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German Pages 387 [392] Year 1968
Heidemann · Der Begriff des Spieles
Ingeborg Heidemann
Der Begriff des Spieles und das ästhetische Weltbild in der Philosophie der Gegenwart
Walter de Gruyter & Co. vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung · J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer · Karl J. Trübner · Veit & Comp.
Berlin 1968
A r c h i v - N r . 36 46 681
© 1968 by W a l t e r de G r u y t e r & Co., vormals G . J . Göschen'sche Verlagshandlung — J . G u t t e n t a g , Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — K a r l J . T r ü b n e r — Veit & C o m p . , Berlin 30 Alle Redite des Nachdrucks, der photomedianischen Wiedergabe, der Übersetzung, der Herstellung von M i k r o f i l m e n u n d Photokopien, audi auszugsweise, v o r b e h a l t e n . P r i n t e d in G e r m a n y . Satz und Druck: T h o r m a n n tc Goetsch, Berlin 44
Dieses Buch gehört meiner Mutter.
27. Mai 1967
Ingeborg Heidemann
Inhaltsverzeichnis ERSTES BUCH DIE ONTOLOGISCHE BESTIMMUNG DES SPIELES § 1: Die ontologische Ambivalenz des Spieles
3
Spiel und reale Welt Der Spielbegriff in der Ästhetik Der Spielbegriflf in der Metaphysik
3 10 18
§ 2: Raumzeitlicbkeit als Erreichbarkeit und Wiederholbarkeit
28
Der Spielraum Die Spielzeit Die Wiederkehr des Immer-Gleichen § 3: Gesetzlichkeit als kategoriale Unbestimmtheit
28 37 48 . . . .
53
Die Spielregeln Die Spielhandlung und die Spielzwecke Die Spielidee
53 66 78
§ 4: Subjektivität und Objektivität des Spieles Der Ursprung des Spieles Das Spielbewußtsein und das Spielphänomen .
91 .
.
.
91 102
VIII
Inhaltsverzeichnis
ZWEITES BUCH DIE ERKENNTNISTHEORETISCHE F U N K T I O N DES SPIELBEGRIFFS
§ 5: Einleitende Problemstellung
117
ERSTES K A P I T E L D E R SPIELBEGRIFF BEI K A N T
§ 6: Spiel und Erkenntnis
125
Spiel und Wissenschaft Spiel und Erfahrung Spiel und Geschehen
125 132 143
§ 7: Die vierfache Bestimmung des Spielbegriffs
156
§ 8: Das Spiel und das Schöne
165
Die Spontaneität des Spieles und der ästhetische Gegenstand Spiel als Relation der Gunst Spiel als Darstellung und Erweiterung des Begriffs . § 9: Spiel und Gestalt Zum Problem von Reihe und Spiel Spiel als dynamisches Koordinationsprinzip Spiel als erweiterte Denkungsart
.
165 173 184 191
. . . .
191 202 209
Inhaltsverzeichnis
IX
ZWEITES KAPITEL D E R UMKREIS DER SPIELTHEMATIK IN DER G E G E N W A R T
$ 10: Spiel im Aspekt der Wahrheit
217
Die erkenntnistheoretische Bedeutung des Spielbegriffs in den Theorien der Gegenwart Der Spielbegriff in der Phänomenologie, der Philosophie des Als-Ob und der Metaphysik des Erlebens . . . . §11: Spiel im Aspekt von Funktion und Form
230 245
Die Diskussion des Spieles in den Theorien der zwanziger Jahre Zur Theorie der guten Verbindung und der guten Form § 12: Bestimmungsfunktion
217
und Modellfunktion
245 251 259
Der transzendierende Begriff Zum Problem der Stabilisierung des Spielbegriffs am Modell
259 265
DRITTES KAPITEL D I E PROBLEMATIK DES SPIELBEGRIFFS BEI H E I D E G G E R
§13: Das künftige Denken
278
§14: Die Urbewegung der Freiheit
290
§ 15: Die kategoriale Funktion
303
des Spielbegriffs
§16: Die hermeneutische Funktion § 17: Die existentiale Funktion §18: Spielais
des Spielbegriffs
des Spielbegriffs
Umgrenzung
Personenregister und Literaturhinweise
.
.
.
.
319 337 355 373
Erstes Buch ontologische Bestimmung des Spieles
§ 1: Die ontologische Ambivalenz des Spieles
Spiel und reale Welt Das Phänomen des Spieles ist eine alltägliche Erfahrung. Sie setzt niemanden in Erstaunen. Vom Spiel gilt nicht, was von der Kunst gesagt wird, daß die Möglichkeit eines Kunstwerkes, dieses „daß es ist" und daß es so ist und in diesem Dasein und Sosein ein Besonderes und Einmaliges ist, die Alltäglichkeit durchbricht und den Menschen angeht wie ein Offenbar werden von „Wahrheit" oder von „Sein" oder vom „Wesen" der Menschen, der Dinge, der Farben und Formen. Das Spiel, als alltägliches Phänomen, ist ein Teil des Lebens, ursprünglich und jedem zugänglich in der Lebenserfahrung, ein Ereignis in der Zeit, beliebig wiederholbar, weiterzugeben in der Tradition oder je neu zu erfinden. Es ist unbezweifelbar, und es gehört zum menschlichen Leben wie die Kindheit, der Alltag, die Arbeit oder die Gemeinschaft. Es ist ein Phänomen in der Welt, das jeder Mensch kennt und vielleicht auch jeder Mensch bejaht. Wenn es dennoch Erstaunen hervorruft, so im Zusammenhang der Fragen nach dem Leben als solchem und den Möglichkeiten des Menschseins, und wenn es die philosophische Reflexion herausfordert, so sind es Fragen nach seiner Seinsweise, seiner Struktur, seinem Ursprung und seinem Entstehen, nach seinem Sinn und seiner Bedeutung, nicht aber der Zweifel an seinem Dasein. Das Spiel „ist". Als ein Phänomen in der Welt mag das Spiel untersucht werden wie jedes andere Phänomen. Viele Spiele lassen sich mathematisch berechnen, sie können beschrieben werden in ihrem Verlauf, sie werden erklärt unter dem Aspekt der Ursache oder des Zweckes. Solche Erklärungen bieten sich an im Zusammenhang des Getriebenseins, eines Überschusses an Kraft oder an Phantasie, sie verweisen auf das Bedürfnis nach Erholung oder nach Ursachesein und Aufmerksamkeit, auf die unabsichtliche Ausbildung und Einübung für die Daseinswirklichkeit, wie schon bei Aristoteles und insbesondere in den Spieltheorien des neunzehnten Jahrhunderts. Mag das Spiel in solchen Zusammenhängen 1»
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D i e ontologische Bestimmung des Spieles
gedeutet werden aus einer Nötigung der Natur oder aus Überfluß und Fülle des Daseins, aus der Entlastung vom Zwang unmittelbarer Lebensbewältigung oder aus der schöpferischen Freiheit des Menschen, das Spiel erscheint als ein Seiendes unter anderem Seiendem1. Es ist ein Reales, das beobachtet und beschrieben werden kann — eine Bewegung im Raum, ein Geschehen in der Zeit, ein Vorgang im Bewußtsein. Als Erscheinung des alltäglichen Lebens, als ein Reales in der Welt grenzt das Spiel sich aus gegen andere Erscheinungen. Das Spiel ist kein Gegenstand, das heißt, es ist mit Gegenstandskategorien allein nicht zu bestimmen. Es ist zwar Wirklichkeit, aber es ist in seiner Eigenart und in seiner Eigengesetzlichkeit nicht zu erklären wie andere raumzeitliche Erscheinungen. Es ist audi nicht nur ein Psychisches, ausschließlich dem Bewußtsein und Erleben eines je Einzelnen zugehörig, Entwurf seiner Phantasie in der Weise, daß es je nur „für mich", den Erlebenden, existiert und allenfalls in der Allgemeinheit psychologischer oder anthropologischer Abstraktionen zu fassen ist. Es entzieht sich nicht prinzipiell der Mitteilung; es enthält die Möglichkeit des Sicheinspielens, des Mitspielens, des Zuschauens undZuhörens. Wie das Kinderspiel in konkreten einzelnen Spielen, ein Fußballspiel oder ein Schachspiel in ihrem Vollzug, aber auch in der grundlegenden Spielidee, dem Handlungsrahmen und den Regeln so fixierbar sind, daß man sie lernen, üben und nachspielen kann, so ist auch noch das freieste Phantasiespiel eines Einzelnen einer inhaltlichen Kundgabe zugänglich, es kann erzählt werden wie die Sage oder das Märchen oder wie irgendeine Geschichte, die sich „tatsächlich" zugetragen hat. Was sich daran verbirgt und nur im eigenen Spiel erfahren werden kann, ist die Erlebnisweise als solche 1
Ein instruktives Beispiel für die Fülle und die Bedeutung dieser Phänomenuntersuchungen geben die Werke von Karl Groos, der unter einer teleologischen Grundlegung, nach der Spiel „absichtslose Selbstausbildung" und „Befreiung" vom Daseinszwang ist, die verschiedenen einzelwissenschaftlichen Aspekte zu vereinen sucht. (Vgl. Die Spiele der Thiere, Jena 1896; Die Spiele der Menschen, Jena 1899; Das Spiel. Zwei Vorträge 1. Der Lebenswert des Spiels; 2. Das Spiel als Katharsis, 2. Aufl. Jena 1922.) Im übrigen sei für die umfangreiche Literatur hier verwiesen auf die Bibliographie in dem Kongreßberidit Das Spiel (Herausgeber: Ausschuß Deutscher Leibeserzieher, Frankfurt/M. 1959) und die Zusammenfassungen von C£cile Allemann, Über das Spiel. Die Spieltheorien, Menscbenspiel und Tierspiel (Zürich 1951) und Hans Scheuerl, Beiträge zur Theorie des Spiels (Kleine pädagogische Texte Heft 23, Weinheim—Berlin o. J.).
§ 1: Die ontologische Ambivalenz des Spieles
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und die Seinsart des Geschehens: daß es Spiel ist. So hat man versucht, das Spiel aus seinem Handlungscharakter und aus dem Erleben zu verstehen, etwa im Gegensatz zur Arbeit als eine Tätigkeit, die um des Tuns und der Selbsttätigkeit willen lustvoll erlebt wird und nicht den Zweck, den Lohn oder das Werk, intendiert 2 . Oder die Bestimmung reflektiert auf das Geschehen selbst, unabhängig vom Erleben, auf die Bewegung, die „in sich selbst zurückkehrt", ein Phänomen von eigentümlicher Geschlossenheit, das isoliert ist gegen den Zusammenhang anderer Phänomene 3 . Aber solche Bestimmungen erfassen weder den eigentlichen Spielcharakter noch sind sie in dieser allgemeinen Weise durchführbar. Auch die Arbeit kann Spielmomente haben, sie kann lustvoll als ein Tun um seiner selbst willen erlebt werden, audi das Spiel kann die Realität anderer Phänomene berühren und muß sich auswirken, sofern es Teil dieser Welt ist. Dieselbe Tätigkeit kann Spiel und Nicht-Spiel sein, der Spielvorgang von einem Zuschauenden als Spiel oder als Nicht-Spiel erlebt werden. Aber wie das Spiel weder die Seinsart eines empirisch Aufweisbaren außer uns noch die Seinsweise einer bloßen Vorstellung hat, wie es weder nur Anschauung oder Begriff oder Idee ist, so ist es auch nicht allein bestimmbar unter dem Moment der Einstellung oder der Wertung. Faßt man das Spiel als eine Seinsweise des Menschen auf, so unterscheidet es sich wesentlich von anderen Seinsverwirklichungen: ihm fehlt der Ernst der Entscheidung, ihm fehlt das Entscheidende schlechthin4. Es ist „nur" ein Spiel — wie immer es zum Leben des Menschen gehört, es hat nicht das Gewicht der Angst, der Sorge, der 2
So bestimmt Kant in der Kritik der Urteilskraft (1790) das Spiel im Gegensatz zur Arbeit als „Beschäftigung, die für sich selbst angenehm ist" (§43. Kant's gesammelte Schriften. Herausgegeben von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Band V, Berlin 1908, S. 304). ' Schon Moritz Lazarus, der das Spiel als „freie, ziellose, ungebundene, in sich selbst vergnügte Tätigkeit" charakterisiert, geht auf die Wortbedeutung ein, nach der „spielen eine Bewegung bezeichnet, welche in sich selbst zurückkehrt, zu keinem Ziele hinstrebt" (Über die Reize des Spiels, Berlin 1883, S. 23). 4 Daß das Spiel nicht dem Ernst schlechthin entgegengesetzt ist, wird wohl in allen Spieltheorien betont. Johan Huizinga sieht die Grenze, an der die „ewige Umwälzung des Spiel-Ernst-Begriffs" zur Ruhe kommt, in der sittlichen Entscheidung {Homo Ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel, 1938, rowohlts deutsche enzyklopädie, Hamburg 1956, S. 203; vgl. a. S. 13 f.).
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Die ontologische Bestimmung des Spieles
Last5. Und es ist insofern anders als das Leben. Es erscheint wie eine Spiegelung, in der alle Lebensbezüge, die Erkenntnis, das Sittliche, die Gemeinschaft, die Einsamkeit, das Dingliche und das Lebendige sich zusammenfügen zu einer Einheit ohne Widerspruch, die darum möglich ist, weil der Widerstand der Realität und die Geltung von Wertungen aufgehoben sind. Aber das Spiel ist nicht Spiegelung schlechthin, und es gründet nicht nur in der Einstellung, mit der die Realität in einem Akt der Phantasie aufgenommen und das Geschehen gewichtlos, „spielend" wird. Es ist nicht so bezogen auf die Welt, daß es ein Widerschein aller Phänomene sein könnte. Wenn die wissenschaftliche Bestimmung, die reale Beschreibung, die Kausalerklärung und die teleologische Deutung jedes Spiel einbeziehen können als einen Vorgang in der Welt, so kann nicht umgekehrt jeder Vorgang in der Welt zum Spiel werden. Das Spiel hat Grenzen gegen das andere. Es ist ein in sich geschlossenes, selbständiges Phänomen. Die vorliegenden Interpretationen des Spiels haben die entsprechenden Kriterien in vielfachen Zusammenhängen herausgehoben: Es ist nicht nur die enge Zugehörigkeit zum Erleben einerseits und andererseits die Verwiesenheit auf anderes, oder die dem Spiel eigene Gestimmtheit, es ist auch die Struktur des Geschehens selbst, die das Spiel in ausgezeichneter Weise von anderen Vorgängen und Seinsarten unterscheidet. Das Spiel ist, mit einem Terminus von Schiller, „lebende Gestalt" 6 , nach der Terminologie der Gegenwart ein „Gebilde". Als ' So wird der Gegensatz von „praktischem Spiel und von praktischem Ernst" beispielsweise bei Julius Schaller im einzelnen dargestellt aus der Unterscheidung von Heiterkeit und verpflichtender Sorge. (Vgl. Das Spiel und die Spiele. Ein Beitrag zur Psychologie und Pädagogik wie zum Verständniß des geselligen Lebens, Weimar 1861, S. 42 ff.) Das Spiel ist daher nach Schaller „erlaubt", es ist „unschuldig". „Ich feiere im Spiele die Güte, die Humanität der Idee, die gerade dann, wenn ich mich ihr hingebe, mich freiläßt, mir den Genuß meiner individuellen Selbstständigkeit gönnt." (ebd. S. 85 f., gesperrt). 6 Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen (1795), 15. Brief: „Der Gegenstand des sinnlichen Triebes . . . heißt L e b e n , in weitester Bedeutung . . . Der Gegenstand des Formtriebes . . . heißt G e s t a l t , sowohl in uneigentlicher als in eigentlicher Bedeutung . . . Der Gegenstand des Spieltriebes, in einem allgemeinen Schema vorgestellt, wird also l e b e n d e G e s t a l t heißen können; ein Begriff, der allen ästhetischen Beschaffenheiten der Erscheinungen . . . zur Bezeichnung dient." (Schillers Werke, Nationalausgabe, 20. Band, unter Mitwirkung von Helmut Koopmann herausgegeben von Benno von Wiese, Weimar 1962, S. 355).
§ 1: Die ontologische Ambivalenz des Spieles
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solches ist es Einheit und Ganzheit, mit dem Charakter des Dynamischen7. Es ist geschlossen, in sich unendlich, gekennzeichnet durch ein Hin und Her, eine innere Ambivalenz. Es erscheint wie unabhängig von äußerer Determination; dem Gebilde selbst, nicht nur der Tätigkeit aus einer Spontaneität der Einbildungskraft, wird Freiheit zugeschrieben. Sie ist Freiheit im Sinne des Spielenden, Leichten, des „Zwischen" inmitten determinierender Begrenzungen. Die zeitliche Ausdehnung des Spieles läßt sich nicht beschreiben im bloßen Rückgang auf Vorhergehendes und im Vorblick auf Künftiges — Spiel ist Gegenwärtigkeit in der Dauer, herausgehoben aus dem Zusammenhang eines dem SpielAnfang Vorausliegenden und dem Spiel-Ende Folgenden8. Als Seiendes unter Seiendem geschieht es in einem Jetzt und Hier, aber es gestaltet sich aus seiner eigenen Ordnung, unter den Regeln des Spieles in Spielraum und Spielzeit9. So ist es nach Schiller Aufhebung der Zeit in der Zeit10, und es unterscheidet sich damit grundlegend von allem, was nicht Spiel ist. Und so ist es bestimmt worden als Fest, als Feier, als 7
Eine besondere Bedeutung erhält der Begriff des Gebildes vor allem bei Hans-Georg Gadamer, Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, Tübingen 1960. „Ich nenne diese Wendung, in der das menschliche Spiel seine eigentliche Vollendung, Kunst zu sein, ausbildet, Verwandlung ins Gebilde. . . Als solche ist das Spiel — auch das Unvorhergesehene der Improvisation — prinzipiell wiederholbar und insofern bleibend. Es hat den Charakter des Werkes, des Ergon und nicht nur der Energeia. In diesem Sinne nenne ich es ein Gebilde." (S. 105 f.).
8
Vgl. ζ. B. Hans Scheuerl, Das Spiel. Untersuchungen über sein Wesen, seine pädagogischen Möglichkeiten und Grenzen, Weinheim—Berlin 1954, S. 69 S. für die „Wesensmomente" der Freiheit, der inneren Unendlichkeit, der Scheinhaftigkeit, der Ambivalenz, der Geschlossenheit und der Gegenwärtigkeit. Obwohl die Spielregeln ebenso wie der Spielraum und die Spielzeit zum wenigsten in den Theorien der Gegenwart ausdrücklich in ihrer konstituierenden Bedeutung anerkannt werden, sind sie doch kaum ausführlicher untersucht worden. Vgl. ζ. B. Huizinga, Homo Ludens, S. 17 ff. und Scheuerl, Das Spiel, S. 94 ff., Friedrich Georg Jünger, Die Spiele. Ein Schlüssel zu ihrer Bedeutung, Frankfurt/M. 1953, S. 91 ff. Dagegen ist die Regelung der Kinderspiele, einerseits unter den Gesichtspunkten der Einteilung und Gestaltung, andererseits unter der Thematik Freiheit und Bindung durchaus im einzelnen beachtet. Vgl. ζ. B. Arnulf Rüssel, Das Kinderspiel, München 1953; Jean Chateau, Le jeu de l'enfant apres trois ans, sa nature, sa discipline, Paris 1946 und Jean Piaget, Das moralische Urteil beim Kinde, Zürich 1954.
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Über die ästhetische Erziehung... 14. Brief, WW S. 353: „ . . . der Spieltrieb also würde dahin gerichtet seyn, die Zeit i n d e r Z e i t aufzuheben, Werden mit absolutem Seyn, Veränderung mit Identität zu vereinbaren."
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Die ontologische Bestimmung des Spieles
freie Schöpfung, als das Nicht-Alltägliche, als das Zweckfreie, als das Sich-Abspiel ende. Insofern das Spiel das Nicht-Alltägliche ist, aber auch nicht die exemplarische Gestaltung des Kunstwerkes für sich in Anspruch nehmen kann, erscheint es als das Zufällige — weder unter dem Aspekt der Natur noch unter dem Aspekt eines Unendlichen notwendig. Die Aussage: Spiel ist freie Setzung oder freies Phänomen, gewinnt damit zugleich die Bedeutung, daß es im Gesamtzusammenhang der Welt „überflüssig" 11 ist, unverbindlich, bedeutungslos, sinnfrei. Die Vorstellung, daß die Geschehnisse in der Welt kausal verknüpft seien und idealiter als eine Reihe einander bedingender Ereignisse lückenlos aufweisbar sein müßten, wird dem Spiel nicht gerecht. Ebensowenig ergibt sich ohne weiteres ein notwendiger Zusammenhang aus dem Gedanken des Zweckes: das Überflüssige wird nicht verständlich aus einem Ziel, einem Endzweck der Natur — es ist eine Welt, auch als Welt denkender und fühlender Wesen vorstellbar, in der Spiel nicht ist. Wenn andererseits dem Spiel eine innere Kausalität eignet, wenn es immanente Zwecke hat und aus sich selbst seinen Sinn entwirft oder empfängt, so ist es in seiner Einheit und Fülle, seiner Ordnung und seiner Dynamik, seiner Geschlossenheit und inneren Unendlichkeit eine „Welt" in der Welt. Als Welt in der Welt aber ist das Spiel nicht mehr ein Seiendes unter anderem Seienden. Es steht außerhalb der Verflochtenheit des Seienden " Dieses „Überflüssige" kennzeichnet nicht immer das Zufällige im Gegensatz zum Notwendigen, das Sinnfreie oder gar Sinnlose im Gegensatz zum Sinnerfüllten. Nach Schiller ist es das „überflüssige Leben", das „sich selbst zur Thätigkeit stachelt", also Antrieb ist zum Spiel der Tiere, und der „Luxus der Kräfte und eine Laxität der Bestimmung" bewirken die gleichsam überfließende Fülle der lebendigen Natur. Dieses „physische Spiel" bzw. „Vorspiel des Unbegrenzten" ist daher als „Zwang des Überflusses" durchaus noch unter dem Aspekt einer Verursachung zu begreifen (Über die ästhetische Erziehung... 27.Brief, WW S. 406). Für Huizinga bestimmt sich das Überflüssige als das Höhere gegenüber der logischen und sogar der „vernünftigen" Bestimmung: „Von einer determiniert gedachten Welt reiner Kraftwirkungen her betraditet, ist es im vollsten Sinne des Wortes ein Superabundans, etwas Uberflüssiges. Erst durch das Einströmen des Geistes, der die absolute Determiniertheit aufhebt, wird das Vorhandensein, des Spiels möglich, denkbar und begreiflich. Das Dasein des Spiels bestätigt immer wieder, und zwar im höchsten Sinne, den überlogischen Charakter unserer Situation im Kosmos . . . Wir spielen und wissen, daß wir spielen, also sind wir mehr als bloß vernünftige Wesen, denn das Spiel ist unvernünftig." ( H o m o Ludens, S. 11).
§ 1: Die ontologische Ambivalenz des Spieles
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untereinander und im Ganzen, es hat den Charakter des Losgelöstseins, der Isolierung, des Fürsichseins. Es existiert aus sich und in sich, das heißt ohne eine vom Phänomen her gegebene Verweisung auf anderes und einen außer ihm zu vermutenden Seinsgrund. Als dieses Sein für sich, aus dem alles in das Spiel Einbezogene seinen eigenen Sinn und seine eigene Bedeutung erhält, bestimmt sich das Spiel als ein Phänomen, dessen ontologischer Status anders zu beschreiben ist denn das übrige Seiende. In der philosophischen Bestimmung des Spielbegriffes zeigt sich dieses Fürsichsein zunächst darin, daß das Spiel in der Philosophie der Neuzeit seinen systematischen Ort in der „Kritik der Urteilskraft" findet. Der Spielbegriff hat kein „Feld der Gegenstände", auf dem er gebietend wäre, er ist weder dem Naturbegriff, noch dem Freiheitsbegriff allein zuzuordnen 12 . Die Bestimmung des Begriffs geht aus von der engen Bindung an das Gefühl, das Erleben, eine besondere Gestimmtheit und Einstimmung. Sie stellt das Spiel in den Bereich des Ästhetischen, in die Bildhaftigkeit, ohne es aufgehen zu lassen im NurSinnlichen der Anschauung. Wenn auch bei Kant nur in der Thematik der Kritik der ästhetischen Urteilskraft ausgesprochen, so hat der Spielbegriff doch als „Zweckmäßigkeit ohne Zweck" auch eine führende Bedeutung für die Kritik der teleologischen Urteilskraft. So ist das Spiel dem Schönen und dem Organischen zugewiesen, und der Spielbegriff bildet den „Ubergang" zwischen Naturbegriff und Freiheitsbegriff. Gegenüber dieser umfassenden Bedeutung erscheinen die Spiele als Phänomen sekundär. Sie gehören noch in den Umkreis des Schönen, aber an der Grenze zum Angenehmen und im Bezug zum Leben, nicht wie die Kunst als Darstellung der Idee in unmittelbarem Bezug zum Geist13. Sie sind stärker gebunden an die Realität der Lebenswelt. Die Thematik der Ästhetik geht daher nicht von den Spielen als solchen aus, sondern von einem Spielbegriff, der im Sinne einer Grundkategorie des Ästhetischen fungiert und das Schöne im Spiel gründen 12
Kant, Kritik der Urteilskraft, Einleitung III (WW S. 176 ff.). Im direkten Textbezug ist nicht das Spiel zwischen Einbildungskraft und Verstand, sondern das Gefühl der Lust bzw. die Urteilskraft genannt. (Für den Zusammenhang vgl. § 9, WW S. 216 ff.) Der Spielbegriff Kants wird später ausführlich dargestellt. " Die Spiele gehören zu den angenehmen Künsten (ebd. § 44, WW S. 305), sie sind „vergnügend" und fördern „das Gefühl der Gesundheit" (ebd. § 54, WW S. 330 ff.).
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D i e o n t o l o g i s c h e B e s t i m m u n g des S p i e l e s
läßt. Sieht man zunächst von der Frage nach dem Ursprung des Spieles ab, so daß offenbleibt, ob das Gründende ein inneres Spiel zwischen Einbildungskraft und Verstand ist wie bei Kant, oder mit Schiller zugleich Vermittlung zwischen zwei Welten, dem Reich der Natur und dem Reich der Freiheit, oder auch, wie in der phänomenologisch-existenzphilosophischen Richtung der Gegenwart, das relationale Gebilde als ein Fürsichsein, so ergibt sich eine fundierende Übereinstimmung: das Spiel hat den Charakter des „Zwischen" 14 . In Entsprechung zu der in den Spieltheorien getroffenen Bestimmung der Ambivalenz, zugleich im Unterschied zu der Ambivalenz des Erlebens und ontischen Geschehens, mag der ontologische Status des Spieles die ontologische Ambivalenz genannt werden.
Der Spielbegriff in der Ästhetik Die ontologische Ambivalenz bedeutet zunächst, daß das Spiel sich einer eindeutigen Bestimmung entzieht. Unter dem Gegensatz von empirischer Realität und Ansichsein gesehen, kommt ihm weder die Bestimmtheit eines Seienden in der Zeit zu noch die Unbestimmtheit eines unzeitlichen Ansidiseins. Reflektiert man auf die Antithetik von Sein und Nichts, so umgreift es diesen Gegensatz, ohne ihn aufzulösen. Es ist nicht etwa Etwas in dem einen Aspekt und dieses Etwas nicht in dem anderen — wie eine Wahrnehmungstäuschung wirklich ist als seelische Wirklichkeit und im Sinne der Gegenstandsbestimmung nicht wirklich, oder wie die Zeit im Kantischen Sinne empirische Realität hat und transzendentale Idealität, oder wie ein Gefühl für den einen „da" ist und für den anderen nicht da ist. Es scheint etwas zu sein und nicht zu sein im selben Aspekt; es ist real und es ist nicht real; es ist in der Welt und es ist nicht in der Welt. Seine Seinsweise ist die eines Unbestimmt-Bestimmten. In der Ästhetik kommt die ontologische Mehrdeutigkeit zum Ausdruck als „ästhetischer Schein" oder als „Scheinhaftigkeit", als „Schei14
Vgl. ζ. B. Scheuerl, Das Spiel, S. 88 ff. „Spielen ist immer ein ,Spielen-zwischen'. Wer von einem Wesen, einem Ding, einem Geschehnis sagt, ,es spielt', der sagt formal nichts anderes aus, als daß es nicht entschieden festgelegt s e i , . . . sondern daß es sich allen Richtungspolen gegenüber in einem kreisenden, pendelnden, schwebenden .Zwischen' befinde." (ebd. S. 93, kursiv).
§ 1: Die ontologische Ambivalenz des Spieles
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nen" und „Erscheinen", als ein Mittleres oder ein Drittes, als ein Zusammengehören von Dasein und Nichtsein. Der ästhetische Schein ist nach Kant nicht Täuschung in bezug auf die Wahrheit 15 , aber er ist offenbar dem dialektischen Schein im „Antinomienspiel" verwandt. Er ist ein Schein, der ohne Ubergang „in Nichts verschwindet" 16 und aus dem Nichts wieder wird. Schiller nennt ihn aufrichtig und selbständig, da er weder einen Anspruch auf Existenz erhebe noch sich aus der Realität begründe17. Aber diese Distanz zur Realität bedeutet keine ontologische Unabhängigkeit von der realen Welt, sondern die Negation der Realität als das „bestimmte Dasein" 18 — nicht das Dasein ist ausgeschlossen, sondern seine Bestimmtheit. Es ist damit offen für eine andere Bestimmung, und so erklärt sich die Möglichkeit des Erscheinens der Idee in der Zeitlichkeit. Das ästhetische Sein ist daher nach Schiller die Integration von Realität und Idealität zu einer Unendlichkeit, die alle Fülle der realen Welt hineinnimmt, ohne ihr zu verfallen und ohne die Gesetzlichkeit als solche aufzuheben. Es ist Spiel, weil es frei ist von Zwang und Nötigung und dennoch nicht beziehungsloses Fürsichsein, nicht zufällig. Die Rechtfertigung des Ausdruckes „Spiel" für das Ideal einer Uberwindung des Dualismus von Leben und Geist ergibt sich aus der Aufhebung der Antithetik von Zufälligkeit und Notwendigkeit. Spiel ist das, „was weder subjektiv noch objektiv zufällig ist, und doch weder äußerlich noch innerlich nöthigt" 19 . Deutlicher als in Schillers Theorie der dialektischen Synthesis von Formtrieb und Stofftrieb und der Einheit zweier Bereiche wird die ontologische Ambivalenz in der Ästhetik der Gegenwart. Das Sein des Schönen ist nicht zu verstehen wie ein ständiges Verschmelzen von Seinsregionen, sondern als ein Ineinsspielen, an dem der Charakter des Daseins und Nichtseins auf das Schöne selbst bezogen wird. So erklärt N. Hartmann die Seinsweise des Ästhetischen aus einem „Ineinanderspielen" von sinnlicher Schau und ästhetischer Schau auf Seiten des Subjekts, aus einem „Schillern" des Schönen auf Seiten des ästhetischen 15
Kritik der Urteilskraft § 53, WW S. 327, in bezug auf die Dichtung. Ebd. § 54, WW S. 334, im engeren Textzusammenhang auf den Witz bezogen. 17 Über die ästhetische Erziehung . . . 26. Brief, WW S. 402. " Ebd. 21. Brief, WW S. 377; vgl. a. 19. und 20. Brief. 19 Ebd. 15. Brief, WW S. 357. Schiller beruft sich für diese systematische Bestimmung auf die allgemeine Verwendung des Wortes. le
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Die ontologische Bestimmung des Spieles
Gegenstandes20. Das Schöne „ist da und ist auch nicht da" 21 . In dieser Weiterführung des Kantischen Ansatzes verschiebt sich die Bedeutung des inneren Spieles von dem Spiel zwischen Einbildungskraft und Verstand, zwischen Sinnlichkeit und Denken auf das Hin und Her zwischen Wahrnehmung und ästhetischer Intuition. Im Verhältnis zu Schillers idealistischem Spielbegriff gesehen entspricht ihr eine Tendenz zur realistischen Auffassung des Ästhetischen als „Erscheinung" 22 . Die Integration des Irrealen und des Realen ist keine dritte Seinsweise, keine Welt des „Scheins", sondern ein Schichtungsverhältnis, das die Geschiedenheit nicht aufhebt, vielmehr das eine im anderen erscheinen läßt. Der Spielbegriff N . Hartmanns betont daher einerseits das Als-Ob, die bewußte Fiktion, andererseits die Fundierung durch das reale Seiende. Das Spiel ist eine „phantasiegeschaffene Welt" 23 , Entwurf der Spontaneität im Zusamenhang einer „Entwirklichung des Gegenständlichen", das jedoch mitgewußt bleibt24. Es ist eine Welt für sich, eine eigene Welt als Selbstdarstellung des Menschen25. In dieser Darstellung aber kehrt der „Aufbau der realen Welt" wieder. Die ontischen Schichten — das sinnliche Ding, das Lebendige, das Seelische und das Geistige — spiegeln sich der Sache nach und in ihrer festgelegten Stufenfolge, wie immer sie in den einzelnen Künsten weiter differenziert sind und ihre besonderen Bedeutungsakzente erhalten 26 . Da zugleich jedoch das Erscheinende als das Irreale die Kunst konstituiert, das Gespielte zum Spiel gehört und eben darum das Schöne da ist und nicht da ist, ergibt sich die Schwierigkeit eindeutiger Bestimmung, die bis in die sprachliche Formung bei N. Hartmann ersichtlich wird: So 80
Nicolai Hartmann, Ästhetik, Berlin 1953, S. 17 ff. und S. 34 f. Ebd. S. 34. Hartmann fügt hinzu: „Sein Dasein ist ein schwebendes." " Vgl. ebd. S. 35 ff. 81
a
Wenn nach Hartmann das Spiel des Kindes Illusion ist (vgl. ebd. S. 112) und erst das Spiel des Erwachsenen Fiktion im eigentlichen Sinne, so bleibt doch auch für das Kind die Trennung von Spiel und Wirklichkeit prinzipiell erhalten (vgl. ebd. S. 53). " Vgl. ebd. S. 35 ff. " Ebd. S. 113: „Vielleicht sollte man lieber sagen, daß es keine nichtdarstellenden Künste gibt. Etwas bringt der Mensch in aller künstlerischen Formung zur Darstellung — sich selbst." " Ebd. S. 458: „Es muß nun klar ausgesprochen werden: im Grunde sind es im ästhetischen Gegenstande dieselben ontischen Schichten, die den Aufbau der realen Welt ausmachen."
§ 1: Die ontologisdie Ambivalenz des Spieles
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ist die Dichtung von einer „,halben' Konkretheit", sie bedarf einer „Zwischenschicht", einer „Ersatzschicht", um das „Niemandsland der Erscheinung, die ,Welt des Dichters', in der die Ereignisse , s p i e l e n ' z u ermöglichen27. Diese „erscheinende Wahrnehmbarkeit" wird erst greifbar im „Schau-Spiel" und durch den „Schau-Spieler", in der „Verschiebung der ,erscheinenden Wahrnehmbarkeit' in die Realität und in die wirkliche Wahrnehmbarkeit" 28 . Das Darstellungsspiel wird zum repräsentativen Phänomen, an dem die Ästhetik N. Hartmanns den ontologischen Status des Kunstwerks bestimmt. Man kann das Verhältnis von Dasein und Nichtdasein vielleicht am besten verstehen als das Umgreifen von Sein und Schein. Wird dieses Umgreifen nicht gedacht als ein dialektisches Vereinen, das aufhebt, indem es negiert, bewahrt und emporhebt zugleich in der Form eines „Dritten", eines Neuen und Anderen, so tendiert die Bestimmung in ihrer Doppelwertigkeit danach, die eine oder die andere Seite zu betonen. Für N. Hartmann fällt das Gewicht auf die Seite der Wirklichkeit der realen Welt. Diese Bindung an ein vorgegebenes Sein ist für Hartmann so eng, daß er den Wert des Kunstwerkes daran mißt — an •der Lebensnähe, am Seienden. In einer solchen Auffassung bedeutet das Umgreifen von Sein und Schein: Das Gespielte ist gleichsam der Schatten des Seienden. Das Spiel ist ein gespieltes Sein. Die Gegenthese für die Vermittlung von Sein und Nichts im Umgreifen von Sein und Schein müßte die Umkehrung behaupten: Das Erscheinende ist das Eigentliche, es spiegelt nicht, es ist Sein. Das Sein ist Spiel, oder das Spiel ist Sein, und das Gespielte ist das Seiende. Ihm gegenüber sinkt das Materiale und Reale ab als der Schein, die mögliche Täuschung, die Einseitigkeit. Das Verhältnis von Dichtung und realer Welt ist dann nicht analog dem Verhältnis von Traum und Wirklichkeit, wobei der „Traum" in der Distanz eines Wissens um das andere beides umfaßt, sondern es ist analog dem Verhältnis von Wirklichkeit und Abstraktion, so daß die reale Welt den Charakter des Nichtwirklichen erhält. In der Wirklichkeit ist die Abstraktion angelegt, im Sinne i7 M
Ebd. S. 105 ff. und S. 110. Ebd. S. 113. Vgl. z. B. S. 111: „Der Schauspieler liebt und haßt nicht, er leidet nicht, und das dargestellte Schicksal ist nicht sein Schicksal. Das alles ,erscheint' nur, ist ,gespielt', dargestellt. Und darum heißt das Werk als aufgeführtes ein .SchauSpiel', der Künstler aber als Darsteller .Schau-Spieler'."
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eines Absehens von der Fülle der Bezüge und ihrer Mehrdeutigkeit. Nicht das Schauspiel, als Konkretisierung der Dichtung, ist orientierendes Phänomen, sondern die Dichtung als das weniger Ausgelegte, das sich stärker in der Ambivalenz hält. Das Ästhetische beruht nicht auf einer Entwirklichung der Welt, sondern verwirklicht Welt. Es ist Welt. Demgegenüber erscheint die reale Welt, gedacht in einem festgelegten Strukturverhältnis, in dem Dinge und Ereignisse gegenständlich sind, als „Entweltlichung" 29 . Das Werk läßt erscheinen, was ist, nicht weil es irgend etwas spiegelt oder darstellt, sondern weil es Selbstdarstellung des Seins ist — nicht Selbstdarstellung des Menschen, sondern Darbietung des Seinsspieles durch das Medium des Menschen hindurch. Der Akzent verschiebt sich hier auf das andere Moment der Antithetik von Realität und Irrealität: die Welt des Spieles, als ein Fürsich, gewinnt den Charakter eines nicht-gegenständlichen Ansichseins, das sich uns offenbart als Spiel und in den Spielen. In Heideggers Untersuchung über den „Ursprung des Kunstwerkes" 30 wird der Begriff des Spiels noch nicht thematisch verwandt, und auch in den späteren Veröffentlichungen äußert sich Heidegger nicht zum Spiel als Phänomen. Andererseits aber kündigt sich schon in der Interpretation des Kunstwerkes als Sich-Ereignen von Welt die spätere Bedeutung des Spielbegriffes an: die Eröffnung des „Zeitspielraumes", das „Widerspiel" von Sein und Schein, der „Streit", in dem das „Zusammenspiel" von Welt und Erde, Göttlichem und Menschlichem wird. Der „Spielraum des Gelichteten", das Heraustreten des Seins aus seiner Verhülltheit ist kein Spiel auf offener Bühne, „auf der sich das Spiel des Seienden abspielt" 31 . Daß dieser Vergleich nicht zulässig ist, heißt nicht, daß es kein Spiel des Seienden ist, sondern es be28
so 31
In diesem Sinne kennzeichnet Martin Heidegger schon in Sein und Zeit (1927) die Bestimmungen des innerweltlich Vorhandenen als „Entweltlichung der W e l t " und „Entweltlichung des Zuhandenen" (8. Aufl. Tübingen 1957, S. 65 und 75). Martin Heidegger, Holzwege (1950), 2. Aufl. Frankfurt/M. 1952, S. 7 — 6 8 . Ebd. S. 4 2 : „ D a ß das Seiende als Schein trügen kann, ist die Bedingung dafür, daß wir uns täuschen können, nicht umgekehrt. Die Verbergung kann ein Versagen sein oder nur ein Verstellen. Wir haben nie geradezu die Gewißheit, ob sie das Eine oder das Andere ist. Das Verbergen verbirgt und verstellt sich selbst. Das sagt: die offene Stelle inmitten des Seienden, die Lichtung, ist niemals eine starre Bühne mit ständig aufgezogenem Vorhang, auf der sich das Spiel des Seienden abspielt. Vielmehr geschieht die Lichtung nur als dieses zwiefache Verbergen. Unverborgenheit des Seienden, das ist nie ein nur vorhandener Zustand, sondern ein Geschehnis."
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tont die Einigung von Wirklichkeit und Nichtwirklichkeit, die ontologisdie Ambivalenz als Enthüllen und Verbergen. So stellt das Schauspiel nichts dar, es spielt nicht etwa den Kampf der Götter — dieser Kampf „ist", wie der Gott ist im Bildwerk, „anwest" 32 . Die Konsequenz, bezogen auf die Deutung des Spielphänomens, ist eine doppelte: der Wahrnehmungscharakter wird unwesentlich, ohne daß die Anschaulichkeit negiert wird, und die ontologische Mehrdeutigkeit umfaßt stärker den Gegensatz von Sein und Werden. Die Dinghaftigkeit des Sinnlichen — das Materiale des Kunstwerks, der Marmor, die Farbe, der Ton, der Stoff gegenüber der Form, die Dinge als ein anderes denn das Lebendige und das Beseelte — ist nicht relevant. Im Zusammenhang des Beispieles von Heidegger — die Schuhe auf dem Gemälde von van Gogh — ergibt sich für den Leser die Vorstellung eines Rückganges zum Ursprünglichen — die Schuhe als Ding, die Schuhe als Gebrauchsgegenstand, die Schuhe als Darstellung —, in dem das Sein sich zu sich selbst verdichtet in der Kunst; und auch wohl in diesem Sinne ist für Heidegger alle Kunst Dichtung. Die Dichtung aber ist ambivalent, im einzelnen Wort wie im Gefüge der Worte — sie enthüllt und verbirgt, sie hält sich in der Ambivalenz von Entzug und Gewähren. Dichtung ist Sprache, und Sprache ist „Spiel" und setzt uns aufs Spiel nach Heidegger, denn sie ist „Zwiefalt", ein Rufen „in sich und darum stets hin und her" 33 . Dieser Auffassung entsprechen die Deutung des Spieles bei Fink als „ontischer Schein" und „symbolische Repräsentanz" von Welt und Leben34, bei Gadamer die „Verwandlung ins Wahre" und die „ästhetische Nichtunterscheidung" 35 . Sie versteht das kultische Spiel als das 32
Ebd. S. 32. Martin Heidegger, Die Sprache, in: Unterwegs zur Sprache (1959), 2. Aufl. 1960, S. 21. Auf die Bedeutung des Spielbegriffs bei Heidegger wird in geschlossenem Zusammenhang eingegangen. 34 Eugen Fink, Oase des Glücks. Gedanken zu einer Ontologie des Spiels, München 1957, S. 47 ff. Die Thematik des Spiels als „Modell" der Metaphysik, wie sie in Spiel als Weltsymbol, Stuttgart 1960, durchgeführt ist, wird hier schon ausdrücklich angekündigt. " Wahrheit und Methode, S. 107: „Die Verwandlung ist Verwandlung ins Wahre . . . die Erlösung und Rückverwandlung ins wahre Sein. In der Darstellung des Spieles kommt heraus, was ist. In ihr wird hervorgeholt und ans Licht gebracht, was sich sonst ständig verhüllt und entzieht." Und S. 111 für die „ästhetische Nichtunterscheidung": „ . . . das in der Nachahmung Nachgeahmte, vom Dichter
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Ursprüngliche, das noch nicht der Geschiedenheit von Erleben und Reflexion verfällt, und sie kann ohne Bruch eine phänomenologische Kulturphilosophie aufnehmen, die etwa im Sinne Huizingas die Kultur im Ganzen unter dem Aspekt des Spieles sieht, sei es in der Abhebung formaler Kriterien, sei es im Blick auf das Fest, den Mythos, auf Kampf und Bild, auf das Drama — als Auflösung der „Unterscheidung von Glauben und Verstellung"38. Sie untersucht das Phänomen vom Wortgebrauch her — vom „Spiel der Kugel im Lager" bis zum „Spielzeug der Götter". Sie geht von „sprachlichen Spielen" über zur Einheit und Ganzheit des Seienden, von der „Zweideutigkeit" des Spieles zur Wahrheit, vom Spiel zur Welt, die eine „sprachverfaßte Welt" ist37. So übersteigt die Fragestellung den Bereich der Ästhetik: Das Spiel wird zum „Weltsymbol" 38 und zum „Leitfaden der ontologischen Explikation" 39 — als ein Spiel ohne den Menschen, als ein „Spiel ohne Spieler"40. Im Zusammenhang mit dem „Satz vom Grund" ist das Spiel das grundlos Gründende, das „spielet, weil es spielet"41, und der Mensch ist „aufs
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Gestaltete, vom Spieler Dargestellte, vom Zuschauer Erkannte ist so sehr das Gemeinte, das, worin die Bedeutung der Darstellung liegt, daß die dichterische Gestaltung oder die Darstellungsleistung als solche gar nicht zur Abhebung gelangen." In seinem Diskussionsbeitrag zu Fink, Spiel als Weltsymbol (Philosophische Rundschau 9, 1961, S. 5 ff.), weist Gadamer selbst auf die Gemeinsamkeit des Ansatzes für die „in der Luft liegende Frage" nadi dem Spielbegriff hin, ebenso ausdrücklich aber auch auf die Divergenz der Auffassungen. Huizinga, Homo Ludens, S. 32. Vgl. Gadamer, Wahrheit und Methode, S. 463 f. und 423. Die Bedeutung dieses „Weltsymbols" besagt etwa mit Fink: „ . . . im Spiel des Menschen scheint das Weltganze in sich selbst zurück, läßt an und in einem Innerweltlichen, an und in einem Endlichen Züge der Un-Endlichkeit aufschimmern" (Spiel als Weltsymbol, S. 230). Vgl. Gadamer, Wahrheit und Methode, S. 97 ff. Diese Formulierung von Fink (Spiel als Weltsymbol, S. 230) bezieht sich auf das „Spiel der Welt", „das Verhältnis der Weltnadit zum Welttag". „Alles Seiende ist kosmisches Spielzeug, aber auch alle Spieler sind selber nur gespielt. Die Erscheinung ist Maske, hinter der ,niemand', hinter der nichts ist — als eben das Nichts" (S. 241 f.). Nach Scheuerl (Das Spiel, S. 134 f.) ist die Urform des Spiels im „Sich-Abspielen" der „subjektlosen Spiele" zu suchen. „Nicht der Spieler definiert das Spiel, sondern das Spiel definiert den Spieler." — Gadamer formuliert: „alles Spielen ist ein Gespieltwerden. ... Das eigentliche Subjekt des Spieles . . . ist nicht der Spieler, sondern das Spiel selbst" (Wahrheit und Methode, S. 101 f.). Martin Heidegger, Der Satz vom Grund (1957), 2. Aufl. Pfullingen 1958, S. 188. Die Frage nach dem Grund führt nach Heidegger zu jenem „Spiel, worin das Sein als Sein ruht", und damit zu der Frage nach der „Zusammengehörigkeit von Sein
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Spiel gesetzt" in diesem Hin und Her von Gewähren und Entzug42. Man kann diesen Interpretationsweg verfolgen von Nietzsche bis Heidegger, und man kann auch die Rückwirkung auf die Analyse des Spiels verfolgen bis in die psychologischen, soziologischen und pädagogischen Theorien: die Deutung und Wertung des Phänomens aus der zugrunde gelegten Ontologie und Metaphysik. Für die ontologische Thematik der Phänomenologie erklärt sich dieser Zusammenhang nicht nur aus der allgemeinen Abhängigkeit der Einzeldeutung von der philosophischen Grundlegung, sondern auch spezieller aus der „Zeigefunktion" des Phänomens. Der Verweisungscharakter des Spieles bzw. der Kunst auf das Sein kann für N. Hartmann wie für Heidegger gelten — das „Wohin" der Verweisung ist verschieden, und von ihm aus bestimmt sich der Bezug zwischen Spiel und Welt. Die „Sache selbst" bietet sich nicht einfach an als diese selbe Sache. Ist der Schatten, ist das Spiegelbild ein schwächeres Abbild, oder offenbaren sie das Urbild selbst deutlicher in seinen Konturen, stärker im Widerspiel der Bewegung? Auch ohne auf die Diskussion in der Interpretation des Spieles über die platonische Mimesis-Theorie43 und über die Aussagefunktion der Sprache zurückzugreifen44, deutet sich vielleicht schon das aus der Sache entspringende Problem der Bestimmung des Spieles an. Und es genügt vielleicht vorläufig, für die ontologische Problematik einer Theorie, die das Spiel des Menschen aus einem Spiel des Seins versteht und den Menschen als den „Gespielten", dessen Spiel die Dimension des Unbegreifbaren entwirft und sich hin-
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und Grund mit dem Spiel". „Läßt sich das Wesen des Spiels sachgemäß v o m Sein als Grund her bestimmen, oder müssen wir Sein und Grund, Sein als Ab-Grund aus dem Wesen des Spiels her denken und zwar des Spiels, in das wir Sterbliche gebracht sind, die wir nur sind, indem wir in der N ä h e des Todes wohnen . . . ? Der Tod ist die noch ungedachte Maßgabe des Unermeßlichen, d. h. des höchsten Spiels, in das der Mensch irdisch gebracht, auf das er gesetzt ist." (ebd. S. 186 f.). Eine entsprechende, jedoch nicht ausdrücklich von Heidegger ausgehende „existenzialpsychologische Spieldeutung" gibt Ernst Haigis in: Das Spiel als Begegnung. Versuch einer materiellen Spieldetttung, Leipzig 1941 (Sonderdruck aus: Zeitschrift für Psychologie Bd. 150, H e f t 1—3). Das repräsentative Beispiel ist, als eines der „Urspiele", das „Weg-Her-Spiel" (vgl. S. 38 ff.), an dem das Erlebnis der Gefährdung als „Spiel mit Leben" und auch als „ q u a l i t a t i v e r Sprung in das Totsein" gedeutet wird (S. 48 f.). Vgl. Fink, Spiel als Weltsymbol, S. 101 ff. Vgl. z . B . Huizinga, Homo Ludens, S. 34 ff.; Scheuerl, Das Spiel, S. 124 ff.; Gadamer, Wahrheit und Methode, S. 98 ff. Heidemann, Der Begriff des Spieles
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aushält in das ganz Andere, darauf hinzuweisen, daß sie — zu Recht oder zu Unrecht — einem Einwand von Husserl begegnen könnte: „So treiben wir ein artiges Spiel: Aus der Welt entwickelt sich der Mensch, aus dem Menschen die Welt; Gott schafft den Menschen, und der Mensch schafft: Gott." 43 Aus dem Spiel entspringt die Freiheit, aus der Freiheit das Spiel...
Der Spielbegriff in der Metaphysik Husserls Einwand richtet sich gegen die Relativierung der Wahrheit. Die Aufnahme des Spielbegriffes in die Philosophie der Gegenwart, sofern sie sich nicht im Bereich der Ästhetik hält, richtet sich gegen die einseitige, fixierende Festlegung von Wahrheit. Sie folgt einerseits Husserl, indem sie über die ontologische Subjekt-ObjektSpaltung hinübergreift auf die Relation als solche, die Fiktion als das Grundphänomen setzt und als Bedingung der Möglichkeit von Mensch und Welt das Sein der Verflochtenheit von Relationen und intentionalen Bezügen bestimmt: Die Kunst gründet den Künstler und das Kunstwerk; nur weil es das Spiel gibt als ein „Von sich aus", gibt es Spielende und ihr Spiel. Aber sie hält zugleich anders fest an dem objektiven Daseinscharakter von Mensch und Welt. Das Spiel als „Gebilde" und in seiner „symbolischen Repräsentanz" ist nicht isoliert gegen das Phänomen, es soll entsprechen. So kann von den phänomenologischexistenzphilosophischen Theorien des Spiels nicht gesagt werden, daß das Wesen des Spiels ein „neuartiger Gegenstand"4® im Unterschied zu den einzelnen Spielen ist oder daß die Dichtung im Verstehen erst gewissermaßen umgesetzt werden muß in die Vollkommenheit freier und absolut klarer Phantasien 47 . Von ihren Bestimmungen gilt daher zwar, 45
Edmund Husserl, Logische Untersuchungen. Erster Band, Prolegomena zur reinen Logik (1900), 4. Aufl. Halle 1928, S. 121. 46 wie das reine Wesen im Sinne Husserls. Vgl. Ideen zu einer reinen Phänomenologie und -phänomenologischen Philosophie, Erstes Bud? (1913), in: Husserliana, Haag 1950 ff., Band III, S. 14 f. " Vgl. Husserl, Ideen I, § 70, S. 160 ff. Entsprechend ist zu unterscheiden zwischen dem Spiel als Fiktion und der Fiktion im Sinne Husserls, bei der „aus Einbildungen durch eine darauf gegründete sog. Wesensschauung neue Gegebenheiten, ,eidetische', entquellen sollen" (ebd. S. 42). Daß jedoch eine Verbindung in der Auf-
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daß das wissenschaftliche Urteil im Sinne der Kausalerklärungen und teleologischen Deutungen ausgesetzt werden soll, aber nicht, daß ihr Sinn und ihre Bedeutung und ihr Wert für die Erkenntnis gleichgültig dagegen sind, „ob es überhaupt so etwas wie Menschen und eine Natur gibt, oder ob all das nur in der Einbildung und Möglichkeit besteht" 48 . Sie nehmen vielmehr diese Gegensetzung von Wirklichkeit und Möglichkeit auf als ein Zusammengehören, das dem Spiel eigentümlich ist, und sie unterliegen damit nicht nur der Rechtfertigung vom Phänomen aus, sondern sie erhalten auch eine andere Bedeutung in der Analyse des Phänomens. Eine Art Verbindung beider Positionen, nach denen das Spiel einerseits gespieltes Sein, Widerschein der Realität, andererseits unmittelbare Darstellung des Seins selbst ist, bildet die Verwendung des Spielbegriffs bei Jaspers. Zugleich zeigt sich eine vermittelnde Position zwischen dem Ansatz am spielenden Subjekt und dem Ansatz am „spielenden" Gebilde. Für Jaspers gilt nicht nur die ausdrückliche Betonung der SubjektObjekt-Problematik in der dauernden Intention ihrer Uberwindung auf das nicht eigentlich zu Begreifende der Relation selbst, sondern audi die Anerkennung der Subjekt-Objekt-Gegensetzung für die Bezüge des faktischen Lebens. Schon in seiner „Psychologie der Weltanschauungen" geht Jaspers auf die „spielende Einstellung" ein, und zwar unter Hervorhebung der Tendenz zur „unechten" Haltung, der Diskrepanz zur Wirklichkeit des Daseins. Die spielende Einstellung „isoliert und unterbricht", nicht anders als die ästhetische, das „Ganze" der Existenz49. Auch in der „Philosophie" überwiegt zunächst die Interpretation des nähme des Spielbegriffes in der Metaphysik der Gegenwart mit der Phänomenologie bestehen könnte, legt sich aus der zentralen Stellung der Fiktion in der Wesensschau nahe: „So kann man denn wirklich, wenn man paradoxe Reden liebt, sagen und, wenn man den vieldeutigen Sinn wohl versteht, in strikter Wahrheit sagen, daß die . F i k t i o n ' d a s L e b e n s e l e m e n t d e r P h ä n o m e n o l o g i e , w i e a l l e r e i d e t i s c h e n W i s s e n s c h a f t , a u s m a c h t , daß Fiktion die Quelle ist, aus der die Erkenntnis der .ewigen Wahrheiten' ihre Nahrung zieht." Husserl fügt in der Anmerkung hinzu, daß dieser Satz sich „als Zitat besonders eignen dürfte, die eidetische Erkenntnisweise naturalistisch zu verhöhnen" (ebd. S. 163). 48 Edmund Husserl, Logische Untersuchungen. Zweiter Band, Untersuchungen zur Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis, I. Teil (1901), 4. Aufl. Halle 1928, S. 22. " Karl Jaspers, Psychologie der Weltanschauungen (1919), 4. Aufl. Berlin, Göttingen, Heidelberg 1954, S. 57. 2»
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Spieles aus dem Standpunkt der Unverbindlichkeit der „zweideutigen" Phantasie und der isolierten „Gebilde" der reinen Kunst. In der „Systematik der spielenden Metaphysik" scheint jedoch diese negative Abgrenzung zwischen einer Welt des Möglichen und der existentiellen Wirklichkeit aufgehoben zugunsten der Deutung des Spieles als „ausgesagte Sprache der Transzendenz", die „ohne Aufdringlichkeit sich als bloße Möglichkeit anbietet" 50 . Für die Frage nach der Wahrheit gewinnt das Spiel daher eine wesentlichere Bedeutung im Aspekt des „spielenden Denkens" und des „Symbols": Das Spiel ist „reine Gegenwärtigkeit des eigenen Tuns", zugleich aber audi „Gleichnis und Chiffer für umgreifende Wirklichkeit", so daß im Spiel als „stellvertretender Wirklichkeit" das Sein erfahrbar wird — in einem unendlichen Symbol, das sich der rationalen Bestimmung entzieht, dessen Deutung „selber ein gleichnishaftes Tun, ein Spiel"51 ist. Die einzelnen Aussagen über das Spiel bei Jaspers ließen sich wohl direkt auf Kant und Schiller zurückführen, die Begründung der im Symbol angenommenen Seinsnähe aber geschieht nicht viel anders als bei Heidegger: Das Sein ist mit dem bestimmenden Denken und den Feststellungen der Wissenschaften nicht zu begreifen, es gibt keine objektiven Kriterien der Wahrheit. Das Sein „spricht" in Täuschung, Verkleidung, Verwandlung, und so sind wir gezwungen, es im Spiel zu erfahren oder uns widerfahren zu lassen, wo es gegenwärtig und anwesend ist als hingenommener Widerspruch, als Schweigen, als das Unbestimmte seiner Tiefe und Stille, das Eine 50
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Karl Jaspers, Philosophie, 3 Bände (1932), 3. Aull. Berlin, Göttingen, Heidelberg 1956; Band III, Metaphysik, S. 34. „Philosophie als dieses metaphysische Denken ohne wirkliche Gegenwart des Ursprungs ist Spiel. Es entwickelt Möglichkeiten für Existenz, stellt bereit, bleibt aber, weil nur möglich, auch in der Frage" (ebd. S. 33). Vgl. Band I, Philosophische Weltorientierung, S. 333 ff. für die „ästhetische Unverbindlichkeit" der reinen Kunst, die „keinen eigenen Ursprung außer dem der endlosen Freiheit des Möglichen im Spiel" hat (S. 336), und Band II, Existenzerhellung, S. 283 f. für die Phantasie als „Spiel". Karl Jaspers, Von der Wahrheit. Philosophische Logik, I.Band (1947), 6.—10. Tausend München 1958, S. 352, 1033. „Der Weg des Innewerdens unseres Grundes und Zieles geht auf dem schmalen Grat zwischen dem Abgleiten in nichtige Spielelerei (denn es ist ein Sprung zwischen dem Ernst des offenbaren Spiels und der Beliebigkeit der verschleiernden Spielerei) und dem Absinken in die unverbindliche Vitalität des schönen Scheins, welche unmittelbar bezwingt, ohne über die Dumpfheit dieses Unmittelbaren zu erheben. Die Freiheit des daseinsüberlegenen Spiels und die Leibhaftigkeit seiner Gegenwart in ihrer Einheit bringen die Erfahrung der transzendenten Wirklichkeit" (ebd. S. 488).
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in den verschiedenen Weisen des Umgreifenden. „Was auf das Wahrste zu täuschen vermag, läßt die eigentliche Wirklichkeit ergreifen." 52 Für das Verständnis dieses Spielbegriffs in der Metaphysik der Gegenwart wird man zurückgreifen müssen auf Nietzsche, auf eine Philosophie, in der die Dynamik der Fragestellung von Anfang an sich entfaltet und weitertreibt unter dem Gedanken einer ästhetischen Rechtfertigung der Welt und von der das ästhetische Weltbild der Gegenwart wesentlich mitbestimmt ist. Zugleich zeigt sich an ihr die ontologische Ambivalenz als Übergreifen des Gegensatzes von Sein und Werden, wie sie auch noch bei Heidegger erhalten ist, aber gegenüber der Gefügtheit des Seins und der Sage des Seins zurücktritt. Das Sein als Werden oder das Werden als Sein drückt sich zwar in der „Geburt der Tragödie" 53 noch aus unter der Führung des Verhältnisses von Sein und Schein: das Ansichsein des Ureinen strebt durch die raumzeitliche Erscheinung hindurch zur Erlösung im „Schein des Scheins"54, es erfüllt sich zum Dasein in der Kunst. Aber schon hier ist für Nietzsche nicht der Darstellungscharakter des Spieles das Entscheidende, und es ist daher nicht das Schauspiel oder die Dichtung, die das Ursprüngliche in der ästhetischen Verwandlung rein wiedergibt, sondern zunächst die Musik. In der Musik fügen sich die Dissonanzen zur Einheit, in ihr findet die Lehre von der Kunst und von der ästhetischen „Weltsymbolik"55 das äquivalente Beispiel, das heißt aber in jener Kunst, die des Wortes nicht bedarf und am weitesten entfernt ist vom Anschauungsbild der Realität. Für die Musik fällt die Frage nach der Gegenständlichkeit des Spieles nicht mehr ins Gewicht. Von ihr aus ist auch der Ubergang zur Betonung des Agonalen im „Spiel" der Welt, wie sie 52
Ebd. S. 489. " Friedrich Nietzsche, Die Geburt der Tragödie oder: Griechenthum und Pessimismus (1. Aufl. 1872 unter dem Titel: Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik). Nietzsche's Werke, Leipzig 1905 ff., Groß-Oktav-Ausgabe. Band I. Der Bedeutung Nietzsches für das ästhetische Weltbild in der Philosophie der Gegenwart entsprechend wird im folgenden jeweils ausführlicher auf Nietzsche zurückgegangen, insbesondere für die Problematik des Spielbegriffs als Modell der Metaphysik. — Eine fortlaufende Interpretation der Werke im Ansatz von der „ästhetischen Weltauslegung" versucht Nietzsches Kritik der Metaphysik, Kant-Studien Bd. 53, H. 4. 1961/62, S. 507—543, zu geben. " Vgl. Die Geburt der Tragödie, 4., WW I, S. 34 ff. 55 Ebd., 6., WW I, S. 49.
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Nietzsche in seiner Heraklit-Deutung 56 vollzieht, ohne Zwang. Das Sein der Dinge als „der Funkenschlag gezückter Schwerter"57, das spielende Aufbauen und Zerstören des Aion in dem unendlichen Entstehen und Vergehen von Welten, das Nietzsche dem Kinderspiel im Sand vergleicht58, hat etwas Gemeinsames mit der Musik: das Werden von Nichts und zu Nichts, bei dem ein „bleibendes" Resultat eine unsinnige Vorstellung wird, bei dem nicht einmal ein Rückblick auf das vorher Wahrgenommene — wie bei einem Gemälde oder einer Statue — möglich ist, zugleich die Wiederholung führender Strukturen. Diese Deutung hat ihr Vorbild nicht allein in Schopenhauer, sie könnte sich auch berufen auf Hegel, auf das Verhältnis von Sein und Nichts, aus dem das Werden entspringt. Sie könnte auch zurückgehen auf Kant, der die Musik und die alltäglichen Spiele in einen engen Zusammenhang bringt. Sie steht in dieser Abhebung des dynamischen Charakters im Gegensatz zu Heideggers Heraklit-Interpretation, nach der das spielende Kind nicht willkürlich, fast mutwillig baut und zerstört, sondern in königlichem Insichruhen „die Fügung des Seins zum erglühenden Erglänzen bringt" 59 . Für die philosophische Bestimmung des Spieles scheint es wie ein Gleichnis, wenn die Philosophie Nietzsches in einem Hin und Her von Bejahung und Verneinung weitergetrieben wird: zu einer Spannung von Nihilismus und entwerfender Tat, zu der Zufälligkeit des Seienden aus dem Würfelspiel der Götter, zu dem „Vielleicht" aller Interpretationen von Welt, in dem das Dasein selbst als auslegendes, der fiktive Charakter des Spieles als „Welt des Als-Ob" bestimmt wird 60 , bis zu 5
· Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen (1873; nicht veröffentlicht), WW X. Für Nietzsches und Heideggers Heraklit-Interpretation im engeren Zusammenhange der Spielthematik darf hier verwiesen werden auf: Zur ästhetischen Deutung der Welt. Heraklit: Fragment 52 — αιών παις έστι παίζων, πεττεύων· παιδός ή βασιληίη {Festschrift Carl Diem zur Vollendung des 80. Lebensjahres, herausgegeben von Werner Körbs, Heinz Mies, Klemens C. Wildt, Frankfurt/M., Wien 1962, S. 17—27). " Die Philosophie im tragischen Zeitalter der Griechen, 5., WW X, S. 35. 56 Vgl. ebd. 7., WW X , S. 41. 5 * Der Satz vom Grund, S. 187. " Vgl. Morgenröthe. Gedanken über die moralischen Vorurtheile (1881), 130., WW IV, S. 132 und Jenseits von Gut und Böse. Vorspiel einer Philosophie der Zukunft (1886), Erstes Hauptstück. Von den Vorurtheilen der Philosophen, WW VII, S. 9—37.
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der emphatischen Betonung des Spielgleichnisses für den „Willen zur Macht": „Und wißt ihr audi, was mir ,die Welt' ist? Soll ich sie euch in meinem Spiegel zeigen? Diese Welt: ein Ungeheuer von Kraft, ohne Anfang, ohne Ende, eine feste, eherne Größe von Kraft, welche nicht größer, nicht kleiner wird, die sich nicht verbraucht, sondern nur verwandelt, . . . vom ,Nichts' umschlossen als von seiner Grenze, nichts Verschwimmendes, Verschwendetes, nichts Unendlich-Ausgedehntes, sondern als bestimmte Kraft einem bestimmten Raum eingelegt, und nicht einem Räume, der irgendwo ,leer' wäre, vielmehr als Kraft überall, als Spiel von Kräften und Kraftwellen zugleich Eins und Vieles, hier sich häufend und zugleich dort sich mindernd, ein Meer in sich selber stürmender und fluthender Kräfte, ewig sich wandelnd, ewig zurücklaufend, mit ungeheuren Jahren der Wiederkehr, mit einer Ebbe und Fluth seiner Gestaltungen, . . . aus dem Spiel der Widersprüche zurück bis zur Lust des Einklangs,... als ein Werden, das kein Sattwerden, keinen Uberdruß, keine Müdigkeit k e n n t . . . dies mein Jenseits von Gut und Böse' ohne Ziel, wenn nicht im Glück des Kreises ein Ziel liegt.. ."β1. Dieses Spiel im Werden des Seienden hat nicht den Charakter der Erlösung und der Verwandlung zur Wahrheit wie in der „Geburt der Tragödie", und doch ist der Gedanke vom Zusammenspiel und Widerspiel der Kräfte, in dem das Individuelle erscheint und vergeht, für Nietzsche erlösend—in der absoluten Distanz zu einer festgefügten, sinnbestimmten Welt, in der Befreiung von der drängend zielstrebigen Realität des Seins, in seinem „Jenseits" von Wahrheit und Irrtum, von Gut und Böse, und in seiner Offenheit für die Interpretation des Menschen aus neuem Entwurf. Unter diesem Aspekt des Spieles als dem individualisierenden Prinzip des Lebens treten andere Momente am Spiel hervor, die im Zusammenhang der ontologischen Bestimmung wesentlich werden. Zunächst rücken in dieser Funktion des Spielbegriffes jene Spiele in den Mittelpunkt, die von der ästhetischen Kategorie nicht umgriffen werden: das Glücksspiel und das agonale Spiel. Der Spannungsreichtum des Spieles zwischen den Grenzen der Souveränität des Entwerfenden und der Verfallenheit in der Hingabe ist deutlicher, damit aber auch die " Aphorismus 1067, WW XVI, Der Wille zur Macht. Versuch einer Umwerthung aller Wertbe, herausgegeben von Elisabeth Förster-Nietzsche, S. 401 f.
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D i e ontologische Bestimmung des Spieles
Fragwürdigkeit der systematischen Zuordnung zum Schönen und Erhabenen, die unter dem Aspekt der Darstellung so selbstverständlich scheint. Im Zusammenhang von Sein und Werden stellt sich das Spiel wieder in den ganzen Umkreis der „Kritik der Urteilskraft", in die Thematik des Schönen und des Organischen. Es zeigt sich, daß das Spiel in seiner Fülle und seiner Verschiedenheit der Erscheinungen eine Scheidung, die der von Kunst und Leben entspricht, nicht zuläßt. Von hier aus ergeben sich weitere Konsequenzen für die Bestimmung des Spiels in der Gegenwart, der sich vor allem auch die biologischen und anthropologischen Aussagen zuordnen lassen, soweit sie, gestützt auf die Verhaltensforschung, das Spiel als Entwicklungsprinzip zugrunde legen62. Mit solchen Zuordnungen sollen keine historischen Abhängigkeiten entschieden werden, es geht vielmehr darum, den Zusammenhang von Phänomenbestimmung und philosophischem Spielbegriff darzulegen. Auch in der Philosophie Nietzsches ist das Spiel als solches nicht eigentlich untersucht — es scheint vielmehr, daß die Motive zu einer philosophischen Bestimmung oder Verwendung des Spielbegriffes im allgemeinen überhaupt nicht in der Aufgabe einer Philosophie des Spieles liegen. Im Hinblick auf die Gemeinsamkeit der Bestimmung, die Ambivalenz, der gegenüber die Unterschiede oft nur Nuancen sind, liegt es nahe, diese Motive in einem Bedürfnis nach einem Grundbegriff zu suchen, der es erlaubt, das Leben, die Kunst, die Kultur, die Sprache, Mensch und Welt als Einheit und Ganzheit einsichtig zu machen und die Frage nach dem Grund, vor allem in der Verengung der Kausalgesetzlichkeit, auszuschalten. Eine solche Aufnahme des Spielbegriffs ist verständlich, wenn das Spiel eine „Welt" in der Welt ausmacht — es ist die Immanenz des Spieles, die in den Blickpunkt rückt, das Insichsein eines Gebildes, das „ohne Anfang, ohne Ende... vom ,Nichts' umschlossen" ist „als von seiner Grenze" 63 . Ob diese Einheit stärker unter dem Aspekt der dynamischen Entzweiung des Werdens oder des ruhenden, sich selbst schenkenden Seins interpretiert wird, sie scheint zu erlauben, Immanenz und Transzendenz ineins zu denken. Unter systematischen Gesichtspunkten gesehen scheint der Spielbegriff geeignet, die Proble" Im einzelnen vgl. die Paragraphen S. Anm. 61.
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matik einer dualistischen Theorie zu überbrücken oder zugunsten des Monismus zu umgehen, ohne die Gegensätze und Widersprüchlichkeiten aufzuheben und ohne das Intelligible auszuschließen. Das heißt, historisch gesehen: Der Spielbegriff hat die Funktion, die er schon bei Kant erfüllt — die Vermittlung zwischen Naturbegriff und Freiheitsbegriff. Wenn sich auch die philosophische Reflexion nicht, oder nur äußerlich darauf beruft, so kommt diesem Bedürfnis nach einem Grundbegriff, der die Spaltung in seine Einheit aufnimmt, doch die kulturphilosophische und einzelwissenschaftliche Interpretation des Spieles in der Gegenwart entgegen. Sie stellt die Entstehungsfrage, die im 19. Jahrhundert so führend war, zugunsten der Sinnfrage beiseite und versucht, das „Urphänomen" als solches zu erhellen64. Sie nimmt die Thematik des Spieles auf im Sinne einer geisteswissenschaftlich bestimmten, am Verstehen und damit an Dilthey orientierten Biologie und Psychologie, und sie mündet zu einem großen Teil ein in philosophische Spekulationen 83 . Der Immanenz des Spieles entspricht ein Transzendieren vom Spielgegenstand aus, das verstanden werden soll als ein symbolhaftes Verweisen auf das Leben und den Tod, auf die Welt und ihren Ursprung, auf das Eigentliche und überall Sinnhafte, das ganz Andere, das Metaphysische, ohne daß dieser Bereich als ein eigener Seinsbereich vorausgesetzt wird 66 . Die Entwicklung vom Tier zum '4 Etwa im Sinne Huizingas, Homo Ludens, S. 9 f., S. 11 — „Wer den Blick auf die Funktion des Spiels richtet — nicht wie sie im Tierleben und im Leben des Kindes, sondern in der Kultur sich äußert —, der hat das Recht, den, Spielbegriff dort anzupacken, wo die Biologie und die Psychologie mit ihm fertig sind." — und S. 13: „Spiel als selbständige Kategorie". In scharfer Scheidung von Spiel und Sport stellt Alfred Peters (s. a. S. 236 Anm. 54) das Spiel als „Urphänomen" neben Kampf und Liebe, während der Sport nach Peters aus einem „schon korrumpierten , K a m p f t r i e b 5 " und einem bereits „ s e n s a t i o n e l l entarteten ,Spieltrieb'" resultiert. (Der Begriff des Sports. Die geistige Haltung des Sports sonderlich gegenüber der des Spiels und der des Kampfes, Diss. Köln o. J., S. 93). 65 Es mag genügen, an dieser Stelle auf F. J. J. Buytendijk, Wesen und Sinn des Spiels, Berlin 1933, zu verweisen für die grundlegende Wendung in der biologischpsychologischen Sicht, und auf Gustav Bally, Vom Ursprung und von den Grenzen der Freiheit. Eine Deutung des Spiels bei Tier und Mensch, Basel 1945, für die spekulative Deutung in einem biologischen Zusammenhang (s. a. S. 222). " So versucht Bally die Spieltheorie Schillers mit der Philosophie Heideggers zu verbinden. „Im Hintergrunde des Menschenlebens ist Tod, ist Abgrund, Dunkel, Nacht. Auf diesem dunklen Grunde erst erhebt sich die im erhellenden Spiel ent-deckte Welt. Der Grund selbst aber ist unerforschlich." (Vom Ursprung..., S. 93) „Am Grenzort, wo das Abgründige sich auftut, ist audi das Spiel und die
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Menschen erscheint als ein Ubergang, der keine bloß quantitative Steigerung, sondern ein Umschlagen in ein qualitativ Anderes ist. Aus der Freiheit des spielenden Tieres von der unmittelbaren Daseinsbewältigung wird die positive Freiheit des Menschen zum Spiel seines Seins, ein spielendes Dasein, in dem eine Welt wird bis an die Grenze des Transzendenten 67 . Im Blick auf den Umfang des Spielbegriffs und die Mannigfaltigkeit der Spiele, die vom strengen Regelspiel bis zum Phantasiespiel, vom Fußballspiel bis zum Schachspiel, von den Konstruktionsspielen bis zum Glücksspiel reicht, die das Versteckspiel des Kindes und das Wortspiel des Erwachsenen umfaßt, stellt sich die Frage Wittgensteins: In welchem Sinne kann überhaupt von „dem" Spiel gesprochen werden88? Die Spiele bilden eine „Familie", sie sind nicht unter einen Oberbegriff zu ordnen. Ähnlichkeit und Unähnlichkeit erscheinen in gleitenden Übergängen wie Verwandtschaftszüge — muß nicht in jedem Falle der Verwendung des Wortes „Spiel" erst aufgedeckt werden, in welchem „Sprachspiel" sie gilt? Aber die ontologische Fragestellung impliziert das Allgemeine der Seinsweise, nicht die Allgemeinheit der Kennzeichen. Und Wittgensteins eigene Theorie macht die Verkettung von Phänomenuntersuchung und philosophischer Begriffsbildung offensichtlich: Die „Sprachspiele" sind exemplifiziert an den Spielen, und das „Sprachspiel" schlechthin — die Sprache — umfaßt alle Erscheinungen als Setzungen von Bedeutungen und als operative Regeln des Lebenszusammenhanges und des Denkens. So scheint für Wittgenstein einerseits zu gelten, daß die Grenzen des Spieles unbekannt sind, „weil keine gezogen sind"69, und es der Willkür und Konvention überlassen bleibt, zum Zweck der Verständigung den Begriff zu bestimmen: der offene Welt am Ende. Die barbarische Technik der Weltnutzung, jene defiziente Form des menschlichen Seins, hat den Ernst für sich in Anspruch genommen und das Spiel zum Unernst entwertet." (S. 104) — In die Anknüpfung an Heidegger nimmt Bally ausdrücklich die ästhetische Theorie Schillers auf: der „Barbar" und der „Wilde" sind „jene defizienten Seinsformen" (S. 97), in denen der „Spielraum der Freiheit" vernichtet ist und der Mensch zurückfällt in die „Einweltlichkeit". — „Am Orte des Glaubens, des eigentlichen und letzten Ernstnehmens aber wird das Spiel und seine Welt geboren; es gründet in ihm." (S. 104). 47 Vgl. Bally, Vom Ursprung . . S . 61 ff. 18 Vgl. Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, Oxford 1953, S. 31 ff. (s. dazu Paragraph 12). ·· Ebd. S. 33.
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freie, dem Denken anheimgestellte Entwurf des „Sprachspiels" — und andererseits und zugleich gilt die Aufforderung der Phänomenologie, auf die Sache selbst zu sehen: „Denk nicht, sondern schau!"70 Woran entscheidet sich die Theorie des Spiels — an der Einengung oder der Erweiterung des Begriffs, an der Betonung des Anschauungscharakters oder der Bewußtheit der Fiktion, an der Auswahl des repräsentativen Phänomens? Schon Schiller hatte systematisch unterschieden zwischen zwei Begriffen: dem physischen Spiel in der Natur und dem geistigen Spiel des Menschen71. Das „materielle Spiel", zu dem auch das assoziative Spiel der Einbildungskraft rechnet, unterliegt den Gesetzen der Natur, es ist in seiner freien Bewegung „Vorspiel" zum ästhetischen Spiel des Schönen und mit dem Schönen, nicht niedere Form, aus der die höhere als Steigerung und Differenzierung zu erklären ist. Das ästhetische Spiel gründet in einem „Sprung" 72 . Und Schiller hatte auch in anderer Hinsicht unterschieden: zwischen dem idealistischen Begriff und dem Erfahrungsbegriff 73 , aber es zeigt sich, daß diese Diskrepanz zwischen reinem Spiel und Verwirklichungsform für die ontologische Bestimmung gegenstandslos wird. Die Theorie des Spiels entscheidet sich daher auch nicht an der Auswahl des Phänomens, wie charakteristisch es audi ist, daß die Spiele des Denkens, die Regelung und die Determination im Spiel in der ontologischen Diskussion fast nicht beachtet werden. Die Philosophie des Spiels entscheidet sich nicht an der Beschreibung, sondern an der Interpretation des Phänomens. Die Interpretation aber ist abhängig von der zugrunde gelegten Philosophie, vom „Weltbild", dem die Welt des Spieles zugeordnet wird, von der 70 71 72
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Ebd. S. 31. Vgl. Über die ästhetische Erziehung ..., 27. Brief, WW S. 406 f. „Einen Sprung muß man es nennen, weil sich eine ganz neue Kraft hier in Handlung setzt" (ebd. WW S. 407). Vgl. 15. Brief, WW S. 357 f.: „Widerspricht es nicht dem Vernunftbegriff und der Würde der Sdiönheit, die doch als ein Instrument der Kultur betrachtet wird, sie auf ein b l o ß e s Spiel einzuschränken, und widerspricht es nicht dem Erfahrungsbegriffe des Spiels, das mit Ausschließung alles Geschmackes zusammen bestehen kann, es bloß auf Schönheit einzusdiränken? Aber was heißt denn ein b l o ß e s Spiel, nachdem wir wissen, daß unter allen Zuständen des Menschen gerade das Spiel und n u r das Spiel es ist, was ihn vollständig macht, und seine doppelte Natur auf einmal entfaltet?" Vgl. audi 17. Brief, WW S. 363, Schillers Unterscheidung zwischen, der „Region der Ideen" und dem „Schauplatz der Wirklichkeit".
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Frage nach dem Grund und dem Ursprung des Spieles, von der Stellungnahme im Problem der ontologischen Relation zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Mensch und Welt. Wenn also im folgenden für die ontologische Problematik auf die Spiele selbst zurückgegangen werden soll, so kann nicht verkannt werden, daß auch diesem Versuch der Interpretation eine Stellungnahme zugrunde liegt. Soweit es möglich ist, soll sie im Blick auf das Phänomen ausgesetzt werden, so daß sich die Fragen nach Raum und Zeit, nach der Gesetzlichkeit und nach dem Spielgegenstand gleichsam von der Alltäglichkeit des Geschehens aus entwickeln, um dann erst das Problem der Subjektivität und Objektivität des Spieles unter der Frage nach dem Ursprung aufzunehmen.
§2:
Raumzeitlichkeit
als Erreichbarkeit
und
Wiederholbarkeit
Der Spielraum Die Beschreibung eines Spieles kann zum wenigsten von vier Positionen aus versucht werden: Die erste und wohl auch einfachste Möglichkeit ist die eines neutralen Beobachters, der das Spiel als raumzeitliches Geschehen betrachtet. Wenn gegen diesen Standpunkt in der Gegenwart eingewendet wird, daß er das Spiel nicht erfasse und erfahre, so liegt darin eine Vorentscheidung, in der ein wesentlicher Bezug des Spieles zur realen Welt ausfällt: der Spielraum als realer Raum und der reale Raum als konstituierende Bedingung der Spiele, die Spielzeit in ihrem Bezug zur meßbaren Zeit, die Gesetzlichkeit im Aspekt der Naturwissenschaft, der Spielgegenstand als Ding, Partner und Gegner im Spiel als wirkliche Personen. In diesem Außenaspekt unterscheidet sich das Spiel allerdings nicht von dem, was nicht Spiel ist, und er umfaßt nicht das reine Phantasie- und Gedankenspiel. Die zweite Position nimmt den Innenaspekt im Sinne des Erlebens auf. In einer Hinsicht ist in ihm die Raumzeitlichkeit und Dinghaftigkeit immer mitgemeint: der vorgestellte Raum ist nicht unabhängig vom Wahrnehmungsraum, die Eignung als Spielzeug bestimmt sich mit von der Umgangsqualität der Dinge. In den Mittelpunkt der Beobachtung
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aber rücken andere Momente, die angedeutet werden können mit dem Unterschied von Tätigkeit und Geschehen, von Gestimmtheit und Ausdruck, von der Zeit als Dauer, als Bedeutungsfülle oder Leere, Kurzweiligkeit oder Langeweile einerseits und von meßbarer Zeit und zählbaren Ereignissen andererseits. Aber auch in dieser Sicht ergeben sich zunächst keine Unterschiede zu dem, was kein Spiel ist: die dramatische Spannung vor einer wichtigen Entscheidung kann vielleicht dieselben Merkmale aufweisen wie die Spannung im Spiel. Solange die Beschreibung sich in der Neutralität eines vorgegebenen Nichtwissens um die Unterscheidung von Spiel und Nicht-Spiel hält, geschieht sie immer noch als ein Feststellen von „außen". Erst wenn der Bedeutungszusammenhang beachtet, die Intention des Spielenden und die Auffassung des Zuschauenden einbezogen werden, ergibt sich eine Entscheidung: dies ist Spiel, und dies ist nicht Spiel, vergleichbar etwa der Aussage: dies ist ein Märchen, und dies ist eine Lüge. Ist im ersten Falle kein objektives Kriterium des Spielcharakters ersichtlich, so im zweiten ein nur subjektives: nur das einzelne erlebende Subjekt kann sagen, ob es spielt oder nicht spielt, etwas als Spiel erlebt oder als Realität des Lebens. Von hier aus entsteht die Frage, was als Spiel gelten soll und der Beschreibung zugrunde gelegt werden kann. Aber dieser Sachverhalt bezeichnet nur die bekannte Problematik für jeden Ansatz am Phänomen — um ein bestimmtes Phänomen zu beschreiben, muß ich es auswählen aus der Fülle der Erscheinungen, und ich muß daher vorgängig schon „wissen", was es ist. Diese Auswahl kann sich berufen auf die Kennzeichnung der Sprache; sie gerät dann allerdings in das Problem von Ursprungsbedeutung, Metapher und Übertragung. Jedem Beobachter kann aber auch das vorgängige Wissen um das, was Spiel ist, aus der Selbsterfahrung des Spieles zugestanden werden. Nimmt man dies Wissen hinzu, so sind beide bisher genannten Aspekte aufschlußreich. Die dritte Möglichkeit könnte erfüllt werden mit einer umfassenden Spielanleitung. Die Spielbeschreibung in diesem Sinne ist neutral gegenüber dem Unterschied von „innen" und „außen", und sie kann die Aspekte vereinen. Sie gibt an, welche Voraussetzungen zum Spiel gehören, welche Gesetzlichkeiten gelten, welche Spielidee zugrunde liegt. Sie erwähnt im allgemeinen nicht, daß das Spielzeug ein bestimmtes Ding ist, der Ball sich nach den Gesetzen der Ballistik bewegt und die
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Spielhaltung eine besondere Einstellung verlangt. In Spielanweisungen für wettkampfmäßig betriebene Spiele, die in ihrer Norm, Technik und Taktik, in ihrer Zielstrebigkeit und Anstrengungsbereitschaft Momente der Arbeitswelt aufnehmen und daher oft in ihrem Spielcharakter angezweifelt werden und die Spielhaltung sichern müssen, sind jedoch audi solche Bedingungen des Spiels und des Spielens erörtert. Eine „ideale" Spielbeschreibung, gültig für alle Spiele, müßte die allgemein geltenden Kennzeichen und die wesentlichen Abweichungen enthalten. Sie hat ihre Beschränkung an der Fülle der Spiele, und sie gerät von dorther in die Schwierigkeit, das Grundlegende nicht zu verfehlen. Der vierte Standpunkt ist der einer auswählenden Setzung, sei es des Spielcharakters oder des repräsentativen Phänomens. Ein Spiel beschreiben heißt dann, ein Spiel „machen", vollziehen, entwerfen, was Spiel ist, oder vom Einblick in das „Wesen" des Spiels aus das Phänomen bestimmen. Dieser Standpunkt kommt einer selbstverständlichen, aber nicht zu erfüllenden Forderung am nächsten: den Spielenden selbst sprechen zu lassen, den Zuschauenden als Zuschauenden in seinem Bezug zum Spiel zur Aussage zu bringen. Aber der Spielende ist „in" seiner Welt, und er kann diese Welt, zu der er selbst gehört, nicht distanzierend beschreiben, und der Zuschauer ist eingefangen in die Relation zum Spiel. So greift die Beschreibung zurück auf die Subjektivität des Erlebenden, seine Erinnerung und seine Deutung, oder auf die Objektivität des Nicht-Spielenden. Es entspringen die systematischen Fragen der Auswahl, die Fragen der Interpretation: Ist das Spiel der Wellen noch Spiel, das Spiel der Tiere, der Sport, das Kultspiel, die Kunst? Ist die Gesetzlichkeit des Spieles nicht ein Spiegel der Welt und des Lebens, ist der Spielgegenstand nicht immer dies Leben selbst, das Schicksal, der Mensch, die Idee? Abhängig vom Spielbegriff und von der Wertung des Spieles, bestimmt dieser Standpunkt von dorther das repräsentative Phänomen. Der Versuch, an der Beschreibung anzusetzen, geht daher aus von den drei ersten Positionen, unter der Voraussetzung eines gewissen Verständnisses für jeden Beobachter und der Möglichkeit der Abstraktion von der subjektiven Wertung. Die Untersuchung reflektiert zunächst auf die Gegenständlichkeit im Spiel, das heißt, sie läßt die Frage nach dem Erlebenden in seinem seelischen Zustand ebenso außer acht wie
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den Bezug zum Mitspieler, um die Thematik zu begrenzen auf die Frage nach dem Raum, der Zeit, den Regeln und dem Gegenstand im Spiel. Sie zielt auf die Beschreibung im Sinne der „idealen" Spielanweisung als methodisches Kriterium und läßt durchaus die Fülle der Spiele zu, wenn sie auch nicht alle Beispiele aufnehmen kann. Wenn sie dabei letztlich die Strukturen des Spieles abheben muß gegen Strukturen der Welt, so soll darin weder eingeschlossen noch ausgeschlossen sein, daß diese Welt selbst als Spiel verstanden werden könnte oder jede Kennzeichnung schon Interpretation ist, auch dann nicht, wenn das ästhetische Weltbild Nietzsches zur Klärung hinzugezogen wird. Sie hält die Unterscheidung vornehmlich im Bereich des alltäglichen Bewußtseins, das die wissenschaftliche Erklärung, das Leben und das „Metaphysische", die Arbeit und das Spiel trotz aller Übergänge nicht gleichsetzt. Wenn der Grundzug des Spieles die ontologische Ambivalenz ist, so müßten die ontischen Kriterien auf diese ontologische Bestimmung verweisen. Die Kinder spielen auf der Straße Verstecken. Für den Beobachter, der sich an den Außenaspekt hält, ist der Spielraum der reale, dingerfüllte Raum, das heißt, ein Teil dieses Raumes: der Häuserblock. Dieser Raum ist fest umrissen oder ausgegrenzt gegen den übrigen Raum, der im Spiel nicht relevant ist, aber gleichwohl die Umgrenzung des Spielraumes ermöglicht. Das gleiche gilt für die Straßenarbeiter, die ihre Aufgabe auf einen Teil der Straße beschränken. Für die Kinder wie für die Arbeiter ist der Raum Aktionsraum. Das in ihm Begegnende ist selegiert durch die Aufgabenstellung — ein „Um zu" für das Verstecken, ein „Um zu" für die Arbeit. Der Innenaspekt kann den erlebten Raum anders bestimmen: er ist Versteck oder Offenheit, Sicherheit oder Preisgabe an das Entdecktwerden. Auch dafür gibt es Parallelen im Leben: das Verhältnis des Verfolgten zur Umwelt. Nimmt man beide Aspekte zusammen, so ist der Raum im Versteckspiel der konkrete Raum als Sicherheit und Preisgabe. Die Spielanleitung müßte diesen Gesichtspunkt aufnehmen: um Verstecken zu spielen, braucht man einen Raum oder eine Gegebenheit, in der man sich den Blicken entziehen und darbieten kann. Die Bedingungen des Spielraumes können ersetzt werden durch willkürliche Bedeutungsverleihungen. Auf den freien, übersichtlichen Platz setzen die Kinder Male — wer am Mal steht, ist geschützt vor
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dem „Abschlagen" oder „Treffen". Das Spiel ist ein anderes — das leibliche Sich-Bergen im Rund der Haustür, das Spähen um die Ecke nach dem Verfolger, bestimmte Formen des Raumerlebens sind nicht mehr gegeben. Das Spiel ist auch anders als das Spiel des Kleinkindes, das sich hinter den Händen verbirgt und „Verstecken" meint, wenn es selbst nichts mehr sieht. Noch immer ist der reale Raum der Spielraum in einer bestimmten, ausmeßbaren Begrenzung, aber die Sinngebung durch das Spiel wird deutlicher. Für die Arbeiter ist ein solches Ersetzen realer Bedingungen im Arbeitsfeld nicht möglich; für den Verfolgten nur dann, solange eine vergleichbare Bedeutung gilt: das Anwesen des Fürsten, das Heiligtum. Die Kinder zeichnen den Umriß für das Spiel „Himmel und Hölle" auf den Platz. Die Bindung an das Meßbare bleibt bestehen, die Markierung kann nicht ersetzt werden, ohne das Spiel aufzuheben. Der Raum ist als zweidimensionaler festgelegt, die Höhe wird vernachlässigt. Der Beobachter kann davon ausgehen, daß es gleichgültig ist, ob die Bezeichnung Himmel und Hölle lautet oder Plus und Minus. Nimmt er einen Bezug zur Idee des Himmels und zu der Idee der Hölle an, so gibt er seinen Beschreibungsstandpunkt auf; er interpretiert. Aber vielleicht interpretiert er nicht über das Spiel hinaus, wenn er die Bezeichnung als anschauliche Kennzeichnung für die geringe Abstraktionsfähigkeit des Kindes, als zusätzliches ästhetisches Attribut oder als Ausdruck der Weite versteht, die realiter nicht erreicht werden kann. Denn wie weit auch das Ziel für die Geschicklichkeit erscheint, der faktische Raum des Spielfeldes kann nicht wesentlich vergrößert werden, wenn das Spiel möglich sein soll. Eine andere Beziehung zum Raum zeigt sich im Schachspiel. Die meßbare Größe ist gleichgültig für die Idee des Spieles, die mathematische Konstanz der Relationen bei 64 Feldern und definitorisch festgelegten „Zügen" bildet die Grundlage. Das Schachspiel beruht nicht auf der Anschaulichkeit im Wahrnehmungsraum — der Entwurf geschieht im „reinen" geometrischen Raum, den der Anschauungs- oder Vorstellungsraum repräsentiert. Die Gesamtheit der definitorischen Bestimmungen kann in einer Matrize so niedergelegt werden, daß ein elektronisches Gerät entsprechende Kombinationen errechnet. Daß dieses Gerät nicht zum Spielgegner geeignet ist, hängt nicht mit den mathematischen Bedingungen des Raumes zusammen, übrigens auch nicht da-
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mit, daß das Spiel die Erlebnisfähigkeit des Gegners voraussetzt, sondern mit der Grenze des denkenden Erfassens beim Spieler und der Exaktheit der Berechnungen durch die Maschine. Bei den Phantasiespielen fällt der Bezug auf Maß, Zahl und geometrische Gestalt fort. Auch sie spielen sich „in" einem Raum ab, als Spielraum des Geschehens, als Ort der Handlung. In den Übergängen zwischen dem Spiel im „realen" Raum und der Unterstützung der Phantasie durch Markierung, Umriß und Kulisse ist die Festlegung des Ortes noch anschaulich, aber es überwiegen die Beziehungen der gesamten Szenerie. Das Gemeinte und das Wahrgenommene gehen ineinander über, das Gegebene wird als Gemeintes ausgelegt. Wenn die Kinder auf den Platz ein Haus zeichnen und darin „wohnen", so sind die realen Gegebenheiten, die in den Bewegungsspielen noch Möglichkeiten und Widerstand bieten, nicht mitgemeint, Handlung und Sinngebung dominieren. Das Kind schließt das Haus zu und schließt sich im Raum ein — es kann nicht heraus, es ist im Raum gefangen, es respektiert den Sinn einer dreidimensionalen Begrenzung. Der Raum, in dem das Spiel geschieht, umfaßt den „geschlossenen" Raum und den umgebenden, nach außen geöffneten; anschaulich für den Beobachter ist nur die Grenze. In den reinen Phantasiespielen fällt audi diese äußere Anschaulichkeit fort, das Kind kann das Wahrgenommene völlig negieren, es kann oben und unten neu bestimmen, in die „Unendlichkeit fliegen", die Nähe der Umgebung aufheben, die Ferne zur Nähe machen, darin sein, dabei sein. Aber auch darin unterscheidet sich das Spiel nicht von anderen Gegebenheiten: der in Gedanken befangene Spaziergänger nimmt den Raum ebenfalls nicht wahr, obwohl er sich im Raum orientiert, der Gefangene, der sein Ehrenwort hält, nicht zu fliehen, respektiert die Übereinkunft, der Forscher versetzt sich in der Planung in nie gesehene Fernen, der Astronom wählt ein anderes Koordinatensystem. Diese Beispiele mögen genügen, um zu einer Bestimmung des Spielraumes zu kommen. Der Spielraum kann sich mit dem realen Raum decken oder nicht. Er ist umgrenzt, aber so, daß er einen Aktionsraum eröffnet. Er kann auch als „unendlich" gemeint sein im Hin und Her zwischen Wahrnehmungsraum und Vorstellungsraum, zwischen Anschauungsraum und gedachter Relation. Die Raumverhältnisse als solche bleiben erhalten, der Raum geht ein in die ontologische Ambi3
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valenz, er ist beachtet und nicht beachtet, aber er ist konstituierende Bedingung für alle Spiele „im" Raum. In allen diesen Beziehungen ist der Raum eine Determination von Verhältnissen, die eine Möglichkeit für ein Geschehen eröffnet, für das Hin und Her leiblicher oder geistiger Bewegung. Bis in die sprachliche Wendung vom Spiel der Kugel im Lager zeigt sich eine Bestimmung: Spielraum bedeutet, „Spiel haben". Dann wäre der Spielraum eine Determination von der Grenze her, die eine freie Bewegung in ihrem Innenraum ermöglicht. Aber diese Bestimmung befriedigt nicht, insofern sie eine mechanistische Vorstellung hervorruft, den Aspekt des Erlebten und Gemeinten nicht einbezieht und die Dimension des Spielraumes nicht vom Spiel selbst her begreift. Diese Dimension wird deutlicher, wenn das Spiel als solches gegen die wissenschaftliche Bestimmung und die Alltäglichkeit abgehoben wird — aus der Intention des Spielenden oder des Zuschauenden. Der Spielende meint den Raum nicht — wie der angenommene Beobachter — als wissenschaftliche Bestimmung, die sich zwischen der Eindimensionalität und dem n-dimensionalen Raum bewegt, die den Punkt und die unendliche Erstreckung erwägt, den endlichen Raum und den unendlichen Raum. Er meint ihn audi nicht primär als Lebensraum, der eng oder weit sein kann und in beiden Fällen erlebt werden mag als Enge oder Weite, als Umfriedung oder Geöffnetsein für alles „Draußen", Auch-Räumliche. Er meint ihn weder als Bewegungsraum noch im Wissen um Gestaltgesetze. Er intendiert die Ausdehnung, die Anschaulichkeit, den Raum als das räumlich Ausgebreitete. Vielleicht ließe sich diese Intention auf Anschaulichkeit aufweisen am Erleben des Zuschauers, dem die Kulisse nur mit einer Andeutung der Form, einer Geste, einem Wort mitgegeben wird — der Zuschauer füllt die Andeutung auf, er lokalisiert das Geschehen, er imaginiert einen ausgebreiteten Raum, er setzt Lage- und Gestaltbeziehungen. Vielleicht wird auch die Intention offensichtlich, wenn man die Fragestellung für das Kind, das sein Haus auf den Platz zeichnet, oder für den Schachspieler umkehrt: das Kind „sieht" das „richtige" Haus, der Schachspieler „zieht" die Figuren. Sofern die Spielidee im engeren Sinne, das Verständnis der Szene, das Erfassen der Relationen diese Anschaulichkeit nicht fordern, erscheint der Raum nicht mehr als konstituierende Bedingung, sondern als ein Zusätzliches, Uberflüssiges, als ästhetische Auffüllung.
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Es fragt sich, ob beide Bestimmungen zu vereinen sind: der Raum als Determination einer freien Bewegung, und der Raum als ästhetisches Attribut. Beiden gemeinsam ist, daß der Raum Dimension ist. Er kann weder die Aufhebung der Dimension als „Punkt", noch die Aufhebung in der unendlichen Erstreckung umfassen. Aber er kann auch nicht jede beliebige Dimension zwischen Punkt und unendlicher Ausdehnung annehmen, die Größe der Ausdehnung ist gebunden an die Spielidee und die Spielgesetzlichkeit. Sucht man einen Terminus, der neutral ist gegen die Unterscheidung Außen und Innen, Beobachter und Spielender, der die Idee einer allgemeinen Spielanleitung erfüllen könnte und sowohl die äußere Erstreckung als auch die Phantasiewelt kennzeichnet, zugleich aber das Spiel unterscheidet vom Alltäglichen und von der wissenschaftlichen Reflexion, so kann man vom Kriterium der Begrenzung gegen das Unendliche ausgehen: der Spielraum hat die Dimension der Erreichbarkeit. Er ist determiniert gegen das Unendliche, und gerade dann, wenn er das „Unendliche" hereinholt in das Spiel. Die Erreichbarkeit des Raumes ist Bindung an das, was zu ermessen ist, zu erfüllen ist. Was unerreichbar ist, was nicht eingeholt werden kann in der Bewegung der Hände, im Laufen, im Sprung und im Wurf, in der Phantasie, im Bewußtsein, entzieht sich dem Spiel. Und sofern die Unendlichkeit der Erstreckung, das „Jenseitige" alles wahrnehmbar Räumlichen in das Spiel der Phantasie und des Denkens aufgenommen wird, ist es erreichbare Unendlichkeit, in die Endlichkeit eingeholte Unendlichkeit. Das Maß dieser Erreichbarkeit bestimmt sich aus den Möglichkeiten der Spieler und der Spielidee. Das Versteckspiel kann nicht die ganze Stadt umgreifen, die Relation der Felder eines Schachspieles nicht in eine unendliche Ausdehnung transponiert werden, das Phantasiespiel nicht die Ferne als Ferne erhalten. Mit dieser Erreichbarkeit muß wohl zusammenhängen, daß es im Spiel keine Sehnsucht nach der Ferne gibt, wohl aber eine Erfüllung der Sehnsucht. Erreichbarkeit heißt nicht: das schon Erreichte, das leicht zu Erreichende. Es ist die Möglichkeit des Erreichens, die das Spiel auszeichnet und mit der zusammenhängt, daß Ziele und Zwecke nicht über das Spiel hinausgehen. Das Schiff fährt nach Utopia — und Utopia kann gleich um die Ecke liegen oder so weit sein, daß der Weg erfüllt ist von Ereignissen und das Schiff nie ankommt, aber Utopia bleibt prinzipiell in der Dimension des Erreichbaren. 3*
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Wie immer auch das alltägliche Leben sich in einer solchen Erreichbarkeit hält, anders als im Leben hört das Spiel auf, wenn das Unerreichbare einbricht — die auch mit äußerster Anstrengung nicht zu bewältigende Reichweite, das nicht einzuholende mathematisch Große, die Betroffenheit vor der nicht zu durchmessenden Entfernung und vor der Ferne, die trennt. Wer das als unerreichbar Geltende für erreichbar hält, den kennzeichnet die an der Realität orientierte Lebenssicht als Abenteurer, als Phantast, als Spieler. Aber es beginnt auch kein Spiel in bezug auf den Raum, wenn das Räumliche das je schon Ermessene im Spiel ist, und das Spiel mit den Möglichkeiten des Räumlichen hört auf, wenn der Raum in diesen Möglichkeiten beherrscht ist. Unter diesem Gesichtspunkt lassen die Spiele sich einteilen in solche, in denen der Raum nur konstituierende Bedingung oder die Sphäre der Anschaulichkeit ist, und solche, in denen der Raum als Ausdehnung und Gestalt gegenständlich thematisch wird. Die Unterscheidung entspricht etwa der, mit der das Dasein eines Gemäldes im Raum und die räumliche Aufteilung im Kunstwerk auseinandergehalten werden. Das Gemälde an der Wand ist in einem alltäglichen Sinne immer da, es ist in seinem Rahmen zugleich begrenzt gegen das andere. Aber dieses Dasein und dieser Bezug zum Raum sind vergleichsweise trivial — als Kunstwerk ist es erst „da", wenn es in sich betrachtet wird, wenn das Spiel der Farben und Formen einsetzt, wenn wir uns führen lassen von der Richtungskonvergenz auf das zentrale Gemeinte hin oder von dem Auseinanderstreben, das den Rahmen zu negieren scheint. In dieser Sicht ist der Raum nicht mehr Spielraum im bisherigen Sinne. Zwar kann er weiter gelten als Begrenzung und Offenheit, als Möglichkeit und Widerstand, als Sphäre des Hin und Her; aber er wird nun thematisch in seiner Gegenständlichkeit und für die Perspektive. Andere Spiele bieten sich an zum Vergleich: die Legespiele, das spielende Zeichnen und Bauen, das Ineinanderstecken von Behältern, aber auch rhythmische Bewegungsspiele oder die Patiencen, die eine Figur auslegen und durch Veränderung eine neue Gestalt erreichen. In diesen Spielen ist der Raum nicht mehr allein konstituierende Bedingung, Ausgangsposition und „Rahmen" für die Spielhandlung oder Ermöglichungsgrund bildhafter Anschaulichkeit, er ist Ziel und Aufgabe. Der Raum wird thematisch als der leere Raum, der ausgelegt und erfüllt werden soll in einem wörtlichen Sinne — bis zum letzten Steinchen im
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Mosaik, bis zur Erfüllung durch Bewegungsgestalten. Er ist undeterminiert, wenn audi begrenzt, frei für den perspektivischen Entwurf, die tabula rasa, das Unbestimmte, das räumlich bestimmt werden muß durch Auslegung und Erfüllung. Aber auch als der auszulegende und zu erfüllende hält der Raum sich im Modus der Erreichbarkeit.
Die Spielzeit Auch für die Zeit kann man zunächst vom Gedanken der Erreichbarkeit ausgehen. Die Gegenwärtigkeit des Spieles legt nahe, daß Vergangenheit und Zukunft als das nicht mehr und noch nicht Erreichbare dem Spiel fremd sind. Wenn das Spiel seinem Ursprung nach nicht aus vorausliegenden Ereignissen in der Realzeit begriffen werden kann, wenn es in seiner Vollendung sich abschließt gegen die künftige Kette von Ereignissen, und wenn es andererseits die Ewigkeit im Augenblick seines Werdens intendiert, so ist die Setzung eines „Nicht-mehr" und „Noch-nicht" als prinzipiell Unerreichbares in dieser Dauer des Jetzt aufgehoben. Was für den Spielraum gilt, gilt insofern entsprechend für die Spielzeit: Das Vollendete des unwiederholbar Vergangenen und das unvollendbare Künftige, das als solches uneinsichtig ist und jenseits aller Handlungsmöglichkeiten, wie immer es sich dem Wunsch und dem Wollen, der Furcht und der Hoffnung darbietet, brechen nicht in die Dauer des Spieles ein. Wird in der Wirklichkeit Vergangenes im Spiel thematisch, so ist es ein Geschehen, das sich in diesem Augenblick abspielt, und es kann beliebig oft wiederholt werden. Ebenso ist das Künftige, sofern es im Spiel dargestellt wird, hineingenommen in die Gegenwart, ohne daß es den Charakter des Vorweggenommenen notwendig aufweist. Auch wenn das Märchen in der Form „es war einmal" erzählt, der Ablauf der Ereignisse geschieht als Gegenwärtigkeit, auch wenn der Zukunftsroman, der die Handlung als gegenwärtig oder vergangen charakterisiert, die sprachliche Gestaltung des „es wird sein" annehmen würde, es würde sich ein „Jetzt" der Ereignisse aufdrängen. Erst in der Interpretation des Spieles aus dem Blick auf das Inhaltliche, etwa im Zusammenhang mit der Reflexion über die Nachahmungstendenz des Kinderspieles oder über seinen Wert für das spätere Leben,
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kann von einer realen Bedeutung der Vergangenheit oder Zukunft gesprochen werden. Andererseits aber hat das Spiel selbst die zeitliche Erstreckung des Nacheinander und die Erlebnisform der Dauer. Für den Beobachter lassen sich in dieser Zeitfolge Ereignisse als vergangen und das Gegenwärtige determinierend abheben, und in der Intention des Spielenden, der Aufgabenstellung oder auch nur in der inneren Dynamik der leiblichen oder geistigen Bewegung zeigt sich die auf Künftiges verweisende Richtungsbestimmtheit, und mit ihr eine Bestimmung der folgenden Geschehnisse. Man wird diese gleichsam lineare Ausdehnung nicht negieren können vor dem Gedanken der inneren Unendlichkeit des Spieles, wie sie im Anschauungsbild des Kreises dargestellt wird. Der Spielende selbst, wie immer er im Augenblick aufgeht in seiner Hingabe an die Sphäre des Als-Ob, erlebt ein Vorher und Nachher, am deutlichsten in der Spielgestaltung. Die versäumte Chance, der ungünstige Zug, der Ball, der ins „Aus" gegangen ist, sind vergangene Spielereignisse, und ähnlich wie im Leben steht der. Spielende ihrer Wirkung oft zornig oder bedauernd, ratlos oder überlegend gegenüber. Das Kind ist beim Bauen geleitet vom antizipierenden Schema des Entwurfs, nicht anders als der Erwachsene in der Intention auf sein Werk. Wenn Rotkäppchen die Weisung der Mutter vergessen hat, wenn Kassandra vor dem Künftigen warnt, so zeigt sich, daß dies Gegenwärtige die Folge von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kennt. Insofern ist die Zeit — als Folge des Jetzt und Jetzt und Jetzt einerseits und des Vorher, Jetzt und Nachher andererseits — nicht aufgehoben im Spiel, wenn „aufheben" Zeitvergessenheit bedeutet. Es ist auch keine Spiegelung des Zeitlichen, die im Spiel auftritt. Es scheint vielmehr, daß die ontologische Ambivalenz — dieses Hin und Her von Dasein und Nichtsein und Sein und Werden — für den Zeitbegriff des Spieles und die Zeitunterscheidung im Spiel eine besondere Tragweite hat. Der Vergessenheit fällt nicht die Zeit als solche anheim, sondern die Bestimmtheit der Realität, und mit ihr die Bestimmtheit von Vergangenheit und Zukunft und die meßbare Zeit. In der Hingabe an die Anschauung und an das Tun vergessen wir „die Zeit", das heißt aber, wir vergessen, wie lange das Spiel dauert und wie spät es ist, wir vergessen unsere geschichtliche Bestimmtheit und die getroffene Disposition für die nahe Zukunft. Insofern ist die Realzeit nicht, sie ist aufgehoben
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mit den Fixierungen und Inhalten unseres Daseins, das Spiel ist Gegenwärtigkeit, unmittelbare Bindung an das Jetzt. Dieses Jetzt aber ist kein Beharrendes, kein Unvergängliches in seiner Dauer und seinen einzelnen Erfüllungen. Es nimmt erneut die Form zeitlichen Fließens an, eingeklammert in die Gegenwärtigkeit. Die Spielzeit fungiert gleichsam wie die Präsenzzeit, in der die Abfolge des Nacheinander als Zugleichsein erscheint, aber mit dem Unterschied, daß Bewußtsein der Folge und Gegenwärtigkeit zusammen möglich sind. Führt man eine ähnliche Erwägung für die geschichtliche Zeit durch, so zeigt sich ein merkwürdiges Charakteristikum des Spieles. Die Darstellung eines zeitlich Zurückliegenden — sei es im Kinderspiel, im Laienspiel, im Schauspiel oder in einem Spiel der Phantasie — eröffnet eine Wiederholbarkeit des Vergangenen. Diese Wiederholbarkeit ist zunächst erklärbar von der Gleichförmigkeit der Zeit aus — der Wiederkehr des nicht unterscheidbaren „Jetzt", das seine Akzentuierung erst durch das Setzen von Ereignissen und Epochen erhält. Sie wird erreicht durch die Wiederholung solcher Akzentuierungen, durch die „Rekonstruktion" der räumlichen Situation, der Handlungen, der Gespräche. Diese Rekonstruktion mag die geschichtliche Wirklichkeit genau abzubilden versuchen, sie mag sich auf Andeutungen in Kulisse, Gestik, Handlung und Sprache beschränken, sie mag auch das geschichtliche Ereignis in die Formen gegenwärtiger Lebensgewohnheiten und Ausdrucksweisen übertragen — in keinem Falle wird man sie als Wiederherstellung eines Urbildes oder als Reproduktion der vergangenen Wirklichkeit auffassen dürfen. Sie ist vielmehr ein erneutes Herstellen, sie ist Repräsentation im Sinne eines neuen Daseinsentwurfs auf Grund eines Wissens um einen vorgängigen. Wie ist ein soldier wiederholender Daseinsentwurf, eine solche Vergegenwärtigung möglich? Geht man davon aus, daß das Vergangene in die Gegenwart hineinreicht, vom Kontinuum der geschichtlichen Zeit also, so scheint sie unmöglich. Denn die Gegenwart ist — im strengen Sinne des Wortes — weder wiederholbar noch darstellbar. Wollte der Spielende die Gegenwart wiederholen, so müßte er sein Spiel, ein erfülltes Jetzt, im selben schon erfüllten Jetzt wiederholen — anders ausgedrückt: die Gegenwärtigkeit negiert die geschichtliche Gegenwart. Unter diesem Aspekt gesehen schließt das Spiel nicht die Wirklichkeit eines Vergangenen und die Möglichkeit eines Künftigen aus, sondern die Jetztzeit.
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Das aber würde bedeuten, daß das Vergangene als Vergangenes und das Künftige als Künftiges in die Erreichbarkeit des Spieles eingeholt werden, während die geschichtliche Gegenwart prinzipiell unerreichbar bleibt. Ein solches Einholen setzt voraus, daß die Kontinuität der Zeit aufgehoben wird und diskrete Zeitabschnitte gesetzt werden. Man kann dieses Verhältnis von Spiel und geschichtlicher Zeit von zwei Momenten her darlegen: Es folgt einmal aus der Eliminierung der Gegenwart im Spiel, aus dem Bruch, der sich auftut zwischen dem, was war, und dem, was sein wird. Es folgt zum anderen aus der Wiederholbarkeit selbst. Wiederholen läßt sich nur, was in sich abgeschlossen ist, das heißt aber, daß die Wiederholung eines Vergangenen im Spiel, und ebenso die Vorwegnahme eines Künftigen, als des Noch-nicht-Geschehenen, eine zeitliche Grenze zieht — aus der Kette geschichtlicher Folge etwas als abgeschlossen aufnimmt und damit die Kette durchbricht, also eine diskrete Zeit setzt. Für die weitere Reflexion über dies Verhältnis von Spiel und Zeit wird man zunächst wiederum davon ausgehen müssen, daß das Spiel selbst Dauer hat. Käme ihm diese Dauer nicht zu, so wäre die Aufhebung der Gegenwart in der Gegenwärtigkeit eine philosophische Trivialität. Sie würde nichts anderes bedeuten, als daß der Augenblick nicht existiert, da ihm keine zeitliche Ausdehnung zugesprochen werden darf, und daß er als dieses gedachte unzeitliche Jetzt in der Zeit Vergangenheit und Zukunft trennt und verbindet. Sofern der Augenblick diese Trennung ausmacht, ist er zugleich die Ewigkeit als Aufhebung aller Zeit und Zeitlichkeit. Sofern er die Verbindung eines unendlichen Vergangenen und eines unendlichen Künftigen bedeutet, ist er Ewigkeit im Sinne des Umgreifens einer zeitlichen Erstreckung. Aber dieser Begriff des Augenblicks hat keine anschauliche Erfüllung, er ist prinzipiell „leer". Die Aufhebung der Gegenwart im Spiel dagegen ist eine erfüllte, und damit wohl kaum eine dialektische Vereinigung von Augenblick und Ewigkeit oder von Gegenwart und Vergangenheit in der Synthesis eines Dritten. Sie scheint viel eher ein „Zusammen" und ein „Zwischen". Geht man von der Verfügbarkeit der Zeit für den Spielenden aus, der die geschichtliche Kontinuität durchbricht und in der Gegenwart ein Vergangenes repräsentiert, so zeigt sich das Zusammen insofern, als Gegenwart und Vergangenheit zugleich intendiert sind. Sie sind zugleich nicht nur in der Weise verschiedener Standpunkte —
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wie die erinnerte Situation in der Vorstellungswelt gegenwärtig, dieses vorgestellte Seiende aber als Ereignis vergangen ist—, sondern im Sinne eines absurden Zugleichseins verschiedener Zeiten. Sie scheinen in derselben Hinsicht das Daseiende zu bestimmen und nicht zu bestimmen, als Vergangenheit und Gegenwart zu gelten und nicht zu gelten, gemeint zu sein und nicht gemeint zu sein. Wenn der Bote auf der Bühne die verlorene Schlacht meldet und schildert, und wenn die Feldherren über die künftigen Maßnahmen beraten, und wenn diese ganze Szene der darstellende Wiederentwurf eines geschichtlichen Ereignisses ist, so setzt eine eigentümliche Verschränkung von Gegenwart und Vergangenheit bzw. Zukunft ein. Sie hat mit der Realität des Lebens und Erfahrens gemeinsam, daß etwa in einem historischen Bericht die Meldung des Boten und die Planung der Feldherren in der Gegenwart zur Kenntnis genommen werden und zugleich durch zeitliche Distanzierung charakterisiert sind. Aber wir verstehen im geschichtlichen Bezug die Wiedergabe dessen, was vor Jahren geschah, nicht als wiederholendes Geschehen. Vielleicht läßt sich das Zusammen von Gegenwart und Vergangenheit an einem Erinnerungsvorgang deutlicher machen: Der Erinnerung liegt die Gliederung in Gegenwart, Vergangenheit und Vorvergangenheit zugrunde, so daß hypothetisch eine Iteration durchgeführt werden könnte — ich erinnere mich jetzt, daß ich mich früher erinnert habe, daß ich mich erinnert h a t t e . . . — ich erinnere mich heute, daß ich mich gestern erinnert habe, daß ich vorgestern ein Erinnerungserlebnis vom Tag zuvor h a t t e . . . Wird aber dieses Erinnerungserlebnis von gestern heute im Spiel dargestellt, so verschwindet der Charakter der Rückläufigkeit der Zeit für die beiden ersten Momente: das Heute und das Gestern. Statt dessen setzt ein Miteinander ein, ein Hin und Her zwischen Gegenwart und Vergangenheit, das bei entsprechender Dauer übergeht in die ambivalente Gegenwart, und das man vielleicht mit dem Ausdruck: zeitliche Transponierbarkeit bezeichnen könnte. Noch deutlicher vielleicht ist diese Verschränkung von geschichtlichen Zeiten im Hinblick auf die Zukunft. Wie immer jede Planung das Noch-nicht-Geschehene in die Gegenwart hereinholt und anschaulich vorstellt, sie setzt es aus dem Bewußtsein des „Noch-Nicht" als Absicht und Künftiges, das nun rückläufig determinieren und die reale H a n d lung auf das Ziel hin bestimmen kann. Die Einholung des Künftigen im
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Spiel aber setzt den Bruch zwischen Gegenwart und Zukunft, um ein mögliches Künftiges als wirkliches Gegenwärtiges erscheinen zu lassen. Und in diesem Erscheinen kann sich nun wieder die ganze Folge und Bestimmtheit einer geschichtlichen Zeit entfalten. So stellt das Kind nicht nur im Spiel einen Erwachsenen dar, es spielt auch, daß es selbst jetzt, in dieser Gegenwart, erwachsen ist — und als Erwachsener erinnert, handelt und plant, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hat. Es ist vielleicht selbstverständlich, daß der neutrale Beobachter hier den Einwand einer spekulativen Interpretation erheben wird, zumindest den Einwand einer psychologistischen Interpretation mit dem Argument, daß diese Art von wechselnder Transponierbarkeit nur möglich ist, wenn der Spielende bzw. der Zuschauer um den wiederholenden oder vorwegnehmenden Entwurfcharakter weiß. Für den Beobachter, der die Intention des spielenden Kindes nicht beachtet, ist das Spiel dasselbe, ob das Kind nun irgendeinen Erwachsenen oder sich als Erwachsenen — ein lebensgeschichtlich Späteres — darstellt. Es ist scheinbar auch selbstverständlich, daß eine Argumentation möglich ist, nach der wiederholender und einholender Entwurf unabhängig vom Mitwissen um die Art des Entwurfcharakters das Spiel des Kindes bestimmt. Unter diesem Gesichtspunkt sind wiederum beide Spiele gleich, ob das Kind irgendeinen Erwachsenen spielen will oder sich als Erwachsenen — es spielt immer sich selbst, es antizipiert sein künftiges Dasein. Im Hinblick auf die Frage nach der Bedeutung der Zeit für die Konstituierung des Spiels und im Spiel aber sind beide Spiele verschieden: Im ersten Beispiel geschieht der Daseinsentwurf ohne Rücksicht auf die richtungsbestimmte Zeit, das Spiel hält sich in der Gegenwart. Im anderen Fall dagegen ist das Bewußtsein der lebensgeschichtlichen Zeit ein konstituierendes Moment des Spieles, das seinen besonderen Reiz mitbegründet. Eine Spielanleitung für ein so bestimmtes Spielen müßte daher angeben: Das Künftige bzw. das Vergangene muß als solches isoliert werden aus dem Fließen der Zeit, um es dann in der Gegenwärtigkeit als Gegenwart zu setzen, ohne die Sphäre des Als-Ob aufzugeben. Die Nichtumkehrbarkeit der Zeit muß zugleich anerkannt und negiert werden. Gegen den Einwand des „objektiven" Beobachters könnte auf die Notwendigkeit verwiesen werden, das geschichtliche Drama als geschichtliches, und nicht nur als sich jetzt abspielendes dramatisches Ge-
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schehen zu erklären. Gegen den Innenaspekt, der die ambivalente Zeitintention betont, ließe sich einwenden, daß die Geschichtlichkeit vornehmlich durch das räumlich Anschauliche, Kulisse, Kostüm, Requisit und Gestik, im übrigen durch entsprechende Rede und Verhaltensweise erreicht wird, das heißt, daß der Eindruck der historischen Distanz prinzipiell nicht anders zu erklären ist als der Eindruck der Distanz zu gleichzeitigem, aber fremdem Lebensraum, daß nicht die Wiederholung der Zeit, sondern die Wiederholung der Situation entscheidet. Und sicher ließe sich noch weitergehend argumentieren, daß weder die Dichtung noch das Kinderspiel ein Zeitliches meinen, sondern das prinzipiell Übergreifende, Unzeitliche, Unendliche — die Idee, das Leben überhaupt, typische, immer wieder mögliche Schicksale. Aber abgesehen davon, daß diese Darstellung des Unzeitlichen in der Zeit und der raumzeitlichen Erscheinung als wiederholender Entwurf geschieht, damit ist der Standpunkt bloßer Interpretation, unabhängig vom zu beschreibenden Phänomen, eingenommen. Viel eher ist zu betonen, daß Spiel im engeren Sinne und Dichtung sich unterscheiden könnten: Das Spiel ist gleichgültiger gegen die Zeit, es will nichts mitteilen — weder das Faktum der Vergangenheit noch Werte des Ewigen. Wie immer man sich zu diesen Fragen stellen mag und sie vielleicht von einer Theorie der Kunst her entscheidet, vom Phänomen aus grenzt sich aus der Fülle der Spiele eine Gruppe ab, für die das geschichtliche Zeitbewußtsein eine konstituierende Bedeutung hat. Von den Phänomenen aus wird man aber auch unterscheiden müssen zwischen dem Zeitbewußtsein im Spiel und einer vergleichbaren Haltung im Leben. Die realistische Lebensauffassung sagt von der alternden Frau, die von den Dingen bis zu den Wertungen die Epoche ihrer Jugend festhält, daß sie in einer „Scheinweit" lebe, und der Mann, dem „der Sinn für die Realität" mangelt, ist für sie eine Art „Spielernatur", weil er heute die Münze schon ausgibt, die er, mit Glück, vielleicht morgen erwerben kann. Mag dies Verfallen an die Täuschung ein Grenzfall des Lebens sein, wie die völlige Identifikation von Spiel und Realität ein Grenzfall der Spielmöglichkeiten ist, jedenfalls zeigt sich auch hier noch ein Unterschied zwischen „Leben" und „Spiel": das Ersetzen einer geschichtlichen Zeit durch eine andere im Gegensatz zur Ambivalenz der Zeitsetzungen oder, objektiver ausgedrückt: der un-
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freie Verlust der Distanz im Gegensatz zur freien Wiederholbarkeit der Zeit. Es stellt sich die Frage, ob das Charakteristikum der Wiederholbarkeit zur allgemeinen Kennzeichnung der Zeitverhältnisse beim Spiel zureichen könnte. Zunächst läßt sich das Kriterium wohl auf alle Darstellungsspiele übertragen: sie haben nicht nur einen „Ort" der Handlung, sondern auch eine „Zeit". Diese Zeit, in der die Handlung spielt, mag ausdrücklich festgelegt sein oder nicht — im 17. Jahrhundert, an einem Mittag im Frühjahr, in seinem 30. Lebensjahr, oder: irgendwann —, sie bringt die Wiederholbarkeit zum Ausdruck. Je willkürlicher die Zeiten vertauscht, ineinandergeschoben oder offengelassen werden, um so deutlicher tritt die mangelnde Fixierung der Gegenwart hervor, die in der Wirklichkeit des Daseins das allein unmittelbar Anschauliche und Bestimmte ist, aber mit ihr auch die Bindung an die Gegenwart. Die Rückblende im Film läßt die gesetzte Vergangenheit umschlagen in eine neue Gegenwart, die Möglichkeit, ein Leben von seinem Ende her darzustellen, ist gebunden an die vorlaufende Zeit und beginnt im jeweiligen Jetzt, und die chronologisch absurde Vorstellung, daß ein im einzelnen bestimmtes Ereignis nicht zu einer bestimmten Zeit wirklich ist, sondern zu einer beliebigen Zeit, möglicherweise zu jeder Zeit, wird erfüllt in der Intention auf die Gültigkeit dessen, was jeweils in diesem Augenblick wird. Die Wiederholung ist eindeutig thematisches Moment in allen rhythmischen Spielen, die Tonfolgen, Bewegungsphasen, Handlungseinheiten aneinanderreihen, Spiele, die auf ein endloses „Immer wieder" zielen. In den ersten sprachlichen Kinderspielen tritt sie auf als Wiederholung der Laute und Lautgruppen, dann der Worte und Wortfolgen, und sie erhält sich über die Kinderreime, die Abzählverse, den Refraineffekt bis zu der Dichtung, in der bei variierenden Worten das Versmaß oder die Lautfolge wiederkehren, und sie ist auch noch bestimmend in der Symmetrie und in anderen strukturgleichen Varianten des Räumlichen. Das wiederholende Spiel ist zu Ende, wenn es „langweilig" wird, wenn es so lange währt, daß die Dauer bemerkt wird. Vom „Innenaspekt" aus gesehen ist die Zeitstruktur des Spieles die wiederholende Folge von Spannung und Lösung. In ihm wird am deutlichsten, daß die „ewige" Dauer des Spieles in der Wiederholung des Gleichen ihr Ende erstrebt. Wenn auch der Beobachter den Zeitpunkt
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und den Grad möglicher Sättigung nicht festlegen kann, das Umschlagen der Spiellust in ihr Gegenteil oft ihm als willkürliches Abbrechen erscheint, so ist doch in diesem „Immer noch einmal" enthalten, daß es nur währt bis zu einem endlichen Genügen. Die Vorstellung, daß das Spielen niemals aufhöre, verkehrt das Spiel in sein Gegenteil; aus der Spielzeit des Lebens, der frühen Kindheit, erwächst, ineins mit dem Zeitbewußtsein, wie aus innerer Notwendigkeit die Intention auf die Arbeit. Auch in diesem Sinne also gilt die Ambivalenz des Zeitlichen: das zeitliche Ende wird gesucht und abgewehrt, abgewehrt und gesucht. Es ist, als ob der Spielende in der „Kurzweil" des Schauens und Tuns die Zeit „vertreibt" — im extremen Fall innerer Leere oder gespannter Lebenserwartung dient das Spiel dazu, „die Zeit totzuschlagen" —, um sie erneut heranzuholen und sein Spiel in die Zeit zu entwerfen. Der Anfang des Spieles birgt in der Wiederholung sein Ende. Es wurde schon argumentiert, daß die Wiederholbarkeit einschließt, ein Geschehen als abgeschlossen zu setzen. Es wurde auch schon angedeutet, daß die Transponierbarkeit sich auf zwei Momente reduzieren läßt, wobei ein Moment immer das Jetzt ausmacht. Denkt man sich einen Film, der Rückblende in Rückblende schiebt, so wird trotz der Reflexion auf die Iteration jede Rückblende gleichsam zur Zeitklammer, die sich als Gegenwart aufdrängt und zugleich ein Vergangenes meint, ähnlich wie die „Angst vor der Angst" zwar sprachlich als Doppelung von Angst zum Ausdruck gebracht wird, aber nur als „eine" Angst, und nicht zugleich als das „Wovor" der künftigen, in der Darstellung erscheinen kann. Insofern ergibt sich auch kein Widerspruch zur Bestimmung der Zeitlichkeit des Spieles als Wiederholbarkeit, wenn das rhythmisch wiederholende Spiel nicht „unendliche" Gleichförmigkeit bedeutet. Audi wenn die Gliederung des Erlebens eine Steigerung impliziert, könnte die wiederholende Bewegung des Spieles verstanden werden als ein Zurücklaufen in sich selbst, so daß jedes Spiel dem „Spiel der Wellen" gleicht. Dies Zurücklaufen ist unter dem Aspekt des Spieles unendlich, da es das Ganze umfaßt. Unter dem Aspekt der Zeitintention ist es ambivalent. Unter dem Aspekt der Realzeit aber ist es entweder ein ereignisbestimmter und meßbarer Teil der Zeit oder, wie immer die Zeit„vergeht", in seiner Isolierung von der Kette der Wirklichkeiten ein „Nichts". Doch wird vielleicht damit schon deutlich, daß die Wiederholbarkeit die richtungsbestimmte Zeit entweder zugrunde
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legt oder entspringen läßt — die Gerade geht über in den Kreis, der Kreis in die Tangente. Aber es gibt Spiele, die nicht auf die endlos-endliche Folge hin angelegt sind, sondern im Entwurf des Anfangs das Ende meinen als ein anderes. Das Brettspiel intendiert die Schlußposition, jedes Kampfspiel den Sieg, die Patience soll aufgehen, das Rätsel will gelöst sein, das Glücksspiel drängt auf Entscheidung, langes Mischen der Karten ist Verzögerung, und auch die schönste Geschichte soll zu ihrem Ende kommen. In den großen Sportspielen ist es die meßbare Zeit, möglichst auf den Bruchteil der Sekunde gemessen, die das Ende setzt, die Halbzeit bestimmt, den Ersten ermittelt. In anderen Spielen begrenzt die Zahl, das Schema der Zeiteinheit, in der Anzahl der Punkte, der Augenzahl der Stiche, der Vielzahl der Treffer. Im modernen Quiz „läuft die Uhr", beim Verstecken muß man bis zehn zählen oder bis hundert, bis man sich umdrehen darf, in den alten Märchen stehen drei Tage zur Lösung des Rätsels zur Verfügung, und Scheherezade erzählt, um die Zeit eines Lebens zu gewinnen. Man kann „mit der Zeit" oder „auf Zeit" spielen und „gegen die Zeit", und wer schneller läuft oder „fixer" denkt, wer „am längsten" aushält und sich „am schnellsten" dreht, bis zum ekstatischen Rausch, bis zur Erschöpfung, wird Sieger. Auch für die Spielzeit gilt, daß sie sich decken kann mit der Realzeit, analog dem Spielraum, daß sie die Grenzen der Erreichbarkeit sichert, in Rücksicht auf die Aktionsfähigkeit der Spieler und die Aufnahmefähigkeit der Zuschauer oder auf die Normierung für die Wiederholung im Wettkampf. Dem Spiel fremde Gründe können maßgebend sein, wenn der Erwachsene die Zeit für das Spiel bestimmt aus der Forderung des Alltags und der Erwägung, wieviel Zeit dieses „Uberflüssige" im Leben beanspruchen darf. Aber stärker als der Spielraum ist die Zeit gebunden an die Spielidee und das Spielerlebnis. Die objektiv meßbare Dauer erfährt ihre Begrenzung nicht von außen, sondern von innen: von der Erfüllung des Spieles. Zum Spiel muß man „Zeit haben", und zwar so viel Zeit, wie zur Beendung des Spieles erforderlich ist. Der Skatspieler kündigt daher nidit an, noch 20 Minuten zu spielen, sondern noch „eine Runde". Die Erreichbarkeit der Raumzeitlichkeit gewinnt die Bedeutung, daß das Ende des Spieles erreichbar sein muß. Und zum Spiel muß man Zeit haben im Sinne der Muße, der Freiheit vom Drang erlebter Verpflichtung und Sorge, damit
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ein Anfang gesetzt werden kann. Von diesem Anfang aus bestimmt sich das Ende, in der Intention auf die Dauer oder in der Intention auf den Abschluß, auf das immerwährende „Noch und noch" — oder auf das geplante, berechnete, mit allen Mitteln der Spieltechnik herbeigeführte Ergebnis. Es scheint, als ob von solchen Beispielen aus die Zeitlichkeit des Spieles erneut fragwürdig wird, aber vielleicht kann gezeigt werden, daß auch hier das Kriterium der Wiederholbarkeit zutrifft. Wenn der Spielende sein Spiel auf das Ende hin entwirft, so muß er wieder die Spanne zu einem Künftigen als mögliches Zeitbewußtsein im Spiel haben, und die Determination vom Ziel her muß im Spiel Geschehenes als Vergangenes ausweisen. Diesem Künftigen ist, sofern es das „Ende" ist, das Charakteristikum dessen, was mit Sicherheit eintritt und rückläufig wirkt, zuzusprechen, dem Vergangenen das Charakteristikum des Vorlaufens auf das Spätere — Anfang und Ende fügen sich ineinander. Sieht man nur auf die teleologische Struktur des Spieles, so gleicht es der Arbeit. Geht man dagegen davon aus, daß dem Ergebnis des Spieles kein Beharren und keine Wirkung in der Zeit zukommt, daß es kein Werk ist, und daß die Bestimmtheit des Anfangs nicht erklärt werden kann aus vorhergehenden Ereignissen, so fügt sich das Spiel nicht in die fortlaufende Zeit, und eben insofern ist es reine Gegenwärtigkeit. Damit verbietet sich aber gleichsam die Vorstellung von Anfang und Ende, das Spiel ist ein werdendes Ganzes, und es existiert nur als dieses werdende Ganze. Aber es verbietet sich auch die Vorstellung einer zeitlosen Ewigkeit. Das Spiel ist zurückverwiesen auf seinen Anfang, das heißt, es erneuert sich aus sich selber, oder, vom Spielenden, der in der Intention auf das Ende hin spielt, aus gesehen: da das Ende nichts „ist", wenn es keine Bedeutung in der Zeit hat, zielt die Intention ins Leere und setzt sich nun ziellos fort. So kommt das Ende des Spieles — und vielleicht unterscheiden sich Spiel und Arbeit erst damit — immer „zu früh", und es entsteht die Tendenz, das Ende hinauszuschieben in die Zukunft. Das Kartenhaus wird zum Einsturz gebracht, um „noch einmal" und „von vorn" anzufangen. Aus dem Spiel selbst entspringt die Folge der Spiele — die Wiederholung des Gleichen. Eine solche Wiederholbarkeit setzt wiederum voraus, daß sie „in" der Zeit ist.
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Die "Wiederkehr des Immer-Gleichen Es ist nicht entscheidend, ob Wiederholbarkeit nur dem Spiel zukommt, oder auch dem Leben. Es ist auch nicht entscheidend, ob die Übergänge von Spiel und Arbeit, von Spielhaltung und Lebenshaltung fließend sind. Entscheidend ist, in welcher Weise die Wiederholbarkeit das Spiel konstituiert und seine Zeitstruktur ausmacht: als Wiederholbarkeit in der Zeit. Schon die alltägliche Reflexion verweist darauf, daß „alles" im Leben sich wiederholt — Essen und Schlafen, Frühling und Sommer, Widerstreit und Versöhnung, Geburt und Tod, der „Kreislauf des Lebens". Diese Wiederkehr ist verständlich unter dem Aspekt der Gesetzlichkeit, und sie bedeutet im wesentlichen, daß die Strukturgleichheit ein die Zeit umgreifendes Gesetz oder eine zeitliche Invariante ist gegenüber der Variation individueller Ereignisse. Sie gilt im Leben nicht anders als im Spiel. Andererseits beharrt das Erleben auf der Einmaligkeit der Personalität und der Relation der Ereignisse zu ihrem Selbst. Es ist denkbar, daß die statistische Möglichkeit zweier identischer Schachspiele oder derselben Zahlen beim Lotto sich hintereinander erfüllt, während es vom Standpunkt der Person aus undenkbar scheint, daß dasselbe Schicksal in allen Bezügen je wieder genauso geschieht oder daß die Konstellation im Gesamt der Welt noch einmal dieselbe Person hervorbringt. Unter diesem Gesichtspunkt der Individualität der Person ist jede Situation und jedes Ereignis unwiederholbar. Aber diese Unwiederholbarkeit gilt dann auch für jedes einzelne Spiel in der Relation zur Person. Erst wenn man den Gedanken der Wiederholbarkeit konsequent auf die Einheit und Ganzheit des Spieles und auf die Zeit bezieht, wird ein Unterschied deutlich, zugleich aber auch die Problematik von Spiel und Welt. Die Raumzeitlichkeit des Spieles als Gegenwärtigkeit, in die alles eingeholt wird, was zum Spiel gehört, macht den Horizont der Spielwelt aus, ihre Einheit und Ganzheit. Sie grenzt das Spiel im ganzen als Sphäre der Erreichbarkeit wie auch das einzelne Spiel ab gegen das Nicht-Spiel, das dem Spiel gegenüber als Nichts gilt. Wenn nun das Spiel wiederholbar ist, so kann man abstrahieren von seiner inhaltlichen Fülle oder sie als identisch setzen wie in der Wiederholung der Rhythmen, und es bleibt die Wiederholung des Gleichen als ein „Immer noch
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einmal". Diese Wiederholung ist möglich, weil das Nichts des NichtSpiels nur im Spiel als Nichts gesetzt ist und daher vom Sein des Spieles umgriffen wird bzw. im Zeitbegriff des Spieles die Wiederholbarkeit in der Zeit enthalten ist. Will man diesen Sachverhalt anschaulicher ausdrücken, so kann man davon ausgehen, daß die reale oder erlebte Raumzeitlichkeit dem Spiel zugrunde liegt und den Bezugspunkt für das Auftreten der Wiederholung bildet im Denken und Erleben des Zuschauers. Der Zuschauer entdeckt die Folge des Immer-Gleichen, wenn er es bezieht auf die richtungsbestimmte Zeit bzw. auf die Verschiedenheit des Ortes, wenn er es zählt oder wenn er die einförmige Gleichheit des Erlebens als Langeweile bemerkt. Der Bezugspunkt kann aber auch der Spieler sein, der um das je neue Entwerfen des Gleichen als seine Setzung immer schon weiß. Und sofern der Zuschauer nicht zum Spiel gehört, der Spieler jedoch „im Spiel" ist, zeigt sich am Beispiel des Spielers besser, daß der Bezugspunkt dem Spiel zugehörig ist, ohne mit der Identifikation des Inhaltlichen aufgegeben zu sein. Uberträgt man nun dieses Verhältnis auf die Welt im Ganzen, und abstrahiert man von der Einmaligkeit der Personalität oder negiert sie, so ist das Ganze, das All, außer dem Nichts ist, in einer ewigen Wiederkehr gedacht. In einer solchen Vorstellung aber ist kein Stellenwert in der Raumzeitlichkeit denkbar, der als Bezugspunkt dient, es sei denn, daß die Zeit dieser Welt die Struktur einer richtungsbestimmten Linie hat. Wird diese Zeit aber zugrunde gelegt, so widerspricht dieses Weltbild sich selbst aus zumindest zwei Gründen: Die so als wiederkehrend gedachte Welt wäre nicht die Wiederkehr des Identischen, da sich die Phasen in einem Moment unterscheiden: durch ihre Stelle in der Zeit. Und sie wäre zweitens nicht die Wiederkehr des Ganzen, da die Einheit und Ganzheit voraussetzt, daß die unendliche Zeit wie ein Kreis Anfang und Ende zusammenfügt. Gibt man aber die Vorstellung der Weltzeit als Linie auf, so muß man dem Analogon des Spieles entsprechen und den „Zuschauer" oder „Spielenden" einführen, wenn der Begriff der Wiederholung noch faßbar sein soll. Man kann diese Reflexion so auffassen, daß der zugrunde gelegte Zeitbegriff der Welt aporetisch wird, oder daß die Vorstellung der Wiederkehr des Gleichen sich reduziert auf die Gesetzlichkeit oder bestimmte Momente, oder auch daß die Weltzeit gemessen werden muß an einer anderen Unendlichkeit. Man kann sie weiterführen auf Zenons 4
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Problem des fliegenden Pfeiles als Problem der Bewegung, und auf das Gleichnis vom Reifenspiel bei Nikolaus von Kues, oder auf die Kantische Antinomie vom Anfang und Ende der Welt und das Problem des Lebendigen und seiner Entwicklung 74 . Die gleiche Problematik entsteht für den Tod als das unwiederholbare zeitliche Ende des Daseins, das dem Spiel fremd sein muß, wenn es das nicht einholbar Künftige des personalen Seins ist75. Man kann auch von solchen Reflexionen aus vielleicht verstehen, was das Analogon des Spieles leisten könnte — das Unbegreifbare vorauszusetzen und zu zeigen, wie aus ihm die Ambivalenz der Zeitstruktur entspringt. Aber man wird nicht leugnen können, daß sich Spiel und Welt in den Möglichkeiten und Grenzen des Verstehens unterscheiden: Die Konstituierung des Spieles wird verständlich als „Welt" in der Welt, unter der Voraussetzung also, daß ein bestimmter, wie immer sonst philosophisch problematischer Begriff der Zeit zugrunde gelegt werden kann. Bezieht man dieses Ergebnis auf Nietzsches Gleichnis vom „Willen zur Macht", so ergibt sich unter dem Aspekt der Zeitproblematik, daß die Wiederkehr des Gleichen nicht als Wiederkehr des individuell Identischen aufgefaßt werden darf. In der Reflexion über den Augenblick im „Zarathustra" wird die Vorstellung, daß die Zeit selbst ein „Kreis" ist, als „zu leicht" abgewehrt 76 . Der Gedanke der ewigen Wiederkehr gründet sich hier auf den Begriff der Wiederholbarkeit, der aus dem unendlichen Regressus und dem unendlichen Progressus in der Verbindung des Augenblicks resultiert: In einer unendlichen Zeit muß alles schon „dagewesen" sein, was überhaupt geschehen kann — diese Konsequenz liegt im Begriff der Unendlichkeit. Für die Behauptung der Wiederholbarkeit in der Zukunft aber macht Nietzsche eine Voraussetzung: Alle Dinge sind „fest verknotet", so daß „dieser Augenblick alle kommenden Dinge nach sich zieht" und auch sich selbst77. Diese 74
Auf die damit verbundene erkenntnistheoretische Thematik von Spiel und Zeit bei Kant ist später im geschlossenen Zusammenhang der Erörterung des Kantischen SpielbegrifTs einzugehen. 75 Auch für diese Frage, deren Bedeutung in der Philosophie der Gegenwart bereits in der einführenden Darstellung erwähnt wurde, kann hier nur auf die entsprechende Problemstellung für die Philosophie Heideggers verwiesen werden. ** Vgl. Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen (1883 ff.), Vom Gesicht und Räthsel, WW VI, S. 231. 77 Ebd. S. 232.
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Voraussetzung scheint notwendig, um überhaupt den Gedanken eines Kommenden rechtfertigen zu können, andernfalls wäre in einer unendlichen Zeit die „Zukunft" immer schon abgelaufen. Nimmt man aber die Voraussetzung ernsthaft an, so daß „dieser Augenblick" — „diese langsame Spinne, die im Mondscheine kriecht, und dieser Mondschein selber, und ich und du im Thorwege, zusammen flüsternd, von ewigen Dingen flüsternd" 78 — die Zukunft determiniert, so tritt das Problem auf, daß jeder wiederholte erfüllte Augenblick mehr sein könnte als er selber, daß er zwar mitwiederkehrt, aber ein Plus an Determinationskraft hat. Wie man auch dieser Problematik ausweichen will, indem man das Geschehen als endlich begrenzt, die „verknoteten" Dinge wie eine punktuelle Einheit oder als Verbindung von unendlichem Mannigfaltigen setzt, man gerät erneut in die Schwierigkeiten, daß die Iteration nichts aussagt, oder die Individualität der Ereignisse nicht aufrechterhalten werden kann, oder die Zeit selbst im Kantischen Sinne „an sich" Nichts sein muß, oder der Augenblick „alles" ist. Sieht man diese Schwierigkeiten unter dem Aspekt der Spinne, die im Mondschein kriecht, so ist es für die Spinne dasselbe, ob sie einmal oder unendlich oft im Torweg ist, wenn sie kein Bewußtsein der Wiederkehr hat oder nur ein Bewußtsein unendlicher gleicher Wiederholungen. Wird ihr aber ein unterscheidendes Bewußtsein zugemutet, so ist sie kraft dieses Bewußtseins nicht mehr dieselbe, wenn sie den Torweg zum „zweiten Male" durchkriecht. Sieht man sie unter dem Aspekt Zarathustras — „Muß nicht, was laufen kann von allen Dingen, schon einmal diese Gasse gelaufen sein?"79 —, so stellt sich die Frage, ob dieser Standpunkt nicht verlangt, daß eines nicht mitläuft: das Bewußtsein Zarathustras, das Selbstbewußtsein. In dem schon zitierten Aphorismus vom „Willen zur Macht" könnte daher das Spielgleichnis weitertragen: es führt den „Zuschauenden" in die Aussage ein, bzw. die Spiegelung. „Und wißt ihr auch, was mir ,die Welt' ist? Soll ich sie euch in meinem Spiegel zeigen?"80 Diesem Zuschauer ist sie ein „Ungeheuer" von Kraft, deren Quantum sich nicht verändert, ausgelegt in einen bestimmten Raum, dessen Grenze das Nichts ist. Sie ist „zugleich eins und vieles" mit immer neuen Gestaltungen in einer „Zeit", die Nietzsche dem Meer 78
Ebd. " Ebd. 80 S. Anm. 61 (Hervorhebungen nicht im Original). 4»
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in Ebbe und Flut vergleicht — „ein Meer in sich selber stürmender und flutender Kräfte, ewig sich wandelnd, ewig zurücklaufend mit ungeheuren Jahren der Wiederkehr.. ." 81 Vom Standpunkt des Zuschauers aus ist diese Vorstellung erfüllbar; er bildet den notwendigen Bezugspunkt, von dem aus die Wiederkehr ein Vor- und Zurückfluten in einem gegebenen Raum ist und das Individuelle der Gestaltung mit der Flüchtigkeit und Ziellosigkeit des Ganzen in seinen Wiederholungen vereinbar bleibt. Aber wenn audi der Zuschauer sich pathisch verlieren kann in das ästhetische Verhältnis, seine Distanz in der Betrachtung des Ganzen stellt ihn außerhalb des Geschehens — an das Ufer, wenn man vom Bild des Wellenspiels ausgeht, in das Wissen um den Interpretationscharakter, wenn man ausgeht von dem Gedanken Nietzsches, daß der Mensch selbst nichts ist als „dieser Wille zur Macht", Philosophie aber die höchste Ausprägung des Willens zur Macht ist82. Das eigentliche Ergebnis für die Frage nach dem Spiel und auch für die Frage nach der Tragweite des Vergleichs erfordert, den Standpunkt des Spielenden hinzuzunehmen. Im Zusammenhang des Ansatzes am Phänomen und von der Beschreibung aus kann jedoch dieses Ziel der Interpretation nur angedeutet werden: Vorausgesetzt, daß dem Spiel ein Gegebenes zugrunde liegt, und vorausgesetzt, daß es vom Spielenden her verstanden werden muß, so ist die Zeitstruktur der realen „Welt" im Spiel aufgehoben. An die Stelle der Zeit als die Form aller Vorstellung und alles raumzeitlichen Seins tritt das innere Spiel.
" S. ebd. Vgl. a. Aphorismus 1066 (WW XVI, S. 399 ff.), wonadi „ein Kreislauf von absolut identischen Reihen" zu denken ist — „die Welt als Kreislauf, der sich unendlich oft bereits wiederholt hat und der sein Spiel in infinitum spielt" (S. 401). " Vgl. Jenseits von Gut und Böse. Vorspiel einer Philosophie der Zukunft, 9., WW VII, S. 18.
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als kategoriale
Unbestimmtheit
Die Spielregeln Die Frage nach der ontologischen Bestimmung des Spieles impliziert die Frage nach seiner Gesetzlichkeit. Sie ist, in bezug auf Raum und Zeit, insofern schon erörtert worden, als das Verständnis der Raumzeitlichkeit nicht bei der Unmittelbarkeit der Anschauung und Vorstellung stehenblieb, sondern versuchte, von der Beschreibung aus die zugrunde liegende Struktur zu ermitteln, so daß die anschauliche Gegenwärtigkeit der Spiele auf die raumzeitliche Erreichbarkeit und Wiederholbarkeit zurückgeführt wurde. Eine solche Bestimmung drückt eine Gesetzmäßigkeit aus, und erst mit ihr ist die Ebene ontologischer Reflexion erreicht, insbesondere für die Frage nach dem Seinsgrund oder der Subjektivität und Objektivität des Spieles. Im Hinblick darauf, daß diese Reflexion sich an der „Sache selbst", dem Spiel bzw. den Spielen, zu orientieren versucht, könnte die erstrebte Charakterisierung auch als phänomenologische bezeichnet werden. Doch ist der Ausdruck „Phänomenologie" in der Gegenwart so schulmäßig in Anspruch genommen, daß er primär den „vierten" Aspekt auf die Sache: die standpunktgebundene Interpretation, zugrunde legt. So sei nur darauf hingewiesen, daß die Fragestellung im Zusammenhang der „ontologischen Bestimmung des Spieles" nicht die ontologische Aussage abschließen kann. Sie führt — als besondere ontologische Problematik — vielmehr weiter auf die Frage nach der Bedeutung solcher Gesetzmäßigkeiten von bestimmten allgemein-ontologischen und erkenntnistheoretischen Positionen aus, das heißt auf die Frage nach ihren Bedingungen, ihrem Sinnverständnis, ihrer Relation zu den Gesetzmäßigkeiten des Seienden, das nicht Spiel ist. Sie führt also weiter zu einer Interpretation des Spiels, in der nicht mehr die Spiele, sondern ihre Gesetzmäßigkeit, der „Begriff" des Spiels Gegenstand der Reflexion ist. Damit aber führt sie letztlich auf eine ontologische und erkenntnistheoretische Fragestellung, für deren Problematik und spekulativen Charakter der Ausdruck „Metaphysik" vorbehalten bleiben soll: die Interpretation der Möglichkeit des Spieles unter der allgemeinen Thematik von Mensch und Welt.
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Diesem methodischen Entwurf entsprechend hält sich auch die Diskussion der Gesetzlichkeit im Spiel im Bereich des Ansatzes am Phänomen, und sie reflektiert auf den Spielenden, als denjenigen, der die Gesetzlichkeit setzt, erkennt, erfüllt oder ihr unterworfen ist, im wesentlichen nur in bezug auf die Geltungsfrage. Im Unterschied aber zu der weiteren Bedeutung von Gesetzmäßigkeiten, die das Spiel überhaupt konstituieren, soll nun im engeren Sinne nach den im Spiel geltenden Gesetzen gefragt werden. Sie müssen, als Gesetze in diesem engeren Sinne, formulierbar und für die gesamte Geltungssphäre gültig sein. Sie müssen widerspruchsfrei und eindeutig sein; wie immer sie einen „Spielraum" für die Handlungsfähigkeit lassen und einer Auslegung fähig sind, sie dürfen nicht die Mehrdeutigkeit in sich aufnehmen. Es kann ein Gesetz des Denkens sein, daß es für einen bestimmten Problembereich in eine Aporie gerät; aber ein Gesetz darf nicht eine Aporie enthalten — sie würde bedeuten, daß das Gesetz zugleich gilt und nicht gilt. Gesetze im strengen Sinne sind oberste Sätze — Setzungen, Erkenntnisse oder Ordnungsprinzipien — mit dem Anspruch objektiver Gültigkeit für das Denken und Handeln, für das Seiende und Seinsollende: logische Grundsätze, wissenschaftliche Prinzipien und Axiome, Gebote und Normen. Sie unterscheiden sich von den ambivalenten Bestimmungen der Raumzeitlichkeit wie die mathematische Formel der Schwingungsdauer vom Hin und Her des Pendels, wie Begriff und Anschauung, Logik und Sinnlichkeit, Determination und Verfügbarkeit. Sie können positiv oder negativ formuliert sein, die Form eines kategorischen, hypothetischen oder disjunktiven Satzes haben — ihre Aussage ist apodiktisch. Wenn das Phänomen des Spieles auf diese Gesetzlichkeit hin befragt werden soll, so ergibt sich eine Schwierigkeit, die für den Anschauungscharakter nicht auftritt: die Bewußtheit des Gesetzlichen, das Wissen um Ordnung und Ordnungsprinzipien. Nun kann man zunächst — im Spiel wie im Leben — die Gesetze dahin unterscheiden, ob ihre Gültigkeit voraussetzt, daß sie allgemein bekannt und anerkannt sind oder nicht. Geht man etwa davon aus, daß das alltägliche Bewußtsein das „Fallgesetz" und das „Gesetz" des Lebens, daß die Menschen sterblich sind, anerkennt, so gilt diese Anerkennung nur für einen bestimmten Wissensstand. Die Geltung selbst aber wird als eine absolute beansprucht, solange nicht darauf reflektiert wird, daß in einem anderen
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Bereich das Fallgesetz „aufgehoben" ist oder der Begriff der Sterblichkeit eine andere Bedeutung erhält. Für das Gesetz im rechtlichen Sinne wird es zu einem Problem des alltäglichen Daseins, daß die Unkenntnis die Anwendung des Gesetzes nicht berührt, und zu einem Problem der politischen Wirklichkeit, daß ein Gesetz de facto außer Kraft sein kann, wenn es de jure noch gilt. Von diesen Gesetzen unterscheiden sich die zumeist ungeschriebenen „Gesetze" der Sitten verschiedener Völker, der Gebräuche und gesellschaftlichen Konventionen: Man muß sie nicht nur kennen, um sie einzuhalten, sondern die Unkenntnis einzelner stört ihre Anwendung so, daß sie gegebenenfalls die Gültigkeit aufheben kann. Sie erhalten daher, sofern nicht eine Verknüpfung mit dem Recht, dem Sittlichen oder dem Religiösen erlebt wird, den Sinn von „Spielregeln" der menschlichen Gemeinschaft, das heißt, sie werden als zufällig, der geschichtlichen Wandelbarkeit unterworfen und auf willkürlicher Übereinkunft beruhend betrachtet. Sie sind Verhaltensregeln, die man einhält oder gegen die man verstoßen kann, die also als das jederzeit Aufhebbare und Zufällige einer Tradition oder einer Abrede keine Gesetze sind. Geht man von solchen Vergleichen aus, so ist das Spiel entweder gesetzlose Willkür bzw. freiwillig geregeltes Verhalten, oder die Gesetze im Spiel sind die Gesetze der raumzeitlichen Realität, die „Naturgesetze", die Gesetze der Mathematik und die Gesetze des Erlebens — Gesetze, die dem Spielenden zumeist nicht bekannt sind oder die er nicht beachtet. Die Spielregeln dagegen, die beachtet werden müssen und daher auch bekannt sein müssen, erhalten den Charakter der Zufälligkeit, der bloßen Konvention. Der wissenschaftliche Beobachter, der das Spiel wie irgendeinen anderen Vorgang untersucht, wird daher vielleicht zunächst feststellen, daß die konstituierenden Bedingungen des Spieles in physikalischen Gesetzen für die Spiele im Raum und mit Dingen, in der physiologischen und psychologischen Gesetzlichkeit, wie Reizschwelle, Gestaltgesetze und Assoziationsgesetze, für die Spiele der Anschauung, und in logischen und mathematischen, insbesondere statistischen Gesetzen für die Spiele des Denkens und die Glücksspiele zu suchen sind. Beachtet er, vor allem im Bezug auf Darstellungs-, Gestaltungs- und Bewegungs-Spiele, den ästhetischen Eindruck, so wird er ästhetische Kategorien zugrunde legen und nun audi das Kinderspiel nicht analog einem Naturvorgang, einer Arbeit, einem Kampf oder
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einem psychischen Geschehen, sondern in Analogie zu einem Kunstwerk auffassen. Im Blick auf das Spezifische aller Spiele, das sie gegen andere Phänomene ausgrenzt, mag ihm das Hin und Her einer mehr oder weniger gegliederten und geregelten Bewegtheit auffallen. Aber auch dann ist dieser Beobachter nicht imstande, etwa ein Skatspiel zu verstehen, solange er nicht die Spielregeln als solche einbezieht. Vom Innenaspekt aus gesehen ergibt sich dagegen ein umgekehrtes Verhältnis. Der Spielende wird die Gesetze des Spiels in den Spielregeln vermuten, und er kann argumentieren, daß sie Gesetze im strengen Sinne sind: Sie sind eindeutig formulierbar und für den ganzen Bereich unverändert gültig. Ihr Anspruch auf Allgemeingültigkeit und Notwendigkeit macht sie einem apriorischen Bedingungszusammenhang vergleichbar, dem gegenüber wissenschaftliche Bestimmungen und Rechtsansprüche irrelevant erscheinen. Sie sind, als allgemeine Regeln dieser je besonderen Spielwelt, nicht relativ auf etwas außer dieser Einheit Seiendes, sie sind nicht durch wissenschaftliche Entwicklung modifizierbar oder gar überholbar, sie sind „endgültig" für die Gesamtdauer des Spieles. Im Verhältnis zu rechtlichen und sittlichen Forderungen oder alltäglichen Lebensordnungen gesehen, zeichnen sie sich dadurch aus, daß sie bis in die Konsequenzen der Strafe für eine Regelwidrigkeit von festgelegter, eingesehener und eingehaltener Verbindlichkeit sind. In manchen Spielen scheinen sie ihren Geltungsanspruch auch gegen die Realität zu erzwingen, etwa wenn ein unzulässiger Zug beim Schachspiel durch eine Korrektur als nicht geschehen negiert wird. Es braucht nicht im einzelnen nachgewiesen zu werden, daß beide Standpunkte einseitig sind. Das Spiel, wie immer es seine eigene Welt ausmacht, unterliegt den Gesetzen der Realität, und es unterliegt auch Rechtsgeboten und ethischen Gesetzen. Sie gehören zu den konstitutiven Bedingungen, ohne die das Spiel nicht möglich wäre. In diesem Sinne ist es daher weder jenseits von Wahr und Falsch, noch jenseits von Gut und Böse83. Das Spiel hat andererseits seine eigene Ordnung, die sich am " Im Hinblick auf die vorliegenden Interpretationen des Spieles mag ausdrücklich abgehoben werden, daß diese geltende Gesetzlichkeit nicht den „Falschspieler" und den „Spielverderber" oder bestimmte, ζ. B. durch Vereinszugehörigkeit entstehende Rechtsverbindlichkeiten in ihrer besonderen Relevanz betrifft, sondern den übergeordneten Anspruch sittlicher Verantwortung und das geschichtlich oder individuell geltende Ethos.
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deutlichsten in den strengen Regelspielen abheben läßt. Sie ist ein System von konstituierenden Bedingungen, die das Spiel inhaltlich ermöglichen und deren Geltung im Spiel daher notwendig ist. Hinzu treten andere Geltungsansprüche, so der unformulierbare des „fair play" oder auch der Konzentration und Einstimmung auf das Spiel. Ihre besondere Problematik als konstitutive Bedingungen sei hier außer acht gelassen, da sie den Spielenden in seiner Haltung und Einstellung einbeziehen84. Die jetzt intendierte Fragestellung zielt vielmehr auf das Verhältnis von Spielregeln und Realgesetzlichkeit, um die Möglichkeit zu erwägen, ob sich die Welt des Spieles mit den gleichen kategorialen Normen bestimmen läßt wie das Nicht-Spiel. Die Diskussion geht zunächst auf das Regelspiel ein und fragt nach der Bedeutung der Regeln, wie sie etwa für das Schachspiel, das Fußballspiel, das Bridge, die Patiencen, aber auch für viele Kinderspiele — „Mensch ärgere dich nicht!", Ballspiele, Quartettspiele, Glücks- und Geschicklichkeitsspiele — in einer Spielanleitung zu finden sind. Solche Anweisungen setzen die Zahl der Spieler und die Position der Partner, Spielraum und Spielzeit, Anzahl, Namen und Aktion der Figuren, Größe, Schwere und materiale Beschaffenheit des Balles, Bedeutung und Wert der Karten. Sie erläutern die termini technici und geben die Grundbedingungen für den Verlauf des Spieles, die Fehler, ihre Bestrafung, die Wertungen und Ausrechnungen an. Sie vermitteln die wichtigsten methodischen Kenntnisse, die ein Spieler haben soll, Eröffnungen, Angriff, Abwehr, Deckung, aber auch systematische Berechnungen. Spielanweisungen solcher Art lassen sich reduzieren auf die Sätze, die unerläßlich sind, damit noch von Schach, Fußball oder Bridge gesprochen werden kann. Man kann Schach spielen, ohne zu wissen, daß es ein „Kunstschach" oder „Schachproblem" gibt, aber man kann nicht Schachspielen oder darüber reden, wenn man die Gangart der Figuren nicht kennt. Die so reduzierte Spielanleitung enthält dann also alle Anweisungen, die das Mitspielen möglich machen. Ihre sprachliche Form könnte durch Abwandlungen, ζ. B. Alternativregeln statt aufeinander folgende, ergänzende Belehrungen, 81
Soweit solche Bedingungen für die allgemeine ontologische Bestimmung des Spieles von grundsätzlicher Bedeutung sind, führen sie auf das Problem der Person im Spiel, das im Aspekt der „Subjektivität und Objektivität des Spieles" darzustellen sein wird.
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auf satzmäßig formulierte und verständliche Definitionen, eindeutige Aktionsfestlegungen, Normen und Gebote, also auf gesetzliche Bestimmungen gebracht werden. Wenn das Spiel eine Einheit und Ganzheit für sich ist, so machen diese gesetzlichen Bestimmungen das Relationssystem aus, das den formalen Aufbau dieser Totalität fundiert, soweit er prinzipiell jedem Spieler bekannt sein muß. Sie sind also notwendig und allgemeingültig für den betreffenden Spielbereich, und sie sind in ihrer Geltung durch die Spieler bestätigt. Aber sie reichen nicht zu, um die Möglichkeit des Spieles im Ganzen einsichtig zu machen. Hinzu treten die dem Spieler größtenteils unbekannten Gesetze der „realen" Welt und die Bedingungen des leiblichen oder geistigen Geschehens. Die Gesetze der Ballistik beispielsweise für das Fußballspiel, logische und mathematische Grundregeln für das Schachspiel gehören nicht minder zu den konstituierenden Bedingungen, und sie garantieren unter anderem auch die Konstanz und Wiederholbarkeit der Spiele. Da solche Bedingungen sowohl den Bereich des Spieles als auch den Bereich der Realität umfassen, mögen sie umgreifende Regeln bzw. Gesetze genannt werden. Sie sind für den Spielbereich ebenfalls notwendig und allgemeingültig, aber sie sind nicht durchgängig durch den Spieler bestätigt oder anerkannt. Für das Bewußtsein des Spielers werden sie oft eher einer dritten Gruppe von Regeln, die audi beide Bereiche umfaßt, zuzuordnen sein: den methodischen Regeln, die es ermöglichen, konsequenter oder taktisch besser zu spielen als die Mitspieler. Sie sind die Grundlagen, auf denen die Mittel der Technik und Taktik beruhen, deren sich der Spieler mehr oder weniger bewußt bedient und die zum Teil durch die Spielerfahrung und das zielbewußte Üben und Lernen vermittelt werden. Die umgreifenden Gesetze können aber auch in ganz anderer Weise das Spiel mitbedingen — sie bilden zu überwindende Widerstände. Wenn der Leistungssportler seinem Training wissenschaftliche Erkenntnisse zugrunde legt oder der Glücksspieler nach dem „Gesetz der Serie" spielt, so versichern sie sich dieser wissenschaftlichen bzw. vermeintlich wissenschaftlichen Ergebnisse als methodischer Hilfen. Wenn aber der Sportler — seiner Intention nach — das „Gesetz der Schwere überwindet" oder der Glücksspieler gegen „alle Vernunft", entgegen der statistischen Häufigkeitsverteilung „alles auf eine Karte setzt", so ist die vorausgesetzte
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„objektive" Gesetzlichkeit im Spielbewußtsein abgeschwächt oder negiert. Solche Erlebnisweisen zeigen nicht nur eine eigentümliche „Sorglosigkeit" oder „Kampfbereitschaft" an, sie verweisen nicht nur auf die freie Setzung des Spielers und die Möglichkeit der Abstraktion von der Realwelt, sie verweisen auch auf ein weiteres und für die Gesetzlichkeit selbst bedeutsames Moment: Die umgreifenden Gesetze dürfen auch nicht so bekannt bzw. anwendbar sein, daß das Spiel durchgängig berechenbar wird. Andererseits müssen Berechnung, Voraussicht und Bewältigung der Aufgabe im Spiel möglich sein. Nimmt man hypothetisch an, die theory of games, die mathematische Spieltheorie, könnte die beste Strategie so überschaubar festlegen, daß faktisch jeder Spieler, der den ersten Zug hat, gleichgültig, wie die Gegenzüge ausfallen, das Schachspiel gewinnt, so würde diese Kenntnis das Schachspiel aufheben85. Es wäre sinnlos wie ein „Sandkastenspiel" der Generäle, wenn schon feststeht, daß der genau zu bestimmende erste Schuß aus einer bekannten und exakt erreichbaren Stellung die Schlacht gewinnt. Das noch mögliche Spiel wäre allenfalls ein Glücksspiel darum, wer Schwarz oder Weiß zieht. Auf der anderen Seite sind die Spiele durch ihre Regeln so determiniert, daß sie entweder aus einer zeitlichen Setzung oder aus einer sachlichen Endposition eine Abschlußsituation erreichen. So setzt die Schachanweisung mit einem Remis bei dreimaliger Zug- und Gegenzugwiederholung das Ende des Spieles — sie verhindert ein Umschlagen in das bloße Hin und Her. Unter dem Aspekt der Geltung gesehen sind daher die umgreifenden Gesetze zu einem großen Teil zwar Gesetze, die das Spiel bedingen, die 85
Diese Abhängigkeit der Spielmöglichkeit von der subjektiven Kenntnis ist jedoch keineswegs ohne weiteres übertragbar auf die Spieleinstellung und die Spielhaltung, wie vielleicht an einem hypothetischen Beispiel für den Bereich der Kunst einsichtig wird: Eine elektronische Datenverarbeitungsanlage, der eine entsprechende Anzahl von Werken eines Dichters als Wortschatz eingegeben wird und die so programmiert wird, daß die möglichen Kombinationen der Wörter in einer entsprechend begrenzten Silbenzahl und Zeilenzahl zusammengestellt werden, würde außer den unter diese Begrenzung fallenden eingegebenen Gedichten und „sinnlosen" Zusammenstellungen ohne Zweifel Kombinationen „errechnen", die für einen auf das „Wesen" von Dichtung bezogenen nicht orientierten Leser Gedichte sind. Ob dieser Leser, wenn er von der Mechanik des Vorganges Kenntnis erhält, die ästhetische Relation aufgibt oder nicht, hängt ausschließlich von seiner Auffassung vom Wesen der Dichtung ab.
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aber nicht als Gesetze „im Spiel" sind. Die willkürlich vereinbarten Spielregeln dagegen bewahren ihren Gesetzescharakter, und das heißt, ihre determinierende Funktion für das Bewußtsein des Spielenden. Wie immer audi sie erlebte Widerstände bedingen mögen, sie können nicht „überwunden" werden. Spielregeln lassen sich nicht aufheben, ohne das Spiel aufzuheben, sie lassen sich nicht umkehren oder in anderer Weise modifizieren, ohne daß der ganze Spielbereich geändert wird, sie lassen sich nicht negieren und nicht zum Spielgegenstand machen. Sie sind unbezweifelbar und absolut, man kann nicht „mit" ihnen spielen, sondern nur „nach" ihnen, unter ihrer Geltung. Es läßt sich daher vermuten, daß sie Gesetze im ontologischen Sinne sind, seinskonstituierend für einen ontischen Bereich. Bevor auf die naheliegenden Einwände gegen diese Auffassung, die von der Geltung der Spielregeln ausgeht und dem Spiel grundsätzlich Rationalität zuspricht, eingegangen werden soll, sei zunächst gefragt, in welcher Weise die Bestimmung dieser Gesetzlichkeit als ontologische Bestimmtheit zu denken ist. Die Fragestellung kann um der Anschaulichkeit willen wieder so formuliert werden, daß nach der idealen Spielanleitung für alle Regelspiele gefragt wird, und zwar so, daß nun die Gesetzlichkeit solcher Spielanleitungen selbst thematisch wird. Die Frage lautet dann etwa: welche allgemeinen Gesetze oder Bestimmungen liegen den verschiedenen Spielanleitungen zugrunde? Die bisherigen Erwägungen haben wohl gezeigt, daß Spielanleitungen notwendig unvollständig sind. Sie beziehen die umgreifenden Gesetze nicht, oder zu wenig ein, anders ausgedrückt: sie setzen ihre Determinationseffekte stillschweigend voraus, wie sie Bewegungsmöglichkeiten und Denkfähigkeit voraussetzen. Andererseits gibt das Spiel gleichsam vor, daß ein „An sich" unbekannter, zum Teil auch indifferenter Determinanten existiert und daß Regelsystem, Bewegungsmöglichkeiten und Denkfähigkeit nicht ausreichen, das Geschehen in seinem Ablauf vorherzubestimmen. Man kann diesen Sachverhalt dahin ausdrücken, daß jede Spielanleitung eine funktionierende reale Welt voraussetzt und entsprechende Erfahrung und Handlungsmöglichkeit bei den Spielenden, und daß sie nun im Hinblick auf diese vorausgesetzten Gegebenheiten ein Determinationssystem erfindet. Das Verhältnis von realer Welt und Spiel stellt sich dann so dar, daß die reale Welt offen sein muß für die
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Determination des Regelsystems, oder umgekehrt, daß das Spiel frei sein muß für die Zusatzdeterminationen aus der realen Welt, das Regelsystem also offen ist. Das Spiel als solches ist dann sowohl autonom als auch heteronom bestimmt. Seine Autonomie ist gesichert durch die Spielregeln, aber sie kann nur so weit gehen, wie die reale Welt einen „Spielraum" freigibt. Es ist dann keine geschlossene, in sich gegründete und allein aus sich konstituierte Welt. Eine der obersten Bestimmungen, nach denen Spielanleitungen eingerichtet sind, müßte dann lauten: das Regelsystem muß sich der Gesetzlichkeit der realen Welt anpassen oder einfügen. Es muß gleichsam die „Lücke" suchen, in der die reale Welt determinationsfrei ist. Eine solche Reflexion über das Verhältnis von Spielwelt und realer Welt führt jedoch sofort in die Problematik der Metaphysik. Die Möglichkeit dieser Auffassung hängt ab von der ontologischen Bestimmung der „realen" Welt. Es mag genügen, diese Problematik in einer Vereinfachung anzudeuten: Ist diese Welt schlechthin determiniert, so kann keine „neue" Gesetzlichkeit hinzutreten; die Spielregeln müssen vielmehr der allgemeinen Gesetzlichkeit untergeordnet sein, so daß die obersten Gesetze des Nicht-Spiels und des Spiels zusammenfallen. Die Kategorien, die das Seiende im Ganzen bestimmen, müssen audi die Sphäre des Spieles bestimmen. Nimmt man an, daß die Welt schlechthin gesetzlich undeterminiert ist, so daß jede Ordnung ein Geltungsentwurf ist, so fallen die obersten Bestimmungen des Spieles und des NichtSpieles wiederum zusammen: die „objektiven" Gesetze der Wissenschaften werden zu „Spielregeln", und es kann nun allenfalls eine allgemeine Gesetzlichkeit in jenen Grundregeln gesucht werden, nach denen sich solche Geltungsentwürfe konstituieren: das Kategoriensystem als die Weisen, in denen sich die Spontaneität der Setzung entfaltet, und die obersten, allgemeingültigen methodischen Regeln, insbesondere der Satz vom Widerspruch und der Satz vom zureichenden Grund. Eine Unterscheidung von Spielwelt und realer Welt scheint daher unter dem Aspekt der Gesetzlichkeit nur möglich, wenn entweder die kategoriale Ordnung der Welt oder die kategoriale Ordnung des Denkens oder beide in ihrem „Zusammenspiel" offen sind für eine individuelle Spontaneität des Spielenden, sei es als vermeinte Spontaneität aus der Unkenntnis der allgemeinen Ordnungen, sei es als tat-
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sächliche Bestimmungsfunktion und Abstraktionsmöglichkeit. Ein Beispiel für diesen letzten Fall kann vielleicht deutlich machen, wie die Fragestellung von jeder Position aus wieder zurückverweist auf die allgemeine Problematik. Gegen die bisherige Erörterung der Gesetzlichkeit, die von der Rationalität bestimmter Spiele ausgeht, kann der Einwand erhoben werden, daß das Spiel grundsätzlich arational ist und, sofern die Regelspiele überhaupt mit Recht den Spielphänomenen zugeordnet werden, ihre Regelung nichts zur Erhellung der Spiele beiträgt. Die als Beispiel zugrunde gelegten Spiele sind — im weiteren Sinne — Sportspiele. Als solche könnten sie aufgefaßt werden als das Ergebnis einer dialektischen Entwicklung, in der das ursprünglich „reine" Spiel Momente der Arbeitswelt aufgenommen hat, die sich insbesondere in den angeblich konstituierenden und in den methodischen Regeln auswirken. Das ursprüngliche Spiel ist dann „unbewußt", in sich freie Bewegung, und es bedarf keiner Spieler, sondern ist nur ein Spiel für jemanden. Dieses ursprüngliche Spiel kann repräsentiert werden durch das „Spiel der Wellen", dessen einzige Ordnung das Hin und Her ist — eine ästhetische Regelung, die sich prinzipiell der rationalen Erfassung oder der kategorialen Bestimmung entzieht, und die eben darum sich gegenüber einer wissenschaftlich erklärten Welt und einem technischen Bewältigungsanspruch als „Welt" für sich und an sich isoliert. Dieser Sicht gegenüber mag aber doch die Frage erlaubt sein, wie es zu verstehen ist, daß etwa ein Naturwissenschaftler diese Bewegtheit des Meeres nicht viel anders als ein Kind erleben kann — als ein „lebendiges Spiel". Unter naturwissenschaftlichen Regeln kann dieses „Spiel" als durchaus und vollständig determiniert angesehen werden, zwar komplizierter, aber im Prinzip nicht anders vielleicht als die Passung von Maschinenteilen, deren Toleranzbereich — das sogenannte „Spiel" — auf Präzisionsarbeit beruht. Die ästhetische Schau ignoriert nun diese Möglichkeit mechanischer Interpretation, indem sie das Hin und Her isoliert. Im Hinblick auf den strengen Gesetzesbegriff bedeutet diese Isolierung, daß gegen alles Wissen um gesetzliche Determination die „Freiheit" dieses Naturvorganges behauptet wird, im Hinblick auf die erlebte Freiheit, daß dieser freie Vorgang in einer mechanistischen Auffassung als streng geregelt gedacht wird. Ästhetischer Eindruck und physikali-
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sehe Bestimmung erscheinen dann wie zwei Aspekte eines Unbekannten, für das die allgemeine metaphysische Problematik erneut entspringt. D a diese Problematik aber über das Phänomen hinausweist auf die Interpretationsstandpunkte philosophischer Positionen, die ihrerseits zu einem „Antinomienspiel" führen könnten, sei für die weitere Erörterung wieder die Voraussetzung aufgenommen, daß der Ansatz am Phänomen berechtigt, die von ihm nahegelegten „natürlichen" Einstellungen zugrunde zu legen, also die Unterscheidung zwischen Spiel und Nicht-Spiel. Eine weitere Orientierung am Phänomen gegebener Spielregeln zeigt nun nicht nur eine Determination nach innen und eine Offenheit nach außen, sondern auch eine Abgrenzung gegen die reale Welt und eine Offenheit nach innen. Spielregeln bestimmen Spielraum und Spielzeit, sie bestimmen, was Spielzeug ist, und sie geben jene Aktionsregeln vor, die ein Zusammenspiel ermöglichen. Wenn sie auch notwendig unvollständig sind, so sind sie doch andererseits faktisch durchaus vollständig, das heißt, sie reichen zu, um mit ihrer Kenntnis zu spielen. Sie konstituieren eine Einheit, deren Möglichkeit nur verstanden werden kann, wenn die Spielregeln einen negierenden Anspruch einschließen: Was außerhalb des Spielraums liegt oder geschieht, was vor oder nach der Spielzeit ist, ist dem Spiel nicht mehr zugehörig. Ebenso ausgeschlossen sind die Dinge der realen Welt, die nicht zum Spielzeug erklärt sind. Will man die ideale Spielanleitung in einem Gedankenexperiment, das im einzelnen nicht durchführbar ist, dahin ergänzen, so muß sie so gedacht werden, daß sie alle Gesetzlichkeiten der realen Welt und die materialen Gegebenheiten hineinnimmt, sofern sie für das Spiel notwendig sind. Das ideale Regelsystem impliziert dann, daß alles Nicht-Einbezogene im Sinne des Spieles nicht existiert und die Spielwelt eine geschlossene und in sich gegründete ist. Die so gedachte Einheit darf jedoch kein vollständiges Determinationssystem ausmachen, das einem mechanistischen Regelungssystem verglichen werden könnte, dessen Funktion bei immer gleichem Verlauf einen immer gleichen Effekt erzielt. Die Einheit muß vielmehr so beschaffen sein, daß sie nicht nur eine Mannigfaltigkeit umfaßt, sondern die Möglichkeit je individueller Gestaltung und je anderer Spielabläufe garantiert. Spielregeln sind daher so aufeinander abgestimmt, daß jeweils eine Vielzahl von Kombinationen faktisch gewährleistet ist. Diese Verschiedenheit aber kann nur erreicht werden, wenn die Determination eine Zufalls-
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gesetzlichkeit ist — wie etwa beim Lotto 86 —, der einzelne Fall also auf Grund der Reichweite statistisch geregelter Möglichkeiten nicht voraussehbar ist, oder im Fall der vorgegebenen, durchdachten, weitgehend bindenden Systeme, wenn die Determination wiederum offen ist für zusätzliche Determinanten. Da jedoch nun keine Determination der realen Welt, sofern sie gesetzlich geregelt ist, hinzutreten kann — die gültige Gesetzlichkeit ist in die „ideale" Spielanleitung hineingenommen —, so kann die Offenheit eigentlich nur bedeuten, daß das Spiel mit einer Zufälligkeit des Geschehens und mit der Freiheit der Setzung durch den Spieler rechnet. Eine der obersten Bedingungen aller Spielanleitungen würde unter diesem Aspekt dahin formuliert werden können, daß die Determination der Spielregeln einen Spielraum nach innen eröffnen muß, eine „Lücke" wiederum, die unberechenbar ist und gleichsam durch den freien Zufall oder die Freiheit der Spieler ausgefüllt wird. Vielleicht hat sich an diesen Reflexionen unter der Voraussetzung der spekulativen Idee einer allgemeinen Spielanleitung gezeigt, daß es faktisch gleichgültig ist, ob die Gesetzlichkeiten einer realen Welt berücksichtigt werden oder nicht. Wenn das Regelsystem offen sein muß, so ist das Spiel immer verwiesen auf nicht formulierbare Bedingungen, gleichgültig, ob diese mangelnde Formulierbarkeit ihren Ursprung in der Freiheit und Spontaneität der Spieler hat oder in ihrer mangelnden Kenntnis, ob sie auf der Zufälligkeit der „realen" Welt beruht oder auf der Unberechenbarkeit gesetzlich geregelter Determinationsmomente. Die Bestimmtheit des Regelsystems ist eine relative Bestimmtheit, keine absolute. Sie ist bezogen darauf, daß andere Bestimmungen zugrunde liegen oder sich auswirken können. Das Regelsystem muß also eine freie oder offene Determination ausmachen. Der Ausdrudk „freie oder offene Determination" soll dabei den Vorzug einschließen, daß er die Offenheit und Determination sowohl mit Rücksicht auf die Be" Die Verschiedenheit der Spiele im Sinne der Möglichkeit der Abwandlung durch den Spielenden beruht selbstverständlich noch auf anderen Faktoren, die sich teils durch die besonderen Formen des Lotteriespieles oder des Gesellschaftslottos, teils durch psychische Momente ergeben — also etwa Möglichkeit der Mitbestimmung durch die Wahl der Zahlenkombinationen, „magische" Beeinflussung beim Ziehen des Loses, Spannungen, Erwartungen, Phantasien, Auszeichnung der Person durch das Glück und eine Art passiven Wettstreites um die Gunst des Geschicks.
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stimmtheit des Seienden als auch mit Rücksicht auf die Bestimmung des Spielers kennzeichnet und im Sinne der Spielanleitung neutral bleibt gegen die Interpretationsfrage und die Ursprungsfrage. E r soll zugleich den „Außenaspekt" und den „Innenaspekt" vereinen, so daß im Sinne der einführend angesetzten Positionen des außenstehenden Beobachters und des nur den Geltungsanspruch der Spielregeln berücksichtigenden Spielenden eine Übereinstimmung möglich wird. Die freie oder offene Determination bedeutet dann nichts anderes als eine Art Zusammen von Freiheit und Determination, eine unbestimmte Bestimmtheit oder eine bestimmte Unbestimmtheit, die vielleicht keinen Anspruch auf eindeutige und gesetzliche Formulierung erheben kann. Sie wäre eine Gesetzlichkeit, die qua Gesetzlichkeit „Lücken" impliziert oder „Sprünge" zuläßt, Notwendigkeit, die aus sich selbst R a u m für Zufälligkeit eröffnen muß. Vielleicht sollte in bezug auf diese Bestimmungen noch einmal ausgesprochen werden, daß audi dieser Darstellung ein Interpretationsansatz zugrunde liegt und sie sich bewußt ist, daß der Vorwurf einer willkürlichen Deutung der Phänomene schon allein durch den Ansatz an den Regelspielen, der den meisten Spieltheorien widerspricht, erhoben werden mag. Wenn die „Welt" in ihrer Gesamtheit der Spontaneität des Menschen ein Gegebenes darbietet, das für die Setzung der Spontaneität offen ist, so erklärt sich die Möglichkeit des Menschen, ein Spiel zu spielen. In diesem Zusammenhang ist es das eigentliche Problem, in welcher Weise die Spontaneität zu wirken vermag und, im Zusammenhang der Regeln, ob sie dazu notwendig einer Regelung, die zumindest für sie Gesetz ist, bedarf. Schwerwiegender wäre der Einwand, daß der Ansatz an der Rationalität zu einem Scheinproblem führt, das gewissermaßen mit Leichtigkeit einzusehen oder aufzulösen ist und das daher gar nicht gestellt werden dürfte. Soweit sich dieser Einwand darauf bezieht, daß etwa die Sprache schon nahelegt, Spielen und Spiele von der Bedeutung des „Es spielt", nicht aber von der Formulierung: „Ich spiele" oder „Wir spielen", und daher nicht von Denk- oder Sportspielen aus zu verstehen, impliziert er eine Voraussetzung über ein „Wissen" der Sprache, die nun der Sprache eine eigene, allerdings verdeckte Rationalität zuerkennt, und die in ihrem eigenen Zusammenhang behandelt werden soll. Soweit er aber geltend macht, das Scheinproblem entstehe dadurch, daß der Charakter der Regeln als seins5
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konstituierender Bedingung fälschlich gesetzt ist, und zwar faktisch durch eine Verführung der ausgewählten Beispiele, muß er beachtet werden. Es sind im wesentlichen wohl zwei Momente, die zu bedenken sind: einmal die Frage, ob das Regelsystem nicht anders verstanden werden kann, und zum anderen das Problem, ob alle Spiele unter dem Aspekt der offenen Determination einzubeziehen sind.
Die Spielhandlung und die Spielzwecke Der Ausdruck „offene Determination" enthält eine Art Paradoxie, da er Offenheit und Determination im Hinblick auf denselben Sachverhalt behauptet, und er meint daher ein weiteres Kennzeichen der ontologischen Ambivalenz des Spieles. Wird diese „Doppelwertigkeit" als Scheinproblematik gedeutet, so könnte etwa argumentiert werden, daß sie durch eine dualistische Unterscheidung zwischen zwei Welten, zwei Aspekten, zwei verschiedenen Gesetzlichkeiten oder in einer dialektischen Einheitsvorstellung aufgelöst werden könnte — und daß der Denkfehler darin besteht, daß entweder die Unterscheidung oder die Einigung in der Einheit vernachlässigt werden. Wenn das „Reich der Natur" und das „Reich der Freiheit" absolut unterschieden sind, so entsteht keine Problematik des Bezuges zwischen ihnen; wenn ein Überformungsverhältnis angenommen wird, so kann eine Lösung dahin versucht werden, daß sich die Gesetze der Freiheit als teleologische Setzungen der Naturkausalität aufprägen; wenn die Einheit widerspruchsfrei ist als harmonische Vereinigung, so beispielsweise darum, weil die Freiheit der Einbildungskraft durch ihre Interpretation die Determiniertheit der Wirklichkeit negiert, sich nicht „zwingen" läßt vom Anspruch der Realgesetzlichkeit, aber auch nicht in die Realität eingreift. Das vorgegebene Wechselspiel von Freiheit und Determination bedeutet dann nichts anderes als: Spielregeln gelten und sie gelten nicht je nach dem Bezug, der angenommen ist. Sie gelten in bezug auf die Spielwelt, nicht in bezug auf die reale Welt; sie gelten als teleologische Setzungen, nicht als Kausalbeziehungen; sie gelten als Sinngebung, nicht als Gesetze des realen Seins und auch nicht als Sollensgesetze eines idealen Seins. Sie sind kein realer Grund des Geschehens, und sie sind auch nicht ein über die Realität hinausgreifender Grund, sondern ein vorgestellter, ein
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phantasierter Grund — ein Scheingrund. Auf diese Scheingesetzlichkeit den Satz vom Grund anwenden heißt nichts anderes als ein Spiel treiben mit den Kategorien und Regeln des Seins und des Denkens, einer Verwechslung von Sein und Schein unterliegen. Aber es scheint auch ein anderer Standpunkt möglich: Phantasmen und Fiktionen sind ebensogut Tatsachen wie Seiendes oder Werte, es handelt sich nicht um ein Scheinproblem, sondern um die grundsätzlich unauflösbare Problematik der Welt selbst, die sich in den Spielen nur — mehr oder weniger deutlich — repräsentiert. Die Welt ist eine Einheit, die weder kausal noch teleologisch geregelt ist, sondern einer ästhetischen, und das heißt schon immer, einer ambivalenten Regelung unterliegt. Sie ist daher ihrem Grundzug nach für den Menschen „zweideutig", und sie verführt ihn durch die Möglichkeit einseitiger BegrifFsfixierung dazu, eindeutige Gesetzlichkeit zu fordern. So könnte etwa der Standpunkt Nietzsches auf das Problem angewandt werden, daß Wort und Begriff Dinge setzen, als beharrende Substanzen mit Eigenschaften, die der werdenden Welt wesensfremd sind87. Gesetzlichkeiten entstehen dann aus den Verführungen der Grammatik, die uns einen Täter und eine Tätigkeit und ein Objekt des Tuns denken und kausale Ordnungen vermuten läßt, wo das Würfelspiel der Götter eine solche Kombination zufällig ermöglicht88. Auf die unzählbaren Varianten der Spiele angewandt, muß es solche geben, die mit dem Schema der Kausalität faßbar scheinen, andere, die teleologisch deutbar sind, aber auch solche, die das Hin und Her eines unbegreiflichen Weltgeschehens, das gesetzlich prinzipiell nichtbestimmbare Spiel der Kräfte rein spiegeln oder anzeigen89. Das heißt einerseits, daß im Aspekt der Wahrheit keine Unterscheidung von Sein und Schein, Schein und Werden, Sein und Spiel zuzulassen ist, und es heißt andererseits, wiederum, daß der Ansatz an den Regelspielen zu einer Fehlinterpretation verleitet. " Vgl. ζ. B. Menschliches Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister (1878), Erstes Hauptstück: Von den ersten und letzten Dingen, WW II, S. 17—53. " Vgl. Jenseits von Gut und Böse, 16.—22., WW VII, S. 25 ff., Morgenröthe, 130., WW IV, S. 130 if. " Daher muß audi für Nietzsche jede Erklärung ein „Vielleicht" bleiben. „Um über dieß V i e l l e i c h t hinauszukommen, müßte man sdion . . . am Tisdie der Persephone mit ihr selber gewürfelt und gewettet haben" (ebd. 130., WW IV, S. 132). 5*
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Es kann darauf verzichtet werden, weitere Varianten der Argumentation anzuführen. Sie verweisen zurück auf die Abhängigkeit des Spieles vom Interpretationsstandpunkt — die ontologische Bestimmung des Spieles erweist sich in gewisser Weise immer wieder als eine Funktion der Metaphysik. Für die hier intendierte Thematik ergeben sich aus den angedeuteten Erwägungen im wesentlichen zwei Argumente, die berücksichtigt werden müssen: die Behauptung der Einheit des Spielbereiches nach der Theorie des ästhetischen Gebildes, das keineswegs offen sein kann für zusätzliche Determinanten aus einer anderen Sphäre, aber auch nicht kausal geregelt ist — und die ebenso grundsätzliche Möglichkeit, daß die Spielregeln nicht zu den ontologischen Bedingungen im Sinne eines Aufbaues von Seinseinheit, sondern im Sinne einer Determination von Handlungen aufzufassen sind. Um der Kürze und Anschaulichkeit willen sei für die weitere Reflexion ausgegangen von den bildhaften bzw. symbolischen Darstellungen, mit denen einerseits das Spiel, andererseits die Realbewegung oder Realhandlung bevorzugt charakterisiert werden. Das traditionelle Symbol des Spieles ist der Kreis. Er verweist auf das Zyklische, das Immerwiederkehrende, die Geschlossenheit, die innere Unendlichkeit und die Ambivalenz von Ruhe und Bewegtheit. Er kennzeichnet die Bewegung und entsprechend die Handlung — im Gegensatz zur richtungsbestimmten Linie — als in sich selbst zurückkehrend, und die Gesetzlichkeit als immanente, von einem Zentrum aus bestimmte, im Gegensatz zur Reihung von Punkten einer Geraden, die jeweils sowohl Ursache als auch Wirkung sind. Das Bild des Kreises symbolisiert die Sphäre einer Abgeschlossenheit und Vollkommenheit, die keine Uberschneidung mit der realen Welt zuläßt, und es geht so über in die Vorstellung der Kugel, des Balles, des Kosmos, wobei das Symbol in den vorliegenden Spieltheorien das Schwebende, Kreisende, die ausgeglichene Ordnung wie audi die Bedeutung von Vielfalt und Herrschaft einschließen kann — ein Symbol der Gemeinschaft von Fülle des Lebens und vollendeter Gestalt, sinnvolle Ganzheit von Mannigfaltigem. Das Bild des Kreises repräsentiert auch noch anderes: den Lebenskreis und den Zauberkreis, die zusammenschließende und ausschließende Macht des esoterischen Zirkels, bis zum Teufelskreis und zur Zirkelstruktur eines Beweisganges, der für die Kausalbegründung als negatives methodisches Kennzeichen gilt, für das Verstehen aber zur
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unerläßlichen Voraussetzung erhoben werden kann. Ihm folgt die Symbolik des Pendels als das rhythmisch-magische Hin und Her und die Bedeutung des Balles als das Hin und Her des Geworfenseins, in dem die Einheit eines „Spielzeugs der Mächte" als Einheit gefährdet ist und deren Ziel doch das „Zusammenwerfen" ausmachen kann. Von der Bestimmung der offenen Determination des Regelspiels aus drängt sich ein anderes Bild auf: die Parabel. Auch sie grenzt aus und grenzt ein, aber sie schließt nicht ab, sie ist offen. Sowohl die geometrische Kurve als das Gleichnis sind bezogen auf ein anderes, aus dem sie mitbestimmt sind. Der Brennpunkt der Parabel steht in Relation zu einer Geraden außer ihr, wie die Spielidee in Relation steht zur Gesetzlichkeit der Realität. Dann würde die Bestimmung gelten: Je weiter die Spielidee sich von der Realität entfernt, desto offener wird die Kurve, je mehr sie — im selben Koordinatensystem — sich der realen Welt nähert, um so enger ist der umgrenzte Raum. Aber die Parabel ist kein Symbol. Sie spricht nicht aus sich selbst, sie muß interpretiert werden. Die Parabel ist Gleichnis, eine Geschichte, bei der es gilt, das tertium comparationis zu finden. Dem Ursprung des Wortes nach ist die Parabel nicht charakterisiert als das Zusammenwerfen (συμ-βάλλειν), sondern das Neben-ein-anderes-Werfen (παρα-βάλλειν), das annähert, hinweist, überantwortet, aber zugleich etwas Gefährliches, Gewagtes ist, das preisgibt, an Wetteifer denken läßt, an List und Täuschung, aufs Spiel setzt. Wenn man dem Gleichnis, das als Parabel der Parabel selbst ein Spiel des Denkens sein mag, vertrauen darf, so kann manches in das Spiel einbrechen, das dem Spiel nicht ursprünglich zugehört. Doch die Intention des Spieles unter dem Aspekt der Regeln ist klar, nicht doppeldeutig auf eine hintergründige Symbolik, nach der alles Spiel Widerschein eines Unbekannten ist und der Spielgegenstand Leben und Tod, die Welt oder das Dasein bedeutet, oder das Ziel des Spieles die Offenbarung des Unbewußten ist. Das Regelspiel setzt die Bedeutungen mit. Der Ball ist das Springende, Bewegte, das sich werfen und fangen läßt, rollen und schlagen und treten und prellen — die Spielregel bezieht sich nicht auf ein Symbol der Vollkommenheit, sondern auf die Umgangsqualität des Dinges. König, Dame und Bauer beim Kartenspiel bedeuten Funktionen und Zahlen werte; ihre Abbildung ist ästhetische Auffüllung. Soll eine „tiefere Bedeutung" im Spiel sein, so muß sie fest-
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gelegt werden, etwa wenn Pick zehn im spielenden „Kartenschlagen" einen „Brief ins Haus" aussagt. Der „Strohmann" beim Bridge — der „Tote" — hat die Funktion, über die Einhaltung bestimmter Regeln zu wachen, und als solchen erkennen die jeweils Spielenden ihn an — wie immer er die Bezeichnung „der Tote" erhalten haben mag, weil er nur bedingt zum Spiel gehört, und wie immer eine spekulative Interpretation versucht werden könnte, nach der er nicht anders als die Ahnenreihe oder die Geister über die Rechtlichkeit der Lebenden richtet. Doch die Regeln schließen nicht aus, daß der Mensch ein Spiel umschlagen läßt in ein anderes Spiel oder es einbezieht in das Leben, das Sportspiel zum Schauspiel macht und das Glücksspiel zur Wahl von Leben und Tod. Von solchen Fragen aus, über die im Zusammenhang der Gesetzlichkeit im Spiel und des Geltungsanspruches der Regeln nicht weiter entschieden werden kann, wird der andere Einwand bedeutsam, nach dem die Regeln keine seinskonstituierende Funktion haben. Sie können dann aufgefaßt werden als Handlungsanweisungen, die methodischer Art sind und auf die Scheinziele des Spieles abzwecken. Ihre Gültigkeit für alle Mitspieler und ihr Notwendigkeitsanspruch bleiben bestehen, aber sie sind nun Mittel für zielgerichtetes Handeln und richtiges Denken, und das Spiel kann einer handwerklichen Tätigkeit, wobei an Stelle des Werkzeugs das Spielzeug tritt, oder einer willkürlich gewählten logischen Operation mit selbstgesetzten Zeichen verglichen werden. Der Notwendigkeitsanspruch nimmt dann die Form eines technischen Imperativs an: Um Schach oder Fußball zu spielen, muß man Scheinzwecke setzen, die Regeln einhalten und daher auch kennen, Werte und Bestimmungen konstant lassen und die fiktiven Zwecke erfüllen, als ob sie reale Zwecke wären. Unter diesem teleologischen Gesichtspunkt scheint das System der Spielregeln nicht ontologisch relevant, und die Argumentation könnte etwa so vorgehen, daß sie als ontologisch relevant nur die Setzung des Spieles als Selbstzweck und der Scheinziele als anzustrebende Ziele annimmt: Das Regelsystem bestimmt nicht das Daß der Spielsphäre mit aus einer gesetzlichen Struktur, sondern das Wie des zweckentsprechenden Handelns innerhalb der Sphäre des Als-Ob. Spielregeln regeln nicht das Geschehen dieser Spielwelt schlechthin, sondern in einigen Spielen, die Forderungen der Arbeitswelt oder logische Aufgabenstellungen übernommen haben, regeln sie die tech-
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nische Bewältigung der Spielabläufe durch den Spielenden. Das Spiel nimmt dann die Rationalität eines Regelsystems nur zufällig hinzu, um eine gewisse Angleichung an die Bedürfnisse einer technischen Welt, insbesondere für Erwachsenenspiele, zu erreichen oder der agonalen Tendenz der Spieler Grenzen zu setzen, ist aber seinem Wesen nach nicht gesetzlich, da es zu seinem Dasein und Sosein prinzipiell keiner bewußten Regelung bedarf. Nun ist durchaus einleuchtend, daß Spielregeln operativen Charakter haben, um so mehr, als das Spiel selbst je ein Werdendes ist, kein fixiertes Ding, kein Gegenstand. Und es scheint zunächst auch möglich, sie nicht als Entwurf des Spieles, sondern als Umzu für das Spielen gelten zu lassen. Betrachtet man sie aber in ihrer Struktur als allgemeines methodisches System, so zeigt sich, daß der Vergleich mit der Arbeit oder einer logistischen Operation auf Schwierigkeiten stößt und die Funktion des Regelsystems auch unter diesem Aspekt das Charakteristikum der offenen Determination bestätigt. Spielwelt und Arbeitswelt oder technische Welt unterscheiden sich, auch dann, und vor allem dann, wenn ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Sport und Industriegesellschaft zugrunde gelegt wird. Man wird davon ausgehen dürfen, daß für Arbeitsabläufe und Denkoperationen das Ökonomieprinzip gilt. Wenn faktisch Handlungen und Denkprozesse diesem „Ideal" widersprechen, so besteht in der Arbeitswelt die Intention, sie als unmethodisch, unzweckmäßig und unrichtig mit Hilfe einer Rationalisierung zu korrigieren. Das ökonomieprinzip schließt ein, den kürzesten Weg zu wählen und nichts dem Zufall zu überlassen. Die Arbeits- oder zielstrebige Denkbewegung stellt sich daher dar als eine Strecke, die aus der Zielsetzung determiniert ist, wobei die Punkte der Strecke die Mittel zum Zweck repräsentieren. Das Umspielen dieser Geraden, ein Verlängern des Weges durch Umwege widerspricht der erstrebten Systematik. Für die angeführten Beispiele zeigt sich wohl ohne weiteres, daß das Regelsystem gewissermaßen umgekehrt funktioniert. Beim „Mensch ärgere dich nicht!" wird sinnfällig, daß es Erschwerungen und Widerstände ins Spiel bringt für das „Ziel", die Steine in die entsprechenden Felder einzuordnen. Das Spiel reguliert das Verhalten analog dem Verhalten des Kindes, das vor- und zurückläuft, während der Erwachsene seinen „geraden Weg" verfolgt, und es nimmt dazu auch die
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Zufallsverteilung durch Würfeln zu Hilfe. Die Aufgabe, methodisch vorzugehen, fällt den Spielern zu, die versuchen, das Spiel zu „berechnen", in anderen Fällen, den Ablauf zu schematisieren und zu automatisieren. Vom Aufgaben- und Handlungscharakter solcher Spiele aus gesehen ist daher die Determination ebenfalls offen. Die Bestimmtheit eröffnet „Sprünge" für das Denken und Handeln, die verständlich werden am Beispiel des Kindes, das vor- und zurückläuft: das Ziel ist nicht das Ankommen, sondern das „Unterwegssein". Im Verhältnis zur Arbeit gleicht sie nicht einer Herstellung von Etwas, wofür die Methodik schon festliegt, sondern einer Aufgabe, für die sie gefunden werden muß. Aber sie ist auch nicht völlig offen, nur Zielsetzung ohne Mittel, sondern in ihrer Unbestimmtheit vorherbestimmt mit einer Gesetzmäßigkeit, die ein Erreichen des Zieles prinzipiell sichert. Nun unterscheidet sich das Spiel damit zwar von bestimmten genormten Arbeitsprozessen, aber nicht eigentlich vom Leben. Und auch die ontologische Problematik, die sich hieran anknüpfen läßt, wie teleologische Setzung im Zusammenhang mit Kausalgesetzlichkeit denkbar ist, unterscheidet sich nicht von der allgemeinen Problematik. Das Problem, das die Spielsphäre betrifft, ist vielmehr anderer Art: warum solche Scheinzwecke gesetzt werden, und was sie als solche bedeuten — Fragen, die wiederum über die Sphäre des Spieles hinausweisen auf seinen Ursprung im spielenden oder anschauenden Subjekt oder im Sein schlechthin, die aber vielleicht auch darin eine Antwort finden könnten, daß auch unter der Voraussetzung des Regelsystems als Handlungsanweisung sich eine seinskonstituierende Bedeutung vermitteln läßt. Will man für die Beweisführung, um den Interpretationsstandpunkt zu vermeiden, die Spontaneität des Menschen ausschließen und vom „Es spielt" des Gebildes ausgehen, so kann etwa unter Zulassung aller möglichen Standpunkte argumentiert werden: Vorausgesetzt, daß das Spiel als solches in der Relation zu den vom Menschen gesetzten oder dem Weltgeschehen zugeschriebenen Zwecken des realen Daseins zwecklos ist, weder Mittel noch Endzweck, so kann keine Zweckbestimmtheit der Realität rückläufig zur Ursache des Spieles werden und das Spielgeschehen erklären. Setzt man — in der gegenteiligen Auffassung — voraus, daß es einem Zweck dient, so ist es als „Welt", als Ganzheit Mittel zum Zweck. Dann kann es nur wirksames Mittel sein — eine Art List der Natur oder List des Verstandes bzw. der Vernunft —, wenn es diese
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Ganzheit, das Spiel, bleibt, also die Zielrichtung auf ein anderes hin negiert. In beiden Fällen ist das operative Geschehen in sich Selbstzweck, oder es ist überhaupt nicht unter dem Gesichtspunkt des Zweckes zu bestimmen. Ebenso muß es Selbstzweck sein, wenn es der Endzweck ist, zu dem alles andere nur Mittel, vielleicht ein „Vorspiel" ist. Es muß also erklärt werden, wie das Spiel bzw. die Spielanleitung das gleichsam „macht", keine Zwecke über sich hinaus vorzugeben und doch Strukturen zielgerichteter Handlungen darzubieten oder zu ermöglichen. Es muß dann sozusagen Ziele setzen, die keine sind, aber als Spielziele anerkannt werden, oder es muß echte Zwecke verschleiern und das Mittel-Zweck-Verhältnis verhüllen. Wenn das Spiel Selbstzweck ist, so dürfen die Scheinziele als Zwecke nicht so beschaffen sein, daß ihre Erfüllung das Spiel schlechthin aufhebt, und das heißt wohl, daß es eine faktisch unendliche Fülle von Möglichkeiten bereitstellt. Und wenn die Ziele Mittel zum Selbstzweck sind, so dürfen sie wiederum nicht prinzipiell unerfüllbar sein. Die Alternative wäre die Vorstellung, daß das Spiel Zufalls- oder Ordnungsstrukturen enthalten kann, die als operative Geschehnisse gedeutet werden, es aber nicht sind, oder an denen Handlungen des Menschen ansetzen können, so daß seine Geschicklichkeit von „außen" ins Spiel kommt. In diesem Falle wäre die teleologische Erklärung innerhalb der Spielsphäre falsch, und der Einwand, von dem die Reflexion ausging, wäre hinfällig. Legt man die Tatsache der Regelspiele zugrunde und den metaphysisch „neutralen" Standpunkt der Spielanleitung, so zeigt sich, daß die ohne Zweifel angegebenen Ziele und die angegebenen Mittel aufeinander abgestimmt sind. Die Ziele sind erreichbar, und daher bestehen strategische Möglichkeiten, aber das Normensystem verhindert zugleich eine automatisierte Bewältigung, die einem mechanischen System gleichkäme. Das „ideale" Normensystem muß daher so angelegt sein, daß es von bestimmter Unbestimmtheit ist und für die verschiedenen Spielgattungen ebenso wie für die einzelnen Spiele eine unberechenbare oder nur typologisch zu gliedernde Mannigfaltigkeit individueller Spielarten garantiert. Absolute Übereinstimmung zweier Spielverläufe wäre ein Zufall gegenüber der Tendenz der Spiel-Norm. Auch für die teleologische Sicht würde dann gelten, daß ihre Determination konstitutiv ist, aber nur dann zureichender Grund, wenn ihre Gesetzlichkeit impliziert, zusätzliche Bestimmungen, sei es einer Kausalreihe oder aus
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„Sprüngen", seien es Dispositionen und Zwecke aus anderen Bereichen, sei es die freie Entscheidung des Spielers, zu fordern. Man kann die dem Normensystem immanente Tendenz vielleicht so auffassen, daß sie einem Individuationsprinzip gleichkommt, und sie damit in Gegensatz setzen zu einer Tendenz, die offensichtlich dem Ökonomieprinzip eigen ist: der Tendenz zur Typisierung. Für das Spiel könnte dann angenommen werden, daß beide Tendenzen in einer gegenläufigen Bewegung wirksam werden — in den angeführten Spielbeispielen enthält die vorgegebene Ordnung so viele Unbestimmtheiten in bezug auf die Erkenntnis- und Handlungsmöglichkeiten des Spielers, daß er eine zweite Ordnungstendenz dagegen ansetzt — das ökonomieprinzip —, um das Spiel zu beherrschen, und so typische Handlungsstrukturen im Sinne der jeweils sparsamsten oder richtigen Spielweise anstrebt. Obwohl eine Ordnung gesetzt ist, die als rational bezeichnet werden muß, fällt die eigentliche Ausbildung des Ökonomisch-Rationalen dem Spieler zu. Von hier aus könnte verständlich werden, warum derselbe Vorgang als Spiel oder Arbeit erscheinen kann, ohne derselben Gesetzlichkeit zu unterliegen. Dem Vorgang als solchem ist nicht anzusehen, von welchen „Tendenzen" er beherrscht wird, um so weniger, als das Spiel nach physikalischen, physiologischen und psychologischen Definitionen audi Arbeit bzw. Leistung ist oder sein kann und in vielen Arbeitsvorgängen ein Spielmoment auftritt. Dieses Spielmoment mag Wiederholung und Rhythmisierung sein, etwa bei Hammerschlägen im gleichen Wechsel, im Dienst der Typisierung. Es kann, nicht anders als bei der Unkenntnis des Spielers in bezug auf übergreifende Gesetzlichkeit und Methodik, dadurch auftreten, daß die optimale Arbeitstechnik noch nicht gefunden ist und die Arbeitsweise daher mehr oder weniger anheimgestellt ist. Es kann auch, aus psychologischen Erkenntnissen oder im Hinblick auf eine wünschenswerte Verschiedenheit der Produkte, dem Ökonomieprinzip entsprechen, „Spielarten" zuzulassen — die optimale Lösung verlangt dann eine Berücksichtigung des Individuellen als Abweichung von der Norm. Beherrschende Zielvorstellung bleibt die Herstellung des Produktes oder die Bedürfnisbefriedigung mit einem möglichst geringen Aufwand von Kraft und Zeit, und es wäre absurd, ihr das Ziel individueller Entfaltungsmöglichkeiten um ihrer selbst oder wirtschaftlich nutzloser Ergebnisse willen zu unterlegen. Schließlich kann das Spiel
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im Ganzen in die Mittel-Zweck-Relation einbezogen werden, etwa um der Ausbildung, Ertüchtigung, Erholung oder des freien Einfalles willen — es steht „im Dienst" und ist dann, in seiner gesamten Eigengesetzlichkeit, dem pragmatischen Aspekt und seinem Ökonomieprinzip untergeordnet. Für das umgekehrte Verhältnis wird man sagen können, daß zwar die Arbeit zu einem Sonderfall des Spieles werden kann, aber nicht unter demselben Gesichtspunkt der Zuordnung beider Prinzipien. Wohl aber kann die Arbeit dem Spiel vorgeordnet oder eingeordnet werden. Auch abgesehen davon, daß das Spiel in sich nutzlos, überflüssig, ein „Luxus", „Kraft- und Zeitverschwendung" ist, die Unterordnung des einen Prinzips unter das andere besagt: Wenn das untergeordnete Prinzip sich voll auswirkt, so kann es immer noch ein „Fall" des übergeordneten Prinzips sein. Als Modell für eine mögliche Beweisführung möge ein ideal rationalisierter Betrieb gedacht werden, der seinen Erfindern im Rahmen bestimmter Aufgabenstellung „völlig freie Hand läßt", alle anderen Arbeitsgänge genormt hat und unter dem Primat seiner optimalen Rationalisierung zur Kompensation Sport- und Spielstunden eingerichtet hat. Der Erfinder setzt eine bestimmte Methode an und verfährt ähnlich wie ein Schachspieler — das bessere Beispiel wäre vielleicht ein „Irrgarten" mit verschiedenen Lösungsmöglichkeiten —, audi dann, wenn er alle Wege ausscheidet, deren Nutzlosigkeit er im Hinblick auf seine Aufgabe einsieht, bis er die „einzige" Möglichkeit, die er in der Fülle sucht, die Verwirklichung der optimalen Lösung, gefunden hat. Die Arbeitsform entspricht der Spielform. Für den Arbeiter dagegen ist der optimale Nutzeffekt der Spielstunden nur dann erreicht, wenn der Spielcharakter gewahrt bleibt. Alle Spiele, die den Arbeitsvorgang der Arbeiter wiederholen, scheiden aus — die Spielform kann nicht der Arbeitsform entsprechen. Ähnlichkeit und Divergenz resultieren nicht aus dem Beispiel und damit etwa aus einem „dritten" Prinzip der Kompensation, sondern aus dem Verhältnis der Prinzipien zueinander. Ohne auf die Schwierigkeiten der Zusammenhänge zwischen logischen und ontologischen Problemen einzugehen, kann man etwa sagen: In der logischen Unterordnung ist der Oberbegriff der weitere, der den engeren Begriff unter sich befaßt, so daß das Verhältnis von Oberbegriff und Unterbegriffen bis zu den Einzelphänomenen entweder einen Zug zur Spezifikation oder einen Zug zur Generalisation darstellt, je nach-
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dem, ob man die Beziehung von „oben" oder von „unten" aufnimmt. Kommen die allgemeinen Merkmale eines Begriffs mit dem individuell Besonderen zur Deckung, so muß es sich um einen Individualbegriff handeln. Das ontologische Verhältnis dagegen betrachtet die oberen Prinzipien als konstituierend für die „darunter" stehenden Prinzipien und für die umgriffenen Vorgänge und Dinge, so daß sie ohne das Prinzip nicht sind, was sie sind, und die Beziehung eine Tendenz oder Prägung von „oben" nach „unten" meint. Nimmt man die Annahme der Wesensschau zu Hilfe, so kann man sagen, daß, ähnlich wie bei dem Begriff des Dreiecks und dem gezeichneten Dreieck, im Fall einer Dekkung von Prinzip und Grundstruktur des Phänomens die Prägung unmittelbar einsichtig wird. Setzt man nun voraus, daß die offene Determination und das Ökonomieprinzip konstituierende Prinzipien sind, so ist ein Spiel nicht, ohne daß sein Prinzip verwirklicht ist, eine Arbeit nicht, ohne daß ihr Prinzip sich auswirkt. Das heißt, im Falle des Spieles kommt das Allgemeine der Gesetzlichkeit — die offene Determination — sowohl im Typischen der Spielgattungen: des Schachspiels, des Fußballspiels, des Bridge, als auch in der Struktur des einzelnen Schachspieles usw. zum Ausdruck — andernfalls wäre das Spiel „aus", bevor es begonnen hat. Der Erfinder geht nicht denselben Weg des Suchens zum zweiten Mal, wie immer er ihn so demonstrieren kann, wie ein Schachspieler eine Partie „nachspielt" — das gelöste Rätsel ist kein Rätsel mehr. Bei der Arbeit aber könnte die Mannigfaltigkeit der Formen als mehr oder weniger starke Durchsetzung der Prägungstendenz verstanden werden — die stärkste Ausprägung in der Erscheinung wäre die präzise ökonomische Bewegung, die sich im Arbeitsvorgang in immer gleicher Weise wiederholt. So können unter dem Ökonomieprinzip Spielformen auftreten, und die Erscheinung kann gleich sein. Aber es können nicht unter dem Prinzip des Spiels selbständige Arbeitsformen auftreten, die der Repräsentation des Ökonomieprinzips entsprechen; sie können nicht als Spiel, als seine gesetzliche Struktur, sondern nur innerhalb des Spieles verwirklicht sein. Das weitere Prinzip — als das offenhaltende — kann die eindeutige Determination nicht unterordnen als einen besonderen Fall seiner selbst. Das Prinzip der Individuation kann sie nur — als die schließende — gleichsam hinzutreten lassen.
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Für dieses Verhältnis kommt es nicht darauf an, ob die Forderung des geringsten Aufwandes an Kraft und Zeit eine Gesetzlichkeit der Technik bzw. der Welt schlechthin ist oder nicht, und auch nicht darauf, welche Phänomene der Arbeit ihr „Wesen" reiner wiedergeben: die Finalität des Werkes, die Kausalität der Bedürfnisse, der planende Entwurf, die Bearbeitung des Materials, die ökonomische Regelung, die technische Leistung oder auch die Freude an der Werkgestaltung, der Drang nach Erkenntnis und Beherrschung der Welt, die Lust an der Tätigkeit selbst. Es kommt vielmehr darauf an, daß der Struktur eines beliebigen Vorganges nicht anzusehen ist, ob er zu einem Spiel gehört oder nicht, daß Ursachen und Zwecksetzungen möglich sind, ohne den Geltungsanspruch der Spielregeln zu mindern, und Spielinhalte und Abläufe auftreten können, die der realen Welt korrespondieren, solange die Determination offenbleibt. Entscheidend ist das Verhältnis von Spiel und Wirklichkeit. Eine Tätigkeit mag mehr oder weniger Arbeit sein, mehr oder weniger technisch, mehr oder weniger gesteuert, in fließenden Ubergängen von der bloßen, „verspielten" leiblichen oder geistigen Aktivität über die Beschäftigung, die Unterhaltung und das Steckenpferd bis zur zielvoll bewußten, exakt geregelten und wiederholenden Übung und Leistung in der Ökonomie der Kräfte, sie ist nicht „mehr oder weniger" Spiel — sie ist entweder Spiel oder Nicht-Spiel. Ein Spiel kann mehr oder weniger Ähnlichkeit haben mit Strukturen der Welt. Auch das Spiel bedarf der Erfahrung, und es setzt sich in Relation zu ihr, bezieht sie ein oder schließt sie aus, formt sie um als Gegebenes, wählt aus, negiert ihre Bedeutung. Seine Offenheit kann begrenzt sein wie im Schachspiel, in dem die Möglichkeiten sich Zug um Zug einengen, bis nur eine „Möglichkeit" bleibt, das Ende des Spieles; oder so weit, daß die Norm oder Regel des Spiels nur die Einheit des Themas ist: „Mutter und Kind", Eisenbahn spielen, Arbeiten spielen, die Reise nach Utopia. Am Beispiel der Parabel könnte anschaulich werden, daß audi für das Normensystem oder die Einheit des Themas sich gesetzliche Beziehungen ergeben: Je mehr die Regelung, durch Setzung bestimmter Ziele, Normierung des Spieldings und der Methode, sich den genormten Lebensformen nähert, desto geringer die Möglichkeit der Individualisierung der Handlung — oder, vom Aspekt der freien Entfaltung aus gesehen: Je mehr, bei gleichbleibender Nor-
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mierung bzw. gleichbleibendem Thema, Erfahrungen und Normen der Wirklichkeit einbezogen werden, desto mehr Ähnlichkeit zwischen Spielwelt und Lebenswelt. So kann der Inhalt des Spieles das sein, was „es gibt", oder das, was es nicht „gibt". Aber bei all dem hat es Grenzen gegen das Andre des Nicht-Spiels und an sich selbst. Man kann „alles" Mögliche spielen oder mit allem Möglichen spielen im Bereich dieser Grenzen, aber nicht, was darüber hinaus liegt, und nicht die Begrenzung als solche. Der unaufhebbare Gültigkeitsanspruch der Welt ist immer das „Andre", das Spiel ist immer „es selbst" — das Verhältnis von Spiel und Wirklichkeit impliziert, daß das Andre des Nicht-Spiels gesetzt ist. Der Entwurf der Parabel ist ein „neben" die Welt Entwerfen.
Die Spielidee Die Frage nach der Grenze zwischen Spiel und Wirklichkeit kann nun wohl explizit unter die Führung des Satzes vom Grund gestellt werden, so daß die Widersprüchlichkeit einer ontologischen Ambivalenz und die mögliche Gültigkeit der kategorialen Ordnung der Realität für die Sphäre des Spieles thematisch werden. Die Erörterung nimmt damit zugleich die zurückgestellte Frage auf, ob die Bestimmung der „offenen Determination" sinnvoll ist in bezug auf die unbezweifelte Einheit der Spielwelt und die Fülle der Spiele. Aus den bisherigen Überlegungen bieten sich die Möglichkeiten an, die am Regelspiel abgehobenen Aussagen auf alle Spiele zu übertragen oder am Ansatz an Gegenbeispielen eine andere Sicht zu gewinnen und vielleicht aus ihr oder in einem höheren Prinzip eine Ubereinstimmung zu versuchen. Teilt man die Spiele in streng geregelte — die bisher diskutierten Spielformen — und in nur „lose" geregelte — Phantasiespiele, freie Bewegungs-, Ausdrucks- und Darstellungsspiele — ein, so kann unterstellt werden, daß im schon angedeuteten Sinne die „Spielidee" für die zweite Gruppe die Funktion der Regelung ausübt. Sie ist für das Geltungsbewußtsein verbindlich, und zwar im wesentlichen als ausschließende Regel — ausgeschlossen ist alles, was nicht „dazu gehört", sei es auf Grund der Erfahrung, sei es aus der Intention des Spielenden, sei es aus der Sache selbst. In jedem Phantasiespiel oder im Rollenspiel kann eine
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Regelung vermutet werden, die eine gewisse Parallelität zu den strengen Regelspielen aufweist, aber insofern unterschieden ist, als sie sich erst im Laufe des Spieles entwirft: Die einzelne Setzung schafft jeweils Determinanten, über die sich auch das spielende Kind nicht ohne weiteres hinwegsetzt. Es wird die gesetzte Folge kaum umkehren oder verkehren, ohne daß eine motivierte Verwandlung eintritt, wobei es für die hier angestrebte Thematik gleichgültig bleibt, ob die Motivation durch Einführung eines Zaubers, Übernahme einer Doppelrolle oder bewußte Aufhebung der Lebenserfahrung geschieht. Die unmotivierte Verwandlung würde dagegen bedeuten, daß das alte Spiel abgebrochen ist und ein neues beginnt. Die Wiederholbarkeit der Zeit ist nicht identisch mit der Umkehrbarkeit des Spielgeschehens im selben Spiel, sondern diese bestimmte Wiederholung oder Umkehr erfolgt nach „Spielregeln", mögen sie nun zu Beginn des Spieles gegeben sein oder in seinem Verlauf sich im Zusammenhang mit der umgreifenden Gesetzlichkeit aus der allgemeinen, sehr offenen Determination ergeben. Auch das Groteske und das Absurde folgen noch einer gewissen immanenten Kausalität. Im extremen Fall könnte die Spielanleitung lauten: man darf alles sein, ohne die Verwandlung motivieren zu müssen — womit sie motiviert ist. Aber könnte sie auch positiv behaupten: es darf keine Spielidee zugrunde liegen, es dürfen nur „Sprünge" gelten, zwischen den einzelnen Geschehnissen muß jeweils eine „Kluft" sein, nur der Zufall im absoluten Sinne gilt, nämlich so, daß eine Begründung für den Spielenden selbst ausgeschlossen ist? Man wird diese Unmöglichkeit dahin erklären können, daß audi im Spiel der Satz vom Widerspruch und der Satz vom Grund in Kraft bleiben. Aber man wird dieser Interpretation zugleich entgegenhalten, daß es schließlich selbstverständlich ist, daß auch die Spielwelt sich nach logisdien Grundgesetzen richtet und nicht aller Erfahrungszusammenhang aufgehoben ist, wenn sie als Welt des Menschen, im Ausgang vom Spielenden schon das Denken und die Assoziationsfähigkeit einbezieht, wenn sie vom Bewußtsein ausgeht. Das eigentliche Gegenbeispiel bilden daher jene Spiele, bei denen keine Spielidee bewußt ist: die Spiele der Anschauung. Was aber die Offenheit der Determination angeht, so ist der extreme Fall nicht das Phantasiespiel, das seine Freiheit in der Auswahl und der Verbindung der Assoziationen bestätigt, sondern der Fall eines starren Systems, einer Mechanik des Spiels: dasNachahmungs-
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spiel und d a s technische Spiel. Auch abgesehen davon, daß es Nachahmung im Spiel im eigentlichen Sinne nicht gibt, weil nicht nachahmend, sondern auswählend, akzentuierend, durch Bedeutungssetzungen in eigener Aktivität die imitatio als Spiel sich von den realen Gegebenheiten distanziert, und auch abgesehen davon, daß technische Spiele ein Spiel „ m i t " der Technik sein könnten oder die Mechanik dem Spielzeug zukommt, verlangen solche Beispiele eine Rechtfertigung der angenommenen Spielgesetzlichkeit. E s kann argumentiert werden, daß es nicht notwendig ist, daß ein Spielbewußtsein aktuell gegeben ist, sondern daß es jederzeit möglich sein muß — eine Frage, die in anderem Zusammenhang behandelt werden soll. Es kann auch versucht werden, die mögliche Geltung der Gesetzlichkeit selbst nachzuweisen: Wenn der brennende Holzstoß dem Erwachsenen zu einem „phantastischen Spiel der F l a m m e n " wird, dessen Gestaltungen er „stundenlang" zusehen könnte, so kann diese Beschreibung, sofern sie nicht eine Metapher ist, durchaus unter dem Aspekt der offenen Determination interpretiert werden. D e r Zuschauer löst die Nützlichkeitsrelation auf, er isoliert einzelnes, und er bringt es in einen Sinnzusammenhang, für den man dieselben Ausdrücke verwenden könnte wie für das Nachahmungsspiel der Kinder — „er tut so, als o b . . . " , etwa als ob die Flammen lebendig wären, tanzen und k ä m p f e n würden. E s kann auch darauf verwiesen werden, daß die Realität selbst hier eine nicht geschlossene Bestimmtheit darbietet — der Ausdruck „freie Determination" sollte sowohl die Seite des Subjektiven als auch die Seite des Objektiven einbeziehen — , und daß sie nun „falsch" verstanden wird wie der Arbeitsvorgang, der dasselbe Erscheinungsbild hat wie ein Spiel, oder daß sie „richtig", unreflektiert und ursprünglich erschaut wird, entsprechend dem physiognomisdhen Wahrnehmen des Kindes. U n d vielleicht kann man auch in der T a t sagen, daß das offene Feuer ein Spiel „ist", nicht als an und für sich Seiendes, sondern als ein Ansichsein für jemanden. Entsprechend wäre das Spiel eines Jungen mit seinem Miniaturauto, das ferngesteuert wird und dessen technische Bedingungen übrigens durchaus als technisch verstanden sind, eher ein Bewegungsspiel, dem das K i n d zuschaut, als ein Spiel, dem es eine geltende Idee vorschreibt. In allen Interpretationen würde die mangelnde Festlegung deutlich, die ontologische A m bivalenz als ein „Zwischen" nachweisbar.
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Aber dieses „Zwischen" im Sinne der Gesetzlichkeit, nicht des bloßen Hin und Her in Raum und Zeit darzulegen, fordert das Eingehen auf eine bestimmende Regelung. Nimmt man noch einmal den Gedanken einer allgemeinen Spielanleitung zu Hilfe, so stellen sich die beiden Beispiele als sehr verschieden dar. Für das Spiel der Flammen gibt es keine „tatsächliche" Spielanleitung, jedoch wäre der Zuschauer vielleicht imstande, einem anderen die Regeln vorzuschreiben, nadi denen aus einem bloßen Flackern von etwas ein „Tanzspiel" wird: auf die Zufallsgestaltungen sehen, von allem anderen abstrahieren und sie als Gestalten deuten, sie wieder auflösen und neue bilden — jetzt dies, jetzt das —, sie isolieren aus dem Gesamtzusammenhang, einen Sinn geben, der nichts damit zu tun hat, daß ein Feuer angezündet wurde, weil es kalt ist und Feuer wärmt. Er würde wahrscheinlich sagen, der andere möge seine Phantasie spielen lassen. Aber wenn sein Partner nun „Geschichten erfindet", wird er ebenso wahrscheinlich auf die Grenzen verweisen — die „Spielregel" bindet an das Geschaute. Es ist gleichsam ausgemacht, daß dieses Reale als solches zugrunde liegen muß, und daß es doch einer Bestimmung offen ist. Unterscheidet man zwischen dem Spiel „mit etwas" und dem Spiel „etwas zu sein", so könnte das Spiel „der" Flammen ein Spiel mit ihnen sein, mit ihrer Bewegtheit, oder auch ein Spiel, ein relativ Unbestimmtes als etwas Bestimmtes sein zu lassen. Aber es kann nicht interpretiert werden als an sich seiendes Werden, bei dem die Flammen für sich spielen, ohne daß die Welt der Erscheinungen anthropomorphistisch ausgelegt ist. Anders ist es im Beispiel des Jungen. Für sein Spiel mit dem Auto gibt es eine „Anleitung" — sie erklärt, wie die Batterie einzusetzen ist und der Mechanismus der Steuerung gehandhabt wird. Sie ist keine Spielanleitung, sondern eine Bedienungsvorschrift. Und wie immer man nun sein Spiel charakterisiert, als ein Geschicklichkeitsspiel, das im Anfang dem Spiel mit der Chance gleicht, ob es „glückt" oder „nicht glückt", richtig zu steuern, als Nachahmungsspiel oder als virtuelles Mitspielen, wie „es" sich bewegt, die Spielidee liegt nicht im Mechanismus des Spielzeuges. Sie liegt im Entwurf einer Aufgabe, deren Lösung keine Stelle hat in der Relation der Zwecke der alltäglichen Nützlichkeit, im einholenden Entwurf einer technischen Welt, oder audi im Entwurf einer Welt, die nichts als Bewegung ist und für die abstrahiert werden muß von der Mechanik des Vorganges. 6
H e i d e m a n n , D e r Begriff des Spieles
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Will man beides zusammenfassen, das „Hineinsehen" in etwas unbestimmt Scheinendes und das „Absehen" von einer erklärten Bestimmtheit, so ließe sich die dahinter liegende Problematik entfalten aus den mehrfachen Bedeutungen dieses „Sehens", als Einsichtnehmen in etwas und Hineinlegen von etwas, als etwas von einer Vorlage Absehen und absichtliches Wegsehen von einem Bestimmten. Für diese Problematik ist der Ausdruck „offene Determination" unangemessen. Sie betrifft nicht sosehr die Formulierbarkeit grundlegender Bestimmungen oder die Offenheit der Begrenzung, als vielmehr die Schwierigkeit, die Spielidee als solche zu erfassen, den Sinn und die Bedeutung einer Welt des Als-Ob. Sie betrifft also die Fragwürdigkeit aller Aussage überhaupt, und damit der kategorialen Bestimmtheit des Spieles schlechthin. Der Sinn ist nicht aus dem Geltungsanspruch der Spielregeln oder aus einem bestimmten Spielgedanken, der das „Was", den Inhalt des Spielens, oder das „Wie" des Vorgehens umreißt, gleichsam abzulesen. Er ist auch nicht in den Spielen der Anschauung unmittelbar zu vernehmen, als Erschauen eines Urbildes beispielsweise oder als Projektion einer subjektiven Vorstellung in ein objektives Geschehen. Vielleicht fordert die Mannigfaltigkeit der Spielmöglichkeiten eine Alternative, nach der vieles ausscheiden muß, was „Spiel" genannt wird, je nach der Theorie, die man zugrunde legt. Vielleicht gibt es eine Verschiedenheit, die alle Verwandtschaft aufhebt — Schauspiele sind anders als Sportspiele, Glücksspiele anders als Geschicklichkeitsspiele, Reigenspiele anders als Denkspiele, das Spiel des Kindes ist anders als das Spiel des Erwachsenen. Vielleicht gibt es ebenso viele verschiedene Spielideen, wie es Arten von Spielen gibt — und also ebenso viele Spielwelten, für die möglicherweise verschiedene Gesetzlichkeiten gelten. Und wenn die Spielidee, nicht die besondere Regelung entscheidend ist, könnte es so viele „Welten" geben wie einzelne Spiele. Dennoch muß diesen subjektiven Welten Gemeinsamkeit zukommen, wenn sie überhaupt „Welt" sind — ein Seinsgrund oder ein Sinngrund, aus dem sie verstehbar werden, denn kann eine Welt gedacht werden, die „grundlos" und „sinnlos" ist und doch gefügte Einheit von Vielem? Und wenn zwischen Spiel und Realität unterschieden werden darf, so muß die Divergenz bei aller Verflechtung angebbar sein. Und wenn es richtig ist, daß das Spiel nicht bloße Täuschung, sondern eine
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besondere Einheit von Illusion und Wirklichkeit und von Sein und Werden bildet, eine Ganzheit, die überschaubar ist auf Grund der Erreichbarkeit im Raum und der Wiederholbarkeit in der Zeit und wenigstens zum Teil auf Grund ihrer Regeln, so muß sie eine Ordnung haben, die einer Gesetzlichkeit gleichkommt, eine Sinneinheit, eine „Idee", die sie zusammenfügt, sei sie in ihr oder außer ihr. Andernfalls ist sie keine Welt und kein Entwurf einer Welt im Werden, wie immer sie ein „Als-Ob" der Vorstellung ist. Nun war es besonders die „ Idee" des Spieles, die, wenn überhaupt, dem Phänomen Eingang in philosophische Theorien verschafft hat — sein Urbild im Kampf, im Kult, in der Liebe, im Luxus der Natur, in der schöpferischen Gestaltung des Geistes, unter dem Aspekt der Maske, der Rolle, des Rausches, des Traumes, der Verzauberung und der Verzückung, der Kunst und des Könnens als freies Gelingen, als Nachahmung und Spiegelung der empirischen Welt, als Darstellung einer reinen Welt von Ideen. Die Aufhebung der Wirklichkeit in der Form eines Schwebenden, Tanzenden, sich selbst Genügenden und Erfüllenden, das Dasein des Schönen im Schein ließ die Frage nach dem idealen Spiel entspringen, in dem Götter und Menschen wie ungeschieden sind. Der „höhere" Ernst des Spieles, die Spannung in der umgreifenden Einheit, das pathische Ringen um das Glück und die Gunst des Zufalls führen in gleicher Weise zu der Frage nach seinem Wesen, dem „Urspiel". Auch unabhängig vom Spielenden ist das Geschehen als solches in einem ausgezeichneten Sinne bemerkenswert, und von der Sinnlosigkeit eines bloßen Als-Ob bis zur Sinnerfüllung einer für sich seienden Welt, die sich selbst darstellt und den Menschen in ihren Bann zieht, reicht die Weite der Fragestellung. Unter dem Gesichtspunkt der Gesetzlichkeit, der von der Fülle des Erlebens ebenso abstrahiert wie von der Problematik der Transzendenz auf einen idealen Seinsbereich, stellt sich die Frage der Spielidee anders: ob der Thematik in einzelnen Spielen eine Einheit des Themas zugrunde liegt, aus der die Ganzheit und vielleicht auch Geschlossenheit des Entwurfs verständlich wird. Der leitende Gedanke ist dann nicht die Verbindlichkeit der Bestimmung, die sich als offen erwies, sondern die vollkommene Bindung des Mannigfaltigen und Widerstreitenden in Eines, aus dem gleichsam seine Wahrheit als Einstimmung in sich selbst hervorgeht und auf die umgekehrt die Vielheit so hinführt, daß sie 6*
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auch unabhängig von der Kenntnis des Spielentwurfs dem Zuschauer einen Sinn eröffnet. Audi ohne die Welt des Spieles auf eine ideale, rein geistige Welt zu beziehen, könnte erwogen werden, ob diese Einheit das Schöne ist. In der Wahl des Spiels als das Schöne, das aus sich selbst gefällt, im Spiel mit dem Schönen und unter einer Idee der Schönheit fallen Motiv, Inhalt und Sinn zusammen. Aber damit würde die bisherige Orientierung am Phänomen aufgelöst, das Spiel in die Nähe der Kunst gerückt, und die Fragwürdigkeit der Kategorie des Schönen würde zum zentralen Problem. Es könnte versucht werden, vom Ästhetischen schlechthin auszugehen, dem sinnlich Wahrnehmbaren, bildhaft Anschaulichen, das sich den Sinnen und dem Gefühl kundtut und andererseits wieder der Kunst so verwandt ist, daß es das Geistige in das unbestimmbare Fühlen einbezieht. Aus ihm läßt sich jedoch schwerlich eine Gesetzlichkeit entdecken, in der die Grenze von Spiel und Wirklichkeit thematisch bleibt und das Rationale der Spiele des Denkens in die Erklärung eingeht. Vom Phänomen aus legt sich vielmehr eine Auffassung nahe, die Nietzsche in bezug auf das Sein schlechthin konzipiert hat: Die Einheit des Mannigfaltigen, als Sinngrund und Seinsgrund, ist die Auslegung. Das heißt, im Zusammenhang der Gesetzlichkeit, die gemeinsame Idee aller Spiele ist die Interpretation. Spielregeln sind Interpretationsregeln. Die Struktur des Spieles ist die „Parabel" — ein Gleichnis des Seinsverständnisses. Aber empfängt die Parabel nicht ihre eigentliche Bedeutung von dem her, für das sie ein Gleichnis ist, und hat so ihren Grund außer ihr selbst? Der Ansatz am Regelspiel versuchte zu zeigen, daß der bindend geltende Spielentwurf ein offenes System ausmacht, das heißt, nur dann als zureichender Grund für die Vielfältigkeit der einzelnen Phänomene verstanden werden kann, wenn der Entwurf als Einheit und Determination zusätzliche Determinanten zuläßt, also im „Gesetz" impliziert. Dieses offene System hat mit einem mechanischen System gemeinsam, daß es einen Effekt ermöglicht, der nachträglich — im Rückblick — kausal erklärt werden kann. Es hat mit einem rational gesteuerten operativen System gemeinsam, daß es zur Erreichung eines oder mehrerer „Zwecke" den Aktionsrahmen vorgibt und Mittel bereitstellt, so daß eine teleologische Deutung vom Spieler aus möglich ist. Es ist aber weder mechanistisch noch automatisiert. Der mechanistischen Auffas-
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sung widerspricht, daß der Verlauf auch bei genauer Kenntnis der Gesetzlichkeit nicht vorhersagbar ist. Der automatisch funktionierenden Zweckerfüllung widerspricht, daß die grundsätzliche Variation der Verlaufsform, im Sinne der Hemmung eines immer gleichen Ablaufs durch das Regelsystem, aus den immanenten Spielzielen nicht einsichtig wird. Die Gesetzlichkeit des Spieles kann aber audi nicht aus einer anderen Verursachung als ihrem zureichenden Grund erklärt werden. Nimmt man als causa efficiens zum Beispiel den Bewegungsdrang, einen Kraftüberschuß oder die Phantasie an, als causa finalis Erholung oder Entlastung, so entspringt die Frage, warum diese Ursachen zu den Formen des Spieles führen — nicht jede Bewegung, nicht jede „Kraftvergeudung", nicht jedes Fabulieren ist Spiel; Erholung und Entlastung werden auch anders erreicht. Setzt man zur Erklärung einen Spieltrieb, eine besondere Weise der Lust oder ein Ziel der Natur an, so entstehen die Schwierigkeiten eines Erklärungszirkels: das Spiel resultiert aus dem Spieltrieb oder der Spiellust, und was Spieltrieb und Spiellust im Unterschied zu anderen Arten von Getriebenheit und Gefühl sind, erklärt sich aus dem Spiel. Was die Ziele der Natur angeht, so sind sie selbst eine Vorstellung des „Als Ob", zumindest eine spekulative Interpretation des Spieles als einer Welt des Als-Ob. Geht man aber auf den Ursprung des Spieles im Spielenden zurück im Sinne einer Motivation des Entschlusses oder sucht die causa movens in innerer oder äußerer Spielbewegung, so ist die Problematik nicht aufgehoben: Der Mensch spielt, weil er spielen will oder Freude daran hat oder weil es in ihm spielt. Das Spiel spielt, weil es spielt. Will man tautologisdie Aussagen vermeiden, so führen diese Überlegungen auf die Begriffe der Freiheit, der causa sui und des Urphänomens, und man kann davon ausgehen, daß damit der Satz vom Grund für das Spiel erfüllt ist oder irrelevant wird, da es nicht Aufgabe einer ontologischen Bestimmung des Spieles sein müßte, die weitere metaphysische Problematik aufzunehmen. Dennoch entstehen für das Spiel selbst weitere Fragen: Wird der Begriff der causa sui allgemein zugelassen, so müßte die Selbstsetzung des Spieles als Sein unterschieden werden von anderen denkbaren Weisen in sich gründenden Seins. Es müßte also die besondere Art dieses unbegründeten Gründens aufgewiesen werden, nach der das aus sich selbst Gegründete kein statisches Sein, gleichsam kein fixer Punkt ist, sondern
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Bewegung, Geschehen, dynamisches Sein. Andernfalls wäre nachzuweisen, daß alles In-sich-selbst-Gründen Spiel ist, und das Urphänomen zu beschreiben. Legt man den Gedanken der Freiheit des Ursprungs als dynamische Freiheit zugrunde, sei es auf der Seite des Subjekts, des Spieles selbst oder der „objektiven" Welt, so begründet sich vielleicht die Offenheit des Geschehens, aber nicht auch seine Determination, die zumindest den Spielraum des „Zwischen", die Begrenzung bestimmt und die notwendig ist, sollen nicht regellose Willkür, chaotische Zufälligkeit oder eine gleichsam unendliche, linear determinierende Wirkung der Freiheit als bloße Tendenz zum Spielen resultieren. Es müßten daher Bestimmtheiten oder Gelegenheiten materialer oder formaler Art hinzukommen können, die diese absolute Freiheit binden. Es kann auch dieser Freiheit als solcher eine Ordnung innewohnen oder zugrunde liegen. Die Voraussetzungen sowohl der Entstehungsgründe als auch die Voraussetzungen der Selbstsetzung und Freiheit als Ursprung des Spieles führen daher, direkt oder indirekt, erneut zu der Frage nach der Struktur des Spieles, wie sie unter dem Aspekt der Gesetzlichkeit intendiert wurde. Aber auch die Annahme, daß Spielregeln Interpretationsregeln sind, scheint zu einem Zirkel oder zu einer Ausweglosigkeit zu führen. Zwar ist nun die Sinnfrage beantwortet — das Spiel ist Spiel, dadurch, daß etwas als Spiel ausgelegt ist. Die Reflexion auf diese Sinngebung könnte davon absehen, ob die reale Welt Voraussetzung ist oder nicht, und ob die kategorialen Bestimmtheiten dieser Welt auch für das Spiel gelten, da die Sinngebung grundsätzlich nichts ändert am „Lauf der Welt". Aber wenn es um den Aufbau dieser Scheinwelt geht, so handelt es sich nicht darum, die Scheinhaftigkeit aus willkürlichem Sinnverständnis zu erklären, sondern die Weltähnlichkeit, die Einheit und Abgeschlossenheit eines Ganzen, das sich als je inhaltlich Verschiedenes erfüllt. An jedem beliebigen Beispiel, seien es Regelspiele oder Phantasiespiele, ließe sich zeigen, daß die Erklärungen: „dies ist als Spiel gemeint, nicht als Realität", oder: „dies ist für mich Spiel, nicht Wirklichkeit oder Notwendigkeit", den Spielcharakter aus der Subjektivität des Spielenden und Zuschauenden einsichtig machen. Wie soll jedoch von hier aus verständlich werden, daß zum Spiel eine Regelung, ein Entwurf oder ein Seiendes von bestimmter Art gehören — daß nicht „alles" Spiel sein kann? Und wenn das Gesamt der Welt Spiel wäre,
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wie ist es dann möglich, daß sich innerhalb einer solchen Ganzheit, deren Einheit des Mannigfaltigen durch Interpretation von etwas gesetzt ist, wiederum Spiel und Nicht-Spiel unterscheiden? Diese Frage mag, der methodischen Beschränkung der Diskussion entsprechend, wieder an der Metaphysik Nietzsches erläutert werden. Aus dem Zusammenhang des Gedankens vom Willen zur Macht mit der These eines „neuen Unendlichen", die besagt, daß die Welt möglicherweise unendliche Interpretationen umfaßt, und die sich gegen die „Gesetzmäßigkeit der Natur" richtet, betont Nietzsche, daß der alltäglichen wie der metaphysischen Auslegung des Daseins keine objektive Ordnung zugrunde liege90. Dennoch bleibe die Berechenbarkeit und Notwendigkeit des Weltgeschehens erhalten, „aber nicht, weil Gesetze in ihr herrschen, sondern weil absolut die Gesetze fehlen"91. Wenn der Welt absolut die Gesetze fehlen, sie aber doch für unseren Lebensraum berechenbar und interpretierbar ist, so folgt daraus, daß die „Welt" kategorial unbestimmt ist und alle Ordnungssysteme auf „Erdichtung" beruhen. Die gesamte geglaubte Gesetzlichkeit, Einheit und inhaltliche Vielfalt des Seienden gründen in der Auslegung des Daseins — es ist der „kontemplative" Mensch, der „eigentliche Dichter und Fortdichter des Lebens", der macht, was „noch nicht da ist: die ganze ewig wachsende Welt von Schätzungen, Farben, Gewichten, Perspectiven, Stufenleitern, Bejahungen und Verneinungen" 92 . Danach müßte man annehmen, daß Spiel und Wirklichkeit sich nicht unterscheiden, weil in jedem Fall einer Bestimmung — sei es im alltäglichen Leben, in der Wissenschaft, in der Philosophie, in den Spielen — dasselbe gilt: die fehlenden Gesetze werden in das Geschehen hineingelegt. Beides, die Scheinwelt des Spieles und die wirkliche Welt, ist „Spiel", da es Auslegung von etwas ist, Einigung zu Welt unter einer Idee des „Als-Ob". Die Parabel des Spieles wäre dann kein Entwurf „neben" die Welt, sie wäre die Geschichte des Weltwerdens selbst. Unter solchen Gesichtspunkten fällt die Überlegung zurück in ihre Ausgangsproblematik. Der wissenschaftliche Beobachter einerseits und der Spielende andererseits sind jedoch nun eindeutig in derselben " Vgl. Die fröhliche Wissenschaft (Ja gaya scienza"), (1882), bes. 374., W W V, S. 332 f. und Jenseits von Gut und Böse, bes. 22., WW VII, S. 34. " Ebd. W W VII, S. 35. Die fröhliche Wissenschaft, 301., W W V, S. 230 f.
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Position: Sie sind Gesetzgeber des Seienden, sie unterlegen einem chaotischen Geschehen einen Sinn. Spiel und Wirklichkeit sind nichts als „Büder des Bildners" und „Äußerungen eines intellectuellen Spieltriebes"93. Der Mensch in seinem Wirklichkeitsbezug und der spielende Mensch wenden dieselben Kategorien an auf einen jeweils willkürlich ausgewählten Teil im unendlichen Werden. Sie legen fest, was real ist und was nicht real ist, was der ausgelegten Einheit eingefügt und was von ihr isoliert ist, was möglich ist, wirklich ist, notwendig ist in ihrem „Spiel". Sie wenden den Satz vom zureichenden Grund an, und sie lassen nicht zu, was einem entdeckten Widerspruch gleichkommt: daß ihr Interpretationsprinzip gilt und zugleich nicht gilt im selben „Spiel". Es gibt dann also kein objektives Kriterium, das die Weisen des Scheins ontologisch voneinander unterscheidet, wohl aber ein subjektives. Das subjektive Kriterium liegt darin, daß der Spielende seine eigene Ordnung relativiert, daß er nicht nur die Möglichkeit von Seinskategorien anzweifelt, sondern auch die Allgemeingültigkeit und Notwendigkeit seiner Kategorien des Denkens. Während die Geltung einer objektiven Wirklichkeitsstruktur aus der unreflektierten Verfallenheit an fremde oder eigene Interpretation resultiert, aus dem falschen Glauben an ein Feststehendes, Immer-Gültiges, hat der Spielende nach Nietzsche ein adäquates Geltungsbewußtsein: Er weiß sich als der „Dichter", der Schöpfer von Welt. Er weiß also, daß seine Gesetze nichts sind als „Spielregeln", daß Festlegungen und Wirklichkeiten zurückgenommen werden können wie der regelwidrige Zug im Schachspiel, daß die Dinge „Spielzeuge" sind, die in diesem Spiel das eine und in einem anderen Spiel ein anderes bedeuten, daß die Ziele und Zwecke und alle Verbindlichkeit grundlos sind, daß unendlich viele Spiele möglich sind und keines notwendig ist. Er setzt seine Ordnung in dem Bewußtsein, daß nicht nur das zugrunde liegende Gegebene zufällig ist, sondern auch seine eigene Interpretation. Obwohl diese Deutung den Spontaneitätscharakter des Spieles aufnimmt und die Zufälligkeit einzelner Spiele, die jeweils Täuschung, Illusion oder vermeinte Wahrheit sein mögen, in Relation steht zu einer metaphysischen Notwendigkeit des Spieles überhaupt, zum Grund" Für die Bedeutung dieser Formulierungen bei Nietzsche vgl. ebd. 300. und 110., WW V, S. 230 und 151.
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charakter alles Daseins: der Auslegung, kann sie doch die Möglichkeit der Spiele nicht einsichtig machen, und zwar sowohl von Seiten der „Wirklichkeit" als auch von Seiten des Geltungsbewußtseins. Die These Nietzsches setzt voraus, daß das Seiende als solches eine Art chaotischer Wirbel ist94. Ein Chaos aber läßt sich sowenig ordnen wie eine absolut gefügte, endgültige Festlegung. Es genügt nicht, als Realität eine bloße Widerständigkeit im Werden anzunehmen, die Bedeutungsverleihung der Interpretation gegenüber einer sinnlosen, in sich zerstreuten, gleichförmigen und doch unterscheidbaren unendlichen Geschehensfolge zu behaupten. Spiel und Wirklichkeit müssen in anderer Weise aufeinander bezogen sein. Eine Unterscheidung ist möglich, wenn der Bedeutungsverleihung eine Ordnungsfähigkeit des an sich Geschehenden entspricht, oder wenn ihr ein Bedeutungsentzug korrespondiert. Im Grunde genommen geht auch Nietzsche von solchen Annahmen aus, wenn er etwa das Sonnensystem als einen nicht „verunglückten Wurf" im All darstellt, als Ausnahme einer Ordnung in den zufälligen Konstellationen kosmischer Ereignisse, in dem die Entstehung des Organischen möglich war 95 . Auch insofern ließe sich also sagen, daß die Möglichkeit des Spieles eine „Lücke" voraussetzt, an der die Interpretation, das „Spiel", einen Anhalt findet — nun allerdings nicht als Offenheit einer objektiven Gesetzlichkeit, sondern als ein zufälliges Sich-Lichten des Chaotischen, das jedoch notwendige Bedingung ist, damit überhaupt die Sinngebung „ein paar Stücke isoliren" 98 kann aus dem unendlichen Kontinuum, um ein ausgegrenztes Etwas zu haben, das sie in eine Einheit bindet. Auf der Seite des Geltungsbewußtseins wird vielleicht deutlicher, daß das Phänomen des Spieles und des Spielerlebens nur verständlich werden kann, wenn die Abhebung gegen etwas Anderes, Gültiges möglich ist. Das Bewußtsein der Relativität aller Ordnungen ist nicht denkbar, wenn es nicht bezogen wird auf etwas nicht zu Relativierendes, für dasselbe Bewußtsein Feststehendes. Das Bewußtsein hätte kein Kriterium, an dem es seine Freizügigkeit der Interpretation, seinen Setzungscharakter bemerkt. Vom Standpunkt der philosophischen Reflexion " Vgl. ζ. B. ebd. 109. „ . . . und das ganze Spielwerk wiederholt ewig seine Weise, die nie eine Melodie heißen darf . . . " (WW V, S. 148). « Vgl. ebd., WW V, S. 148. M Ebd. 112., WW V, S. 154.
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aus, die sich gewissermaßen sowohl vom Spiel als audi von der Wirklichkeit distanziert, konzentriert sich die Fragestellung damit auf die Anerkennung von etwas Notwendigem, das über das Spiel hinaus gilt. Wenn alles zufällig ist, woran sollen die Zufälligkeiten als Zufälligkeiten erkannt werden? Wenn alles Bild ist, letztlich auch der Bildner selbst, woher soll er wissen, daß dies „sein" Bild ist?97 Nimmt man Nietzsches Hinweis ernst, daß auch die These von der Unhaltbarkeit einer an sich seienden Welt Interpretation ist98, so muß das Bewußtsein des kontemplativen Menschen in eine Dialektik übergehen; das heißt, auf das Spiel bezogen: Zum Spiel gehört, daß der Spielende weiß, daß er spielt und einem sinnfreien Werden eine Idee zugrunde legt. Er weiß zugleich, daß seine Regeln der Sinngebung Interpretationsregeln sind, und er weiß überdies, daß er selbst, der Interpretierende, schon „interpretiert" ist, Ergebnis eines Spiels von Kräften in ihm oder außer ihm. Er müßte also die Regeln seines Seinsverständnisses aus dem Werden empfangen haben; aber er kann sie nicht aus dem Werden empfangen haben, wenn diesem Werden keine Gesetzlichkeit zukommt außer dem unendlichen Hin und Her von Zufälligkeiten. In der Weiterführung dieses Gedankens muß dem Spielenden zweifelhaft werden, daß er spielt — er relativiert nicht nur die Spielregeln und die Spielidee, sondern das Spiel selbst unter der Frage: wenn alles Fiktion ist, muß dann nicht auch das Geltungsbewußtsein als solches, die Setzung: „dies ist als Spiel gemeint — dies ist für mich Spiel", eine Fiktion sein? Stellt man die Gegenfrage Nietzsches: „Genügt es nicht, Stufen der Scheinbarkeit anzunehmen und gleichsam hellere und dunklere Schatten und Gesammttöne des Scheins, — verschiedene valeurs, um die Sprache der Maler zu reden? Warum dürfte die Welt, die uns etwas angeht, — nicht eine Fiktion sein?"99; so muß man wohl doch zum wenigsten die Antwort geben, daß diese Welt ohne Zweifel Fiktion sein „dürfte", aber daß es dann offenbar verschiedene Fiktionen geben muß: solche, die " Nietzsche beschreibt dieses Problem in etwas anderer Wendung mit dem SpiegelGleichnis: „Versuchen wir den Spiegel an sich zu betrachten, so entdecken wir endlich Nichts als die Dinge auf ihm. Wollen wir die Dinge fassen, so kommen wir zuletzt wieder auf Nidits als auf den Spiegel. — Dies ist die allgemeinste Geschichte der Erkenntniß." (Morgenröthe, 243., WW IV, S. 228). " Vgl. i. e. Nietzsches Kritik der Metaphysik, Kant-Studien 53, S. 515 ff. " Jenseits von Gut und Böse, 34., WW VII, S. 55 f.
§ 4: Subjektivität und Objektivität des Spieles
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nur subjektiv gültig sind wie ein Phantasiespiel, und solche, die zum wenigsten einen größeren Bereich der Gültigkeit umgreifen — die reale Welt. Damit aber fällt auch für den Interpretationsgedanken die Erwägung zurück auf die Frage nach einer Unterscheidung von Spielgesetzlichkeit und objektiver Gesetzlichkeit, Spielbewußtsein und Wirklichkeitsbewußtsein.
Jf 4: Subjektivität
und Objektivität
des Spieles
Der Ursprung des Spieles Wenn man den Versuch machen wollte, die Philosophie der Gegenwart aus einem Grundproblem zu entfalten, so daß ihre Mannigfaltigkeit traditioneller und neuer Fragestellungen sich unter einem gemeinsamen Aspekt darstellt, könnte man auf die Frage nach dem Verhältnis von Subjekt und Objekt zurückgreifen. Wie verschieden sich auch die Ansätze darbieten, von der Systemgebundenheit an Kant oder Hegel bis zur Phänomenologie und Existenzphilosophie und damit auch zum Rückgriff auf die Ursprünge philosophischer Tradition, wie unterschiedlich die systematischen Lösungen sind, unter der Führung der einzelwissenschaftlichen Forschung, als Metaphysik des Geistes oder des Lebens, im schichtentheoretischen Modell und im aporetisdien Verständnis der Grundfragen der Erkenntnistheorie und der Metaphysik