemen rasch zunehmen wird. Die Herausforderung für den Bau und die IT-Technik liegt nicht mehr in der Bewältigung der Einzelprozesse, sondern in der Vernetzung aller Prozesse. Die am Bau beteiligten Partner sind in aller Regel unterschiedlich organisiert, lokal

208

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

getrennt und arbeiten nur für die Lösung einer Aufgabe zeitbefristet zusammen. In der Ausführung erhalten die Baufirmen die Möglichkeit, ihre Prozesse zu verbessern durch: -

Projektsteuerung auf der Basis von Bauablaufmodellen, E-commerce-basierte Ausschreibungen einschließlich Vergabe und Abrechnung, netzwerkbasierte Baustellenlogistik, digitale Überwachung der Ausführungsprozesse.

d) Schutz vor Katastrophen und Gefährdungen Ingenieure, Planer und Ausführende müssen die Instrumentarien für ganzheitliche Sicherheitsplanungen, Schadensrisiko-Analysen und Technikfolgeabschätzungen verstärkt weiterentwickeln, denn ohne dies wird Technik kaum noch akzeptiert. Es ist eine Ausweitung der Entwurfs- und Nachweiskonzepte absehbar, die auch die gesamtheitliche Analyse von Risiken einschließen, welche bisher nicht oder nur wenig erfasst worden sind. Die bauausführenden Unternehmen müssen aufgrund immer komplexerer Projekte mehr Risiken und Verantwortung übernehmen und trotz schwieriger Aufgabenstellungen und Rahmenbedingungen eine baubegleitende Planung akzeptieren. Das impliziert eine verantwortbare Risikoabschätzung. Diese grundsätzlichen Veränderungsprozesse sind durch alle, auch kleine und mittelständische Unternehmen zu berücksichtigen, aufzunehmen und als Anforderung für eigenes unternehmerisches Handeln aufzufassen. Es empfiehlt sich, die Probleme der Zielgruppen als Chancen zu erkennen und daraus Lösungsansätze zu entwickeln. Die Absicherung eines konstanten Grundbedürfnisses sichert stetige Einnahmen gemäß dem Motto: Zielgruppenbesitz ist wichtiger als Produktionsmittelbesitz. Dazu ist die Zusammenarbeit und Kooperation als integrativer Bestandteil der Entwicklungskonzeption zu planen und zu pflegen.

6 Bauwerk-Begleit-System

209

GLOBALE MÄRKTE Großunternehmen Projektentwickler Global player REGIONALE MÄRKTE

Spezialanbieter Spezialanbieter Arbeitskräfteverleiher

Regional verankerte, qualifizierte Mittelunternehmen

Regionale Projektentwickler LOKALE MÄRKTE Kleinunternehmen Nischenunternehmen

Abb. 6-5

Künftige Unternehmenslandschaft in der Bauwirtschaft, Quelle: ZiB NRW

Folgende ableitbare Entwicklungsszenarien lassen sich beschreiben: Da Bauen standortgebunden ist, können komplette Bauwerke nicht importiert werden. Aber Baustoffe, Maschinen und Geräte und Arbeitskräfte sind mobil. Für den ortsansässigen mittelständischen Unternehmer ist der regionale und lokale Markt interessant. Kompetenzentwicklung

Fragmentierung

Abb. 6-6

Zukunftsanforderungen, Quelle: ZiB NRW

210

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

Für die Entwicklung der Bauwirtschaft werden folgende Szenarien beschrieben (vgl. „Zukunftsinitiative Bau“, NRW, 2003) [5]. a) Weitere Externalisierung (Markt-Subkontrahierung) = Fragmentierung bedeutet überwiegende Kostenorientierung, Ausnutzung des europäischen Lohngefälles, Verzicht in Zukunftsinvestitionen (vgl. Riemer/Ewert, 11/2000, S. 2830) [6]. Qualitätsstandards können nicht mehr eingehalten werden und damit weiterer Druck, über Niedrigpreise konkurrenzfähig zu bleiben. Diese auch als „Kostenführer“ beschriebene Strategie wird zunehmend für KMU der Bauwirtschaft problematischer umsetzbar sein und keinen Weg aus der Krise aufzeigen. b) Qualitäts- und Kundenorientierung steht im Mittelpunkt = Kompetenzentwicklung. Qualitativ hochwertige Produkte und Dienstleistungen müssen über Innovationsnetzwerke, innerbetriebliche Prozessoptimierung und angepasste Aus- und Weiterbildung des Personals erreicht werden. Diese auch als „Produktführer“, „Nischenpolitik“, „Differenzierungsstrategie“, „Systemanbieter“ (vgl. Girmscheid, 2001, S. 6 ff.) [7], „Kundenpartnerschaft“ und „Dienstleistungsstrategie“ bezeichneten vielfältigen Möglichkeiten lassen viele Spielräume und Entwicklungsvarianten sowohl für lokal, regional als auch national und global handelnde und wirkende Unternehmen zu. Das im Rahmen des Verbundprojektes entwickelte Bauwerk-Begleit-System soll eine auf Kompetenzentwicklung und Geschäftsfeldentwicklung und -erweiterung bestehende Variante der Strukturanpassung mittelständischer Bauunternehmen sein. Damit sollen a) neue Ziele in alten Märkten bei bekannten Kunden definiert und Möglichkeiten einer Wertschöpfungserweiterung genutzt werden und b) gleichzeitig neue Märkte entwickelt und noch ungenutzte bzw. nicht ausreichend genutzte Potenziale identifiziert werden. Entwicklung, Finanzierung, Planung, Realisierung und Betreiben von Immobilien ist eine Gesamtleistung und umschließt den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerkes.

6 Bauwerk-Begleit-System

Planung: - Entwurf - Konzepte - Lösungen - Optimierung - Dokumentation

Initiierung: - Ziele - Bedarf - Rahmenbedingungen - Dokumentation

Stilllegung/Abriss: - Außerbetriebnahme - Rückbau - Entsorgung - Recycling - Dokumentation

Abb. 6-7

211 Ausschreibung/ Vergabe: - Leistungsberschreibung - Vergabe - Vertrag - Dokumentation

Realisierung: - Herstellung - Überwachung - Inbetriebnahme - Abnahme - Dokumentation

Lebenszyklus von Bauwerken

Betrieb/Nutzung: - Wartung/Instandhaltung - Betriebs-/Bestandsoptimierung - Kostensenkung - Qualitätsverbesserung - Anpassungen/Umbau - Dokumentation

Lebenszyklus von Bauwerken

Hierbei sind tendenziell zwei Entwicklungslinien erkennbar: -

Begrenzung der Nutzungsdauer, infolge Verkürzung der Innovationszyklen, hohe Qualität und Langlebigkeit.

Im Regelfall sind die Bedürfnisse des Bauherrn auf geringe Gesamtkosten gerichtet (Herstellkosten und Betriebskosten), da die Immobilie ein strategisches Erfolgspotenzial für sein eigentliches Kerngeschäft darstellt. Der Bauunternehmer hat im Rahmen seiner strategischen Unternehmensplanung verschiedene Optionen, am Gesamtprozess teilzuhaben und seine Wertschöpfungsanteile zu erhöhen, wobei unter Wertschöpfung der Prozess des Schaffens von Mehrwert durch Bearbeitung verstanden wird (vgl. Müller-Stevens/Lechner, 2001, S. 275) [8].

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen Problemlösung für Kunden

212

System Prozess Produkte Wertschöpfung Addition Kombination Integration Wertschöpfungskette

Wertschöpfungsnetzwerk

Abb. 6-8

Wertschöpfung und Kundenwert

Der Wertschöpfungsprozess kann über verschiedene Modelle und Entwicklungen beschrieben werden. Bei der Konzeption bieten sich zwei Gestaltungsoptionen an: Einfache Wertschöpfungsmodelle mit wenigen Aktivitäten haben einen meist linearen, einfachen Aufbau. Komplexe Wertschöpfungsmodelle weisen eine Vielzahl komplex miteinander verbundener Aktivitäten und auf verschiedenen Ebenen auf. Beide Modelle haben Vor- und Nachteile (vgl. Müller-Stevens/Lechner, S. 312 f.) [9]. Ein komplexes Wertschöpfungsmodell ist in manchen Branchen allerdings die einzige Möglichkeit, um anspruchsvolle Kundenanforderungen zu erfüllen. Nicht mehr eine einzelne Leistung, sondern Leistungspakete sind erforderlich, um ein Projekt erfolgreich umzusetzen. Mit einem komplexen Wertschöpfungsmodell wird zudem die Absicht verfolgt, den Prozess der Leistungserstellung stärker zu differenzieren. Dadurch werden Spezialisierungsvorteile aufgebaut. Der komplexere Aufbau sichert eine höhere Flexibilität und bietet einen höheren Wettbewerbsschutz als ein einfacher strukturiertes Wertschöpfungsmodell. Als Nachteile dürfen allerdings Rückgang von Transparenz und Übersichtlichkeit und evtl. hohe Komplexitätskosten nicht unerwähnt bleiben. Die Intention beim Bauwerk-Begleit-System war die Konzipierung eines komplexen Wertschöpfungsmodells. Der Kundennutzen steigt, indem nicht ausschließlich Produkte, sondern über die Addition und Kombination von Produkten integrale Systeme angeboten werden, die höchsten Kundenwert beinhalten.

6 Bauwerk-Begleit-System

213

Produkte sind funktionsorientiert und erfordern in der Regel herstellungsseitig hierarchische Strukturen. Die Realisierung eines Prozesses (Abfolge von Tätigkeiten mit definiertem Anfang und Ende) erfordert schon durchgängige Strukturen. Ein System ist flussorientiert und erfordert systematisch vernetzte Strukturen, an deren Beherrschung hohe Anforderungen gestellt werden. Allgemein wird unter einem System eine Einheit von Teilen verstanden, die aufgrund von Rückkopplungsmechanismen auf interne und externe Einflüsse und Prozesse reagieren und sie steuern kann. Für die Wertschöpfung bedeutet dies die Organisation von Wertschöpfungsketten bzw. Wertschöpfungsnetzwerken. Das Wertschöpfungsnetzwerk handelt und entscheidet nicht allein, sondern gemeinsam mit einer immer größer werdenden und wechselnden Zahl von Partnern. Das Netzwerk handelt als Gesamtsystem (vgl. Bickmann/Wilder, 2001, S. 181) [9].

6.3

Konzeption und Aufbau Bauwerk-Begleit-System

Im Verlauf der FuE-Projektbearbeitung wurden die Bau-Dienstleistungsfelder sowie die Möglichkeiten der Einbeziehung und Umsetzung durch Bauunternehmen untersucht. Dabei wurden die Inhalte, Anforderungen, Vor- und Nachteile für die Aufgabenwahrnehmung durch KMU analysiert und ableitend vier Dienstleistungsebenen definiert: DLEB 1: DLEB 2: DLEB 3: DLEB 4:

Projektentwicklung (Entwicklungsphase), Integrative Planung (Planungsphase), Leistungserbringung (Ausführungsphase), Dienstleistungskonzept (Nutzungsphase).

214

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen Leistungsangebote aus dem Bau- und Dienstleistungsbereich Vorgelagerte Aufgaben und Arbeiten

Dienstleistungen

PRODUKT BAUWERK AUSFÜHRUNG

inhärente Dienstleistungen

Nachgelagerte Aufgaben und Arbeiten

Dienstleistungen

Kontinuierliches Wachstum von Dienstleistungen in der Bauwirtschaft – Ebenen - produktintern - produktnahe - interne Forschung und Entwicklung

Abb. 6-9

Leistungsangebote aus dem Bau- und Dienstleistungsbereich

Damit wird ein integratives Dienstleistungsmodell für verschiedene Aufgabenkategorien (Neubau, Instandsetzung, Modernisierung, Umbau, Umnutzung, Abriss, Recycling, Baufeldfreimachung) angeboten, in dessen Mittelpunkt eine fokale Unternehmung mit seinen Bauleistungen steht und durch seine Partner ergänzt wird. Das Gesamtleistungspaket BBS ist modular aufgebaut und besteht aus Sach- und Dienstleistungsanteilen. Es kommt darauf an, dem Kunden den Dienstleistungsanteil im Gesamtleistungsbündel sichtbar zu machen und mit der Erhöhung des Dienstleistungsanteiles eine Differenzierung zu anderen Anbietern zu erhalten (vgl. Weyh, 1999, S. 22 ff. und Alquen, 1999) [10]. Insbesondere weisen die Dienstleistungsebenen 1, 2 und 4 einen hohen Dienstleistungsanteil gegenüber dem Sachanteil auf und bieten dadurch Erfolgsaussichten für die Strategie produktbegleitender Dienstleistungen (vgl. „Pro Service. Den Wettbewerb erfolgreich gestalten“, Fraunhofer Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung, 1999) [11]. In der DLEB 1 wird nur die Immobilien-Projektentwicklung angeboten, keine Infrastruktur-Projektentwicklung. In der DLEB 2 gehört zum Leistungsumfang das Projektmanagement bis hin zum Schlüsselfertigbau, in der DLEB 2 und 3 die gesamte Bauplanung und Organisation einschließlich Optimierung der Prozesse, logistische Verknüpfung und Schnittstellenkompatibilität. In der DLEB 4 werden

6 Bauwerk-Begleit-System

215

auf Kundenwunsch Aufgaben des Gebäudemanagements und -betriebs übernommen. Insgesamt ist BBS ein integriertes Dienstleistungssystem, das von der Grundstücksbeschaffung über Finanzierung bis zum Gebäudemanagement reicht. Damit ist BBS ein hybrides Produkt mit Hard- und Software-Komponenten, die anteilig differenziert in den einzelnen Modulen auftreten.

K1

K2

Kn

Abb. 6-10

Struktur des BBS und Zusammenwirken mit dem Kompetenzpool

Die Umsetzung des Konzeptes erfordert eine dezentrale Organisation, die als System so zu gestalten ist, dass es sich selbst organisiert. Sowohl die Kunden/Bauherrn/Nutzer als auch die Mitarbeiter werden dabei einbezogen. Der modulare Aufbau der Organisation soll mit wenigen, eindeutig definierten Schnittstellen und Aufgaben erreicht werden, sodass eine „selbst lernende“ Organisation geschaffen wird. Das im Mittelpunkt stehende Kern-Unternehmen (Hub-firm) stellt die Kernkompetenzen, Führungs- und Koordinationsmethodik und Werkzeuge zur Verfügung und „Unternehmen im Unternehmen“, Partner oder andere Projekt- bzw. Leistungsbeteiligte werden differenziert einbezogen. Die Einzelunternehmen bleiben wirtschaftlich autark.

216

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

Zur Aufgabenumsetzung ist die Einbeziehung eines „regionalen Leitbetriebes“ vorgesehen. Mit dieser Vorgehensweise wird ein Paradigmenwechsel vollzogen, indem die Prozessgestaltung den Teams zugeordnet wird und die Führung Prozesswissen und Informationen zu steuern hat. Ein entscheidender Faktor wird das Management der Komplexität sein. Das BBSNetzwerk braucht einen Moderator, der Verbindungen zwischen den einzelnen Netzwerkpartnern schafft und die Brücke zur Nachfrageseite schlägt. Diese Aufgabe hat das Kernunternehmen – die Hub-firm. Durch das Kernunternehmen ist auch die Prozessentwicklung vorzugeben, denn die Prozesse durchziehen als Arbeitsfolgen alle Funktionen im Netzwerk und bilden die Grundlage der Wertschöpfung (vgl. Wildemann, Heft 5/2002, S. 22) [12].

6.4

Schlussfolgerungen

Um die Wertschöpfungsstrategie – Bauwerk-Begleit-System – erfolgreich umzusetzen, bedarf es einer Vielzahl von Ressourcen: Mitarbeiter, Partner, Strukturen, Managementsysteme, Kapital und Wissen. Mitarbeiter sind auszuwählen, zu entwickeln und zu qualifizieren. Die Aufgaben und Anforderungen verändern sich in Zukunft stark. Wissen als wesentliche Ressource für die Wettbewerbsfähigkeit ist dabei immer wieder neu zu entwickeln und gezielt einzusetzen. Die organisatorische Strukturgestaltung zielt auf Differenzierung (Arbeitsteilung) und Integration (Arbeitsverknüpfung). Beide Formen werden bei BBS wirksam angewendet und erfordern Anwendungen der Kooperation, partnerschaftlichen Zusammenarbeit (Kollaboration) und Netzwerkarbeit. Es sind Projektorganisationen bis zu virtuellen Unternehmen aufzubauen und künftig mehrdimensionale Betrachtungen von Organisationsstrukturen zu bedenken. Das entwickelte Bauwerk-Begleit-System kann als Netzwerk mit folgenden Inhalten beschrieben werden: -

Strategisches, interorganisatorisches Unternehmensnetzwerk, bestehend aus rechtlich unabhängigen Unternehmen, Auftreten unter einer einheitlichen Marke (Ziel: gemeinsamer Aufbaustrategischer Erfolgspotenziale und Erschließung attraktiver Nutzenpotenziale), Einbringen komplementärer Kernkompetenzen in das Netzwerk durch die Netzwerkpartner, damit eine Wertsteigerung als Ganzes erreicht wird.

6 Bauwerk-Begleit-System

217

Es besitzt folgende Eigenschaften: -

6.5

Das System bildet eine dynamische Einheit. Es ist aus Einzelelementen zusammengesetzt, die in Wechselwirkung zu einander stehen. Das System hat in sich Eigenschaften, die die einzelnen Elemente für sich nicht besitzen. Das Ganze ist in Summe qualitativ mehr als die Addition jedes seiner Teile.

Zusammenfassung

Veränderung und Wandel bestimmen den Weg der KMU zum Bau-Dienstleister. Die künftigen Leistungsangebote sind eine Kombination aus Bau- und Dienstleistungen. Ein bauwerkbegleitendes Dienstleistungssystem von kleinen Bauunternehmen und Handwerk ist nur durch Öffnung der Unternehmen für Kooperationen und Zusammenschlüsse in Netzwerke möglich, wobei die Partner evaluiert und neue Arbeitsformen intern und extern organisiert und entwickelt werden müssen. Das Bauwerk-Begleit-System ist als Prozess gleichzeitig ein evolutionäres Produkt, das nur durch ständige Wissensanreicherung der Partner fortentwickelt werden kann. Die kleinen und mittelständischen, in der Region verwurzelten Bauunternehmen, haben nur dann eine Zukunft, wenn -

es ihnen gelingt, die Wertschöpfung deutlich zu erhöhen, den Nutzen ihrer Dienstleistung am Bau und einen Zusatznutzen für den Kunden zu generieren, es ihnen also gelingt, das Bauunternehmen als Dienstleistungszentrum in den Fokus des Kunden zu rücken, es ihnen gelingt, die Projektmanagementwerkzeuge sicher zu beherrschen und im Sinne eines operativen Projekt- und Unternehmenscontrolling einzusetzen, es ihnen gelingt, mittels partnerschaftlicher Zusammenarbeit Kooperationen aufzubauen und strategisch zu erhalten.

218

B Der Betrieb von Gebäuden und baulichen Anlagen

Literatur [1] HAMMER, M.: „Business back to basics“. München, Econ-Verlag, 2002, S. 19 [2] WEIDENFELD, W.; TUREK, J. u. a.: Die Gruppe von Lissabon „Grenzen des Wettbewerbs“, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 1998; W. WEIDENFELD, J. TUREK: „Wie Zukunft entsteht“, Gerling Akademie Verlag, München, 2002; H.-J. BULLINGER, H. MURMANN: „Dienstleistungen – Der dynamische Sektor“, Universum Verlagsanstalt, Wiesbaden 1999; H. OPASCHOWSKI: „Wir werden es erleben“, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 2002; M. MIEGEL: „Die deformierte Gesellschaft“, Propyläen Verlag, München, 2002 [3] WEIDENFELD/TUREK, a. a. O., S. 18 [4] BRECH, J.: „Wandel der Arbeit“. in: Das Zentrum Baukultur. Heft 3/2001. Darmstadt, S. 6 [5] „Zukunftsinitiative Bau“. NRW, 2003 [6] RIEMER, M.; EWERT, CH.: „Dumme Strategien“. in: Bauwirtschaft. Heft 11/2000, S. 28-30 [7] GIRMSCHEID, G.: „Auswege aus dem reinen Preiswettbewerb – Lösungsansätze für marktorientierte Bauunternehmen“. in: „Handbuch BauBetriebswirtschaft“. Hrsg. MAYRZEDT, H.; FISSENEWERT, H.: Werner, Düsseldorf, 2001, S. 6 ff. [8] MÜLLER-STEVENS, G.; LECHNER, CH.: „Strategisches Management“. Schäfer-Poeschel Verlag, Stuttgart, 2001, S. 275 [9] BICKMANN, R.; WILDER, J.: „Das Neue beginnt im Kopf“. Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt, München, 2001, S. 181 [10] WEYH, K.: „Dienstleistung zum Anfassen“. RKW-Verlag, Eschborn, 1999, S. 22 ff. und D ALQUEN, K.: „Wettbewerbsvorsprung durch neue Produkte und optimale Dienstleistung“. RKW-Verlag, Eschborn, 1999 [11] Fraunhofer Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung, Karlsruhe:„Pro Service. Den Wettbewerb erfolgreich gestalten“. VDMA Verlag, Frankfurt/Main und RKW-Verlag, Eschborn, 1999 [12] WILDEMANN, H.: „Methoden für eine nachhaltige profitable Unternehmensführung“. in: Betonwerk + Fertigteil-Technik. Heft 5/2002, S. 22

219

C

Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Die Auseinandersetzung mit dem Gebäudebestand ist vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung in Deutschland und des damit zusammenhängenden Stadtumbaus sowohl in volkswirtschaftlicher Hinsicht als auch aus ökologischer Erfordernis heraus aktueller denn je. Dietrich-Alexander Möller und Robert Bauer (Kapitel 1) stellen dar, wie die Wirtschaftlichkeit von Bauinvestitionen durch die Änderung der einschlägigen steuerlichen Regelungen in den letzten 15 Jahren beeinflusst worden ist. Es wird der Wandel der steuerlichen Förderung des Wohnungsbaus als Mittel der Sozial- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung betrachtet. Die demographische Entwicklung und die Trends der Bevölkerungsverschiebung führten in den letzten Jahren in Deutschland zu Problemen der Entvölkerung von Städten und Regionen. Welche betriebswirtschaftliche Vorteilhaftigkeit und volkswirtschaftliche Effizienz das Abreißen von Wohngebäuden im Rahmen des Stadtumbaus in sich trägt, behandelt Fritz Schmoll genannt Eisenwerth in dem Abschnitt (Kapitel 2) – Ökonomie des Stadtumbaus. Seit Ende der neunziger Jahre überschreiten im Wohnungsbau die Kosten für Hochbauleistungen im Bestand die des Neubaus. Für den Architekten eröffnen sich hier neue Tätigkeitsfelder jenseits der gewerblichen Immobilienentwickler. Welche Bedeutung der Investitionsplanung durch den Architekten als Partner der Eigentümer von Bestandsgebäuden bei der Entwicklung der häufig unterschätzten Potentiale ihres Gebäudebestandes zukommt, beschreibt Regina Zeitner (Kapitel 3). Der Architekt sollte im Sinne des Bauherrn nutzerspezifische ökonomische Belange berücksichtigen und seine architektonischen Kernkompetenzen beim Bauen im Bestand einbringen. Jedoch unterschätzen häufig Architekten und Ingenieure, die sich mit Bauwerksinstandsetzung befassen, die Anforderungen an Fachwissen, Aufklärung, Beratung und Vorbereitung sowie die damit verbundenen Haftungsgefahren. Davon zeugt, nach Ulrich Langen (Kapitel 4), die deutliche Steigerung der Schäden, die im Zusammenhang mit Bauwerksinstandsetzungen stehen. Welche erheblichen Rationalisierungspotentiale im Gebäudebetrieb bei Wohnungsgesellschaften noch in den bisher wenig beachteten bautechnisch orientierten Bereichen der Instandhaltung schlummern, zeigen die Ausführungen von Willi Hasselmann (Kapitel 5). Er untersucht die Organisation und Prozessoptimierung der Instandsetzung und zeigt vorhandene Optimierungsansätze auf. Das Streben nach Wirtschaftlichkeit bei der Instandhaltung in der Wohnungswirtschaft erfordert strategische Verfahrensweisen im Umgang mit dem Gebäudebestand. Holger Kolp (Kapitel 7) erläutert hierzu sein Verfahren für eine frühzeitige,

220 einfache und objektbezogene Wirtschaftlichkeitsermittlung zur Entscheidung über Instandhaltungsmaßnahmen im Wohnungsbau. Um eine möglichst lange wirtschaftliche Nutzungsdauer von Gebäuden zu erreichen, ist eine vorausschauende Instandhaltungsplanung unumgänglich. Für eine solche Planung werden z. B. Kennwerte hinsichtlich der Bauteilkosten, Lebensdauern und Instandhaltungsintervalle benötigt. Philipp Kohde und Matthias Krause (Kapitel 8) haben zur Gewinnung von Kennwerten der Instandhaltung von Plattenbauten die Erfahrungen einer Wohnungsgenossenschaft untersucht und Anregung gegeben, wie durch eine beiderseitig nutzbringende Kooperation des Baukosteninformationszentrums Deutscher Architektenkammern (BKI) mit wohnungswirtschaftlichen Unternehmen solche Kennwerte gewonnen werden können. Da die Kosten betrieblich genutzter Immobilien heute in vielen Unternehmen der zweit- oder drittgrößte Kostenfaktor sind, werden bei den betrieblich genutzten Immobilien vermehrt erhebliche Kostensenkungspotenziale vermutet. Christian Stoy stellt im Kapitel 6 ein Konzept des Kostenbenchmarkings von betrieblich genutzten Bürogebäuden vor. Das dabei gewählte Vorgehen arbeitet vor allem mit der Kenntnis um Kosteneinflussfaktoren, die bei der Auswahl von geeigneten Vergleichsobjekten herangezogen werden.

221

1

Einfluss der Steuerpolitik auf die Wirtschaftlichkeit von Bauinvestitionen Dietrich-Alexander Möller, Robert Bauer

Mit der Besteuerung werden in heutiger Zeit -

fiskalische, sozialpolitische sowie konjunktur- und wachstumspolitische

Ziele verfolgt. In fiskalischer Hinsicht geht es darum, dem Staat die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Einkünfte zu verschaffen. Dabei soll unser z. T. progressiv gestalteter Einkommensteuertarif dafür sorgen, dass die Gutverdienenden mehr zum Steueraufkommen beitragen müssen als die Geringverdienenden – ganz im Sinne der sozialen Marktwirtschaft. Daneben werden durch Steuersparmöglichkeiten und Zuschüsse Anreize zu verstärkter Investitionstätigkeit oder zum Konsum geschaffen. Zielkonflikte ergeben sich insofern, als sozial- oder wirtschaftspolitisch motivierte Steuervorteile zunächst einmal zu Steuerausfällen führen. Ist mit dem Tatbestand, an den der Steuervorteil geknüpft ist, ein sich verstärkender Wirtschaftsimpuls verbunden, so können die Steuerausfälle ausgeglichen oder sogar überkompensiert werden. Da dieser Multiplikatoreffekt bei Bauinvestitionen besonders hoch ist, setzt eine steuerliche Konjunkturpolitik gerne im Wohnungsbau an, womit zugleich sozialpolitische Ziele erreicht werden können. Seit der deutschen Wiedervereinigung ist dieser Zielkonflikt gut zu beobachten: von der 50 %igen Sonderabschreibung in den neuen Bundesländern bis zu der Haushaltsmisere der jüngsten Zeit mit der Folge des Auslaufens der Sonderabschreibung sowie der Abschaffung von Eigenheimzulage und Degressiver Gebäudeabschreibung. Im Folgenden soll dargestellt werden, wie die Wirtschaftlichkeit von Bauinvestitionen durch die Änderung der einschlägigen steuerlichen Regelungen in den letzten 15 Jahren beeinflusst worden ist. Dabei soll sowohl selbstgenutztes als auch vermietetes Wohneigentum, das sich im Privatvermögen befindet, betrachtet werden.

222

1.1

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Steuervorteile und Zuschüsse

Ein bevorzugter Ansatzpunkt für wirtschaftspolitische Maßnahmen ist die Einkommensteuer. Weiter von Bedeutung für Bauinvestitionen sind die Grunderwerbssteuer und die so genannte Spekulationssteuer – allerdings weniger unter wirtschaftspolitischem als vielmehr unter fiskalischem Aspekt. Die Ermittlung der zu zahlenden Einkommensteuer sowie davon abhängiger Steuerbelastungen geht in drei Schritten vor sich: (1) Berechnung des zu versteuernden Einkommens, (2) Ermittlung der Einkommensteuer, (3) Hinzurechnung des Solidaritätszuschlages und ggf. der Kirchensteuer. Zur Ermittlung der Steuerersparnis müssen diese drei Schritte zunächst ohne Berücksichtigung der steuerbegünstigten Maßnahme und anschließend mit Berücksichtigung dieser Maßnahme durchgeführt werden. Beim ersten Schritt besteht der entscheidende Unterschied in den Erträgen und vor allem den Absetzungsmöglichkeiten der steuerbegünstigten Maßnahme. Bei eigengenutzten Wohngebäuden ging es insbesondere um Absetzungen als Sonderausgaben bzw. Zuschüsse in Form der Eigenheimzulage, und bei vermieteten Wohngebäuden ging und geht es um die Absetzung für Abnutzung (AfA).

1.1.1 Änderung der Abschreibungsregelungen Die steuerlichen Regelungen für die Förderung des eigengenutzten und des vermieteten Wohnungsbaus wurde in folgenden Etappen geändert: Eigengenutzter Wohnraum 01.01.1991 – 30.09.1991

01.10.1991 – 31.12.1995

01.01.1996 – 31.12.2003 01.01.2004 – 31.12.2005

8 x bis zu 5 % (höchstens 16.500 DM) als Sonderausgabe absetzbar + Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer um 8 x 1.000 DM pro Kind (Baukindergeld) 4 x bis zu 6 % (höchstens 19.800 DM) und 4 x bis zu 5 % (höchstens 16.500 DM) als Sonderausgabe absetzbar + Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer um 8 x 1.000 DM pro Kind (Baukindergeld) 8 x 5.000 DM bzw. 2.556 EUR als Eigenheimzulage für Neubau oder 8 x 2.500 DM bzw. 1.278 EUR für Altbau 8 x 1.500 DM bzw. 767 EUR Kinderzulage 8 x 1.250 EUR als Eigenheimzulage für Neubau und Altbau 8 x 800 EUR Kinderzulage.

1 Einfluss der Steuerpolitik auf die Wirtschaftlichkeit von Bauinvestitionen

223

Vermieteter Wohnraum Lineare Abschreibung nach § 7(4) Nr.2 EStG (Abschreibungssätze seit 1965 unverändert) 2,5 % bei Fertigstellung des Gebäudes vor 1925 2,0 % bei Fertigstellung des Gebäudes nach 1924. Sonderabschreibung nach Fördergebietsgesetz § 4(2), zusätzlich zur linearen AfA möglich 01.01.1991 – 31.12.1996 01.01.1997 – 31.12.1998

50 % auf die ersten 5 Jahre beliebig zu verteilen 25 % (40 % bei Modernisierungsmaßnahmen und nachträglichen Herstellungskosten) auf die ersten 5 Jahre beliebig zu verteilen.

Degressive Abschreibung nach § 7(5) Nr.3 EStG

AfA Satz in %

01.03.1989 – 31.12.1995 01.01.1996 – 31.12.2003 01.01.2004 – 31.12.2005

4x7% 8x5% 10 x 4 %

6 x 5,0 % 6 x 2,5 % 8 x 2,5 %

6 x 2,00 % 24 x 1,25 % 36 x 1,25 % 32 x 1,25 %.

1989-95§7(5)Nr.3a §7(5) Nr. 3afürfürWohngebäude Wohngebäude 1989-95

8

1996-03§7(5)Nr.3b §7(5) Nr. 3b 1996-03 7

2004-05§7(5)Nr.3c §7(5) Nr. 3c 2004-05 6 5 4 3 2 1 0 0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

Jahr der Investition

Abb. 1-1

Degressive Abschreibungsmöglichkeiten von Wohngebäuden nach EStG § 7(5) Nr. 3

224

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

1.1.2 Änderungen des Einkommensteuertarifes und des Solidaritätszuschlages Der Einkommensteuertarif wurde in den vergangenen 15 Jahren siebenmal geändert. Dabei ist sowohl der Eingangssteuersatz als auch der Spitzensteuersatz wiederholt gesenkt worden. Der Solidaritätszuschlag wurde im Jahre 1991 eingeführt, um die Kosten der deutschen Wiedervereinigung zu finanzieren. Er wurde 1991 und 1992 in Höhe von 3,75 % der Einkommen- und Körperschaftssteuer erhoben und 1993 abgeschafft, um 1995 mit 7,5 % wieder eingeführt zu werden. Seit 1998 wird ein Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,5 % erhoben. Jahr

Solidaritätszuschlag

1990 1991 – 1992 1993 – 1994 1995 1996 – 1997 1998 1999 2000 2001 – 2003 2004 2005 – 2006

1.2

3,75 % 7,5 % 7,5 % 5,5 % 5,5 % 5,5 % 5,5 % 5,5 % 5,5 %

Eingangssteuersatz ohne Soli mit Soli 56,0 % 56,0 % 56,0 % 56,0 % 53,0 % 53,0 % 23,9 % 25,2 % 22,9 % 24,2 % 19,9 % 21,0 % 17,0 % 17,9 % 15,0 % 15,8 %

Spitzensteuersatz ohne Soli mit Soli 58,1 % 60,2 % 57,0 % 55,9 % 53,0 % 51,0 % 48,5 % 47,0 % 42,0 %

55,9 % 53,8 % 51,2 % 49,6 % 44,3 %

Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit von Bauinvestitionen im Privatvermögen

Zur Analyse des Wirtschaftlichkeitseinflusses der Steuerpolitik wird von folgendem Modellfall ausgegangen Investor verheiratet 2 Kinder keine Religionszugehörigkeit zu versteuerndes Einkommen ohne Bauinvestition Eigentumswohnung Kaufpreis Grundstücksanteil

A: 60.000 EUR B: 120.000 EUR

80 m² Wohnfläche 100.000 EUR 20.000 EUR

1 Einfluss der Steuerpolitik auf die Wirtschaftlichkeit von Bauinvestitionen Grundstücksnebenkosten Grunderwerbsteuer Gerichts- und Notargebühren ca. Mietreinertrag im Vermietungsfall Wiederverkaufswert nach 12 Jahren

225

3.500 EUR 1.000 EUR 4.608 EUR/Jahr 100.000 EUR.

Die Grundstücksnebenkosten sind steuerlich absetzbar, soweit sie sich auf den Gebäudeanteil beziehen. Deswegen werden in den Berechnungen die Beträge nach Steuern angesetzt, die in Abhängigkeit vom Steuertarif schwanken. Untersucht werden der Fall der Eigennutzung und der der Vermietung.

1.2.1 Wirtschaftlichkeitseinfluss bei Eigennutzung Da bei Eigennutzung keine Erträge anfallen, kann eine Rendite nicht ermittelt werden (wenn man nicht mit einer fiktiven Miete arbeiten will). Deswegen wird als Vergleichskriterium der Barwert der Steuervorteile bzw. der Zuschüsse ermittelt.

Barwertvorteil in € (addiert auf das Jahr des Anspruchbeginns)

Der Abbildung 1-2 kann man entnehmen, dass die Förderwirkung bis 1995 von der Höhe des Einkommens abhängig war. Dies lag daran, dass die Förderbeträge als Sonderausgaben vom zu versteuernden Einkommen abzusetzen waren und damit der Steuerprogression unterlagen. 35000

30000

25000

20000

15000

10000

5000

0 1990

1992

1994

1996

Einkommen von 60.000 €

Abb. 1-2

1998

2000

2002

2004

2006

Einkommen von 120.000€

Summe der Barwerte der Steuervorteile durch § 10e EStG, ab 1996 Eigenheimzulage beim Kauf einer neu errichteten Eigentumswohnung im Wert von 100.000 EUR (Kalkulationszinssatz 3 % p. a.)

226

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Diese Bevorzugung der Besserverdienenden ist mit Einführung der Eigenheimzulage abgestellt worden. Allerdings gab es für die alte Regelung Bestandsschutz, so dass Eigennutzer, die 1995 Wohneigentum errichtet bzw. erworben hatten, letztmalig 2002 die Sonderausgabe nach § 10e EStG geltend machen konnten. Ab 1996 gab es dann die einkommensunabhängige Eigenheimzulage in Höhe von 5.000 DM bzw. 2.556 EUR (ggf. zuzüglich 1.500 DM bzw. 767 EUR Kinderzulage). 2004 wurde die Eigenheimzulage auf 1.250 EUR reduziert und die Kinderzulage auf 800 EUR erhöht. Zum 01.01.2006 wurde die Eigenheimzulage abgeschafft, wobei auch hier Bestandschutz besteht, so dass die von der Bundesregierung angestrebte Einsparwirkung sich erst im Laufe von acht Jahren voll entfalten wird.

1.2.2 Wirtschaftlichkeitseinfluss bei Vermietung Bei erfolgreicher Vermietung werden Überschüsse aus den Mieterträgen erzielt, so dass die Rendite ermittelt werden kann. Hierzu wird das Verfahren der InternenZinsfuß-Methode angewendet. Der interne Zinsfuß ist derjenige Kalkulationszinsfuß, bei dem sich ein Kapitalwert – also die Summe der Barwerte aller Zahlungen der betreffenden Investition – von Null ergibt. Zugrunde gelegt wird die Erwartung des Investors zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung, dass Bestandsschutz für die geltenden Absetzungsregeln gilt und der Steuertarif gleich bleibt. Für den zum Investitionszeitpunkt geltenden Steuertarif gibt es jedoch keinen Bestandsschutz, so dass diesbezüglich eine Unsicherheit besteht. Weiterhin wird angenommen, dass das zu versteuernde Einkommen des Investors auch nach Absetzung eventueller Verluste aus der Vermietung mit dem Spitzensteuersatz zu versteuern ist. Als Berechnungsbeispiele sind die Jahre 1991 und 2006 in den Tabellen 1-1 und 1-2 dargestellt.

1 Einfluss der Steuerpolitik auf die Wirtschaftlichkeit von Bauinvestitionen

227

Rendite einer Eigentumswohnung aus der Sicht des Jahres 1990 (Eigenfinanzierung) Rendite: 4,17 % Zinsfaktor: 1,0417 Jahr Auszahlungen Einzahlungen und Steuervorteile Zahlungssaldo (Erst-)Investi- Kapital- Mieterträge Verkaufs- ESt + Soli Zeitwert Barwert tionsausgabe Steuersatz: erlös dienst 56,0 % 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Tab. 1-1

102.484 € 4.608 € 4.608 € 4.608 € 4.608 € 4.608 € 4.608 € 4.608 € 4.608 € 4.608 € 4.608 € 4.608 € 4.608 €

100.000 €

556 € 556 € 556 € 556 € -340 € -340 € -340 € -340 € -340 € -340 € -1.684 € -1.684 €

-102.484 € -102.484 € 4.957 € 5.164 € 4.759 € 5.164 € 4.568 € 5.164 € 4.385 € 5.164 € 3.479 € 4.268 € 3.340 € 4.268 € 3.207 € 4.268 € 3.078 € 4.268 € 2.955 € 4.268 € 2.837 € 4.268 € 1.866 € 2.924 € 63.053 € 102.924 € Kapitalwert: 0€

Rendite einer Eigentumswohnung aus der Sicht des Jahres 1990 (Eigenfinanzierung)

Rendite einer Eigentumswohnung aus der Sicht des Jahres 2006 (Eigenfinanzierung) Rendite: 2,98 % Zinsfaktor: 1,0298 Jahr Auszahlungen Einzahlungen und Steuervorteile Zahlungssaldo (Erst-)Investi- Kapital- Mieterträge Verkaufs- ESt + Soli Zeitwert Barwert tionsausgabe Steuersatz: erlös dienst 44,3 % 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Tab. 1-2

102.905 € 4.608 € 4.608 € 4.608 € 4.608 € 4.608 € 4.608 € 4.608 € 4.608 € 4.608 € 4.608 € 4.608 € 4.608 €

100.000 €

-1.333 € -1.333 € -1.333 € -1.333 € -1.333 € -1.333 € -1.333 € -1.333 € -1.333 € -1.333 € -1.333 € -1.333 €

-102.905 € -102.905 € 3.180 € 3.275 € 3.088 € 3.275 € 2.999 € 3.275 € 2.912 € 3.275 € 2.827 € 3.275 € 2.746 € 3.275 € 2.666 € 3.275 € 2.589 € 3.275 € 2.514 € 3.275 € 2.441 € 3.275 € 2.370 € 3.275 € 72.574 € 103.275 € Kapitalwert: 0€

Rendite einer Eigentumswohnung aus der Sicht des Jahres 2006 (Eigenfinanzierung)

Die Entwicklung der Rendite nach Steuern, in den Jahren 1990 bis 2006 bei der Muster-Eigentumswohnung, ist in Abbildung 1-3 dargestellt.

228

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Eigenkapitalrendite nach Steuern

6,0%

5,0%

4,0%

3,0%

2,0%

1,0%

0,0% 1988

1990

1992

1994

1996

1998

2000

2002

2004

2006

2008

Jahr

Abb. 1-3

Entwicklung der Eigenkapitalrendite einer Eigentumswohnung aus der Sicht des jeweiligen Baujahres

Die Eigenkapitalrendite der betrachteten Eigentumswohnung lag – wenn sie zu 100 % eigenfinanziert wurde – 1990 bei 4,2 % p. a. nach Steuern. Dieser Wert konnte 1990 durch Ausnutzung der Sonderabschreibung in den neuen Bundesländern auf bis zu 5,2 % p. a. nach Steuern gesteigert werden. Ohne die Sonderabschreibung nach Fördergebietsgesetz blieb die Rendite bis 1995 bei 4,2 % p. a. (nach Steuern). Danach folgte eine schrittweise Verschlechterung der degressiven Abschreibungsmöglichkeiten bis hin zu ihrer Abschaffung zum 01.01.2006 mit der Folge, dass die Eigenkapitalrendite der betrachteten Eigentumswohnung bei Errichtung im Jahre 2006 nur noch 3,0 % p. a. (nach Steuern) beträgt. Die erreichten Renditen können bei niedrigen Zinskonditionen durch Aufnahme eines Darlehens noch gesteigert werden (Leverage-Effekt; siehe Abbildung 1-4).

1 Einfluss der Steuerpolitik auf die Wirtschaftlichkeit von Bauinvestitionen

229

Eigenkapitalrendite nach Steuern

12,00% 10,00% 8,00% 6,00% 4,00% 2,00% 0,00% 1985

1990

1995

Eigenfinanzierung

2000

2005

2010

Jahr

Fremdfinanzierung (80.000 EUR)

Abb. 1-4

Entwicklung der Eigenkapitalrendite einer Eigentumswohnung aus der Sicht des jeweiligen Baujahres

Im Jahre 1990 lagen die Konditionen für Hypothekendarlehen bei 9,5 % p. a. Dies führte bei der geringen Gesamtkapitalrentabilität zu einem geringfügigen Rückgang der Eigenkapitalrendite. In allen anderen untersuchten Fällen führte der Fremdkapitaleinsatz zu einer z. T. deutlichen Erhöhung der Eigenkapitalrendite nach Steuern. Der höchste Wert wurde mit 11,1 % p. a. (nach Steuern) im Baujahr 1991 durch die Konzentration der 50 %igen Sonderabschreibung auf das Bau- bzw. Erwerbsjahr erreicht. Auch im Jahre 2005 ergab sich – bedingt durch die niedrigen Hypothekenzinsen – eine kräftige Renditesteigerung auf 8,4 % p. a. (nach Steuern). Bemerkenswert ist jedoch der Einbruch der Eigenkapitalrendite im Jahre 2006 auf 4,4 % p. a. (nach Steuern), der auf die Abschaffung der degressiven Abschreibung und den Wiederanstieg der Hypothekenzinsen zurückzuführen ist.

1.3

Zusammenfassung

Die steuerliche Förderung des Wohnungsbaus ist von allen Bundesregierungen als Mittel der Sozial- und Wirtschaftspolitik eingesetzt worden. Im Zuge zunehmender Sättigung auf dem Wohnungsmarkt einerseits und zunehmender Haushaltsdefizite andererseits sind die gewährten Steuervorteile und Zuschüsse (Eigenheimzulage) drastisch zurückgefahren oder sogar ganz abgeschafft worden.

230

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Die Entwicklung der Eigenkapitalrendite zeigt, dass die Anreize für Investoren deutlich reduziert worden sind, was zu einer entsprechenden Nachfragereaktion geführt hat und weiter führen dürfte. Allerdings sind in dieser Untersuchung mögliche Marktreaktionen nicht berücksichtigt worden. So könnten sich Bauträger gezwungen sehen, den Verkaufspreis von Eigentumswohnungen auf Kosten ihres Gewinnes zu senken, um die Minderung der Steuervorteile der Erwerber teilweise oder ganz zu kompensieren. Hochinteressant bleibt für Investoren die weiterhin bestehende Förderung von Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen an Baudenkmalen und Gebäuden in städtebaulich festgelegten Sanierungsgebieten. Mit der 9 %igen Absetzung über acht Jahre und weiteren 7 % über 4 Jahre ergeben sich attraktive Steuervorteile über zwölf Jahre. Für die Bauwirtschaft wäre eine Förderpolitik mit größerer Kontinuität überaus wünschenswert. Die Abschaffung der Eigenheimzulage mit der Erklärung, eine neue Förderung von Wohnraum für Familien mit Kindern entwickeln zu wollen, in der Zwischenzeit aber nicht für eine Anschlussförderung zu sorgen, ist für die immer wieder geforderte Verstetigung der Nachfrage in der Bauwirtschaft kontraproduktiv.

231

2

Ökonomie des Stadtumbaus – betriebswirtschaftliche Vorteilhaftigkeit und volkswirtschaftliche Effizienz von Wohnungsabrissen Fritz Schmoll genannt Eisenwerth

2.1

Ausgangslage

Ungefähr seit 1995 sind wachsende Wohnungsleerstände in Abwanderungsregionen der neuen Bundesländer zu beobachten. Dies ist auf das Zusammenwirken von im Wesentlichen drei Faktoren zurückzuführen: -

die großräumigen Wanderungsverluste des Ostens zugunsten des Westens, die kleinräumige Stadt-Umland-Wanderung (Suburbanisierung), die – subventionsinduzierte – Überproduktion neuer Wohnungen in den 1990er Jahren.

Dabei haben die Folgen des Geburtenrückgangs die Wohnungsmärkte in den östlichen Ländern noch gar nicht erreicht. Die demographische Entwicklung und die Trends der Bevölkerungsverschiebung innerhalb und zwischen den Regionen machen deutlich: Die Probleme, die durch die Entleerung von Städten und Regionen entstehen, werden zunehmen (vgl. Schlömer, 2006, S. 39 ff.; Empirica/DKB/Simons et al., 2005) [1]. Die betroffenen Wohnungsanbieter können nicht davon ausgehen, dass es sich bloß um eine vorübergehende Erscheinung handelt. Die Reduktion des Wohnungsangebots durch Abrisse (und andere Maßnahmen, mit denen Wohnungen vom Markt genommen werden), muss in Regionen mit Bevölkerungsrückgang auch künftig weitergehen – ob mit oder ohne Subvention – nicht nur in den neuen Ländern und auch über das laufende Bundesprogramm Stadtumbau-Ost hinaus. Die Bundesregierung hat zunächst mit der Einsetzung der Expertenkommission (vgl. Pfeiffer et al., 2000) [2] und nach der Vorlage von deren Bericht mit dem Subventionsprogramm Stadtumbau-Ost reagiert. Ziel dieses Programms ist es, zum einen Rückbau (und das ist im Wesentlichen Abriss) von Wohngebäuden zu subventionieren, zum anderen Wohngebiete sowie insbesondere Innenstädte aufzuwerten. Als Auftakt diente ein Wettbewerbsprogramm, in dessen Rahmen den Kommunen Mittel zur Verfügung gestellt wurden, um integrierte städtebauliche und wohnungswirtschaftliche Konzepte für den Stadtumbau/Stadtrückbau zu entwickeln. Der Wettbewerb wurde 2002 abgeschlossen. Außerdem wurden bis Ende 2004 eine Investitionszulage für Maßnahmen an Gebäuden in Sanierungs-, Erhaltungs- und Kerngebieten gewährt und Zuschüsse für die Wohnungseigentumsbildung in Innenstädten bei gleichzeitiger Modernisierung.

232

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

In den jetzt noch laufenden Teilen des Programms gibt es Zuschüsse für Rückbauund Aufwertungsmaßnahmen: Der Bund gewährt 30,00 EUR pro m² zurückzubauender Wohnfläche und in mindestens gleicher Höhe Zuschüsse für Aufwertungsmaßnahmen; die Mittel müssen in mindestens gleicher Höhe aus Mitteln der jeweiligen Bundesländer aufgestockt werden (tatsächlich werden aufgrund einer Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern ca. 56 % der Mittel für Rückbau und 44 % für Aufwertung eingesetzt; vgl. Gleicke, 2004, S. 8) [3]. Bereits zum 1.9.2000 wurde das Altschuldenhilfe-Gesetz (AHG) von 1993 um den § 6a ergänzt, nach dem die Bundesregierung weitere Altschuldenentlastung gewähren kann. „Altschulden“ sind Mittel, die die DDR-Staatsbank zur Finanzierung des Wohnungsbaus ausgereicht hatte. Sie wurden von den meisten Wohnungsunternehmen auf der Basis des AHG als Verbindlichkeit anerkannt. Im Gegenzug wurden den Unternehmen diese Schulden per 1.7.1995 bis auf einen Sockelbetrag von 150,00 DM/m² Wohnfläche erlassen. Aufgrund des § 1 Abs. 2 der Altschuldenhilfeverordnung vom 15.12.2000 werden Wohnungsunternehmen auf Antrag (der bis Ende 2003 zu stellen war) für Wohnungen, die sie dauerhaft vom Markt nehmen, die Altschulden unter bestimmten Voraussetzungen ganz erlassen. Im folgenden Beitrag werden ausschließlich ökonomische Aspekte des Wohnungsabrisses thematisiert, nicht etwa deshalb, weil der Autor der Auffassung wäre, der Ökonomie gebühre der Primat bei Entscheidungen und Prozessen des Stadtumbaus, eher im Gegenteil: Erst ein genaues Verständnis der ökonomischen Aspekte ermöglicht eine sachkundige Diskussion der unterschiedlichen Ziele und Interessen, die berücksichtigt und zu einem tragfähigen Kompromiss geführt werden müssen. Denn Stadtumbauprozesse sind in den allermeisten Fällen konflikthaft: Selten werden Ziele der räumlichen Struktur und Gestalt der Stadt, des Denkmalschutzes, der verschiedenen Infrastruktursektoren, der unterschiedlichen Nutzergruppen und der beteiligten Haus- und Grundstückseigentümer identisch sein. Kompromisse aber gelingen nur dann, so die feste Überzeugung des Autors, wenn alle Beteiligten die Rahmenbedingungen ihres Handelns und ihre Interessen selber genau kennen und für die anderen Beteiligten transparent und nachvollziehbar darlegen können. Nur so können an die Stelle der oft beobachteten gegenseitigen Verdächtigungen und Blockaden rationale Verhandlungen und am Ende allseitig akzeptierte Lösungsvorschläge stehen. Die Ökonomie des Stadtumbaus wird im Folgenden aus zwei Perspektiven betrachtet. Im ersten Abschnitt (Abschnitt 2.2) steht die unternehmerische Entscheidung, welche Objekte für einen Abriss in Frage kommen, im Mittelpunkt, die Argumentation folgt also einer betriebswirtschaftlichen Sichtweise. Diese Entscheidung muss von den jeweiligen Haus- und Grundstückseigentümern, vor allem von den auf dem jeweiligen lokalen Markt agierenden Wohnungsunternehmen besser fundiert werden, als bisher weithin üblich. Hierfür wird ein Algorithmus einer rein finanzwirtschaftlich bestimmten Abrisspriorität entwickelt. Im zweiten Abschnitt (Abschnitt 2.3) stehen der jeweilige lokale Markt im Zentrum der Betrachtung und die Frage, wie ein Interessenausgleich zwischen verschiedenen

2 Ökonomie des Stadtumbaus

233

Wohnungsanbietern organisiert werden kann. Ein solcher Interessenausgleich ist immer dann nötig, wenn der Stadtumbau auf einem lokalen Markt einige Anbieter begünstigt und andere benachteiligt. Der zweite Abschnitt folgt also einer volkswirtschaftlichen Sichtweise.

2.2

Betriebswirtschaftliche Vorteilhaftigkeit von Wohnungsabrissen

Weder der Leerstand eines Objektes noch die Abrisskosten stellen für sich genommen ein belastbares Kriterium der betriebswirtschaftlichen Entscheidung für oder gegen den Abriss eines bestimmten Wohngebäudes dar. Aus Sicht der Finanzwirtschaft eines Wohnungsunternehmens ist das Ziel klar: Ein Abriss ist nur dann sinnvoll, wenn sich die Zahlungsfähigkeit (Liquidität) des abreißenden Unternehmens dadurch verbessert. Die Zahlungsfähigkeit (Liquiditätsebene) und nicht etwa die Frage nach Gewinn oder Verlust (Vermögensebene) steht deshalb im Mittelpunkt, weil gerade in Regionen mit Wohnungsüberangebot und somit Leerstand die Zahlungsfähigkeit vieler Wohnungsunternehmen bedroht ist. Und Zahlungsunfähigkeit oder drohende Zahlungsunfähigkeit sind die weit überwiegenden Gründe für Unternehmensinsolvenzen. Daher wird im Folgenden ein vorwiegend finanzwirtschaftlich determinierter Algorithmus für die betriebliche Entscheidung über Abrissprioritäten dargelegt. Der Algorithmus beruht zunächst auf einer Betrachtung der einzelnen Objekte. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob sich nach einem Abriss die laufende Liquidität des abreißenden Unternehmens verbessert; nur dann ist ein Abriss überhaupt betriebswirtschaftlich in Erwägung zu ziehen. In einem zweiten Schritt wird der Abriss als Investition betrachtet. Es mag überraschen, Abrisse nicht als Desinvestition aufzufassen. Aber formal ist Investition als Zahlungsreihe definiert, die mit einer Auszahlung beginnt, auf die Einzahlungen folgen. Ein Abriss verursacht Auszahlungen (Abrisskosten), auf die zwar keine Einzahlungen, wohl aber geringere Defizite folgen. Somit können Methoden der Investitionsrechnung angewendet werden, um zu entscheiden, ob ein Abriss vorteilhaft ist. Mithilfe der dynamischen Amortisationsrechnung wird daher im zweiten Schritt ermittelt, nach welcher Zeit sich die Abrissausgabe durch ein nach dem Abriss verringertes Defizit amortisiert. Abrisse mit der kürzesten Amortisationsdauer sind die relativ vorteilhaftesten. So lässt sich eine rein finanzwirtschaftliche Priorität abzureißender Objekte aufstellen. Danach muss dann auf der Ebene des Unternehmens geprüft werden, welche Mittel zur Verfügung stehen oder beschafft werden können, um ein entsprechendes Abrissprogramm zu finanzieren. Dies wird vielfach den Engpass darstellen. Daher wird der Zeitraum für ein Abrissprogramm von der Finanzierbarkeit bestimmt. Diese drei Schritte stellen einen Algorithmus für Erarbeitung und Controlling eines finanzwirtschaftlich determinierten Abrissprogramms dar.

234

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Damit sind allerdings nur die harten Faktoren berücksichtigt. Qualitative Aspekte können in einem vierten Schritt über eine Portfolio-Analyse einbezogen werden, die in vielen Unternehmen vorliegt. Sie muss mit den Ergebnissen der finanzwirtschaftlichen Analyse abgeglichen werden. Abbildung 2-1 zeigt schematisch den entwickelten Algorithmus für Abrissentscheidungen und ein Abrissprogramm.

Unternehmen Liquiditätsbeitrag II vor Abriss < nach Abriss ? Aktiv vermieten

nein

ja

Abrissausgabe Kalkulationszinz

Objekte Abb. 2-1

Liquiditätsplanung

Abrisspriorität

Jahrestranchen

Abrissprogramm

Nachfrage / Markt

Portfolioanalyse

abgleich

Finanzwirtschaftlich bestimmter Algorithmus für Abrissentscheidungen (eigene Darstellung)

Der entwickelte Algorithmus wird in einer Untersuchung anhand modellhafter Fälle überprüft. Um der unterschiedlichen Ausgangslage der Objekte gerecht zu werden, werden folgende Parameter variiert: -

Altschuldenhilfe gemäß AHG § 6a und Rückbauzuschuss werden gewährt/ nicht gewährt, außer den Altschulden hat das Objekt hohe/geringe/keine Neuverschuldung zu tragen, die Kosten des technischen Abrisses sind hoch/niedrig.

Daraus ergeben sich zwölf Fallkonstellationen A bis M (vgl. Baumdiagramm in Abb. 2-2), die in Modellrechnungen analysiert werden, anhand branchenüblicher Berechnungsparameter (Miete, Betriebskosten, Instandhaltungskosten, Nebenkosten von Rückbaumaßnahmen etc.), die nicht weiter variiert werden.

2 Ökonomie des Stadtumbaus

235 keine

ja

gering hoch

Variable für Beispielfälle

keine nein

Altschuldenhilfe und Rückbauzuschuss werden gewährt

gering hoch

niedrig A hoch B niedrig C

Altschuldenhilfe, keine Neukredite, niedrige Abrisskosten

hoch D niedrig E hoch F niedrig G hoch H niedrig

I

hoch K niedrig L hoch M

keine Altschuldenhilfe, hohe Neukredite, hohe Abrisskosten

Neukredite Abrisskosten

Abb. 2-2

Baumdiagramm – Variation der Berechnungsparameter

2.2.1 Veränderung des Liquiditätsbeitrags durch Abriss Im ersten Schritt ist zu ermitteln, wie sich der Liquiditätsbeitrag durch einen Abriss verändert: Es entfallen die Mieteinnahmen der noch bewohnten Wohnungen, andrerseits die Betriebs-, Instandhaltungs- und Verwaltungskosten. Außerdem entfällt der Kapitaldienst für die Altkredite, sofern Altschuldenentlastung nach AHG § 6a gewährt wird. In geringem Umfang wird es auch nach einem Abriss noch laufende Ausgaben für das abgeräumte Grundstück geben: Die – reduzierte – Grundsteuer und Verwaltungs- und Pflegekosten, beispielsweise wenn das abgeräumte Grundstück begrünt wird. Hinsichtlich weiterer Kreditbelastungen („Neukredite“) wird aus systematischen Gründen zunächst davon ausgegangen, dass diese im Zuge des Abrisses zurückgeführt werden. In der Praxis werden sie oft stehengelassen und umbesichert. Diese Alternative wird im zweiten Schritt berücksichtigt. Durch den Abriss entstehen zusätzliche laufende Einnahmen, wenn die noch in einem abzureißenden Objekt wohnenden Mieter in andere – leerstehende – Wohnungen des abreißenden Unternehmens umziehen. In der Praxis können durch aktives Umzugsmanagement zwischen 66 % und 93 % der Mieter abzureißender Gebäude im Unternehmen gehalten werden, sofern das Unternehmen ausreichend leerstehende, attraktive Wohnungen anbieten kann (vgl. Weeber und Partner/ Lindner et al., 2004, S. 52) [4]. Die wohnungsbezogenen laufenden Ausgaben der neuen Wohnung (Instandhaltung, Verwaltung, Bewirtschaftungskosten und Kapi-

236

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

taldienst) entstehen sowieso. Die Mieterlöse aus den Umsetzungswohnungen stellen also in vollem Umfang eine Verbesserung des Cash Flow dar, laufende Ausgaben der neuen Wohnung sind nicht abzusetzen. Auf dieser Grundlage wird die Veränderung des Liquiditätsbeitrags durch den Abriss berechnet. Der Liquiditätsbeitrag vor und nach einem Abriss ist das Kriterium im ersten Entscheidungsschritt: Selbst wenn beide Liquiditätsbeiträge negativ sein sollten – was der Fall sein kann – so sollte doch der Liquiditätsbeitrag nach Abriss größer sein (ggf. ein geringerer negativer Betrag) als vorher (LB nach – LB vor > 0). Im umgekehrten Fall verringert der Abriss die Liquidität des Unternehmens auf Dauer und muss unterbleiben. Die Veränderung des Liquiditätsbeitrags durch einen Abriss hängt hauptsächlich von folgenden Variablen ab: -

Kapitaldienst, dieser korreliert mit der Höhe der Kreditbelastung, Leerstandsquote, Verbleibensquote, das ist der Anteil der Mieter eines noch teilweise bewohnten, abzureißenden Objekts, der im Unternehmen verbleibt (d. h. in eine andere leerstehende Wohnung des gleichen Unternehmens umzieht).

Für jedes Objekt kann ermittelt werden, bei welcher Kombination von Kapitaldienst/Kreditbelastung, Leerstandsquote und Verbleibensquote LB vor Abriss = LB nach Abriss gilt. Auf dieser Linie ist das Unternehmen bezüglich der Abrissentscheidung indifferent. Die Abbildung 2-3 zeigt diese Indifferenzlinien für drei typische Fälle. Rechts oberhalb der Indifferenzlinie verbessert ein Abriss den laufenden Liquiditätsbeitrag, links unterhalb verschlechtert er ihn. Objekte, die aufgrund ihrer Bewirtschaftungsdaten links unterhalb ihrer jeweiligen Indifferenzlinie einzuordnen sind, dürfen also nicht abgerissen werden. Abbildung 2-3 zeigt auch, dass Objekte mit geringer Verschuldung in der Regel die Cash Cows darstellen; nicht immer ist ein hoher Leerstand alleine schon ein Indiz pro Abriss. Nebenbei zeigt die Untersuchung auch: Der Vorteil eines Abrisses ist umso größer, je höher der Leerstand ist. Es ist nicht das Gleiche, ob zwei Objekte je 50 % Leerstand haben oder eines 100 % und das andere 0 %. Eine geringe Leerstandsquote, die sich aber über den ganzen Bestand eines Unternehmens verteilt, ist keineswegs „nicht so schlimm“, im Gegenteil: Konzentrierter Leerstand und Abriss des leerstehenden Objekts ist besser als gleichmäßig verteilter Leerstand.

Verbleibensquote

2 Ökonomie des Stadtumbaus

237

100 % Abriss verbessert Cash flow

75 %

50 % Abriss verschlechtert 0% Cash flow 0%

0%

13 % Alt- und hohe Neukredite

Abb. 2-3

25 %

38 %

50 %

Alt- und niedrige Neukredite

63 % 75 % Leerstandsquote nur Altkredite

Indifferenz zwischen Abriss und weiterer Bewirtschaftung in Abhängigkeit von Leerstand, Verbleibensquote und Schuldendienstbelastung (eigene Darstellung)

2.2.2 Amortisation der Abrissausgaben Im zweiten Schritt wird ermittelt, in welchem Zeitraum sich die Ausgabe für den Abriss durch die Verbesserung der Liquidität amortisiert. Die Ausgaben für einen Abriss bestehen -

aus den technischen Kosten der Abbruchmaßnahmen einschl. Planung, Genehmigung, Entsorgung u. s. w., aus der Rückführung von objektbezogenen Darlehensvaluten (die hier systematisch einzubeziehen sind, auch wenn praktisch anders verfahren wird), ggf. zuzüglich Vorfälligkeitsentschädigung, ggf. aus Ablösebeträgen für laufende Ver- und Entsorgungsverträge, aus den Kosten der Mieterumsetzung, aus den Kosten des Rückbau-Managements.

Entscheidend ist, welchen Teil der Abrissausgabe das Unternehmen (ggf. nach Abzug von Altschuldenhilfe und Rückbauzuschuss) zu tragen hat. Dieser Betrag muss aus Krediten oder Eigenmitteln finanziert werden. Wenn objektbezogene Kredite nicht zurückgeführt sondern nur umbesichert werden, stellt das systematisch eine (teilweise) Kreditfinanzierung dar. Die Abbildung 2-4 zeigt die Beispielfälle geordnet nach der Höhe der vom Unternehmen zu tragenden Abrissausgaben.

238

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen Abrisskosten A B C D G H I K E F L M

Neukredite

AHG

0 +

0 -

+ -

-1.000.000 -500.000 0 Beim Unternehmen verbleibende Abrissausgabe

Abb. 2-4

Vom Unternehmen zu tragende Abrissausgaben (eigene Darstellung)

Nur unter besonders günstigen Umständen übersteigen die staatlichen Beihilfen die Abrissausgabe (Fall A), in allen anderen Fällen, in denen auch nur eine der günstigen Bedingungen nicht erfüllt ist, entstehen dem Unternehmen mehr Abrissausgaben, als durch Subventionen gedeckt sind. Die Entscheidung über die Abrisspriorität richtet sich aber nicht nach der Höhe der Abrissausgaben, sondern nach der Relation zwischen Verbesserung der laufenden Liquiditätsbeiträge (Schritt 1) und Abrissausgabe. Ob diese Relation günstig ist, kann durch eine dynamische Amortisationsrechnung geklärt werden. Das Ergebnis einer dynamischen Amortisationsrechnung wird bestimmt durch den zu wählenden Kalkulationszinsfuß; dessen Höhe muss wohlbegründet sein. Im Falle einer Fremdmittelfinanzierung kommen übliche Zinssätze für Baudarlehen (aktuell etwa 4 %) in Frage. Falls keine Sicherheiten vorhanden sind, wären höhere Zinssätze realistisch. Bei Eigenmittelfinanzierung ist die erwartete bzw. unternehmensübliche Eigenkapitalrendite anzusetzen. Von Leerstand betroffene Wohnungsunternehmen erzielen häufig eine Eigenkapitalverzinsung in der Gegend von 0 (vgl. Zusammenstellung in: Immobilien und Finanzierung, Heft 9/2005, S. 319) [5]. Daher ist auch eine Amortisationsrechnung mit 0 % Verzinsung realitätsnah. Die Amortisationsdauer ist das Entscheidungskriterium: Amortisationszeiten von bis zu fünf Jahren sind angemessen. Auch längere Zeiträume, sofern sie die Restlaufzeit der auf dem jeweiligen Objekt lastenden Kredite nicht übersteigen, sind

2 Ökonomie des Stadtumbaus

239

noch akzeptabel. Mehr als zwanzig Jahre sind inakzeptabel: Eine Verbesserung der Unternehmenslage sollte dann geschafft sein – oder sie ist aussichtslos. Für die Fallkonstellationen B bis M sind Amortisationsdauern mit den Kalkulationszinssätzen 4 % und 0 % berechnet. Da die Höhe des Liquiditätsbeitrags nach Abriss von der Leerstandsquote und der Verbleibensquote abhängt, ergeben sich verschiedene Amortisationszeiträume abhängig von Leerstands- und Verbleibensquote. Bei einem Kalkulationszinssatz > 0 gibt es Situationen, in denen der Liquiditätsbeitrag nicht einmal die Verzinsung deckt und somit keine Amortisation möglich ist, während bei einem Zinnsatz von 0 % lediglich extrem lange Amortisationszeiten entstehen können. Abbildung 2-5 zeigt die Gegenüberstellung von Abrissausgaben (linke Hälfte) und Amortisationszeiten (rechte Hälfte). Es wird deutlich, dass die Höhe der Abrissausgabe alleine kein Kriterium für die Ermittlung der Abrisspriorität darstellt. Fälle geringerer Abrissausgaben können zugleich längere Amortisationszeiten erfordern (man vergleiche H, I und K mit E und F). A B C D G H I K E F L M -1.000.000

-500.000

Beim WU verbleibende Ausgaben

Abb. 2-5

0

0

15

20

Amortisationszeit in Jahren bei Kalkulationszins 4%

0%

5

10

Amortisation der Abrissausgabe durch verbesserte Liquidität nach Abriss bei 50 % Leerstand und 75 % Verbleibensquote (eigene Darstellung)

Unter den Objekten, für die das Liquiditätskriterium des ersten Schritts (LB nach > LB vor) erfüllt ist, ist die Priorität entsprechend der Amortisationsdauer festzulegen: Objekte mit dem kürzesten Amortisationszeitraum erhalten höchste Priorität.

240

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Bei akzeptablen Amortisationszeiten ist ein Abriss gegenüber der weiteren Bewirtschaftung vorteilhaft. Dies sind in Abbildung 2-5 beispielsweise die Fälle B bis C, also bei Altschuldenhilfe und Rückbauzuschuss sowie ohne sonstige Kreditbelastung bzw. mit nur geringer sonstiger Kreditbelastung und geringen Abrisskosten. Für einen Abriss können unter Umständen noch die Fälle D, G, E und F in Frage kommen, das sind die Fälle, in denen ebenfalls Altschuldenhilfe gewährt wird oder – Fall G – in denen keine Altschuldenhilfe gewährt wird, aber die übrigen Bedingungen günstig sind. In den Fällen H bis M kommt wegen der langen Amortisationszeit kein Abriss in Frage. Die bisherigen Überlegungen unterstellen, dass das Wohnungsunternehmen insgesamt einen positiven Cash Flow erwirtschaftet. Der objektbezogene Liquiditätsbeitrag nach Abriss setzt sich ja zusammen aus einer Verringerung der Unterdeckung infolge des Abrisses eines defizitären Objekts und einer Erhöhung des liquiden Überschusses anderer Objekte durch Umsetzung der im Unternehmen verbleibenden Mieter. Wenn diese Verbesserung der Liquidität lediglich ein im restlichen Bestand erwirtschaftetes Defizit verringert, treffen die Überlegungen zur Amortisation der Abrissausgabe nicht zu. Dann „versinkt“ der Liquiditätsbeitrag nach Abriss im Defizit des Gesamtbestands, ohne dass damit zusätzliche Abrissausgaben amortisiert werden können. Dies dürfte eine aussichtslose Lage sein, die höchstens durch Zuführung frischen Geldes (z. B. durch den Gesellschafter) gelöst werden kann oder aber in die Insolvenz führt. Wenn der Liquiditätsbeitrag nach Abriss zumindest aus einer „schwarzen Null“ einen positiven Cash Flow macht, und bei einer kalkulatorischen Verzinsung von ca. 4 % akzeptable Amortisationszeiträume erreicht werden, müsste eine Finanzierung der Abrissausgabe aus Fremdmitteln beim heutigen Zinsniveau möglich sein, zumindest theoretisch! In diesem Fall ist eine Fremdfinanzierung für das Unternehmen vorteilhaft – entgegen dem Grundsatz, dass Desinvestitionen nicht fremdfinanziert werden sollen. Denn die Abriss-Investition trägt dann zur Verbesserung des Cash Flow bei. Die Amortisationsdauer sagt nichts darüber aus, ob die Mittel für den Abriss tatsächlich zur Verfügung stehen. Dies ist nicht objektbezogen, sondern unternehmensbezog zu erörtern. Vorhandene liquide Eigen- oder Fremdmittel werden in vielen Fällen den Engpass darstellen, der das Volumen eines Abrissprogramms bestimmt. In einem dritten Schritt müssen die ermittelten Abrissprioritäten also in ein zeitlich gestuftes Abrissprogramm übersetzt werden, dessen Jahresscheiben entsprechend den vorhandenen oder beschaffbaren Mitteln dimensioniert werden. Theoretisch müsste die Aussicht auf eine mittelfristig verbesserte Zahlungsfähigkeit auch die Bonität eines Unternehmens verbessern und zusätzliche Finanzierungsspielräume für Abrisse eröffnen. Praktisch wird hierfür noch Überzeugungsarbeit bei den Banken nötig sein.

2 Ökonomie des Stadtumbaus

2.3

241

Interessenausgleich zwischen den beteiligten Wohnungsunternehmen

Wenn Wohnungsabrisse erforderlich sind, um den Leerstand zu beseitigen, dann sollten sie möglichst effizient erfolgen, das heißt, -

es sollten genau so viele Wohnungen abgerissen werden, dass am Ende ein ausgeglichener Wohnungsmarkt entsteht und es sollten diejenigen Wohnungen abgerissen werden, deren Abriss die geringsten volkswirtschaftlichen Kosten bzw. den größten volkswirtschaftlichen Nutzen produzieren.

Ein funktionierender Markt löst derartige Effizienzprobleme dann, wenn Unternehmungen Güter produzieren, deren Produktionskosten durch den Marktpreis gedeckt sind. Jeder Produzent ist dann geneigt, seine Produktion so lange zu steigern, bis der Preis gerade die Kosten der „letzten produzierten Einheit“ deckt (Grenzkosten = Preis). Sputek und Grunow (in: Immobilien und Finanzierung, Heft 4/2004, S. 114 ff.) [6] haben in einem interessanten Aufsatz dieses Modell auf das Problem der effizienten Wohnungsabrisse übertragen. Man kann sich vorstellen, dass die „Außer-Betrieb-Setzung“ von Wohnungen ein Gut darstellt, aber es gibt keinen Marktmechanismus, mit dem sich ein Preis für dieses Gut herausbilden könnte, denn niemand (außer dem Staat im Rahmen des Programms Stadtumbau-Ost) zahlt etwas dafür, dass Wohnungen außer Betrieb gesetzt werden. Dennoch erzielt das abreißende Unternehmen einen Nutzen in Form verringerter Verluste (und langfristig stabiler oder vielleicht gar steigender Mieten im verbleibenden Bestand). Aus Sicht des einzelnen Unternehmens sind Abrisse so lange effizient, so lange die Kosten des Abrisses einer Wohnung den Nutzen des Abrisses nicht übersteigen (Grenzkosten ≤ Grenznutzen). Jedes Unternehmen hat eine andere Kostenstruktur sowohl hinsichtlich der Abrisskosten als auch hinsichtlich der Bewirtschaftungskosten. Daher führen einzelwirtschaftlich effiziente Wohnungsabrisse keineswegs stets dazu, dass gerade so viele und gerade diejenigen Wohnungen abgerissen werden, deren Abriss für den lokalen Markt insgesamt („gesamtwirtschaftlich“) effizient wäre. Hinzu kommt, dass Wohnungsabrisse externe Effekte produzieren: Der Nutzen eines Abrisses kommt nicht vollständig dem abreißenden Unternehmen zugute. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es gelänge, alle Mieter aus Abrissobjekten in leerstehende Wohnungen des abreißenden Unternehmens umzusetzen. Ein Teil des Nutzens fließt den Konkurrenten zu, die ihre Wohnungen an Bewohner der abgerissenen Objekte absetzen (vermieten oder im Falle von Wohneigentum verkaufen) können. Außerdem stabilisieren Abrisse das lokale Mietpreisniveau insgesamt. An den Kosten des Abrisses sind die Konkurrenten demgegenüber nicht beteiligt. Der externe Effekt eines Abrisses kann theoretisch quantifiziert werden: Er besteht zum einen aus dem Überschuss, den andere Vermieter dadurch erzielen, dass sie

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C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

an Mieter aus dem abgerissenen Objekt vermieten und zum anderen aus dem Wert des vermiedenen Rückgangs des lokalen Mietniveaus infolge der Verknappung des Angebots (näheres zu externen Effekten der Immobilienbewirtschaftung bei Schmoll, 2005, S. 1190 ff.) [7]. Externe Effekte führen tendenziell zu Marktversagen: Wenn nicht der gesamte Nutzen eines Produkts mit dem Preis abgegolten ist und damit dem Urheber zufließt, wird auf zu geringem Niveau produziert, d. h. wenn nicht der gesamte Nutzen eines Wohnungsabrisses beim abreißenden Unternehmen verbleibt, wird dieses zu wenige Wohnungen abreißen. Dies lässt sich ganz konkret auch am Attentismus vieler Wohnungsunternehmen im Stadtumbauprozess beobachten – das Wort vom Mikado-Spiel hat die Runde gemacht: Wer sich zuerst bewegt, hat schon verloren. Abwarten, ob nicht die Konkurrenz zuerst abreißt und damit die Kosten des Außer-Betrieb-Setzens übernimmt und das eigene Unternehmen den Nutzen eines bereinigten Marktes abschöpfen kann, war und ist immer noch eine verbreitete und betriebswirtschaftlich kurzfristig rationale Strategie. Nur – gesamtwirtschaftlich ist sie ineffizient und zudem langfristig auch für das abwartende Unternehmen gefährlich: Es wird zu wenig abgerissen, vielleicht auch gar nichts, nämlich dann, wenn alle in einen solchen Attentismus verfallen. Gesamtwirtschaftliche Effizienz kann sich nur dann einstellen, wenn es gelingt, solche externen Effekte zu internalisieren, d. h. dafür zu sorgen, dass Kosten und Nutzen einer wirtschaftlichen Aktivität (möglichst) vollständig dem jeweiligen Urheber zugerechnet werden. Das Problem externer Effekte wird insbesondere in der Umweltökonomie diskutiert. In der dortigen Literatur werden fünf allgemeine Ansatzpunkte für die Internalisierung externer Effekte diskutiert: 1. 2. 3. 4. 5.

Ge- und Verbote, Anreize, Steuern/Abgaben und Subventionen, interner Ausgleich, Joint Ventures, handelbare Rechte bzw. Pflichten.

Ge- und Verbote stellen für das Problem der Wohnungsabrisse keinen gangbaren Weg dar. Das Rückbau- und Entsiegelungsgebot gemäß BauGB in § 179 ist hier nicht anwendbar. Subventionen stehen ja im Rahmen des Programms StadtumbauOst zur Verfügung; oben wurde allerdings gezeigt, dass sie die Ausgaben für einen Wohnungsabriss nur im allergünstigsten Fall vollständig kompensieren. Daher wurde für den Ausgleich auf der Ebene des lokalen Markts auch über eine kommunale Abrissabgabe nachgedacht: Eine Studie im Auftrag der brandenburgischen Landesregierung untersucht die Möglichkeiten, einen Lastenausgleich in Form einer kommunalen Abgabe einzuführen (vgl. BauGrund/in.nova, 2002) [8]. Zum einen ist jedoch überaus fraglich, ob überhaupt eine Rechtsgrundlage für eine solche Abgabe besteht (eine Kommune kann nicht für jeden beliebigen Zweck Abgaben erheben), zum anderen sind zusätzliche Belastungen, die ja von allen

2 Ökonomie des Stadtumbaus

243

Grundeigentümern in der Gemeinde zu tragen wären, gerade in Regionen mit Bevölkerungsrückgang als zusätzlicher negativer Standortfaktor abzulehnen. Es bleibt also die Frage, wie die unter 3. bis 5. aufgeführten Ansatzpunkte nutzbar gemacht werden können, um effiziente Wohnungsabrisse zu erreichen.

2.3.1 Interne Ausgleichszahlungen Ein externer Effekt ist dann internalisiert, wenn alle, die von einem positiven Effekt begünstigt sind, den Produzenten entschädigen, beispielsweise durch eine Ausgleichszahlung, bzw. wenn alle, die von einem negativen Effekt betroffen sind, vom Produzenten entschädigt werden. Wohnungsabrisse verursachen positive externe Effekte, die anderen Begünstigten müssten also an das abreißende Unternehmen einen Ausgleich zahlen. Ausgleichszahlungen können dann funktionieren, wenn die Zahl der vom externen Effekt Begünstigten überschaubar ist und wenn es entweder einen Anreiz oder eine durchsetzbare Pflicht zur Zahlung gibt. Außerdem muss das Problem der Höhe der Zahlung gelöst werden: Sie muss so hoch sein, dass der Vorteil bei den Begünstigten abgeschöpft und dem Produzenten zugeführt wird. Bei einer geringen Zahl Beteiligter könnte eine solche Lösung im Wege von Verhandlungen erreicht werden. Ein Ausgleich zwischen den beteiligten großen Wohnungsunternehmen ist möglich, wenn eine begrenzte Zahl das lokale Wohnungsangebot dominiert. Im oben zitierten Beitrag schlagen Sputek und Grunow ein solches Modell vor: Die beteiligten Wohnungsunternehmen sollen sich auf ein gemeinsames Abrissprogramm (Zahl von Wohnungen, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums abzureißen sind) einigen. Die Abrisszahlen werden weder im Verhältnis der Größe der Unternehmen noch im Verhältnis der Leerstandszahlen aufgeteilt, sondern so, dass die Wohnungen mit den geringsten Kosten des Außer-Betrieb-Setzens abgerissen werden. Die beteiligten Unternehmen haben also in unterschiedlichem Maß Kosten zu tragen. Dafür wird eine interne Ausgleichszahlung vereinbart. Der Vorschlag ist interessant, aber noch nicht so ausgearbeitet, dass er umsetzbar wäre. Folgende Punkte müssen genauer bedacht werden: -

Was sind die Kosten der Außer-Betrieb-Setzung? Wie hoch ist ein fairer Ausgleichsbetrag? Wer ist beteiligt und welche Sicherheit gibt es, dass alle Beteiligten die Vereinbarung einhalten?

244

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Bei der Ermittlung der Höhe der Kosten sind die technischen Abbruchkosten und Positionen wie Mieterbetreuung und -umsetzung unproblematisch – sie fallen an und können konkret ermittelt werden. Problematisch sind aber -

die Höhe des Restwerts des abzureißenden Gebäudes und ggf. einer Wertminderung des Grundstücks und die Frage, ob und in welcher Höhe Darlehen aus der Finanzierung des abzureißenden Objekts zurückgeführt werden müssen.

Da beide Fragen unter anderem von der früheren Finanzierungs- und Bilanzpolitik des Unternehmens abhängen, sollten sie nicht in die Ermittlung der Abrisskosten eingehen. Die höchste gesamtwirtschaftliche Effizienz wird zwar erreicht, wenn die Objekte mit den geringsten Kosten (und nicht die mit den geringsten Ausgaben) außer Betrieb gesetzt werden. Der Zeitraum des gemeinsamen Abrissprogramms ist unter anderem unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit zu bestimmen, denn die Ausgaben für den Abriss müssen aus den ersparten Verlusten in Zusammenhang mit dem Objekt finanziert werden. Ferner ist die Sicherung der Zahlungsfähigkeit (Liquidität) während der Maßnahmen für den Investor von essentieller Bedeutung. Demnach sind die Objekte mit kürzester Amortisationszeit abzureißen. Für die Höhe des Ausgleichsbetrags, der von den anderen Unternehmen an das abreißende zu zahlen ist, kommen mehrere Bemessungsgrundlagen in Frage: -

die zusätzlichen Kosten, die das abreißende Unternehmen zu tragen hat, die zusätzlichen Ausgaben, die das abreißende Unternehmen zu tragen hat, der Vorteil (positiver externer Effekt), den die anderen Unternehmen durch den Abriss erzielen.

Modellhafte Berechnungen (vgl. Schmoll, 2006, S. 54 ff.) [8] zeigen, dass sich je nach Bemessungsgrundlage höchst unterschiedliche Höhen für Ausgleichszahlungen ergeben. Am sinnvollsten erscheint es, das abreißende Unternehmen nur in Höhe der Mietvorteile (d. h. der echten externen Effekte) zu entschädigen, die andere Unternehmen erzielen. Diese ergeben sich aus Mieteinnahmen von den Umsetzmietern aus den Abrissobjekten des abreißenden Unternehmens und aus der allgemeinen Stabilisierung des Mietniveaus. Eine solche Kompensation könnte in der Abtretung der Mietüberschüsse der anderen Unternehmen an das abreißende bestehen. Da das abreißende Unternehmen einen hohen Liquiditätsbedarf zum Zeitpunkt des Abrisses hat, wäre es fair, wenn die anderen Unternehmen den Barwert, der zu erwartenden Mietüberschüsse, als Einmalzahlung an das abreißende Unternehmen leisten. Auf der Grundlage kapitalisierter Mietüberschüsse wäre dann zwischen den Beteiligten die Höhe der Ausgleichszahlung auszuhandeln. Dabei sollten die Ausgleichsbeträge entsprechend dem Marktanteil verteilt werden, der sich für die am Abrissprogramm beteiligten Unternehmen nach Realisierung der Abrisse ergibt.

2 Ökonomie des Stadtumbaus

245

Eine Vereinbarung über ein gemeinsames Abrissprogramm hat nur dann Chancen auf praktische Realisierung, wenn es nur wenige Beteiligte gibt. Damit muss von vornherein darauf verzichtet werden, private Einzeleigentümer und Vermieter mit kleinen Beständen am internen Ausgleich zu beteiligen. Es muss dann akzeptiert werden, dass diese als „Trittbrettfahrer“ ebenfalls einen Teil des externen Effekts abschöpfen. Auch wird kaum vermeidbar sein, dass die Anbieter von Wohneigentum auf diesem Trittbrett mitfahren, denn stets wird es einige Mieter geben, die den bevorstehenden Abriss „ihres“ Wohngebäudes zum Anlass nehmen, ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung zu erwerben. Auch wenige Beteiligte werden sich auf ein gemeinsames Abrissprogramm nur dann einlassen, wenn sie sicher sind, dass die jeweils anderen Vertragspartner ihre Verpflichtung erfüllen. Verschiedene Sicherheiten dafür sind denkbar, insbesondere -

ein Städtebaulicher Vertrag nach BauGB § 171c, die Hinterlegung der vorab ermittelten Ausgleichszahlung bei einem Treuhänder, die Eintragung einer persönlich beschränkten Dienstbarkeit in den Grundbüchern der verbleibenden Objekte zugunsten der anderen Vertragspartei.

Mit jeder dieser Sicherheiten sind jedoch in der Praxis erheblich Probleme verbunden: Der öffentlich-rechtliche Städtebauliche Vertrag kommt nur zustande, wenn sich die Gemeinde beteiligt und er bezieht sich auf ein Stadtumbau-Gebiet. Effekte, die außerhalb des Gebiets auftreten, werden vom vertraglichen Ausgleich nicht erfasst. Der Vorteil besteht darin, dass seine Erfüllung verwaltungsrechtlich durchsetzbar ist. Durch Hinterlegung wird Liquidität gebunden, die dringend für den Abriss benötigt wird. Dingliche Belastungen, und seien sie auch nur in Abteilung II des Grundbuchs, verringern den Beleihungswert der Grundstücke und schmälern damit ebenfalls die Basis für Beschaffung liquider Mittel. Das Problem der Sicherheit für die Erfüllung einer Vereinbarung über ein Abrissprogramm mit Kompensationszahlungen ist in der Praxis schwer lösbar.

2.3.2 Stadtumbau-Gesellschaft Wenn wenige Beteiligte betroffen bzw. begünstigt sind, bietet es sich an, dass diese die entsprechende Produktion (hier: außer Betrieb setzen von Wohnungen) in ein gemeinsames Unternehmen (Joint Venture) auslagern, so dass alle Kosten und Nutzen im gemeinsamen Unternehmen verbleiben, und externe Effekte gar nicht entstehen. Die bereits da und dort diskutierte Stadtumbau-Gesellschaft ähnelt diesem Modell. Klarer Vorteil besteht darin, dass alle Teilhaber an der Erfüllung des Abrissprogramms schon aufgrund ihrer Beteiligung interessiert sind und sich damit die Frage von Sicherheiten nicht stellt. Allerdings gelingt es mit der Abrissgesellschaft nicht, alle externen Effekte zu internalisieren: Dies wäre nur dann möglich, wenn die Beteiligten mit ihrem Gesamtbestand fusionierten. Dies ist aber nicht nötig, um erfolgreich Stadtumbau zu betreiben. Es ist im Interesse eines

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C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

funktionierenden lokalen Wohnungsmarktes auch nicht wünschenswert und wäre kartellrechtlich wohl unzulässig. Außerdem ist eine Fusion zwischen (kommunalen) Gesellschaften und Genossenschaften äußerst problematisch. Ferner kann das Modell Stadtumbau-Gesellschaft das Trittbrettfahrer-Problem auch nicht lösen. Für das Modell Stadtumbaugesellschaft gibt es verschiedene Ausgestaltungsmöglichkeiten, deren Vorteile und Probleme unter anderem auch durch das Steuerrecht bestimmt sind. Grundsätzlich müssen die beteiligten Wohnungsunternehmen ihren „Abrissbestand“ einer solchen Gesellschaft übergeben. Wie im soeben diskutierten Modell muss auch hierzu ein Abrissprogramm festgelegt werden. Die Abrissgesellschaft wird Verluste erzielen, die die Muttergesellschaften zu tragen haben. Auch hier kann die Bemessungsgrundlage für die Verteilung der Verluste unterschiedlich ermittelt werden, wobei wiederum das Verhältnis der Marktanteile nach Abriss als fairste Lösung erscheint. Für die Abrissgesellschaft bieten sich mehrere gesellschaftsrechtliche Ausgestaltungsmöglichkeiten an: -

eine Kapitalgesellschaft, die Eigentümerin der Abrissobjekte wird (Stadtumbau-GmbH), eine Personengesellschaft, die Eigentümerin der Abrissobjekte wird (Stadtumbau-OHG), eine reine Betriebsgesellschaft, die Muttergesellschaften bleiben Grundeigentümer.

Eine Stadtumbau-Kapitalgesellschaft (z. B. als GmbH) kann als Sachgründung durch Einbringung der Abrissobjekte oder als Bargründung mit anschließendem Verkauf der Objekte an die GmbH erfolgen. Die Sachgründung erfordert eine Neubewertung der einzubringenden Grundstücke mit entsprechenden GutachterKosten. Außerdem können Buchgewinne oder -verluste bei den einbringenden Unternehmen entstehen, wenn der Verkehrswert vom Buchwert abweicht. Problematisch dürften in den hier diskutierten Fällen dabei weniger Buchgewinne sein (es wird wohl stets ausreichend Verluste geben, die die Aufdeckung stiller Reserven kompensieren), als Buchverluste, die zwar die Klarheit und Wahrheit der Bilanz verbessern, aber die Gefahr der Überschuldung des einbringenden Unternehmens heraufbeschwören könnten. Daher sind die Bargründung und die Übertragung der Objekte zum Buchwert vorzuziehen. Hierbei entstehen Gründungs- und Grundstücks-Übertragungskosten (Notar, Grundbuchamt, Handelsregister, Grunderwerbsteuer). Das Privileg grunderwerbsteuerfreier Fusionen gemäß § 4 Ziff. 8. GrEStG ist zum Jahresende 2006 ausgelaufen. Für die Gewerbesteuer kann die Stadtumbau-GmbH die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in Anspruch nehmen, wenn sie ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und keine anderen „schädlichen“ Geschäfte macht (Bauträgergeschäft ist unschädlich). Körperschaftsteuer dürfte angesichts der Verluste der Gesellschaft nicht anfallen. Nach Abschluss des Stadtumbaus ist die Gesellschaft Eigentümerin der abgeräum-

2 Ökonomie des Stadtumbaus

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ten Grundstücke. Um Grunderwerbsteuer bei Liquidation zu vermeiden, kann sie als Eigentümerin der abgeräumten Grundstücke fortbestehen. Die Stadtumbau-GmbH wird Grundstückseigentümerin, somit wird sie auch Sicherungsgeberin und Schuldnerin objektbezogener Darlehen. Die Darlehensgläubiger haben in diesem Fall nach BGB § 490 Abs. 1 ein außerordentliches Kündigungsrecht; die ganze Konstruktion kann also nur mit Einverständnis der Gläubigerbanken entstehen. Das Problem der Grunderwerbsteuer kann durch Gründung einer Personengesellschaft (z. B. Stadtumbau-OHG) vermieden werden. Gemäß GrEStG §§ 5 und 6 sind Grundstücksübertragungen auf eine und von einer Gesamthand (= Personengesellschaft) nicht der GrESt unterworfen, wenn das Beteiligungsverhältnis der einbringenden Gesellschafter dem Wertverhältnis der eingebrachten Grundstücke entspricht und wenn diese Beteiligungsverhältnisse mindestens fünf Jahre lang so aufrecht erhalten werden und auch nicht schon von Anfang an die Absicht bestand, sie später zu ändern. Auch die Auseinandersetzung bei Auflösung der Personengesellschaft ist grunderwerbsteuerfrei, wenn das Auseinandersetzungsguthaben entsprechend diesem Beteiligungsverhältnis aufgeteilt wird. Die Einbringung führt auch zu keinen Buchgewinnen oder -verlusten bei den einbringenden Unternehmen, da sie zu Buchwerten erfolgt (EStG § 6 Abs. 5 Satz 3 Ziff. 1.). Neben dem Gesellschaftsvertrag muss ein weiterer Vertrag über die Übernahme von Verlusten abgeschlossen werden, der sich nicht nach dem Beteiligungsverhältnis richtet, sondern nach den Marktanteilen der Gesellschafter nach Abriss, denn darin besteht ja der Ausgleichsmechanismus. Die Personengesellschaft verwaltet nur eigenen Grundbesitz, unterliegt also nicht der Gewerbesteuer. Sie ist steuerlich „transparent“, das heißt, Gewinne und Verluste werden den Muttergesellschaften zugewiesen. Auch die Stadtumbau-OHG wird Grundstückseigentümerin sowie Sicherungsgeberin und Darlehensschuldnerin; auch diese Konstruktion kann also nur unter Mitwirkung der Gläubigerbanken entstehen. Bei der Gründung der Stadtumbau-Betriebsgesellschaft (Kapital- oder Personengesellschaft) wird kein Grundeigentum übertragen, Kosten des Eigentumswechsels und Grunderwerbsteuer fallen nicht an. Die Betriebsgesellschaft ist Pächterin der Abrissobjekte. Um verdeckte Gewinnausschüttungen zu vermeiden, entspricht die Pacht den Mietüberschüssen; wenn keine Überschüsse entstehen, so verbleibt ein symbolischer Pachtbetrag. Zugleich übernehmen die verpachtenden Wohnungsunternehmen vertraglich die Verluste (vorzugsweise im Verhältnis ihrer Marktanteile nach Abriss), schon um die Insolvenz der Betriebsgesellschaft zu vermeiden. Diese Verlustübernahme stellt zugleich den Ausgleich externer Effekte zwischen den verpachtenden Muttergesellschaften dar. Die Stadtumbau-Betriebsgesellschaft ist grundsätzlich gewerbesteuerpflichtig, unabhängig davon, ob sie als Personen- oder Kapitalgesellschaft gegründet wird,

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C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

denn sie verwaltet nicht eigenes Vermögen. Aus dem gleichen Grunde kommt für sie die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags um Mieterträge nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht in Frage; anderseits fallen die gezahlten Pachten auch nicht unter § 8 Ziff. 7 GewStG, sind also dem Gewerbeertrag nicht hinzuzurechnen, da es sich um Pachtzinsen für Grundbesitz handelt. Damit dürfte der zu versteuernde Gewerbeertrag der Stadtumbau-Betriebsgesellschaft gegen null gehen. Die Gesellschafter der Betriebsgesellschaft bleiben als Grundstückseigentümer auch Vertragspartner und Sicherungsgeber der objektbezogenen Darlehen. Bei der Gründung ist also keine Mitwirkung der Gläubigerbanken erforderlich. Die Frage, ob und zu welchen Konditionen Kreditinstitute einem Abriss zustimmen, ist vielmehr zwischen jeder Muttergesellschaft und ihrer Bank individuell auszuhandeln. Das kann dazu führen, dass für die Abrissobjekte je nach Eigentümer unterschiedliche Konditionen anfallen. Nach Abschluss des Stadtumbaus kann die Betriebsgesellschaft liquidiert werden. Die Gesellschafter sind und bleiben Eigentümer der abgeräumten Grundstücke. Eine eventuell später sich eröffnende Verwertungsmöglichkeit der Grundstücke verbleibt ihnen. Im Modell der Besitzgesellschaft, sei es als Kapital-, sei es als Personengesellschaft, gibt es eine relativ große Sicherheit für die Erfüllung der gemeinsamen Abrissverpflichtung. Alle Beteiligten sind Gesellschafter und haben entsprechend Einfluss auf die Geschäftsführung, möglicherweise wählen sie eine Konstruktion, bei der sie auch alle an der Geschäftsführung beteiligt sind, oder sie bestellen einen Geschäftsführer, der das Vertrauen aller genießt. Die Hemmnisse für eine Liquidation der Gesellschaft, ehe sie ihre Aufgabe erfüllt hat, sind relativ stark. Die Auflösung verursacht die gleichen Kosten wie die Gründung (Rückübertragung der Grundstücke etc.). Daher dürfte das Risiko gering sein, dass ein Gesellschafter just zu dem Zeitpunkt ausscheidet, zu dem er alle Vorteile des Stadtumbaus abgeschöpft hat und ihm noch kaum oder keine Kosten entstanden sind. Ganz anders beim Modell der Betriebsgesellschaft: Der Pachtvertrag kann jederzeit ohne Aufwand gekündigt werden. Das Problem der Sicherheit für die Vertragserfüllung wird durch die Betriebsgesellschaft nicht gut gelöst.

2.3.3 Handelbare Rechte oder Pflichten Beim Modell des internen Ausgleichs durch Zahlungen (vgl. Abschnitt 2.3.2) ist die Höhe der Zahlung problematisch. Erstens können unterschiedliche Ansätze dafür gewählt werden, was zu entschädigen ist, zweitens kann es Differenzen über die Ziele für den Ausgleich geben, schließlich können unterschiedliche Eingangsgrößen für die Berechnung der Entschädigung angesetzt werden. Dies bleibt dem Verhandlungsgeschick und der Verhandlungsmacht der Teilnehmer überlassen – eine unbefriedigende Situation, denn das auf dem lokalen Markt besser positionierte Unternehmen wird seinen Vorteil ausspielen können. Ein Modell, bei dem sich ein Marktpreis für den Ausgleich herausbildet, ist aus der Umweltökonomie bekannt: Es werden handelbare Rechte oder Pflichten geschaffen und ein Markt oder eine Börse, auf denen sich Preise für den Kauf und Verkauf dieser Rechte bzw.

2 Ökonomie des Stadtumbaus

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Pflichten bilden können: das Modell der CO2-Immissionszertifikate entsprechend dem Kyoto-Klimaschutz-Abkommen. Dieses Modell lässt sich auf den Stadtumbau übertragen: Alle (oder alle größeren) Mietwohnungsanbieter eines lokalen Marktes verpflichten sich gemeinsam, eine bestimmte Menge Wohnungen (ausgedrückt in Wohneinheiten oder m² Wohnfläche) abzureißen. Zunächst wird die gemeinsame Abrissverpflichtung entsprechend dem Marktanteil der Teilnehmer vor Abriss aufgeteilt. Die Abriss-Prioritäten müssen (anders als beim Modell der Ausgleichszahlungen) nicht vorab bestimmt werden. Jeder Teilnehmer erhält für seinen nicht abzureißenden Bestand Zertifikate – ich nenne sie hier etwas umständlich aber deutlich: Abriss-Freistellungs-Zertifikate. Das Modell wird im Folgenden am Beispiel von vier beteiligten Unternehmen erläutert (Abb. 2-6). vereinbartes Abrissziel: 30 Objekte in 5 Jahren WU 2 Bestand 70 Objekte erhält 63 Zertifikate

WU 1 Bestand 40 Objekte erhält 36 Zertifikate

Teilnehmer bieten Zertifikate an oder fragen Zertifikate nach

WU 3 Bestand 90 Objekte erhält 81 Zertifikate

Abb. 2-6

Zertifikats„Börse“

WU 4 Bestand 100 Objekte erhält 90 Zertifikate

Ausgleich durch handelbare Rechte – Modell (Quelle: eigene Darstellung)

Die obige Abbildung zeigt das Modell anhand fiktiver, einfacher Zahlen: Vier Wohnungsunternehmen haben sich untereinander verpflichtet, insgesamt 10 % des gemeinsamen Bestands in fünf Jahren abzureißen. Unternehmen 1 wäre also entsprechend seinem Marktanteil zum Abriss von 4 Gebäuden verpflichtet und erhielte 36 Freistellungs-Zertifikate, Unternehmen 2 wäre zum Abriss von 7 Gebäuden verpflichtet und erhielte 63 Zertifikate, u. s. w. Jedes Unternehmen kann entscheiden, ob es entsprechend seiner Verpflichtung tatsächlich Wohnungen abreißt, oder ob es Freistellungs-Zertifikate von einem anderen Teilnehmer kauft und entsprechend weniger abreißt. Am Ende des Stadtumbau-Zeitraums, der vorher festgelegt wird, muss jeder Teilnehmer so viele Freistellungs-Zertifikate vorweisen, wie er Wohnungen (bzw. m² Wohnfläche) im Bestand hat. Dieses Ziel kann er entweder nur durch Abrisse, oder nur durch Erwerb von zusätzlichen Freistellungs-Zertifikaten oder aber durch eine Kombination von beidem erreichen.

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C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Für den Kauf jedes zusätzlichen Freistellungs-Zertifikats wird der Kaufinteressent höchstens so viel zu zahlen bereit sein, wie er durch den Abriss eines weiteren Objekts erspart – sonst könnte er auch selber abreißen. Ein Kaufinteressent gibt also einen „limitierten Kaufauftrag“ (in volkswirtschaftlicher Terminologie: „bis zur Höhe der Abriss-Grenzkosten preislimitierte Nachfrage“). Für den Verkauf jedes weiteren Freistellungszertifikats wird der Anbieter mindestens so viel verlangen, wie ihn der Abriss des nächsten Objekts kostet, denn er will aus dem Verkaufserlös ja mindestens die Abrisskosten bestreiten (limitierter Verkaufsauftrag bzw. auf die Höhe der Abriss-Grenzkosten preislimitiertes Angebot). Der Kaufpreis für ein Freistellungs-Zertifikat ist eine Ausgleichszahlung vom nicht abreißenden an das abreißende Unternehmen, deren Höhe sich auf dem Markt für diese Zertifikate herausbildet. Mit einem solchen marktförmigen Modell der Kompensation werden mehrere Probleme zugleich gelöst: -

-

Es werden die Objekte mit den geringsten Kosten für die Außer-BetriebSetzung zuerst abgerissen, denn jedes Unternehmen wird so lange Wohnungen abreißen, wie das günstiger ist, als der Zukauf von Zertifikaten. Jedes Unternehmen kann individuell entscheiden, wie viele und welche Objekte es abreißt, es bedarf keiner vorherigen Vereinbarung über ein konkretes Abrissprogramm, Flexibilität ist auch noch im Verlauf des StadtumbauProzesses gegeben; lediglich das Gesamtziel und der Zeitraum müssen vereinbart werden. Die Höhe der Ausgleichszahlung zwischen den Unternehmen muss nicht extern vorgegeben werden und ist auch nicht eine Frage der Verhandlungsmacht einzelner Teilnehmer, sondern bildet sich auf einem Markt.

Damit ein polypolistischer Markt für Freistellungs-Zertifikate entsteht, braucht es mehrere Teilnehmer, zwei oder drei lokale Wohnungsunternehmen reichen nicht aus. Wo aber die Strukturen der Bestände und der Unternehmen sehr unterschiedlich sind und mehrere Unternehmen einbezogen werden können, ist es ein Modell, das zu fairen Lösungen führen müsste. Um einen Marktpreis für die Zertifikate zu ermitteln, muss eine Art Börse organisiert werden und es muss mehrere Handelstage geben. Eine neutrale Person, eine Art amtlicher Kursmakler, könnte einen ersten Preis aufrufen, der ähnlich bestimmt sein kann, wie die oben beschriebene Ausgleichszahlung (vgl. Abschnitt 2.3.1). Dies ist aber nur eine Erleichterung für die Preisfindung am ersten Handelstag und keine zwingende Voraussetzung. Anschließend gibt es Kauf- und Verkaufsgebote, die über eine gewisse Bietzeit hinweg gesammelt werden, danach bestimmt der Kursmakler den Preis, bei dem die größte Zahl an Zertifikaten umgesetzt werden kann (gleichgewichtiger Preis). Die Preisbildung durch den „Kursmakler“ analog zum amtlichen Börsenkurs sei anhand des folgenden Modells (vgl. Tab. 2-1) verdeutlicht.

2 Ökonomie des Stadtumbaus

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Beispiel: jedes Unternehmen habe 15 potenzielle Abrissobjekte WU Nr. 1 2 3 4

AbrissZertiKosten fikate ges. z. A. von-bis 80 40 4 36 - 120 120 70 7 63 - 160 160 90 9 81 - 240 240 100 10 90 - 360 Objekte

Angebot

Nachfrage Kurs

Z

Z

11

min

max 4

80

7

120

Abriss

120

8

160

6

240

5

360

9

160

10

240

nach Handel Erlös

15

1.760

15

1.280

0

- 1.440

0

- 1.600

160

Ergebnis: Abrisskosten vorher min. 3.650, nacher min. 3.000

Tab. 2-1

Festsetzung des Kurses für Abriss-Freistellungs-Zertifikate (Quelle: eigene Darstellung)

Erläuterung zu Tabelle 2-1: Die vier Unternehmen aus Abbildung 2-6 haben jedes 15 Objekte, die grundsätzlich für den Abriss in Frage kommen könnten. Die Unternehmen sind in den Zeilen der Tabelle mit ihrem gesamten Bestand (Spalte „ges.“), ihrer Abrissquote („z. A.“) ihren Freistellungs-Zertifikaten (Differenz aus „ges.“ und „z. A.“) sowie den geschätzten Abrisskosten ihrer jeweiligen AbrissObjekte dargestellt. Nur wenn es unterschiedliche Abrisskosten gibt, ist ein Ausgleich notwendig. Die Abrisskosten zeigen Von-bis-Beträge, da jedes Unternehmen Objekte haben wird, deren Abriss mehr, und andere, deren Abriss weniger kostet. In der Spalte „Angebot“ ist für jedes Unternehmen mit „Z“ die Anzahl der Zertifikate angegeben, die es anbieten kann. Diese ergibt sich aus der Differenz seiner Abrissquote (Spalte „z. A.“) und den 15 potenziellen Abrissobjekten; Unternehmen 1 wird also maximal 11 Zertifikate anbieten, denn mehr als 15 Objekte seines Bestands kommen für einen Abriss nicht in Frage. Unter „min“ ist der Mindestpreis eingetragen, den es fordert, wenn es ein Zertifikat verkauft. Der Mindestpreis entspricht der Obergrenze der individuellen Abrisskosten: Nur wenn durch den Verkauf von Zertifikaten mehr erlöst wird, als ein Abriss maximal kostet, lohnt es sich, Zertifikate zu verkaufen und dafür zusätzliche eigene Objekte abzureißen. In der Spalte „Nachfrage“ ist dementsprechend unter „Z“ die Zahl der Zertifikate eingetragen, die das gleiche Unternehmen zukaufen würde, um weniger abzureißen; sie kann nicht höher sein, als seine Abrissquote (also gleich Spalte „z. A.“). Unter „max“ ist das Höchstgebot angegeben, das ein Unternehmen für den Zukauf zu zahlen bereit ist. Es entspricht der Untergrenze der individuellen Abrisskosten, denn das Unternehmen wird nicht mehr für ein Zertifikat zahlen, sondern dann lieber die eigenen Objekte kostengünstig abreißen. Aufgrund dieser Angebots-Nachfrage-Situation ermittelt der neutrale Kursmakler den Preis, bei dem die größte Zahl von Zertifikaten den Eigentümer wechselt; er ist in diesem

252

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Beispielfall 160. Bei einem Kurs von 160 verkauft Unternehmen 1 die 11 angebotenen Zertifikate, und zwar über seiner Mindestforderung von 120, nämlich zum Kurs von 160. Ferner verkauft Unternehmen 2 seine 8 angebotenen Zertifikate und erzielt seine Mindestforderung, die dem Kurs entspricht (jeweils grau hinterlegte Felder in der Spalte „Angebot“). Die Zertifikate werden von den Unternehmen 3 und 4 erworben, die nun entsprechend weniger (in diesem Fall gar nichts) abreißen müssen. Unternehmen 3 muss sein Höchstgebot von 160 zahlen, während Unternehmen 4 sein Höchstgebot von 240 nicht drangeben muss, da der Kurs nur bei 160 steht. In den beiden Spalten „nach Handel“ stehen die neuen Abrisszahlen und die Erlöse (bzw. negativ die Zahlungen) der am Handel beteiligten. Mit und ohne Zertifikatshandel werden 15 Objekte abgerissen. Vor dem Handel entstehen dafür aber mindestens Kosten in Höhe von insgesamt 3.650 (Zahl der Objekte „zum Abriss“ multipliziert mit den unternehmensindividuellen Mindest-Abrisskosten). Nach dem Handel entstehen nur Abrisskosten von 3.000 (bei Ansatz der individuellen Minimalkosten), nämlich jeweils 15 Objekte, einmal zu Abrisskosten von 80 (Unternehmen 1), dann zu Abrisskosten von 120 (Unternehmen 2). Die Kostenersparnis von 650 zeigt den Effizienzgewinn durch den Handel mit AbrissFreistellungs-Zertifikaten. Erst nach mehreren Handelstagen werden sich ausreichend Erfahrungen bei den Marktteilnehmern gesammelt haben, damit sich Preise (Kurse) herausbilden, die von allen als fair empfunden werden. Die Erfahrungen der Marktteilnehmer entstehen vor allem durch den Vergleich zwischen ihren unternehmensindividuellen Kosten der Außer-Betrieb-Setzung und den Preisen für Freistellungszertifikate, denn die Unternehmen müssen rational entscheiden können, ob sich eher der Abriss oder eher der Erwerb einer Freistellung lohnt. Die Handelstage müssen also entsprechend weit auseinander liegen, beispielsweise anfangs ein Jahr, später in kürzeren Abständen, damit die Unternehmen ihre jeweiligen Kosten der AußerBetrieb-Setzung vor dem nächsten Handelstag nachkalkulieren und ihr individuelles Höchstgebot sowie ihre individuelle Mindestforderung anpassen können. Die Handelstage müssen nicht vorab festgelegt werden, dies kann auch jeweils einzeln geschehen, wenn eine bestimmte Menge von Kauf- oder Verkaufsageboten vorliegt. Das Modell erscheint ungewöhnlich, es ist aber eine elegante Lösung für mehrere Probleme. Es kann erfolgreich sein, wenn sich einige Unternehmen darauf einlassen. Aber auch in diesem Modell bleibt das Problem der Sicherheit für die Erfüllung der gemeinsamen Abrissverpflichtung schwer lösbar. Für den Fall, dass am Ende des Stadtumbau-Zeitraums ein Teilnehmer weder seine Abrissverpflichtung erfüllt noch ausreichend Zertifikate zugekauft hat, können Sanktionen vereinbart werden. Aber die Fähigkeit der Teilnehmer, die Sanktionen ggf. zu leisten, müsste über einen längeren Zeitraum abgesichert werden, es entstehen die gleichen Probleme wie bei der Absicherung von Ausgleichszahlungen (vgl. Abschnitt 2.3.1). Auch bleibt das Trittbrettfahrer-Problem in diesem Modell ungelöst.

2 Ökonomie des Stadtumbaus

253

2.3.4 Die Modelle im Vergleich Die oben vorgestellten Modelle haben jeweils bestimmte Vor- und Nachteile – das eine ideale Modell gibt es nicht. In Tabelle 2-2 werden diese nochmals zusammengefasst. Typ

1 Abrissgebot

2

Kommunale Abgabe

Ausgleichs-

4

Stadtumbau-Gesellschaft

3 zahlungen

4a BesitzGmbH 4b BesitzOHG/KG 4c Betriebsgesellschaft

Zertifikats

5 handel

Tab. 2-2

Grundlagen

Art und Höhe des Probleme Ausgleichs

BauGB § 179

Anspruch des Betroffenen auf Übernahme des Grundstücks

nur in Sonderfällen anwendbar

Landesgesetz und kommunale Satzung

Grundbesitzabgabe und Rückbauzuschuss

fehlende Rechtsgrundlage; negativer Standortfaktor

Barwert der Mietüberschüsse

Sicherheit für Vertragserfüllung problematisch; Bemessung der Ausgleichszahlung schwierig; Trittbrettfahrer-Problem

Vertrag zwischen Unternehmen

Gesellschaftsvertrag, Verlustausgleichsvertrag, Grundstücksübertragung

Gesellschaftsvertrag, Verlustausgleichsvertrag

Verlustausgleich zwischen den Gesellschaftern entsprechend ihren Marktanteilen nach Abriss

Grunderwerbskosten; Grunderwerbsteuer; Gefahr von Buchverlusten; Trittbrettfahrer-Problem Grunderwerbskosten; Trittbrettfahrer-Problem Sicherheit für Vertragserfüllung problematisch; Trittbrettfahrer-Problem

keine praktischen ErfahVertrag über „Börsenkurs“ rungen; Rückbauvolumen der Freistellungs- Sicherheit für Vertragsund -zeitraum zertifikate erfüllung problematisch; Trittbrettfahrer-Problem

Modelle des Nachteilsausgleichs im Vergleich (Quelle: eigene Darstellung)

254

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Die Übersicht zeigt, jedes der Modelle birgt bestimmte Schwierigkeiten: Das Problem der Trittbrettfahrer kann nur durch die Kommunale Abgabe (Typ 2) gelöst werden, die rechtlich nicht zulässig sein dürfte, ganz von den Nachteilen einer zusätzlichen Abgabenbelastung in strukturschwachen Kommunen abgesehen. Öffentlich-rechtliche Regelungen (Typ 1 und 2) haben auch den Vorzug, dass der Staat bzw. die Kommune die Verpflichtungen durchsetzen kann, allerdings ist eine vertragliche Lösung (Typ 3) auf Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrags auf das Stadtumbaugebiet begrenzt. Bei privatrechtlichen Ausgleichsregelungen stellt sich das Problem der Vertragserfüllung, vor allem bei Modellen über Ausgleichszahlungen (Typ 3 und 5), egal ob die Beträge vertraglich vereinbart oder im Wege des Zertifikatshandels ermittelt werden: Die Erfüllung basiert auf gegenseitigem Vertrauen der Beteiligten, praktikable Sicherheiten gibt es nicht. Gleiches gilt für die Stadtumbau-Betriebsgesellschaft (Typ 4c). Dennoch scheint dieses Modell unter den Gesichtspunkten der Besteuerung und der Durchführungskosten als das günstigste. Besser abgesichert ist die Vertragserfüllung bei den Besitzgesellschaften (Typ 4a und 4b), wobei die Personengesellschaft aus steuerlichen Gründen zu bevorzugen wäre. Dennoch: Wenn die Struktur des Wohnungsbestands oder der Abrisskosten oder aber die Leerstandsquoten der auf einem lokalen Markt agierenden Wohnungsunternehmen sehr unterschiedlich sind, ist ein Nachteilsausgleich empfehlenswert. Dringend erforderlich ist er, wenn sich bereits eine abwartende Haltung (das „Mikado-Spiel“) eingestellt hat. Denn es ist besser, auf der Grundlage eines nicht ganz vollkommenen Ausgleichsmodells den Abriss und die Marktbereinigung gemeinsam anzugehen, als abzuwarten, bis ein Marktteilnehmer in die Knie geht. Denn dessen Wohnungen bleiben auf dem Markt auch dann, wenn das Unternehmen verschwunden ist – aus der Insolvenzmasse kann eine ruinöse Konkurrenz für die verbliebenen Anbieter entstehen. Literatur Für Informationen, Diskussion und Anregungen ist der Autor zu großem Dank verpflichtet: -

Herrn Steuerberater Dr. Thomas Blank, Groß Kreutz Herrn Prof. Dr. Andreas Hollidt, Hochschule Mittweida (FH) Herrn Rolf-Dieter Perschke, Geschäftsführender Gesellschafter der HABIT Unternehmensberatung, Berlin Herrn Dipl.-Ing. Siegfried Rehberg, BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e. V.

[1] SCHLÖMER, Claus: Die privaten Haushalte in den Regionen der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1990 und 2020; in: Raumordnungsprognose 2020; Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.): Informationen zur Raumentwicklung, Heft 3/4 2004. EMPI-

2 Ökonomie des Stadtumbaus

255

RICA/DKB/SIMONS, Harald: Wirtschaft und Wohnen in Deutschland, Regionale Prognosen bis 2015, Wohnungsmarktentwicklung bis 2030, Berlin, 2005 [2] PFEIFFER, Ulrich; SIMONS, Harald; PORSCH, Lucas: Expertenkommission : Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel in den neuen Bundesländern. Bericht der Kommission. o. O., 2000 [3] GLEIKE, Iris: Stadtumbau Ost – wo stehen wir heute, wo wollen wir hin? in: BMVBW (Hrsg.): Stadtumbau Ost. Dokumentation zum Kongress am 27.11.2003. Berlin, 2004 [4] WEEBER UND PARTNER, Stuttgart, Bearbeiterinnen Margit Lindner, Heike Gerth und Martina Buhtz: Leerstandsmanagement in Plattenbauten – finanzielle, technische und soziale Aspekte. Hrsg.: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung. Bonn, 2004 [5] Immobilien und Finanzierung. Frankfurt a. M., Heft 9/2005 [6] SPUTEK, Agnes; GRUNOW, Andreas: Lösungsansätze für den beschleunigten Stadtumbau, in: Immobilien und Finanzierung. Frankfurt a. M., Heft 4/2004 [7] SCHMOLL gen. Eisenwerth, Fritz: Markt und Staat, in: Schmoll gen. Eisenwerth, Fritz (Hrsg.): Basiswissen Immobilienwirtschaft. Berlin, 2005 [8] Ders.: Ökonomie des Stadtumbaus. Berlin, 2006 [9] BauGrund/in.nova: Möglichkeiten der Gestaltung des Lastenausgleichs beim Stadtumbau. Gutachten im Auftrag des Ministeriums für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr des Landes Brandenburg. Abschlussbericht. Berlin, 2002

256

3

Investitionsplanung im Bestand Verhinderung von Planungsfehlern bei Einbezug von Experten der Gebäudebewirtschaftung während der Planung anhand von Beispielen aus der Praxis Regina Zeitner

3.1

Einleitung

Deutschland ist gebaut! Der zunehmende Wohnungs- und Büroleerstand in Kombination mit der demografischen Entwicklung und die Tatsache, dass seit Ende der neunziger Jahre im Wohnungsbau die Kosten für Hochbauleistungen im Bestand die des Neubaus überschreiten, sprechen eine deutliche Sprache. Die Auseinandersetzung mit dem Gebäudebestand ist daher nicht nur eine betriebs- und volkswirtschaftliche Notwendigkeit, sondern auch ein ökologisches Erfordernis und ein gestalterisches Bedürfnis. Eigentümer von Bestandsimmobilien werden mit vielfältigen Problemen – Bauschäden, veralteter Haustechnik, Leerstand, Modernisierungs- und Instandhaltungsbedarf etc. – konfrontiert. Eine Veränderung dieser Situation erfordert meist hohe Investitionen. Neben der vorwiegend auf Energieeinsparung ausgerichteten Modernisierung gibt es zur Erhaltung und Optimierung des Gebäudes Handlungsalternativen, deren sich der Eigentümer selten bewusst ist oder deren Auswirkungen er nicht abschätzen kann. Auch die Architekten stehen in der heutigen Zeit vor einer schwierigen Situation. Gründe hierfür sind – neben dem insgesamt sinkenden Bauvolumen und der zweithöchsten Architektendichte pro Einwohner in Europa – eine Ausbildung, die meist auf den Neubau fixiert ist und die ökonomischen, rechtlichen und organisatorischen Komponenten des Planens und Bauens im Bestand vernachlässigt. Eine intensivere Hinwendung zum Gebäudebestand ist nicht nur für die Architekten selbst von Vorteil. Die Eigentümer profitieren von dem Potential eines Berufsstandes, dessen Kompetenz sich in seiner gesetzlich definierten Berufsaufgabe – die gestalterische, technische, wirtschaftliche, umweltgerechte und soziale Planung von Bauwerken – interdisziplinär manifestiert. Für Architekten öffnet sich ein bislang noch nicht ausgeschöpftes Tätigkeitsfeld: die Suche nach den Potentialen eines Gebäudes, die Erarbeitung von Handlungsalternativen, die Prüfung der ökonomischen Auswirkungen – über den Rahmen der Herstellungskosten hinaus – und die abschließende Bewertung und Empfehlung von Handlungsalternativen.

3 Investitionsplanung im Bestand

3.2

257

Investitionsplanung im Neubau

Die Aufgabe der Investitionsplanung besteht in der Optimierung der Investitionsentscheidung. In den einschlägigen Kompendien der immobilienwirtschaftlichen Literatur ist der Begriff der Investitionsplanung nicht aufgeführt. An ihrer Stelle kann jedoch die Projektentwicklung im engeren Sinne betrachtet werden, die Diederichs bekanntlich wie folgt definiert: „Projektentwicklung (im engeren Sinne) umfasst die Phase vom Projektanstoß bis zur Entscheidung entweder über die weitere Verfolgung der Projektidee durch Erteilung von Planungsaufträgen oder über die Einstellung aller weiteren Aktivitäten aufgrund zu hoher Projektrisiken.“ (Diederichs, 1999, S. 269) [1]. Anhand der oft zitierten grafischen Darstellung des Projektentwicklungsprozesses nach Bone-Winkel (Homann, 2001, S. 387) [2] wird die Investitionsplanung in der Projektentwicklung erläutert (vgl. Abb. 3-1). Sie erstreckt sich von der Phase der Projektinitiierung bis zur Realisierungsentscheidung im Rahmen der Projektkonkretisierung.

Abb. 3-1

Phasenmodell des Projektentwicklungsprozesses (vgl. Schulte/Bone-Winkel/Rottke, 2002, S. 40) [3]

258

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Prinzipiell geht man von drei unterschiedlichen Ansätzen aus: -

Standort sucht Kapital und Projektidee, Projekt sucht Standort und Kapital, Kapital sucht Standort und Projektidee.

Im Verlauf der Projektentwicklung werden diese unterschiedlichen Ausgangspunkte nicht differenziert, sondern anhand des gleichen Verfahrens (vgl. Abb. 3-1) bearbeitet. Der Ansatz 'Standort sucht Kapital und Projektidee' kommt im Regelfall der Thematik eines Bestandsgebäudes am nächsten. Es können jedoch auch die anderen Ausgangspunkte in Betracht gezogen werden, wenn beispielsweise der Investor sein Kapital in Bestandsbauten investieren möchte (z. B. Industrielofts) oder zur Realisierung eines Projektes (z. B. Gaststätte in einer alten Brauerei) ein bestehendes Gebäude benötigt wird. Der Aufbau der Planungsphase unterscheidet sich von der Gliederung rein betriebswirtschaftlicher Investitionsplanungen. Das Ziel – in diesem Fall die Realisierung des Projekts – wird im Rahmen der Phase der Projektinitiierung nur „(…) grob umrissen (…)“ um dann während der Projektkonzeption anhand „(…) detaillierter Daten und Prognosen (…)“ (Schulte/Bone-Winkel/Rottke, 2002, S. 44) [3] konkretisiert zu werden. Es wird also nicht in einem Vorgang eindeutig bestimmt, sondern durchläuft einen Prozess. Die Machbarkeitsstudie erfüllt die Aufgabe der Problemanalyse. Auffällig ist die Integration der Risikoanalyse zu diesem Zeitpunkt, da insbesondere das finanzielle Risiko erst abgeschätzt werden kann, wenn die Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsund Renditeanalyse vorliegen. Handlungsalternativen werden weder in der Grafik noch im nachfolgenden Text explizit erwähnt, die Rede ist immer nur von 'dem Projekt'. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass Alternativen betrachtet werden, wie beispielsweise Nutzungsalternativen für den Standort oder bauliche Alternativen im Rahmen der Machbarkeitsanalyse. Die Entscheidung ist schließlich in der Phase der Projektkonkretisierung aufgeführt: „Die Bestätigung des Erfolgspotentials eines Projektes durch die Machbarkeitsstudie hat die Einleitung einer Verhandlungs- und Entscheidungsphase zur Folge.“ (Schulte/Bone-Winkel/Rottke, 2002, S. 55) [3]. An dieser Stelle fehlt eine Differenzierung der notwendigen Entscheidungsschritte. Die Entscheidung für ein Projekt ist eindeutig vor der Projektkonkretisierung anzusiedeln. Die Zustimmung, z. B. für die Freigabe von Mitteln, ist eine Folge der bereits getroffenen Entscheidung, dort zu bauen. Nach der Entscheidung wird das Projekt in den Phasen Projektkonkretisierung und Projekt-Management realisiert. Dabei wird unter Controlling die Prüfung während der Realisierung des Projektes verstanden, nicht die Prüfung des realisierten Gebäudes zum Zweck einer späteren Rückwirkung auf ein neues Projekt.

3 Investitionsplanung im Bestand

3.3

259

Investitionsplanung im Bestand

Der entscheidende Unterschied zwischen einer Investitionsplanung für den Bestand und einer Investitionsplanung für den Neubau findet sich im Bereich der Projektinitiierung. Der Eigentümer hat bereits investiert und ist im Besitz des Gebäudes. In der Regel – abgesehen von möglichen nichtmonetären Zielen – kann davon ausgegangen werden, dass der Eigentümer das im Gebäude gebundene Kapital analog zu anderen Investments angemessen verzinst haben möchte. Er muss sich daher mit dem Zustand und den Entwicklungsmöglichkeiten des Gebäudes auseinandersetzen, da eine Unterlassensalternative ökonomisch selten sinnvoll ist. Folgende wesentliche Handlungsalternativen kommen in Betracht: -

Investitionen in den Gebäudebestand, der Verkauf der einzelnen Nutzereinheit (zzgl. Grundstücksanteil) oder des Gebäudes mit Grundstück, oder der Abriss des Gebäudes mit darauf folgendem Neubau oder Verkauf des Grundstücks.

Neben dieser vorausschauenden Planung sind häufig akute Situationen – der Betrieb des Gebäudes wird durch einen Bauschaden beeinträchtigt oder auf Grund von Leerstand entstehen Verluste – Anlass für eine Projektinitiierung. Auf eine gemäß der Projektentwicklung folgende Zielanalyse bzw. Zielbildung wird in der Investitionsplanung im Bestand verzichtet. Grund hierfür ist, dass der Handlungsspielraum von vornherein begrenzt ist und die Formulierung von Zielen müßig ist, wenn die Fakten unbekannt sind. Wird beispielsweise zu diesem Zeitpunkt das Ziel gesetzt, das Gebäude aufzustocken, kann dies an statischen Gegebenheiten scheitern. Die Vorgehensweise einer Investitionsplanung im Bestand sollte sich daher zunächst ergebnisoffen entwickeln. So folgt als nächster Schritt die Situationsanalyse, um alle Grundlagen der weiteren Untersuchung zu erheben. (Der übliche Begriff der Problemanalyse wird an dieser Stelle nicht verwendet, da zu diesem Zeitpunkt Daten erhoben und nicht Schwierigkeiten untersucht werden.) Zu beachten sind bauliche, rechtliche, nutzungsbedingte und wirtschaftliche Gegebenheiten. Um die möglichen Alternativen zu ermitteln, werden in der nächsten Phase die Fakten kritisch hinterfragt und interpretiert. Aus einem Vergleich der bisherigen Entwicklung von Einnahmen und Ausgaben lassen sich z. B. Schlüsse auf die Nachfrage des Standorts ziehen. Das Ergebnis dieser Folgerungen ist eine Anzahl von prinzipiell durchführbaren Alternativen, deren wirtschaftliche Auswirkungen im dann folgenden Schritt, der Investitionsrechnung, ermittelt werden. Die Resultate der Investitionsrechnung werden anschließend durch eine Sensitivitätsanalyse auf mögliche Schwächen geprüft. Abschließend werden die nichtmo-

260

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

netären Belange mit dem potentiellen Investor besprochen. Nichtmonetäre Aspekte können bei der Investitionsplanung im Bestand bereits bei der Projektinitiierung eine entscheidende Rolle spielen, wenn z. B. der Eigentümer das Gebäude unter keinen Umständen abbrechen möchte. In der Regel werden bei einer Investitionsplanung jedoch die nichtmonetären Aspekte auf Basis der Ergebnisse der Investitionsrechnung geführt, da die Aussicht auf Gewinn subjektive Gesichtspunkte durchaus beeinflussen kann. Erst danach entscheidet sich der Investor für eine Alternative. Investitionsplanung im Bestand 1. Projektinitiierung 2. Situationsanalyse 3. Alternativenermittlung 4. Investitionsrechnung Bewertungsprozess

Entscheidungsfindung

5. Sensitivitätsanalyse 6. Diskussion der nichtmonetären Aspekte 7. Entscheidung

Abb. 3-2

Entscheidung

Verfahrensstufen der Investitionsplanung im Bestand

Der Investor, der nicht im Besitz eines Gebäudes ist, kann sowohl die Investitionsart (Gebäude, Aktien etc.) als auch die Art und die Nutzung des Gebäudes (Gewerbe, Wohnen etc.) bestimmen. Ist seine Wahl getroffen, bezieht sich die Projektinitiierung in der Regel bereits auf eine bestimmte Handlungsalternative. Der Eigentümer eines Gebäudes besitzt diese Freiheit nur bedingt. Er hat bereits investiert und will auf Basis dieser Investition zumeist möglichst langfristig Gewinn erzielen. Hintergrund der Projektinitiierung ist im Allgemeinen unternehmerische Voraussicht oder die Behebung einer akuten Situation. Zur Verwirklichung seiner Ziele hat der Eigentümer Handlungsalternativen zur Auswahl, z. B. bauliche Veränderungen, Modernisierungen oder Abbruch. Während der Neubau von Anfang an optimal an die Randbedingungen angepasst werden kann, sind im Bestand bereits bauliche Gegebenheiten vorhanden, die beachtet werden müssen. Das Ergebnis kann daher nicht in allen Aspekten frei bestimmt werden. Beim Neubau können die Vorgaben durch den Investitionsplanungsprozess mehr oder weniger geradlinig verfolgt werden. Die Handlungsalternativen des Bestandsgebäudes werden trichterartig nach und nach reduziert. Wird die Entscheidungsfindung mit dem Ergebnis der Unterlassensalternative abgeschlossen, zeigt sich nochmals die Unterschiedlichkeit der beiden Modelle. Der Investor eines vorgesehenen Neubaus kann ohne bedeutende finanzielle Nachteile auf die Investition verzichten. Für den Eigentümer eines Bestandsge-

3 Investitionsplanung im Bestand

261

bäudes stellt sich weiterhin die Frage nach dem zukünftigen Umgang mit dem Gebäude. Nachfolgende Abbildung stellt in abstrahierter Form den Unterschied zwischen der Investitionsplanung eines Neubaus und eines bestehenden Gebäudes dar.

Investitionsalternativen

Neubau

Bestand

Handlungsalternativen Entscheidungsfindung

Entscheidung Unterlassensalternative

? Abb. 3-3

Modelle Investitionsplanung im Neubau und im Bestand

Investitionen in Bauten zeichnen sich meist durch großen Kapitaleinsatz aus. Um alternative Handlungsmöglichkeiten vergleichen zu können, ist ihr Wert zu quantifizieren. Betrachtet man den Gewinn als entscheidende Wertgröße, ist es daher von äußerster Wichtigkeit, die Einnahmen und die Ausgaben einer Investition sorgfältig und nachvollziehbar zu berechnen. Statische Investitionsrechnungen sind auf Grund der fehlenden Berücksichtigung der unterschiedlichen Wertigkeit von Zahlungen zu verschiedenen Zeitpunkten für die Ermittlung der Wirtschaftlichkeit einer Alternative untauglich. Im Rahmen der dynamischen Investitionsrechnungen bietet das Verfahren des vollständigen Finanzplans einen großen Vorteil: Er ist durch seinen tabellarischen Aufbau und die damit verbundene Transparenz für die Komplexität von Bauvorhaben besonders geeignet. Die Gliederung der Einnahmen und Ausgaben erfolgt nicht anhand der DIN 18960, sondern der Zweiten Berechnungsverordnung (II. BV). Dies liegt darin begründet, dass in der DIN 18960 nicht alle notwendigen Positionen (Mieteinnahmen und Tilgung sind kein Bestandteil dieser Norm) zur Ermittlung der Wirtschaftlichkeit aufgeführt sind. Darüber hinaus beziehen sich sowohl die Rechtsprechung als auch die Fachliteratur bei der Frage der umlegbaren Kosten etc. auf die II. BV.

262

3.4

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Leistungen des Architekten und Honorierung

Das entwickelte Modell der Investitionsplanung im Bestand ist als Grundgerüst zur Erfassung der entscheidenden Parameter zu verstehen, um anhand ihrer Interpretation und Berechnung letztendlich die wirtschaftlichste Alternative für den Eigentümer zu bestimmen. Folgende Abbildung zeigt den Umfang der durch Architekten zu erbringenden Leistungen.

Tab. 3-1

Leistungsbild: Investitionsplanung im Bestand

3 Investitionsplanung im Bestand

263

Nachdem die Modellkonzeption den Umfang der zu erbringenden Leistungen (vgl. Abb. 3-4) detailliert erfasst hat, stellt sich die Frage nach der möglichen Vergütung. Für die Honorierung von Architektenleistungen gilt die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Sind die Leistungen, die der Architekt im Rahmen einer Investitionsplanung im Bestand erbringt, durch § 15 HOAI 'Leistungsbild Objektplanung für Gebäude, Freianlagen und raumbildende Ausbauten' abgedeckt? Das Leistungsbild der Investitionsplanung im Bestand lässt sich partiell in die Leistungsphasen 1 (LPH 1) Grundlagenermittlung, LPH 2 Vorplanung (Projektund Planungsvorbereitung) und LPH 3 Entwurfsplanung des § 15 (2) HOAI einordnen. Über das in § 15 (2) formulierte Leistungsbild hinaus, wird in § 15 (4) HOAI auf ergänzende Besondere Leistungen hingewiesen: „Bei Umbauten und Modernisierungen im Sinne des § 3 Nr. 5 und 6 können neben den in Absatz 2 erwähnten Besonderen Leistungen insbesondere die nachstehenden Besonderen Leistungen vereinbart werden: Maßliches, technisches und verformungsgerechtes Aufmaß Schadenskartierung Ermitteln von Schadensursachen Planen und Überwachen von Maßnahmen zum Schutz von vorhandener Substanz Organisation von Betreuungsmaßnahmen für Nutzer und andere Planungsbetroffene Mitwirken an Betreuungsmaßnahmen für Nutzer und andere Planungsbetroffene Wirkungskontrollen von Planungsansatz und Maßnahmen im Hinblick auf die Nutzer, zum Beispiel durch Befragen.“ Auf zwei Leistungen der Investitionsplanung im Bestand sei besonders hingewiesen, die Projektinitiierung und die Planung während der Alternativenermittlung: Auch wenn die LPH 1 der HOAI das Klären der Aufgabenstellung und das Beraten zum gesamten Leistungsbedarf zum Inhalt hat, erfüllt diese nicht die Anforderungen der Projektinitiierung der Investitionsplanung im Bestand. Grund hierfür ist, dass der Bauherr nach HOAI in der Regel ein eindeutiges Leistungsziel (z. B. den Bau eines Wohnhauses) vor Augen hat bzw. einen bestimmten Zweck (z. B. Vergrößerung der Produktion) verfolgt. Eine Diskussion der unterschiedlichen Handlungsalternativen ist in der für ein bestehendes Gebäude notwendigen Tiefe nach HOAI nicht vorgesehen. Vergleichbar fehlt auch bei der Planung im Rahmen der Alternativenermittlung die Bearbeitung unterschiedlicher Alternativen. Hier sind nicht unterschiedliche Konzepte für ein bestimmtes Bauherrenziel zu erarbeiten (z. B. Wohnhaus als Bungalow oder Wohnturm), sondern die Planung verschiedener Zweckbestimmungen (z. B. bestehendes Bürogebäude umstrukturieren oder vollständiger Umbau als Wohnhaus).

264

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Bei der Einordnung der Leistungen der Investitionsplanung im Bestand in das Leistungsbild des § 15 der HOAI zeigt sich, dass die Mehrzahl der Leistungen nicht bzw. nur teilweise durch die HOAI abgedeckt werden (Zeitner, 2005, S. 219 ff.) [4]. Es kann an dieser Stelle keine abschließende Empfehlung für die Honorierung der Investitionsplanung im Bestand gegeben werden. Prinzipiell bestehen drei denkbare Lösungsmodelle für die Vergütung: Der Architekt rechnet die in § 15 HOAI enthaltenen (wenigen) Leistungen nach den Vorgaben der HOAI ab. Bei der Abrechnung nach HOAI ist zu beachten, dass für erbrachte Grundleistungen innerhalb einer Leistungsphase in der HOAI keine prozentualen Bewertungen existieren. Zu beachten sind für die Grundleistungen hinaus auch § 10 (3a) 'Grundlagen des Honorars', § 24 'Umbauten und Modernisierung von Gebäuden' und § 27 'Instandhaltungen und Instandsetzungen'. Die zu erbringenden Besonderen Leistungen nach § 15 HOAI sind extra zu beschreiben und schriftlich zu vereinbaren und über § 6 'Zeithonorar' der HOAI abzurechnen. Die Möglichkeit einer 'indirekten' Honorierung der Investitionsplanung im Bestand besteht darin, diese als Akquisitionsleistung zu betrachten um einen Nachfolgeauftrag zu erhalten. Ähnlich wie in dem vorangegangenen Fall ist auch der dritte Weg zur Honorierung unter dem zeitlichen Aspekt zu sehen. Es stellt sich die Frage, ob die Investitionsplanung im Bestand nicht vor den eigentlichen Leistungsphasen der HOAI beginnt, d. h. als Projektentwicklungsleistung der sogenannten 'Leistungsphase 0' entspricht. Diese kann dann über einen Pauschalpreis, Selbstkostenerstattungsvertrag, Cost-plus-fee Vertrag etc., vergütet werden. Je nach rechtlicher Qualifizierung sind die Vergütungsfolgen letztlich im Einzelfall zu bestimmen. Der Architekt sollte aber darauf achten, dass sein Honorar auskömmlich ist, d. h. der Aufwand für die erbrachten Leistungen zuzüglich eines angemessenen Gewinnanteils erzielt wird. In der Praxis wird eine Investitionsplanung im Bestand vorwiegend als Akquisitionsleistung für einen zukünftigen Auftrag erbracht. Für den Fall einer Unterlassensalternative sollte jedoch ein Pauschalpreis vereinbart werden.

3.5

Fazit

Insbesondere im Umgang mit privaten Gebäudebeständen öffnen sich für den Architekten neue Tätigkeitsfelder jenseits der gewerblichen Immobilienentwickler. Das ökonomische Urteilsvermögen als Zusatznutzen für den Bauherrn in Kombination mit den architektonischen Kernkompetenzen Gestaltung, Technik und verantwortungsvoller Handhabung der Baukosten prädestinieren Architekten als Partner der Eigentümer in der Entwicklung des häufig in seinen Potentialen unterschätzten Gebäudebestands.

3 Investitionsplanung im Bestand

265

Für die Zukunft der Architekten ist es entscheidend, sich mit den Herausforderungen zu befassen, die der Gebäudebestand beinhaltet. Dabei sind neben der Erfassung und der Weiterentwicklung von gestalterischen und technischen Gegebenheiten, vor allem auch nutzerbedingte und ökonomische Belange zu berücksichtigen.

Literatur [1] DIEDERICHS, Claus J.: Führungswissen für Bau- und Immobilienfachleute. Berlin, 1999 [2] HOMANN, Klaus: Immobilien-Management – Ein erfolgspotenzialorientierter Ansatz. in: GONDRING, Hanspeter (Hrsg.); LAMMEL, Eckhard (Hrsg.): Handbuch der Immobilienwirtschaft. Wiesbaden, 2001 [3] SCHULTE, Karl-Werner; BONE-WINKEL, Stephan; ROTTKE, Nico: Grundlagen der Projektentwicklung aus immobilienwirtschaftlicher Sicht. in: SCHULTE, Karl-Werner (Hrsg.); BONE-WINKEL, Stephan (Hrsg.): Handbuch Immobilien-Projektentwicklung. 2. Aufl., Köln, 2002. – S. 223-255 [4] ZEITNER, Regina: Bewertung von Handlungsalternativen bei Investitionen in den Gebäudebestand – Eine Aufgabe für Architekten. Berlin, 2005 II. BV (Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen), i. d. F. v. 25.11.2003 DIN 18960, Baunutzungskosten von Hochbauten (8/1999), Berlin HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure), i. d. F. v. 01.01.1996

266

4

Vermessen, verplant, verpfuscht – Erfahrungen aus der Bauschadenspraxis Ulrich Langen

Bauen im Bestand – die risikoarme Alternative für Architekten und Bauingenieure? Nach 10 Jahren stellt sich den meisten Gebäudeeigentümern die Frage nach Erhaltungs-, Renovierungs- oder Umbau bzw. Erweiterungsmaßnahmen. Hinzu kommt die Tatsache der rückläufigen Bevölkerungsentwicklung, die sich nach derzeitigem Erkenntnisstand auch in Zukunft noch fortsetzen wird und sich schon heute auf die Auftragslage der meisten Architekten und Bauingenieure auswirkt. Daher gewinnt das Bauen im Bestand zunehmend an Bedeutung. Negative Konsequenz ist die deutliche Steigerung der Schäden, die im Zusammenhang mit Bauwerksanierungen stehen. Alleine bei einem der fünf größten Versicherer von Architekten und Bauingenieuren hat das Schadenvolumen aus dem Bereich von Sanierungen eine Größenordnung von 80.000.000 € erreicht. Da oftmals neben der eigentlichen Sanierungsmaßnahme auch die vorhandene Bausubstanz mit betroffen ist, liegt der Durchschnittsschaden mit 40.000 € über dem Schadensniveau bei Neubauten. Architekten/Ingenieure, die sich mit Bauwerkssanierungen befassen, unterschätzen die Anforderungen an Fachwissen, Aufklärung, Beratung und Vorbereitung sowie die damit verbundenen Haftungsgefahren. Kommen dann noch unqualifizierte Handwerker ins Spiel, bleiben die zwangsläufig entstehenden Schäden schon aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung am Architekten/Ingenieur bzw. dessen Berufshaftpflichtversicherer hängen.

4.1

Schadenursachen

Soweit Architekten und Ingenieure betroffen sind, liegt eine Hauptursache in unzureichender Berufsvorbereitung bzw. fehlender Berufserfahrung. Planerische und objektüberwachende Leistungen im Zusammenhang mit Sanierungen setzen zum Teil völlig andere Kenntnisse und Fähigkeiten voraus als sie im Rahmen der Ausbildung vermittelt oder bei der beruflichen Tätigkeit im Neubaubereich erworben werden. Die Schadenursachen sind bezogen auf das Leistungsbild der Architekten und Bauingenieure, wie die Auswertung zeigt, vielfältig:

4 Vermessen, verplant, verpfuscht – Erfahrungen aus der Bauschadenspraxis

267

sonstige 6 %

Planung 28 %

Planung und Bauleitung 43 %

Bauleitung 16 % Beratung 4 %

Abb. 4-1

Vergabe 3 %

Schadenursachen

Die Ergebnisse weichen nur unwesentlich von den Ursachen bei Neubauten ab. Während dort die Schäden geringfügig mehr auf Planungsfehler zurückzuführen sind, spielt im Bereich der Bauwerksanierung die Objektüberwachungsverantwortung eine noch größere Rolle.

4.2

Rechtliche Rahmenbedingungen

Wer sich mit Bauwerksanierungen befasst, sollte sich zunächst darüber im Klaren sein, dass die rechtlichen Voraussetzungen denen beim Neubau vollumfänglich entsprechen. Bei nahezu sämtlichen Leistungen geht die Rechtsprechung im vertraglichen Bereich von der Anwendung des Werkvertragrechts gemäß §§ 631 ff. BGB aus. Danach schuldet der Architekt/Ingenieur gemeinsam mit den anderen Baubeteiligten nicht nur den Erfolg der beabsichtigten Sanierung, sondern grundsätzlich – ohne eine im Einzelfall abweichende Vereinbarung – gleichzeitig auch die Einhaltung der aktuell gültigen DIN-Normen bzw. anerkannten Regeln der Technik. Zusätzlich zu berücksichtigen sind weitere Rechtsgrundlagen wie z. B. die -

verschuldensunabhängige Haftung bei Abgabe von Garantien § 443 BGB, vorvertragliche Haftung § 311 II BGB, Haftung wegen Verletzung von Nebenpflichten § 241 II BGB, Haftung aus unerlaubter Handlung § 823 BGB, Haftung bei Vollmachtüberschreitung § 179 BGB.

Bei Vorliegen eines Mangels (Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit) treten nach angemessener Fristsetzung folgende im Werkvertragsrecht geregelten Rechtsfolgen gem. § 634 BGB ein: -

Nacherfüllung gem. § 635 BGB mit Wahlrecht des Unternehmers (Mangelbeseitigung oder Neuerstellung), Selbstvornahme und Aufwendungsersatz gem. § 637 BGB,

268 -

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen Rücktritt oder Minderung §§ 636, 323, 326 V, 638 BGB, Schadenersatz §§ 636,280,281,283,284, 311a BGB.

Ebenfalls gelten im Bereich von Bauwerkssanierungen die Grundsätze der gesamtschuldnerischen Haftung aller Baubeteiligten und zwar unabhängig davon, ob der jeweils Mitverantwortliche ein (Privat-)Gutachten, eine Sanierungsplanung, eine Ausschreibung erstellt, Objektüberwachung oder Sonderleistungen erbracht oder die Bauarbeiten ausgeführt hat. In allen Fällen kann der geschädigte Auftraggeber schon bei geringster Teilschuld 100 % Schadenersatz verlangen. Da bei Auftreten eines Schadens nach den gültigen Beweisregeln zunächst der Anschein gegen den beteiligten Architekten/Ingenieur spricht, hängt eine erfolgreiche Verteidigungsstrategie entscheidend davon ab, auf welche Beweismittel gegebenenfalls zurückgegriffen werden kann. Da besonders im Bereich von Sanierungen im Vorfeld nicht alles detailliert geplant werden kann, kommt einer sorgfältigen Dokumentation eine erhöhte Bedeutung zu.

Tab. 4-1

Die wichtigsten Beweismittel

Bei Abwägung der Haftungsrisiken sollte der Architekt/Ingenieur schließlich auch die Dauer der Verjährungsfristen beachten, die, soweit nicht eine verkürzte Frist individualvertraglich vereinbart wurde, von 5 bis zu 30 Jahren reichen. Verjährungsdauer 2 Jahre 3 Jahre 4 Jahre 5 Jahre 10 Jahre 30 Jahre 30 Jahre

Tab. 4-2

Übersicht Verjährungsfristen

Rechtsgrundlage Architektenvertrag (fraglich) § 195 BGB § 13 Ziff. 4 VOB Teil B § 634a BGB § 199 III Ziff. 1 BGB § 199 II BGB § 199 III Ziff. 2 BGB

4 Vermessen, verplant, verpfuscht – Erfahrungen aus der Bauschadenspraxis

4.3

269

Juristische Fallstricke

Architekten/Ingenieure unterschätzen meist die juristischen Fallstricke, die bereits im Vorfeld ihrer Tätigkeit liegen. Hierbei zeigt sich in der Praxis oft, dass Vertragsinhalte nicht oder nur unzureichend dokumentiert werden. Vor bloßen mündlichen Absprachen ist aus juristischer Sicht nur dringend zu warnen! Selbst wenn das Projekt und der hierfür erforderliche Leistungsumfang schriftlich definiert wurden, wird meist versäumt, den Vertrag um die bei Bestandsbaumaßnahmen unvermeidbaren Auftragsänderungen/-ergänzungen fortzuschreiben. Die Schriftform bietet darüber hinaus den Vorteil, dass weitere Fragen wie z. B. Honorarhöhe, Zahlungsfälligkeiten des Honorars, Modalitäten der Haftung sowie Dauer der Gewährleistung regelbar sind. Die Schriftform ist im Übrigen Voraussetzung für die Inanspruchnahme einer eventuell bestehenden Honorarrechtsschutzversicherung bei Schwierigkeiten in der Durchsetzung von Honoraransprüchen.

4.4

„Vermessen“

Unter dem Begriff „vermessen“ sind haftungs- und versicherungsrechtlich Fehler jeglicher Art im Zusammenhang mit der Vorbereitung einer Sanierungsmaßnahme zu verstehen. Anders als beim Neubau kommt es bei Sanierungen viel mehr auf eine sorgfältige Grundlagenermittlung an. Werden beispielsweise die Ursachen der zu sanierenden Schäden nicht vollständig oder unzutreffend aufgenommen, ist eine Kostensteigerung oder gar eine völlige Fehlinvestition vorprogrammiert. Genauso entscheidend für das Gelingen der Sanierungsmaßnahme ist die Qualität und Verwendbarkeit der vorhandenen Bausubstanz. Geht der Architekt/Ingenieur in diesem Bereich von falschen Annahmen aus, droht ebenfalls ein Scheitern der gesamten Maßnahme. Voraussetzung ist eine enge Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber, dessen Wünsche aufzunehmen, zu berücksichtigen und sinnvoller Weise zu dokumentieren sind. Neben der erfolgreichen technischen Vorbereitung der Sanierung treffen den Architekten/Ingenieur vielfältige Aufklärungs-, Beratungs- und Hinweispflichten, die im Zusammenhang mit der geplanten Sanierung stehen. Hierzu gehört insbesondere, je nach Komplexität der Baumaßnahme, die Empfehlung zur Einschaltung von Sonderfachleuten. Bezieht sich der Sanierungsauftrag beispielsweise auf die Abdichtung eines durchnässten Kellers, so ist die genaue Kenntnis der Bodenverhältnisse unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Auftragsdurchführung. Wer hier eine Maßnahme ohne Vorliegen eines Bodengutachtens plant, handelt

270

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

nicht nur leichtsinnig, sondern riskiert nach gefestigter Rechtsprechung den Verlust seines Versicherungsschutzes aus der Berufshaftpflichtversicherung wegen pflichtwidrigen Verhaltens. Das Gleiche gilt, wenn statische Aspekte zu berücksichtigen sind oder der Architekt/Ingenieur aus anderen Gründen auf die fachkundige Zuarbeit eines Spezialisten angewiesen ist. Weiterhin muss der Architekt/Ingenieur über die Geeignetheit der ausgewählten Methode aufklären, zu Alternativkonzepten beraten, bei der Auswahl geeigneter Unternehmen Hilfestellung leisten, auf Umfang und Grenzen der eigenen Erfahrung hinweisen sowie zu voraussichtlichen Kosten beziehungsweise Wirtschaftlichkeit der Maßnahme beraten. Soweit (z. B. wasserrechtliche oder denkmalschutzrechtliche) Genehmigungen zur Durchführung der Maßnahme erforderlich sind, bestehen schon in der Vorbereitungsphase entsprechende Hinweis- und Mitwirkungspflichten, da der Architekt/ Ingenieur eine Planung schuldet, die mit sämtlichen öffentlich-rechtlichen Vorschriften dauerhaft in Einklang steht. Die hohen Anforderungen an Sanierungen lassen schon aufgrund völlig unterschiedlicher Schadensbilder und -ursachen viel weniger als bei Neubauten standardisierte Verfahren zu. Je nach Anforderungen des Einzelfalles kann es erforderlich sein, besondere Methoden heranzuziehen, die gegebenenfalls auch noch individuell angepasst werden müssen. Da in solchen Fällen meist nicht auf umfangreiche Erfahrungen zurückgegriffen werden kann, kommt einer umfassenden, für den Laien verständlichen Aufklärung über Risiken, Chancen und Nachhaltigkeit des ausgewählten Sanierungsverfahrens besondere Bedeutung zu. Fehlt eine sorgfältige Dokumentation der Beratung, liegt die Haftung des Architekten/Ingenieurs bei fehlgeschlagener Sanierung auf der Hand. Bauen im Bestand bedeutet oft, dass die Einhaltung von DIN-Normen beziehungsweise anerkannten Regeln der Technik nicht oder nur mit unvertretbar hohem Aufwand gewährleistet werden kann. Wer hier versäumt, seinen Auftraggeber in einer für den Laien verständlichen Form umfassend über ggf. nur beschränkten Erfolg der Maßnahme, Risiken, Kosten und Nutzen verschiedener Sanierungswege aufzuklären, geht ebenfalls ein unkalkulierbares Haftungsrisiko ein, das negative Auswirkungen auf den Versicherungsschutz haben kann. Der Architekt/Ingenieur ist daher in solchen Situationen gut beraten, die geschuldete Sollbeschaffenheit des Werkes vertraglich festzulegen. Soweit Vorschriften des Denkmalschutzes zu berücksichtigen sind, stehen diese oftmals im Widerspruch zu DIN-Normen und anerkannten Regeln der Technik. Auch in solchen Fällen kann der Architekt/Ingenieur schnell in Konflikte geraten, die letztlich auch seinen Versicherungsschutz tangieren, wenn er nicht mit allen Beteiligten (einschl. Denkmalbehörde) einen Konsens herbeiführt, das Ergebnis schriftlich fixiert und sich – insbesondere vom Bauherren – gegenbestätigen lässt.

4 Vermessen, verplant, verpfuscht – Erfahrungen aus der Bauschadenspraxis

271

Im Zusammenhang mit umfangreicheren Sanierungsmaßnahmen ist zu berücksichtigen, dass während der Durchführung der Arbeiten Schäden entstehen können, die über Versicherungen abgedeckt werden können. Auch hierzu trifft den Architekten/Ingenieur eine Hinweispflicht, das heißt, er muss den Bauherrn – sinnvoller Weise nachweisbar – auf den Abschluss möglicher Versicherungen aufmerksam machen, beziehungsweise an einen Versicherer oder Versicherungsvermittler verweisen. Versäumt er diesen Hinweis, besteht die Gefahr einer Inanspruchnahme, wenn ein versicherbarer Schaden eintritt.

4.5

„Verplant“

Sorgfältige Planungsvorbereitung vor Beginn der eigentlichen Sanierungsarbeiten ist mehr noch als bei Neubauten grundlegende Voraussetzung für ein erfolgreiches Gelingen. Da bei den bauausführenden Firmen oftmals eine umfangreiche Spezialerfahrung fehlt, sind die Handwerker umso mehr auf umfassende planerische Vorgaben angewiesen. Hierbei sollte der Architekt/Ingenieur bedenken, dass bereits der Verzicht auf notwendige planerische Darstellung von der Rechtsprechung als Planungsfehler gewertet wird. Der Planer kommt nicht umhin, sich intensiv mit der Tauglichkeit der Baustoffe, die bei der Sanierung zum Einsatz kommen sollen, auseinander zu setzen. Daher kann bei Sanierungsarbeiten die Erstellung der Leistungsverzeichnisse keinesfalls dem Handwerker überlassen werden. Es gehört vielmehr zu den elementaren Pflichten des Architekten/Ingenieurs, die für die von ihm geplante Sanierung geeigneten Bauweisen und Baustoffe und deren Verträglichkeit mit der vorhandenen Bausubstanz zu prüfen und den Handwerkern in entsprechenden Leistungsverzeichnissen vorzugeben. Während es im Neubaubereich in der Praxis leider nicht selten vorkommt, dass auf eine Detailplanung weitgehend verzichtet wird und dieses Versäumnis durch erfahrene Unternehmer im Einzelfall ausgeglichen werden kann, führt eine unzureichende Detailplanung bei der Sanierung zwangsläufig zum Schaden. Da im Sanierungsbereich regelmäßig individuelle Konzepte gefordert sind, muss der Architekt/Ingenieure sich umfassend mit den Details auseinandersetzen und diese zeichnerisch als Grundlage für die Ausführung darstellen. Der Darstellungsumfang ergibt sich jeweils aus den Anforderungen der konkreten Sanierungsaufgabe und ist in der Regel deutlich höher als bei einem Neubau. Wichtige Details zum Beispiel in Abdichtungsbereichen bedürfen einer Darstellung in vergrößertem Maßstab, so dass die erfolgreiche Umsetzung auch durch einen nur durchschnittlich begabten Handwerker gewährleistet ist. Erhöhte Anforderungen an die Detailplanung sind dann zu stellen, wenn die Objektüberwachung durch einen anderen Architekten/Ingenieur durchgeführt wird. Liegen Planung und Bauleitung in einer Hand, so weiß der Bauleiter in aller Regel, was er sich selbst als Planer gedacht hat. Fallen beide Leistungen jedoch personell

272

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

auseinander, wird eine erfolgreiche Umsetzung der Planung nur gelingen, wenn der Planer seine Gedanken vollständig in der Planung zum Ausdruck gebracht hat.

4.6

„Verpfuscht“

Pfuscharbeit im Sanierungsbereich ist für den Bauherrn in aller Regel doppelt ärgerlich. Er erwartet zu Recht, dass mangelhafte Leistungen – aus welchen Gründen auch immer diese entstanden sind – endgültig beseitigt werden. Der Architekt/Ingenieur tut gut daran, besonderes Augenmerk auf die Auswahl seriöser Unternehmer zu richten und diese zusätzlich sorgfältig zu überwachen. Bloße stichprobenartige Baustellenkontrollen reichen hierzu meistens nicht aus. Je nach Erfahrung des Unternehmers und Schwierigkeit der zu lösenden Aufgabe trifft den Architekten/Ingenieur eine erhöhte Aufsichtspflicht, die im Extremfall bis zu einer ständigen Anwesenheit während der Ausführung der Arbeiten auf der Baustelle reichen kann. Letzteres gilt besonders, wenn die Arbeiten in Eigenleistung durch den in der Regel technisch wenig erfahrenen Bauherren ausgeführt werden sollen. Hinzu kommt in diesen Fällen, dass Eigenleistungen vielfach außerhalb normaler Arbeitszeiten erbracht werden. Soweit dies nicht angemessen honoriert wird, ist ein Verzicht auf die Übernahme der Objektüberwachung dringend anzuraten. Besonders problematisch ist die Übernahme der Objektüberwachung einer bereits laufenden Sanierung, deren bisheriger Erfolg durch den Bauherrn in Zweifel gezogen wird. In derartigen Fällen ist es unumgänglich, vor Beginn jeglicher Tätigkeit einen umfassenden Status mit Bilddokumentation aufzunehmen, um nicht im Nachhinein mit etwaigen Fehlern des Vorgängers konfrontiert zu werden. Aufgrund der erheblichen Haftungsrisiken, die mit der Objektüberwachung verbunden sind, sollte der Architekt/Ingenieur sich hierüber im Klaren sein und dies auch bei seiner Honorarfindung berücksichtigen. Erfolgt die Objektüberwachung für eine Sanierung, die der Architekt/Ingenieur nicht selbst geplant hat, gelten die Ausführungen zur Planung entsprechend. Stellt sich erst im Zuge der Ausführung von Sanierungsarbeiten heraus, dass eine DIN-gerechte Herstellung des Bauwerks nicht oder mit wirtschaftlich nicht vertretbarem Aufwand erreicht werden kann, gelten die Ausführungen zu Beratungspflicht und Dokumentation, die im Rahmen der Vorüberlegungen unter Abschnitt 4.4 bereits angesprochen wurden, entsprechend. Kommt es zu Ausführungsmängeln bei Sanierungsarbeiten, muss der Architekt/Ingenieur sich darüber im Klaren sein, dass er im Rahmen der gesamtschuldnerischen Haftung mit größter Wahrscheinlichkeit mit herangezogen wird – vor allem dann, wenn der ausführende Unternehmer insolvent ist.

4 Vermessen, verplant, verpfuscht – Erfahrungen aus der Bauschadenspraxis

273

Nach erfolgreicher Sanierung sollte der Architekt/Ingenieur nicht versäumen, dem fachunkundigen Bauherrn Hinweise über die zukünftige Wartung und Pflege an die Hand zu geben, damit ein langfristiger Erfolg der durchgeführten Maßnahme gewährleistet ist. Literatur [1] LANGEN, U.: Zusammenstellung von typischen Bauschäden und Auswirkungen in technischer Hinsicht – Forschungsarbeit des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. AIA AG, Düsseldorf, 1991 [2] LANGEN, U.; BARTMANN, B.: Architekturbüro Ingenieurbüro – Organisation, Vertrag, Haftung, Versicherung. 3. Aufl., AIA AG, Düsseldorf, 2004 [3] LANGEN, U.: Berufshaftpflichtversicherung der Architekten und Bauingenieure, in: HALM, Wolfgang E. (Hrsg.): Handbuch des Fachanwalts für Versicherungsrecht. 2. Aufl., Luchterhand Verlag, München, 2006 [4] SCHMALZL, Max; KRAUSE-ALLENSTEIN, Florian: Berufshaftpflichtversicherung des Architekten und Bauunternehmers. 2. neu bearb. Aufl., C. H. Beck, München, 2006

274

5

Instandhaltung in der Wohnungswirtschaft Willi Hasselmann

5.1

Ausgangssituation

Schätzungsweise werden pro Jahr bundesweit ca. 35,0 bis 40,0 Mrd. Euro für die Instandhaltung von Wohngebäuden aufgewendet. Hinzu kommen die Verwaltungskosten für die Beauftragung, Abrechnung, Kontrolle und die Kosten für den Geldtransfer. Nach der Definition der DIN 31051 werden unter Instandhaltung alle Maßnahmen zur Wartung, Inspektion und Instandsetzung verstanden. Die Wohnungswirtschaft unterscheidet bei der Instandhaltung zwischen der sog. „Laufenden Instandhaltung“ (auch als Kleinreparaturen bezeichnet) und der sog. „Periodischen Instandhaltung“ (auch als Geplante Instandhaltung bezeichnet). Wenn im Weiteren von Instandsetzung gesprochen wird, sind diejenigen handwerklichen Leistungen gemeint, die zur Erhaltung des Soll-Zustandes und der Funktionalität der Immobilie notwendig sind und in der wohnungswirtschaftlichen Praxis auch als (Klein-)Reparaturen oder (Klein-)Instandsetzung bezeichnet werden. Eine Abgrenzung zur Modernisierung, Leerstandsbeseitigung, Maßnahmen im Zusammenhang mit Mieterwechsel, Wohnungskomplettsanierung oder größere Maßnahmen im Rahmen der Instandsetzung werden in der Wohnungswirtschaft oft über die Festlegung von Wertgrenzen z. B. bis 2.500,- Euro vorgenommen. Die Wertgrenzen begründen sich auch vor dem Hintergrund vergaberechtlicher Regelungen, nach denen bei Beträgen z. B. über 2.500,- Euro Angebote eingeholt werden müssen. Diese Regelungen werden von den Gesellschaften der Wohnungswirtschaft unterschiedlich angewendet. Üblicherweise geht man in der Wohnungswirtschaft davon aus, dass der Anteil der Geplanten Instandhaltung höhere Kosten verursacht und gegenüber der Laufenden Instandhaltung von größerer Bedeutung ist. Aufgrund der durch den Gesetzgeber festgeschriebenen Instandhaltungspauschalen bei den öffentlich geförderten Wohnbauten und dem immer wieder beklagten Instandhaltungsstau reichen die finanziellen Mittel für die Instandhaltung nicht aus. Diese Finanzmittelknappheit führt immer häufiger dazu, dass die Geplante Instandhaltung nicht durchgeführt wird und stattdessen nur die notwendigsten Maßnahmen im Rahmen der Instandsetzung abgewickelt werden. Man schätzt, dass im Durchschnitt ein bis zwei Instandsetzungen pro Wohneinheit und Jahr mit durchschnittlichen Kosten in Höhe von 150,- bis 250,- Euro aufgewendet werden müssen. Allein diese Art der Instandsetzung verursacht Kosten von

5 Instandhaltung in der Wohnungswirtschaft

275

ca. 3,5 bis 4,0 Mrd. Euro pro Jahr für die Wohnungswirtschaft mit steigender Tendenz. Hinzu kommen die Kosten für Instandsetzungen außerhalb der Wohnungen am Gebäude und den Außenbereichen.

Abb. 5-1

Verteilung des finanziellen Gesamtaufwandes

Eine Einschätzung der insgesamt für die Periodische Instandhaltung aufzuwendenden Mittel gestaltet sich als äußerst schwierig, da verlässliche Zahlen hierüber bisher nicht oder nur sehr unvollkommen vorliegen. Geht man jedoch von den derzeitigen gesetzlich festgelegten Instandhaltungspauschalen aus und rechnet die Aufwendungen für die Instandsetzung hiervon ab, d. h. ca. 2,- bis 5,- €/m² Wohnfläche, verbleibt für die Geplante Instandhaltung ein Betrag von ca. 10,- bis 15,- €/m² Wohnfläche. Dies wiederum multipliziert mit der Gesamtzahl der in der Bundesrepublik Deutschland vorhandenen Wohnfläche von ca. 2,6 Mrd. m² ergibt einen Betrag in zweistelliger Milliardenhöhe. Wie bereits ausgeführt, werden jedoch nicht alle notwendigen Geplanten Instandhaltungsmaßnahmen ausgeführt, sondern vielmehr durch die Instandsetzung substituiert, da die notwendigen Aufwendungen für die Geplante Instandhaltung höher sind als die durch die gesetzlichen Festlegungen zur Verfügung stehenden Mittel. Diese seit längerem bekannte Situation wird in der Wohnungswirtschaft auch mit dem Schlagwort „Instandhaltungsstau“ umschrieben. Ohnehin ist es in der Praxis sehr schwer, zwischen geplanten Maßnahmen und Instandsetzungen zu differenzieren. Dies gelingt noch am ehesten, wenn man dies am Betrag der aufgewendeten Mittel festmacht. Der oben genannte Betrag von ca. 2.500,- Euro für eine Einzelbeauftragung mag diesbezüglich als Abgrenzungs-Kriterium herangezogen werden, wohl wissend, dass dies in der Praxis sehr unterschiedlich gehandhabt wird.

276

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Anzahl Rechnungen 3.000

Aufwendige Neuteile/ Größere Maßnahmen Aufw. Reparaturen

Klein- Reparaturen

2.500 2.000 1.500 1.000

An- und Abfahrt Abb. 5-2

> 2.500 €

2.300 - 2.400 €

2.100 - 2.200 €

1.900 - 2.000 €

1.700 - 1.800 €

1.300 - 1.400 € 1.500 - 1.600 €

1.100 - 1.200 €

850 - 900 €

950 - 1.000 €

750 - 800 €

650 - 700 €

550 - 600 €

480 - 500 €

440 - 460 €

400 - 420 €

346 - 380 €

320 - 340 €

280 - 300 €

240 - 260 €

200 - 220 €

160 - 180 €

80 - 100 €

120 - 140 €

0 - 20 €

0

40 - 60 €

500

Preiskategorien

Verteilung des Instandsetzungs-Aufwandes nach Kostenklassen

In der praktischen Abwicklung der Instandsetzung in der deutschen Wohnungswirtschaft verbirgt sich eine zweistellige Millionenanzahl von Aufträgen pro Jahr, die derzeit in der Regel noch alle manuell abgearbeitet werden. Konkret heißt das für die Wohnungsgesellschaft und den Handwerker: -

Auftrag schreiben und versenden, Arbeitsanweisung für den Monteur fertigen, Rechnung schreiben, ggf. Rechnung prüfen, Rechnung bezahlen und verbuchen.

Ohne größere Probleme ließen sich hiervon ca. 10-15 % der Kosten bei der Reparaturabwicklung einsparen, würde man methodisch richtig vorgehen. Hinzu kämen weitere nicht unerhebliche Einsparungen bei den Verwaltungskosten auf Auftraggeber- und Auftragnehmerseite, wenn man die modernen Möglichkeiten der Datenkommunikation des Internets stärker nutzen würde. Ansätze dieser Art werden derzeit in der Wohnungswirtschaft unter dem Stichwort „Handwerker-Kopplung“ diskutiert und auch schon z. T. in den Gesellschaften angewendet. In der praktischen Umsetzung bedeutet dies eine Verbindung herzustellen zwischen den vorhandenen wohnungswirtschaftlichen EDV-Lösungen und einer Kommunikationslösung, die Instandhaltungsaufträge via Internet dem Handwerker übermittelt und die gelegten Rechnungen des Handwerkers auf gleichem Wege zurückführt.

5 Instandhaltung in der Wohnungswirtschaft

277

Im Folgenden soll der Teilbereich der Laufenden Instandhaltung näher untersucht werden.

5.2

Untersuchungsgegenstand „Instandsetzung“

Bei einer Vielzahl von bisher durchgeführten Analysen für den Bereich der Instandsetzung ergibt sich in etwa folgende gewerkebezogene Verteilung des Instandsetzungs-Aufwandes:

sonstige Gewerbe 26 %

Fliesenarbeit 4 % Schlosserarbeiten 4 % Mauerarbeiten 5 % Bodenbelagarbeiten 6 % An- und Abfahrt

Abb. 5-3

20 % SanitärInstallation 10 % Elektroarbeiten 10 % Tischlerarbeiten 15 % Malerarbeiten

Verteilung des finanziellen Instandsetzungs-Aufwandes nach Gewerken

Damit wird nicht nur dokumentiert, wo die Schwerpunkte liegen, sondern auch, für welche Gewerkegruppen es lohnenswert ist, nach Einsparpotentialen zu suchen. In den Schwerpunktgewerken Sanitär-, Heizung-, Warmwasser-, Elektro-, Tischler-, Glaser- und Schlosserarbeiten werden nicht nur die Mehrzahl aller gemeldeten Instandsetzungsfälle abgewickelt, es wird auch in diesen genannten Gewerken das meiste Geld ausgegeben. Analysiert man weiter die einzelnen Gewerke, stellt man fest, welche Reparaturarten immer wieder mit hohem Wiederholungscharakter vorkommen. Sinnvoll ist es, die Abrechnungsdaten einer Periode nach folgenden Kriterien zu untersuchen: -

Örtlichkeit (wo ist ein Mangel aufgetreten), Gegenstand (welches Bauteil war betroffen), Mangel (was war inhaltlich zu tun), Häufigkeit (wie oft trat der Mangel an dem Bauteil auf), Kosten (wie hoch war der finanzielle Aufwand der Beseitigung des Mangels).

Wie an dem Beispiel der VDE-Prüfung ersichtlich, ist die Bandbreite der Abrechnungsbeträge erheblich (von 14,31 Euro Minimum bis 225,06 Euro Maximum). Der Mittelwert aller 1.946 Abrechnungsfälle liegt bei 51,55 Euro.

278

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Reparatur in / an Wohnung/ Gewerbe

Mangel

Anzahl Summe Mittelwert Min Max

Elektro

CO-Warnmeldeanlagen Glühlampen komplett Leitung Lichtschranke Magnetschalter Rauchmaldeanlage Schalter/ Steckdosen VDE VDE-Mangel Zählerkasten Gegensprechanl./ Klingel Wohnungstür Klingel Sprechstelle Einzelraumheizer Heizung Konvektor Nachtstromspeicherofen Wohnung/ Gewerbe Ergebnis

Tab. 5-1

138,75 3 1.238,27 20 194,02 1 949 62.419,71 59,88 1 233 14.373,90 28,62 1 1.317 82.559,22 1.646 84.855,22 356 33.769,78 6.450,22 105 70,24 1 187,54 1 650,49 8 564,74 11 8.868,88 95 4.748 296.429,45

46,25 61,91 194,02 65,77 59,88 61,69 28,62 62,69 51,55 94,86 61,43 70,24 187,54 81,31 51,34 93,36 62,43

33,35 3,99 194,02 11,36 59,88 19,83 28,62 6,74 14,31 15,20 9,25 70,24 187,54 21,89 14,31 16,60 3,99

62,47 178,73 194,02 231,85 59,88 205,56 28,62 229,73 225,06 227,75 222,00 70,24 187,54 159,73 137,69 217,26 231,85

Analyse der Instandsetzungs-Abrechnungsdaten

Untersucht man dieses Beispiel weiter hinsichtlich des Abrechnungsverhaltens einzelner Firmen, zeigt sich, dass die Mittelwerte ebenfalls eine erhebliche Varianz aufweisen. So beträgt der Mittelwert der Firma B bei 350 Fällen 42,59 Euro, der Mittelwert der Firma C bei nur 72 Fällen 72,82 Euro, obwohl die Bandbreite (Min./Max.) annähernd gleich ist. Interessant ist aber auch, dass 7 von 17 Firmen 85 % aller Abrechnungen mit einer VDE-Prüfung gestellt haben. Dabei nehmen die VDE-Prüfungen einen Anteil von ca. 10 % bis 36 % der insgesamt gelegten Abrechnungen aller Firmen ein. Dies ist ein Indiz dafür, dass von der Möglichkeit, diese Leistungsposition abzurechnen, in ganz unterschiedlichem Maße mit sehr unterschiedlichen Abrechnungsergebnissen Gebrauch gemacht wurde.

Mangel

Firma

VDE

Firma A Firma B Firma C Firma D Firma E Firma F Firma G restl. Firmen

Gesamt

Tab. 5-2

Anzahl Anteil an Summe MittelVDE-Re wert Re Re 469 350 245 101 95 74 72 240 1.646

28 % 21 % 15 % 6% 6% 4% 4% 15 % 100 %

21.560,48 14.904,91 13.573,56 7.106,93 4.199,89 3.954,93 5.243,27 14.311,25 99.166,47

45,97 42,59 55,40 70,37 44,21 53,44 72,82 59,63 60,25

Min 14,31 22,74 33,35 14,31 14,31 22,12 33,35 14,91 14,31

Max 204,61 223,30 225,06 171,68 220,97 198,17 214,37 224,23 225,06

Verteilung gestellter Rechnungen auf Firmen

Zu unterscheiden sind inhaltlich die Instandsetzungs-Fallgruppen: -

der reine Reparaturfall, der Austausch eines hochwertigen Teiles, die Mischung von Reparatur und Teileaustausch.

Anteil an insges. gelegten Re 18 % 36 % 17 % 10 % 35 % 21 % 21 %

5 Instandhaltung in der Wohnungswirtschaft

279

Die erste Fallgruppe ist die der Anzahl nach häufigste Art. Im Klartext heißt dies, 75 % aller Reparaturfälle verursachen 25 % der Kosten der Instandsetzung. Häufigkeit % 80

ca. 75 % der Reparaturfälle verursachen ca. 25 % des Gesamtvolumens der Instandsetzungskosten ca. 75 % der Reparaturfälle bestehen aus Einzelreparaturen bis zu einem Wert von 350,- €

70

75 % der Reparaturfälle 25 % der Kosten

60 50 40 30 20 10 0

0

100

150

250

350

400

Reparaturen bis zu Euro

Abb. 5-4

Kostenverteilung bei der Fallgruppe „Reparaturen“

Bei den restlichen Fällen handelt es sich um die Fallgruppen Austausch hochwertiger Teile bzw. um eine Mischung von Reparatur und Teileaustausch. Interessant ist hierbei die Wertkomponente. Obwohl die Gruppe – Austausch hochwertiger Teile – nur 25 % aller Fälle ausmacht, werden für diese Fallgruppe jedoch 75 % der Kosten für Instandsetzungsmaßnahmen ausgegeben. Eben deshalb ist es erforderlich, dieser Kategorie von Mängeln inhaltlich mehr Aufmerksamkeit zu widmen und weniger der oben beschriebenen Gruppe, die nur einen geringen Teil der Kosten verursacht. Häufigkeit % 80

ca. 25 % der Reparaturfälle verursachen ca. 75 % des Gesamtvolumens der Instandsetzungskosten

70 60

25 % der Reparaturfälle 75 % der Kosten

50 40

ca. 25 % der Reparaturfälle bestehen aus dem Austausch höherwertiger Teile und Pauschalen

30 20 10 0

0

100

150

250

350

Reparaturen bis zu Euro

Abb. 5-5

Kostenverteilung bei der Fallgruppe „Höherwertige Teile“

400

280

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Ziel muss es sein, für die der Anzahl nach aufwändigsten Gruppe, Abrechnungsverfahren anzuwenden, die eine möglichst einfache und dennoch effiziente und d. h. Kosten sparende Abrechnung ermöglichen. Zeit und Geld, welches bei dieser Fallgruppe von Reparaturfällen eingespart werden kann, sollte besser z. B. bei der Periodischen Instandhaltung verwendet werden oder aber dem gezielten, kontrollierten, hochwertigen Teileaustausch zugute kommen, will heißen, die Konzentration der Ressourcen Zeit und Geld auf diese zweite Fallgruppe. Analysen bei einer Vielzahl von Wohnungsgesellschaften haben weiterhin ergeben, dass inhaltlich ähnliche Leistungen, die bei der Vielzahl von Mängeln statistisch leicht zuzuordnen sind, keineswegs auch zu gleichen Abrechnungspreisen führen. Das Prinzip „gleicher Abrechnungsbetrag für gleiche Leistungen bei gleichen vertraglichen Einheitspreisen“ funktioniert in der Praxis offensichtlich nicht. Das Abrechnungsverhalten eines jeden Handwerksbetriebes, d. h. die mehr oder weniger geschickte Zusammenstellung von Abrechnungspositionen (mit oder ohne Zeitvertrag) führt dazu, dass der Preis der Leistung hiervon bestimmt wird. Im Ergebnis lässt sich die Aussage machen: Nicht die Leistung entscheidet über den Preis, sondern das Verhalten des Handwerkers bei der Rechnungslegung, in dem er mehr oder weniger geschickt Leistungspositionen heranzieht oder nicht in Rechnung stellt. Eine Kontrolle hierüber ist in der Praxis kaum möglich. Anzahl Rechnungen Handwerksbetriebe arbeiten nach ihren eigenen Reparatur- und Abrechnungsstandard (Handwerksverhalten)

Elektro-Handwerksbetrieb A Elektro-Handwerksbetrieb B

0

50

100

150

200

250

300

Reparaturen bis zu Euro

Abb. 5-6

Abrechnungsverhalten von Auftragnehmern bei der Instandsetzung

5 Instandhaltung in der Wohnungswirtschaft

281

Üblicherweise werden die Instandsetzungs-Leistungen jährlich oder in zweijährlichen Intervallen neu ausgeschrieben, um eine Preisanpassung an die Preisentwicklung der vergangenen Abrechnungsperiode vorzunehmen. Zwei Verfahren sind nach der VOB, Teil A dabei üblich: -

die Angebotseinholung mittels einer öffentlichen oder beschränkten Ausschreibung, die Angebotseinholung mittels Auf- und Abgebotsverfahren.

Die Erfahrung zeigt, dass bei Angebotseinholung mittels einer öffentlichen Ausschreibung mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb für den Auftraggeber die besten Ergebnisse erzielt werden können. Abbildung 5-7 zeigt ein solches Ergebnis mit einer Bandbreite des 5,7-fachen vom höchsten zum niedrigsten Angebot.

Das höchste Angebot ist 5,7 x höher als das niedrigste Angebot.

Abb. 5-7

Preiswettbewerb der Anbieter von Instandsetzungsleistungen nach öffentlicher Ausschreibung

Auf Grund der Vielzahl von Instandsetzungsaufträgen für die Abwicklung dieser Leistungen werden i. d. R. mehrere Anbieter beauftragt. Der niedrigste Angebotspreis kann jedoch, wie dies bei der Vergabe von Bauleistungen sonst üblich ist, nicht zur vertraglichen Festlegung herangezogen werden, da ansonsten die Akzeptanz der übrigen mit zu beauftragenden Anbieter nicht gegeben wäre. Üblich ist die Festlegung des Einheitspreises als Durchschnittswert oder Zweidrittelwert von den im Wettbewerb qualifizierten Anbietern. Es wird also, wie von der VOB gefordert, ein Einheitspreis festgelegt, der unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte wie z. B. Sachkunde, Zuverlässigkeit, Kenntnis der Örtlichkeiten, Ausführungsqualität etc., als der Wirtschaftlichste erscheint.

282

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

zu beauftragende Firmen

Einheitspreis

Abb. 5-8

5.3

Einheitspreisbildung nach öffentlichem Wettbewerb

Organisation und Prozessoptimierung der Instandsetzung

Grundsätzlich unterscheidet man bei der Abwicklung von Instandsetzungsleistungen zwischen Abrechnungen, die vertraglich auf Positionsbasis nach Aufwand oder Zeitverträgen erfolgen und solchen, die pauschalvertragliche Regelungen zum Gegenstand haben. Diese Abrechnungsmethoden folgen damit der in der Bauwirtschaft fest verankerten Vorgehensweise nach den Regeln der Vertrags- und Vergabeordnung für Bauleistungen (VOB). Dementsprechend erfolgt die Beauftragung und Abrechnung auf der Basis von Leistungsbeschreibungen mit Leistungsverzeichnissen. Man hat in den vergangenen Jahrzehnten viel Arbeit investiert, diese Leistungsbeschreibungen für die einzelnen Gewerke des InstandsetzungsLeistungsspektrums zu perfektionieren, d. h. das mögliche Leistungsspektrum durch immer neue Leistungspositionen zu differenzieren, so dass für fast alle vorkommenden Instandsetzungsfälle eine Abrechnungsgrundlage zur Verfügung steht. Dabei ist allerdings oft übersehen worden, dass die Pflege (Inhalt und Preis) dieser oft sehr umfangreichen Positionstexte ebenfalls einen nicht unerheblichen Aufwand verursacht. Bei der Abwicklung der Instandsetzungs-Leistungen werden heute die in der nachfolgenden Abbildung 5-9 dargestellten Organisationsformen angewendet.

5 Instandhaltung in der Wohnungswirtschaft

283

Instandsetzung Jahres-/ Rahmenvertrag

Bremer Modell

VERAVerfahren

HauswartModell

RegieBetrieb

externe Handwerks-Betriebe

externe Handwerks-Betriebe

externe Handwerks-Betriebe

externe Dienstleister

eigene Handwerker/ Hausmeister

Pauschalverfahren Abb. 5-9

Organisationsformen bei der Abwicklung der InstandsetzungsLeistungen

Schwerpunktmäßig werden heute immer noch zwei Verfahren angewendet, die eigentlich längst der Vergangenheit angehören sollten. Da ist es zum einen, man mag es kaum glauben, die Beauftragung und Abrechnung solcher Art von Leistungen nach Aufwand. Methodisch schon etwas weiter sind diejenigen Wohnungsgesellschaften, die mühsam über viele Jahre ganze Bände von Leitzordnern mit Leistungsbeschreibungen aller eventuell vorkommenden Leistungen zusammengetragen haben und hierfür im Wege so genannter Auf- und Abgebote Einheitspreise mit den Handwerksbetrieben vereinbart haben. Die Abrechnung auf der Basis dieser so genannten Jahresverträge/Zeitverträge hat aber den gravierenden Nachteil, dass der Handwerker mehr oder weniger geschickt das Abrechnungsergebnis durch Zusammenstellung der (notwendigen) Positionen bestimmt. Neben diesen tradierten, nicht sonderlich effektiven Verfahren der Abrechnung nach Aufwand und der Abrechnung nach Zeitverträgen sind es zwei Verfahren, deren Anwendung Erfolg versprechender ist. Beide Verfahren basieren auf dem Prinzip der Abrechnung mittels so genannter Pauschalverträge. Zu nennen ist zum einen das „Bremer Modell“ (wurde bei einer Bremer Wohnungsgesellschaft erstmals angewendet) und das bisher weniger bekannte „VERA-Verfahren“ (Der Name steht für VEreinfachte Reparatur-Abrechnung). Das „Bremer Modell“, geht davon aus, dass die gesamte Instandsetzung oder bestimmte Gewerkegruppen, wie z. B. die Sanitär- oder Elektroarbeiten an, durch einen Vergabeprozess, ausgewählte Unternehmen vergeben werden. Die Pauschalvergabe kann an einen oder an mehrere Handwerker als Pool erfolgen, die Leistung und Einnahmen untereinander verteilen. Verlangt wird von den Wohnungsgesellschaften oftmals ein Leistungsnachweis mit Angabe von Ort und Art der Leistung, um zu verhindern, dass die gemeldeten Reparaturen nur oberflächlich oder mit qualitativ geringwertigen Teilen durchgeführt werden.

284

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Berichtet wird speziell beim Einstieg in dieses Verfahren von ganz erheblichen Kosteneinsparungen (von bis zu 20 %). Genannt werden außerdem qm-Preise (Bezugsbasis: Wohnfläche) von 2,- Euro bis 5,- €/qm WFL (brutto), mit denen als Aufwand zu kalkulieren ist. Diese Aussagen sind jedoch zu relativieren, wenn es um eine langfristigere Betrachtung geht. Da der Wohnungsgesellschaft in der Regel der kostenmäßige Rücklauf des Einzelfalles bei diesem Verfahren verloren geht, sind zukünftige Kostenanpassungen/-erhöhungen für die Wohnungsgesellschaft nur schwer berechenbar. Hinzu kommt, dass bestimmte Leistungen wie z. B. Versicherungsfälle oder höherwertige Teile wie z. B. Elektroherde, Fenster, Türen usw. mittels zusätzlicher Einheitspreisvereinbarungen abgewickelt werden. Anders verhält es sich dagegen beim „VERA-Verfahren“. Dieses Verfahren ist bisher weniger bekannt, wurde aber bereits Anfang der 90er Jahre erstmalig eingesetzt und bisher in diversen Wohnungsgesellschaften bundesweit eingesetzt. Das „VERA-Verfahren“ fasst immer wiederkehrende typisierbare Instandsetzungsfälle zu Leistungspositionen mit Leistungsoptionen zusammen. Auf Grund von Rechnungsanalysen abgewickelter Reparaturfälle wird für diese Leistungen ein Festpreis ermittelt und den Handwerksbetrieben vorgegeben. Daneben werden für den Austausch hochwertiger Komponenten auch weiterhin Einheitspreise vereinbart. Diese Einheitspreise für den hochwertigen Teileaustausch beinhalten aber auch die Zusammenfassung definierter Leistungsinhalte (z. B. demontieren, liefern, betriebsbereit anschließen). Bei diesem Verfahren, welches von der Wohnungsbaugesellschaft selber angewendet wird, sind Einspareffekte in Höhe von ca. 7 % bis 15 % realisierbar. Das „VERA-Verfahren“ konzentriert sich auf die Gewerke, in denen die Mehrzahl aller Mängel anfallen und somit auch der höchste Aufwand für die Wohnungsgesellschaften entsteht. Vergleicht man diese beiden Pauschalverfahren „Bremer Modell“ und „VERAVerfahren“, so ist zunächst aus organisatorischer Sicht festzustellen, dass auch beim „Bremer Modell“ sowohl die Mängelerfassung als auch die spätere Bestandserfassung von hochwertigen Austauschteilen, i. d. R. durch die Wohnungsgesellschaft, zu leisten ist. Kurzfristig lassen sich mit dem „Bremer-Modell“ eventuell höhere Einsparungen erzielen, da die Einsparpotentiale, wie auch beim „VERA-Verfahren“, durch die Pauschalierung der Leistungen und eine bessere Organisation der Reparaturabwicklung erreicht werden. Allerdings geht für den Auftraggeber, die Wohnungsgesellschaft, langfristig der Überblick über das Reparaturvolumen und die Mängelinhalte verloren, da diese vom beauftragten Unternehmen i. d. R. nicht mehr der Wohnungsgesellschaft nachgewiesen werden müssen. Die einzige Ausnahme ist, der Austausch hochwertiger Teile, die zum Zwecke der Bestandspflege und Gewährleistungsverfolgung der Wohnungsgesellschaft i. d. R. gemeldet werden.

5 Instandhaltung in der Wohnungswirtschaft

285

Demgegenüber kann beim „VERA-Verfahren“ der tatsächliche Reparaturanfall, d. h. Quantität und Qualität, nachvollzogen werden. Außerdem kann die Preisentwicklung am Markt besser beurteilt werden, denn die beauftragten Handwerksbetriebe werden dann an die Wohnungsbaugesellschaft herantreten, wenn der Aufwand in einer Periode (Lohn und Material) nicht mehr mit den Erträgen, den vereinbarten Pauschalpreisen, übereinstimmt.

Abb. 5-10

Beispiel einer Festpreisbeschreibung nach dem „VERA-Verfahren“

Um zu demonstrieren, wie in der Praxis die Abrechnung der oben beschriebenen Verfahren angewendet wird, werden im Vergleich die Rechnungsstellungen nach Zeitvertrag und nach dem „VERA-Verfahren“ gegenübergestellt.

286

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Das vereinfachte Reparatur-Abrechnungsverfahren fasst immer wiederkehrende typisierbare Fälle der laufenden Instandhaltung zu Leistungsoptionen zusammen. Dabei entsteht im Vergleich zu anderen Verfahren ein Katalog mit einer geringen Anzahl von unternehmensspezifischen Festpreis- und Einheitspreis-Positionen. Pos. Menge Einheit 1 2 3 4 5

1 1 1 1 1

Stck Stck Stck Stck psch

Leistung Druckspüler dem., montieren Spülrohr Spülrohrverbinder WC-Sitz liefern, montieren Einsatzpauschale Summe (netto) Mehrwertsteuer 16 % Zahlbetrag (brutto)

Einzel- Gesamtpreis preis 9,54 € 5,37 € 5,25 € 10,76 € 9,50 €

9,54 € 5,37 € 5,25 € 10,76 € 9,50 € 40,42 € 6,47 € 46,89 €

Rechnung nach Rahmen-/ Zeitvertrag Pos. Menge Einheit 1

1

psch

Leistung SF03 Rep. der WC-Kasten-, DruckSpülungen Spülrohr, WC-Sitz erneuert Summe (netto) Mehrwertsteuer 16 % Zahlbetrag (brutto)

Einzel- Gesamtpreis preis 35,00 €

35,00 €

35,00 € 5,60 € 40,60 €

Rechnung nach vereinfachtem Abrechnungsverfahren

Tab. 5-3

Vergleich der Abrechnungen nach Zeitvertrag und „VERAVerfahren“

Darüber hinaus wird in zunehmendem Maße wieder auf das alt bekannte Modell der Hauswarts-Dienstleister Rückgriff genommen. Wie schon in der Vergangenheit übernimmt der Hauswart/Hausmeister bestimmte, definierte Leistungen im Rahmen der Instandsetzung. Im Gegensatz zu früher, als der Hauswart/Hausmeister noch Angestellter der Wohnungsgesellschaft war, übernimmt heute ein externer so genannter Facility-Management-Dienstleister neben anderen Aufgaben (z. B. im Bereich der Vermietung) auch die Aufgaben der Instandsetzung. Die Anbieter dieser Leistungen setzen handwerklich qualifiziertes Personal ein, können sich relativ schnell auf neue Aufgabenstellungen einstellen und entziehen damit den oft mittelständisch orientierten Handwerksfirmen wichtige Auftragspotentiale. Auch diese Dienstleister arbeiten i. d. R. zu einem Pauschalpreis. Schwierig wird die Situation, wenn verschiedene Verfahren in einer Wohnungsgesellschaft parallel zum Einsatz kommen und die externen Dienstleister über die von ihnen abgewickelten Instandsetzungsfälle keinen Nachweis erbringen. Auf den Regiebetrieb einer Wohnungsgesellschaft soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden, da er nur noch in seltenen Fällen anzutreffen ist.

5 Instandhaltung in der Wohnungswirtschaft

287

Vergleicht man die unterschiedlichen Abrechnungsverfahren miteinander und definiert als Beurteilungskriterien: -

den Abrechnungsspielraum, den Verwaltungsaufwand bei der Rechnungsprüfung, den organisatorischen Aufwand der Datenpflege, die Kontrolle und die Aktualisierung von Preisanpassungen,

wird deutlich, dass pauschalvertragliche Regelungen den Aufwandsabrechnungen überlegen sind. Insbesondere der Abrechnungsspielraum ist bei dem „VERAVerfahren“ sehr begrenzt, beim „Bremer Modell“ spielt er für die Wohnungsgesellschaft ohnehin keine Rolle mehr. Dies gilt ebenso für die Rechnungsprüfung, die beim „VERA-Verfahren“ bedingt durch die Festpreise sehr vereinfacht ist. Allerdings ist die Kontrolle und Aktualisierung von Preisanpassungen beim „Bremer Modell“ als problematisch einzustufen, d. h. die Mengen- und Preiskomponenten sind für die Wohnungsgesellschaften oft nicht mehr nachvollziehbar. Grundsätzlich gilt, dass bei dem Massengeschäft der reinen Reparaturabwicklung die Beauftragung und die Abrechnung nach Einheitspreispositionen, ob nun mit oder ohne vertragliche Grundlage, wenig sinnvoll sind. Auch für den Handwerksbetrieb ist letztlich nicht entscheidend, wie der einzelne Auftrag fakturiert werden kann, sondern vielmehr der Deckungsbeitrag einer längeren Periode (z. B. pro Jahr). Wenn dieser insgesamt positiv für ihn ist, spielt ein nicht auskömmlicher Einzelauftrag keine wesentliche Rolle mehr. Bewertungskriterien Beurteilungskriterien einfache Anwendung Beauftragung, Abrechnung Kontrolle möglich Tranzparenz der Beauftragung, Abrechnung geringer Abrechnungsspielraum Abrechnung zusätzlicher Leistungen Wettbewerb bei den Anbietern geringer Personalaufwand beim Auftraggeber Erhaltung Kernkompetenz beim Auftraggeber Einhaltung Qualitätsstandards einfache Vertragsdefinition/Beziehung geringe Einflussnahme des Mieters Mieterwünsche Kostenreduzierung Einflussnahme des Auftraggebers Steuerung Budget

Tab. 5-4

Rahmen-/ Rahmen-/ Rahmen-/ Rahmen-/ Zeitverträge Zeitverträge Zeitverträge Zeitverträge nein

ja

ja

ja

ja

nein

nein

ja

nein

ja

ja

ja

ja

nein

nein

ja

nein

ja

ja

ja/nein

ja

nein

nein

ja

ja

ja/nein

ja/nein

ja

ja

nein

nein

ja

nein

ja

ja

ja

nein

ja/nein

ja

ja

ja

nein

nein

ja

Vergleich der Abrechnungsverfahren

288

5.4

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Optimierungsansätze für die Instandsetzung

Will man Optimierungen im Bereich der Instandsetzung als Wohnungsgesellschaft erzielen, sind unter Berücksichtigung oben dargestellter Analysen, folgende Punkte zu beachten: -

In welchen Anwendungsbereichen und Preiskategorien fallen die Instandsetzungsfälle hauptsächlich an? Darauf aufbauend lassen sich welche Preismodelle anwenden? Welchen Einsparungen sowohl bei der Abwicklung der Instandsetzungsleistungen als auch durch organisatorische Maßnahmen können erzielt werden?

In der Umsetzung dieser Punkte ist zu beachten: Trägt man, wie in Abbildung 5-2 dargestellt, alle in einem Gewerk in einer Periode angefallenen Instandhaltungsfälle nach Anzahl und Preiskategorie auf, wird ersichtlich, in welchen Preiskategorien Schwerpunkte zu erkennen sind. Üblich ist, dass Häufungen in den Preiskategorien von ca. 20,- bis ca.150,- Euro auftreten. Bei diesen Fällen überwiegt der Lohnanteil. Für diese Fälle wird vorgeschlagen, Pauschalpreismodelle wie z. B. das „VERA-Verfahren“ einzusetzen. Oberhalb dieser Bandbreite bis ca. 500,- Euro sind im Regelfall schon höherwertige/teure Teile mit auszutauschen. Der Materialanteil übersteigt in diesen Fällen i. d. R. den Lohnanteil. In der Preiskategorie von ca. 500,- bis ca. 1.500,- Euro fallen entweder aufwendige Instandsetzungsleistungen mit aufwendigen Neuteilen an oder Instandsetzungsleistungen mit hohen Mengenanteilen wie z. B. neue Bodenbeläge in der Wohnung, malermäßige Instandsetzungen eines oder mehrerer Räume bzw. einer gesamten Wohnung. Hier bietet es sich an, ebenfalls Pauschalen zu definieren, mit denen solche Art von Komplettleistungen ohne großen organisatorischen Aufwand bei der Beauftragung und Abrechnung abgewickelt werden können.

5 Instandhaltung in der Wohnungswirtschaft

Tab. 5-5

289

Beispiel einer Pauschalbeschreibung für eine Komplettleistung

Für Leistungen oberhalb von ca. 1.500,- Euro handelt es sich um größere Maßnahmen, bei denen entweder ebenfalls mit Pauschalen gearbeitet werden kann (Beispiel: malermäßige Instandsetzung einer gesamten Wohnung) oder aber Angebote von Firmen eingeholt werden. Interessant ist die Preisbildung für die erste Preiskategorie für Leistungen bis ca. 500,- Euro. Wie in Abbildung 5-2 ersichtlich, tritt eine starke Häufung bis ca. 150,- Euro auf, danach verringert sich das Volumen stark. Eine Grenzlinie kann bei ca. 500,- Euro für diese Art von Leistungen gezogen werden. Je nach Leistungsgegenstand und -inhalt schwanken die Werte in den Preiskategorien. So mag im Gewerk Sanitär-/Heizungsarbeiten eine Grenzlinie bei ca. 500,- Euro liegen, bei Elektroarbeiten hingegen bei ca. 300,- Euro. Durch diese Art der Analyse wird sehr schnell deutlich, wo die Grenzbereiche liegen. Für diesen so eingegrenzten Leistungsrahmen können Pauschalen durch eine Mittelwertbildung ermittelt werden. Abbildung 5-11 zeigt einen solchen Fall mit einer Bandbreite von ca. 8,- bis ca. 250,- Euro. Der Mittelwert dieser Abrechnungen mit einer entsprechend zuordenbaren Anzahl/Preiskategorisierung liegt beispielsweise bei ca. 50,- Euro. Aus dieser Mittelwertbildung kann eine Festpreispauschalierung unter Berücksichtigung von zusätzlich abrechenbaren Leistungen und Einspareffekten von ca. 44,- Euro abgeleitet werden.

290

Abb. 5-11

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Beispiel einer Festpreisfindung

In der Praxis bedeutet dies, der Handwerker erbringt Leistungen mit Abrechnungswerten innerhalb dieser Bandbreite von ca. 8 bis ca. 250,- Euro, erhält aber pro Abrechnungsfall immer nur 44,- Euro als Pauschale. Unter Berücksichtigung der Fälle, die er unterhalb der Festpreispauschale abwickelt und die als Deckungsbeiträge für diejenigen Fälle verwendet werden können, die ggf. bis zum Maximalwert von ca. 300,- Euro erbracht werden müssen, gleicht sich das Preissystem dann aus, wenn der Handwerker ein ausreichendes Auftragsvolumen erhält. Auf diese Art und Weise kann das in der Analyse festgestellte Abrechnungsverhalten der Firmen zum Nachteil der Wohnungsgesellschaft stark eingegrenzt werden. Die Abbildung 5-12 zeigt, welche Einsparungen allein bei den Instandsetzungsleistungen ohne Berücksichtigung verwaltungsinterner Vereinfachungen erzielt werden können.

Abb. 5-12

Einsparpotentiale durch Leistungs-Pauschalierungen

5 Instandhaltung in der Wohnungswirtschaft

291

Für die Preiskategorie von ca. 500,- bis ca.1.500,- Euro empfiehlt es sich, wie schon beschrieben, Einheitspreis-Pauschalen zu definieren und durch eine öffentliche Ausschreibung ein Preisniveau zu definieren, welches den wirtschaftlichen Gegebenheiten Rechnung trägt (siehe Abb. 5-8). Zur Thematik organisatorischer Vereinfachungen sei angemerkt, dass die Prozesskette Mangelmeldung – Beauftragung – Abwicklung – Kontrolle – Bezahlung möglichst von manuellen Tätigkeiten entlastet wird. Es bietet sich an, hierfür das Instrument einer elektronischen so genannten Handwerker-Kopplung zu verwenden. Kernstück dieser Prozessoptimierung ist eine elektronische Kopplung von der in der Wohnungsgesellschaft eingesetzten EDV-Lösung mit dem EDV-System des Handwerkers via Internet.

Abb. 5-13

Prinzip einer Handwerker-Kopplung

Auf diese Weise werden die Aufträge elektronisch dem Handwerker übermittelt, der auf der Grundlage des ihm übermittelten Datensatzes seine Abrechnungen erstellt und diese auf gleichem Wege an das System der Wohnungsgesellschaft zurück sendet. Allein durch den Wegfall der manuellen Rechnungserfassung und der Rechnungsprüfung lassen sich bis zu 50 % manueller Bearbeitungszeit einsparen. Ifd. Nr.

Leistung

1 2 3 4 5

Auftragserfassung Rechnungserfassung Bestandsdatenpflege Rechnungsprüfung Rechnungsbezahlung Gesamt

Tab. 5-6

Summe Arbeitsleistung/Leistung Anzahl der Summe Arbeitszeit Arbeitszeit Minuten Minuten Mängel /Jahr (Minuten) (Stunden) von - bis o 3,5 - 6,0

4,5 7,0 7,0 4,0

(30 %) (20 %)

70.000 70.000 21.000 14.000

14,4

Kosteneinsparungen durch Prozessoptimierung

315.000 490.000 147.000 56.000

5.250 8.167 2.450 933

1.008.000

16.800

292

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Die bisherigen Erfahrungen sowohl bei den pauschalisierten Abrechnungsverfahren wie z. B. dem „VERA-Verfahren“ als auch der Handwerker-Kopplung, die auch unabhängig voneinander eingeführt werden können, veranschaulichen dies in eindrucksvoller Weise.

5.5

Zusammenfassung

Wie die vorab beschriebenen Ausführungen zeigen, schlummern in den bisher wenig beachteten bautechnisch orientierten Bereichen der Instandhaltung bei Wohnungsgesellschaften noch erhebliche Rationalisierungspotentiale. Bisher galt und gilt in vielen Wohnungsgesellschaften noch heute „was bestellt wurde, wird auch bezahlt“ entsprechend den Regelungen der VOB A und B. Was geflissentlich dabei übersehen wird, ist die Tatsache, dass die Nutznießer/Auftragnehmer der Wohnungsgesellschaften, die von diesen kontinuierlich mit Aufträgen in einem nicht unerheblichen Maße über einen längerem Zeitraum versorgt werden, oft mehr berechnen als gerechtfertigt ist. Erwartet werden kann deshalb von diesen oft mittelständischen Unternehmen, dass sie nicht nur gute Leistungen erbringen, sondern diese Leistungen auch ordnungsgemäß zu Vorzugskonditionen abrechnen. Wie jahrelange Beobachtungen dieses Marktes jedoch gezeigt haben, ist dies aber nicht immer der Fall. Abrechnungen werden oft durch Leistungspositionen überhöht, die der Menge und dem Grunde nach nicht gerechtfertigt sind. Eine Überprüfung ist wegen der Vielzahl der Fälle oft gar nicht möglich. Will man diese Situation als Wohnungsgesellschaft ändern, sollte man genaue Analysen darüber erstellen, in welchen Gewerken, mit welcher Anzahl, in welcher Höhe und von welchen Auftragnehmern diese Leistungen erbracht und abgerechnet werden. Man wird sehr schnell erkennen, dass durch Pauschalierungen von Leistungen bei gleichzeitiger Konzentration auf die wesentlichen Mangelschwerpunkte und durch eine Prozessoptimierung der Geschäftsabläufe erhebliche Einsparungen möglich sind. In der vorliegenden Untersuchung werden Hinweise hierzu für den Bereich der Instandsetzung im Rahmen der Laufenden Instandhaltung gegeben. In diesem Sinne hat sich durch jahrelange Begleitung solcher Optimierungsmaßnahmen besonders das „VERA-Verfahren“ in Verbindung mit einer elektronischen Handwerkerkopplung als ein wirksames Instrumentarium zur Verbesserung der Situation bewährt. In seiner Anwendung ist es mittelstandsfreundlich und bietet der Wohnungsgesellschaft gegenüber den Vorteil, weiterhin die Instandsetzung ihrer Wohnungsbestände aktiv zu begleiten. Bei anderen Verfahren, wie dem so genannten „Bremer Modell“, ist dies nicht gesichert.

5 Instandhaltung in der Wohnungswirtschaft

293

Es bleibt zu wünschen, dass die Geschäftsführungen und Vorstände der Wohnungsgesellschaften, auch angesichts immer knapperer Ressourcen, erkennen, dass für diese Bereiche der Instandhaltung noch viele Handlungsspielräume bestehen, die zu nutzen sind, um Kosten zu sparen. Literatur DIN 31051:2003-06 Grundlagen der Instandhaltung VOB A u. B Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen

294

6

Benchmarking: Konzept und Anwendung Christian Stoy

Die Kosten während der Nutzung betrieblich genutzter Immobilien sind heute der zweit- bzw. drittgrößte Kostenfaktor in vielen Unternehmen. Benchmarkingprojekte, in deren Mittelpunkt Baunutzungskostenvergleiche stehen, gewinnen deshalb zunehmend an Bedeutung. Bei derartigen Projekten müssen vergleichbare Objekte gegenübergestellt werden, da ansonsten keine verwertbaren Aussagen aus dem Vergleich gewonnen werden können. Am Beispiel eines schweizerischen Portfolios von betrieblich genutzten Bürogebäuden wird das Konzept eines Baunutzungskostenvergleichs erläutert. Das dabei gewählte Vorgehen arbeitet vor allem mit der Kenntnis um Kosteneinflussfaktoren, die bei der Auswahl von geeigneten Vergleichsobjekten herangezogen werden. Es zeigt sich, dass auf diese Weise geeignete Objekte für den Vergleich identifiziert werden können. Allerdings sind ein Ausbau der vorhandenen Datenbasis und deren Analyse zur Identifikation weiterer Kosteneinflussfaktoren erforderlich, um zukünftige Benchmarkingprojekte zu unterstützen.

6.1

Vorbemerkungen

Die Kosten betrieblich genutzter Immobilien sind heute in vielen Unternehmen der zweit- oder drittgrößte Kostenfaktor (vgl. Avis/Gibson, 1995) [1]. Aus diesem Grund werden bei den betrieblich genutzten Immobilien vermehrt erhebliche Kostensenkungspotenziale vermutet und der Druck auf die betrieblichen Immobilienmanagementabteilungen wächst. Das zeigt sich beispielsweise in den jüngsten Strategien des betrieblichen Immobilienmanagements schweizerischer Finanzdienstleister. Hier werden Instandhaltungsmaßnahmen reduziert, Leistungen des Facility Managements an Dritte übertragen (outsourcing) oder vermeintlich unrentable Objekte verkauft. In den wenigsten Fällen basieren Wahl und Planung dieser Maßnahmen jedoch auf systematischen Analysen. Damit besteht die Gefahr, dass die Strategieentwicklung im Immobilienmanagement eher „aus dem Bauch heraus“ als auf einem grundlegenden Verständnis der Ursache-Wirkungszusammenhänge erfolgt. Ein wesentlicher Grund für dieses Defizit ist das mangelnde Bewusstsein für die betriebswirtschaftliche Bedeutung der Baunutzungskosten. Sie wurden oftmals als Fixkosten angesehen und ihr Bezug zur betrieblichen Leistung nicht hinterfragt. Das hat sich mit der wachsenden Professionalisierung des Immobilienmanagements geändert. Heute wird in vielen Dienstleistungsunternehmen einerseits gefragt, welche Leistung eine Immobilie für das Kerngeschäft des Unternehmens erbringen soll (z. B. Repräsentativität, Funktionalität) (vgl. Markides, 1999, S. 55-63) [2]. Andererseits

6 Benchmarking: Konzept und Anwendung

295

wird untersucht, was diese Leistungserbringung kostet bzw. kosten darf. Betriebliche Informationssysteme beginnen, diese neuen Fragestellungen aufzunehmen. Viele Unternehmen in der Schweiz bauen dazu Instrumentarien auf für eine systematische Erfassung von Baunutzungskosten, Daten der Flächenbewirtschaftung, Instandhaltungsplanung usw. Eine systematische Analyse dieser Daten im Hinblick auf die Kostenbeträge und deren Verursacher steht jedoch noch aus. Ein Ansatzpunkt für derartige Analysen ist das Immobilienbenchmarking, wie es nicht nur in der Schweiz vermehrt an Bedeutung gewinnt (vgl. Jones Lang LaSasalle, 1996-2005) [3]. Dabei werden einzelne Immobilien oder ganze Portfolios verglichen, um von den Besten zu lernen (vgl. Falk, 2000) [4]. Bei diesem Vergleich stellt sich allerdings immer wieder die Frage, was sind die Parameter, die bei der Auswahl der Vergleichsobjekte zu berücksichtigen sind? Die Parameter sind neben der Nutzungsart beispielsweise der Zustand und Standard der technischen Anlagen. Sie müssen gewährleisten, dass Gleiches mit Gleichem verglichen wird. Eine Studie von betrieblich genutzten Bürogebäuden benennt auf empirischer Basis Parameter, die als Kosteneinflussfaktoren bezeichnet werden (vgl. Stoy, 2005) [5]. Die Umsetzung dieser ersten Forschungsergebnisse in die Praxis stand bisher aus. Erst mit dem kürzlich abgeschlossenen Benchmarking eines Bürogebäudeportfolios konnte die Anwendbarkeit gezeigt werden. Welches Vorgehen für dieses Benchmarkingprojekt gewählt wurde und welche Besonderheiten dabei auftauchten, beschreibt der vorliegende Beitrag. Der erste Abschnitt liefert allgemeine Ausführungen zum Immobilienbenchmarking sowie den Kosten während der Nutzungsphase. Zusätzlich wird ein Konzept des Kostenbenchmarkings beschrieben, das mit Kennwerten und deren Einflussfaktoren arbeitet. Im darauf folgenden Abschnitt wird die Anwendung des Konzeptes anhand eines Portfolios von betrieblich genutzten Bürogebäuden präsentiert. Nach einer Kurzvorstellung des Portfolios werden die Datenerhebung und -auswertung vorgestellt. Im abschließenden Abschnitt des Beitrages wird vor allem ein Ausblick gegeben, wie das vorliegende Konzept weiterzuentwickeln ist.

6.2

Benchmarking-Konzept

Allgemeine Benchmarkinggrundlagen „Benchmarking definiert sich als kontinuierlicher Prozess, bei dem Prozesse und Methoden betrieblicher Funktionen wie auch Produkte und Dienstleistungen des eigenen Unternehmens an einer Benchmark, also der maximal erreichbaren Leistung, gemessen werden“ (vgl. Falk, 2000, S. 138) [4]. Diese Leitsätze können auch auf das Immobilienbenchmarking übertragen werden. Das hat einen Kennzahlenvergleich der einzelnen Immobilien oder ganzer Portfolios innerhalb des Unternehmens oder auch mit anderen Unternehmen zur Folge. Das Ziel ist, „von

296

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

den besten Immobilien oder Portfolios zu lernen“, indem die erkannten Unterschiede beispielsweise zur Optimierung der Baunutzungskosten genutzt werden. In der Literatur zum Thema Benchmarking werden zwei grundsätzliche Kategorien unterschieden (vgl. Garnett/Pickrell, 2000, S. 55-63) [6]: -

allgemeine Benchmarkingrichtlinien, bau- und immobilienspezifische Kommentare.

Die erst genannte Gruppe geht vor allem auf Veröffentlichungen aus den 90er Jahren zurück, in denen das Benchmarking vermehrt zum Einsatz kam. Hier werden die Benchmarkinggrundlagen und vor allem der Benchmarkingprozess näher dargestellt (vgl. Bendell, 1993 [7], Camp, 1989 [8], Codling, 1992 [9]). Bei der zweiten Gruppe sind spezifische Anpassungen an das Immobilienbenchmarking meist in Verbindung mit Fallstudien zu finden. Für den deutschsprachigen Raum soll hier beispielhaft auf die Arbeiten von Jones Lang LaSalle (vgl. Jones Lang LaSalle, 1996-2005) [3] hingewiesen werden. Bei diesen Arbeiten handelt es sich meist um einen Vergleich von Kennzahlen. Bei diesem Vergleich sind auf der einen Seite die Leistung bzw. die Kosten (z. B. kWh Energieverbrauch bzw. CHF Energiekosten) und auf der anderen Seite die Bezugsmenge (z. B. m2 Hauptnutzfläche und Jahr) klar zu definieren. Sie bestimmen beide die Kennzahl. Grundsätzlich kann dabei zwischen folgenden „Kennzahlengruppen“ unterschieden werden (vgl. Massheder/Finch, 1998, S. 123-127) [10]: -

gebäudeökonomische Kennzahlen (z. B. m2 Hauptnutzfläche/m2 Geschossfläche), Kapazitätskennzahlen (z. B. m2 Hauptnutzfläche/Ist-Arbeitsplatz), Produktivitätskennzahlen (z. B. betreute m2 vermietete Fläche/Objektverantwortlicher), physikalische Kennzahlen (z. B. kWh Energieverbrauch/m2 Hauptnutzfläche), monetäre Kennzahlen (z. B. CHF Baunutzungskosten/m2 Hauptnutzfläche), Kosten betrieblich genutzter Immobilien.

Das Immobilienbenchmarking, wie es im vorliegenden Beitrag beschrieben wird, beschäftigt sich lediglich mit einem Teil der letzt genannten Kennzahlengruppe. Es betrachtet die Baunutzungskosten nach SIA D 0165, 2000 [11] (in Anlehnung an DIN 18960, 1976 [12] bzw. DIN 18960, 1999 [13]. Gegenstand des Kostenbegriffs ist nicht nur das Gebäude, sondern auch das Grundstück. Der verwendete Kostenbegriff berücksichtigt alle Kosten während der Nutzung, soweit das Objekt nicht grundlegend verändert wird, etwa durch eine Modernisierung oder einen Umbau. Zusätzlich ist für die Definition wichtig, dass sie ausschließlich gebäudeabhängige Kosten berücksichtigt: „Die betriebsspezifischen und produktionsbedingten Perso-

6 Benchmarking: Konzept und Anwendung

297

nal- und Sachkosten sind nicht nach dieser Norm zu erfassen, soweit sie sich von den Baunutzungskosten trennen lassen“ (vgl. DIN 18960, 1976) [12]. Das heißt, es wird unter anderem eine Trennung der Stromkosten für den Gebäudebetrieb (z. B. für Abwasser-, Wasser-, Wärmeversorgungs- und Förderanlagen) von den Stromkosten für das Betriebsgeschehen (z. B. für EDV- und Kopieranlagen) gefordert. Das ist allerdings in letzter Konsequenz nicht immer möglich. In Ausnahmefällen lässt deshalb die Norm auch eine Vermischung zu, die allerdings die Vergleichbarkeit derartiger Kennzahlen erschwert. Die Gliederung der Kosten (unter Berücksichtigung der genannten Abgrenzungen) folgt beim erläuterten Kostenvergleich grundsätzlich SIA D 0165, 2000 [11] (in Anlehnung an DIN 18960, 1999 [13]: -

Kapitalkosten (Eigenkapital- und Fremdkapitalkosten), Verwaltungskosten (Personal- und Sachkosten), Betriebskosten (Ver- und Entsorgungs-, Reinigungs- und Pflege-, Bedienungs-, Inspektions-, Wartungskosten sowie Kosten für Kontroll- und Sicherheitsdienste sowie Abgaben und Beiträge), Instandsetzungskosten.

-

Diese Gliederungsstruktur zeigt jedoch einige Mängel. Einerseits muss das oft beanstandete Entfallen der Abschreibung behoben werden. In diesem Fall kann der alten DIN 18960 (1976) gefolgt werden, die die Abschreibung als separate Kostenart berücksichtigt (siehe Abb. 6-1). Andererseits ist das praxisuntaugliche „Zerstückeln“ der Bedienungs-, Wartungs- und Inspektionskosten innerhalb der Betriebskosten sowie der Instandsetzungskosten zu bemängeln. Es ist eine Zusammenfassung der Bedienungs-, Wartungs-, Inspektions- und Instandsetzungskosten innerhalb der Instandhaltungskosten möglich. Damit ergibt sich für das vorliegende Benchmarkingprojekt der in Abbildung 6-1 dargestellte Kontenplan.

Abb. 6-1

Instandhaltungskosten

Betriebskosten, sonstige

Reinigung und Pflege

Ver- und Entsorgung

Verwaltungskosten

Abschreibung

Kapitalkosten

Baunutzungskosten

Grafische Darstellung des Kostenplans

298

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Relevant ist bei derartigen Kennzahlenvergleichen immer die funktionale Einheit, auf die sich die Kosten beziehen. Die vorliegende Untersuchung arbeitet mit der Hauptnutzfläche nach SIA D 0165, 2000 [11], da sie die Flächen mit der hauptsächlichen Zweckbestimmung aufnimmt. Neben der Entscheidung für die Hauptnutzfläche muss sich in der funktionalen Einheit auch der Betrachtungszeitraum widerspiegeln. Da der vorliegende Vergleich die Kosten eines Jahres berücksichtigt, lautet die funktionale Einheit „m2 Hauptnutzfläche und Jahr“. Benchmarking auf Basis von Kosteneinflussfaktoren Der Kennzahlenvergleich beim Benchmarking erfordert neben klaren Definitionen auch ein Vorgehen, das einen Vergleich von vergleichbaren Objekten gewährleistet. Das bedeutet beispielsweise, dass neben der Nutzungsart auch andere Parameter bei der Auswahl der Vergleichsobjekte berücksichtigt werden. So müssen beim Benchmarking der Stromkosten von Bürogebäuden nicht nur die Kostenkennzahlen von potenziellen Vergleichsobjekten – Bürogebäuden – zur Verfügung stehen. Zusätzlich sind auch weitere Informationen erforderlich, wie der Standard der technischen Anlagen (wie Klimatisierung, Ausstattung mit Aufzugsanlagen) oder Besonderheiten der Nutzung (wie das Vorhandensein eines Rechenzentrums im Gebäude). Erst diese zusätzlichen Informationen erlauben ein aussagekräftiges Benchmarking bei dem „Äpfel mit Äpfeln und Birnen mit Birnen verglichen werden“. Eine Liste von Parametern, die beim Kostenbenchmarking zu beachten sind, liefert die Studie „Benchmarks und Einflussfaktoren der Baunutzungskosten“ (Stoy, 2005) [5]. Sie betrachtet die Daten von betrieblich genutzten Bürogebäuden der Schweiz. Ein Ergebnis sind die in Tabelle 6-1 dargestellten Mediane und Quartile der einzelnen Kostenarten (vgl. Kostendefinitionen in Abschnitt „Kosten betrieblich genutzter Immobilien“). Sie verdeutlichen die Relevanz der verschiedenen Kostengruppen innerhalb der Baunutzungskosten und deren Häufigkeitsverteilung. Die Möglichkeiten der Einflussnahme auf die einzelnen Kostenarten zeigt Tabelle 6-1. Sie nennt die verschiedenen Kosteneinflussfaktoren entsprechend ihrer Relevanz, die mit Hilfe von Regressionsanalysen identifiziert wurden. Mit diesen Kostenkennwerten und deren Einflussfaktoren arbeitet das nachfolgend beschriebene Benchmarking. Dabei werden die Kostenarten eines jeden Objekts separat betrachtet und aus einer Datenbasis von über 100 Bürogebäuden werden vergleichbare Objekte gefiltert. Filterkriterien sind die relevanten Kosteneinflussfaktoren, wie sie in Tabelle 6-1 benannt sind.

6 Benchmarking: Konzept und Anwendung unteres Quartil

Median

Verwaltungskosten

20

25

30

Hauptnutzfläche pro Ist-Arbeitsplatz Wiedererstellungskosten der Haustechnik Lohnniveau

Ver- und Entsorgung

32

39

47

Anteil der klimatisierten Flächen Zustand der Haustechnik Aufzugshaltepunkte Rechenzentrum im Gebäude Flächenanteil für Wohnen und Aufenthalt

Abwasser-, Wasser-, Gasanlagen

0,20

3

14

Zustand der Haustechnik Kanton Flächenanteil für Produktion, Hand- und Maschinenarbeit, Experimente Leerstandsflächenanteil

Wärmeversorgungsanlagen

2

6

17

Etagengröße Kompaktheit Energieträger jährliche Sonnenscheindauer Hauptnutzfläche pro Ist-Arbeitsplatz

Starkstromanlagen

6

20

41

Anteil der klimatisierten Flächen Anteil der be- und entlüfteten Flächen Aufzugshaltepunkte Flächenanteil für Wohnen und Aufenthalt Rechenzentrum im Gebäude

Reinigung und Pflege

32

41

56

Leerstandsflächenanteil Hauptziel des Eigentümers Fassadenflächenanteil Verkehrsflächenanteil Flächenanteil für vermietete Flächen Flächenanteil für Fahrzeugabstellflächen

Instandhaltung

58

82

103

Anteil der be- und entlüfteten Flächen Anteil der klimatisierten Flächen Aufzugshaltepunkte Zustand der Haustechnik Leerstandsflächenanteil Zustand des Ausbaus

Tab. 6-1

oberes Kosteneinflussfaktoren Quartil (Auswahl)

Kostenkennwerte [CHF/m2 Hauptnutzfläche und Jahr] und deren Kosteneinflussfaktoren (Reihenfolge entspricht der festgestellten Rangfolge, exkl. MwSt.)

299

300

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Für die Beurteilung der Stromkosten eines Bürogebäudes mit einem 50%-igen Anteil von klimatisierten Flächen heißt das beispielsweise, dass ausschließlich Vergleichsobjekte zu wählen sind, die ähnlich hohe Klimaflächenanteile zeigen. Das Filterkriterium ist der Klimaflächenanteil, welcher der relevante Kosteneinflussfaktor der Stromkosten ist (siehe Tab. 6-1). Es wird also nicht der Mittelwert einer möglichst großen Stichprobe herangezogen, wie das im Allgemeinen bei Benchmarkingprojekten der Fall ist. Vielmehr werden die wirklich vergleichbaren Objekte identifiziert und deren Kostenkennzahlen als Grundlage des Vergleichs genutzt. Das hat zur Folge, dass die jeweilige Stichprobe mit ca. 5 bis 10 Objekten zwar relativ klein ist. Allerdings sind die Vergleichsobjekte mit dem zu beurteilenden Objekt vergleichbar. Es erfolgt ein Kostenvergleich bei dem „Äpfel mit Äpfeln und Birnen mit Birnen“ verglichen werden. Die Anwendung des Konzepts wird am Beispiel eines Portfolios von sechs betrieblich genutzten Bürogebäuden demonstriert. Dabei handelt es sich um Objekte des Migros-Genossenschafts-Bundes (MGB), der mit folgender Fragestellung in das Benchmarkingprojekt startete: Können die MGB-Immobilien bei einem Kostenbenchmarking gegenüber vergleichbaren Objekten anderer Unternehmen bestehen?

6.3

Benchmarking-Anwendung

Migros-Genossenschafts-Bund Die Migros erreichte im Jahr 2005 einen Anteil von knapp 18 % des schweizerischen Detailhandelsmarkts. Damit ist sie der größte Detailhändler der Schweiz, der ein Portfolio von Handels-, Verwaltungs- und Industrieliegenschaften nutzt. Der Migros-Genossenschafts-Bund (MGB) nimmt die Koordination innerhalb der Migros wahr. Darüber hinaus sind dem MGB zentrale Konzernbereiche zugeordnet, wie das Marketing (inkl. Einkauf), die Logistik (mit den Verteilzentren) und Informatik, die Handels- (z. B. Hotelplan, Globus, Migros-Bank) sowie Industrieunternehmen (z. B. Jowa). Das nachfolgend beschriebene Benchmarkingprojekt beschäftigt sich mit einem Teil des MGB-Portfolios. Es handelt sich dabei um sechs Bürogebäude mit einer Geschossfläche von mehr als 110.000 m2, die 1.565 Arbeitsplätze aufnehmen. Von diesen sechs Objekten befinden sich fünf in Zürich und eines in Dietikon (siehe Abb. 6-2).

6 Benchmarking: Konzept und Anwendung

Abb. 6-2

301

Standorte der untersuchten Bürogebäude des MGB im Großraum Zürich

Das Objekt in Dietikon und ein Objekt in Zürich sind angemietet, alle anderen sind im Besitz des MGB. Darüber hinaus ist zu erwähnen, dass von den untersuchten ca. 85.000 m2 Nutzfläche knapp 20.000 m2 an Dritte vermietet sind. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Verkaufsflächen, die sich in Zürich befinden. Datenerhebung Bevor die Kostenkennzahlen der sechs MGB-Objekte der Datenbasis gegenübergestellt werden können, sind die relevanten Objektinformationen einheitlich zu erfassen (siehe Tab. 6-2). Dabei handelt es sich einerseits um die Kostendaten der MGB-Objekte. Andererseits sind auch beschreibende Informationen erforderlich, wie Flächen, Zustand und Standard der Objekte, die mit Hilfe eines Erhebungsbogens zusammengetragen werden. Der Aufbau des Bogens folgt dem Vorgehen der Erhebung. Im ersten Abschnitt werden vor allem Flächen in Anlehnung an SIA D 0165, 2000 [11] und weitere Daten abgefragt, die aus den Planunterlagen und der Raumbuchhaltung zu entnehmen sind. In einem zweiten Teil folgen Fragen zur Art und Intensität der Nutzung sowie zur Bewirtschaftung, wie beispielsweise Reinigungslevel und Instandhaltungsstrategien. Diese Angaben stammen aus Interviews mit den Objektverantwortlichen. Im letzten Abschnitt des Bogens sind Fragen aufgeführt, die bei der Objektbesichtigung zu erfassen sind. Es handelt sich neben dem Zustand des Objekts, der in Anlehnung an die IPBau Grobdiagnose (vgl. Bundesamt für Konjunkturfragen, 1995) [14] sowie die EKG Elementkostengliederung (vgl. SN 506 502, 2000) [15] einheitlich erhoben wird, beispielsweise um die Glasflächenanteile der

302

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Fassaden. Alle relevanten Angaben zu den untersuchten sechs Objekten sind in Tab. 6-3 zusammengetragen. Objekt 1

Objekt 2

Objekt 3

Objekt 4

Objekt 5

Objekt 6

Geschossfläche/Hauptnutzfläche

1,80

1,46

1,45

1,77

1,40

1,59

Nettogeschossfläche/Hauptnutzfläche

1,73

1,27

1,29

1,61

1,26

1,52

Konstruktionsfläche/Hauptnutzfläche

0,06

0,19

0,15

0,16

0,14

0,07

Verkehrsfläche/Hauptnutzfläche

0,24

0,22

0,17

0,20

0,16

0,20

Funktionsfläche/Hauptnutzfläche

0,08

0,01

0,05

0,23

0,03

0,11

Nutzfläche/Hauptnutzfläche

1,42

1,04

1,07

1,19

1,08

1,21

HNF 1/Hauptnutzfläche

0,05

0,03

0,07

0,03

0,02

0,03

HNF 2/Hauptnutzfläche

0,55

0,55

0,55

0,88

0,56

0,68

HNF 3/Hauptnutzfläche

0,04

0,00

0,01

0,00

0,00

0,20

HNF 4/Hauptnutzfläche

0,31

0,18

0,37

0,08

0,42

0,08

HNF 5/Hauptnutzfläche

0,05

0,24

0,00

0,00

0,00

0,01

HNF 6/Hauptnutzfläche

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

0,00

Nebennutzfläche/Hauptnutzfläche

0,42

0,04

0,07

0,19

0,08

0,21

Fahrzeugabstellfläche/Hauptnutzfläche

0,35

0,00

0,00

0,14

0,03

0,17

be- und/oder entlüftete Fläche/Hauptnutzfläche

0,00

0,00

0,29

0,71

0,82

0,95

klimatisierte Fläche/Hauptnutzfläche

0,32

0,81

0,49

0,15

0,00

0,05

Hauptnutzfläche/Aufzugsanlagen

176

162

218

253

391

302

Glasflächenanteil der Fassade [%]

45

30

40

70

30

50

1

1

1

1

1

1

23

6

6

7

6

5

Anzahl Untergeschosse Anzahl Erd- und Obergeschosse Anzahl Bürogeschosse mittlere Etagengröße Alter des Gebäudes

17

6

6

5

6

4

1.581

324

1.061

789

782

1.005 35

23

75

75

52

75

Alter der Klimaanlage

2

4

4

9

11

6

Zustand Gebäude [Pkt./m2 HNF]

6

0

0

0

6

86

Zustand Umgebung [Pkt./m2 HNF]

0

0

0

0

0

0

Zustand Rohbau [Pkt./m2 HNF]

2

0

0

0

6

47

Zustand Haustechnik [Pkt./m2 HNF]

3

0

0

0

0

2

Zustand Ausbau [Pkt./m2 HNF]

0

0

0

0

0

38

Grundstücksfläche

9.904

841

2.430

2.470

1.693

-

Umgebungsfläche

2.839

231

498

1.285

653

-

896

47

132

285

178

27

0

0

0

6

0

43

72

72

50

98

50

50

nein

nein

nein

ja

nein

ja

Ist-Arbeitplätze Anteil leer stehende Hauptnutzfläche Nutzungsdauer pro Woche Rechenzentrum im Gebäude

Tab. 6-2

Objektinformation der sechs untersuchten Bürogebäude des MGBPortfolios

Die Kostenerhebung basiert auf den Einzelbuchungen von drei Jahren, die elektronisch bereitstehen. Grundsätzlich muss bei diesen Daten zwischen den Objektkostenstellen und den Kostenstellen der Immobilienmanagementabteilung unterschie-

6 Benchmarking: Konzept und Anwendung

303

den werden, d. h., ein Großteil der Buchungen ist direkt den einzelnen Objekten zugeordnet (Buchungen auf den Objektkostenstellen). Darüber hinaus gibt es aber auch andere Buchungen, die den verschiedenen Kostenstellen der Immobilienmanagementabteilung zugeordnet sind. Das ist beispielsweise der Hausdienst, der neben einer Reihe von Serviceleistungen für die Nutzer auch kleinere Instandhaltungsmaßnahmen an den Objekten ausführt. Die aufgrund dieser Leistungen anfallenden Instandhaltungskosten werden nicht den Objekten, sondern lediglich der Kostenstelle „Hausdienst“ belastet. Vor diesem Hintergrund sind alle Kostenstellen der Immobilienmanagementabteilungen, wie beispielsweise der Hausdienst, hinsichtlich des Leistungsumfanges zu hinterfragen. Dazu werden Interviews mit den Kostenstellenverantwortlichen und die jeweiligen Buchungstexte der Einzelbuchungen herangezogen. Im Anschluss kann eine Zuordnung zu den folgenden Gruppen durchgeführt werden (vgl. Abschnitt „Kosten betrieblich genutzter Immobilien“): -

Kosten, die in keinem Zusammenhang zu den betrachteten Objekten stehen (z. B. Kosten des Bau- und Objektmanagements, das keine Leistungen für die untersuchten Objekte erbringt). Kosten, die nicht zu den Baunutzungskosten zu zählen sind, da es sich um gebäudeunabhängige Services (z. B. Post- und Reproleistungen) handelt. Kosten, die nach SIA D 0165, 2000 [11] als Baunutzungskosten gelten.

Die Kosten der letzt genannten Gruppe müssen im nächsten Schritt den verschiedenen Baunutzungskostenarten zugeordnet werden (siehe Abb. 6-1). In diesem Fall sind die Interviews mit den Kostenstellenverantwortlichen hilfreich, die in einigen Fällen (z. B. beim Hausdienst) anhand von Stundenzetteln eine detaillierte Kostenzuordnung ermöglichen. Die Ergebnisse der beschriebenen Kostenzuordnungen sind der Tabelle 6-3 zu entnehmen. Es ist die Summe der Objektkostenstellen und der Kostenstellen der Immobilienmanagementabteilung dargestellt, die den Objekten zugeordnet werden können. Auf die Publikation der Kapitalkosten und Abschreibung wird an dieser Stelle auf Wunsch des MGB verzichtet. Verwaltung Objekt 1 Objekt 2 Objekt 3 Objekt 4 Objekt 5 Objekt 6

Tab. 6-3

430.183 22.486 90.965 60.259 49.155 65.987

Ver- und Entsorgung 1.102.491 46.798 210.221 654.916 105.646 249.930

Reinigung 1.316.633 28.311 134.122 266.193 115.074 164.539

Betriebskosten, sonstige 133.315 3.232 16.398 48.179 2.014 13.402

Instandhaltung 2.246.419 60.154 308.097 383.247 209.020 289.138

Baunutzungskosten der untersuchten Bürogebäude des MGB [CHF/Jahr] (Kostenstand 2005, exkl. MwSt.)

304

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Datenauswertung Die Gegenüberstellung der Kostenkennzahlen erfolgt in Anlehnung an das oben beschriebene Vorgehen (siehe Abschnitt „Benchmarking auf Basis von Kosteneinflussfaktoren“). Auf den Vergleich der Kapitalkosten und Abschreibung wird allerdings verzichtet. Für den Betrag der Kapitalkosten (bei den untersuchten sechs Objekten ausschließlich Eigenkapital) sind der Buchwert und der kalkulatorische Verzinsungssatz entscheidend. Bei der Abschreibung kommen den Anschaffungskosten, der Abschreibungsdauer sowie den Sonder- und Sofortabschreibungen entscheidende Bedeutungen zu. Die Beeinflussung der genannten Größen liegt meist beim Corporate Finance und nicht bei der betrieblichen Immobilienmanagementabteilung. Beide Kostenarten werden deshalb aus dem vorgestellten Kostenkennzahlenvergleich ausgeschlossen. Stattdessen wird mit dem Vergleich der Verwaltungskosten begonnen. Beeinflusst wird der Kostenbetrag der Verwaltungskosten vor allem von der Belegungsdichte (siehe Tab. 6-1). Je mehr Arbeitsplätze bzw. Mitarbeiter in einem Gebäude sind, desto höher sind die Verwaltungskosten je m2 Hauptnutzfläche und Jahr. Bei den vorliegenden sechs Objekten ergeben sich die in Tabelle 6-4 dargestellten effektiven Kostenkennzahlen. Zusätzlich enthält die Tabelle den jeweiligen Mittelwert der Vergleichsobjekte („Vergleichskostenkennwert“), die aus der Datenbasis gefiltert werden. Filterkriterium ist die Belegungsdichte, die in m2 Büroarbeitsfläche/Ist-Arbeitsplatz gemessen wird. Es werden alle Objekte herangezogen, deren Belegungsdichte bis zu 10 % unter bzw. über der Belegungsdichte des jeweiligen Objekts liegen. Aus der Tabelle 6-4 ist erkennbar, dass die effektiven Kostenkennzahlen der sechs Objekte unterhalb der jeweiligen Vergleichskennwerte liegen. Die betrachteten Objekte können sich damit gegenüber dem durchschnittlichen Kostenbetrag der Vergleichsobjekte behaupten.

Objekt 1 Objekt 2 Objekt 3 Objekt 4 Objekt 5 Objekt 6 Portfolio (Ø)

Tab. 6-4

effektive Kostenkennzahl [CHF/m2 HNF und Jahr] 11 10 12 10 9 11 11

Vergleichskostenkennwert [CHF/m2 HNF und Jahr] 18 18 18 25 22 11 18

Kostenvergleich der Verwaltung

Darüber hinaus kann auch das Gesamtportfolio betrachtet werden. Es werden die effektiven Verwaltungskosten aller sechs Objekte durch die Summe der Hauptnutzfläche aller Objekte dividiert. Das ergibt eine effektive Kostenkennzahl des Portfolios von 11 CHF/m2 Hauptnutzfläche und Jahr, die dem gewichteten Vergleichskostenkennwert des Portfolios gegenübergestellt wird. Der Vergleichskostenkennwert beträgt 18 CHF/m2 Hauptnutzfläche und Jahr. Er liegt weit über der

6 Benchmarking: Konzept und Anwendung

305

effektiven Kostenkennzahl. Die Verwaltungskosten des betrachteten Portfolios können sich damit gegenüber den Vergleichsobjekten behaupten. Die dargestellte Vorgehensweise des Kennzahlenvergleichs kommt in gleicher Form bei den betragsmäßig relevanten Kosten der Ver- und Entsorgung zur Anwendung. Nachfolgend werden dazu die Kosten der Abwasser-, Wasser- und Gasanlagen, der Wärmeversorgungs- und der Starkstromanlagen vorgestellt (siehe Tab. 6-5, Tab. 6-6 und Tab. 6-7). Die jeweiligen Kosteneinflussfaktoren sind in Tabelle 6-1 genannt und werden zur Ermittlung des Vergleichskostenkennwertes aus der Datenbasis herangezogen.

Objekt 1 Objekt 2 Objekt 3 Objekt 4 Objekt 5 Objekt 6 Portfolio (Ø)

Tab. 6-5

Objekt 1 Objekt 2 Objekt 3 Objekt 4 Objekt 5 Objekt 6 Portfolio (Ø)

Tab. 6-6

Objekt 1 Objekt 2 Objekt 3 Objekt 4 Objekt 5 Objekt 6 Portfolio (Ø)

Tab. 6-7

effektive Kostenkennzahl [CHF/m2 HNF und Jahr] 3,39 2,51 2,51 5,00 2,02 1,62 3,14

Vergleichskostenkennwert [CHF/m2 HNF und Jahr] 4,00 3,10 3,10 3,10 3,10 2,30 3,55

Kostenvergleich der Abwasser-, Wasser-, Gasanlagen effektive Kostenkennzahl [CHF/m2 HNF und Jahr] 4,60 2,45 3,89 3,47 2,65 6,68 4,37

Vergleichskostenkennwert [CHF/m2 HNF und Jahr] 3,10 7,19 5,15 6,41 7,09 5,08 4,31

Kostenvergleich der Wärmeversorgungsanlagen effektive Kostenkennzahl [CHF/m2 HNF und Jahr] 20 9 11 95 7 33 26

Kostenvergleich zu Starkstromanlagen

Vergleichskostenkennwert [CHF/m2 HNF und Jahr] 22 29 29 42 29 42 27

306

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Die Gegenüberstellungen zeigen, dass das Objekt 4 bei den Kosten der Abwasser-, Wasser- und Gasanlagen über 60 % und bei den Kosten der Starkstromanlagen über 120 % über dem Vergleichskostenkennwert liegt. Hintergrund ist das Rechenzentrum. Das Objekt 4 nimmt ein vergleichsweise großes Rechenzentrum auf, das erhebliche Stromverbräuche und durch die Klimaanlagen auch erhebliche Wasserverbräuche nach sich zieht. Das verdeutlicht, dass nicht nur die in der Tabelle 6-1 jeweils erst genannten Kosteneinflussfaktoren bei einem Vergleich zu beachten sind. Zusätzlich sind auch weitere Faktoren wichtig, die zwar relativ selten anzutreffen und deshalb statistisch schwierig nachweisbar sind, aber bei einem solchen Kostenvergleich zu beachten sind. Bei den Kosten der Wärmeversorgungsanlagen fällt das Objekt 6 auf. Die effektive Kostenkennzahl liegt über dem Vergleichskostenkennwert. In diesem Fall ist die Begründung im Standard und Zustand der Fassade des betrachteten Objekts zu sehen. Es handelt sich um ein 35-jähriges Gebäude, dessen Fassade seit der Erstellung im Gegensatz zu den technischen Anlagen keinerlei Instandsetzung erfahren hat. Damit entsprechen vor allem die vergleichsweise großen Fensterflächen (ca. 50 % der Fassadenfläche) nicht mehr dem heutigen Standard und führen zu hohen Wärmeverbräuchen. Beim Vergleich der Reinigungs- und Pflegekosten erreicht das Objekt 1 den Vergleichskostenkennwert. Das Objekt 4 übertrifft ihn sogar (siehe Tab. 6-8). Hintergrund dieser vergleichsweise hohen Kostenkennzahlen sind Zahlungen, die an die Stadt Zürich zu entrichten sind. Dabei handelt es sich um kürzlich eingeführte Abgaben, die entsprechend der Arbeitsplatzanzahl des jeweiligen Objekts anfallen. Bei den Vergleichsobjekten der Datenbasis sind diese Abgaben nicht enthalten. Werden die Kosten aus den dargestellten effektiven Kostenkennzahlen herausgerechnet, so liegen die untersuchten sechs Objekte ca. 2-3 CHF/m2 Hauptnutzfläche und Jahr unterhalb der genannten effektiven Kostenkennzahlen.

Objekt 1 Objekt 2 Objekt 3 Objekt 4 Objekt 5 Objekt 6 Portfolio (Ø)

Tab. 6-8

effektive Kostenkennzahl [CHF/m2 HNF und Jahr] 35 17 22 51 27 27 33

Vergleichskostenkennwert [CHF/m2 HNF und Jahr] 35 32 48 48 48 32 38

Kostenvergleich der Reinigung und Pflege

Die Instandhaltungskosten der sechs Objekte liegen weit unterhalb der Vergleichskostenkennwerte des dargestellten Untersuchungszeitraums von einem Jahr (siehe Tab. 6-9). Allerdings zeigt sich gerade bei den Instandhaltungskosten, dass die Auswertung nur eines Jahres verfälschte Aussagen liefern kann. Aufgrund der

6 Benchmarking: Konzept und Anwendung

307

Datenlage können auch die vorhergehenden zwei Jahre hinsichtlich der Kosten betrachtet werden. Dabei zeigen sich andere Kostenkennzahlen. Die Instandhaltungskosten sinken innerhalb der letzten Jahre. Hintergrund dieser sinkenden Kosten ist die Instandhaltungsstrategie des Eigentümers, der bis vor wenigen Jahren mit massiven Instandhaltungsmaßnahmen den Zustand seiner Objekte erheblich verbessert hat. Vor diesem Hintergrund ist bis zum heutigen Zeitpunkt ein Absinken der Instandhaltungskosten verständlich, muss aber über den Zeitraum von mehreren Jahren berücksichtigt werden. Eine Ausnahme von dieser Entwicklung stellt das Objekt 6 dar. Bei diesem Objekt handelt es sich um ein Mietobjekt in vergleichsweise schlechtem Zustand, das trotz allem sehr geringe Instandhaltungskosten ausweist. Auch hier ist die Instandhaltungsstrategie zu hinterfragen. Auf Instandhaltungsmaßnahmen wird weitestgehend verzichtet, da es sich um ein Mietobjekt handelt, das im Untersuchungszeitraum zu über 40 % leer steht und baldmöglichst abgegeben werden soll. Die Instandhaltungskosten zeigen sich daher als vergleichsweise gering.

Objekt 1 Objekt 2 Objekt 3 Objekt 4 Objekt 5 Objekt 6 Portfolio (Ø)

Tab. 6-9

6.4

effektive Kostenkennzahl [CHF/m2 HNF und Jahr] 59 27 41 61 38 48 53

Vergleichskostenkennwert [CHF/m2 HNF und Jahr] 77 86 86 86 86 95 82

Kostenvergleich der Instandhaltung

Schlussbemerkungen

Der Baunutzungskostenvergleich des untersuchten MGB-Portfolios zeigt, dass die Objekte meist gegenüber den Vergleichsobjekten bestehen können. Die effektiven Kostenkennzahlen liegen überwiegend unter den Vergleichskostenkennwerten. Lediglich bei einigen Kostenarten, wie beispielsweise den Kosten der Wärmeversorgungs- und der Starkstromanlagen, werden die Vergleichswerte überschritten. Die Begründungen lassen sich in den meisten Fällen unter Zuhilfenahme der relevanten Kosteneinflussfaktoren identifizieren. Darauf aufbauend stellt sich vor allem beim Objekt 6 ein Handlungsbedarf heraus. Das vorgestellte Konzept des Kostenbenchmarkings hat sich beim vorliegenden Portfolio von betrieblich genutzten Bürogebäuden bewährt. Es werden vergleichbare Objekte gegenübergestellt. Allerdings zeigt sich auch, dass es sich bisher um einen ersten Schritt handelt. Zum einen muss die Datenbasis von über 100 Bürogebäuden und die darauf aufbauenden Auswertungen als nicht vollständig verall-

308

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

gemeinerbar eingestuft werden. Es ist davon auszugehen, dass sich bei der Untersuchung einer größeren Anzahl von Objekten auch weitere Kosteneinflussfaktoren als relevant zeigen. Sie sind bei der Auswahl der Vergleichsobjekte ebenfalls zu beachten. Zum anderen wird deutlich, dass ein Vergleich von Wohn- oder Industriegebäuden auf einer anderen Datengrundlage basieren muss. Sowohl ein Großteil der identifizierten Kosteneinflussfaktoren als auch der Kostenkennwerte unterscheidet sich maßgebend von den hier betrachteten Bürogebäuden. Aus diesem Grund werden zukünftig weitere Kosten- und Objektdaten erfasst und ausgewertet, die eine Ausweitung des vorgestellten Benchmarkingkonzepts der Baunutzungskosten erlauben. Neben dem beschriebenen Baunutzungskostenbenchmarking wird das vorgestellte Konzept aber auch auf andere Kennzahlenvergleiche übertragen. So werden beispielsweise gebäudeökonomische und Kapazitätskennzahlen (wie m2 Büroarbeitsfläche/Ist-Arbeitsplatz) gegenübergestellt. Bei der erst genannten Kennzahlengruppe wird meist der Planungskennwert „Nutzfläche zur Geschossfläche (nach SIA 416, 2003) [16]“ verglichen. Es gilt die Frage zu beantworten, ob es sich beim jeweils untersuchten Gebäude um ein flächenwirtschaftliches Objekt handelt. Grundlage für solche Vergleiche bilden ebenfalls Einflussfaktoren, die auf den jeweiligen Planungskennwert wirken. Die Autoren konnten die Faktoren auf der Basis von über 1.000 Objekten identifizieren. Sie dienen heute neben der umfangreichen Datenbasis für den Kennzahlenvergleich. Literatur [1] AVIS/GIBSON: „Real Estate Resource Management”: A Study of Major Occupiers in the UK”. Oxford Brookes University, Reading, 1995 [2] MARKIDES, C. C.: „A Dynamic View of Strategy”. Sloan Management Review, 40, 1999. [3] JONES LANG LaSALLE: „OSCAR – Büronebenkostenanalyse”. Jones Lang LaSalle, 1996-2005 [4] FALK, B.: „Fachlexikon Immobilienwirtschaft”. Köln, Rudolf Müller, 2000 [5] STOY, C.: „Benchmarks und Einflussfaktoren der Baunutzungskosten”. vdf Verlag, Zürich, 2005 [6] GARNETT/PICKRELL: „Benchmarking for construction: theory and practice”. Construction Management and Economics. Vol. 18 No. 1, 2000 [7] BENDELL; BOULTER; KELLY: „Benchmarking for Competitive Advantage”. Pitman, London, 1993

6 Benchmarking: Konzept und Anwendung

309

[8] CAMP, R. C.: „Benchmarking: The Search for Industry Best Practice that lead to Superior Performance”. ASQ Quality Press., Milwaukee, 1989 [9] CODLING, S.: „Best Practice Benchmarking: The Management Guide to Successful Implementation”. Dunstable, London, 1992 [10] MASSHEDER/FINCH: „Benchmarking metrics used in UK facilities management”. Facilities. Vol. 16 No. 5/6, 1998 [11] SIA Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein: „SIA D 0165 Kennzahlen im Immobilienmanagement”. SIA, Zürich, 2000 [12] DIN Deutsches Institut für Normung: „DIN 18960 Baunutzungskosten von Hochbauten”. DIN, Berlin, 1976 [13] DIN Deutsches Institut für Normung: „DIN 18960 Nutzungskosten im Hochbau”. DIN, Berlin, 1999 [14] BUNDESAMT FÜR KONJUNKTURFRAGEN: „Grobdiagnose: Zustandserfassung und Kostenschätzung von Gebäuden”. Bundesamt für Konjunkturfragen. Bern, 1995 [15] SN 506 502: „EKG Elementkostengliederung”. Schweizerische Zentralstelle für Baurationalisierung CRB. Zürich, 2000. [16] SIA Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein: „SIA 416 Flächen und Volumen von Anlagen”. SIA, Zürich, 2003

310

7

Die Wirtschaftlichkeit der Instandhaltung von Wohnbauten Holger Kolp

7.1

Einleitung und Zielstellung

Immobilienunternehmen mit umfangreichen Portfolios haben immer wieder mit der gleichen wiederkehrenden Problematik zu kämpfen – ihre Gebäude müssen nahezu zeitgleich instand gesetzt und modernisiert werden. Sie müssen also frühzeitig einschätzen, ob sich eine Instandsetzung oder Modernisierung wirtschaftlich rechnet. Ist dies nicht der Fall, so ist es für das Unternehmen vorteilhafter, sich von der Immobilie zu trennen. Den Wohnungsbaugesellschaften fehlen aber die Möglichkeiten für eine einfache und genaue Einordnung der vorhandenen Bauteilschäden und die dafür zu veranschlagenden Kosten. Diese Unternehmen benötigen ein Instrumentarium bzw. Verfahren, welches die Möglichkeit bietet, schnell, unkompliziert und mit geringem Arbeitsaufwand zu entscheiden, welche der geplanten und notwendigen Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen den höchsten wirtschaftlichen Nutzen bringt. Ausgehend von der Situation, dass es für diese Problematiken bei großen sowie kleinen Wohnungsbaugesellschaften keine grundlegenden Lösungsansätze gibt, habe ich mich mit diesem Thema genauer auseinandergesetzt, um ein Verfahren zu entwickeln, das einen guten Lösungsansatz für eine frühzeitige, einfache aber objektbezogene Wirtschaftlichkeitsermittlung bietet. Die Zielstellung für meine Untersuchung ist, für diese Unternehmen ein solches Instrumentarium bzw. Verfahren mit einem einfachen Programm wie Excel zu entwickeln.

7 Die Wirtschaftlichkeit der Instandhaltung von Wohnbauten

Verfahren zur Ermittlung der Wirtschaftlichkeit bei Wohnbauten

Rentabilität unzureichend, Maßnahmenkatalog/ Schadensdokumentation ändern

7.2

311

Schadensdokumentation nach DIN 276 Kosten im Hochbau (06.93)

Maßnahmenkatalog für dokumentierte Schadensschwerpunkte

Kostenermittlung für ausgewählte Maßnahmen Ermittlung KG 760 Ermittlung Modernisierungsumlage Wohnen / Gewerbe

Rentabilitätsrechnung für ausgewählte Maßnahmen

Modernisierungs- und Instandhaltungskosten, je m² Fläche Wohnen / Gewerbe

Ausführungsbeginn

Abb. 7-1

Aufbau Verfahren zur Ermittlung der Wirtschaftlichkeit

Schadensdokumentation nach DIN 276 ‚Kosten im Hochbau’ (06.93) Zu Beginn der Untersuchung werden die verschiedenen Schadensschwerpunkte des Gebäudes herausgearbeitet und aufgenommen. Dieser Arbeitsschritt stellt den arbeitsintensivsten Teil der Wirtschaftlichkeitsermittlung dar, ist aber als Grundlage für das weitere Vorgehen unumgänglich. Die Dokumentation der Schadenspunkte wird nach der Gliederungsstruktur der DIN 276 ‚Kosten im Hochbau’ (06.93) durchgeführt, da so zu einem späteren Zeitpunkt Kostenkennwerte einfacher zugeordnet werden können. Bei der Dokumentation werden die wesentlichen Schadensbilder des Objektes nicht nur aufgenommen und mengenmäßig beziffert, sondern auch den Kategorien der Instandsetzung, Verbesserung und Modernisierung zugeordnet. Eine farbige Hinterlegung in rot, gelb und grün dient der schnelleren Übersicht über die Dringlichkeit. Die genauen Bauteilmengen werden erfasst, um eine möglichst gute Grundlage für eine korrekte und genaue Kostenermittlung der notwendigen Modernisierungsund Instandsetzungsmaßnahmen zu erhalten. Bei der Schadensdokumentation werden in diesem Fallbeispiel die dokumentierten Bauteile den Wohneinheiten, den Gewerbeeinheiten oder beiden zugeordnet. Bei der Schadensdokumentation kann das Alter der vorhandenen Bauteile eingetragen werden. Bei älteren Objekten ist dieser Spalte größere Bedeutung beizumessen, wenn sich das Alter einzelner Bauteile unterscheidet und die Restlebensdauer geschätzt werden muss.

Tab. 7-1

eze ich n

ung

B

KG

Schadensdokumentation nach DIN 276 ‚Kosten im Hochbau’ (06.93)

Dringlichkeit:

[...]

[...]

331 Tragende Außenwände 334 Außentüren und -fenster

100 Grundstück 200 Herrichten und Erschließen 300 Bauwerk - Baukonstruktionen 330 Außenwände

Sch a s den c h we srpu nk

t

mittel

M

Haustür Neumarkt 2, kein Hauseing., verschlos.

gering

M

M

M

M

I

a)

hoch

-

1,50 m 2,10 m

Instandsetzung:

I

mö gl Fo . Ge l g esc fahre häd n/ en

Modernisiserung:

M

3 m2 Gewerbe 1 m2 Gewerbe Schimmelpilz

4 m2 Gewerbe Schimmelpilz

[...] [...] [...] [...] m2 [...] 2,25 m - 1 St. Wohnen

-

- 10 m2 Wohnen - 6 m2 Wohnen - 32 m2 Wohnen - 5 m2 Wohnen - 3 m2 Wohnen - 6 m2 Wohnen - 9 m2 Wohnen

1,00 m

0,75 m 1,40 m 1,35 m 1,35 m 1,95 m 1,95 m 1,50 m

1,20 m 1,40 m

1 m2 Wohnen/ Gewerbe - 12 m2 Wohnen -

Hö he (b) Tie fe (t) An zah Ab l (St) rec hnu n Zu g sei or nhe (W dnun it g E / G ew erb e)

2,00 m 1,00 m

Bre ite (

1,30 m 0,90 m 0,90 m 0,90 m 0,90 m 0,90 m Kunststoff mehrfl., 2,00 m über 2,5 m2 Aluminium, mehr- 1,00 m fl. 1,00-1,75 m2 1,00 m Aluminium, mehr- 2,10 m fl. über 2,5 m2 [...] Aluminium/ Glas 1,00 m

Kunststoff 1 flg. 1,00-1,75 m2

Beton

Ins ta Ve ndset rb z Mo esser ung u d e r nis ng ier ung An g a Ma ben ter zum ial

Fensteranlagen: mang. Dichtigkeit/ Wärmeschutz

Fenster: mang. Dichtigkeit/ Wärmeschutz Fensteranlagen: mang. Dichtigkeit/ Wärmeschutz

Fassadenelement, Vertikalriss Fenster: mang. Dichtigkeit/ Wärmeschutz

Do ku (Fo men ta t De o, Be tion s ta t a i l n ) dsp lan ,

Westans., 1. OG rechts D15.1-16.5 Westansicht, 1. OG links Südansicht, EG recht, D-15.1-16.5 [...] Westansicht, D-15.18, Foto 40

D-34.1-6, D-37. 0-9, D38.1-4, Unfallgefahr u. Durch- Foto 12 feuchtung Wände Schimmelpilz D-2, D-16.5, Ostansicht, Foto 07 u. 19 Schimmelpilz Ostansicht, Treppenhaus Schimmelpilz Ostans., EG-5. OG rechts Schimmelpilz Westans., 2.-5. OG links Schimmelpilz Westans., 2.-5. OG rechts Schimmelpilz Westans., 2.-5. OG rechts Schimmelpilz Südans., 2. OG, Foto 20 u. 21 Schimmelpilz Südans., 2.-5. OG

312 C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

7 Die Wirtschaftlichkeit der Instandhaltung von Wohnbauten

7.3

313

Maßnahmenkatalog für die Schadensdokumentation nach DIN 276 (06.93)

Der Maßnahmenkatalog bildet den Kern bei dieser Wirtschaftlichkeitsermittlung. Hier werden die verschiedenen Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen den dokumentierten Schadensschwerpunkten zugeordnet. Der Maßnahmenkatalog bietet für die einzelnen Schäden verschiedene Varianten zur Ausführungsart und -klasse an. Hierbei wird zwischen verschiedenen Qualitätsstandards und Kostenstufen unterschieden. So kann genau entschieden werden, welche die optimale bzw. die wirtschaftlichste Variante ist. Jede Einzelmaßnahme des Maßnahmenkataloges wird mit genauem Leistungsumfang und Kosten beschrieben. Diese Informationen sind als Kommentare an die jeweilige Ausführungsklasse angehängt und erscheinen in der EDV durch einen Mausklick als Popup-Fenster. Die Kostenkennwerte können jederzeit aktualisiert werden, sobald durch eine Kostenfeststellung genauere Daten anderer Projekte vorliegen. Hierbei ist jedoch darauf zu achten, dass alle Kostenkennwerte einer Tabelle dem gleichen Preisindex zu Grunde liegen. Um eine bessere Auswahlmöglichkeit der Maßnahmen zu gewährleisten, werden die nicht verwendeten Positionen nicht ausgeblendet. Die ausgewählte Maßnahme wird zur besseren Übersicht farblich hervorgehoben. Diese Vorgehensweise entspricht dem Prinzip des Morphologischen Kastens.

7.4

Kostenermittlung für den Maßnahmenkatalog

Die Tabelle Kostenermittlung (Tab. 7-3) für den ausgewählten Ausführungsstandard greift automatisch auf die Mengenermittlung der Tabelle Schadensdokumentation (Tab. 7-1) nach DIN 276 (06.93) und auf den ausgewählten Kostenkennwert der Tabelle Maßnahmenkatalog (Tab. 7-2) zurück. Diese Werte ergeben durch einfache Multiplikation die Aufwendungen für Modernisierung und Instandhaltung jedes einzelnen Bauteils nach DIN 276 (06.93). Des Weiteren wird bei der Kostenermittlung festgelegt, wie viel Prozent der anfallenden Kosten für die jeweiligen Modernisierungsmaßnahmen auf die Mieter umgelegt werden können. Die Kosten und die Höhe der jährlichen Modernisierungsumlage werden getrennt nach Wohnen und Gewerbe aufgeführt. Dies ist daher wichtig, weil die Aufwendungen der Modernisierungsmaßnahmen für Wohneinheiten nicht auf Gewerbemieten umgelegt werden dürfen. Bei Maßnahmen wie Fassadenarbeiten werden die Kosten anteilig an der Gesamtfläche des Objektes auf die Quadratmeterflächen von Wohnen und Gewerbe umgelegt.

Bezeichnung

Tab. 7-2

[...] [...]

Kostenstand: II Quartal 2006

Beschreibung

28,44 €/m 48 01 904 vorh. Fugenmasse entfernen, neue Füllung 34,53 €/m 48 01 904 vorh. Fugenmasse entfernen, neue Füllung 85,32 €/m2 46 01 905 WDV, PS Hartschaum und Kunstharzputz

52 01 027 1-flg. Fenster, Fugenabdichtung

52 01 027 1-flg. Fenster, Fugenabdichtung

28,44 €/m 48 11 904 Fugenbänder aufbringen 28,44 €/m 48 11 904 Fugenbänder aufbringen 85,32 €/m2 46 02 905 WDV, PS Hartschaum und Mineralputz

2.488,43 €/St. 42 02 902 Hauseingangstüranlagen, Kunststoff, gehoben

609,41 €/m2 21 11 901 Aluminiumfenster mehrflg., Größe 1,00-1,75 m2 655,12 €/St. 25 13 901 Stahlfenster, mehrflg., Größe über 2,50 m2

AK AA StLB

21 13 901 Aluminiumfenster 1-flg., Größe 1,00-1,75 m2 21 13 901 Aluminiumfenster mehrflg., Größe über 2,50 m2 42 01 902 Hauseingangstüranlagen, Kunststoff, einfach

Kostenkennwert (€/Einheit)

17,77 €/m2 51 03 906 Abplatzung von Betonelementen mit Reparaturmörtel füllen 2 15,74 €/m 11 03 901 Kunststofffenster 1-flg., Größe 1,001,75 m2 15,74 €/m2 11 13 901 Kunststofffenster mehrflg., über 2,50 m2

Beschreibung

38,60 €/m2 51 01 906 Löcher, Risse in Betonwänden schließen

314,86 €/m2 Fenster, mang. Dichtigkeit/ Wärmeschutz (1,00-1,75 m2) 335,18 €/m2 Fenster, mang. Dichtigkeit/ Wärmeschutz (über 2,50 m2) Fensteranlagen, mang. 609,41 €/m2 Dichtigkeit/ Wärmeschutz (1,00-1,75 m2) Fensteranlagen, mang. 655,12 €/m2 Dichtigkeit/ Wärmeschutz (über 2,50 m2) 2.488,42 €/St. Hauseingangstür Neumarkt 2, k. Hauseingang verschlossen

Fassadenelement, Vertikalriss

Schadensschwerpunkt gewählte Kos- AK AA StLB tenkennwerte (€/Einheit)

[...] 335 Außenwandbe- Fugendichtung, fehlt/ kleidungen außen schadhaft Fugendichtung, fehlt/ schadhaft Fassadendämmung

331 Tragende Außenwände 334 Außentüren und -fenster

100 Grundstück 200 Herrichten und Erschließen 300 Bauwerk - Baukonstruktionen 330 Außenwände

KG

[...]

(alle Angaben incl. MwST)

91,41 €/m2 [...]

34,53 €/m [...]

34,53 €/m [...]

4.138,92 €/St. [...]

731,29 €/m2 [...]

721,14 €/m2 [...]

335,18 €/m2 [...]

314,86 €/m2 [...]

38,60 €/m2 [...]

Kostenkennwert (€/Einheit)

314 C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Maßnahmenkatalog für die Schadensdokumentation nach DIN 276 (06.93)

Bezeichnung

Tab. 7-3

Kostenermittlung für den Maßnahmenkatalog 0%

273,73 €

2.488,43 €

50%

655,12 €/m2 163,42 m2 107.059,33 €

2.488,43 € 100%

21 13

incl. KG 760 Finanzierung

Gesamtkosten

42 43 46 [...]

01 11 01 [...]

28,44 €/m 34,53 €/m 85,32 €/m2 [...]

[...]

40%

929.451,57 €

1222 m 34.748,17 € 100% 1222 m 42.194,21 € 100% 1278 m2 109.042,78 € 100% [...] [...] [...]

[...]

[...] [...] [...]

1,00 St.

42 01 2.488,43 €/St.

[...] 185.985,16 €

1.236,54 €

11.241,23 €

50%

5.180,00 €

609,41 €/m2

21 13

8,50 m2

9.049.76 €

0,00 € 0,00 €

284,90 €

0,00 €

0,00 €

2488,43 €

394.340,76 € 43.377,48 € 136.536,96 € 15.019,07 € 530.877,72 €

2.580,05 € 3.132,92 € 8.096,43 € [...]

11.293,16 € 1.242,25 € 34.748,17 € 13.713,12 € 1.508,44 € 42.194,21 € 35.438,90 € 3.898,28 € 109.042,78 € [...] [...] [...]

0,00 €

53.529,66 €

2.590,00 €

3.619,91 €

11.044,13 €

23.455,02 € 28.481,09 € 73.603,88 € [...]

0,00 €

42.288,43 € 4.651,73 €

2.590,00 €

0,00 €

0,00 €

0,00 € 77.345,80 €

0,00 €

[...] [...] [...] 60.445,18€ 6.648,97 € 185.985,16 €

0,00 €

398,19 €

0,00 €

0,00 € 0,00 € 44.878,43 € 4.936,63 €

0,00 €

[...] [...] 125.539,98 € 13.809,40 €

0,00 €

3619,91 €

1.214,85 €

335,18 €/m2 27,00 m2

11.044,13 €

11 13

40%

27.610,31 €

0,00 € 3.571,41 €

0,00 €

314,86 €/m2 87,69 m2

0,00 € 32.467,36 €

0,00 €

11 03

77,19 € 77,19 € 155.461,51 €

38,60 €/m2

0,00 € 0,00 €

158.007,34 € 17.380,81 € 105.323,61 € 11.585,60 € 263.330,95 €

0,00 € 0,00 €

346.327,69 €

0,00 € 0,00 €

241.877,79 € 26.606,56 € 114.506,28 € 12.595,69 € 356.384,07 €

0,00 € 0,00 €

Mod.- Um- Mod.-Umlage 11% lage Kosten (gesamt) (Gewerbe)

503.736,71 €

0,00 € 0,00 €

Menge Gesamtkosten Mod.- Mod.- Um- Mod.- Um- Mod.- UmUmla- lage Kosten lage 11% lage Kosten (Wohnen) (Gewerbe) ge % (Wohnen)

2,00 m2

51 03

AK AA Kostenkennwert (€/Einheit)

[...] [...]

Fenster, (1,00-1,75 m2) Fenster, (über 2,50 m2) Fensteranlagen, (1,00-1,75 m2) Fensteranlagen, (über 2,50 m2) Hauseingangstür Neumarkt 2, [...]

Fassadenelement,

Schadensschwerpunkt

Fugendichtung, Fugendichtung, Fassadendämmung [...]

335 Außenwandbekleidungen außen

334 Außentüren und -fenster

331 Tragende Außenwände

100 Grundstück 200 Herrichten und Erschließen 300 Bauwerk - Baukonstruktionen 330 Außenwände

KG

7 Die Wirtschaftlichkeit der Instandhaltung von Wohnbauten 315

316

7.5

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Ermittlung der Modernisierungsumlage

Die Modernisierungsumlagen werden jeweils für Wohnen und Gewerbe getrennt errechnet. Bei der Ermittlung der Modernisierungsumlage für das Wohnen kann z. B. eine Förderung der KfW-Bank direkt eingerechnet werden. Diese Vergünstigungen sind aber vom Eigentümer direkt an die Mieter weiter zu geben. Bei der Modernisierungsumlage für die Wohnflächen wird dann z. B. mit dem vergünstigten Zinssatz der KfW-Bank gerechnet, während für die Gewerbeflächen keine Zinsvergünstigungen veranschlagt werden dürfen. Die monatliche Modernisierungsumlage wird mit der aktuellen Nettokaltmiete zusammengerechnet und ergibt die künftigen Grundmieten für das entsprechende Objekt.

7.6

Ermittlung der Rentabilität

Die Ermittlung der Wirtschaftlichkeit erfolgt als statische Rentabilitätsberechnung. Diese wird für verschiedene Vermietungssituationen, einmal mit niedrigem Leerstand und einmal mit hohem Leerstand, durchgeführt. Diese Varianten sind ratsam, um so verschiedene mögliche Vermietungssituationen zu simulieren. Das in der Kostenermittlung errechnete Gesamtkapital wird nun entsprechend den Möglichkeiten des Wohnungsbauunternehmens z. B. 40 % Eigenkapital und 60 % Fremdkapital geteilt. Für das Eigenkapital wird eine mögliche Verzinsung am Kapitalmarkt angenommen, während für das Fremdkapital entsprechend dem ausgewählten Förderprogramm der vergünstigte Zinssatz gilt. Bei vielen Objekten mit Gewerbeflächen kann das Unternehmen den KfW-Kredit zu 100 % in Anspruch nehmen, da die Aufwendungen der nicht förderungsfähigen Gewerbeflächen durch das Eigenkapital abgedeckt werden. Die veranschlagten Nebenkosten, bestehend aus Verwaltungsaufwand und Instandhaltungsrücklagen, müssen für Wohneinheiten und Gewerbeeinheiten eingesetzt werden. Für nicht vermietete Flächen kann ein Pauschalbeitrag je Quadratmeter im Jahr veranschlagt werden. Die Mieteinnahmen von Wohnen und Gewerbe errechnen sich aus den künftigen Nettokaltmieten und den vermieteten Flächen. Werden die Zinsen für das Eigen- und Fremdkapital sowie die Nebenkosten und der Leerstand vom Mietausfallwagnis abgerechnet, erhält man den über die Fremd- und Eigenkapitalverzinsung hinausgehenden Gewinn/Überschuss für ein Jahr. Mit diesem jährlichen Gewinn lässt sich nun die Rentabilität für die gesamten Modernisierungs- und Instandhaltungsarbeiten am entsprechenden Objekt ermitteln. Liegt dieser Wert über den vom Eigentümer veranschlagten Vorgaben, sind die geplanten Maßnahmen als wirtschaftlich günstig einzustufen. Wird für die

7 Die Wirtschaftlichkeit der Instandhaltung von Wohnbauten

317

Anfangsrendite ein Wert ermittelt, der unter diesen Vorgaben liegt, muss geprüft werden, an welchen Positionen oder mit welchen Maßnahmen Kosten eingespart werden können. Führen weitere Einsparungen nicht zum gewünschten Resultat, ist die Wirtschaftlichkeit für die geplanten Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen nicht gegeben und das Unternehmen nimmt von der Durchführung der Arbeiten Abstand – ein Verkauf des Gebäudes wäre in so einem Fall wirtschaftlicher.

7.7

Ausblick und Resümee

Die Wirtschaftlichkeitsermittlung anhand von Bauteilelementen nach DIN 276 (06.93) ist ein einfaches, praktisches Verfahren und kann individuell und schnell an jedes Gebäude angepasst werden. Bei der Schadensdokumentation werden die gebäudespezifischen Schäden aufgenommen und dokumentiert. Alle notwendigen Berechnungen innerhalb des Verfahrens werden vom System eigenständig durchgeführt. Die ermittelten Werte werden automatisch in die weiteren notwendigen Tabellen übertragen. Die dynamischen Verknüpfungen des Verfahrens ermöglichen eine schnelle und begleitende Überprüfung der Rentabilität für die ausgewählten Maßnahmen. Daher können zwei Ausführungsvarianten oder Maßnahmenstandards einfach anhand der Rentabilität verglichen werden.

7.8

Anwendungsbereiche des Verfahrens zur Ermittlung der Wirtschaftlichkeit

Das erarbeitete Verfahren zur Ermittlung der Wirtschaftlichkeit kann sowohl bei kleinen als auch bei großen Projekten angewendet werden. Es erfordert lediglich eine gut strukturierte Schadensdokumentation von jedem Gebäude auf Basis der Kostengliederung nach DIN 276 ‚Kosten im Hochbau’ (06.93). Der für die in der Dokumentation aufgeführten Bauteilelemente erstellte Maßnahmenkatalog kann stetig ergänzt und auf andere Projekte übertragen werden. Bei Bedarf kann dieser Maßnahmenkatalog bei der Wohnungsbaugesellschaft zentral erstellt und verwaltet werden. Diese Variante bietet sich vor allem bei Unternehmen an, die über einen großen Gebäudebestand des gleichen Bautyps verfügen. Diese weisen in der Regel gleiche Schadensschwerpunkte auf und benötigen dementsprechend auch in vielen Fällen die gleichen Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen.

318

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Bei einem zentral organisierten Maßnahmenkatalog kann das Unternehmen die gewünschten Qualitätsstandards einheitlich festlegen und steuern und so ein gleich bleibend hohes Niveau bei den Objekten gewährleisten. Mit dem von mir entwickelten Verfahren, zur einfachen Ermittlung der Wirtschaftlichkeit, können Wohnungsbaugesellschaften geplante Maßnahmen schnell miteinander vergleichen und Gebäude entsprechend ihrer Rentabilität sehr gut einstufen. Literatur DIN 276 Kosten im Hochbau (06.93)

319

8

Gewinnung von Kennwerten der Instandhaltung von Plattenbauten Zusammenarbeit von Wohnungsbauunternehmen mit dem Baukosteninformationszentrum Stuttgart Matthias Krause, Philipp Kohde

8.1

Einleitung

Alle längerfristig genutzten Objekte bedürfen einer Instandhaltung, da sie einer Abnutzung unterliegen. Die Zeit für die Errichtung eines Gebäudes ist im Verhältnis zu dessen Nutzungsdauer gering. Aber auch die Nutzungsdauer kann durch die Art der Nutzung zeitlich stark variieren. Während der gesamten Zeit der Nutzung fallen Kosten an, welche oft bedeutend höher sind, als die Kosten der Bauwerkserrichtung. Die Instandhaltungskosten nehmen den größten Teil der Bauunterhaltskosten ein. Dabei darf die Liquidität des Nutzers bzw. Eigentümers zum Zeitpunkt der Instandhaltungsmaßnahme nicht vernachlässigt werden. Könnte man über die Hilfe von Daten von geeigneten Vergleichs-, bzw. Referenzobjekten eine Aussage über die anfallenden Kosten für jedes Bauteil über deren gesamte Lebenszeit treffen, wäre man in der Lage, frühzeitig die entsprechenden Rücklagen zu schaffen und somit die Finanzierung der Instandhaltungsmaßnahme sicher zu stellen. Aber da diese Kennwerte bezüglich der Bauteillebensdauer und der Bauteilkosten über die gesamte Lebenszeit nur teilweise vorhanden sind, können zu Planungsbeginn nur bedingt Aussagen getroffen werden. Die vorhandenen Kennwerte zur Planung der Instandhaltung von Gebäuden besitzen auch keine einheitliche Basis, sodass sie vor ihrer Anwendung geprüft und gegebenenfalls an die besonderen Rahmenbedingungen angepasst werden müssen. Daraus lässt sich erkennen, dass es sinnvoll ist, allgemeingültige Angaben zu den Inspektions- und Wartungsintervallen sowie technischen Lebensdauern von Bauteilen mit ihren Bauteileigenschaften zu erarbeiten. Die technische Lebensdauer von Bauteilen muss in vielen Fällen geschätzt werden, wie dies zum Beispiel bei neuen Materialien der Fall ist, da über diese oft keine Erfahrungswerte vorliegen. Eine pauschale Übertragung der Kennwerte ist in den seltensten Fällen möglich, da diese oft von älteren Bauwerken stammen, bei deren Errichtung andere Baustoffe verarbeitet wurden. Eine Vergleichsmöglichkeit bieten hier nur Objekte mit nahezu gleichen Baustoffen und deren Verarbeitung. Hier müssen neue Vergleichs- und Referenzobjekte gefunden und dokumentiert werden.

320

8.2

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Definition und Begriffe

Den Begriff Erhaltung von Anlagen und Bauwerken findet man so oder in ähnlichen Formen oft in der Praxis und der einschlägigen Fachliteratur. Im Laufe der Zeit wurden die verschiedenen Begriffe auf den Begriff „Instandhaltung“ vereinheitlicht, wobei die Instandsetzung nur einen Teil der Instandhaltung darstellt. Instandhaltungen sind nach § 3 HOAI Maßnahmen zur Erhaltung des SollZustandes eines Objektes. Die Instandsetzung unterscheidet sich vom Wiederaufbau zerstörter Objekte und auch deren Modernisierung, nach § 3 HOAI. Zudem ist Instandsetzung nicht mit „Sanierung“ (Beseitigung eines Instandhaltungsrückstandes), Umbau (Umgestalten eines Gebäudes mit wesentlichem Eingriff in die Baukonstruktion) und Schönheitsreparaturen gleich zu setzen. Unter „Instandsetzung“ versteht man Maßnahmen zur Wiederherstellung des zum bestimmungsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustandes (Soll- Zustand) eines Objektes, soweit sie nicht unter Wiederaufbau fallen oder durch Modernisierungsmaßnahmen verursacht sind. „Wiederaufbau“ ist die Wiederherstellung zerstörter Objekte auf vorhandenen Bau- und Anlageteilen. Sie gelten als Neubau, sofern eine Planung erforderlich ist (§ 3 HOAI). „Modernisierungen“ sind bauliche Maßnahmen zur nachhaltigen Erhöhung des Gebrauchswertes eines Objektes, soweit sie nicht unter Umbau, Erweiterungen und Instandsetzung fallen, jedoch einschließlich der durch diese Maßnahmen verursachten Instandsetzungen. Unter „Umbau“ ist die Umgestaltung eines bestehenden Gebäudes mit wesentlichen Eingriffen in die Konstruktion bzw. den Bestand zu verstehen. Wohingegen es sich bei „Erweiterungen“ um die Ergänzung eines vorhandenen Gebäudes handelt (§ 3 HOAI). Die entsprechende DIN zur Instandhaltung ist die DIN 31051 „Grundlagen der Instandhaltung“ (06.03), in welcher folgende Definition zu finden ist: „Instandhaltung ist die Kombination aller technischen und administrativen Maßnahmen sowie Maßnahmen des Managements, während des Lebenszyklus einer Betrachtungseinheit zur Erhaltung des funktionsfähigen Zustandes oder der Rückführung in diesen, so dass sie die geforderte Funktion erfüllen kann.“ Instandhaltung (4.1.1)

Wartung (4.1.2)

Abb. 8-1

Inspektion (4.1.3)

Instandsetzung (4.1.4)

Verbesserung (4.1.5)

Unterteilung der Instandhaltung; DIN 31051 (06.03), S. 2

8 Gewinnung von Kennwerten der Instandhaltung von Plattenbauten

321

Mit der DIN 18960 „Nutzungskosten im Hochbau“ (08.99) ersetzt der Begriff Instandhaltung den Begriff Bauunterhalt. Dabei wurde die Systematik der DIN 276 „Kosten im Hochbau“ (06.93) aufgenommen. In der Kostengruppe 400 „Instandsetzung“ findet sich sowohl eine Unterteilung auf zweiter, als auch auf dritter Ebene, Bauelemente. KG 410 KG 420 KG 430 KG 440

Instandsetzung der Baukonstruktion Instandsetzung technischer Anlagen Instandsetzung der Außenanlagen Instandsetzung der Ausstattung

Die Baukonstruktion verursacht bezüglich der Instandsetzung den größten Kostenaufwand. Denn Bauelemente unterliegen einer großen Beanspruchung und Abnutzung. Wobei der Grad der Beanspruchung und Abnutzung von der Einbausituation, der Detailausbildung, der verwendeten Materialien und Umwelteinflüssen abhängig ist. Aber auch die Wartungsempfindlichkeit und die Intervalle der Wartung tragen ihren Teil dazu bei. All dies beeinflusst natürlich die „Lebensdauer“ der Bauteile und somit auch die Kosten für ihre Instandhaltung. Die Technische Lebensdauer ist das Vorhandensein eines Objektes durch seine physischen Eigenschaften von dessen Fertigstellung bis zur Beseitigung. In diesem gesamten Zeitraum kann es genutzt werden. Dieser Zeitraum kann durch regelmäßige „Inspektion“ (Maßnahmen zur Feststellung und Beurteilung des Ist-Zustandes einer Betrachtungseinheit) und „Wartung“ (Maßnahmen zur Verzögerung des vorhandenen Abnutzungsvorrates) verlängert werden (DIN 31051 (06.03)). Am Ende der Lebensdauer eines Objektes, sei es nun ein einzelnes Bauteil oder ein ganzes Gebäude, steht immer dessen „Abbruch“ (Teilung eines vorherigen Ganzen durch trennende Verfahren in mehrere Teile) und deren Beseitigung. All diese Begriffe werden im folgenden Text häufiger verwendet und so verstehen die Verfasser die Begriffe für die weiteren Ausführungen in diesem Sinne.

8.3

Denkmalpflegerische Aspekte

Etwa 90 Prozent der heutigen Wohnungen wurden vor 1977 und somit vor dem Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung erbaut. Bis auf den Bereich der Fenstermodernisierung sind diese Gebäude überwiegend in einem energetisch unzureichenden Zustand. Altbauten bilden somit die größte Gebäudegruppe mit den schlechtesten Wärmedämmwerten. Dies trifft vor allem auch auf Gebäude aus den fünfziger Jahren zu, die während des Baubooms der Nachkriegszeit entstanden. Hier besteht oft erheblicher Instandsetzungs- und Modernisierungsbedarf.

322

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Nicht zu vergessen ist der innerstädtische Bauboom Anfang der 1990er Jahre in den neuen Bundesländern. Hierbei handelt es sich größtenteils um Altbausanierungen, Altbaumodernisierungen und Instandsetzungen. Dabei spielen häufig denkmalpflegerische Aspekte eine wichtige Rolle, da diese Bauten oft nicht nur am Stadtrand, sondern vor allem im historischen Stadtkern zu finden sind. Denn Altbauten prägen das Gesicht unserer Städte. Die Anforderungen bzw. Maßnahmen einer Altbaumodernisierung unterscheiden sich grundsätzlich von den Anforderungen an die einer Neuplanung. So sind bekannte Abläufe und Verfahren selten übertragbar. Die vorhandene Bausubstanz ist, z. B. aus konstruktiven oder denkmalpflegerischen Gründen, nicht zu verändern und stellt daher auch kein variables Steuerungselement zur Beeinflussung der Kosten dar. Daher ist eine exakte Analyse der vorhandenen Bausubstanz zur genauen Ermittlung der Kosten und zur Festlegung der erforderlichen Maßnahmen unumgänglich. Auch stellen denkmalpflegerische und brandschutztechnische Auflagen einen erheblichen Kostenfaktor dar, der frühzeitig zu berücksichtigen ist. Dies trifft aber nicht nur auf denkmalpflegerische Aspekte zu. Man kann sagen, dass vier Faktoren im Allgemeinen die Kosten für Instandsetzungs-, Modernisierungs- und Sanierungsmaßnahmen beeinflussen: -

Zustand der vorhandenen Bausubstanz (Analyse), Einplanung der neuen Nutzung in die alte Substanz (Planung), Wahl des Standards der neuen Nutzung (Standard), Auflagen/Besonderheiten aus denkmalpflegerischer Sicht.

Der Zustand der jeweiligen Konstruktion ist bei der Ermittlung der Baukosten nicht zu vernachlässigen, da Maßnahmen an der Baukonstruktion immer einen erheblichen Teil der Kosten ausmachen.

8.4

Städtebauliche Aspekte – Stadtumbaukonzept (Cottbus)

Um zu verstehen, in welchem Rahmen die Gebäudewirtschaft Cottbus (GWC) im Stadtgebiet Cottbus ihre Tätigkeiten koordiniert und umsetzt, sei an dieser Stelle auf das Stadtumbaukonzept der Stadt Cottbus verwiesen. Es stellt die wesentliche Grundlage für die Entwicklung der Stadt dar und wurde in den Jahren 2001/2002 erstmals erarbeitet und 2006 fortgeschrieben. Ziel des Stadtumbaukonzeptes ist es, mittelfristig die Entwicklung des Wohnungsbestandes und die damit im Zusammenhang stehenden Infrastruktur- und Versorgungseinrichtungen zu fokussieren. Alle Einschätzungen bezüglich der Wohnungsmarkt- und Stadtteilentwicklung wurden in Zusammenarbeit mit den Wohnungsunternehmen GWC und der Ge-

8 Gewinnung von Kennwerten der Instandhaltung von Plattenbauten

323

meinnützigen Wohnungsgenossenschaft (GWG) sowie Cottbusser Maklern getroffen und sind in das Konzept eingeflossen. Einwohner- und Haushaltsstruktur Laut den statistischen Erhebungen der Stadt Cottbus verläuft die Bevölkerungsentwicklung in der Stadt Cottbus im Rahmen der beauftragten Prognosen. Insgesamt lässt sich eine Reduzierung der Wanderungsverluste feststellen, die sich so auch in den nächsten Jahren fortsetzen wird. Der auch bundesweit feststellbare demagogische Wandel, fehlende Geburten und hohe Sterberaten, werden langfristig, über den Betrachtungszeitraum des Konzeptes (2020) hinaus, zu einer kontinuierlichen Reduzierung der Einwohnerzahlen führen. Die unvorhersehbare Dynamik der Wanderungsbewegungen lässt langfristige und aussagekräftige Prognosen über Veränderungen der Bewegungen nicht zu. Genauso lässt sich heute auf einen langen Zeitraum nicht absehen, ob sich die Bevölkerungsverluste ausgleichen lassen. Tendenziell zeigt sich aber eine Konzentration von sozial unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen in den einzelnen Stadtteilen. So leben zum Beispiel in den Stadtteilen Sachsendorf und Schmellwitz sozial schwache Gruppen, in der Innenstadt dagegen sozial stabile Gruppen. Für das Jahr 2020 sind ungefähr 50.500 Haushalte mit Wohnungsnachfrage zu erwarten. Dies ist abhängig von der weiteren Entwicklung der Haushaltsgröße. Der Trend zur Verkleinerung der Haushalte hält an. Das bedeutet, die Zahl der Einwohner je Haushalt geht zurück. Waren es im Jahr 2000 noch 2,11 Personen pro Haushalt, kann man für das Jahr 2015 nur noch von 1,83 Personen ausgehen. Wohnungsmarkt Zurzeit ist die Attraktivität sanierter und neu errichteter Mietwohnungen in gut erschlossenen und versorgten zentralen Lagen ungebrochen hoch. Stabil bei rund 100 Wohneinheiten (WE) liegen die Neubauaktivitäten im Geschosswohnungsbau bis dato. Tendenziell ist von einem leichten Rückgang auszugehen. Trotz des großen Potentials an Bauland und angesichts gesunkener Preise ist die Nachfrage an Eigenheimen zwar groß aber rückläufig. Dadurch kann aber auch ein Großteil der Nachfrager in Rand- und Dorflagen der Stadt gehalten werden. In den kommenden Jahren liegt das Gesamtwohnbaupotential bei bis zu 250 WE je Jahr. Das bedeutet einen Zuwachs von 4.000 WE bis zum Jahr 2020. Nach wie vor haben das selbst genutzte Wohneigentum im Altbau und das selbst genutzte Eigenheim in zentraler Lage kaum Relevanz. Der Wohnungsrückbau entspricht nahezu den Vorgaben des Stadtentwicklungskonzeptes. Dennoch zeigt sich, dass der Rückbau die Leerstandsentwicklung nicht ausgleicht, sondern eher parallel verläuft. Auf lange Sicht muss die Planung der Rückbaumaßnahmen fortgeschrieben und erweitert werden, um den erwarteten Wohnungsüberhang von 9.800 WE im Jahre 2020 auszugleichen.

324

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Beschäftigungsstruktur Die Arbeitsmarktreform und der daraus resultierende Rückgang der Qualifizierungsmaßnahmen für Arbeitslose bedingen, dass Arbeitskräfte aus strukturschwachen Regionen wie Cottbus abwandern. Dies wiederum beeinträchtigt nachhaltig die Standortbedingungen der Stadt. Allerdings sind durch die Arbeit der Entwicklungsgesellschaft Cottbus erste Erfolge zu verzeichnen. Finanzielle Rahmenbedingungen Die zunehmend schlechter werdende Haushaltslage des Landes Brandenburg und der Stadt Cottbus ist der Grund für den Rückgang der zur Verfügung stehenden Fördermittel. Das Haushaltssicherungskonzept der Stadt Cottbus sieht vor, durch Erhöhung der Einnahmen und Reduzierung der Ausgaben, das Wachstum des strukturellen Defizits zu bremsen. Nicht geförderte Baumaßnahmen werden wegen der fehlenden finanziellen Mittel der Stadt nur noch in geringem Maße zur Ausführung kommen. Die Handlungsspielräume der Wohnungsbauunternehmen sind ebenfalls stark eingeschränkt, da sie hohe Belastungen im Bereich Kapitaldienst, Rückbau und Umzugsmanagement zu tragen haben. Die im Stadtumbaukonzept festgelegten Rückbauzahlen und die daraus resultierende Verpflichtung der Wohnbaugesellschaften zum Rückbau schränken deren Handlungsfähigkeit weiter ein. Jedoch ist die derzeitige konjunkturelle Entspannung ein gutes Zeichen für die Zukunft. Obwohl der Einwohnerrückgang gebremst werden konnte, ist die Situation für Wohnungsbauvorhaben in Cottbus schwierig. Das ökonomische Klima ist angespannt und macht Investitionen schwer. Die voranschreitende Division der Stadt in Stadtteile, in denen eine bestimmte soziale Schicht vorherrscht, wird zur Folge haben, dass nur noch dort investiert wird, wo entsprechend Finanzkraft vorhanden ist. Für die Wohnungsbaugesellschaften hat dies natürlich bestimmte Konsequenzen. Zum einen wird logischer Weise ausschließlich im Bestand gearbeitet. Zum anderen werden in diesem Bereich aus wirtschaftlichem Interesse nur solche Vorhaben in Angriff genommen, die eine bestimmte Rendite abwerfen. Gerade die GWC verfolgt eine strikte Investitionsstrategie. Alle Bauvorhaben, abgesehen von Rückbaumaßnahmen, unterliegen einer Prüfung auf Rentabilität. So werden diese erst realisiert, wenn eine Rendite von mindestens 7 Prozent zu erwarten ist. Dies hat heute schon zur Folge, dass die ausgewählten Objekte projektiert werden und die anderen sukzessive abgebaut werden, teilweise ohne Rücksicht auf städtebauliche Gegebenheiten. Das primäre Aufgabenfeld der GWC oder der GWG werden auf absehbare Zeit also die Instandhaltung und Instandsetzung sein, sowohl bei Plattenbauten als auch bei Gründerzeitbauten in der Innenstadt. Dadurch wird die GWC weiterhin Erfahrungs- und Kostenwerte sammeln können und in der Lage sein, dem BKI aktuelle Ausschreibungs- und Kostenunterlagen

8 Gewinnung von Kennwerten der Instandhaltung von Plattenbauten

325

zukommen zu lassen. Gerade im Bereich der Plattenbauten können, wegen des langjährigen Unterhalts, über einen langen Zeitraum Daten zur Instandhaltung, der Lebensdauer von Bauteilen und Betriebskosten weitergegeben werden, die für den Aufbau der Datenbank für Instandhaltungskennwerte sehr nützlich sind.

8.5

BKI Baukosteninformationszentrum der Deutschen Architektenkammern

Das Baukosteninformationszentrum in Stuttgart bildet Kostenkennwerte für Neubauten, Bauelemente sowie Modernisierung und Instandhaltung von Gebäuden. Eine Kooperation zwischen der GWC und dem BKI ist, hinsichtlich der Verarbeitung aktueller Daten der GWC, zur Instandhaltung angestrebt. Im Folgenden soll das BKI hinsichtlich seiner Entstehung, Aufgabenbereiche und Struktur näher vorgestellt werden, um anschließend mögliche Schnittstellen zwischen GWC und BKI aufzeigen zu können. Geschichtliches 1996 mit den 16 deutschen Architektenkammern als Gesellschafter gegründet, nach der Anerkennung der Baukosten-Schätzungsmethode durch ein Urteil des Verwaltungsgerichthofes 1999 und dem Abschluss eines Werkvertrags mit dem statistischen Bundesamt zur Datenerhebung „Währungsschemata für die Baupreisstatistik als Grundlage für die Erstellung der deutschen Baupreisindizes“, betreut das BKI mittlerweile 40.000 Kunden, die sich aus allen Bereichen des Baugewerbes zusammensetzten (Quelle: www.baukosten.de). Was ist und was macht das BKI? Nach § 15 HOAI umfasst das Leistungsbild für Architekten und Ingenieure das Erarbeiten einer klar gegliederten Kostenermittlung nach DIN 276. Je nach Planungsfortschritt entwickelt sich die Ermittlung der Kosten von der allgemeinen Kostenschätzung (LP 2) über die Kostenberechnung (LP 3) und den Kostenanschlag (LP 7) bis hin zur detaillierten Kostenfeststellung (LP 8). Unter verschiedenen Methoden der Kostenermittlung hat sich in Deutschland, mit der Ausgabe 6/1993 der DIN 276, das Verfahren nach der Elementmethode als Standardverfahren der Kostenermittlung etabliert. Bei der Elementmethode werden die Kostengruppen 300 und 400 in die zweite Ebene, die Grobelemente, unterteilt. Dadurch ist es möglich, die Gebäudeform in Optimierungsmaßnahmen einfließen zu lassen und damit die Kostenplanung wesentlich flexibler zu machen. Auf die nähere Funktionsweise des Verfahrens soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden, da diese in der BKI-Literatur (Baukosteninformationszentrum (Hrsg.), BKI Objektdaten A4, Stuttgart 2004) hinreichend beschrieben wird. In den Phasen der Vorplanung und der Entwurfsplanung stützt sich die Kostenermittlung auf Schätzwerte, da noch keine verbindlichen Kosten aus Unterneh-

326

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

mensangeboten vorliegen können. Zwar sind nach einem Urteil des OLG Hamm aus dem Jahr 1993 Baukostenüberschreitungen von ca. 15 Prozent ohne Haftungsanspruch vertretbar, trotzdem sollte bereits in den Leistungsphasen 2 und 3 so kostensicher als irgend möglich gearbeitet werden, um solchen Streitfällen aus dem Weg zu gehen (OLG Hamm, Urteil vom 29. März 1990, -21 U 19139/89-). Kostensicherheit bei Schätzverfahren ist nur zu erreichen, wenn die verwendeten Kostendaten zuverlässig sind. Aussagekräftige und zuverlässige Werte sind unmittelbar von der Anzahl der ausgeführten Projekte und der Ähnlichkeit der Objekte, von denen die Daten gewonnen werden, zueinander abhängig. Diese Kostenwerte sind Erfahrungswerte, junge Büros können verständlicherweise auf diesen Erfahrungsschatz nicht zurückgreifen. Selbst ältere Büros sehen sich oft mit Aufgaben konfrontiert, bei denen vorhandene Daten nicht oder nicht ohne weiteres verwendet werden können. In diesen Fällen sind überbetriebliche Baupreis- und Baukostendateien ein wertvolles Hilfsmittel, um kostensicher zu planen. Die wichtigste dieser Dateien stellt das BKI, das Baukosteninformationszentrum Deutscher Architektenkammern, zur Verfügung. Seit 1980 erhebt der Baukostenberatungsdienst der Architektenkammer Baden-Württemberg Daten von ausgeführten und nach Elementen ausgewerteten Bauobjekten. Dessen Nachfolgeorganisation, das BKI, führt die Datensammlung weiter und veröffentlicht die Objektdatei in „BKI Objektdaten“. Darin enthalten sind die aktuellen Baukosten abgerechneter Objekte mit Fotos, Zeichnungen und ausführlichen Baubeschreibungen für Neubauten (Bd. N3-N6), Altbauten (Bd. A1-A4), Niedrigenergie/Passivhäuser (Bd. E1), Energiesparendes Bauen im Altbau (Bd. E2) und für Freianlagen (Bd. F1, F2). In der Reihe der Objektdaten sind auch zwei Bände mit den aktuellen Kostenkennwerten für die Ausführungen von Bauelementen inklusive Positionen erschienen (Bd. B1, B2), die in erster Linie bei Kostenanschlägen verwendet werden. Bei der Arbeit mit den Objektdaten ist die Anpassung an das aktuelle Baujahr mittels Baupreisindex erforderlich, der vom Statistischen Bundesamt für Datenerhebung alljährlich angepasst und im Statistischen Jahrbuch veröffentlicht wird. Des Weiteren erscheinen jährlich die „BKI Baukosten“, statistische Kostenkennwerte (Mittelwerte) für Gebäude (Bd. T1) und für Bauelemente (Bd. T2). Hier werden die Kostenkennwerte auf den Stand des Erscheinungsjahres fortgeschrieben, das bedeutet, die Umrechnung mit Baupreisindizes entfällt. Datenerhebung des BKI Bei der Datenerfassung verwendet das BKI eigene Programme, welche auf die Bedürfnisse des BKI abgestimmt sind. Diese wurden von der Firma Freundlich aus Stuttgart erstellt. Das Programm zur Datenerfassung ist eine Datenbankanwendung, in die die Daten über Schnittstellen aus anderen Programmen oder per Hand eingegeben werden.

8 Gewinnung von Kennwerten der Instandhaltung von Plattenbauten

327

Die Verwendung von digitalen Daten stellt, gegenüber der konventionellen Eingabe der Daten von Hand, eine erhebliche Vereinfachung für den Nutzer dar. Es lassen sich Daten aus den geläufigen AVA-(Ausschreibung, Vergabe, Abrechnung) Anwendungen verwenden. Die Projektnummer setzt sich aus einer vierstelligen und einer dreistelligen Ziffer zusammen, beispielsweise 6100-001. Die erste Ziffer gibt die Gebäudeart an. Die Gebäudeart lässt sich aus dem BKI-internen Gebäudeschlüssel ablesen. Dieser gliedert die Bauwerke in neun Gebäudearten. Die zweite bis vierte Ziffer gibt jeweilige Unterklassen an, diese werden selbst editiert, das heißt, die weitere Klassifizierung des Gebäudes wird vom Benutzer vorgenommen. Die Ziffern nach dem waagerechten Strich sind fortlaufend und werden vom System editiert. Somit ist schon aus der Objektnummer des Bauwerks die Art der Nutzung erkennbar. Zudem findet eine weitere Einteilung in Unterklassen statt (siehe Tabelle 8-1). Die Datenbank greift, wie beim BKI üblich, auf die Gliederung nach DIN 276 „Kosten im Hochbau“, DIN 277 „Grundflächen und Rauminhalte“ und das StLB (Standardleistungsbuch) zurück. Diese einheitliche Baukostengliederung ist die (formale) Vorrausetzung für die anschließende Vergleichbarkeit und den Datenaustausch der ausgewerteten Objekte. Aus diesem Grund wird die erweiterte Baukostengliederung als Grundlage für den Aufbau und die Strukturierung von büroeigenen Baukostendateien empfohlen. Codierung (KG.AK.AA) Kostengruppe KG 300 KG 350 KG 351 KG 351.15 KG 351.15.01

Ebene 1. Ebene 2. Ebene (Grobelemente) 3. Ebene (Elemente) 4. Ebene (Ausführungsklasse) 5. Ebene (Ausführungsart)

Beschreibung Bauwerk, Baukonstruktion Decken Deckenkonstruktion Ortbeton, …, Deckenplatten, Ortbeton B 25, Schalung und Bewehrung

KG Kostengruppe AK Ausführungsklasse AA Ausführungsart

Tabelle 8-1 BKI Codierung nach KG.AK.AA; Baukosteninformationszentrum, Stuttgart Dabei wird eine Ergänzung der DIN 276-1 „Kosten im Bauwesen“ (11.06) auf der 4. Ebene vorgenommen. Diese klassifiziert die Bauausführung in „Ausführungsklassen“ und äußert sich in der 4. und 5. Stelle („Ausführungsart“) der Codierung der Kostengruppe. Diese beziehen sich auf die Kostengruppen 300 bis 500. Unterschiedliche Ausführungsarten (Gebäudeelemente – Dimensionierung, Qualität der Materialien) werden zu einer Gruppe zusammengefasst. Die Ausführungsklassen dienen zur Strukturierung von unfangreichen Kostendaten und erleichtern so den

328

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Zugriff auf einzelne Kosteninformationen. Die zweistelligen Nummernschlüssel für die Ausführungsklassen erlauben 99 Ausführungsklassen je Kostengruppe. Als nächstes werden Planungskennwerte für Flächen und Rauminhalte nach DIN 277 (06.87) erfasst. Sie werden als Bezugsgröße, wie z. B. die Bruttogrundfläche (BGF) für die weitere Kennwertbildung, Kosten €/m² BGF herangezogen. Es wird aber auch schon ein Kennwert aus Bruttorauminhalt (BRI) zur Nutzfläche (NF) – BRI/NF gebildet. Die Kennwerte werden prozentual und nach Kosten/Einheit ausgegeben und stellen lediglich einen Mittelwert dar. Daran schließen sich die Kostenkennwerte für Bauelemente oder Kostenkennwerte für Objekte – gegliedert in Neubau, Altbau, Niedrigenergiehäuser – an. Bei den Altbauten kommt eine weitere Aufschlüsselung hinzu, hier wird nach Abbrechen, Wiederherstellen und Herstellen unterschieden. Layout der Daten Ist das Projekt in der Datenbank erfasst, können die Daten an ein Analyseprogramm bzw. Layoutprogramm oder direkt als Excel-Tabelle oder an ein AVASystem ausgegeben werden. In einem Layoutprogramm wird die weitere Bearbeitung vorgenommen. Hier werden die Daten so aufgearbeitet, wie man sie aus den BKI-Büchern kennt. Momentan arbeitet das BKI an einer Datenbank für bauteilgegliederte Instandhaltungskosten bezüglich der Lebensdauer. Kostenkennwerte, wie sie das BKI erhebt und herausgibt, werden sowohl zur Kostenschätzung als auch zum Vergleich der Baukosten bzw. Kosten der Instandsetzungsmaßnahmen mit den tatsächlich angefallenen Kosten herangezogen. Dies geschieht, um feststellen zu können, ob ein Bauvorhaben oder eine Baumaßnahme sich in einem annehmbaren Kostenrahmen bewegt. Kostenkennwerte werden nicht nur von Architekturbüros verwendet, sondern auch häufig von Wohnungsbauunternehmen. Auf ein solches Unternehmen soll im Folgenden eingegangen werden.

8.6

GWC – Gebäudewirtschaft Cottbus

Anhaltender Bevölkerungsrückgang, hoher Wohnungsleerstand, fehlende Wirtschaftsbelebung und eine nach wie vor schwierige Lage auf dem Arbeitsmarkt, mit einer hohen Arbeitslosenrate, kennzeichnen die Rahmenbedingungen des Wohnungsmarktes in Cottbus.

8 Gewinnung von Kennwerten der Instandhaltung von Plattenbauten

329

Die Gebäudewirtschaft Cottbus (GWC) stellt mit seinen 21.000 WE das größte Wohnungswirtschaftsunternehmen der Region dar. Bei 90 Prozent des Gebäudebestandes handelt es sich um Plattenbauten aus der Zeit der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Zudem bewirtschaftet die GWC etwa 600 Gewerbeflächen. Seit 2003 besitzt die GWC ein Unternehmenskonzept, das eine Anpassung an die schlechter werdende Lage auf dem Lokalen Wohnungsmarkt jederzeit erlaubt. Dieses Konzept wird jährlich überarbeitet und so an die Marktlage angepasst. Es beinhaltet Maßnahmen der Instandhaltung, die in den kommenden 10 Jahren an den Gebäuden durchgeführt werden müssen. Seit 2004 wird dieses Unternehmenskonzept in eine strategische Planung bis zum Jahr 2035 eingebunden. Der Wohnungsmarkt in Cottbus ist von einem hohen Leerstand geprägt. Von den über 60.000 Wohnungen stehen mehr als 8.000 Wohnungen leer. Die schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind die Hauptursache für den Leerstand. Zwischen Nord- und Südstadt, wo sich der Leerstand auf etwa 20 % beläuft, und der Stadtmitte, nur 10 % Leerstand, gibt es erhebliche Unterschiede. Aber auch innerhalb eines Wohnblockes mit mehreren Aufgängen kann es zu sehr unterschiedlichen Leerständen kommen. Somit sind klassische Merkmale unattraktiver Wohnungen nicht signifikant über die jeweiligen Leerstandsquoten zu erkennen. Von den 21.000 WE der GWC standen im Jahr 2004 etwa 3.500 leer. Daraus ergibt sich die Einstufung der Gebäude in drei Kategorien: -

Kernbestand (Hauptteil der Sanierungen), Abwartebestand (Kernbestand oder Abbruch), Abbruchbestand (bis 2008).

Bis März 2005 wurden durch die GWC 1.000 WE abgebrochen, weitere 3.000 sind geplant. Durch die bereits durchgeführten und geplanten Abbruchmaßnahmen wurde bzw. wird die Leerstandsquote erheblich reduziert. Das Umzugsmanagement stellt einen wichtigen Schwerpunkt bei der Vorbereitung der Abbruchsplanung dar. Hier stellt das 1990 eingerichtete Modernisierungsbüro einen wichtigen Anlaufpunkt für die Mieter dar. Es bietet neben Hilfeleistungen, von Möbelrücken bis zum Stellen einer Ausweichwohnung für die Zeit der Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen, auch ein aktives Umzugsmanagement.

330

Abb. 8-2

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Abbruchmaßnahmen in der Berthold Brecht Straße in Cottbus durch die GWC (Foto GWC)

Die Kosten für alle Abbruchmaßnahmen der GWC wurden und werden refinanziert. Lediglich die Kosten für den Umzug sowie das dazu gehörige Management und das Wiederherrichten der Wohnungen werden vollständig von der GWC getragen. Der größte Teil der einzusetzenden Investitionen für Modernisierungen und Instandsetzungen wird sich auf die langfristigen Bestandsobjekte (Kernbestand) konzentrieren. Dabei wird die Reihenfolge des Investitionseinsatzes überwiegend vom Kapitalwert des Gebäudes abhängen. Grundsätzlich werden nur dann Investitionen durchgeführt, wenn eine Gesamtkapitalrendite von mindestens 7 % gewährleistet ist. Umfangreichere Investitionen sind erst ab 2025 möglich, bis zu diesem Zeitpunkt erfolgt kein wirksamer Abbau des Instandsetzungs- und Modernisierungsrückstandes, mit der Folge, dass die Bausubstanz der Gebäude sich verschlechtert. Deshalb ist die Konzentration auf langfristige Bestandsobjekte notwendig. Diese müssen bedarfsgerecht und renditeorientiert modernisiert und bewirtschaftet werden. Ein langfristiges Instandhaltungskonzept ist somit eine wichtige Vorraussetzung zur langfristigen Planung von Instandhaltungsmaßnahmen. Seit 1990 wurden 500 Mio. Euro für die Modernisierung und Instandsetzung der Gebäude verwendet. So sind bis heute etwa 60 % des Objektbestandes der GWC

8 Gewinnung von Kennwerten der Instandhaltung von Plattenbauten

331

voll saniert, dass heißt, dass Fenster, Fassade, Dach und Sanitäreinrichtungen saniert sind. Dieses trifft vor allem auf Gebäude des Kernbestandes zu. Immerhin 80 % aller Gebäude wurden im Laufe der letzten 16 Jahre einer Teilsanierung unterzogen. Fast alle WE wurden dagegen mit neuer Mess-Technik ausgestattet, was zur Senkung der Betriebkosten beitrug.

Abb. 8-3

Turnower Straße in Cottbus nach der Instandsetzung (Foto GWC)

Instandhaltungsplanung Der Aufbau einer zuverlässigen und vor allem langfristigen Instandhaltungsplanung ist für die nächsten Jahre geplant und bereits in Arbeit. Dabei kommen GWC-interne Instandhaltungs- und Modernisierungsrichtlinien zum Einsatz. Die Instandhaltungsplanung orientiert sich dabei ganz stark am Cottbusser Stadtumbau Konzept, das gemeinsam mit der Stadt und der GWG entwickelt wurde. Die Kooperation zwischen zwei Wohnungsbauunternehmen, wie GWC und GWG ist hierbei einmalig in Brandenburg.

332

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Dies zeigt sich nicht nur daran, dass Abbruchmietern geeignet erscheinende Wohnungen des Mitbewerbers angeboten werden, wenn im eigenen Bestand keine passende Wohnung zu finden ist. Eine Abstimmung zwischen der GWC, GWG, der Stadt und Versorgungsunternehmen ist dabei unumgänglich. Des Weiteren bestand bzw. bestehen Kooperationen und ein Datenaustausch seit Anfang der 1990er Jahre zwischen der GWC Cottbus und der GSW Berlin sowie der GWG Cottbus. Die Zuarbeiten und der Informationsaustausch erfolgen hauptsächlich im Bereich der Instandhaltungskosten, da das Berliner Unternehmen auf eine langjährig angesammelte Datensammlung in diesem Bereich zurückgreifen kann. Ab Mitte der 1990er Jahre ist dies jedoch ein reines Eigenwerk der GWC, da dem Unternehmen nun eigene Erfahrungswerte zur Verfügung stehen. Die Modernisierungsumlagen werden prozentual umgesetzt und begründen sich aus Erfahrungswerten der Maßnahmen der letzten Jahre. 3 Säulen der Instandhaltungsplanung Planung der Abbruchmaßnahmen, Klein- und Kleinstreparaturen sowie Inspektionen und Wartung, Modernisierungs- und Instandhaltungsplanung. Die Instandhaltungsplanung ist immer gebäudebezogen. Hierbei erwies sich die Bildung von Objektgruppen, wie beispielsweise der Gruppe Platte – P2, als sehr sinnvoll. Alle Gebäude sind in einem Objektkatalog-Gebäudeatlas in einem SAP-System erfasst. Er enthält neben Zeichnungen, wie Grundriss, Ansicht, Schnitt, auch Listen, Mengenermittlungen, durchgeführte Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen und deren Kosten sowie Fotos und bildet die Grundlage für das Vermietungsprogramm sowie Wohnungsexposees der GWC. Objekthandbücher hingegen sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vorhanden, werden aber angedacht.

8 Gewinnung von Kennwerten der Instandhaltung von Plattenbauten

Abb. 8-4

333

Kurzexposé 1-Raumwohnung Wehrpromenade 1 in Cottbus, instandgesetzt (Quelle: www.gwc-cottbus.de)

Ein Kostenüberblick für die nächsten Jahre wird in Werteindextabellen zusammengestellt. Die Kostenkennwerte werden dabei als Orientierungshilfe aus den Kosten von bereits durchgeführten Instandsetzungsmaßnahmen der letzten Jahre im Bezug auf die Wohnfläche gebildet. Dabei werden nur Daten von Objekten gleicher Gebäudegruppen und gleicher Maßnahmen zurate gezogen. Die Daten werden jährlich einer Aktualisierung unterzogen. Für die Datenverwaltung und die Kostenberechnungen, Kostenfeststellungen wird Microsoft Excel als Software, aufgrund der hohen Verfügbarkeit im Unternehmen, verwendet. Der Projektablauf bei Instandhaltungsmaßnahmen wird ein Jahr im Voraus geplant. In einer Objektliste werden die zu bearbeitenden Gebäude des kommenden Jahres festgelegt. Beim Festlegen von neuen und konkreten Maßnahmen muss nicht nur die GWC zustimmen sondern auch die Stadt Cottbus als Hauptgesellschafter muss die Liste bestätigen. Drei Monate vor Beginn der Maßnahme wird diese den Mietern angekündigt. Dies läuft parallel zur Planung der Maßnahmen. Die Objektliste des Jahres 2005 beinhaltete Maßnahmen in einer Höhe von 6,2 Mio. Euro, dabei erfolgte die Finanzierung dieser Maßnahmen im Wesentlichen durch Eigenkapital. Darüber hinaus wurden im selben Jahr Modernisierungsmaßnahmen an Alternativobjekten in einem Umfang von 14 Mio. Euro vorgenommen.

334

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

Dabei handelt es sich um Sondermaßnahmen an Objekten für die Mieter, die aus Abriss-Objekten umgesetzt wurden. Diese Sondermaßnahmen wurden aus Fremdmitteln finanziert. Die Instandhaltungskosten werden mit jährlich 10 Mio. Euro bis zum Jahr 2009 kalkuliert. Dazu kommen noch ca. 80 Mio. Euro (Instandhaltungsrückstau), diese stammen zum größten Teil noch aus Zeiten der DDR. Für die Instandhaltungsplanung werden firmeninterne Basisdaten genutzt, aber auch andere bauteilbezogene Kennwerte kommen zum Einsatz. Es zeigte sich, dass diese Kennwerte, die vom BKI herausgegeben, meist zu großzügig bemessen sind und die Werte in der Praxis deutlich darunter liegen müssen, um wirtschaftlich zu arbeiten. Zudem existiert für die GWC häufig keine reale Vergleichsgrundlage. Denn in die Kennwertbildung des BKI’s gehen Kosten, wie zum Beispiel dem Wohnungsbauunternehmen für das Umzugsmanagement entstehen, nicht ein. Generell gibt es ein Defizit an Daten über die Lebensdauer von Bauteilen und deren Instandhaltungsintervallen in der Literatur. Hier erwiesen sich, für die GWC, Listen mit Daten des VEB Gebäudewirtschaft Neubrandenburg, aus den 1980er Jahren als sehr praktisches Element, das sich als gut in der Praxis einsetzbar erwies. Einen Einblick soll die folgende Abbildung geben. Dachdecker Blatt-Nr. 1 Lfd. Nr.

Position

1.

Dachaufbau, 3- oder 2lagige Dachpappe (Dachaufbau s. einz. Gebäudetypen)

25

Biberschwanz-Kronendeckung

40

2.

Nutzbarkeitsdauer (Jahre)

Austausch von Bauteilen oder Elementen Position

Zeit (Jahre)

1 Lage Pappe überdecken einschl. Deckanstrich und neuer Bekiesung

15

umdecken

25

Laufende Instandhaltung Position

Zeit (Jahre)

Reparatur- und Erhaltungsdeckanstriche einschl. Bekiesung

2

fehlerhafte Bedachungseinheiten auswechseln, Verstrich ergänzen

5

wie Pos. 2

5

5

3.

Biberschwanz-Doppeldeckung

4.

Formziegeldeckung

35

wie Pos. 2 einschl. Verklammerung ergänzen

5.

Betondachsteindeckung

15

wie Pos. 2

3

6.

Zementasbest-Welltafeldeckung

7.

Kohle aus Pappe

8.

Einfassung und Anschluß aus Pappe

Abb. 8-5

40

umdecken

25

20

schadhafte Tafeln auswechseln

10

Befestigung prüfen

5

5

Anstrich erneuern

2

reinigen und kontrollieren

1

15

1 Lage überkleben

Deckanstrich

2

8

Instandhaltungsnormative – Dachdecker, Katalog Instandhaltungsnormative, überarb. Auflage 1980, VEB Gebäudewirtschaft Neubrandenburg, S. 13

8 Gewinnung von Kennwerten der Instandhaltung von Plattenbauten

8.7

335

Fazit und Umsetzung

Sowohl extern gewonnene als auch interne Kennwerte stellen resultierenden Kosten dar. Diese sollten mit externen Daten, also von anderen Unternehmen oder Institutionen wie dem BKI, vergleichbar sein. Häufig ist dies noch nicht gegeben, da oft nicht eindeutig erkennbar ist, welche Maßnahmen konkret bei der Planung von Instandhaltungsmaßnahmen eine wichtige Größe darstellen, um die Kosten schon frühzeitig abschätzen bzw. festlegen zu können. Dadurch kann das Problem der nicht vorhandenen Liquidität des Unternehmens zum Zeitpunkt der Maßnahmendurchführung ausgeschaltet oder zumindest minimiert werden. Die firmeninternen Kennwerte, über welche auch die GWC verfügt, beruhen auf Erfahrungen bei der Durchführung von eigenen Instandsetzungsmaßnahmen. Hier kann ein exakter und eindeutig aufgeschlüsselter Kennwert sowie die exakte Beschreibung der Maßnahmen Abhilfe schaffen. So muss z. B. eindeutig erkennbar sein, welches Gewerk welche Leistung zu welchen Kosten ausgeführt hat. Dies wird an folgendem kleinen Beispiel schnell deutlich: Eine Heizungsfirma muss für den Anschluss des neuen Heizkessels mehrere Mauerdurchbrüche durch eigene Mitarbeiter oder eine beauftragte Maurerfirma ausführen lassen. Aber zu welchem Leistungsbereich, nach Standardleistungsbuch, sind diese Maßnahmen zu zählen, wenn sie von der Heizungsfirma ausgeführt wurden? Nach Standardleistungsbuch sind sie unter „Maurerarbeiten“ zu erfassen. Und noch wichtiger – Wo sind diese Maßnahmen genau beschrieben: bei der Heizungsfirma oder bei der Maurerfirma – sofern diese noch weitere Maßnahmen im Zuge der Instandhaltung oder Modernisierung durchgeführt hat? Daran wird schnell deutlich, dass es nicht leicht ist, eine eindeutige Zuordnung der Maßnahmen zu finden, aber gerade dies und eine exakte Beschreibung ist für die Verwendung der Kennwerte wichtig. Denn nur dann ist eindeutig erkennbar, welche Maßnahmen konkret in den dargestellten, abgerechneten Kosten enthalten sind. Wichtig für die Bildung von Kennwerten in der Instandhaltung bei Wohnungsbauten ist die Berücksichtigung der Kosten für den Umzug der Mieter von instand zusetzenden Objekten in Ausweichgebäude sowie die Kosten des gesamten Umzugsmanagements, welche bisher nicht in den Kennwerten des BKI enthalten sind. Es sollte ein Abgleich der Kostenkennwerte der Instandhaltung mit den Preisen der Praxis stattfinden, eventuell durch Regionalfaktoren, denn besonders in den neuen Bundesländern liegen häufig die Kosten weit unter denen der alten Bundesländer. Nach Aussage des Wohnungsbauunternehmens liegen vor allem die Lohn und Materialkosten in den neuen Bundesländern unter denen der alten Bundesländern, somit sind auch die anzunehmenden Kosten für Instandsetzungsmaßnahmen geringer, wie es eine Kostenschätzung mittels Kennwerte (nach Mittag, Martin oder

336

C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

dem BKI) ergeben würden. Somit wird häufig auf die Anwendung von extern erhobenen Kostenkennwerten verzichtet, da es sonst für Wohnungswirtschaftsunternehmen in den neuen Bundesländern fast unmöglich ist, aus diesen Kennwerten einen Nutzen zu ziehen, da ein wirtschaftliches Arbeiten mit sich aus den Kennwerten ergebenden hohen Kostenschätzungen für sie nicht möglich wäre. Denn Finanzierungen auf Grundlage zu hoher Kostenschätzungen können negativen Einfluss auf die Liquidität eines Unternehmens haben. Auch die Wahl des richtigen Formates beim Datenaustausch zwischen BKI und Wohnungsbauunternehmen bzw. Objektplanern spielt eine entscheidende Rolle. Es lässt sich in punkto schnellerer Verarbeitbarkeit und Weiterverwendbarkeit sagen, dass digitale Datenformate an dieser Stelle immer besser als analoge sind. Dabei lässt sich auch das Einschleichen von Fehlern und übermäßiger Einsatz von Personal vermeiden. Es sollte an dieser Stelle aber auch erwähnt werden, dass Fehler, die durch Falscheingaben (beim Wohnungsbauunternehmen) oder falsche Verknüpfungen entstehen, schwieriger aufzufinden sind, um anschließend beseitigt zu werden. Die Verfasser weisen trotz dieser Fehlerquellen auf die eindeutigen Vorzüge der digitalen Datenübergabe hin. Eine große Schwierigkeit stellen immer noch fehlende Sammlungen von Bauteillebensdauern und deren Instandhaltungsbedarf über den gesamten Zeitraum des Lebenszyklus dar – als Grundlage, um zu entscheiden, wann ein entsprechendes Element ausgewechselt werden muss und ob sein Abnutzungsvorrat dabei ausgeschöpft ist oder man diese Maßnahmen im Sinne der Wirtschaftlichkeit noch hinauszögern kann. Die Vermeidung von Folgeschäden spielt dabei eine entscheidende Rolle, denn welcher Wohnungsbetreiber kann es sich leisten, zusätzliche Maßnahmen der Instandhaltung durchführen zu lassen? Dies kommt leider häufig bei unterlassener Instandhaltung vor. Somit ist eine vorausschauende Instandhaltungsplanung für eine lange wirtschaftliche Nutzungsdauer unumgänglich. Es gibt auch Fälle, bei denen der Wartungs- und Inspektionsaufwand im Vergleich der Kosten zum Nutzen einfach zu groß ist. So rechnet es sich nicht für einen Wohnungsbetreiber, die Fenster zweimal im Jahr auf ihre ordnungsgemäße Funktionsfähigkeit überprüfen zu lassen, dies musste auch die Gebäudewirtschaft Cottbus in den vergangenen Jahren feststellen. Stattdessen sind die Inspektions- und Wartungsintervalle sinnvoll zu wählen. Auch sind vertraglich der Mängelbeseitigungsanspruch und die daraus folgende Mängelbeseitigung festzulegen. In manchen Fällen erweist es sich sogar als sinnvoll, das entsprechende Bauteil oder die Bauteilgruppe komplett auszutauschen und zwar vor dem Erreichen der maximalen Abnutzung.

8 Gewinnung von Kennwerten der Instandhaltung von Plattenbauten

337

In diesem Punkt kann die GWC dem BKI sehr nützliche Informationen liefern, da sie hier einerseits selbst über jahrelange Erfahrungen im Umgang mit Instandhaltung verschiedener Bauteile verfügt. Andererseits kann die GWC auf eine Sammlung von Bauteillebensdauern aus DDR-Zeiten zurückgreifen. Diese erwies sich im praktischen Einsatz als genau und damit sehr gut verwendbar. Aber nicht nur die Lebensdauer von Bauteilen ist zu beachten. So stellen die regional verschiedenen Preise für gleiche Maßnahmen, im Bereich Instandhaltung, Neubau, Umbau, Modernisierung aber auch Abbruch, eine wichtige Größe dar. Deswegen ist ein Orientieren bzw. Abgleichen der Kostenkennwerte mit den Preisen auf dem regionalen Markt genauso wichtig wie die Richtigkeit der erhobenen Daten. Vorteile für das BKI In der DDR kam es Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre zu einem Bauboom. So wurde in kürzester Zeit kostengünstiger „Massenwohnraum“ errichtet, die „DDR-Platte“. Im Laufe der Zeit entwickelte sich eine Vielzahl an Varianten. Die Daten von Plattenbauten, besonders der Instandhaltung dieser, sind zu wenig dokumentiert und zur Kennwertbildung herangezogen worden. Dabei verfügen Unternehmen wie die GWC über Erfahrung im Umgang mit diesen Daten und können durch die Kooperation mit dem BKI dazu beitragen, dieses Defizit zu verringern. Die gebildeten Kennwerte können dann wiederum Wohnungswirtschaftsunternehmen bei ihrer Instandhaltungsplanung und den daraus resultierenden Kosten hilfreich sein. Vorteile für das Wohnungswirtschaftsunternehmen (hier die GWC) Für Unternehmen wie die GWC liegen die Vorteile solcher Kennwerte eindeutig auf der Hand. Mit ihnen ist es frühzeitig möglich, die Kosten für zukünftige Instandhaltungsmaßnahmen einzuordnen, um abwägen zu können, ob die entsprechende Maßnahme im Budget des Unternehmens einkalkulierbar ist. Literatur BKI (Hrsg.): Baukosten Teil 1 Kostenkennwerte für Gebäude. Stuttgart, 2006 BKI (Hrsg.): Altbau. Band A4. Stuttgart, 2005 GWC (Hrsg.): Geschäftsbericht der Gebäudewirtschaft Cottbus GmbH, 2004 GWC (Hrsg.): Pressemappe der Gebäudewirtschaft Cottbus GmbH, 2004 HESSE, H.; KORBION, H.; MANTSCHEFF, J.; VYGEN, K.: Honorarordnung für Architekten und Ingenieure. Kommentar. 5. Aufl., C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung, München, 1996

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C Der Erhalt von Gebäuden und baulichen Anlagen

KALUSCHE, Wolfdietrich: Gebäudeplanung und Betrieb. Springer, Berlin, Heidelberg, 1991 MINISTERIUM FÜR INFRASTRUKTUR UND RAUMORDNUNG (Hrsg.): Richtlinie zur Förderung der Modernisierung und Instandsetzung von Mietwohnungen (ModInstR 08.02). Änderungserlass (12.05) MITTAG, Martin: Arbeits- und Kontrollhandbuch zu Bauplanung, Bauausführung und Kostenplanung nach § 15 HOAI und DIN 276. WEKA, Augsburg, 2005 MÖLLER, Dietrich-A.: Planungs- und Bauökonomie: Grundlagen der wirtschaftlichen Bauplanung. Bd. 1, 4. Aufl., Oldenbourg, München, Wien, 2001 Bürgerliches Gesetzbuch: 58. Aufl. 2005. DTV-Beck, München, 2005 DIN Taschenbuch: DIN 255: Vorwort zur Instandhaltung Gebäudetechnik. Beuth, Berlin, 2004 DIN 276 Kosten im Hochbau. (06.93) DIN 277 Grundflächen und Rauminhalte von Bauwerken im Hochbau. (06.87) DIN 18960 Nutzungskosten im Hochbau (08.99) DIN 31051 Instandhaltung. (06.03) Katalog Instandhaltungsnormative: überarb. Auflage 1980, VEB Gebäudewirtschaft, Neubrandenburg, 1980 STADT COTTBUS: Baudezernat: Amt für Stadtentwicklung und Stadtplanung (Hrsg.): Stadtumbaukonzept, Cottbus 2005

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Autoren Dipl.-Ing., Dipl.-Wirtsch.-Ing. Robert Bauer studierte Architektur und Wirtschaftswissenschaften an der TU Dresden und der TU Freiberg. Seit 2003 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bauökonomie und Computergestütztes Entwerfen an der Technischen Universität Dresden. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Monika Daldrop-Weidmann, Stadt- und Landschaftsplanerin, wissenschaftliche Assistentin am Institut für Landschaftsplanung der Universität Stuttgart (Prof. Dr. Walter Rossow). 1978 Gründung der Werkgemeinschaft archiplan – Architekten und Planer GmbH. Seit 1994 Inhaberin des Lehrstuhls Landschaftsplanung und Freiraumgestaltung an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus. Die Landschaftsplanung als Grundlage der Siedlungsentwicklung ist zentraler Arbeits- und Lehrschwerpunkt des Lehrstuhls. (Strategien einer ökologischen und nachhaltigen Stadtentwicklung werden in Beziehung gesetzt. Dabei stehen die Fragen im Vordergrund, die den Wert der Landschaft definieren und zur Beurteilung von städtebaulichen Qualitäten beitragen, um damit Einfluss auf die Stadtentwicklung zu nehmen.) Dipl.-Ing. Herbert Dirnberger studierte an der TU München Bauingenieurwesen und war bis 2001 Geschäftsführer eines mittelständischen Planungsbüros (Architekten und Ingenieure). Seitdem ist er Unternehmensberater in der Bauwirtschaft. Er ist ferner externer Doktorand an der BTU Cottbus. Dipl.-Ing. Ingeborg Dusatko (TU) studierte an der Ingenieurhochschule Cottbus Bauingenieurwesen (Hochschulingenieur). Während ihrer 5-jährigen praktischen Berufserfahrung im Wohnungsbaukombinat Cottbus schrieb sie extern ihre Diplomarbeit an der Ingenieurhochschule, wo sie im Lehrgebiet Baukosten/Baupreise ihre Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin begann. Seit der Gründung der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus war sie in der Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen am Lehrstuhl Baubetrieb und Bauwirtschaft tätig, von wo sie mit der Neugründung des Lehrstuhls Planungs- und Bauökonomie (Inhaber Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfdietrich Kalusche) dorthin wechselte. Dr. Klaus Eschenbruch ist Partner der Anwaltssozietät Kapellmann und Partner, gleichzeitig Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie Steuerrecht und vereidigter Buchprüfer. Er ist zudem Lehrbeauftragter der RWTH Aachen. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der Betreuung größerer Bauprojekte, einschließlich der Vergabe und Vertragsgestaltung sowie Vertragsabwicklung von Projektmanagementverträgen.

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Dipl.-Ing. Architekt Gunnar Gombert, MBA, war nach seinem Architekturstudium an der Technischen Universität Darmstadt, der National University of Singapore und am Indian Institute of Technology in Kharagpur als Assistent der Geschäftsführung in einem der großen deutschen Architekturbüros tätig. Berufsbegleitend schloss er ein MBA-Studium an der Steinbeis-Hochschule Berlin mit der Vertiefungsrichtung Architektur-Management ab. Heute arbeitet er im Bereich Corporate Finance – Real Estate einer großen Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft in München. Prof. Dr.-Ing. Willi Hasselmann ist seit 1987 Hochschullehrer an der Technischen Fachhochschule Berlin, University of Applied Science, für das Lehrgebiet Bauwirtschaft und Baubetrieb. Außerdem ist er seit 1983 Mitinhaber eines Ingenieurbüros für Projektmanagement und bauökonomische Beratungen. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Gebiete der Kostenplanung, Kostensteuerung und -kontrolle, die Projektsteuerung und die Instandhaltung von Gebäuden. Univ.-Prof. Dr.-Ing., Dipl.-Wirtsch.-Ing. Wolfdietrich Kalusche studierte Architektur an der TU Berlin, Arbeits- und Wirtschaftswissenschaften an der TU München und promovierte als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Karlsruhe. Praktische Berufserfahrungen sammelte er mehrere Jahre in einem Architekturbüro in München sowie acht Jahre in einer Ingenieurgesellschaft in München und Berlin. Seit 1996 ist er Universitätsprofessor und Inhaber des Lehrstuhls Planungs- und Bauökonomie an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus. Im Jahr 2003 war er zudem Gastprofessor am Institut für Bauplanung und Baubetrieb der ETH Zürich. Dipl.-Ing. Philipp Kohde war während seines Architektur-Studiums an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus studentischer Mitarbeiter am Lehrstuhl Planungs- und Bauökonomie. Seit Juli 2007 arbeitet er im Architekturbüro Henrik Diemann Architekten in Hamburg. Dipl.-Ing. Holger Kolp studierte Architektur sowohl an der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus als auch an der Escuela Técnica Superior de Arquitectura de Granada (Spanien). Als Mitarbeiter des Architekturbüros Gardenier in Düsseldorf arbeitet er an der Umnutzung einer denkmalgeschützten Gutshofanlage aus dem 17. Jahrhundert mit und ist aktuell als Projektleiter für die Instandsetzung einer denkmalgeschützten Kirche mit Gemeindezentrum von Gottfried Böhm verantwortlich. Parallel dazu ist er als Projektmanager für eine international tätige Bank deutschlandweit für die Umsetzung von Klein- und Großprojekten zuständig. Dipl.-Ing. Architekt Arno Kraus studierte nach seiner Ausbildung zum Zimmerer Architektur an der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus. Seit 2004 ist er Mitarbeiter im Architekturbüro Heene + Pröbst in Ludwigshafen.

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Dipl.-Ing. Matthias Krause studierte Architektur an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus. In den Jahren 2005 bis 2006 war er als studentische Hilfskraft am Lehrstuhl Planungs- und Bauökonomie an der BTU Cottbus tätig. Seit 2007 arbeitet er im Büro Hans Lechner ZT GmbH Wien, in den Bereichen Projektsteuerung und GP-Koordination. Dipl.-Ing. Tristan Kunze studierte Bauingenieurwesen an der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus. Als Mitarbeiter der KVL Bauconsult GmbH arbeitete er an mehreren nationalen Projekten in den Bereichen Projektmanagement und Sachverständigenwesen. Seit 2006 ist er für die KVL Bauconsult GmbH verstärkt als Projektleiter bei internationalen Projekten in Russland und Kasachstan im Bereich Projektsteuerung tätig. Ulrich Langen, Assessor, hat langjährige Erfahrung im Haftpflicht- und Vertragsbereich als Justiziar der Architekten- und Ingenieursassekuranz – AIA AG, Spezialanbieter für Architekten und Ingenieure in Düsseldorf. Univ.-Prof. Dr. rer. pol., Dipl.-Ing. Dietrich-Alexander Möller ist seit 1993 Inhaber des Lehrstuhls für Bauökonomie und Computergestütztes Entwerfen an der Technischen Universität Dresden, nachdem er vorher an der Bergischen Universität Wuppertal und an der Universität Karlsruhe gelehrt hat. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Objektplanung, Kostenermittlungen insbesondere bei Architektenwettbewerben und Projektsteuerung. Dipl.-Ing. Sarah Möller, geb. 1979, studierte Architektur an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus und schrieb am Lehrstuhl Planungs- und Bauökonomie ihre Diplomarbeit zu dem Thema „Planen mit Nutzungskosten im Hochbau“. Im Mai 2007 begann sie ein Promotionsstudium am Lehrstuhl Planungs- und Bauökonomie im Rahmen eines Stipendiums in der Fachklasse E „Modelle, Methoden und Werkzeuge zum Risikomanagement“ der International Graduate School der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus. Dr. Marion Peyinghaus studierte an der TU Berlin Architektur und beendete das Studium im Jahr 2001 an der ETH Zürich. Während ihrer Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität St. Gallen, Institut für Technologiemanagement, schloss Marion Peyinghaus im Jahr 2004 ihr Doktorandenstudium erfolgreich ab und trat in der Funktion als Consultant bei der pom+Consulting AG ein. Sie hat in dieser Zeit verschiedene Projekte im Bereich Immobilienmanagement für die öffentliche Hand und die Privatwirtschaft geleitet und Forschungsprojekte realisiert.

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Univ.-Prof. em. Dr. Karlheinz Pfarr, geb. 1927, machte die für diese Jahrgänge typische Entwicklung durch und wurde noch 1944 zum Reichsarbeitsdienst und zur Artillerie eingezogen. Er studierte Bauingenieurwesen (1951), danach Volkswirtschaft (1954) und wurde 1956 promoviert. Von 1956 bis 1962 Prokurist in einer Bauunternehmung. Von 1963 bis 1993 Inhaber des Lehrstuhls für Bauwirtschaft und Baubetrieb an der TU Berlin. Hier entwickelte er eine Bauwirtschaftslehre besonderer Prägung (Institutionen-, Objekt- und Prozesslehre). 17 Bücher und mehr als 150 Fachaufsätze und Buchbeiträge sind erschienen. Prof. Dr.-Ing. Armin Proporowitz ist seit 1994 für das Fachgebiet Baubetriebswirtschaft an die Fachhochschule Lausitz berufen. Vorher war er 15 Jahre in der Bauausführung verantwortlich als technischer Leiter, Werksleiter und Geschäftsführer tätig. Von 1998 bis 2005 war er Dekan des Fachbereiches Architektur, Bauingenieurwesen und Versorgungstechnik der FH Lausitz. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Bauwirtschaft, Baubetrieb und Unternehmensführung. Volker Rausch, M.Sc., ist externer Doktorand an der TU Ostrava. In seiner Dissertation untersucht er mathematisch-statistische Methoden der kurzfristigen Prognose von Instandhaltungskosten der TGA. Vorher studierte er Betriebswirtschaft und Facility Management an der Donau-Universität Krems. Beruflich verantwortet er das Gebäudemanagement der Kraftwerks- und Verwaltungsstandorte der Vattenfall Europe AG. Zudem ist er Lehrbeauftragter am Fachbereich Facility Management der Hochschule Anhalt sowie der FHTW Berlin. Univ.-Prof. Dr.-Ing., Dipl.-Wirtsch.-Ing. Peter Richter studierte Architektur und Arbeits- und Wirtschaftswissenschaften an der TU München. Seit 1994 ist er Professor für Planungs- und Bauökonomie an der Universität Karlsruhe und forscht in den Bereichen Datenbanksysteme und Planungssysteme im Bauwesen sowie Gebäude-Management. Prof. Dipl.-Ing. Martin Schieg ist Vorstand der CBP Consulting Engineers AG. Seit 1997 lehrt er im Weiterbildungsmaster Baumanagement an der Fachhochschule Augsburg und ist Dozent am Lehrstuhl für Bauprozessmanagement und Immobilienentwicklung der Technischen Universität München. Prof. Dr.-Ing. Fritz Schmoll, genannt Eisenwerth, ist seit 1995 Fachleiter Immobilienwirtschaft an der Fachhochschule für Wirtschaft Berlin, Fachbereich II Berufsakademie. Zuvor war er Geschäftsführer der städtischen Wohnungsbaugesellschaft in Potsdam. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Wohnungswirtschaft und ökonomische Fragen des städtischen Strukturwandels.

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Dr. Peter Staub diplomierte als Bauingenieur an der ETH Zürich im Herbst 1987. Nach verschiedenen Stellen im Software-Bereich des Bauwesens und einer Ausbildung als Softwareingenieur dissertierte er am Lehrstuhl von Prof. Dr. H. R. Schalcher im Bereich des Immobilienmanagements. Im Jahr 2002 schloss er eine Ausbildung zum Master of Business Engineering mit der Diplomarbeit „Technologische Innovation als Enabler für neue Geschäftsmodelle im Immobilienmanagement“ an der HSG in St. Gallen erfolgreich ab. 1996 hat er als Geschäftsführer die Firma pom+Consulting AG gegründet, auf heute über 50 Mitarbeitende aufgebaut und 2005 zusammen mit seinem Team den ESPRIX-Preis für Innovation gewonnen. Er hat in dieser Zeit verschiedene Projekte in allen Bereichen des Immobilienmanagements für Banken, Versicherungen, Industrie und die öffentliche Hand geleitet und realisiert. Seit 2002 ist Peter Staub als Dozent am Lehrstuhl Betrieb und Unterhalt der ETH Zürich tätig und führt Vorlesungen im Bereich Betrieb und Unterhalt von Anlagen durch. Seit 2005 unterstützt er im Rahmen eines Lehrauftrags das CUREM (Center for Urban & Real Estate Management) im Studiengang MSc Real Estate. Univ.-Prof. Dr. Christian Stoy wurde zum 1. Februar 2007 auf die Professur für Bauökonomie an die Universität Stuttgart berufen. Als Institutsleiter widmet er sich in der Forschung ganzheitlichen ökonomischen Betrachtungen von Bauwerken des Hoch- und Tiefbaus aus der Sicht des Eigentümers, Nutzers, Betreibers und der Bauwirtschaft. In der Lehre vertritt er die Bauökonomie und ist vor allem an der Weiterentwicklung des Case Study Konzepts interessiert, dessen Grundgedanke eine praxisnahe und interaktive Lehrvermittlung ist. Neben seiner Hochschultätigkeit wirkt er in Forschungs-, Gutachten- und Beratungsprojekten mit und ist als Verwaltungsrat tätig. Dr.-Ing. Markus G. Viering studierte Bauwesen an der TU Darmstadt und war in mehreren Projektmanagement- und Projektentwicklungsbüros, u. a. bei Drees & Sommer und Lahmeyer International tätig. Parallel dazu promovierte er an der TU Berlin. Als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger beschäftigt er sich mit den Themengebieten Kosten und Abrechnung im Hochbau. Als Gastprofessor leitete Markus G. Viering von 2003 bis 2006 den Lehrstuhl Baubetrieb und Bauwirtschaft an der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus. Herr Viering ist geschäftsführender Gesellschafter der KVL Bauconsult GmbH und Gründungsvorstandsvorsitzender der IVKM-Deutschland e. V. (Internationale Vereinigung für Konfliktmanagement und Mediation). Prof. Dr.-Ing. Regina Zeitner promovierte nach ihrem Architekturstudium am Lehrstuhl Planungs- und Bauökonomie der TU Berlin. Von 2003 bis 2005 hatte sie eine Verwaltungsprofessur für Bauen im Bestand, Betriebswirtschaftslehre im Bauwesen, Bauplanungs- und Bauordnungsrecht im Studiengang Bau- und Immobilienwirtschaft, FH NON inne. Seit 2005 ist sie Professorin für Facility Management an der FHTW Berlin. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Investitionsplanung im Bestand, Flächenmanagement und Benchmarking im Facility Management.

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Stichwortverzeichnis A Abbruch 321 Abbruchbestand 329 Ablösebetrag 237 Abrechnungsverhalten 278 Abschreibung 161, 170 Abschreibungsregelungen 222 Absetzung für Abnutzung (AfA) 222 Abwartebestand 329 Adverse Selection 29, 33 Agency-Beziehung 29 Agency-Gefahren 31 Agency-Kosten 30 Agency-Theorie 29 Agglomeration 118 Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen (ATV) 64, 65 Allplan 69 Allright 69, 72 Amortisationsdauer 238 Amtsuntreue 137 Arbeitsblätter 87 Architekt 192, 194, 197 asymmetrische Abgrenzungen 107 asymmetrische Information 29 Aufsichtspflicht 272 Aufwand 101, 102 Ausbau 51 Ausbeutung 138 Ausgangsvariablen 18, 19 Ausgleichsbetrag 244 Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung (AVA) 61, 73, 75 AVA-Programme 68 AVA-Projekt 76 B Baubranche 16 Bauherrenmodell 144 Baukosteninformationszentrum 325 Baunutzungskosten 294 Bauprojekt 31

Bauträgeruntreue 137, 144 Bauvertrag 44 Bauwirtschaft 136, 202, 203 Bedarf 134 Bedürfnis 134 Befähiger-Kriterien 152 Beleihungswert 142 Benchmark 174 Benchmarking 150, 294 Beratung 89 Bereicherungsanspruch 14 Besitzgesellschaft 248 Bestandsmiete 148 Bestandsoptimierung 148 Bestechung 138 Betriebsgesellschaft 247, 248 Betriebskosten 161, 167, 170 betrügerische Wohnungsvermittlung 137 Betrugsdelikte 138 Beurteilungstechniken 110 Bewertungskriterien 287 BKI 352 Bodeneinlauf 183 Bremer Modell 283 Büroanalyse 5 C CAD-Modell 76 CAD-Programm 68 Codetext 76 Computer Aided Design (CAD) 61 Consultant 89 Controlling 84 D Darlehensvaluten 237 Daten 87 Daten-Chaos 87 Defuzzifizierung 20, 24 Defuzzifizierungsverfahren 21 Deliktfelder 137 Deliktfördernde Strukturen 138

Stichwortverzeichnis Detailablaufplan 53 Detailablaufplan Planung 48 Detailplanung 271 Dienstleistungsebene 213 Dimensionierungsmodell 151 DIN 18330 74 DIN 18960 158, 161, 164 DIN 32736 179 Direktkosten der Produktion 158, 168, 173 Dokumentation 192, 196, Dreieck der Immobilienspekulation 142 E Edelstahlflächen 189 EFQM-Modell 152, 154 Eigenkapitalrendite 228 Eingangsvariablen 18, 19, 21, 23 Einheitspreisbildung 282 Einheitswert 142 Ekaterinburg 85 Entscheidungen 56 Entscheidungsablauf 95 Entscheidungsformen 97 Entscheidungskriterium 238 Entscheidungslisten 57 Entscheidungsstrukturbaum 19 Entscheidungsunterlage 57 Entscheidungsvorlage 57 Erfahrungswert 324 Erfolg 94 Ergebnis-Kriterien 152 Erweiterung 320 European Foundation for Quality Management (EFQM) 151 Externalisierung 107 externe Effekte 241 F Fachlose 52 Facility Management 177 Fehl-Belegung 137 Fehlentwicklung 137 Festpreis 284 Festpreisbeschreibung 285

345 Festpreisgarantie 137 Fiktion des Bewertungswesens 142, 143 Finanzperspektive 6, 7, 8 Finanzplanung 5, 9, 10 Flächenverbrauch 119 Fragmentierung 210 Freiraum 124, 128 Fuzzifizierung 18, 22 Fuzzy Logic 16, 22, 25 Fuzzy-Inferenz 19, 22 Fuzzy-Methodik 20 G Gebäudebestand 256 Gebäude-Betriebskosten 168, 173 Gebäudemanagement 179 Gebäudereinigung 180 Gebäudetechnik 52 Geldwert 105 Gemeinsamer Ausschuss Elektronik im Bauwesen (GAEB) 65 Generalablaufplan 40, 46 Generalplanung 49 gesamtschuldnerischen Haftung 268 Gesamtwirtschaftlichkeit 106 Geschäftsfeld 23, 24 Gewerke/Leistungsbereiche 63 Gewerkedokumentation 193, 199 Gewichtungen 20 Grobablaufplan Ausführung 50 Grobablaufplan Planung 48 Grundlagenermittlung 269 Grünflächen- und Winterdienst 184 H Haftungsrisiken 268 Haftungsrisiko 270 Handwerker-Kopplung 276, 291, 292 Häuserspekulant 139 Heuschrecke 133 HOAI 261 Hold-up 30, 34 Hold-up-Probleme 34 Honoraranspruch 14

346 Honorarordnung 37 Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) 61 I Immobilientransaktion 146 Immobilienwirtschaft 136 Indifferenzlinie 236 Informationsbereitstellung 85 Informationserfassungssystem 86 Informationspool 86 Informationssystem 85 Infrastruktur 126 Insolvenzdelikte 138 Inspektion 321 Instandhaltung 274, 319, 320 Instandhaltungsaufwand 275 Instandhaltungsintervall 334 Instandhaltungskosten 319 Instandhaltungsnormativ 334 Instandhaltungsplanung 331 Instandsetzung 274, 277, 310, 320 Inventar 190 Investitionsplanung 257 Investitionsrechnung 259 Investor 147 Investor-Developer 113 K Kampf ums Macht- und Gewinnstreben 138 Kapitaldienst 236 Kapitalgesellschaft 246 Kennwerte 161, 174, 319 Kennzahl 3, 4, 5, 9, 10, 295 Kernbestand 329 Kollateralschaden 96 Kommunikation 185 kompensatorische Operatoren 20 Kompetenzentwicklung 210 Kontrollkosten 31 Kooperation 216 Korruption 138 Kostenbenchmarking 295 Kosteneinflussfaktor 294 Kosteneinsparungen 284, 18

Stichwortverzeichnis Kostenermittlung 37 Kostenkennwert 298, 313 Kostenvergleichsrechnung 160 Kostenwert 324 kritischer Weg 47 Kundenperspektive 6, 8 L Landschaft 125 Landschaftstypen 121 Lebensdauer 321 wirtschaftliche 160 Leerstandsquote 236 Leiharbeit 137 Leistungsbereiche 76 Leistungsbeschreibung 36, 44 mit Leistungsverzeichnis 63 Leistungsbild 39 Leistungskennzahlen 153 Leistungsmodul 152 Leistungsphasen nach HOAI 38, 42 Logik „unscharfe“ 17 Lose 63 M Mangel 267 mangelhafte Leistungen 272 Marktanalyse 5 Marktanteil 246, 248 Marktmechanismus 241 Massenermittlung 73 Mathematik „unscharfe“ 17 Materialien 72 Mauerarbeiten 67 „Maximum Operator“ 19 mechanische Fertigstellung 192 Meilenstein 43 Menge „unscharfe“ 17 Mengenermittlung 66, 72, 73, 78, 81 Miete 134 Mieterumsetzung 237 Mietpreisniveau 135 Mietrecht 140, 145 Mietskaserne 135 Mietvorteile 244

Stichwortverzeichnis Minimalstrategie 108 „Minimum Operator“ 19 Mission 3, 5, 6, 8 Mitarbeiterperspektive 6, 7 Modellierung 150 Modernisierung 310, 320 Modernisierungsumlage 316 Monitoring 34 Moral Hazard 30, 33 Multiplikatoreffekt 221 N Nachfrage 134 Natursteinfußboden 186 neue Heimat 137, 141 Nutzen 102 Nutzungsdauer 319 Nutzungskosten 157, 159, 174 im Hochbau 158, 161, 164 Nutzungskostenkennwerte 164 Nutzungskostenuntersuchung 160 O Objektdokumentation 192 Objektliste 333 Objektüberwachung 272 „ODER“ 19, 20 operativen Leistung 155 Organisationsformen 283 P Pauschalbeschreibung 289 Personengesellschaft 247 pH-Wert 186 Planung 44 Planungsfehler 271 Planungsgrundlage 119 Planungsvorbereitung 271 Pleiten 139 polyökonomisches System 114 Positionen 64 Preisabsprachen 137 Preisspiegel 79 Preiswettbewerb 281 Principal-Agent-Theorie 28, 33 Produktionskosten 158, 162

347 Produktivität 101 Projektdurchführung Alternativen der 43 Projektentwicklung 257 Projektstufen 41 Projektstufen nach AHO 41, 42 Projektvorbereitung 44 Prozesse Berechnung, Regelung, Optimierung und Überwachung von 16 Prozessoptimierung 282, 291 Prozessperspektive 6, 7, 8 Q Qualifizierung 195, 197 Qualitätssicherungssystem 192, 195 R rational Entscheiden 94 rechtliche Rahmenbedingungen 267 Regelblock 19, 20, 25 Regeln 20, 25 „WENN-DANN“- 19, 20, 22 Reinertrag 144 Renditeerwartung 147 Rentabilität 101, 316 Ressourcenverzehr 150 Richtwerte 174 Rohbau 51 Rückbau-Management 237 Rückführung 237 S Sanierung 220 Säulen der Instandhaltungsplanung 332 Schadensdokumentation 310 Schadenursachen 266 Schein-Wirtschaftlichkeit 107 Schlüsselfertiges Bauen 137 Schmutzfang 186 Schneider 137 Screening 31, 33 Sensitivitätsanalyse 154 Signalisierungskosten 29 Signalling 33

348 Situationsanalyse 3, 5, 6 Skandale 139 SNiP 90 Software 68 spezielle Dokumentation 199 Stadt- und Regionalplanung 120, 128 Städtebau 125 Städtebaulicher Vertrag 245 Stadtumbau-Gesellschaft 245 Stammverzeichnis 77 Status-Berichte 88 Steuerersparnis 222 Steuerungsablaufplan 53 Strategie 4, 5, 8, 9 Strategien 108 Strategieplan 2, 9 Strategieplanung 6, 10 strategischen Leistung 155 strategisches Management 3 Strategy-Map 3, 5, 8 Struktur- und EntwicklungsModell 126 Subventionen 242 Subventionsdelikte 138 SWOT-Analyse 5, 6 T technische Kosten 237 technische Lebensdauer 160 Teilergebnisse 19, 21 Teilhonorar 12 Terme 18, 19, 21 Terminkontrolle 54 Terminplanung 38 Terminrahmen 42, 46 Terminsteuerung 56 Trader-Developer 113

U Umbau 320 Umstrukturierung 126 „UND“ 19 „unscharfe“ Logik 17 „unscharfe“ Mathematik 17 „unscharfe“ Menge 17

Stichwortverzeichnis Untergrundwirtschaft 137 Unternehmens-Erfolg 101 Unternehmensführung 4 unternehmensinterne Sichtweise 24 Unternehmensplanung 3, 4, 5, 10 Unternehmensstrategie 3 Unternehmensziel 3, 6 Unternehmer 137 V Validierung 195, 197 Variable 17, 18, 19 VERA-Verfahren 283 Verbleibensquote 236 Vergabe 44 Vergabe- und Vertragsordnung (VOB) 61, 68 Vergütungsanspruch 12 Vergütungsvereinbarung 13 Verjährungsfristen 268 Verkehrswert 142 verlorene Baukostenzuschüsse 137 Versicherungswert 142 Vertragsabschluss 15 Verwertung 44 Vision 3, 5, 6, 8 VOF-Verfahren 33 W Wartung 321 weiche Standortkriterien 124, 127 „WENN-DANN“-Regeln 19, 20, 22 Wert 105 Wertabgabefiktion 142, 143 Wertesystem 112 Wertschöpfung 211 Wertschöpfungsmodell 112 Wertschöpfungsprozess 112 Wertübergangsfiktion 142, 143 Wettbewerbsdelikte 138 Wiederaufbau 320 wirtschaftliche Lebensdauer 160 Wirtschaftlichkeit 99 technische 100 monetär bewertete 100, 101

Stichwortverzeichnis Wirtschaftlichkeitsermittlung 160, 310 Wirtschaftsordnung 138 wissensgestützte Systeme 16 Wohlfahrtsverlust 31 Wohnungselend 135 Wohnungsfeudalismus 135 Wohnungsfrage 133, 134 Wohnungshalde 145 Wohnungsmangel 135 Wohnungsmarkt 134 Wohnungsmarktentwicklung 135 Wohnungswirtschaft 134, 136 Z Zahlungsplan 54 Zeitvertrag 286 Ziel 94 fiskalisch 221 sozialpolitisch 221 konjunktur- und wachstumspolitisch 221 Zielkonflikte 221 Zielsetzung 112 Zielwert 3, 5, 7, 9 Zugehörigkeitsfunktion 17, 21, 23, 25 Zugehörigkeitsgrad 17, 19 Zusatznutzen 103, 105

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