Postnazismus und Populärkultur: Das Nachleben faschistoider Ästhetik in Bildern der Gegenwart 9783839437520

National Socialism produced an unparalleled repertoire of images which reappear in its multiple media revivals in the vi

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German Pages 284 Year 2017

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Table of contents :
Inhalt
1. Einleitung
2. Postnazismus und Populärkultur – Grundlagen und Definitionen
3. Faschistoides Bildprogramm im Kontext populärer Kultur: Über die Verbreitung und Persistenz eines (Bild-)Themas
4. Bildwissenschaftliche Überlegungen und methodischer Zugang
5. Dominante Bilddiskurse faschistoider Ästhetik in der populären Kultur
6. Das Nachleben faschistoider Ästhetik in Bildern der Gegenwart – Zusammenfassung und Ausblick
7. Verzeichnisse
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Postnazismus und Populärkultur: Das Nachleben faschistoider Ästhetik in Bildern der Gegenwart
 9783839437520

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Jelena Jazo Postnazismus und Populärkultur

Image | Band 109

Jelena Jazo (Dr. phil.), geb. 1985, promovierte an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Schwerpunkte ihrer Forschung und Lehre sind Bild- und Medienwissenschaften, Pop- und Internetkultur.

Jelena Jazo

Postnazismus und Populärkultur Das Nachleben faschistoider Ästhetik in Bildern der Gegenwart

Diese Arbeit wurde als Dissertation am Fachbereich 09 (Sprach- und Kulturwissenschaften) der Goethe-Universität Frankfurt am Main eingereicht und verteidigt. Die Promotion wurde gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung.

Die Publikation erscheint mit freundlicher Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung und der Fazit-Stiftung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D.30 © 2017 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Printed in Germany Print-ISBN 978-3-8376-3752-6 PDF-ISBN 978-3-8394-3752-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt 1.

Einleitung | 7

2.

Postnazismus und Populärkultur – Grundlagen und Definitionen | 13



2.1 Zur Problematik einer Gegenstands- und Begriffsbestimmung faschistoider Ästhetik | 13 2.2 Anmerkungen zur Popkultur | 19



3.

3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6



4.

Faschistoides Bildprogramm im Kontext populärer Kultur: Über die Verbreitung und Persistenz eines (Bild-)Themas | 27

Kunst | 30 Film | 39 Internetkultur | 45 Mode | 52 Game- und Fankultur | 58 Musik | 63

Bildwissenschaftliche Überlegungen und methodischer Zugang | 89

4.1 Die Bedeutung des Bildlichen – pictorial turn und erweiterter Bildbegriff | 89 4.2 Bildkomplexe und Bildrelationen | 95 4.2.1 Aby Warburg – Das Nachleben der Bilder | 95 4.2.2 shifting image | 98 4.3 Analyseverfahren | 100



5.

Dominante Bilddiskurse faschistoider Ästhetik in der populären Kultur | 105

5.1 Riefenstahlästhetik und Körperinszenierung | 105 5.1.1 Hart wie Riefenstahl – Anmerkungen zur Riefenstahlrezeption | 105 5.1.2 Riefenstahlästhetik und Modefotografie | 112 5.1.3 Rammstein – Stripped | 120 5.1.4 Hurts – In Unserm Herzen | 130 5.2 Natur- und Heimatbilder | 134

5.3

5.4



6.



7.

5.2.1 Heimat als faschistoid durchwirktes Imago | 134 5.2.2 Andreas Mühe – Obersalzberg | 140 5.2.3 Laibach – Life is Life | 150 Die Figur Adolf Hitler | 163 5.3.1 Hitler als Ikone des Populären | 163 5.3.2 Wehrmacht bitches at? – Hipster Hitler | 182 5.3.3 K.I.Z – Ich bin Adolf Hitler | 188 Uniformierte Masseninszenierungen | 195 5.4.1 Masse und Uniform | 195 5.4.2 Massenchoreografien im populären Film | 202 5.4.3 Lady Gaga – Alejandro | 213 5.4.4 Nicki Minaj – Only | 220 Das Nachleben faschistoider Ästhetik in Bildern der Gegenwart – Zusammenfassung und Ausblick | 229

Verzeichnisse | 253 7.1 Literatur | 253 7.2 Internetquellen | 267 7.3 Abbildungen | 275

1. Einleitung

Nach wie vor ist der Nationalsozialismus Gegenstand nicht abreißender Debatten, unzählige Male wiederholtes mediales Thema, faszinierender Tummelplatz leidenschaftlicher Imaginationen und Phantasmen, ein, wie Saul Friedländer konstatiert, gleichermaßen unverdauter wie unverdaulicher Brocken.1 „Der Nazismus ist ein Phänomen der Vergangenheit, aber die Obsession, die er für die gegenwärtige Phantasie besitzt, und das Hervortreten eines Diskurses, der nicht aufhört ihn nachzugestalten und neu zu interpretieren, stellen uns schließlich vor die Grundfrage, wie dieses Starren auf die deutsche Vergangenheit zu bewerten ist.“2

Friedländer diagnostiziert, dass sich gegen Ende der 1960er Jahre das Bild des Nazismus zu wandeln begann: „Nicht grundlegend und nicht einhellig, aber doch hier und da [...], so merklich und so bezeichnend, daß es erlaubt ist, von einer neuen Sicht zu sprechen, von einem neuen Diskurs über den Nazismus.“3 Dieser neue Diskurs entfaltet sich auf einer „imaginären Ebene, im Bereich der Bilder und Gefühle“4. Als Beispiel führt Friedländer die ästhetische Strahlkraft des Nationalsozialismus, wie sie in unzähligen literarischen und filmischen Rezeptionen spür- und sichtbar wird, an und fordert, das Wesen dieser neuen Beschäftigung mit dem Nazismus aufzudecken. Mehr als die ideologischen Kategorien gelte es infolgedessen, „die Fortdauer dieser unterschwelligen Bilder [...] freizulegen, [...] den bildlichen Assoziationen nachzuspüren“, da sich darin ein

1

Vgl. Saul Friedländer: Kitsch und Tod. Der Widerschein des Nazismus. Frankfurt am Main 2007, S. 19.

2

Ebd., S. 27.

3

Ebd., S. 20 [Herv. i.O.].

4

Ebd., S. 23.

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„latenter und von einer tieferen Logik gelenkter Diskurs verbirgt, dessen Artikulationen aufgedeckt werden müssen“5. Die unleugbare negative Faszination, die vom Nazismus ausgeht, erscheint in Anbetracht des Widerhalls seiner ‚Ästhetik‘ in den popkulturellen Bilduniversen der Gegenwart überdeutlich. In der zeitgenössischen Kultur ist der Nationalsozialismus beständiges (Bild-)Thema und Gegenstand zahlreicher visueller und medialer Verarbeitungen. Sein schier unerschöpflicher Bildervorrat hat ein beträchtliches Nachleben entwickelt und erfährt insbesondere in der Populärkultur eine weitreichende und vielfältige Wiederbelebung. In Filmen und Fernsehserien, in der Mode und bildenden Kunst, in Bildphänomenen jugend- und subkultureller Stile und Szenen, den visuellen Veräußerlichungen des Internets und insbesondere in der (Pop-)Musikkultur finden sich unzählige Verweise auf nazistisches Bildprogramm, sei es in Form des Gebrauchs bestimmter Symbole und Zeichen, vestimentärer Codes oder anderer Ingredienzen faschistoider Ästhetik und Formsprache. „Eine diffus-obszöne Bildwelt monumentaler und kategorischer Körper, diese Blut-undBoden-Brünftigkeit, das Ornament der Masse, die babylonische Spießer-Architektur, dampfende Volkstümlichkeit [...], eben all das, was man als ‚Nazikitsch‘ bannt und belächelt und was dann, nach ein paar Umwendungen der Diskurse, plötzlich wieder als Pop, als ‚camp‘ [...] wieder auftaucht und dessen Fortwirkung man beklagt, während man doch immer wieder, auf unterschiedlichem Level von Ironie oder Reflexion, fasziniert ist.“6

Ihre unablässige Zirkulation hat den Bildern des Nazismus eine neue Vitalität verliehen und sie zu Pop-Ikonen werden lassen. Infolgedessen stellt sich die Frage, was den Nationalsozialismus und seine visuelle Außenseite dazu qualifiziert, immer wieder Einzug in das Repertoire popkultureller Ikonografie zu halten; warum wird gerade seine ‚Ästhetik‘ kontinuierlich in Pop-Bilder überführt? Nach 1945 wurde der Nazismus in einen „Mantel des Schweigens“7 gehüllt. Doch was bewirkte jene Sprachlosigkeit in den Köpfen? „Etwas mußte daraus werden, und man erwartete mit einiger Angst, was am anderen Ende des Tunnels

5

Ebd., S. 23/24.

6

Georg Seeßlen: HITLER. Bilder eines Un-Menschen – Un-Bilder eines Menschen ADOLF. In: Joe J. Heydecker (Hrsg.): Das Hitler-Bild: Die Erinnerungen des Fotografen Heinrich Hoffmann. St. Pölten/Salzburg 2008, S. 213-239, hier S. 215.

7

Michel Foucault im Gespräch mit Bernard Sobel: Die vier Reiter der Apokalypse und die alltäglichen kleinen Würmchen. In: Susan Sontag (Hrsg.): Syberbergs Hitler-Film. München/Wien 1980, S. 69-74, hier S. 69.

E INLEITUNG | 9

auftauchen würde; in der Form welcher Mythen, welcher Geschichte, welcher Wunde es erscheinen würde.“8 Der Kordon der Unantastbarkeit, der das Thema umgibt, hat folglich seine Wiederkehr als Pop-Mythos begünstigt. So ist der Nazismus heute nicht mehr ausschließlich eine historische Tatsache, sondern gleichzeitig auch eine Bilder-Erzählung9 – neben den historischen Nazismus hat sich der mediale gestellt. Die vielfach verbreiteten Bilder, die die Gegenwart hervorgebracht hat, summieren sich zu einer großen Fiktionalisierung und wirken auch auf kollektive Vorstellungen von der Vergangenheit ein. Auf dem medialen Umweg über die Popkultur prägen und beeinflussen kulturell konstruierte Bilder, d.h. fiktive Figurationen und Imaginationen des Faschistoiden, das kollektive Bild vom Nazismus und seiner historischen Realität. Das heutige Bild des ‚Dritten Reichs‘ gleicht einem Palimpsest; es ist insbesondere durch seine popkulturellen Rezeptionen vielfach überschrieben, umgedeutet und neu interpretiert worden, was unausweichlich zu einer medialen Präformierung des kollektiven Gedächtnisses führte. „Es scheint unheimlich: Je weiter sich die Vergangenheit zeitlich entfernt, desto näher rückt sie. Bilder, unauslöschlich fixiert auf Zelluloid, in Archiven gespeichert und tausendfach reproduziert, lassen die Vergangenheit nicht vergehen; sie haben den Platz eingenommen, den früher Erfahrung, Erinnerung und Vergessen innehatten. Man braucht die Hitlerzeit nicht mehr selbst erlebt zu haben, man weiß Bescheid: Man kennt die Bilder über diese Zeit, authentische und nachgestellte. [...] Die Macht über die Geschichte ist in die Hände derer übergangen, die diese Geschichts-Bilder produzieren.“10

Eine profunde Analyse des Bildprogramms, das die Populärkultur der Gegenwart vom Nazismus zeichnet, erscheint folglich unabdingbar. Ein popkulturelles (Bild-)Produkt, das auf Geschichte oder Vergangenheit rekurriert, wirft gleichzeitig zwei Interpretationsebenen auf: Erstens ist das Produkt auf das bearbeitete historische Ereignis hin zu befragen, im Falle dieser Arbeit: Was sagt es über den Nazismus aus? Und zweitens – für diese Untersuchung entscheidend – natürlich auch auf die Bedingungen seiner eigenen Genese: Was sagt es über die populäre Kultur aus? Das Produkt ist also Zeugnis und Dokument der jeweiligen Zeit, in der es entsteht, und liefert Aussagen über den

8

Ebd., S. 69.

9

Vgl. Georg Seeßlen: Quentin Tarantino gegen die Nazis. Alles über Inglourious Basterds. Berlin 2009, S. 163.

10 Anton Kaes: Deutschlandbilder. Die Wiederkehr der Geschichte als Film. München 1987, S. 5.

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zeitgenössischen Umgang mit der Vergangenheit respektive über das, was heute davon übrig geblieben ist. Visuelle Bilder sind Austragungsorte für kulturelle Sinnkonstruktionen und Deutungsmuster, sie spiegeln Faszinationen, Bedürfnisse und Phantasien wieder. Diese aufzudecken, ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Die Bedeutsamkeit eines genuin bildwissenschaftlichen Forschungsansatzes kann vor dem Hintergrund, dass Bilder des Nazismus die zeitgenössische Kultur in hohem Maße durchdringen, nicht genügend betont werden. Obwohl der Nationalsozialismus sicher zu einem der erforschtesten Untersuchungsgegenstände zählt und sowohl seine ‚Ästhetik‘ als auch die Erinnerungskultur und der Umgang mit dem Nazismus in der Gegenwart durchaus zentrale Themen wissenschaftlicher Betrachtung darstellen, ist es erstaunlich, dass eine übergreifende, dezidiert bildanalytische Aufarbeitung des Nachlebens faschistoider Ästhetik in der Populärkultur bislang ausgeblieben ist. Zwar existieren Untersuchungen, die z.B. die Rezeption des Nazismus in einzelnen bildproduzierenden Segmenten der Populärkultur, wie etwa im Film, analysieren11 oder auch solche, die durchaus gattungsübergreifend den Widerhall faschistoider Ästhetik als popkulturelles Gesamtphänomen betrachten12, jedoch fehlt bislang eine methodische Anbindung der Forschungsansätze an bildtheoretische Überlegungen. Folgerichtig verortet sich die vorliegende Arbeit in Anbetracht der ihr zugrunde liegenden Analysen visuellen Materials, d.h. bildlicher Repräsentationsformen, in einem Forschungszusammenhang, der mit Blick auf einen iconic oder pictorial turn, im Sinne W.J.T. Mitchells, die Relevanz des Bildes für die wissenschaftliche Durchdringung kulturell-gesellschaftlicher Diskurse, hier namentlich des popkulturellen Umgangs mit dem Nationalsozialismus, herausstellen und damit einen Beitrag zum Ausgleich dieses Forschungsdefizits leisten möchte. Im ersten Teil werden zunächst grundlegende Gegenstands- und Begriffsbestimmungen vorgenommen. Zum einen soll der Begriff des Faschistoiden im Hinblick auf eine Ästhetik, die den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bildet, näher beschrieben werden. Anschließend wird das dieser Arbeit zugrunde liegende Verständnis populärer Kultur definiert. Beides erscheint für die Analyse wesentlich, um zum einen den Forschungsgegenstand (als faschistoid mar-

11 So z.B. Sonja M. Schultz: Der Nationalsozialismus im Film. Von Triumph des Willens bis Inglourious Basterds. Berlin 2012. 12 Siehe z.B. Georg Seeßlen: Das zweite Leben des „Dritten Reichs“. (Post)nazismus und populäre Kultur. Berlin 2013 oder Marcus Stiglegger: Nazi-Chic und Nazi-Trash. Faschistische Ästhetik in der populären Kultur. Berlin 2011.

E INLEITUNG | 11

kiertes Formvokabular) und zum anderen das Forschungsfeld, in dem eine Häufung entsprechender Bildprogrammatiken vermutet wird (visuelle Erzeugnisse der Popkultur), zu benennen und abzustecken. Ein Überblick über die Verbreitung faschistoider Ästhetik soll einer thematischen Einführung dienen und die Persistenz und Kontinuität des Nazismus als populäres Bildmotiv aufzeigen. Entlang einzelner Bereiche popkultureller Bildproduktion (Kunst, Film, Internet, Mode, Game- und Fankultur sowie insbesondere populäre Musik und ihre visuellen Veräußerlichungen) werden einschlägige Beispiele einer ersten Betrachtung unterzogen und damit ein Fundament für die detaillierten Analysen dominanter Bilddiskurse faschistoider Ästhetik in der Gegenwart gelegt. Daran schließen theoretische und methodische Überlegungen zum Bild und seiner wissenschaftlichen Betrachtung an. Mit Bezug auf Aby Warburgs Bilderatlas Mnemosyne und seine Idee des Nachlebens der Bilder sowie die von Birgit Richard beschriebene Figur des shifting image werden ein methodischer Theorieansatz und ein Analyseverfahren entwickelt, die es ermöglichen, Bilderwanderungen, d.h. die Beziehungen und Vernetzungen von Bildern untereinander und die Tradierung von ‚vergangenen‘ Bildern in andere mediale und bildproduzierende Kontexte – hier namentlich die Fortsetzung nazistischen Bildprogramms in den Sphären der populären Kultur – zu untersuchen. Vor dem Hintergrund dieser theoretischen und methodischen Fundierung werden im folgenden Hauptteil gleichsam bildarchäologisch bestimmte visuelle Diskurse ausgelotet, die für die Rezeption faschistoider Ästhetik in der Gegenwart paradigmatisch erscheinen. Die Körperästhetik Leni Riefenstahls, der visuell verhandelte Natur- und Heimatdiskurs des Nazismus, die ikonische Figur Adolf Hitler sowie die Inszenierung uniformierter Massen stellen dabei zentrale Topoi dar, die in der populären Kultur signifikant häufig aufgegriffen werden. Alle Verweise auf den Nazismus, die der gegenwärtigen visuellen Kultur eingeschrieben sind, aufzuzählen, wäre eine unerschöpfliche Aufgabe. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es demnach bestimmte ästhetische Codes, Motive und Formen zu dechiffrieren, die sich für die Analyse des Phänomens als Gesamterscheinung nutzbar machen lassen. So wird ausgewähltes Bildmaterial akkumuliert und relational in Bildclustern betrachtet und interpretiert. Anhand eines close-readings exemplarisch ausgewählter Fallbeispiele sollen in den relationalen Bildbetrachtungen charakteristische Bildsujets, dominante Darstellungsmodi und Inszenierungsschemata herausgearbeitet und benannt werden. Über die Frage, wie faschistoide Ästhetik in den heutigen Bildprodukten wiederhergestellt wird, soll sich der Frage genähert werden, warum gerade der Nazismus das Potential hatte, in popkultureller Ikonografie aufzugehen.

2. Postnazismus und Populärkultur – Grundlagen und Definitionen

2.1 Z UR P ROBLEMATIK EINER G EGENSTANDS - UND B EGRIFFSBESTIMMUNG FASCHISTOIDER Ä STHETIK Für eine Aufarbeitung des Widerhalls faschistoider Ästhetik in der zeitgenössischen populären Kultur sind zunächst einige grundlegende Gedanken und Überlegungen zum Gegenstand und Begriff des Faschistoiden unabdingbar.1 In erster Linie stellt sich die Frage nach dem Bezugs- und Referenzpunkt faschistoider Ästhetik. Welche Bilder, oder genauer wessen Bilder, werden in den visuellen Veräußerlichungen der Popkultur zitiert und dienen somit als Vorlage für die faschistoide Pop-Ästhetik? Festzustellen ist, dass sich popkulturelle Reproduktionen und Reformulierungen faschistoider Bilder nahezu immer auf den

1

Die nachstehenden Versuche einer (für diese Arbeit funktionalen) Gegenstands- und Begriffsbestimmung des Faschistoiden folgen einer kulturwissenschaftlichen Perspektive auf die ästhetischen Dimensionen des Faschismus. Dennoch soll diese Betrachtungsweise nicht einer monokausalen Lesart, die die Faszination für den Nazismus und Zustimmung der Menschen zu den NS-Verbrechen lediglich auf die suggestivverführerische visuelle Außenseite des Regimes zurückzuführen sucht, Vorschub leisten. Es sei angemerkt, dass über diesen Zugang allein kaum eine hinreichende Aufklärung des deutschen Faschismus erreicht werden kann. Vielmehr erscheint eine Synthese der unterschiedlichen Forschungsansätze und Vielzahl der Aspekte und Herangehensweisen notwendig, was im Rahmen der vorliegenden Auseinandersetzung weder zu leisten noch das Ziel ist. In dieser Arbeit werden in erster Linie keine Aussagen über den Nationalsozialismus selbst getroffen, sondern ein Beitrag zur Untersuchung seines Bilderechos, des Überlebens seiner ästhetischen Ideen in den Sphären der heutigen populären Kultur geleistet.

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deutschen Nationalsozialismus – als die „ultimative Gestalt“2 des Faschismus – beziehen. Das Bildprogramm des italienischen Faschismus oder anderer faschistischer Bewegungen hingegen hat für die Bildproduktion der Populärkultur nahezu keine Bedeutung. Wenn im Nachfolgenden von faschistoider Ästhetik die Rede ist, ist demgemäß im Wesentlichen die visuelle Ausdrucksseite des deutschen Nationalsozialismus gemeint, die in der Gegenwart unablässig wiederhergestellt wird und – ihrer politisch-ideologischen Dimensionen entleert – im Pop ihre Fortsetzung findet. Der Nationalsozialismus hat einen beispiellosen Bilderapparat hervorgebracht. So konstatiert Saul Friedländer, dass die Attraktivität des Nazismus keineswegs nur in seiner explizit propagierten Doktrin lag, „sondern mindestens ebenso auch in der Kraft seiner Emotion, in den von ihm geweckten Bildern und Phantasmen“3. Walter Benjamins These, der Faschismus laufe auf eine „Ästhetisierung des politischen Lebens“4 hinaus, folgend kann konstatiert werden, dass die NS-Ideologie und Herrschaftslegitimation zu einem bedeutenden Teil auf Visualisierung angewiesen war: Der propagandistisch inszenierte Führerkult sowie Gemeinschaftsszenarien und Massenveranstaltungen, wie sie Leni Riefenstahls Reichsparteitags-Filmaufnahmen zeigen, der architektonische Monumentalismus Albert Speers oder die künstlerisch versinnbildlichten Körper- und Menschenideale in den Skulpturen von Arno Breker sind Ausdruck dieser ästhetisierenden politischen Praxis. Allgemein lässt sich faschistische Ästhetik also definieren als die Gesamtheit von Szenarien, Präsentationsformen und Arrangements von faschistischer Politik respektive für faschistische Politik, also als ein Mittel, mit dem sich der Nazismus öffentlich in Szene setzte und präsentierte.5 Peter Reichel beschreibt die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft als doppelgesichtig, als zugleich exzessiv zerstörerisch und menschenverachtend sowie extrem schönheitsbedürftig. „Der NS-Staat beruhte ebenso sehr auf der verheerenden Entfesselung von Gewalt wie auf virtuoser Selbstdarstellung und impo-

2

Siehe Wilhelm Schmid: Was geht uns Deutschland an? Ein Essay. Frankfurt am Main 1995, S. 11.

3

Friedländer, S. 22.

4

Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Frankfurt am Main 1977, S. 42.

5

Vgl. Eike Hennig: Faschistische Ästhetik und faschistische Öffentlichkeit. In: Berthold Hinz u.a. (Hrsg.): Die Dekoration der Gewalt. Kunst und Medien im Faschismus. Gießen 1979, S. 9-15, hier S. 10.

G RUNDLAGEN UND D EFINITIONEN | 15

nierender Inszenierung seiner Macht.“6 Weiterhin konstatiert Reichel, dass der Nazismus den Menschen über seine Ästhetik irritierend nahe kommt, „insofern der Schrecken nicht nur Abscheu, sondern auch Attraktion in uns auslöst“7. In der expressiven Außenseite des Nationalsozialismus liegt auch der Grund für das Überleben seiner ästhetischen Ideen und die Kontinuität seiner Bilder im Bereich der heutigen visuellen Medien. Die unleugbare negative Faszination, die von der bildgewaltigen visuellen Inszenierung des Nazismus ausgeht, macht ihn zu einem persistenten Thema der populären Kultur: „Die Selbstinszenierung des deutschen Faschismus, seine ‚Ästhetik‘ war anscheinend geradezu prädestiniert für die Pop-Kultur.“8 Das Verständnis faschistoider Ästhetik als die Summe aller selbstperformativen Praktiken des Nationalsozialismus erscheint insofern relevant, als der Nationalsozialismus und seine Propagandamaschinerie einen enormen Bildervorrat und damit aktiv ihren eigenen ikonografischen Mythos erschaffen haben, der bis heute unsere Vorstellung vom ‚Dritten Reich‘ prägt. Damit sind die ideologisch durchdrungenen Inszenierung des NS-Regimes selbst, also die Bilder des Nazismus, wie sie die Nazis selbst entworfen haben, häufig die Grundlage für heutige Bilder vom Nazismus, also für die heutige Geschichtsrezeption – zu nennen sind hier beispielsweise Propagandaaufnahmen, die für Dokumentationen genutzt werden o.Ä. „Das faschistische Bild erweist sich als dominant gegenüber dem Bild vom Faschismus“9, urteilt Georg Seeßlen und beschreibt damit, dass das Material, aus dem Bilder10 vom Nazismus generiert werden, primär von selbigem produziert wurden. Zum einen ist das heutige Bild des Nazismus also wesentlich geprägt durch die Bildentwürfe des Nazismus selbst. Zum anderen definiert das kulturelle Gedächtnis der medialen Repräsentation (also auch popkultureller Rezeptionen des Faschistoiden) das Bild von der historischen ‚Wirklichkeit‘. Das bedeutet, dass die Ubiquität nazistischen Bildprogramms, wie sie uns in Filmen und Musikvideos, auf Albumcovern oder in Modefotografien usw. begegnet, nicht ohne Wirkung auf unsere Vorstellung von der Realität bleibt. Der

6

Peter Reichel: Der schöne Schein des Dritten Reiches. Gewalt und Faszination des deutschen Faschismus. Hamburg 2006, S. 9.

7

Ebd., S. 8.

8

Georg Seeßlen: Blut und Glamour. In: Filmmuseum Potsdam (Hrsg.): Leni Riefenstahl. Berlin 1999, S. 193-212, hier S. 193.

9

Georg Seeßlen: Natural Born Nazi. Faschismus in der populären Kultur. Bd. 2. Berlin 1996, S. 117.

10 Im doppelten Wortsinne sind hier sowohl materielle Bilder als auch ‚innere‘ Bilder der Vorstellung gemeint.

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Faschismus der Popkultur speist sich zwar aus der Bildrealität des Nazismus, hat mit der historischen Wirklichkeit dennoch nur bedingt etwas zu tun. Vielmehr hat sich der ‚fiktive‘ Nationalsozialismus popkultureller Bildwelten nahezu gänzlich losgelöst von seiner historischen Realgestalt. Die Bilder des Nazismus haben sich emanzipiert, sie sind gewissermaßen migriert, haben ein Eigenleben entwickelt und fristen ein paralleles Dasein in den Bilduniversen der Populärkultur. Das Abbild des Faschismus, wie es im Pop gezeichnet wird, ist somit nicht immer auf das originale Referenzobjekt in Gestalt des deutschen Nationalsozialismus bezogen, sondern häufig seinerseits auf popkulturelle Zitate, denn das Sinnsystem Pop ist in erster Linie selbstreferentiell. Die faschistoide PopÄsthetik dreht sich somit auch um sich selbst und generiert ihre eigenen Vorbilder. Das heutige Bild des Nazismus ist also alles andere als historisch korrekt. Popkulturelle Evokationen, d.h. Fiktionen und Imaginationen des Nazistischen, werden zum Wissens- und Gedächtnisspeicher. Sie entfalten eine Wirkmacht und werden zu Medien der Wirklichkeitskonstruktion. Das bedeutet, dass ebenjene popkulturellen Derivate Einzug in das kollektive Gedächtnis halten und auf das gesellschaftliche Geschichtsbewusstsein zurückwirken. Die popkulturellen Inszenierungen, Formen und Motive der Vergegenwärtigung des Nationalsozialismus bestimmen unsere Wahrnehmungsstrukturen und Deutungsmuster. Demgemäß liefern Repräsentationen des Nazistischen im Pop-Bild zunächst keinen Zugang zur Wirklichkeit, ergo keinen Aufschluss über den Nazismus selbst, sondern primär darüber, was heute auf Bildebene davon übrig geblieben ist beziehungsweise was daraus gemacht wird. Die vorliegende Untersuchung fragt folgerichtig weniger nach dem ‚Original‘ oder ‚Vorbild‘, also nicht nach dem Nationalsozialismus selbst, sondern nach zeitgenössischen Bildern der Vergangenheit, danach wie diese verformt und überformt werden, wie sie sich im Kontext der Gegenwart verstehen lassen und welche Bedeutung sie auf die heutige Kultur und den Umgang mit der Vergangenheit zurückwerfen. Es sollen nicht primär Aussagen über den Nationalsozialismus getroffen, sondern vielmehr ein Beitrag zur Untersuchung seines Bilderechos und des Nachlebens seiner Ästhetik geleistet werden. Wenngleich sich mit Bezug auf Saul Friedländer sinnvoll argumentieren lässt, dass sich ausgehend von der imaginären Ebene der Bilder und Phantasmen durchaus auch die Faszination für den deutschen Nationalsozialismus begreiflich machen lässt, da „diese beschwörende Nachgestaltung und Neuinterpretation der Vergangenheit dazu verhilft, die Vergangenheit selbst und namentlich ihre psychologische Dimension besser zu verstehen“11, steht dieser Anspruch nicht im

11 Friedländer, S. 25.

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Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit. So sehr die Frage diskutiert werden muss, inwieweit mit seinem ästhetischen Ausdrucksapparat auch das politische und soziale Imaginäre des Nationalsozialismus ins heutige (visuelle) Gedächtnis eingegangen ist, wird im Folgenden nicht davon ausgegangen, dass die Faszination von heute eine einfache Verlängerung der Faszination von damals ist. Vielmehr haben sich durch die vielfachen Tradierungsprozesse bestimmte Bedeutungszuweisungen verschoben, sodass die popkulturellen Sedimente faschistoider Ästhetik in der vorliegenden Untersuchung vornehmlich im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gegenwart befragt werden müssen. Für die dieser Untersuchung zugrunde liegende, funktionale Gegenstandsund Begriffsbestimmung faschistoider Ästhetik lässt sich zusammenfassend festhalten, dass als faschistoid gilt, was visuell anschlussfähig an den Bilderkanon und die expressive Außenseite des deutschen Nationalsozialismus erscheint. Jenes Bildprogramm ist zuvorderst vom Nazismus selbst produziert worden, hat jedoch zahlreiche – politisch-ideologisch entleerte und zunächst auf die reine Oberfläche reduzierte – popkulturelle Bildabkömmlinge generiert, die ihrerseits zitiert werden und damit ebenfalls Grundlage für die faschistoide Pop-Ästhetik sind. Ob von originär faschistischer Ästhetik als solcher überhaupt gesprochen werden kann, ist in der Forschung umstritten. Neben Positionen, die in der nationalsozialistischen Ästhetisierung des Politischen durchaus eine genuine faschistische Ästhetik auszumachen suchen, existieren solche, die von der Annahme ausgehen, dass es diese als eigenständige ästhetische Kategorie nicht gibt. Der These von einer faschistischen Ästhetik wird meist die Frage nach den Kontinuitäten ebenjener ästhetisierenden politischen Praxis über den Nationalsozialismus hinaus entgegengestellt.12 Der Befund lautet häufig, dass der Nationalsozialismus kein genuin eigenes Repertoire ästhetischer Ausdrucksmittel entwickelt hat, sondern bestehende beziehungsweise vergangene ästhetische Traditionen usurpierte und fortführte. Dieser gängigen Argumentation, dass über die Zeit von 1933-45 und den Kontext des Nationalsozialismus hinausweisend vergleichbare visuelle Darstellungsformen und Inszenierungsmodi gefunden werden können, ist entgegenzuhalten, dass bestimmte Bilder ihre faschistoide Konnotation allein durch die Parallelität respektive die Konvergenz mit Motiven oder Ausdrucksmustern anderer, nicht-faschistischer Zeichensysteme keinesfalls verlieren.

12 Siehe beispielsweise Inge Baxmann: Ästhetisierung des Raumes und nationale Physis. Zur Kontinuität politischer Ästhetik. Vom frühen 20. Jahrhundert zum Nationalsozialismus. In: Karlheinz Barck, Richard Faber (Hrsg.): Ästhetik des Politischen – Politik des Ästhetischen. Würzburg 1999, S. 79-95.

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Vielmehr hat sich das Bildprogramm des Nazismus als derart dominant erwiesen, dass es – tief im kollektiven Bildgedächtnis verankert – die Wahrnehmungen nachhaltig infiziert hat. Als Beweis hierfür können die in dieser Arbeit untersuchten Bilderzeugnisse der Popkultur herangezogen werden, denn wie subtil und nebulös der Eindruck einer faschistoiden Konnotation auf den ersten Blick erscheinen mag, zeigt (und damit bewahrheitet) sich bei genauerer Betrachtung stets, dass deutliche Bezüge auf den Nazismus und nicht etwa auf andere ästhetische Traditionen nachgewiesen werden können. So mag die SpeerwerferinnenAbbildung auf dem Albumcover von Flesh and Blood der Band Roxy Music zwar formal ein olympisches Motiv der griechischen Antike zitieren, jedoch wird bei näherer Betrachtung schnell klar, dass die Bildästhetik der Coverfotografie nur im Kontext von Leni Riefenstahls propagandistischem Olympia-Film Fest der Völker/Fest der Schönheit zu interpretieren ist.13 Obschon also ein genuines Spezifikum faschistoider Ästhetik nicht existiert und faschistoide Ästhetik nicht als ein qualitatives Merkmal verstanden werden kann, so lassen sich doch bestimmte Strukturgesetzmäßigkeiten in Form von charakteristischen Bildsujets, Darstellungsmitteln und -formeln bestimmen. Ein Bild, eine Darstellung oder Inszenierung evoziert die Assoziation des Faschistoiden, wenn bestimmte Faktoren und Elemente, die symptomatisch für den visuellen Ausdrucksapparat des Faschismus sind (so etwa die Inszenierung einer Führerfigur, eines bestimmten Körperimperativs, die Darstellung eines architektonischen oder landschaftlichen Monumentalismus, von Massenchoreografien etc.) in einer bestimmten Konstellation auftauchen. So vage diese Definition auf den ersten Blick erscheinen mag, so untrüglich ist meist das intersubjektive Gefühl, das uns ein Bild, eine Darstellung oder Inszenierung zweifelsfrei als faschistoid empfinden lässt.14 Herauszuarbeiten und zu benennen, was charakteristische Motive und Formeln sowie strukturelle und inszenatorische Merkmale jener Ästhetik sind und sich damit um eine präzisere Aufarbeitung des Gegenstands und Begriffs des Faschistoiden zu bemühen, ist unter anderem Ziel dieser Arbeit. Der im Rahmen der vorliegenden Untersuchung verwendete Begriff faschistoid erscheint für dieses Vorgehen passender als faschistisch, da er der Diffusität der Bilder und Ästhetik, die die Popkultur hervorbringt, gerechter wird und ihnen treffender Ausdruck verleiht. Auch scheinen die Begriffe faschistoid und

13 Siehe dazu auch S. 107. 14 So bezeichnet auch Saul Friedländer ein Gefühl, namentlich das „Gefühl von Unbehagen“ als „unfehlbares Merkmal des neuen Diskurses über den Nazismus“. Friedländer, S. 29.

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nazistisch hier synonym gebraucht zu werden – tatsächlich jedoch wird der Terminus nazistisch genutzt, um die Bilder und Ästhetik des Nazismus selbst zu kennzeichnen, und faschistoid, um die nazistisch anmutende Ästhetik der Popkultur, also – in Abgrenzung zum Original bzw. Vorbild – das popkulturelle Derivat nazistischer Ästhetik zu beschreiben.

2.2 A NMERKUNGEN

ZUR

P OPKULTUR

„Schon lange besteht kein Zweifel mehr an der Bedeutung der populären Kultur oder, zurückhaltender ausgedrückt, an ihrer Allgegenwart.“15 Aus ihrer omnipräsenten Stellung resultiert die Unumgänglichkeit, Phänomene des Populären einer wissenschaftlichen Betrachtung zu unterziehen. Darüber hinaus besteht der Nutzen wissenschaftlicher Beobachtung von Popkultur in ihrer Funktion als Indikator für soziale und kulturelle Normierungstendenzen sowie Prozesse des Wandels und Umbruchs. Pop wird sowohl als Affirmation als auch Subversion gesellschaftlicher Ordnungen diskutiert. Häufig werden Popkulturen in der Forschung daher als „Seismografen“ 16 bezeichnet. Ausgehend von Stimmungen oder Bewegungen, die sich beispielsweise in Bildprodukten oder anderen Erscheinungsformen populärer Kultur manifestieren und somit sichtbar und beschreibbar werden, lassen sich Schlüsse auf allgemeine gesellschaftliche Ereignisse und Mechanismen ziehen.17 Einigkeit besteht also darin, dass die populäre Kultur einen konstitutiven Einfluss auf die Gestaltung sozialer, individueller und

15 Thomas Hecken: Populäre Kultur. Mit einem Anhang ‚Girl und Popkultur‘. Bochum 2006, S. 7. 16 Vgl. Marcus S. Kleiner: Pop-Theorie. Ein deutscher Sonderweg. In: Christoph Jacke, Jens Ruchatz, Martin Zierold (Hrsg.): Pop, Populäres und Theorien. Forschungsansätze und Perspektiven zu einem prekären Verhältnis der Medienkulturgesellschaft. Berlin 2011, S. 43-63, hier S. 59. Ebenso beschreibt Christoph Jacke die Popmusik als „Seismograph der Mediengesellschaft“. Siehe Christoph Jacke: Popmusik als Seismograph. Über den Nutzen wissenschaftlicher Beobachtung von Pop. In: Christoph Jacke, Eva Kimminich, Siegfried J. Schmidt (Hrsg.): Kulturschutt. Über das Recycling von Theorien und Kulturen. Bielefeld 2006, S. 114-123, hier S. 118. 17 Daraus ergibt sich für die vorliegende Arbeit die Annahme, dass popkulturelle Bilderzeugnisse vom Nazismus einen wesentlichen Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs über den Nazismus leisten und die Betrachtung selbiger somit einen unverzichtbaren Aufschluss über den zeitgenössischen Umgang mit der Vergangenheit im Allgemeinen bietet.

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kultureller Lebenswelten nimmt. „Nicht zuletzt gehören Popkulturen zu den erfolgreichsten globalen Kulturindustrien. Insofern sind sie repräsentative Kulturen, denen eine fundamentale soziale Bedeutung zukommt.“18 Mit Etablierung der Cultural Studies19, die seit den 1960er Jahren eine eigene Forschungstradition ausgebildet haben, ist festzustellen, dass dieser Notwendigkeit Rechnung getragen wird und die Erforschung populärer Kultur im akademischen Diskurs angekommen ist. Dennoch gibt es bislang weder eine allgemeingültige Begriffsbestimmung oder einen abschließenden Theorieentwurf, was unter Populärkultur zu verstehen ist, noch ist verbindlich geklärt, welche Gegenstände überhaupt zur Popkultur gehören. Vielmehr koexistieren bis heute zahlreiche Konzeptionen zur Theorie und Definition und damit durchaus heterogene Eingrenzungen und Zugriffe auf die Geschichte und das Wesen des Populären. Auch die Vielfalt der Begrifflichkeiten und Bezeichnungen (populäre Kultur, Popkultur, Alltagskultur, Massenkultur usw.) sind Ausdruck dieser divergenten Ausgangslage. Popkultur ist daher weder als ein klar konturierter Gegenstand noch einheitliche Bewegung zu begreifen, sondern eher als ein Diskurs, sprich eine Hervorbringung verschiedener Reden über Pop. Popkulturelle Erscheinungen sind somit Formationen, die diesem offenen und vielschichtigen Umfeld entspringen. Martin Seeliger beschreibt Kultur im Allgemeinen als „[...] ein dynamisches Set von Symbolen, Artefakten und sozialen Praktiken, das der fortdauernden Aushandlung unterschiedlicher Akteure mit spezifischen Interessen und Ressourcen innerhalb bestimmter institutioneller Kräftefelder unterliegt und in Verschränkung mit Teilsystemen moderner Gesellschaften auftritt“20 .

Diese abstrakte Skizze, die dem groben Verständnis der Konstitution und Funktionslogik, in der jede Form von Kultur hervorgebracht und reproduziert wird, dient, kann auch auf populäre Kultur übertragen werden. Um dennoch ein präziseres und kohärenteres Bild der Popkultur zu zeichnen, ist es nötig, das Feld ge-

18 Kleiner, S. 59 [Herv. i.O.]. 19 Das 1964 in Birmingham gegründete Centre for Contemporary Cultural Studies (CCCS), in dessen Umfeld die Forschung zu Pop-, Sub- und Alltagskultur zunächst stattfand, kann als richtungsweisend für dieses Untersuchungsfeld angenommen werden. 20 Martin Seeliger: Kultur – Struktur – Handlung. In: Christoph Jacke, Jens Ruchatz, Martin Zierold (Hrsg.): Pop, Populäres und Theorien. Forschungsansätze und Perspektiven zu einem prekären Verhältnis der Medienkulturgesellschaft. Berlin 2011, S. 203-218, hier S. 206.

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nauer abzustecken. So sehr sich die Popkultur als ein labiles Konglomerat unterschiedlich ausgeprägter kultureller Formen innerhalb der Alltags- und Gegenwartskultur darstellt, kann – im Sinne eines engeren Kulturbegriffs – festgehalten werden, dass diese hauptsächlich künstlerisch-ästhetische Ausdrucksmedien wie z.B. Musik, Film, bildende Kunst oder Mode umfasst.21 Die vorliegende Untersuchung fokussiert dabei insbesondere die bildliche Seite dieser Phänomene, da Popkultur eine in hohem Maße visuelle Kultur ist. Zudem existieren in der Forschung zahlreiche Versuche, bestimmte qualitative Merkmale des Populären zu benennen und herauszustellen. Christoph Jacke liefert eine Erklärung, die für die folgenden Überlegungen als grundlegend angenommen wird; für ihn meint der Begriff Popkultur „den kommerzialisierten, gesellschaftlichen Bereich, der Themen industriell produziert, medial vermittelt und durch zahlenmäßig überwiegende Bevölkerungsgruppen [...] mit Vergnügen genutzt und weiterverarbeitet wird.“22 Häufig wird, wie bei Christoph Jacke, also die Massenwirksamkeit popkultureller Phänomene betont. Diesen quantitativ orientierten Bestimmungsansatz wählt auch Thomas Hecken, wenn er konstatiert, dass „[p]opulär ist, was viele beachten“23. Die Definition von Popkultur als „eine Kultur großer Publika“24 kann jedoch – insbesondere für das dieser Arbeit zugrunde liegende Verständnis von Pop – nicht als alleiniges Kriterium ausreichen, da beispielsweise auch Erscheinungsformen mit geringerer Reichweite, so etwa subkulturelle Erzeugnisse, zweifelsohne zur Populärkultur gezählt werden müssen. Folgerichtig beschreibt auch Hecken selbst populäre Kultur nicht als eine einzige große Einheitskultur, sondern als die Gesamtheit einzelner, höchst unterschiedlich großer Teilkulturen.25 Die Frage, in welchem Verhältnis die Populärkultur zur Gesamtkultur steht, markiert einen zentralen Punkt in der Forschung. Dass dichotome Hierarchisierungen, die die Popkultur von einer vermeintlichen ‚Hochkultur‘ abzugrenzen suchen, obsolet geworden sind, kann als wissenschaftlicher common sense gelten.26

21 Vgl. Charis Goer, Stefan Greif, Christoph Jacke: Einführung. In: Dies. (Hrsg.): Texte zur Theorie des Pop. Stuttgart 2013, S. 9-11, hier S. 10. 22 Christoph Jacke: Medien(sub)kultur. Geschichten – Diskurse – Entwürfe. Bielefeld 2004, S. 21. 23 Hecken, S. 85. 24 Ebd., S. 81. 25 Ebd., S. 87. 26 Siehe Hans-Otto Hügel (Hrsg.): Handbuch Populäre Kultur. Stuttgart 2003, S. 1.

22 | P OSTNAZISMUS UND P OPULÄRKULTUR „Die Verwischung der Grenze zwischen Hochkultur und Popkultur [...] ist natürlich eine Entwicklung der Postmoderne [...]. Die Durchmischung von ‚high‘ und ‚low‘ wird üblicherweise durch Zitate (oder Vereinnahmungen) über die Trennlinien hinweg angezeigt: Das Recycling von klassischer Musik als Pop und die Wiederverwertung von Pop als Kunst sollen eine generelle Veränderung ästhetischer Auffassungen markieren.“27

Jenseits selbstkonstituierender und legitimierender Maßstäbe einer sogenannten ‚Hochkultur‘, der lange Zeit die wissenschaftliche Betrachtung vorbehalten war, gerät somit die Wirkmacht popkultureller Güter in das Blickfeld, deren kulturellgesellschaftliche Dimension betont wird. „Entgegen vorschnellen Verurteilungen des Populären als trivial, kunstlos und affirmativ wird gegenwärtig seine ästhetische und politische Kraft in ihr Recht gesetzt.“28 Der Faktor Unterhaltung ist für die Definition populärer Kultur wesentlich. Popkultur ist eine Kultur des Vergnügens. Obschon die Annahme, dass die Unterhaltung substanziell für eine Bestimmung des Gegenstandes ist, nahezu als Gemeinplatz gelten kann, diagnostiziert Hans-Otto Hügel, dass diese in der Forschung nur selten als konstituierend verstanden wird und betont folglich den unterhaltenden Charakter populärer Kultur.29 Diese Sichtweise soll jedoch nicht zu einer Trivialisierung des Sujets beitragen, haben doch die Cultural Studies stets auf die im Feld des Populären und Alltäglichen verankerten, symbolisch ausgedrückten Macht- und Herrschaftsverhältnisse hingewiesen, deren Artikulationen analysiert und dort angelegten Potentiale ausgelotet werden müssen.30 Dass die Massenmedien, also technisch-medialen Entwicklungen, einen Einfluss auf die Distribution und damit auch Entstehung populärer Kultur nehmen, kann als ein bedeutendes Moment im Wirkungsgefüge von Pop angenommen werden. Zahlreiche medienwissenschaftliche Ansätze unterstreichen die Rolle der Medien als „Verbreitungs- und Popularisierungsinstanzen und Garanten für Popularität“31. Dieser Aspekt erscheint für die vorliegende Arbeit insbesondere

27 Simon Frith: Musik und Identität. In: Charis Goer, Stefan Greif, Christoph Jacke (Hrsg.): Texte zur Theorie des Pop. Stuttgart 2013, S. 199-219, hier S. 207/208. 28 Florian Niedlich: Einleitung. In: Ders. (Hrsg.): Facetten der Popkultur. Über die ästhetische und politische Kraft des Populären. Bielefeld 2012, S. 9-12, hier S. 9. 29 Hügel, S. 16ff. 30 Vgl. Stephan Moebius (Hrsg.): Kultur. Von den Cultural Studies bis zu den Visual Studies. Eine Einführung. Bielefeld 2012, S. 14. 31 Christina Bartz: Aus der Sicht der Medienwissenschaft. In: Christoph Jacke, Jens Ruchatz, Martin Zierold (Hrsg.): Pop, Populäres und Theorien. Forschungsansätze

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deshalb wichtig, da von der Annahme ausgegangen wird, dass bestimmte Bilder (hier genauer: popkulturelle Bilder vom Nazismus) durch mediale Tradierungsprozesse verbreitet werden und die Genese weiterer, ähnlicher Bilder bedingen, dies also zu einer Art ‚Ansteckung‘ und epidemischen Ausbreitung von bestimmten Motiven, Formeln oder Inszenierungen führt. Die Popmusik gilt als ein besonders gewichtiges Segment der Popkultur. „Musik bildet mit ihren vielfältigen, tief in der Lebensweise verwurzelten Alltagsformen eines der Fundamente der populären Kultur“.32 Insofern sieht auch Marcus S. Kleiner in dem Terminus Popkultur zwar einen weit gefassten, jedoch zunächst musikzentrierten Traditionsbegriff.33 Aus diesem Grund liegt auch im Rahmen dieser Untersuchung ein besonderer Fokus auf der Musikkultur und dabei in erster Linie auf Albumcovern und insbesondere Musikvideos als zentralen visuellen Ausdrucksformen. Da die verschiedenen Teilkulturen beziehungsweise Bereiche der Populärkultur (neben der Musik z.B. auch Film, bildende Kunst, Mode, jugend- und subkulturelle Stile und andere populäre Ausdrucksmedien) stark miteinander verzahnt, insbesondere ihre Bildprodukte aufeinander bezogen sind und damit einander gleichsam bedingen, werden den Bildern der Musikkultur in dieser Arbeit auch Bilder aus ebendiesen weiteren Sphären des Populären relational gegenübergestellt. Die Reziprozität popkultureller Bilder erscheint überdeutlich: Filmische oder künstlerische Bildentwürfe werden auf Albumcovern zitiert, Mode beeinflusst die Gestaltung von Musikvideos, die Musik wiederum inspiriert jugend- und subkulturelle Stilpraxen usw. Um das (Bild-) System Pop als Ganzes zu begreifen, ist es daher unerlässlich, jene Verflechtungen zu berücksichtigen. Neben der Selbstreferenzialität und -reflexivität populärer Kultur zeichnet sie sich vor allen Dingen durch Intertextualität respektive Interpiktorialität aus. Julia Kristevas poststrukturalistische Intertextualitätstheorie geht von der Annahme aus, dass ein Text innerhalb kultureller Strukturen funktioniert und damit nicht ohne Bezug auf die Gesamtheit aller anderen Texte denkbar ist. „Jeder Text baut sich als Mosaik von Zitaten auf, jeder Text ist Absorption und Trans-

und Perspektiven zu einem prekären Verhältnis der Medienkulturgesellschaft. Berlin 2011, S. 18-30, hier S. 25. 32 Hügel, S. 322. 33 Vgl. Marcus S. Kleiner: Pop fight Pop. Leben und Theorie im Widerstreit. In: Dirk Majetovski, Marcus S. Kleiner, Enno Stahl (Hrsg.): Pop in R(h)einkultur. Oberflächenästhetik und Alltagskultur in der Region. Essen 2008, S. 11-42, hier S. 14.

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formation eines anderen.“34 Entsprechend versteht auch Roland Barthes einen Text als „ein Gewebe von Zitaten aus unterschiedlichen Stätten der Kultur. […] Ein Text ist aus vielfältigen Schriften zusammengesetzt, die verschiedenen Kulturen entstammen und miteinander in Dialog treten, sich parodieren, einander in Frage stellen.“35 Unter einem erweiterten Text- und Intertextualitätsbegriff, wie er bei Kristeva oder Barthes, deren Überlegungen sich zwar primär auf Sprache beziehen, jedoch potentiell ebenso andere kulturelle Codes miteinschließen, vorliegt, lassen sich auch Bilder und deren Beziehungen zu anderen (visuellen) Sinn- und Zeichensystemen subsumieren. In Anlehnung an den Entwurf der Intertexualität werden unter dem Terminus Interpiktorialität die „Relationen zwischen Bildern sowie die Modi ihrer Transformation von einem in ein Anderes“36 verstanden. Gilles Deleuzes Formulierung „Er [der Maler] malt auf bereits vorhandene Bilder“ beschreibt, dass Bilder nicht in einem luftleeren Raum entstehen, sondern vielmehr innerhalb bereits vorhandener Bilduniversen hervorgebracht werden. Bilder situieren sich in immer schon existenten Bildzusammenhängen. Sie reagieren und verweisen auf andere, vergangene Bilder; diese werden repliziert, modifiziert und dekontextualisiert, können dadurch umgedeutet oder zweckentfremdet werden. Somit kann Interpiktorialität als grundsätzliche Eigenschaft von Bildern, mehr noch konstituierendes Merkmal jeglicher Bildproduktion angenommen werden. Guido Isekenmeier spricht von einer „bildkulturellen Selbstverständlichkeit interpiktoraler Bezüge“ 37 und konstatiert, dass Bild-Bild-Bezüge in den verschiedensten piktoralen Praktiken eine herausragende Rolle spielen. Im Besonderen gilt dies für die Bildprinzipien der populären Kultur. Das Zitieren und Wiederverwerten der Ideen anderer im Eigenen kann

34 Julia Kristeva: Bachtin, das Wort, der Dialog und der Roman. In: Jens Ihwe (Hrsg.): Literaturwissenschaft und Linguistik. Band 3. Frankfurt am Main 1972, S. 345-375, hier: S. 348. 35 Roland Barthes: Der Tod des Autors. In: Fotis Jannidis, Gerhard Lauer, Matias Martinez, Simone Winko (Hrsg.): Texte zur Theorie der Autorschaft. Stuttgart 2000, S. 185-193, hier S. 190ff. 36 Valeska von Rosen: Interpikturalität. In: Ulrich Pfisterer (Hrsg.): Metzler Lexikon Kunstwissenschaft. Ideen, Methoden, Begriffe. Stuttgart/Weimar 2011, S. 208–211, hier S. 208. 37 Guido Isekenmeier: In Richtung einer Theorie der Interpiktoralität. In: Ders. (Hrsg.): Interpiktoralität. Theorie und Geschichte der Bild-Bild-Bezüge. Bielefeld 2013, S. 1186, hier: S. 11-12.

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als Konstituum popkultureller Ausdruckspraxis angesehen werden.38 Sampling, Remix und Mashup als Strategien einer Kultur der Aneignung sind kennzeichnend für die Veräußerlichungen dieser „Zitationsmaschine“39, die durch immerwährendes Recycling funktioniert. Intertextualität und Referenzialität gelten somit als popkulturelles Dispositiv. Das visuelle Bildprogramm der Popkultur ist stets auf das Vorhandene oder ‚Andere‘ bezogen, nährt sich von der Vergangenheit, von anderen Kulturen und ihren Bildprodukten, und transzendiert sie gleichzeitig. Aus jeder Form der ästhetischen Produktion kann Pop generiert werden. „Was vergessen, überholt, ästhetisch endgültig konventionalisiert und damit verkitscht war, wird durch die einfache Duplizierung und vor allem den Transfer in einen anderen Kontext zum Pop.“40 So entwickelten sich auch Sedimente faschistoider Symbole und Ästhetik zu einer „sonderbaren Abart“41 der Popkultur. Ebendieses Bildprogramm ist der Ausgangspunkt dieser Arbeit und soll im Folgenden einer ersten näheren Betrachtung unterzogen werden.

38 Siehe Christoph Jacke, Eva Kimminich, Siegfried J. Schmidt: Vorwort. In: Dies. (Hrsg.): Kulturschutt. Über das Recycling von Theorien und Kulturen. Bielefeld 2006, S. 11. 39 Ebd. 40 Rolf Sachsse: Die Renaissance der Riefenstahl als Pop-Ikone. Musik – Mode – Film – Werbung. In: Markwart Herzog, Mario Leis (Hrsg.): Kunst und Ästhetik im Werk Leni Riefenstahls. München 2011, S. 217-230, hier 220. 41 Seeßlen, Blut und Glamour, S. 193.

3. Faschistoides Bildprogramm im Kontext populärer Kultur: Über die Verbreitung und Persistenz eines (Bild-)Themas

Als sich der Regisseur Lars von Trier 2011 während einer Pressekonferenz der Filmfestspiele in Cannes in vermeintliche Sympathiebekundungen für Adolf Hitler verstrickte, die schließlich in der mit offensichtlichem Unernst und einem sardonischen Lächeln vorgetragenen Äußerung „Ok, I’m a Nazi“1 kulminierten, löste er einen Eklat aus. Er wurde zur persona non grata erklärt und vom weiteren Verlauf der Veranstaltung ausgeschlossen. Provokationen dieser Art sind häufig und ziehen meist eine reflexartige öffentliche Erregung nach sich. So führten 2005 in Umlauf gebrachte Bilder, die Prinz Harry auf einer Kostümparty in NS-Uniform zeigen, zu kontroversen Diskussionen.2 Das US-amerikanische Fernseh-Starlet Tila Tequila provozierte einen Skandal, als sie 2013 eine Fotomontage auf Facebook postete, auf der sie als Hitila mit Hakenkreuz-Armbinde und SS-Schirmmütze vor einem Auschwitz-Hintergrund zu sehen ist.3

1

Higgins, Charlotte: Lars von Trier provokes Cannes with ‚I’m a Nazi‘-Comment. In: The Guardian Online, 18.05.2011, http://www.theguardian.com/film/2011/may/18/ lars-von-trier-cannes-2011-nazi-comments (zuletzt aufgerufen am 16.12.2013).

2

Siehe Matthias Matussek: Prinz im Nazi-Look: Harrys besonderer Humor. In: Spiegel Online, 13.01.2005,

http://www.spiegel.de/panorama/prinz-im-nazi-look-harrys-be

sonderer-humor-a-336618.html (zuletzt aufgerufen am 16.12.2013). 3

Siehe Laura Beck: Tila Tequila is a Nazi-Sympathizer who calls herself ‚Hitlia‘, http://jezebel.com/tila-tequila-is-a-nazi-sympathizer-who-calls-herself-h-1480040352 (zuletzt aufgerufen am 16.12.2013).

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Abbildung 1: Harry the Nazi

Abbildung 2: Hitila

Ein inoffizieller Mercedes Benz-Werbespot, für den Filmstudenten aus BadenWürttemberg 2013 einen Nachwuchspreis erhielten, zeigt, wie der junge Adolf Hitler in seiner Geburtsstadt Braunau am Inn von einem Mercedes überfahren wird. Das Video endet mit der hakenkreuzförmig daliegenden Kinderleiche Hitlers. In dem Spot wird das Fahrerassistenzsystem des Fahrzeugs beworben, das – so der Werbeslogan – Gefahren, schon bevor sie entstehen, erkennt. Der umstrittene Clip verbreitete sich viral im Internet und wurde bereits nach kurzer Zeit millionenfach aufgerufen.4 Verweise auf den Nationalsozialismus verfehlen ihre Aufmerksamkeit generierende Wirkung nicht. Folglich weisen Referenzen auf den Nazismus, die Verwendung faschistoider Symbole und Ästhetik sowie nazistischen Bildprogramms erstaunlich viele Verbindungen zur heutigen Bildwelt auf und durchziehen insbesondere die populäre Kultur in einem Maße, dass von einem „zweiten

4

Jens Jessen: Für Hitler wird nicht gebremst. In: Zeit.de, 29.08.2013, http://www. zeit.de/2013/36/werbung-video-mercedes-benz-erkennt-gefahr-hitler (zuletzt aufgerufen am 16.12.2013) In der Werbung, die qua ihrer Natur darauf ausgerichtet ist, möglichst viel Aufmerksamkeit zu erregen, werden Anspielungen auf den Nationalsozialismus und Adolf Hitler als ikonisches Sinnbild besonders lautstark gebraucht. Insbesondere wird die Figur Hitler in der Werbung als eine Metapher für Bedrohung und Gefahr benutzt. Eine äußerst kontrovers diskutierte Kampagne zur Aids-Prävention aus dem Jahr 2009 zeigt beispielsweise unter dem Titel Aids ist ein Massenmörder Hitler beim Geschlechtsverkehr mit einer Frau. Siehe Daniel Erk: So viel Hitler war selten. Die Banalisierung des Bösen oder warum der Mann mit dem kleinen Bart nicht totzukriegen ist. München 2012, S. 73ff.

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Leben des ‚Dritten Reichs‘“5 gesprochen werden kann. Der Nazismus hat sich als beständiges Thema erwiesen, das in den Bildprodukten der Gegenwart unablässig und unzählig wiederhergestellt wird. Eine erste, umfassende Abhandlung über die Fortdauer faschistischer Bilder liefert Saul Friedländer mit seinem Essay Kitsch und Tod – der Widerschein des Nazismus. Ausgehend von einigen Schlüsselwerken aus Film und Literatur konstatiert er einen „neuen Diskurs über den Nazismus“, der sich vornehmlich „im Bereich der Bilder“ entfaltet.6 Die unleugbare negative Faszination, die von den ästhetischen Dimensionen des Nazismus ausgeht, qualifiziert ihn als Sujet zahlloser Abhandlungen, Fiktionen und medialer Verarbeitungen. Die von Friedländer herausgestellte „auffällige Präsenz“7 des Themas in den Erzeugnissen der (populären) Kultur untersucht auch Susan Sontag in ihrem zweiteiligen Aufsatz Faszinierender Faschismus. Anlass hierzu bietet unter anderem ein MilitariaBildband mit nahezu fetischisierten Darstellungen von SS-Insignien. Anhand dieses Fundstücks nähert sich Sontag der Frage nach dem Reiz des Faschismus und unternimmt damit den Versuch, die Ursachen für das ubiquitäre Nachleben nazistischen Bildprogramms zu ergründen.8 Die Kontinuität und Persistenz des Nazismus und seiner Bilder lässt sich anhand mannigfaltiger Beispiele nachweisen. So finden sich Sedimente faschistoider Ästhetik (etwa vestimentärer Codes, Symbole oder anderer Bedeutungsträger) in unterschiedlichen Bereichen alltags- und popkultureller Bildproduktion, sei es in der Kunst, im Film, in Internet-Phänomenen, in der Mode, im Bildprogramm der Game- und Fankultur oder in der Musik und ihren tangierenden (Sub-)Kulturlandschaften. Diese werden im Folgenden einer ersten Betrachtung unterzogen.9

5

Georg Seeßlen: Das zweite Leben des „Dritten Reichs“. (Post)nazismus und populäre Kultur. Berlin 2013.

6

Friedländer, S. 23.

7

Ebd., S. 119.

8

Susan Sontag: Faszinierender Faschismus. In: Dies.: Im Zeichen des Saturn. Essays. Frankfurt am Main 2003, S. 97-126, hier S. 120ff.

9

Das Kapitel zur Musikkultur wird dabei besonders ausführlich betrachtet, da die Popmusik und ihre Bildprodukte ein sehr wesentliches Segment der Populärkultur darstellen und in dieser Arbeit folgerichtig einen Schwerpunkt bilden.

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3.1 K UNST Künstlerisch-ästhetische Reflexionen über den Nationalsozialismus sind zahlreich.10 Eine Parallele zwischen dem Ansinnen der künstlerischen Positionen, die im Folgenden näher betrachtet werden sollen, und den Zielen der vorliegenden Arbeit besteht darin, das weniger der Nazismus selbst im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht, als vielmehr die Befragung der etablierten Modi, Formen und Motive der Vergegenwärtigung und Repräsentation des Nazismus. Abbildung 3: David Levinthal, aus der Serie Mein Kampf, 1993-94

In David Levinthals Fotoserie Mein Kampf (1993-94) wird dies besonders deutlich: Er fotografiert Nazi Spielzeugfiguren in historisch anmutenden Tableaus und schafft damit imaginierte Neuschöpfungen von NS-Szenarien. Auf die Frage, warum er Spielzeugfiguren in historischen Situationen ablichte und nicht et10 Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass in diesem Abschnitt keine umfassende Abhandlung aller künstlerischer Positionen zum Thema geleistet werden kann, sondern lediglich einige dominante Motiv- und Themenkomplexe, die in der Kunst verhandelt werden, aufgezählt werden sollen. Sinnvoll erscheint dies zum einen, da künstlerische Reflexionen Bilder liefern, die auf die Genese anderer Bildprodukte einwirken können, und zum anderen, da sich aus den künstlerischen Zugängen auch interessante Folgerungen für die Untersuchung im Rahmen der vorliegenden Arbeit ableiten lassen.

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was von der historischen Wirklichkeit selbst, gab er zur Antwort, dass die NaziFiguren, die er sammle und fotografiere, seine historische Wirklichkeit seien.11 Levinthal – ebenso wie es diese Untersuchung anstrebt – erkundet folglich nicht die Geschichte selbst, sondern bewegt sich im Feld der medialen Verarbeitung und Formung von Geschichte. Das Hakenkreuz als ‚lautstärkstes‘ Sinnbild des Nazismus wird in der Kunst häufig verarbeitet, so etwa in Gilbert und Georges großformatiger Fotoarbeit Human Bondage (1974)12 oder in Jake & Dinos Chapmans Modell eines hakenkreuzförmigen Auffahrunfalls mit dem Titel The Tragik Konsequences of Driving Karelessly (2000)13. Auch Damien Hirst lässt in seinem Kurzfilm zu Samuel Becketts Stück Breath (2002) Zigarettenstummel in Form eines Hakenkreuzes auftauchen.14 Martin Kippenbergers Gemälde mit dem vorgeblich naiven Titel Ich kann beim besten Willen kein Hakenkreuz erkennen (1984) liefert ein Dickicht aus Strichen und Balken, die auf den zweiten Blick deutlich Versatzstücke eines Hakenkreuzes ergeben und sich zu diesem formen ließen.15 In Bild und Titel paraphrasiert Kippenberger auf ironische Art den Versuch zahlreicher Künstler16, das Symbol entpolitisieren und purifizieren zu wollen. So geschehen etwa bei den Hakenkreuz-Variationen des Schweizer Malers Helmut Federle, der das Zeichen sinnentleert und auf seine formalästhetische Basisqualität neutralisiert verstehen möchte.17 Jedoch ist die von den Nazis usurpierte Swastika durch das Wissen um die Vergangenheit untrennbar mit nazistischem

11 Siehe James E. Young: Nach-Bilder des Holocaust in zeitgenössischer Kunst und Architektur. Hamburg 2002, S. 9. 12 Gilbert and George: Human Bondage, http://s116.photobucket.com/user/Enlyl/media/ Divers/1974-HUMAN-BONDAGE-5.jpg.html (zuletzt aufgerufen am 01.04.2013). 13 Jake and Dinos Chapman: The Tragik Konsequences of Driving Karelessly, http://jakeanddinoschapman.com/works/the-tragik-konsequences-of-driving-karelely/ (zuletzt aufgerufen am 01.04.2013). 14 Damien Hirst: Breath, https://www.youtube.com/watch?v=vw6HWwPEQm8 (zuletzt aufgerufen am 01.04.2013). 15 Martin Kippenberger: Ich kann beim besten Willen kein Hakenkreuz erkennen, http://www.art-magazin.de/asset/Image/_2015/KUNST/80er_Staedel/BS/04st_presse_ kippenberger_ich_kann_beim_besten_willen_kein_hakenkreuz_entdecken_1984_ar .jpg (zuletzt aufgerufen am 21.08.2015). 16 Mit Nennung der männlichen Funktionsbezeichnung ist in diesem Buch, sofern nicht anders gekennzeichnet, immer auch die weibliche Form mitgemeint. 17 Siehe Cornelia Gockel: Zeige deine Wunde. Faschismusrezeption in der deutschen Gegenwartskunst. München 1999, S. 71.

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Inhalt aufgeladen, sodass eine Restitution der vorfaschistischen Bedeutung undenkbar erscheint. In Kippenbergers Arbeit wird ein Revisionismus schlichtweg unmöglich gemacht, da das Hakenkreuz dem Prozess der Verfremdung Widerstand leistet, indem es trotzdem unübersehbar zu erkennen und eben nicht zu leugnen bleibt. Ebenso weisen auch Rosemarie Trockels Strickarbeiten mit Hakenkreuz-Ornamenten18 auf die Gefahr hin, die mit der ideologischen Entwertung der Zeichen einhergeht. Sie befragt das Hakenkreuz-Symbol, indem sie es eine skurrile Symbiose mit der im binären Geschlechterdiskurs als traditionell weiblich verorteten Tätigkeit des Strickens eingehen und zu einem scheinbar harmlosen Strickmuster werden lässt. Neben dem Playboy-Hasenkopf und dem Wollsiegel, die sie ebenfalls als Motive für ihre Strickstoffe nutzt, wird auch das Hakenkreuz somit zu einem beliebigen Logo und damit zu einer verfügbaren und konsumierbaren Form. Ähnlich irritierend wirken die Arbeiten von Maurizio Cattelan und Rudolf Herz, die mit der ikonischen Qualität Adolf Hitlers operieren19. Rudolf Herz’ Arbeit Zugzwang (1995/1999/2002)20 ist eine Art Bildtapete mit schachbrettartig alternierend angeordneten Schwarz-Weiß-Fotografien zweier Männer: Das Konterfei Adolf Hitlers wird mit einem Portrait Marcel Duchamps konfrontiert. Unweigerlich stellt man als Betrachter Versuche an, eine Verbindung zwischen der Schlüsselfigur der künstlerischen Avantgarde und Adolf Hitler, als gescheiterter Künstlerpersönlichkeit, herzustellen. Tatsächlich ist das gemeinsame Moment jedoch ein anderes: Die Portraits wurden schlicht von dem selben Fotografen, Heinrich Hoffmann, aufgenommen. Nähert man sich Maurizio Cattelans Him (2001), so ist zunächst die Rückenansicht einer kleinen, knienden Gestalt in einem braunen Anzug zu erkennen. Häufig ist die Figur mit dem Gesicht zur Wand positioniert und somit tendenziell dem betrachtenden Blick abgewandt, sodass sich erst bei näherem Herantreten offenbart, dass es sich dabei um eine bemüht detailgetreu und lebensecht nachempfundene, jedoch drastisch verkleinerte Gestalt Adolf Hitlers handelt. Durch die Verkleinerung und Darstellung in demütiger Gebetshaltung erscheint die Hitler-Figur unangenehm kindlich und nahezu schutzbedürftig. Für den künstlerischen Zugang von Maurizio Cattelan und Rudolf Herz kann konstatiert werden, dass nicht Adolf Hitler als Person das Thema ist, sondern die Art und

18 Rosemarie Trockel: Strickbild mit Hakenkreuzen, http://prod-images.exhibit-e.com/ www_skarstedt_com/60695b80.jpg (zuletzt aufgerufen am 21.08.2015). 19 Zur Ikonisierung Hitlers siehe auch Kapitel 4.3. 20 Rudolf Herz: Zugzwang, http://www.rudolfherz.de/ZUGZWANG.HTML (zuletzt aufgerufen am 21.08.2015).

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Weise des Umgangs mit ihm „als Topos des sozialen Gedächtnisses“21. Eine weitere Arbeit von Cattelan, die die ikonografische Symbolik des Nationalsozialismus aufgreift, trägt den kryptischen Titel Ave Maria (2007). Die Installation besteht aus drei naturgetreu gestalteten, steif emporgestreckten rechten Armen, die aus einer Wand herausragen. Unmissverständlich wecken die erhobenen Arme die Assoziation des Hitlergrußes, wenngleich Cattelan mit der Wahl des Titels darauf aufmerksam machen möchte, dass über den Nationalsozialismus hinausweisend ebenjene Gebärde auch als Segensgeste verstanden werden kann. Der Hitlergruß und sein Gebrauch im Kunstkontext reicht von einer intensiven Auseinandersetzung Anselm Kiefers bis hin zu der öffentlichkeitswirksamen Inszenierung des Künstlers Jonathan Meese, in dessen gleichsam monomanem Verhaltensrepertoire der Hitlergruß inflationär Verwendung findet.22 Meeses unablässige Selbstperformanz erweckt den Anschein, dass sein lärmendes Spiel mit obszönen und drastischen Motiven dem Selbstzweck des Schockierens geschuldet und qua seines Künstlerdaseins Teil seiner avantgardistischen raison d’être ist. Während der Hitlergruß bei Meese somit auf den Provokationsgehalt reduziert und formelhaft entleert erscheint, findet sich bei Anselm Kiefer eine bewusste inhaltliche Beschäftigung mit dem Gegenstand. Sein Fotozyklus, der als Besetzungen (1979/70)23 bezeichnet und von ihm später zahlreich in Malereien übersetzt wird, zeigt ihn, den Hitlergruß nachahmend, in verschiedenen europäischen Städten und Landschaften. Was in den Fotografien somit dargestellt wird, ist die absurde, einsame Gestalt des Künstlers, die mit dem imitierenden Gestus eines Besatzers vor einer menschenleeren Kulisse das falsche Pathos einer Eroberungssituation desavouiert. Die Fotoserie Reine Wäsche (1984/89) von Bernhard Prinz zeigt auf, wie nachhaltig bestimmte Inszenierungsmuster des Nationalsozialismus bis in die heutige Zeit hineinreichen und unsere Wahrnehmungsstrukturen und Deutungsmuster bestimmen. Die Arbeit besteht aus mehreren Einzelportraits junger Frauen, die vor einem bräunlich-dunkel gehaltenen Hintergrund im Halbprofil abgelichtet sind. Obwohl es sich dabei um Fotografien der 1980er Jahre handelt, las-

21 Peter Friese: Nach-Bilder als Bildstörungen. In: Ders. (Hrsg.): After Images. Kunst als soziales Gedächtnis. Frankfurt am Main 2004, S. 53-67, hier S. 60. 22 Siehe Hanno Rauterberg: Er will doch nur spielen. In: Zeit.de, 14.08.2013, http://www.zeit.de/2013/33/justiz-jonathan-meese-hitlergruss (zuletzt aufgerufen am 21.08.2015). 23 Siehe Martina Sauer: Wie lässt sich der ‚Wahnsinn‘ verstehen? http://edoc.huberlin.de/kunsttexte/2010-3/sauer-martina-8/PDF/sauer.pdf (zuletzt aufgerufen am 21.08.2015).

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sen die artig hochgesteckten Frisuren und makellos-weißen, gestärkten Blusen die Frauen sonderbar unzeitgemäß wirken. Abbildung 4: Bernhard Prinz, Reine Wäsche, 1984/89

Wenngleich eindeutige Hinweise auf den Nazismus – etwa Abzeichen oder sonstige Uniform-Versatzstücke – fehlen, wecken die Bilder unweigerlich Erinnerungen an den Nationalsozialismus und die Ästhetik des Bund Deutscher Mädel. Die optische Aufmachung und insbesondere die gerade aufgerichtete, nahezu disziplinierte Haltung sowie der entschlossene, unbeirrte Blick lassen den Vergleich zu Portraitdarstellungen des BDM zu. Auch die serielle Vereinheitlichung der Figuren unterstützt dieses Moment. In der Folge sich gleichender Bilder geht der eigentliche Anspruch eines Portraits, ein persönliches und unverwechselbares Abbild zu liefern, verloren. Individuelle Merkmale werden zugunsten einer gleichgeschalteten Ästhetik nivelliert. Die Fotografie löst sich durch die „konsequente Wiederholung formalästhetischer Aspekte (Pose, Kleidung, Frisur) von der jeweils abgebildeten Person und verkürzt sich so letztlich auf ein stereotypes Bild.“24 Reine Wäsche spielt hier mit Sehgewohnheiten und mit ästhetischen Codes, die sich durch ihre mediale Verbreitung tief in das kollektive Bewusstsein eingebrannt haben. Diese sind so dominant, dass sie in ei24 Ingo Clauss: Bernhard Prinz. Reine Wäsche. In: Peter Friese (Hrsg.): After Images. Kunst als soziales Gedächtnis. Frankfurt am Main 2004, S.179-183, hier S. 179.

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nem interpretatorischen Kurzschluss bereits schlichte weiße Hemden zu nazistischer Uniformierung werden lassen. Bernhard Prinz befragt ebenjene suggestive Kraft der Bilder und führt vor, wie visuelle Zuordnungsmechanismen funktionieren. Das Spiel mit ideologischen Bedeutungsträgern in Form vestimentärer Codes findet sich auch in den Fotografien von Collier Schorr wieder. Die Künstlerin inszeniert vornehmlich jugendliche Protagonisten in ländlicher Umgebung; häufig lässt sie diese in Uniformen posieren. Dabei untersucht sie den Einfluss der Kleidung auf den Körper und damit die Subjekt- und Identitätskonstruktion von Menschen. Abbildung 5: Collier Schorr, Andreas POW, 2001

Abbildung 6: Collier Schorr, Lina Opening Braid, 2001

So ist beispielsweise in Andreas POW (2001) ein junger Mann in Wehrmachtsuniform auf einem Feld hockend zu sehen. Das Bild oszilliert sonderbar zwischen Vergangenheit und Gegenwart, da zu erkennen bleibt, dass es sich um eine zeitgenössische Fotografie handelt. Lina Opening Braid (2001) zeigt ein Mädchen mit blonden Zöpfen, das auf einer Wiese sitzt. Durch die optische Anlehnung an ein ‚arisches‘ Körperideal weckt die Fotografie – trotz Ausbleiben eindeutiger Symbolik – gleichfalls unvermittelt Assoziationen zur NS-Ästhetik. Ähnlich wie Bernhard Prinz operiert auch Collier Schorr mit gewissen ästhetischen Formeln, die sie von ihrem Inhalt befreit. Beide verweisen somit auf die Besetzbarkeit von Zeichen.

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Ein weiteres Sujet, das häufig von Künstlern verhandelt wird, nimmt Bezug auf die architektonischen Hinterlassenschaften und Orte des Nationalsozialismus. So wird das ehemalige Reichsparteitagsgelände in Nürnberg beispielsweise in den Fotografien von Maciej Toporowicz und Jürgen Teller verarbeitet. Abbildung 7: Maciej Toporowicz, Eternity, 1993

Abbildung 8: Jürgen Teller, aus der Serie Nürnberg, 2005

Als „Wort aus Stein“25 galt die überdimensionale Bauweise des Geländes als Versinnbildlichung von souveräner politischer Herrschaft, Unerschütterlichkeit, Härte und Robustheit. Die extreme Weite der Plätze und Straßen und Größe der Bauten suggerierte Allmacht. Das architektonisch entworfene Pathos des Heroisch-Erhabenen zwang rezeptionsästhetisch zur Unterwerfung. Somit lässt sich nationalsozialistische Architektur als wirkungsvolles Instrument symbolischer Politik verstehen. Eine Arbeit aus dem Jahr 1993 von Maciej Toporowicz zeigt eine Abbildung der Zeppelintribüne in Nürnberg und ist mit der Überschrift Eternity versehen. Der Schriftzug, der etwa ein Drittel der Bildfläche einnimmt, entspricht in seiner typografischen Umsetzung einer Werbekampagne für das gleichnamige Parfum der Marke Calvin Klein. Neben dem vordergründigen Verweis auf die formalästhetische Kompatibilität nazistischen Bildprogramms mit der heutigen Werbesprache dient das Wort Eternity in Toporowiczs Arbeit als Beschreibung für das auf Unveränderlichkeit und Dauerhaftigkeit angelegte NS-Herrschaftssystem. Der Künstler zeigt auf, wie die faschistische Architektur ebenjenen Anspruch symbolisch antizipierte. Durch ihre Monumentalität sollten visuelle Zeichen des beschworenen Ewigkeitswerts gesetzt werden. Während Toporowicz somit nazistische Ästhetik gleichsam wiederherstellt, sucht Jürgen 25 Eckhart Dietzfelbinger: Kunst auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände. In: Ross Birell: Das Gelände. Katalog zur Ausstellung in der Kunsthalle Nürnberg. Nürnberg 2008, S. 60-79, hier S. 62.

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Teller in seiner Serie Nürnberg (2005) den architektonisch hinterlassenen Mythos zu dekonstruieren, indem er dem ideologischen Monumentalismus seine individuelle künstlerische Position entgegensetzt. Die Detailansichten, die er auf dem Gelände aufgenommen hat, zeigen moosbedeckte Flächen sowie Gräser und Farne, die sich ihren Weg durch Sprünge und Risse im Stein bahnen. Tellers Nahaufnahmen bröckelnder Wände und kaputter Stufen zeugen vom langsamen Verfall der Bauten. Die Ausschnitthaftigkeit der Bilder gibt der Monumentalität des Reichsparteitagsgeländes keinen Raum. Durch den sensiblen Blick auf das Detail wird der Gigantismus des architektonischen Erbes des Nationalsozialismus zerstört. Abbildung 9: Piotr Uklanski, The Nazis, 1998

In seiner Arbeit The Nazis (1998) versammelt der polnische Künstler Piotr Uklanski insgesamt 164 Fotografien von europäischen und US-amerikanischen Schauspielern, die in Nazi-Rollen zu sehen waren. So blickt in einer Fotografie Richard Burton als SS-Obersturmbannführer im Film Massaker in Rom (1973) den Betrachtern dumpf starrend entgegen. Die Lichtführung von unten wirft bedrohlich dunkle Schatten auf sein Gesicht; die kantig und angespannt wirkenden Gesichtszüge lassen den Schauspieler ungewöhnlich hart und streng erscheinen. Er trägt eine dunkle Uniform und eine Schirmmütze mit heller Borte und prägnanten NS-Emblemen. Der Bildausschnitt lässt vermuten, dass sein rechter Arm zum Hitlergruß erhoben ist.

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Neben seinem Portrait finden sich unter anderem Fotografien von Christopher Lee, Klaus Kinski, Dennis Hopper, Marlon Brando, Clint Eastwood, Robert Duvall, Helmut Berger und Jean-Paul Belmondo. Sie alle sind in NS-Uniformen dargestellt, die mit entsprechenden Symbolen wie dem Reichsadler oder dem SS-Totenkopf versehen sind. Gemeinsam sind ihnen ein eindringlicher, unangenehm kühler Blick sowie eine aufrechte, steife Physis. Die Portraits sind abfotografierte Filmstills, Plakate oder Cover; das Ausgangsmaterial somit durchaus heterogen. Auch folgt die Anordnung der Bilder keiner erkennbaren Chronologie oder Ordnung. Vielmehr überlässt es Uklanski dem Betrachter, mit der Fülle des Materials umzugehen. Worauf die Sammlung verweist, ist zum einen die beträchtliche Anzahl an Filmen, die sich mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzen. Zum anderen lenkt der Künstler die Aufmerksamkeit auf bestimmte schablonenhafte Inszenierungsmuster und Strukturgesetzmäßigkeiten, die sich mit Blick auf die visuelle Darstellung des NS-Personals im Laufe der Jahrzehnte ausmachen lassen. Die Fotoserie zeigt keine Nazis, sondern Bilder von Nazis, Film-Nazis und damit filmisch inszenierte Posen des Bösen, die jedoch durch ihre Omnipräsenz Einzug in das kollektive Gedächtnis gehalten haben und damit auch auf das Geschichtsbewusstsein einwirken. Es geht um höchst glamouröse und verführerische Bilder des Schreckens, der Macht und Gewalt, repräsentiert durch des Abbild des rational-kalten, streng uniformierten SS-Offiziers. Die filmischen Fiktionen des Nazismus haben – trotz häufiger Bemühungen um geschichtliche Authentizität – mit dem historischen Nationalsozialismus nichts gemein. Es sind mediale Phantasien mit negativer Anziehungskraft und einem irritierenden Appeal, der sich grundlegend aus einer Faszination für das Grausame erklären lässt. Uklanskis Sammlung von Film-Nazis zeigt zwar verschiedene NaziTypen, wie sie in den unterschiedlichen Filmgenres (re-)produziert werden, jedoch erscheint die übergreifende Formelhaftigkeit der Inszenierungsprinzipien überdeutlich: Nazi-Figuren fungieren als die großen Widersacher, als das personifizierte Böse. In Uklanskis Serie bleibt der Schauspieler hinter der Rolle in den meisten Fällen erkennbar. So funktionieren die Portraits wie Vexierbilder, die die nazistische Maskerade als solche ausweisen. Der Nazismus und seine Insignien werden zur dekorativen Staffage einer populären Ikonographie des Bösen. Reinszenierungen des Nationalsozialismus ziehen, wie die Arbeit von Piotr Uklanski eindrucksvoll beweist, ihre Spur quer durch die Filmgeschichte.

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3.2 F ILM Das Nachleben faschistoider Bilder zeigt sich beispielhaft in der konstanten NSRezeption in filmischen Darstellungen. „Über die Zeit des Nationalsozialismus gibt es so viele Filme, wie zu keinem anderen Abschnitt der Geschichte.“26 Besonders die vergangenen drei Jahrzehnte haben eine enorme Anzahl an filmischen Auseinandersetzungen mit der NS-Geschichte hervorgebracht. 27 Diese sind im Hinblick auf die Intensität und Art der thematischen Verarbeitung sehr different. Neben Filmen, in denen der Nationalsozialismus explizit Gegenstand der Handlung ist und inhaltlich verhandelt wird, finden sich häufig auch solche, in denen er lediglich den erzählerischen Hintergrund oder Rahmen bildet. Auch reicht die Genre-Bandbreite von Dramen wie Lili Marleen (1981), Der Pianist (2002) oder Der Vorleser (2008) über Kriegsfilme wie Der Soldat James Ryan (1998) und Operation Walküre (2008) bis hin zu Tragikomödien, so etwa Zug des Lebens (1998). Auch Satiren wie Der große Diktator (1940) und Sein oder Nichtsein (1983) oder Science-Fiction- und Trashfilme, etwa Iron Sky (2012) oder der Nazi-Zombie-Film Dead Snow (2009) zeigen auf, wie breit gefächert die filmischen Zugänge zum Thema sind.28 Doch welche übergreifenden Tendenzen in der kinematografischen Vergegenwärtigung des Nazismus lassen sich ausmachen? Welche Chiffren prägen die Abbildungskonventionen filmischer NS-Rezeptionen und welche Darstellungsmodi haben sich etabliert? Sonja M. Schultz konstatiert, dass im Bereich der po-

26 Sonja M. Schultz: Der Nationalsozialismus im Film. Von Triumph des Willens bis Inglourious Basterds. Berlin 2012, S. 11. 27 So stellt auch Waltraud Wende fest, dass seit den 1990er Jahren auffällig viele Spielfilmbilder vom Nationalsozialismus existieren. Vgl. Waltraud „Wara“ Wende: Medienbilder und Geschichte. Zur Medialisierung des Holocaust. In: Dies. (Hrsg.): Der Holocaust im Film. Mediale Inszenierung und kulturelles Gedächtnis. Heidelberg 2007, S. 9-23, hier S. 9. 28 Aufgrund der nahezu unüberschaubaren Anzahl an Filmen, die den Nazismus verhandeln, sei auch hier angemerkt, dass eine ausführliche Erarbeitung des Themenfeldes Nationalsozialismus im Film mit Anspruch auf Vollständigkeit im Rahmen dieser Arbeit nicht bewerkstelligt werden kann. Ziel der folgenden Ausführungen ist es daher lediglich darauf hinzuweisen, wie weit verbreitet das Thema im Bereich filmischer Bildproduktion ist und dabei einige exemplarische Beispiele und dominante Inszenierungsprinzipien aufzuzählen und zu beschreiben. Für einen umfassenden chronologischen Überblick sei hier an die intensive Auseinandersetzung von Sonja M. Schultz verwiesen.

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pulären Fiktionalisierung sehr schnell eine eigene Bildsprache der Geschichte entstand, die neue Mythologien mit Abbildungsverboten und Kontinuitäten faschistischer Bilder und Stereotypen vermengte. Gleichzeitig zeugen die Filme, so Schultz weiterhin, immer auch von einem nationalen Verständnis der Geschichte und vom Stand der gesellschaftlichen Aufarbeitung.29 Somit fungieren Filme als Spiegel ihrer jeweiligen Zeit. Sie sind Ausdruck kollektiver Vorstellungen und Entwürfe der Vergangenheit, von Ängsten und Wünschen. Mit Blick auf den deutschen filmischen Erinnerungsdiskurs lässt sich beispielsweise feststellen, dass dieser insbesondere eine schuldentlastende Dichotomie zwischen der verbrecherischen und barbarischen Führung NaziDeutschlands und einer ausgelieferten, verführten und verratenen Bevölkerung zeichnet. Als Beispiele hierfür können Filme wie Napola – Elite für den Führer (2004) oder der dreiteilige Fernsehfilm Unsere Mütter, unsere Väter (2013) gelten. Die Entlastungstendenz zeigt sich auch in dem Fokus auf Geschichten ‚Andersdenkender‘. So etwa die Botschaft von Zivilcourage und deutschem Widerstand in Sophie Scholl – die letzten Tage (2005). Deutlich dominieren Erzählungen deutschen Leidens gegenüber dezidierten Täterperspektiven. Deutsche Erfahrungen von Kriegsgeschehen, Bombardierung oder Flucht spiegeln sich beispielsweise in den TV-Produktionen Dresden (2006) und Die Gustloff (2007) wider. Diese Verkehrung der Opferrolle adaptiert das deutsche exkulpatorische Narrativ eines kollektiven Opferglaubens und transformiert sie in Filmgeschichten. Tobias Ebbrecht geht von der Annahme aus, dass die erinnerungskulturelle Verschiebung von Tätern zu Opfern seine reale Entsprechung in der transgenerationellen Tradierung von Familiengeschichten findet. „Dass sie [die Täter] schließlich selbst als Opfer von Krieg und Nationalsozialismus erscheinen konnten, ist Folge eines gesellschaftlichen und kulturellen Prozesses der Umdeutung.“30 Somit wurde der eher innerfamiliär geführte Selbstwahrnehmungsdiskurs zur Grundlage für zahlreiche filmische Geschichtsfiktionen. Zwei der international erfolgreichsten Filme des populären Kinos über den Nationalsozialismus sind Steven Spielbergs Schindlers Liste (1993) und Roberto Benignis Das Leben ist schön (1997). Beide Produktionen arbeiten mit einem individualisierten und damit geschlossenen Darstellungsmodus. Neben der partikularen Erzählperspektive vereint Schindlers Liste und Das Leben ist schön das Erzählmuster von Rettung und Überleben. Dieses kann somit als prototypisch für filmische Bearbeitungen des Nationalsozialismus und Holocaust gelten.

29 Schultz, S. 14. 30 Tobias Ebbrecht: Geschichtsbilder im medialen Gedächtnis. Filmische Narrationen des Holocaust. Bielefeld 2011, S. 20.

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Schindlers Liste wird aufgrund seiner Dramatisierung einer realen Geschichte zudem häufig unter dem Gesichtspunkt des ‚Authentischen‘ gelesen.31 Das ‚Echte‘ wird zum Qualitätsmerkmal erhoben. Der Authentizitätsgestus kulminiert schließlich in dem Film Der Untergang (2004) von Oliver Hirschbiegel. Dieser versucht sich mit allen Mitteln an einer angeblich objektiven Wiedergabe von Tatsachen, inszeniert sich als historisch genau und suggeriert somit Realismus. Er behauptet ein absolutes und damit ‚authentisches‘ Abbild zu sein und scheitert notwendigerweise in diesem Anspruch, da ein Film seinen fiktionalen Entstehungskontext nicht leugnen kann. In Anbetracht des grundsätzlichen Illusionismus und der Künstlichkeit filmscher Repräsentation erscheint die häufig beschworene Authentizität als unsinnige Kategorie. Neben Filmen wie Der Untergang, die an die ungebrochene Repräsentationskraft ihrer Bilder und damit die Wiedergabe einer scheinbaren äußeren Wirklichkeit glauben, gibt es auf der anderen Seite auch solche, die die eigene Medialität offen legen und die Fiktion als Kern filmischen Schaffens nicht nur filmimmanent mitreflektieren, sondern gezielt nutzen.32 Als Beispiel sei an dieser Stelle der Film Inglourious Basterds (2009) angeführt. Quentin Tarantinos alternate history33 unterwandert jedes Authentizitätsdiktat. Im Film werden die Grenzen des Faktischen bewusst zurückgewiesen und das Ende des Geschichtsverlaufs radikal verkehrt. Skalpierte und mit eingeritzten Hakenkreuzen verzierte Nazi-Schädel stehen am Ende der Inszenierung Tarantinos. Der Film bestreitet auf der Darstellungsebene seinen eigenen Konstruktionscharakter nicht und beansprucht keine historische Faktizität. Der Film behauptet nicht mehr zu sein als ein Film und weist damit jegliche Authentizitätsversprechen als fehlgeleitet aus. 34 In Inglourious Basterds verbrennen schließlich die Leinwand und das Kino, also das Medium, das zum einen von der Propaganda-Bildmaschinerie des NS maßgeblich für die eigenen visuellen Ideen genutzt wurde und zum anderen das Medium, das durch die zahlreichen Reproduktionen und filmischen Fiktio-

31 Siehe dazu Georg-Michael Schulz: Docu-dramas – oder: Die Sehnsucht nach der ‚Authentizität‘. Rückblicke auf Holocaust von Marvin Chomsky und Schindlers Liste von Steven Spielberg. In: Waltraud Wende (Hrsg.): Der Holocaust im Film. Mediale Inszenierung und kulturelles Gedächtnis. Heidelberg 2007, S. 143-161. 32 Vgl. Schultz, S. 492. 33 Der Begriff alternate history bezeichnet eine alternative oder kontrafaktische Geschichtserzählung in Literatur oder Film, in der historische Tatsachen in Form eines ‚Was wäre, wenn...?‘-Gedankenspiels verdreht oder abgewandelt werden. 34 Siehe Ebbrecht, S. 9.

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nen ebenjenes Bild des Nazismus immer noch am Leben hält. Verwiesen wird somit auf die Geschichte der medialen Vermittlung selbst. Ein dominantes Inszenierungsmuster in filmischen Bearbeitungen des Nazismus ist die Sexualisierung des Sujets. Unter dem Begriff Sadiconazista wird eine in sich sehr heterogene Ansammlung von exploitativen Nazi-Filmen subsumiert, die in den 1970er Jahren aufkeimten und eine Gleichung von Nationalsozialismus und sexuell-pornographischem Sadismus entwerfen.35 Die Bandbreite der Filme reicht dabei von künstlerisch ambitionierten, aus ihrer Zeit heraus politisch und philosophisch inspirierten Produktionen – Marcus Stiglegger führt hier Beispiele wie Liliana Cavanis Der Nachtportier (1974), Pier Paolo Pasolinis Die 120 Tage von Sodom (1975) oder Luchino Viscontis Die Verdammten (1969) an – und solchen, meist kommerziellen Nachzüglern, die den NS-Kontext lediglich für die besonders explizite Darstellung von Gewalt und sexuellem Sadismus ausnutzen und in nichts als sensationsbetonte Pornografie auflösen. Hierzu zählt der Autor etwa Salon Kitty (1976) oder Ilsa – She-Wolf oft he SS (1974).36 Die Synthese von sexuellen Inhalten und nazistischen Symbolen geht dabei zurück auf sogenannte Stalag-Romane, die gleichfalls diesen Konnex aufweisen. Stalags (als Abkürzung für Stammlager) sind pornografische Taschenbücher, die Anfang der 1960er Jahre in Israel Verbreitung fanden. Bei der Pulp-Literatur handelt es sich um Geschichten, die hochgradig sadistisch aufgeladene SexSzenarien vor dem Hintergrund von Nazi-Terror und brutal folternden, barbusigen SS-Wärterinnen zeichnen.37 Im Hinblick auf den „zweifellosen sexuellen Reiz des Faschismus“ fragt Susan Sontag: „Wieso ist Nazi-Deutschland, eine Gesellschaft, in der alles Sexuelle unterdrückt wurde, erotisch geworden?“38 Sontag diagnostiziert, dass insbesondere SS-Uniformen einen sexuellen „Appeal“ ausüben: „SS-Uniformen sind elegant, gutgeschnitten, mit einem Anflug [...] von Exzentrizität“. Die SS sei „die ideale Verkörperung des offenen Anspruchs des Faschismus auf das

35 Siehe dazu Marcus Stiglegger: Sadiconazista. Faschismus und Sexualität im Film. St. Augustin 1999, S. 43ff. 36 Marcus Stiglegger: Sadiconazista – Stereotypisierung des Holocaust im Exploitationkino, http://www.ikonenmagazin.de/artikel/sadiconazista.htm (zuletzt aufgerufen am 25.04.2013). 37 Siehe dazu Anna Pollmann: Pulp und Gedächtnis. Stalag-Romane und die Zeugenschaft des Holocaust in Israel, http://phase2.nadir.org/rechts.php?artikel=787& print=ja (zuletzt aufgerufen am 25.04.2013). 38 Sontag, Faszinierender Faschismus, S. 123.

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Recht zur Gewalt als ehrbarem Mittel [...], der unbegrenzten Macht über andere.“39 Abbildung 10: Stalag 13

Abbildung 11: Filmplakat Ilsa – She Wolf of the SS

Die Uniform40 als symbolischer Ausdruck legitimer Machtausübung, von Autorität und Gewalt repräsentiert Dominanz und Unterwerfung, die ebenso als konstitutive Prinzipien sexueller Wünsche und Phantasien gelten können.41 Der sexuelle Reiz, der von Macht ausgeht, wird auf die Uniform als Projektionsfläche zurückgeworfen. „Macht besitzt eine erotische Sprengkraft“42, konstatiert auch Michel Foucault in einem Interview der Cahiers du Cinéma. Gerade bei der SS sieht Sontag diesen Herrschaftsanspruch am umfassendsten ausgeprägt, nicht nur weil sie ihn auf einzigartig brutale und nachdrückliche Weise durchsetzte, sondern insbesondere weil sie ihn „ins Dramatische überhöhte, indem sie sich gewissen ästhetischen Regeln unterwarf. Die SS war zur militärischen Elite39 Ebd., S. 120-121. 40 Zur Bedeutung der Uniform siehe auch Kapitel 4.4. 41 Die Bedeutungsaufladung der SS-Uniform weist insbesondere eine Nähe zu den Bedürfnissen des BDSM (Bondage and Discipline, Dominance and Submission, Sadism and Masochism) auf. 42 Pascal Bonitzer, Serge Toubaina: Entretien avec Michel Foucault. In: Cahiers du Cinéma. Nr. 251/252 (Juli/August 1974), S. 10ff. Zitiert nach: Friedländer, S. 77-78.

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Einheit bestimmt, die nicht nur an Gewalttätigkeit, sondern auch an Schönheit alle anderen übertreffen sollte“.43 Die im vorigen Abschnitt beschriebene Arbeit des Künstlers Piotr Uklanski macht durch das kumulative Moment ebenjene Matrizen von SS-Männern und damit Uniform-Phantasien, wie sie insbesondere in Filmen konstruiert und entworfen werden, sichtbar. Dem Faschismus, genauer den Figurationen, Imaginationen und Phantasmen des Nazistischen, wohnt demzufolge eine sonderbare Attraktivität, eine Art negative Anziehungskraft inne. Stilisiert zur diffusen, fast auratisch-mysteriösen „Metapher für das Böse“ 44, markieren Nazi-Paraphernalia eine obskure Form des extravaganten Horrors und werden zu sexuellen Stimuli. Jene komplexe Verzahnung exploitativer Inszenierungen und nazistischer Symbolik, wie sie insbesondere Filme des Sadiconazista-Genres hervorgebracht und im kollektiven Bildgedächtnis installiert haben, hat sich als besonders fruchtbar erwiesen und wird von zahlreichen anderen Bildprodukten der populären Kultur zitiert. So veröffentlicht beispielsweise die Hip-Hop Band K.I.Z im Jahr 2009 ein Album mit dem Titel Sexismus gegen Rechts, dessen Covergestaltung eindeutige Anklänge an nazistische Ikonografie, genauer an die ästhetische Resonanz, die NS Symboliken im Kontext fetischisierter, sexualisiertpornographischer (Film-)Darstellungen erfahren, aufweist.45 K.I.Z erweisen sich

43 Sontag, Faszinierender Faschismus, S. 120-121. 44 Friedländer, S. 118. 45 Das Cover zeigt eine Frau in Fetisch-Uniform. Zwei kreisrunde Aussparungen auf der Vorderseite ihrer lack-ledernen Korsage lassen den Blick auf ihre entblößten Brüste frei. Sie trägt eine Schirmmütze mit SS-Totenkopf sowie ein Eisernes Kreuz um den Hals und eine prothesenartige Phalloplastik, einen Strap-on, um ihre Hüften. Die vier männlichen Bandmitglieder führt sie an Leinen und in ihrer rechten Hand schwenkt sie eine Fahne, die unmissverständliche Assoziationen zur Deutschen Reichsflagge weckt. Entsprechend des Farbspektrums der Hakenkreuz-Flagge im Nationalsozialismus bildet die hier präsentierte rote Fahne ein schwarzes Symbol auf weißem, kreisförmigem Grund ab. Das Hakenkreuz wird hier indessen durch ein Zeichen substituiert, das sichtlich an das markante Firmenlogo der Deutschen Bank angelehnt ist; ein „Schrägstrich im Quadrat“, der für „Wachstum in einem stabilen Umfeld“ steht. Siehe Deutsche Bank, Group Brand Communications: Markengeschichte. Die Entwicklung des Deutsche Bank Logos, https://www.db.com/de/media/Logo_Geschichte.pdf (zuletzt aufgerufen am 05.04.2013). Jedoch erfährt das Symbol durch einen Drehwinkel um 45 Grad eine totale Neukonnotierung: Das nun auf der Spitze stehende Quadrat erinnert an die piktogrammartige Darstellung einer weiblichen Vulva.

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als Kenner des sexuell aufgeladenen (post-)nazistischen Bilderechos und referieren auf formal-ästhetischer Ebene somit explizit auch auf die filmischen Bilderzeugnisse, die dem Genre Sadiconazista zugeordnet werden können. Dies zeigt das reziproke Verhältnis von popkulturellen Bildern auf und macht deutlich, wie sehr beispielsweise filmische Bildentwürfe das Entstehen weiterer Bilder beeinflussen und bedingen. Abbildung 12: K.I.Z, Sexismus gegen Rechts

3.3 I NTERNETKULTUR Populäre Kultur lässt sich heute nicht mehr ohne das Internet begreifen. Das Web 2.0 als Generator und Kommunikationsfläche bietet eine Plattform für die (Re-)Produktion und Distribution von Bildern und anderen Inhalten, die durch ihre multiple Verbreitung sozusagen zu Pop werden und somit einen wesentlichen Bestandteil der populären Kultur ausmachen. Popkultur unter den Bedingungen des Internets lässt sich am Besten mit dem Phänomen des Mems46 ver-

46 Die Bezeichnung Mem wurde vom Evolutionsbiologen Richard Dawkins geprägt und leitet sich vom griechischen Begriff der Mimesis, also der Nachahmung ab. Dawkins bezeichnet in seinem 1976 erschienenen Buch Das egoistische Gen „kulturelle Informationen, die sich zwischen Menschen durch Nachahmung verbreiten, als Meme“.

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stehen. Meme sind gleichsam die Popkultur des Internets; sie können als eine Art moderne Folklore gelten. Es handelt sich dabei um bestimmte Inhalte (Bilder, Videos, Sprache und Texte sowie bestimmte Gestaltungsformeln usw.), die sich durch die Mechanismen des Web 2.0 viral verbreiten. Sie werden in enormer Dichte und Konzentration produziert und über Blogs, Foren oder soziale Netzwerke weiter tradiert, ergo durch die User selektiert und weiter gereicht und dadurch überhaupt erst hervorgebracht. „Internet-memetische Inhalte [...] verbreiten sich, indem sie ihre Empfänger dazu verleiten, sie in Form eigener Mitteilungen zu kopieren, nachzuahmen oder zu verlinken.“47 Auch Bilder des Nazismus sind zu Memen und damit festen Idiomen der Internet-Popkultur geworden. Hiervon zeugen etwa Blogs wie Fuckyeah Nazis oder National-Socialists With Cats, die auf dem Microblogging-System Tumblr veröffentlicht wurden.48 In Tumblr-Blogs wird typischerweise fremder, sprich sich bereits in den Sphären des Internets befindlicher Content zu einem bestimmten Thema oder in Form einer losen Sammlung – als eine Art Image- oder Moodboard – akkumuliert. In diesem Sinne bietet Tumblr Möglichkeiten einer digitalen kuratorischen Praxis. Allein der Zusatz Fuckyeah im Titel des Blogs kann bereits als eigenständiges Mem gelten, denn in etwa seit 2010 wächst eine unüberschaubare Anzahl an unterschiedlichen Blogs, die Fuckyeah in ihrem Namen tragen.49 Fuckyeah Nazis versammelt überwiegend Abbildungen, die auf verschiedene Art und Weise das Thema Nationalsozialismus verhandeln – darunter historische Schwarz-Weiß-Fotografien oder popkulturelle Derivate und Reformulierungen faschistoider Ästhetik, etwa aus Filmen oder Comics.

(Vgl. Nils Dagsson Moskopp, Christian Heller: Internet-Meme. Köln 2013, S. 8) Diese Idee der Memetik, also der Verbreitung durch Nachahmung, wurde auf Phänomene des Web 2.0 übertragen und die Bezeichnung Internet-Mem dadurch popularisiert. 47 Moskopp/ Heller, S. 14. 48 Fuckyeah Nazis, http://fuckyeahnazis.tumblr.com/, National-Socialists With Cats, http://naziswithcats.tumblr.com/ (beide zuletzt aufgerufen am 12.12.2013). 49 Das Phänomen des „Fuckyeah“-Blogs umfasst verschiedenste (Bild-)Thematiken. Diese reichen von Stars und Celebrities (z.B. Fuck Yeah! Ryan Gosling, http://fuckyeahryangosling.tumblr.com, Fuck Yeah Alexa Chung, http://fuckyeah alexachung.tumblr.com) über Essen und Ernährung (z.B. Fuck Yeah Cute Food, http://fuckyeahcutefood.tumblr.com,

Fuckyeah

Healthy

Eating,

http://fuckyeah

healthyeating.tumblr.com) bis hin zu sehr spezifischen Themen wie Männerbärten (Fuck Yeah Beards, http://fuckyeahbeards.tumblr.com) oder Sommersprossen (Fuck Yeah Freckles, http://fuckyeahfreckles.tumblr.com) (alle zuletzt aufgerufen am 12.12.2013).

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Abbildung 13: National-Socialists With Cats (Blog-Screenshot)

Das Blog National-Socialists With Cats zeigt eine beträchtliche Fülle von Fotografien uniformierter NS-Soldaten, die junge Kätzchen in ihren Händen halten oder auf ihrem Schoß sitzend streicheln. Der Figur der Katze als virulenter Internet-Ikone kommt dabei eine besondere Bedeutung zu: Der Begriff cat content oder Katzen-Content, wie er sich auch in der medialen Berichterstattung über das Phänomen etabliert hat50, zeigt auf, wie stark Katzen zur Internet-Popkultur gehören. Das Netzbild der Katze gehört zu den umfangreichsten und bedeutendsten Memen des Web 2.0.51 Das Blog National-Socialists With Cats ist zum

50 So wird der Begriff beispielsweise gebraucht in: Schnurrt wie Katze. Die neue Bilderflut im Internet, In: De:Bug 162 (05/2012), S. 24 oder: Katja Lüthge: Cat Content. Katzen regieren das Internet. In: Frankfurter Rundschau Online, 03.05.2013, http://www.fr-online.de/panorama/cat-content-katzen-regieren-das-internet,1472782,2 2663678.html (zuletzt aufgerufen am 12.12.2013). 51 Zwei der bekanntesten Beispiele für memetischen Katzen-Content sind zum einen die LOLcats (http://www.lolcats.com) und zum anderen das Video The Original Grumpy Cat (http://www.youtube.com/watch?v=INscMGmhmX4) mit zum gegenwärtigen Zeitpunkt etwa 14 Millionen aufrufen auf der Plattform YouTube. (Beide zuletzt aufgerufen am 12.12.2013) Für die enorme Tragweite des Phänomens sprechen auch die überaus erfolgreiche Vermarktung von Tassen, T-Shirts und anderen Artikeln mit

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einen auf dem Nährboden dieses ubiquitären Katzen-Hypes gewachsen und zum anderen dem Umstand geschuldet, dass die Koketterie mit dem Faschistoiden in der Populärkultur einer Tradition folgt, die das Nazistische als eine Form des negativen Glamours ästhetisiert. „In der Vorstellung der Gegenwart ist der Nazismus eine der bedeutendsten Metaphern geworden: die Metapher für das Böse.“52 Das Böse, allegorisiert durch Bilder des Nationalsozialismus, wird im Pop zu einem dekadenten Spektakel und bietet ein extravagantes BedeutungsSurplus. Im Pop finden also ein Flirt mit einer Ikonografie des Drastischen statt. National-Socialists With Cats profitiert von der kontrastreichen Gegenüberstellung von mit Harmlosigkeit und Niedlichkeit assoziierten Katzenbabys auf der einen und Nazis, als Versinnbildlichung von Unrecht und Schrecken, auf der anderen Seite. Damit ist National-Socialists With Cats ein mustergültiges Beispiel für die von Saul Friedländer herausgestellte Juxtaposition, also das Nebeneinander von Kitsch und Tod, das er als Grund für die beständige Faszination für den Nazismus ausweist. Friedländer sieht den ästhetischen Reiz faschistoider Bilder „ausgelöst durch den Gegensatz zwischen Kitsch-Harmonie und permanenter Beschwörung der Themen Tod und Zerstörung“53. Ebenjener Dissonanz von Lieblichkeit und Grauen bedient sich die Camp-Ästhetik von National-Socialists With Cats beispielhaft. „Wenn etwas weder süß noch schwarz ist, lässt es uns kalt“, schreibt Georges Bataille 54. Die Vereinigung von beiden Kategorien übt folglich eine enorme Anziehungskraft aus. Ein weiteres Beispiel für die Verzahnung von Lieblichkeit und Grauen als ästhetisches Inszenierungs- und Gestaltungsprinzip sind die zahlreichen NaziPonys, die dem Fanuniversum zur Animationsserie My Little Pony entspringen. Auf der Website deviantART, die ihren Nutzern die Möglichkeit bietet Fan-Art, also Fandom-Produkte in Form künstlerischer Werke, zu veröffentlichen, finden sich neben zeichnerischen oder digitalen Arbeiten zu Mangas und Animes, in

Aufdrucken der Grumpy Cat oder anderer Katzen-Meme. So führt beispielsweise der Online-Shop von Urban Outfitters, dessen Zielgruppe insbesondere junge Digital Natives sind, zahlreiche Merchandise-Artikel der Grumpy Cat sowie andere KatzenProdukte. Siehe Urban Outfitters Onlineshop, http://www.urbanoutfitters.com/ urban/catalog/search.jsp?q=Grumpy+cat (zuletzt aufgerufen am 12.12.2013). 52 Friedländer, S. 118. 53 Ebd., S. 26. 54 Georges Bataille: Das Unmögliche. München 1987, S. 86.

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denen Nazis als Bösewichte reproduziert werden, auch eine enorme Anzahl von Ponys mit Hakenkreuz-Armbinde und SS-Uniform-Versatzstücken.55 Abbildung 14: My Nazi Pony

Häufige Internet-Meme sind sogenannte Bild-Makros. „Ein ‚image-macro‘ oder ‚Bild-Makro‘ ist ein Bild mit darübergelegtem Schrifttext, der dem dargestellten Motiv einen zusätzlichen Sinn oder Affekt verleiht.“56 Die Bilder, die hierfür verwendet werden, sind in der Regel jedoch nicht dezidiert für diesen Zweck entstanden, vielmehr handelt es sich dabei meist um bereits bestehende Bilder unterschiedlicher Art, die im Internet in Umlauf gebracht werden und durch eine Kommentierung neu kontextualisiert werden. Die Gestaltung der Bild-Makros folgt dabei immer einer bestimmten Grammatik und Formsprache: Der verwendete Text ist sichtbar nachträglich eingefügt; häufig werden Versalien in schwarz umrahmter, weißer, serifenloser Schrift und großem Schriftgrad gebraucht.

55 Siehe beispielsweise My Little Nazi Pony, http://zeveraar.deviantart.com/art/MyLittle-Nazi-Pony-30341400 sowie My Nazi Pony, http://buruma.deviantart.com/ art/My-Nazi-Pony-30020680 (Beide zuletzt aufgerufen am 16.12.2013). 56 Moskopp/ Heller, S. 73.

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Abbildung 15: BildMakro

Abbildung 16: Grammar-Nazi-Mem

Ein Beispiel für Bild-Makros mit nazistischem Bildprogramm sind die Grammar Nazi57-Meme. Sie zeigen Fotografien von Adolf Hitler oder einer durch Insignien wie SS-Uniform oder Hakenkreuz-Armbinde als Nazi markierten Person; reale historische Persönlichkeiten mischen sich hier mit als Nazi verkleideten Figuren oder Filmstills und Abbildungen von Schauspielern in Nazi-Rollen. Überschrieben werden diese Bilder mit humoristischen Statements, die vehement das Einhalten sprachlicher und grammatikalischer Regeln fordern. 58 Neben dem Phänomen Grammar Nazi sind Bild-Makros, die mit Nazi-Bildern und insbesondere mit dem Konterfei Adolf Hitlers operieren, insgesamt sehr weit verbreitet. Sie versehen beispielsweise eine Fotografie von Wehrmachtssoldaten, die ein Funkgerät bedienen, mit der Aufschrift OMG dudes, Hitler just ‚liked’ my

57 Als Grammar-Nazi gilt umgangssprachlich eine Person, die sich durch das pedantische Einhalten von sprachlichen und grammatikalischen Regeln auszeichnet und den Sprachgebrauch Anderer dahingehend penibel korrigiert. Verwiesen sei hier auf die umgangssprachliche Verwendung des Begriffs „Nazi“ generell, die eine Person als in einer Sache besonders akribisch, engstirnig und dabei gleichsam fanatisch und aggressiv ausweisen soll. 58 So zum Beispiel Don’t mess with grammar nazi, http://www.quickmeme.com/ img/9e/9eec2797aedf24f4b0769f163f60aee3100933bccde98d09e6ee2d148e7019da.jp g, We all knew what you meant, but I must correct you anyway!, http://www. bubblews.com/assets/images/news/684396808_1384582716.jpg oder Nein Nein Nein! The vermin, that make these spelling and grammar errors are inferior and must be punished, http://i.qkme.me/3tohut.jpg (alle zuletzt aufgerufen am 13.12.2013).

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status sowie ein Hitler-Portrait mit dem Titel I’m not saying you are a slut, but you are easier than Poland oder Hitler – Emo haircut before it was cool.59 Video-Meme, die sich vor allem auf Video-Hosting-Plattformen wie YouTube ausbreiten, wirken meist durch Eingriffe in die Bild- und Ton-/ Textkorrespondenz. Eines der bekanntesten Meme dieser Art ist die zahlreiche Verarbeitung der Wutausbruch-Szene von Bruno Ganz als Adolf Hitler im Film Der Untergang. Der Film erschien weltweit in der Regel mit deutscher Tonspur und in Landessprache untertitelt. Die Video-Meme versehen die Szene mit falschen Untertiteln und funktionieren folglich nur für ein nicht-deutschsprachiges Publikum. Durch das Austauschen der Untertitel wird Hitlers Entrüstung in einen neuen Zusammenhang gebracht und auf neue Anlässe umgedeutet – so drückt er etwa den Missmut über einen gelöschten Facebook-Account oder den Auftritt von Miley Cyrus auf den MTV Music Awards 2013 aus.60 Abbildung 17: Hitler Rants About Miley Cyrus (YouTube-Screenshot)

59 OMG dudes, Hitler just liked my status, http://memerial.net/6285-omg-dudes-hitlerjust-liked-my-status, I’m not saying you are a slut, but you are easier than Poland, http://hugelolcdn.com/i700/202689.jpg, Hitler – Emo haircut before it was cool, http://doblelol.com/thumbs/swimming-way-funny_4582679610591368.jpg (alle zuletzt aufgerufen am 13.12.2013). 60 Hitler’s Facebook-Account is deleted, http://www.youtube.com/watch?v=6Ntq3hdWQc, Hitler rants about Miley Cyrus, http://www.youtube.com/watch?v=iYZRsL 6ie4A (beide zuletzt aufgerufen am 16.12.2013).

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Alle genannten Beispiele zeigen auf, dass nazistische Inhalte, wie sie durch Internet-Meme und andere Verbreitungswege im Web 2.0 popularisiert werden, in der Regel einen humoristischen Gehalt vermitteln sollen. Der Humor zielt in den wenigsten Fällen jedoch auf eine bewusste emanzipatorische Dekonstruktion von NS-Bildern und ist überwiegend nicht im Sinne einer dezidiert entmystifizierenden Haltung zu lesen. Vielmehr artikuliert sich ein spielerischer Umgang mit tabuisierten Bildern. Im Web 2.0 dominiert folglich eine oberflächenfixierte Rezeption nazistischer Symbole und Ästhetik. Konstatiert Georg Seeßlen, dass die Frivolität des Pop-Kreislaufes darin besteht, dass Pop sich „nicht in den Dienst des Abgebildeten, sondern in den Dienst des Bildes stellt“61, so trifft dies nachdrücklich auch auf den nazistischen Bilddiskurs im Internet zu. Das Abgebildete wird enthistorisiert, seiner politischen und ideologischen Bedeutung enthoben, ausgehöhlt und auf das jeweilig zu transportierende Bedeutungsmoment – im Falle der Grammar-Nazi-Beispiele als Metapher für Akribie und Rigorosität oder bei National Socialists with Cats als Synonym für das Böse schlechthin – reduziert.

3.4 M ODE Das britische Männer- und Lifestyle Magazin GQ nahm in seiner Märzausgabe des Jahres 1999 Feldmarschall Erwin Rommel in die Liste der bestgekleidetsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts auf. In der Zeitschrift erschien eine Abbildung, die Rommel in Wehrmachtsuniform zeigt und mit der Bildunterschrift „stylish in the face of true adversity“62 versehen ist. Dieses Beispiel verdeutlicht die ungebrochene Strahlkraft, die von der Ästhetik des Nazismus ausgeht und auf das heutige Modeverständnis einwirkt. So findet sich in der Mode ein deutlicher Wiederhall nazistischen Bildprogramms. Das Aufgreifen von nationalsozialistisch assoziierter Kleidung und Militärästhetik wird häufig unter den Begriff Nazi-Chic gefasst: „Nazi-Chic bezeichnet konkret eine Mode, die sich der Klei-

61 Seeßlen, Blut und Glamour, S. 200. 62 Zitiert nach John Arlidge: GQ editor accused of glorifying the Nazis. In: The Guardian Online, 14.02.1999, http://www.theguardian.com/uk/1999/feb/14/johnarlidge.theob server (zuletzt aufgerufen am 27.11.2013).

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dungsschnitte, des Materials und der Paraphernalia der Nazi-Ära bedient.“63 Dies kann sowohl chiffriert und auf subtile Art als auch sehr explizit erfolgen.64 Ein eher codiertes Auftauchen von Nazi-Atavismen findet sich im High Fashion Segment. In den Kollektionen von Modedesignern und -Häusern wie Dior Homme, Raf Simons oder Thom Browne 65 sind Versatzstücke von Uniformen, die an NS-Militärästhetik angelehnt sind, omnipräsent. Hochgeschlossene Hemden mit Schulterklappen, schmal geschnittene Mäntel, Schulterriemen und enge Taillengürtel mit Koppelschlössern zwingen den Körper in eine aufrechte, soldatisch-stramme Haltung und reglementieren somit die gesamte Physis des Trägers. Victoria Beckham, die in ihrer eigenen gleichnamigen Modelinie häufig militärische Schnitte nutzt, zeigt sich 2007 in einer grauen Uniformjacke, die in Farbe und Details, wie dem charakteristischen Revers, Taillengurt, den Patten und Knöpfen, visuell deutlich an den Viertaschenrock der Luftwaffe der Wehrmacht angelehnt ist. Unterstützt wird dieser Eindruck durch eine Schirmmütze, die die NS-Militärästhetik komplettiert.66 Die Marke Hugo by Hugo Boss inszeniert während der Fashion Week in Berlin 2011 ihre Modekollektion, die durch akkurat-strenge Schnitte sowie die für das Label charakteristische Farbtrias Schwarz-Weiß-Rot gekennzeichnet ist und allein dadurch bereits NS-Assoziationen weckt, besonders prägnant: Bedrohlich-elegische Klaviermusik und leise Tippgeräusche einer Schreibmaschine mischen sich im Stakkato zu einem militärischen Marschrhythmus und nähren eine Aura des Elitären, die die

63 Marcus Stiglegger: Nazi-Chic und Nazi-Trash. Faschistische Ästhetik in der populären Kultur. Berlin 2011, S. 48. 64 Das dieser Arbeit zugrunde liegende Verständnis von „Nazi-Chic“ meint modische Phänomene und Tendenzen, die sich gänzlich losgelöst von politischen und ideologischen Implikationen manifestieren. Neonazistische Kleidung, die ideologisch motiviert getragen wird und eine Gesinnung, die an den Nationalsozialismus anknüpft, ausdrücken soll, wird folglich hier nicht näher betrachtet. 65 Siehe Dior Homme, Herbst/Winter Kollektion 2013, http://hypebeast.com/2013/ 1/dior-homme-2013-fall-winter-collection (zuletzt aufgerufen am 27.11.2013), Raf Simons, Herbst/Winter Kollektion 2007, http://www.vogue.co.uk/fashion/autumnwinter-2007/mens/raf-simons (zuletzt aufgerufen am 27.11.2013), Thom Browne, Frühjahr/Sommer

2014,

http://tomandlorenzo.com/2013/07/thom-browne-spring-

2014-menswear-collection/ (zuletzt aufgerufen am 27.11.2013). 66 Victoria Beckham im Viertaschenrock, http://supergigant.blox.pl/resource/posh cruise.jpg (zuletzt aufgerufen am 27.11.2013).

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latent faschistoide Ästhetik der Mode wesentlich mitträgt.67 Zwar wird die Ästhetik hier durchaus kunstvoll und zeitgenössisch übersetzt, jedoch stellt sich das „Gefühl von Unbehagen“, das Friedländer als symptomatisches „Merkmal des neuen Diskurses über den Nazismus“ benennt68, spätestens mit dem Wissen darüber ein, dass der Konzern Hugo Boss Uniformen für SA, SS und Hitlerjugend entworfen und produziert hat. Bei Emporio Armani schließlich ist der Gebrauch von NS-Uniformästhetik nicht mehr ein sublimes Beleihen bestimmter stilistischer Elemente, sondern ein konsequentes Reproduzieren nazistischer vestimentärer Codes. In der Frühjahr/Sommer Kollektion 2011 wird eine Armee männlicher Models mit starrem, kühlem Blick präsentiert, die in komplett schwarzer Uniform gekleidet in geordnetem Hintereinander über den Laufsteg marschiert. Abbildung 18: Emporio Armani, Frühjahr/Sommer 2011

67 Ausschnitte aus der Runway Show von Hugo by Hugo Boss, http://www.you tube.com/watch?v=x-I3ItDynuQ (zuletzt aufgerufen am 27.11.2013). 68 Siehe Friedländer, S. 29.

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Die lederne Montur besteht aus einem Mantel – der schwarze Ledermantel gilt als besonders „impactstarke Visualisierung des Nationalsozialismus“69 – mit silbernen Knöpfen, Schulterklappen und einem Taillengürtel, einem hochgeschlossen Hemd mit Krawatte, schmaler Hose sowie einer Schirmmütze. Schwere schwarze Stiefel sorgen für einen festen Stand und starken Tritt. Somit wirken die Models wie nahezu perfekte Abziehbilder von SS-Männern.70 Uniformen und das Militärische als Referenzpunkt gehören nicht nur zum Repertoire der Designer-Mode, sondern auch zur Kleidung von Jugend- und Subkulturen, die den Parka oder die Camouflage-Hose als Distinktionselemente nutzten. Auch das Spiel mit faschistoiden Zeichen gehörte im Zuge dieser Provokationsästhetik zur vestimentären Inszenierungspraxis zahlreicher subkultureller Stile und Szenen. Durch das Auftauchen nazistischer Symbolik in diesen Bereichen wurden die belasteten Zeichen wieder verfügbar und zu globalen Chiffren, die folglich auch in kommerziellen Kontexten Verwendung finden konnten. Abbildung 19: Topshop-Onlinestore (Screenshot)

69 Thomas Oláh: Ares und das Band der Charis. Militärische Elemente in der Mode. Wien 2008, S. 197. 70 Ebenjene Kollektion von Armani diente als Kostüm der Tänzer in dem Musikvideoclip zu Lady Gagas Alejandro. Dies verweist erneut auf die ästhetische Verzahnung der Bildproduktion verschiedener popkultureller Bereiche – hier die Reziprozität von Mode und Musikkultur – und beweist somit, dass die verschiedenen Bildkulturen stark aufeinander bezogen sind, einander bedingen und hervorbringen. Die Exkurse des vorliegenden Kapitels zur Verbreitung faschistoider Ästhetik in den unterschiedlichen Segmenten der Populärkultur versuchen diesem Umstand Rechnung zu tragen.

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So vertrieb 2012 die britische Bekleidungskette Topshop, die vorwiegend Jugendliche und junge Erwachsene als Zielgruppe anspricht, ein T-Shirt mit SSTotenkopf-Aufdruck sowie dem Schriftzug der Metal-Band Slayer. Es handelt sich dabei jedoch nicht um den Nachdruck eines bestehenden, originären SlayerMotivs, sondern um ein genuines Design der Marke Topshop. Auch das Streetwear-Label Trill Lyfe nutzt sowohl den SS-Totenkopf als auch die gedoppelte Sig-Rune als Motive für Sweatshirts und Basecaps. Was auf den ersten Blick wie das Fabrikat einer Neonazi-Marke anmutet, ist tatsächlich als rein modisches, oberflächenfixiertes Phänomen zu werten, das eher von Unwissenheit als einem politischen oder ideologischen Impetus geleitet ist. Abbildung 20: Trill Lyfe

Abbildung 21: Boy London

Das Logo von BOY London, einem Ende der 1970er Jahre entstandenen Underground-Label, das in etwa seit 2011 auch kommerziell überaus erfolgreich ist, besteht aus einem Adler mit ausgebreiteten Flügeln, der dem NSDAPParteisymbol nachempfunden ist. Der Eichenlaubkranz, auf dem der Parteiadler sitzt und in dem ursprünglich das Hakenkreuz eingefasst ist, verwandelt sich bei der britischen Marke in ein großes O, das von den Buchstaben B und Y flankiert wird. Diese Signatur findet sich bei BOY London als Motiv all ihrer Produkte und wird in markantem Schwarz-Weiß großflächig auf Pullover, Leggings und T-Shirts gedruckt. BOY London ebenso wie Trill Lyfe und das T-Shirt von Topshop zeugen von einer ‚Mainstreamisierung‘ subversiver Bekleidungstaktiken. Die einstmalige semiotische Transformation und Umdeutung von nazistischen Symbolen durch die Kontextverschiebung und Bricolage subkultureller Stile führte zu einer gänzlichen Sinnentleerung der Zeichen, die zu beliebigen, neu besetzbaren Chiffren wurden.

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Zum Stilrepertoire jugendkultureller Moden gehört zentral auch die Gestaltung von Haaren und Frisuren. Auf einen bemerkenswerten Trend machte die New York Times in einem 2011 erschienenen Artikel aufmerksam: das Revival des Hitler Youth Haircut71 – des charakteristischen Hitlerjugend-Haarschnitts72. So wirbt ein amerikanischer Friseursalon auf seinem Blog explizit mit der Fotografie eines Hitlerjungen als Inspiration für den Hitler Youth Haircut, der in selbigem Eintrag als „the hottest mens trend to hit the streets“73 bezeichnet wird. Das Online-Magazin The Atlantic Wire veröffentlichte in seinem Artikel How to Ask for a ‚Hitler Youth Haircut’ gar ‚politisch unbedenkliche‘, alternative Bezeichnungen, um beim Friseur auf unverfänglichere Art den Hitlerjugend-Haarschnitt verlangen zu können.74 Für seine enorme Popularität und Verbreitung sprechen auch der auf der Plattform Tumblr veröffentlichte Blog Hitler Youth Haircut of the Day75 oder das parodistische YouTube-Video Hitler reacts to the Hitler Youth Haircut on Hipsters76.

71 Alex Williams: A Haircut Returns From the 1930s. In: The New York Times Online, 15.11.2011, http://www.nytimes.com/2011/11/17/fashion/a-haircut-returns-from-the1930s.html?_r=0 (zuletzt aufgerufen am 16.05.2013). 72 Der Hitlerjugend-Haarschnitt zeichnet sich durch kurz rasierte Seiten sowie auf dem Oberkopf längeres Deckhaar aus, das häufig mit Pomade nach hintern frisiert wird. Vgl. Ebd. 73 Hazel-Blog,

http://colormehazel.blogspot.de/2011/12/soon-to-hit-mpls-hitler-youth-

hair-cut.html (zuletzt aufgerufen am 16.05.2013). 74 Alexander Abad-Santos: How to Ask for a ‚Hitler-Youth‘-Haircut. In: The Wire Online,

17.11.2011,

http://www.theatlanticwire.com/entertainment/2011/11/how-ask-

hitler-youth-haircut/45095/ (zuletzt aufgerufen am 16.05.2013). 75 Das Tumblr-Blog Hitler Youth Haircut of the Day präsentiert regelmäßig neue Bilder entsprechender

Männerhaarschnitte:

http://hitleryouthhaircutoftheday.tumblr.com/

(zuletzt aufgerufen am 16.05.2013). 76 Das Video persifliert den Trend, indem Ausschnitte des Films Der Untergang mit falschen Untertiteln versehen und dadurch neue Sinnzusammenhänge erzeugt werden. So zeigt dieses Video einen echauffierten Adolf Hitler, der um die Einzigartigkeit seines ‚Markenzeichens‘, des Haarschnittes, bangt: Hitler reacts to the Hitler Youth Haircut on Hipsters, http://www.youtube.com/watch?v=_P05sXvDNOQ (zuletzt aufgerufen am 16.05.2013).

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Abbildung 22: Hazel-Blog (Screenshot)

Obschon die Tatsache, dass der Faconschnitt der Mode der 1930er und 40er Jahre entsprach und auch über die NS-Inszenierungspraxis hinausweisend gefunden werden kann, dafür spricht, dass ebenjene Frisuren nicht ausschließlich zu einem genuin eigenen Stilbild des Nationalsozialismus gehören, so ist die unverkennbar faschistoide Konnotation – gerade dadurch, dass analoge Darstellungen aus dem NS-Ausdrucksrepertoire tief im kollektiven Bildgedächtnis verankert sind – nicht zu bestreiten. Die eindeutige Färbung wird allein durch die gleichzeitige Konvergenz mit anderen, nicht-nazistischen Stilen in keiner Weise verwässert oder gar aufgehoben. Die eindeutige Benennung des Haarschnitts als Hitler Youth Haircut in den genannten Blog- und Videobeispielen weist diese Verknüpfung als untrennbar aus.

3.5 G AME -

UND

F ANKULTUR

Online- bzw. Computer- und Konsolenspiele haben sich in den vergangenen Jahren zu einem bedeutenden Segment populärer Kultur entwickelt. Games sind zu einem Massenphänomen geworden, das andere Unterhaltungsmedien längst eingeholt hat. So sind weltweit die Umsatzzahlen von Computerspielen beispiels-

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weise höher als die Einnahmen durch Kinofilme.77 Dies unterstreicht die zentrale sowohl wirtschaftliche als auch gesellschaftliche Bedeutung dieses Phänomens. Im Hinblick auf das Forschungsfeld Game Studies ergeben sich multiple, sowohl produktions- und rezeptionsästhetische als auch sozialwissenschaftliche Perspektiven: Neben der Ludizität und Narrativität geht es um Fragen der (Inter-)Medialität, der visuellen und auditiven Ästhetik von Darstellung und Design, um die Diffusion bestimmter Bilder und Ästhetiken von Computerspielen in andere Sphären der Populärkultur sowie den Einfluss von Games auf die Identitätskonstruktion der Spielenden.78 Trotz der Vielzahl an Forschungsperspektiven dieses rapide wachsenden und sich stetig weiter ausdifferenzierenden wissenschaftlichen Untersuchungsfeldes sind Analysen, die die vermittelten Geschichtsbilder in Computerspielen fokussieren, bislang unterrepräsentiert. Das erscheint insbesondere in Anbetracht einer enormen Dichte von Games, die an historische Vorbilder angelehnte Spielwelten entwerfen, erstaunlich. Besonders Kriegsspiele sind oft in solche (pseudo-)reale historische Kontexte eingebettet. Der Zweite Weltkrieg wird dabei überproportional häufig als virtuelles Setting genutzt79, so etwa bei Call of Duty, Wolfenstein, Medal of Honor oder Battlefield 1942. Die Internetdatenbank MobyGames verzeichnet seit 1980 bis 2013 insgesamt 759 Computerspiele, die sich in ihrer Spielwelt zentral an historischen Ereignissen des Zweiten Weltkriegs orientieren.80 Damit ist der Zweite Weltkrieg in Games der am häufigsten als historische Vorlage verwendete Krieg und war bei der Evolution der Computerspiele von Beginn an ein zentrales Thema.81 Bislang wurden solche Kriegsspiele in der öffentlichen Debatte hauptsächlich im Bezug auf ihre Gewaltdarstellungen und die daraus resultierenden etwaigen negativen Effekte auf Kinder und Jugendliche diskutiert.82 Angesichts der hohen

77 Siehe Bundeszentrale für politische Bildung: Computerspiele und Krieg, http:// www.bpb.de/gesellschaft/medien/krieg-in-den-medien/130678/computerspiele-undkrieg (zuletzt aufgerufen am 14.02.2014). 78 Vgl. Benjamin Beil: Game Studies. Eine Einführung. Berlin 2013, S. 21 79 Vgl. Steffen Bender: Virtuelles Erinnern. Kriege des 20. Jahrhunderts in Computerspielen. Bielefeld 2012, S. 123. 80 MobyGames: Historical Conflict: World War II, http://www.mobygames.com/gamegroup/historical-conflict-world-war-ii- (zuletzt aufgerufen am 15.02.2014). 81 Vgl. Isabell Koch: Simulanten, Spieler und Strategen. Das Kriegsspiel und der zweite Weltkrieg in Computerspielen. In: Das Archiv. Magazin für Kommunikationsgeschichte. 04/2009, S. 29-35, hier S. 29. 82 Meist werden die medienstrukturellen Besonderheiten von Computerspielen durch ihren hohen Grad an Involvierung und Interaktivität und den dadurch entstehenden Im-

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Popularität von Games wie Medal of Honor oder Call of Duty – letzteres Spiel belegt laut JIM-Studie 2014 den zweiten Platz bei den beliebtesten Games deutscher Jugendlicher83 – erscheint es unumgänglich, diese indessen auch im Hinblick auf ihre Konstruktion von Geschichtsbildern zu untersuchen. Abbildung 23: Wolfenstein – The New Order

Realismus als ästhetische Kategorie spielt bei Games, in denen der Zweite Weltkrieg den Handlungsrahmen bildet, zunächst eine entscheidende Rolle. Games sollen möglichst ‚echt‘ und ‚authentisch‘ wirken. Die Darstellung von nazistischen Symbolen wie SS-Runen und Hakenkreuzen wird für den deutschen Markt aufgrund der Gesetzeslage jedoch meist modifiziert. Diese werden durch andere, entweder dem gleichen historischen Kontext entnommene Zeichen wie das Kruckenkreuz oder Eiserne Kreuz, oder aber durch ‚neutrale‘ Symbole ersetzt. Bemerkenswert ist, dass die Symbolik trotzdem eindeutig codiert bleibt.

mersions-Effekten als problematisch eingestuft. Diese führe, so die Annahme, insbesondere bei Kriegs- und sogenannten ‚Killerspielen‘ zu Abstumpfungseffekten und einer Herabsenkung der Toleranzgrenze gegenüber Gewalt im Realverhalten der Spielenden. Häufig werden im Zuge dieser Debatten Zusammenhänge zu echten Gewalttaten von Jugendlichen hergestellt, so etwa im Fall des Amoklaufes von Winnenden im März 2009. 83 Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) (Hrsg.): JIM-Studie 2014. Jugend, Information, (Multi-)Media. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-jähriger, http://www. mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf14/JIM-Studie_2014.pdf zuletzt aufgerufen am 03.06. 2015).

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Die Zuweisungsmechanismen funktionieren nach wie vor und lassen die Spielenden auch die scheinbar ‚neutralen‘ Zeichen als faschistoid konnotiert empfinden, zumal diese eingebettet bleiben in militärische Bildensembles von Uniformen und Waffen, die den Symbolen zusätzlich ihre nazistische Bedeutung verleihen. Die deutschen Spieleversionen bleiben somit visuell eindeutig an das historische Realvorbild des Nationalsozialismus angelehnt, bilden durch die fiktiven Zusätze jedoch auch eine gewisse Hybridästhetik aus. In den Computerspielen zum Zweiten Weltkrieg wird nahezu ausschließlich die Zeit von 1943-1945 verhandelt. Die Spiele setzen also an einem Wendepunkt an, der zunächst den Höhepunkt der militärischen Dominanz der Wehrmacht darstellt und schließlich die Umkehr der Kampfrichtung mit dem Ziel Deutschland markiert. Die Settings der Spiele orientieren sich geographisch an historischen Kriegsschauplätzen dieser Zeit: Es geht also meist darum, die von der Wehrmacht besetzten Gebiete zurückzuerobern.84 Über den militärischen Konflikt hinaus wird der Nationalsozialismus in seiner politischen, ideologischen und verbrecherischen Dimension in den Games nicht behandelt. Das Nichtvorhandensein jener Elemente zeigt, dass der Nationalsozialismus durch etablierte Freund-Feind-Bilder, bekannte Schauplätze und Schlachten für Computerspiele vornehmlich als Projektionsfläche für sämtliche Spielarten militärischer Auseinandersetzungen dient.85 „Mit ihrer Konzentration auf Kampfhandlungen und militärische Aspekte stellen die Spiele den Zweiten Weltkrieg weitgehend entpolitisiert und ohne Hintergründe, Begleiterscheinungen und Konsequenzen dar.“86 Obgleich die Darstellung des Zweiten Weltkriegs in Computerspielen durch originalgetreue Szenarien darum bemüht ist möglichst real zu wirken, ist diese Illusion von Realität nicht bezogen auf die historische Wirklichkeit, sondern vielmehr auf populär-medial entworfene Bilder dieser Wirklichkeit. Die Spielenden erleben ein scheinbares Abbild der Realität, das in Wahrheit vorgeformt wird von Kriegsfilmen und anderen Imaginationen des Nationalsozialismus. „Sie reagieren auf populäre [...] Artefakte statt auf Fakten. Sie spielen keine KriegsRealität nach, sondern spielen in einem atmosphärischen Kriegs-Feeling.“87 Der Nazismus bzw. die von Nazismus ausgehenden Phantasmen liefern für ebenjenes Feeling lediglich eine visuell-ästhetische Folie.

84 Siehe Bender, S. 127. 85 Ebd., S. 152. 86 Ebd. 87 Maren Lachmund: Stereotype, Artefakte, Kriegs-Feeling. In: Daniel Appel (Hrsg.): Welt-Kriegs-Shooter. Computerspiele als realistische Erinnerungsmedien? Boizenburg 2012, S. 35-40, hier S. 36 [Herv. i.O.].

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LARP und Cosplay sind zwei aktuelle Phänomene der Offline-Spielkultur, die ebenfalls häufig historische Vorbilder zitieren. LARP (Live Action Role Playing) bezeichnet ein Rollenspiel, bei dem die Spieler ihre Spielfigur physisch verkörpern und in Form freier Improvisation innerhalb gewählter Settings als diese agieren. Auch Szenarien des Zweiten Weltkriegs werden in dieser Form des Reenactments nachgespielt; Repliken von Uniformen und die offene Verwendung von Hakenkreuzen und anderer nazistischer Symbolik sollen Realitätsnähe suggerieren. Ähnlich wie bei Computerspielen artikuliert sich in der Wiederherstellung nazistischer Ästhetik solcher Reenactments weniger ein reaktionär-affirmativer Impuls, vielmehr hat sich auch hier das Moment Nationalsozialismus, trotz des Authentizitätsgestus der LARP-Inszenierungen, von seiner historischen Realgestalt emanzipiert und ist – gerade durch seine Omnipräsenz in der populären Bildkultur – zu einer fiktionalisierten Formel geworden, die in LARPs gewissermaßen erfahrbar und erlebbar wird. Abbildung 24: LARP-Spielerin

Abbildung 25: Cosplayer

Cosplay (als Kurzform für costume play) ist ein ursprünglich aus Asien stammendes Verkleidungsspiel, bei dem es darum geht, durch Kostüm und Habitus möglichst originalgetreu und in toto einen Charakter, zum Beispiel aus einem Manga oder Anime, darzustellen. Zur Bildwelt von Cosplay gehört zentral auch nationalsozialistisches Bildprogramm. Im Internet finden sich unzählige Fotografien von Cosplay-Conventions, auf denen Protagonisten in schwarzen SSUniformen zu sehen und mit sämtlichen vestimentären Insignien wie dem Hakenkreuz und Eisernen Kreuz, SS-Totenkopf, Eichenlaub-Kragenspiegel, Är-

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melstreifen usw. ausgestattet sind.88 Für die Nutzung vestimentärer Versatzstücke des Nazismus innerhalb subkultureller Stilpraxen wird häufig angenommen, dass die Dekontextualisierung und Neuordnung der Symbole und Ästhetik dem Zweck einer subversiven Bedeutungsverschiebung geschuldet ist. Jedoch ist eine gezielte semiotische Umdeutung der Zeichen und Bedeutungsträger im Cosplay zunächst unsichtbar. Vielmehr scheinen die Cosplayer um eine möglichst vollständige Kopie und Imitation nationalsozialistischer Ästhetik bemüht zu sein. In Spielarten wie diesen äußert sich nicht der Wunsch nach Provokation und Abgrenzung mittels belasteter Zeichen, sondern eine gänzlich sinnentleerte und gehaltlose Faszination für die nazistische Oberfläche, die zum Spielball einer PopÄsthetik wird. „Im Pop entsteht das Bild eines Faschismus ohne Historizität, eines Faschismus, der sich in der Produktion seines eigenen Bildes erschöpft, Faschismus als reines Pop-Event.“89

3.6 M USIK Die Ubiquität faschistoider Ästhetik in populären Bilduniversen zeigt sich nirgends so deutlich wie in der Musik und ihren tangierenden jugend- und subkulturellen Szenen. In der visuellen Selbstdarstellung von Musikern und Bands, in der Bildästhetik von Albumcovern und Musikvideos erfahren Verweise auf den Nazismus eine nahezu epidemische Ausbreitung. Die im Rahmen dieser Untersuchung einer intensiven Betrachtung unterzogenen Fallbeispiele von Laibach, Rammstein, Lady Gaga, Hurts, K.I.Z und Nicki Minaj bewegen sich mit ihrem

88 Zu bemerken ist hier, dass in Asien und Indien die Verwendung von nazistischer Symbolik und das öffentliche Tragen von Nazi-Uniformen, im Gegensatz etwa zu Deutschland, legal und folglich weitaus weniger tabuisiert ist. So öffnete etwa in der indonesischen Stadt Bandung das Soldatenkaffee, das mit zahlreichen Hitler-Bildern, Hakenkreuzfahnen und anderen NS-Memorabilien ausgestattet ist. Siehe Haaretz: Nazi-themed café reopens in Indonesia. In: Haarez Online, 21.06.2014, http:// www.haaretz.com/jewish-world/jewish-world-news/1.600223 (zuletzt aufgerufen am 21.03.2015). Ähnlich auch das Restaurant Hitler’s Cross in Mumbai. Siehe Anand Giridharadas: In India, a café named Hitler’s Cross. In: The New York Times Online, 24.08.2006,

http://www.nytimes.com/2006/08/24/world/asia/24iht-fuhrer.html?_r=0

(zuletzt aufgerufen am 28.05.2014). 89 Seeßlen, Blut und Glamour, S. 210.

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Gebrauch nazistischen Bildprogramms gleichsam in einer Tradition, die sich in etwa seit Beginn der 1970er Jahre in der Musikkultur abzeichnet .90 Bis in die 1970er Jahre hinein ist die Verwendung von Symbolen und Zeichen des Nationalsozialismus unmissverständlich politisch besetzt; wer ein Sinnbild wie das Hakenkreuz unkommentiert nutzt, setzt damit ein faschistisches Statement. Doch dieses Zuschreibungsverhältnis beginnt in Uneindeutigkeit zu verschwimmen, als Musiker und Bands sowie jugend- und subkulturelle Stile, Szenen und Genres beginnen, sich – zunächst keinesfalls ideologisch-affirmativ, sondern in zitierender und partiell gar dekonstruktivistischer Absicht – der Ästhetik und Symbolwelt, des Bildinventars, vestimentärer Insignien und anderer ästhetischer Repräsentationen des Nationalsozialismus zu bedienen. Im Kontext von Jugend- und Subkulturen, die häufig eng an Musikszenen gekoppelt sind, ist der Gebrauch faschistoider Symbole und Ästhetik weit verbreitet.91 So finden sich beispielsweise im Punk, Metal, in der Gothic-Szene und den tangierenden Subkulturlandschaften zahlreiche Verweise auf nazistisches Bildprogramm. Meist wird die Nutzung nazistischer Versatzstücke als Schockund Provokationsgeste, als Distinktions- und Widerstandssignal gewertet. Für die jugend- und subkulturellen Vergemeinschaftungsformen kann folglich konstatiert werden, dass der Grund für die Verwendung nazistischer Zeichen weniger in einer rechten Weltanschauung zu finden ist, „sondern eher in der vestimentären Technik, die in den 1970er Jahren durch die Punk-Ästhetik populari-

90 Nazi-Insignien als Stilemente subkultureller Vergemeinschaftung tauchten in der Nachkriegszeit zwar bereits in den 1960er Jahren bei Rocker- und Motorradclubs auf, die Wehrmachtshelme sowie nationalsozialistische Orden und Abzeichen in die schwarz-lederne Ikonografie des Motorradkultes integrierten (Vgl. Stiglegger, NaziChic und Nazi-Trash, S. 49). So trägt Peter Fonda in seiner Rolle als Anführer der Motorradbande The Wild Angels im gleichnamigen Film aus dem Jahr 1966 ein Eisernes Kreuz um den Hals sowie eine Gürtelschnalle mit Reichsadler und eingefasstem Hakenkreuz. Der Film, der explizit damit wirbt, dass authentische Mitglieder von Motorradgruppierungen mitspielen, lehnt somit an reale Vorbilder an und adaptiert ihre vestimentären Stilpraxen. Dennoch vollzieht sich erst zu Beginn der 1970er Jahre im Umgang mit faschistoiden Symbolen eine Art Zäsur. Nazistische Symbolik wird erst mit der Punk-Ästhetik endgültig zu ‚zitierfähigem‘ Material. Die bis dahin noch weitestgehend gültige Tabuzone des freien Umgangs mit Zeichen oder Bildern des Nazismus wurde somit in den 1970er Jahren betreten. 91 Offenkundig neonazistische Strömungen sind hier explizit nicht Gegenstand der Untersuchung.

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siert wird, nämlich der Abgrenzung vom bürgerlichen Establishment mittels Präsentation tabuisierter Symbole“92. In der Forschung wird die Stilschöpfung von Jugend- und Subkulturen als eine Art Eklektizismus aufgefasst. Claude Lévi-Strauss’ Begriff der „Bricolage“ 93 beschreibt die Neuordnung und Rekontextualisierung von objekthaften Zeichen und Codes, um neue Bedeutungen zu kommunizieren, und zwar innerhalb eines semantischen Systems, das bereits sedimentierte, den objekthaften Zeichen und Codes anhaftende Bedeutungen enthält.94 Der Bricoleur versetzt das signifikante, objekthafte Zeichen innerhalb dieses Diskurses von festen Bedeutungszuweisungen in eine andere Position, eine andere Gesamtheit von Zeichen, und lässt somit einen neuen Diskurs entstehen; eine andere Botschaft wird vermittelt. John Clarke bemerkt hierzu: „Die Schöpfung kultureller Stile umfasst also eine differenzierende Selektion aus der Matrix des Bestehenden. Es kommt nicht zu einer Schaffung von Objekten und Bedeutungen aus dem Nichts, sondern vielmehr zu einer Transformation und Umgruppierung des Gegebenen in ein Muster, das eine neue Bedeutung vermittelt; einer Übersetzung des Gegebenen in einen neuen Kontext.“95

In diesem Zuge wird auch die Verwendung von nazistisch codierten Objekten und Symbolen in Jugend- und Subkulturen als eklektizistisches Beleihen von Stilelementen verstanden, die durch Verschiebung in einen anderen Sinnzusammenhang mit neuer Substanz aufgeladen werden. Faschistoide Codes werden in der Popkultur somit zu Distinktions- und Provokationselementen, sie werden sinnentleert und als inhaltslose Hülle genutzt, durch die Verschiebung in einen anderen Zusammenhang mit neuer Bedeutung aufgeladen oder in einem Akt der semiotischen Umdeutung subversiv gebrochen. Die Polyvalenz postmoderner Zitierpraxis erschwert die Dechiffrierung visueller Zusammenhänge innerhalb popkultureller Rezeptionen nazistischen Bildprogramms. Durch den Einsatz von, wie sie Baudrillard beschreibt, „schweren Zeichen“96 in der (Pop-)Musik, die

92 Oláh, S. 203. 93 Claude Lévi-Strauss: Das wilde Denken. Frankfurt am Main 1994, S. 29ff. 94 Siehe John Clarke: Stil. In: Ders., Stuart Hall, Dick Hebdige u.a.: Jugendkultur als Widerstand. Milieus, Rituale, Provokationen. Frankfurt am Main 1979, S. 133-157, hier S. 136. 95 Ebd., S. 138. 96 Jean Baudrillard: Der symbolische Tausch und der Tod. Berlin 2005, S. 133.

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sich nicht originär im rechten Spektrum bewegt97 , beginnen eindeutige Zuschreibungslinien an Kontur zu verlieren. Die Symbole und Zeichen lösen sich von ihrem Bezeichneten; sie flottieren gewissermaßen frei und eröffnen einen Spielraum für Ambiguitäten. Das diffuse Spiel mit dem Fascist Groove Thang98 findet sich in der Popund Subkulturgeschichte bei zahlreichen Bands und Musikern wieder. MusikIkonen wie David Bowie oder Iggy Pop irritieren in den 1970er Jahren mit NaziVerweisen. So tritt David Bowie unter seinem Alter Ego The Blond Führer mit Hakenkreuz-Armbinde und mit zum Hitlergruß erhobenem Arm salutierend auf. Eine ikonische Fotografie von Iggy Pop zeigt, wie sich der Musiker nach einem Auftritt von einem in Wehrmachtsuniform gekleideten Mitglied seiner Band The Stooges abführen lässt.99 Nazi-Uniformen und Versatzstücke selbiger als Bühnenkostüme werden bei Brian Jones von den Rolling Stones, dem Led ZeppelinSänger Jimmy Page oder Lemmy Kilmister von Motörhead – letzterer ist überdies für seine Sammlung von Nazi-Paraphernalien bekannt – zu probaten Schockelementen. Die amerikanische Glam-Rock-Gruppe KISS nutzt in ihrem Schriftzug und Bandlogo die gedoppelte Sig-Rune, das Emblem der SS. Kraftwerk arbeiten zwar nicht unmittelbar mit nazistischen Zeichen, jedoch mit ästhetischen Codes, die einer deutschen Tradition zugeordnet werden können. Durch ihren national geprägten Selbstentwurf kultivieren sie ein Image des EwigDeutschen und kokettieren mit Albumtiteln wie Autobahn mit nazistischen Konnotationen. Auch im archaischen und eklektizistischen Bildstil des Black Metal finden sich zahlreiche Bezüge zur nazistischen Symbolwelt.100 So verwendet beispielsweise die norwegische Band Burzum neben Frakturschrift auch natio-

97

Für Popmusik kann zunächst angenommen werden, dass diese nicht genuin mit (neo-)nazistischer Ideologie in Verbindung gebracht werden kann. Siehe Martin Büsser: Wie klingt die Neue Mitte? Rechte und reaktionäre Tendenzen in der Popmusik. Mainz 2001, S. 133. Im Rahmen dieser Arbeit werden Phänomene wie Rechtsrock, also dezidiert aus einer ideologisch-affirmativen Motivation entstandene Musik, folglich ausgeklammert.

98

Die britische Synthie-Pop-Band Heaven 17 veröffentlicht 1981 ein Lied mit dem Titel (We Don’t Need This) Fascist Groove Thang und besingt darin kritisch die steigende Tendenz einer Koketterie mit faschistoider Ästhetik.

99

Siehe Iggy Pop, http://www.astroboter.com/files/media/photos/astroblog/astroblogiggy-pop-nazi.png (zuletzt aufgerufen am 21.08.2015).

100 Siehe Jan Grünwald: Male Spaces. Bildinszenierungen archaischer Männlichkeiten im Black Metal. Frankfurt am Main 2012, S. 65.

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nalsozialistisch usurpierte Runensymbole.101 Das Eiserne Kreuz gehört insbesondere im Hard- und Gothic-Rock zu einem gängigen Symbol des stilbildenden Zeicheninventars, so taucht es auf Albumcovern und als Schmuck bei The Cult oder Shadow Reichenstein auf.102 Jüngere Beispiele wie Marilyn Manson belegen die Fortdauer des Phänomens. Die Kostüme des Musikers, sein an stilisierte SS-Runenzeichen erinnerndes Logo sowie die mit streng parallel angeordneten, schwarz-weiß-roten Fahnen faschistoid durchwirkten Bühnenbilder weisen vielfach nazistisches Formvokabular auf. Wie sehr das Bildprogramm des Nazismus in die Bilduniversen der populären Musik eingedrungen ist, zeigt die thailändische Popband Slur. In ihrem 2010 erschienenen Musikvideo Hitler kulminiert das popkulturelle Spiel mit faschistischer Ästhetik: Die Bandmitglieder zeigen sich hier mit Seitenscheitel und Hitlerbart in SS-ähnlicher Uniform und führen eine Tanzchoreografie zwischen Marschschritten und Hitlergrüßen auf. Abbildung 26: Slur, Hitler (Screenshot)

Bereits dieser flüchtige Abriss zeigt, dass nazistisches Bildprogramm in den Kreislauf popkultureller Bilderverwertung eingeschleust und zu zitierfähigem Material wurde. Das Bildinventar des Nazismus erfährt wie kaum ein anderes im Pop seine Renaissance. Im Folgenden soll die Verwendung faschistoider Codes und Ästhetik in der Musikkultur in Form eines weitestgehend chronologischen Überblicks nachgezeichnet werden. Dabei wird angestrebt, nicht lediglich deskriptiv Beispiele aufzuzählen, sondern auch Aussagen über die Wirkung, Be101 Siehe Burzum Discography, http://www.burzum.org/eng/discography/ (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015). 102 Siehe

The

Cult,

http://www.vinylsurrender.com/Graphics/Photos/The%20Cult/

The%20Cult-VS-ID1-2012-05-25%2011:05:00.jpg/ Shadow Reichenstein, http:// img6.bdbphotos.com/images/orig/n/1/n1drm75rnd41r5dr.jpg?skj2io4l (beide zuletzt aufgerufen am 22.08.2015).

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deutung und Funktion von NS-Verweisen im Verlauf der Popkulturgeschichte zu treffen. Die Aneignung von NS-Symbolik hat ihren Ursprung im Punk und in der Umcodierung des Hakenkreuzes. So zeigt eine Szene aus Julien Temples fiktionaler Dokumentation The Great Rock n Roll Swindle (1980) den Bassisten der PunkBand The Sex Pistols, Sid Vicious, bekleidet mit einem T-Shirt, auf dem ein Hakenkreuz abgebildet ist. Abbildung 27: Sid Vicious

Der Ursprung von Punk als Musikstil ist, so die gängigen Definitionsversuche, im New York der frühen 1970er Jahre zu suchen. Als Bewegung und Jugendkultur etabliert sich Punk, in seiner ästhetischen Ausgestaltung beeinflusst von den Situationisten, allerdings wenig später – Mitte der 1970er Jahre – in Großbritannien. Folgt man der üblichen Lesart weiterhin, so wird Punk als ein kompromissloser Bruch mit dem musikalischen Mainstream seiner Zeit interpretiert. Dem kommerziellen Sound, der zunehmend von gleichermaßen detailverliebten und kunstvollen wie eingängigen und massengeschmackkompatiblen Arrangements geprägt ist, wird eine bewusst rohe und dilettantische Musik simpelster Struktur entgegengesetzt, auf den Illusionismus der konventionellen Liedtexte mit „radikalem Realismus“103 reagiert. Bezeichnet Dick Hebdige Subkulturen im Allge-

103 Vgl. Büsser, Wie klingt die Neue Mitte, S. 20.

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meinen als „Lärm“ und „Missklang“104 , so trifft dies nachdrücklich auf Punk zu. Punk signalisiert „Chaos auf jeder Ebene“105 : Herrschende Bekleidungsnormen werden verworfen und in einer Form der Bricolage ein „empörender Stil“106 konstruiert, der gerade das als abweichend Geltende verwertet. Zerrissenes und Zerfetztes, Kreischendes, Improvisiertes und „das […] Anormale an sich“107 sind stilbildend für Punk. Der Hang zur Provokation und zu „absichtlichen Schändungs- und Entweihungsaktionen“108, die aufsässige Koketterie mit Extremen ist dabei ebenso von stilbildender Bedeutung wie eine „aggressiv-zynische Selbstdenunziation“109, die sich in Posen des Kaputt- und Ausgestoßen-Seins sowie einem rebellischen Habitus und dem Zelebrieren von Verweigerung und Nihilismus artikuliert. Im Zuge dieser Abgrenzungsmechanismen wird sich der denkbar drastischsten symbolischen Verweise bedient. So finden sich in vielen Liedtexten auch nazistische Anspielungen, etwa in Belsen Was A Gas der Sex Pistols oder Blitzkrieg Bop der Ramones. Die Modedesignerin und Punk-Ikone Vivienne Westwood führt zusammen mit Malcom McLaren Mitte der 1970er Jahre in London die Boutique SEX und entwirft ein T-Shirt, auf dem unter anderem eine Swastika abgebildet und mit dem Wort Destroy überschrieben ist. Dass das Hakenkreuz im Punk mit einem unmissverständlich pejorativen Statement versehen wird, bleibt jedoch nicht die Regel. So birgt etwa das einleitend beschriebene Hakenkreuz-Motiv auf dem T-Shirt von Sid Vicious weit mehr Ambivalenzen, da es auf den ersten Blick ohne kritischen Kommentar getragen wird. Der Gebrauch von NS-Relikten – so sehr ihnen auf Symbol- und Sprachebene auch ihr faschistischer Inhalt eingebrannt und eine umwertende Benutzung ausgeschlossen erscheint110 – dient im Punk der reinen Provokation. Das symbo-

104 Dick Hebdige: Die Bedeutung von Stil. In: Diedrich Diederichsen, Dick Hebdige, Olaph-Dante Marx: Schocker. Stile und Moden der Subkultur. Hamburg 1983, S. 8120, hier S. 82. 105 Ebd., S. 105. 106 Ebd., S. 97. 107 Ebd., S. 100. 108 Ebd. 109 Ulf Poschardt: Stripped. Pop und Affirmation bei Kraftwerk, Laibach und Rammstein. In: Die Beute. Nr. 3: Politikbegriffe in der Popkultur. Berlin 1999, S. 54-67, hier S. 58. 110 Vgl. Martin Kersten: Jugendkulturen und NS-Vergangenheit. Der schmale Pfad zwischen Provokation, Spiel, Inszenierung und erneuter Faszination von Punk bis zum Nazi-Rock. In: PopScriptum. Beiträge zur populären Musik Nr. 5: Rechte Musik. Berlin 1995, S. 70-89, hier S. 72-73.

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lische Erbe des Nationalsozialismus wird zu einem „leeren Zeichen des Schocks“ 111 . Somit kann das paradigmatische pretty vacant der Sex Pistols buchstäblich auch für die Sinnentleerung der von ihnen verwandten Zeichen gelten. Im Punk sind zwar rechte Symbolik, damit jedoch keinesfalls rechte Ideologie wiederzufinden, vielmehr vollzieht sich durch die Verschiebung in den Punk-Kontext eine „völlige Entwertung der Zeichen“112. Das Nazi-Motiv wird aus seinem ursprünglichen Artikulationszusammenhang herausgerissen, das ideologisch besetzte Feld damit verlassen und, obschon faschistoide Sinnbilder ihrer inhaltlichen Konnotation nicht entladen werden können, so wird die originäre Intention ihrer Verwendung doch ins Gegenteilige verkehrt. Die Symbole werden „im Wandel, im Verfall, in der Transgression“ 113 genutzt; die Widersprüchlichkeit zwischen Zeichen und Bezeichnetem ist dabei elementar. Das Hakenkreuz kommuniziert in Verbindung mit Punk eine Selbststigmatisierung; es ist „symbolischer Ausdruck der eigenen Zerstörtheit“114. Das Zeichen drückt auf radikale Weise aus, dass jedwede Moral sowie Konformismus weit hinter sich gelassen werden und fügt sich damit in den nihilistischen Stil der Szene ein. Das Hakenkreuz-Symbol wirkt nicht zuletzt deshalb irritierend, weil es von einem Personal genutzt wird, deren autodestruktiver körperlicher Habitus in großem Widerspruch zu der Codierung faschistoider, ergo glatter und makelloser Körperideale steht. Im Punk werden somit performative Brüche produziert. Ähnliche Brüche erzeugt beispielsweise auch die androgyn erscheinende Proto-PunkGruppe New York Dolls – eine Band, deren ausschließlich männliche Mitglieder sich häufig in effeminierten Posen und Frauenkleidern zeigen – indem sie das eigene Androgynitätsprinzip ironisch karikieren und mit hypermaskulinen SSUniformen und Hakenkreuz-Armbinden auftreten. Die New York Dolls, in gleicher Weise wie es im Punk praktiziert wird, tragen damit die vestimentären Nazi-Versatzstücke unter sichtbar umgekehrten Vorzeichen. Obschon der Eindruck entstehen mag, nazistische Symbole wie das Hakenkreuz seien im Punk ihrer politischen Chiffrierung enthoben und dienen nur dem oberflächlichen Spektakel von Drastik und Provokation, ist der Grund ihrer Verwertung doch in hohem Maße politisch motiviert. Ihr Gebrauch entspringt

111 Diedrich Diederichsen: Als die Kinder noch in Ordnung waren. In: Max Annas/ Ralph Christiph (Hrsg.): Neue Soundtracks für den Volksempfänger. Nazirock, Jugendkultur und rechter Mainstream. Berlin 1993, S. 11-28, hier S. 17. 112 Georg Seeßlen: Tanz den Adolf Hitler. Faschismus in der populären Kultur. Berlin 1994, S. 170. 113 Ebd. 114 Poschardt, S. 58.

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dem Bewusstsein, dass faschistoide Strukturen omnipräsent sind; auf eine beschädigte Gesellschaft wird mit ebenjenem Zeichen geantwortet, das diesen Schaden am treffendsten zu benennen vermag. Das Sinnbild des Faschismus wird eingesetzt, um eine bessere, nicht-faschistische Gesellschaft ex negativo zu proklamieren. 115 Indem Punkbands das Hakenkreuz auf eine destruktive und letztlich gegenüber niemand anderen als den Nazis pervertierte und blasphemische Art und Weise gebrauchen, unterminieren und attackieren sie im Kern eine ernsthafte, rückhaltlose Identifizierung mit der Nazi-Ideologie. Obschon Diedrich Diederichsen völlig zu Recht darauf hinweist, dass in den Jahren 1976/77, den Anfängen der Punkbewegung, niemand ihre faschistoiden Anspielungen falsch interpretiert hätte116 – zumal die ironische Ambiguität in ihrem Kontext eindeutig lesbar ist – so ist gleichwohl zu bemerken, dass der frühe Punk eine ambivalente Lesart doch bewusst zulässt. Das Hakenkreuz eröffnet einen komplexen Deutungsspielraum, ist demnach sehr stark mit Bedeutung aufgeladen, allerdings mit einer Bedeutung, die nicht notwendig das sagen will, was sich voreilig in sie hineinlesen lässt.117 Diesem Umstand liegt nicht zuletzt eine strategische Überlegung zugrunde, denn wo offensichtliche ästhetische Zweideutigkeit herrscht, ist die Möglichkeit einer einseitigen, demgemäß auch rein faschistischen Decodierbarkeit und Vereinnahmung, schwer möglich.118 So erscheint es nur folgerichtig, dass der ambige Flirt mit Insignien des ‚Dritten Reichs‘ im Punk zu verschwinden beginnt, als die Grenzen zwischen den politischen Lagern zu verschwimmen drohen und es in Teilen zu einer Annäherung an rechte Gruppierungen kommt.119 Die Praxis, eindeutige Aussagen durch Uneindeutigkeit zu fällen, wird zugunsten unmissverständlicher Statements aufgegeben. So enthält beispielsweise die Single Nazi Punks Fuck Off der Dead Kennedys aus dem Jahr 1981 als Beilage eine Armbinde mit durchgestrichenem Hakenkreuz. Auch bei Bands des New Wave120 und seinem deutschsprachigen Äquivalent der Neuen Deutschen Welle sind Sedimente faschistoider Ästhetik und NSVerweise verbreitet. So trägt Siouxsie Sioux, Sängerin der Gruppe Siouxsie and

115 Vgl. Büsser, Wie klingt die Neue Mitte, S. 22. 116 Diederichsen, Als die Kinder noch in Ordnung waren, S. 18. 117 Vgl. Büsser, Wie klingt die Neue Mitte, S. 23. 118 Vgl. Diederichsen, Als die Kinder noch in Ordnung waren, S. 17. 119 Siehe Kersten, S. 76. 120 Unter dem Begriff New Wave werden zahlreiche Bands und verschiedene musikalische Spielarten zusammengefasst, die seit dem Ende der 1970er Jahre im Zuge der Post-Punk-Bewegung auftraten.

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the Banshees, Ende der 1970er Jahre das Hakenkreuz sowohl auf ihrem T-Shirt als auch auf einer Armbinde. Die Covergestaltung von An Ideal For Living der britischen New Wave-Band Joy Division (ihren Namen entlehnt die Band von angeblichen Lagerbordellen in Auschwitz) bedient sich gleichfalls eines eindeutigen Zitats: Es zeigt das NS-Motiv eines Trommlerjungen in HitlerjugendUniform. Abbildung 28: Joy Division, An Ideal For Living

Auch die optische Aufmachung der Musiker ist an die Kleidung der 1930er und 1940er Jahre angelehnt. Obschon allein die Referenz auf die Mode jener Zeit nicht als genuines Zitat nazistischer Ästhetik zu werten ist, so ist die unverkennbar faschistoide Konnotation, gerade weil entsprechende Darstellungen tief im kollektiven Bildgedächtnis verankert sind, dennoch evident. Nach dem Suizid des Sängers Ian Curtis im Jahr 1980 schließen sich die verbleibenden Mitglieder unter dem Namen New Order zusammen. Die Namensgebung unterstreicht zwar in erster Linie die Neuformation der Band, weist jedoch weiterhin einen Bezug zu Nazi-Rhetorik auf, denn New Order ist die englischsprachige Bezeichnung für die von Adolf Hitler angestrebte ‚Neuordnung Europas‘. Die faschistoiden Anklänge im Auftreten oder in Texten von Musikern der Neuen Deutschen Welle sind mannigfaltig. In Bandnamen wie Die Hitlers,

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Blitzkrieg, Adolf und Eva oder Waffen SS121 artikuliert sich ein provokanter Gebrauch eindeutig belegten Vokabulars. Entsprechend avancieren schwarze Lederkleidung und schwere Stiefel, geeignet um Assoziationen zur Montur der SS-Soldaten zu wecken, zur ästhetischen Grundausstattung zahlreicher Musikgruppen.122 Die Band Freiwillige Selbstkontrolle (F.S.K.) tritt in den 1980er Jahren gar in braunen Uniformen auf. Die Band Breslau bringt dieses optische Erscheinungsbild auch auf Textebene zum Ausdruck; so heißt es in ihrem Lied Held im Traum: „Blondes Haar mit Seitenscheitel und ein klarer, heller Blick, schöne blanke Lederstiefel, die Uniform ist schick.“123 Das Neue Deutsche Welle-Duo Deutsch-Amerikanische Freundschaft (DAF), das mit der ästhetischen Zweideutigkeit sehr exaltiert umgeht – so kann das Akronym DAF in seiner Doppeldeutigkeit auch als Abkürzung für den nationalsozialistischen Verband Deutsche Arbeitsfront gelesen werden – liefert in dem Text zu Alle gegen alle vergleichbare Zeilen: „Unsre Kleidung ist so schwarz. Unsre Stiefel sind so schön. Links den roten Blitz. Rechts den schwarzen Stern.“124 Insbesondere der letzte Teil der Passage reflektiert exemplarisch das Spiel mit Symbolen differenter Provenienz; so gilt der rote Stern als bildsprachliches Synonym für den Kommunismus, während der schwarze Blitz als Anlehnung an die Sig-Rune, die gedoppelt als Emblem der SS diente, zu verstehen ist. DAF greift durch das Vertauschen der Farbadjektive die herrschende symbolische Ordnung an, lässt ein irritierendes, verwirrendes und dysfunktionales Zeichenensemble entstehen und betreibt damit eine Form des Ikonoklasmus. Die Band kreiert eine verkehrt paraphrasierte Zeichenkosmologie, die sich einer eindeutigen Zuordnung entzieht. In dem Titel Der Mussolini werden in einem militärisch-harten Befehlston, begleitet von schnellen, rhythmischen Synthesizer-Klängen, die sich mit einer Geräuschkulisse aus Menschenstimmen und stakkatoartigen Jauchzern zu einem rasanten und hektischen Soundgewirr vermischen125 , folgende Tanzanweisungen erteilt: „Geh in die Knie und klatsch in die Hände, beweg deine Hüften und tanz den Mussolini, dreh dich nach rechts und klatsch in die Hände und mach den Adolf Hitler.“126 Die Band selbst möchte ihren Umgang mit Nazi-Verweisen als

121 Siehe M.O.C. Döpfner, Thomas Garms: Neue Deutsche Welle. Kunst oder Mode? Frankfurt, Berlin, Wien 1984, S. 110 sowie: Wilfried Longerich: „Da Da Da“. Zur Standortbestimmung der Neuen Deutschen Welle. Freiburg 1988, S. 169. 122 Vgl. Kersten, S. 79. 123 Zitiert nach Longerich, S. 169. 124 Zitiert nach Büsser, Wie klingt die Neue Mitte, S. 48. 125 Vgl. Döpfner/ Garms, S. 50-51. 126 Zitiert nach Longerich, S. 171.

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ironisches Spiel mit Tabus verstanden wissen: „In Deutschland ist ein Wort wie Hitler oder Mussolini tabu. […] Wir haben das in einen lächerlichen DiscoZusammenhang gebracht. […] Hitler ist harmlos, wenn man mit ihm spielt. […] Wir nehmen uns einfach die Freiheit mit Dingen zu spielen.“127 Der Gebrauch faschistoider Symbole im New Wave und der Neuen Deutschen Welle ist, folgt man dem vorausgehenden Zitat, dem demonstrativen Übertreten von Tabuschranken geschuldet und zielt auf größtmögliche Schockwirkung ab. Der Faschismus, schon „seit Jahren Nummer eins in den Charts der schweren Zeichen“128 , stellt dabei nur eine leere, austauschbare Hülse dar. Der Nazismus wird zu einem Vehikel für einen imagewirksamen Provokationsakt. „Tabuisierte Zeichen wurden in großem Stil freigesetzt und wieder verfügbar. Man glaubte nun die Souveränität zu besitzen, mit allen Zeichen […] spielerisch und frei umgehen zu können, […] es machte Spaß damit zu provozieren."129 Damit mündet das kokett-süffisante Spiel mit dem Verbotenen freilich auch in eine, wie Diederich Diederichsen feststellt, „semiotische Katastrophe“130, auf deren Gelände „Zeichen und Inhalte […] frei voneinander umherschwirren“131. Katastrophal, da mit dem Einsatz „schwerer Zeichen“ die aufklärerische Absicht nicht mehr ausdrücklich im Vordergrund zu stehen scheint, sondern der trügerischen Freiheit lustvoller Enttabuisierung gewichen ist. Faschistoide Symbole werden nicht explizit im Dienste eines übergeordneten Zieles – außer dem primären Selbstzweck der Provokation und der Schockwirkung – eingesetzt, vielmehr stellt sich ihr Gebrauch gewissermaßen arbiträr dar. Ebenso effektvoll könnten sie durch andere drastische und skandalträchtige Motive ersetzt werden. Die ursprüngliche politisch-historische Bedeutung der verwendeten faschistoiden Sinnbilder erscheint im New Wave und der Neuen Deutschen Welle häufig nur schwach mitreflektiert, eher mutet der originäre Bezug weitgehend verloren gegangen an. Die Verbindung zwischen Signifikat und Signifikant wird durchtrennt, sodass lediglich die inhaltsleere Form, reduziert auf ihre diffuse provokante Wirkung, übrig bleibt. „Es [die Zeit der 1980er Jahre] war auch das Jahrzehnt der Oberfläche: Die Zeichen wurden von ihren Inhalten entkoppelt, ihr Sinngehalt aufgelöst.“132

127 Zitiert nach Ebd., S. 172. 128 Diedrich Diederichsen: Die Auflösung der Welt. Vom Ende und Anfang. In: Diedrich Diederichsen, Dick Hebdige, Olaph-Dante Marx: Schocker. Stile und Moden der Subkultur. Hamburg 1983, S. 165-188, hier S. 167. 129 Kersten, S. 77. 130 Diederichsen, Die Auflösung der Welt, S. 166. 131 Seeßlen, Tanz den Adolf Hitler, S. 174-175. 132 Kersten, S. 77.

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Derart „enthistorisiert“ 133 möchte man den vormals unantastbaren Symbolen nicht mehr mit mahnendem Zeigefinger entgegentreten. „Erhaben über die Ernsthaftigkeit“ hatte derjenige, der „wusste, dass es Spiel war […] einen Vorsprung gegenüber denen, die es ernst nahmen“134 und eben Letztere galt es durch den offenen und scheinbar unbekümmerten Symbolgebrauch zu schockieren. Dieser Pose des New Wave und der Neuen Deutschen Welle liegt keineswegs ein identifikatorischer oder ideologischer Impetus zugrunde. Allerdings büßen die verwendeten Symbole durch ihre Sinnentleerung gleichzeitig auch an semiotischem Potential ein, denn „[…] mit der Entwertung der Zeichen verlor sich auch ihre Fähigkeit zur Subversion“135. Der Entwertungsakt an sich birgt stets die Gefahr der Beliebigkeit. Faschistoide Symbole werden eingeschleust in eine postmoderne Verwertungspraxis des anything goes, die mit allen Bildern gleichermaßen frei umgeht. Eine betont widerständige Attitüde in Verbindung mit dem Gebrauch faschistoider Zeichen, wie sie etwa im Punk vorliegt, ist hier, wenn überhaupt, nur rudimentär zu erkennen. In der Industrial Culture nimmt die strategische, aufklärerisch-verstörende Provokation mit nazistischen Bedeutungsträgern eine besondere Rolle ein. Die Bezeichnung der Musikrichtung Industrial entstammt dem englischen IndependantLabel Industrial Records, das von der wegweisenden Band Throbbing Gristle Mitte der 1970er Jahre gegründet wird. Die Industrial Culture-Szene entspringt dem subkulturellen sowie avantgardistischen künstlerischen Milieu und bewegt sich somit an der Schnittstelle zwischen Subkultur und Kunst.136 Die künstlerischen und musikalischen Strategien der Szene bestehen unter anderem in der Methode des Samplings, der Cut-up Technik sowie der Collage und Improvisation. Kennzeichnend sind überdies eine atypische Instrumentierung, genauer der Einsatz nicht-musikalischer Klangquellen.137 Die Einstürzenden Neubauten verwenden beispielsweise ein charakteristisches Instrumentarium aus Stein- und Metallschrott, Werkzeugen oder Maschinen und lassen dadurch eine dröhnende Klangkulisse aus Alltagsgeräuschen und Industrielärm entstehen. Viele Industrial-Bands, allen voran Throbbing Gristle, experimentieren mit dem unkonventio-

133 Döpfner/ Garms, S. 112. 134 Siehe Kersten, S. 77. 135 Seeßlen, Tanz den Adolf Hitler, S. 170. 136 Vgl. Birgit Richard: Todesbilder. Kunst, Subkultur, Medien. München 1995, S. 137. 137 Vgl. Ebd., S. 137-138 sowie Jochen Kleinhenz: Industrial music for industrial peop le. In: Martin Büsser, Jochen Kleinhenz, Johannes Ullmaier (Hrsg.): Testcard #1: Pop und Destruktion. Beiträge zur Popgeschichte. Mainz 1995, S. 88-99, hier S. 94.

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nellen Gebrauch von Tonbandgeräten, Synthesizern und ungewöhnlichen Effektapparaten und strapazieren durch extreme Frequenzen, Höhen, Bässe und Lautstärken übliche Hörgewohnheiten aufs Äußerste. Die Selbstbeschreibungen von Genesis P-Orridge und Cosey Fanni Tutti „wir sind interessiert an Information, wir sind nicht interessiert an Musik als solcher“138 und „wir wollten die Vorstellungen darüber, was Musik ist, niederreißen“139 reflektieren den radikalen Bruch mit musikalischen Konventionen. In dieses exzessive akustische Bild fügt sich der visuelle Materialpool, aus dem die Industrial Culture schöpft, nahtlos ein. In ihren Performances, Videoprojektionen oder der Gestaltung von Plattencovern spiegeln sich gesellschaftliche Bereiche wider, die ausgeblendet und verdrängt werden und einem Tabu unterliegen. Die dominierenden Themen sind die pervertierten und abnormalen Seiten menschlicher Existenz; von extremer Pornographie, Krankheit und Tod über Krieg, Gewalt und Mord bis hin zum Nationalsozialismus und seinen Verbrechen. Der Einsatz faschistoider Ästhetik zeigt sich beispielhaft in den Songtiteln SS Orgy oder Trying To Please The SS der in BDSM-Fetisch-Kleidung sowie mit Versatzstücken von Nazi-Uniformen und Hakenkreuz-Armbinden auftretenden Band Women of the SS. Weiterhin finden sich entsprechende Verweise bei der Gruppe KFMDM, deren Bandmitglieder während ihrer Performance zu dem Stück Blitzkrieg auf der Bühne marschieren, sowie in dem Titel Swastika Kommando des deutschen Industrial-Projekts Haus Arafna. Den Industrial-Bands sind demnach außerordentlich extreme Musik, Bilder und Performances gemein, die das Publikum „an die Grenzen des physisch und psychisch Erträglichen“140 stoßen lassen. Mit ihrer „Schock- und Antiästhetik“141 radikalisieren sie gewissermaßen die Ideen des Punk. Der Tabubruch ist dabei kein reiner Selbstzweck oder kalkulierte Effekthascherei, sondern kann letztlich im Dienste einer kritischen Auseinandersetzung stehen, wie im Folgenden anhand des Gebrauchs faschistoider Symbole und Ästhetik bei Throbbing Gristle exemplarisch aufgezeigt werden soll.

138 Zitiert nach Florian Sievers: Throbbing Gristle. Katharsis gegen Konventionen. In: Roger Behrens/ Martin Büsser u.a. (Hrsg.): Testcard #16: Extremismus. Beiträge zur Popgeschichte. Mainz 2007, S. 48-53, hier S. 51. 139 Zitiert nach Wildcat: Das ganze Leben ist eine ungeheurer Lärm. Industrial zwischen inhaltsleerer Provokation und musikalischem Experiment. In: Wildcat, Nr. 70 (2004), http://www.wildcat-www.de/wildcat/70/w70industrial.htm (zuletzt aufgerufen am 19.09.2013). 140 Richard, Todesbilder, S. 142. 141 Büsser, Wie klingt die Neue Mitte, S. 33.

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Im Zuge vielschichtiger Schock- und Provokationstaktiken innerhalb der Industrial-Culture Szene, die ebenjenes zu interessieren und zu faszinieren scheint „was die Gesellschaft nicht sehen will“142, bedient sich Throbbing Gristle oftmals auch der Bildwelt und der Ästhetik des Faschismus. Bereits das Bandzeichen – ein stilisierter Blitz, der an die Sig-Rune erinnert – lehnt sich an das Blitzlogo der ultranationalistischen und faschistischen Partei British Union of Fascists der 1930er Jahre an. Das Signet ihres Labels Industrial Records zeigt einen großen Schornstein. Dieses Logo bleibt lange Zeit unbeachtet, bis die Band schließlich selbst aufdeckt, dass es sich bei dem Motiv keinesfalls um eine profane Fabrik handelt, sondern um eine stilisierte Darstellung eines Schornsteins von Auschwitz. Throbbing Gristle enthüllen mit diesem Akt die lediglich scheinbare Neutralität der Abbildung und fechten damit herrschende Bedingungen von Wahrnehmungs- und Informationsstrukturen an143. Die Gruppe selbst stellt bezüglich der Verwendung ihres Logos fest, dass „da draußen noch Hunderte von Nazis vorbeilaufen“, ferner die Menschen „sich sehr bewusst über diesen kleinen Teufel da innendrin“ seien und sich „gar nicht so viel geändert“ habe. Weiter heißt es: „Aber solange sie das unterdrücken, wird er seine Macht behalten. […] Deshalb benutzen wir Auschwitz als unser Logo: als Symbol für die fortgesetzte Dummheit im Verlauf der Geschichte.“144 Durch ihre Grenzüberschreitung zerstören Throbbing Gristle den Verdrängungsmechanismus, der, „wann immer sich eine Gelegenheit, eine politische oder soziale Bühne dafür ergibt, in faschistoiden Handlungen hervorbrechen“ 145 kann. Die unentwegte Thematisierung des Nazismus entspringt dem Bewusstsein, dass die Gesellschaft auf einer Form von Verdrängung aufbaut, „von der es nicht weit bis zur Holocaust-Leugnung ist“146 . Ein Zitat der australischen Band SPK verdeutlicht den aufklärerischen und emanzipatorischen Gestus, der sowohl für Throbbing Gristle als auch weitestgehend die Musiker der Industrial Culture insgesamt gelten

142 Richard, Todesbilder, S. 145. 143 Siehe Annibale Picicci: Industrial zwischen Tradition, Konfrontation und Affirmation linker und rechter Mythologie. In: Roger Behrens, Martin Büsser u.a. (Hrsg.): Testcard #12: Linke Mythen. Beiträge zur Popgeschichte. Mainz 2003, S. 76-79, hier S. 76. 144 zitiert nach: Carla Mureck: „Die Hölle ist da, feiern wir das wärmende Feuer“. Zur Musik der Industrial Culture, Destroyed Music, Krach- und Geräuschmusik. In: Andrea Hoffmann, Kim Riemann (Hrsg.): Partitur der Träume. Über Musik und Klänge. Tübingen 1990, S. 128-149, hier S. 137. 145 Ebd. 146 Büsser, Wie klingt die Neue Mitte, S. 35-36.

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kann: „A lot of what we’re doing is dirt, is filth, and we live in a society that pretends to be exceptionally clean.“147 Industrial fungiert somit als eine Art gesellschaftliche Konfrontationstherapie. Die gewollte Irritation und der Tabubruch werden zwar als Schockstrategie verwendet, sind letztlich jedoch substanziell dem Üben von Kritik geschuldet. Die Popindustrie, als deren Element sich Throbbing Gristle selbst begreifen, gerade um sie mit ihren eigenen Mitteln unterwandern zu können, ist nach Verständnis der Industrial Culture geprägt von der Ausblendung sämtlicher grauenvoller menschlicher Schattenseiten und damit „in ihren Grundzügen totalitär“148. Indem die Industrial Culture gesellschaftliche Abgründe, im Besonderen das größte Verbrechen in der Geschichte aufs Extremste thematisiert, erkennt sie an, dass „die Apokalypse schon stattgefunden hat und deutet auf ihre Weise den Adorno-Ausspruch, nach Auschwitz könne man keine Gedichte mehr schreiben, und sowieso keine rührseligen Rock- und Popschlager über einsame Herzen und Liebesschmerzen“149 . Throbbing Gristles schonungslose Konfrontation und provokante Grenzüberschreitung ist keine inhaltsleere Form, sondern hat stets ein klar definiertes aufklärerisches Ziel. Gleichzeitig ist Provokation als ästhetische Strategie eine endliche Ressource, denn sie erweitert das Feld der Empörung unentwegt und macht sich damit sukzessive selbst unmöglich. Throbbing Gristle reflektiert dies und vermeidet es, den eigenen Radikalismus fortlaufend übertrumpfen zu wollen. Zu ihrem Konzept gehört es auch, die eigene Schockästhetik zu brechen und größtmögliche Kontraste zu erzeugen, indem sie sich beispielsweise nicht ausschließlich in martialischer Militäruniform, sondern auch in biederem Hawaiihemd oder harmlosem Wollpullover zeigen. Das Nebeneinander von Schrecken und Normalität, von Verdrängtem und Vertrautem verdeutlicht die Omnipräsenz faschistoider Botschaften, anstatt sie in die Ecke des Abseitigen, des außerhalb der Mitte der Gesellschaft Stehenden, zu drängen. In ihrer Ikonographie und Symbolsprache vermeiden Throbbing Gristle es nicht nur eindeutige Aussagen zu fällen, sie kultivieren geradezu die Ambiguität ihrer Darbietungen. Die Stärke dieser Herangehensweise besteht darin, dass sie nicht als Antwort, sondern als Frage funktioniert. Durch das Hervorrufen von Ambivalenzen stellt die Band die Themen, die sie scheinbar kommentarlos behandelt, in einen Diskurs und löst beim Publikum einen Prozess der Selbstreflexion aus. Die Desorientierung zwingt dazu, sich selbst innerhalb der verschiedenen Positionen zu verorten.

147 Zitiert nach Vivian Vale, Andrea Juno (Hrsg.): Industrial Culture Handbook. Research Issue # 6/7, San Francisco 1986, S. 99. 148 Büsser, Wie klingt die Neue Mitte, S. 36. 149 Mureck, S. 145-146.

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Wurden im Punk, New Wave und Industrial nazistische Symbole und Ästhetik, so unterschiedlich die Wirkung, Bedeutung und Funktion der Verweise bei den verschiedenen Protagonisten zu bewerten ist, keinesfalls ideologisch-affirmativ genutzt, manifestiert sich in den 1980er und 1990er Jahren ein schleichender pop- und subkultureller Umschlag, in dem die vormals freigesetzten, sinnentleerten Codes erneut vereinnahmt und mit einer (neo-)affirmativen Bedeutung überschreiben wurden. Dies soll am Beispiel Boyd Rice, dem Genre Neofolk als Gesamterscheinung sowie der Band Death in June im Besonderen erläutert werden. Boyd Rice gilt musikalisch als Vertreter des Industrial, weist durch Kollaborationen mit geistesverwandten Musikern des Neofolk jedoch auch starke Verbindungen zu diesem Genre auf.150 Seine Performances kennzeichnet eine stark faschistoide Bühnenästhetik. So tritt er häufig mit schwarzer Uniform und langem Ledermantel bekleidet auf, verwendet für seine Darbietungen eindeutig codierte Insignien wie den SS-Dolch oder den SS-Totenkopf. Den Titel Total War inszeniert Rice besonders prägnant: Uniformierte Musiker trommeln einen simplen, repetitiven Marschrhythmus, während Rice seinem Publikum die Worte Do you want total war? entgegenschmettert. Abbildung 29: Boyd Rice, Total War (Screenshot)

150 Rice gilt als umstrittene Figur, insbesondere aufgrund geäußerter sozialdarwinistischer Statements sowie der Tatsache, dass er sich mit Personen umgibt, die eindeutig dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet werden. Trotz dieser augenfällig nazistischen Positionierung scheint es zu einfach Rice als schlichten Neonazi zu etikettieren. Es bleibt ein unbestimmter Beigeschmack, zwischen den faschistoiden Zeilen verstecke sich doch etwas anderes, eine diffusere und obskurere Form der Aneignung.

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Stellt Martin Büsser fest, dass „alles im Industrial […] selbststilisiert marginal und minoritär [ist], selbst dort noch, wo man sich mimetisch faschistischer Ausdrucksweisen [bedient]“151 , so ist zu beobachten, dass dieser Umstand auf das Schaffen von Boyd Rice nicht zutrifft. Seine faschistoiden Inszenierungen werden weder von einer offenkundigen noch subtilen Ambivalenz begleitet, sondern sind vielmehr durchwirkt von reiner performativer Stärke, Härte, Überlegenheit und Macht. Die fehlenden Brüche sorgen dafür, dass sich sein Umgang mit den ästhetischen Repräsentationen des Nationalsozialismus als ungetrübt affirmativ darstellt. Was der Inszenierung von Boyd Rice fehlt, ist die Kultivierung von Ambiguitäten, die Inszenierung von Brüchen und Widersprüchlichkeiten. Vielmehr arbeitet er geradewegs auf eine Disambiguierung hin, da jegliche Art der ambivalenten Interpretationsart zugunsten der eindeutig faschistoiden Pose sukzessive verunmöglicht wird. Die Musikrichtung Neofolk entsteht etwa Mitte der 1980er Jahre. Sie hat ihre Wurzeln unter anderem in der Dark Wave-Bewegung und gilt somit als Teil der ‚Schwarzen Szene‘. Tatsächlich mutet Neofolk in seiner musikalischen wie ästhetischen Ausgestaltung gewissermaßen folkloristisch im Sinne von ‚völkisch‘ an. Die vorwiegend melodiös-mystischen, sanften und melancholischen Klänge zeichnen sich durch eine hauptsächlich akustische Instrumentierung, etwa Akustikgitarren, Flöten, Streicher oder einfache Rhythmusinstrumente, aus und werden meist von ruhigen Gesangstimmen begleitet. Häufig ist im Zusammenhang mit den wenigen Akkorden und eingängigen Melodien des Neofolk von einer Rückwendung zur musikalischen „Reinheit“152 die Rede, bezieht sich die Musik doch zurück auf die Suche nach archaischen Klängen. Entsprechend wird sich mit dem Hang zum Romantischen und Morbiden eklektizistisch im ästhetischen Fundus von Naturmystik, Symbolismus, Heidentum, Mittelalter, Helden- und Märtyrermythen, nordischen Sagen und Runen bedient. Als Antwort auf die allgemeine Rationalisierung, die „Entzauberung der Welt“153 im Sinne

151 Büsser, Wie klingt die Neue Mitte, S. 42. 152 Siehe Martin Büsser: Lichtrasse und Wälsungenblut. Neurechte Tendenzen im ‚Apocalyptic Folk‘. In: Roger Behrens, Martin Büsser u.a. (Hrsg.): Testcard #4: Retrophänomene in den 90ern. Beiträge zur Popgeschichte. Mainz 1997, S. 78-87, hier S. 79 sowie Hans Wanders: The wonderful and frightening world of… Gothic, Grufts und Industrial – die Schwarze Szene und deren Musik im Überblick. In: Andreas Speit (Hrsg.): Ästhetische Mobilmachung. Dark Wave, Neofolk und Industrial im Spannungsfeld rechter Ideologien. Hamburg/ Münster 2002, S. 23-64, hier S. 34. 153 Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie. Tübingen 1972, S. 308.

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Max Webers, manifestiert sich im Neofolk ein Rekurs auf vergangene Traditionen und eine Hinwendung zu esoterisch Aufgeladenem. „Erträumt wird ein altes Europa, das konturlos mal bei nordischen Göttern [...], mal im Minnelied und mal in Gestalt eines Feldherren gesichtet wird, stets Relikt eines zusammengebrochenen Systems, stets betrachtet aus dem Blickwinkel, der mit dem Ruinösen liebäugelt.“154 Die bruchstückhafte Bricolage des Neofolk tritt „mit schwerer Fraktur“155 und in einem „fatalen Durcheinander“156 zu Tage; all jenes wird zitiert, was den Charakter des Erhabenen, Geheimnisvollen und „nur Eingeweihten Zugänglichen“157 reflektiert. Mit der Faszination für Ursprungsmythen wird sich demzufolge eine entfremdete und verloren geglaubte kulturelle, genauer völkische Identität imaginiert, die offenkundig über einen ausschließenden Mechanismus verfügt. Denn wo sich Zivilisationsflucht, Eskapismus, spirituelle Innenschau und die Hinwendung zu genuin ‚germanischen’ Idealen treffen – auf Plattencovern, Flyern oder in Fanzines dominieren nordische Motive und Bilder von „Elfen- und Nordmannstereotypen“158 – liegt die Konstruktion reaktionärer Vorstellungen von einer „auserwählten ‚Rasse’“159 nicht fern. Neo- und Apokalyptic Folk kreisen um die ‚eigene‘ Kultur, besingen die abendländische Domäne als verloren gegangene Hegemonie, begeben sich auf die Suche nach ‚fernen Ahnen‘ und flüchten damit in einen, wie Martin Büsser beschreibt, „kulturellen Faschismus“160 . Die in der Regel retrospektiven Anleihen bergen stets zumindest die Gefahr eines rückwärtsgewandten, antimodernistischen Gestus – beispielsweise versinnbildlicht in dem Titel Against the Modern World von Sol Invictus. Die romantische Verklärung der Vergangenheit ist damit an sich bereits alles andere als emanzipatorisch und zugleich, gewollt oder ungewollt, „offen für (neu)rechtes Overwriting“161. Neo- und Apocalyptic Folk propagieren dabei keinesfalls eindeutig neofaschistische Inhalte, vielmehr ist die antiaufklärerische Pose der Vertreter des Genres, die stets ein Nimbus des Elitären und Erhabenen

154 Büsser, Lichtrasse und Wälsungenblut, S. 82. 155 Oliver Groß, Claus Weiland: Wir sind hier! Dark Wave als kulturavantgardistische Kameradschaft, http://www.copyriot.com/diskus/3_00/1.htm (zuletzt aufgerufen am 20.09.2013), o.S. 156 Büsser, Lichtrasse und Wälsungenblut, S. 81. 157 Alfred Schobert: Aufstand gegen die Moderne. Dark Wave und Neue Rechte. In: Spex 05/1996, S. 40-43, hier S. 42. 158 Groß/ Weiland, o.S. 159 Büsser, Lichtrasse und Wälsungenblut, S. 80. 160 Ebd., S. 84. 161 Groß/ Weiland, o.S.

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umgibt, viel komplexer und chiffrierter und somit nur subtil faschistoid lesbar. Die Affinität zu faschistoiden Codes ist im Neofolk sehr weitläufig und nimmt damit einen nahezu stilprägenden Charakter an. Bandnamen wie Blood Axis (als ‚Blutachse‘ wird der Pakt zwischen den Achsenmächten Deutschland und Italien während des europäischen Faschismus bezeichnet), Strength Through Joy (benannt nach der nationalsozialistischen Organisation Kraft durch Freude) sowie Song- und Albumtitel mit eindeutigem Vokabulargebrauch, etwa Current 93s Swastikas For Noddy, der Sampler Riefenstahl, auf dem zahlreiche Interpreten des Neo- und Apocalyptic Folk vertreten sind, Der SIEG des Lichtes ist des Lebens HEIL von Der Blutharsch oder Schwarz, Weiss, Rot der Gruppe Von Thronstahl. Die Logos vieler Bands entspringen dem nazistischen Zeicheninventar. Der Blutharsch nutzen, begleitet von ihrem Namenszug in altdeutschen Schriftzeichen, sowohl das Eiserne Kreuz als auch die Sig-Rune als Emblem und Von Thronstahl eine leicht abgewandelte Form der Schwarzen Sonne – ein aus Sig-Runen geformtes Sonnenrad. Entsprechend finden sich in der Gestaltung von Plattencovern oder Plakaten meist kryptisch-düstere Bildmotive, die häufig erst auf den zweiten Blick faschistoiden Gehalt eröffnen. In ihrem Aufsatz L’art du mal skizzieren Jan Raabe und Andreas Speit die nahezu konspirativen Umstände, unter denen Auftritte zahlreicher Vertreter des Neofolk realisiert werden. Besucher sowie Musiker und Bands erscheinen häufig in schwarzen Uniformen, eine elitäre Atmosphäre und ein auserwähltes Ambiente suggerieren Exklusivität. Die visuelle und auditive Performance ist durch Symbole und Figuren einer vermeintlich vormodernen Idylle codiert. In mystisch-martialischem und militärischem Habitus manifestiert sich „die vertonte Botschaft von Kameradschaft und Vaterland, Todessehnsüchten und Erlösungswünschen“ und es scheint für die Dauer des Abends „eine längst verloren geglaubte Vergangenheit zwischen Mittelalter und Nationalsozialismus“162 aufzuerstehen. Insgesamt kann festgehalten werden, dass die ästhetische Inszenierung im Neo- und Apocalyptic Folk sehr einheitlich und harmonisch erscheint, sprich von keinerlei Brüchen durchzogen ist. „Auf eine Dekonstruktion der nationalsozialistischen Motive wartet man vergeblich.“163 Obschon nicht der Eindruck ent-

162 Siehe Jan Raabe, Andreas Speit: L’art du mal. Vom antibürgerlichen Gestus zur faschistoiden Ästhetik. In: Andreas Speit (Hrsg.): Ästhetische Mobilmachung. Dark Wave, Neofolk und Industrial im Spannungsfeld rechter Ideologien. Hamburg/ Münster 2002, S. 65-121, hier S. 65-67. 163 Christian Dornbusch, Andreas Speit: In rosa Watte. In: Jungle World Online,

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stehen sollte, bei der Szene handle es sich um eine konforme neofaschistische Strömung, so lässt die homologe und ambivalenzfreie Art des Symbolgebrauchs vieler ihr zugehörigen Bands eine andere Lesart als die der Identifikation mit den zitierten Inhalten dennoch kaum zu. Death in June gehört zu den bedeutendsten und besonders kontrovers diskutierten Musikgruppen des Neofolk. Bereits ihr Emblem, eine leicht modifizierte Version des SS-Totenkopfs, reflektiert die Nähe zu faschistoiden Codes, die ihr Œuvre auf verschiedenen Ebenen durchzieht. Douglas Pearce, die zentrale Figur von Death in June, möchte das Zeichen von seiner ursprünglichen Bedeutung entkoppelt wissen; für ihn versinnbildliche es lediglich „den totalen Einsatz“ und die Tatsache, „dass sie [die Feinde] nicht toleriert werden“164. Die Negation oder zumindest Relativierung der von ihnen behandelten Inhalte ist Teil des undurchsichtigen Images der Band. Das Symbol der SS-Division Totenkopf ergänzt die Band um die Zahl 6, die meist unterhalb des Logos zu sehen ist. Die Zahl verweist auf den Monat Juni, der sich auch in ihrem Namen wieder findet. Death in June bezieht sich somit auf den Tod des SA-Führers Ernst Röhm, der während der Ereignisse um den so genannten ‚Röhm-Putsch‘ im Juni 1934 auf Befehl Adolf Hitlers ermordet wurde. Die Namensgebung ist also als eine Hommage an Röhm zu verstehen. Das Erscheinungsbild Death in Junes prägt vor allem ihr Auftreten in militärischen Uniformen; vestimentäre Versatzstücke lassen sie „wie perfekte Kopien von SS-Soldaten“165 wirken. So ist Douglas Pearce auf der Bühne stets mit Flecktarn-Uniform bekleidet, die Anleihen an die SS-Tarnuniform aufweist. Auf dem Cover des Albums All Pigs Must Die posiert Pearce in ebenjenem Aufzug, maskiert und ein Stilett, geeignet um Assoziationen an den SS-Dolch zu wecken, in der Hand haltend. Die Covergestaltung der Single-Auskopplung Sun Dogs irritiert ebenfalls durch den Gebrauch von NS-Symbolik; sie zeigt ein aus Hundeköpfen gebildetes, linksdrehendes, Hakenkreuz mit einer mittig platzierten Rose.

03.05.2006, http://jungle-world.com/artikel/2006/18/17405.html (zuletzt aufgerufen am 20.09.2013), o.S. 164 Dornbusch/ Speit, o.S. 165 Christian Dornbusch: Von Landsertrommeln und Lärmorgien. Death in June und Kollaborateure. In: Andreas Speit (Hrsg.): Ästhetische Mobilmachung. Dark Wave, Neofolk und Industrial im Spannungsfeld rechter Ideologien. Hamburg/ Münster 2002, S. 123-159, hier S. 129.

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Abbildung 30: Death in June, All Pigs Must Die

Abbildung 31: Death in June, Sun Dogs

Wie vorausgehend für das Genre Neofolk im Allgemeinen konstatiert wurde, so gilt auch für Death in June, dass sich fernab offensichtlicher neonazistischer Parolen in dem Œuvre der Band faschistoide Inhalte manifestieren. Mit ihrem elitär-rituellen Gestus verklären sie das ‚Dritte Reich‘ zu einem ungebrochenen Mythos – versinnbildlicht in kryptischen Liedtexten wie in Rose Clouds of Holocaust und Runes and Men oder Albumtiteln wie Brown Book. Auf Tonebene nutzt Death in June sehr chiffriert, häufig leise und lediglich im Hintergrund zu hören, nazistisches Soundmaterial, etwa militärische Fanfaren, nebulöse Neuvertonungen des Horst-Wessel-Liedes oder Sprachsamples von Reichsparteitagsreden. Diesem kryptischen und ästhetisierenden Umgang mit faschistoiden Zitaten, wie es Death in June betreibt, inhärent ist eine ungebrochene Faszination für den Faschismus, die keinesfalls auf eine ‚unpolitische‘, rein künstlerische Position beschränkt bleibt, sondern vielmehr einer Identifikation mit den propagierten Inhalten zuarbeitet. Die omnipräsente Verbreitung faschistoider Symbole und Ästhetik im Bereich der Musikkultur ist evident. So mannigfaltig die verschiedenen Genres und ihre einzelnen Vertreter sind, so differierend ist ihr Umgang mit faschistoiden Codes im Hinblick auf die Wirkung, Bedeutung und Funktion, den semiotischen Komplexitätsgrad oder die Lesbarkeit ihrer ästhetischen Inszenierung zu beurteilen. Abschließend sei an dieser Stelle einmal mehr das Zitat Friedländers bemüht: „Der Nazismus ist ein Phänomen der Vergangenheit, aber die Obsession, die er für die gegenwärtige Phantasie besitzt, und das hervortreten eines Diskurses, der nicht aufhört ihn

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nachzugestalten und neu zu interpretieren, stellen uns schließlich auch vor die Grundfrage, wie dieses Starren auf die deutsche Vergangenheit zu bewerten ist.“166

Friedländer eröffnet hierzu ein breites Spektrum an möglichen Erklärungen: „als nostalgische Träumerei, als Gier nach Spektakulärem, als notwendiger Exorzismus [...]? Oder aber, immer noch und schon wieder, als Ausdruck tiefer Ängste und bei manchen auch dumpfer Hoffnungen?“167 Im Wesentlichen gilt auch für die vorausgehend besprochenen Musiker, Bands und subkulturellen Stile, dass ihr Gebrauch faschistoider Zeichen oder entsprechend konnotierter Bildsujets grundlegend zwischen den von Friedländer beschriebenen Motivationen oszilliert. Für Punk ebenso wie für viele Musiker der Industrial Culture, insbesondere Throbbing Gristle, kann konstatiert werden, dass ihr Einsatz von Hakenkreuzen oder anderen Sinnbildern des Nationalsozialismus einem „notwendigen Exorzismus“ im Sinne einer aufklärerischen und emanzipatorischen Auseinandersetzung dient. Hingegen resultiert die Koketterie mit faschistoiden Assoziationen im New Wave, in der Neuen Deutschen Welle und auch bei Musikern wie Marilyn Manson aus einer „Gier nach Spektakulärem“, während das Beleihen archaischer bis nationalsozialistisch codierter Elemente im Neofolk einer antimodernen, „nostalgischen Träumerei“ gleicht. In der Punk-Bewegung wird faschistoide Symbolik, etwa das Hakenkreuz, häufig ohne offensichtlich abwertende Geste gebraucht. Die Lesbarkeit einer pejorativen Implikation erfordert einen gewissen Reflektionsgrad, denn sie erschließt sich lediglich über den performativen Bruch, der zwischen Zeichen und Träger entsteht. Durch die subversive Usurpation im Punk verliert das Symbol des Hakenkreuzes zwar seine ursprünglich nazistische Bedeutung nicht – vielmehr wird das Zeichen gerade deshalb getragen, weil es durch seinen untrennbaren historischen Referenzrahmen „garantiert schockiert“168 – dennoch ist die Motivation seiner Verwendung keineswegs affirmativ, sondern zielt auf eine substanzielle Demontage ab. Die paradigmatische Zerrissenheit des Punkstils spiegelt ein völlig anderes Bild wider, als das eines gesunden, kräftigen und makellosen Körpers, wie er dem nationalsozialistischen Körperideal entsprechen würde. Auf sich selbst angewendet, kommuniziert die Swastika im PunkKontext die eigene Pose des ‚Kaputtseins‘; das Hakenkreuz ist dabei „nur [ein]

166 Friedländer, S. 27. 167 Ebd. 168 Hebdige, S. 108.

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besonders lautes und in [seinem] Lärm lustvolles“169 ästhetisches Merkmal dieses nihilistischen und destruktiven Duktus. Friedländers Beschreibung eines „Exorzismus“ trifft nachdrücklich auf den Einsatz faschistoiden Materials innerhalb der Industrial Culture-Szene zu. Throbbing Gristle konfrontieren ihr Publikum gezielt mit verstörenden Inhalten, die von der Gesellschaft „in einen für die Öffentlichkeit unsichtbaren Bereich abgeschoben werden“170 . Im Zuge ihrer Provokationsstrategie sind auch die Verweise auf den Nationalsozialismus nicht dem Selbstzweck des Schockierens geschuldet, sondern als ein Versuch zu lesen, „die Menschen […] mithilfe verdrängter Informationen wachzurütteln und vor den Kopf zu stoßen“171 . Durch ihre ambivalente Praxis, sprich kalkulierte Grenzüberschreitung, moralische und politische Provokation sowie das Experimentieren mit Ambiguitäten – die indifferente ästhetische Inszenierung der Band lässt weder Affirmation noch Negation unmittelbar erkennen – gelingt es Throbbing Gristle, die Themen, die sie behandeln, tatsächlich in einen Diskurs zu stellen, anstatt die Ikonographie des Drastischen als leeren Effekt auszubeuten. Während beispielsweise der Punkstil aus einem relativ engen semiotischen Spektrum schöpft, liegt im Industrial kein homogener und kongruenter Umgang mit faschistoiden Zitaten vor. So steht der Ansatz von Throbbing Gristle in extremem Gegensatz zum Gebrauch nazistischer Ästhetik des Industrial-Vertreters Boyd Rice, in dessen affirmatives Wirken sich keinerlei Dekonstruktion, sondern vordergründig eine reaktionäre Faszination für das Zitierte interpretieren lässt. Im Neo- und Apocalyptic Folk schließlich manifestiert sich der pop- und subkulturelle Umschlag von aufklärerischer Schockästhetik in antimodernen, esoterisch aufgeladenen Revisionismus. Der Einsatz faschistoider Symbole und Ästhetik, etwa Runen und anderer durch den Nationalsozialismus belegter Zeichen, fügt sich in ein archaisch-retrospektives Gesamtbild des Genres ein, das von nordischen und heidnischen Sagen, mittelalterlichen sowie militärischen Elementen, kulturellem Eskapismus und romantischem Pathos geprägt ist und sich damit zwischen völkischer Identitätssuche und mystischer Verklärung bewegt. Mangelnde Ambivalenz und fehlende performative Brüche innerhalb der sehr harmonischen audiovisuellen Inszenierung sowie der stark ästhetisierende Umgang mit dem Erbe des ‚Dritten Reiches‘, etwa im Fall von Death in June, machen eine andere Lesart als die der Identifikation nur schwer möglich. Neofolk erliegt der idealisierenden Faszination und – im Sinne Saul Friedländers –

169 Diederichsen, Die Auflösung der Welt, S. 168. 170 Richard, Todesbilder, S. 138. 171 Wanders, S. 31.

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der „nostalgischen Träumerei“ für faschistoides Material, die einer subversiven Pose diametral entgegengesetzt sind. Im New Wave und seinem deutschsprachigen Pendant der Neuen Deutschen Welle lässt sich, beispielsweise bei dem Duo Deutsch-Amerikanische Freundschaft (DAF), eine spielerische Koketterie mit tabuisiertem Vokabular, mit nazistischen Symbolen sowie der entsprechenden Ästhetik feststellen. Ihr Einsatz ist dabei als leeres Provokationsvehikel zu verstehen. Trotzig und erhaben über die Ernsthaftigkeit der verwendeten Sinnbilder wird sich in diesem Genre der Lust am Skandalträchtigen hingegeben. Die faschistoiden Bedeutungsträger werden von ihren Inhalten entkoppelt, der Sinngehalt der Zeichen aufgelöst. Mit diesem Akt der semiotischen Entwertung werden die ästhetischen Repräsentationen des Faschismus zwar gewiss unterwandert, eine gezielt widerständige, subversive Infiltration der Symbolik ist jedoch nur rudimentär zu beobachten. Für New Wave und das Äquivalent Neue Deutsche Welle kann folglich Susan Sontags Konstatierung gelten: „Kunst, die an die Themen faschistischer Ästhetik erinnert, ist heute populär, und für die meisten Menschen bedeutet es nicht mehr als eine Variante von camp.“172 Die Bedeutung eines Zeichens hängt entschieden von dem Kontext seiner Verwendung ab. Als entscheidende Merkmale im Spiel mit dem Fascist Groove Thang sind demnach der Komplexitätsgrad und die durch die Präsentation von Widersprüchlichkeiten und Irritationsmomenten erzeugte Ambivalenz und Vielschichtigkeit der Darbietung in ihrer Gesamtheit zu benennen. Um im Zusammenhang mit dem Zitieren faschistoider Symbole und Ästhetik von einer subversiven oder widerständigen Praxis sprechen zu können, ist die immanente Inszenierung von Ambiguitäten, performativen Brüchen oder aber einer gezielten Überidentifizierung oder subversiven Affirmation geradezu obligatorisch, denn erst diese ermöglichen Prozesse der ästhetischen Transformation, Zersetzung oder Dekonstruktion. Eine andere Art des Umgangs mit Sinnbildern und Repräsentationen des Nazismus bewegt sich zwangsläufig zwischen trivialer Koketterie und blinder Faszination. Insgesamt kann festgehalten werden, dass der Einsatz faschistoider Codes in der Musikkultur einem Wunsch nach Provokation geschuldet ist. Gehaltvolle Provokation, die mehrere Interpretationsebenen aufwirft und sich durch grundsätzliche Unvereinnahmbarkeit auszeichnet, ist dabei anders zu beurteilen als inhaltlose und farcenhafte Provokation, die lediglich ihren Selbstzweck verfolgt. Diese ist Form ohne Inhalt; erreicht und verändert damit nichts.

172 Sontag, Faszinierender Faschismus, S. 117.

4. Bildwissenschaftliche Überlegungen und methodischer Zugang

4.1 D IE B EDEUTUNG

DES

B ILDLICHEN – PICTORIAL B ILDBEGRIFF

TURN UND ERWEITERTER

Da die vorliegende Untersuchung des (post-)nazistischen Bilderechos in der populären Kultur nahezu ausschließlich auf der Analyse visueller Quellen basiert, soll im Folgenden näher auf den Begriff des Bildes respektive die für diese Arbeit relevanten wissenschaftlichen Überlegungen, Forschungsansätze und Theorien zur Bildlichkeit eingegangen werden. Dass sich diese Arbeit mit Bildern auseinandersetzt, resultiert über das Forschungsthema und den Untersuchungsgegenstand hinaus zwingend auch aus der zunehmenden Bedeutung, die Bildern als omnipräsenten Kommunikations- und Ausdrucksmitteln zukommt. Die Allgegenwärtigkeit und Verfügbarkeit des Bildes ist – in Anbetracht der Rede von einer neuen „Macht der Bilder“1 oder der von Vilém Flusser beschworenen „Bilderflut“2 – zum Kennzeichen der heutigen Kultur geworden. Insbesondere begünstigt durch die neuen Medien und Technologien, so die gängigen Befunde, ist eine beschleunigte Zirkulation von Bildern zu beobachten.3 „Bilder durchdringen und beherrschen die zeitgenössische Kul-

1

Sigrid Schade, Silke Wenk: Studien zur visuellen Kultur. Einführung in ein transdisziplinäres Forschungsfeld. Bielefeld 2011, S. 7.

2

Vilém Flusser: Medienkultur. Frankfurt am Main 1997, S. 71.

3

Obwohl die technisch-medialen Entwicklungen, insbesondere das Internet, zweifellos zu einer Beschleunigung der Produktion, Reproduktion und Distribution von Informationen im Allgemeinen beitragen, so muss die Annahme, dies gelte insbesondere für bildliche Darstellungen, insofern relativiert werden, als dies in mindestens dem selben Maße etwa auch für Texte zu konstatieren ist. Vgl. Schade/Wenk, S. 37. Im Zuge des-

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tur in einem Maße, dass man von einer visuellen oder visuell geprägten Kultur sprechen kann, die durch die Massenmedien inzwischen globalisiert worden ist.“4 In der häufig formulierten – gleichwohl verkürzten und simplifizierenden – Annahme, „dass visuelle Bilder die Wörter als vorherrschendes Ausdrucksmittel unserer Zeit ersetzt haben“5, wurde die Frage nach dem Status des Bildes im wissenschaftlichen Diskurs neu gestellt. Jene neue Hinwendung zu einer Relevanz des Bildlichen wird von dem Bildtheoretiker W.J.T. Mitchell als pictorial turn6 bezeichnet. In Anlehnung an den linguistic turn7, der auf das Primat der Sprache, ergo die Sprachgebundenheit jeglicher Wissenschaft, verweist, vollzieht sich demzufolge in der Auseinandersetzung mit kulturellen Phänomenen ein erneuter Paradigmenwechsel, der eng mit dem Terminus des pictorial turn verbunden ist. Auf die Diagnose Mitchells nimmt auch Gottfried Boehm Bezug, der wenig später eine „Wiederkehr der Bilder“8 konstatiert und in diesem Zuge von einer „ikonischen Wendung“9 spricht, die sich in der gegenwärtigen Kultur vollzogen hat. Der Begriff des pictorial oder iconic turn behauptet jedoch nicht eine schlichte Ablösung des linguistic turn; er ist nicht als Abwendung von

sen distanzieren sich die Autorinnen von verkürzten Deutungen, die von einer irrtümlichen Hegemonie des Sichtbaren als scheinbar neuem Phänomen unserer Zeit ausgehen. Vgl. Ebd., S. 41. 4

Hans Belting: Vorwort. In: W.J.T. Mitchell: Das Leben der Bilder. Eine Theorie der visuellen Kultur. München 2008, S. 7-10, hier S. 7-8.

5

W.J.T. Mitchell: Das Leben der Bilder. Eine Theorie der visuellen Kultur. München 2008, S. 20.

6

W.J.T. Mitchell: Bildtheorie. Frankfurt am Main 2008, S. 101.

7

Der von Richard Rorty geprägte Begriff des linguistic turn, wie er insbesondere für den Poststrukturalismus und jegliches anti-essentialistische Denken elementar ist, meint eine Abkehr von der Frage nach den Dingen ‚an sich‘ und Hinwendung zur Frage, wie über die Dinge gesprochen wird. In Anlehnung an Michel Foucault wird davon ausgegangen, dass diskursive Praktiken „systematisch die Gegenstände bilden, von denen sie sprechen“ (Vgl. Michel Foucault: Archäologie des Wissens. Frankfurt am Main 1981, S. 74). Folglich kann es keine Dinge oder Ideen geben, die ‚vordiskursiv‘ existieren, denn diese manifestieren und materialisieren sich erst durch Sprache. Sprache ist also stets das, was dem Gegenstand oder dem Subjekt voraus geht beziehungsweise dieses hervorbringt und konstituiert.

8

Gottfried Boehm: Die Wiederkehr der Bilder. In: Ders. (Hrsg.): Was ist ein Bild? München 2006, S.11-38.

9

Ebd., S. 13.

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Sprache und Text zugunsten des Bildes als Leitmedium zu verstehen.10 Intendiert ist keine grundsätzliche methodische Zeitenwende, sondern vielmehr impliziert der pictorial turn als Trope und Redefigur die Forderung, über Bilder sui generis, neu und anders, eben nicht sprachfokussiert nachzudenken, denn „ein Bild ist kein Text, der gelesen werden will“11. Während sich der Informationsgehalt eines Textes linear erschließen lässt, sich der Text also in einem Prozess des Hintereinanders entfaltet, liegen die Informationen auf einem Bild simultan vor; im Bild herrscht demgemäß eine Situation der Gleichzeitigkeit.12 Jene mediensemiotische Trennung zwischen Sukzessivität und Simultanität als wesentliche Strukturmerkmale, die Texte von Bildern unterscheiden, findet sich bereits in Lessings Laokoon.13 Funktionieren Bilder also jenseits der Sprache, so bedeutet dies allerdings nicht, dass sie sich nicht mittels Sprache beschreiben und deuten ließen, was notwendigerweise im Rahmen wissenschaftlicher Arbeit, die auf Sprache angewiesen ist, geschehen muss. Das Bild in Opposition zu Wort und Text zu stellen, erscheint folglich wenig hilfreich. Trotzdem gilt es, die spezifischen Besonderheiten und Eigenarten bildlicher Repräsentation zu berücksichtigen und zu „erläutern, was Bilder sind, wie sie Sinn stiften und Bedeutung erlangen, was sie bewirken“14. Das Bild wird somit als Generator von Wissen sowie – im Sinne poststrukturalistischer Theorie – als ein Medium der Erzeugung von Wirklichkeit anerkannt. Im Gefüge hegemonialer Machtdiskurse produziert die An- beziehungsweise Abwesenheit von Bildern Sichtbarkeiten respektive Unsichtbarkeiten. Bilder fungieren als Präsenzereignis oder zumindest Präsenzversprechen und konstruieren (scheinbare) Wahrheiten. Die Förderung einer visual literacy, also piktoraler Kompetenz und kritischanalytischen Sehens, wurde in einer Gesellschaft, die zwar geprägt ist von Bil-

10 Mitchell selbst klärt diese verbreitete Rezeption des pictorial turn, wie sie in aktuellen Auseinandersetzungen um zeitgenössische Bildkulturen stattfindet, als einen Irrtum auf, indem er schreibt: „Der Fehler besteht darin, ein binäres, bloß auf einen dieser Wendepunkte zentriertes Geschichtsmodell zu konstruieren und eine einzige ‚große Teilung‘ zwischen dem ‚Zeitalter des Lesens‘ [...] und dem ‚Zeitalter der Visualität‘ zu behaupten. Derartige Narrative sind Selbsttäuschung, sie eignen sich bestenfalls für gegenwartsbezogene Polemiken.“ Mitchell, Bildtheorie, S. 331. 11 Ebd., S. 391. 12 Siehe Birgit Richard, Jan Grünwald, Marcus Recht, Nina Metz: Flickernde Jugend – Rauschende Bilder. Netzkulturen im Web 2.0. Frankfurt am Main 2010, S. 41-42. 13 Siehe Gotthold Ephraim Lessing: Laokoon oder die Grenzen der Malerei und Poesie. Stuttgart 2012. 14 Mitchell, Das Leben der Bilder, S. 21.

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dern als kommunikativen Phänomenen mit immenser Wirkmacht und bedeutendem Einflusspotential, bislang gleichwohl primär Kulturtechniken im Umgang mit Sprache vermittelte, vernachlässigt. Ein Mangel, der sich auch in einem defizitär anmutenden Theoriestand zum Bild artikuliert.15 Verbunden ist diese Positionierung häufig mit der Forderung nach einer interdisziplinären Wissenschaft vom Bild. Die aus der Kritik an traditionellen Forschungslinien und dem tradierten Bildverständnis entstehende Notwendigkeit einer allgemeinen Bildwissenschaft16, die über die Kunstgeschichte als traditionelle Bilddisziplin hinaus anwendbar ist, erscheint angesichts der ubiquitären Präsenz bildlicher Repräsentationsformen in der heutigen visuellen Medienkultur unabdingbar. Im Zentrum der Überlegungen stehen zum einen ‚alte‘ Fragen wie die der Ikonologie als „die allgemeine Erforschung von Bildern in sämtlichen Medien“17 und zum anderen ‚neue‘ Ansätze der Visual Culture Studies, die die „kulturelle Bildpraxis und die kulturelle Konstruktion des Visuellen“18 in den Mittelpunkt stellen. Die mit der Diskussion um einen pictorial turn und der Etablierung der Visual Culture Studies herausgestellte Relevanz des Bildes für die wissenschaftliche Durchdringung gesellschaftlicher und kultureller Phänomene führte auch zu einer Öffnung gegenüber alltäglichen Gegenstandsfeldern und zu einer Aufwertung von scheinbar ‚profanen‘ Bildern, wie denen der Populärkultur. Es werden zunehmend Entgrenzungen zwischen den unterschiedlichen Bildwelten vorgenommen, hierarchische Ordnungen zwischen der Hoch- und Alltagskultur, zwischen Kunst- und Medienbildern somit als obsolet ausgewiesen. Die Vielfalt von sich nicht zuletzt durch die veränderten technologischen Möglichkeiten ständig erweiternden Bildphänomenen, die weit über das kunsthistorische, zweidimensionale Tafelbild hinausreichen, macht deutlich, dass der von Mitchell und Boehm so programmatisch gestellten Frage „Was ist ein Bild?“19 notwendigerweise mit einer offenen, differenzierten Perspektive und ei-

15 Vgl. Thomas Schierl: Werbungsforschung. In: Klaus Sachs-Hombach (Hrsg.): Bildwissenschaft. Disziplinen, Themen, Methoden. Frankfurt am Main 2005, S. 309-319, hier S. 309. 16 Für diese Forderung steht insbesondere der Medienwissenschaftler Klaus SachsHombach. Siehe Klaus Sachs-Hombach: Konzeptionelle Rahmenüberlegungen zur interdisziplinären Bildwissenschaft. In: Ders. (Hrsg.): Bildwissenschaft. Disziplinen, Themen, Methoden. Frankfurt am Main 2005, S. 11-20. 17 Mitchell, Das Leben der Bilder, S. 21. 18 Martin Schulz: Ordnungen der Bilder. Eine Einführung in die Bildwissenschaft. München 2009, S. 127. 19 Mitchell, Bildtheorie, S. 15 und Boehm, Was ist ein Bild?

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ner erweiterten Definition von Bildlichkeit zu begegnen ist. So geht auch Martin Schulz nicht etwa von einem statischen Bildbegriff aus, sondern spricht von Bildern als „visuell geformten Gebilden unterschiedlicher Medien und Funktionen“20. Zentral für die so richtungsweisenden Thesen Mitchells ist die begriffliche Unterscheidung zwischen image und picture.21 Diesem liegt die Annahme zugrunde, dass Bilder an verschiedene Trägermedien gebunden sind, die ihnen ihre jeweilige Präsenz verleihen. Während das image als immaterielle, symbolische Form zu verstehen ist, meint picture das materielle Bild. Das image erscheint zunächst nicht sichtbar; es ist vom konkreten wahrnehmbaren Bild enthoben und kann in ein anderes Medium transferiert werden. Mit picture bezeichnet Mitchell die Erscheinung des immateriellen image in einem Trägermedium, ergo ein materielles Artefakt. Pictures sind also physische Materie und damit konkrete Objekte der Repräsentation, welche Bilder in Erscheinung bringen. Das picture als die Materialität, auf oder in der das image sichtbar wird. Hans Belting spricht in seiner Bild-Anthropologie im Anschluss daran von „Medien“, um für die Verkörperung von Bildern einen Begriff zu finden. „Da das Bild keinen Körper hat, braucht es ein Medium, in dem es sich verkörpert.“22 Ein Bild ist also in seinem und durch sein Medium, seinen Träger, ‚anwesend‘. Das Trägermedium gibt dem Bild eine Oberfläche mit einer aktuellen Bedeutung und Wahrnehmungsform.23 Erst die medialen Bedingungen bringen die materiellen Eigenschaften des Bildes hervor. Bilder sind folglich als images zu begreifen, die „ein unabhängiges, eigendynamisches Leben führen, durch viele Zeiträume wandern, in unterschiedlichen [...] Medien auftauchen, verschwinden und wiederkehren“24. So konstatiert auch Belting, dass Bilder Nomaden der Medien seien, die wandern und sich in unterschiedlichen Formen zeigen, sich der Medien wie eines Vehikels bedienen: „Vielleicht lässt sich sagen, dass Bilder Nomaden ähneln, die in den geschichtlichen Kulturen ihren Modus verändert und dabei die aktuellen Medien wie Stationen auf Zeit benutzt haben.“25

20 Schulz, Ordnungen der Bilder, S. 22. 21 Mitchell, Bildtheorie, S. 285. 22 Hans Belting: Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft. München 2011, S. 17. 23 Vgl. Ebd., S. 20. 24 Schulz, Ordnungen der Bilder, S. 128. 25 Belting, Bild-Anthropologie, S. 32.

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Für die folgende Untersuchung erscheint dieses erweiterte Bildverständnis insofern relevant, als primär das Bild an sich – ähnlich der hier aufgeworfenen Definition des image – unabhängig von seinem Körper, seiner Materialität und des Trägermediums, auf oder in dem es jeweils existiert (ob Fotopapier, Videoleinwand oder Bildschirm) betrachtet und in Bezug zu anderen respektive ähnlichen Bildern gebracht werden soll. In dem Bewusstsein, dass das Bild mediale Sprünge vollzieht und zwischen den Medien gewissermaßen flottiert, ist jedoch freilich auch eine Berücksichtigung der jeweiligen Bildmedien, mit denen die Bilder erzeugt werden, wichtig und damit auch die Bedingungen der Sichtbarmachung und Materialwerdung von Bildern von Interesse. In diesem Sinne rekurriert die vorliegende Arbeit auf einen Bildbegriff, der a) ein erweiterter ist und Bilder unterschiedlicher Provenienz miteinzuschließen vermag (Kunst und sogenannte Hochkultur ebenso wie Populär- und Alltagskultur), sich also gegenüber alltäglichen und populären medialen Bilduniversen öffnet und sogar dezidiert diesen verschreibt und b) das Bild unabhängig davon betrachtet, in welchem Medium es auftaucht (ob unbewegte Fotografie oder bewegtes Video usw.) und in Bezug zu anderen Bildern unterschiedlicher Bildmedien setzt, ergo die Mediensprünge, die Bilder vollziehen, berücksichtigt, da es c) die Beziehungen und Vernetzungen von Bildern untereinander, das Weiterleben von Bildern in anderen medialen Kontexten – hier explizit die Fortsetzung nazistischen Bildprogramms in den Bildern der populären Kultur – zu examinieren sucht. Ebenjener Fokus auf Bildrelationen soll im Folgenden mit Bezug auf Aby Warburgs Idee des Bilderatlas und die von Birgit Richard beschriebene Figur des shifting image näher erläutert werden.

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4.2 B ILDKOMPLEXE

UND

B ILDRELATIONEN

4.2.1 Aby Warburg – Das Nachleben der Bilder „Wagen wir immerhin folgende These: Der geschichtliche Diskurs wird nie ‚geboren‘. Er beginnt immer wieder aufs neue. Und immer wieder beginnt auch die sogenannte Kunstgeschichte aufs neue. Und zwar, wie es scheint, immer dann, wenn der Eindruck entsteht, ihr Gegenstand sei tot – und erlebe gleichsam seine Wiedergeburt.“ GEORGES DIDI-HUBERMAN

26

Ein Unternehmen, das – wie es sich diese Arbeit zum Ziel gemacht hat – das „Nachleben der Bilder“27, die Fortdauer von ‚vergangenen‘ Bildern in neuen bildproduzierenden Kontexten untersuchen möchte, muss notwendigerweise an die Forschung Aby Warburgs anschließen. Der Bilderatlas Mnemosyne war das letzte, unvollendet gebliebene Projekt, an dem der Kulturwissenschaftler Aby Warburg seit 1924 bis zu seinem Tod wenige Jahre später arbeitete. Der Bilderatlas ist ein komplexes Gebilde, das die visuellen Bezugspunkte eines kulturellen Gedächtnisses darbieten und öffnen, ebenjenes Nachleben von und in Bildern visualisieren sollte. In der wissenschaftlichen Rezeption ist der Mnemosyne-Atlas eng verbunden mit den Begriffen des Bildgedächtnisses und des Archivs. Auf Holztafeln, die mit schwarzem Leinen überzogen waren, heftete und ordnete Warburg Fotografien von Bildern, Reproduktionsfotos aus Büchern, Bildmaterialien aus Zeitungen oder dem Alltag so an, dass sie einen oder mehrere thematische Bereiche veranschaulichten.28 Die Tafeln stellen somit eine genuin bildliche Sammlung dar, eine thematisch strukturierte, relationale Bilddatenbank. Fotografien der so entstandenen Bildensembles, die sich durch häufiges Umgruppieren und Neuordnen ständig in Veränderung befanden, sollten die Seiten des Warburg’schen Atlas bilden.

26 Georges Didi-Huberman: Das Nachleben der Bilder. Berlin 2010, S. 11. 27 In seiner Studie mit Bezug auf Aby Warburg, der das Motiv des „Nachlebens“ als erster zum zentralen Gegenstand seiner anthropologischen Forschung machte, widmet sich Georges Didi-Huberman ausführlich dem „Nachleben der Bilder“. 28 Siehe Aby Warburg: Gesammelte Schriften. Band II, 1: Der Bilderatlas Mnemosyne. Martin Warnke (Hrsg.). Berlin 2008, S. VII.

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Warburgs Ziel war es, mit seinen Bildtafeln das Nachleben der Antike in der europäischen Neuzeit zu veranschaulichen. Seiner Auffassung nach bildete sich bereits in der Antike ein Bildinventar bestimmter Ausdrucksformen, sprich formelhafter Darstellungen von Gefühlen und Leidenschaften – er nennt sie „Pathosformeln“ – aus, die in die abendländische Kultur aufgenommen und von dieser fortgeschrieben, wiederholt und umgeformt wurden, sodass diese bis in die Gegenwart hineinreichen und auch in Bildprodukten der Neuzeit wiedergefunden werden können. Warburg misst diesen Formeln und Schlüsselmotiven eine Gültigkeit sowohl in der sogenannten Hochkultur als auch in den ‚niederen‘ Künsten, in den populären und alltäglichen Medien zu.29 Er ging diachron und transdisziplinär vor, durchkreuzte in seiner Arbeit unterschiedliche Medien, überschritt damit die Kategorien des Kunst-Bildes und reklamierte für sich, „ein Bildhistoriker, kein Kunsthistoriker“30 zu sein. Somit steht auch Aby Warburg für ein erweitertes Verständnis vom Bild, das seinen Gegenstandsbereich offen hält. Folgerichtig sind seine Atlastafeln mit Bildern unterschiedlichster Art bestückt; es finden sich Abbildungen von Gemälden, Fresken, Grafiken und Plastiken verschiedener Epochen neben dokumentarischen Fotografien, Zeitungsausschnitten, Briefmarken oder Abbildungen von Münzen. Warburg erschafft mit seinen Tableaus Ensembles von Bildern, die er in Beziehung zueinander setzt. Sie folgen einem System von Ähnlichkeiten unterschiedlicher Ebenen; die Anordnungslogik kann auf die Vergleichbarkeit von Formen, Motiven oder Gesten und Gebärden basieren. Zeitgenössisch übersetzen ließe sich seine Arbeitsweise mit dem Begriff des visuellen Clusterns. Jedoch würde eine Beschreibung dieser Cluster als lediglich durch optische Analogien geleitet zu kurz greifen. Häufig sind die Beziehungen zwischen den Bildern nach ikonografischen Gesichtspunkten nicht sofort evident. Vielmehr erscheint der Begriff der Bildverwandtschaft für eine Charakterisierung der Ensembles treffender. Warburg macht in seiner Arbeit Formverwandtschaften und Bildkorrespondenzen deutlich. Worum es ihm geht, ist die Ableitung von Bildprogrammen, die Dechiffrierung und Rekonstruktion von Überlieferungswegen bestimmter Formeln, Zeichen und Codes durch Zeiten und Kulturen hindurch. „Unter dem Topos der ‚Wanderung‘ versuchte Warburg die Wiederaufnahme und Umformung von Symbolen durch die Kulturgeschichte bis zu ihren Ursprüngen zurückzuverfolgen und genealogisch

29 Vgl. Sabine Flach, Inge Münz-Koenen, Marianne Streisand: Einleitung. In: Dies. (Hrsg.): Der Bilderatlas im Wechsel der Künste und Medien. München 2005, S. 7-17, hier S. 8. 30 Siehe Thomas Hensel: Wie aus der Kunstgeschichte eine Bildwissenschaft wurde. Aby Warburgs Graphien. Berlin 2011, S. 12.

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[...] darzustellen.“31 Warburg untersucht somit in einem gleichsam archäologischen Prozess die Mobilität und den Transfer von Bildern durch verschiedene Medien und Zeiten, die – zum Teil unterschwellige – Zirkulation und das Weiterleben von Bildmotiven im kollektiven sozialen Gedächtnis. Bestimmte Bildvorstellungen überdauern Zeiten, werden in Form anderer Bilder weiter tradiert, unterliegen dabei manchen Umdeutungen und Umwandlungen, um später in ganz anderen Zusammenhängen wieder aufzutauchen. Folglich lebt auch die Arbeit am Mnemosyne-Atlas von der Flexibilität der Bildensembles, die Warburg stets neu zusammenstellte, ordnete und gruppierte. Warburg machte das Bild zu einem dynamischen Element. „In diesem Sinne ist der unvollendet hinterlassene Atlas Mnemosyne mit seinen tausend Fotografien kein unbewegliches Bilderrepertoire, sondern eine Repräsentation [...] in virtueller Bewegung.“32 Giorgio Agamben beschreibt hier den Wesenskern des Warburg’schen Bilderdenkens, denn er begreift Bilder in dynamischer Bewegung, denkt in Bildzusammenhängen und Bildgeflechten. Zwangsläufig oszilliert auch die Struktur der Bildtableaus zwischen chaotisch und geordnet, kompakt und zerstreut. „Die Bilder scheinen gleichzeitig in mehrere Richtungen zu streben und wie Feuerwerksraketen auseinanderzustieben. [...] So erscheint dann der Mnemosyne-Atlas weniger als eine bereits bestehende Interpretation der Übertragung von Bildern denn als eine visuelle Matrix zur Vervielfältigung der Interpretationsmöglichkeiten. Der große Vorzug des Atlas liegt zunächst in seinem rhythmischen Charakter. [...] [E]in Rhythmus aus Überraschendem und Wiederkehrendem, Hervorspringendem und Prägnantem, Nachlebendem und Wiedergängerischem, das im Verhältnis jedes einzelnen Bildes zu allen übrigen sichtbar wird.“33

Was in diesem Zitat von Georges Didi-Hubermann überdies deutlich wird, ist die Notwendigkeit einer Akkumulation von Bildern, denn erst das Verhältnis des Bildes zu seinen Bildnachbarschaften ermöglicht es, das „Leben der Bilder“ im Sinne Mitchells zu erfassen. Das Betrachten von Bildern in Relationen, wie es integrales Moment der Arbeit Warburgs ist, erscheint unabdingbar, um das

31 Sigrid Weigel: Die Kunst des Gedächtnisses – Das Gedächtnis der Kunst. Zwischen Archiv und Bilderatlas, zwischen Alphabetisierung und Spur. In: Sabine Flach, Inge Münz-Koenen, Marianne Streisand (Hrsg.): Der Bilderatlas im Wechsel der Künste und Medien. München 2005, S. 99-119, hier S. 113. 32 Giorgio Agamben: Noten zur Geste. In: Ders.: Mittel ohne Zweck. Noten zur Politik. Berlin 2001, S. 53-62, hier S. 57. 33 Didi-Huberman, Das Nachleben der Bilder, S. 512 [Herv. i.O.].

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Nachleben und Überleben von Bildern, ihren Widerhall und ihre Fortdauer überhaupt untersuchen zu können. Obwohl Warburgs Ansatz – beispielsweise neben Erwin Panofskys weitaus klarer und systematischer erscheinendem und damit Sicherheit versprechendem Analysemodell – eine gewisse Beweglichkeit und, da ein endgültiger Zustand nicht erreicht werden kann, Mut zur Unabgeschlossenheit abverlangt, mehr noch sich gegenüber starrer Methodik ein Stück weit verweigert, liegt in diesem Moment gerade die Qualität der Herangehensweise begründet, denn diese geht radikal vom Bild aus und erscheint als einzig gangbarer Weg, um sich dem Thema des Bilderechos angemessen zu nähern. Warburgs Bilderatlas Mnemosyne und damit seine Analyse des Nachlebens der Bilder ist für die vorliegende Untersuchung, die ebenjene Idee des Nachlebens auf nazistisches Bildprogramm im Feld der populären Kultur übertragen möchte, essenziell. 4.2.2 shifting image Mit der Figur des shifting image fordert auch Birgit Richard eine Erweiterung der Begriffsdefinition vom Bild und die Konzentration auf die Betrachtung von Relationen von Bildern, sprich die Erweiterung um ein Denken in Bildgeflechten und Bilderordnungen.34 Dieses Konzept trägt dem Umstand Rechnung, dass das Bild nicht als feste Entität zu begreifen ist, sondern vielmehr als ein immer neue Bedeutungen, Vernetzungen und Verflechtungen entwerfendes und wanderndes shifting image, das nicht an einem Platz verharrt, „sondern ständig neu in Beziehung zu anderen Bildern gesetzt wird. Es heißt auch deshalb ‚shifting image’, weil es sich zwischen verschiedenen medialen Bildsystemen wie TV, Film, Printmedium und Internet bewegt.“35 So formieren sich Bilder als konnektive Knotenpunkte zu metastatischen Bildkomplexen, die durch eine rhizomatische, nicht-lineare und nichthierarchische Struktur gekennzeichnet sind. 36 Aus diesen Verbindungen und Verschiebungen von Bildern zwischen verschiedenen Bildsystemen resultiert bei ihrer Betrachtung und Analyse die Notwendigkeit eines Prozesses der Akkumulation von Bildern. Das shifting image wird also in Clustern und Nachbarschaften beobachtet, mit dem Wissen, dass sich vom Bild aus immer wieder neue

34 Vgl. Richard u.a., Flickernde Jugend, S. 40-41. 35 Ebd. 36 Vgl. Ebd. und Birgit Richard: 9-11. World Trade Center Image Complex + „shifting image“. In: Kunstforum International: Das Magische. Bd. 164/2003, S. 36-73, hier S. 41.

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Bilduniversen eröffnen. Unter Berücksichtigung der verschiedenen Bildsysteme wird das Bild in Richards relationaler Analysemethode in eine experimentelle Bildnachbarschaft gebracht, die es ermöglicht, das Bild als das was es ist, als shifting image, zu betrachten. Das relationale Analyseverfahren geht von der herausragenden Bedeutung von „Schlüsselbildern“ als „mit starker ästhetischer Ausstrahlung ausgestattete Einzelbilder“ 37 aus. Diese Schlüsselbilder beziehungsweise „[i]hre epidemische Struktur bedingt ihre Ausbreitung, sie führt zur ‚Ansteckung‘ und Bildung neuer Bildcluster bzw. -nachbarschaften“38. Das Einzelbild sei dabei zunächst einmal in seiner singulären Erscheinung zu analysieren, um es dann im nächsten Schritt in Relation zu vorangegangenen, schon gesehenen Bildern zu setzen und die Konstitution von neuen Bildclustern zu beobachten.39 „Die visuellen Relationen zwischen Bildern unterschiedlichster gesellschaftlicher Systeme, die die Bilder erst zu sozialen Bedeutungsträgern und Generatoren von Wissen werden lassen“40, stehen folglich im Mittelpunkt des Interesses. In dem Bewusstsein einer in Machtdiskursen eingebetteten „Politik der Sichtbarkeit“ ist es Ziel der relationalen Analysemethode, Bildnachbarschaften, Verschiebungen, Verknüpfungen und Vernetzungen, Bildverdichtungen und -dominanzen zu beobachten und entschlüsseln, um mögliche Wirkungszusammenhänge freizulegen. Eine Zielsetzung der wissenschaftlichen Analyse im Rahmen der Kultur des shifting image ist es, „die Politik der Sichtbarkeit zu beobachten, zu dekodieren und in einem quasi archäologischen Prozess die verdeckten Bilder freizulegen, die in der Ökonomie der Aufmerksamkeit untergehen.“ 41 Die Analyse und Interpretation von Bildnachbarschaften und damit das Freilegen dominanter respektive redundanter oder im Gegenzug unsichtbar bleibender Bilddiskurse verfolgt also den Zweck, visuell ausgedrückte Machtverhältnisse zu entschlüsseln. Zudem wird mit dem shifting image ein Beitrag zur Entwicklung einer „Kultur des Sehens“ geleistet, die „dem Bild seine besondere Erkenntnisfunktion zugesteht und das Bild als eine genuine Form der Generierung von Wissen ansieht“42. Für die folgende Untersuchung erscheint der Zugang über das shifting image insbesondere deshalb vielversprechend, da das Konzept relational in Bildge-

37 Richard u.a., Flickernde Jugend, S. 39-40. 38 Ebd. 39 Siehe Ebd. 40 Richard, 9-11, S. 41. 41 Ebd. 42 Richard u.a., Flickernde Jugend, S. 43.

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flechten und -vernetzungen ‚denkt‘, damit prädestiniert ist für die Untersuchung von Bildkomplexen, die sich durch den Transfer von bestehenden ‚images‘ (hier nazistischem Bildprogramm) in andere bildmediale Kontexte (hier in den Bilderzeugnissen der Popkultur) ergeben, und dabei fernab jeglichen verengenden Blicks diverse Formen bildlicher Existenz umfasst. Bilder disparater Systeme und medialer Ursprünge werden miteingeschlossen und in Beziehung zueinander gesetzt (sowohl aus der Kunst und sogenannten Hochkultur als auch der Alltags- und Populärkultur, digitale wie analoge und unbewegte wie bewegte Bilder). Insbesondere weil die Figur des shifting image respektive das daraus resultierende Analyseverfahren Medienwechsel und -sprünge, so auch eine Vergleichbarkeit von stillem und bewegtem Bild, ermöglicht, ist dieser Ansatz für die hier angestrebte Untersuchung hervorragend geeignet.

4.3 A NALYSEVERFAHREN Saul Friedländer konstatiert, dass sich der neue Diskurs über den Nazismus vor allem im Bereich der Bilder entfaltet und fordert infolgedessen, diesen ästhetischen Neuinterpretationen nachzuspüren. 43 Folgerichtig konzentriert sich die vorliegende Arbeit, die den Widerhall faschistoider Ästhetik in den Veräußerlichungen heutiger Populärkultur untersucht, auf die Analyse visuellen Materials, sprich bildlicher Repräsentationsformen. „Um zu wissen, muss man sich ein Bild machen“, schreibt auch Georges Didi-Huberman44. Damit ist stets das Bild und das, was es visuell bietet und immanent in sich trägt, der Anlass, um über die Fortdauer nazistischen Bildprogramms nachzudenken. Das Bild dient nicht erst als Beleg oder Beweis für bereits erarbeitete Thesen oder Theorien zum zeitgenössischen Umgang mit dem Nationalsozialismus, vielmehr ist das Bild Anfangs- und Endpunkt, an dem jegliche Überlegungen im Rahmen dieser Untersuchung ansetzen. Die Herangehensweise fokussiert demgemäß bildinhärente Phänomene, die, entweder weil sie wiederkehrend sind oder besonders dominant erscheinen, in Zusammenhang mit thematisch benachbarten Bildern gebracht werden sollen. Meist zeigen sich bereits nach einer ersten Sichtung des Materials auffällige Bildverwandtschaften, die auf zentrale, visuell besonders häufig oder prägnant verarbeitete Thematiken verweisen. In einem induktiven Prozess werden somit entlang konkreter Bildbeispiele ebenjene dominanten Bildsujets und charakteristischen Leitmotive herausgearbeitet, die es

43 Vgl. Friedländer, S. 16-17. 44 Georges Didi-Huberman: Bilder trotz allem. München 2007, S. 15.

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erlauben, auf bestimmte Inszenierungsmuster, Strukturgesetzmäßigkeiten und Prinzipien im popkulturellen Gebrauch faschistoider Ästhetik zu schließen. Die exemplarischen qualitativen Einzelanalysen werden eingebunden in übergeordnete Bildkomplexe und Themenfelder, die sich aus der Sichtung und Analyse des Bildmaterials ergeben. Es sollen bestimmte Bildverdichtungen und damit thematische Schwerpunkte benannt und einer genaueren Betrachtung unterzogen werden. Im Mittelpunkt steht also die Nahbetrachtung einzelner Bilder, die für einen Themen- respektive Motivkomplex besonders aussagekräftig erscheinen. Der intensive Blick auf das Fallbeispiel soll somit auf die Wahrnehmung des Gesamtphänomens zurückwirken. Das Hauptaugenmerk dieser Untersuchung liegt auf der Musikkultur und dabei vorrangig auf Albumcovern und Musikvideos45 als ‚primäre‘ Bildmedien, die Musiker und Bands veräußerlichen. Da sich Sedimente nazistischer Ästhetik jedoch in den unterschiedlichsten Bereichen (pop-)kultureller Bildproduktion finden lassen, die sich gegenseitig ‚anstecken‘ und somit einander gewissermaßen bedingen, sollen parallel dazu ebenjene reziproken Bildgeflechte und Bildverzahnungen aufgezeigt und decodiert werden. Im Sinne der Theorie des shifting image ist es daher unerlässlich, den Bildern der Musikkultur auch andere Bilder gegenüberzustellen, sie in Relation zu anderen Bildsystemen zu betrachten und Bildnachbarschaften freizulegen. Aus diesem Grund werden auch Bilder aus anderen Bereichen (etwa Kunst, Film, Modefotografie oder Internetkultur) für eine relationale Analyse hinzugezogen und miteinander in Beziehung gesetzt. Die Auswahl der Bilder ergibt sich aus dem Forschungsinteresse heraus; so wird vorrangig im Internet gezielt nach Bildern gesucht, die auf unterschiedliche Art – zum Teil offensichtlich, zum Teil subtil – mit faschistoidem Formvokabular operieren. Dieser Korpus ist nicht als ein fester, unveränderlicher Referenzbestand zu verstehen, sondern als ein stetig wachsendes und in Entwicklung und Veränderung begriffenes Bildinventar. Da sich während der Analyse immer wieder neue Themenschwerpunkte ergeben, es zu Verschiebungen und Ergän-

45 In Anlehnung an Birgit Richard konzentriert sich auch die vorliegende Arbeit bei der Analyse von Musikvideos auf die „Herausarbeitung des semantischen Kerns des Bildes“. Sofern vorhanden, soll auf die Sound- und Textebene als „sekundäre Instanz“ in der Regel nicht näher eingegangen werden. Lediglich wo es unabdingbar und wichtig erscheint, werden Sound und Text am Rande für eine bessere Durchdringung der Gesamtinszenierung hinzugezogen. Vgl. dazu Birgit Richard: Clipping gender. Mediale Einzelbilder, Sequenzen und Bild-Nachbarschaften im Rahmen einer fokussierten Relationsanalyse, http://www.birgitrichard.de/clips/@text_theo1.htm, o.S. (zuletzt aufgerufen am 23.08.2013).

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zungen kommt, ist die Bildsammlung als flexibel zu begreifen. Mit Bezug auf Aby Warburgs Bilderatlas Mnemosyne erklärt sich die Notwendigkeit eines ebensolchen in Bewegung gehaltenen Vorgehens, will man – wie es die vorliegende Arbeit anstrebt – Bildgeflechte und Bildverknüpfungen offenlegen. Es gilt die Unabgeschlossenheit und Momenthaftigkeit dieser Arbeitsweise als integralen Bestandteil und Qualität dieser wissenschaftlichen Herangehensweise anzuerkennen. Nach einer Recherche, Auswahl und Sichtung des Bildmaterials werden zunächst Schlüsselbilder, d.h. mit starker ästhetischer Ausstrahlung ausgestattete Einzelbilder46 ausgewählt und, sofern nötig, gegebenenfalls als Videostill aus dem Zusammenhang des bewegten Bildes extrahiert47. Diese Schlüsselbilder werden als exemplarisch und besonders aussagekräftig für die vorliegende Untersuchung erachtet, denn um sie herum eröffnen sich ganze Bildnachbarschaften und Bilduniversen. Die Schlüsselbilder (konkret sind diese sowohl Albumcover als auch Stills, ergo künstlich ‚still gelegte‘ Einzelbilder aus Musikvideos und Filmen, aber auch künstlerische Fotografien oder solche aus Modemagazinen) werden als Fallbeispiele zunächst einzeln in ihrer singulären Erscheinung einer genaueren Betrachtung unterzogen. Die einzelne Bildelemente, ergo die Bildgegenstände und ihre Gestaltung, sollen dabei sukzessive beschrieben und interpretiert, die dominanten oder prägnanten Bildsujets, Motive und charakteristischen Inszenierungsmuster induktiv herausgearbeitet werden. Der Zugang zum Bild orientiert sich implizit an Erwin Panofskys Bildinterpretationsmethode48. Implizit deshalb, weil die Bilder nicht explizit nach dem von ihm entwickelten Dreistufenmodell aufgeschlüsselt werden, sondern vielmehr seine Überlegungen als Gerüst für die Betrachtung und Interpretation von Bildern im Rahmen dieser Arbeit dienen sollen. Panofsky stellt eine erste, „vor-ikonographische Beschreibung“, die lediglich eine rein deskriptive, (pseudo-)formale Analyse des Sujets vorsieht, vor den zweiten Schritt der „ikonographischen Analyse“, die sich auf die Kenntnis literarischer Quellen und der Welt von Themen, Vorstel-

46 Richard u.a., Flickernde Jugend, S. 39. 47 Innerhalb eines bewegten Bildes werden in einem ersten Schritt die Schlüsselbilder und -sequenzen, sozusagen als künstlich erzeugte Einzelbilder, in Form von Stills isoliert. Eine Zerlegung der Videos ist dabei methodisch unerlässlich. Denn obwohl ein Video- oder Filmbild, eine Einstellung oder Sequenz kein Tafelbild ist, muss es im Ansatz dennoch als solches verstanden und mit den ‚traditionellen‘ Bildmedien verglichen werden. Vgl. dazu Richard, Clipping gender, o.S. 48 Erwin Panofsky: Ikonographie und Ikonologie. Eine Einführung in die Kunst der Renaissance. In: Ders.: Sinn und Deutung in der bildenden Kunst. Köln 2002, S. 36-67.

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lungen und Typen bezieht. Erst der dritte Schritt, die „ikonologischen Interpretation“, zielt auf die eigentliche Bedeutung und den Gehalt des Bildes im Kontext kultureller Symptome und Symbole.49 Für die folgende Untersuchung sei im Anschluss an Panofskys erste Stufe also bedacht, dass sich der Betrachtungsgegenstand methodisch immer auch ein Stück weit ‚fremd gemacht‘ werden muss, um ihm vorbehaltlos und mit der nötigen wissenschaftlichen Distanz begegnen zu können. Freilich kann es keinen uneingeschränkt vordiskursiven Blick auf einen Gegenstand geben, da sich die Wissenschaft gezwungenermaßen in einem diskursiv geprägten Feld bewegt, jedoch gilt es – soweit möglich – den Forschungsgegenstand, hier das Bild, selbst seine thematischen Schwerpunkte aufwerfen zu lassen und davon ausgehend zu deuten und zu interpretieren. Der Forschungsgegenstand darf nicht von vornherein durch das methodische Vorgehen vorgeformt und diszipliniert werden. Zur Erschließung des formalen wie inhaltlichen Bildprogramms orientieren sich die dieser Arbeit zugrunde liegenden Bildanalysen im Wesentlichen an dem Analysetableau von Birgit Richard u.a.50 sowie an den Kategorien zur Bildanalyse von Werner Faulstich51. Das Bild soll damit aus verschiedenen, für diese Untersuchung relevant erscheinenden Perspektiven (Bildelemente und Motive, Bildaufbau und -gestaltung etc.) beleuchtet werden. Im Anschluss an eine intensive Betrachtung der einzelnen Bildphänomene werden diese nach thematischen Bildnachbarschaften geclustert, d.h. die visuellen Relationen zwischen den Bildern erarbeitet. Dies bedeutet, dass durch die Aufschlüsselung nach bestimmten Leitkategorien, dominanten Bildsujets, sich

49 Vgl. tabellarische Darstellung, Ebd., S. 50. 50 Birgit Richard u.a. benennen verschiedene Deskriptions- und Analyseschwerpunkte für Schlüsselbilder. Für die vorliegende Untersuchung sind insbesondere die visuellen Merkmale (etwa Körper, Kleidung, Objekte, Orte, Szenarien), aber auch technischmediale Konstruktionen (Perspektive etc.), die Handlungen und Relationen (beispielsweise Gestik, Mimik, Posen, Blickrelationen) sowie inhaltliche Kategorien (Körperbilder usw.) und insbesondere die Bild-Referenzen und Vor-Bilder von Bedeutung. Siehe Richard u.a., Flickernde Jugend, S. 43ff. 51 Das von Werner Faulstich beschriebene Schema unterteilt sich, in Anlehnung an Panofsky, in „Beschreibung – Analyse – Interpretation“. Unter dem letzten Punkt finden sich die Begriffe „Metaphern, Symbole, Images, Codes“. Diese Kriterien sollen ergänzend zu dem Tableau von Birgit Richard in der vorliegenden Untersuchung ebenfalls Beachtung finden. Siehe Werner Faulstich (u.a.): Bildanalysen: Gemälde, Fotos, Werbebilder. Bardowick 2010, S. 7-8, http://opus.uni-lueneburg.de/opus/volltexte/ 2009/14176/pdf/Teil%201.pdf (zuletzt eingesehen am 10.09.2013).

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häufenden Motiven und charakteristischen Inszenierungsschemata bestimmte Themenfelder an Kontur gewinnen. Eingebettet in diese Themenfelder werden die Bilder schließlich im Zusammenhang interpretiert. Dies bedeutet, dass innerhalb der Gruppierung in übergeordnete Themenkomplexe die Zusammenführung der Ergebnisse in eine thematische Clusteranalyse im Sinne der Theorie des shifting image erfolgt, die die Bilder in ihrem kulturellen und bildmedialen Kontext zu erforschen und zu interpretieren sucht. Das dieser Arbeit zugrunde liegende Analyseverfahren vollzieht sich also in einem methodischen Dreischritt und lässt sich in Anlehnung an das Konzept von Birgit Richard52 folgendermaßen zusammenfassen: • Sichtung des Bildmaterials, Auswahl der Schlüsselbilder und ggf. Extrahieren

selbiger aus dem Kontext des bewegten Bildes • Sukzessive Beschreibung und Interpretation einzelner Bildelemente, Rekons-

truktion der Bildgegenstände und ihrer Gestaltung, induktive Herausarbeitung der dominanten oder prägnanten Bildsujets, Motive und charakteristischen Inszenierungsmuster • Themenspezifische und ästhetische Verdichtung, Einordnung und Gruppierung in thematisch fokussierte Bildnachbarschaften und Bildkomplexe, Zusammenführung der Ergebnisse und relationale Analyse der Bildcluster

52 Das von Birgit Richard entwickelte Analyseverfahren bezieht sich primär auf bewegte Bilder, jedoch kommen hier alle Kategorien zum Tragen, die auch für die Analyse stiller Bilder relevant erscheinen. Dass das Verfahren von Birgit Richard methodisch eine Isolation der Schlüsselbilder aus dem bewegten Bild in Form von Stills vorsieht, ergo gleichfalls in einem ersten Schritt, sozusagen als Zwischenstadium, zunächst unbewegte Bilder erzeugt, unterstreicht die uneingeschränkte Anwendbarkeit der Methode auch für stille Bilder. Vgl. die Analyseschritte in: Richard, Clipping gender, o.S. sowie Richard u.a., Flickernde Jugend, S. 43.

5. Dominante Bilddiskurse faschistoider Ästhetik in der populären Kultur

5.1 R IEFENSTAHLÄSTHETIK

UND

K ÖRPERINSZENIERUNG

5.1.1 Hart wie Riefenstahl – Anmerkungen zur Riefenstahlrezeption Der Nazismus hat einen enormen Bildervorrat hervorgebracht, der für die Popkultur als Kultur der Aneignung, des Zitierens und Wiederverwertens ‚vergangener‘ Bilder, eine beispiellose Quelle darstellt. So vielschichtig das Bildprogramm des Nazismus ist, so ist dennoch zu konstatieren, dass der Fall Leni Riefenstahl ein besonders herausragendes Phänomen popkultureller Bilderverwertung darstellt. Wie kaum ein anderer wurde der Riefenstahl’sche Bilderapparat von der Popkultur wiederentdeckt. Georg Seeßlen beschreibt die Selbstinszenierung des Nazismus, seine ‚Ästhetik’, als geradezu prädestiniert für eine Wiederbelebung und insbesondere die Filme und Fotografien von Leni Riefenstahl als „[e]ine der schwierigsten und nachhaltig ‚faszinierenden’ Schnittstellen zwischen Pop-Kultur und Faschismus“.1 Das Interesse an der Figur Riefenstahl sowie ihrem filmischen und fotografischen Œuvre – das entgegen häufiger Bekundungen einer „erstaunlichen Bandbreite“ 2 des künstlerischen Schaffens doch eher schmal erscheint, zumindest jedoch ästhetisch beträchtliche Kontinuitäten aufweist – ist ungebrochen. Als sie im Jahr 2002 ihren 100. Geburtstag feierte, konnte die ‚schönheitsliebende‘ Künstlerin, so scheint es, die Ächtung und ver-

1

Seeßlen, Blut und Glamour, S. 194.

2

Markwart Herzog, Mario Leis: Das „Leni Riefenstahl-Syndrom“. Künstlerischer Eigensinn in politischem Kontext. In: Dies. (Hrsg.): Kunst und Ästhetik im Werk Leni Riefenstahls. München 2011, S. 9-22, hier S. 9.

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meintliche Diffamierung ihrer Person als politische Propagandistin, die von Adolf Hitler protegiert wurde und im Dienste der Nazis handelte, erfolgreich abschütteln und war wieder zu Ruhm und Ansehen gekommen. Es gelang ihr, die stets als unpolitische Künstlerin gelten wollte3, zu verdrängen, dass sie, wie Susan Sontag zweifelsfrei feststellt, „eine der führenden Propagandistinnen des Dritten Reichs“4 war. Das von Riefenstahl in ihren Memoiren5 publikumswirksam geschönte Selbstbild hat schließlich auch Einzug in die öffentliche Wahrnehmung ihrer Person gefunden: „Inzwischen kann Leni Riefenstahl, die als eine der interessantesten Frauen des Jahrhunderts gilt, auf ein fast hundertjähriges Leben voller Höhen und Tiefen zurückblicken. Ihr Parteitagsfilm wird als ‚bester Propagandafilm aller Zeiten’ gepriesen und ‚Olympia’ reihte man unter die zehn besten Filme der Welt. Mehr als hundert Dissertationen analysierten ihr künstlerisches Werk. Die Frauenbewegung hat sie zur Kultfigur erkoren. Der Name Riefenstahl ist [...] bereits Legende.“6

Diese Beschreibung aus Anna Maria Sigmunds in mehrfacher Auflage erschienenem Buch Die Frauen der Nazis ist sehr charakteristisch für eine nahezu hagiografische Rezeption der altersvirilen Leni Riefenstahl. Der romantisierendverklärende und banalisierende Impetus, der in diesen Zeilen unbestreitbar zu lesen ist, scheint symptomatisch für den Diskurs. Womit die Autorin jedoch recht behält, ist das beträchtliche mediale Echo, das die Figur Riefenstahl nach sich gezogen hat. Obschon für die wissenschaftliche Auseinandersetzung konstatiert werden kann, dass die Forschung durchaus ein „differenziertes, komplizierteres Bild“7

3

Siehe Jörn Glasenapp: As time goes by. Überlegungen zur Aktualität Riefenstahls. In: Ders. (Hrsg.): Riefenstahl Revisited. München 2009, S. 7-17, hier S. 9.

4

Sontag, Faszinierender Faschismus, S. 104.

5

In ihren 1987 veröffentlichten Memoiren streitet Leni Riefenstahl vehement jegliche politische Triebkraft ab, betont stets ihre rein künstlerische Motivation und inszeniert sich genussvoll in einer Opferrolle. Vgl. hierzu Hanno Loewy: Leni Riefenstahl, Béla Balázs und ‚Das blaue Licht‘ – Selbstinszenierung einer Märtyrerin. In: Markwart Herzog, Mario Leis (Hrsg.): Kunst und Ästhetik im Werk Leni Riefenstahls. München 2011, S. 37-55, hier S. 37-38.

6

Anna Maria Sigmund: Die Frauen der Nazis. München 2000, S. 171.

7

Sven Kramer: Versuch über den Propagandafilm. Zu Leni Riefenstahls Dokumentarfilmen aus den dreißiger Jahren. In: Jörn Glasenapp (Hrsg.): Riefenstahl Revisited. München 2009, S. 71-99, hier S. 71.

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skizziert8, so findet in der öffentlichen Diskussion dennoch eine Riefenstahlrezeption in einem ideologiefreien Raum statt, der für unkritische Rehabilitierungsversuche empfänglich ist. Als selbst ernannte verführte, unschuldige und naive Künstlerin, die ungewollt zur Nazi-Kollaborateurin wurde, bot sie gleichsam eine kathartische Projektionsfläche für das postfaschistische Deutschland. Somit fügte sich das retuschierte, exkulpierte Bild der Riefenstahl in die kollektive Entlastungstendenz, das Narrativ eines „missbrauchten Glaubens an verratene Ideale“ ein, in das sich die „Nachkriegsgesellschaft als ganze gerne zurückzog“9. Die Rezeptionshistorie Leni Reifenstahls ist somit eine Geschichte der „Verehrung, Verachtung, Versöhnung und des Vergessen-Wollens“10 – so die zugrunde liegende These. Die retrospektive Konstruktion ihres künstlerischen Werks hat mit der Zeit eine eigenartige Neucodierung erfahren. In der Rezeption artikuliert sich ein Bedürfnis, ihre Kunst von der historischen und ideologischen ‚Last‘ zu befreien, sie entkontextualisieren zu wollen, um einen vorbehaltlosen Genuss ihrer Kunst zu ermöglichen. Die Anerkennung, die Leni Riefenstahl heute zuteil wird, ist insofern ein bemerkenswertes Phänomen, als es, wie Stefanie Grote beschreibt, „die längste Zeit einem Tabubruch gleichkam, dem Konsens der Verachtung zu widersprechen und damit Gefahr zu laufen, sich als Apologet von NS-Prominenz zugleich auch als Sympathisant von braunem Ideengut zu diskreditieren“11. Umso paradoxer erscheint es, dass sich im späteren Umgang mit dem Bildererbe der Regisseurin und Fotografin nicht nur eine besonders unbedarfte Verwertung abzeichnet, sondern dass sie und ihr Œuvre zudem mit einem Nimbus des Glamourösen aufgeladen werden. Als exemplarisches Beispiel zeitgenössischer, oberflä-

8

Hervorzuheben sind hierbei beispielsweise drei in kurzer Folge veröffentlichte Monografien über Leni Riefenstahl, die fundiert und kritisch sowohl ihr künstlerisches Werk als auch ihre persönlichen Verstrickungen mit dem NS-System untersuchen und damit einen wichtigen Beitrag zur Dekonstruktion des ‚Mythos Riefenstahl‘ leisten: Rainer Rother: Leni Riefenstahl: Die Verführung des Talents. München 2002. Lutz Kinkel: Die Scheinwerferin: Leni Riefenstahl und das ‚Dritte Reich‘. Hamburg 2002. Jürgen Trimborn: Riefenstahl. Eine deutsche Karriere. Berlin 2003.

9

Loewy, S. 37.

10 Stefanie Grote: ‚Objekt‘ Mensch. Körper als Ikon und Ideologem in den cineastischen Werken Leni Riefenstahls. Ästhetisierter Despotismus oder die Reziprozität von Auftragskunst und Politik im Dritten Reich. Frankfurt an der Oder 2004, http://opus.kobv.de/euv/volltexte/2007/4/pdf/grote.stefanie.pdf am 01.06.2013), S. 8. 11 Ebd., S. 12.

(zuletzt aufgerufen

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chenfixierter Riefenstahlrezeption soll im Folgenden der im Jahr 2000 im Taschen-Verlag erschienene Bildband Leni Riefenstahl – Fünf Leben12 einer kurzen Betrachtung unterzogen werden. Die viel beachtete, opulente Publikation mit Hochglanz-Fotografien der Riefenstahl kommt einem kitschigen Nobilitierungsversuch gleich. Auf über 300 Seiten liefert das großformatige Buch zahlreiche Fotografien aus ihrem Leben sowie eine Werkübersicht, die der Taschen-Verlag „unter dem ästhetischen Aspekt und nicht unter dem politischen“13 verstanden wissen will. Der Taschen-Verlag selbst kultiviert mit Flagship-Stores in New York, Paris und anderen Metropolen geradezu das Image einer Modemarke.14 So ist auf der Website des Verlags das selbstbeschreibende Credo „Wir folgen keinen Trends, wir kreieren sie“15 zu lesen. Bemerkenswert ist, dass ein Fotografieband der, wie sie Georg Seeßlen beschreibt, „natural born Faschistin“16 Leni Riefenstahl nun anschlussfähig erscheint an das Imageprogramm eines Verlags, der sich auf zahlreichen Werbeveranstaltungen, wie Bilder auf der Website des Verlags eindrucksvoll beweisen, mit Celebrities aus der Mode-, Musik-, Filmund Unterhaltungsindustrie schmückt und damit als glamouröse, trendbewusste

12 Angelika Taschen (Hrsg.): Leni Riefenstahl – Fünf Leben. Köln u.a. 2000. 13 Siehe Wiebke Brauer: „Leni sells!“. In: Spiegel Online, 06.12.2000, http://www. spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,106469,00.html (zuletzt aufgerufen am 01.06. 2013), o.S. 14 Als im Jahr 2012 in einer Folge der US-Zeichentrickserie The Simpsons mit dem Titel The Day the Earth Stood Cool – neben Bio-Supermärkten und einer Filiale der als Hipster-Zentralorgen geltenden Bekleidungskette American Apparel – auch ein Taschen-Store in der fiktiven Kleinstadt Springfield eröffnet, so geschieht dies vor dem Hintergrund, einen Overflow Trend-versierter junger Menschen in der Stadt zu karikieren. Der Taschen-Verlag gilt demzufolge also als eine Inkarnation des ‚Hipsterismus‘ (Zum Begriff des ‚Hipsterismus‘ vgl. Mark Greif (Hrsg.): Hipster. Eine transatlantische Diskussion. Berlin 2012) Das Auftauchen des Stores in der Serie kann als Beleg für „the popular conciousness as somewhere ‚cool‘ people frequent“ gelten. Vgl. Neil Bennett: Taschen opens shop in The Simpsons to make Springfield hip. In: Digital Arts, 13.12.2012, http://www.digitalartsonline.co.uk/news/graphic-design/ taschen-opens-shop-in-simpsons-make-springfield-hip/ (zuletzt aufgerufen am 03.06. 2013). 15 Taschen-Verlag (Homepage): http://www.taschen.com/pages/de/company/career/in dex.wir_haben_gute_jobs_fuer_gute_leute.htm (zuletzt aufgerufen am 03.06.2013). Siehe dazu außerdem Brauer, o.S. 16 Seeßlen, Blut und Glamour, S. 194.

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Marke inszenieren will.17 Dem Starkult um Leni Riefenstahl haftet folglich eine Form der ‚Coolness‘ an, die für den Taschen-Verlag nutzbar ist. Leni Riefenstahl ist kultureller Allgemeinbesitz geworden; eine Ikone, die unter den Auspizien des Pop eine Renaissance feiert.18 Ihre Ästhetik, „der das Kompositum Zeitgeschichte abhanden gekommen ist“19, wird in der Populärkultur zahlreich re-kontextualisiert, sei es in Werbebildern und Modefotografien oder der Musikkultur. Die Bilder der Riefenstahl wurden eingeschleust in den Pop-Kreislauf, der sie sinnentleeren und auf ihre bloße Hülle reduzieren möchte. Das Riefenstahl-Coffee-Table-Book des Taschen Verlags, in dem ihr Bildererbe eine Ästhetik von Hochglanzmagazinen erreicht, ist paradigmatisch für diese Art der Rezeption. Das Zelebrieren der Riefenstahl in der populären Kultur ist ein vollkommenes Zelebrieren der Oberfläche. Die Faszination ihrer Bilder entsteht also scheinbar dadurch, dass die Botschaft als substanzlose Oberfläche, der Inhalt als reine Form verstanden werden will.20 „Im Pop entsteht das Bild eines Faschismus ohne Historizität, eines Faschismus, der sich in der Produktion seines eigenen Bildes erschöpft, Faschismus als reines Pop-Event.“21 Das Recycling der Riefenstahl’schen Bildästhetik unter den geänderten Vorzeichen der populären Kultur geschieht häufig mit dem Verweis auf eine vermeintliche künstlerische Qualität und handwerkliche Virtuosität ihres Schaffens. Somit wird das von Leni Riefenstahl selbst so eindringlich wiederholte Mantra ihrer ewigen Suche nach Schönheit durch schlichte Verdoppelung zur kommunikativen Grundlage dieses neuen Diskurses.22 Die Frage, ob das Bild von jeglichem politischen und ideologischen Gehalt getrennt wahrgenommen und ästhetisch erfahren werden kann, ist eine kontrovers diskutierte. Hans Ulrich Gumbrecht verweist in Diesseits der Hermeneutik auf die „Präsenz“23 des Kunstwerks, das jenseits von Sinnhaftigkeit und interpretatorischer Sinnproduktion eine unmittelbar körperlich-materielle Wirkung entfaltet. Kurz gesagt spricht er sich damit für eine autonome sinnliche Dimension des Kunstwerks außerhalb des Entstehungskontextes von Zeit, Ort oder etwa der Künstlerpersönlichkeit

17 Siehe Taschen-Verlag (Homepage): http://www.taschen.com/pages/de/stores/index. taschen_stores.htm (zuletzt aufgerufen am 03.06.2013). 18 Siehe Sachsse, S. 220. 19 Ebd., S. 225. 20 Vgl. Seeßlen, Blut und Glamour, S. 210. 21 Ebd. 22 Sachsse, S. 221. 23 Hans Ulrich Gumbrecht: Diesseits der Hermeneutik. Die Produktion von Präsenz. Frankfurt 2004.

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aus. Riefenstahls Œuvre im Hinblick auf seinen Sinngehalt zu befragen, sprich Triumph des Willens als Instrument der NS-Machtstabilisierung anzusehen oder ihren Olympia-Film untrennbar mit den Körper- und Rassenideologischen Implikationen zu verbinden, bedeutet weitergedacht also, ihnen den Status Kunst abzuerkennen.24 Auch Susan Sontag lehnt das moralische Reagieren auf Kunst zunächst ab. „Ein Kunstwerk kann, solange es ein Kunstwerk ist, für nichts eintreten, was immer der Künstler auch geplant haben mag. [...] Denn im gleichen Sinne, in dem ein Kunstwerk keinen Inhalt hat, hat auch die Welt keinen Inhalt. Beide sind. Sie bedürfen keiner Rechtfertigung; und sie ließen sich auch nicht rechtfertigen.“25

Ferner konstatiert sie, dass eine Ernennung von Leni Riefenstahls Filmen wie Triumph des Willens oder Olympia zu Meisterwerken nicht etwa bedeuten würde „Nazipropaganda mit ästhetischer Nachsicht zu glossieren. [...] Leni Riefenstahls Filmgenie bewirkte, daß der ‚Inhalt’ [...] eine rein formale Rolle spielt.“26 Sontag geht jedoch letztlich selbst auf Distanz zu ihrer vormals eingenommenen Position und widerruft diese in ihrem Essay Faszinierender Faschismus vehement. Dort bezeichnet sie gerade die Absicht, die fatale politische Ideologie aus den Filmen der Riefenstahl herauszufiltern und allein ihre ästhetischen Verdienste übrigzulassen, als Fehlschluss.27 Weiterhin benennt sie am Beispiel von Triumph des Willens das Dokument (ergo das Bild) gerade nicht als bloße Aufzeichnung der Realität, sondern als Grund, warum die Realität überhaupt erst hergestellt wird.28 Sie verweist also auf den erheblichen Anteil, den das Bild bei der Konstruktion von Wirklichkeit im Nationalsozialismus hatte. Während die persönlichen Verstrickungen der Riefenstahl als NaziKollaborateurin eindeutig sind und damit nicht nur der Entstehungskontext ihres filmischen und fotografischen Werks faschistisch ist, sondern sich mehr noch in ihren Bildprodukten selbst auf rein visueller Ebene das Faschistische manifestiert29, muss für die popkulturellen Reformulierungen des Riefenstahl’schen Bil-

24 Vgl. Glasenapp, S. 14. 25 Susan Sontag: Über den Stil. In: Dies.: Kunst und Antikunst. 24 literarische Analysen. Frankfurt am Main 2009, S. 23-47, hier: S. 35/37 [Herv. i.O.]. 26 Ebd., S. 34-35. 27 Siehe Sontag, Faszinierender Faschismus, S. 117. 28 Ebd., S. 106. 29 An dieser Stelle sei einmal mehr auf Susan Sontags einflussreichen Aufsatz Faszinierender Faschismus, der als meistzitierter Referenztext im Hinblick auf die faschistoi-

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dinventars dennoch anderes festgehalten werden: Sie sind ideologisch entleert, bzw. verfolgt ihre (Re-)Produktion zumindest nicht genuin die Intention, ideologische Implikationen fortzuführen. Vielmehr ist ihr Gebrauch – und dies gilt es abermals hervorzuheben – zunächst ein Spiel reiner Oberfläche. Die Frage nach der Kontinuität der Bilder bleibt damit trotzdem unbeantwortet. Zur Diskussion gestellt gehört folglich die erstaunlich leichte Anschlussfähigkeit der Riefenstahl an populäre Bildwelten; die Frage nach der scheinbar ungebrochenen Präsenz ihrer Ästhetik, ihrer Zeitlosigkeit und fortdauernden Wirkmacht. Warum haben ihre Bilder immer noch Bestand und, ungeachtet der Trendpromiskuität der populären Kultur, nicht an Aktualität eingebüßt? Die Popkultur schafft Mythen. Die Überführung der Riefenstahl in den PopDiskurs hat durch Fixierung auf die Oberfläche nur vorgeblich ihre Entkontextualisierung aus dem Feld des Nazismus bewirkt. Denn erst das ursprüngliche Feld des Nazismus – freilich verkürzt auf das bloße Moment extravaganten Schreckens – hat Leni Riefenstahls mythische Aufladung bewirkt. Und erst der Mythos macht aus ihr eine sogenannte Ikone und sie damit für die Popkultur interessant. „Pop sieht das Spektakuläre und Exotische“30 schreibt Georg Seeßlen. So besteht das Spektakuläre und Exotische der Riefenstahl gerade in ihrer nazistischen Vergangenheit und damit einer Form des negativen Glamours. Die Popularität ihrer Bilder begründet sich nicht originär in ihrer Kunst als solcher, sondern in den Bedingungen der Entstehung ihrer Kunst. Der Zuspruch resultiert nicht – wie fortwährend behauptet – aus der etwaigen Qualität der künstlerischen Leistung trotz ihres belasteten Ursprungs; vielmehr hat sie ihren Platz im popkulturellen Kanon explizit wegen ihres belasteten Ursprungs. So ist die Bewunderung für das Werk der Riefenstahl, wie sie David Bowie oder Mick Jagger proklamierten31, oder auch von Quentin Tarantino im Rahmen der Berliner Premiere seines Films Inglourious Basterds geäußert wurde32, dabei – zumindest immer auch – als Provokationsvehikel und kalkuliertes Spiel mit dem politi-

de Ästhetik Leni Riefenstahls gelten kann, verwiesen. Darin spürt sie unter anderem Kontinuitäten der Riefenstahl’schen Bildsprache auf und entlarvt ihre später entstandenen fotografischen Arbeiten, etwa die Serie Nuba, als Fortführung der visuellen Ideen der Filme, die explizit im Auftrag der Nazis produziert wurden. 30 Seeßlen, Blut und Glamour, S. 198. 31 Siehe Kinkel, S. 284. 32 Siehe Christina Nord: Sieg Hollywood! Hitler goes kaputt. „Inglourious Basterds“, Quentin Tarantinos neuer Film, beendet den Zweiten Weltkrieg in einem Pariser Kinosaal, http://www.filmzentrale.com/rezis2/inglouriousbasterdscn.htm (zuletzt aufgerufen am 17.06.2013).

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schen Tabu zu verstehen, als rebellische Pose und Flirt mit einer Ikonografie des Drastischen. Die Pop-Qualität der Riefenstahl besteht also im Skandalösen; die Kontroverse um ihre Person erklärt ihren ‚Chic‘. Der Faktor des Anrüchigen wird zum avantgardistisch anmutenden Surplus, das den vorgeblich ästhetischen Appeal ihrer Bilder wesentlich mitträgt. Somit funktioniert die Anziehungskraft ihrer ‚formalen Schönheit‘ respektive das ästhetische Wohlgefallen an den Bildern Leni Riefenstahls nur durch die Komplettierung um das Sensationsmoment Nationalsozialismus. Ihr politisch-ideologischer Gehalt wird als eine Form exzentrischen und dekadenten Horrors ästhetisiert. Die Riefenstahl’sche Ästhetik „ist am ehesten zu beschreiben als ein Bastard der Pop-Kultur, der sich der Vorzüge seiner Herkunft bedient, sich aber nicht an die von ihr vorgegebenen Regeln hält“33. 5.1.2 Riefenstahlästhetik und Modefotografie Die Usurpation der Riefenstahl im Pop-Diskurs bewirkte, dass ihre visuellen Ideen in den Bilderstrom der Alltagskultur und damit das kollektive Bildgedächtnis eingeschleust und schließlich wieder verfügbar wurden. Die postmoderne Verwertungspraxis des anything goes, die mit allen Bildern gleichermaßen frei und zwanglos umgeht, macht aus dem Bildprogramm Leni Riefenstahls bedenkenlos zitierbares Material. Ein Bereich, in dem sich zahlreiche Verweise auf Riefenstahl-Ästhetik finden lassen, ist die zeitgenössische Modefotografie. Ihr Bildapparat liefert, wie die anschließende Analyse zeigen wird, wesentliche formale Bezugspunkte für die Bild- und Körperproduktion heutiger Modemagazine. Den Ausgangspunkt für die folgenden Überlegungen sollen zwei Bilder bieten. Das erste stammt aus dem Bademoden-Editorial Olympiad von Mikael Jansson und ist 2012 im amerikanischen Interview Magazine erschienen. Bei dem zweiten Beispiel handelt es sich um eine Fotografie des Modedesigners und -fotografen Hedi Slimane, die 2009 in der Herbst/Winter Ausgabe von AnOther Man veröffentlicht wurde.

33 Seeßlen, Blut und Glamour, S. 208.

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Abbildung 32: Mikael Jansson, Olympiad, Interview Magazine

Abbildung 33: Hedi Slimane, Alex Dunstan für AnOther Man

Bereits der Titel Olympiad verweist auf das visuelle Vorbild, das Mikael Janssons Fotografie hier eindeutig zitiert: Leni Riefenstahls zweiteiliger OlympiaFilm Fest der Völker und Fest der Schönheit. Die Schwarz-Weiß-Fotografie zeigt drei Figuren – zwei weibliche und eine männliche – auf einem Sprungturm. Das gewählte Setting erscheint besonders bezeichnend, gilt doch gerade die Turmspringer-Sequenz als berühmteste und „formal überzeugendste“34, als „ein Höhepunkt des Olympiafilms“35. Die drei Personen stehen einander in einer Art Dreieckskonstellation gegenüber. Dabei scheint es, als seien sie – obgleich Bewegungen angedeutet werden – nahezu statuenhaft in ihren Posen erstarrt und wirken sowohl im Verhältnis zueinander als auch im Bezug auf die sie umgebende, sehr lineare Architektur gleichsam geometrisch angeordnet. Die choreografischen Qualitäten der Filme von Leni Riefenstahl kommen auch in dieser Fotografie zu tragen und werden übersetzt in ein durchkomponiertes Standbild. Die Bildkomposition zeichnet sich demnach durch eine grafische Strenge und Stasis aus. Starke Körperschatten verleihen den Figuren nicht nur eine kantige Härte und scharfe Konturen, mehr noch nimmt die Lichtführung Einfluss auf die

34 Rother, S. 112. 35 B. Hannah Schaub: Riefenstahls Olympia. Körperideale – ethische Verantwortung oder Freiheit des Künstlers? München 2003, S. 65.

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Optik und Stofflichkeitsillusion der Körperoberflächen. Diese muten dadurch makellos, beinahe klinisch glatt und unwirklich an und haben geradezu skulpturale Qualitäten. Die menschlichen Körper werden zu Plastiken stilisiert. Ebenjenes statueske Körperideal ist integrales Moment der Ästhetik Leni Riefenstahls, die im Prolog ihres Olympia-Films den menschlichen Athleten antike Skulpturen gegenüberstellt. Diese Identifikation von Realkörper und Kunstideal kulminiert in der Überblendung einer griechischen Statue des Diskuswerfers von Myron mit einem in analoger Körperhaltung dargestellten, lebendigen deutschen Leichtathleten. 36 Dieser scheint durch die Überblendung gleichsam aus der Skulptur herauszutreten, respektive scheint die Skulptur in dem Athleten zum Leben erwacht. In der Genealogie des nationalsozialistischen Körperideals erscheint die menschliche Anatomie in mimetischer Relation zur antiken Plastik: „Der Körper aus Fleisch möchte so sein wie der Körper aus Stein.“37 Dadurch wird der Mensch dem Irdischen entrückt und zum überzeitlichen, mythischen Archetypen. Ebenso zeichnet die hier untersuchte Modefotografie ein übernatürliches Ideal der Makellosigkeit und perfekten Physis. Die Modelle wirken unnahbar und surreal. Wie in Riefenstahls Darstellungen, können die hier illustrierten Körper als versinnbildlichte Antipoden zu leiblichen Gebrechen, Krankheit, Versehrtheit, Mangelhaftigkeit und Imperfektion gelten. „Idealisierte Körperbilder zeigen keine Brüche und stellen meistens Ganzheitskörper dar, die Stabilität versprechen.“38 Bei Betrachtung der in der Fotografie von Mikael Jansson dargestellten Körperperformance, sprich des präsentierten Körperbildes selbst, lässt sich also eine visuelle Fortführung des in der Riefenstahl’schen Inszenierung exaltiert beworbenen Athletenkörpers feststellen. Im Bild manifestiert sich die Leitidee des vollkommenen, starken und kräftigen Menschentyps. Die OnlineAusgabe des Interview Magazines liefert zu der Fotoserie folgende Beschreibung: „[...]taut, toned, rock-hard physiques herald a summer of heroic athleticism.“39 Die „steinerne Härte“ und „heroische Athletik“ findet ihre optische Übersetzung in dem makellos muskulösen und erhabenen Männerkörper. Schat-

36 Vgl. Ursula von Keitz: Blickmacht und Begehren. Zur Körperdarstellung und ihren paradoxen Effekten in den Olympiafilmen. In: Jörn Glasenapp (Hrsg.): Riefenstahl Revisited. München 2009, S. 101-114, hier S. 113. 37 Daniel Wildmann: Begehrte Körper. Konstruktion und Inszenierung des „arischen“ Männerkörpers im „Dritten Reich“. Würzburg 1998, S. 38. 38 Paula Diehl: Macht – Mythos – Utopie. Die Körperbilder der SS-Männer. Berlin 2005, S. 237. 39 Interview Magazine: Olympiad, http://www.interviewmagazine.com/fashion/olym piad/#_ (zuletzt aufgerufen am 20.06.2013).

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tenwürfe verleihen der heroischen Maskulinität eine subtile Dramatik und legen den Fokus deutlich auf das männliche Muskelrelief. Der Muskel ist der Ort körperlicher Kraft und Anstrengung und wird als Grundprinzip männlicher Repräsentation zur „männlichen Metapher par excellence“40. So ist auch in Leni Riefenstahls Inszenierung der filmische Blick auf den Muskel als Inbegriff für Virilität und Vitalität ein Fixpunkt ihres Körperkonzepts.41 Obwohl das Frauenbild im Nationalsozialismus durchaus ambivalent war, galt das der Riefenstahl-Ästhetik entsprechende Imago der anmutigen, stolzen, krisenfesten und disziplinierten Athletin, an das die Weiblichkeitsrepräsentation der hier untersuchten Modefotografie anschließt, dennoch als ein Ideal. Der sportlich-schöne, vitale und zuvorderst gesunde Körper hatte die biopolitische Determination der Frau als Gebärerin und Mutter, ihre Reproduktionspflicht, als Grundlage.42 Die Statuierung dieser ästhetisch überhöhten Körpermaximen und halluzinierten Idealkonstrukte, unter anderem auch massiv vorangetrieben durch die Bildprodukte Leni Riefenstahls, war ein wesentlicher Aspekt der NSKörperpolitik. Walter Benjamins These, der Faschismus laufe auf eine „Ästhetisierung des politischen Lebens“43 hinaus, gilt also auch für den Körper, der zur Visualisierungsfolie der NS-Ideologeme und Phantasmen wird und ihnen sichtbaren Ausdruck verleiht.44 In Riefenstahls Olympia-Film sind die Athleten keine individuellen Sportler, sondern werden zu prototypischen Idealen erhabener, kämpferischer und siegreicher Menschentypen verklärt. Individuelle Körperlichkeit wird zugunsten einer überindividuellen Normierung ausradiert. „In der Riefenstahl-Ästhetik wird aus dem Sportler ein Darsteller, der von allen Dingen am allerwenigsten seine Individualität ausüben kann.“45 Ähnlich wie die Turmspringer des Olympia-Films zu „gesichtslosen Gestalten“46 werden, erscheinen auch die Modelle von Mikael

40 Wildmann, S. 83. 41 Vgl. Ebd., S. 62ff. 42 Vgl. Adrian Schmidtke: „Sportstudentin beim Diskuswurf“. Die Konstruktion des Frauenkörpers in der Fotografie des Nationalsozialismus. http://www.qualitativeresearch.net/index.php/fqs/article/view/424/918 (zuletzt aufgerufen am 21.06.2013). 43 Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Frankfurt am Main 1977, S. 42. 44 Vgl. Paula Diehl: Körperbilder und Körperpraxen im Nationalsozialismus. In: Dies. (Hrsg.): Körper im Nationalsozialismus. Bilder und Praxen. München 2006, S. 9-30, hier S. 16. 45 Seeßlen, Blut und Glamour, S. 202. 46 Siehe Richard Mandell: Hitlers Olympiade – Berlin 1936. München 1980, S. 239.

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Jansson letztlich gesichtslos, sei es, weil Teile ihres Gesichtes durch Schatten verdeckt werden, das Gesicht abgewandt ist, oder die Gesichtszüge schematisiert wirken. Der Fokus liegt ausdrücklich auf dem sportlich-trainierten, starken Körper. Die Tendenz zur Nivellierung individueller Merkmale wird überdies unterstützt durch die fast ununterscheidbare Statur der beiden weiblichen Gestalten sowie ihre identischen Frisuren. Dass der geflochtene blonde Haarkranz beider Frauen zusätzliche Assoziationen zum Stilrepertoire des NS weckt, sei hier lediglich am Rande angemerkt. Ohne einer verkürzten Gleichsetzung von NS-Körperideologie mit dem ‚Körperkult‘ der heutigen Mode- und Medienbildwelten zuarbeiten zu wollen, bleibt dennoch zu konstatieren, dass gerade die Körperproduktion der Riefenstahl’schen Bilder besonders anschlussfähig erscheint an die Kultivierung eines Normkörpers in der Mode. Die NS-Körperidealität wird hier – die analysierte Fotografie von Mikael Jansson kann als Beleg dafür gelten – transformiert in die Normkörperrealität der Mode. Thomas Alkemeyer stellt im Bezug auf die Symbolik des schönen und vollendeten Körpers im ‚Dritten Reich‘ fest, dass ein zentrales Kennzeichen faschistischer Öffentlichkeit darin bestand, die Menschen beständig mit einer Ästhetik physischer Makellosigkeit als Vor- und Normbild zu konfrontieren. Beispielhaft führt er unter anderem die Ikonografie Riefenstahls, ihre bildnerischen Reproduktionen idealer, reglementierter Körper, die medial in Umlauf gebracht wurden, an.47 Wenngleich der naheliegende Schluss, heutige Medien- und Modebilder würden die selben Körperimperative statuieren, zu simplifizierend erscheint, so ist auf Bildebene dennoch eine Fortführung oder zumindest eine Verwandtschaft der visuellen Körperkonstruktionen evident. Im Zentrum steht ein vollkommener, starker und krisenfester Körper, der zum Sinnbild für Schönheit und letztlich auch für Kategorien wie Gesundheit und Reinheit wird.48 Die zweite Fotografie, die im Folgenden einer näheren Betrachtung unterzogen werden soll, zeigt hüftaufwärts und im Halbprofil das britische Männermodel Alex Dunstan vor einem dunklen Wolkenhintergrund. Der Fotograf Hedi Slima-

47 Thomas Alkemeyer: Politik mit dem Körper. Zur Ästhetik physischer Vollkommenheit in der öffentlich-repräsentativen Szenerie des „Dritten Reiches“. Traditionslinien, Re-Artikulationen, Folgen. In: Sportmuseum Berlin (Hrsg.) in Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz und dem Forum für Sportgeschichte: Sportstadt Berlin in Geschichte und Gegenwart. Jahrbuch 1993 des Sportmuseum Berlin. Berlin 1993, S. 146-159, hier S. 146. 48 Vgl. Diehl, Körperbilder und Körperpraxen im Nationalsozialismus, S. 16.

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ne hat ihn aus einer starken Untersicht aufgenommen, sodass der imposante Torso des Mannes mehr als die Hälfte des Bildausschnittes einnimmt und zum dominanten Bildsujet wird. Dunstan trägt einen hochgeschlossenen, tweedähnlichen Mantel, der durch seinen körpernahen, akkurat-strengen Schnitt und seine steif wirkende Materialbeschaffenheit Anklänge einer militärischen Uniform aufweist. Die Starre des Materials diktiert die Physis des Mannes insofern, als sie regelrecht zur aufrechten Haltung zu zwingen scheint. Ähnlich wie die Militäruniform durch ihre materiellen Gegebenheiten als eine Art Körperkorsett oder gar Körperprothese einer Anpassung des Leibes dient49, nimmt der Mantel auch hier Einfluss auf Erscheinung und Proportionen des Trägers: Die schmale Taille und breiten Schultern lassen die Gestalt wachsen und mächtig erscheinen. Ebenjene soldatischen Körperideale werden hier in eine modisch zeitgemäße Formsprache übersetzt. Gelten laut Thomas Alkemeyer „Geschlossenheit, Ganzheitlichkeit und aufrechte Haltung“ als „die vielleicht wichtigsten Konstruktionsprinzipien nazistischer Körperbilder“50, so lassen sich die gleichen Prinzipien auch deutlich auf das Körperkonzept dieses Bildbeispiels übertragen. Der Mantel scheint den stolz aufgerichteten Körper des Mannes hermetisch zu verriegeln und einzuschließen. Klaus Theweleit beschreibt in seiner Untersuchung Männerphantasien den soldatischen Mann als einen „Körperpanzer“51. Im Körperpanzer artikuliert sich die Sehnsucht nach Ganzheit und Unversehrtheit und damit das Ideal des geschlossenen Körpers. Zum anderen definiert der Körperpanzer die Grenzen zwischen dem Eigenen und dem Anderen. Die ‚Verpanzerung‘ ist eine Antwort auf die Angst vor einer Zerstückelung, Auflösung und Degeneration der Körpereinheit – sowohl des einzelnen als auch des Kollektivkörpers, galt die Gesundheit und Integrität des Einzelnen doch als Voraussetzung für die Gesundheit des ‚Volkskörpers‘, der die Einzelkörper regelrecht in sich absorbiert. Panzergleich wirkt der Mantel, der das männliche Model in Hedi Slimanes Fotografie wie ein Schutzschild umschließt. Die Oberfläche des Mantelstoffs erscheint ganz und gar nicht wie ein Textilgewebe, sondern ähnelt vielmehr einer harten Rüstung, die den Leib vor Zerfall schützen möchte und ihn zugleich in militärisch-stramme Form zwingt. Ähnliche Körperprinzipien lassen sich auch in den Inszenierungen Leni Riefenstahls finden: Die Uniformen der Soldatenmassen im Reichsparteitagsfilm Triumph des Willens zeugen ebenso von einer Dis-

49 Zur Anpassung des Körpers durch Uniformen, siehe Diehl, Macht – Mythos – Utopie, S. 173ff. 50 Alkemeyer, S. 147. 51 Klaus Theweleit: Männerphantasien, Band 2. Männerkörper. Zur Psychoanalyse des weißen Terrors. München 1995, S. 206ff.

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ziplinierung der Körper wie die nackten Athleten im Olympia-Film, die eine lebendig gewordene, sozusagen verfleischlichte Form der Verpanzerung in Form des Muskelkostüms zur Schau tragen. Das Prinzip des Aufrechten wird in der Fotografie von Hedi Slimane visuell maßgeblich durch die Perspektivierung mitbestimmt. Die Untersicht, aus der die Figur aufgenommen wurde, lässt den Körper in den Himmel hineinragen und dadurch übergroß und erhaben erscheinen. Es ergibt sich eine paradoxe Doppelsituation: Einerseits ist der dargestellte Körper zur geraden Haltung diszipliniert und damit unterworfen, andererseits unterwirft der durch die gerade Haltung evozierte Gigantismus des Körpers wiederum den Betrachter, denn dieser wird durch die Froschperspektive dazu gezwungen, zu dem Abgebildeten hinaufzusehen. Die Perspektivierung erzeugt rezeptionsästhetisch einen gewissen Überlegenheitsgestus und dient damit einer Heroisierung des Abgebildeten. Er wirkt unnahbar und überirdisch. Hierin zeigt sich besonders deutlich, wie stark die Fotografie an die Ästhetik Leni Riefenstahls anknüpft, gilt doch gerade die Untersicht als wesentliches Strukturelement ihrer Formsprache. Der raumgreifende Darstellungswinkel sollte Monumentalität und Allmacht suggerieren und antizipierte visuell den Macht- und Herrschaftsanspruch des NS-Systems. Der wolkendurchsetzte, fast apokalyptisch wirkende Himmel, vor den das Model Alex Dunstan platziert ist, zitiert ein weiteres charakteristisches Merkmal des Motivinventars von Leni Riefenstahl, sodass die Gesamtdarstellung geradezu ihre Signatur tragen könnte, denn: „In der Riefenstahl-Forschung wird es als ihr gängigstes Leitmotiv angesehen, Menschen aus der Untersicht vor einem Wolkenhintergrund aufzunehmen.“ 52 So werden die olympischen Athleten in Fest der Völker/Fest der Schönheit häufig vor einem Wolkenhimmel abgebildet. Insbesondere im Prolog, der das antike Körperideal, seine Wiedergeburt im erhabenen, vollendeten Menschentyp und damit den in die Gegenwart verlängerten Mythos huldigt, finden sich entsprechende Aufnahmen. Die Körper werden in eine Landschaft aus Wolken und Nebelschwaden versetzt, ein mystifizierendes, feierliches Pathos ebnet den Weg für ihre heroische Wiederbelebung. Die Untersicht vor einer Wolkenkulisse bewirkt zudem eine Entkontextualisierung der abgebildeten Menschenkörper. Jede räumliche oder zeitliche Verortung wird verunmöglicht oder zumindest erschwert. Hinweise auf die Entstehungssituation des Bildes werden bewusst ausgelassen oder nur marginal miteinbezogen53; le-

52 Schaub, S. 60. 53 So wird in der berühmten Turmspringer-Sequenz, die in langen, verlangsamten Einstellungen die ‚fliegenden‘ Körper vor einem wolkenverhangenen Himmel zeigt, das olympische Geschehen regelrecht aufgelöst; die Originalsituation erscheint unwichtig

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diglich die archaische Natur in Gestalt des faszinierenden, dunklen Wolkenhimmels bleibt das verbindende Element zwischen Mensch und Umwelt. Durch den Verzicht auf jedweden Bezugsrahmen entsteht ein Effekt des Überirdischen und Überzeitlichen. Die Athleten in Riefenstahls Olympia sind ebenso wie das männliche Model in der hier analysierten Modefotografie Kategorien von Raum und Zeit, dem Irdischen und damit ein Stück weit auch dem Mensch-Sein entrückt und ästhetisch überhöht. Auch in Triumph des Willens spielt das Wolkenmotiv eine bedeutende Rolle. Bereits in der Anfangssequenz wird Adolf Hitlers Anflug auf Nürnberg durch lange Einstellungen von Wolkenaufnahmen flankiert, sodass seine Ankunft eine nahezu messianische Botschaft trägt. Er schwebt gottgleich über der Weitläufigkeit des Himmels und begibt sich verheißungsvoll zu dem ihn ersehnenden Volk herab. Siegfried Kracauer weist in seinem Buch Von Caligari bis Hitler auf die Bedeutung von Wolkenbildern für faschistische Bildästhetik hin und erkennt diese bereits in den Bergfilmen von Arnold Franck, in denen Leni Riefenstahl zu Beginn der 1930er Jahre als Schauspielerin mitwirkte. Für Kracauer trägt bereits der Bergfilm das Potential, faschistisch durchwirkte Bilder zu transportieren, in sich. Er sieht insbesondere in der filmischen Akzentuierung erhabener Wolkengebilde über dem Hochgebirge Präfigurationen einer solchen faschistischen Ästhetik und vergleicht diese – sozusagen als sicherer Beweis – mit den Riefenstahl’schen Wolkenbänken in Triumph des Willens.54 Auch wenn dieser eher simple Analogieschluss lediglich auf der Ebene formaler Ähnlichkeiten haften bleibt, soll Kracauers Urteil an dieser Stelle immerhin dazu dienen, die eindeutig faschistoide Konnotation des Wolkenbildthemas durch die Usurpation Leni Riefenstahls zu unterstreichen. Die Modefotografien von Hedi Slimane und Mikael Jansson nutzen offenkundig Riefenstahls visuell sehr einprägsames Formvokabular. Auf formaler Ebene sei an dieser Stelle das Schwarz-Weiß beider Aufnahmen hervorgehoben, das zwar sicher kein Alleinstellungsmerkmal der Ästhetik Leni Riefenstahls ist, jedoch in Kombination mit den zitierten Strukturelementen die ikonografische Nähe zu ihrem Bildprogramm zusätzlich befördert. Das inhaltlich verbindende Moment beider Fotografien ist die Fixierung auf den Körper. Wie die vorausgehende Analyse zeigen konnte, hat sich speziell die

und wird so gut wie möglich ausgeblendet. „[D]ie Kamera hält sich nicht an die Wirklichkeit von Zeit und Raum [...].“ Seeßlen, Blut und Glamour, S. 202. 54 Siegfried Kracauer: Von Caligari bis Hitler. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Films. Hamburg 1958, S. 168.

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Körperkonstruktion und -produktion des Riefenstahl’schen Bildrepertoires als fruchtbare Quelle für die Wiederbelebung durch die gleichfalls sehr körperorientierte Modefotografie erwiesen. „Twentieth century conventions of depicting masculinity and male fashion have drawn heavily on the [...] ideal images of male bodies captured by Leni Riefenstahl.“55 Riefenstahls Dogma einer Suche nach Schönheit, einer Schönheit der Oberfläche, ließe sich hier insofern nachvollziehen und bestätigen, als ihre ‚schönen‘ Körperbilder als leere, oberflächliche Hülle erscheinen, die auch in einem vermeintlich nicht-ideologischen Kontext der heutigen populären Kultur, wie den Veräußerlichungen der Modeindustrie, gut funktionieren. Jedoch ist diese Hülle nur scheinbar inhaltsleer, denn sie bietet ausschließlich Raum für die (Re-) Inszenierung von körperlicher Perfektion, Stärke und Überlegenheit und ist damit in höchstem Maße ideologisch. Alternative Körperkonzepte werden verunmöglicht. 5.1.3 Rammstein – Stripped Die Wiederbelebung von Riefenstahl-Ästhetik im Kontext der Pop-, genauer Musikkultur findet ihren ultimativen Kulminationspunkt in dem Videoclip Stripped der Band Rammstein. Rammsteins Coverversion des ursprünglichen Depeche-Mode Liedes wurde 1998 veröffentlicht und mit Ausschnitten aus Leni Riefenstahls monumentalem Olympia-Film Fest der Völker/Fest der Schönheit zur Berliner Olympiade von 1936 bebildert. Als Krönung der Riefenstahl’schen Pop-Renaissance kann das Musikvideo insbesondere deshalb gelten, weil es ausschließlich aus zusammengeschnittenen Sequenzen des Olympia-Films besteht und nahezu gänzlich ohne eine Veränderung oder Umwandlung des Ausgangsmaterials auszukommen scheint. Das Bemerkenswerte an Rammsteins Herangehensweise ist also zum einen die Tatsache, dass Originalaufnahmen gebraucht werden, und zum anderen der Umstand, dass diese – natürlich abgesehen davon, dass der Originalfilm durch den Schnitt auf die Kürze des knapp vierminütigen Musikvideos verdichtet wurde – auf den ersten Blick gewissermaßen eine reine Wiedergabe erfahren. Folglich wirkt die Bildebene von Stripped zunächst wie eine Zusammenfassung des Riefenstahl-Films. Freilich findet allein durch die

55 Jennifer Craik: Uniforms Exposed. The Proliferation of Uniforms in Popular Culture as Markers of Change and Identity. In: Gabriele Mentges, Dagmar Neuland-Kitzerow, Birgit Richard (Hrsg.): Uniformierungen in Bewegung. Vestimentäre Praktiken zwischen Vereinheitlichung, Kostümierung und Maskerade. Münster 2007, S. 37-55, hier S. 47.

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Kürzung und Auswahl der verwendeten Bildsequenzen sowie die von der TonBild-Korrespondenz geleitete (Re-)Montage des Materials unweigerlich eine Art von Bearbeitung und damit notwendigerweise auch eine Form der Umwandlung des Originals statt, diese bleibt jedoch, wie die nachfolgende Analyse zeigen wird, minimal und führt keineswegs zu einer substantiellen Bedeutungsverschiebung oder grundlegenden Veränderung der Sinndimension. Mehr noch erscheint Stripped, in seiner als Musikvideo zwangsläufig komprimierten Form, wie eine Essenz des Olympia-Films. Durch die lediglich minimalinvasiven Eingriffe in das Ausgangsmaterial wirkt Rammsteins Umgang mit dem Bildererbe Leni Riefenstahls beinahe sakrosankt. Sakrosankt insofern, als das Bestreben, die Bilder in ihrem Ursprungszustand wiederzuerwecken, eine Unverletzbarkeit des Materials, d.h. einen enormen Respekt vor dem Original zu implizieren scheint. Was Stripped von anderen popkulturellen Verweisen auf Riefenstahl unterscheidet, ist die Konsequenz, mit der sich ihrem Bildprogramm gewidmet wird. Die originalen Bilder Riefenstahls wieder aufleben zu lassen, bedeutet ein ganz anderes Ausmaß des Zitats, als etwa ihre Ästhetik für eigene Interpretationen, sprich für die Genese ‚neuer‘ Bilder zu nutzen. Im Sinne der Theorie des shifting image56 sei an dieser Stelle ein kurzer Vergleich des Musikvideos mit dem Albumcover Flesh and Blood der Band Roxy Music aus dem Jahr 1980 unternommen. Dieser Vergleich soll dazu dienen, die Besonderheit des bruchlosen Umgangs mit dem Bildprogramm Leni Riefenstahls, wie er in Stripped zu beobachten ist, herauszustellen. Im Gegensatz zu dem Roxy Music Cover, das zwei blonde, in identischen weißen Leibchen gekleidete Speerwerferinnen zeigt und damit lediglich auf Motivebene (obschon nicht unbedingt subtil, so dennoch einigermaßen chiffriert) ein Bildsujet des Olympia-Films zitiert, erscheint der Grad an Transformation in Rammsteins Musikvideo nahezu inexistent. Wenngleich der Transformationsgrad auch in der Covergestaltung von Flesh and Blood eher niedrigschwellig sein mag, findet über die Re-Inszenierung hinaus dennoch eine Umcodierung statt.

56 Zur Figur des shifting image siehe Kapitel 3.2.2.

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Abbildung 34: Roxy Music, Flesh and Blood

Während im Hinblick auf das Cover konstatiert werden kann, dass das Speerwerferinnen-Motiv aus dem Bildinventar von Olympia gewissermaßen zeitgenössisch übersetzt wird – die optische Aufmachung der Frauen entspricht deutlich dem Stilbild der 1980er Jahre – artikuliert sich in Rammsteins Video keine Form der Neuinterpretation oder Umdeutung, zumindest nicht in Form von Veränderung. Die Ästhetik Riefenstahls fungiert hier nicht etwa bloß als Vorbild für die eigene künstlerische Neugestaltung oder das Hervorbringen eigener Bildprodukte. Vielmehr erfahren die Originalbilder selbst, da sie in Rammsteins Musikvideoclip für sich stehen dürfen, eine ungebrochene respektive unveränderte Wiederherstellung. Mit Bezug auf Harun Farockis Anspruch „Man muss keine neuen [...] Bilder suchen, aber man muss die vorhandenen Bilder in einer Weise bearbeiten, dass sie neu werden“57 lässt sich urteilen, dass eben dies im Falle Rammsteins nicht geschieht. Zweifellos vollzieht sich durch die Überführung der Bilder in den Zusammenhang des Musikvideos eine Kontextverschiebung, jedoch bleibt zu untersuchen, inwieweit diese überhaupt Einfluss auf den Aussagegehalt der Bilder nimmt. Zwar werden die Riefenstahl-Aufnahmen in Stripped mit einer neuen Tonebene in Gestalt des Rammstein-Musikstückes versehen, klammert man die auditive Ebene als sekundäre Instanz jedoch aus, sind die Eingriffe in das Ausgangsmaterial marginal. Eben dies soll für eine erste Untersuchung des Videos geschehen und zunächst lediglich die visuelle Dimension betrachtet werden. Auf 57 Harun Farocki: Nachdruck/Imprint. Berlin, New York 2001, S. 27.

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die Ton- und Textebene soll im späteren Verlauf der Analyse noch eingegangen werden. Abbildung 35: Rammstein, Stripped (Screenshots)

Analog zum narrativen Ablauf des Olympia-Films selbst beginnt der Videoclip mit einer ruhigen Kamerafahrt durch die Ruinen der Athener Akropolis und überblendet diese mit Bildern antiker Statuen. Auszüge aus dem Prolog von Fest der Völker bilden also auch den Auftakt in Rammsteins Zusammenschnitt des Riefenstahl-Films. Die bedeutende Diskuswerfer-Sequenz, in der die griechische Plastik des Diskuswerfers von Myron in Gestalt des ‚echten‘ Leichtathleten förmlich lebendig zu werden scheint, wird auch in Stripped nicht ausgelassen. Als Schnittstelle zwischen dem statuesken Körperideal und dem ‚realen‘ Athletenkörper, in dem das Imago der Antike quasi seine übergangslose Fortsetzung in die Gegenwart findet, markiert diese Sequenz gleichfalls die Verbindung zu den anschließenden Sportler-Darstellungen. Dadurch wird eine bestimmte Lesart vorgegeben, die die Körper metaphysisch verorten und nobilitieren will. Die gestählten Sportler gewinnen in der Inszenierung Riefenstahls durch den Rückbezug auf die Antike eine bestimmte Dignität, sie erlangen überirdische und überzeitliche Qualitäten. Rammsteins Videomontage übernimmt dieses für die Riefenstahl’sche Körperrepräsentation in Olympia elementare Interpretationsmuster und macht es durch die Auswahl der verwendeten Bilder zum Grundprinzip von Stripped. Ebenso wie im Originalfilm schließen an diese Darstellung Aufnahmen von Athleten unterschiedlicher Disziplinen an: Speerwerfer, Kugelstoßer, Turner und sich mit tänzerischer Leichtigkeit bewegende Gymnastinnen werden in schneller Abfolge gezeigt. Die Schnittfrequenz wird hier dichter. Neben har-

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ten Schnitten ist vor allem ein häufiger Einsatz weicher Übergänge zu bemerken. In Stripped werden die für das Gestaltungsrepertoire Riefenstahls typischen Überblendungen und Zeitlupenaufnahmen übernommen, sodass die einzelnen Bilder fließend und gleichsam organisch ineinander übergehen. Durch das Schwarz-Weiß der Aufnahmen sowie den sehr prägnanten Einsatz von Licht und Schatten werden starke Hell-Dunkel-Kontraste erzeugt. Dies akzentuiert entweder die gleißende Glattheit der makellosen, beinahe unwirklich erscheinenden Hautoberflächen und modelliert die anatomischen Details wie Muskeln, Sehnen und Rippen oder lässt – durch das starke Gegenlicht – dunkle, mystisch aufgeladene Schattenrisse entstehen. Scheinbar mühelos und in Perfektion führen die Körper ihre Bewegungen aus. Keine Erscheinungen physischer Anstrengung sind sichtbar. Die muskulöse Plastizität der Figuren, insbesondere die der virilen Männerkörper, wirkt vital und erhaben. Auffallend ist, dass die meisten Athleten, die in der ersten Hälfe des Musikvideos zu sehen sind, nackt beziehungsweise nur mit einer Art Lendenschurz bekleidet sind. Zudem sind die Körper überwiegend von Natur umgeben. Den Hintergrund bilden dominant Aufnahmen des Himmels; lediglich am Bildrand ist gelegentlich Gras, Wasser oder eine dünenartige Struktur sichtbar. Nacktheit und Natur können gleichfalls als Elemente beschrieben werden, die der Körperpräsentation eine überzeitliche Bedeutung und Gültigkeit verleihen, da die Körper dadurch räumlicher und zeitlicher Verortung enthoben werden. Überhaupt erscheinen Kategorien wie Ort und Zeit hier obsolet. Es artikuliert sich der Wunsch nach archaischer Reinheit und Ursprünglichkeit. Analog zur originalen Vorlage folgen in Stripped Bilder des olympischen Feuers und Fackellaufes. Mit der Entzündung des Feuers im Stadion werden, allerdings sehr kurz, Tribünen und Zuschauer, ein Startpistolenschuss sowie Nationalflaggen und Nahaufnahmen der mit Kopfkränzen geschmückten Siegergesichter gezeigt. Dies sind die einzigen Sequenzen, die in der Bildauswahl des Rammstein Musikvideos unmittelbar auf den realen Kontext der Olympischen Spiele von 1936 hinweisen. Der Schwerpunkt der zweiten Hälfte des Musikvideos liegt erneut deutlich auf den Körperdarstellungen der Sportler. Auch hier sind es besonders die für die Formsprache Riefenstahls charakteristischen, zu einer Dekontextualisierung des Geschehens beitragenden Untersicht-Aufnahmen der Athleten vor einem Wolkenhintergrund, die in Stripped aneinandergereiht werden. So sind im weiteren Verlauf des Videoclips erneut Wettkampfszenen – der zeitlichen Abfolge von Olympia entsprechend nun aus dem zweiten Teil, Fest der Schönheit – zu sehen. Neben Bildern von sich in synchroner Vollendung bewegenden Gymnastinnen sowie kürzeren Einblendungen von Geräteturnern, Fechtern und Rude-

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rern, nimmt die berühmte Turmspringer-Sequenz besonders viel Raum ein. Das Turmspringen ist die letzte gezeigte Wettkampfdisziplin des Olympia-Films und bildet parallel dazu auch in Stripped den beeindruckenden Schlussteil der Körperdarstellungen. Durch die spezielle Kamera- und Montagetechnik Riefenstahls, ihre für die damalige Zeit bahnbrechenden Rückwärts-Aufnahmen und außergewöhnlichen Perspektiven, die die Springer aus ihrem Umfeld herauslösen und vermeintlich in der Luft verharren lassen, erscheint auch hier der Realitätsbezug verloren. Die Körper werden überirdisch entrückt. Die mit akrobatischer Virtuosität fliegenden Figuren scheinen der Gravitation zu trotzen. Physikalische Gesetze wirken wie ausgehebelt. „In diesen Bildern liegt Zauber, Magie, Übermenschlichkeit, Unwirklichkeit und Faszination.“58 Auf dem Turmspringen, als der berühmtesten Sequenz des Olympia-Films, liegt auch in Stripped ein besonderer Fokus. Die Aufnahmen werden proportional zu den anderen Sportdisziplinen länger eingeblendet und können gleichfalls als Höhepunkt des Rammstein’schen Zusammenschnitts beschrieben werden. Der Clip endet wie er begann: mit überblendeten Bildern der Akropolis. Auf der Bildebene wirkt das Musikvideo wie ein Kondensat des OlympiaFilms respektive seiner Konstruktion idealer Körperlichkeit. Der Hauptaugenmerk des Clips liegt auf den Aufnahmen selbstbeherrschter und erhabener Athleten. Rammsteins Stripped erliegt der Faszination dieser Inszenierung von Kraft und Stärke und scheint Riefenstahls Huldigung gestählter Körper sogar noch konzentrieren zu wollen, indem besonders signifikante Körperdarstellungen ausgewählt und verdichtet werden. Die ausgewählten Bildsequenzen werden dem Original entsprechend chronologisch wiedergegeben. Obwohl das Musikvideo somit auf den ersten Blick schlicht eine Kurzfassung des Riefenstahl-Films zu sein scheint, sind im Bezug auf die Neumontage der originalen Vorlage zwei Auslassungen zu berücksichtigen, die jedoch zu keiner formalen oder inhaltlichen Umdeutung führen, sondern vielmehr ganz im Sinne Leni Riefenstahls sein müssten und Ihre Ästhetik fast schon logisch weiterführen: Auffällig ist zum einen, dass der reale Kontext der Olympischen Spiele in dem Musikvideo bis auf wenige Ausnahmen gänzlich ausgeblendet wird. Die im Olympia-Film enthaltenen Bilder der Eröffnungsfeier oder des Olympischen Dorfes werden in Stripped vollständig ausgelassen. Wettkampfsituationen oder Sportgeräte werden nur marginal miteinbezogen; die Umgebung des Stadions und des olympischen Geschehens generell wird, bis auf die oben beschriebenen kurzen Einblendungen, weitestgehend nicht gezeigt. Zum anderen fehlen jegliche Verweise auf das faschistische Deutschland. Stellt K. Ludwig Pfeiffer im Bezug auf Riefenstahls

58 Grote, S. 210.

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Olympia fest, dass „das politisch-ideologische Umfeld [...] im Film, nicht zuletzt durch die anwesenden Nazi-Größen, Fahnen usw. selbst, unverkennbar [ist]“59, lässt sich im Hinblick auf Stripped konstatieren, dass gleichsam minutiös darauf geachtet wurde, dezidiert nazistische Symbole, etwa Hakenkreuze und andere Bedeutungsträger, aus dem ursprünglichen Filmmaterial herauszulösen. Spricht Riefenstahl selbst davon, sich in ihrer Arbeit gegen die Notwendigkeit entschieden zu haben, „all das hineinzunehmen, was nach dokumentarischen Richtlinien gezeigt werden müsste“ und „die Bilder nicht nach sportlichen oder dokumentarischen Gesichtspunkten ausgewählt und zusammengestellt“ zu haben, sondern „in erster Linie nach ihrer Schönheit“60, so lässt sich Stripped als konsequente Fortführung, fast Übersteigerung dieser Ideen begreifen. In Riefenstahls selbstentschuldendem Schönheitspostulat artikuliert sich das Bestreben, faschistisch durchwirkte Bilder entnazifizieren zu wollen. Auch in ihrer formal-ästhetischen Bildsprache selbst lässt sich dies feststellen. Sie enthebt die nazistischen Körperideale aus ihrer räumlichen und zeitlichen Verortung (z.B. durch die LowAngle-Aufnahmen der Athleten vor einem Wolkenhintergrund) und verleiht ihnen damit überzeitliche Gültigkeit. Rammsteins Stripped setzt ebendieses Prinzip logisch fort. Sie dekontextualisieren Riefenstahls faschistische Bilder erneut, gehen sogar noch einen Schritt weiter und lösen den Entstehungskontext der Bilder sowie jegliche Verweise auf den ideologischen Bezugsrahmen, aus dem das propagierte Körperideal ursprünglich stammt, komplett heraus. Was bei der Betrachtung von Rammsteins Musikvideo bleibt, ist die reine Huldigung des gestählten Leibes, seiner unerschütterlichen Härte, Anmut und heroischen Makellosigkeit, die in die Nähe des Göttlichen gerückt wird. Stripped übersteigert Riefenstahls Schaulust, ihr Begehren des idealen, vollendeten, schönen Körpers; es ist das Konzentrat ihres Körperfetischismus. Manifestiert sich in der Körperdarstellung selbst, ergo in der Repräsentation von Kraft, Stärke und körperlicher Vollkommenheit und dem impliziten Ausblenden von Schwäche, Krankheit und Gebrochenheit, das nazistische Ideal, so bedeutet ein Herauslösen dieses Ideals aus seinem ideologischen Kontext, dass dieses eine Verlängerung in die Gegenwart erfährt respektive dem Ideal eine ungebrochene, (post-)nazistische Gültigkeit zugesprochen wird. „Das Hakenkreuz in einem Kontext einzusetzen, der von jeglichem rechten Hintergrund frei ist, bezeichnet etwas völlig anderes, als

59 K. Ludwig Pfeiffer: Sport – Ästhetik – Ideologie. Riefenstahls Olympia-Filme. In: Markwart Herzog, Mario Leis (Hrsg.): Kunst und Ästhetik im Werk Leni Riefenstahls. München 2011, S. 83-96, hier S. 83. 60 Leni Riefenstahl: Vorwort. In: Dies., Monique Berlioux, Kevin Brownlow: Olympia. Dokumentation zum Olympia-Film. Köln 2002, S. 9.

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das Hakenkreuz im Rahmen einer rechten Ästhetik verschwinden zu lassen.“61 Das Hakenkreuz oder sonstige Elemente, die auf den politisch-historischen Zusammenhang des Nationalsozialismus verweisen, aus dem Olympia-Film herauszuschneiden, wie es in Stripped geschieht, führt im ersten Schritt zu einer Entkontextualisierung und im zweiten Schritt zu einer Fortführung faschistischer Ästhetik, denn ihr wird damit ein zeit- und ideologieunabhängiger Reiz und Wert zugesprochen. Wird nun die auditive Ebene für eine weitere Analyse von Stripped hinzugezogen, so stellt sich die Frage, ob und inwieweit Ton und Text von Rammstein einen Einfluss auf die – visuell zumindest ungebrochen wiederbelebten – Riefenstahl-Bilder ausüben. Wie lassen sich die Bilder innerhalb der Neukontextualisierung durch Ton und Text verstehen und werden sie durch die auditive Neukonstruktion auch mit etwaigen neuen Bedeutungen oder Assoziationen ausgestattet? Der Text des Liedes beschreibt im Wesentlichen eine eskapistische Phantasie („Take my hand, come back to the land, let’s get away“). Die Sprechinstanz richtet ihr Begehren unmittelbar an einen in der zweiten Person angesprochenen Adressaten. Es wird eine Flucht aus der Zivilisation, hin zu einem ursprünglichen, natürlichen Ort, umgeben von Bäumen und Gras, imaginiert („Come with me into the trees, we’ll lay on the grass“). Die idealisierte Naturlandschaft, der locus amoenus, reicht als Topos zurück bis in die Antike62 und weist damit bereits eine starke inhaltliche Verbindung zu den Riefenstahl’schen Bildideen auf. Ihre Visualisierung der Athletenkörper in Referenz auf griechische Statuen greift gleichfalls auf ein antikes Idealbild zurück. Das dem Liedtext zugrunde liegende Motiv einer Rückwendung zur Natur lässt sich auch in der visuellen Körperrepräsentation Riefenstahls finden. Durch die von Riefenstahl häufig gewählte Naturkulisse, ohne Verweise auf Zeit- und Ortgebundenheit, werden die präsentierten Körper, wie die vorausgehende Untersuchung des Videos zeigte, ins Überzeitliche und Transzivilisatorische entrückt. Die Natur versinnbildlicht auch hier eine archaische Urgestalt, in dessen Tradition die nackten, puren und damit unmarkierten Körper verortet werden. Damit fügt sich das für das Musikvideo ausgewählte Riefenstahl-Bildmaterial

61 Büsser, Wie klingt die Neue Mitte, S. 23. 62 Vgl. Moritz Baßler: Rammsteins Cover-Version von Stripped – Eine Fallstudie zur deutschen Markierung angelsächsischer Popmusik. In: Eric Achermann, Guido Naschert (Hrsg.): Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes. Songs. Jahrgang 52, Heft 2. Bielefeld 2005, S. 218-232, hier S. 224.

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nahtlos ein in das durch den Text vorgegebene Narrativ natürlicher Ursprünglichkeit. Sowohl Text als auch Bild bedienen den Wunsch nach einer originären, verloren geglaubten Eigentlichkeit beziehungsweise die Sehnsucht nach urtümlicher Reinheit. Nacktheit als eine „Metapher von Reinheit“63 und Sinnbild für natürliche Ursprünglichkeit kann als ein tragendes Element dieser Imagination beschreiben werden und findet sich auf Textebene im Refrain des Liedes („Let me see you stripped“) und auf Bildebene in Gestalt der nackten Athleten. Die Erneuerungsphantasie, die der Wunsch nach Reinheit impliziert, wird visuell besonders treffend übersetzt in der Sequenz der Wiedergeburt des Diskuswerfers aus der antiken Statue. Der antimoderne Gestus des Liedtexts suggeriert, dass das Genuine und Authentische durch die Zivilisation verdrängt wurde und mündet in eine simplifizierende Kritik der Medienkultur („Let me hear you make decisions without your television“). Zivilisationsflucht und der Rekurs auf das Natürliche scheinen die einzige Erlösung zu bieten. Ebendieses Natürliche wird in dem Musikvideo zu Stripped personifiziert durch die archaischen, gesunden, kraftvoll-schönen Körper. „The video suggests that abandoning civilisation and its artifacts results in exuberance, strength and beauty.“64 Der Text der Rammstein-Version entspricht weitestgehend seinem Vorbild von Depeche Mode. Dennoch sind zwei Änderungen zu bemerken, die insbesondere mit Blick auf das verwendete Bildmaterial bedeutsam erscheinen. Aus der originalen Textzeile des Chorus „Let me see you stripped down to the bone“ wird in Rammsteins Übernahme schlicht „Let me see you stripped“. Dies führt zu einer grundlegenden Bedeutungsänderung: Während Ersteres eher eine gefühlsbetonte Form der Entblößung im Sinne einer Offenbarung des Wesens meint, wird diese Bedeutung in der Rammstein-Version auf den einfachen Akt des Entkleidens verkürzt. Ein Prozess, der eigentlich auf Innerlichkeit bezogen war, wird auf die Haut und damit die Oberfläche transportiert. Ein Inneres, ein Wesen scheinen die Riefenstahl-Körper ohnehin nicht zu besitzen. Als lebendig gewordene Statuen erscheinen sie in der oberflächenfixierten RiefenstahlInszenierung vielmehr kalt und unmenschlich. Ein emotionales ‚Ausziehen‘ im Sinne der Depeche-Mode Textzeile impliziert eine Sensibilität und Verletzlichkeit, die augenscheinlich nicht in Verbindung mit den unerschütterlichen Riefenstahl-Körpern zu bringen ist und folglich auf das Moment körperlichen Auszie-

63 Wildmann, S. 42. 64 Valerie Weinstein: Reading Rammstein, Remembering Riefenstahl: „Fascist Aesthetics“ and German Popular Culture. In: Neil Christian Pages, Mary Rhiel, Ingeborg Majer-O’Sickey (Hrsg.): Riefenstahl Screened. An Anthology of New Criticism. New York 2008, S. 130-148, hier S. 136.

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hens reduziert werden musste. Trotzdem wirken die nackten Leiber nie tatsächlich nackt. Das Muskelkostüm, der Muskelpanzer, wirkt wie ein Schutzschild und verriegelt den Körper zu einem geschlossenen Ganzen. Auch die zweite Auslassung des Rammstein Liedtextes unterstützt diese Lesart. Die Formulierung „Let me hear you crying just for me“ entfällt in der Rammstein-Version. Der heroische-gestählte, harte und makellose Körper, wie ihn Riefenstahl imaginiert, weint nicht. Er ist eisern, stolz aufgerichtet und trotz seiner vermeintlichen Blöße keineswegs verwundbar. Rammsteins musikalische und vor allem gesangliche Umsetzung des Depeche Mode Liedes ist entsprechend geprägt von harten Klängen, rohen Gitarrenriffs und einer insgesamt sehr brachialen Akustik. Besonders der eindringliche, tiefe Klang der Stimme Till Lindemanns und die prosodischen Eigenschaften seines Gesangs verleihen der musikalischen Darbietung von Stripped einen harten und martialischen Charakter. Insbesondere der ostentativ deutsche Akzent in der Aussprache des englischen Liedtextes und das in Lindemanns Sprechgesang emphatisch betonte rollende R, als markantes ‚teutonenhaftes‘ Lautbild, verleihen der auditiven Ebene eine diffus-faschistoide Konnotation. Passend dazu bemerkt Don DeLillo in seinem Roman White Noise: „There’s something about German names, the German language [...]. I don’t know what it is exactly. It’s just there. In the middle of it all is Hitler, of course.“65 In diesem Zitat wird die nazistische Infiltrierung der deutschen Sprache überdeutlich. Die performativen Komponenten des Gesangs von Till Lindemann unterstreichen somit die archaische, dezidiert deutsche Gesamtästhetik der Inszenierung von Stripped. Ebenjene eindeutig deutsche Markierung der Band, das Kultivieren eines gezielt deutschen Images und Erfüllen von Erwartungen an ihr ‚Deutsch-Sein‘, besonders im Hinblick auf ihre internationale Wahrnehmung, durchzieht des gesamte Ausdrucksrepertoire der Band. Ihre „Germanness“66 kulminiert folglich in dem Spiel mit Riefenstahls proto-faschistischer Ästhetik. Als Inkarnation des „archaischen, deutschen Bösen“67 feiern sie das Riefenstahl’sche faschistische Pop-Spektakel. Rammstein und Riefenstahl als das Ewig-Deutsche.

65 Don DeLillo: White Noise. New York 1986, S. 63. 66 Poschardt, S. 58. 67 Stephan Lindke: „Der Tabubruch von heute ist der Mainstream von morgen“. Die „Neue Deutsche Härte“ als ästhetisches Spiegelbild der wiedererstarkten Nation. In: Andreas Speit (Hrsg.): Ästhetische Mobilmachung. Dark Wave, Neofolk und Industrial im Spannungsfeld rechter Ideologien. Hamburg/ Münster 2002, S. 231-266, hier S. 234.

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Im Bezug auf die Körperdarstellung selbst lassen sich offenkundige Parallelen zwischen Riefenstahls Huldigung des gestählten Leibes und Rammsteins allgemein hypermaskuliner Pose ziehen. In ihrem Auftreten, ihren Bühnenperformances und der optischen Aufmachung produzieren sie unentwegt pathetische Gesten der Männlichkeit, Kraft und Härte. Diese Körperinszenierung ist es, aus der sich ihr faschistoid wirkender Habitus maßgeblich speist. Unweigerlich schreiben sie mit ihrer Betonung von Stärke und Unerschütterlichkeit nazistische Körperimperative fort. Momente der Schwäche und Gebrochenheit finden nicht statt. Die gesunden und vollkommenen Körperbilder Leni Riefenstahls fügen sich nahtlos und homolog in das archaische, faschistoid-virile Gebaren der Band ein. Der direkte Bezug auf Riefenstahls Körper, wie er in Stripped stattfindet, erscheint nur als letzte, logische Konsequenz ihrer hypermaskulinen Gesamtästhetik. 5.1.4 Hurts – In Unserm Herzen In der visuellen Inszenierung der britischen Band Hurts lässt sich ein vergleichsweise subtiler und chiffrierter Gebrauch Riefenstahl’scher Formsprache beobachten. Besonders deutlich lässt sich dies am Beispiel der Covergestaltung von In Unserm Herzen – Songs Loved by Hurts exemplifizieren. Dabei handelt es sich um ein im Jahr 2010 erschienenes Mixtape mit bekannten Popsongs, das über den Online-Versandhändler Amazon vertrieben wurde. Ein ‚Bastelset‘ für die selbstständige Gestaltung der Cover und Inlays wurde von dem Internethandel ebenfalls als Download bereitgestellt.68 Das in schwarz-weiß gehaltene Cover zeigt aus einer leichten Untersicht die beiden Mitglieder der Band Hurts. Sie stehen sich orthogonal gegenüber; Körperhaltung und Blick sind damit voneinander abgewandt beziehungsweise starr geradeaus gerichtet. Einer der Männer ist in etwa bis zu seinen Oberschenkeln, der andere hüftaufwärts abgebildet. Dadurch wird der Eindruck erweckt, als stünde der im Bildausschnitt rechts Positionierte auf einer Art Treppenstufe ähnlich eines Siegerpodests und damit etwas höher als sein Gegenüber im linken Bildrand. Die Kleidung der Männer kann als vereinheitlicht beschrieben werden; sie tragen jeweils schwarze Hosen und ein schlichtes, weißes, langärmliges

68 Siehe Amazon.de: Hurts – Exklusives Amazon MP3-Mixtape „Songs in unserem Herzen“, http://www.amazon.de/gp/feature.html/ref=amb_link_157998847_1?ie=UT F8&docId=1000450193&pf_rd_m=A3JWKAKR8XB7XF&pf_rd_s=center-4&pf_rd_ r=0ZKWCJ6TPGX0JNXJ13AF&pf_rd_t=1401&pf_rd_p=216866827&pf_rd_i=1000 433503 (zuletzt aufgerufen am 03.05.2013).

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Hemd respektive T-Shirt. Auch die akkuraten, nahezu penibel frisierten Kurzhaarschnitte erscheinen fast identisch. Den Hintergrund bildet eine zunächst nicht näher definierbare, grau melierte Fläche. Die Schwarz-Weiß-Fotografie wird in der Covergestaltung dominant von dem Albumtitel überlagert. Die Typografie der Aufschrift In Unserm Herzen – Songs Loved by ähnelt einer handschriftlichen Notiz, während der darunter stehende Bandname Hurts – in seiner dem Logo der Band entsprechenden Serifenschrift – in Versalien gedruckt ist. Abbildung 36: Hurts, In Unserm Herzen

Obgleich die Verwendung offenkundig nazistischer Symbolik in diesem Beispiel ausbleibt, ist dennoch eine flagrante Wiederbelebung faschistoiden Bildprogramms zu konstatieren. Diese vollzieht sich auf mehreren Ebenen: Die optische Aufmachung der beiden Musiker, deren Erscheinungsbild im Allgemeinen an die Mode der 1930er und 40er Jahre erinnert69, ist auch auf dem Albumcover von In Unserm Herzen anschlussfähig an den Stil jener Zeit: Gestärkte, hochgeschlossene Hemden und pedantisch gescheitelte Frisuren, die an die Haarschnitte der Hitlerjugend erinnern, wecken zweifellos Assoziationen zu körperlichen Repräsentationsformen und vestimentären Codes im Nationalsozialismus. Ebenjene stilistische Anlehnung an die 1930er und 40er Jahre findet sich auch in musikalischen Spielarten des New Wave der späten 1970er bis 80er Jahre wieder, sodass 69 So wird beispielsweise auch in dem Musikvideo Stay mit entsprechenden vestimentären Chiffren operiert. Siehe Hurts: Stay, http://www.youtube.com/watch?v=4s8zr2 PhzYs (zuletzt aufgerufen am 16.05.2013).

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angenommen werden kann, dass Hurts visuell auch an musikalische Vorbilder wie Joy Division, die ihrerseits faschistoide Ästhetik zitieren, anknüpfen. Die klaren Formen und Linien der Kleidung weisen eine geometrische, kosmetisierte Strenge auf; peinliche Sauberkeit, akribische Ordnung und Genauigkeit lassen sich hier ebenso ablesen wie der optische Eindruck von Gleichheit und Einheit. Ähnlich einer Uniformierung tritt Individualität zugunsten des lancierten Bildes von Homogenität und Geschlossenheit in den Hintergrund. Auch die gleichsam ostentative Schlichtheit der Garderobe erscheint kompatibel mit Kleidungsparadigmen des NS: „Der Verzicht auf schmückende Elemente lag ganz im Sinne der NS-Ideologen.“70 „Schlichtheit, Klarheit und Natürlichkeit“ galten als Ideal, „[d]as Schmücken der Kleidung war nur sehr beschränkt und in angemessenen Grenzen erlaubt, allzu großes Herausputzen verpönt“71. Neben den Nazi-Atavismen, die sich in der Kleidung sowie optischen Aufmachung der beiden Musiker manifestieren, ist die gezeigte Szenerie in ihrer Gesamtkomposition durchtränkt von faschistoider Ästhetik. Der Bildaufbau ist von einer demonstrativen Stasis geprägt. Der Mensch, zu einem beinahe statuenhaften Objekt eingefroren, fügt sich homolog in die strenge Architektur der Gesamtdarstellung ein. Jene depersonalisierende Objekthaftigkeit, die „Umformung von Menschen zu Objekten“72, wird von Susan Sontag als Signatur faschistischer Choreografie, die „zwischen pausenloser Bewegung und erstarrten, statischen, ‚virilen’ Posen [variiert]“73, beschrieben. Der feste Stand und die aufrechte, gleichsam soldatische Haltung der Figuren suggerieren Stärke, Zucht und Disziplin; der zielstrebige Blick, der unbeirrt und fast hypnotisch in die Ferne bzw. ins Leere gerichtet ist, wirkt entschlossen und unbeugsam. Die leichte Untersicht evoziert ein Gefühl von Erhabenheit und Stolz. Ebenjenes gestalterische Mittel der Untersicht zur Herstellung eines heroischen Gestus wird auch als eines der tragenden Strukturelemente der Kameraführung in Leni Riefenstahls Propagandafilmen verstanden.74 Damit weist die Coverfotografie der Band Hurts durch die prägnante Perspektivierung eine ikonografische Nähe zu Low-AngleAufnahmen junger Soldaten in Triumph des Willens beziehungsweise zu Bildern von Athleten im Olympia-Film Fest der Völker/Fest der Schönheit auf – mehr

70 Gloria Sultano: Wie geistiges Kokain... Mode unterm Hakenkreuz. Wien 1995, S. 50. 71 Ebd., S. 60. 72 Sontag, Faszinierender Faschismus, S. 113. 73 Ebd. 74 Siehe dazu Kristina Oberwinter: Bewegende Bilder: Repräsentation und Produktion von Emotionen in Leni Riefenstahls „Triumph des Willens“. München 2007, S. 158 und Schaub, S. 60.

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noch wirkt die Fotografie der Musiker formalästhetisch geradezu wie ein Standbild aus den Riefenstahl’schen Filmprodukten. Das in den Filmen generierte Ideal des geschlossenen, stolz aufgerichteten männlichen Körpers findet sich auch in der Körperperformanz von Hurts wieder. Riefenstahls statueske Körperbilder werden hier deutlich reproduziert. Die Uniformität und Gleichschaltung der Physis der beiden Männer entspricht ebenfalls der Entindividualisierungstendenz in Triumph des Willens und dem Olympia-Film. Maßgeblich mitgetragen wird dieser Eindruck durch das signifikante Schwarz-Weiß der Aufnahme, das sich auf formaler Ebene mit dem Bildprogramm Leni Riefenstahls deckt. Wenngleich das Schwarz-Weiß kein Alleinstellungsmerkmal ihrer Formsprache ist, sondern allgemein auf eine Historizität verweist, so kann die Entscheidung, das Cover von In Unserm Herzen in Schwarz-Weiß zu halten, vor allem im Hinblick auf die parallel dazu gewählte Perspektivierung und Darstellung von Körperlichkeit, dennoch als gezieltes Beleihen der Riefenstahl’schen Ästhetik verstanden werden. Die Positionierung der beiden Körper erweckt den Eindruck, als stünden sie auf einer Art Podest oder Siegertreppe und erinnert folglich – insbesondere auch durch den triumphalen und geradlinigen Blick der Männer – an entsprechende Bilder der Siegerehrung aus Riefenstahls Olympia-Film. Der Hintergrund, vor dem die beiden Protagonisten platziert sind, lässt eine großflächige steinerne Wand oder Mauer vermuten. Die in Graustufen marmorierte Fläche deutet – obschon sehr ausschnitthaft – eine monumentale Architektur an und kann damit als ein diffuser Verweis auf NS-Bauten gelesen werden. Als „Wort aus Stein“75 galt die Architektur als ein wirkungsvolles Instrument nationalsozialistischer symbolischer Machtausübung, das die ideologischen Grundsätze des NS ästhetisch transformieren und vor allem seinen beschworenen Ewigkeitswert verkörpern sollte. Es galt „ein genuin politisches Verständnis von Architektur“76. Die performative Funktion der Repräsentationsbauten bestand in der Versinnbildlichung von Herrschaft und Unerschütterlichkeit; die Überdimensionalität sollte rezeptionsästhetisch zur Unterwerfung zwingen. Das monumentale Moment wird in dem hier analysierten Albumcover – obschon es ein entsprechendes Bauwerk lediglich erahnen lässt – dadurch hergestellt, dass

75 Siehe Tilman Harlander, Wolfram Pyta: NS-Architektur: Macht und Symbolpolitik. Eine Einführung. In: Dies. (Hrsg.): NS-Architektur: Macht und Symbolpolitik. Berlin 2010, S. 7-20, hier S. 9-10. 76 Christoph Raichle: Symbolische Macht durch Architektur. Nähe und Ferne in Hitlers Monumentalbauten. In: Tilman Harlander, Wolfram Pyta (Hrsg.): NS-Architektur: Macht und Symbolpolitik. Berlin 2010, S. 21-36, hier S. 21.

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die Hintergrundfläche über den Bildrand hinausweist und somit ein Gefühl enormer Größe und Weite erzeugt. Gleichwohl der Gebrauch faschistoider Bildästhetik sich, wie vorausgehend beschrieben, auf einer durchaus subtilen Ebene entfaltet, konnte dennoch aufgezeigt werden, dass die Covergestaltung nahezu die gesamte Klaviatur nazistischen Begriffsinventars visuell bedient: Erhabenheit, Überlegenheit, Ordnung, Disziplin und Einheit werden hier bildlich übersetzt und damit insbesondere die Riefenstahl’schen Inszenierungsparadigmen aufgegriffen. All diese Verweise kulminieren in dem deutschen Titel In Unserm Herzen, der für das Album einer britischen Band, die ausschließlich englischsprachige Musik produziert, zunächst ungewöhnlich erscheint. Die Wahl überrascht jedoch nicht, fügt sich der Bezug auf das Deutsche doch homolog in die dargebotene Bildperformanz ein. Dies spricht schließlich für die Prägnanz der hier zitierten Ästhetik und Formsprache, die in letzter Konsequenz auch auf den Namen des Albums übertragen werden beziehungsweise in dem Titel seine sprachliche Fortführung finden musste. Das Albumcover In Unserm Herzen – Songs Loved by Hurts ist ein mustergültiges Beispiel dafür, wie inszenatorische Elemente des nazistischen Ausdrucksapparates und insbesondere der Ästhetik Leni Riefenstahls bruchlos in den Bilderpool der heutigen visuellen Kultur aufgenommen wurden und dort – ihres ursprünglichen narrativen Kontextes sowie aller ideologischen Implikationen entleert und auf die rein ästhetische Hülle reduziert – ihre Fortführung finden.

5.2 N ATUR -

UND

H EIMATBILDER

5.2.1 Heimat als faschistoid durchwirktes Imago In der englischen Übersetzung erschien Anton Kaes Untersuchung Deutschlandbilder unter dem bezeichnenden Titel From Hitler to Heimat77. Das plakative Nebeneinander der Wörter Hitler und Heimat im Titel des Buches – einer Analyse der NS-Geschichtsrezeption deutscher Filmschaffender – soll hier zunächst dazu dienen, den nazistischen Konnex des Terminus Heimat aufzuzeigen. Der Begriff wirkt archaisch und unweigerlich faschistoid infiltriert. Ausgehend davon eröffnen sich weitere Vokabeln wie ‚Volk‘, ‚Nation‘ oder ‚Vaterland‘, die gleichfalls an den Sprachgebrauch im Nationalsozialismus anschließen und so-

77 Anton Kaes: From Hitler to Heimat – the return of history as film. Cambridge 1989.

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mit unter anderem auf diesen Kontext verweisen. Die Betrachtung nationalsozialistischer Ideen und Entwürfe von Heimat verlangt jedoch eingangs nach einer begrifflichen Klärung und grundsätzlichen diskursiven Bestimmung des Konzepts Heimat. Heimat ist zunächst eine Zuweisung, die emotional und biographisch aufgeladen ist und damit auf der einen Seite individuell und subjektiv, auf der anderen kollektiv und gesellschaftlich verhandelt wird. In beiden Fällen ist Heimat eine Projektionsfläche für Identifikation, stiftet Zugehörigkeit und entspringt einem Bedürfnis nach territorialer Zuordnung und Herkunftsbindung. Der Begriff Heimat ist der gängige Topos, mit dem raumbezogene, kollektive Identität umschrieben wird; er fungiert somit auch als Ästhetisierung eines nationalen oder ‚völkischen‘ Raumes und bindet den Einzelnen an eine räumlich-territorial definierte Gemeinschaft. Als biologistische, da naturalisierende Metapher ist sie ein Vehikel für die Abgrenzung des ‚Eigenen‘ gegenüber dem ‚Anderen‘. Sie hat damit einen großen Einfluss auf die Subjektkonstitution und Konstruktion von Demarkationslinien. Heimat-Figurationen stellen normative Ordnungen her beziehungsweise stabilisieren diese, bieten soziale Orientierung und prägen das Selbstverständnis des Subjekts gegenüber der wahrgenommenen Außenwelt. Das Gefühl von Heimat entsteht dann, wenn eine Konvergenz zwischen dem physischen Ort und dem Selbst wahrgenommen wird. 78 Zur Heimat gehört „notwendig die Imagination. Die [...] Bestimmung des Wortes Heimat überschreitet das Faktische“79. Auch Diedrich Diederichsen bezeichnet Heimat als „eine Fiktion, die eine bestimmte Funktion erfüllt“80 und betont infolgedessen die politische Tragweite des Begriffs. Heimat ist insofern eine fiktive Chiffre, da sie mit Bezug auf eine imaginierte, spezifisch historische, kulturelle oder geographische Prägung die eigene Legitimität pseudo-rational begründet und somit ihren konstruktivistischen Charakter verschleiert. Das utopische Phantasma

78 Vgl. Peter Sloterdijk: Globen. Frankfurt am Main 1999, S. 997. 79 Bernd Hüppauf: Heimat – Die Wiederkehr eines verpönten Wortes. Ein Populärmythos im Zeitalter der Globalisierung. In: Gunther Gebhard, Oliver Geisler, Steffen Schröter (Hrsg.): Heimat. Konturen und Konjunkturen eines umstrittenen Konzepts. Bielefeld 2007, S. 109-140, hier S. 112. 80 Diedrich Diederichsen: Verfügbarkeit, Geschichtlichkeit, Heilmittel: Heimatbegriffe in Film, Fernsehen und anderen Realitäten. In: Michael André, Gualtiero Zambonini (Hrsg.): Plötzlich so viel Heimat! Identität im Wandel in Film, Kultur und Gesellschaft. Köln 2011, S. 9-17, hier S. 10.

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Heimat wird als scheinbar ‚natürlich‘ installiert. Seine Funktion besteht in einem Distinktionsgewinn und der somit entstehenden Identitätspolitik.81 Das Imago Heimat ist dabei hochgradig symbolisch aufgeladen. Anhand filmischer Darstellungen lassen sich bestimmte Abbildungskonventionen, etablierte Inszenierungsschemata und Motiviken besonders deutlich exemplifizieren. Der Topos Heimat hat innerhalb der deutschen Filmgeschichte eine lange und äußerst ambivalente Tradition – von den Bergfilmen Arnold Francks und Luis Trenkers der 1920er und 30er Jahre über die ideologisch durchwirkten Heimatfilmproduktionen des Nationalsozialismus bis hin zu Nachkriegsfilmen wie den Heide-, Schwarzwald- und Alpenmelodramen der 1950er und 60er Jahre82: Gemeinsam ist ihnen zum einen die Bestimmung von Heimat als regressiven Fluchtpunkt und zum anderen die Verortung von Heimat in Naturlandschaften. Heimatliche Affekte werden untrennbar an bestimmte ideallandschaftliche Gegebenheiten gekoppelt. „Heimat ist also in erster Linie Natur; immer, wenn im Heimatfilm Natur zu sehen ist, dann ist diese Natur [...] gleichbedeutend mit Heimat.“83 Somit werden im Heimatfilm die Begriffe Natur und Heimat zu Synonymen. Die kulturellen Codes und Icons, mit denen Heimat assoziiert wird, haben bis heute ihre Gültigkeit nicht verloren, wie die konventionalisierten Darstellungsmodi im modernen, zeitgenössischen Heimatfilm beweisen: Unberührte, archaische Landschaften, pittoreske Berge und Wälder sind immer noch der Schauplatz für eskapistische Phantasien, Identitätssuchen und sehnsuchtsvollnostalgische Traditionsbewahrung. Zur politischen Tragweite von Landschaftsdarstellungen bemerkt Martin Warnke, dass die Landschaft „[...] eine Fülle von Projektionsmöglichkeiten bereit[stellt], die dann in Anspruch genommen werden, wenn etwas Außergewöhnliches einen Ausdruck, eine Bestätigung oder eine Entlastung sucht“84. Im Hinblick auf den Heimatfilm ist auffällig, dass speziell Naturräume die Rückbesinnung auf das Ursprüngliche – und damit das Heimatliche schlechthin – zulassen. Der reaktionäre, antimoderne Gestus artikuliert sich beispielhaft in gängigen Narrativen, wie der blasierten Großstädterin, die, gänzlich urbanisiert, als ‚Fremdkörper‘ in das zurückgelassene ländliche Idyll

81 Vgl. Ebd. 82 Vgl. Manuela Fiedler: Heimat im deutschen Film – ein Mythos zwischen Regression und Utopie. Coppengrave 1995, S. 2. 83 Hans Krah, Jörg Wiesel: „Volksmusik“ und (Volks-)Gemeinschaft. Eine unheimliche Beziehung. In: Hans Krah (Hrsg.): Geschichte(n). NS-Film – NS-Geschichten heute. Kiel 2000, S. 123-174, hier S. 156. 84 Martin Warnke: Politische Landschaft. Zur Kunstgeschichte der Natur. München 1992, S. 116.

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ihrer Kindheit einkehrt.85 Die Figur der entwurzelten, unnatürlichen Frau dient hier als ‚exotische‘ Antipode zur natürlichen, Authentizität versprechenden Heimatkulisse. Nur die Naturlandschaft kann solche Szenarien visuell geeignet übersetzen. Heimatbilder werden zu idealisierten Rückzugsorten und dienen als Mittel gegen Zustände der Künstlichkeit und Fremdheit. Sie verkörpern das Ideal einer – in dieser Form nie existenten – verloren geglaubten Ursprünglichkeit. In der Natur finden Ursprungsmythen ihre bildlich-symbolische Entsprechung. Emotional besetzt und symbolisch überhöht wurde der Heimatbegriff im Nationalsozialismus hochgradig propagandistisch verwertet. Mit seinen politischideologischen Implikationen war der Bezug auf räumlich-territoriale Verortungen eine geeignete Denkfigur für Vorstellungen einer völkischen Zugehörigkeit und damit die Grundlage für den ‚Blut-und-Boden‘ Impuls der NS-Ideologie. Der ‚Heimatboden‘ als Lebensraum für das Volk wurde ideologisch überfrachtet und ins Extrem gesteigert. ‚Boden‘ meint die konkrete landschaftliche Gegebenheit eines Ortes, die mit dem ‚Blut‘ einer bestimmten völkischen Rasse gleichsam als organische Einheit, als feste Entität unlösbar zusammengewachsen ist und somit als eine Art Naturkonstante vorliegt.86 Natur und Landschaft dienten dabei zum einen als Kulisse und zum anderen als physische Manifestation des völkischen Identitätsglaubens. Sie wurden zum Spiegel eines völkisch begründeten Kulturdiskurses. Im Nationalsozialismus wurden Topoi wie Natur und Wald und der Schutz selbiger synkretistisch mit der Heimatvorstellung und ‚Blut-undBoden‘-Ideologie verknüpft und verklärt. Die Amalgamierung von landschaftlicher Ästhetik und Naturmythos mit Rassenideologie und völkischen Stereotypen war für den nationalsozialistischen Zugang zu Natur konstitutiv.87 Die unauflösliche Verbindung von Wald, Natur und Heimat errichte ihre maximale Ausprägung in der landschaftlichen Begründung und Legitimierung deutschen Übermachtglaubens. Heimat- und Naturschutz wurden im Kontext rassistischer Phantasmen als Prämisse für das Überleben genuiner völkischer Eigenarten interpretiert, wobei häufig der Glaube an eine völkische Überlegenheit hervorgehoben wurde. Die Betonung des durch die heimische Natur hervorgebrachten ‚Eigenen‘ wurde zum Fixpunkt gegen alle Tendenzen der Überfremdung. Nur ein in der Heimat und seiner Natur verwurzeltes Volk bot Schutz gegen Entartung und De-

85 Dieses Handlungsschema findet sich beispielsweise in den ARD-Fernsehfilmen Der Duft von Holunder und Die Schäferin, beide aus dem Jahr 2011. 86 Vgl. Margrit Bensch: Die „Blut und Boden“-Ideologie. Ein dritter Weg in die Moderne. Berlin 1995, S. 56. 87 Vgl. Olaf Kühne: Distinktion – Macht – Landschaft. Zur sozialen Definition von Landschaft. Wiesbaden 2008, S. 173.

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generation. 88 Heimat- und Naturschutz sind in diesem Sinne von völkischer Identität nicht zu trennen, mehr noch sind sie „die Instrumente für das physische und psychische Überleben des Volkes. Allein seine Natur-Wüchsigkeit garantiert die unverwechselbare völkische Eigenart und Überlebensfähigkeit (‚Ewigkeit’).“89 Das Forstliche Artgesetz von 1934 schloss beispielsweise „schlechtrassige“ Baumsamen von der Aussaat aus mit der Begründung, es drohten dem Wald sonst „dieselben Entartungserscheinungen wie beim Menschen, wenn die Blutsgrundlagen, die den Fortbestand der Rasse sichern, nicht beachtet werden“90. Gerade der Wald wurde also massiv mit nationalistischem, antisemitischem und rassistischem Subtext aufgeladen, somit politisch nutzbar gemacht und zu einem integralen Bestandteil der landschaftsprägenden, auf Dauerhaftigkeit und Ewigkeit angelegten Herrschaftssymbolik des Nationalsozialismus. Hermann Göring beschreibt in seiner Rede Ewiger Wald – ewiges Volk den Wald als „Grundlage deutscher Kultur, [...] als Quell der Freude und der Kraft für das deutsche Volk, [...] als Schutz für deutsches Land“91. Der programmatisch mit dem Attribut ‚deutsch‘ versehene Wald wurde zum Urgrund einer nationalen Identität erklärt; der ‚Deutsche Wald‘ und die von ihm ausgehenden Ideologeme wurden zu einem Sinnbild germanisch-deutscher Eigenart.92 Johannes Zechner beschreibt, dass diese umfassende Ideologisierung des ‚Deutschen Waldes‘ auf

88 Ulrich Linse: „Fundamentalistischer“ Heimatschutz. Die „Naturphilosophie“ Reinhard Falters. In: Uwe Puschner, G. Ulrich Großmann (Hrsg.): Völkisch und national. Zur Aktualität alter Denkmuster im 21. Jahrhundert. Darmstadt 2009, S. 156-178, hier S. 158. 89 Ebd., S. 159. 90 Willy Parchmann: Die Forstwirtschaft im neuen Deutschland. In: Arbeitsgemeinschaft Holz (Hrsg.): Wald ist Volksgut. Lehrschau des Reichsforstamtes auf der Grünen Woche 1935. Mit einem Geleitwort von Reichsforstmeister Hermann Göring. Berlin 1935, S. 6-15, hier S. 11. Zitiert nach: Johannes Zechner: ‚Die grünen Wurzeln unseres Volkes‘: Zur ideologischen Karriere des ‚deutschen Waldes‘. In: Uwe Puschner, G. Ulrich Großmann (Hrsg.): Völkisch und national. Zur Aktualität alter Denkmuster im 21. Jahrhundert. Darmstadt 2009, S. 179-194, hier S. 182. 91 Hermann Göring: Ewiger Wald – ewiges Volk. Rede auf der Tagung des Deutschen Forstvereins am 17. August 1936. In: Erich Gritzbach (Hrsg.): Hermann Göring. Reden und Aufsätze. München 1939, S. 245-255, hier S. 250. Zitiert nach: Johannes Zechner: „Ewiger Wald und ewiges Volk“: Die Ideologisierung des deutschen Waldes im Nationalsozialismus. München 2006, S. 24. 92 Vgl. Zechner, ‚Die grünen Wurzeln unseres Volkes‘, S. 183 und 179.

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mehreren Ebenen stattfand und benennt drei Kulminationspunkte dieser Entwicklung: Das von Hermann Görings Reichsforstamt geführte Projekt Wiederbewaldung des Ostens sah als zentrales Moment der NS-Besatzungspolitik vor, die Bewaldung aufzustocken. Eine solche Landschaftsgestaltung „deutscher Art gemäß“93 wurde als unerlässliche Voraussetzung für die Ansiedlung deutscher Bewohner betrachtet, da sich „in öden, baumlosen Kultursteppen [...] deutsches Blut nicht halten [kann]“94. Das von Heinrich Himmler ins Leben gerufene Forschungswerk Wald und Baum in der arisch-germanischen Geistes- und Kulturgeschichte verfolgte das Ziel, den Fortbestand eines halluzinierten Ahnenerbes zu sichern, und stellt damit eine weitere Anstrengung dar, originäre germanischdeutsche Kulturkontinuitäten mithilfe von Wald-Ideologisierung als ‚natürlich‘ zu begründen. Der von Alfred Rosenberg und der Nationalsozialistischen Kulturgemeinde (NSKG) initiierte Montagefilm Ewiger Wald aus dem Jahr 1936 folgt gleichfalls dem Narrativ einer Gleichsetzung von Natur und Volksgeschichte. Erhabene Aufnahmen von Bäumen und Wäldern werden in dem Film begleitet mit den Worten: „Ewiger Wald – ewiges Volk. Es lebt der Baum wie du und ich [...] Aus dem Wald kommen wir, wie der Wald leben wir. Aus dem Wald formen wir Heimat und Raum.“95 Der Wald wurde als genuin deutsche Landschaft zur Metapher für das Volk, die Erhaltung und der Schutz des Waldes waren gleichbedeutend mit dem Schutz des Volkes, eine Zerstörung des Waldes bedeutete folglich auch eine Volksvernichtung, die Wiederaufforstung implizierte im Gegenzug eine völkische Wiedergeburt.96 Über diese Parallelisierung respektive Allegorisierung hinaus legitimierte Ewiger Wald die nationalsozialistische Ideologie und Unrechtsherrschaft unter Berufung auf imaginierte Urwüchsigkeiten und Naturgesetzlichkeiten; die politische Ordnung folgte somit einer biologistischen Fundierung. Die erhabene Naturlandschaft, „frei von Spuren moderner Zivilisation oder Zivilisation im Allgemeinen [...], urzeitlich, ungebändigt und für immer unbän-

93 Friedrich Alpers: Ehrendienst der Forstbeamten im Osten. In: Reichsstiftung für deutsche Ostforschung (Hrsg.): Wiederbewaldung des Ostens. Berlin 1943, S. 6-11, hier S. 8. Zitiert nach: Zechner, ‚Die grünen Wurzeln unseres Volkes‘, S. 182. 94 Heinrich Wiepking-Jürgensmann: Deutsche Landschaft als deutsche Ostaufgabe. In: Neues Bauerntum. Jg. 32 (4/5) 1940, S. 132-135, hier S. 133. Zitiert nach: Zechner, ‚Die grünen Wurzeln unseres Volkes‘, S. 182. 95 Siehe Textprotokoll des Filmes Ewiger Wald (1936). In: Zechner, „Ewiger Wald und ewiges Volk“, S. 89. 96 Vgl. Zechner, ‚Die grünen Wurzeln unseres Volkes‘, S. 187.

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digbar“97 steht als Symbol für Unveränderlichkeit und erscheint als visueller Repräsentant somit anschlussfähig an den beschworenen Ewigkeitswert der NSIdeologie. Ein archaischer Naturraum wie der Wald „bietet einen unkontrollierten, mystischen Raum, der abseits jeder zeitgenössischen Realität steht“98 und überzeitliche Gültigkeit für sich reklamiert. Die Natur wurde somit zur Antizipation des im Nationalsozialismus als immerwährend und unerschütterlich imaginierten Herrschaftsglaubens: „Wie hier die Berge im Wandel der Jahrtausende ewig bleiben, so ewig wird auch das hier begonnene Werk des Führers durch Jahrtausende in seinem Volke weiterleben.“99 Die real existierenden Naturlandschaften dienten in diesem Prozess der ideologischen Agitation und medialen Propaganda als Ausgangspunkt für die imaginative Konstruktion einer nationalsozialistischen Idealnatur.100 Wald und Berge wurden somit zu Chiffren für völkische Heimatszuweisungen, zu physischen Manifestationen einer imaginierten Übermachtstellung und visuellen Zeichen der Herrschaftslegitimation. 5.2.2 Andreas Mühe – Obersalzberg Die Bilduniversen, die sich vom Heimatbegriff aus eröffnen, kreisen zentral um Naturdarstellungen: Archaische Landschaften, Wälder und Berge suggerieren Urwüchsigkeit und Unvergänglichkeit – sie zeugen nicht von einem Gewordensein, sondern sind Ausdruck des Schon-immer-Dagewesenen. Ebenjener Rekurs auf das Originäre und Immerwährende der Natur ist Bedingung der Möglichkeit von Heimat. Die Natur als das Ungestaltete und dem Menschen Vorgängige dient genuinen Heimatideologemen als Beglaubigung und eignete sich somit auch als Versinnbildlichung des Ewigkeits- und Ursprünglichkeitspathos im Nationalsozialismus. Ein elementarer Bildkomplex innerhalb des nationalsozialistischen visuellen Heimat- und Naturdiskurses sind die ikonischen Darstellungen Adolf Hitlers auf dem Obersalzberg. Auf diese prägenden Bilder bezieht sich auch der Fotograf Andreas Mühe in seinem 2010 begonnenen Obersalzberg-Zyklus.

97

Grünwald, S. 85, 90.

98

Ebd., S. 87.

99

Wilhelm Brückner: Der Führer in seinem Privatleben. In: Cigaretten-Bilderdienst (Hrsg.): Adolf Hitler. Bilder aus dem Leben des Führers. Altona/Bahrenfeld 1936, S. 43. Zitiert nach: Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (Hrsg.): Inszenierung der Macht. Ästhetische Faszination im Nationalsozialismus. Berlin 1987, S. 158.

100 Vgl. Zechner, „Ewiger Wald und ewiges Volk“, S. 73.

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Schon vor der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 bewohnte Hitler das Landhaus Wachenfeld, von ihm ‚Berghof‘ getauft, am Obersalzberg in Berchtesgaden. Zunächst als privates Feriendomizil genutzt, wurde 1936 das gesamte Areal um den Berghof zum ‚Führersperrgebiet‘ erklärt und zu einem Ort mit Repräsentationsfunktion. „Der Obersalzberg wurde ideologisch aufgeladen, in den Rang eines religiös anmutenden Ortes erhoben und zum Sinnbild der Beständigkeit des Führers verklärt.“101 In der NS-Publizistik finden sich zahlreiche Verweise darauf, dass die Mythisierung Hitlers vielfach durch den Bezug zur Berchtesgadener Natur hergestellt wurde. So wird die Alpenlandschaft am Obersalzberg in direkte Beziehung zu Hitler und seinem ‚Werk‘ gesetzt: „Hier diktierte er den zweiten Teil von ‚Mein Kampf’ und es scheint, daß die monumentale Architektur der Berglandschaft in der Anlage des Werkes [...] wiederkehrt.“102 Landschaftliche Attribute wie Festigkeit, Standhaftigkeit, Fortdauer und Stetigkeit spiegelten sich dieser Lesart zufolge auch im Wirken Hitlers wider. Die inszenatorische Amalgamierung von Personenkult und Naturmythos wird auch in den vielen Postkartenmotiven jener Zeit deutlich, die Hitlers Residenz in dem charakteristischen Bergpanorama, einem romantisch-pittoresken, kitschigen Heimatidyll, zeigen. „Der Führer, der sich glühend zu allem Echten und Gewachsenen bekennt, liebt seine Berge und findet in ihrem Gipfelglanz immer wieder neue Kraft zur Vollendung seines großen Werkes, das freies [...] Deutschland heißt.“103 Die Bergwelt als erhabene, ‚echte‘ Ur-Gewalt bot ein machtvolles Szenenbild, das propagandistisch nutzbar gemacht wurde. Dieser Prozess der „bildlichen Nazifizierung“104 des Obersalzbergs lässt sich vor allem am Werk von Hitlers Leibfotograf Heinrich Hoffmann sowie dem Kameramann Walter Frentz festmachen.

101 Rudolf Herz: Hoffmann & Hitler. Fotografie als Medium des Führer-Mythos. München 1994, S. 253. 102 Baldur von Schirach: Geleitwort. In: Heinrich Hoffmann (Hrsg.): Hitler in seinen Bergen. 86 Bilddokumente aus der Umgebung des Führers. Berlin 1935, o.S. 103 Illustrierter Beobachter, Nr. 15. 15.4.1937, S. 531. Zitiert nach: Herz, Hoffmann und Hitler, S. 253. 104 Hans Georg Hiller von Gaertringen, Matthias Struch: Der Obersalzberg Komplex. Fotografien von Walter Frentz und Andreas Mühe. In: Luc Tuymans u.a. (Hrsg.): Andreas Mühe – Obersalzberg. Katalog zur Ausstellung in der Galerie Carl ier/Gebauer. Berlin 2013, S. 59-109, hier S. 67.

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Abbildung 37: Heinrich Hoffmann, Hitler am Obersee, 1936

Abbildung 38: Walter Frentz, Adolf Hitler und Walther Hewel am Obersalzberg in Berchtesgaden, 1943

In Hoffmanns Bildbänden Hitler wie ihn keiner kennt (1932), Hitler in seinen Bergen (1935) oder Hitler abseits vom Alltag (1937) finden sich zahlreiche Abbildungen, die Adolf Hitler als Privatmann in Einklang mit der ihn umgebenden Natur zeigen: Ob beim Wandern auf der Alm und durch Wälder, in kontemplativer Pose am Bergsee oder in Tracht auf die endlose Weite der Berchtesgadener Landschaft blickend: „Im Sinne der doppelten Botschaft von ‚Größe’ und ‚Schlichtheit’ bot die alpine Landschaft die richtige Kulisse für beeindruckende Aufnahmen.“105 Die Bilder, die häufig großformatig auf Doppelseiten gedruckt wurden, oszillieren zwischen volkstümelnder Bodenständigkeit und heroischer Entrückung durch den monumentalen, sich mächtig auftürmenden Berghintergrund. Sie hatten nicht nur die Funktion, Hitler als heimatverbunden darzustellen, vielmehr lieferte die erhabene Natur eine ideale Folie für die feierliche Überhöhung Hitlers. So gewaltig die Bergkulisse, so wesensgleich erscheint er, der auf die selbe Stufe mit der Natur erhoben wird. Er wirkt gleichsam unverrückbar, krisenfest, beständig und entschieden. Die Naturlandschaften mit Hitler im Bild „hatten fast die Funktion eines wiederkehrenden Leitthemas. Hitler erschien nachsinnend und empfänglich für Natureindrücke, ebenso stolz und selbstbewusst, nicht der Natur unterworfen, sondern mit ihr ebenbürtig“106. Auch war dieses Bildprogramm anschlussfähig an Ideale wie Reinheit, Ursprünglichkeit, Kraft und Stärke und produzierte „Charakterwerte, die außerhalb der degenerierten Zivilisation und ihren angekränkelten und verdorbenen Empfindungen

105 Herz, Hoffmann und Hitler, S. 254. 106 Ebd.

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lagen“107 . Ebenjene Prinzipien entsprangen einem völkischen Heimatdiskurs im Nationalsozialismus, der „für die Gesundung der Gesellschaft eine volkhafte Archaik propagierte und den Quell neuer Kräfte im Landleben, vor allem in der Bergwelt suchte“108. Die Farbfotografien und Filmbilder von Walter Frentz, der in den Jahren von 1939 bis 1945 Adolf Hitler in seinem Refugium am Obersalzberg ablichtete und damit die Inszenierung Hoffmanns fortsetzte, haben sich ebenfalls tief im kollektiven Bewusstsein festgesetzt. Bilder von Hitler und seinem Gefolge beim Spaziergang durch die schneebedeckte Natur oder vor idyllischer Alpenkulisse, Fotografien von Eva Braun oder Hitlers Schäferhündin Blondi auf der sonnenbeschienenen Terrasse des Berghofs, inmitten des alpinen Naturpanoramas: Das Berchtesgadener Land wurde in zahlreichen Aufnahmen von Frentz zu einem wirkungsvollen Bühnenbild für die Figur Hitler. Die Landschaft umfängt ihn und unterstreicht seine Bedeutung: „Die Berge sind erhaben, der ‚Führer’ ist es auch. Die Berge wurden zu einem Bestandteil der Ikonografie des NS-Staates, der sich der Bergwelt um Berchtesgaden nicht nur als Wohnsitz, sondern auch propagandistisch bemächtigte.“109 All jene Motive reichen bis in die Gegenwart hinein und sind in zahlreichen bebilderten Publikationen oder Dokumentationen über den Nationalsozialismus zu finden. „Walter Frentz prägt wie kaum ein anderer das Bildgedächtnis zum Dritten Reich.“110 Er lieferte ikonische Bilder, die auch heute noch in Filmen usw. zitiert werden.111 Auf ebenjene Fotografien von Heinrich Hoffmann und Walter Frentz verweisen auch die Bilder des Künstlers Andreas Mühe. In seinem ObersalzbergKomplex hat sich der Fotograf auf vielfältige Weise mit diesem Bildsujet auseinandergesetzt. Die Ursprungsidee seines Bildzyklus bildet die Serie Pissing Nazis. Mühe inszeniert hier in erster Linie die imposante Berchtesgadener Natur: Die enorme Weite und scheinbare Endlosigkeit der schneebedeckten Alpenkulisse mit ihren gewaltigen, monumental wirkenden Bergen, meterhohen Bäumen und Wäldern dominiert Mühes großformatige Bilder. Inmitten dieses Landschaftsidylls setzt der Fotograf ein – obschon im Vergleich zur wuchtigen Natur

107 Ebd. 108 Ebd. 109 Hiller von Gaertringen/Struch, S. 67. 110 Ebd., S. 65 111 So beschreiben Hans-Georg Hiller von Gaertringen und Matthias Struch, dass die Rekonstruktion der Anfahrt zum Berghof in Bryan Singers Stauffenberg-Film Operation Walküre (2008) ohne die Bilder von Walter Frentz nicht möglich gewesen wäre. Vgl. Ebd., S. 70.

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nahezu winzig erscheinendes – Irritationsmoment: Nazis, die durch Uniformen oder Versatzstücken wie Helme und Armbinden als solche ausgewiesen werden und die Harmonie und Schönheit des Natureindrucks unangenehm stören. Ein genaueres Hinsehen offenbart zudem, dass diese beim Akt des Urinierens dargestellt sind. Abbildung 39: Andreas Mühe, Soldat am Obersee, 2012

Die Fotografie Soldat am Obersee (2012) lenkt von einer leichten Aufsicht den Blick auf ein lang ausgedehntes Tal, an dessen hinterem Ende ein tiefblauer Bergsee zu erkennen ist. Talauswärts ragen vom See aus hohe Felswände auf; eine kapitale Bergkulisse bildet somit den Mittelgrund des Bildes. Ein trübdunkler Wolkenhintergrund komplettiert die Landschaft. Die harten Schatten des Bergreliefs, die dunkelgrüne Farbe des Tals und der wolkenverhangene, sich verdunkelnde Himmel verleihen der Szenerie etwas Düsteres und Dramatisches. Im Vordergrund des Bildes, auf einem Felsvorsprung stehend, ist die Rückenansicht einer kleinen Figur zu sehen. Der Titel der Fotografie weist die Gestalt als einen Soldaten aus. Er trägt eine schwarze Hose mit heruntergelassenen Hosenträgern, ein weißes Hemd und einen schwarzen Helm, der durch einen Nackenschirm sowie ein winziges, zunächst kaum zu erkennendes schwarz-weiß-rotes

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Abzeichen auf der rechten Seite an den Stahlhelm der SS erinnert. Der Soldat hat einen festen, leicht breitbeinigen Stand, sein Oberkörper ist ein Stück weit nach hinten gelehnt, das Becken nach vorne geschoben: Die Handhaltung im Schritt verrät, dass er im Begriff ist, zu urinieren. Eine ähnliche Situation findet sich auch in dem Bild Hitlerjung (2011); diesmal ist diese jedoch versetzt in einen Wald. Die Bäume ragen hoch empor, sie stehen dicht beieinander, sodass durch die massiven Baumkronen nur wenig Licht auf den dunklen Waldboden fällt. Im Unterholz, gleichsam versteckt, getarnt und zunächst kaum wahrnehmbar, ist eine kleine Gestalt in schwarzer SS-Uniform mit Hakenkreuz-Armbinde zu erkennen. Auch hier ist die Figur in Urinierpose dargestellt. Die Natur ist bei Andreas Mühe nicht bloß eine Kulisse oder ein Hintergrund, sondern vielmehr Hauptgegenstand und Motiv seiner Inszenierungen. Die Nazis wirken im Gegensatz zur alles überragenden, majestätischen Natur winzig und unbedeutend. Ihre Gesichter sind nicht zu erkennen – sie sind entweder abgewandt oder werden verdeckt. Es handelt sich um entindividualisierte Stereotype von Nazis, um Abziehbilder von Soldaten, SS-Männern und Offizieren, die in einem scheinbar gestohlenen Moment des Urinierens beobachtet werden; sie markieren ihr Revier. Das Beflecken der Landschaft dient in Mühes Fotografien als Metapher für die Besitzergreifung und Vereinnahmung der Natur durch den Nationalsozialismus. Die Pissing Nazis sind als Verweis auf die Usurpation, die Instrumentalisierung und Politisierung von Bergen und Wäldern zu lesen. Der Obersalzberg erscheint bis heute vom Gebrauch durch die Nationalsozialisten kontaminiert.112 Der Naturraum als ein ehemals undefinierter, überzeitlicher und vormoderner Raum kann als solcher nicht länger wahrgenommen werden, da die Nazis in ebenjene unbeschriebene Kulisse ihre bleibende Urinmarke gesetzt haben. „Die Landschaft wirkt nicht mehr allein schön, sondern beklemmend zugleich; die Natur ist benutzt, bepisst, beschmutzt von der deutschen Geschichte.“113 Eine weitere Konstellation, die sich häufig in den Bildern von Andreas Mühe wiederfindet, sind sich selbst oder gegenseitig vor alpinem Bergpanorama foto-

112 In Berchtesgaden hält sich der Führermythos auf dem Obersalzberg hartnäckig. So zieht insbesondere der einzig verbliebene Originalort am Berg, das von der NSDAP als Repräsentationsgebäude erbaute Kehlsteinhaus, zahlreiche Besucher, darunter auch dezidierten Nazi-Tourismus, an. Siehe Schweizer Genossenschaft Alpgang (Hrsg.): Alp – Berchtesgaden. Berlin 2012, S. 24. 113 Estelle Blaschke: Andreas Mühe: Die bewusste Illusion. In: Andreas Mühe: Obersalzberg. Katalog zur Ausstellung in der Galerie Dittrich & Schlechtriem. Berlin 2012, o.S.

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grafierende Nazi-Figuren. Auch hier lassen sich keine Hinweise auf die Persönlichkeit oder Individualität der Protagonisten ausmachen; sie werden meist lediglich von hinten gezeigt oder aber ihre Gesichter werden durch Smartphones, Digitalkameras, Äste oder Zweige überdeckt. Ihre Posen wirken erstarrt und eingefroren, sie sind gleichsam in eine stolze, aufrechte und steife Haltung gepresst. Gestisch-habituell wirkt ihre Selbstinszenierung überzeichnet selbstgefällig: Das Kinn nach oben gestreckt und mit raumeinnehmender Körperstellung werden hier typische, ritualisierte Posen und nahezu formelhafte Haltungen des Abgelichtet-werdens zitiert. Die Bilder suggerieren Momenthaftigkeit – die Protagonisten sind in einem kurzen Augenblick der Eigendarstellung abgebildet. In diesem Sinne sind Mühes Fotografien Bilder von Bildern respektive Portraits von Portrait-Situationen. Abbildung 40: Andreas Mühe, SS-Mann am Watzmann, 2011

Die Fotografie SS-Mann am Watzmann (2011) zeigt eine in Uniform gekleidete Figur, die mit sämtlichen vestimentären Insignien der SS ausgestattet ist. Sie trägt den vollständigen schwarzen SS-Dienstanzug mit charakteristischen silberfarbenen Knöpfen, Koppelschloss-Gürtel, Schulterriemen und Kragenspiegel, schwarzen Schaftstiefeln, Schirmmütze und roter Armbinde. Der SS-Mann steht auf dem schneebedeckten Vorsprung einer Art Aussichtsplattform, die durch das

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sich dahinter auftürmende, in leichten Nebel getauchte Bergpanorama Assoziationen zur häufig fotografierten Terrasse des Berghofs weckt.114 Seine Haltung ist gerade aufgerichtet und wirkt triumphal. Das rechte Bein steht fest auf dem Boden, das linke Bein ist angewinkelt und wie auf einer Treppenstufe stehend leicht erhöht. Die Körperhaltung gleicht einer Eroberungsgeste, als wolle sich der SS-Mann als Bezwinger der gewaltigen und unbeherrschbaren Berglandschaft inszenieren. Dieses Motiv weist somit eine ikonografische Nähe zu dem Bewältigungs- und Eroberungsgeist in den Bergfilmen von Arnold Franck oder Leni Riefenstahl auf, deren zentraler Topos die Bergerstürmung und damit Begegnung des Menschen mit der ungezähmten Natur ist. Der linke Arm des SSMannes ist mit stolzer und entschiedener Gebärde auf dem Oberschenkel abgestützt; in seiner rechten, weit ausgestreckten Hand hält er ein Smartphone, das sein Gesicht verdeckt. Im Vordergrund, der lediglich etwa ein Drittel der Fotografie einnimmt, ist neben dem für sein Selbstportrait Posierenden im rechten Bildrand noch ein Scheinwerfer zu sehen. Dieser verweist nochmals auf das inszenatorische Moment der abgebildeten Situation. Zwei Drittel und damit das Gros des Bildes wird von der grenzenlos erscheinenden, massiven Alpenkulisse und vor allem dem weiten Himmel dominiert. Diese bilden den erhabenen Hintergrund für die Selbstdarstellung des SS-Mannes. Seine Haltung sowie die Art und Weise, wie er sich in Positur bringt, um das Selbstportrait von sich mit einem Smartphone zu schießen, ist deutlich angelehnt an die zeitgenössische, häufig in jugendlichen Sphären verortete Selbstinszenierungspraxis der Selfies. Der Begriff Selfie bezeichnet fotografische Selbstportraits, die mit einer auf Armeslänge („one arm length shot“115) gehaltenen und auf sich selbst gerichteten Kamera – meist handelt es sich dabei um eine Smartphonekamera – aufgenommen werden. Häufig werden diese anschließend in sozialen Netzwerken des Web 2.0 wie Facebook oder Instagram verbreitet und geteilt. Durch den Bezug auf diese neue Form der Selbstdarstellung kommentiert Andreas Mühe die wahnhaft gesteigerte Inszenierungswut des Nazismus und setzt diese in Vergleich zum ubiquitären Bedürfnis der gelenkten medialen Selbstpräsentation, einer „pubertär überhöhten Wahrnehmung der eigenen Geltung“116, wie sie sich im Phänomen Selfie artikuliert. Smartphone und Scheinwerfer als Artefakte der (Selbst-)

114 Gerade die Terrasse des Berghofs und die von ihr ausgehende Aussicht waren vielfach Motiv der Fotografien von Heinrich Hoffmann und Walter Frentz. 115 Siehe Richard u.a., Flickernde Jugend, S. 49. 116 Magdalena Kröner: Primärinstinkte. Zur Arbeit von Andreas Mühe. In: Andreas Mühe: Obersalzberg. Katalog zur Ausstellung in der Galerie Dittrich & Schlechtriem. Berlin 2012, o.S.

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Inszenierung werden gezielt ins Bild gerückt, um den Narzissmus des Nazismus, wie er in den zahllosen Abbildungen von Heinrich Hoffmann und Walter Frentz am Obersalzberg deutlich wird, zu thematisieren. Mühe eröffnet somit auch ein Feld des Nachdenkens über mediale Einflüsse auf die Ästhetik des Nationalsozialismus. So fungierten die Naturkulissen des Obersalzbergs als ähnlich geeignete Szenenbilder wie die von Albert Speer entworfenen Monumentalbauten, in denen sich die Politdarsteller des Nationalsozialismus selbst in Szene setzten und die unmittelbar auf ihre filmische und fotografische Dokumentation ausgerichtet waren.117 Während die Landschaft bei Hoffmann und Frentz stets Staffage bleibt und lediglich als Dekorum der Machtdarstellung auftritt, ist sie bei Andreas Mühe nicht bloß Kulisse, sondern wird zum wirkenden Subjekt der Bildinszenierung. Was in seinen Fotografien geschieht, ist „das Hervorholen des Hintergrunds in den Vordergrund“118 . Die monströse Natur selbst wird bei Mühe zur Portraitierten. Die dargestellten Personen wirken wie Requisiten; sie funktionieren nur im Bezug zur Natur. Die Abbildungshierarchie wird folglich umgekehrt. „Wo bei Frentz der Mensch – meist ist es Hitler – den Maßstab setzt und im Fokus steht, während die Landschaft nur den Rahmen abgibt, holt Mühe sie hervor – der Mensch wird klein, die Landschaft groß.“119 Insofern ist sein Ansatz, das erneute Zusammenbringen der Berchtesgadener Berge und Wälder mit nazistischen Codes, nur scheinbar affirmativ. Worauf sich die Fotografien von Andreas Mühe wie auch die Bilder von Heinrich Hoffmann und Walter Frentz, die als Ansatz- und Referenzpunkte seines Obersalzberg-Zyklus dienten, gleichermaßen beziehen, ist das Moment der Erhabenheit der Natur. Edmund Burke legt in seiner ästhetischen Theorie einen Kanon von Eigenschaften des Erhabenen vor und benennt Prinzipien, die einen Zustand des Erhabenen hervorrufen und seine Beschaffenheit beschreiben: „Zu erhabenen Objekten gehört das Riesige, Dunkle, Schroffe, Mächtige, das schrecklich Aussehende und das Unendliche oder vermöge stetig sich fortsetzender Einförmigkeit unendlich Wirkende.“120 „Riesigkeit“ und „Unendlichkeit“ als „mächtige Quellen des Erhabenen“121 lassen sich auch und vor allem in Naturdarstellungen finden. Der Naturraum ist „eine Art sublimer Raum, dessen Er-

117 Vgl. Ebd. 118 Hiller von Gaertringen/Struch, S. 79. 119 Ebd., S. 80. 120 Edmund Burke: Philosophische Untersuchung über den Ursprung unserer Ideen vom Erhabenen und Schönen. Hamburg 1989, S. 10 [Herv. i.O.]. 121 Siehe Ebd., S. 108, 110.

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habenheit sich in einer Unerreichbarkeit und Unermesslichkeit manifestiert“122. Die Landschaft des Obersalzberges vereint gleichsam prototypisch jene von Burke beschriebenen Eigenschaften. In seinem gravitätisch ruhenden Monumentalismus liefert jene Kulisse eine geeignete visuelle Projektionsfläche für die transzendente Bedeutungsebene der Berge als Symbole überirdischer Erhabenheit. Die Besonderheit des Gefühls des Erhabenen sieht Burke in dem Nebeneinander widersprüchlicher Emotionen: von Schmerz und Lust. „Bei der Betrachtung eines Naturphänomens verwandelt sich die Furcht in eine Bewunderung der Macht der Natur.“123 In seinen Erinnerungen schreibt Alber Speer: „Die Wahl Hitlers, sich am Obersalzberg anzusiedeln, schien für seine Liebe zur Natur zu sprechen. Darin täuschte ich mich jedoch. Wohl bewunderte er eine schöne Aussicht, meist war er aber mehr von der Mächtigkeit der Abgründe als vom sympathischen Zusammenklang einer Landschaft angetan.“124

Diese Beurteilung Albert Speers unterstreicht, dass insbesondere das Moment des Erhabenen, das sich in der Größe und Gewaltigkeit „mächtiger Abgründe“ zeigt, die nazistische Faszination für die Natur ausmachte. Ähnlich wie Burke sieht auch Immanuel Kant Größe und Dimension als wesentlich für die Bestimmung von Erhabenheit als ästhetischer Kategorie an: „Erhaben ist das, mit welchem in Vergleichung alles andere klein ist.“125 Kant nennt ein Objekt erhaben, wenn es ebensolche Gemütszustände beim Betrachter hervorruft. Erhabenheit ist damit den sinnlichen Objekten selbst nicht inhärent, sondern entsteht erst als Empfindung des Subjekts. So konstatiert Kant, dass das Erhabene „allein in unseren Ideen zu suchen sei“126. Solche Objekte, die beim Subjekt ein Gefühl der Erhabenheit evozieren, sieht auch Kant vor allem in der Natur. „Der wichtigste Unterschied aber des Erhabenen vom Schönen ist wohl dieser: daß, wenn wir, wie billig, hier zuvörderst nur das Erhabene an Naturobjekten in Betrachtung ziehen.“127 Das Erhabene der Natur sowie die Beziehung zwischen Natur und Subjekt sind fest in die Kunst- und Kulturgeschichte eingeschriebene Motive, die sich in der Malerei der Romantik ebenso wiederfinden wie in den Bergfil-

122 Grünwald, S. 87. 123 Maria Isabel Pena Aguado: Ästhetik des Erhabenen. Burke, Kant, Adorno, Lyotard. Wien 1994, S. 31. 124 Albert Speer: Erinnerungen. Frankfurt am Main/Berlin 1969, S. 60. 125 Immanuel Kant: Kritik der Urteilskraft. Hamburg 2001, S. 113. 126 Ebd. 127 Ebd., S. 106.

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men der 1920er und 30er Jahre. Caspar David Friedrichs Der Wanderer über dem Nebelmeer (um 1818)128 , das die Rückenfigur eines Mannes mit Blick auf eine endlos weite, in Nebel getauchte Felslandschaft zeigt, ist ohne Weiteres vergleichbar mit den häufig redundanten ikonografischen Mustern in den Bergfilmen von Arnold Franck, Luis Trenker oder Leni Riefenstahl. So finden sich in Die weiße Hölle vom Piz Palü (1929), Stürme über dem Montblanc (1930), Berge in Flammen (1931) oder Das blaue Licht (1932) ähnliche monumentale Landschaftsinszenierungen und imposante Aufnahmen erhabener, wolkenverhangener Berge. Ebenjene Bergfilme sind es auch, in denen Siegfried Kracauer bereits faschistoide Präfigurationen und damit Vorboten faschistischer Ästhetik auszumachen sucht: „Die Vergottung von Gletschern und Felsen, wie sie in diesem Film betrieben wurde, ließ bereits jenen Antirationalismus erkennen, den sich die Nationalsozialisten dann zunutze machten.“129 Folglich beziehen sich „Naturdarstellungen im Dritten Reich, des Bergfilms oder der Romantik [...] auf das gleiche Erhabene“130. 5.2.3 Laibach – Life is Life Ein deutlicher Rekurs auf faschistoid infiltrierte, erhabene Naturdarstellungen findet sich auch in dem Musikvideo Life is Life der slowenischen Band Laibach. Laibachs Coverversion des international erfolgreichen Hits der österreichischen Pop-Band Opus ist 1987 als Single und im selben Jahr – in der deutschsprachigen Ausführung Leben heißt Leben – auf Laibachs sechstem Album Opus Dei erschienen. Der Videoclip zu Life is Life wurde entlang der kapitalen Berglandschaft der Julischen Alpen in Slowenien gedreht. Die archaisch und urgewaltig anmutende Natur am Triglav-Berg wird dominiert von steilen Felswänden, dichten und mit hohen Bäumen bewachsenen Wäldern sowie heimatlich-pittoresken Landschaften mit Wasserfällen und Seen. Diese Szenerie bildet hauptsächlich das Bühnenbild für die Inszenierung Laibachs.

128 Caspar David Friedrich: Der Wanderer über dem Nebelmeer, https://upload. wikimedia.org/wikipedia/commons/6/61/Caspar_David_Friedrich__Der_Wanderer_ %C3%BCber_dem_Nebelmeer.jpg (zuletzt aufgerufen am 21.08.2015). 129 Kracauer, Von Caligari bis Hitler, S. 72. 130 Grünwald, S. 105.

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Abbildung 41: Laibach, Life is Life (Screenshots)

Das Musikvideo beginnt zunächst mit einer Szene, in der eine barbusige Frau Pfeil und Bogen spannt. Sie ist bekleidet mit einer blauen Hose und einer gleichfarbigen Kopfbedeckung, die einem Nonnenschleier ähnelt. Ferner trägt sie einen breiten, braunen Taillengürtel sowie Hosenträger. Die Frau befindet sich in einem nicht näher zu definierenden, dunklen Innenraum, steht unter einer Art Giebel und wird somit von einem Dreieck umrahmt. Als weiteres Element des Raumes ist lediglich noch ein an der Wand fixiertes, silbrig glänzendes Hirschgeweih zu erkennen. Flüchtig eingeblendet wird eine männliche Person in gleichem Aufzug, die ebenfalls Pfeil und Bogen spannt. In der darauffolgenden Einstellung wird der Pfeil abgeschossen; von welcher der beiden Personen ist jedoch unklar. Der Pfeil zielt auf eine Holztür, deren Durchgang in der Form eines Kreuzes gestaltet ist. Unmittelbar mit dem nächsten Schnitt setzt die Musik ein und die Holztür öffnet sich leicht. Was sich dahinter verbirgt, bleibt letztlich unbestimmt, denn die Folgeszene spielt an einem völlig anderen Schauplatz: Eine Gruppe von vier Männern in grün-grauen Uniformen – drei stehend, ein weiterer in der Hocke – posieren bewegungslos und mit steifer, stolz aufgerichteter Haltung vor einer schneebedeckten, alpinen Bergkulisse und wolkig-nebligem Himmel. Ihre Kleidung erinnert gleichermaßen an Jagdbekleidung wie auch an militärische Uniformen; die Haltung wirkt betont mannhaft und entschlossen. Es schließt eine Kamerafahrt über Wälder und imposante, schroffe Bergwände an. Ein Gefühl mächtiger Größe und endloser Weite wird evoziert. Die Aufnahmen werden unterbrochen von Bildern, die einen der uniformierten Männer, den schnurrbärtigen Sänger der Gruppe, mit einer ebenfalls grün-grauen, beduinenartigen Kopfbedeckung zeigen. Der Stoff der Kopfbedeckung reicht bis auf die Schultern, in Stirnmitte ist ein metallenes Element angebracht, das die Form ei-

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nes Edelweiß aufweist. Sein Oberkörper wird frontal gezeigt, den Kopf hat er vom Zuschauer abgewandt, sein Blick ist aus dem Bildrand in die Ferne gerichtet. Er singt und hebt dabei in einem weisenden und heroischen Zeigegestus zunächst den rechten und anschließend den linken Arm starr und energisch empor. Sequenzen, die den Sänger wie auch die anderen drei uniformierten Protagonisten aus einer starken Untersicht vor dem Wolkenhintergrund zeigen, werden mit Einschnitten von Ursprünglichkeit und Naturwüchsigkeit suggerierenden Landschaftsdarstellungen oder heimatlich-kitschig codierten Aufnahmen von Hirschen auf einer Wiese durchwoben. Anschließend laufen drei der Männer mit festem und bestimmtem Schritt, fast marschierend, durch Unterholz sowie einen Waldweg entlang. Immer wieder werden Aufnahmen des monumentalen Alpenpanoramas, hoher Berge und tiefer Täler, eingeblendet. In den nächsten Sequenzen sind wieder alle vier Protagonisten in Untersicht zu sehen. Sie stehen breitbeinig auf einem Felsen; ihre Haltung wirkt triumphal und selbstherrlich. Die Hände haben sie entweder in die Hüfte gestemmt oder sie halten sich stolz an dem Revers ihrer Uniform fest. Sie blicken mit ernsten, strengen Gesichtern und leicht erhobenem Kopf in die Ferne und singen simultan und inbrünstig den Chorus des Liedes. Erneut werden Szenen der Männergruppe mit heimatlichidyllischen Naturansichten von Gewässern oder Hirschen auf einer Weide – bezeichnenderweise desgleichen vier an der Zahl131 – verflochten. Immer wieder wird der schnurrbärtige Sänger als eine Art erhabene Führerfigur inmitten der sich gleichermaßen majestätisch auftürmenden Natur exponiert dargestellt, so etwa vor einem imposanten, sich den Weg durch die schroffe Bergwand bahnenden Wasserfall. Zu bemerken ist dabei insbesondere, dass in einer Sequenz der Wasserfall aufwärts fließt, während der Sänger kontemplativ gen Himmel blickt. In ebenjener Kulisse werden kurze Bilder der übrigen Männer gezeigt, die ihren Blick in die Höhe gerichtet haben und scheinbar zu dem Sänger aufschauen. Nach einer Kamerafahrt an Kreuzen und Gräbern entlang wird eine Kapelle eingeblendet. Die vier uniformierten Männer – die Kamera fängt ihre Rückenansicht ein – betreten nebeneinander und in soldatisch anmutendem Gleichschritt die Kapelle. In der nächsten Einstellung lüftet sich ein Vorhang: In einer kreisrunden Öffnung sind, eingetaucht in ein rötliches Licht, die schemenhaften Umrisse zweier Männer zu sehen, die in Schrittstellung posieren und je eine Trompete in den Händen halten. Folgend befinden sich die vier Protagonisten stehend in dem kreuzförmigen Durchgang der Anfangsszene; der Sänger mit der Kopf-

131 Das Einblenden der vier Hirsche als Analogie zu den vier Männern kann somit als ironischer Kommentar zur hypermaskulinen Inszenierung der vier Protagonisten gedeutet werden.

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bedeckung prangt über den anderen Dreien. Im Wechsel werden Close-Ups des aus voller Überzeugung singenden schnurrbärtigen Mannes mit Bildern der anderen Protagonisten gezeigt. Zwei der Männer – die Hand des einen ruht auf der Schulter des anderen – bewegen synchron ihre Lippen und starren mit leerem, gleichsam hypnotischem Blick in dieselbe Richtung. Alle Figuren werden von unten beleuchtet, sodass starke, kantige Schatten auf die Gesichter fallen. Schließlich taucht die barbusige Schützin, die zu Beginn das Musikvideo eröffnet hat, erneut auf und spannt Pfeil und Bogen. Die letzte Einstellung zeigt erneut den Sänger der Band in der Wasserfall-Szenerie: Er blickt gen Himmel und streckt dabei beide Arme enthusiastisch und triumphal empor. Der Videoclip Life is Life operiert deutlich mit Heimat-Codes und spielt mit diesen. Das Setting verweist auf Bilder pittoresken Heimatkitsches, wie sie beispielsweise in Heimatfilmen produziert werden: Idealtypische alpine Landschaften, schneebedeckte Bergspitzen, unberührte Natur, Gewässer, Wälder und Wiesen oder die Motive des Hirsches und des Edelweiß sind symbolisch eng verbunden mit dem Topos Heimat. Durch die Übercodierung der heimattümelnden Zeichen und Symbole ist die Laibach’sche Interpretation als dekonstruktivistischer Angriff auf die verklärende und regressive völkische Ästhetik dieses Genres zu lesen. Laibach inszenieren in ihrem Musikvideo den Mythos Heimat mit all seinen phantasmatischen Konstruktionen und bildhaften Imaginationen, auf die sich nationale Identifikation visuell stützt, jedoch so, dass diese durch das Mittel der Übertreibung verfremdet und ihre „sprichwörtliche Schwachsinnigkeit“132 in Reinkultur entblößt und ad absurdum geführt wird. Das Video hinterlässt den Betrachter amüsiert, jedoch auch mit einem gewissen Unbehagen. Genährt wird letzterer Eindruck dadurch, dass Laibach in ihrer Inszenierung die Naturdarstellung in konkretem ästhetischen Bezug zu Heimatund Naturphantasmen sowie der ‚Blut-und-Boden‘-Ideologie des Nationalsozialismus setzen. So weist die grün-graue Jägerkluft der männlichen Protagonisten – mit hochgeschlossenen Hemden, Krawatten und uniform-ähnlichen Jacken und Hosen sowie schweren Schaftstiefeln – eine optische Nähe zu Uniformen des Nationalsozialismus auf. Auch die gescheitelten, akkurat-stengen Frisuren können als Anlehnung an nazistische Stilpraxen angenommen werden. Das Edelweiß-Motiv auf der Kopfbedeckung des Mannes mit Schnurrbart wirft polyvalente Bedeutungsebenen auf. So ist es als Symbol für die Alpen als Ort ursprünglicher Naturerfahrung weit verbreitet und wurde beispielsweise von Naturvereinen häufig als Emblem genutzt. In den Rang eines nationalen Symbols

132 Siehe Slavoj Zizek: Ein Brief aus der Ferne. In: Inke Arns (Hrsg.): Irwin Retroprincip 1983-2003. Frankfurt am Main 2003, S. 64-65, hier S. 65.

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aufgestiegen, wurde das Edelweiß auch als militärisches Abzeichen verwendet. So trug im zweiten Weltkrieg die 1. Gebirgs-Division der Wehrmacht das Edelweiß als Truppenkennzeichen. Dies zeugt von der Bedeutung des Motivs als Zeichen völkischen Identitätsglaubens im Bezugssystem Heimat-Partei-Nation, woran auch heute noch zahlreiche Nazi-Militaria und Devotionalien erinnern.133 Zudem kann die Arm hebende Geste des Sängers, zumindest im Ansatz, als Imitation des Hitlergrußes interpretiert werden. Insgesamt erinnern die Bilder uniformierter Männer in alpiner Bergkulisse an Aufnahmen von Adolf Hitler und seinem Gefolge auf dem Obersalzberg. Ebenjene Bilder scheinen deutlich das ikonografische Vorbild der Inszenierung Laibachs gewesen zu sein. Die wiederholte Untersicht der Kamera erzeugt einen dramaturgischen Effekt der Überlegenheit. Die Perspektive lässt die Figuren erhaben, stolz und der imposanten, mächtigen Natur ebenbürtig wirken. In Life is Life findet sich damit ein ähnlicher Bildaufbau wie in den Propaganda-Filmen Leni Riefenstahls, in denen die Untersicht als wesentliches Strukturelement zur Erzeugung eines heroischen Nimbus der dargestellten Personen genutzt wurde. Auch erscheint die Kamerafahrt entlang der Natur- und Berglandschaft ähnlich der Riefenstahl’schen Kamerafahrten an monumentalen NS-Bauwerken oder choreografierten Massenszenarien entlang, die gleichfalls monumentale Größe und endlose Weite suggerieren sollten. Gleichermaßen funktioniert die Lichtführung, die durch dramatische Schattenwürfe den Gesichtern etwas Hartes und Stählernes verleiht. Insgesamt ist mit der Blick- und Kamerabewegung eine aufwärts strebende Richtungslinie zu bemerken. Dieser Effekt kulminiert in der umgekehrten Fallrichtung des Wasserfalls. Der Sänger der Band tritt im Videoclip durch seine exponierte und erhabene Stellung, unterstützt durch die pharaonenhafte Kopfbedeckung, als eine Art Leitfigur auf und weist dadurch eine Nähe zur Führerpose auf. Der Sänger wie auch die übrigen Protagonisten wirken durch ihre stolze, aufrechte und gravitätische Haltung, die ernsten Gesichter und den militärischen, festen Marschschritt geradezu wie die ironische Überzeichnung eines archaischen, hypermaskulinen und soldatischen Männerbildes. Die Körperkonstruktion Laibachs ist damit anschlussfähig an faschistoide Körperparadigmen. Der konsequente Blick aller Männer in dieselbe Richtung vermittelt Kollektivität, Entschlossenheit und Zielgerichtetheit, ergo Maximen, die gleichfalls faschistoid konnotiert sind. Ebenso wie die sie umgebende, immerwährende und unverrückbare Natur wirken die Protagonisten in Life is Life kraftvoll, be-

133 Vgl. Pia Lanzinger, Michael Hauffen: 100 Jahre Edelweiß – Danke für Ihr Vertrauen, http://www.pialanzinger.de/download/deutsch/PL_100%20Jahre%20Edelwei%C 3%9F.pdf (zuletzt aufgerufen am 23.04.2014).

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ständig und unveränderlich. Folglich wird auch hier, ähnlich wie in Fotografien von Hoffmann und Frentz, die Adolf Hitler in der Berchtesgadener Landschaft zeigen, eine Gleichung zwischen Natur und Subjekt vorgenommen. Der Mensch begegnet der Natur wesensgleich: So herrschaftlich wie die Berge, so stark und erhaben erscheint auch das Subjekt. Die Natur ist in diesem Fall männlich codiert; ebenso hyperviril und überpotent erscheinen auch die Protagonisten. Die Natur als ‚Ur-Raum‘ wird in dem Musikvideo zur Projektionsfläche für ursprüngliche, archaische Männlichkeit.134 In Life is Life lassen sich über den Verweis auf nazistische Ästhetik hinaus jedoch auch Hinweise auf Zitate weiterer bedeutungsgeladener Zeichen und Bilder finden. So wird sich mit der Verwendung geometrischer Grundformen, wie etwa des Kreises oder Kreuzes im Interieur der Anfangs- und Schlussszene, der Symbolsprache des Suprematismus und insbesondere der Kasimir Malewitschs bedient. Das Motiv des Kreuzes weist natürlich zudem – genauso wie die Kapelle – eine christlich-religiöse Bedeutung auf. Anspielungen an mythologische Sujets sind mit der barbusigen Schützin gegeben – sie trägt Pfeil und Bogen, die Attribute einer Jagdgöttin, und wird, ähnlich zahlreicher Abbildungen der Jagdgöttinnen Artemis und Diana in der Bildenden Kunst, mit freiem Oberkörper dargestellt. Auf Soundebene ist festzustellen, dass der ehemals unbekümmerte Pop-Song der Gruppe Opus in der Laibach-Version völlig andere Dimensionen annimmt und zu einer faschistoid anmutenden Hymne wird. Das Arrangement ist geprägt von einem schwerfälligen, marschartigen Rhythmus, der von Fanfaren und Orgelklängen untermalt wird. In Verbindung mit der herben, tiefen und pathetischnachdrücklichen Stimme des Sängers Milan Fras klingen die Zeilen „When we all give the power, when we all give the best“ des Opus-Liedes plötzlich nicht mehr harmlos, vielmehr wird ein bedrohlicher, „militanter Nebengeruch“135 geweckt. Der Text des Stücks ist fast gänzlich dem Original entnommen; leichte Modifikationen ergeben sich lediglich in einigen Strophen. Heißt es in der ursprünglichen Ausführung etwa: „When we all feel the power, come on, stand up and dance, when the feeling of the people is the feeling of the band“, so transformiert Laibach die positiv-fröhliche Passage um in die martialische Zeile: „When we all feel the power, when we all feel the pain, it’s the feeling of the people, it’s the feeling of the land“. Der Opus-Text „And everyone gave every-

134 Zu „archaischen Männlichkeiten“ siehe Grünwald 2012, S. 49ff. 135 Alenka Barber-Kersovan: Laibach und sein postmodernes „Gesamtkunstwerk“. In: Helmut Rösing (Hrsg.): Spektakel/ Happening/ Performance. Rockmusik als „Gesamtkunstwerk“. Mainz 1993, S. 66-79, hier: S. 68.

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thing and every song everybody sang“ wird bei Laibach zur nahezu apokalyptischen Deutung: „And everyone lost everything and perished with the rest“. Mit ihrer Pervertierung eines Pop-Songs zeigen Laibach totalitäre Strukturen in dessen scheinbar unverdächtigen Sphären populärer Kultur auf: „Mit seinen Coverversionen westlicher Pop- und Rockmusik demonstriert das Kollektiv auch die potentiell totalitäre Natur der ‚westlich-kapitalistischen‘ Kulturindustrie.“136 Um das Musikvideo Life is Life genauer in den Kontext der künstlerischen Strategien Laibachs einordnen zu können, wird im Folgenden genauer auf die Bandgeschichte und insbesondere ihr dekonstruktivistisches Wirken im Hinblick auf nazistische Symbole eingegangen: Die Industrial-Band Laibach formiert sich 1980 im ehemaligen Jugoslawien und gehört zu den Gründungsmitgliedern des multimedial arbeitenden Künstlerkollektivs Neue Slowenische Kunst (NSK). Die NSK, dessen musikalischen Part Laibach repräsentiert, schließt sich im Jahr 1984 in Ljubljana, der Hauptstadt des heutigen Sloweniens, aus verschiedenen künstlerischen Untergruppierungen137 zusammen. Werden subkulturelle Szenen und künstlerische Avantgarden qua Definition als opponierend und anarchistisch-aufbegehrend gedacht, so untergraben, gar pervertieren Laibach und die NSK ihre eigene „Dissidentenrolle“138, die avantgardistische raison d’être, systematisch, indem sie sich scheinbar widersinnig an ein totalitäres System assimilieren. Die NSK konstatiert sich nach eigenen Maßgaben nicht als ein Zusammenschluss einzelner, künstlerisch tätiger Individuen, sondern entsagt vielmehr den Idealen des autonomen Ausdrucks oder künstlerischer Freiheit und begreift sich als ein Gruppensubjekt mit gleichgeschalteter Identität, als „uniformes Kollektiv, das sich nach dem Vorbild des Staates dem

136 Inke Arns: Neue Slowenische Kunst – NSK. Laibach, Irwin, Gledalisce Sester Scipion Nasice, Kozmokineticno Gledalisce Rdeci Pilot, Kozmokineticni Kabinet Noordung, Novi Kolektivizem. Eine Analyse ihrer künstlerischen Strategien im Kontext der 1980er Jahre in Jugoslawien. Regensburg 2002, S. 39. 137 Zur NSK gehör(t)en ferner das Malerkollektiv Irwin, die Theatergruppe Noordung (ehemals Gledalisce Sester Scipion Nasice), das Design- beziehungsweise Grafik studio Novi Kolektivizem, das Architekturbüro Graditelij, die Film- und Videoabteilung Retrovision sowie die Abteilung für reine und angewandte Philosophie. 138 Diedrich Diederichsen: Mutmaßungen über L. In: Spex, 05/1986, S. 36-37, hier S. 36.

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Prinzip der industriellen Produktion […] verpflichtet fühlt“139. In dem Manifest Laibachs heißt es: „Art and totalitarianism are not mutually exclusive. Totalitarian regimes abolish the illusion of revolutionary individual artistic freedom. LAIBACH KUNST is the principle of conscious rejection of personal tastes, judgments, convictions […]; free depersonalization, voluntary acceptance of the role of ideology […].”140

Diese Aussage reflektiert das exakte Gegenteil der Erwartungen, die üblicherweise an eine avantgardistische Gruppierung wie Laibach herangetragen werden. Jegliche Andeutung einer kritischen und emanzipatorischen Haltung wird emphatisch zurückgewiesen. Laibach positionieren sich nicht als Bohème, hingegen als Schaffende ‚offizieller‘ Kunst, die keine Alternative zum totalitären Staat bieten, sondern sich mit diesem identifizieren, gar „den Bedürfnissen und Bestrebungen des Staates einen spiegelbildlichen Ausdruck zu verleihen [suchen]“141 . Seit ihrer Gründung existieren um Laibach starke Kontroversen. Ihre umstrittenen Konzerte und Performances sorgen angesichts totalitärer ÜberIdentifizierung und dem eklektizistischen Gebrauch von bedeutungsgeladenen Zeichen, faschistischer Ästhetik, ‚Blut-und-Boden‘-Parolen und nationalsozialistischer Propagandakunst, verwoben mit kitschiger Heimatsymbolik, Zitaten des sozialistischen Realismus sowie des russischen Suprematismus und religiöser Ikonographie, für verwirrte, empörte Reaktionen und führten insbesondere im ehemaligen Jugoslawien dazu, dass sie wegen „unangebrachter Verwendung von Symbolen“ oder anhaltender „Verwendung militärischer Hilfsmittel“142 Zensur und Verboten ausgesetzt wurden. Ihre ostentativ ambivalente Positionierung wird beispielsweise deutlich, indem Laibach auf die Frage, ob sie Faschisten sei-

139 Inke Arns: Mobile Staaten/ Bewegliche Grenzen/ Wandernde Einheiten. Das slowenische Künstlerkollektiv Neue Slowenische Kunst (NSK). In: Geert Lovnik, Pit Schultz (Hrsg.): Netzkritik. Materialien zur Internet-Debatte. Berlin 1997, S. 201211, hier S. 203. 140 Neue Slowenische Kunst (Hrsg.): Neue Slowenische Kunst. Zagreb/Los Angeles 1991, S. 21 [Herv. i.O.]. 141 Charles Stephens: „Es fließt Blut aus der alten Wunde“: Die prophetische Vision der Neuen Slowenischen Kunst. In: Inke Arns (Hrsg.): Irwin Retroprincip 1983-2003. Frankfurt am Main 2003, S. 131-139, hier S. 138. 142 Siehe Holger Gächter: Laibach. In: Martin Büsser u.a. (Hrsg.): Testcard #1: Pop und Destruktion. 1995, S. S. 100-106, hier S. 102.

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en, antworten: „We are fascists as much as Hitler was a painter“143 und damit die Frage unbeanwortet an die Rezipienten zurückwerfen. Das Wirken Laibachs ist in dem historischen Referenzrahmen und politischgesellschaftlichen Kontext Sloweniens und des ehemaligen Jugoslawiens zu beleuchten. So illustriert etwa die Namensgebung der Band den Einfluss NaziDeutschlands während des ‚Dritten Reichs‘ auf Slowenien: Laibach, die deutschsprachige Bezeichnung für Ljubljana, taucht nach der Herrschaft des Österreich-Ungarischen Königreichs das nächste Mal 1943 auf, als Ljubljana während der Okkupation durch die Nationalsozialisten in Laibach umbenannt wird. Die Verwendung dieses Begriffes wie auch Laibachs fortlaufender Gebrauch der mit faschistoiden Konnotationen belegten deutschen Sprache stellt für das antifaschistische Selbstverständnis des sozialistischen Jugoslawiens weitaus mehr als einen marginalen Verstoß gegen die Staatsräson dar. Die Laibach’sche Ästhetik setzt sich aus teils disparaten Quellen zusammen. Sie lassen in ihrem Auftreten ein komplexes und ambiges Zeichenensemble entstehen, das sich einer Greifbarkeit zunächst entzieht. Ihre Ästhetik gleicht einer „semiologischen Guerilla“144 im Sinne von Umberto Eco: Sie ist ein Angriff auf das kollektive Bildgedächtnis. Slavoj Zizek sieht gerade in diesem Umstand die subversive Taktik der Band begründet: „The merit of Laibach resides precisely in their skillful manipulation of […] symbolization. […] You cannot pin them down. Theirs was an abstractly totalitarian symbolization, but one that slips away if one wanted to thrust in and ask, what actually is it? Is it Stalinism? Is it fascism?“145

Symptomatisch für das künstlerische Schaffen Laibachs wie auch der NSK im Allgemeinen ist ihre als „radikal intertextuell“146 zu bezeichnende Methode der Retrogarde. Sie greifen vorhandene Bilder und Zeichen auf und stellen sie in einen neuen Kontext. Der Begriff Retrogarde scheint dem der Avantgardebewegung diametral entgegengesetzt zu sein. Anstelle des Anspruches absolut Innovatives zu schaffen, gleichsam einen Bruch mit Tradition und Etabliertem zu unternehmen, fühlt sich die Retrogarde dem Prinzip des Vergangenen verpflichtet

143 Neue Slowenische Kunst, S. 58. 144 Umberto Eco: Über Gott und die Welt. Essays und Glossen. München 1996, S. 146. 145 Slavoj Zizek: Everything Provokes Fascism. Interview in: Assemblage, Nr. 33 (1997), S. 58-63, hier S. 61, http://sitemaker.umich.edu/herscher/files/everything_ provokes_fascism.pdf (zuletzt aufgerufen am 24.03.2015). 146 Vgl. Arns, Neue Slowenische Kunst, S. 103-104.

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und zeichnet sich durch die Aneignung bestehender Symbole und bildlicher Ausdrucksformen aus.147 Doch handelt es sich dabei keineswegs um ein wahlloses Beleihen, vielmehr rekurrieren Laibach und die NSK in ihrer Ikonographie zu einem großen Teil auf „traumatische Erfahrungen“148 der Vergangenheit. Bereits das Logo der NSK charakterisiert ihre spezielle Arbeitsweise beziehungsweise Bildsprache und verweist auf die widersprüchlichen Quellen, aus denen das Künstlerkollektiv schöpft. Es besteht aus Symbolen unterschiedlicher Provenienz: Im Mittelpunkt befindet sich ein aus vier Beilen zusammengesetztes Hakenkreuz, das von einem den Hintergrund bildenden, schwarzen Kreuz umfasst wird. Das Hakenkreuz ist einer Illustration des antifaschistischen Künstlers John Heartfield entnommen, bei dem schwarzen Kreuz handelt es sich um eine Anlehnung an den russischen Suprematisten Kasimir Malewitsch. Nochmals umrahmt wird das Gebilde von einem Kranz, der in sich aus drei Teilen geformt ist: Während im linken oberen Drittel ein stilisiertes Zahnrad – ein Sinnbild der Industrialisierung und Ikone der Arbeiterkultur – zu erkennen ist, besteht das rechte obere Drittel aus einem Dornenzweig, einem Symbol mit starker christlich-religiöser Konnotation. Das untere Drittel bildet ein Hirschgeweih und damit ein klassisches Heimat-Motiv. Dieses wird von drei brennenden Fackeln (die rechte davon kann als schematisches Modell des Triglav-Berges, der als slowenisches Nationalsymbol gilt, angesehen werden) sowie einem Schriftband überlagert, auf dem die Namen der Gründungsgruppen der NSK zu lesen sind. Zusätzlich ist im oberen Teil des Kranzes noch das Symbol der Theatergruppe Gledalisce Sester Scipion Nasice – drei ineinander geschobene Dreiecksformen – eingefügt.149 In den Plattencovern und Plakaten Laibachs wiederholt sich die eklektizistische Bildsprache: Das aus der Arbeiterpropaganda stammende Motiv des Hammermanns ist dort ebenso wiederzufinden wie militärische und faschistoide Bildsujets, etwa das Hitlerjugend-Motiv des Trommlerjungen. Die Musiker treten bei Konzerten häufig in alpenländischer Jägerkluft auf, die, wie in dem Musikvideo Life is Life, in Farbe und Schnitt allerdings auch an Nazi-Uniformen erinnert. Unterstützt wird dieser Eindruck durch das Tragen von Armbinden als auffälligen vestimentären Versatzstücken des ‚Dritten Reichs‘; nur ersetzt Laibach das Hakenkreuz durch das Schwarze Kreuz Kasimir Malewitschs. Die Bühnenauftritte der Band gleichen paramilitärischen Spektakeln und sind geprägt von einer disziplinierten und harten Choreographie sowie einer nahezu

147 Vgl. Ebd., S. 98-99. 148 Ebd., S. 17. 149 Vgl. Ebd., S. 15ff.

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monumentalen Charakter annehmenden Szenographie. Häufig ist das Setting dabei, etwa mit parallel angeordneten Fahnen, streng symmetrisch arrangiert. Mimik und Gestik der Musiker zeichnen sich durch harte Gesichtsausdrücke, hypnotisch-starre Blicke und mechanische Gesten aus; grelle Scheinwerfer strahlen das Publikum – ähnlich einer Verhörsituation – an.150 Die Performances werden ferner durch symbolträchtige Videoprojektionen, etwa soldatisch marschierender Massen, untermalt. Die Konzerte Laibachs lassen sich beschreiben als „ein provokativer interdisziplinärer Akt, in dem durch Montage und Demontage von assoziationsbeladenen Bedeutungen das kritische Bewusstsein der Empfänger geweckt wird“151. Ähnlich ihres visuellen Ausdrucks arbeiten sie auch auf Soundebene mit Zitaten, die in einen neuen Zusammenhang gebracht werden. Kompositionen klassischer Musik werden genauso verarbeitet wie Partisanen- und Volkslieder, Kirchengesänge oder populäre Musik. Ihre Stücke werden fast ausnahmslos mit einem dumpfen und schwerfälligen Marschrhythmus unterlegt. Diese Atmosphäre verstärken Pauken, Trommelwirbel und Fanfaren sowie Tonausschnitte aus Propagandareden von Mussolini oder Hitler, die Laibach mit eigenen Texten vernetzen.152 Selbst aus vormalig harmlosen Popsongs entwickelt Laibach, bedingt durch die düstere Stimme des Sängers Milan Fras, bedrohlich faschistoide Klänge. Neben Opus’ Life is Life nimmt auch One Vision von Queen in der Laibach’schen Coverversion Geburt einer Nation, in dem nazistisch belegtes Vokabular wie „Leitbild“ und „Rasse“ verwendet wird, despotische HerrenmenschenZüge an. Geburt einer Nation, obgleich bereits 1987, sprich vier Jahre vor dem endgültigen Zerfall der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) veröffentlicht, liest sich wie ein ironischer Kommentar auf das mit der Tendenz zur Subnationalisierung erstarkende, überaus nationalistisch geprägte Identitätskonzept in den ehemaligen Teilrepubliken der SFRJ. In eine ähnliche Richtung ist auch der NSK-Staat, den das Künstlerkollektiv im Jahr 1991 – fast parallel zur Gründung Sloweniens – konstatiert, zu interpretieren. Auch dieser artifizielle Staat ohne Territorium, der künstlerische Gegenentwurf eines ‚Heimatlandes‘, karikiert das Gedeihen eines Slowenischen Nationalgeistes. Laibachs Ansatz, „totaler als der Totalitarismus“153 sein zu wollen, und ihre allgegenwärtige abstrakt-faschistoide Ästhetik, die auf den ersten Blick ohne deut-

150 Vgl. Barber-Kersovan, S. 75-76. 151 Ebd. 152 Vgl. Arns, Neue Slowenische Kunst, S. 26. 153 Boris Groys: The Irwin Group: More Total than Totalitarianism. In: Irwin. Kapital.

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liche Ironie oder kritische Distanzhaltung dargeboten wird, irritiert und provoziert. An sie herangetragene Deutungsversuche und eindeutige Stellungnahmen zu ihrer eigenen, etwaig faschistischen Position lehnen sie konsequent ab und hüllen sich mit dem nachgeahmten Gestus diktatorischer Machthaber in undurchsichtige quasi-ideologische Phraseologie. In Anbetracht der betont „antiaufklärerischen“154 und affirmativen Pose Laibachs liegt die Frage nahe, worin ihre Form der Dissidenz und Subversion besteht. „Was tut die Neue Slowenische Kunst […] mit den ideologischen Ensembles, die sie ‚imitiert’?“155 Die Legitimationsgrundlage für ihre ambivalente Praxis liefern Laibach selbst: „All art is subject to political manipulation […], except for that which speaks the language of this same manipulation.“156 Durch ihre inszenierte Über-Identifizierung konstruieren Laibach das genaue Gegenteil: eine substanzielle Desidentifikation. Dies gelingt Ihnen nicht etwa durch Satire oder Ironie, denn, wie Slavoj Zizek ausführt, ist es eine fälschliche Annahme, „dass ironische Distanz automatisch eine subversive Haltung sei“, vielmehr ist sie Teil des vorherrschenden Systems, gar eine Form des Konformismus, „da das normale Funktionieren des Systems zynische Distanz erfordert“157 . Zeichnet sich der Diskurs durch Ironie und die dadurch transportierte Kritik aus, so läuft diese Kritik per se ins Leere, da die Ideologie ihren eigenen Zynismus bereits vorweg internalisiert hat.158 Zizek hebt weiterhin die Strategie Laibachs als ultimativen Kunstgriff hervor; diese frustriere das System, die herrschende Ideologie, gerade insofern, als sie nicht ironische Imitation ihrer Rituale sondern eine Hyperaffirmation dieser sei. Neben den öffentlich expliziten Werten vermag die Über-Identifikation auch eine verdeckte Kehrseite, die implizit mittransportierten obszönen und beschämenden Prämissen des Systems, zu reproduzieren und dadurch ans Licht zu bringen.159 Das Vorgehen Laibachs ist ferner eine Dekonstruktion der unbewussten Dimensio-

Ausstellungskatalog, Ljubljana 1991, o. S. 154 Katja Diefenbach: Kunststaat – Slowenien und die Neunziger. In: Inke Arns (Hrsg.): Irwin Retroprincip 1983-2003. Frankfurt am Main 2003, S. 32-34, hier S. 33. 155 Slavoj Zizek: Neue Slowenische Kunst: ‚Acting out‘ oder ‚Passage à l’acte‘? In: In ke Arns (Hrsg.): Irwin Retroprincip 1983-2003. Frankfurt am Main 2003, S. 39-65, hier S. 41. 156 Neue Slowenische Kunst, S. 18. 157 Slavoj Zizek: Warum sind Laibach und die NSK keine Faschisten? In: Inke Arns (Hrsg.): Irwin Retroprincip 1983-2003. Frankfurt am Main 2003, S. 49-50, hier S. 49. 158 Vgl. Arns, Mobile Staaten/ Bewegliche Grenzen/ Wandernde Einheiten, S. 204. 159 Siehe Zizek, Warum sind Laibach und die NSK keine Faschisten?, S. 49.

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nen der Ideologie, da Versatzstücke ihrer ästhetischen Repräsentationen, ihres sinnlich wahrnehmbaren Fundamentes, dekontextualisert – das heißt einzelne Elemente aus ihrem sinnstiftenden Artikulationszusammenhang (dem eigentlichen ideologischen Feld) herausgerissen – und rekontextualisiert werden zu einer von Laibach aufs Neue geschaffenen, dysfunktionalen Ideologie, die nun in ihrer völligen Stumpfsinnigkeit erfahrbar wird.160 „Die ideologischen Elemente […] finden sich in einem leeren Raum wieder, sie ‚flottieren‘ wie eine […] von idiotischem, unsinnigem Genießen [jouissance] erfüllte Sammlung […], hier ein Stück Nazismus, dort ein Stück Stalinismus, daneben ein Stück slowenischer nationaler Mythologie […], versammelt in einem unsinnigen Netz.“161

Haben vorangehende subkulturelle Bewegungen sämtliche Elemente der Provokation durch den Gebrauch faschistoider Inhalte durchgespielt, so ist festzustellen, dass diese nur noch in Form von Affirmation zu überbieten sind.162 Die Schocktaktiken, die im Punk als Form der ostentativen Rebellion noch zweifelsohne funktionieren, werden im Fall Laibachs durch eine Schein-Affirmation abgelöst, denn der Identitätsentwurf der Band gründet oberflächlich auf einer resoluten Identifikation mit totalitären Strukturen. Mittels hysterischer Überzeichnung totalitärer Ästhetik, und hierin liegt die ultimativ subversive Haltung Laibachs begründet, betreiben sie in hohem Maße Ikonoklasmus. Laibach operieren gewissermaßen aus einem als antifaschistisch zu bewertenden Grundverständnis heraus, ohne dass sie auf ästhetischer Ebene dezidiert antifaschistische Statements liefern. Im Gegenteil: Die Selbstinszenierung Laibachs entspricht einer Mimese faschistoider respektive totalitärer Strukturen und Ästhetik. Eine offene Opposition ist hier nicht zu finden. Die Band greift NS-Symbolik hyperaffirmativ auf, um diesen Sinnbildern in ihrer eigenen Form und Sprache antworten zu können und sie gerade dadurch subkutan zu demontieren. Somit kann Laibachs Strategie auch als negative Affirmation im Sinne von Bazon Brock beschrieben werden. Hierzu schreibt Brock: „Es nützt nichts mehr, dem Gegner nachzuweisen, daß seine Behauptungen ‚falsch’ sind. Man muß den Gegner dazu zwingen, seine eigenen Behauptungen ganz ernst zu nehmen, indem man sie selber zunächst einmal gelten läßt – ja, ihnen derart zustimmt, daß ihr Anspruch sich über alle anderen gegenteiligen Ansprüche hinwegsetzen könnte. Dann wer-

160 Vgl. Arns, Mobile Staaten/ Bewegliche Grenzen/ Wandernde Einheiten, S. 205. 161 Zizek, ‚Acting out‘ oder ‚Passage à l’acte‘?, S. 41 [Herv. i.O.]. 162 Vgl. Büsser, Wie klingt die Neue Mitte, S. 33.

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den Konsequenzen sichtbar, die auch den mit der Existenzauslöschung bedrohen, der diese Ansprüche gerade noch glaubte, gegen alle anderen verwirklichen zu müssen.“163

Ebendieser Ansatz findet sich beispielhaft in Laibachs Life is Life wieder. Sie inszenieren auf Bildebene eine übersteigerte Identifikation mit HeimatIdeologemen und setzen diese visuell in direkte Referenz zu den Naturphantasmen des Nationalsozialismus. Ihr überzeichneter faschistoider Habitus ist als ein Angriff auf den Faschismus durch Übercodierung seiner Zeichen, als eine „Strategie der Subversion durch Affirmation“164, zu verstehen. In der übertriebenen Bejahung manifestiert sich ihr Widerstand.

5.3 D IE F IGUR A DOLF H ITLER 5.3.1 Hitler als Ikone des Populären „Some people are larger than life. Hitler is larger than death.“ DON DELILLO

165

In Don DeLillos Roman White Noise entspinnt sich ein Dialog zwischen dem Protagonisten Jack Gladney und seiner elfjährigen Stieftochter Denise. Das Gespräch fällt auf Hitler und Denise bemerkt, dass sie ihn am vorigen Abend im Fernsehen gesehen habe. Daraufhin antwortet Gladney: „He's always on. We couldn't have television without him.“166 Was in diesem Zitat aus DeLillos Roman deutlich wird, ist die Omnipräsenz Adolf Hitlers in der gegenwärtigen Kultur. Als Medienfigur und Ikone des Populären erscheint das Hitler-Bild ungebrochen präsent. In unzähligen Dokumentation, Fernsehserien und Kinofilmen, Comics, Karikaturen, Imitationen und Parodien, als Internet-Mem und in der Werbung findet die Figur Hitler ihre Fortsetzung. Wenn für Bilder des Nazismus insgesamt konstatiert werden kann, dass sie ein beträchtliches Nachleben entwickelt haben und bis in die Gegenwart hin-

163 Bazon Brock: Besetzung und Bilderkrieg als affirmative Strategien, http://www. bazonbrock.de/werke/detail/?id=281§id=769#sect (zuletzt aufgerufen am 23.04. 2014). 164 Diedrich Diederichsen: 1500 Schallplatten. 1979-1989. Köln 1989, S. 6. 165 DeLillo, S. 287. 166 Ebd., S. 63.

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einreichen, so trifft dies insbesondere auf das Hitler-Portrait zu. Es ist durch seine ikonischen Qualitäten tief im kollektiven Gedächtnis verankert, wurde hundertfach reproduziert, gesehen und (wieder)erkannt, verarbeitet, umgedeutet und erneut weiter tradiert. Hitler hat sich selbst überlebt und ist radikal zum Bild geworden. Das Hitler-Bild ist somit eine Art Perpetuum mobile der populären Kultur, das sich selbst nährt und unablässig neue Bilder hervorbringt. „Am Ende ist das Hitler-Bild beinahe so etwas, das sich selbst geschaffen hat.“167 Dabei hat das Bild seine historische Bedeutung längst überholt: „Lange bevor wir wussten, wer oder was ‚die Nazis‘ waren, kannten wir Nazi-Witze und Hitler-Parodien.“168 Der Signifikant erscheint somit stärker als sein Signifikat; das Zeichen dominiert das Bezeichnete. Das Bild Hitlers hat sich von seiner historischen und politischen Realgestalt emanzipiert und ein „gespenstisches Eigenleben“169 entwickelt. Es ist gewandert und wird bis heute in visuellen Erzeugnissen unablässig wiederhergestellt. „Das Bild ist da, weil es Hitler gibt, und Hitler gibt es, weil sein Bild überall ist.“170 Dieses reziproke Verhältnis erscheint insofern maßgeblich, als Hitler-Darstellungen keine Abbilder der ‚Realfigur‘ Hitler sind, sondern vielmehr Grund, warum die ‚Realfigur‘ so und nicht anders im Kollektivgedächtnis existiert. Diese Entkoppelung des Hitler-Bildes von seiner real-historischen Referenz ermöglichte es auch, dass das Bild in andere diskursive Räume gewandert ist und mit neuen Bedeutungen und medialen Funktionen versehen wurde. Das Wissen um die Geschichte nimmt ab – die Bildproduktion rund um das Sujet jedoch nicht. Die Popkultur skizziert ein, wie Susan Sontag feststellt, „[...] Hitlertum, das den historischen Hitler selbst überlebt hat, ein spukhaftes Ingredienz der modernen Kultur, ein böses Prinzip von grenzenloser Wandlungsfähigkeit, das die Gegenwart durchtränkt und sie zur Reprise der Vergangenheit macht“171 . Kein anderes Bild des Nationalsozialismus wurde derart vielen Neuinterpretationen, Umformungen und Umwandlungen, Dekontextualisierungen und erneuten Rekontextualisierungen unterzogen und hat so mannigfaltige Nach-Bilder generiert wie das Hitler-Portrait. „In welcher Inkarnation auch immer: Hitler lebt. In uns, unserer Gesellschaft, auf hohem [...] wissenschaftlichem Niveau ebenso wie in den Niederungen von Werbung und Massenunterhaltung. Mit [...]

167 Seeßlen, HITLER, S. 218. 168 Ebd., S. 214. 169 Ebd., S. 216. 170 Ebd., S. 222. 171 Susan Sontag: Syberbergs ‚Hitler‘, http://www.syberberg.de/Syberberg4_2010/ Susan-Sontag-Syberbergs-Hitler.html (zuletzt aufgerufen am 23.05.2014).

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Erstaunen muss man heute feststellen: So viel Hitler war selten.“ 172 HitlerDarstellungen sind in alle Bereiche der visuellen Kultur vorgedrungen und „in endlosen Prozessen der Transformierung vom Menschlichen zum Übermenschlichen gelangt“173. Das Hitler-Bild ist schließlich als semantischer Komplex zu begreifen, der alle Phantasmen und Imaginationen zur Person Adolf Hitler zusammenführt und in einer metaphorischen und transzendentalen Sphäre einigt: als Mythos. Somit ist das Hitler-Bild nicht mehr eindeutig verortbar, es verfügt über kein Zentrum, sondern wandert stets weiter, will sich vervielfältigen und nach neuen Räumen suchen.174 Damit beginnt auch die Arbeit an dem HitlerBild immer wieder von vorn – ebenso wie an der Stelle von Hitler-Portraits, Führer-Bildbänden oder Postkarten des Nationalsozialismus nun Hitler-Filme, Parodien oder Comics die heutige populäre Kultur überschwemmen. Georg Seeßlen fordert infolgedessen, dass das Hitler-Bild und seine visuellen Codes einer Bearbeitung unterzogen werden müssen, da „die Suche nach seinen Quellen, seinen Herstellungen und seinem Gebrauch“ auch dort notwendig sei, „wo einem die Banalität des Bösen erst einmal den Atem raubt“175. Besonders entscheidend für die mediale Wiederbelebung der Figur Hitler ist seine negative Anziehungskraft als Ikone des Bösen. Stellt Saul Friedländer fest, dass der Nazismus in der Vorstellung der Gegenwart zu einer der bedeutendsten Metaphern für das Böse geworden ist176 , so kann das Konterfei Hitlers als das lautstärkste Sinnbild dieses nazistischen Bösen gelten. Im Pop findet also ein Flirt mit einer Ikonografie des Grausamen, personifiziert durch das Hitler-Bild statt. Die Werbung operiert beispielsweise insbesondere dann mit Verweisen auf Hitler, wenn „etwas unaussprechlich abscheulich ist und somit als verbrecherisch zu gelten hat“177. So zeigt ein Plakat des brasilianischen Gesundheitsverbands Unimed im Kontext einer Anti-Raucher-Kampagne das aus unzähligen Zigarettenstummeln geformte Gesicht Adolf Hitlers mit der Bildunterschrift Rauchen tötet mehr. Hitler als Negativfolie nutzt auch ein Videoclip des Vereins Regenbogen zur Aids-Prävention, in dem ein Hitler-Darsteller beim Geschlechtsakt gezeigt und mit dem Satz Aids ist ein Massenmörder kommentiert wird. Ebenso eine Anzeige der Tierschutzorganisation NOAH, die unter dem

172 Daniel Erk: So viel Hitler war selten. Die Banalisierung des Bösen oder warum der kleine Mann mit Bart nicht totzukriegen ist. München 2012, S. 9. 173 Seeßlen, HITLER, S. 228. 174 Vgl. Ebd., S. 223/230. 175 Ebd., S. 239. 176 Vgl. Friedländer, S. 118. 177 Erk, S. 11.

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Slogan Wer Pelz trägt, hat keinen Respekt vor dem Leben eine Fotomontage Hitlers mit Pelzkragen gebraucht. Die Restaurant-Kette Chopstix aus Indonesien wirbt mit Hitler in einem scheinbar unbeobachteten Moment: Unter einer angedeuteten schwarz-weiß-roten Hakenkreuz-Fahne sitzend isst er genüsslichlächelnd ein Nudelgericht aus einer Pappschachtel. Man kann nicht alles hassen, ist auf der Werbeanzeige zu lesen.178 Die Botschaft legt nahe, dass über die Gleichsetzung von Hitler mit Hass und ultimativer Bösartigkeit allgemeiner Konsens besteht. Er wird gemeingültig mit Schlechtheit assoziiert. Zudem erscheint – im Sinne der Werbelogik – der Aufmerksamkeitsfaktor und Wiedererkennungswert Hitlers ungebrochen hoch. Hitler-Darstellungen in der Werbung werden als öffentlichkeitswirksame, leicht zu identifizierende und interpretierende Zeichen genutzt und nähren sich parasitär an den gesellschaftlichen Phantasmen und Imaginationen des nazistischen Bösen: „Hitler and Nazism came to be increasingly used as signs and tropes in popular culture, foremost as [...] ‚symbols of evil‘. As such, they are indebted more to a semiotic logic and economy than to historical reference.“179 Ähnlich funktionieren auch Hitler-Vergleiche und Nazi-Analogien, die zum rhetorischen Grundvokabular sowohl der populären Kultur als auch der Politik gehören, wenn es darum geht, jemanden oder etwas als besonders unerbittlich, niederträchtig oder grausam auszuweisen. Skandale um Hitler-Vergleiche finden sich in regelmäßigen Abständen in den Medien; die öffentliche Empörung nach verbalen Nazi-Analogien erscheint gleichsam reflexartig zu folgen.180 Als „Ultima Ratio der Beleidigungskultur“ ist der Verweis auf Hitler „zur Standardme-

178 Siehe Ebd., S. 97ff. 179 Stefan Hirt: Adolf Hitler in American Culture. National Identity and the Totalitarian Other. Paderborn 2013, S. 323. 180 In der Presse diskutiert wurde etwa die amerikanische Schauspielerin Megan Fox, die den Regisseur Michael Bay 2011 am Set des gemeinsamen Films Transformers als Hitler bezeichnete. Auch Prinz Charles und Wolfgang Schäuble sorgten für kontroverse Reaktionen, als sie im Zuge der Krim-Krise 2014 Wladimir Putin mit Hitler verglichen. Vgl. Daniel Erk, Marcus Stiglegger und Louisa Reichstetter: „...und bald wird die nächste Nazi-Sau durch’s Dorf getrieben.“ Debatte. In: Spex, Nr. 335, No vember/Dezember 2011, S. 90-96, hier S. 92 sowie Christoph Sydow: Britischer Thronfolger: Prinz Charles’ Hitler-Putin-Vergleich entzürnt Russland. In: Spiegel Online,

22.05.2014,

http://www.spiegel.de/politik/ausland/putin-hitler-vergleich-

prinz-charles-erbost-russland-a-970975.html und Zeit Online: Schäuble vergleicht Putin mit Hitler. In: Zeit.de, 31.03.2014, http://www.zeit.de/politik/ausland/201403/hitler-putin-schaeuble-ukraine-krim (beide zuletzt aufgerufen am 28.05.2014).

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tapher geworden und zur Vergleichsgröße für jeden, mit dem man eine unwesentliche Meinungsverschiedenheit hat“ 181 . Umgangssprachlich sind die Bezeichnungen Hitler und Nazi folglich nicht mehr als Floskeln; sie sind formelhaft gebrauchte und beliebig einsetzbare Schmähbegriffe geworden. Neben verbalen Hitler-Analogien sind jedoch auch visuelle darunter zu subsumieren, so etwa wenn Politiker wie Angela Merkel oder Wladimir Putin in Karikaturen und Fotomontagen ‚gehitlert‘, d.h. mit phänotypischen Merkmalen wie dem ‚Hitlerbart‘ versehen werden.182 Stets geht es darum, in der Gegenüberstellung mit Hitler einen politischen Gegner mit dem personifizierten Bösen zu diffamieren. Als phrasenhafter „Inbegriff moralischer Verkommenheit“183 erfährt Hitler in der gegenwärtigen Kultur eine Wiederauferstehung. Die Wirkung, die von den Abbildungen Hitlers ausgeht, erwächst also aus dem Wissen um den verbrecherischen Charakter des Nationalsozialismus: „Im Wissen um die monströsen Verbrechen, um den ‚Zivilisationsbruch‘ des NS-Systems, erscheint Hitlers Abbild heute als Symbol des Bösen.“184 Das Schreckliche spielt in seiner konkreten Gestalt des Holocausts und seiner Opfer für die Bildproduktion der Gegenwart jedoch kaum eine Rolle, sondern ist vielmehr zu einer diffusen und negativauratisch verklärten Chiffre des ‚Irgendwie-Grausamen‘ verschwommen. Die echte Grausamkeit der Verbrechen nährt lediglich als dunkle Ahnung ein symbolisch erkaltetes Bild des Bösen. Das negative Charisma Hitlers als das absolut Böse erscheint dann besonders reizvoll, wenn es eingebettet ist in das Profane und Banale. Das Nebeneinander von Über- (respektive Un-)menschlichem und allzu Menschlichem, von Überhöhtem und Alltäglichem oder – im Sinne Friedländers – die Juxtaposition von trivialem Kitsch einerseits und Tod und Zerstörung andererseits macht die Faszination für den Nazismus aus und ihn zu einem beständigen Thema der heuti-

181 Erk, S. 38/52. 182 Im Falle von Angela Merkel ist dies insbesondere im Jahr 2011 während der europäischen Finanzkrise und der Debatte um die Verschuldung Griechenlands zahlreich geschehen. Darstellungen, die Putin mit Hitler in Beziehung setzen, wurden, wie oben erwähnt, vermehrt 2014 im Kontext der Proteste in der Ukraine genutzt. 183 Rudolf Herz im Gespräch mit Heinz Schütz. In: Dies.: Zugzwang. Duchamp, Hitler, Hoffmann. München 2013, S. 31-34, hier S. 33. 184 Christian Saehrendt: Die Inkarnation des Teuflischen. Rudolf Herz verkunstet Adolf Hitler – eine fragwürdige Foto-Installation im Hamburger Bahnhof. In: Heinz Schütz, Rudolf Herz (Hrsg.): Zugzwang. Duchamp, Hitler, Hoffmann. München 2013, S. 46-47, hier S. 46.

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gen (populären) Kultur.185 Wenn Hitler, gespielt von Helge Schneider, in Dani Levys Filmkomödie Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler (2007) als ordinärer Jedermann in einer Badewanne gezeigt wird, so ist dies Ausdruck des Bedürfnisses, den übermenschlichen Hitler herabholen und banalisieren zu wollen. Ebenso die britische TV-Serie Heil, Honey I’m Home186, die Hitler als kleinkarierten Vorstadtbiedermann zeigt, der mit seiner Frau Eva Braun in einer spießbürgerlichen Reihenhaussiedlung wohnt. Jedoch reproduziert dieses Darstellungsmuster, der Nexus zwischen dem erhabenen Bösen und dem Profanen, letztlich die Abbildungssystematik des Nationalsozialismus, die Hitler einerseits zum Mythos stilisierte, andererseits aber auch stets in inszenierten Momenten des Alltäglichen und Privaten zeigen wollte. Das Hitler-Bild befindet sich nicht nur gegenwärtig, sondern befand sich schon immer in einem ständigen Prozess der Überhöhung und des Herabholens: „Er [Hitler] ist das Göttliche, das dauernd menschlich wird, und das Menschliche, das dauernd göttlich wird.“187 Weiterhin konstatiert Georg Seeßlen: „Den ‚Menschen‘ hinter der ‚Maske‘ erkennen zu wollen, ist demnach nicht etwa ein frivoles Spiel der Nachgeborenen [...], es ist vielmehr die Fortsetzung einer ikonographischen Strategie, die bereits in der faschistischen Bildwelt steckt.“188 Neben der negativen Strahlkraft Hitlers, der heute zu dem rätselhaften Bild eines „grotesken Un-Menschen und ungreifbaren Dämons“189 zerfallen ist, liegt der Grund für seine ubiquitäre Präsenz in der populären Kultur insbesondere auch in seiner markanten Optik. In Zeichentrickserien wie South Park oder Family Guy ist Adolf Hitler nicht zuletzt aufgrund der einfachen Karikierbarkeit seiner Physiognomie eine häufig auftretende Figur. Hitlers Erscheinung zeichnet sich durch eine Art ikonologische Hyperprägnanz aus. Sein Äußeres ist durch eindeutige Merkmale leicht zu beschreiben. „Die Selbststilisierung Hitlers mit Stirnlocke und Bürstenschnauzer führt durch [...] die aber-millionenfache Verbreitung seiner Fotos dazu, dass diese Attribute, unabhängig aller konkreten Unterschiede, die von Bild zu Bild [...] existieren, imstande sind, die Person zu bezeichnen.“190 Hitlers physiognomische Konstanz verfügt durch seine vielfache

185 Siehe Friedländer, S. 26. 186 Die Fernsehserie wurde 1990 nach nur einer Folge abgesetzt. 187 Vgl. Seeßlen, HITLER, S. 237. 188 Ebd. 189 Vgl. Ebd., S. 216. 190 Heinz Schütz: Bilder, nichts als Bilder. Duchamp und Hitler in ‚Zugzwang‘. In: Ders., Rudolf Herz (Hrsg.): Zugzwang. Duchamp, Hitler, Hoffmann. München 2013, S. 93-100, hier S. 96.

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visuelle Verbreitung also über einen immensen Wiedererkennungswert. Marcel Atze beschreibt, wie sehr der Name Hitler eine Lawine an Vorstellungen lostritt, die nahezu kanonartigen Charakter besitzen und das gleiche Bild eines Mannes mit Seitenscheitel und Bart skizzieren: „Die Kombination aus prägnanter Physiognomie und namentlicher Bezeichnung scheint im Falle Hitlers untrennbar miteinander verschweißt. [...] Betrachtet man [...] eine auf das Notwendigste beschränkte graphische Abstraktion der äußerlichen Details, so fällt die prompte Benennung nicht schwer.“191 Allein die Andeutung einer Seitenscheitelfrisur und eines Barts genügt, um die Verbindung zum kollektiven visuellen Gedächtnis herzustellen. Abbildung 42: Hello Hiti

Abbildung 43: Hitler-Haus

Auf diese einfache Formel reduziert wird das Zeichenhafte der Ikone Hitler genährt, was sie auch leicht übertragbar werden lässt. Beispiele hierfür sind etwa Hello Hiti, eine Hitler-Version der berühmten japanischen Kawaii-Katze Hello Kitty, oder das auf zahlreichen Blogs und in sozialen Netzwerken geteilte Bild des Hitler-Hauses, dessen Schrägdach sowie die mittig platzierte Eingangstür ausreichen, um Assoziationen zu den signifikanten Hitler-Attributen Seitenscheitel und Bart zu wecken. 192 Ebenso musste 2013 die US-amerikanische

191 Marcel Atze: ‚Unser Hitler‘. Der Hitler-Mythos im Spiegel der deutschsprachigen Literatur nach 1945. Göttingen 2003, S. 371. 192 Arno Frank: Haus sieht aus wie Hitler. Beim Richtfest getrennt? In: taz.de, 01.04.2011, http://www.taz.de/!68388/ (zuletzt aufgerufen am 30.05.2014) Zu bemerken ist hier, dass auch im Walt Disney-Kurzfilm The Fuhrer’s Face aus dem Jahr 1943 Donald Duck in einem Haus wohnt, das durch den Schattenwurf des

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Kaufhauskette J. C. Penney eine Teekanne aus ihrem Sortiment nehmen sowie die Plakattafeln, die ebenjenes Produkt bewarben, entfernen lassen, weil das Design der Kanne mit ergonomisch geformtem Henkel als Scheitelfrisur und Deckelknauf als Schnauzer zu stark an das Konterfei Hitlers erinnerte.193 Abbildung 44: Hitler-Teekanne von J. C. Penney

Abbildung 45: Timur Vermes, Er ist wieder da (Buchcover)

Der popkulturelle Rekurs auf Hitler ist folglich primär ein Rekurs auf den visuellen Hitler, auf Hitler in seiner ikonografischen Bedeutung. Hitlers physiognomische Merkmale funktionieren somit als eine Art „optisches Kürzel“194 . Auch das Buchcover des 2012 erschienenen Bestsellers Er ist wieder da von Timur Vermes kommt mit der äußerst reduzierten Darstellung einer stilisierten Seitenscheitelfrisur sowie des Buchtitels, der an Stelle des Schnauzbartes mittig in der Weißfläche des Covers positionierte wurde, aus. Die grafische Abstrahierbarkeit Hitlers – im Falle des Buchcovers bleibt kaum mehr als die Anordnung zweier einfacher Formen übrig: ein Dreieck (Haarsträhne) und ein Viereck (Zweifingerbart) – ist semantisch effizient und gleicht einer „geometrischen Schemaer-

Dachgiebels sowie durch die Platzierung des Fensters die physiognomischen Attribute Adolf Hitlers aufgreift. 193 Laura Petrecca: J.C. Penney’s tea kettle: Remind you of anybody? In: USA Today Online,

30.05.2013,

http://www.usatoday.com/story/news/nation/2013/05/29/jc-

penney-teapot-kettle-hitler-billboard-jcp/2370057/ (zuletzt aufgerufen am 31.05. 2014). 194 Atze, S. 203.

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fahrung“195. Die Tatsache, dass wenig Gestaltungsaufwand genügt, um Hitler zweifelsfrei zu bezeichnen, spricht für seine ikonografische Qualität. Hierin liegt also ein Grund für die fortdauernde (Re-)Produktion des Hitler-Bildes, denn „Bilder mit hoher ikonologischer Prägnanz entfalten eine Eigendynamik und tendieren, in der Verselbstständigung von optisch markanten Merkmalen, zur Selbstreferentialität“196. Gerade weil es so reduziert respektive reduzierbar ist, ist das Hitler-Bild gleichermaßen statisch und dynamisch. Als Ikone verweist das Hitler-Bild unveränderlich und unauflösbar auf sich selbst, zugleich ist es jedoch auch extrem beweglich, da es sich vervielfältigen, neue Beziehungen eingehen und neue Vernetzungen und Verflechtungen aufwerfen kann. Durch die Einfachheit und Wiedererkennbarkeit seiner Merkmale ist das Hitler-Portrait offen für weitere Bedeutungszuweisungen. Hitler verschwindet als (historische) Person hinter der formelhaften Darstellung seines Selbst und wird so zum Mythos: „Das Phänomen ist aus der Rezeptionsästhetik von Kultbildern bekannt. [...] Je unpersönlicher, schematischer eine Ikone gemalt ist, desto besser eignet sie sich als Gegenstand der Devotion; in ihrer Ferne vom empirisch-individuellen Lebensausdruck setzt sie beim Betrachter imaginative Energien frei, die ihre Leerstellen mit eigenen Sehnsuchtsphantasien besetzen.“197

Die Ikonisierung Hitlers durch Hervorhebung seiner zeichenhaften Qualitäten und physiognomischen Merkmale ist jedoch kein Produkt der Hitler-Rezeption in der Nachkriegszeit, sondern wurde bereits in der NS-Propaganda und Bildpolitik bewusst angelegt. Von Beginn an wurden der Name Hitler und seine Gesichtszüge als Markenzeichen aufgebaut und für die Genese eines Mythos nutzbar gemacht. So zeigt eines der bekanntesten Wahlplakate zur Reichspräsidentenwahl von 1932 lediglich den Kopf Hitlers sowie seinen in Versalien gedruckten Namen. Somit wurde auch in der zeitgenössischen Propaganda durch das Mittel der Reduktion der ikonischen Qualität und Symbolhaftigkeit Hitlers zugearbeitet.

195 Ebd., S. 407. 196 Schütz, Bilder, nichts als Bilder, S. 96. 197 Peter Matussek, Paul Matussek, Jan Marbach: Hitler. Karriere eines Wahns. München 2000, S. 184-185.

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Abbildung 46: Plakat zur Reichspräsidentenwahl 1932

Seine Physiognomie wurde Sinnbild Nazi-Deutschlands und prägt bis heute das visuelle Gedächtnis im Hinblick auf den Nationalsozialismus. So bezeichnete Baldur von Schirach 1939 Hitlers Gesicht als „das erhabene Symbol eines ganzen Volkes, so daß in Zukunft kein Deutscher seiner Heimat wird erinnern können, ohne das Gesicht des Führers vor sich zu sehen“198. Folglich stellt Ian Kershaw im Bezug auf die Bildpolitik des Nationalsozialismus fest: „Der HitlerMythos bildete gleichsam das zentrale Triebwerk für die Integration, Mobilisierung und Legitimierung im NS-Herrschaftssystem.“199 Daher wurde für den Träger des Mythos, Adolf Hitler, visuelle Omnipräsenz angestrebt. Heißt es im Völkischen Beobachter schon 1929: „In jedes deutsche Haus gehört ein Bild Adolf Hitlers!“200, so zeugt dies von der allgegenwärtigen medialen Präsenz und der Bedeutungsaufladung des Hitler-Bildes, das bis in die Sphäre des Privaten hervordringen und in das Bewusstsein der Menschen verankert werden sollte. So wurde das Bild Hitlers über verschiedene mediale und bildpublizistische Kanäle zum Zwecke der Presseberichterstattung in Illustrierten, der öffentlichen Reprä198 Baldur von Schirach: Geleitwort. In: Heinrich Hoffmann (Hrsg.): Das Antlitz des Führers. Berlin 1939, o.S. Zit. nach: Atze, S. 373. 199 Ian Kershaw: Der Hitler-Mythos. Führerkult und Volksmeinung. München 2002, S. 313. 200 Völkischer Beobachter, Nr. 89 vom 18.04.1929, S. 4. Zit. nach: Atze, S. 412.

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sentation in Filmen oder auf Plakaten sowie durch den privaten devotionalen Bildgebrauch in Sammelalben oder Bildbänden popularisiert. Rudolf Herz zitiert eine Meldung vom 19.04.1943, aus der hervorgeht, dass eine reduzierte mediale Präsenz zu Verunsicherungen und Irritationen führte: „Von positiv eingestellten und urteilsfähigen Volksgenossen werde darauf hingewiesen, dass es nicht gut sei, wenn der Führer allzulange ‚unsichtbar’ bliebe. Das Volk wolle sein nahes, persönliches Verhältnis zum Führer dadurch bestätigt sehen, dass es recht oft etwas von ihm mitgeteilt erhalte. Es sei jedoch im Laufe des Krieges eine Seltenheit geworden, wenn einmal ein Bild des Führers in den Zeitungen oder in der Wochenschau erscheine [...].“201

Hitlers visuelle Allgegenwart war kein Nebenprodukt, sondern integraler Bestandteil der nationalsozialistischen Herrschaftssymbolik, die mit Hitler eine Symbol- und Identitätsfigur, mehr noch die Inkarnation einer nationalen Führerund Erlösergestalt kollektiv inszenierte. „Als herausragendes Prinzip nationalsozialistischer Propaganda übernahm der Personenkult um Hitler massenintegrative Funktionen.“202 Jedoch sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass ein Personenkult nicht das Produkt Einzelner sein kann, sondern nur entstehen kann, wenn es – wie Peter Weiss anmerkt – „latent im ganzen Volk liegt. Er saugt nur auf, was als Möglichkeit vorhanden ist.“203 Das Hitler-Bild ist den Deutschen also nicht aufgezwungen, sondern von ihnen miterschaffen worden.204

201 Heinz Boberach (Hrsg.): Meldungen aus dem Reich 1938-1945. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS. Vollständige Texte aus dem Bestand des Bundesarchivs Koblenz. Band 1-17. Herrsching 1984, S. 5145-5146. Zit. nach: Herz, Hoffmann & Hitler, S. 329. 202 Herz, Hoffmann & Hitler, S. 329. 203 Peter Weiss: Notizbücher 1971-1980. 1. Band. Frankfurt am Main 1981, S. 388. 204 Es sei also angemerkt, dass die – durchaus richtige – Herausstellung der Relevanz bildpropagandistischer Verfahren keinesfalls dazu dienen soll, das exkulpatorische Narrativ einer Unschuld des deutschen Volkes, das sich von der Suggestionskraft Hitlers hat manipulieren und verführen lassen, zu stützen. Dies sollte eine wissen schaftliche Analyse der Medien- und Bildstrategien Hitlers jedoch nicht verunmöglichen. So sprechen sich auch Martin Loiperdinger u.a. sowohl gegen einen sorglosen Umgang mit dem Originalmaterial als auch gegen den dämonisierenden Affekt, der ihre Verbreitung aus einer Angst vor erneuter Faszinationskraft zu unterbinden sucht, aus und plädieren für einen sachlichen Zugang zur Repräsentationspolitik und ikonografischen Stilisierung nazistischer Herrschaft. Siehe Martin Loiperdinger u.a.:

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Die Mediatisierung und visuelle Mythisierung Adolf Hitlers im Nationalsozialismus prägt bis heute das Bild, das von ihm existiert. „Der Träger des Mythos und dessen hauptverantwortliche Produzenten sind zwar mit Kriegsende verschwunden, nicht aber das mythische Potential, das die nationalsozialistische Propaganda ihrem ‚Führer’ verliehen hatte.“205 Weiterhin konstatiert Marcel Atze, dass die Bedeutung visueller Medien für den Aufbau des Hitler-Mythos „kaum zu überschätzen“206 ist und über die multimediale, nicht zuletzt fotografische Inszenierung bestimmte Hitler-Bilder und Topoi festgeschrieben wurden, die den Mythos visuell stützten und sich als Standards im kollektiven Bildgedächtnis festgesetzt haben.207 Das Bildprogramm des ‚Dritten Reichs‘ hat sich als derart stabil erwiesen, dass der vom Nazismus generierte, stereotype Kanon an Themen sowie Inszenierungsmodi und Darstellungskonventionen dem ikonischen Hitler-Bild auch heute noch zu ungebrochener Vitalität verhilft. Wenn Hitler in der gegenwärtigen (populären) Kultur also zum Bild geworden ist, dann nicht zuletzt deshalb, weil der Nationalsozialismus in einem Mythen bildenden und heroisierenden Akt so viele Bilder von ihm produziert hat. Somit ist Hitler heute ein „Fossil, das sich selber schon als Spur gelegt hat“208. Die Darstellungsmacht oder Erinnerungshoheit im Bezug auf Hitler bleibt infolgedessen beim Nationalsozialismus respektive bei dem Bild, das die Nazis selbst generiert haben, denn: Jegliche gegenwärtige Bildproduktion stützt sich notwendigerweise auf Bilder – seien es die Fotografien von Heinrich Hoffman oder die filmischen Darstellungen Leni Riefenstahls – die immer schon von den Nazis selbst gelenkt wurden. Reproduziert wird also das visuelle Selbstverständnis des Nazismus. Allein das Magazin Der Spiegel hatte bis 2012 insgesamt 58 Mal Adolf Hitler und damit genuines NS-Bildmaterial auf seinem Cover.209 Auch die Anzahl an Fernseh-Dokumentationen, die das Thema Hitler aufgreifen, ist nahezu unüberschaubar. 210 So existieren allein 13 Dokumentationen von

Einleitung. In: Dies. (Hrsg.): Führerbilder. Hitler, Mussolini, Roosevelt, Stalin in Fotografie und Film. München 1995, S. 7-13, hier S. 10. 205 Atze, S. 15. 206 Ebd., S. 398. 207 Siehe Ebd., S. 399. 208 Seeßlen, HITLER, S. 223. 209 Siehe Schmalenstroer/wiki: Die Hitler-Cover des Spiegels, http://schmalen stroer.net/wiki/index.php?title=Die_Hitler-Cover_des_Spiegels (zuletzt aufgerufen am 04.06.2014). 210 In der Folge It’s always Nazi week der amerikanischen Sitcom Two and a Half Men wird die Omnipräsenz von Fernsehdokumentationen über das ‚Dritte Reich‘ ironisch

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Guido Knopp zu Hitler und dem ‚Dritten Reich‘211; sie alle bestehen auf visueller Ebene im Wesentlichen aus Filmaufnahmen von Hitlers Reichsparteitagsreden, von Hitler zujubelnden Menschenmassen oder scheinbar privaten Aufnahmen Hitlers auf dem Obersalzberg. Somit reproduzieren Dokumentationen wie Guido Knopps sechsteilige Serie Hitler – Eine Bilanz immer auch die originäre Hitler-Inszenierung und kalkulierte Herrschaftsikonographie, ergo die vom Nationalsozialismus ‚erwünschten‘ Visualisierungen Hitlers und damit mythisierende Konstrukte nazistischer Propaganda. Die mediale Verarbeitung des HitlerBildes gleicht einem quasi-tautologischen Verfahren, da das nazistische Originalmaterial fortlaufend seine selbstreferenzielle Bestätigung erfährt. Wenn Guido Knopp vorgibt in seinen Dokumentationen der Faszination Hitlers nachspüren zu wollen, so wiederholt und verdoppelt er letztlich die Bildstrategien des Nationalsozialismus. In den Dokumentationen werden NS-Propagandaaufnahmen genutzt, in denen ebenjene Faszination, die Guido Knopp als Ergebnis seiner Recherche aufzeigen will, durch das Bild überhaupt erst hergestellt wird. Das Selbstbild wird als Interpretation weitergegeben. Es wird historisches Bildmaterial Hitlers als angeblich authentischer Beleg der Wirklichkeit genutzt, als Abbild der Realität, ohne die propagandistische Infiltrierung und die nazistische Inszeniertheit des Materials selbst zu thematisieren.212 Das Bild soll Vergangenes vergegenwärtigen und tritt als historische Realität auf. Jedoch geben die „zumeist der [...] offiziellen Bildproduktion entstammenden und damals als Propagandamittel eingesetzten Aufnahmen nur das wieder, was auch schon der deutsche Faschismus von sich selbst vorzeigen wollte und zwar auf eine mehr oder minder idealisierte oder ästhetisch stilisierte Art und Weise“213 . Insofern gilt auch hier die Prämisse, dass die ‚dokumentarische‘ Inszenierung Hitlers keine Realität abbildet, vielmehr diese durch das Bild überhaupt erst konstituiert wird. Die vielfach verbreiteten Bilder Hitlers summieren sich zu einer simulierten Wirklichkeit. Die als objektiv wahrgenommenen Realitätsebenen der Bilder werden in ihrer Gesamtheit zu einer zusammengefassten Fiktion. Den Bildern,

kommentiert, indem Alan seinen Bruder Charlie fragt: „Been watching history channel again?“ Charlies Antwort: „It’s Nazi week!“ veranlasst Alan zur vielsagenden Bemerkung: „It’s always Nazi week.“ 211 Siehe Erk, S. 14. 212 Vgl. Ralf Adelmann, Judith Keilbach: Ikonographie der Nazizeit. Visualisierungen des Nationalsozialismus. In: Heinz-Bernd Heller u.a. (Hrsg.): Über Bilder sprechen. Positionen und Perspektiven der Medienwissenschaft. Marburg 2000, S. 137-150, hier S. 140. 213 Herz, Hoffmann & Hitler, S. 16.

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die eigentlich ideologisch durchwirkte Produkte sind, wird durch die Einbettung in einen pseudo-dokumentarischen Kontext ein Anstrich des Authentischen verliehen. Gleichzeitig wird, etwa durch den Einsatz von Zeitlupen o.Ä., auch eine Re-konfiguration, Bearbeitung und Verfremdung des Materials vorgenommen.214 Somit haben sich auch die Hitler-Bilder, wie sie in Dokumentationen genutzt werden, trotz vordergründigem Authentizitätsanspruch von der ihnen zugesprochenen historischen und dokumentierenden Bedeutung gelöst und wurden für Ästhetisierungen und neue Semantisierungen verfügbar.215 In der populären Kultur schließlich haben Hitler-Bilder nicht mehr die Funktion, als Dokumente auf eine historische Realität zu verweisen, vielmehr stehen sie losgelöst von ihrem Originalzusammenhang für andere Bedeutungsproduktionen zur Verfügung.216 „In their steady circulation they [Hitler and Nazism] have lost their purely historical distinction and have faded into an intertextual media surface, on which they merged with other signs and topoi.“217 Wie sehr Hitler zu einer endlos reproduzierten, medienwirksamen Oberfläche geworden ist, lässt sich anhand zahlreicher Beispiele, die insbesondere das Internet hervorgebracht hat, exemplifizieren. Über die Produktions- und Distributionswege des Web 2.0 erfährt das Hitler-Bild weite Verbreitung und wird dadurch zu einem Teil der Popkultur. Verbreitet sind insbesondere Bild-Meme, die Darstellungen von Adolf Hitler nutzen und ironisch kommentieren – so wird das Portrait Hitlers mit Schriftzügen wie I got rejected from art school, so I started Worldwar II oder Trims moustache à la Chaplin, ruins it forever218 versehen. Memetisch erscheint Hitler in Gestalt zahlreicher weiterer Figuren: als Adolfin, als Rapper mit Goldkette und Trainingsanzug oder Dicktator – einem Phallus mit Hitlerbärtchen und Uniform.219

214 Vgl. Adelmann/Keilbach, S. 144. 215 Vgl. Ebd., S. 145. 216 Vgl. Ebd. 217 Hirt, S. 323. 218 I got rejected from art school, so I started Worldwar II, http://www.quick meme.com/img/32/32bc536f6328d4aa135cd1b9bb7de122a1ee6383e860c6119a39bf ab20b411bf.jpg, Trims moustache à la Chaplin, ruins it forever, http://www. quickmeme.com/img/82/827df1ec8ac5919ada52264d3902af865b5a82a6aa942cddd c614521bdc9a5ed.jpg (alle zuletzt aufgerufen am 06.06.2014). 219 Hitler

als

Rapper,

http://images4.wikia.nocookie.net/__cb20110916202058/

hitlerparody/images/9/9b/Hitler_Rapper.jpg, Adolfin, http://www.imgderp.com/wpcontent/uploads/2012/02/hey-look-adolfin1.jpg, Dicktator, http://dicktators.tumblr. com/image/15627467777 (alle zuletzt aufgerufen am 13.12.2013).

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Abbildung 47: HitlerMem

Abbildung 48: Adolfin

Abbildung 49: Hitler-Rapper

Abbildung 50: Dicktator

Ebenso etwa als Saturday Night Führer in weißem Hosenanzug und John Travolta-Pose oder – nach einem Auftritt von David Hasselhoff in HitlerKostümierung während eines Konzerts 2012 – als Hitlerhoff.220 Im Falle von Hitlerhoff ist das Zusammenbringen von Hitler und Hasselhoff zudem einer

220 Saturday Night Fuhrer, https://i.chzbgr.com/maxW500/4400287488/hEF78B977/, Hitlerhoff, http://fc09.deviantart.net/fs71/f/2010/334/0/d/hitler_hoff_by_karamangad33ycpb.jpg (beide zuletzt aufgerufen am 06.06.2014).

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„semantischen Nachbarschaft“221 der beiden Figuren, die beide mit Deutschland assoziiert werden, geschuldet. Die Website Cats that look like Hitler versammelt über 8000 Kitlers, also Fotografien von Katzen, die durch die Scheckung ihres Fells eine Ähnlichkeit mit Hitler aufweisen sollen.222 Abbildung 51: Hitlerhoff

Abbildung 52: Kitler

Die Video-Plattform YouTube verzeichnet unter dem Suchbegriff Hitler weit über zwei Millionen Treffer223 und erweist sich damit als besonders produktiv für die digitale Verlängerung der Medienfigur Hitler. Neben Ausschnitten aus Spielfilmen, TV-Serien und Dokumentationen finden sich auf YouTube auch Originalaufnahmen und NS-Propagandamaterial, die wiederum in zahlreichen Bild-Remixen zitiert und verwertet werden. „Alles, was an Mediendarstellungen des Diktators erzeugt wurde und wird, findet auch Eingang ins digitale Netz. Zusätzlich sammeln und kompilieren YouTube-Nutzer Spielfilmszenen [...], in denen eine Hitler-Figur auftritt, und erweitern dadurch beständig das wild wuchernde Medienarchiv Internet.“224 So finden sich zahlreiche Videos, die ‚Bestof-Hitler-Moments‘ aus Filmen und Fernsehserien oder satirische HitlerMimikry, von Charlie Chaplin über Mel Brooks und Louis de Funès bis hin zu Harald Schmidt, als Kompilationen verdichten und somit den Bilderpool des Web 2.0 unablässig mit Hitler-Bildern unterfüttern. 221 Vgl. Hirt, S. 574. 222 Cats that look like Hitler, http://www.catsthatlooklikehitler.com (zuletzt aufgerufen am 06.06.2014). 223 Abgefragt am 06.06.2014. 224 Sonja M. Schultz: Hitler 2.0: Der Diktator im Internet. In: Rainer Rother, Karin Herbst-Meßlinger (Hrsg.): Hitler darstellen. Zur Entwicklung und Bedeutung einer Filmischen Figur. München 2008, S. 86-100, hier S. 86.

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Anzunehmen ist, dass gerade die Präsenz von Hitler-Darstellungen in den Sphären des Internets auch die vermehrte Produktion privater Hitler-Imitationsversuche nach sich gezogen hat, die schließlich ihrerseits Eingang in das digitale Netz finden. So tritt in dem YouTube Clip Baby Girl Hitler ein einjähriges Mädchen mit prägnanter Seitenscheitel-Frisur und aufgemaltem Schnauzbart als Hitler auf.225 Bild-Remixe, die Originalmaterial neu kontextualisieren, sind eine sehr häufige Form der Hitler-Rezeption im Internet. Hier werden in einem Mash-UpVerfahren Filmbilder Hitlers so montiert, dass sie einen neuen Bedeutungszusammenhang entwerfen. Besonders prominent ist der Clip Hitler Leasing!226 , in dem Szenen aus Hitlers erster Rede als Reichskanzler mit der Tonspur eines satirischen Sketches des Kabarettisten Gerhard Polt unterlegt sind. Das Video zeigt folglich einen Hitler, der sich mit theatralischer Gestik über einen unvorteilhaften Leasingvertrag echauffiert.227 Auch singt Hitler in unzähligen Videoclips bekannte Popsongs wie Born to be alive von Patrick Hernandez oder I want to break free von Queen228; Mundbewegungen und Gesten werden mit der Musik synchronisiert. Hitler wird in massenhaften Schnittexperimenten zu einer diffusen Marionette, die „zwischen zeitgeschichtlicher Figur, negativem Star-Image und Mainstream-Pop“229 oszilliert. Durch seine mediale Verbreitung, nicht zuletzt durch das Internet, wurde Hitler zu einer Ikone des Populären. „The use of the pop-icon Hitler is strongest in explicit madia-referential realms such as Web 2.0 [...].“230 Weiterhin konstatiert Stefan Hirt: „What defines the pop-icon is ist self-reflexive, intertextual character.“231 Hitler-Evokationen der Popkultur sind somit – wie die grundlegend um sich selbst kreisende Popkultur an sich – hochgradig intertextuell und selbstreferenziell. So findet sich in der Science-Fiction-NS-Komödie Iron Sky eine parodistische Adaption der Wutausbruch-Szene von Bruno Ganz als Adolf

225 Baby Girl Hitler, http://www.youtube.com/watch?v=Z3b7oJ7rJbs (zuletzt aufgerufen am 06.06.2014). 226 Hitler Leasing-Vertrag, http://www.youtube.com/watch?v=gSrTiIhMDn4 (zuletzt aufgerufen am 06.06.2014). 227 Vgl. Schultz, Hitler 2.0, S. 93. 228 Adolf Hitler – Born to be Alive, http://www.youtube.com/watch?v=EFbtrAX9EU4, Hitler – I want to break free, http://www.youtube.com/watch?v=fBv5JOqwzQs (beide zuletzt aufgerufen am 06.06.2014). 229 Schultz, Hitler 2.0, S. 95. 230 Hirt, S. 572. 231 Ebd., S. 589.

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Hitler im Film Der Untergang. Diese Parodie wäre ohne ihre zahlreichen YouTube-Vorgänger, die ihrerseits besagte Szene aus Der Untergang humoristisch umdeuten232, in dieser Form nicht denkbar gewesen. Durch die ubiquitäre Verbreitung der Pop-Ikone Hitler im Internet wird unablässig neuer Content generiert, der schließlich in anderen Bereichen der Popkultur aufgegriffen wird – im Falle des oben genannten Beispiels ist es eine Filmsequenz, die durch die memetische Rezeption des Web 2.0 popularisiert wurde, also erst durch das digitale Netz wandern musste, um dann erneut im Film verarbeitet zu werden. Das Hitler-Bild ist folglich durch seine Praxis zu begreifen. Der Grund für seine Reproduktion ist die Reproduktion selbst. Das Hitler-Bild ist da und zirkuliert unaufhaltsam: „[M]an benutzt es, wie alle anderen es benutzen, oder wie ein geschriebenes oder ungeschriebenes Gesetz es zu begreifen und benutzen vorschreibt. So wäre das Hitlerbild [...] möglicherweise aber auch nichts anderes als eine ‚Mode‘ [...].“233 Das Bild Hitlers ist damit in besonderer Weise an seinen Gebrauch, also seine inflationäre und serielle Verbreitung gebunden: „[E]s spricht nicht nur durch sich selbst und durch den Platz, der ihm gebühren soll, er spricht auch durch die Macht seiner Präsenz; es spricht einerseits durch Größe und andererseits durch Quantität.“234 Das Hitler-Bild hat durch seine Omnipräsenz und Zirkulation ein ikonologisch selbstreferentielles Eigeneben entwickelt. Es hat sich als Zeichen zwar nicht vollständig von seinem Bezeichneten gelöst, wohl jedoch von seiner klar umfassten Bedeutung entfernt und ist zu einer beschreibbaren Oberfläche geworden. Das Bild ist hier nicht mehr ausschließlich Stellvertreter der realen Person, sondern vielmehr Stellvertreter eines seinerseits bereits zum Bild gewordenen Menschen, der mit weiteren Bedeutungszuweisungen aufgeladen werden und andere Bildbeziehungen eingehen kann. Somit ist das Hitler-Bild ein Image im doppelten Wortsinn: Es ist Bild und Vorstellung, das Bild einer Imagination. „Man kann das, in einer nicht ungefährlichen Analogie, den ‚Pop‘-Aspekt nennen: Der abgebildete Mensch ist kein traditionelles menschliches ‚Subjekt‘, sondern ein Imago [...].“235 Durch die bereits in der nationalsozialistischen Bildpraxis angestrebte ubiquitäre visuelle Präsenz Hitlers sowie insbesondere seine popkulturelle mediale Verlängerung wurde das Hitler-Bild zu einer Ikone. „Ikonen leben durch ihre massenhafte Verbreitung und die Betonung inhaltsloser Oberflächen. Sie sind

232 Siehe Kapitel 2.3.3. 233 Seeßlen, HITLER, S. 223. 234 Ebd., S. 224. 235 Ebd., S. 226.

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als Projektionsfläche für fast alle intendierten Inhalte geeignet. Das Original tritt hinter seine populäre Verbreitung durch Kopie und Reproduktion zurück.“236 Dennoch kann das Hitler-Bild in der Gegenwart nicht als seines ursprünglichen Gehalts, Hitler in seiner historisch-politischen Dimension zu bezeichnen, vollständig entleert betrachtet werden. Vielmehr hat das ikonische Hitler-Bild einen „unzerstörbaren Kern“237, eine originäre Bedeutungsebene, die trotz endloser Umdeutung immer hindurch scheint und überhaupt den Grund seiner vielfachen Reproduktion ausmacht. Die zahllosen popkulturellen Hitler-Derivate sind nur möglich, weil die Figur Hitler ob seiner Referenz auf den Nationalsozialismus und des daraus resultierenden negativen Charismas faszinierend erscheint. Obwohl im Falle des Hitler-Bildes die Oberfläche den historischen Referenten zu dominieren scheint und Hitler sich von einer ursprünglichen politischen Ikone seiner Zeit zu einer entpolitisierten und überzeitlichen Pop-Ikone gewandelt hat, bleibt das Hitler-Bild referentiell trotzdem untrennbar mit dem ‚Dritten Reich‘ verbunden. Jedoch haben sich die Koordinaten des Bildgebrauchs verschoben: Das Bild Hitlers ist gewandert, hat sich erweitert und verfügt über zusätzliche kulturelle Einschreibungen. Stefan Hirt nennt diese Einschreibungen den „cultural corpus“: „As an icon Hitler invites investments that are cued by and oriented toward aspects that pertain more to his iconic surface and cultural corpus than to his historical persona.“238 Die Ikone Hitler verweist folglich nicht nur ausschließlich auf sich selbst respektive auf das, was von ihr als historischer Person übrig geblieben ist, sondern zu einem großen Teil auch auf den mit ihr assoziierten „cultural corpus“. Hitler ist zu einem bedeutenden Zeichen im Archiv der visuellen Kultur geworden, das stetig mit weiteren Bedeutungen versehen wird. Das heutige HitlerBild ist folglich ein Mosaik aus den nationalsozialistischen Visualisierungen Hitlers, wie sie heute noch durch den Gebrauch zeitgenössischer PropagandaAufnahmen in Dokumentationen usw. am Leben gehalten werden, und den Hitler-Derivaten der populären Kultur, den Pop-Fiktionalisierungen Hitlers in Filmen, Internet-Bildern, Comics, Karikaturen, Imitationen und Parodien, die ihm zusätzliche Bedeutungen verleihen. Somit ist Hitler ein Phänomen der Bilder und Diskurse geworden, die die Figur zwischen verschiedenen Bedeutungsebenen oszillieren lassen und ihn damit auch ein Stück weit unzugänglich ma-

236 Lydia Haustein: Global Icons: Globale Bildinszenierungen und kulturelle Identität. Göttingen 2008, S. 252. 237 Ebd., S. 30. 238 Hirt, S. 518.

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chen.239 Das Hitler-Bild ist zu einer opaken Oberfläche geworden, die in gleichem Maße entleert und überfrachtet scheint, gleichzeitig alles und nichts sagt. „Am Ende sieht man den Hitler vor lauter Hitlern nicht mehr.“240 5.3.2 Wehrmacht bitches at? – Hipster Hitler Das Internet-Phänomen Hipster Hitler ist ein herausragendes Beispiel für die Ästhetisierung und Ikonisierung Adolf Hitlers durch die populäre Kultur. Hipster Hitler startete 2010 als Webcomic der beiden Autoren James Carr und Archana Kumar. Die Bildergeschichten verbreiteten sich viral im Internet, wurden über Blogs und soziale Netzwerke weiter tradiert und erlangten schnell große Popularität, sodass neben den Comics auf der Website hipsterhitler.com auch Fan-T-Shirts mit aufgedruckten Wortspielen aus dem Spannungsfeld zwischen Nationalsozialismus und Popkultur vertrieben werden. Ebenjene T-Shirts mit Aufschriften wie Under Prussia, It’s my Partei and I’ll Heil if I want to oder Aryan vs. Predator trägt die Hitler-Figur auch in den Comics. Die Bildergeschichten zeichnen Hitler als neurotischen und selbstverliebten, trendfixierten, urbanen Hipster, der zwar immer noch Krieg führt und Herr über Nazi-Deutschland ist, primär jedoch Stilfragen diskutieren möchte und sich Gedanken über die neusten Indie-Bands, angesagte T-Shirts oder seine Coolness macht. So wird in einem Comic erzählt, dass seine Sorge bezüglich des Einmarsches in Polen in erster Linie der Frage gilt, ob dies denn angesichts der Invasion Schwedens in Polen 1626 überhaupt noch originell oder nicht vielmehr schon dagewesen sei.241 In die Schweiz möchte er nicht einrücken, da die hügelige Berglandschaft „so obviously anti-fixie“242 , also für sein Hipster-Fahrrad ungeeignet ist. Auf einer Schreibmaschine, die Hitler im Vorfeld von Goebbels angefordert hat, verfasst er die ersten Zeilen von „Mein Kampf II or: How I managed to get my wallet out without ripping my skinny jeans“243 und stellt dabei wutent-

239 Vgl. Joachim Paech: Das Komische als reflexive Figur im Hitler- oder HolocaustFilm. In: Margrit Fröhlich u.a. (Hrsg.): Lachen über Hitler – Auschwitz-Gelächter? Filmkomödie, Satire und Holocaust. Augsburg 2003, S. 65-82, hier S. 78. 240 Erk, So viel Hitler war selten, S. 52. 241 Hipster Hitler: Ironic Invasion, http://hipsterhitler.com/ironic-invasion/ (zuletzt aufgerufen am 25.06.2014). 242 Hipster Hitler: Switzerland, http://hipsterhitler.com/switzerland/ (zuletzt aufgerufen am 25.06.2014). 243 Hipster Hitler: Typewriter, http://hipsterhitler.com/typewriter/ (zuletzt aufgerufen am 25.06.2014).

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brannt fest, dass die Schriftart nicht Helvetica, sondern die weit ‚uncoolere‘ Arial ist. In anderen Geschichten beschwert sich Hitler bei Göring über Mitglieder der Luftwaffe, die negative Kommentare auf seinem Blog posten244 oder nutzt aufgrund seiner Vorliebe für ‚Vintage‘ das Videospiel Pac-Man als StrategieTool für seinen nächsten Feldzug245. Abbildung 53: Hipster Hitler, Bahn

Abbildung 54: Hipster Hitler, DIY

Abbildung 55: Hipster Hitler, Campaign Strategy

244 Hipster Hitler: Bahn, http://hipsterhitler.com/bahn/ (zuletzt aufgerufen am 25.06.2014). 245 Hipster Hitler: Campaign Strategy, http://hipsterhitler.com/campaign-strategy/ (zu letzt aufgerufen am 25.06.2014).

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Die in Hipster Hitler vorgenommene Synthese zwischen Hitler und dem Stilbild des Hipsters funktioniert insbesondere durch die Herausstellung scheinbarer verbindender Gemeinsamkeiten: So bezeichnen die Comic-Autoren Hitler als einen „frühen Hipster“: „Gescheiterter Künstler, Vegetarier, Schnurrbartträger, Arschloch – es passt einfach alles“246 . Folglich echauffiert sich Hitler in weiteren Comics über seine Ablehnung an der Wiener Kunsthochschule247, rasiert sich den Zweifingerbart ab, weil er es überdrüssig ist, dass alle Welt seinen Bart ironisch kopiert248 oder weigert sich Tinte zu benutzen, um sich auf symbolischer Ebene mit Tintenfischen zu solidarisieren249. Hipster Hitler will folglich als satirischer Doppelangriff sowohl auf Hitler als auch auf die Figur des Hipsters verstanden werden. Somit erscheint für eine Einordnung und Analyse des Comics vorab eine Betrachtung des Phänomens Hipster notwendig, die es anschließend ermöglichen soll, Gründe für die Verwendung des Hitler-Motivs respektive für die Zusammenfügung der beiden Figuren Hipster und Hitler auszumachen. Nähert man sich der Figur des Hipsters, so ist zunächst eine Diskrepanz zwischen diskursiver Omnipräsenz und begrifflicher Unbestimmtheit zu bemerken. Es scheint zwar, als ob der Hipster eindeutig besetzt und eine Figur von treffsicherer Wiedererkennbarkeit sei, man ferner „gar nicht lange erläutern [müsse], was ein Hipster eigentlich ist“250, tatsächlich ist er jedoch eine weitestgehend unbekannte Konstante. Geschuldet ist dies unter anderem dem Umstand, dass die Beschreibung Hipster keine Selbstverortung, sondern grundsätzlich eine Fremdetikettierung ist. Jeder erkennt Hipster, keiner will es sein. Taktiken des Sich-Entziehens und Leugnens einer Zugehörigkeit sind somit integraler Bestandteil des Hipster-Diskurses. Folglich gilt es, die Kehrseite des Hipsters zu klären, „[d]enn es ist nicht ‚er selbst’, der sich unterscheidet, es sind andere, die ihn als Hipster stigmatisieren. Genau hierin besteht die Besonderheit dieser Szene. Verortet man sich gewöhnlich selbst und aktiv innerhalb einer Szene, so wird

246 Siehe Klappentext zu James Carr, Archana Kumar: Hipster Hitler. Köln 2013. 247 Hipster Hitler: Art School, http://hipsterhitler.com/art-school/ (zuletzt aufgerufen am 25.06.2014). 248 Hipster Hitler: Halloween, http://hipsterhitler.com/halloween/ (zuletzt aufgerufen am 25.06.2014). 249 Carr/Kumar, S. 109-110. 250 Mark Greif: Vorwort zur deutschen Ausgabe. In: Ders. (Hrsg.): Hipster. Eine transatlantische Diskussion, Berlin 2012, S. 7-10, hier S. 7.

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der moderne Hipster vice versa fremdbestimmt.“251 Es herrscht folglich eine Identitätsparadoxie. Wenngleich das ‚Hipstertum‘ häufig als geschlossenes respektive abgrenzbares jugendkulturelles Stilbild imaginiert wird, scheint es vielmehr den Gedanken einer Kultur oder Gemeinschaft ad absurdum zu führen, denn Hipster sind immer nur andere.252 Um den Hipster dennoch bestimmbar zu machen, stellt sich die Frage, wie sich diese komplexe Subjektivierungsform konstituiert. Der Hipster ist zwar nicht im Sinne eines monolithischen Identitätsentwurfs greifbar, wird jedoch meist auf bestimmte Stilelemente, repräsentative Eigenschaften und Charakteristika, äußere Merkmale, Symbole und Rituale sowie die Generierung einer gewissen Hipster-Ästhetik reduziert. Er ist szenekartografisch nicht eindeutig determiniert, sondern primär eine Stilfigur, die sich durch ihren avantgardistischen Konsumismus sowie bestimmte (mediale) Inszenierungs- und Handlungspraktiken auszeichnet. Der Hipster „liegt quer zu allen bisherigen jugendkulturellen Erscheinungen und ist entstanden aus den Medienstrukturen des Internets“253 . Es handelt sich dabei also nicht um einen subkulturellen Stil oder eine Szene im klassischen Sinne, denn der Hipster ist nicht gebunden an eine bestimmte Musikrichtung oder eine vorherrschende Betätigung; „die Bemühungen gelten allein dem Aussehen“254. Folglich konstatiert auch Dayna Tortorici: „Ein Hipster ist jemand, der aussieht wie ein Hipster.“255 Sie lassen sich also über die Präsentation ihres Erscheinungsbildes und die Medien, die sie zur Selbstdarstellung nutzen, definieren. Die Beziehung zwischen der Sozialfigur des Hipsters und dem Medium Internet als seinem zentralen Handlungsraum ist als reziprok zu beschreiben: Der Hipster bestimmt sich über den virtuellen Raum und den Konsum ausgewählter Informationen und (re-)produziert einen Lebensentwurf, der wiederum durch

251 Andreas Spengler, Tobias Waldmann: Die neuen Hipster – eine digitale Bohème? Identitätskonstruktion und mediale Inszenierung moderner Jugendkulturen. In: Alev Inan (Hrsg.): Jugendliche Lebenswelten in der Mediengesellschaft. Mediale Inszenierung von Jugend und Mediennutzung Jugendlicher. Bad Heilbrunn 2012, S. 120140, hier S. 126. 252 Vgl. Ebd., S. 127. 253 Birgit Richard: Vom Hipster zum Black Metal: True vs. Fake auf YouTube und flickr. In: Kai-Uwe Hugger: Digitale Jugendkulturen. Wiesbaden 2014, S. 45-67, hier S. 45. 254 Siehe Ebd. 255 Dayna Tortorici: Man erkennt sie, wenn man sie sieht. In: Mark Greif (Hrsg.): Hipster. Eine transatlantische Diskussion. Berlin 2012, S. 99-111, hier S. 101

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seine Selbstdarstellung im digitalen Netz für andere konsumierbar wird. Der Hipster ist somit ein homo faber, gezwungenermaßen abhängig von den Kommunikations- und Informationsstrukturen des Internets, das stetig neue Inhalte hervorbringt, innerhalb derer er sich als Stilavantgarde positionieren muss. Das Web 2.0 wird genutzt, um den Identitätsentwurf des Hipsters zu konzipieren; die Halbwertszeit der Identitätskonzepte wird wiederum durch die sich schnell verändernden medialen Informationen bestimmt.256 Demnach ist der Hipster eine dem Zeitgeist aufs extremste verpflichtete Existenzstrategie: Er verkörpert eine charakteristische Subjektivierungsform des digitalen Zeitalters, die bestimmt wird von der „Notwendigkeit permanenter persönlicher Veränderung bei der Synchronisation mit den Zeitläufen, die immer stärker und schneller das Internet prägt“257. Den Hipster kennzeichnet also nicht enden wollende Aktualität. „Konkrete Inhalte wie ästhetische Vorlieben oder auch Kleidungsstile, die diese Form nach sich zieht, sind zwangsläufig temporäre Ableitungen.“258 Dennoch lässt sich im Hinblick auf das Stilbild des Hipsters ein uniformer globaler Look feststellen, der kontinuierlich zitiert wird. Die medialen Verarbeitungen des Hipsters zeichnen meist das immer gleiche Bild eines in der Regel männlichen, hageren Großstädters mit Bart, Mütze, großer Hornbrille, enger Röhrenjeans und Jute-Beutel. Es bleibt also in der Regel bei „intensionalen phänomenologischen Definitionen, die Accessoires auflisten, an denen man Hipster erkennt“259 . Da das ‚Hipstertum‘ stets eine Fremdbestimmung ist, erscheint es auch sinnvoll, ebenjene Zuschreibungen ‚Anderer‘ als Grundlage für die Beschreibung des Hipsters anzunehmen. Ironisierende Ansätze zur Definition des Hipsters anhand ‚typischer‘ optischer Merkmale finden sich beispielsweise in The Hipster Handbook 260 oder in den piktogrammartigen Darstellungen des Hipster Bingo261 . Über die phänotypischen Kategorialisierungen hinaus zeichnet sich in den medialen Hipster-Verballhornungen zudem ein gewisser Kanon an ihm zugeschriebenen Interessen und lebensanschaulichen Gesten (etwa Vegetarismus oder Veganismus, die Vorliebe für bestimmte In-Getränke, einschlägige

256 Vgl. Spengler/Waldmann, S. 125. 257 Jens-Christian Rabe: Gegenwärtigkeit als Phantasma. Über den Hass auf Hipster. In: Mark Greif (Hrsg.): Hipster. Eine transatlantische Diskussion. Berlin 2012, S. 188203, hier S. 202. 258 Ebd. 259 Greif, S. 7-8. 260 Robert Lanham: The Hipster Handbook. New York 2003. 261 A New Hype: Hipster Bingo, http://anewhype.com/2011/02/25/hipster-bingo/ (zuletzt aufgerufen am 26.06.2014).

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Szene-Stadtviertel oder das Fahrradfahren) ab. Es ist die beständige Wiederholung dieser Stereotype, die das Bild des Hipsters festigt. Deutlich ist, dass das Reden über den Hipster immer ein Sich-Empören über den Hipster ist. Als konsumorientierte, „uniformierte, alberne Gestalt“262 ist er primär eine der Lächerlichkeit preisgegebene Figur des Spotts innerhalb der populären Kultur. Die gleichsam universale Abneigung, die dem Hipster entgegenschlägt, ist konstitutives Element dieser Sozialfigur. So ist der Hass auf Hipster Gegenstand zahlreicher „Hater-Clips“263 auf der Video-Plattform YouTube. Beispiel hierfür ist die Parodie Der Berliner Hipster264, in der dem Verdruss über Hipster Ausdruck verliehen und sich im Sprachduktus eines anthropologischen Lehrfilms über die modischen Codes und charakteristischen Hipster-Insignien amüsiert wird. Der Hipster wird auch in Blogs wie Look at this fucking hipster265 – einer abschätzigen Bildersammlung von als Hipster markierten Menschen – als kollektives Hass-Objekt inszeniert. Dieser Exkurs zum Hipster als ungeliebtem Stilbild des eingehenden 21. Jahrhunderts erscheint deshalb für die Untersuchung des Phänomens Hipster Hitler von Bedeutung, weil es sich folglich um zwei dezidiert negativ konnotierte Figuren handelt, die in Personalunion auftreten. Konstatieren die Autoren des Comics, dass „[i]m Wettstreit um das meistgehasste Internet-Mem ‚Hitler’ in ‚Hipster’ überraschend starke Konkurrenz gefunden hat“266 , so findet sich hierin die Bestätigung, dass die Figur Hitler in der Populärkultur als Vergleichsgröße für alles Schlechte und Abzulehnende gilt. Dem universalen Hass-Objekt Hipster kann in letzter Instanz nur mit Hitler begegnet werden. Die Gegenüberstellung mit der Ikone des Bösen dient hier erneut als ultimative Beleidigungsmetapher. Der Hitlerbezug erweist sich einmal mehr als fruchtbare Quelle der popkulturellen Bildproduktion, die in Hitler eine universell lesbare, eindeutig zu identifizierende und interpretierende Symbolfigur gefunden hat. Auch hier erfolgt der Gebrauch der ikonischen Oberfläche Hitlers in absoluter Kenntnis seiner zeichenhaften Qualitäten. Mit Seitenscheitel und Zweifingerbart ist er in den grafisch reduzierten Comics einfach zu karikieren. Durch seine stereotype Optik

262 Rabe, S. 190. 263 Zur Kategorialisierung von YouTube-Videclips siehe Tabelle in: Richard u.a., Flickernde Jugend – rauschende Bilder, S. 63. 264 Der Berliner Hipster, http://www.youtube.com/watch?v=58PAu-WGB7g (zuletzt aufgerufen am 27.06.2014). 265 Look at this fucking hipster, http://lookatthisfuckinghipster.tumblr.com/ (zuletzt aufgerufen am 27.06.2014). 266 Siehe Klappentext zu Carr/Kumar.

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und die stete Wiederholung bestimmter visueller Merkmale verfügt auch der Hipster mit Skinny-Jeans und Nerd-Brille über einen hohen Wiedererkennungswert und ist damit eine Konstante im kollektiven Bildgedächtnis. Hipster Hitler spielt somit mit den ikonischen Oberflächen zweier medial hochgradig präsenter Figuren. Das Fallbeispiel zeigt abermals, dass sich Hitler in der populären Kultur von seiner Realgestalt gelöst zu einer Chiffre entwickelt hat. Hitler ist in den Hipster Hitler-Comics auf bestimmte optische Attribute und ihm zugeschriebene Eigenschaften reduziert und damit, ebenso wie sein Gegenüber, nichts als ein Stilbild: „It [Hipster Hitler] marks one further step in the evolution of Hitler into a sign, here even into a style.“267 5.3.3 K.I.Z – Ich bin Adolf Hitler Die Wiederbelebung Hitlers in der Popkultur erreicht mit dem Musikvideo Ich bin Adolf Hitler der Berliner Hip-Hop Band K.I.Z einen weiteren Höhepunkt. In dem 2013 veröffentlichten Clip erwacht ein Hitler-Wiedergänger inmitten einer engen und vermüllten Berliner Wohnung zwischen leeren Bierflaschen, Pizzakartons und überquellenden Aschenbechern. Die Anfangsszene des Videos zeigt einen auf einem Sofa liegenden, übergewichtigen Mann in einem mit Flecken und Schweißrändern versehenen Unterhemd, Jogginghose und schmutzigen Tennissocken. Sein dunkles, fettiges Haar ist zu einer Seitenscheitelfrisur gelegt und er trägt einen Zweifingerbart. Auch in diesem Falle sind es die signifikanten Attribute Seitenscheitel und Bart, die als hyperprägnante Zeichen genügen, um Adolf Hitler identifizierbar zu machen. Den eingeblendeten Eröffnungscredits ist zu entnehmen, dass es sich um den Komiker Oliver Polak handelt, der hier als Hitler-Figur auftritt.

267 Hirt, S. 571.

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Abbildung 56: K.I.Z, Ich bin Adolf Hitler (Screenshots)

Langsam und behäbig beginnt der Hitler-Darsteller von der Couch aufzustehen. Er rotzt auf den Boden, nimmt einen Schluck Bier aus einer offen vor ihm stehenden Flasche und spuckt diesen unmittelbar danach angewidert aus. Schwerfällig begibt er sich zu einer Schrankwand, in der ein Schallplattenspieler steht. Mit dem Einschalten des Grammophons setzt auch die Musik des Videoclips ein. In der folgenden Sequenz werden verschiedene Ansichten des Interieurs, in dem sich die Hitler-Figur bewegt, eingeblendet. Porno-Bildchen stehen neben Hitler und NS-Devotionalien, NPD-Streichhölzern sowie einer Modern-TalkingCD. An den Wänden hängen Poster von K.I.Z sowie der Band Frei.Wild. Der Hitler-Protagonist läuft in das Badezimmer und betrachtet sich in einem Spiegel, dessen Rahmen in Anlehnung an das Cover der Zeitschrift Der Spiegel gestaltet ist. Er verlässt die Wohnung, tritt in den mit Anti-Nazi-Graffitis und Aufklebern übersäten Hausflur und kratzt einen Antifa-Sticker von der Wand. Auf der Straße angekommen, trifft er zunächst auf eine kleine Gruppe von Seniorinnen, die auf einer Parkbank sitzen und die Hitler-Figur aufgeregt tuschelnd wiedererkennen. Zufrieden setzt er sich zwischen sie und verteilt Autogramme. Stößt der Hitler-Darsteller auf seinem Fußweg durch Berlin somit an-

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fangs auf positive Resonanz, beginnt sich dies im weiteren Verlauf des Clips zu wandeln. Müde taumelnd begegnet er drei jungen Männern, die ihn beschimpfen und mit einem leeren Pappbecher bewerfen. Aus einem vorbeifahrenden schwarzen Auto, das langsam neben ihm anhält, wird er angespuckt. Verwoben werden diese Aufnahmen mit Bildern, die den Hitler-Protagonisten erneut in der kargen, verdreckten Wohnung der Anfangssequenz zeigen. Dort rappt er Teile des Liedtextes und zündet sich eine Zigarette der fiktiven Marke Auslese Deluxe an. Er begibt sich in der Folgeszene in einen kleinen Einkaufskiosk, stiehlt dort eine Flasche Wodka und läuft davon. Aufgehalten wird er von einer Männergruppe in der traditionellen Kleidung orthodoxer Juden – es handelt sich dabei um die verkleideten Mitglieder der Band K.I.Z – die ihn anschließend brutal niederschlagen. Auf dem Boden liegend wird der Hitler-Darsteller von einer Transgender-Figur aufgelesen und in einen Hauseingang geschleppt. Die Transfrau vollzieht Oralverkehr an dem Hitler-Protagonisten, woraufhin sich dieser auf ihr übergibt und davonrennt. In seiner verwahrlosten Wohnung angekommen, lässt er sich erschöpft auf das Sofa fallen und erblickt erschrocken im Fernsehen den US-Präsidenten Barack Obama. Völlig in Rage beginnt er mit einem Baseballschläger die Einrichtung zu attackieren; er schlägt wutentbrannt um sich, zerstört die angesammelten Glasflaschen und reißt die Poster von den Wänden. Schließlich holt er eine Pistole aus der Schrankwand hervor, steckt sich den Lauf der Waffe langsam in den Mund und erschießt sich. Blut spritzt an die Wand hinter ihm. In der nächsten Szene ist der tote Hitler-Darsteller auf der Couch zu sehen – neben ihm sitzen nun die K.I.Z-Mitglieder und wippen zur Musik. Der Clip endet mit einer Sequenz, in der die Rückenansicht der Hitler-Figur in einem dunklen, nebligen Raum gezeigt wird. Durch einen vor ihm befindlichen Türspalt fällt Licht in die Szenerie, der dadurch etwas Geheimnisvolles, gleichsam Transzendentes verliehen wird. Eine Hand ragt mit abweisender Geste aus dem Türspalt, so als wolle sie der Hitler-Figur den Zutritt verweigern. Die Tür fällt zu. In der letzten Einstellung dreht sich der Hitler-Darsteller um und blickt mit ängstlichem Gesichtsausdruck in Richtung des Betrachtes. Das Musikvideo Ich bin Adolf Hitler skizziert eine Wiederauferstehung Hitlers im Berlin der Gegenwart und setzt ihn in ein prekäres Lebensumfeld. Das ästhetisch-stilistische Arsenal, mit dem der Hitler-Darsteller ausgestattet ist, visualisiert das Konzept eines ‚Unterschichtlers‘, wie es insbesondere durch Reali-

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ty-TV-Formate 268 hervorgebracht oder zumindest durch spezifische Praktiken der Sichtbarmachung konfiguriert wurde.269 Mit Feinripp-Unterhemd und weißen Tennissocken in Badeschlappen wirkt die Hitler-Figur wie eine Karikatur der Protagonisten, die in einschlägigen Fernsehformaten stetig reproduziert werden und sich als visuelle Stereotype festgesetzt haben. Das Musikvideo von K.I.Z zeichnet Hitler als einen einfältigen und stumpfsinnigen, übergewichtigen, faulen Nichtstuer, der inmitten voller Aschenbecher und sich auftürmender Bierflaschen vor dem Fernseher sitzt und eine vernachlässigte Wohnung mit Schrankwand und durchgelegenem Sofa bewohnt. Es wird also auf ein Bedeutungsangebot distinkter Merkmale, Eigenschaften und Kennzeichen einer prekären Lebenswelt rekurriert, wie es insbesondere durch seine medialen Vervielfältigungen in Reality-TV-Sendungen usw. popularisiert wurde. Durch ihre mediale Repräsentation ist der Entwurf ‚Unterschicht‘ zu einem Stilbild geworden, das zitierfähig erscheint und folglich als direkte Vorlage für die Inszenierung von K.I.Z nutzbar gemacht wurde. Somit ist das Konzept ‚Unterschicht‘ eine kulturell produktive Kategorie. Produktiv insofern, als es möglich wird, ‚Unterschicht‘ zu visualisieren und – wie im Falle des vorliegenden Musikvideos – auf bestimmte Codes (Kleidung, Gegenstände, Verhaltensweisen und Wertehaltungen) herunterzubrechen.270

268 Reality-TV ist die Genrebezeichnung für eine große Bandbreite von Fernsehformaten mit dem Anspruch eine scheinbare Wirklichkeit im Sinne alltäglicher Lebens welten abzubilden respektive nachzustellen. Im Stil einer Dokumentation werden in sogenannten Doku-Soaps oder Scripted-Reality-Sendungen wie Mitten im Leben (RTL) oder We are Family! So lebt Deutschland (ProSieben) fiktive Geschichten um ‚gewöhnliche‘ Menschen mit Hilfe von Laiendarstellern erzählt. 269 Gemeint ist hiermit, dass dem Fernsehen, wenngleich es kein Prekariat ‚erfindet‘, dennoch eine gewissermaßen konstitutive Rolle zufällt. Im Reality-TV werden bestimmte Bilder vermittelt und somit ein Wissen über soziale Schichtung generiert. Über die Repräsentation wird scheinbare Realität erzeugt. Fernsehsendungen wie diese bilden also nicht nur Wirklichkeiten ab, sondern bewirken ihre Hervorbringung, indem sie diese gesamtgesellschaftlich evident erscheinen lassen. Vgl. Andrea Seier, Thomas Waitz: Fernsehen als Agentur des Sozialen. Zur Einleitung. In: Dies. (Hrsg.): Klassenproduktion. Fernsehen als Agentur des Sozialen. Münster 2014, S. 7-23, hier S. 9. 270 Vgl. Thomas Waitz: ‚Unterschichtenfernsehen‘ – Eine Regierungstechnologie. In: Andrea Seier, Thomas Waitz (Hrsg.): Klassenproduktion. Fernsehen als Agentur des Sozialen. Münster 2014, S. 25-36, hier S. 28.

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In dem Musikvideo wird demnach nicht primär Hitler persifliert, sondern vielmehr das Weltbild eines reaktionären, rassistischen Neonazis der Gegenwart, der Hitler verehrt, NS-Devotionalien sammelt, Antifaschistische Aufkleber entfernt, eine Nähe zur NPD aufweist und erschüttert vom Anblick eines schwarzen Präsidenten ist. Ebenjene Geisteshaltung wird – folgt man dem Narrativ des Videoclips – in prekären Lebenszusammenhängen verortet. Mit dem Verweis auf die deutschsprachige Rock-Band Frei.Wild, deren Poster im K.I.Z-Video zu sehen ist, wird überdies ein aktueller Bezug zur Debatte um die Popularisierung völkisch bzw. nationalistisch geprägter, rechter und neonazistischer Musik geliefert. 271 Der Gebrauch eines Samples aus dem Lied Deutscha Bad Boy des Berliner Rappers Fler ist gleichfalls als eine Kritik an dem dezidiert deutschen Identitätsentwurf des Musikers zu verstehen.272 Weiterhin finden sich Bezüge zu aktuellen Themen, etwa den Einflüssen sozialer Netzwerke des Web 2.0 auf die heutige Gesellschaft, indem der HitlerDarsteller mit einem Smartphone ein Selfie von sich schießt und mit den Worten „Von mir gibt’s nur Schwarz-Weiß-Fotos – Instagram“ kommentiert. Mit den Jugendsprache ironisierenden Textzeilen „Seitenscheitel-Swag, ja ich bin ein Hipster“ liefern auch K.I.Z einen Vergleich zwischen Hitler und der Sozialfigur des Hipsters und verweisen folglich auf das Phänomen der Hipster HitlerComics. Hierin wird deutlich, dass das Inszenierung des Musikvideos ohne die ihr vorausgehenden Hitler-Aufbereitungen der Popkultur in dieser Form nicht denkbar gewesen wäre. Vielmehr ist der Clip auf dem Nährboden der unzähligen Hitler-Kuriosa, die insbesondere das Internet hervorgebracht hat, entstanden.

271 Frei.Wild wird eine Nähe zur politischen Rechten und zum Neonazismus vorgeworfen. Die Texte der Südtiroler Band kreisen vornehmlich um ihre deutsche Identität sowie völkische und nationalistische Werte. Damit besetzen Frei.Wild Themen, die dem Rechtsrock zugeschrieben werden und tragen sie in den Mainstream. 2013 wurde eine Nominierung der Band für den deutschen Musikpreis Echo zurückgezogen, nachdem es zu einer Kontroverse um die rechte Motivation der Band kam. 272 Fler nutzt in seinen Musikvideos und der Gestaltung von Plattencovern wiederkehrend deutsche Nationalsymbole wie den Bundesadler oder die Farben Schwarz-RotGold. Albumtitel wie Neue Deutsche Welle (2005), Fremd im eigenen Land (2008) oder Hinter blauen Augen (2012) sind gleichfalls völkisch-national aufgeladen. Das Album Neue Deutsche Welle wurde auf Plakaten gar mit dem abgewandelten HitlerZitat „Ab 1. Mai wird zurückgeschossen!“ in Frakturschrift beworben. In seinen Texten stilisiert sich Fler als einen ‚stolzen Deutschen‘, der sich im deutschen HipHop, als einer von Migranten dominierten Kultur, erst durchsetzen musste.

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Das Video ist auf Bildebene eine Collage verschiedener Themen und Diskurse und vermengt diese mit dem Hitler-Motiv. Genauer werden verschiedene Tendenzen von heutigem Rassismus und Neonazismus mit Verweisen auf zeitgenössische Populärkultur verknüpft und unter dem Überthema Hitler und Nationalsozialismus zusammengefasst. Die Verzahnung der Themen Nationalsozialismus und Popkultur zeigt sich insbesondere auch bei Betrachtung der Textebene. Ein egomanischer und narzisstischer Adolf Hitler beschreibt hier aus der IchPerspektive die eigene Größe und unermessliche Wichtigkeit: „Ich komm’ umsonst in den Club, denn ich bin Adolf Hitler [...] Baby du weißt, wenn ich mit meinem Finger schnipse, stehst du plus zwei auf Schindlers Liste [...] Nach der Party sieht der Club aus wie Dresden ’45 [...] Ich werde angebetet – Nazi Gott“. Diese selbstüberschätzende Haltung des Hitler-Ichs soll auf visueller Ebene im Musikvideo konterkariert werden, indem der Hitler-Darsteller in ein verwahrlostes und prekäres Umfeld verlagert wird, Ablehnung und Feindseligkeit erfährt und ihm letztlich – diese Interpretation liegt angesichts der letzte Szene des Clips zumindest nahe – sogar posthum der Eintritt in ein Jenseits verweigert wird. Dieser Lesart folgend wird der Hitler-Figur gewissermaßen ein Leben nach dem Tod verwehrt und somit auf einen alternativen Umgang mit Hitler verwiesen, der ihn nicht zum Mythos stilisieren und dadurch weiterleben lassen will. Eine Kritik an ebenjenem Starkult und der medialen Ikonisierung Hitlers durch Dokumentationen, Filme oder Zeitschriftencover findet sich in dem Musikvideo von K.I.Z etwa in der Badezimmer-Szene, in der sich der Hitler-Darsteller in einem Spiegel betrachtet, dessen Rahmung dem Cover des Magazins Der Spiegel nachempfunden ist. Die Textpassage „Die deutsche Antwort auf die PlayboyMansion – Wolfsschanze!“, die die NS-Bunkeranlage mit einem schillernden Ort der Celebrity-Kultur vergleicht, könnte ebenfalls als Reaktion auf Tendenzen der Trivialisierung und Bagatellisierung von NS-Geschichte verstanden werden. So zeichnet beispielsweise der Film Der Untergang, der die Geschehnisse im Berliner Führerbunker während der letzten Tage des Zweiten Weltkriegs thematisiert, mit seiner personellen Fixierung auf Hitler und ein bestimmtes, sehr kleines und prominentes NS-Personeninventar, tatsächlich gewissermaßen das Bild einer glanzvollen nazistischen Star-Elite. Diese Kritik an der Mediatisierung Hitlers scheint in dem Video von K.I.Z jedoch insofern ins Leere zu laufen, als der Clip selbst den Hitler-Kult unterfüttert, den er vermeintlich karikiert. Das grundsätzliche Dilemma der Hitler-Satire besteht darin, dass durch die satirische Aufbereitung Hitlers immer auch sein Mythos genährt wird. Wenn K.I.Z beispielsweise abermals Seitenscheitel und Bart als signifikante Zeichen nutzen, so wird durch diese Wiederholung immergleicher optischer Merkmale dem ikonischen Vorteil Hitlers zugearbeitet.

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Gleichwohl geschieht hier seine Wiederbelebung unter anderen Vorzeichen, nämlich mit der Intention Hitler herabholen, den Mythos dekonstruieren zu wollen und ihn als kleingeistigen Jedermann zu zeigen. Damit bewegen sich K.I.Z in der Tradition der Hitler-Komödie, die Hitler lächerlich machen und ihn als „icon of power“273 gleichsam entmachten will. Jedoch scheint das originäre Hitler-Bild durch alle dekonstruktivistischen Versuche immer auch ein Stück weit hindurch, nicht zuletzt deshalb, weil die Fallhöhe von autoritärer Machtpose und menschlich ‚realem‘ Maß dem NS-Bildprogramm selbst implizit war und folglich zum ikonografischen System Hitler gehörte. „Weil das Bild zugleich so stabil ist und so syntagmatisch wandern kann, erübrigt sich auch die Frage, ob Zeitgenossen nicht in der Lage gewesen wären, das Komische in diesem Bild zu sehen.“274 Das Komische des Hitler-Bildes muss nicht erst freigelegt werden, weil es das Komische bereits vorneweg internalisiert hat. Ob die Mechanismen bzw. die Darstellungswerkzeuge der Popkultur überhaupt dafür geeignet sind, den ‚Mythos Hitler‘ zu demontieren, bleibt zu bezweifeln, da sie ihm durch seine mediale Fortsetzung gleichzeitig immer auch zu neuer Vitalität verhelfen. Trotzdem kann Humor als Strategie funktionieren; zum Beispiel dann, wenn die Boulevardisierung Hitlers verlacht wird. Für einen solchen selbstreflexiven, medienkritischen Zugang kann die Popkultur ob ihrer Selbstreferentialität durchaus geeignet sein. Besonders früh ist dies beispielsweise in der Filmkomödie The Producers (1968) von Mel Brooks geschehen; Hitler erlangt hier den Status einer Pop-Ikone: „The Producers was an early expression of this playful approach to Hitler as a pop-cultural trope in a story that conflated him with the show business.“275 Wenn K.I.Z in ihrem Musikvideo die Hitlerfigur nun im Der Spiegel-Spiegel auftauchen lassen, so liefern sie einen Verweis auf die (pop-)kulturelle Vereinnahmung, Vermarktung und Banalisierung Hitlers, die Mel Brooks in The Producers gleichsam vorausgesehen hat. Gleichzeitig bewegen sich K.I.Z mit ihrem Clip Ich bin Adolf Hitler in ebenjenem Feld der Banalisierung, versöhnen den Betrachter gar mit Hitler, der allzu erbärmlich und bemitleidenswert erscheint. „Die Lächerlichkeit hat Hitler nicht getötet. [...] Die Blasphemie ist da Teil des Bildes. Und gerade in der Blasphemie wird das Gespenst wieder unsterblich.“276

273 Hirt, S. 493. 274 Seeßlen, HITLER, S. 236. 275 Hirt, S. 577 [Herv. i.O.]. 276 Georg Seeßlen: Mensch, Hitler, http://www.filmzentrale.com/rezis/unterganggs.htm (zuletzt aufgerufen am 12.08.2014).

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5.4 U NIFORMIERTE M ASSENINSZENIERUNGEN 5.4.1 Masse und Uniform Uniformierte Menschenmengen und ornamentale Massenchoreografien stellen ein charakteristisches Szenario faschistoider Ästhetik dar, das auch in der Populärkultur, wie die später folgenden Fallbeispielanalysen zeigen werden, zahlreich aufgegriffen wird. Zunächst gilt es jedoch, die beiden Teilaspekte dieses Inszenierungsschemas, ihre visuelle Bedeutung und dramaturgische Verzahnung zu untersuchen: Zum einen soll die Uniform – als vestimentäres Symbol für Entindividualisierung und Homogenisierung – und zum anderen die choreografierte Masseninszenierung – als Ausdruck von Kollektivität und Vergemeinschaftung – einer genaueren Betrachtung unterzogen und dabei die nazistische Infiltrierung jenes Szenarios herausgestellt werden. Auch soll untersucht werden, welche Rolle dem Bild bei der Inszenierung von Uniformität und Masse zukommt. Die Präsentation und Formierung bestimmter Körperbilder gehört zu den bedeutendsten visuellen Strategien der Herrschaftspolitik. Der Körper wird dienstbar gemacht, um eine gewollte symbolische Ordnung herzustellen. Im Bereich des Ästhetischen artikulieren sich folglich politische und ideologische Motive. In der Bildproduktion des Nationalsozialismus kommt dem Körper als einer solchen Projektionsfläche für die nationalsozialistische Ideologie und als Austragungsort des politischen Diskurses eine herausragende Bedeutung zu. „[D]ie nationalsozialistische Produktion von Körperbildern einerseits und die NS-Körperpraxis, d.h. die Auswahl, Mobilisierung und Kontrolle des Körpers, andererseits bildeten die zwei Hauptstützen der NS-Körperpolitik.“277 Diese wollte das Individuum gänzlich erfassen und in der Masse aufgehen lassen; sie zielte dabei „auf die Schnittstellen zwischen Umwelt und Subjekt [...] zwischen Individuum und Gesellschaft. Dadurch versuchte sie, die individuelle Wahrnehmung zu strukturieren, bestimmte Bilder kollektiv durchzusetzen und die physischen Gegebenheiten des Körpers zu modellieren.“278 Die Uniform als Mittel zur Modellierung des Körpers und die Choreografie der Massen als Verbildlichung einer kollektiven Physis sind markante Elemente dieser visuellen Körperpolitik. Obgleich sowohl Uniformen als auch Massenornamente keine Alleinstellungsmerkmale oder genuine Spezifika nationalsozialistischer Ausdruckspraxis sind, sondern auch über die Zeit und den Kontext des Nationalsozialismus hin-

277 Diehl, Körperbilder und Körperpraxen im Nationalsozialismus, S. 10. 278 Ebd., S. 11.

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ausweisend im Bildrepertoire anderer totalitärer Herrschaftsikonografien gefunden werden können, bleibt dennoch zu konstatieren, dass gerade die Omnipräsenz uniformierter Massenaufmärsche im Nationalsozialismus das kollektive Bildgedächtnis nachhaltig geprägt hat. Die expressive Außenseite des Nazismus und sein gewaltiger Bilderapparat haben sich als besonders wirkmächtig erwiesen und reichen bis in die Gegenwart hinein.279 So stellt auch Gabriele Mentges fest, dass sich die heutige „Angst vor der Uniformität“280 nicht unwesentlich aus der Vergegenwärtigung von negativen historischen Erinnerungen mit uniformierenden Strukturen in der NS-Zeit speist.281 Bilder von geometrisch angeordneten, uniformierten Menschenmassen werden demnach primär mit dem Nationalsozialismus assoziiert. Die Homogenisierung der Gesellschaft durch Uniformierung der Körper war integraler Bestandteil aller NS-Organisationen. Nicht nur die SS-Uniform, die für die populäre Kultur respektive die popkulturelle Verwertung faschistoider Ästhetik einen zentralen Bezugspunkt darstellt282 , sondern auch andere Uniformen wurden nach der NS-Machtergreifung zu bedeutenden Zeichen der Staatsmacht. So wurden Uniformen 1936 für die Hitlerjugend und den Bund Deutscher Mädel per Gesetz zur Pflicht und auch in verschiedenen ‚zivilen‘ NS-

279 Zur Prävalenz nazistischer Ästhetik siehe Abschnitt 2.1. 280 Mentges beschreibt, dass Uniformität heute meist negativ konnotiert ist und als Antipode zur Individualität mit Begriffen wie Gleichförmigkeit, Konformität oder Normierung assoziiert wird. Gabriele Mentges: Die Angst vor der Uniformität. In: Gabriele Mentges, Birgit Richard (Hrsg.): Schönheit der Uniformität. Körper – Kleidung – Medien. Frankfurt am Main 2005, S. 17-42, hier S. 17. 281 Ebd., S. 38. 282 Im Verlauf der vorliegenden Arbeit wurden zahlreiche Beispiele für den Gebrauch von SS-Uniformen in der Populärkultur aufgezählt. So provozierten Musiker wie Brian Jones von den Rolling Stones, Lemmy Kilmister von Motörhead oder Marilyn Manson durch das Tragen von SS-Uniformen als probate Schockelemente (siehe Abschnitt 2.3.6.). Im Kontext von Jugend- und Subkulturen, die häufig an Musikszenen gekoppelt sind, war und ist das Tragen von SS-Uniformen oder Versatz stücken selbiger als Distinktions- und Widerstandsgeste entsprechend verbreitet. In der Mode wird immer wieder Kleidung präsentiert, die durch ihren Schnitt Anklänge an SS-Uniformen aufweist oder die Symbole der SS nutzt (siehe Abschnitt 2.3.4.) und auch durch das Phänomen Cosplay sind SS-Uniformen popularisiert worden (siehe Abschnitt 2.3.5.). Im Filmgenre Sadiconazista erlangte die SS-Uniform, als vestimentäres Symbol für Macht, Dominanz und Autorität, den Status eines erotisch aufgeladen Objekts exploitativer sexueller Phantasien (siehe Abschnitt 2.3.2.).

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Organisationen wie dem Reichsarbeitsdienst zum Standard.283 Im Nationalsozialismus umfasste die Uniformierung nahezu sämtliche Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Als Produkt der visuellen NS-Politik repräsentierte die Uniform Ordnung und Disziplin, vermittelte politische Kohäsion und stand letztlich im Dienste eines umfassenden Herrschaftsanspruchs. Die NS-Macht wurde anhand der Uniformen visuell präsent und das totalitäre Projekt Nationalsozialismus ubiquitär zur Schau gestellt. Uniformen haben die Aufgabe, das Aussehen ihrer Träger mittels einer identischen Umhüllung des Körpers zu homogenisieren sowie auch die mit der Uniform verbundene Körperhaltung und -bewegung anzupassen und anzugleichen.284 Die materiellen Gegebenheiten der Uniform wirken auf die Physis des Trägers ein und beeinflussen das Erscheinungsbild und die Proportionen. Stoff und Schnitt reglementieren die Bewegungsfreiheit und evozieren bestimmte Körperhaltungen, die zum Habitus des Uniformierten gehören sollen. Durch die Uniform wird der individuelle Körper gleichsam an einen Idealkörper angepasst. Damit wirkt die Uniform wie eine Art Körperprothese, die individuelle Merkmale und persönlichen Ausdruck nivelliert. Fokussiert wird auf das Einheitliche; die Totalität der uniformierten Erscheinungen steht im Vordergrund. Das Individuum ist der Ästhetik des Ganzen untergeordnet und verschwindet hinter der Uniformierung: „Daraus entsteht ein abstrakter Körper, der eher für die Institution bzw. politische Botschaft steht als ein Subjekt darstellt.“285 Die gleichgeschalteten Körper vermitteln das Bild eines geschlossenen Gruppensubjekts. Der Uniformträger fungiert als Repräsentationsorgan eines Kollektivs. Verweist der Körper stets auf die Demarkationslinien zwischen dem Individuellen und dem Sozialen, so verschwimmen durch die Uniform ebenjene individuellen körperlichen Grenzen und schaffen eine Verbindung zwischen dem Subjekt und der Gemeinschaft. Uniform und Masse stehen dabei in einem reziproken Verhältnis zueinander. Die Uniform wird benötigt, um das Individuum aufzulösen und den Einzelnen völlig in der Masse aufgehen zu lassen – umgekehrt gehört zur Herstellung von Uniformität zwingend die Masse, denn erst durch das In-Beziehung-Setzen des uniformierten Einzelnen zu anderen Uniformierten gelingt die Vorstellung von Einheit und Homogenität. Uniformierung entsteht „als Ergebnis temporär begrenzter Verräumlichungsprozesse [...]. Die Wahrnehmung von Artefakten oder von Menschengruppen als Uniformierung vollzieht sich unter der Vorausset-

283 Siehe Diehl, Macht – Mythos – Utopie, S. 167. 284 Vgl. Ebd., S. 166. 285 Ebd., S. 170.

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zung, dass sie sich in visuell-räumlicher, wahrnehmbarer Relation zueinander befinden.“286 Im uniformierten Massenritual lösen sich unter der Prämisse der Homogenität die Ich-Identitäten des Einzelnen auf; über Uniformen und synchronisierte Bewegungsabläufe vollzieht sich die Gestaltung eines monumentalen, megalomanischen Meta-Körpers, der die Subjekte physisch in sich aufnimmt und in das Gesamte transzendiert. „Die verschiedenen, streng ritualisierten Körperpraktiken [...] erfüllten ganz deutlich Identifikations- und Vergemeinschaftungsfunktionen. Indem sie die Massen zu einem überdimensionalen, multiplen, omnipräsenten und omnipotenten Kollektivkörper aktiv sich formen, ‚gestalten‘, zusammenschweißen ließen, erzeugten sie die Fiktion einer substantiellen nationalen Gemeinschaft.“287

Durch bestimmte symbolische Praktiken sollten Sinnbilder nationalen Zusammenhalts geschaffen und in die Körper sowie den öffentlichen Raum eingeschrieben werden. Massenaufmärsche, Militärparaden oder orchestrierte Körperformationen bei Sportwettkämpfen zielten im Nationalsozialismus auf individuelle sowie kollektive Transformation. Die nationalsozialistische Massenästhetik des ‚Volkskörpers‘ ordnete das Subjekt unter den politisch-ideologischen Diskurs. „Erst in der Selbstwahrnehmung in der und als ‚Volksgemeinschaft‘, das heißt in der körperlichen Wahrnehmung von sich selbst und der anderen Körper als Teil des ‚Volkskörpers‘, könne das Gefühl der Zugehörigkeit entstehen. Aus diesem Grund waren die wiederholten Feste und Rituale fundamental für die NS-Körperpolitik. Sie ordneten die Körper der Teilnehmer im Raum und integrierten sie durch die gemeinsame Praxis in die ‚Volksgemeinschaft‘.“288

Politische Kategorien wurden folglich inszenatorisch nachgeordnet und auf visueller Ebene durchgesetzt. In den NS-Massenchoreografien sollte der kollektiven völkischen Identität symbolischer und ästhetischer Ausdruck verliehen werden. Der nationale Mythos wurde dort erlebbar und die einzelnen Körper als

286 Mentges, S. 31. 287 Elena Pavlova: KörperBilder – BildKörper. Annäherungen an Elfride Jelineks Theater unter besonderer Berücksichtigung seiner kritischen Dekonstruktion des faschistischen Körper-Diskurses. Saarbrücken 2007, S. 163 [Herv. i.O.]. 288 Diehl, Körperbilder und Körperpraxen, S. 20.

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ein einziger ‚Volkskörper‘ vereinigt. Folglich konstatiert Susan Sontag, dass „die Darstellung von Bewegung in grandiosen und strengen Formen“ ein bedeutendes Element nazistischer Bildproduktion sei, denn „eine solche Choreografie reflektiert die Einheit des Staatswesens selbst. Die Massen sind dazu da, geformt zu werden, etwas Gestaltetes zu sein“289. Am Beispiel des Aufmarsches vom 1. Mai 1933 beschreibt auch Wieland Elfferding die nazistische Masseninszenierung als „komplexe raum-zeitliche Anordnung zur Produktion einer neuen Masse, der faschistischen ‚Volksgemeinschaft‘“ 290 . Das kompositorische Arrangement der NS-Inszenierung umfasst nach Elfferding „Körperformierung durch Uniformierung, Bewegungsformationen und Anordnung in einem architektonischen Dispositiv; die Platzierung der Körpermassen in einem städtischen Raum, der symbolisch und medial zum nationalen Territorium erweitert wird [...]“291 . Die kollektive Physiognomie der uniformierten Masse deutet den Raum in diesem Sinne zu einem nationalen Raum um und eignet sich diesen an. Im faschistischen Massenornament schließen sich die Einzelpersonen zu einem imposanten Monumentalgebilde zusammen; das Individuum wird verdinglicht und einem formalen Gesamtgefüge unterworfen. Die Menschenmassen werden zu „beweglichen Kulissen“292 für die Machdemonstration des Nationalsozialismus. Chorische Rituale inszenieren einen Gemeinschaftskollektivismus, dessen harmonischer Einklang soldatische Prinzipien wie Ordnung, Einheit und Disziplin widerspiegelt, mehr noch ästhetisch überhöht. Für Elias Canetti ist die Masse ein überindividuelles Gebilde, ein Organismus der Einzelnen, die in ihm aufgehen: „Es geht dann alles plötzlich wie innerhalb eines Körpers vor sich. [...] Der einzelne Mensch selbst hat das Gefühl, daß er in der Masse die Grenzen seiner Person überschreitet.“293 Canetti vergleicht die Masse also nicht nur mit einem Körper, sie ist vielmehr ein Körper, „ein Körper mit vielen Augen, Armen, Köpfen, Füßen. Die Menschen in der Masse berühren und entgrenzen sich gerade durch ihre große Dichte.“294 Klaus Theweleit beschreibt ferner die einzelnen Glieder marschierender Soldaten als gleich-

289 Sontag, Faszinierender Faschismus, S. 113-114. 290 Wieland Elfferding: Von der proletarischen Masse zum Kriegsvolk. In: Neue Gesellschaft für Bildende Kunst e.V. (Hrsg.): Inszenierung der Macht. Ästhetische Faszination im Faschismus. Berlin 1987, S. 17-50, hier S. 19. 291 Ebd., S. 36. 292 Reichel, S. 160. 293 Elias Canetti: Masse und Macht. Frankfurt am Main 1996, S. 14/19 [Herv. i.O.]. 294 Theweleit, S. 30.

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sam von ihren Leibern abgetrennt und zu neuen Ganzheiten zusammengefügt: In der „Ganzheitsmaschine Truppe“ hängt „das Bein des einzelnen [...] funktionell mehr mit dem Bein des Nebenmanns zusammen, als mit dem Rumpf, an dem es sitzt. Dadurch entstehen innerhalb der Maschine neue Ganzheitsleiber, die nicht mit einzelnen menschlichen Leibern identisch sind.“ 295 Das Massenornament produziert nach Theweleit zunächst sich selbst als Ganzheit, als „Zusammengefügtes aus lauter gleichen geschliffenen Einzelteilen“296 und verleiht dem einzelnen Soldaten somit einen neuen Körperzusammenhang. Die Masse ist auch für Béla Balázs kein Gefüge, sondern ein autonomes Subjekt: „Nicht nur eine Summe von Einzelmenschen, sondern ein eigenes Lebewesen mit eigener Gestalt und eigener Physiognomie. [...] Denn auch die Bewegung der Masse ist Gebärde wie die des Einzelmenschen. [...] Um aber deutliche Gebärden zeigen zu können, darf eine Masse nicht konturlos, chaotisch-amorph sein. In einem guten Film wird die Menge in ihren Gruppierungen und Bewegungen bis ins Kleinste ‚durchkomponiert‘ sein.“297

Die Geometrisierung der Körper und Simultanität der Bewegungen lässt eine strenge Ordnung marschierender Menschenlandschaften entstehen. Durch ihre Uniformierung werden die Soldatenteppiche zu gerahmten Kolonnen und vermitteln einen Eindruck von Geschlossenheit, Stärke und Exaktheit. Für Theweleit ist dies der „Ausdruck von Kampf und einer bestimmten Männlichkeit. Mit anderen Worten: sie [die Ganzheitsmaschine Truppe] produziert einen Mehrwert an Code, der der Erhaltung anderer [...] männlicher Ganzheitsgebilde dient, der ‚Nation‘ etwa.“298 Dass die uniformierte Masse männlich determiniert ist, zeigt sich auch im Wesen der Uniform selbst. Sie dient einer Anpassung des Leibes an ein heroisches und damit hypermaskulines Körperideal. Die Steifheit des Materials, ein schmaler Taillenschnitt mit Gürtel und die Betonung der Schulterpartie zwingt den Körper in eine gerade aufgerichtete und entschlossene Positur; Kopfbedeckungen wie Mützen oder Stahlhelme lassen den Körper wachsen und mächtig aussehen. In der Uniform erfahren demnach dezidiert männlich besetzte Kategorien wie Kraft, Stolz und Härte eine optische Aufwertung. Uniformierte Massenchoreografien sind ein genuin bildmediales Thema. Auch Balázs konstatiert in seinem filmtheoretischen Hauptwerk Der sichtbare

295 Ebd., S. 154-155. 296 Ebd., S. 155. 297 Béla Balázs: Der sichtbare Mensch oder die Kultur des Films. Frankfurt am Main 2001, S. 54. 298 Theweleit, S. 155.

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Mensch oder die Kultur des Films, dass die Massenszene in erster Linie im Bild darzustellen ist.299 Uniformität benötigt Visualität, damit ihre Existenz sichtbar und damit manifest wird. „Die Erfahrbarkeit von Uniformität erfolgt ausschließlich über die Rezeption des Visuellen. Eine Idealtypische und multiperspektivische Ansicht von Gleichschaltung und Gleichakt individueller Körper sowie die Sicht auf eine Gruppe als Ganzes ist nur über mediale Bilder möglich.“300 Nach Birgit Richard u.a. ist Visualität also das konstituierende Strukturprinzip uniformierter Masseninszenierungen – sie beschreiben Uniformität als von Grund auf „bilderfreundlich“301. Im Nationalsozialismus ist ebenjene „Bilderfreundlichkeit“ des Massenornaments, genauer der Wirkungszusammenhang zwischen der uniformierten Masse und ihrer Bildwerdung durch Fotografie und Film, von enormer Bedeutung. Die NS-Inszenierungen und Massenveranstaltungen waren darauf ausgelegt, in ein mediales Bild transformiert zu werden; sie fanden statt, damit Bilder davon produziert werden konnten und sind folglich ohne eine Berücksichtigung der durch Fotografie und Film entwickelten Wahrnehmungsmuster nicht denkbar. „Die Wirksamkeit der Inszenierung der faschistischen Version der Volksgemeinschaft ist erst vor dem Hintergrund eines durch die Bildlichkeit von Film und Fotografie geprägten nationalen Imaginären [...] zu verstehen.“302 Das NSPhantasma des kollektiven ‚Volkskörpers‘ wurde im Massenornament als erfahrbare Realität inszeniert und mittels medialer Bilder weiter tradiert. Im Bild wurde die Ästhetik des Massenrituals, das nicht nur die Anwesenden ansprechen, sondern darüber hinaus immer auch eine mediale Verbreitung erfahren sollte, konsequent verdichtet. Der nationale Mythos wurde über das Bild sichtbar gemacht und dadurch überhaupt erst hervorgebracht. Insbesondere in Leni Riefenstahls Reichsparteitagsfilm Triumph des Willens wird dies deutlich: „Dieser Film demonstriert die Formbarkeit der Massen zur kollektiven nationalen Gestalt. Die Zusammenführung der synchronisierten Bewegung [...] zum kollektiven Körper wurde über die Draufsicht der Kameraperspektive sichtbar.“303

299 Siehe Balázs, S. 54. 300 Birgit Richard, Jan Grünwald, Inga Betten: Uniformität ist bilderfreundlich! Vestimentäre und choreographische Strategien als Aneignung von Nicht-Orten im Musikvideo. In: Gabriele Mentges, Dagmar Neuland-Kitzerow, Birgit Richard (Hrsg.): Uniformierungen in Bewegung. Vestimentäre Praktiken zwischen Vereinheitlichung, Kostümierung und Maskerade. Münster 2007, S. 57-73, hier S. 57. 301 Vgl. Ebd. 302 Baxmann, S. 89. 303 Ebd., S. 87-88.

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Mit den bildtechnischen Möglichkeiten, die es erlaubten, die Totalität der Masse zu erfassen und ins Bild zu setzen, konnte das nationalsozialistische Konstrukt der ‚Volksgemeinschaft‘ in dieser Form visualisiert und vermittelt werden. Erst der Kamerablick und die Filmbildlichkeit lassen die Fixierung einer solchen Massengestalt zu. Lange Kamerafahrten über scheinbar endlose Menschenlandschaften in strenger Ordnung und orchestriertem Einheitsrhythmus sind ebenso elementarer Bestandteil von Triumph des Willens wie simultan marschierende Ganzheitsleiber uniformierter Soldaten, die aus der Luftperspektive aufgenommen wurden. „Die Entzifferung der ‚Physiognomien‘ von Massen, Landschaften und Kulturen verdankt sich der neuen Wahrnehmungsperspektive, die über die Verbindung von Fotografie bzw. Film und Flugzeug möglich wurde. [...] Die Kinobildlichkeit unterstützte derartige Visionen, sie ließ den Raum zur Gestalt gerinnen, deren Konturen sich zu phantasmatischen Körpern verdichten konnten.“304

Riefenstahls Triumph des Willens, in dem ebenjene Darstellungstechniken virtuos genutzt wurden, stellt damit ein mustergültiges Beispiel für den Konnex von Masseninszenierung und Bildpraxis dar. Die für die Zeit beispiellosen Produktionskapazitäten und filmtechnischen Voraussetzungen, die Leni Riefenstahl für ihren Parteitagsfilm zur Verfügung standen – so etwa der Einsatz von Kränen und Flugkameras – sollten zuvorderst eine erhabene Aufsicht über die präzise durchorganisierten Körperarrangements und streng formierten Marschsäulen ermöglichen. Es erscheint daher auch nicht weiter verwunderlich, dass insbesondere Triumph des Willens, in dem die Apotheose der uniformierten Masse substanzieller Bestandteil der Bildarchitektur ist, nach wie vor die Bildproduktion der Gegenwart prägt und als visuelles Vorbild für Massendarstellungen der populären Kultur dient. 5.4.2 Massenchoreografien im populären Film Das uniformierte Massenornament ist ein in der populären Kultur weit verbreitetes Bildthema, das insbesondere dann gezielt verwendet wird, wenn visuelle Anklänge an totalitäre Systeme geschaffen werden sollen.305 Dabei findet nahezu immer eine ästhetische Anlehnung an die Massenrituale des Nationalsozialis-

304 Ebd., S. 81. 305 Vgl. Thomas Ehrenfest: Blitzkrieg Pop. Partialfaschismen und ästhetische Mythen des Faschismus in der Popkultur. Berlin 2012, S. 65 .

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mus, wie sie sich in erster Linie durch die filmischen Visualisierungen Leni Riefenstahls im kollektiven Bildgedächtnis festgeschrieben haben, statt. Riefenstahls Aufnahmen werden beispielsweise in zahlreichen Filmproduktionen des populären Kinos zitiert. Der Geist totalitärer Ästhetik wird hier durch die visuellen Medien absorbiert und in die Nähe popkultureller Bildentwürfe gerückt. So finden sich inszenatorische Parallelen zu den von Riefenstahl ins Bild gesetzten Massenspektakeln der Reichsparteitage in Walt Disneys Der König der Löwen (1994), George Lucas Star Wars – hier insbesondere Star Wars: Episode IV – Eine Neue Hoffnung (1977) – sowie Ridley Scotts Gladiator (2000) und Paul Verhoevens Starship Troopers (1997).306 Im Folgenden sollen anhand der Analyse exemplarischer Einzelbilder respektive Sequenzen aus König der Löwen und Star Wars: Episode IV – Eine Neue Hoffnung visuelle Analogien zwischen den in den Filmen dargebotenen Masseninszenierungen und der faschistoiden Massenästhetik – als deren Inbegriff die Darstellungen in Triumph des Willens gelten können – herausgearbeitet werden. In Walt Disneys Zeichentrickfilm Der König der Löwen (1994) erscheint die Inszenierung des Hyänenbataillons während des Liedes Seid bereit besonders auffällig. Für ein grobes Verständnis dieser Sequenz sei zunächst die Handlung kurz umrissen: Scar, Antagonist des Films und Bruder des Löwenkönigs Mufasa, beschließt gewaltsam den Thron an sich zu reißen und den König zu töten. Hierzu verbündet er sich mit den Hyänen und setzt diese auf Mufasas Ermordung an. Mit dem Lied Seid bereit klärt Scar, der als eine Art charismatische Führerfigur auftritt, seine Hyänengefolgschaft über seinen Plan auf. Die Hyänen, die zuvor eher als gebrochene, ungeschickte und schlaksige Gestalten präsentiert wurden, weisen plötzlich eine gänzlich andere Haltung auf: Ihre Körper sind angespannt; in stolzer, gerade aufgerichteter Positur formieren sie sich zu einer Armee williger Militaristen.

306 Für ein genaueres Verständnis der filmischen Reminiszenzen an das faschistische Massenornament soll nachfolgend die Analyse von Schlüsselszenen aus Der König der Löwen und Star Wars genügen. Jedoch finden sich auch in Gladiator und Star ship Troopers deutliche Anlehnungen an Riefenstahls Massendarstellungen in den Parteitagsfilmen. So erinnert im Film Gladiator die monumentale Inszenierung der Ankunft des Commodus, der in Rom von tausenden Prätorianern empfangen und bejubelt wird, unübersehbar an den Einzug Hitlers in Nürnberg. Auch zitiert die Anfangsszene von Starship Troopers – ein fiktiver Werbespot für eine Militärausbildung – eindeutig Riefenstahls Bildgestaltung des Appells des Reichsarbeitsdienstes in Triumph des Willens.

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Abbildung 57: Der König der Löwen (Screenshots)

Hatte die Hyänenhorde zuvor eine eher heterogene, in verschiedene Einzelgruppen zersplitterte Körpergeometrie, so bildet sie in dem Moment, in dem Scar als Anführer auftaucht, eine in sich geschlossene Körperschaft, die an den akribisch durchstrukturierten, quadratischen Phalanx einer soldatischen Kampfeinheit erinnert.307 Die synchronisierte, militärische Ordnung lässt den Rekurs auf Erving Goffmans Beschreibung einer „totalen Institution“ zu. Diese beinhaltet als ein signifikantes (und immanent visuelles308) Prinzip die Anordnung und Bewegung von Menschen in Blöcken. Nach Goffman hat die Gleichschaltung in einer totalen Institution eine bestimmte Funktion: die Überwachung der einzelnen Indivi-

307 Ähnliches konstatiert Elisabeth Bronfen für den Film Bambi (1942). Interessanterweise lassen sich Ihre Beobachtungen nahezu 1:1 auch auf die analysierte Szene aus Der König der Löwen übertragen. Siehe Elisabeth Bronfen: Hitler Goes Pop – Ästhetische Avantgarde, Totalitarismus und die Unterhaltungskultur. In: Dies.: Crossmappings. Essays zur visuellen Kultur. Zürich 2009, S. 141-164, hier S. 158. 308 Siehe Richard/ Grünwald/ Betten, S. 70.

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duen.309 Dieser Lesart folgend, ist die in Blöcken organisierte Hyänenarmee Scar als zentraler Autorität und Kontrollinstanz unterworfen. Die Hyänen, die im Vorfeld als eine Kleingruppe anarchischer Outlaws und Vagabunden vorgestellt wurden, tauchen in einem neuen Körperzusammenhang – dem der Masse – auf. Sie sind zu einem strengen, geometrisch geordneten und entschlossen wirkenden Heer angewachsen und marschieren im Stechschritt vor ihrem Anführer. Dabei wirken sie wie hypnotisiert, ihre Bewegungen gleichsam mechanisch. In Reih und Glied heben sie simultan ihre steif durchgestreckten Beine und erinnern damit an Theweleits Beschreibung der „Ganzheitsmaschine Truppe“, in der die Körperteile des Einzelnen in der Bewegung der Masse aufgehen. Zu beobachten ist hier also eine Objektivierung der einzelnen Hyänen zu einer Ganzheit, genauer eine Auflösung respektive Verschmelzung von Subjektkategorien, indem die Hyänen als Gesamtheit zu einem übergeordneten autonomen Subjekt, ergo zu einer Art Superkörper werden. Das Hyänenbataillon mit seinem orchestrierten Kollektivrhythmus und seiner klaren formalen Struktur lässt sich mit Bezug auf Canetti als eine „geschlossene Masse“310 beschreiben. Canetti schreibt hierzu: „Was an ihr zuerst auffällt, ist die Grenze. Die geschlossene Masse setzt sich fest. Sie schafft sich ihren Ort, indem sie sich begrenzt; der Raum, den sie erfüllen wird, ist ihr zugewiesen.“311 So ist auch die in Der König der Löwen präsentierte Masse klar definiert, die marschierende Hyänenkolonne fest umschlossen. Zu einem akkuraten rechteckigen Feld geformt, erscheint das Massenornament der Hyänen als geschlossene Einheit, als ein begrenzter Meta-Körper. Canetti hebt ferner Gleichheit und eine gemeinsame Richtung als Haupteigenschaften der Masse hervor: „Innerhalb der Masse herrscht Gleichheit. [...] Sie ist von so fundamentaler Wichtigkeit, daß man den Zustand der Masse geradezu als einen Zustand absoluter Gleichheit definieren könnte. Ein Kopf ist ein Kopf, ein Arm ist ein Arm, auf Unterschiede zwischen ihnen kommt es nicht an.“312 In der Hyänenarmee ist ebenjener Zustand totaler Gleichheit wesentliches Gestaltungsmerkmal. Unterschiede zwischen den einzelnen Hyänen sind in keiner Weise auszumachen, vielmehr wirken sie wie uniforme, identische Klone in perfektem, minutiös gelenktem Gleichschritt. Zur gemeinsamen Richtung schreibt Canetti: „Die Masse braucht eine Richtung. Sie ist in Bewegung und bewegt sich auf etwas zu. Die Richtung,

309 Siehe Erving Goffman: Asyle. Über die soziale Situation psychiatrischer Patienten und anderer Insassen. Frankfurt am Main 1995, S. 18. 310 Canetti, S. 14ff. 311 Ebd., S. 15 [Herv. i.O.]. 312 Ebd., S. 30.

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die allen Angehörigen gemeinsam ist, stärkt das Gefühl von Gleichheit.“313 Für die Hyänenhorde ist entsprechend zu konstatieren, dass sie nicht nur synchron und konsequent zum gleichen, imaginären Ziel hin marschieren – selbst die Blickrichtung folgt einer bestimmten Choreografie: Reihe um Reihe wenden sie wie automatisiert ihre Köpfe zu Scar, der über ihnen auf einem Felsvorsprung thront. Scar wird somit als absolute Führerfigur inszeniert. Er ist es, der die Hyänentruppe kontrolliert und beherrscht, sie zu einer hypnotisierten Gefolgschaft gemacht hat. Der Führer als Integrationsgestalt der Masse ist auch eines der bedeutendsten Kennzeichen der Massenpsychologie von Gustave Le Bon und Sigmund Freud. Für Le Bon ist es existenzielles Bedürfnis der Masse, einem Führer zu gehorchen: „Sobald eine gewisse Anzahl lebender Wesen vereinigt ist, einerlei, ob eine Herde Tiere oder eine Menschenmenge, unterstellen sie sich unwillkürlich einem Oberhaupt, d.h. einem Führer. In den menschlichen Massen spielt der Führer eine hervorragende Rolle. Sein Wille ist der Kern, um den sich die Anschauungen bilden und ausgleichen. Die Masse ist eine Herde, die sich ohne Hirten nicht zu helfen weiß.“314

Le Bon verortet die Massenseele also in der Gestalt des Führers. Auch bei Freud befindet sich die Masse gewissermaßen in permanenter Disposition zur Hypnose und ist so durch einen Hypnotiseur, den Führer, steuerbar.315 Die Masse entsteht für Freud dadurch, dass sich Einzelne als Einheit betrachten, weil sie ein identisches „Ichideal“ in Gestalt des Führers internalisiert haben. Die Masse ist folglich „eine Anzahl von Individuen, die ein und dasselbe Objekt an die Stelle ihres Ichideals gesetzt und sich infolgedessen in ihrem Ich miteinander identifiziert haben“316. Susan Sontag attestiert der Ästhetik des Faschismus ein besonderes Interesse an Situationen, in denen Beherrschung und Unterwerfung zum Ausdruck kommen. Die Unterordnung der Massen unter eine hypnotische Führerfigur, die Sontag als charakteristisch für faschistische Ästhetik ausweist317, ist auch integraler

313 Ebd., S. 30-31. 314 Gustave Le Bon: Psychologie der Massen. Stuttgart 1982, S. 83. 315 Vgl. Markus Bernauer: Die Ästhetik der Masse. Basel 1990, S. 61. 316 Sigmund Freud: Massenpsychologie und Ich-Analyse. Wien 1921, S. 88, http://www.gutenberg.org/files/30843/30843-h/30843-h.htm (zuletzt aufgerufen am 29.09.2014). 317 Siehe Sontag, Faszinierender Faschismus, S. 113.

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Bestandteil der visuellen Inszenierung in Riefenstahls Triumph des Willens. Beim Appell von SA und SS nutzt Riefenstahl beispielsweise nahezu ausschließlich weite Totalen in der Aufsicht und liefert damit monumentale Bilder der Soldatenmassen in quadratischer Ordnung. Die Vogelperspektive, die die einzelnen Individuen winzig erscheinen und gänzlich in der akkurat durchkomponierten Masse aufgehen lässt, verkörpert Geschlossenheit und militärischen Gehorsam. Der Bildaufbau liefert damit den Eindruck von Disziplinierung und transportiert durch die Aufsicht einen gewissen Unterwerfungsgestus.318 Adolf Hitler wird während seiner Rede an die Soldaten im Gegenzug überwiegend aus untersichtigen Nahaufnahmen gezeigt. Er blickt erhaben auf die beherrschten und disziplinierten Massenarrangements herunter und erscheint gleichsam übergroß. Riefenstahls Bildregie reproduziert somit Autoritäts- und Allmachtsphantasien und übersetzt visuell das Bedürfnis nach einer feierlichen Überhöhung der Führergestalt. Das Spannungsverhältnis zwischen Draufsicht und Untersicht ermöglicht die Konstruktion eines Kollektivkörpers (der Masse) und präsentiert die Soldaten als „befehlsempfangende Körperglieder mit Hitler als Zentralmacht und Kopf“319. Hitler befindet sich in beständiger Interaktion mit der Masse, wobei die Überlegenheit des Führers und die Unterwerfung des ‚Volkskörpers‘ mit filmischen Mitteln permanent vergegenwärtigt wird. Riefenstahls ästhetische Arrangements und Bildinszenierungen visualisieren eine Transformation der Masse in Gefolgschaft, indem sie diese einer architektonischen und personellen Hierarchie unterstellen.320 Daher implizieren die Kameraeinstellungen grundsätzlich eine Blickrichtung von oben (Führer) nach unten (Masse) respektive von unten (Masse) nach oben (Führer). Die Großaufnahmen Hitlers, der auf der Tribüne des Zeppelinfeldes die Menschenlandschaften überschaut, suggerieren Kontrolle – über die visuelle Präsentation wird dem machtvollen Blick des Führers formierende und massenintegrative Kraft verliehen. Die Ästhetisierung der Masse funktioniert also nicht nur durch die Uniformierung und geometrische Anordnung des Einzelnen innerhalb des Massenrituals, sondern auch durch die demonstrative Unterstellung unter eine Führerfigur. „Volksgemeinschaft und Herrschaft, in die man sich fügt – beide Bedeutungen gehören zur faschistischen Massenveranstaltung dazu und verbinden sich untereinander.“321 Folglich sind

318 Vgl. Kristina Oberwinter: Bewegende Bilder. Repräsentation und Produktion von Emotionen in Leni Riefenstahls Triumph des Willens. Mit einem Vorwort von Horst Bredekamp. München 2007, S. 88. 319 Ebd., S. 129. 320 Vgl. Ebd., S. 130. 321 Elfferding, S. 48.

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auch die filmischen Verdichtungen Riefenstahls, ihre Aufnahmen von Hitler und den Menschenmassen auf dem Reichsparteitag, bildsemantisch konsequent aufeinander bezogen. Ebenjenes visuelle Dispositiv ist auch in Der König der Löwen wiederzufinden. Die erhabene Führergestalt Scar steht – äquivalent zu Hitler auf der Zeppelintribüne – erhöht und exponiert auf einem massiven Steinblock und blickt über die imposante, streng organisierte Hyänenarmee. Ebenso wie Hitler in Triumph des Willens befindet sich Scar damit nicht nur im medial konstruierten Bildmittelpunkt, sondern überdies im Zentrum des räumlich-architektonischen Settings.322 Die Aufnahmeperspektive unterstreicht Scars absolute Dominanz; er wird auffallend häufig aus extremer Untersicht fixiert, was ihm einen diktatorischen Überlegenheitsgestus verleiht und Momente der Ehrfurcht und des andächtigen Erschauderns schafft. Seine Anhängerschaft hingegen wird entweder aus der den Einzelnen anonymisierenden, draufsichtigen Totalen wiedergegeben, oder aber die Kameraperspektive zeigt die Rückenansicht des Hyänenbataillons und folgt damit der zu ihrem Führer aufschauenden, gemeinsamen Blickrichtung. Das Massenornament gerinnt somit auch in Der König der Löwen zum Sinnbild für ein totalitäres Gemeinschafts- und Unterwerfungserlebnis und zitiert eindeutig die Inszenierungsprinzipien und Darstellungsschemata der nationalsozialistischen Massenrituale. Hitlers Ansprache an die SA und SS, die von jubelnden Rufen der Masse begleitet wird, findet ihre Entsprechung in dem dialogischen Chorgesang von Scar und den Hyänen. Die Felswand, vor der Scar thront, wird von unten durch vertikal emporragende Scheinwerferstrahlen illuminiert. Die Lichtkegel erinnern dabei an den Einsatz von Flakscheinwerfern als Lichtdom, wie sie für die Inszenierung der Reichsparteitage charakteristisch waren. Neben den unübersehbaren Anklängen an faschistoide, totalitäre Ästhetik weist die in Der König der Löwen dargebotene Szenerie zahlreiche weitere Gestaltungsmerkmale auf, die einen Eindruck von Dramatik und Düsterheit vermitteln sollen. So erinnert das dunkle Höhlen-Setting mit den sich auftürmenden Gebeinen und Schädelknochen an eine finstere Gruft. Feuer, das wie bei einem Vulkanausbruch aus dem Boden hervorschießt, erweckt den Eindruck einer bedrohlichen Höllenvision. Daher erscheint es naheliegend, die Verweise auf den Nationalsozialismus als ein in diesem Sinne ebenso effektives gestalterisches Element zur Erzeugung einer dramatischen und bedrohlichen Atmosphäre anzusehen. Die disziplinierte, gehorsame Hyänenhorde als Schreckensbild totalitärer

322 Vgl. Oberwinter, S. 151.

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Herrschaft fügt sich konsequent in das Kolorit von Angst und Gefahr ein. Der Rückgriff auf das Bildprogramm des Nazismus wird folglich auch in diesem Beispiel genutzt, um einen Gegenstand, eine Situation, als absolut Böse auszuweisen. Auch in George Lucas’ Star Wars: Episode IV – Eine Neue Hoffnung (1977) findet sich ein unübersehbarer visueller Rekurs auf die faschistische Massenästhetik Leni Riefenstahls. Insbesondere die letzte Szene des Films erscheint in dieser Hinsicht auffällig. Die drei Protagonisten Han Solo, Luke Skywalker und Chewbacca kehren als Sieger aus der Schlacht gegen das Imperium zurück und werden in dieser Szene von Prinzessin Leia als Helden für ihre Verdienste geehrt. Die filmische Inszenierung der Heldenehrung im Thronsaal ist deutlich angelehnt an zwei Sequenzen aus Riefenstahls Triumph des Willens (Schlusskongress und Totenehrung) und vereint bestimmte Darstellungselemente daraus.323 Han Solo, Luke Skywalker und Chewbacca schreiten über einen freien Gang, der sich in der Mittelachse des Bildes befindet, auf eine Art Chorraum respektive ein durch Stufen erhöhtes, altarähnliches Podest zu. Die Supertotale zeigt, dass der Gang beidseitig von in Blöcken aufgeteilten und zu akkuraten Rechtecken formierten Soldatenmassen flankiert wird. Die sich in strenger Ordnung aufreihenden Soldaten sind zunächst dem Mittelgang zugewandt, wenden sich jedoch, sobald die drei Protagonisten die Masse passiert haben, mit einer synchronen Bewegung zum Altar als Zentrum des weiteren Geschehens. Dort empfängt Prinzessin Leia die Helden und verleiht Han Solo und Luke Skywalker feierlich einen Orden. Das architektonische Setting, die Aufnahmeperspektive sowie die Bildregie erinnern dabei stark an die Inszenierung des Schlusskongresses in Triumph des Willens. Hier wird der Einzug Hitlers und seines Gefolges in die Luitpoldarena ebenfalls aus einer weiten Totalen gezeigt. Das räumliche Arrangement erscheint nahezu identisch: In zwei Blöcke aufgeteilte, jubelnde Menschenmassen bilden einen Mittelgang, über den der Menschenzug um Hitler zum zentralen Ort der weiteren Handlung – hier dem Rednerpodium – gelangt. Die Masse wird somit in beiden Fällen zu einem Teil der monumentalen Architektur und formiert einen Gang, der die Protagonisten zum räumlicharchitektonischen sowie medial konstruierten Bildmittelpunkt leitet.

323 Vgl. Hubert Neufeld: Leni Riefenstahls filmästhetisches Erbe in der Popkultur. Elemente des Reichsparteitagsfilm „Triumph des Willens“ (1935) in „Star Wars“, „Lion King“ und „Gladiator“. München 2014, S. 33.

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Abbildung 58: Star Wars: Episode IV (Screenshot)

Insgesamt weist der Thronsaal in Star Wars markante optische Ähnlichkeiten zur Luitpoldhalle auf. Beide zeigen erkennbare Anleihen an den christlichen Baustil: Die architektonische Struktur entspricht der Ordnung eines Kirchenraums mit Mittelgang, Chorraum und über Treppenstufen zu erreichendem Altar. Sowohl der Thronsaal als auch die Luitpoldhalle werden an den Seiten von massiven Säulen respektive gewaltigen Steinblöcken getragen, sodass beide Bauten einen monumentalen Charakter sowie eine deutliche vertikale Ausrichtung aufweisen. Die in der Luitpoldarena zentral an der Stirnwand positionierte Hakenkreuzfahne wird in Star Wars ersetzt durch fünf vertikal emporragende Lichtstrahlen, auf die Han Solo, Luke Skywalker und Chewbacca frontal zulaufen. Ähnlich wie im Fall von Der König der Löwen zitiert die Lichtführung auch hier formal die charakteristischen Lichtdome der Reichsparteitage. Abbildung 59: Triumph des Willens, Schlusskongress (Screenshot)

Abbildung 60: Triumph des Willens, Totenehrung (Screenshot)

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Neben dem Schlusskongress erscheint auch die Totenehrung als zweite Sequenz aus Triumph des Willens im Hinblick auf die Inszenierung der Heldenehrung in Star Wars bedeutsam. Die Parallelen bestehen hier insbesondere in der Bildkomposition sowie in der Handlung.324 Eine Panorama-Totale liefert in starker Aufsicht einen imposanten Überblick über uniformierte Menschenmassen: In grafisch exakt geordneten Reihen und Karees säumen SA- und SS-Männer einen breiten Durchgang. Der Raum wird durch die weiten, symmetrisch strukturierten Menschenlandschaften ins scheinbar Endlose erweitert. Adolf Hitler, Reichsführer-SS Heinrich Himmler und der Stabschef der SA Viktor Lutze bewegen sich langsam durch den Mittelgang in Richtung des Ehrendenkmals für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Das Triumvirat steigt die Stufen des Plateaus zum Denkmal hinauf und verharrt vor einem großen Kranzgebinde. Analog dazu sind es auch in der Thronsaalszene aus Star Wars drei Akteure – Han Solo, Luke Skywalker und Chewbacca – die im Rahmen eines feierlichen Ehrenzeremoniells einen Gang zwischen streng geordneten Menschenspalieren und Soldatenteppichen entlangschreiten und schließlich die Treppenstufen eines leicht erhöhten Altarpodests hinaufsteigen. Auffällig ist im Besonderen die nahezu identische Ausgestaltung der Massenformation. Gleichwohl die Soldatenanzahl in der Thronsaalszene aus Star Wars weit geringer ausfällt, greift ihre akribische Organisation in Reihen und Blöcken dennoch eindeutig auf das Massenornament in Triumph des Willens als visuelles Vorbild zurück. Die Körperarrangements ergeben eine klar definierte, geschlossene und unumstößliche Struktur. In streng symmetrischen Kolonnen und Quadraten organisiert, teilen sie den Bildraum in gleichmäßige, statische Blöcke und lange Rechtecke. Es dominieren gerade Linien und rechte Winkel. Die strenge, geometrische Anordnung der Einzelkörper innerhalb des Massengefüges lässt verschiedene visuelle Analogien zu; so erinnern die aus der Aufsicht aufgenommenen Massendarstellungen an einen von Furchen durchzogenen Acker, ein bestelltes Feld oder an einen dicht bewachsenen Wald.325 Auch Elias Canetti bezeichnet das Heer als einen „marschierenden Wald“ und identifiziert diesen als das „Massensymbol der Deutschen“: „Das Rigide und Parallele der aufrechtstehenden Bäume, ihre Dichte und ihre Zahl erfüllt das Herz des Deutschen mit tiefer und geheimnisvoller Freude.“326 Weiterhin vergleicht Canetti die feste Verwurzelung und unverrückbare Standhaftigkeit der Bäume mit soldatischen Tugenden, ihr identisches Aussehen sowie den gleichmäßigen Rhythmus ihrer Bepflanzung mit einem uniformierten Heer: „Die

324 Vgl. Neufeld, S. 34. 325 Vgl. Oberwinter, S. 120. 326 Canetti, S. 202.

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Rinden, die einem erst wie Panzer erscheinen möchten, gleichen im Walde, wo so viele Bäume derselben Art beisammen sind, mehr den Uniformen einer Heeresabteilung. Heer und Wald waren für den Deutschen, ohne dass er sich darüber im klaren war, auf jede Weise zusammengeflossen“327.328 Canetti folgend beschreibt auch Klaus Theweleit den Wald als Vorbild der Formation des faschistischen Massenornaments und als „formierte deutsche Männersehnsucht“329. Die imposante, präzise Komposition der Menschenmenge schafft erhabene Unendlichkeitsmomente und lässt die uniformierte Masse – in Triumph des Willens wie auch in Star Wars – zu einem abstrakten Oberflächenmuster gerinnen und den Einzelnen zum Bestandteil einer übergeordneten Form werden. Ihre Regularität, strenge Ordnung und Geschlossenheit verleiht der Masse einen Ausdruck von Disziplin und Macht. Einheit, Kohäsion und Kontrolle lassen sich hier ebenso ablesen wie Gewalt und eine bedrohliche Spannung, da sich das Ordnungsversprechen jederzeit in einer Kampfhandlung zu entladen und zu entfesseln droht. „Der Krieg ist nicht das Verdrängte, das Avant-de-la-scène des Massenaufmarsches, sondern sein letztes Bekenntnis. In den soldatischen Massen, die im Verlauf der Jahre das Bild der Aufmärsche zunehmend bestimmen, ist nicht der Krieg ‚ästhetisiert‘, sondern umgekehrt ist der Krieg die Einlösung jener Ästhetisierung (Erhebung, Idealisierung) der Massen [...].“330

Mit der Masseninszenierung wird folglich auch immer die Möglichkeit einer kriegerischen Wendung nach außen ins Bild gesetzt. In der Thronsaalszene aus Star Wars hat die Massenformation in diesem Sinne die Funktion, eine Kampfbereitschaft zu vergegenwärtigen und die Sieger des Kampfes gegen das Imperium als besonders erhaben und machtvoll auszuweisen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Bildverwandtschaft zwischen popkulturellen Masseninszenierungen und der Massenästhetik des Nationalsozialismus offen hervortritt. Insbesondere die Filmbilder Leni Riefenstahls haben das kulturelle Überleben faschistoider Massenchoreografien gesichert.

327 Ebd. 328 Zur Ideologisierung des Wald-Topos im Nationalsozialismus siehe auch Kapitel 4.2. 329 Theweleit, S. 73. 330 Elfferding, S. 50. Elfferding folgt hier der These Walter Benjamins: „Alle Bemühungen um die Ästhetisierung der Politik gipfeln in einem Punkt. Dieser eine Punkt ist der Krieg.“ Benjamin, S. 42 [Herv. i.O.].

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Die visuellen Strukturprinzipien und nazistischen Implikationen von Uniformität und Masse werden auch in den Bildzusammenhängen populärer Filme wie Der König der Löwen und Star Wars sichtbar. 5.4.3 Lady Gaga – Alejandro Uniformität und Massenchoreografie spielen auch in der visuellen Inszenierung des Videoclips Alejandro, einem Bildamalgam aus christlicher Ikonografie, Revue-Ästhetik, sexuellen Fetisch-Phantasien und soldatischer Drill-Faszination, eine entscheidende Rolle. Das im Jahr 2010 erschienene Musikvideo der USamerikanischen Sängerin Lady Gaga soll im Folgenden zunächst in Form einer kurzen Synopsis allgemein beschrieben werden. Anschließend erfolgt die detaillierte Analyse ausgewählter Schlüsselszenen und ihrer Bildinszenierungen, in denen die Anlehnung an uniformierte Massenornamente des Nationalsozialismus besonders deutlich hervortritt. Das Video beginnt in einer dunkel gehaltenen Szenerie, in der Männer in schwarzen, ledernen Uniformen – oder Versatzstücken selbiger in Kombination mit Netzstrümpfen und High Heels – an Tischen sitzen. Sie scheinen in einen hypnotischen, tiefen Schlaf versunken zu sein. Nach einem Schnitt wechselt der Schauplatz; in einem nebligen, von blauem Licht eingefärbten Setting sind schattenhafte Umrisse von choreografisch marschierenden Männerkörpern zu erkennen. Das Intro des Liedes setzt ein. Die folgende Szene zeigt eine Beerdigungssituation, genauer eine Art Trauerzug. Lady Gaga läuft der Prozession voran und trägt ein auf einem Kissen gebettetes rötliches Gebilde, das an ein menschliches Herz erinnert, in ihnen Händen. Schwarz uniformierte Sargträger bilden ihr Gefolge. Es schneit. Diese Bilder werden immer wieder überblendet von Close-Ups der Sängerin. Mit dem eigentlichen Beginn des Liedes ist Lady Gaga in einer dunklen Tempelruine auf einem Thron sitzend zu sehen. Männer in schwarzer Lederuniform stehen um sie herum und scheinen sie zu bewachen. Sie trägt ein kunstvolles Gebilde mit Augengläsern auf dem Kopf; in ihrer Hand hält sie eine rauchende Pfeife. Von einiger Entfernung beobachtet sie eine Gruppe von Tänzern. Die Performer sind mit kurzen schwarzen Hosen und schweren Stiefeln bekleidet. Ihre Oberkörper sind nackt; die Frisuren gleichen einheitlich dunklen Tonsuren. Sie führen eine streng synchronisierte, hart und kraftvoll anmutende Tanz-Choreografie aus, die zwischen kämpferischen Gesten und harmonischem Reigen oszilliert. Die nächste Einstellung zeigt Lady Gaga zunächst in einem latexartigen, roten Nonnengewand. Sie liegt auf einem schwarz-glänzenden Stoff und hält einen

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Rosenkranz in der Hand. Darauf folgt eine choreografische Inszenierung, in der die Sängerin – nun in schlichter, heller Unterwäsche – mit den vorausgehend beschriebenen männlichen Tänzern im Gleichklang performt. Verwoben wird die Tanzdarbietung mit Bildern, die die Sängerin im Bett mit je einem der Tänzer in sexualisierten, aggressiv-lustvollen Bewegungen und an Bondage angelehnten Handlungen zeigen. In weiteren Darstellungen ist Lady Gaga in einer weißen Robe mit roten Kreuz-Applikationen vor einer Videoleinwand zu sehen und wird dabei umringt von ihren Tänzern. Auch wird sie erneut im Nonnenkostüm gezeigt und führt sich einen Rosenkranz in den Mund. Darauf folgt eine Schwarz-Weiß-Sequenz, in der die Sängerin mit weißblondem Kurzhaarschnitt – zunächst in einem schwarzen Overall und anschließend mit einem Büstenhalter bekleidet, an dem zwei Maschinengewehr-Vorderteile angebracht sind – zu sehen ist. Die männlichen Tänzer, die um sie herum angeordnet sind, tragen hier wieder eine vollständige schwarze Lederuniform. Gemeinsam führen sie eine Choreografie aus, die an eine Militärparade ebenso erinnert wie an den synchronisierten Bewegungschor einer Revue. Eine der letzten Darstellungen zeigt die Sängerin mit Mikrofon vor einem Kruzifix performen. Das Setting scheint dabei identisch mit der Anfangsszene zu sein, in der die uniformierten Männer schlafend in einem Arrangement aus Tischen und Stühlen sitzen. Im Wechsel werden dabei Sequenzen der bereits beschriebenen Bilder – Lady Gaga im Nonnenkostüm, während der verschiedenen Tanzperformances etc. – eingeblendet. Häufig richtet sich dabei der Fokus auf die Männer in schwarzer Ledermontur. Die Schlussszene zeigt Lady Gaga erneut im roten Nonnengewand, gebettet auf schwarz-glänzendem Textil. Einer der Tänzer sitzt, mit einer Pistole bewaffnet, wachend neben ihr. Nun sind bei beiden Figuren Fäden zu erkennen, die ähnlich Marionettenstrippen von ihren Körpern wegführen. Das Video endet mit einem Gesichts-Close-Up der Sängerin, das ausgehend von den Augen- und Mundöffnungen in sich zu verbrennen scheint. In dem Musikvideo Alejandro zeigt sich Lady Gaga umringt von einer Tänzerarmee, gewandet in schwarzer, ledern-glänzender Uniform. Das Kostüm der Performer ist unübersehbar angelehnt an den Dienstanzug der SS: Die schwarzen Militärjacken mit Schulterklappen, silbernen Knöpfen, Taillengürteln und roten Armbinden erinnern deutlich an SS-Uniformen. Hochgeschlossene Hemden mit stilisierten Kragen-Abzeichen, schwarze Hosen und schwere Schaftstiefel wecken überdies als markante Insignien unweigerlich Assoziationen zu faschistischen vestimentären Codes. So wirken die Tänzer wie das popkulturelle Produkt nahezu perfekter SS-Maskerade.

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Abbildung 61: Lady Gaga, Alejandro (Screenshot)

Paula Diehl beschreibt in ihrer Arbeit über die Körperbilder der SS-Männer die politisch-soziale Funktion der SS-Uniformen wesentlich als Medium der Homogenisierung. Die Homogenität der Körper visualisiere politische Kohäsion, Ordnung und inszeniere damit Macht.331 Die Uniform ermögliche „eine emblematische Konzentration der SS-Körperbilder und ihre Fixierung im sozialen Imaginären“332 . Dies bedeute, dass die Uniformen die Aufmerksamkeit von den individuellen Körpermerkmalen und Gesichtszügen der SS-Männer ablenken, und sie stattdessen in ein Stilbild des SS-Mannes mit symbolischer Wirkung fügen. Fixiert wird also auf das Einheitliche und die Ähnlichkeit der SSErscheinungen.333 Individuelle Charakteristika treten zugunsten der Formation eines Sinnbildes zurück. Dieser Aspekt der Entindividualisierung findet sich auch in der Bildrhetorik des Musikvideos Alejandro beispielhaft wieder. Nicht nur die gleichförmige faschistoide Kostümierung evoziert diese Wirkung; der Uniformitäts- und Homogenisierungs-Gedanke kulminiert bei den Tänzern zusätzlich in identischen Frisuren: Sie tragen alle tiefschwarze, zu einer Art Tonsur gelegte Haare. Damit gleichen die Performer Tanzklonen, die sich um Lady Gaga als zentrale Figur winden. Alles Heterogene scheint hier nivelliert, das äußere Erscheinungsbild vollends einheitlich diszipliniert und kosmetisiert, sodass die einzelnen Körper wie ein ornamentales Ganzes funktionieren.

331 Diehl, Macht – Mythos – Utopie, S. 167. 332 Ebd., S. 166. 333 Ebd.

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Ebenjene Körperchoreografien, die Sigfried Kracauer bereits 1927 als „das Ornament der Masse“334 beschreibt, sind auf ästhetischer Ebene anschlussfähig an den visuellen Ausdrucksapparat des Nationalsozialismus. Die Ästhetisierung einer „nationalen Physis“335 als integrales Moment faschistischer Ästhetik artikulierte sich in streng ritualisierten Körperpraktiken und fand ihren Ausdruck z.B. in den Körperlandschaften von Massenaufmärschen oder den Inszenierungen synchron bewegter Massenkörper von Athleten und Gymnastinnen in Riefenstahls Olympia. Das Formen eines multiplen Kollektiv- bzw. Meta-Körpers, der singuläre Individuen „physisch in sich aufhebt und transzendiert“336 bildete ein grundlegendes Deutungsschema und Prinzip faschistischer symbolischer Politik. Folglich bedient sich das Musikvideo Alejandro auch auf dieser Ebene faschistoiden Bildprogramms. Die Ästhetik einer kollektiven Physiognomie findet seine popkulturelle Entsprechung in der streng synchronisierten Bewegungssprache der Tänzer. Die gleichgeformten Körper verhalten sich als Einheit; ihre individuellen Bewegungen sind an die kollektive Bewegung der Gruppe gebunden. Somit werden die singulären Tritte, Gebärden und Posen jedes Einzelnen im Takt von der Totalität des Gesamtgebildes absorbiert. Die Simultanität der Choreografie lässt den Rekurs auf Canettis Beschreibung der Masse zu, in der alle Glieder zur Deckung gebracht werden: „Schließlich tanzt vor einem ein einziges Geschöpf, mit fünfzig Köpfen, hundert Beinen und hundert Armen ausgestattet, die alle auf genau dieselbe Weise oder in einer Absicht agieren.“337 Für Canetti ist die rhythmische Masse also an die gemeinsame Bewegung gebunden: „Alles hängt hier an Bewegung. Alle Körperreize, die zu erfolgen haben, sind vorausbestimmt und werden im Tanze weitergegeben.“338 Susan Sontag folgend entfaltet sich faschistische Ästhetik in einem charakteristischen Gepränge: „Vereinigung von Menschengruppen zu Menschenansammlungen; Umformung von Menschen zu Objekten; Multiplikation oder Reproduktion von Objekten; und das Zusammenscharen von Menschen/Objekten um eine allmächtige, hypnotische Führerfigur [...]. Im Mittelpunkt faschistischer Dramaturgie steht das orgiastische Wechselspiel zwischen

334 Siegfried Kracauer: Das Ornament der Masse. In: Ders.: Das Ornament der Masse. Essays. Frankfurt am Main 1977, S. 50-63. 335 Baxmann, S. 79. 336 Pavlova, S. 163. 337 Canetti, S. 34. 338 Ebd., S. 31.

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machtvollen Kräften und ihren einheitlich gekleideten, zu immer größeren Massen anschwellenden Marionetten.“339

Diese Beschreibung liest sich geradezu wie eine Paraphrase der visuellen Inszenierung in Alejandro. Wechselnde Szenen zeigen Lady Gaga gleichsam als leuchtende Heiligengestalt, um die sich die gleichgeschaltete Menschenmasse rankt. Das tänzerisch inszenierte Buhlen der Masse um die Sängerin illustriert nahezu modellhaft Sontags Beschreibung eines machtvollen orgiastischen Kampfes. Die Choreografie der Tanzsoldaten oszilliert dabei zwischen harten, akkuraten Marschschritten und effeminierten, fließend-weichen Bewegungen; der militärische Auftritt mischt sich mit der Ästhetik einer Revue. Das verbindende Element zwischen soldatischem Aufmarsch und der Revueästhetik besteht in der Fokussierung auf einen einheitlichen, orchestrierten Kollektivrhythmus. Die Masse ist stets in Bereitschaft sich zu einem gleichförmigen Ganzheitsleib zu formieren: „Was beide, Revuetheater und Militärparade, gemeinsam haben, ist die Aufforderung zu einem Blick auf die Einheit. Es geht um eine Ästhetik der Ordnung, die Disziplin und Homogenität als Hauptmotiv darstellt.“340 Lady Gaga, mit weißblondem Kurzhaarschnitt und zunächst im schwarzen schlichten Overall, anschließend mit einem Büstenhalter bekleidet, an dem zwei Maschinengewehr-Vorderteile als Brustfortsätze appliziert sind, steht als Protagonistin im Mittelpunkt der Szenerie. Sie wird flankiert von den einmarschierenden Tänzern in SS-Montur. Die Simultanität des Tritts und der orchestrierte Laufstil der Performer erinnert an militärischen Gleichschritt ebenso wie an eine überzeichnete Imitation der Gangart von Laufsteg-Mannequins. Die starre Uniform scheint die Körper und ihre Beweglichkeit dabei physisch zu reglementieren. Die Steifheit des Anzugmaterials zwingt zur geraden Haltung, die schweren Stiefel sorgen für einen festen Stand und starken Tritt. Der enge Uniformschnitt schränkt den Körper sichtbar ein und scheint den Bewegungschor an allzu effeminierten Posen regelrecht zu hindern. Die SS-Uniform ist somit nicht nur symbolisch codiert, als ästhetische Körperprothese nimmt sie auch auf die gesamte Physis und den Habitus der Männer immensen Einfluss.341 Eine intendierte aufrechte und soldatisch-stramme Körperpositur wird von der Uniform hervorgebracht, indem sie den Körper an manchen Stellen, wie etwa der Taille, begrenzt und an anderen Stellen, etwa der Brust und der Schulterpartie, optisch größer und damit kraftvoll und mächtig erscheinen lässt. „The emphasis was on crea-

339 Sontag, Faszinierender Faschismus, S. 113. 340 Diehl, Macht – Mythos – Utopie, S. 93. 341 Zur Anpassung des Körpers durch SS-Uniformen: Siehe Ebd., S. 173ff.

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ting desirable silhouettes: tight jackets with high collars, peak caps, jodhpurs and black leather boots contributed to a mystique that symbolized the power and authority of the regime.“342 Ebenso wie die Kleidung sind auch die Stiefel als wichtiges Reglementierungselement der Körpersprache zu betrachten, denn eine Beeinflussung des Gangs wirkt auf sämtliche Körperbewegungen ein und definiert dadurch das gesamte Erscheinungsbild, sowohl des Einzelnen als auch der Masse, was für die Ästhetik des Nationalsozialismus wesentlich erscheint: „Die schwarzen Stiefel sind deshalb konstitutive Elemente der NS-Machtinszenierung in zweierlei Hinsicht: auf Grund ihrer symbolischen Bedeutung und auf Grund ihres Einflusses auf die Körpersprache der SS-Männer. Diese lernten beim Marschexerzieren, zackige und kräftige Schritte zu üben. [...] Die gleichzeitigen Tritte der Marschierenden verdeutlichen die summierten Kräfte der Gruppe. Dies ist einer der Gründe, warum sich die Stiefeltritte in Marschparaden als wirksames Element zur Machtdarstellung eignen.“343

Blickt man auf das im Musikvideo präsentierte Körperbild, so ist zu konstatieren, dass der Leib hier eine Aufwertung von Merkmalen wie Stärke, Kraft, Härte und Erhabenheit erfährt. Der Tanzkorps rekrutiert sich durchgängig aus athletischen, muskulösen Männern, die in ihrer Statur ausnahmslos wie fleischgewordene Abziehbilder der Aktplastiken von Arno Breker wirken. Die Tänzer erscheinen wie vollkommene Stahlgestalten; ihr Muskelkostüm gleicht einem Körperpanzer. Die heroisch-virilen, gleichsam hypermaskulinen Körper sind damit anschlussfähig an das im Nationalsozialismus imaginierte Ideal des gesunden, kräftigen und überlegenen Menschentyps. Adrian Schmidtke spricht im Bezug auf die rassistische und nationalistische Körperkonstruktion im Nationalsozialismus von einem „unbedingten Glauben an die Überlegenheit der arischen Rasse und der Hochschätzung ihrer vermeintlichen Eigenschaften wie [...] körperliche Robustheit, Stolz oder Schönheit“, der „die Zucht ‚kerngesunder Körper‘, die Stählung des Leibes, das Ausmärzen von Schwäche“344 bedingte. In visuell-ästhetischer Hinsicht ist im Musikvideo Alejandro folglich eine Verquickung von soldatischen Körpermerkmalen und ‚reinen‘, vollendeten Figuren zu beobachten. Es wird damit bewusst mit einem Konzept von Körperlichkeit operiert, das formal unweigerlich eine Nähe zu faschistoidem Bildinventar und dem

342 Craik, S. 46. 343 Diehl, Macht – Mythos – Utopie, S. 196-197. 344 Adrian Schmidtke: Körper-Formationen. Fotoanalysen zur Formierung und Disziplinierung des Körpers in der Erziehung des Nationalsozialismus. Münster 2007, S. 18.

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Ideal körperlicher Makellosigkeit, wie es in nazistischen Bildprodukten hergestellt wird, aufweist. Susan Sontag stellt in dieser Hinsicht fest: „Faschistische Kunst (...) stellt eine utopische Ästhetik zur Schau – jene der physischen Vollkommenheit.“345 Wenngleich sich an der Bewegungssprache durchaus irritierende, weil nichtheteronormative Inszenierungscharakteristika ablesen lassen und die Gesten und Posen der Männlichkeit gebrochen werden, bleibt das propagierte Körperbild doch dominant auf dem Sinnbild des Hypermaskulinen verhaftet. Der faschistoide Körperfetisch wird affirmiert und erfährt hier seine popkulturelle Übersetzung. In Interviews auf das Musikvideo angesprochen, bekundet die Sängerin häufig, dass der Clip ihrer großen homosexuellen Fan-Community gewidmet sei.346 Tatsächlich wird das uniformierte Körperbild hier teilweise homoerotisch aufgeladen, denn das durch die Choreografie inszenierte Begehren richtet sich – neben Lady Gaga als zentraler Adorationsfigur – auch deutlich homoerotisch auf die Tänzer untereinander. Überdies ist zu erwähnen, dass der hypermaskulinen Ästhetik der SS-Uniform generell ein Moment homosozialen und auch homoerotischen Begehrens innewohnt. So verweist auch Marjorie Garber auf eine Reihe von Faktoren, die zu einer entsprechenden sexuellen Aufladung der Uniform geführt haben: „Whatever the specific semiotic relationship between military uniforms and erotic fantasies of sartorial gender, the history of cross-dressing within the armed services attests to a complicated interplay of forces, including male bonding, acknowledged and unacknowledged homosexual identity, carnivalised power relations, the erotics of same-sex communities, and the apparent safety afforded by theatrical representation.“347

Dass das Bildrepertoire in Alejandro eine nicht-heteronormative Ästhetik bedient, ist also offenkundig. Trotzdem hier ein Moment der Desavouierung vorliegen mag, lässt sich daraus keine substanzielle Demontage der Symbolik ableiten. Die faschistoide Ästhetik löst sich keineswegs in homosexueller Ästhetik auf und schafft dadurch auch keine neuen Sinnzusammenhänge. Vielmehr bleibt

345 Vgl. Sontag, Faszinierender Faschismus, S. 114. 346 Siehe Harald Peters: Wie Lady Gaga bei Leni Riefenstahl kopiert. In: Welt.de, 11.06.2010, http://www.welt.de/kultur/article7993238/Wie-Lady-Gaga-bei-Leni-Rie fenstahl-kopiert.html (zuletzt aufgerufen am 04.03.2013). 347 Marjorie Garber: Vested Interests. Cross-Dressing and Cultural Anxiety. New York 1992, S. 55-56.

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die Faszination schwerer Stiefel und schwarzer Uniformen – wenngleich in einen anderen narrativen Kontext eingebettet – ungebrochen und die von Susan Sontag formulierte Frage damit offen: „Wieso ist Nazi-Deutschland, eine Gesellschaft, in der alles Sexuelle unterdrückt wurde, erotisch geworden? Wie konnte ein Regime, das Homosexuelle verfolgte, zum Stimulans für Schwule werden?“348 Die Todessemantik der SS-Uniformen – verkörpert durch die dominante Farbe Schwarz und den omnipräsenten SS-Totenkopf – wird in dem Musikvideo durch den Gebrauch zahlreicher weiterer Todessymbole fortgeführt und sogar noch übersteigert. Särge, Grabträger und Kruzifixe, ebenso wie ein in der Schlusssequenz zu sehendes Gesichts-Close-Up der Sängerin, das ausgehend von den Augen- und Mundöffnungen verbrennt und damit eine ikonografische Nähe zu Totenkopf-Abbildungen aufweist, sprechen ebenfalls für die beharrliche Faszination, der dieses Video erliegt. Saul Friedländer sieht in der Juxtapostion von Kitsch-Harmonie auf der einen und der Beschwörung von Themen wie Tod und Zerstörung auf der anderen Seite eine eigentümliche Dissonanz, die den ästhetischen Reiz des Nazismus ausmacht.349 Ebenjenes Nebeneinander von Kitsch und Tod durchzieht das Video Alejandro fast paradigmatisch. Die gebrauchten Zitate faschistischen Bildrepertoires lassen sich einordnen in eine triviale Pulp-Ästhetik, wie sie die Kunstfigur Lady Gaga in zahlreichen ihrer Videoclips und sonstigen Bilderzeugnissen produziert. Innerhalb der MashUp-Ästhetik der Sängerin bildet die faschistoide Folklore lediglich eine weitere Spielart eklektizistischer Bilderverwertung. So bleibt in Anschluss an Susan Sontag zu konstatieren: „Kunst, die an die Themen faschistischer Ästhetik erinnert, ist heute populär, und für die meisten Menschen bedeutet es nicht mehr als eine Variante von camp.“350 5.4.4 Nicki Minaj – Only Die US-amerikanische Rapperin Nicki Minaj veröffentlicht 2014 (gemeinsam mit den Musikern Chris Brown, Drake und Lil Wayne) ein Musikvideo, in dem vielfach mit nazistischer Symbolik operiert wird.351 Das Animationsvideo zu der

348 Sontag, Faszinierender Faschismus, S. 123. 349 Vgl. Friedländer, S. 26 und 32/33. 350 Sontag, Faszinierender Faschismus, S. 119. 351 Das Musikvideo löste zahlreiche empörte Reaktionen aus, sodass es von der Künstlerin zurückgezogen und wenige Wochen nach Erscheinen durch ein gänzlich neues Video ersetzt wurde.

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Single Only ist stilistisch an eine Comic-Ästhetik angelehnt und zitiert nach Aussagen der Künstlerin unter anderem die Formensprache der Comicreihe Sin City und seine filmischen Adaptionen sowie die Cartoon-Serie Metalocalypse.352 Das Video ist – ähnlich wie die Sin City Filme – überwiegend in Schwarz-Weiß gehalten, lediglich einige wenige Bildelemente sind in der Farbe Rot dargestellt. Only ist außerdem ein Lyric-Video, in dem der gesungene respektive gerappte Liedtext in Form weißer Blockschrift im Bild eingeblendet wird. Neben der Reduktion des Videoclips auf die Reichsfarben Schwarz-WeißRot, den zahlreichen Verweisen auf Krieg und Zerstörung, etwa den Darstellungen von Fliegerbomben, Gasmasken und Panzern, erscheinen in erster Line zwei Bildinszenierungen im Hinblick auf den Gebrauch nazistischen Bildprogramms im Allgemeinen und den Rekurs auf uniformierte Massenaufmärsche im Besonderen auffällig. Diese sollen im Folgenden einer genaueren Betrachtung unterzogen werden. Dabei werden insbesondere die räumlich-architektonischen Gegebenheiten im Bezug auf die visuelle Konstruktion der Masse untersucht. Der erste Screenshot zeigt eine durch Treppenstufen leicht erhöhte Plattform, auf der sich eine Art Säulenhalle befindet. Mittig zwischen zwei Säulen ist eine rote, überdachte Thronkonstruktion zu sehen, auf der die Comic-Version von Nicki Minaj sitzt. Durch die hervorgehobene Stellung im Bild wird ihre Machtposition als Star des Musikvideos deutlich gemacht. Der Thron wird flankiert von zwei mächtigen, streng parallel angeordneten Fahnenbannern. Auf den Flaggen ist ein schwarzes Symbol dargestellt, das in eine weiße, kreisförmige Fläche auf rotem Grund eingepasst ist. Das Symbol besteht aus den Buchstaben Y und M und repräsentiert Nicki Minajs Plattenlabel Young Money353 . Die Gestaltung der Fahnen greift erkennbar das Farb- und Formenvokabular der nationalsozialistischen Hakenkreuzflagge auf; lediglich wird hier das Hakenkreuz durch das Young Money-Symbol ersetzt. Nicki Minaj trägt einen hautengen, schwarzen Overall, der eine lack-ledern glänzende Oberflächenstruktur aufweist. Ihre Beine sind überschlagen, die Hände ruhen herrschaftlich auf den Armlehnen des Thronsessels. Links und rechts von ihr befinden sich zwei in schwarze Kutten gehüllte Gestalten. Überdies sind an den seitlichen Bildrändern zwei statuenhafte Figuren abgebildet, die in Verbindung mit dem monumentalen architektonischen Kontext As-

352 Siehe Sean Michaels: Nicki Minaj apologizes to those offended by ‚Nazi‘ video. In: The Guardian Online, 12.11.2014, http://www.theguardian.com/music/2014/nov/12/ nicki-minaj-apologises-nazi-video-only (zuletzt aufgerufen am 21.11.2014). 353 Das Plattenlabel Young Money wurde von Lil Wayne, der ebenfalls in Only zu sehen ist, gegründet.

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soziationen zu den Aktplastiken der NS-Kunst zulassen. Die Statuen halten an langen Stielen angebrachte Fächer in ihren Händen und wedeln der thronenden Rapperin Luft zu. Diese blickt auf eine vor ihr zum Appell angetretene, uniformierte Menschenmasse. Aufgeteilt in zwei Blöcke formieren die akkurat und symmetrisch aufgereihten Soldaten einen Mittelgang und blicken in Richtung des Throns.354 Abbildung 62: Nicki Minaj, Only (Screenshot)

Abbildung 63: Neue Reichskanzlei

354 Die räumliche Bildordnung weist in dieser Hinsicht Ähnlichkeiten mit der Thronsaalszene aus Star Wars auf.

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Das räumliche Arrangement des Musikvideos lässt vielfach Anklänge an NSArchitektur erkennen. So werden bestimmte architektonische Strukturelemente aufgegriffen, die für die Großbauten und Platzanlagen des Nationalsozialismus charakteristisch waren. Erkennbar sind beispielsweise visuelle Bezüge zur Berliner Neuen Reichskanzlei von Albert Speer. Das zentrale Hauptportal im Innenhof der Neuen Reichskanzlei war ebenfalls ähnlich eines Podests leicht erhöht über breite Stufen zu erreichen, verfügte über einen Säulengang in der Front und wurde von zwei Arno Breker-Aktskulpturen flankiert. An Stelle der großen Eingangstür befindet sich im Fall des Musikvideos der überdachte Thron in der Mitte des architektonischen Settings. Ebenso wie an den Portalen der Neuen Reichskanzlei SS-Soldaten Wache standen, sind in Only an den Seiten des Throns zwei in Schwarz gekleidete Figuren postiert. Selbst die schachbrettartige Musterung des Bodens weist formale Ähnlichkeiten mit den quadratischen Bodenplatten des Innenhofs der Neuen Reichskanzlei auf. Die monumentalen Fahnenbanner im Videoclip zitieren die opulente Machtdekoration der Großinszenierungen und Massenveranstaltungen des Nationalsozialismus. So erinnert die parallele Anordnung der Banner an den streng symmetrisch ausgerichteten Fahnenschmuck, wie er beispielsweise für die Kundgebung im Berliner Sportpalast 1943 eingesetzt wurde. Die gewaltigen Fahnen ergänzten und überformten die Kulisse gleichsam mit einer zweiten Fassade und unterstrichen die Monumentalität der Architektur.355 In Only wird also die wirkmächtige Überpräsenz nationalsozialistischer Hoheitszeichen formalästhetisch imitiert. Im Bezug auf die Masse haben die überdimensionalen Fahnen und Banner eine integrative Funktion. Sie werden zu Symbolen der Gemeinschaft, denn sie unterstützen visuell die Erzeugung eines Geschlossenheitsgefühls und intensivieren das Gemeinschafts- und – mittels der exponierten Stellung über den Köpfen der Anwesenden – das Unterwerfungsgefühl der Masse, die gezwungen wird, zu den Fahnen hinaufzusehen.356 So erscheint selbst Nicki Minaj winzig im Vergleich zu den nahezu bildraumfüllenden Flaggenbannern. Der bildimmanenten Hierarchie zwischen dem Fahnensymbol und der Masse wäre somit auch die Rapperin untergeordnet, gleichwohl sie als eine Art Führerfigur auftritt. Ähnliches konstatiert Kristina Oberwinter für die visuelle Inszenierung der nationalsozialistischen Massenveranstaltungen: Durch die enorme Größe der Hakenkreuzfahnen wird Hitler scheinbar als einer übergeordneten Instanz unter-

355 Vgl. Oberwinter, S. 108. 356 Vgl. Ebd.

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worfen präsentiert; der ‚Führer‘ selbst scheint „als Instrument einer höheren Autorität zu handeln“357. Das architektonische Arrangement mit seinen ephemeren Ergänzungen wie dem Fahnendekor ordnet und strukturiert die Masse und ist damit wesentlich für das Verständnis nazistischer Massenästhetik. „Die architektonische Formensprache schließlich sollte der Maßlosigkeit der Massenaktionen [...] einen räumlichen Ausdruck und zugleich einen begrenzten Rahmen geben.“358 Als Stimmungsarchitektur stimulierte sie kollektive Ekstasen und ermöglichte die leibhaftige Erfahrung von Autorität.359 Die Gebäude und Platzanlagen bewirkten eine Verkleinerung des Einzelnen und kreierten einen ehernen Raum, der eine Unterwerfung der streng formierten Menschenlandschaften unter das Feiergeschehen forcierte.360 Zentraler Blickpunkt und visuelles Zentrum waren stets die achsensymmetrisch ausgerichteten Tribünen mit mittig angebrachten und von parallel ausgerichtetem Flaggenschmuck flankierten Rednerkanzeln.361 Das Prinzip der sich einem Führer fügenden Masse bestimmte folglich als Leitgedanke die architektonische Konstruktion der NS-Bauwerke. Ebenjenes räumliche Dispositiv wird im Musikvideo Only adaptiert. So lässt sich Hubert Schrades Beschreibung nazistischer Architektur auch auf die Gestaltung des Musikvideos übertragen: „Auf sie [die Architektur] blicken die politischen Soldaten. Alle von einer Haltung, im gleichen Kleide, auf ein Ziel ausgerichtet, müssen sie die strenge Reihung der Pfeiler als Wesensausdruck der Ordnung empfinden, der sie sich unterstellt haben, am Steine des gleichen Gestaltungswillens inne werden, der sie selbst, die lebenden Menschen, ergriffen hat, zwischen sich und der Architektur einen vollkommenen Einklang fühlen.“362

Ihre chorische Resonanz fand die Architektur des Nationalsozialismus demnach erst im gigantischen Massenerlebnis und der Ausrichtung der Statistenkulisse

357 Ebd., S. 110. 358 Reichel, S. 139. 359 Vgl. Dieter Bartetzko: Illusionen in Stein. Stimmungsarchitektur im deutschen Faschismus. Ihre Vorgeschichte in Theater- und Film-Bauten. Reinbek bei Hamburg 1985, S. 19-20. 360 Vgl. Oberwinter, S. 112. 361 Vgl. Ebd., S. 113. 362 Hubert Schrade: Bauten des Dritten Reiches. Leipzig 1937, S. 19, zit. nach: Bertold Hinz: Die Malerei im deutschen Faschismus. Kunst und Konterrevolution. München 1974, S. 130 [Herv. i.O.].

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auf die Rednertribüne: Ein wesentliches Charakteristikum der Bauten lag folglich „in der eingeplanten Einbeziehung von Menschenmassen in ihre Strukturen; sie sollten [...] in befohlener Formation zwanghaft erfahren werden. In Gestalt der formierten und uniformierten Massen erhielt die faschistische Architektur ihr notwendiges komplementäres Ornament.“363 Die zweite Bildinszenierung zeigt Nicki Minaj, die durch ein Spalier uniformierter Soldaten läuft. Die Kamera bewegt sich langsam entlang der Menschenblöcke, sodass die schreitende Nicki Minaj für kurze Momente ausschnitthaft zwischen den akribisch aufgereihten Soldaten hervorscheint. Abbildung 64: Nicki Minaj, Only (Screenshot)

Abbildung 65: Triumph des Willens (Screenshot)

363 Hinz, S. 130.

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Die Soldaten sind nahezu ausschließlich in der Rückenansicht zu sehen, was sie zu gesichtslosen Gestalten einer gleichförmigen, von jeglichen Differenzen gereinigten Masse werden lässt.364 Überdies weisen sie auch in ihrer Körperstatur keinerlei Individualitäten auf, vielmehr wirken sie in jeder Hinsicht ununterscheidbar. Ähnliches stellt Paula Diehl für die Körperbilder der SS-Soldaten fest, indem sie beschreibt, dass die Ästhetik des Nationalsozialismus den Blick des Betrachters auf das Einheitliche, auf die Ähnlichkeit der SS-Erscheinungen lenkt.365 Auch für Kracauer ist die Anonymisierung des Einzelnen konstitutives Merkmal des Massenornaments. Im Ornament der Masse gibt der Einzelne seine Individualität auf und ist unauflöslicher Bestandteil des sich zu einem Gesamtkomplex verdichtenden Ganzen: „Als Massenglieder allein, nicht als Individuen [...], sind die Menschen Bruchteile einer Figur.“366 Ebenjenes Moment der Entindividualisierung und Depersonalisierung wird im Musikvideo durch das Verbergen der Gesichter, die Uniformierung und die farbliche Gestaltung der Figuren in Graustufen erreicht. Lediglich die Armbinden der Uniformen sind in Rot dargestellt und stechen dadurch visuell hervor. Auf den Armbinden befindet sich erneut das an die Hakenkreuzflagge angelehnte Young Money-Symbol. Durch die serielle Wiederholung auf jedem Oberarm der in Reih und Glied aufgestellten Soldaten erscheint das Symbol omnipräsent und wird wie bei einem mise en abyme ins Unendliche vervielfacht. Dabei scheint das Zeichen mit den Akteuren der Masse zu verschmelzen; die Armbinden schreiben sich optisch in die Akteure ein, sie markieren und vereinnahmen jeden Einzelnen als Teil der Masse. In Only wird das Bild durch die statischen Soldatenblöcke in gleichmäßige, den Bildraum strukturierende und rhythmisierende Linien und Geraden aufgeteilt. Die Soldaten gerinnen so zu einer menschlichen Kulisse und bilden innerhalb des räumlich-architektonischen Settings eine eigene monolithische Struktur aus.367 Ebenso wie der Bildraum hier der Auffüllung und Strukturierung durch die Masse bedarf, finden auch die Platzarchitekturen des Nationalsozialismus ihre Funktion und Erfüllung erst in der notwendigen Komplettierung durch die Masse. Das Zusammenwirken von steinerner und menschlicher Architektur im Nationalsozialismus beschreibt Hans Fischer 1943 mit Blick auf die Nürnberger

364 Eine Vorderansicht der Soldatenblöcke ist im Hintergrund lediglich zu erahnen. Zusätzlich tragen die Soldaten Sturmhauben, die ihre Gesichter fast vollständig verdecken. 365 Siehe Diehl, Macht – Mythos – Utopie, S. 166. 366 Kracauer, Das Ornament der Masse, S. 51. 367 Ähnliches konstatiert auch Kristina Oberwinter für die Bildarchitektur in Leni Riefenstahls Triumph des Willens. Siehe Oberwinter, S. 118.

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Reichsparteitage: „Die einfache Exaktheit der weißen Säulen auf dem Nürnberger Felde endete in dem festen Reih und Glied der angetretenen Mannschaft.“368 Die Masse fungiert somit als Erweiterung der Architektur, sie adaptiert nicht nur formal die architektonischen Prinzipien von Parallelität und Symmetrie sondern setzt überdies auch das sich in den NS-Bauwerken manifestierende Versprechen von Ordnung, Festigkeit und Standhaftigkeit fort. Ebenso unverrückbar und unerschütterlich wie die Monumentalbauten wirkt auch die Masse, die mit der Architektur zu verschmelzen scheint.

368 Hans Fischer: Das Thema ‚Reichsarbeitsdienst‘ – Maler, Bildhauer und Zeichner besuchen den Arbeitsmann an der Front. In: Die Kunst im Deutschen Reich (KiDR), 7. Jg. (1943), Folge 4/5, S. 76; zit. nach Hinz, S. 130.

6. Das Nachleben faschistoider Ästhetik in Bildern der Gegenwart – Zusammenfassung und Ausblick „Die faschistische Ästhetik ist eine sonderbare Abart von Pop, die sich nicht mehr verbraucht, sondern ewige Gültigkeit verlangt [...].“ 1

GEORG SEESSLEN

Die Bedeutung nazistischen Bildprogramms für die Bildproduktion der Gegenwart ist in Anbetracht des Widerhalls faschistoider Ästhetik in der populären Kultur kaum zu überschätzen. Durch seine vielfachen medialen Wiederbelebungen ist der Nationalsozialismus ungebrochen präsent und hat sich zu einem persistenten visuellen Motiv entwickelt. Der Nazismus durchdringt heutige Bildwelten in einem Maße, dass – so die These dieser Arbeit – von einem Nachleben faschistoider Ästhetik in der visuellen Kultur der Gegenwart gesprochen werden kann. Faschistoide Ästhetik hat sich in diesem Sinne von ihrem originären Artikulationszusammenhang emanzipiert, ist migriert und hat ein nahezu spukhaftes Eigenleben in den Bilduniversen der Populärkultur entwickelt. Im Pop schließlich hat faschistoides Bildprogramm nicht die Funktion auf eine historische Realität zu verweisen, vielmehr steht es, enthistorisiert und inhaltlich ausgehöhlt, als reine Oberfläche und konsumierbare Formel für neue Bedeutungsproduktionen und Sinnzusammenhänge zur Verfügung. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es darzulegen, dass sich der visuelle Nationalsozialismus damit selbst überlebt hat und so radikal zum Bild geworden ist, dass er, wie ein Perpetuum mobile, ewig in Bewegung bleibt und beständig weitere Bilder nach sich zieht. PopBilder des Nazismus sind folglich durch ihre Praxis zu begreifen. Ein Grund für 1

Seeßlen, Blut und Glamour, S. 193.

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ihre unablässige Reproduktion ist die Reproduktion selbst. Durch ihre Ubiquität und Zirkulation haben sie sich ikonisch verselbstständigt. Das Wissen um die Geschichte, um die Realgestalt des Nationalsozialismus nimmt ab, die Bildproduktion jedoch nicht. So ist der Nazismus heute nicht mehr nur eine historische Tatsache, sondern gleichzeitig auch eine Bilder-Erzählung. Neben den faktischen Nationalsozialismus hat sich der mediale gestellt, mehr noch scheint das Bild seine Bedeutung überholt zu haben: Der Signifikant erscheint stärker als sein Signifikat, das Zeichen dominiert das Bezeichnete. Popkulturelle BildImaginationen und Fiktionalisierungen des Faschistoiden werden damit zu Wissens- und Gedächtnisspeichern und wirken, so wurde hier argumentiert, auch auf das gesellschaftliche Geschichtsbewusstsein und auf kollektive Vorstellungen einer historischen Realität ein. Dies unterstreicht die Dringlichkeit einer Analyse des (post)nazistischen Bilderechos im Popuniversum, wie sie hier vorliegt. Im ersten Schritt dieser Arbeit wurden notwendige Gegenstands- und Begriffsbestimmungen vorgenommen. Es wurde sich zunächst dem Begriff des Faschistoiden sowie der Frage genähert, was unter einer faschistoiden Ästhetik zu verstehen sei, die, so die Annahme, in der Populärkultur ihre Fortsetzung findet. Welche oder genauer wessen Bilder werden in den visuellen Veräußerlichungen der Popkultur zitiert und sind damit Grundlage für die faschistoide PopÄsthetik? Es konnte festgehalten werden, dass sich popkulturelle Reformulierungen faschistoiden Bildprogramms nahezu ausschließlich auf den deutschen Faschismus beziehen und als faschistoid in diesem Sinne gilt, was visuell anschlussfähig an die Motive, Darstellungsmodi und Inszenierungsschemata des Nationalsozialismus ist. In der expressiven Außenseite des Nationalsozialismus liegt, so ein Ergebnis der Untersuchung, auch ein Grund für das Überleben seiner ästhetischen Ideen und die Kontinuität seiner Bilder in der Gegenwartskultur. Die Persistenz des Nazismus als visuelles Motiv der Popkultur resultiert aus der unleugbaren negativen Faszination, die von seiner bildgewaltigen visuellen Inszenierung ausgeht. Das Verständnis faschistoider Ästhetik als die Summe aller selbstperformativen Praktiken des Nationalsozialismus erscheint überdies insofern relevant, als der Nazismus und seine Propagandamaschinerie mit ihrem enormen Bildervorrat aktiv ihren eigenen ikonografischen Mythos erschaffen haben, der bis heute das Bildgedächtnis prägt. Das bedeutet auch, dass die Darstellungshoheit somit bei den ideologisch durchwirkten Inszenierungsprinzipien des Nationalsozialismus bleibt, denn die Bildproduktion der Gegenwart stützt sich notwendigerweise auf einen Bilderkanon, der originär vom Nationalsozialismus vorgegeben wurde. Somit werden die kalkulierte Macht- und Herrschaftsikonografie reproduziert

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und damit letztlich die Bildstrategien des Nationalsozialismus verdoppelt. Es wurde folglich resümiert, dass das heutige Bild des Nazismus, wie es in der populären Kultur gezeichnet wird, wesentlich geprägt ist durch die Bildentwürfe des Nazismus selbst. Andererseits wurde die Bedeutsamkeit des kulturellen Gedächtnisses hervorgehoben und konstatiert, dass mediale Repräsentationen, also auch popkulturelle Visualisierungen faschistoider Ästhetik, ihrerseits zitiert werden und Grundlage für die faschistoide Pop-Ästhetik sind. Die Bildinszenierungen der populären Kultur sind also nicht nur bezogen auf Bilder einer historischen Wirklichkeit, sondern auch auf bereits vorhandene populär-mediale Bilder, d.h. Imaginationen und Fiktionalisierungen dieser Wirklichkeit, denn das Sinnsystem Pop ist in hohem Maße selbstreferentiell. Wenngleich bestimmte Forschungslinien darauf hinweisen, dass eine originär faschistische Ästhetik als eigenständige ästhetische Kategorie oder qualitatives Merkmal nicht existiert, da der Nationalsozialismus kein genuin eigenes Repertoire ästhetischer Ausdrucksmittel entwickelt hat, sondern bestehende respektive vergangene ästhetische Traditionen usurpierte und folglich über die Zeit und den Kontext des Nationalsozialismus hinausweisend vergleichbare visuelle Darstellungen gefunden werden können, wurde hier entgegengehalten, dass bestimmte Bilder ihre faschistoide Konnotation allein durch die Konvergenz mit Ausdrucksmustern anderer, nicht-faschistischer Zeichensysteme keinesfalls verlieren. Vielmehr wurde dargelegt, dass das Bildererbe des Nationalsozialismus derart prägend ist, dass es, tief im kollektiven Bildgedächtnis verankert, die Wahrnehmung nachhaltig infiziert hat und andere visuelle Codes und Deutungsrespektive Zuordnungsmechanismen dominiert. Obschon also faschistoide Ästhetik nicht als genuines Spezifikum verstanden werden kann, so lassen sich dennoch bestimmte Strukturgesetzmäßigkeiten in Form von charakteristischen Bildsujets, Darstellungsmitteln und -formeln bestimmen, die zweifelsohne nazistisch infiltriert sind. So wurde zusammengefasst, dass ein Bild, eine visuelle Darstellung oder Inszenierung dann die Assoziation des Faschistoiden evoziert, wenn bestimmte Faktoren und Elemente, die symptomatisch für den visuellen Ausdrucksapparat und den Bilderkanon des Nationalsozialismus sind, in einer als charakteristisch wahrgenommenen Konstellation auftauchen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden vier gewichtige Motivkomplexe (die Körperästhetik Leni Riefenstahls, der visuell verhandelte Natur- und Heimatdiskurs, die ikonische Figur Adolf Hitler sowie die Inszenierung uniformierter Massen) einer exemplarischen Analyse unterzogen. Um nicht nur den Forschungsgegenstand, sondern auch das Forschungsfeld, in dem eine Häufung entsprechender Bildprogrammatiken vermutet wird, zu be-

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nennen und abzustecken, wurde im Anschluss an die Überlegungen zur faschistoiden Ästhetik das dieser Arbeit zugrunde liegende Verständnis populärer Kultur definiert. Dabei wurde zunächst die Relevanz einer wissenschaftlichen Betrachtung popkultureller Phänomene als konstitutive Bestandteile von Gesellschaft mit fundamentaler sozialer und kultureller Bedeutung betont und somit die Wirkmacht popkultureller Erzeugnisse unterstrichen. Im Zuge der Aufarbeitung verschiedener Ansätze der Popkulturforschung wurde herausgestellt, dass Popkultur hauptsächlich ästhetische Ausdrucksmedien umfasst. Für diese Untersuchung ließ sich folglich ableiten, dass Popkultur eine in hohem Maße visuelle Kultur ist, was den dieser Arbeit zugrunde liegenden Forschungsschwerpunkt, der auf der bildlichen Seite popkultureller Erzeugnisse liegt, abermals erklärt. Dem Umstand, dass Popkultur häufig als musikzentrierter Traditionsbegriff gewertet wird, trägt die vorliegende Arbeit insofern Rechnung, als ein besonderer Fokus auf Musikvideos und Albumcovern als zentralen visuellen Ausdrucksformen der Musikpräsentation liegt. Ebenso konnte festgestellt werden, dass die verschiedenen Teilkulturen respektive Segmente populärer Kultur (neben Musik z.B. auch Filme, Mode, bildende Kunst, jugendund subkulturelle Stile und Szenen, Games und andere populäre Ausdrucksmedien) stark miteinander verzahnt und insbesondere ihre Bildprodukte aufeinander bezogen sind, sich gegenseitig ‚anstecken‘ und somit einander gleichsam bedingen. Die Reziprozität popkultureller Bilder, etwa das Aufgreifen filmischer oder künstlerischer Bildentwürfe auf Albumcovern, Mode-Zitate in Musikvideos oder die Beeinflussung jugend- und subkultureller Stilpraxen durch die Musikkultur, erscheint überdeutlich, weshalb es das (Bild-)System Pop als Ganzes zu betrachten und jene Verflechtungen zu berücksichtigen und zu dekodieren gilt. Daraus ergab sich, dass in der vorliegenden Untersuchung den Bildern der Musikkultur auch Bilder aus ebendiesen weiteren Sphären der Popkultur relational gegenübergestellt wurden. Mit Bezug auf einen erweiterten poststrukturalistischen Intertextualitätsbegriff, wie er bei Julia Kristeva und Roland Barthes vorliegt, wurde hier argumentiert, dass ebenso wie jeder Text innerhalb kultureller Strukturen funktioniert und nicht ohne Bezug auf die Gesamtheit aller anderen Texte denkbar ist, auch Bilder nicht in einem luftleeren Raum entstehen, sondern vielmehr innerhalb bereits vorhandener Bilduniversen hervorgebracht werden, sich in immer schon existenten Bildzusammenhängen situieren und auf andere, bestehende Bilder reagieren und verweisen. Das Zitieren und Wiederverwerten vergangener Bilder wurde in diesem Zuge als ein Konstituum popkultureller Ausdruckspraxis, Intertextualität und (Selbst-)Referenzialität als Dispositive der Popkultur als einer Kultur der Aneignung beschrieben, deren visuelle Veräußerlichungen stets auf

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das Vorhandene bezogen sind. Die Popkultur nährt sich von der Vergangenheit, von bestehenden Bildern, und transzendiert sie gleichzeitig. In der vorliegenden Arbeit wurde aufgezeigt, dass so auch Sedimente faschistoider Ästhetik in den Bildkreislauf der Popkultur eingespeist wurden. Der detaillierten Analyse dominanter visueller Diskurse, die für die Rezeption faschistoider Ästhetik in der Gegenwart paradigmatisch erscheinen, wurde zunächst ein weitreichender Überblick über die Verbreitung des Phänomens vorangestellt. Dabei wurde entlang erster Fallbeispiele die Rezeption nazistischen Formvokabulars im Kontext popkultureller Bildinszenierungen untersucht. Ziel dieser ersten Aufarbeitung konkreten Bildmaterials war es zum einen, der Omnipräsenz des Phänomens Rechnung zu tragen, und zum anderen festzustellen, in welchen bildproduzierenden Segmenten der Popkultur überhaupt mit entsprechenden visuellen Codes operiert wird. Es zeigte sich, dass insbesondere in der bildenden Kunst, im Film, in den Bilderzeugnissen des Internets, in der Mode, der Game- und Fankultur sowie in der (Pop-)Musik und ihren visuellen Veräußerlichungen ästhetische Anlehnungen an den Nazismus ausgemacht werden können. Im Zuge der ersten Sichtung und Analyse von Bildmaterial wurden bestimmte Themen, Motive und Inszenierungsprinzipien zusammengetragen und im Hinblick auf das jeweilige Feld respektive Medium hin befragt. Gerade in der Musik und den daran anschließenden Jugend- und Subkulturlandschaften treten Verweise auf den Nazismus besonders häufig auf und erfahren eine nahezu epidemische Ausbreitung. Infolgedessen wurde der Gebrauch faschistoider Symbole und Ästhetik im Kontext der (Pop-)Musik ausführlich und chronologisch nachvollzogen und damit diese seit Beginn der 1970er Jahre bestehende Tradition, unter Berücksichtigung der unterschiedlichen, zwischen Subversion und Affirmation oszillierenden Gebrauchsformen sowie szene- und genrespezifischen ästhetischen Strategien, musikhistorisch aufgearbeitet. Aus den kurzen Bildanalysen im Rahmen des thematischen Aufrisses ließen sich bereits erste grundlegende Ergebnisse ziehen. So konnte insgesamt herausgearbeitet werden, dass der popkulturelle Rekurs auf den Nationalsozialismus primär ein Rekurs auf den visuellen Nationalsozialismus ist, auf den Nationalsozialismus in seiner ikonografischen Bedeutung. Die Popkultur steht im Dienste des Bildes, nicht des Abgebildeten. Pop interessiert sich für die Oberfläche, für die expressive visuelle Außenseite, die der Nazismus von sich produziert hat und die bis heute fortwährend (wieder-)hergestellt wird. In der Popkultur erschöpft sich das Faschistoide in der Produktion seines eigenen Bildes. Überdies wurde deutlich, dass Verweise auf den Nazismus nichts zuletzt aufgrund ihrer garantiert Aufmerksamkeit generierenden Wirkung genutzt wer-

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den. Konstatiert Georg Seeßlen, dass sich Pop vor allem für „das Spektakuläre und Exotische“2 interessiert, so ist zu bemerken, dass der Nationalsozialismus ebenjene ästhetische Erfahrung des Außergewöhnlichen bietet. In der Popkultur wird das Faschistoide als Form des negativen Glamours ästhetisiert. Der Nationalsozialismus ist, so stellt auch Saul Friedländer fest, in der Vorstellung der Gegenwart zu einer der bedeutendsten Metaphern für das Böse geworden.3 Bilder des Nazismus, als Allegorien des ultimativen Bösen, werden im Pop zu einem dekadenten Spektakel und bieten ein extravagantes Surplus. In der Popkultur findet also ein Flirt mit einer Ikonografie des Drastischen statt. Die Attraktivität und Faszination, die von faschistoider Ästhetik ausgeht, erwächst aus dem Wissen um den grausamen, verbrecherischen Charakter des Nationalsozialismus. Das Schreckliche hat jedoch keine konkrete Gestalt mehr, sondern ist zu einer diffusen, negativ-auratisch verklärten Chiffre des ‚Irgendwie-Grausamen‘ verschwommen und nährt lediglich als dunkle Ahnung ein symbolisch erkaltetes Bild des Bösen. Die erste Zusammenschau von Bildern aus den Bereichen bildende Kunst, Film, Internetkultur, Mode, Game- und Fankultur sowie Musik hat sich als sehr produktiv für die darauffolgende Untersuchung erwiesen und die spätere Ausgestaltung des Hauptteils bestimmt, indem bestimmte Bildkomplexe an Kontur gewannen, die für die Rezeption faschistoider Ästhetik in der Gegenwart paradigmatisch erscheinen. Bevor diese im Rahmen des Hauptteils einer intensiven Analyse unterzogen wurden, musste vor dem Hintergrund des dieser Arbeit zugrunde liegenden Erkenntnisinteresses ein theoretisches und methodisches Instrumentarium entwickelt werden. Mit Bezug auf den Paradigmenwechsel eines iconic oder pictorial turn, wie ihn W.J.T. Mitchell entscheidend prägte, wurde zunächst die Relevanz einer wissenschaftlichen Betrachtung bildlicher Phänomene in ihr Recht gesetzt. Dass sich diese Untersuchung mit visuellen Quellen auseinandersetzt, resultiert über das Forschungsthema und den Untersuchungsgegenstand hinaus auch aus der herausragenden Bedeutung, die Bildern als ubiquitären Kommunikationsund Ausdrucksmitteln innerhalb einer zunehmend visuell geprägten Kultur zukommt. Bilder erscheinen als Generatoren von Wissen, als wirkmächtige Bedeutungsträger und Medien der Erzeugung von Präsenz und Sichtbarkeit innerhalb hegemonialer Machtstrukturen bedeutsam. Folglich wurde die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Durchdringung visueller Diskurse, so auch des populär-

2

Seeßlen, Blut und Glamour, S. 198.

3

Siehe Friedländer, S. 118.

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medialen Umgangs mit dem Bildererbe des Nationalsozialismus, unter Berücksichtigung der medial-strukturellen Besonderheiten bildlicher Repräsentationsformen, unterstrichen sowie der Theorie- und Forschungsstand zum Bild nachgezeichnet. Basierend auf einem erweiterten Bildbegriff war es für die vorliegende Untersuchung wesentlich festzustellen, dass Bilder, wie auch Hans Belting verzeichnet, „Nomaden der Medien“4 sind, die ein dynamisches Eigenleben führen und durch Zeiten und Kulturen wandern, sich unterschiedlicher Medien als Vehikeln bedienen und in immer neuen Bildzusammenhängen auftauchen, verschwinden und wiederkehren. Folgerichtig wurden in dieser Arbeit Bilder unterschiedlicher Provenienz und medialer Gestalt in Bezug zu anderen, thematisch benachbarten Bildern gesetzt, ergo die Mediensprünge, die Bilder vollziehen, berücksichtigt und die Beziehungen, Vernetzungen und Verflechtungen von Bildern untereinander, ihr Über- und Weiterleben untersucht. Für die Analyse ebenjener Bildrelationen erwies sich die theoretisch-methodische Anlehnung an Aby Warburgs Bilderatlas Mnemosyne sowie die von Birgit Richard beschriebene Figur des shifting image als hervorragend geeignet, um Bilderwanderungen respektive die Tradierung von ‚vergangenen‘ Bildern in andere mediale und bildproduzierende Kontexte – namentlich die Fortsetzung nazistischen Bildprogramms in den Sphären der populären Kultur – zu untersuchen. Aus der Sichtung und Akkumulation von visuellem Material ergaben sich bestimmte Bildverdichtungen und -dominanzen. Jene Bildverwandtschaften, die durch die Gruppierung von ausgewählten Bildern zu thematischen Schwerpunkten sichtbar wurden, verweisen auf zentrale, visuell besonders häufig verhandelte Bildsujets und Leitmotive innerhalb der popkulturellen Verwertung faschistoider Ästhetik und wurden im Hauptteil entlang konkreter Fallbeispiele, die als besonders aussagekräftig für den jeweiligen Bildkomplex eingestuft wurden, einer intensiven Betrachtung unterzogen. Die Popkultur hat also bestimmte Bilder und visuelle Topoi durch ihre immerwährende Wiederholung festgeschrieben, die sich als Standards im kollektiven Gedächtnis festgesetzt haben. Zu diesen besonders häufig aufgegriffenen Themen und Motiven gehören die Körperästhetik Leni Riefenstahls, der visuell verhandelte Natur- und Heimatdiskurs, die ikonische Figur Adolf Hitler sowie die Inszenierung uniformierter Massen.

4

Belting, Bild-Anthropologie, S. 32.

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Abbildung 66: Visualisierung der untersuchten Bildcluster (eigene Darstellung)

Das visuelle Erbe Leni Riefenstahls stellt ein besonders herausragendes Moment popkultureller Bilderverwertung dar. Die vorgenommene Analyse hat gezeigt, dass sowohl die Person Leni Riefenstahl in der öffentlichen Wahrnehmung rehabilitiert als auch ihr Bilderapparat in den Pop-Kreislauf eingeschleust wurde. Das von Riefenstahl in ihren Memoiren retuschierte und exkulpierte Selbstbild einer schönheitsliebenden, verführten und naiven Künstlerin, die man ungewollt zur Nazi-Kollaborateurin machte, wurde nicht zuletzt deshalb dankend angenommen, weil es für das postfaschistische Deutschland eine gleichsam kathartische Projektionsfläche bot und sich in das kollektive Entlastungs- und Unschuldsnarrativ der Nachkriegsgesellschaft einfügte. Eine ebensolche Neucodierung hat auch ihr Werk erfahren und erlebt unter den geänderten Vorzeichen der Popkultur eine Renaissance. Das Recycling der Bildästhetik Riefenstahls geschieht vorgeblich unter Betonung einer autonomen, sinnlich-künstlerischen Qualität ihres Schaffens. Es artikuliert sich folglich ein Bedürfnis, die Kunst von ihrer historischen und ideologischen ‚Last‘ befreien, sie entkontextualisieren zu wollen. Somit ist das von Leni Riefenstahl eindringlich wiederholte Postulat ihrer Suche nach Schönheit, die sich vermeintlich nicht in den Dienst einer politischen Botschaft stellte, durch schlichte Verdoppelung zur kommunikativen Grundlage des popkulturellen Riefenstahl-Diskurses geworden. Andererseits

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wurde festgehalten, dass sich die Popularität der Riefenstahl’schen Bilder eben nicht originär in ihrer Kunst als solcher trotz ihres Ursprungs begründet, vielmehr ist ihr Bildererbe gerade wegen seines Ursprungs für die Popkultur attraktiv. Es sind explizit die Bedingungen ihrer Kunst, ergo der Entstehungskontext des Nationalsozialismus, die das popkulturelle Sensationsmoment ausmachen. Die Pop-Qualität der Riefenstahl besteht folglich im frivolen Spiel mit dem Skandalösen und speist sich aus einer Faszination, die mit dem avantgardistischen Horror liebäugelt. Anhand der Analyse exemplarisch ausgewählter Fallbeispiele wurde die Kontinuität der Bilder Riefenstahls, die scheinbar ungebrochene Präsenz ihrer Ästhetik und Formsprache nachvollzogen und die erstaunlich leichte Anschlussfähigkeit ihrer visuellen Ideen an aktuelle popkulturelle Bildwelten untersucht. Zunächst wurde die zeitgenössische Modefotografie als ein Bereich, in dem sich zahlreiche Verweise auf Leni Riefenstahl und insbesondere ihre Körperästhetik finden lassen, betrachtet. Anhand einer Fotografie aus dem BademodenEditorial Olympiad von Mikael Jansson sowie der von Hedi Slimane aufgenommenen Fotografie des Models Alex Dunstan wurde die Fortführung der Körperentwürfe Leni Riefenstahls nachgewiesen. In beiden Fotografien werden, analog zu den ästhetisch überhöhten Körperimperativen des Nationalsozialismus, Archetypen physischer Makellosigkeit geschaffen. In der Genealogie des nationalsozialistischen Körperideals erscheint der Mensch in mimetischer Relation zur antiken Plastik. Ähnlich wie in den Bildern Riefenstahls erlangen auch die Körper in den untersuchten Modefotografien nahezu skulpturale Qualitäten. Präsentiert wird ein statueskes, überirdisches Körperideal perfekter Physis. In den Körperdarstellungen Riefenstahls ebenso wie in den untersuchten Modefotografien manifestiert sich die Leitidee eines starken, vollkommenen und erhabenen und Menschentyps. Sie zeichnen sich durch eine völlige Abwesenheit von Schwäche und Versehrtheit aus, sind krisenfest, standhaft und heroisch. Gelten Geschlossenheit, Ganzheit und eine aufrechte Haltung als die wichtigsten Konstruktionsprinzipien nazistischer Körperbilder, so konnte im Hinblick auf die analysierten Modefotografien festgestellt werden, dass sie ebenjenes Körperkonzept weiterführen. Das Prinzip des Aufrechten ist konstitutiver Bestandteil der Körperinszenierung und wird in beiden Fotografien wesentlich durch die gewählte Untersicht evoziert. Ebenjene Perspektive gilt auch als eines der charakteristischsten Strukturelemente des Riefenstahl’schen Formvokabulars und wurde von ihr als dramaturgischer Effekt zur Erzeugung eines heroischen Überlegenheitsnimbus genutzt. Der Aspekt der Geschlossenheit und Ganzheit kommt in den Modefotografien durch das Zur-Schau-Stellen eines hypermaskulinen Muskelkostüms respektive durch den Fokus auf eine körpernahe, steife Uniform,

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die den Körper in eine soldatisch-stramme Form zwingt, zum Tragen. Sowohl die Uniform als eine Art Körperpanzer als auch das Muskelkostüm als gleichsam verfleischlichte Verpanzerung scheinen wie Körperkorsette den männlichen Körper hermetisch zu verriegeln und einzuschließen. In der Körperinszenierung der Modefotografien artikuliert sich also eine Sehnsucht nach Geschlossenheit und Unversehrtheit und damit das nazistische Ideal eines Ganzheitskörpers, wie er mit den gleichen ästhetischen Mitteln (Darstellung nackter Athletenkörper in Olympia und uniformierter Soldaten in Triumph des Willens) auch von Leni Riefenstahl ins Bild gesetzt und exaltiert beworben wurde. Die Körperästhetik Riefenstahls erscheint also besonders anschlussfähig an die Kultivierung eines Normkörpers in der Mode. Die NS-Körperidealität wird hier transformiert in eine Normkörperrealität, wie sie in der Mode und ihren visuellen Präsentationsformen evident ist. Es wurde resümiert, dass Riefenstahls Körpervorbilder in den Veräußerlichungen der Modeindustrie somit nur scheinbar als leere, oberflächliche Hülle funktionieren. Denn wenngleich die Oberfläche in einen vermeintlich nicht-ideologischen Kontext überführt wurde, so bietet sie doch ausschließlich Raum für die (Re-)Inszenierung von körperlicher Perfektion, Kraft und Überlegenheit und ist damit in höchstem Maße ideologisch, da alternative Körperkonzepte verunmöglicht werden. Eine Analyse des Musikvideos Stripped der Band Rammstein konnte die vorausgehend aufgestellte Hypothese, dass Leni Riefenstahl insbesondere wegen ihrer Skandal-Qualität für die Popkultur interessant ist, bestätigen. Das Œuvre der Band ist geprägt von Provokationsgesten und einer archaischen, dezidiert deutschen Gesamtästhetik. Ebenjene deutsche Markierung der Band, das gezielte Kultivieren einer ‚Germanness‘, insbesondere im Hinblick auf ihre internationale Wahrnehmung, durchzieht das gesamte Ausdrucksrepertoire der Band und kulminiert schließlich in dem Musikvideo Stripped, das gänzlich aus zusammengeschnittenen Sequenzen aus Leni Riefenstahls Olympia-Film besteht. Für die Selbstdarstellung Rammsteins als Inkarnation des ‚archaischen, deutschen Bösen‘ bietet das Spiel mit Riefenstahls proto-faschistischer Ästhetik eine geeignete visuelle Folie – Riefenstahl und Rammstein als das Ewig-Deutsche. Überdies etabliert die Band Rammstein in ihrer visuellen Präsentation insgesamt ein stark körperorientiertes, hypermaskulines Bildprogramm, sodass die Anbindung an das faschistische Körper-Spektakel Riefenstahls nahezu logisch erscheint. Im Rahmen einer detaillierten Analyse des Videoclips wurde herausgearbeitet, dass die Originalbilder Riefenstahls eine ungebrochene und unveränderte Wiederherstellung erfahren. Allein die Kontextverschiebung durch die Überführung der Bilder in den Zusammenhang eines Musikvideos hat zu keiner substanziellen Bedeutungsverschiebung oder Veränderung der Sinndimension ge-

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führt. Vielmehr erscheint Stripped, in seiner als Musikvideo zwangsläufig komprimierten Form, wie ein Kondensat des Olympia-Films. Es wurde gezeigt, dass in dem Musikvideo nicht nur der narrative Ablauf des Originalfilms übernommen wird, sondern auch das Riefenstahl-typische Hauptaugenmerk auf den Athletenkörper, der in Olympia durch eine Verortung in der Antike und in archaischen Naturlandschaften Kategorien wie Ort und Zeit enthoben wird und eine überirdische und überzeitliche, nahezu transzivilisatorische Dignität erlangt. Stripped erliegt der Faszination idealer Körperdarstellungen und scheint Riefenstahls Inszenierung von Kraft und Stärke sogar noch zu konzentrieren, indem signifikante Körperbilder ausgewählt und verdichtet werden. Im Bezug auf die Montage des Ausgangsmaterials wurde angemerkt, dass alle Verweise auf den historischen Hintergrund der olympischen Spiele von 1936 ebenso wie nazistische Symbolik, Hakenkreuzfahnen etc. im Videoclip ausgeblendet werden. Indem Rammstein die nazistischen Körperideale somit aus ihrem ideologischen Bezugsrahmen, ergo ihrer räumlichen und zeitlichen Verortung herauslösen und ihnen durch die Überführung in den Pop-Diskurs eine über den Kontext des Nationalsozialismus hinausweisende Gültigkeit verleihen, führen sie gleichsam die Abbildungslogik Riefenstahls fort. Was übrig bleibt, ist eine reine Huldigung des gestählten Leibes, seiner unerschütterlichen Härte, Anmut und heroischen Makellosigkeit. Stripped übersteigert Riefenstahls Schaulust, ihr Begehren des idealen und vollendeten Körpers; es ist eine Essenz ihres Körperfetischismus und fügt sich damit nahtlos und homolog in das archaische, faschistoid-virile Gebaren Rammsteins ein, die auch in ihrem habituellen Auftreten, in Bühnenperformances und ihrer optischen Aufmachung unentwegt pathetische Gesten der Männlichkeit, Kraft und Härte produzieren. Der direkte Bezug auf Riefenstahls Körper in Stripped erscheint somit als letzte Konsequenz ihrer hypermaskulinen Gesamtästhetik. Als letztes Fallbeispiel im Rahmen der Analyse des RiefenstahlBildkomplexes wurde das Albumcover In Unserm Herzen von Hurts betrachtet. Dieses stellt im Vergleich zu Rammsteins Stripped ein eher chiffriertes Beispiel visueller Riefenstahl-Rezeption in der Popkultur dar. Gleichwohl sich der Gebrauch faschistoider Bildästhetik lediglich in unterschwelligen Andeutungen in Form vestimentärer Verweise sowie architektonischer und kompositorischer Anleihen, ergo auf einer durchaus subtilen Ebene, entfaltet, konnte dennoch aufgezeigt werden, dass die Covergestaltung nahezu die gesamte Klaviatur nazistischen Begriffsinventars visuell bedient: Erhabenheit, Überlegenheit, Ordnung, Disziplin und Reinheit werden hier bildlich übersetzt und damit insbesondere die Riefenstahl’schen Inszenierungsparadigmen aufgegriffen. All diese Verweise kulminieren in dem deutschen Titel In Unserm Herzen, der sich konsequent in

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die dargebotene Bildperformanz einfügt. Die Wahl eines deutschen Albumtitels ist, so wurde argumentiert, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich hierbei um eine englischsprachige Band handelt, bezeichnend und spricht schließlich für die Prägnanz der zitierten Ästhetik, die auch auf den Namen des Albums übertragen werden beziehungsweise im Titel seine sprachliche Fortführung finden musste. Als zweiter Bildkomplex wurde der Topos Heimat einer näheren Betrachtung unterzogen. Dabei wurde zunächst die faschistoide Infiltration des HeimatImagos freigelegt und erläutert, dass sich der visuelle Heimatdiskurs insbesondere in Form von idealisierten Landschaftsdarstellungen und Inszenierungen unberührter Natur artikuliert. Heimatliche Affekte sind ikonografisch untrennbar an bestimmte ideallandschaftliche Gegebenheiten gekoppelt. Ausgehend vom Heimatbegriff eröffnen sich Bilduniversen archaischer Landschaften: Erhabene Naturräume verkörpern das Ideal von Ursprünglichkeit, Wälder und Berge suggerieren Urwüchsigkeit und Unvergänglichkeit – sie zeugen nicht von einem Gewordensein, sondern sind Ausdruck des Schon-immer-Dagewesenen. Ebenjener Rekurs auf das Originäre und Immerwährende der Natur ist Bedingung der Möglichkeit von Heimat. Die Natur als das Ungestaltete und dem Menschen Vorgängige dient genuinen Heimatideologemen als Beglaubigung und wurde somit auch als Versinnbildlichung des Ewigkeits- und Ursprünglichkeitspathos im Nationalsozialismus nutzbar gemacht. Mit seinen politisch-ideologischen Implikationen bot der Bezug auf räumlich-territoriale Verortungen eine geeignete Projektionsfläche für Vorstellungen einer völkischen Zugehörigkeit und damit eine Grundlage für den ‚Blut-und-Boden‘-Impuls der NS-Ideologie, in der das ‚völkische Blut‘ mit dem ‚Heimatboden‘ als organische Einheit und feste Entität unauflöslich zusammengewachsen ist und somit als eine Art Naturkonstante halluziniert wird. Natur und Landschaft dienten dabei zum einen als Kulisse und zum anderen als physische Manifestation des völkischen Identitätsglaubens. Unter Berufung auf imaginierte Urwüchsigkeiten folgte die politische Ordnung somit einer biologistischen Fundierung. Die synkretistische Amalgamierung von landschaftlicher Ästhetik und Naturmythos mit Rassenideologie und völkischen Stereotypen war für den nationalsozialistischen Zugang zu Natur konstitutiv, errichte ihre maximale Ausprägung in der landschaftlichen Begründung und Legitimierung deutschen Übermachtglaubens und fand in einer naturfixierten, Dauerhaftigkeit und Ewigkeit antizipierenden Herrschaftssymbolik ihren visuellen Ausdruck. Ein prägendes Motiv innerhalb des nationalsozialistischen visuellen Heimatund Naturdiskurses sind die ikonischen Darstellungen Adolf Hitlers auf dem

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Obersalzberg. Es wurde aufgezeigt, dass insbesondere in den Fotografien von Heinrich Hoffmann und Walter Frentz die Mythisierung Hitlers durch den Bezug zur erhabenen Alpenlandschaft des Obersalzbergs in Berchtesgaden hergestellt wurde. Die inszenatorische Verzahnung von Personenkult und Naturästhetik wird in zahlreichen Motiven deutlich, die Hitler in Einklang mit der ihn umgebenden Naturkulisse zeigen. Die Bilder oszillieren dabei zwischen volkstümelnder Bodenständigkeit und heroischer Entrückung. Der monumentale, sich mächtig auftürmende Berghintergrund hatte, so wurde festgehalten, nicht nur die Funktion Hitler als heimatverbunden darzustellen, sondern bot überdies ein geeignetes Panorama für seine feierliche Überhöhung. So gewaltig die Berge, so wesensgleich erscheint Hitler, nicht der Natur unterworfen, sondern ihr ebenbürtig und gleichermaßen unverrückbar, ungebändigt und entschieden. Die Bergwelt als erhabene, archaische Ur-Gewalt wurde zu einem festen Bestandteil der NS-Ikonografie; landschaftliche Attribute wie Festigkeit, Standhaftigkeit und Fortdauer antizipierten den nationalsozialistischen Allmachtanspruch. Auf ebenjene Bilder von Heinrich Hoffmann und Walter Frentz verweist auch der Künstler Andreas Mühe in seinem 2010 begonnenen ObersalzbergZyklus. Mühes Fotografien wurden als erstes Fallbeispiel für eine Analyse des heutigen Widerhalls faschistoider Natur- und Heimatbilder herangezogen. In den Aufnahmen wird die Berchtesgadener Landschaft, also die Kulisse der NSHerrschaftsikonografie, selbst zum wirkenden Subjekt der Bildinszenierung. In seinem gravitätisch ruhenden Monumentalismus dominiert die enorme Weite und scheinbare Endlosigkeit des Alpenpanoramas Mühes großformatige Bilder. Die ‚Nazis‘, die Mühe als Irritationsmoment in die Landschaft setzt, erscheinen im Gegensatz zur mächtigen, alles überragenden Natur nahezu winzig und unbedeutend. Erst ein genaueres Hinsehen offenbart, dass die Nazi-Figuren beim Akt des Urinierens dargestellt sind. Es wurde herausgearbeitet, dass das Beflecken der Landschaft in Mühes Fotografien als Metapher für die Besitzergreifung und Kontamination der Natur durch den Nationalsozialismus dient. Mühes Pissing Nazis sind als ein Verweis auf die Usurpation, die Instrumentalisierung und Politisierung von Bergen und Wäldern zu verstehen. Eine weitere Konstellation, die in Mühes Fotografien häufig als Motiv auftritt, sind sich selbst oder gegenseitig vor der monumentalen alpinen Bergkulisse fotografierende Nazi-Figuren. Die Körperhaltungen der (Selbst-)Darsteller zitieren typische, ritualisierte Posen des Abgelichtet-Werdens respektive des SelfieSchießens. Smartphones und Scheinwerfer als Artefakte der (Selbst-) Inszenierung werden von Mühe gezielt mit ins Bild gerückt. Dadurch kommentiert Mühe die wahnhaft gesteigerte Inszenierungswut des Nazismus und setzt diese in Bezug zum heutigen ubiquitären Bedürfnis, permanent Bilder seines

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Selbst produzieren müssen, wie es sich im Phänomen Selfie als zentraler Form gegenwärtiger medialer Selbstrepräsentation artikuliert. Als zweites Fallbeispiel für die popkulturelle Verwertung faschistoid infiltrierter Naturdarstellungen wurde das Musikvideo Life is Life der Band Laibach analysiert. Das Setting von Life is Life operiert deutlich mit Heimat-Codes und verweist auf Bilder archaisch-pittoresken Naturkitsches, wie sie beispielsweise auch im Heimatfilm produziert werden: Idealtypische und imposante alpine Landschaften, schneebedeckte Bergspitzen, unberührte und urgewaltige Natur, Gewässer, Wälder und Wiesen sowie die Motive des Hirsches und des Edelweiß sind symbolisch eng verbunden mit dem Topos Heimat. Durch die Übercodierung der heimattümelnden Zeichen und Symbole ist die Laibach’sche Interpretation als dekonstruktivistischer Angriff auf die verklärende und regressive völkische Ästhetik von Heimat-Visualisierungen zu lesen. Laibach inszenieren in ihrem Musikvideo den Mythos Heimat mit all seinen phantasmatischen Konstruktionen und bildhaften Imaginationen, auf die sich nationale Identifikation visuell stützt, jedoch so, dass diese durch das Mittel der Hyperaffirmation verfremdet und ad absurdum geführt wird. Die assoziative Nähe zu Heimat- und Naturdarstellungen des Nationalsozialismus wird insbesondere unterstützt durch gestischhabituelle Markierungen und die vestimentäre Aufmachung der männlichen Protagonisten, die sich gleichsam hypermaskulin, in triumphaler und soldatischer, stolz aufgerichteter Positur präsentieren und deren grün-graue Jägerkluft – mit hochgeschlossenen Hemden, uniform-ähnlichen Jacken und Hosen sowie schweren Schaftstiefeln – eine optische Verwandtschaft zu NS-Uniformen aufweist. Die in Life is Life dargebotenen Bilder uniformierter Männer in alpiner Bergkulisse schließen folglich, ebenso wie die Fotografien von Andreas Mühe, an die Aufnahmen von Adolf Hitler und seinem militärischen Gefolge auf dem Obersalzberg an. Sie alle verfolgen die selbe Abbildungslogik und entwerfen eine Gleichung zwischen Natur und Subjekt. So ist die Natur in allen Bildern männlich codiert; ebenso stark, herrschaftlich und überpotent erscheinen auch die Protagonisten. Die Natur als ‚Ur-Raum‘ wird zur Projektionsfläche für das Ursprüngliche, Archaische und Männliche und ist gerade deshalb für faschistoide Bildprogrammatiken prädestiniert. Um das Wirken Laibachs genauer beurteilen zu können, wurde das Musikvideo Life is Life in den Kontext der ästhetischen Strategien des Künstlerkollektivs Neue Slowenische Kunst (NSK), dem die Band Laibach angeschlossen ist, eingeordnet. Es wurde resümiert, dass Laibach und die NSK in ihren eklektizistischen Bildprodukten und ihrer abstrakt-faschistoiden Gesamtästhetik dysfunktionale Zeichenensembles schaffen, die, im Sinne einer semiotischen Guerilla, als Angriffe auf das kollektive Gedächtnis zu werten sind. Durch ihre vordergründi-

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ge Überidentifizierung, ihren Anspruch „totaler als der Totalitarismus“5 sein zu wollen, konstruieren Laibach das genaue Gegenteil: eine substantielle Desidentifikation. Ihre Überzeichnung totalitärer Ästhetik und eines archaischen Männlichkeitspathos mündet letztlich im Ikonoklasmus. Wenn Laibach in Life is Life also auf Bildebene eine übersteigerte Identifikation mit Heimat-Ideologemen liefern und diese visuell in direkte Referenz zu den Naturphantasmen des Nationalsozialismus setzen, dann ist ihr faschistoider Habitus als ein Angriff auf den Faschismus durch Übercodierung seiner Zeichen, als eine Strategie der Subversion durch (Pseudo-)Affirmation zu verstehen. Als weiterer Bildkomplex, der für die popkulturelle Rezeption nazistischen Bildprogramms zentral erscheint, wurde das Konterfei Adolf Hitlers untersucht. Das Hitler-Bild ist durch seine virulente mediale Reproduktion in unzähligen Dokumentationen, Kinofilmen, Fernsehserien, Comics, Karikaturen und Parodien ungebrochen präsent und als visuelle Ikone tief im kollektiven Bildgedächtnis verankert. Die vorgenommene Analyse hat gezeigt, dass HitlerDarstellungen keine Abbilder einer historischen Realfigur sind, sondern vielmehr der Grund, warum die ‚Realfigur‘ so und nicht anders erinnert wird. In der Popkultur hat das Hitler-Bild seine geschichtliche Bedeutung überholt – das ‚Original‘ tritt folglich hinter seine populäre Verbreitung durch immerwährende Wiederholung, Kopie und Reproduktion zurück. Diese Entkoppelung des Bildes von seiner real-historischen Referenz ermöglichte es, dass das Hitler-Bild in andere diskursive Räume gewandert ist und durch seine mediale Vervielfachung schließlich mit neuen kulturellen Einschreibungen und Funktionen versehen wurde. Hitler-Darstellungen sind in alle Bereiche der visuellen Kultur vorgedrungen, sodass das Hitler-Bild als ein ganzer semantischer Komplex zu begreifen ist, der verschiedenste Phantasmen und Imaginationen zur Person Adolf Hitler zusammenführt und in einer metaphorischen und transzendentalen Sphäre einigt: als Mythos. Die Popkultur hat also wesentlich zur Mythisierung und Ikonisierung Hitlers beigetragen. Das heutige Hitler-Bild ist ein Mosaik aus den nationalsozialistischen Visualisierungen Hitlers, wie sie heute noch durch den Gebrauch zeitgenössischer Propaganda-Aufnahmen in Dokumentationen usw. am Leben gehalten werden, und den Hitler-Derivaten der populären Kultur, den Pop-Fiktionalisierungen, die ihn zwischen verschiedenen Bedeutungsebenen oszillieren lassen. Wurde in der vorliegenden Arbeit festgehalten, dass die popkulturelle Wiederbelebung des Nazismus insbesondere aus seiner negativen Anziehungskraft

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Groys, o.S.

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als Metapher für das Böse resultiert, so ist selbiges zweifelsohne auch für das Hitler-Portrait als lautstärkstes Sinnbild des nazistischen Bösen zu konstatieren. Als Beispiele wurden die Werbung, in der die Figur Hitler zahlreich als Negativfolie genutzt wird, sowie der Hitler-Vergleich, der zu einer Standardmetapher der Beleidigungskultur geworden ist, angeführt. Ein Fallbeispiel, das diesbezüglich einer weiterführenden Analyse unterzogen wurde, ist die InternetComicreihe Hipster Hitler. Die Comics sind als satirischer Doppelangriff sowohl auf Hitler als auch die Figur des Hipsters zu verstehen. In einem Exkurs wurde sich zunächst der Konsumfigur des Hipsters genähert und hervorgehoben, dass die gleichsam universale Abneigung, die dem Hipster entgegenschlägt, konstitutives Element dieses Identitätsentwurfs ist. Im Fall von Hipster Hitler handelt es sich folglich um zwei dezidiert negativ besetzte Figuren, die in Personalunion auftreten. Die Analyse des Fallbeispiels konnte also bestätigen, dass Hitler in der Popkultur als Vergleichsgröße für alles Schlechte und Abzulehnende gilt. So kann dem Hass-Objekt Hipster in letzter Instanz nur mit Hitler begegnet werden. Zudem wurde herausgearbeitet, dass sich der Hitlerbezug nicht zuletzt deshalb als fruchtbare Quelle für die popkulturelle Bildproduktion erweist, weil Hitler eine universell lesbare, eindeutig zu identifizierende und leicht zu bezeichnende Symbolfigur darstellt. Der Grund für seine ubiquitäre Präsenz in der populären Kultur liegt also insbesondere auch in seiner markanten Optik. Hitlers physiognomische Attribute zeichnen sich durch eine ikonische Hyperprägnanz aus: Allein die abstrakte Andeutung eines Seitenscheitels und eines Zweifingerbarts genügt, um eine Verbindung zu Hitler herzustellen. Auf diese einfache, semantisch effiziente Formel reduziert, werden das Zeichenhafte und die ikonische Qualität Hitlers genährt und eine Übertragbarkeit, auch auf andere Kontexte, gewährleistet. Durch seine Wiedererkennbarkeit und Einfachheit ist das Hitler-Portrait offen für weitere Bedeutungszuweisungen. Der Gebrauch der charakteristischen Hitler-Merkmale erfolgt in den grafisch reduzierten Hipster HitlerComics also in absoluter Kenntnis ihrer bildhaften Qualitäten. Ebenso verfügt auch der Hipster durch seine stereotype Optik und die stete Wiederholung bestimmter visueller Merkmale über einen hohen Wiedererkennungswert und ist damit eine einfach zu karikierende Konstante im kollektiven Bildgedächtnis. Die Comics operieren folglich mit den ikonischen Oberflächen zweier medial hochgradig präsenter und visuell einschlägiger Figuren. Besonders wichtig war es herauszustellen, dass die Ikonisierung Hitlers durch Reduktion auf seine zeichenhaften Qualitäten nicht nur den popkulturellen Umgang mit der Figur Hitler charakterisiert, vielmehr war das Hervorheben seiner physiognomischen Attribute als ‚Markenzeichen‘ bereits integraler Bestandteil der visuellen NS-

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Propaganda. In diesem Sinne wurde argumentiert, dass die Popkultur die Abbildungsprinzipien des Nazismus gewissermaßen fortführt. Die Bildideen des ‚Dritten Reichs‘ haben sich als derart stabil erwiesen, dass der im Nationalsozialismus generierte visuelle Kanon an Inszenierungsmodi dem ikonischen Hitler-Bild auch heute noch zu ungebrochener Vitalität verhilft. So wurde aufgezeigt, dass das Bedürfnis, den Mythos Hitler herabholen und banalisieren zu wollen, ihn als einen Jedermann in profanen Alltagssituationen zu zeigen (was sowohl auf die Hipster Hitler-Comics als auch auf das nachfolgend betrachtete Musikvideo von K.I.Z zutrifft) letztlich ebenfalls die Abbildungssystematik des Nationalsozialismus reproduziert, die Hitler einerseits zum Mythos stilisierte, andererseits aber auch stets in inszenierten Momenten des Alltäglichen und Privaten zeigen wollte. Das Hitler-Bild, so wurde resümiert, befand sich schon immer in einem Prozess des Herabholens, sodass es sich hierbei um die Fortsetzung einer ikonografischen Strategie handelt, die breites originär in der nazistischen Bildwelt steckt. Das Musikvideo Ich bin Adolf Hitler von K.I.Z bildet das letzte Fallbeispiel des Hitler-Bildkomplexes und stellt eine Collage verschiedener Themen und Diskurse dar, die auf narrativer Ebene mit dem Hitler-Motiv verknüpft werden. Das Video skizziert die Lebenswelt eines reaktionären, rassistischen Neonazis, der als Hitler-Wiedergänger im Berlin der Gegenwart aufersteht. Im Rahmen der Analyse wurden insbesondere die popkulturellen Verweise, die das Musikvideo liefert, aufgearbeitet und gezeigt, dass Ich bin Adolf Hitler auf dem Nährboden der unzähligen Hitler-Vervielfältigungen der populären Kultur entstanden ist und sich zum Teil explizit auf diese bezieht. Damit üben K.I.Z einerseits eine Kritik an der Mediatisierung Hitlers, unterfüttern diese mit ihrem Musikvideo jedoch gleichzeitig. Als ein grundsätzliches Dilemma der Hitler-Satire, wie sie bei K.I.Z vorliegt, wurde folglich der Umstand benannt, dass durch die satirische Aufarbeitung Hitlers gleichzeitig immer auch sein Mythos genährt und seinem ikonischen Vorteil zugearbeitet wird. Wenngleich in dem Clip angestrebt wird, Hitler durch die Verortung in prekäre Lebenszusammenhänge zu ‚entmachten‘, so scheint das originäre Hitler-Bild trotzdem hindurch, nicht zuletzt deshalb, weil die Fallhöhe von autoritärer Machtpose und ‚menschlich realem‘ Maß dem NS-Bildprogramm selbst implizit war und zum ikonografischen System Hitler gehörte. Der letzte Bildkomplex, der zur Analyse des (post-)nazistischen Bilderechos untersucht wurde, kreist um uniformierte Masseninszenierungen. Uniformierte Menschenmengen und ornamentale Massenchoreografien stellen ein charakteristisches Szenario faschistoider Ästhetik dar, das auch in der Popkultur zahlreich

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aufgegriffen wird. In der vorliegenden Untersuchung wurden zunächst die beiden Teilaspekte dieses Inszenierungsschemas – die Uniform als vestimentäres Symbol für Entindividualisierung und die Masse als Ausdruck von Kollektivität – in ihrer visuellen Bedeutung und dramaturgischen Verzahnung analysiert. Ebenso wurde die Rolle des Bildes als Medium bei der Inszenierung von Uniformität und Masse unterstrichen. Ferner wurde hervorgehoben, dass – wenngleich sowohl Uniformen als auch Massenaufmärsche keine Alleinstellungsmerkmale nationalsozialistischer Ausdruckspraxis sind, sondern auch im visuellen Repertoire anderer totalitärer Herrschaftsikonografien gefunden werden können – es dennoch jene Vor-Bilder des Nationalsozialismus sind, die popkulturelle Visualisierungen prägen. So konnte festgehalten werden, dass insbesondere die SS-Uniform einen zentralen Bezugspunkt für die Popkultur darstellt und in zahlreichen Bildproduktionen aufgegriffen wird. Die Uniform als symbolischer Ausdruck von Macht und Unterwerfung repräsentiert Ordnung und Disziplin und dient einer Anpassung des Leibes. Die materiellen Gegebenheiten der Uniform wirken auf die Physis des Trägers ein; Stoff und Schnitt reglementieren die Körperbeweglichkeit und evozieren eine bestimmte Körperhaltung, die zum Habitus des Uniformierten gehören soll. Damit wirkt die Uniform wie eine Körperprothese, die den individuellen Körper an einen abstrakten Idealkörper anpasst und individuelle Merkmale und persönlichen Ausdruck nivelliert. Das Individuum ist der Ästhetik des Ganzen untergeordnet und verschwindet hinter der Uniform. Fokussiert wird auf das Einheitliche, auf die Totalität der uniformierten Gesamterscheinungen. Ferner wurde herausgearbeitet, dass Uniform und Masse in einem reziproken Verhältnis zueinander stehen: Die Uniform wird benötigt, um das Individuum zu entgrenzen und den Einzelnen völlig im Ganzheitsleib der Masse aufgehen zu lassen – umgekehrt gehört zur Herstellung von Uniformität zwingend die Masse, denn erst durch das In-Beziehung-Setzen des uniformierten Einzelnen zu anderen Uniformierten gelingt die Vorstellung von Einheit und Homogenität. Mit Bezug auf Elias Canetti, Béla Balázs und Klaus Theweleit wurde beschrieben, dass sich im uniformierten Massenritual unter der Prämisse der Homogenität die Ich-Identitäten des Einzelnen auflösen; die Masse verleiht dem einzelnen Soldaten einen neuen Körperzusammenhang. Über Uniformen und synchronisierte Bewegungsabläufe vollzieht sich die Gestaltung eines überdimensionalen, megalomanischen und omnipotenten Meta-Körpers, der die Subjekte physisch in sich aufnimmt und in das Gesamte transzendiert. Im faschistischen Massenornament schließen sich die Einzelpersonen zu einem imposanten Monumentalgebilde zusammen; das Individuum wird verdinglicht und einem formalen Gesamtgefüge unterworfen. Die Menschenmassen verliehen dem nationalen Mythos einer kollektiven völkischen Identität symbolischen Ausdruck

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und wurden zu beweglichen Kulissen für die Machdemonstration des Nationalsozialismus. Die Geometrisierung der Körper und Simultanität der Bewegungen lässt eine strenge Ordnung marschierender Menschenlandschaften entstehen und vermittelt einen Eindruck von Geschlossenheit und Gehorsam. Zentrales Ergebnis der Analyse war, dass uniformierte Massenchoreografien ein genuin bildmediales Thema sind – Visualität ist das konstituierende Strukturprinzip uniformierter Masseninszenierung; die Masse benötigt das mediale Bild, damit ihre Existenz manifest wird. Erst die Draufsicht der Kameraperspektive macht die Zusammenführung der Massen zum Kollektivkörper sichtbar. Im Nationalsozialismus ist der Wirkungszusammenhang zwischen dem Massenornament und seiner Bildwerdung durch Fotografie und Film evident. Die Massenveranstaltungen waren darauf ausgelegt, in ein mediales Bild transformiert zu werden; sie fanden statt, damit Bilder davon produziert werden konnten und sind folglich ohne die durch Fotografie und Film entwickelten Wahrnehmungsmuster nicht denkbar. Die neuen bildtechnischen Möglichkeiten, wie die Luftperspektive, ermöglichten es, die Totalität der Masse durch eine erhabene Aufsicht über präzise durchkomponierte Körperarrangements und streng formierte, scheinbar endlose Marschsäulen zu erfassen und ins Bild zu setzen. Im populären Film lassen sich vielfach ästhetische Anlehnungen an die uniformierten Massenrituale des Nationalsozialismus nachweisen. Insbesondere Leni Riefenstahls Triumph des Willens, in dem die Apotheose der Masse substanzieller Bestandteil der Bildarchitektur ist, wird in zahlreichen Filmproduktionen des populären Kinos zitiert. Die Filmbilder Leni Riefenstahls haben damit das kulturelle Überleben faschistoider Masseninszenierungen gesichert. Der Geist totalitärer Ästhetik wird durch die visuellen Medien absorbiert und in die Nähe popkultureller Bildentwürfe gerückt, wie die Analyse von Walt Disneys Der König der Löwen und George Lucas’ Star Wars: Episode IV zeigen konnte. In Der König der Löwen wurde die Inszenierung der Führerfigur Scar und des Hyänenbataillons einer genaueren Betrachtung unterzogen. Die Hyänen erscheinen in der Szene nicht als autonome Einzelfiguren, sondern – den im Voraus beschriebenen Prinzipien der Masse entsprechend – als ein phalanxartiger Superkörper uniformer, identischer Klone in minutiös gelenktem Gleichtakt. Sie werden als eine in sich geschlossene Körperschaft präsentiert, eine akribisch strukturierte Armee williger, gleichgeschalteter Militaristen, die wie hypnotisiert im Stechschritt vor ihrem Anführer Scar marschieren. Die Unterordnung unter einen Führer, der gleichsam als Integrationsgestalt der Masse fungiert, weist Susan Sontag als charakteristisch für faschistische Ästhetik aus6 und ist Strukturprinzip

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Siehe Sontag, Faszinierender Faschismus, S. 113.

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der Massenvisualisierungen Riefenstahls. Es wurde dargelegt, dass in Riefenstahls Bildregien eine Transformation der Masse in Gefolgschaft erreicht wurde, indem sie die Masse bildarchitektonisch und perspektivisch einer Führerfigur in Gestalt von Adolf Hitler unterstellte. Ebenjenes visuelle Dispositiv ist auch in Der König der Löwen wiederzufinden. Das Massenornament der Hyänen gerinnt zum Sinnbild für ein totalitäres Gemeinschafts- und Unterwerfungserlebnis und zitiert eindeutig die Inszenierungsprinzipien und Darstellungsschemata der nationalsozialistischen Massenrituale. Ebenso wurde herausgearbeitet, dass auch in der Thronsaalszene aus Star Wars: Episode IV ein unübersehbarer visueller Rekurs auf faschistoide Massenästhetik stattfindet. Das in symmetrische, spalierartige Blöcke aufgereihte Massenarrangement weist in Verbindung mit dem räumlich-architektonischen Setting, der Bildkomposition und Personenkonstellation deutliche Parallelen zu Riefenstahls Inszenierung des Schlusskongresses und der Totenehrung in Triumph des Willens auf. Die Analyse zweier Musikvideos bildete den Abschluss der Untersuchung. Zunächst wurde Lady Gagas Alejandro einer systematischen Betrachtung unterzogen. Lady Gaga zeigt sich in dem Clip umringt von einer Tänzerarmee, deren schwarze, ledern-glänzende Kostüme mit Armbinden und schweren Schaftstiefeln deutlich angelehnt sind an SS-Uniformen. Die kollektive Physiognomie des nazistischen Massenaufmarschs findet ihre popkulturelle Entsprechung in der streng synchronisierten Bewegungssprache der Tänzer. Ferner wurde in Hinblick auf die präsentierten Körperbilder herausgearbeitet, dass nationalsozialistische Maximen wie Kraft und Stärke hier eine visuelle Aufwertung erfahren. Die Tanzsoldaten wirken wie vollkommene Stahlgestalten. Ihre orchestrierte Choreografie erinnert an militärisch-harte Marschschritte ebenso wie an die ‚campy‘ Ästhetik einer Revue. Die steife Uniform zwingt dabei zur geraden Haltung, die Stiefel sorgen für einen festen Stand und starken Tritt, sodass der Bewegungschor an allzu effeminierten Posen gehindert wird. Die Uniform beeinflusst nicht nur Physis und Habitus, sondern ist hochgradig symbolisch codiert. Folgend wurde herausgearbeitet, dass die Todessemantik der SS-Uniform – insbesondere verkörpert durch die Farbe Schwarz – in Alejandro durch den Gebrauch zahlreicher weiterer Todessymbole (Kruzifixe, Särge etc.) fortgeführt, mehr noch übersteigert wird. In diesem Sinne wurde resümiert, dass die Juxtaposition von Kitsch und Tod, die für Saul Friedländer den ästhetischen Reiz des Nazismus ausmacht7, das Musikvideo nahezu paradigmatisch durchzieht. Die Massenund Uniformzitate lassen sich einordnen in eine Camp-Ästhetik, wie sie dem künstlerischen Œuvre der Figur Lady Gaga entspricht. Die faschistoide Folklore

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Siehe Friedländer, S. 26 und 32/33.

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bildet hier lediglich eine weitere Spielart popkultureller eklektizistischer Bilderverwertung. Die Analyse des Videoclips Only von Nicki Minaj hat aufgezeigt, dass die räumlich-architektonischen Gegebenheiten für die visuelle Konstruktion der Masse von herausragender Bedeutung sind. Das räumliche Arrangement des in den Reichsfarben Schwarz-Weiß-Rot gehaltenen Musikvideos lässt vielfach Anklänge an NS-Architektur erkennen – neben der monumentalen Größe und Weite der Großbauten und Platzanlagen wird in dem Clip durch die Inszenierung überdimensionaler Fahnenbanner insbesondere die wirkmächtige Überpräsenz nationalsozialistischer Hoheitszeichen formalästhetisch imitiert. In dieses Setting werden grafisch exakt aufgereihte, monolithische Soldatenblöcke gesetzt, die durch die Rückenansicht sowie die einheitliche farbliche Darstellung in Graustufen als gesichtslose, anonyme Gestalten erscheinen und somit dem Uniformgedanken von Gleichförmigkeit und Depersonalisierung weiteren Ausdruck verleihen. Das Prinzip der sich einem Führer fügenden Masse, das als Leitgedanke die architektonische Konstruktion der NS-Bauwerke bestimmte, kennzeichnet auch das räumliche Setting des Musikvideos, das mit der Einbeziehung der Masse in seine Strukturen seine notwenige ornamentale Komplettierung erfährt. Insgesamt konnte folglich festgehalten werden, dass die Bildverwandtschaft zwischen popkulturellen Masseninszenierungen und der Massenästhetik des Nationalsozialismus offen hervortritt. Die visuellen Strukturprinzipien und nazistischen Implikationen von Uniformität und Masse werden auch in den Bildzusammenhängen populärer Filme und Musikvideos sichtbar. Der Widerhall faschistoider Ästhetik erscheint in Anbetracht der in dieser Arbeit vorgenommenen Bildanalysen überdeutlich. Der Nationalsozialismus hat sich als persistentes Thema erwiesen, von dem aus sich metastatische BildWucherungen in verschiedene Kontexte eröffnen. Das Bildprogramm des Nazismus spielt durch seine mediale Verlängerung und diskursive Vervielfachung heute nicht nur eine, sondern mehrere Rollen in unterschiedlichen Zusammenhängen. Die vorliegende Untersuchung hat einen Einblick in das Spektrum der Themen und Motive faschistoider Ästhetik gegeben, die in der Populärkultur der Gegenwart dominant verhandelt werden. Im Zuge der Analyse wurde jedoch auch deutlich, an welchen Stellen neue Forschungen anschließen können. Interessant ist etwa die Frage nach den Gender-Implikationen, die mit dem Gebrauch faschistoider Ästhetik im Pop einhergehen. Zahlreiche der hier untersuchten Bildbeispiele, wie etwa die Musikvideos von Lady Gaga und Laibach oder die betrachteten Modefotografien, weisen eine deutliche inszenatorische

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Verzahnung zwischen Geschlechterrepräsentation und NS-Ästhetik auf. Hier könnten weiterführende Studien die spezifische visuelle Codierung der Kategorie Geschlecht fokussieren und freilegen, welche Männlichkeits- und Weiblichkeitsbilder in popkulturellen Inszenierungen nazistischen Bildprogramms transportiert werden und inwiefern sich aus den Darstellungsformen von Gender und Körperlichkeit Konsequenzen im Hinblick auf die Lesbarkeit nationalsozialistischer Ästhetik – und vice versa – ergeben. Der methodische Zugang über genuin bildwissenschaftliche Theorien und Forschungsansätze hat sich als äußerst fruchtbar erwiesen, um die Beziehungen und Vernetzungen von Bildern untereinander, das Über- und Weiterleben von bestimmten Motiven in anderen medialen Kontexten – im Falle dieser Arbeit die Fortsetzung nazistischen Bildprogramms in der populären Kultur – zu untersuchen. Zum einen konnte durch die dezidiert bildanalytische Aufarbeitung eine Forschungslücke im Hinblick auf den Umgang mit dem Nationalsozialismus in der Gegenwart geschlossen und zum anderen die generelle Relevanz bildlicher Phänomene für die wissenschaftliche Durchdringung kulturell-gesellschaftlicher Diskurse herausgestellt werden. Über die Bestandsanalyse popkultureller Reformulierungen faschistoider Ästhetik hinaus wäre also in weiteren Studien zu klären, was der hier entwickelte Methodenapparat für die Auseinandersetzung mit anderen Bildprogrammen leisten kann. Aus der vorliegenden Untersuchung, die das „zweite Leben des ‚Dritten Reichs‘“8 und damit die Ubiquität faschistoider Ästhetik in der Gegenwart nachverfolgt hat, ergeben sich zwangsläufig Konsequenzen für medienpädagogische Debatten. Im Sinne der visual literacy, die die Bedeutung von Bildern als entscheidende kommunikative Elemente innerhalb einer zunehmend visuell und medial geprägten Gesellschaft in ihr Recht setzt, wäre folglich zu untersuchen, wie bildkompetentes Handeln, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, die mit faschistoidem Bildprogramm in der Popkultur unweigerlich konfrontiert werden, gestärkt und gefördert werden kann. Einen Anhaltspunkt liefert erneut die hier entwickelte Methode, die an das Atlas-Konzept von Aby Warburg anschließt. Das visuelle Mapping, also eine Form der strukturierenden Bilderkartografie, in der Bilder zu bestimmten ikonografischen Themen gesammelt, geordnet und ausgewertet werden, ermöglicht eine gleichermaßen wissenschaftspropädeutische wie künstlerisch handelnde Methode des Bildumgangs und ist daher auch aus didaktischer Perspektive für schulische und außerschulische Vermitt-

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Seeßlen, Das zweite Leben des „Dritten Reichs“.

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lungssituationen hervorragend geeignet.9 Durch die prozessuale Syntagmatisierung und das experimentelle In-Beziehung-Setzen von Bildern werden Bedeutungs- und Sinnzusammenhänge aufgespürt und damit das visuelle Nachleben des Nationalsozialismus in den Bilduniversen der Popkultur begreiflich gemacht.

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Siehe dazu Klaus-Peter Busse: Der Atlas als Lernkultur. In: Johannes Kirschenmann, Ernst Wagner (Hrsg.): Bilder, die die Welt bedeuten. „Ikonen“ des Bildgedächtnisses und ihre Vermittlung über Datenbanken. München 2006, S. 195-203.

7. Verzeichnisse

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274 | P OSTNAZISMUS UND P OPULÄRKULTUR

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V ERZEICHNISSE | 275

Zizek, Slavoj: Everything Provokes Fascism. Interview in: Assemblage, Nr. 33 (1997), S. 58-63, http://sitemaker.umich.edu/herscher/files/everything_provo kes_fascism.pdf (zuletzt aufgerufen am 24.03.2015)

7.3 A BBILDUNGEN Abbildung 1: Harry the Nazi, https://enigmachannel.files.wordpress.com/2015/ 07/prince-harry-nazi-9d6e1.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 2: Hitila, http://i.kinja-img.com/gawker-media/image/upload/s--wiyj rntN--/c_fit,fl_progressive,q_80,w_636/1996drc9dxfshpng.png (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 3: David Levinthal, aus der Serie Mein Kampf, 1993-94, http://www. davidlevinthal.com/images/mk/MK_014.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08. 2015), (c) VG Bild-Kunst, Bonn 2016 Abbildung 4: Bernhard Prinz, Reine Wäsche, 1984/89 http://www.weserburg.de/ uploads/tx_usernmwbdatentypen/ai_prinz_01.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 5: Collier Schorr, Andreas POW, 2001, https://www.pinterest.com/ pin/526710118890164888/ (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 6: Collier Schorr, Lina opening braid, 2001, http://www.weller.to/ gmuend/artists/collier_schorr_lina.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 7: Maciej Toporowicz, Eternity, 1993, http://chgs.umn.edu/museum/ exhibitions/absence/artists/mToporowicz/reichmistry.JPG (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 8: Jürgen Teller, aus der Serie Nürnberg, 2005, http://artaddict.net/ upload/large/3603_9.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 9: Piotr Uklanski, The Nazis, 1998, https://poishartcorner.files.word press.com/2016/07/uklanski.png (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 10: Stalag 13, http://polpix.sueddeutsche.com/bild/1.1041256.135573 0602/860x860/im-kino-pornografie-holocaust.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 11: Filmplakat Ilsa – She Wolf of the SS, http://ecx.images-amazon. com/images/I/91TQZxcxY0L._SL1500_.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08. 2015) Abbildung 12: K.I.Z, Sexismus gegen Rechts, http://images.weltrecords.de/img/ cover/000/000/930/000000930496.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 13: National-Socialists With Cats (Blog-Screenshot), http://naziswith cats.tumblr.com/ (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015)

276 | P OSTNAZISMUS UND P OPULÄRKULTUR

Abbildung 14: My Nazi Pony, http://img04.deviantart.net/efe6/i/2006/066/0/8/ my_nazist_pony_by_buruma.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 15: Bild-Makro, http://img.memerial.net/memerial.net/6285/omg-du des-hitler-just-liked-my-status.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08. 2015) Abbildung 16: Grammar Nazi-Mem, http://www.quickmeme.com/img/9e/9eec 2797aedf24f4b0769f163f60aee3100933bccde98d09e6ee2d148e7019da.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 17: Hitler Rants About Miley Cyrus (YouTube-Screenshot), http:// www.youtube.com/watch?v=iYZRsL6ie4A (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 18: Emporio Armani, Frühjahr/Sommer 2011, http://4.bp.blogspot. com/_K5gxyFckrPQ/TCDkYd749NI/AAAAAAAALkY/w_MI3uGLm4w/s 1600/emporio+armani+para+lady+gaga.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08. 2015) Abbildung 19: Topshop-Onlinestore (Screenshot), http://www.fashionista.si/fi les/slike/536/536_Topshop-Slayer-majica_thumb.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 20: Trill Lyfe, http://assets.vice.com/content-images/contentimage/ no-slug/8bf35b296aadc058c4eb91de61c41e23.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 21: BOY London, http://www.letoile-pr.com/wp/wp-content/uploads/ 2012/09/boy-press-3.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 22: Hazel-Blog (Screenshot), http://colormehazel.blogspot.de/2011/ 12/soon-to-hit-mpls-hitler-youth-hair-cut.html (zuletzt aufgerufen am 16.05. 2013) Abbildung 23: Wolfenstein – The New Order, http://i.imgur.com/d6JgZgh.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 24: LARP-Spielerin, http://scs.viceland.com/int/v15n7/htdocs/naziyouth-139/2.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 25: Cosplayer, http://www.viceland.com/wp/wp-content/uploads/ 2009/05/nazi.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 26: Slur, Hitler (Screenshot), https://www.youtube.com/watch?v=h0 Qze3Iri3A (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 27: Sid Vicious, http://2.bp.blogspot.com/_S92AOjzV1WQ/SYXaL2 JbBzI/AAAAAAAAAas/0Ft9stQia14/s320/SidViciousParis1978.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 28: Joy Division, An Ideal For Living, http://www.joydiv.org/ima ges/iflfake1.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015)

V ERZEICHNISSE | 277

Abbildung 29: Boyd Rice, Total War (Screenshot), http://i.ytimg.com/vi/126euf C_Ii0/maxresdefault.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 30: Death in June, All Pigs Must Die, https://upload.wikimedia.org/ wikipedia/en/e/e4/All_pigs_must_die_cover.jpeg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 31: Death in June, Sun Dogs, http://www.deathinjune.org/wiki-img/ Disco/R-228879-1079537443.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 32: Mikael Jansson, Olympiad, Interview Magazine, http://www.inter viewmagazine.com.global.prod.fastly.net/files/2012/05/02/img-swim-1_131 641443677.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 33: Hedi Slimane, Alex Dunstan für AnOther Man, http://www.hedi slimane.com/fashiondiary/admin/images/14102_12_094_v3.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 34: Roxy Music, Flesh and Blood, http://d1xgnrk7baaajd.cloudfront. net/thumbnails/f007e980-125b-0131-affc-7addf5604e4b-large (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 35: Rammstein, Stripped (Screenshots), https://www.youtube.com/ watch?v=M4SmZkmLRjQ (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 36: Hurts, In Unserm Herzen, http://g-ecx.images-amazon.com/ima ges/G/03/musik/pr/mixtape/hurts/Hurts._V198632685_.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 37: Heinrich Hoffmann, Hitler am Obersee, 1936, http://www.hitler pages.com/wp9_wpb523b899_02.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 38: Walter Frentz, Adolf Hitler und Walther Hewel am Obersalzberg in Berchtesgaden, 1943, http://cdn2.spiegel.de/images/image-609291-gallery V9-vnwf.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 39: Andreas Mühe, Soldat am Obersee, 2012, http://old.artistnetwork. de/wp-content/uploads/2013/06/EPSON001.jpg (zuletzt aufgerufen am 22. 08.2015), (c) VG Bild-Kunst, Bonn 2016 Abbildung 40: Andreas Mühe, SS-Mann am Watzmann, 2011, http://www. sammlung-wemhoener.com/wp-content/uploads/2012/01/Andreas-M%C3% BChe-SS-Mann-am-Watzmann-2011-Cibachrome-140-x-110-cm.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015), (c) VG Bild-Kunst, Bonn 2016 Abbildung 41: Laibach, Life is Life (Screenshots), https://vimeo.com/82853398 (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 42: Hello Hiti, http://img3.demotywatoryfb.pl//uploads/201005/1274 640451_by_nevermind666_600.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 43: Hitler-Haus, http://blogs.taz.de/hitlerblog/files/2011/05/hitlerhaus .jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015)

278 | P OSTNAZISMUS UND P OPULÄRKULTUR

Abbildung 44: Hitler-Teekanne, von J. C. Penney, http://msnbcmedia.msn.com/ j/MSNBC/Components/Photo/_new/tdy-130528-hitler-kettle-1.photoblog600 .jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 45: Timur Vermes, Er ist wieder da (Buchcover), http://s3-eu-west-1. amazonaws.com/cover.allsize.lovelybooks.de/Er-ist-wieder-da-97838479051 72_xxl.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 46: Plakat zur Reichspräsidentenwahl 1932, http://bio.bwbs.de/User Files/Image/1931-1935/hitler_1932_2.jpg (zuletzt aufgerufen am 04.06. 2014) Abbildung 47: Hitler-Mem, http://www.quickmeme.com/img/32/32bc536f6328d 4aa135cd1b9bb7de122a1ee6383e860c6119a39bfab20b411bf.jpg (zuletzt auf gerufen am 22.08.2015) Abbildung 48: Adolfin, http://cdn.slowrobot.com/August-16-2011-17-04-36-hey lookadolfin6795.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 49: Hitler-Rapper, http://img4.wikia.nocookie.net/__cb20110916202 056/hitlerparody/images/9/9b/Hitler_Rapper.jpg (zuletzt aufgerufen am 22. 08.2015) Abbildung 50: Dicktator, http://41.media.tumblr.com/tumblr_lxljo6GOYn1rn43l qo1_1280.png (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 51: Hitlerhoff, http://orig12.deviantart.net/57e9/f/2010/334/0/d/hitler _hoff_by_karamanga-d33ycpb.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 52: Kitler, http://bitwebmagazine.com/wp-content/uploads/2015/03/ amazing-looking-cats-13.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 53: Hipster Hitler, Bahn, http://hipsterhitler.com/bahn/ (zuletzt aufgerufen am 25.06.2014) Abbildung 54: Hipster Hitler, DIY, http://hipsterhitler.com/diy/ (zuletzt aufgerufen am 25.06.2014) Abbildung 55: Hipster Hitler, Campaign Strategy, http://hipsterhitler.com/cam paign-strategy/ (zuletzt aufgerufen am 25.06.2014) Abbildung 56: K.I.Z, Ich bin Adolf Hitler (Screenshots), https://www.youtube .com/watch?v=rCZOzmKRuPk (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 57: Der König der Löwen (Screenshots), https://www.youtube.com/ watch?v=R1rsiaJo7ug (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 58: Star Wars: Episode IV (Screenshot), https://www.youtube.com/ watch?v=yixG8pfncOs (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 59: Triumph des Willens, Schlusskongress (Screenshot), https:// www.youtube.com/watch?v=MZWQ7p1ap6w (zuletzt aufgerufen am 22.08. 2015)

V ERZEICHNISSE | 279

Abbildung 60: Triumph des Willens, Totenehrung (Screenshot), https://www. youtube.com/watch?v=MZWQ7p1ap6w (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 61: Lady Gaga, Alejandro (Screenshot), https://www.youtube.com/ watch?v=niqrrmev4mA (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 62: Nicki Minaj, Only (Screenshot), https://vimeo.com/111598205 (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 63: Neue Reichskanzlei, https://upload.wikimedia.org/wikipedia/com mons/9/98/Bundesarchiv_Bild_146-1987-003-09A,_Berlin,_Neue_Reichska nzlei,_Innenhof.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 64: Nicki Minaj, Only (Screenshot), https://vimeo.com/111598205 (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 65: Triumph des Willens (Screenshot), http://assets.cdn.moviepilot .de/assets/store/8d09586ef8ed47ee4ae132d875420ee1b0e9d42bb675f7ab020 28293ccd7/w620.m267327798.jpg (zuletzt aufgerufen am 22.08.2015) Abbildung 66: Visualisierung der untersuchten Bildcluster (eigene Darstellung)

Image Annette Jael Lehmann Environments: Künste – Medien – Umwelt Facetten der künstlerischen Auseinandersetzung mit Landschaft und Natur Mai 2018, ca. 250 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 28,80 €, ISBN 978-3-8376-1633-0

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Astrit Schmidt-Burkhardt Die Kunst der Diagrammatik Perspektiven eines neuen bildwissenschaftlichen Paradigmas April 2017, ca. 280 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3631-4

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Susi K. Frank, Sabine Hänsgen (Hg.) Bildformeln Visuelle Erinnerungskulturen in Osteuropa April 2017, ca. 350 Seiten, kart., ca. 38,99 €, ISBN 978-3-8376-2717-6

Julia Allerstorfer Visuelle Identitäten Künstlerische Selbstinszenierungen in der zeitgenössischen iranischen Videokunst März 2017, ca. 370 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 44,99 €, ISBN 978-3-8376-3523-2

Belinda Grace Gardner Transitorisch: Strategien gegen die Vergänglichkeit Gestaltgebungen des Ephemeren in der Gegenwartskunst von Meret Oppenheim bis Christian Boltanski Februar 2017, 312 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 39,99 €, ISBN 978-3-8376-3767-0

Leonhard Emmerling, Ines Kleesattel (Hg.) Politik der Kunst Über Möglichkeiten, das Ästhetische politisch zu denken Oktober 2016, 218 Seiten, kart., 32,99 €, ISBN 978-3-8376-3452-5

Michael Bockemühl Bildrezeption als Bildproduktion Ausgewählte Schriften zu Bildtheorie, Kunstwahrnehmung und Wirtschaftskultur (hg. von Karen van den Berg und Claus Volkenandt) Oktober 2016, 352 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3656-7

Werner Fitzner (Hg.) Kunst und Fremderfahrung Verfremdungen, Affekte, Entdeckungen September 2016, 260 Seiten, kart., zahlr. Abb., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3598-0

Goda Plaum Bildnerisches Denken Eine Theorie der Bilderfahrung Juli 2016, 328 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3331-3

Lilian Haberer, Annette Urban (Hg.) Bildprojektionen Filmisch-fotografische Dispositive in Kunst und Architektur Juni 2016, 324 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-1711-5

Judith Siegmund (Hg.) Wie verändert sich Kunst, wenn man sie als Forschung versteht? Juni 2016, 222 Seiten, kart., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-3216-3

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Zeitschrif t für Kultur wissenschaf ten Dorothee Kimmich, Schamma Schahadat (Hg.)

Diskriminierungen Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Heft 2/2016

November 2016, 160 S., kart., 14,99 €, ISBN 978-3-8376-3578-2 E-Book: 14,99 € Die Zeitschrift für Kulturwissenschaften dient als kritisches Medium für Diskussionen über »Kultur«, die Kulturwissenschaften und deren methodische Verfahren. Ausgehend vom internationalen Stand der Forschung sollen kulturelle Phänomene gleichermaßen empirisch konzis wie theoretisch avanciert betrachtet werden. Auch jüngste Wechselwirkungen von Human- und Naturwissenschaften werden reflektiert. Diese Ausgabe untersucht das soziale Phänomen der Diskriminierung. Was bedeutet Diskriminierung? Worauf basiert sie? Wie werden diskriminierende Merkmale identifiziert? Die Untersuchungen verbinden verschiedene Perspektiven, solche aus der Literatur- und Kulturwissenschaft, der Psychologie, der Medizin und der Sportwissenschaft. Lust auf mehr? Die ZfK erscheint zweimal jährlich in Themenheften. Bisher liegen 20 Ausgaben vor. Die ZfK kann – als print oder E-Journal – auch im Jahresabonnement für den Preis von 20,00 € bezogen werden. Der Preis für ein Jahresabonnement des Bundles (inkl. Versand) beträgt 25,00 €. Bestellung per E-Mail unter: [email protected]

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